Financial Engineering: Strategien, Bewertungen und Risikomanagement [4., überarbeitete und erweiterte Auflage ed.] 9783110659931, 9783110649604

This textbook illustrates specific strategies, assessments, risk controlling and the financial engineering process, expl

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German Pages 652 Year 2020

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Table of contents :
Vorwort zur vierten Auflage
Inhaltsübersicht
Inhalt
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Modul I: Grundlagen des Financial Engineering
1. Financial Engineering – Aufbau und Konzeption
2. Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering
3. Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering
Modul II: Plain-Vanilla-Derivate
4. Terminbörsen und Terminmärkte
5. Futures
6. Optionen
7. Devisen- und Warentermingeschäfte
Modul III: Non-Plain-Vanilla-Derivate und Strukturen
8. OTC-Derivate und exotische Strukturen In Kapitel 8 werden Sie Folgendes erfahren: – Was
9. Kreditderivate
10. Wetterderivate
11. Börsengehandelte Inflationsderivate
12. Versicherungsderivate
Modul IV: Anwendung von Derivaten und deren Risikomanagement
13. Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios
14. Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement
15. Die Wertpapierleihe und das Repo-Geschäft
16. Risiko- und Sicherheitenmanagement
Schlusswort
17. Appendix: Matrix der Standardmodelle im Financial Engineering
Literatur
Stichwortverzeichnis
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Financial Engineering: Strategien, Bewertungen und Risikomanagement [4., überarbeitete und erweiterte Auflage ed.]
 9783110659931, 9783110649604

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Michael Bloss Financial Engineering

Michael Bloss

Financial Engineering | Strategien, Bewertungen und Risikomanagement Unter Mitwirkung von Manuel Kleinknecht Daniel Sörensen 4., überarbeitete und erweiterte Auflage

ISBN 978-3-11-064960-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065993-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-066089-0 Library of Congress Control Number: 2020942595 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: sunxsand / iStock / Getty Images Plus Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

| Für unsere Studierenden – Ewig Fragende sollt Ihr sein!

Vorwort zur vierten Auflage „Welcher Laie wird wohl je verstehen, dass der Verkäufer der Verkaufsoption bei Aus­ übung der Verkaufsoption durch den Käufer der Verkaufsoption der Käufer der von dem Käufer der Verkaufsoption verkauften Wertpapiere ist?“ Serge Demoliere

Ein stetiges Fortschreiten der Entwicklung im Financial Engineering zeigt, wie wich­ tig diese quantitative Fachrichtung in einer modernen, multilateralen und durch die Digitalisierung in vielen Bereichen beeinflussten Welt ist. Neben den hohen Anfor­ derungen an ein modernes Risikomanagement, sind es gerade die Fragestellungen der korrekten Preisfindung und deren Sensitivitäten, welche immer neue Herausfor­ derungen mit sich bringen. Marktbedingte Änderungen, sowie eine nie dagewesene Zentralbankpolitik in Europa, erschweren in vielfacher Hinsicht das Geben von einfa­ chen Antworten. Wie wichtig hierbei der richtige Umgang mit Risiken, das Herleiten von Preis- und Volatilitätsstrukturen und das gezielte Einsetzen von derivativen In­ strumenten ist, zeigen wir in dieser vierten erweiterten Auflage auf. Auch tragen wir der Änderungen im Bereich der Regulatorik, der neuen risikofreien Zinsen auf robuste Zinsstrukturen und der erweiterten Risikobetrachtung Rechnung. Das Financial En­ gineering und mit diesem die gesamte Welt stehen an der großen Schwelle zu einem neuen digitalen Zeitalter. Während die Disruption alte und angestammte Themen ver­ ändern und teilweise eliminieren wird, werden viele teils hochkomplizierte und auch komplexe neue Gegebenheiten geschafften. Durch einen noch intensiveren Blick auf viele Themenbereiche ergeben sich neue spannende Fragestellungen, deren Beant­ wortung auch das Financial Engineering verpflichtet ist, denn diese sind im wahrsten Sinne des Wortes quantitativ. Es freut uns sehr, dass wir eine vierte überarbeitete Auflage unseres Buches, Fi­ nancial Engineering, in die Hände der Leserinnen und Leser legen können. Diese ak­ tuelle Auflage nimmt die Veränderungen der vergangenen Jahre auf und zeigt ein ak­ tuelles Bild des Financial Engineerings und der damit verbundenen quantitativen und qualitativen Fragestellungen. Es wurde von uns versucht die Dynamik des Financial Engineerings und dessen Intensität in dieser überarbeiteten vierten Auflage zu reflek­ tieren und darzustellen. Dabei haben wir neben der üblichen Fehlerkorrektur, auch die in den letzten Jahren aufgekommenen Neuerungen einbezogen. Es sind viele wichtige Anregungen von Studierenden wie auch von Dozenten ein­ geflossen, denen wir für den konstruktiven Dialog und die Hinweise sehr dankbar sind. Ferner danken wir Anne Koch (Deutsche Börse AG), Rex Jones (Eurex AG), Matthias Schultz (J.P. Morgan Asset Management), Andreas Schneider (IBM) und Dr.-Ing. Sebastian Gross (MathWorks) für deren Unterstützung.

https://doi.org/10.1515/9783110659931-201

VIII | Vorwort zur vierten Auflage

Besonders danken wir dem Verlag De Gruyter Oldenbourg und unserem lang­ jährigen Lektor Herrn Dr. Stefan Giesen für die kompetente und freundschaftliche Zusammenarbeit beim Entstehen dieses Werkes. Stuttgart, im Sommer 2020 Michael Bloss

Wir empfehlen unseren Lesern den Einsatz von Microsoft Excel® und MathWorks MATLAB®. Die für das Financial Engineering ebenfalls maßgeblichen Programmiersprachen sind Python und C++. Des Weiteren empfehlen wir, die aufgezeigten Modelle anhand der wissenschaftlichen Originalveröf­ fentlichungen zu vertiefen.

Inhaltsübersicht Vorwort zur vierten Auflage | VII Abkürzungs- und Symbolverzeichnis | XXIII Abbildungsverzeichnis | XXVII Tabellenverzeichnis | XXXV

Modul I: Grundlagen des Financial Engineering 1

Financial Engineering – Aufbau und Konzeption | 3

2

Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering | 19

3

Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering | 99

Modul II: Plain-Vanilla-Derivate 4

Terminbörsen und Terminmärkte | 117

5

Futures | 151

6

Optionen | 191

7

Devisen- und Warentermingeschäfte | 307

Modul III: Non-Plain-Vanilla-Derivate und Strukturen 8

OTC-Derivate und exotische Strukturen | 353

9

Kreditderivate | 421

10

Wetterderivate | 437

11

Börsengehandelte Inflationsderivate | 445

12

Versicherungsderivate | 449

X | Inhaltsübersicht

Modul IV: Anwendung von Derivaten und deren Risikomanagement 13

Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios | 457

14

Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement | 471

15

Die Wertpapierleihe und das Repo-Geschäft | 507

16

Risiko- und Sicherheitenmanagement | 513

Schlusswort | 557 17

Appendix | 559

Literatur | 595 Stichwortverzeichnis | 607

Inhalt Vorwort zur vierten Auflage | VII Abkürzungs- und Symbolverzeichnis | XXIII Abbildungsverzeichnis | XXVII Tabellenverzeichnis | XXXV

Modul I: Grundlagen des Financial Engineering 1 1.1 1.2 1.3 1.4

1.9 1.10 1.11

Financial Engineering – Aufbau und Konzeption | 3 Was bedeutet Financial Engineering? | 3 Aufbau einer Financial-Engineering-Einheit | 4 Produktdesks einer Financial-Engineering-Einheit | 5 Welche Theorien und Modelle fließen im Financial Engineering zusammen? | 6 Der Financial-Engineering-Prozess | 6 Welche Möglichkeiten einer Emission gibt es? | 8 Public Offering | 8 Private Placement | 8 Flow-Produkte | 9 Tailor Made Zertifikate – Emissionen über Financial Engineering Plattformen | 10 Emittenten | 11 Welches Produkt zu welcher Zeit? | 12 Welche Entwicklung wird das Financial Engineering nehmen? | 15

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.1.8 2.2 2.2.1 2.2.2

Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering | 19 Einführung in die klassische Finanzmathematik | 19 Zinsberechnung | 20 Stetige und diskrete Renditen | 20 Abzinsen und Aufzinsen | 20 Interpolation von Zinssätzen | 20 Die Endwertberechung | 21 Der Barwert | 22 Berechnung von Zero-Zinssätzen | 24 Bootstrapping – Ermittlung von Zinssätzen aus der Zero-Kurve | 24 Wahrscheinlichkeitstheoretische Grundlagen | 25 Die Laplace-Wahrscheinlichkeit | 25 Die frequentistische Wahrscheinlichkeit | 26

1.5 1.6 1.6.1 1.6.2 1.7 1.8

XII | Inhalt

2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.6 2.6.1 2.6.2 2.7 2.7.1 2.7.2 2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.9 2.9.1 2.9.2 2.9.3 2.9.4 2.9.5 2.10 2.11 2.11.1 2.11.2 2.11.3 2.12 2.12.1 2.12.2

Die subjektive Wahrscheinlichkeit | 26 Die bedingte Wahrscheinlichkeit | 27 Stochastische Prozesse | 27 Markov-Prozess | 27 Brownsche Bewegung/Wiener-Prozess | 29 Allgemeiner Wiener-Prozess | 30 Aktienkurse als Prozess und die geometrische Brownsche Bewegung | 33 Lemma von Ito¯ | 35 Martingal | 36 Verteilung | 37 Die Normalverteilung | 37 Lognormalverteilung der Aktienkurse | 41 Korrelationsanalyse | 44 Korrelation | 44 Varianz, Kovarianz und Korrelationskoeffizienten | 48 Duration und Konvexität | 51 Die Duration | 51 Die Konvexität | 52 Statistische Konzepte der Wertpapieranalyse | 53 Berechnung des Betafaktors | 53 Bewertung mittels Duplikation | 55 Value-at-Risk | 57 Wie wird der VaR bestimmt? | 57 Varianz-Kovarianz / Analytische Methode | 57 Historische Simulation | 57 Monte-Carlo Simulation | 58 Entscheidungstheoretische Grundlagen und Ansätze | 59 Die klassische Entscheidungstheorie | 59 Die Spieltheorie | 59 Wer hat welche Information? | 60 Überführung von Spielen mit unvollständiger Information in Spiele mit vollständiger, aber unvollkommener Information | 60 Unterschiedliche Strategien | 61 Financial Engineering und Spieltheorie | 63 Die Risikosteuerung eines Portfolios | 64 Welche Grundfragen stehen vor einem jeden Handeln? | 64 Welche Typen von Investoren gibt es? | 66 Wie gehen neue Investoren mit Derivaten um? | 67 Portfoliotheorie | 68 Das Portfolio-Selection-Modell | 68 Das Single-Index-Modell | 71

Inhalt |

2.12.3 2.12.4 2.13 2.14 2.14.1 2.14.2 2.14.3 2.14.4 2.15 2.15.1 2.15.2 2.15.3 2.15.4 2.15.5 2.16 2.16.1 2.16.2 2.16.3 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.4 3.5 3.6

Das Capital-Asset-Pricing-Modell (CAPM) | 71 Abschließende Würdigung der Modelle | 76 Prozess des Portfoliomanagements | 77 Marktpsychologie und Verhaltensökonomik | 78 Die Marktpsychologie | 78 Die Verhaltensökonomik | 79 Methoden im Behavioural Finance | 80 Abschließende Würdigung | 82 Nicht-lineare dynamische Systeme | 83 Kompliziert oder komplex? | 83 Die Chaostheorie | 83 In welcher Hinsicht hat dies Einfluss auf die Finance bzw. auf die Finanzmärkte? | 85 Unvollkommene Kapitalmärkte | 87 Abschließende Betrachtung der Modelle | 87 Programmiersprachen im Financial Engineering | 88 Datenvendoren (Daten-Bereitsteller) | 89 Grundsätzlichen Herangehensweise beim Erstellen eines Codes | 90 Herausforderungen beim Programmieren | 92 Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering | 99 Ist Ethik in der Finance durchsetzbar? | 103 Was ist im Financial Engineering hinsichtlich Ethik wichtig? | 104 Der Financial Engineer als kompetenter Partner | 104 Der Financial Engineer als konkreter Gestalter | 105 Der Financial Engineer als Hüter des Machbaren | 105 Wie werden ethische Grundsätze kontrolliert? | 107 Grundsätzliche ethische Ansätze für einen Financial Engineer | 107 Was versteht man unter ESG-Kriterien? | 109 ESG-Derivate an der Eurex | 111

Modul II: Plain-Vanilla-Derivate 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

XIII

Terminbörsen und Terminmärkte | 117 Historische Entwicklung von Terminbörsen | 117 Was versteht man unter Termingeschäften? | 120 Standardisierung von Termingeschäften | 123 Welche Funktionen haben Terminbörsen? | 126 Wer sind die Marktteilnehmer an Terminbörsen? | 127

XIV | Inhalt

4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15

Welche weiteren Grundbegriffe werden zum Verständnis von Terminbörsen und Terminmärkten benötigt? | 129 Wie sind Terminbörsen organisiert? | 133 Wie funktioniert eine elektronische Börse? | 133 Was versteht man unter dem Market-Maker-Prinzip? | 135 Wie erfolgt der Handel an der EUREX? | 137 Wer reguliert Terminmärkte? | 138 Welche Produkte können gehandelt werden? | 139 Was versteht man unter Clearing? | 140 Welche Orderspezifikationen gibt es? | 141 Welche Verfallstage gibt es an der EUREX? | 146

5 Futures | 151 5.1 Was sind Futures? | 151 5.2 Futures-Märkte | 152 5.3 Futures-Handel | 152 5.4 Grundstrategien mit Futures | 153 5.5 Hebel bei Future-Transaktionen | 154 5.6 Lieferverfahren | 155 5.7 Index-Futures | 155 5.8 Fixed-Income-Futures | 157 5.9 Devisenfutures (FX Futures) | 159 5.10 Commodity Futures | 160 5.11 Single Stock Futures | 161 5.12 Marktverfassung beim Futures-Trading | 161 5.13 Wie erfolgt die Preisbildung bei Futures? | 162 5.14 Wie erfolgt die Preisbildung bei Fixed Income Futures? | 165 5.15 Was versteht man unter einer CTD-Anleihe? | 168 5.16 Was versteht man unter Final Settlement? | 169 5.17 Welche Verfallstermine gibt es für Futures? | 170 5.18 Welche Future-Strategien gibt es? | 171 5.18.1 Long-Future-Position | 172 5.18.2 Short-Future-Position | 172 5.19 Kauf eines Spread | 174 5.20 Verkauf eines Spread | 175 5.21 Inter-Market Spread | 175 5.22 Interkontrakt-Spread und Intrakontrakt-Spread | 176 5.23 Cash-and-Carry-Arbitrage | 176 5.24 Arbitrage-Strategien für Geldmarktfutures | 177 5.25 Hedges | 180 5.26 Beta-Hedge mittels Indexfutures | 181

Inhalt | XV

5.27 5.28

Warum werden Hedges mittels Futures durchgeführt? | 183 Hedging mit Fixed Income Futures | 183

6 Optionen | 191 6.1 Was sind Optionen? | 191 6.2 Worin unterscheiden sich Optionen? | 193 6.3 Optionshandel | 195 6.4 Was sind Weekly Options? | 197 6.5 Was sind Low Exercise Price Options? | 198 6.6 Das Closing eines Termingeschäftes | 199 6.7 Was ist ein Roll-Over? | 200 6.8 Preisbildung von Optionen | 201 6.9 Wie erfolgt die Preisbildung von Optionen in der Theorie? | 201 6.9.1 Der innere Wert (Intrinsic Value) | 201 6.9.2 Der Zeitwert (Time Value) | 203 6.10 Vorzeitige Ausübung von Optionen | 206 6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis? | 207 6.11.1 Der Kurs des Underlyings | 207 6.11.2 Die Volatilität | 207 6.11.3 Das Newton-Verfahren | 210 6.11.4 Volatilitätsbeziehungen | 211 6.11.5 Volatility-Forecast | 212 6.11.6 Was ist ein Volatility-Surface? | 217 6.11.7 Was ist ein Volatilitäts-Shift? | 219 6.11.8 Der Marktzins | 220 6.11.9 Dividendenauszahlungen | 221 6.11.10 Restlaufzeit | 221 6.11.11 Einfluss von besonderen Kapitalmaßnahmen | 223 6.12 Greeks – Die Sensitivitäten des Optionspreises | 224 6.12.1 Delta | 224 6.12.2 Gamma | 226 6.12.3 Rho | 228 6.12.4 Theta | 228 6.12.5 Vega | 229 6.12.6 Die Ableitung der Greeks aus der Black-Scholes-Formel | 231 6.13 Greeks der nächsten Ordnung | 235 6.14 Was versteht man unter der Put-Call-Parität? | 236 6.14.1 Die Put-Call-Paritätsgleichung | 237 6.14.2 Darstellung der Put-Call-Beziehung mittels eines Duplikationsansatzes | 237 6.15 Wie wird der Optionspreis nach dem Black-Scholes-Modell bestimmt? | 238

XVI | Inhalt

6.15.1 6.15.2 6.15.3 6.15.4 6.15.5 6.16 6.16.1 6.16.2 6.16.3 6.17 6.18 6.19 6.19.1 6.19.2 6.19.3 6.20 6.21 6.22 6.23 6.24 6.24.1 6.24.2 6.24.3 6.24.4 6.24.5 6.25 6.25.1 6.25.2 6.25.3 6.25.4 6.26 6.26.1 6.26.2 6.26.3 6.26.4 6.27 6.27.1 6.27.2 6.27.3

Annahmen des Black-Scholes-Modells | 239 Die Black-Scholes-Formel | 239 Herleitung der Black-Scholes-Formel | 240 Das Black-Scholes-Merton-Modell mit Dividenden | 241 Herleitung der Differentialgleichung nach Black, Scholes, Merton | 243 Wie wird der Optionspreis nach dem Binomialmodell bestimmt? | 246 Grundvoraussetzungen des Binomialmodells | 246 Aufbau eines Trees | 247 Umsetzung des Binomialmodells | 248 Kritik an den Modellen | 249 Konvergenz der Optionspreise im CRR-Modell und der Black-Scholes-Formel | 254 Monte Carlo Verfahren zur Optionspreisbestimmung | 255 Optionspreisbestimmung mit Monte Carlo Simulation | 255 Varianzreduktion | 257 Quasi-Monte Carlo Methode | 257 Dünngitterverfahren (Sparse Grid Methode) | 258 Sprungprozesse – Jump-Diffusions-Modelle | 259 Handelbare Optionspreise | 261 Vanna–Volga Pricing | 262 Strategien mit Optionen | 265 Was beinhalten die vier Grundstrategien im Optionsgeschäft (Plain Vanilla)? | 265 Die Strategie LONG CALL | 266 Die Strategie SHORT CALL | 267 Die Strategie LONG PUT | 270 Die Strategie SHORT PUT | 271 Wie erfolgt ein Hedging mit Optionen? | 273 Der Delta-Hedge | 274 Der Protective Put | 275 Portfolio Insurance mit Calls | 275 Beta-Hedge | 276 Plain Vanilla Optionskombinationen | 276 Straddle | 276 Straps und Strips | 279 Strangle | 279 Spreads | 281 Plain-Vanilla-Optionsstrategien im Überblick | 284 Strategien für eine positive Markteinstellung | 284 Strategien für eine neutrale Markteinstellung | 284 Strategien für eine negative Markteinstellung | 285

Inhalt | XVII

6.27.4 6.28 6.28.1 6.28.2 6.28.3 6.28.4 6.28.5 6.28.6 6.28.7 6.28.8 6.29 6.30 6.30.1 6.30.2 6.30.3 6.30.4 6.31 6.32

Strategien für eine volatile Markteinstellung | 285 Weiterführende Optionsstrategien und deren Aufbau | 286 Butterfly | 286 Condor | 288 Ratio Spread | 288 Back Spread (Call oder Put) | 289 Box-Strategien | 290 Time Spread oder Calender Spread | 292 Long-Risk-Reversal | 293 Short-Risk-Reversal | 293 Wie erfolgt ein Strategieaufbau mit Optionen? | 294 Optionen auf Futures und synthetische Terminmarktpositionen | 297 Wie sind Optionen auf Futures aufgebaut und strukturiert? | 297 Was versteht man unter der Future-Style-Methode? | 298 Wie bewertet man Optionen auf Futures mit dem Black-76-Modell? | 299 Welche Strategien werden mit Optionen auf Futures verfolgt? | 300 Was versteht man unter synthetischen Terminmarktpositionen? | 303 Dokumentation von eingegangenen Derivatepositionen | 303

7 Devisen- und Warentermingeschäfte | 307 7.1 Entwicklung des Devisenhandels | 307 7.2 Grundlagen des Devisenhandels | 307 7.3 Das Währungsrisiko | 309 7.4 Wirtschaftliche Einflussfaktoren der Währungspreisbildung | 310 7.5 Carry Trade | 311 7.6 Das Devisenkassageschäft | 311 7.7 Was sind Devisentermingeschäfte? | 312 7.8 Devisentermingeschäfte im OTC-Handel | 313 7.9 Berechnung des Terminkurses | 315 7.10 Berechnung des Terminkurses über den Swap-Satz | 315 7.11 Devisentermingeschäfte über die Börsen | 316 7.12 Cross Rate | 317 7.13 Devisenhändler haben eine eigene Sprache | 317 7.14 Was sind Devisenoptionen (Currency Options)? | 318 7.15 Die Preisfindung bei Devisenoptionen nach Garman-Kohlhagen | 318 7.16 Was sind FX-Futures? | 320 7.16.1 Preisbildung von FX-Futures | 321 7.16.2 Einsatzmöglichkeiten von FX-Futures | 321 7.16.3 Grundintentionen eines Investors | 322 7.17 NDF – Non Deliverable Forward | 323 7.18 NDO – Non Deliverable Option | 324

XVIII | Inhalt

7.19 7.20 7.20.1 7.20.2 7.20.3 7.21 7.22 7.23 7.24 7.25 7.26 7.27 7.28 7.29 7.30 7.30.1 7.30.2 7.30.3 7.30.4 7.31 7.32 7.33 7.33.1 7.33.2

Warentermingeschäfte vs. Warenkassageschäfte | 324 Commodity-Futures | 325 Opening, Closing und Settlement | 326 Anwendung der verschiedenen Settlements | 327 Auf welche Waren können Termingeschäfte abgeschlossen werden? | 328 Abschluss von Warentermingeschäften | 329 Wann sollte ein Investor Warentermingeschäfte abschließen? | 330 Entwicklungen und Ausblick | 331 Wie kommt bei Commodity-Futures die Preisbildung zustande? | 332 Commodity-Future-Preise | 332 Worin liegt die Problematik einer Contango-Notierung? | 335 Future-Handel | 337 Lagerungsmöglichkeiten | 337 Welche Faktoren können die Preisbildung beeinflussen? | 337 Strategien im Bereich Warentermingeschäfte | 339 Hedging mit Warentermininstrumenten | 339 Spekulation mit Warentermininstrumenten | 340 Arbitrage mit Warentermininstrumenten | 341 Spread mit Warentermininstrumenten | 341 Korrelationsmatrix der Rohstoffe | 341 Kombinationen von Devisen- und Wartentermingeschäften | 341 Strategien mit Devisentermingeschäften | 343 Absicherungsstrategien | 343 Spekulationsstrategien | 344

Modul III: Non-Plain-Vanilla-Derivate und Strukturen 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen | 353 8.1 OTC Derivate | 353 8.1.1 OTC-Derivate als „Flexible Options/Futures“ an der EUREX | 354 8.1.2 Caps, Floors und Collars | 355 8.1.3 Was ist ein Forward? | 359 8.1.4 Was ist ein Swap? | 361 8.1.5 Was beinhaltet ein Swap? | 362 8.1.6 Swap-Arten und deren Aufbau | 362 8.1.7 Swap-Handel | 370 8.1.8 Bewertung von Swaps | 370 8.1.9 Anwendung von Swaps | 373 8.1.10 Beispiele für Swaps | 373 8.1.11 Swap-Confirmation | 391

Inhalt

8.1.12 8.1.13 8.1.14 8.1.15 8.1.16 8.1.17 8.1.18

| XIX

Was sind Swaptions? | 392 Was sind exotische Optionen? | 396 Wie unterscheiden sich exotische Optionen? | 398 Gruppen von exotischen Optionen und deren Funktionsweise | 399 Kombinationen und Kreuzungen von exotischen Optionen | 412 Übersicht Auszahlungsprofile ausgewählter exotischer Optionstypen | 412 Bewertung von exotischen Optionen | 414

9 9.1 9.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.4 9.5 9.6 9.7

Kreditderivate | 421 Wozu dienen Kreditderivate? | 421 Was ist ein Kredit? | 421 Welche Arten von Kreditderivaten gibt es? | 422 Klassische Kreditderivate | 422 Moderne Kreditderivate | 424 Bewertung von Credit Default Swaps (CDS) | 426 CDS – Ein Instrument zur Beurteilung von Marktsituationen | 427 Was sind verbriefte Kreditderivate? | 431 Probleme am Verbriefungsmarkt nach der Finanzkrise 2007 | 433

10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6

Wetterderivate | 437 Grundlagen Wetterderivate | 437 Was für Wetterderivate sind klassisch handelbar? | 437 Welche Instrumente kommen zum Einsatz? | 439 Wie werden Wetterderivate bewertet? | 440 Handel von Wetterderivaten | 441 Welche Marktteilnehmer treten im Handel auf? | 441

11 11.1

11.4

Börsengehandelte Inflationsderivate | 445 Das auktionsbasierende Marktmodell für die Euro-Inflations-Futures | 445 Warum werden Inflationsderivate an Terminbörsen gehandelt? | 445 Wieso ist ein Inflationsderivat für das Portfoliomanagement von Bedeutung? | 446 Wie wird der Preis für den Euro-Inflations-Future berechnet? | 446

12 12.1 12.2 12.3

Versicherungsderivate | 449 Was sind Versicherungsderivate? | 449 Warum und durch wen werden diese gehandelt? | 449 CatBonds | 450

11.2 11.3

XX | Inhalt

Modul IV: Anwendung von Derivaten und deren Risikomanagement 13 13.1 13.2 13.2.1 13.2.2 13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3 13.3.4 13.4 13.5 13.6 13.7 14 14.1 14.2 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5 14.3.6 14.3.7 14.3.8 14.3.9 14.4 14.5 14.5.1 14.5.2

Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios | 457 Was ist Averaging und Pyramiding? | 457 Warum sollte man Positionserweiterungen überhaupt vornehmen? | 458 Gewinnerweiterung | 459 Positionsmanagement bei gegen den Investor laufenden Positionen | 459 Was ist ein Roll-Over? | 461 Roll-Over bei einer gegenläufigen Marktentwicklung | 461 Vorbeugen gegen eine vorzeitige Erfüllung | 462 Verlängern von Positionen, die für den Investor laufen | 463 Cross-Roll-Over | 463 Kombinationen | 464 Positionsmanagement von Swaps und anderen OTC-Derivaten | 464 Der Schlüssel zum Erfolg ist die Liquidität! | 465 Derivate im Portfoliomanagement | 466 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement | 471 Überlegungen beim Design von neuen Produkten | 471 Grundlagenkomponente Zerobond | 473 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau | 474 Das Discountzertifikat | 474 Reverse Convertibles | 476 Das Bonuszertifikat | 478 Hebelprodukte | 479 Optionsscheine | 480 Strukturierte Finanzprodukte mit Zinsoptionen | 481 Strukturierte Inflationsanleihe | 485 Hochstrukturierte Finanzprodukte | 487 Exchange Traded Fund (ETF) | 487 Konstruktionsmatrix Zertifikate | 488 Einsatz von Derivaten im Fondsmanagement | 491 Strategien für den Einsatz von Derivaten im Portfoliomanagement eines Fonds | 491 Warum werden diese Strategien im Portfoliomanagement eines Fonds eingesetzt? | 495

Inhalt

15 15.1 15.2 15.3 15.4 15.5

| XXI

Die Wertpapierleihe und das Repo-Geschäft | 507 Die Wertpapierleihe | 507 Welche Gründe gibt es für ein Wertpapierleihegeschäft? | 508 Das Repo-Geschäft | 509 Wie erfolgt die Preisberechnung für ein Repo-Geschäft? | 509 Warum wird ein Haircut berechnet? | 510

16 Risiko- und Sicherheitenmanagement | 513 16.1 Was ist Risiko? | 513 16.2 Grundlagen des Risikocontrollings und des Risikomanagements | 516 16.2.1 MaRisk als Grundlage des Risikomanagements | 518 16.2.2 Risikocontrolling von Wealth-Management-Kunden | 521 16.2.3 Risikocontrolling im Financial-Engineering | 522 16.3 Unvorhersehbare Marktereignisse – Schwarze Schwäne | 523 16.4 Risikomanagement | 527 16.5 Risikomanagement Systeme | 528 16.6 Was ist das Sicherheitenmanagement? | 528 16.7 Margin | 530 16.8 Margin bei Optionen | 530 16.8.1 Long-Positionen | 530 16.8.2 Short-Positionen | 531 16.9 Margin während der Zeitdifferenz der Belieferung | 532 16.10 Margin bei Futures | 533 16.11 Margin bei Future-Style-Optionen | 535 16.12 Wie erfolgt die Margin-Berechnung für Optionspositionen? | 535 16.13 Berechnung der Glattstellungskosten | 536 16.14 Was ist das Risk Based Margining der Eurex? | 536 16.15 Die Marginarten des Risk Based Margin System der Eurex | 537 16.16 Was ist Eurex Clearing Prisma? | 539 16.16.1 Wie findet die Marginberechnung statt? | 540 16.16.2 Margin-Komponenten | 540 16.17 Vergleich zwischen Eurex Clearing Prisma und dem Risked Based Margin System | 541 16.18 Sicherung der Margin-Verpflichtung | 542 16.19 Der Settlement-Preis | 543 16.20 Was ist ein Margin Call? | 543 16.21 Wie läuft die Zwangsliquidation aus Bank- oder Brokersicht? | 545 16.22 Clearing von OTC-Derivaten | 546 16.23 Individuelle Derivate mit bilateraler Besicherung | 553 Schlusswort | 557

XXII | Inhalt

17

Appendix | 559 Matrix der Standardmodelle | 559 Lernstandskontrollfragen und Lösungen | 566 Glossar | 579 Wertetabelle der Standardnormalverteilung N(z) für z ≥ 0 | 587 Bonitätsbewertung | 588 Rendite und Rating im Kontext | 589 Maßgebliche Terminbörsen weltweit und deren Webadressen | 591 Kontraktdetails und Handelskalender | 592 Über die Autoren | 593

Literatur | 595 Stichwortverzeichnis | 607

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis – wenn im Text nicht anders angegeben – A ATM a B Barwertcum Barwertex BP BG BQ b C CBOE CBOT CCW CDD CDO CDS CHF CLN CME CMS CoC COV c D d dM d1 d2 DAX® DCM DSM DTB dt dz E(..) EE(..) EUR Eurex EVU F F0 FDAX® FGBL

beliebiges Ereignis At The Money Konstante beliebiges Ereignis Barwert der Anleihe mit Kündigungsrecht Barwert der Anleihe ohne Kündigungsrecht Basis Point Berechnungsbasis für quotierte Währung (360 oder 365 Tage) Berechnungsbasis für Gegenwährung (360 oder 365 Tage) Konstante Finanzierungskosten der Kassaposition, Caplet Chicago Board Option Exchange Chicago Board of Trade Covered Call Writing Cooling Degree Days Collateralized Debt Obligation Credit Default Swap Schweizer Franken Credit Linked Notes Chicago Mercantile Exchange Constant Maturity Swap Cost of Carry Kovarianz Wert der Call-Option Veränderung, Wachstumsrate, Dividende, Derivat down, Abwärtsfaktor, Senkungsfaktor monatlicher Senkungsfaktor/Abwärtsfaktor z-Wert der Standardnormalverteilung z-Wert der Standardnormalverteilung Deutscher Aktien Index Direct Clearing Member Daily Simulation Method Deutsche Terminbörse Wachstumsrate von t Veränderung von z Erwartungswert Erwartete zukünftige Rendite Euro European Exchange Energieversorgungsunternehmen Funktion, Dichte, Floorlet Future-Preis DAX® -Future Euro-Bund-Future

https://doi.org/10.1515/9783110659931-202

XXIV | Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

FESX FR FRA FTSE Fw FX f GCM GTZ HDD HICPexT IRG ISDA ITM IV IVREL IVEXP i JPY K KWG L LEPO LIFFE ln M n NB NCM N(d) OGBL OTC OTM p p PF Q q R Ri Rf r rf rG rim rM rQ r1

Dow Jones Euro STOXX 50 Future Forward Rate Forward Rate Agreement Financial Times Stock Exchange Index Forward Foreign Exchange bekannte Rendite General-Clearing-Member Gradtageszahlenindex Heating Degree Days Harmonised Index of Consumer Prices excluding Tobacco Interest Rate Guarantee International Swaps and Derivatives Association In The Money Intrinsic Value, innerer Wert realisierte implizite 30-Tage-Volatilität bei Fälligkeit erwartete implizite 30-Tage-Volatilität bei Geschäftsabschluss Zinssatz japanischer Yen Basispreis, Kontraktvolumen Kreditwesengesetz Lagerkosten (netto) Low Exercise Price Options London International Financial Futures and Options Exchange natürlicher Logarithmus Marktportfolio, Indexmultiplikator, Periodizität der Zahlung eine Anzahl von n Einheiten, Laufzeit der Swaption, Laufzeit gemessen in Zeit-Perioden Nominalbetrag Non Clearing Member Kumulierte Standardnormalverteilung Optionen auf den EURO BUND FUTURE Over the Counter Out Of The Money Wert der Put-Option Portfolio Preisfaktor bedingte Wahrscheinlichkeit Pseudowahrscheinlichkeit risikoloser Zinssatz Rendite risikoloser Zinssatz kongruenter Zins für Laufzeitende risikoloser Zinssatz Zinssatz p. a. in Dezimalen, quotierte Währung Korrelationskoeffizient Monatszins Zinssatz p. a. in Dezimalen, Gegenwährung Auslandszins

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

r2 RK S SOFFEX S0 Sd Su T T-Bond TV t USD U uM VaR WERMA WP X X-Index X/L/V/C-Aktie xi Y y Z z ∆ Γ 𝛲 θ Λ β δ η μ μp μi π σ σ2 τ

| XXV

Inlandszins Regressionskoeffizient Basiswert, Kurs des Underlyings, Spot-Preis, Spread, Summendiskontfaktor, Strike, Projektwert Swiss Options and Financial Futures Exchange Ausgangsszenario in t = 0 Abwärtsszenario Aufwärtsszenario Zeit, Restlaufzeit der Option, Anzahl der Tage, Laufzeit des Kontrakts Treasury Bond Future, USA Time Value, Zeitwert Vorlaufzeit Optionsbeginn US-Dollar up, Steigungsfaktor, Aufwärtsfaktor monatlicher Steigungsfaktor/Aufwärtsfaktor Value at Risk Weather Risk Management Association Wertpapier beliebige Variable, Strike Swap-Satz Beispielindex Beispielaktienwerte Anteil des Wertpapiers i am Portfolio variabler Platzhalter Convenience Yield Zahlungen aus der Swaption, Kuponerträge beliebige Variable Delta Gamma Rho Theta Vega, Lambda Beta, Beta-Faktor Optionslaufzeit standardnormalverteilte Zufallsvariable Drift, Mittelwert erwartete Portfoliorendite Erwartungswert der Rendite des i-ten Wertpapiers, erwartete Rendite Risikoprämie Standardabweichung Varianz Restlaufzeit des Kontrakts

XXVI | Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Diese Symbole leiten Sie durch das vorliegende Buch: Was lerne ich in diesem Kapitel? Beispiele und Erklärungen Merksatz und wichtige Aussage Verweise an andere Medien Fragen zur Lernzielkontrolle

Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1 Abb. 1.2 Abb. 1.3 Abb. 1.4 Abb. 1.5 Abb. 1.6

Aufbau einer Financial-Engineering-Abteilung | 5 Produktgruppen im Financial Engineering | 5 Ablauf eines Financial-Engineering-Prozesses (vereinfacht) | 7 Klassischer Konjunkturzyklus inkl. Bracheninvestitionen | 13 Investmentclock | 14 DAXplus Seasonal Strategy Performance-Index vs. DAX Index | 14

Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5

Relative Häufigkeit | 26 Wiener-Prozess | 31 Allgemeiner Wiener-Prozess | 32 Dichtefunktion der Normalverteilung nach Carl Friedrich Gauß | 37 10 Deutsche Mark, Banknote mit dem Konterfei von C. F. Gauß und der Gauß’schen Glockenkurve | 38 Verteilungsfunktion der Normalverteilung | 39 Verteilungsformen (schematisch) | 39 Histogramm (nicht normalverteilt) | 40 Stetige Zufallsvariable mit Wahrscheinlichkeitsdichte p, wobei die Gesamtfläche P entspricht | 40 Die Lognormalverteilung | 42 Empirisches Histogramm des DAX® , 3.11.2008–31.10.2009 | 43 Geschätzte Lognormalverteilung des DAX® auf Basis von Tagesdaten im Zeitraum 30.12.1998–30.10.2009 | 43 Positiv (1. Grafik) und negativ (2. Grafik) korrelierende Wertpapiere | 45 Wertpapiere mit keiner Korrelation zueinander | 46 Risiko eines Portfolios aus zwei Assets bei unterschiedlichen Korrelationen (Risiko Asset 1 = 15 %, Risiko Asset 2 = 25 %) | 46 Korrelationsmatrix der einzelnen Anlagegruppen (Stand: 08/2009) | 49 Die Konvexität im Verhältnis zur Modified Duration | 53 Beta von BMW im Vergleich zum DAX® | 54 Duplikationsmodell | 56 Varianz der Portfoliorendite in Abhängigkeit von der Anzahl der Portfolioelemente | 65 Aufbau eines Aktionsplans | 66 Minimum-Varianz-Portfolio (grafische Darstellung des Erwartungswertes der Renditen vs. der Standardabweichung der erwarteten Renditen) | 70 Die Kapitalmarktlinie (Capital Market Line) | 73 CAPM Wertpapierlinie | 76 Aufbau eines Portfoliomanagements | 77 Portfolioausrichtung je nach Präferenz des Investors | 78 Lorenz Attractor | 84 Mandelbrot Menge | 85 Quantitative Verfahren | 88 Programmiersprachen im Financial Engineering | 88 Datenanbieter im Financial Engineering | 89 Aufbau Daten-Architektur | 90

Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 2.8 Abb. 2.9 Abb. 2.10 Abb. 2.11 Abb. 2.12 Abb. 2.13 Abb. 2.14 Abb. 2.15 Abb. 2.16 Abb. 2.17 Abb. 2.18 Abb. 2.19 Abb. 2.20 Abb. 2.21 Abb. 2.22 Abb. 2.23 Abb. 2.24 Abb. 2.25 Abb. 2.26 Abb. 2.27 Abb. 2.28 Abb. 2.29 Abb. 2.30 Abb. 2.31 Abb. 2.32

https://doi.org/10.1515/9783110659931-203

XXVIII | Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.33 Abb. 2.34

Datensammlung im Überblick | 91 Prozessablauf bei Neuerstellung Code | 92

Abb. 3.1

ESG Kriterien und deren Untergruppen | 110

Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3

Weltkarte mit den heutigen Zentren des Terminmarkthandels (eingefärbt) | 118 Historischer Zeitstrahl der Derivate | 119 Top 10 der internationalen Terminbörsen nach gehandeltem Volumen im Jahr 2017 (in Mio. Kontrakten) | 120 Erfüllungszeitpunkt Termin- und Kassageschäft | 121 Bedingte und unbedingte Termingeschäfte | 122 Gliederungsstruktur von bedingten und unbedingten Termingeschäften | 123 Opening (Erstorder) Close-out (Gegenorder) | 124 Aufbau einer Derivatebörse mit integriertem Clearing | 127 Die Marktteilnehmer an der Terminbörse | 128 Zinsstrukturkurven | 131 Arten des Market Making | 136 Die Trading-Phasen an der Eurex | 138 Gruppen von Derivaten und deren Beispiele | 139 Mitglieder am Eurex-Handel | 140 Unterschiedliche Orderspezifikationen | 142 Unterschiedliche Ordergültigkeit | 143 EUREX T7 | 144 Order-Tool für Auslandsbörsen (UBS SwissKey System; Buy Order) | 145 Abwicklung eines Mistrades | 146 Verfallstage an der Eurex (Freitagsregelung) | 147

Abb. 4.4 Abb. 4.5 Abb. 4.6 Abb. 4.7 Abb. 4.8 Abb. 4.9 Abb. 4.10 Abb. 4.11 Abb. 4.12 Abb. 4.13 Abb. 4.14 Abb. 4.15 Abb. 4.16 Abb. 4.17 Abb. 4.18 Abb. 4.19 Abb. 4.20 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb. 5.10 Abb. 5.11 Abb. 5.12 Abb. 5.13 Abb. 5.14 Abb. 5.15 Abb. 5.16 Abb. 5.17 Abb. 5.18 Abb. 5.19

Unbedingte Termingeschäfte | 152 Die gängigsten Arten von Futures | 152 Zeitlicher Ablauf einer Future-Transaktion | 153 Mögliche Grundhaltungen eines Future-Investors | 154 Belieferungsarten bei Futures | 155 Produktgattungen an den US-Warenterminbörsen (Ausschnitt) | 160 Basiskonvergenz von Spot- und Future-Preis auf Sicht vor dem letzten Handelstag | 164 Negative oder positive Basis in der Future-Preisbetrachtung | 164 Schematische Darstellung der Basiskonvergenz | 165 Preisverlauf des Euro-Bund-Futures bei normaler und inverser Zinsstrukturkurve | 166 Zinsstrukturkurven | 167 Cheapest to Deliver Anleihen „Euro Bund Future“ | 168 Roll-over-Verlust | 171 Long-Future-Position und seine grafische Darstellung | 172 Short-Future-Position und seine grafische Darstellung | 173 Interkontrakt-Spread und Intrakontrakt-Spread (Beispiel) | 176 Cash and Carry vs. Reverse Cash and Carry | 177 Eonia (oben) vs. ESTR (unten) | 179 Payoff einer Gesamtposition: Long Hedge | 181

Abbildungsverzeichnis |

Abb. 6.1 Abb. 6.2 Abb. 6.3 Abb. 6.4 Abb. 6.5 Abb. 6.6 Abb. 6.7 Abb. 6.8 Abb. 6.9 Abb. 6.10 Abb. 6.11 Abb. 6.12 Abb. 6.13 Abb. 6.14 Abb. 6.15 Abb. 6.16 Abb. 6.17 Abb. 6.18 Abb. 6.19 Abb. 6.20 Abb. 6.21 Abb. 6.22 Abb. 6.23 Abb. 6.24 Abb. 6.25 Abb. 6.26 Abb. 6.27 Abb. 6.28 Abb. 6.29 Abb. 6.30 Abb. 6.31 Abb. 6.32 Abb. 6.33 Abb. 6.34 Abb. 6.35 Abb. 6.36 Abb. 6.37 Abb. 6.38 Abb. 6.39 Abb. 6.40 Abb. 6.41 Abb. 6.42 Abb. 6.43 Abb. 6.44 Abb. 6.45 Abb. 6.46

Optionen Long und Short | 192 Rechte und Pflichten bei Optionen | 193 Europäische vs. amerikanische Optionen | 194 Möglichkeiten der Erfüllung | 195 Verhalten Aktie zur Zero-Strike-Option (inkl. Dividendenerhöhung und Zahlung) | 199 Opening und Closing | 199 Die Zeitwert-Funktion | 203 Zeitwertverfall der beiden Optionen relativ zueinander | 204 Grafische Darstellung eines Long Calls (Optionspreis) | 205 Einflussparameter auf den Optionspreis | 206 Volatilitätsbeziehungen | 208 Historische Volatilität | 209 Implizite Volatilität | 210 Historische 30-Tage- und 250-Tage-Volatilität des DAX® | 211 Volatilitäts-Surface DAX® -Index per 24. Juni 2016 (gerechnet aus impliziten Volatilitäten der DAX-Optionen an der Eurex) | 219 Darstellung des Zeitwertes innerhalb der Optionen (Call und Put) | 222 Darstellung des Delta (Long Call, Short Call, Long Put, Short Put) | 225 Gamma bei Long-Optionen (oben) und Short-Optionen (unten) | 227 Rho in seiner grafischen Darstellung | 228 Theta bei Long-Optionen (oben) und Short-Optionen (unten) | 229 Darstellung des Theta | 230 Vega von Long-Optionen (oben) und Short-Optionen (unten) | 231 Darstellung des Vega | 232 Black-Scholes inkl. Greeks | 233 Der Optionspreis und seine Ableitungen | 233 Put-Call-Parität | 236 Berechnung des Optionspreises nach Black, Scholes | 243 Berechnung des Optionspreises nach Black, Scholes, Merton (mit Dividenden) | 244 Binomialschritt im Einperiodenfall | 246 Binomialschritt im Aufbau | 247 Erster Binomialschritt | 248 Aufbau eines Mehrperiodenbinomialbaumes inkl. Underlying | 250 Volatility Smile vs. konstante Volatilität | 251 Volatility Smile Deutsche Bank AG | 252 Volatility-Surface einer beliebig modellierten Aktie | 253 Cox, Ross, Rubinstein Modell (CRR) vs. Black Scholes Model | 254 Simulierte Kursverläufe mittels Monte-Carlo Simulation | 256 Uniform-Zufallszahlen und Quasi-Zufallszahlen | 257 Daimler Optionen an der Eurex | 262 Einzelkomponenten eines Vanna-Volga Portfolios | 263 Gewinn- und Verlustszenario beim Long Call | 267 Gewinn- und Verlustszenario beim Short Call | 268 CCW Payoff inkl. G&V Rechnung | 268 Gewinn- und Verlustszenario beim Long Put | 271 Gewinn- und Verlustszenario beim Short Put | 272 Gewinn- und Verlustszenario bei Long Straddle | 278

XXIX

XXX | Abbildungsverzeichnis

Abb. 6.47 Abb. 6.48 Abb. 6.49 Abb. 6.50 Abb. 6.51 Abb. 6.52 Abb. 6.53 Abb. 6.54 Abb. 6.55 Abb. 6.56 Abb. 6.57 Abb. 6.58 Abb. 6.59 Abb. 6.60 Abb. 6.61 Abb. 6.62 Abb. 6.63 Abb. 6.64 Abb. 6.65

Gewinn- und Verlustszenario beim Short Straddle | 278 Gewinn- und Verlustszenario beim Long Strangle | 280 Gewinn- und Verlustszenario beim Short Strangle | 281 Grundarten von Spreads | 282 Debit Bull Spread (Payoff) | 282 Credit Bear Spread (Payoff) | 283 Strategieübersicht mit Markt- und Volatilitätseinstufung (Grundstrategien) | 286 Long Butterfly | 287 Short Butterfly | 287 Long Condor | 288 Short Condor | 288 Ratio Call Spread | 289 Ratio Put Spread | 290 Long Box | 291 Short Box | 291 Long-Risk-Reversal | 292 Short-Risk-Reversal | 293 DAX® (unten) vs. DAX® VOLATILITÄT (oben) | 295 Optionsbewertung mittel Black-76-Modell | 300

Abb. 7.1 Abb. 7.2 Abb. 7.3 Abb. 7.4 Abb. 7.5 Abb. 7.6 Abb. 7.7 Abb. 7.8 Abb. 7.9 Abb. 7.10 Abb. 7.11 Abb. 7.12 Abb. 7.13 Abb. 7.14 Abb. 7.15

Anteile der Währungspaare am Handel (Stand 2016) | 308 Devisen-Notierungsarten | 309 Wechselkursrisiko und Kurserwartung am Beispiel Euro/USD | 310 Kassageschäft (Abwicklung mittels Pricingsystem Medusa) | 312 Mögliche Zinsrelationen zwischen zwei Währungen | 313 Handel eines Risk Reversal über das Pricingsystem Medusa | 314 Devisentermingeschäfte | 316 Beispiel für ein Cross Rate | 317 Bewertung mit dem Garman-Kohlhagen-Modell | 319 Übersicht Euro/USD Future | 322 NDF–EUR/BRL Szenarioanalyse | 324 Abschluss eines Warentermingeschäftes | 325 Settlement-Varianten und deren Realisierung | 327 Produktspezifikationen für ein physisches Settlement (hier: Zucker Nr. 11) | 328 Den Warentermingeschäften zugrunde liegende Güter (vereinfacht dargestellt) | 329 Contango und Backwardation | 333 Contango (oben) und Backwardation (unten) | 333 Terminmarktkurve WTI | 334 Contango-Problematik bei Future-Positionen | 336 Contango-Situation bei Light Crude Oil (CL) an der NYMEX | 336

Abb. 7.16 Abb. 7.17 Abb. 7.18 Abb. 7.19 Abb. 7.20 Abb. 8.1 Abb. 8.2 Abb. 8.3 Abb. 8.4 Abb. 8.5 Abb. 8.6

Zahlungsströme bei einem Long Cap inkl. Grundgeschäft (Kredit mit variabler Zinsseite) | 355 Zinsobergrenze beim Cap | 356 Das Cap aufgeteilt in die einzelnen Caplets | 357 Floor aufgeteilt in die einzelnen Floorlets | 358 Swap | 361 Beispiel für einen Swap | 363

Abbildungsverzeichnis |

XXXI

Abb. 8.7 Abb. 8.8 Abb. 8.9 Abb. 8.10 Abb. 8.11 Abb. 8.12 Abb. 8.13 Abb. 8.14 Abb. 8.15 Abb. 8.16 Abb. 8.17 Abb. 8.18 Abb. 8.19 Abb. 8.20 Abb. 8.21 Abb. 8.22 Abb. 8.23 Abb. 8.24 Abb. 8.25 Abb. 8.26 Abb. 8.27 Abb. 8.28 Abb. 8.29 Abb. 8.30 Abb. 8.31 Abb. 8.32 Abb. 8.33 Abb. 8.34

Swap-Beispiel mit Kredit als Grundgeschäft | 363 Payer- und Receiver-Seite eines Swaps | 364 Beispiel für einen CMS Swap | 365 Schemazeichung eines Dividendenswaps | 366 Zahlungsströme für den abgeschlossenen Dieselölswap | 368 Der Assetswap | 369 Swap-Bewertung Plain-Vanilla-IR-Swap | 372 Zahlungsströme Inflation Payer Swap | 375 Zahlungsströme Inflation Receiver Swap | 377 Verbraucherpreisindex (Inflation ex. Tabaco) | 378 EUR/TRY-Swap | 379 EUR/TRY-Wechselkurs | 380 Mögliche Zinszahlungen | 381 Swap inkl. Referenzzinssatz und Korridore | 383 12-Monats-EURIBOR 2000–2008 inkl. Korridore | 384 3- und 12-Monats-EURIBOR | 384 Zahlungsstöme des Swaps | 386 Betrachtung der Swap-Parameter | 388 Analyse der historischen Währungskursentwicklung | 388 Grafische Szenarioanalyse zum Swap-Verlauf | 389 Step-Down Swap | 390 Zeitlicher Ablauf einer Swaption | 393 Settlement-Möglichkeiten einer Swaption und deren Auswirkung | 395 Exotische Optionen | 398 Exemplarisches Verhalten eines Down-and-Out-Put | 400 Digital- vs. Standard-Call Payoff bei Fälligkeit (Long Call) | 404 Compound-Optionen | 406 Schematische Darstellung des Auszahlungsverlaufs einer Cliquet-Option | 411

Abb. 9.1 Abb. 9.2 Abb. 9.3 Abb. 9.4 Abb. 9.5 Abb. 9.6 Abb. 9.7 Abb. 9.8 Abb. 9.9 Abb. 9.10 Abb. 9.11 Abb. 9.12 Abb. 9.13

Kreditderivat | 423 Zahlungsströme des Sicherungsnehmers und Sicherungsgebers | 423 Credit Default Swap | 424 CDS Bewertung nach DVFA | 427 CDS Sovereign Debt | 428 Funding-Spreads von exemplarisch ausgewählten Emittenten (Laufzeit 5 Jahre über 1 Jahr normiert) | 428 CDS ausgewählter großer Geschäftsbanken | 429 EURIBOR 3 Monate und 1 Jahr, EONIA seit 2008 bis 2013 (Anfang) | 430 Aufbau eines CLN mit Cash-Settlement | 431 CLN ohne Kreditereignis | 432 CLN mit Kreditereignis | 432 Euro-Neuemissionen (klassisch) inkl. Spreadaufschläge über CDS | 434 CDS-Aufschläge der einzelnen Banken in Basispunkten | 435

Abb. 10.1 Abb. 10.2

Übersicht Wetterderivate nach Gruppen | 438 Instrumente im Handel mit Wetterderivaten | 440

Abb. 11.1

Inflationsrate in Deutschland von 1950–2018 | 446

XXXII | Abbildungsverzeichnis

Abb. 12.1

CatBond Payoff-Zahlungen mit und ohne Eintritt des Katastrophenfalls | 451

Abb. 13.1 Abb. 13.2 Abb. 13.3 Abb. 13.4 Abb. 13.5 Abb. 13.6

Schematische Darstellung Averaging | 457 Schematische Darstellung Pyramiding | 457 Schematische Darstellung der Beispiel-Erweiterungsstrategie (Pyramiding) | 461 Vermeiden vorzeitiger Erfüllung durch Roll-Over | 462 Closing Ursprungsgeschäft (Altgeschäft) | 463 Opening neues Geschäft als Fortführung des Ursprungsgeschäfts mit anderem Underlying | 464

Abb. 14.1 Abb. 14.2 Abb. 14.3 Abb. 14.4 Abb. 14.5 Abb. 14.6 Abb. 14.7 Abb. 14.8 Abb. 14.9 Abb. 14.10 Abb. 14.11 Abb. 14.12 Abb. 14.13 Abb. 14.14 Abb. 14.15

Derivatebaum | 472 Payoff eines Discountzertfikates | 474 Payoff eines Reverse Convertible Bond (Aktienanleihe) vs. Direktinvestment in die Aktie | 476 Payoff klassisches Bonuszertifikat | 478 Payoff Capped Bonuszertifikat | 479 Aufbau eines Reverse Floater | 485 Aufbau eines Leveraged Floater | 486 Schematischer Aufbau eines Exchange Traded Fund (ETF) | 488 Payoff Call-Volatility-Trade | 492 Payoff Put-Volatility-Trade | 493 Payoff Combo vs. Long Underlying | 493 Payoff Put Spread vs. Underlying | 494 Payoff Conversion vs. Underlying | 495 Outperformance Protective Put vs. DAX® | 496 Long DAX® vs. DAX® mit CCW-Strategie | 497

Abb. 15.1

Schema einer Wertpapierleihe | 507

Abb. 16.1 Abb. 16.2 Abb. 16.3 Abb. 16.4 Abb. 16.5 Abb. 16.6 Abb. 16.7 Abb. 16.8 Abb. 16.9 Abb. 16.10 Abb. 16.11 Abb. 16.12 Abb. 16.13 Abb. 16.14

Unterscheidung der verschiedenen operativen Einheiten | 519 Aufbauorganisation bei zwei Vorständen | 520 Aufbauorganisation bei vier Vorständen | 521 Risikocontrolling | 524 Risk-based-Margin-Berechnung für Short Puts | 531 SPAN Margin-Berechnung für Short Calls (3) und Short Puts (2) | 532 Euro/USD-Future an der CME, SPAN-Methode | 533 Margin-Berechung FDAX® an der Eurex, Risk-based-Methode | 534 Die Margin-Arten im Überblick | 538 Anwendbare Margin Komponenten | 541 Margin Call | 544 Börsengehandelte Derivate vs. OTC-Derivate | 547 OTC-Derivatevolumen nach Assetklassen in T-USD | 548 Marginkomponenten für OTC-Transaktionen die über Eurex Clearing AG als CCP abgewickelt werden | 549 Veränderung Handelsvolumen an der Eurex Group in Mio. Kontrakten | 550 Eurex Clearing Prisma | 551 CCP als Handelsabwicklung und im regulatorischen Umfeld | 552

Abb. 16.15 Abb. 16.16 Abb. 16.17

Abbildungsverzeichnis |

Abb. 17.1 Abb. 17.2

Zusammenhang Anleihenrendite und Rating | 589 Korrelation einzelner Märkte (Stand: Juli 2009) | 589

XXXIII

Tabellenverzeichnis Tab. 2.1 Tab. 2.2 Tab. 2.3

Portfoliokorrelationen | 47 Korrelation der internationalen Aktienmärkte (2007) | 48 Korrelationskoeffizienten – Werte und Bedeutung | 50

Tab. 4.1 Tab. 4.2 Tab. 4.3

Hexensabbat | 125 Szenarioerklärung für Zinsinstrumente | 132 Beispiele für ein Handelsbuch (Beispiel hier: Future auf DAX® -Index) | 134

Tab. 5.1 Tab. 5.2 Tab. 5.3 Tab. 5.4 Tab. 5.5 Tab. 5.6 Tab. 5.7 Tab. 5.8 Tab. 5.9 Tab. 5.10 Tab. 5.11 Tab. 5.12 Tab. 5.13

Öffnen und Schließen von Positionen in Futures | 154 Häufig gehandelte Index-Futures | 157 Grundintentionen von Future-Investoren | 157 Laufzeitenstruktur unterschiedlicher Fixed Income Futures | 159 Grundintentionen im Fixed Income Future Handel | 159 Mögliche FX Futures (Währungskombinationen) | 160 Grundintention von Single Stock Futures | 161 Marktverfassung im Future-Handel | 162 Future-Basis | 163 Berechnung Fixed Income Futures | 167 Übersicht der möglichen Future-Serien am Beispiel des DJ EURO STOXX 50® Futures | 170 Spreads | 175 Betawerte | 182

Tab. 6.1 Tab. 6.2 Tab. 6.3 Tab. 6.4 Tab. 6.5 Tab. 6.6 Tab. 6.7 Tab. 6.8 Tab. 6.9 Tab. 6.10 Tab. 6.11 Tab. 6.12 Tab. 6.13 Tab. 6.14 Tab. 6.15 Tab. 6.16

Rechte und Pflichten bei Optionen | 193 Möglichkeiten der Preisstellung | 202 Volatilitäts-Surface DAX® Index | 218 Dividendenzahlungen als Einfluss auf den Optionspreis | 221 Klassische Einflussparameter im Überblick | 224 Übersicht der klassischen Greeks | 224 Vorzeichen Call- und Put-Delta | 226 Deltawerte in der jeweiligen Optionssituation | 226 Vorzeichenübersicht der Greeks | 230 Sensitivitäten des Optionspreises (Beispiele) | 234 Sensitivitätsableitungen des Optionspreis | 235 Die vier Grundpositionen im Optionsgeschäft | 273 Die vier Grundpositionen in der Übersicht und deren Erwartungshaltung | 273 Übersicht über Optionen auf Futures | 298 Trading-Book mit Erweiterungspositionen | 302 Kombinationsmöglichkeiten | 303

Tab. 7.1 Tab. 7.2 Tab. 7.3 Tab. 7.4

Beispiele für die Sprache von Devisenhändlern | 317 Währungsfutures und deren Grundintension | 320 NDF–EUR/BRL Szenarioanalyse | 323 Opening- und Closing-Transaktionen | 326

https://doi.org/10.1515/9783110659931-204

XXXVI | Tabellenverzeichnis

Tab. 7.5 Tab. 7.6

Relation zwischen Kassa- und Future-Preis | 332 Korrelationsmatrix Commodity | 342

Tab. 8.1 Tab. 8.2 Tab. 8.3 Tab. 8.4 Tab. 8.5 Tab. 8.6 Tab. 8.7 Tab. 8.8 Tab. 8.9 Tab. 8.10

Datenblatt zum Collar (Einzelkomponenten) | 359 Vergleich zwischen Forward und Future | 361 Markterwartung | 373 Szenarioanalyse | 391 Swaptions und deren Gegenposition | 393 Swaption und die nach der Swap-Ausübung bestehende Swap-Position | 394 Eigenschaften von Swaptions | 396 Knock-in-/out-Optionen | 399 Übersicht der Barrier Options | 401 Basket-Option-Preisbildung, Abschluss vs. Fälligkeit | 409

Tab. 13.1

Beispiel-Portfolio und Erweiterung durch Termingeschäfte | 467

Tab. 16.1

Vergleich Eurex Clearing Prisma und Risked Bases Margin System | 542

Tab. 17.1

Weltweite durchschnittliche Ausfallrate kumuliert von 1981–2016 in Prozent | 590

| Modul I: Grundlagen des Financial Engineering

1 Financial Engineering – Aufbau und Konzeption In Kapitel 1 werden Sie Folgendes erfahren: – – –

Was ist Financial Engineering? Wie sind Financial-Engineering-Abteilungen aufgebaut? Welche Aufgaben haben diese Abteilungen?

1.1 Was bedeutet Financial Engineering? Financial Engineering bedeutet grundsätzlich das Entwickeln, Bewerten und Gestal­ ten von Finanzlösungen. Diese Finanzlösungen können sowohl Kreditlösungen als auch Investmentlösungen sein. Dabei werden bestehende Probleme bzw. Anforderun­ gen mithilfe von Derivaten, Kombinationen oder innovativen Ideen gelöst. Das Finan­ cial Engineering ist folglich eine interdisziplinäre Fachrichtung, welche nach inno­ vativen Lösungen sucht. Dabei ist das Financial Engineering ein Über- bzw. Sammel­ begriff für die Fachbereiche Computational Finance und Quantitative Finance. Es gilt sehr vielschichtig und ist nicht als isoliert zu betrachten. Nach den Schwierigkeiten der Finanzkrise 2007 und der Folgejahre wurde das Investmentbanking vielerorts grundsätzlich umstrukturiert und neu aufgestellt. So sind reine Investmentbanken rar geworden. Die meisten Financial-Engineering-Abtei­ lungen sind daher integrierte Departments von großen Bankkonzernen. Ihre Aufga­ be ist es, sowohl für das eigene Haus als auch für Drittanbieter „Tailor Made Solu­ tions“ zu entwickeln. Damit ist das Financial Engineering ein hoher Ertragstreiber und ein grundlegendes Geschäftsfeld von Investment- und Großbanken. Im Zuge der fort­ schreitenden Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten, auch im Rahmen der großen Digitalisierungsthemen, welche das Investmentbanking beschäftigen, entwi­ ckelt sich das Geschäftsfeld Financial Engineering maßgeblich weiter. Computational und quantitative Finance sind hier zusammengeführt und bilden die mathematische Grundlage für moderne Prozesse, Produkte und Bewertungsmethoden. Neue Risiko­ managementsysteme und ein zielgerichtetes Eigenkapitalmanagement leisten hierzu ebenfalls einen großen Beitrag. Was ist eigentlich das Investmentbanking? Der Begriff Investmentbanking ist ein Sammelbegriff für die Geschäftsfelder einer Bank, welche sich mit kapitalmarktorientierten Geschäften auseinandersetzen (Capi­ tal & Markets). Heute fasst man diese Transaktionen oft unter dem Begriff „Finance“ zusammen. Ihm gegenüber steht der Begriff „Banking“, welcher das klassische Bankgeschäft des Commercial- und Retail-Banking bezeichnet. Also das Geschäft in dem es um Einla­ https://doi.org/10.1515/9783110659931-001

4 | 1 Financial Engineering – Aufbau und Konzeption

gen- und Ausleihungen aber nicht zum Beispiel um Wertpapiere (Handel) geht. Das Investmentbanking umfasst somit alle Geschäftsfelder einer Bank, welche sich um am Kapitalmarkt befindliche Transaktionen kümmern. Dies beinhaltet neben dem klassi­ schen Emissionsgeschäft, dem Corporate Finance,, dem Structured Finance und dem Mergers & Acquisitions (M&A)-Geschäft auch die Geschäftsfelder der Vermö­ gensverwaltung für Großkunden (sowohl für institutionelle Kunden als auch für pri­ vate Kunden (hier wird dann von Wealth Management gesprochen)) sowie die Wag­ niskapitalbereiche (Venture Capital) eines Finanzintermediäres¹

1.2 Aufbau einer Financial-Engineering-Einheit Grundsätzlich sind alle Financial-Engineering-Einheiten nach demselben Prinzip auf­ gebaut. Hierbei werden die zueinander gehörenden Einheiten in drei Gruppierungen gebündelt: – Front Office – Middle Office – Back Office Das Front Office, oder auch Salesdesk genannt, ist sowohl für die Kreation (Ideen­ findung und Besprechung mit den Kunden) von neuen Produkten als auch für deren Verkauf verantwortlich. I. d. R. ist hier auch das Tradingteam (das die Hedging- und Handelstransaktion etc. abwickelt) angesiedelt. Im Middle Office werden die organi­ satorischen Ansätze, die mit der Entwicklung und Planung von neuen Produkten zu­ sammenhängen, verfolgt (Tagesgeschäft). Das Back Office übernimmt die Abwicklung der getätigten Transaktionen, das Controlling, die zahlungsmäßige Abwicklung sowie die Abgleicharbeiten und führt die Konten. Damit greifen alle drei Abteilungen wie Zahnräder ineinander. Sie arbeiten gemeinsam, aber mit klar abgegrenzten Themen­ gebieten. Zusätzlich zu den beschriebenen Abteilungen, sind in Financial-EngineeringAbteilungen noch folgende Organisationseinheiten angeschlossen (jedoch eigen­ ständig): – Marketingabteilung – Betreuung der Kunden (Unterstützung von Sales, auch Veranstaltungsma­ nagement etc.); als Kunden gelten hier andere gleichgestellte Gegenparteien. – aktives Marketing (Prospekte, Werbung etc.), sofern im Rahmen der gelten­ den Regulatorik zugelassen. – Rechtsabteilung (Legal Department) – Prüfung der Rechtskonformität – Prüfung und Freigabe der Dokumente 1 Vgl. Reckinger, G., Wolff, V. (Hg.): Finanzjournalismus (Handbuch Journalismus), UVK, Konstanz (2011).

1.3 Produktdesks einer Financial-Engineering-Einheit |



5

Stabsabteilungen – Abwicklung, Clearing, Stammdatenpflege etc. – Compliance

1.3 Produktdesks einer Financial-Engineering-Einheit Die meisten Financial-Engineering-Einheiten sind nach Produktgruppen aufgeteilt. Dies ermöglicht ein zielgesteuertes Controlling sowie ein effizientes und umsetzba­ res Risikocontrolling. Innerhalb dieser Produktgattungen wird wieder in die Bereiche Strukturierung, Sales, Trading, Research, Overviews und Business Management un­ terschieden (vgl. Abbildung 1.1).

Sales

Trading

Financial Engineering

Strukturierung

Research, Overviews, Business Management

Abb. 1.1: Aufbau einer Financial-Engineering-Abteilung

Die Produktaufteilung ist i. d. R. wie in Abbildung 1.2 gegliedert.

Commodities/FX

Fixed Income/ Money Market

Equity Market

Produktgruppen

Abb. 1.2: Produktgruppen im Financial Engineering

6 | 1 Financial Engineering – Aufbau und Konzeption

Es gibt eine derartige Kategorisierung auch für Kreditprodukte. Selbstverständ­ lich vermischt sich der Bereich Anlage- und Kreditprodukte teilweise auch. Gerade Mezzanine-Finanzierungsarten (wie z. B. Genusskapital), strukturierte Finanzierun­ gen und Konsortialkredite (klassischer Konsortialkredit, Club Deal etc.) sowie die in­ novative Weitergabe von Kreditrisiken stehen hier im Vordergrund.

1.4 Welche Theorien und Modelle fließen im Financial Engineering zusammen? Das Financial Engineering eine interdisziplinäre Fachrichtung. Es fließen Fachge­ biete der höheren Mathematik, der Stochastik, der Wirtschaftswissenschaften, die Lehre der Finanzderivate sowie weitere modellbasierende Theorien (wie Spieltheorie und Wahrscheinlichkeitsrechnung) mit ein. Ziel eines jeden Financial-Engineering-Produktes ist, ein bestimmtes Auszah­ lungsprofil (Payoff) abzudecken oder darzustellen. Bevor diese Fachgebiete jedoch im Buchverlauf erarbeitet werden, möchten wir einen kurzen Blick auf den FinancialEngineering-Ablaufprozess werfen. Die Geschichte der Zertifikate (verbriefte Derivate) begann in Deutschland 1989, als die damalige DRESDNER BANK AG (heute COMMERZBANK AG) das erste Indexzertifikat auf den Markt brachte. Es bildete den DAX® ab und wurde somit zum Urzertifikat. Den wirklichen Siegeszug der intelligenten Fi­ nancial-Engineering-Lösungen wurde jedoch erst um das Jahr 2000 eingeläutet. Seit diesem Jahr sind die designten Finanzlösungen nicht mehr wegzudenken.

1.5 Der Financial-Engineering-Prozess Am Anfang dieses Prozesses steht eine Grundidee oder ein Grundproblem (vgl. Abbil­ dung 1.3). Man könnte dieses auch mit dem Initialgedanken² umschreiben. Aus die­ sem Initialgedanken wird ein Auszahlungsprofil abgeleitet, welches es zu realisieren gilt. Dieses Auszahlungsprofil gilt es nun mithilfe von Derivaten oder anderen Finanz­ lösungen darzustellen. Dabei wird das neu zu kreierende Produkt strukturiert und be­ preist. Die Fragen nach den Kosten, der Margengestaltung und den verwendeten Res­ sourcen werden geklärt. Nach diesen Schritten entsteht das Termsheet und die für die regulatorischen Anforderungen notwendigen Dokumente,³ welche alle wichtigen und relevanten Daten des neuen Produktes enthalten. Somit ist eine klare Transparenz ge­

2 Initialgedanke = Beginn eines jeden kreativen Prozesses (Creatio ex nihilo = Schaffung von Neuem aus dem Nichts). 3 Das Termsheet ist ein grundlegendes und sehr wichtiges Instrument. Hierbei werden alle relevanten Daten zur Emission festgehalten und sind damit jederzeit einsehbar und nachvollziehbar. Das Term­

1.5 Der Financial-Engineering-Prozess |

7

geben und alle Daten können jederzeit nachvollzogen und nachgelesen werden. Fra­ gestellungen wie zum Beispiel: die Laufzeit, Ausgestaltung etc. sind somit schnell zu erhalten. Je nach Produktausgestaltung und Zielgruppe (Retail Kunden, Wealth Ma­ nagement bzw. institutionelle Kunden) wird das Produkt nun an die Saleseinheiten übergeben. Die Frage, für welchen Endverbraucher man das Produkt kreiert, wird be­ reits zu Beginn des Prozesses festgelegt. Hier wird hauptsächlich zwischen Retail und Wealth Management sowie institutionellen Investoren unterschieden. Ebenfalls fin­ det eine Unterscheidung zwischen Flow-Produkt und Buy-and-Hold-Produkt statt.

Initialgedanke

Preisberechnung Margengestaltung

Auszahlungsprofil

Dokumentation und regulatorische Dokumente

Darstellung des Produktes und Realisierung

Salesperiode

Abb. 1.3: Ablauf eines Financial-Engineering-Prozesses (vereinfacht)

Diesen stark gerafft dargestellten Prozess durchläuft jedes neue Produkt einer Fi­ nancial-Engineering-Einheit, oft im Rahmen von einem New Product Approval (NPA)-Prozess. Bei einer öffentlichen Emission laufen technische Hintergrundarbei­ ten wie das Anmelden einer Wertpapierkennnummer, Meldung der WP-Stammdaten⁴ und ähnliches parallel. Bei einem „Private Placement“ vereinfacht sich dieser Pro­ zess, da diese Produkte nur einem geschlossenen Kreis zur Verfügung gestellt werden. Ein öffentliches Angebot gibt es hier nicht. Mit der Kreation des neuen Produktes ist der Financial-Engineering-Prozess noch nicht abgeschlossen. Die Financial-Engineering-Abteilungen übernehmen auch die After-Sales-Betreuung der Produkte, das Market Making sowie die Handelsakti­ vitäten inkl. den benötigten Hedgingtransaktionen (meist über einen Tradingdesk

sheet wird oft noch durch Flyer (salesbedingt) erweitert. Ein wichtiges notwendiges Instrument ist der Prospekt, welcher ausführliche Informationen über die Emission enthält. Neben dem Termsheet werden auch alle weiterführenden rechtlichen Dokumentationen durchgeführt (Prospekt; MiFID Un­ terlagen etc.). 4 Hier werden alle relevanten Wertpapierstammdaten zusammengetragen und in einer Datenbank für die Weiterverarbeitung bzw. als Informationsquelle gespeichert.

8 | 1 Financial Engineering – Aufbau und Konzeption

desselben Hauses; Alternativ könnten eventuell „Back-To-Back-Trades“ mit exter­ nen Handelsdesks verwendet werden, falls die internen Ressourcen nicht vorhan­ den sind). Somit ist der oben stehende Prozess nur als „Kreativprozess“ zu sehen. Die einzelnen Einheiten innerhalb des Financial-Engineering-Teams (Sales, Trading, Strukturierung etc.) arbeiten projekt- und produktbezogen zusammen und ergänzen sich dabei. Financial Engineering Plattformen Aufgrund des technischen Fortschritts der vergangenen Jahre (Digitalisierung) und einer deutlichen Reduzierung von Einzelprozessen ist es heute möglich, individuelle Emissionen außerhalb des oben dargestellten Abwicklungsschema darzustellen bzw. dieses zu digitalisieren. An sich erfolgen diese Emissionen über IT basierende Emissionsplattformen.

1.6 Welche Möglichkeiten einer Emission gibt es? Viele Financial-Engineering-Produkte werden im Zuge einer Emission begeben. Hier­ bei unterscheidet man zwischen einer öffentlichen Emission (Public Offering) und der Möglichkeit eines Private Placement.

1.6.1 Public Offering Bei einem Public Offering werden die Papiere einer breiten Masse von Kunden ange­ boten. Es gibt keine Beschränkungen bzgl. der Kunden, der Zeichnungsgröße etc. Das Angebot ist somit öffentlich. Dies ist die klassische und stark verbreitete Methode beim Emittieren von RetailProdukten.

1.6.2 Private Placement Eine Emission die nur für eine eingeschränkte Investorengruppe geöffnet ist. Die Vor­ aussetzungen für ein Private Placement in Deutschland sind derzeit folgende: Es muss kein ausführlicher Wertpapierverkaufsprospekt ausgegeben werden, wenn folgende Kriterien nach §3 WpPG⁵ erfüllt sind: Wenn: 1. sich das Angebot ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet,

5 Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen An­ gebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz –WpPG).

1.7 Flow-Produkte | 9

2. 3. 4. 5.

an weniger als 150 Anleger richtet, die Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 100.000 Euro pro Anleger erworben werden können, die Mindeststückelung von 100.000 Euro eingehalten wird und der Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere im Euro-Wirtschaftsraum we­ niger als 100.000 Euro beträgt, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von 12 Monaten zu berechnen ist.⁶

Warum gibt es diese Regelungen? Sie ergeben sich aus dem Zusammenhang, dass ein klassischer Retail-Kunde (Privatkunde) einem besonderen Schutzbedürfnis unter­ liegt (die Klassifizierung entspricht i. d. R. der höchsten Schutzbedürftigkeit). Folg­ lich ist ihm gegenüber die Aufklärungspflicht größer, als dies bei Institutionellen bzw. Großkunden der Fall ist. Der Gesetzgeber schränkt somit die Möglichkeit eines Private Placement ein. Seit geraumer Zeit wird nun auch vom qualifizierten Anleger in diesem Zusammenhang gesprochen. Der Bankberater muss sich folglich über den Kenntnis­ stand des Kunden gemäß den Regeln des Wertpapierhandelsgesetz WpHG und unter Berücksichtigung von Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I + II) unter­ richtet halten und die jeweiligen Aufklärungsverpflichtungen beachten. Des Weiteren wird für die Kunden i. d. R. ein Beratungsprotokoll, dem die entsprechenden Anhänge beizufügen sind, verpflichtend ausgehändigt. Für die öffentliche Emission müssen neben dem Basisprospekt auch die endgülti­ gen Bedingungen für die Emission, das Termsheet, das Produktinformationsblatt ge­ geben sein. Dabei gehen die Emittenten meist nach dem gleichen Prinzip vor: Der Ba­ sisprospekt für die Produktgattung wird durch die endgültigen Bedingungen für das Produkt ergänzt und damit die Emission durchgeführt. Wir unterscheiden zwischen öffentlichen Emissionen und sogenannten „Private Placement“ Emissio­ nen. Beide Gruppen sprechen eine bestimmte Käuferschicht an und es gelten unterschiedliche regu­ latorische Anforderungen. Welche regulatorischen Anforderungen dies pro Produkt und Investoren­ gruppe sind, regeln die jeweiligen gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen. Da diese stän­ dig einem Wechsel unterliegen und auch sehr unterschiedlich gehandhabt werden, verweisen wir an dieser Stelle an die Originaltexte und die jeweiligen Umsetzungsbestimmungen.

1.7 Flow-Produkte Werden die Produkte nicht mittels einer Sonderemission begeben bzw. handelt es sich bei diesen um Plain-Vanilla-Produkte, welche zur Abdeckung der Produktpalette be­ nötigt werden, so spricht man von Flow-Produkten. Diese werden fortlaufend begeben und je nach Marktausrichtung angepasst. Viele dieser Produkte sind für den klassi­

6 Vgl. §3 WpPG; Commerzbank AG CBCM.

10 | 1 Financial Engineering – Aufbau und Konzeption

schen Retail-Kundenbereich gedacht. So werden z. B. Discountzertifikate, Hebelpro­ dukte etc. fortlaufend je nach Marktausgestaltung begeben, damit die Kunden eine große Auswahl an Zertifikaten haben. Oftmals handelt es sich hierbei um Leeremis­ sionen, welche erst durch Kundenorders am Markt mit Geld gefüllt werden. Aus jedem Sonderemissionsprodukt wird nach dem Ende der Emission und mit Einführung des fortlaufenden Handels ein Flow-Produkt. Die einzige Ausnahme bil­ den Produkte, welche nicht für den Handel vorgesehen sind (keine Börseneinführung und auch kein Sekundärmarkthandel über den Emittenten). Hierbei handelt es sich um reine Private Placements ohne fortlaufende öffentliche Preisfeststellung.

1.8 Tailor Made Zertifikate – Emissionen über Financial Engineering Plattformen Noch vor einigen Jahren war es gängige Praxis Zertifikate im Rahmen großer Einzel­ emissionen, entweder für den Vertrieb á Block oder als Leeremissionen (VolumensGenerierung über Börsenhandel und Zweitmarkt) zu gestalten. Auch heute gibt es diese Vorgehensweise noch, ergänzt wurde sie in den vergangenen Jahren durch das Implementieren von Tailor Made Zertifikaten, welche über sogenannte Emis­ sionsplattformen und Tools generiert werden können. Dabei ist es realistisch schon in Kleinstmengen ab einem Kunden (und kleinen Beträgen z. B. 10.000–50.000 Eu­ ro), Zertifikate zu emittieren. Den Durchbruch zu dieser Flexibilität von ZertifikateEmissionen haben die Emissionsplattformen geschaffen. Diese decken, ausgestattet mit einer ansprechenden Bedienungsoberfläche, die grundlegenden und gängigsten Plain Vanilla Emissionen ab. Dabei ist vom Anlageprodukt bis hin zu Hebelprodukten der Emissionsradius umfangreich. Der Anwender kann die Struktur (z. B. ein Rever­ se Convertible) auswählen, wählt dann das zugrundeliegende Underlying (Equity, Commodity, FX) und die gewünschten Parameter (wie Barriere, Laufzeit, Währung, Settlement, etc.) und erhält mit wenigen Klicks einen handelbaren Preis. Akzeptiert er diesen, wird die Emission direkt durchgeführt. Ebenfalls findet eine Börseneinfüh­ rung der Emission statt. Damit kann ein liquider Handel und eine faire Preisstellung garantiert werden. Ein weiterer großer Vorteil dieser Plattformen ist, dass diese MultiEmittenten-fähig sein können.⁷ Damit wird eine einfache und schnelle Möglichkeit geschaffen, mittels dieser Plattformen, verschiedene Credit-Risks (Emittenten) zu handeln und zu preisen. Dies schafft neben dem zeitlichen Vorteil vor allem eine sehr gute Vergleichbarkeit und eine schnelle Abwicklung. Die im Hintergrund ablaufen­ den Prozesse (Termsheet Generierung, Anlage der Wertpapierstammdaten inkl. ISIN etc.) verlaufen in der Regel ebenfalls automatisiert. Die Preisanfrage an die jeweiligen Emittenten verläuft sehr schnell und oftmals mit einer Geschwindigkeit von unter

7 Anm. es kommt hier auf den Anbieter und dessen Möglichkeiten an.

1.9 Emittenten |

11

einer Sekunde, bzw. von wenigen Sekunden.⁸ Die Rückmeldung der Daten und Preise führt direkt zu einem handelbaren Produkt. Dass dies heute so einfach möglich ist, ist der Entwicklung von selbsttragenden schlanken Prozessen, der fortschreitenden Technologisierung und Digitalisierung der Zertifikate-Emissionen und der deutlichen Weiterentwicklungen im Bereich des Com­ putational Finance zu verdanken. Es gilt als fast sicher, dass immer mehr Transak­ tionen und Emissionen über diese Art von Plattformen abgewickelt werden. Es steht außer Frage, dass diese eine schnelle und konsequente Weiterentwicklung der be­ stehenden, oftmals sehr manuell geprägten Emissionsprozesse darstellt und diese in den kommenden Jahren teilweise oder gar ganz ablösen werden. Dies schafft einen erneuten Quantensprung in der Welt des Financial Engineerings. Was vor wenigen Jahren noch mit vielen einzelnen und teilweise sehr teuren Arbeitsschritten verwirk­ licht wurde, wird heute bereits vollautomatisiert und digitalisiert durchgeführt. Dies schafft auch einen effektive Nutzung des Eigenkapitals und einen optimalen Umgang mit diesem. Des Weiteren lässt sich eine noch zielführendere Risikobetrachtung und anschließend deren Management durchführen. An sich zeigt sich, auch an diesem Bei­ spiel, wie die Digitalisierung verstärkt Einzug in die klassische Finance, welche schon immer sehr IT-lastig war, nimmt. Man kann prognostizieren, dass dies in den kom­ menden Jahren anhalten wird und dass alle Regelprozesse in digitale Prozesse über­ geleitet werden. Daher ist es wichtig, dass man sich hier zukunftsweisend aufstellt. Neben den quantitativen Fragestellungen werden dies vor allem IT- und Simulations­ fragestellungen sein. Also die Themengebiete, des Computational Science and En­ gineering. Hier treffen vor allem die Themen: Risikoerkennung, Risikosimulierung, Risikomanagement, Preisfindung von Derivaten und die Darstellung des Payoff-Pro­ fils aufeinander. Durch diese Entwicklung ist heute schon absehbar, dass vor allem digitale automatisierte hoch quantitativ geprägte Prozesse in den kommenden Jahren hier ausschlaggebend sein werden.

1.9 Emittenten Die Frage nach dem richtigen Emittenten für ein verbrieftes Produkt wurde nach der Insolvenz von Lehman Brothers im Jahr 2008 oft gestellt. Denn formal handelt es sich bei einem Zertifikat um eine Inhaberschuldverschreibung, die im Insolvenzfall nicht durch das Sondervermögen oder den Einlagensicherungsfonds gesichert ist. Daher ist die Wahl des Emittenten von großer Bedeutung. Grundsätzlich kann man folgende Emittenten unterscheiden: – Staatliche Emittenten – Großbanken (Universalbanken)

8 Vgl. Primegate (Commerzbank AG).

12 | 1 Financial Engineering – Aufbau und Konzeption

– –

Investmentbanken Sonstige Banken/Emittenten

Der Staat tritt i. d. R. nicht als Zertifikateemittent, sondern nur als Bond-Emittent in Erscheinung. Verbleiben die Banken der unterschiedlichen Zuordnung. Um sich ein konkretes Urteil über deren Bonität zu verschaffen, ist ein Blick auf die Ratings und die CDS-Rates der jeweiligen Emittenten und im Vergleich zu einem Mitbewerber not­ wendig. Durch diese Beurteilung kann man einen Risikovergleich durchführen. Das­ selbe gilt für die Beurteilung des Kontrahentenrisikos zwischen zwei Emittenten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, darauf hinzuweisen, dass die Wahl eines Emit­ tenten ein zentraler Werttreiber für ein verbrieftes Produkt darstellt. Dies gilt sowohl beim erstmaligen Handel als auch am Sekundärmarkt.⁹ Es gibt auch die Möglichkeit, besicherte Zertifikate zu handeln. Diese bieten dann die Möglichkeit, das Emittenten­ risiko zu reduzieren. Bei der Auswahl des Emittenten ist neben dessen fachlicher Eignung und der Möglichkeit, dass dieser die gewünschte Emission durchführen kann, dessen Credit (also seine Bonität) von ausschlaggeben­ der Bedeutung.

1.10 Welches Produkt zu welcher Zeit? Dies ist eine der entscheidendsten Fragen im Geschäft mit neuen Produktlösungen. Denn nur wenn der Zeitpunkt für eine Emission geeignet scheint, die Konditionen günstig sind und das Marktumfeld stabil ist, macht eine solche Sinn. Dabei muss je­ doch hervorgehoben werden, dass Plain-Vanilla-Produkte fortlaufend begeben wer­ den (z. B. Discountzertifikate, Aktienanleihen etc.). Produkte, welche einen speziellen Hintergrund haben, z. B. eine Inflationsanleihe, sind Markt und Umfeld abhängig zu beurteilen. Für diese gilt die oben gestellte Frage. Doch wie erkennt man, was günstig ist? In der Regel ist dies durch Marktanforde­ rungen gegeben. Hier kommt es folglich auf die Erwartungshaltung der Marktteilneh­ mer an. Nehmen wir das Beispiel der Inflationsanleihe. Diese bringt eine Verzinsung in Form der festgestellten Inflation multipliziert mit einem Hebefaktor (z. B. 150 Pro­ zent). Es macht wenig Sinn, ein solches Instrument einzustellen, wenn man von ei­ ner sinkenden bzw. gleichbleibenden Inflation ausgeht. Die Marktmeinung muss eine

9 Dies kommt im „Funding Spread“ zum Ausdruck. Große Emittenten veröffentlichen hierzu regelmä­ ßig Funding-Tabellen mit Aufschlägen, die sich an Laufzeit, Nominale und eventuellen Kündigungs­ rechten orientieren. Das Funding kann dem Marktzinsniveau entsprechen, jedoch je nach Liquitäts­ lage des Emittenten auch deutlich davon abweichen (Funding-Aufschlag). In der Literatur wird diese Komponente meist über einen Zerobond zur Verdeutlichung abgedeckt.

1.10 Welches Produkt zu welcher Zeit? | 13

Konjukturzyklus

Nicht zyklisch Zyklisch

Gesundheit/Pharma/Telekommunikation/ Verbrauchsgüter/Versorger

Finanzwerte/Gebrauchsgüter/ Informationstechnologie/Energie

Frühzyklisch Industrie/Grundstoffe

Abb. 1.4: Klassischer Konjunkturzyklus inkl. Bracheninvestitionen

steigende Inflation (während der Laufzeit) sein. Nur so ist die Kuponzahlung im Er­ wartungsfeld des Investors (Inflation multipliziert mit 150 Prozent).¹⁰ Ein weiteres Augenmerk sollte man auf den Konjunkturzyklus legen. Anhand der nachfolgenden zwei Grafiken (Abbildung 1.4 und 1.5) lässt sich gut erkennen, wie die unterschiedlichen Branchen und Investitionsmöglichkeiten in den jeweiligen Kon­ junkturszenarien eingesetzt werden sollten. Wie wir anhand der Darstellung sehen, ist das Timing für eine Emission sehr wich­ tig. Daher ist ein schnelles und zielgerichtetes Umsetzen von „Spezialprodukten“ ein unbedingtes Muss. Dies gilt auch für die Preis- und Margengestaltung. Wie so oft im Leben, es kommt auf das Timing an. Bei Emissionen ist dies ebenfalls von ausschlag­ gebender Bedeutung. Denn das Timing wird sich auf die Preisfindung der Emission genauso stark auswirken, wie auf die Entscheidung eines Käufers sich an dieser zu beteiligen.

DAXplus Seasonal Strategy Performance-Index Das auch saisonal diversifizierte Allokation einen Portfolionutzen erzeugen kann, zeigt das Bei­ spiel des DAXplus Seasonal Strategy Performance-Index. Dieser bildet die saisonalen Beson­ derheiten des DAX Index und dessen Indexwerte so ab, dass in diesem saisonal diversifiziert in­ vestiert wird und dies in die Indexperformance eingeht. Wie man Abbildung 1.6 entnehmen kann, entwickelt sich der DAXplus Seasonal Strategy Performance-Index gegenüber dem DAX Index mit einer besseren Performance, da die saisonal schwachen Zeitpunkte nicht allokiert werden.

10 Im Allgemeinen kann ein Investor einen besseren Hebefaktor erreichen, wenn seine Erwartungen von der Marktmeinung (abzulesen in Forwards, implizite Vol-Levels und Korrelationen) abweichen.

14 | 1 Financial Engineering – Aufbau und Konzeption

Inflation Rises

Tel ec ls o ia taples i s D S c r r e eti r um o ns

Co

Fin s & Cons anc tical um e

“Reflation“

es

Cash Defensive Value

Ut i Ph liti ar m

Bonds Defensive Growth

modities Cyclical Value

Growth Weakens

Stocks Cyclical Growth

Zinskurve flacher

Oil & Gas

Growth Recovers

“Overhead“

als tri

In s ch & Basic M dus m fo Te at s In y r a n Com-

eu ac

“Recovery“

“Stagflation“ Inflation Falls

Abb. 1.5: Investmentclock¹¹

Abb. 1.6: DAXplus Seasonal Strategy Performance-Index vs. DAX Index¹²

11 Quelle: Merrill Lynch. 12 Quelle: ThomsonReuters.

1.11 Welche Entwicklung wird das Financial Engineering nehmen? |

15

1.11 Welche Entwicklung wird das Financial Engineering nehmen? Wir gehen von einer weiterhin steigenden Bedeutung des Financial Engineerings in­ nerhalb der Finance aus. Gerade durch die Möglichkeiten, innovativ und zielgerich­ tet Produkte zu entwickeln, ist dem Financial Engineering fast keine Grenze gesetzt. Hierbei ist der richtige Umgang mit den Risiken, deren Beurteilung und Transfer von großer und entscheidender Wichtigkeit. Laut einer Untersuchung der Commerzbank AG sind 76 Prozent der gehandelten Zertifikate in defensiven Risikoklassen mit einem geringeren Anlegerrisiko als in Ak­ tien zu finden. Dabei sind 98,7 Prozent klassische Anlageprodukte mit einer mittelbis langfristigen Haltedauer. Lediglich ca. 1,3 Prozent sind in Hebelprodukten (mit einem Totalausfallrisiko behaftet) investiert.¹³ Dabei werden von Investoren oft klare und einfach zu erklärende Produkte vermehrt nachgefragt. Setzt man jedoch den Grad der Einfachheit ins Verhältnis zum Risiko, kann dies schnell eine falsche Wendung nehmen. Die Komplexität eines Produktes bedeutet nicht zwangsläufig, dass dies mit höheren Risiken ausgestattet sein muss. Ein nettes Beispiel hierfür liefert uns die Au­ tomobilindustrie. Ein Luxusklassewagen der Firma Daimler AG ist im Verhältnis zu einem Kleinstwagen oder dem früher in der DDR verbreiteten Trabanten hoch kom­ plex. Doch ist das Risiko, in diesem zu fahren, für den Fahrer größer? Nein, ganz im Gegenteil. Das Risiko ist deutlich geringer (durch die ganzen eingebauten Hilfsmittel) als im Kleinstwagen. Zugegeben, bei Finanzprodukten ist dies etwas komplexer. Aber nehmen wir das Beispiel eines Bausparvertrages und eines Bonuszertifikates (außer Acht gelassen, dass es sich um zwei verschiedene Anlageklassen mit unterschiedli­ chen Anlegern handelt). Welches Produkt ist vermeintlich komplexer? Das Bonus­ zertifikat werden die meisten denken. Falsch, es ist der Bausparvertrag! Er beinhal­ tet mehrere Derivatekombinationen. Dennoch ist er nicht riskanter. Der von uns hoch geschätzte Nobelpreisträger und Jahrhundertwissenschaftler Albert Einstein hat es einmal sehr schön auf einen Nenner gebracht, wie man mit Komplexität umgehen soll. Er sagte: „So einfach wie möglich, aber bitte nicht einfacher.“ Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir den exemplarischen, organisatorischen Aufbau von Finan­ cial Engineering Einheiten aufgezeigt. Wir sind dabei auf die notendige Trennung zwischen den einzelnen Arbeitsschritten eingegangen. Wir haben des Weiteren die jeweiligen Produkt-Desks aufgezeigt, warum diese hier unterschiedlich arbeiten und weswegen man eine organisatorische Trennung durchführt. Wir sind auf den generellen Financial Engineering Prozess eingegangen und haben diesen betrachtet. Die einzelnen Emissionsarten wurden besprochen und der Unterschied zwischen einer öffentlichen Emission und einem Private Placement wurde dargestellt. Wir sind auf die Emission von Flow Produkten eingegangen und haben neben diesen auch die Thematik des

13 Vgl. Krenz, David, Roth, Sabrina: Commerzbank AG CBCM: Strukturierte Produkte – Zertifikate und Aktienanleihen.

16 | 1 Financial Engineering – Aufbau und Konzeption

Counterparty Risiko besprochen. Die jeweiligen Emittenten-Arten wurden aufgezeigt und deren Spezifikation erläutert.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate, 8. Auflage 2012

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel | 17

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Warum ist das Financial Engineering so wichtig für Groß- und Investmentbanken? Frage 2: Wie läuft ein Financial-Engineering-Prozess ab? Frage 3: Warum spricht man beim Financial Engineering von einer interdisziplinären Vorge­ hensweise? Frage 4: Welche Arten von Emissionen gibt es? Frage 5: Welche Produktdesks werden in einer klassischen Financial-Engineering-Einheit be­ nötigt? Antwort zu Frage 1: Financial-Engineering-Einheiten sind innovative Abteilungen. Hier entstehen neue Produkte und Problemlösungen. Der Ertragsanteil (über Innenmargen, normale Mar­ gen und Handelsergebnis) ist ein wichtiger Ertragsbringer für den Gesamtkonzern. Antwort zu Frage 2: Der Financial-Engineering-Prozess ist in verschiedene Teilabschnitte untergliedert. Dabei sind der Grundgedanke, die Konstruktion, Bewertung, Sales und Aftersales die wichtigsten Unterscheidungskriterien. Antwort zu Frage 3: Man spricht deshalb von einer interdisziplinären Herangehensweise, weil im Finan­ cial Engineering viele Teilbereiche aus Mathematik, Statistik, Naturwissenschaften, International Finance, klassischem Banking etc. zusammenfließen. Antwort zu Frage 4: Man unterscheidet zwischen einem Public Offering und einem Private Placement. Da­ bei ist zu beachten, dass bei einem Public Offering die Zulassungsbestimmungen hö­ her sind. Antwort zu Frage 5: Es handelt sich um die klassischen Produktdesks: Equity, Commodity/FX und Fixed Income.

2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering In Kapitel 2 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – – – –

Welche quantitativen Grundlagen benötigt man für das Financial Engineering? Was ist die Entscheidungstheorie? Was besagt die Spieltheorie? Was verstehen wir unter Prozessen und Modellen und warum sind diese wichtig? Welche Erkenntnisse liefert die Portfoliotheorie? Warum werden Portfolios gebildet? Welche Standardmodelle kommen im Financial Engineering zum Einsatz?

Die Mathematik ist eine wunderbare Lehrerin für die Kunst, die Gedanken zu ordnen, Un­ sinn zu beseitigen und Klarheit zu schaffen. J. H. Fabre

Quantitative und stochastische Prozesse sind für das Financial Engineering von gro­ ßer Wichtigkeit. Denn die Mathematik steckt in allem, was wir tun. Diese Mathematik bildet die Grundfundamente unserer Arbeit und ist somit Kernstück dessen, was im Financial Engineering angewandt wird. Im nachstehenden Kapitel gehen wir auf die­ se für den Bereich Financial Engineering maßgeblichen mathematischen Grundlagen ein. „Ein Modell ist die Beschreibung eines quantitativ erfassbaren Phänomens“.¹⁴ Für uns im Financial Engineering sind die Modelle sozusagen die Grundlage unseren Handelns. Ohne diese würde uns das fehlen, was wir die Mathematik der Finance oder schlicht und ergreifend das Financial Engi­ neering an sich nennen. In den quantitativen Methoden und Modellen fließen alle wichtigen und grundlegenden Überlegungen und Grundlagen zusammen, welche es erst möglich machen, dass wir neue Finanzinnovationen schaffen, diese bewerten oder den Risikogehalt und den Risikograd einer solchen und darüber hinaus bestimmen können. So ist das Financial Engineering im besten Sinne des Wortes quantitativ, und geprägt von der großen Schönheit und Klarheit der Mathema­ tik, wenngleich auch diese einem von Zeit zur Zeit große Rätsel aufgibt.

2.1 Einführung in die klassische Finanzmathematik Um die Verständlichkeit der später getroffenen Aussagen zu erhöhen, geben wir im Nachfolgenden einen kurzen Überblick über die klassischen finanzmathematischen Grundlagen. 14 Zucchini W., Schlegel A., Nenadic O., Sperlich S.: Statistik für Bachelor- und Masterstudenten, Springer-Verlag Berlin Heidelberg (2009). https://doi.org/10.1515/9783110659931-002

20 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

2.1.1 Zinsberechnung Die Zinsberechnung hängt von den jeweiligen Märkten ab und unterscheidet sich zum Beispiel nach der Art der Zinsrechenmethode (act/act, act/360 etc.). Grundsätzlich kann jedoch der folgende Formelausdruck als gegeben angesehen werden: Z =K×r× Z K r T B

T B

= Zinsbetrag = Nominalbetrag = Zinssatz = Laufzeit in Tagen = Zinsrechnungsmethode (z. B. 360 Tage p. Laufzeitjahr)

2.1.2 Stetige und diskrete Renditen Wir unterscheiden bei der Renditebestimmung und im Renditeverständnis grundsätz­ lich zwischen zwei verschiedenen Arten von Renditen. Der stetigen Rendite, bei der die Verzinsungshäufigkeiten gegen unendlich gehen (ewig fortlaufend), und der dis­ kreten Rendite, bei der die Intervalle der Verzinsung endlich sind. Dabei ist zu beach­ ten, dass ein Umwandeln von stetiger und diskreter Rendite jederzeit möglich ist.

2.1.3 Abzinsen und Aufzinsen Beim Abzinsen (auch als Diskontieren bezeichnet) wird eine Zahlung, welche in der Zukunft liegt, bereits zum heuteigen Zeitpunkt aufgezeigt. In der Praxis wir hier i. d. R. der Barwert einer in der Zukunft liegenden Zahlung ermittelt. Beim Aufzinsen ist dies genau umgekehrt. Für beide Rechenoperationen werden je nach linearer (in der Pra­ xis wird dies bei unterjährigen Verzinsungen angewandt) oder exponentieller (be­ rücksichtigt den Zinseszinseffekt) Verzinsung, Discountierungsfaktoren oder Aufzin­ sungsfaktoren berechnet.¹⁵

2.1.4 Interpolation von Zinssätzen Es stehen nicht immer für die jeweiligen Laufzeiten auch die passenden BenchmarkRenditen zur Verfügung. Daher müssen Zinssätze teilweise angenähert werden. Wir

15 Vgl. o. V. Finance Trainer: Finanzmarkt/Geldmarkt Skriptum für ACI Dealing und Operations Cer­ tificate und ACI Diploma.

2.1 Einführung in die klassische Finanzmathematik |

21

zeigen dies im Formelausdruck der linearen Interpolation (einfachste Art der Interpo­ lation) auf:¹⁶ rl − rk r = rk + [ ] × (T − Tk ) Tl − Tk r = Zinssatz in Dezimalen T = Laufzeit in Tagen für die zu berechnende Periode rk = Zinssatz in Dezimalen, kurze Periode Tk = Laufzeit in Tagen für die kürzere Periode rl = Zinssatz in Dezimalen, lange Periode Tl = Laufzeit in Tagen für die längere Periode Die lineare Interpolation ist wie bereits erwähnt die einfachste Variante. Unterstellen wir keine Linearität, so kommen die Methoden der logarithmischen Interpolation und der einer kubischen Interpolation zum Einsatz. Gerade der Einsatz von kubischen Spline (Glättung der Zinsstrukturkurve) benötigt jedoch eine deutlich komplexere Herangehensweise und setzt den Einsatz von EDV-gestützten Simulationsmethoden voraus. Wir gehen daher an dieser Stelle nicht weiter darauf ein und empfehlen dem interessierten Leser hier weiterführende Literatur (Näheres hierzu erfahren Sie unter anderem bei van Deventerer, Immai und Mesler).¹⁷

2.1.5 Die Endwertberechung Beim Endwert (Future Value) handelt es sich um die Ermittlung des zukünftigen Wer­ tes eines Anlageinstruments, wenn der Investor dieses bis zur Endfälligkeit im Be­ stand behält und die Ausschüttungen zu gleichen Konditionen wieder anlegen wer­ den. Der Endwert wird folgendermaßen berechnet:¹⁸ EW = K × (1 + r)N EW K r N

= Endwert = Kapitalbetrag = Zinssatz in Dezimale p. a. = Laufzeit in Jahren

Berechnet man den Endwert unterjährig, ergibt sich folgender Ausdruck: EW = K + (K × r ×

T ) B

16 Vgl. o. V. Finance Trainer: Finanzmarkt/Geldmarkt Skriptum für ACI Dealing und Operations Cer­ tificate und ACI Diploma. 17 Vgl. o. V. Finance Trainer: Finanzmarkt/Geldmarkt Skriptum für ACI Dealing und Operations Cer­ tificate und ACI Diploma. 18 Vgl. o. V. Finance Trainer: Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma.

22 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

EW K r T B

= Endwert der Veranlagung = Kapitalbetrag = Zinssatz in Dezimalen = Anzahl der Tage der Zinsperiode = Berechnungsbasis

2.1.6 Der Barwert Beim Barwert (Present Value) handelt sich um den Gegenwartswert der zukünfti­ gen Zahlungen. Er wird durch Abzinsung der Zahlungen, die allesamt in der Zukunft liegen, (für die jeweilige Periode und deren Summe) ermittelt. Grundsätzlich unterscheidet man bei der Barwertberechnung, ob es sich um eine einzige zu berücksichtigende Zahlung oder mehrere handelt. Auch ist die Zinsstruk­ turkurve zu beachten. Der Barwert im Einperiodenfall errechnet sich wie folgt:¹⁹ BW =

EW 1+r

BW = Barwert EW = Endwert R = Zinssatz p. a. in Dezimalen Bei einer mehrjährigen Laufzeit ermittelt sich der Barwert wie nachfolgend ausge­ drückt: EW BW = (1 + r)N BW = Barwert EW = Endwert R = Zinssatz p. a. in Dezimalen N = Laufzeit in Jahren

Der Barwert eines im Financial Engineering verwendeten (zeigt das Treasury im Lehrbuchfall auf) Ze­ robonds mit einer fünfjährigen Laufzeit und einer Verzinsung von 3,5 Prozent berechnet sich demnach wie folgt: Barwert = 100/(1 + 0,035)5 = 84,20

Wollen wir den Barwert unterjährig errechnen, ergibt sich folgender Ausdruck: BW =

EW 1 + (r × TB )

19 Vgl. o. V. Finance Trainer: Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma.

2.1 Einführung in die klassische Finanzmathematik |

BW EW R T B

23

= Barwert (Kapital) = Endwert = Zinssatz in Dezimalen = Anzahl der Tage = Berechnungsbasis

Formulieren wir obiges um, um einen Zinssatz (überjährig) daraus zu isolieren, erhal­ ten wir als Ausdruck:²⁰ N EW − 1 oder r=√ BW

BW EW N r

EW ( N ) −1 r=( ) BW 1

= Barwert = Endwert = Laufzeit = Zinssatz

Wollen wir dasselbe unterjährig darstellen, folgen wir der Formel:²¹ r= EW BW B T r

(EW − BW) B × BW T

= Endwert = Barwert = Berechnungsbasis = Anzahl der Tage = Zinssatz

Diese Art der Isolierung ist immer dann notwendig, wenn man die Frage beantworten will, wie groß das heute eingesetzte Kapital sein muss, um in x Jahren einen Kapital­ betrag von y zu erhalten. Dabei unterstellen wir die Reinvestition der Ausschüttungen und den damit verbundenen Zinseszinseffekt. Der Nettobarwert (Net Present Value) ist, im Gegensatz zum klassischen Bar­ wert, der Wert, der sich ergibt, wenn das Investitionsvorhaben mit einem Opportu­ nitätszinssatz bewertet wird. In der Investitionsberechnung kann somit geschlussfol­ gert werden, dass der Nettobarwert aus der Subtraktion des Investitionsvolumens vom Barwert zu erhalten ist.²²

20 Vgl. o. V. Finance Trainer: Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma. 21 Vgl. o. V. Finance Trainer: Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma. 22 Vgl. o. V. Finance Trainer: Finanzmarkt/Geldmarkt Skriptum für ACI Dealing und Operations Cer­ tificate und ACI Diploma.

24 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

2.1.7 Berechnung von Zero-Zinssätzen Bei der Berechnung von Preisen im Zinsbereich kommt es immer wieder zu größe­ ren Fehleinschätzungen. Grund hierfür sind die oft nicht realistischen Annahmen für deren Preisfindung. So kommt z. B. eine flache Zinsstrukturkurve und das Problem der Reinvestition der Ausschüttungen hier zum Tragen. Aufgrund dessen ist eine Be­ rechnung über die Zero-Kurve deutlich aussagekräftiger und hat sich, kommend vom Swap-Markt, im Financial Engineering durchgesetzt. Die während der Laufzeit vor­ kommenden Zinszahlungen werden, bei dieser Berechnungsart, eliminiert und lösen damit unser bestehendes Urproblem mit dem Reinvestieren der Ausschüttungen. Es wird somit jeder Zahlungsstrom einer Anleihe so dargestellt, als wäre er ein eigenstän­ diger Zero-Bond und dessen Abzinsung erfolgt gemäß seiner jeweiligen Laufzeit. Das ebenfalls oben angesprochene Problem der flachen Zinskurve kann hiermit ebenfalls gelöst werden, denn nun werden die tatsächlichen Zinssätze verwendet, welche auch die bestehende Zinskurve abdecken.²³

2.1.8 Bootstrapping – Ermittlung von Zinssätzen aus der Zero-Kurve Bei der Zero-Kurve handelt es sich um eine von der klassischen Zinskurve abgeleitete Zinskurve. Dies bedeutet, dass die Zero-Zinssätze aus den Zinssätzen von zinstragen­ den Instrumenten abgeleitet werden können.²⁴ Dies bezeichnet im Allgemeinen den Begriff: Bootstrapping. Dabei werden zunächst die unterperiodischen Kuponzahlun­ gen durch aktuelle Marktsätze abgesichert und somit eliminiert. Dadurch entstehen zwei Cashflows. Der Anfangsbetrag und der Endbetrag (am Ende der Laufzeit). Anders ausgedrückt, haben wir einen Barwert (Anfangswert) und einen Endwert (Endbetrag) geschaffen.²⁵ Aus diesen lässt sich nun der gewünschte Zinssatz ableiten. In der Pra­ xis werden solche Ableitungen über IT-gestützte Bewertungssysteme ermittelt, da die Berechnung nur rekursiv ermittelt werden kann, das bedeutet für jede Einzelperiode also zum Beispiel bei einem Fünf-Jahres-Zero-Zinssatz, müssen die Jahre eins bis vier ebenfalls manuell berechnet werden.

23 Vgl. o. V. Finance Trainer: Anleihen Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma. 24 Vgl. o. V. Finance Trainer: Anleihen Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma. 25 Vgl. o. V. Finance Trainer: Anleihen Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma.

2.2 Wahrscheinlichkeitstheoretische Grundlagen

|

25

Im Allgemeinen kann jedoch folgender Formelausdruck aufgezeigt werden:²⁶ N ZN = √

rN Zn N n

1 + rN rN 1 − ∑N−1 n=1 ( (1+Z n )n )

−1

= Anleihenrendite für die Laufzeit N Jahre in Dezimalen = Zero-Zins für die Laufzeit n Jahre in Dezimalen = betrachtete Gesamtlaufzeit in Jahren = fortlaufendes Jahr

2.2 Wahrscheinlichkeitstheoretische Grundlagen Die Stochastik ist ein wichtiges Teil-Gebiet der Mathematik, welches durch das Zu­ sammenwachsen von Statistik (Die Lehre der Daten) und Wahrscheinlichkeitsrech­ nung (Beschreibung von zufälligen Ereignissen und deren Modellierung) im 20. Jahr­ hundert entstanden ist. Die Wahrscheinlichkeit wird hierbei als relative Häufigkeit ei­ nes Ereignisses interpretiert. Der Begriff der Wahrscheinlichkeit hängt folglich sehr stark am Begriff der relativen Häufigkeit. Oft werden die beiden Begriffe auch synonym verwendet, was nicht ganz korrekt ist. Denn im eigentlichen Sinn bedeutet Wahr­ scheinlichkeit etwas anderes als die relative Häufigkeit. Man kann den Begriff besser mit einer gewisse Idealisierung dessen greifen. Die Wahrscheinlichkeit ist sozusagen der Grad des Eintretens eines Ereignisses. In der Abbildung 2.1 werfen wir einen kur­ zen Blick auf die besprochene Materie.

2.2.1 Die Laplace-Wahrscheinlichkeit Gehen wir von der Laplace-Wahrscheinlichkeit²⁷ oder auch der klassischen Wahr­ scheinlichkeit aus, so liegt ein Zufallsexperiment, dessen Ausgang in endlich viele, offensichtlich gleich wahrscheinliche Fälle eingeteilt werden kann, vor. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit q für das Ereignis E folgendermaßen definiert: q(E) =

(Anzahl der für E günstigen Fälle) (Anzahl der möglichen Fälle)

Gute und oft genutzte Beispiele sind der Würfel mit den möglichen Fällen 1, 2, 3, 4, 5, 6 oder das Münzenwerfen mit den Fällen Wappen und Zahl. Die Wahrscheinlichkeit ist in diesem Fall die relative Häufigkeit, die man erwartet. Natürlich wird hier vor­

26 Vgl. o. V. Finance Trainer: Anleihen Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma. 27 Nach Pierre-Simon Laplace 1749–1827.

26 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Relative Häufigkeit 2/5=0,4

Abb. 2.1: Relative Häufigkeit

ausgesetzt, dass es gerecht und fair zugeht. In der realen Welt sind die Umweltbedin­ gungen jedoch nicht immer so eindeutig. Somit muss es noch eine andere Vorstellung von Wahrscheinlichkeit geben. Denn auch wenn ein Spiel unfair ist und eine Münze nicht gut, so ist davon auszugehen, dass diese eine Wahrscheinlichkeit für „Zahl“ hat. Hierfür wird nun die frequentistische Wahrscheinlichkeit zu Rate gezogen.²⁸

2.2.2 Die frequentistische Wahrscheinlichkeit Wir gehen von einer fairen und guten Münze aus. Wird diese n-mal geworfen so scheint die relative Häufigkeit z. B. für „Wappen“ gegen den Wert von 0,5 zu konvergie­ ren. Wird jedoch eine manipulierte und veränderte Münze geworfen, so geht die rela­ tive Häufigkeit gegen einen anderen Zahlenwert. Da uns diese Zahl nicht bekannt ist, müssen wir diese annehmen bzw. schätzen. Wir können diese nun auch mit dem Be­ griff der Wahrscheinlichkeit für das Ergebnis „Wappen“ beziffern. Belegen kann man diesen wiederrum durch ein Beweisexperiment mit n-Versuchen.²⁹

2.2.3 Die subjektive Wahrscheinlichkeit Spricht man von der subjektiven Wahrscheinlichkeit, so wird aus einer Informati­ on eine Annahme abgeleitet, aus der eine Meinung gebildet wird. Wie man erahnen kann, verschiebt sich der der Wahrscheinlichkeitsbegriff aufgrund einer persönlichen „Einstellung“.³⁰ 28 Quelle: Prof. Dr. Bernd Hafenbrak 29 Quelle: Prof. Dr. Bernd Hafenbrak 30 Quelle: Prof. Dr. Bernd Hafenbrak.

2.3 Stochastische Prozesse |

27

2.2.4 Die bedingte Wahrscheinlichkeit Bei der bedingten Wahrscheinlichkeit, welche auch konditionalen Wahrschein­ lichkeit³³ genannt wird, geht man vom Eintreten eines Ereignisses aus, welches an eine bestimmte Bedingung geknüpft ist. Wenn ein Ereignis A eintritt, wird folglich die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis B gegeben sein.³¹ Als Erwartungswert gilt somit das wahrscheinlichkeitsgewichtete Mittel aller möglichen Realisierun­ gen einer untersuchten Zufallsvariablen.³²

Das Gesetz der großen Zahlen Generell besagt das Gesetz der großen Zahlen, dass die relative Häufigkeit eines Zufallsergeb­ nisses (E), bei dessen häufiger Wiederholung (n-fach) und unter denselben Bedingungen, immer weiter gegen die theoretische Wahrscheinlichkeit konvergiert. Dabei unterscheidet man zwischen dem schwachen und dem starken Gesetz der großen Zahlen.

Axiome von Kolmogorow Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow gilt als Vater der Axiome der Wahrscheinlichkeitstheorie. Nach Kolmogorow muss ein Wahrscheinlichkeitsmaß folgende drei Axiome aufweisen:³³ 1. Die Nichtnegativität: P(E) ≥ 0 2. Die Normiertheit: P(Ω) = 1 3. Die Additivität: P(E 1 ∪ E 2 ) = P(E 1 ) + P(E 2 ), wenn E 1 ∩ E 2 = {}

2.3 Stochastische Prozesse Stochastische Prozesse spielen im Financial Engineering eine grundlegende und sehr wichtige Rolle. In den nachfolgenden Kapiteln gehen wir auf die für das Financial Engineering maßgeblichen Prozesse und deren Eigenschaften ein.

2.3.1 Markov-Prozess³⁴ Versucht man den unsicheren Verlauf einer Variablen mithilfe eines Prozesses zu be­ schreiben, so stößt man auf den Markov-Prozess. Bei diesem speziellen stochasti­ schen Prozess ist nur der aktuelle Wert der Variablen von Bedeutung. Um die zu­ künftige Entwicklung der Variablen zu prognostizieren, sind weder historische Daten 31 32 33 34

Quelle: Prof. Dr. Bernd Hafenbrak. Vgl. Reitz, Stefan: Mathematik in der modernen Finanzwelt; Vieweg+Teubner (2011). Vgl. Kolmogorow, Andrei N.: Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Springer (1933). Bachhuber, Heiko (2012).

28 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

noch sonstige Hintergrundinformationen nötig. Es wird angenommen, dass Aktien­ kurse mit einem Markov-Prozess adäquat und umfänglich beschrieben werden kön­ nen. Dies beruht auf der Eigenschaft des Prozesses, mit der schwachen Form der Ka­ pitalmarkteffizienz übereinzustimmen. Dies bedeutet, dass der aktuelle Aktienkurs eine Reflektion aller Vergangenheitsdaten darstellt. Vereinfacht gesagt ist jeder Akti­ enkurs das Produkt seiner Vergangenheit und somit das Resultat aller vergangenen Kurse. Der Markt selbst sorgt dafür, dass die schwache Form der Kapitalmarkteffizi­ enz eingehalten wird. Wäre es möglich, aus historischen Kursen eine zuverlässige Pro­ gnose über die zukünftige Entwicklung des Aktienkurses zu erstellen, so würde eine resultierende Nachfrage den Preis anpassen und die Handelsgelegenheit verschwin­ den.³⁵ Der zukünftige Aktienkurs kann somit als eine Variable betrachtet werden, deren Verlauf mit einem Markov-Prozess beschrieben werden kann. Nimmt man an, dass der aktuelle Wert bei 50 liegt, so lässt sich die Veränderung in einem Jahr durch die Normalverteilung Φ(μ/σ) beschreiben. Die Wertveränderung ist somit nur abhängig vom Erwartungswert μ und der Standardabweichung σ. Bei einem beispielhaften Er­ wartungswert von null kann das Resultat der Wertänderung in einem Jahr daher mit der Normalverteilung Φ(0/1) beschrieben werden. Um den Betrachtungszeitraum auf zwei Jahre zu erweitern, addiert man eine zweite identische Normalverteilung mit identischem Erwartungswert und Standardabweichung zu der ersten hinzu. Dies ist möglich, da beide Wahrscheinlichkeitsverteilungen die Markov-Eigenschaft be­ sitzen und somit als unabhängig voneinander betrachtet werden können. Man er­ hält eine veränderte Normalverteilung Φ(0/√2). Der resultierende Erwartungswert über zwei Jahre ist das arithmetische Mittel beider Erwartungswerte. Die Standard­ abweichungen müssen zunächst durch Quadrieren in Varianzen umgeformt wer­ den, da diese additiv sind. Danach kann durch Addition und anschließendes Ziehen der Quadratwurzel die Standardabweichung der neuen Normalverteilung berech­ net werden. Betrachtet man diesen Prozess einmal umgekehrt, so fällt auf, dass die Änderung der Varianzen in zwei aufeinanderfolgenden 6-Monats-Perioden in Summe die Änderung der Varianz eines Jahres sein muss. Dies wiederum führt da­ zu, dass die Varianz einer Änderung in einem 6-Monats-Zeitraum 0,5 beträgt und deren Wahrscheinlichkeitsverteilung durch Φ(/√0,5) beschrieben werden kann. Der allgemeine Ausdruck für die Verteilung der Wahrscheinlichkeit der Änderung im Zeitraum (T) ist somit Φ(/√T) und für einen sehr kleinen Zeitraum ∆t³⁶ daher Φ(/√∆t).³⁷

35 Vgl. (Hull, 2006, S. 382f). 36 ∆ entspricht dem griechischen Buchstaben Delta und ist das mathematische Zeichen für Differenz. 37 Vgl. Hull (2006, S. 382f).

2.3 Stochastische Prozesse

| 29

EINSTEIN und die Brownsche Bewegung Am 11.05.1905 (im Annus mirabilis) veröffentliche ALBERT EINSTEIN in den Annalen der Physik seine Schrift: „Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ru­ henden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen“, welche die theoretische Beschreibung der Brownsche Bewegung in der Physik aufzeigte.

2.3.2 Brownsche Bewegung/Wiener-Prozess³⁸ Befolgt die Variable einen Prozess, der durch die Normalverteilungsfunktion Φ(0/1) beschrieben wird, nennt man diesen Wiener-Prozess. Diese spezielle Form des Mar­ kov-Prozesses kommt ursprünglich aus der Physik und dient zur Darstellung der Dy­ namik von Teilchen. Allgemein ist diese besondere Form des Markov-Prozessesauch unter dem Namen Brownsche Bewegung bekannt.³⁹ Dies geht zurück auf den Bota­ niker Robert Brown, der im Jahre 1828 unter dem Mikroskop die Dynamik von Pol­ len im Wasser beobachtete. Im Jahre 1905 wurden diese Beobachtungen von Albert Einstein⁴⁰ genutzt, um sie auf die molekular-kinetische Theorie der Wärme zu über­ tragen. Es dauerte jedoch bis zum Jahr 1923, bis der Mathematiker Norbert Wiener (Unabhängig davon hat dies Louis Bachelier in seinem Werk Theorie der Speku­ lation bereits beschrieben. Vgl. Bachelier, Louis: Théorie de la Spéculation; Annales scientifiques de l’École Normale Supérieure, Sér. 3, 7 (1900) S. 21–86.) wo er den ma­ thematischen Beweis ihrer Existenz erbrachte. In Gedenken an diese Pioniere der Wis­ senschaft trägt der Prozess noch heute ihren Namen.⁴¹ Damit eine Variable einem Wiener-Prozess folgt, muss sie zwei Kriterien erfüllen: 1. Innerhalb eines kurzen Zeitraums ∆t beträgt die Änderung ∆z ∆z = ε√∆t , bei ε⁴² handelt es sich um eine Zufallszahl mit Standardnormalverteilung Φ(0/1). Dies wiederum bedeutet, dass ∆z ebenso normalverteilt ist und zwar mit folgen­ den Parametern: Erwartungswert: ∆z = 0 Standardabweichung:

∆z = √ ∆t

Varianz:

∆z = ∆t

38 Bachhuber, Heiko (2012). 39 Vgl. (Hull, 2006, S. 384f). 40 Vgl. Einstein, Albert: Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewe­ gung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierte Teilchen; Annalen der Physik, Band 17, 1905. 41 Vgl. Meintrup & Schäffler (2005, S. 341). 42 ε entspricht dem griechischen Buchstaben Epsilon und bezeichnet in der Mathematik eine beliebig kleine Zahl größer Null.

30 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

2.

Die Werte von ∆z sind nicht abhängig voneinander für zwei zufällig kurze Zeit­ intervalle ∆t. Aus der zweiten Eigenschaft geht hervor, dass z über die MarkovEigenschaft verfügt.

Beobachtet wird der Verlauf von z über einen ausgedehnten Zeitraum T, beschrieben durch z(T) − z(0). Zusätzlich wird definiert, dass wenn man den Zeitraum T durch kurze Zeitintervalle der Dauer ∆t teilt, man die Zahl der Anstiege (N) von z erhält, wobei T =N ∆t Infolgedessen muss gelten: N

z(T) − z(0) = ∑ ϵ i √∆t i=1

Die Zufallsvariablen ε i (i = 1, 2, . . . , N) sind standardnormalverteilt und entspre­ chend dem zweiten Kriterium nicht abhängig voneinander. Betrachtet man den Zeit­ raum z(T) − z(0), so ergeben sich folgende Parameter: Erwartungswert:

[z(T) − z(0)] = 0

Varianz:

[z(T) − z(0)] = N × ∆t = T

Standardabweichung:

[z(T) − z(0)] = √ T

Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Änderung eines Zeitraumes T kann auch hier durch N(0/√ T) beschrieben werden.⁴³ Die Abbildung 2.2 zeigt einen Wiener-Prozess auf.

2.3.3 Allgemeiner Wiener-Prozess⁴⁴ Der bislang behandelte einfache Wiener-Prozess (dz) hatte eine Driftrate⁴⁵ von null und eine Varianzrate (Varianz pro Zeitintervall) von 1,0. Wie bereits erläutert wurde, folgt daraus, dass der Erwartungswert von z zu einem beliebigen Zeitpunkt t in der Zukunft stets seinem aktuellen Wert entspricht. Darüber hinaus impliziert eine Vari­ anzrate von 1,0, dass in einem beliebigen Zeitraum T die Varianz der Veränderung von z dem Wert T entspricht. Dieser Prozess ist jedoch zu speziell und in der Realität sehr unwahrscheinlich. Um eine gewisse Anpassungsfähigkeit auf unterschiedliche

43 Vgl. (Hull, 2006, S. 384f). 44 Bachhuber, Heiko (2012). 45 Die durchschnittliche Veränderung pro Zeitintervall eines stochastischen Prozesses wird als Drift bezeichnet.

2.3 Stochastische Prozesse

| 31

Abb. 2.2: Wiener-Prozess (vgl. EIFD; Kleinknecht, Manuel)

Drift- und Varianzraten zu gewährleisten, kann ein Wiener-Prozess für eine Variable x in einen allgemeinen Wiener-Prozess mit den Konstanten a und b umgeformt werden: dx = a dt + b dz Beide Summanden der Differentialgleichung werden zunächst separat betrach­ tet. Aus dem Term a dt lässt sich schließen, dass die Variable x über eine erwartete Veränderung von a pro Zeiteinheit verfügt. Ignoriert man zunächst den Term b dz, so ergibt sich folgende Gleichung:⁴⁶ dx = a dt Durch mathematische Integration nach der Zeit entsteht der folgende Zusammen­ hang: ∫ dx = ∫ a dt

ergibt

󳨀󳨀󳨀󳨀→

x = at + x0

Dabei steht x0 für den Wert von x zum Zeitpunkt t = 0. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass es sich hierbei um eine lineare Geradengleichung handelt, in der in ei­ ner Zeitspanne T der Wert von x um den Faktor aT wächst. Der zweite Summand b dz kann als zusätzliche Streuung oder Diffusion betrachtet werden, die auf dem von x zu­ rückgelegten Weg auftritt. Die Streuung ist das b-fache eines Wiener-Prozesses, und da dieser eine Standardabweichung von 1,0 besitzt, hat demzufolge das b-fache eines Wiener-Prozesses auch eine Standardabweichung von b. Betrachtet man die Verände­ rung ∆x von x in einem kurzen Zeitintervall ∆t und kombiniert die erste Eigenschaft

46 Vgl. Hull (2006, S. 385 f.).

32 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

der Brownschen Bewegung mit dem allgemeinen Wiener-Prozess, so ergibt sich: ∆x = a∆t + bε√∆t Aus diesem Grund ist ∆x normalverteilt und besitzt folgende Parameter: Erwartungswert:

∆x = a∆t

Standardabweichung:

∆x = b √∆t

Varianz:

∆x = b 2 ∆t

Es entsteht eine Normalverteilung für eine Veränderung von x in einem beliebigen Zeitraum T mit den Parametern: Erwartungswert der Änderung in:

x = aT

Standardabweichung der Änderung in:

x = b √T

Varianz der Änderung in:

x = b2 T

Ein allgemeiner Wiener-Prozess besitzt demnach eine erwartete Driftrate von a und eine Varianzrate von b 2 .⁴⁷ Die folgende Abbildung 2.3 stellt einen allgemeinen Wiener-Prozess mit a = 0,3 und b = 1,5 dar. Er beschreibt einen Verlauf um dx = a dt, wobei sich die Abschnitte über und unter der Geraden im Zeitverlauf ausgleichen. Zu­ sätzlich wird verdeutlicht, dass es sich bei b dz lediglich um eine Streuung handelt, die bewirkt, dass der Aktienkursverlauf normalverteilt um die Gerade diffundiert. Zum

Abb. 2.3: Allgemeiner Wiener-Prozess (vgl. EIFD; Kleinknecht, Manuel)

47 Vgl. Hull (2006, S. 385f).

2.3 Stochastische Prozesse

| 33

Vergleich hierzu ist ein Wiener-Prozess mit Driftrate null und Varianzrate 1,0 skizziert. Dieser bewegt sich normalverteilt um den Anfangswert.⁴⁸

2.3.4 Aktienkurse als Prozess und die geometrische Brownsche Bewegung⁴⁹ Bisher wurden die Grundlagen erörtert, um den Verlauf der Aktienkurse mit einem stochastischen Prozess zu beschreiben. Die gesicherte Annahme, dass sich der Kurs­ verlauf einer Aktie mit einem allgemeinen Wiener-Prozess beschreiben lässt, mag einleuchtend sein, allerdings impliziert dieses Modell eine gleichbleibende erwarte­ te Driftrate sowie eine gleichbleibende Varianzrate. In der Realität wird jedoch von einem Investor eine vom Aktienpreis unabhängige prozentuale Rendite gefordert. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Aktienkurs bei 10 Euro oder 20 Euro steht. Als Konsequenz muss die Annahme eines konstanten Drifts durch die Annahme einer konstanten erwarteten Rendite ersetzt werden. Diese ist definiert aus dem Quo­ tienten des erwarteten Drifts und dem Kurs der Aktie. Daraus folgt, dass zu einem beliebigen Zeitpunkt t der Drift des Aktienkurses S als μS angenommen wird. Der konstante Parameter μ entspricht der erwarteten Rendite dieser Aktie in Dezimal­ form. In einem kleinen Zeitraum ∆t wird die erwartete Veränderung von S als μS∆t bezeichnet. Unter der Annahme, dass die Volatilität des Aktienkurses jederzeit null ist, folgt aus diesem Modell, dass ∆S = μS∆t Verkleinert man nun die Zeitabschnitte ∆t → 0, so folgt daraus dS = μS dt bzw.

dS = μ dt S Durch Integration des Terms über dem Bereich zwischen den Zeitpunkten null und T entsteht folgende Formel: dS = μ dt S

T

ergibt

󳨀󳨀󳨀󳨀→

T

1 ∫ dS = ∫ μ dt S 0

ln

(S T ) = μT (S0 )

ergibt

󳨀󳨀󳨀󳨀→

ln(S T ) − ln(S0 ) = μT − μ0

0 ergibt

󳨀󳨀󳨀󳨀→

(S T ) = eμT (S0 )

ergibt

󳨀󳨀󳨀󳨀→

S T = S0 e μT

Die Kurse der Aktien zum Zeitpunkt null und T sind hier mit S0 und S T gekenn­ zeichnet. Diese Gleichung besagt, dass unter Annahme der Varianz von null der Preis

48 Vgl.: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 49 Bachhuber, Heiko (2012).

34 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

der Aktie mit der stetigen Rate μ pro Zeiteinheit wächst. In der Wirklichkeit jedoch ist der Aktienkursverlauf volatil. Dies hat zur Folge, dass in einem kurzen Zeitintervall ∆t die Veränderung der Rendite nicht vom Aktienkurs abhängig und immer identisch ist. Vereinfacht gesagt hat ein Investor die gleiche Unsicherheit über die Rendite, ganz egal wie hoch der Kurs der Aktie ist. Das impliziert, dass in einem kurzen Zeitintervall ∆t die Standardabweichung der Änderung proportional zum Kurs der Aktie ist.⁵⁰ Folgendes Modell ist das Resultat: dS = μS dt + σS dz bzw.

dS = μ dt + σ dz S In der Regel beschreibt diese Gleichung das Modell, das in der Praxis bei der Be­ schreibung von Aktienkursen eingesetzt wird. Die Variablen μ und σ stehen für die erwartete Rendite und die jeweilige Volatilität des Aktienkurses. Ein vergleichbares Modell für diskrete Zeitpunkte lässt dich wie folgt darstellen: ∆S = μ∆t + σε√∆t S bzw. ∆S = μS∆t + σSε√ ∆t In einem kurzen Zeitraum ∆t wird die Veränderung des Aktienkurses durch ∆S darge­ stellt. Analog zur Brownschen Bewegung wird auch hier ε als ein beliebiger Wert aus der Standardnormalverteilung definiert. Die konstanten Parameter μ und σ stehen für den geplanten Ertrag aus der Aktie pro Zeiteinheit bzw. die Volatilität des Aktienkur­ ses. Der Term ∆S/S ist gleichbedeutend mit der Rendite der Aktie in einem kleinen Zeitraum ∆t. Der Erwartungswert der Rendite wird durch μ∆t beschrieben und deren stochastische Komponente wird durch σε√∆t wiedergegeben. Die Varianz dieser sto­ chastischen Komponente ist σ 2 ∆t und damit auch gleichbedeutend mit der Varianz der gesamten Rendite. Aus der Definition der Volatilität wiederum folgt, dass die Stan­ dardabweichung der Rendite σ für einen kurzen Zeitraum ∆t mit ∆t dargestellt werden kann. Daraus folgt, dass ∆S/S normalverteilt mit Erwartungswert μ∆t und Standard­ abweichung σ √ ∆t ist.⁵¹ ∆S ∼ Φ(μ∆t, σ √ ∆t) S Im Downloadbereich finden Sie ein Excel-Tool zum Simulieren von Wiener-Prozess, Allgemeinem Wie­ ner-Prozess und der Geometrischen Brownschen Bewegung.

50 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 51 Vgl. Hull (2006, S. 389 f).

2.3 Stochastische Prozesse

| 35

¯ 2.3.5 Lemma von Ito⁵² Die Grundüberlegung dass der Preis einer Aktienoption mit einer Funktion beschrie­ ben werden kann, die vom Preis der zugrunde liegenden Aktie und der Zeit abhängt, war der Grundstein für das im Jahr 1951 vom japanische Mathematiker Kiyosi Ito¯ ¯ Vereinfacht gesagt, ist der Preis einer beliebigen Op­ hergeleitete Lemma von Ito. tion gleich einer Funktion, bestehend aus einer stochastischen Variablen, die der Option zugrunde liegt, und der Zeit. Der daraus resultierende Prozess wird auch als ¯ Ito-Prozess bezeichnet.⁵³ dx = a(x, t) d t + b(x, t) d z Die Veränderung einer Variablen x setzt sich zusammen aus einem Wiener-Pro­ zess dz und den Funktionen a und b, die abhängig von x und t sind. Analog zum allgemeinen Wiener-Prozess hat die Variable x einen Drift von a und eine Varianz von ¯ b 2 . Im Grunde ist ein Ito-Prozess eine geometrische Brownsche Bewegung mit der Besonderheit, dass diese durch eine zweifach stetig differenzierbare Funktion be­ schrieben werden kann und alleine vom Basiswert und der Zeit abhängt. Durch das Lemma von Ito¯ kann bewiesen werden, dass die Funktion G in Abhängigkeit von x und t nach folgendem Prozess abläuft:⁵⁴ dG = (

∂G ∂G ∂G 1 ∂2 G 2 a+ + b dz b ) dt + ∂x ∂t 2 ∂x2 ∂x

Nachdem auch diese Funktion mit dz einem Wiener-Prozess folgt, kann impliziert ¯ werden, dass es sich bei der Funktion G um einen Ito-Prozess handelt. Die Kompo­ nente des Drift wird beschrieben durch ∂G ∂G 1 ∂2 G 2 b a+ + ∂x ∂t 2 ∂x2 und die Varianz durch

∂G 2 2 ) b ∂x Im vorhergehenden Kapitel wurde bereits erläutert, dass (

dS = μS dt + σS dz ein passables Modell zur Beschreibung der Aktienkursbewegung darstellt. Unter Ver­ wendung des Lemma von Ito¯ folgt daraus, dass die vom Kurs der Aktie S und der Zeit t abhängige Funktion G durch dG = (

∂G ∂G ∂G 1 ∂2 G 2 2 μS + + σS dz σ S ) dt + ∂S ∂t 2 ∂S2 ∂S

52 Bachhuber, Heiko (2012). 53 Vgl. Hull (2006, S. 394 f). 54 Das in dieser Formel erstmalig erscheinende Zeichen ∂ steht für ein partielles Differenzial.

36 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

beschrieben werden kann. Operativ wird der Drift a ersetzt durch μS und die Varianz­ rate b durch σS. Ein wichtiges Merkmal beider Prozesse ist, dass sowohl S als auch G durch den Faktor dz einem Wiener-Prozess folgen und somit die gleiche Unsicherheit aufweisen.⁵⁵ Die besprochenen Grundlagen werden unter anderem bei der Preisfindung für Optionen zum Einsatz gebracht. Wir besprechen diese im Kapitel 6 ausführlich.

2.3.6 Martingal Bei einem Martingal, nach Paul Pierre Lêvy,⁵⁶ handelt es sich um einen stochas­ tischen Prozess, der sich dadurch auszeichnet, das er im Mittel konstant, also fair ist. Der Erwartungswert entspricht zu jedem beliebigen in der Zukunft liegenden Zeit­ punkt dem gleichen Erwartungswert wie dem aktuellen.⁵⁷ Der Prozess weist somit eine Drift von null auf. Dabei folgt eine Variable θ einem Martingal, wenn ihr Prozess der Form dθ = σ dz genügt. Dabei ist dz ein Wiener-Prozess.⁵⁸ Wird ein Erwartungswert im Gegensatz zum obig beschriebenen Prozess zu einem beliebig in er Zukunft liegenden Zeitpunkt negativ, so sprechen wir von einem Super­ martingal. Wird dieser positiv, so nennt man dies Submartingal.⁵⁹ Beweisführung in der Mathematik Wir wollen an dieser Stelle auf die mathematische Beweisführung eingehen. Ein Themengebiet welches so alt ist wie die Mathematik selbst. Aus einer Voraussetzung und Behauptung muss durch einen Beweis schlussendlich eine konkrete Gewissheit werden. Die getroffene Aussage wird somit entweder verifiziert oder falsifiziert. Da­ für kommen im Wesentlichen die Formen der direkten oder der indirekten Beweisführung zur An­ wendung. Der Beweis schließt mit q.e.d. (quod erat demonstrandum) oder durch das von Halmos eingeführte ◼. Im wunderbaren Buch: Humor in der Mathematik nach Wille finden wir den nachstehenden Vier­ zeiler, welchen wir Ihnen als kleinen humoristischen Gruß mit auf den Weg geben wollen: „Oh, wundervolles Theorem, so lernsympatisch, schreibbequem,

55 Vgl. Hull (2006, S. 394 f). 56 Vgl. Lévy, P.: Calcul de probabilités. Gauthier-Villars, Paris 1925. 57 Vgl. Reitz, Stefan: Mathematik in der modernen Finanzwelt; Vieweg+Teubner (2011). 58 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 803 ff. 59 Vgl. Albrecht, P.: Zum fairen Wert der Aktienanlagen eines Lebensversicherungsunternehmens aus ökonomisch-statistischer Perspektive. Mannheim; Springer-Verlag.

2.4 Verteilung

| 37

ich singe froh dir Lob und Preis, doch falsch ist leider dein Beweis.“⁶⁰

2.4 Verteilung Vieles im Leben ist eine Frage der Verteilung! Diese durchaus nach verschiedenen Sei­ ten auszulegende Aussage gilt auch für das Financial Engineering. Nachfolgend gehen wir auf die mathematische Fragestellung der Verteilung ein.

2.4.1 Die Normalverteilung Eine wichtige Wahrscheinlichkeitsverteilung ist die sogenannte Normalvertei­ lung. Sie tritt so oft auf, dass wir diese als „normal“ ansehen und in unseren Sprach­ gebrauch aufgenommen haben. Die Normalverteilung ist oftmals die Verteilung der ersten Wahl. Die Erklärung für das häufige Auftreten ist im zentralen Grenzwertsatz nach Lindeberg und Lévy begründet. Dieser besagt frei nach Spremann: „. . . dass die Summen von Zufallsgrößen approximativ normalverteilt sind (η → ∞), unabhängig da­ von, welche ursprüngliche Verteilung die addierten Zufallsgrößen haben (sofern gewisse Bedingungen erfüllt sind)“.⁶¹ Die Normalverteilung gilt als eine stetige Verteilung und die von der Dichtefunktion überdeckte Gesamtfläche ist immer gleich 1.⁶² 0,45 0,40 0,35 0,30 0,25 0,20

StandardStandardabweichung abweichung

0,15 0,10 0,05 0,00 -4

-3

-2

-1

0

1

2

3

4

Abb. 2.4: Dichtefunktion der Normalverteilung nach Carl Friedrich Gauß

60 Wille, Friedrich: Humor in der Mathematik, 6. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, S. 43 (2011). 61 Spremann, Klaus: Finance, München, 3. Auflage 2007. 62 Vgl. Böker, Fred: Formelsammlung für Wirtschaftswissenschaftler, Pearson Studium (2007).

38 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Die Dichtefunktion der Normalverteilung ist sehr einprägsam, da diese symme­ trisch ist. Sie wird auch Gauß-Glockenkurve, welche nach Carl Friedrich Gaus benannt ist (vgl. Abbildung 2.4), genannt. Die Dichtefunktion der Normalverteilung ist durch ihren Mittelwert (μ) und die Standardabweichung (σ) von f(x|μ, σ) cha­ rakterisiert. Bei einer gegebenen Dichtefunktion (μ = 0 und σ = 1) erhält man als Spezialfall die sogenannte Standardnormalverteilung.⁶³ Auf den alten 10-DM-Scheinen war lange Zeit das Konterfei von Carl Friedrich Gauß zu sehen. Ebenfalls auf dem Schein zu erkennen war die von Gauß aufgestellte Normalverteilung (die Glockenkurve).

Abb. 2.5: 10 Deutsche Mark, Banknote mit dem Konterfei von C. F. Gauß und der Gauß’schen Glo­ ckenkurve⁶⁴

Für die Normalverteilung gilt, dass bei einer normalverteilten Zufallsvariablen, mit ei­ ner Wahrscheinlichkeit von 0,6827(≈ 2/3) aller Realisierungen, diese im einfachen Sigma-Band zwischen μ − σ und μ + σ ausgewiesen werden. Bei der Standardnor­ malverteilung liegen etwa 2/3 aller Realisierungen zwischen −1 und +1 (vgl. Abbil­ dung 2.4).⁶⁵

63 Vgl. Gauß, Carl Friedrich: Anzeige von „Theoria residuorum biquadraticorum, commentatio se­ cunda“. In: Göttingische gelehrte Anzeigen, 23. April 1831, S. 169–178. In: Deutsches Textarchiv.; Vgl. Böker, Fred: Formelsammlung für Wirtschaftswissenschaftler, Pearson Studium (2007). 64 Quelle: Hermann Meinold/pixelio.de. 65 Vgl. Spremann, Klaus: Finance, München, 3. Auflage (2007).

2.4 Verteilung |

39

1,00 0,90 0,80 0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 -4,0

-3,0

-2,0

-1,0

0

1,0

2,0

3,0

4,0

Abb. 2.6: Verteilungsfunktion der Normalverteilung

Symmetrische, rechts- und linksschiefe Verteilung Bei einer symmetrischen Verteilung entsprechen Median, Modus und arithmetisches Mittel sich. Kommt es zu einer Verschiebung von Median, Modus und folglich auch dem arithmetischen Mit­ tel so sprechen wir von einer linksschiefen und rechtssteilen oder rechtsschiefen und linksstei­ len Verteilungskurve. Linksschief dann, wenn die Kurve nach links, rechtschief wenn diese nach rechts abfällt. Dementsprechend ist der Modus bei einer linksschiefen Kurve rechts des Medians und das arithmetische Mittel der Daten links des Medians. Bei einer rechtsschiefen Kurve ist der Modus links des Medians zu finden. Das arithmetische Mittel ist rechts des Medians. Es kommt nun zu den charakteristischen Schiefen und steilen Ausprägungen, welche nicht mehr der symme­ trischen Form entsprechen.⁶⁶ Abbildung 2.7 zeigt die jeweiligen Verteilungsformen schematisch auf (symmetrisch, rechtschief, linksschief).

Abb. 2.7: Verteilungsformen (schematisch)⁶⁷

66 Vgl. Wewel, Max C.: Statistik im Bachelor-Studium BWL VWL; Pearson (2014). 67 Vgl. In Anlehnung an viles.uni-oldenburg.de.

40 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Stetige und diskrete Zufallsvariable Während eine diskrete Zufallsvariable mittels eines Histogramms darstellbar (abzählbar oder endlich) ist, ist bei stetigen Zufallsvariablen dies nicht der Fall. Jede Zufallsvariable ist im diskreten Modell mit einer Wahrscheinlichkeit belegt und alle Wahrscheinlichkeiten addiert (Summe aller Wahrscheinlich­ keiten) ergeben 1. 12%

10%

8%

6%

4%

2%

0% Abb. 2.8: Histogramm (nicht normalverteilt)

p

Bei einer stetigen Zufallsvariablen ist dies so nicht darstellbar. Hier wird eine Dichte oder auch Dich­ tefunktion von X angegeben. Somit kann über das Integral die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Fläche der Kurve dargestellt und ausgegeben werden. Die Gesamtfläche ergibt hier wieder 1.

p 0

x

Abb. 2.9: Stetige Zufallsvariable mit Wahrscheinlichkeitsdichte p, wobei die Gesamtfläche P ent­ spricht Somit kann man festhalten, dass bei einer diskreten Zufallsvariablen die jeweiligen Zufallsvariablen zusammen (abzählbar im Histogramm) die Zahl 1 ergeben und bei der stetigen Zufallsvariablen die Gesamtfläche (der Dichte) unter der Kurve ebenfalls die Zahl 1 ergibt.

2.4 Verteilung | 41

2.4.2 Lognormalverteilung der Aktienkurse⁶⁸ Die Annahme von lognormalverteilten Aktienkursen ist der Schlüssel des Problems von theoretisch negativen Aktienkursen. Mithilfe des Lemma von Ito¯ lässt sich ein Prozess herleiten, den der logarithmierte Aktienkurs ln S beschreibt. Setzt man G = ln S so erhält man durch partielles Differenzieren: ∂G 1 = , ∂S S

1 ∂2 G =− 2 ∂S2 S

∂G =0 ∂t

Setzt man diese differenzierten Terme nun in Gleichung ein, so ergibt sich der von G befolgte Prozess: σ2 ) dt + σ dz dG = (μ − 2 Die Parameter μ und σ sind im Zeitverlauf konstant und daher folgt aus der Glei­ chung, dass G = ln S einem allgemeinen Wiener-Prozess folgt. Dieser Prozess wird hier beschrieben durch die konstante Drift μ − σ 2 /2 sowie die konstante Varianz σ 2 . Somit hat die Veränderung von ln S in einem beliebigen Zeitintervall null bis T einen Erwartungswert (μ − σ 2 /2)T und eine Varianz σ 2 T. Daraus resultiert, dass ln S T − ln S0 ∼ Φ [(μ − bzw. ln S T ∼ [ln S0 + (μ −

σ2 ) T, σ √T] 2

σ2 ) T, σ √T] 2

mit S0 als Aktienkurs zum Zeitpunkt null und S T zum Zeitpunkt T. Die Gleichung ver­ anschaulicht, dass ln S T der Normalverteilung unterliegt und somit S T lognormalver­ teilt ist. Aus diesem Verhaltensmodell für Aktienpreise mit dem Mittelwert von ln S T gleich ln S0 + (μ − σ 2 /2)T und der Standardabweichung σ √T wird impliziert, dass zu einem Zeitpunkt T der Aktienpreis lognormalverteilt ist. Einzig der aktuelle Preis der Aktie ist zur Berechnung erforderlich. Die Tatsache, dass eine lognormalverteil­ te Variable nur Werte zwischen null und unendlich annehmen kann, macht diesen Prozess ideal für die Annahme der Verteilung von zukünftigen Aktienkursen. Im Ge­ gensatz zur Normalverteilung ist die Lognormalverteilung nicht symmetrisch (siehe Abbildung 2.10) und der Modus, Median und Mittelwert sind unterschiedlich. Den Er­ wartungswert von S T kann man aus den Eigenschaften der Lognormalverteilung und herleiten und wird beschrieben durch: E(S T ) = S0 eμT

68 Bachhuber, Heiko (2012).

42 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Diese Gleichung ist identisch mit der vorangegangenen und zeigt, dass μ mit der De­ finition der erwarteten Rendite übereinstimmt. Zudem ist die Varianz von S T definiert durch: var(S T ) = S20 e2μT (eμ2T − 1).⁶⁹

Lognormalverteilung

0

Abb. 2.10: Die Lognormalverteilung

Die Lognormalverteilung Bei einer lognormalverteilten Variablen sind die beobachteten Realisationen immer positiv. Diese kann folglich jeden Wert zwischen Null und unendlich annehmen.⁷⁰

69 Vgl. Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate, (2006). 70 Vgl. Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate, (2006).

2.4 Verteilung

| 43

14%

relative Häufigkeit

12% 10% 8% 6% 4% 2%

5,5%

6,0%

4,5%

5,0%

3,5%

4,0%

2,5%

3,0%

1,5%

2,0%

1,0%

0,5%

0,0%

-0,5%

-1,5%

-1,0%

-2,5%

-2,0%

-3,5%

-3,0%

-4,5%

-4,0%

-5,5%

-5,0%

-6,0%

0%

Klassenobergrenze Abb. 2.11: Empirisches Histogramm des DAX® , 3.11.2008–31.10.2009⁷¹

1,6

Erwartungswert 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 -100%

-50%

0%

50%

100%

150%

200%

annualisierte Wertentwicklung

Abb. 2.12: Geschätzte Lognormalverteilung des DAX® auf Basis von Tagesdaten im Zeitraum 30.12.1998–30.10.2009⁷²

71 Prexl et al.: Financial Modeling, Stuttgart (2010). 72 Prexl et al.: Financial Modeling, Stuttgart (2010).

250%

44 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

2.5 Korrelationsanalyse 2.5.1 Korrelation Die Korrelation beschreibt die Beziehung und das Kräfteverhältnis zwischen zwei oder mehr Variablen. Nach Romeike Hager gilt: „Wenn sie besteht, ist noch nicht ge­ sagt, ob eine Größe die andere kausal beeinflusst, ob beide von einer dritten Größe kau­ sal abhängen oder ob sich überhaupt ein Kausalzusammenhang folgern lässt. Ebenso kann eine strikt nichtlineare Beziehung nicht durch die Korrelation beschrieben wer­ den.“⁷³ Eine positive Korrelation (vgl. Abbildung 2.13, es ist eine Korrelation zwischen den Instrumenten gegeben) ist dann gegeben, wenn die Veränderung einer Variablen gleichzeitig zu einer gleichen (in dieselbe Richtung gehenden) Veränderung der an­ deren Variablen führt. Es besteht ein Gleichlauf zwischen den beiden Variablen und folglich ein gegebenes Kräfteverhältnis. Zwei Wertpapiere, die nicht miteinander korrelieren, sind in Abbildung 2.14 dar­ gestellt. Es besteht hier kein Gleichlauf und keine Beeinflussung bzw. ein Kräftever­ hältnis zueinander. Im Portfoliomanagement spielt dies eine wichtige Rolle, denn nun ist eine Aus­ sage über den entwickelten bzw. sich entwickelnden Risikogehalt möglich. Abbil­ dung 2.15 zeigt auf, dass das Portfoliogesamtrisiko umso mehr reduziert werden kann, je weniger, in diesem Beispiel, die Assets 1 und 2 korrelieren. Sind beide Assets so­ gar vollständig negativ korreliert, so lässt sich das Portfoliogesamtrisiko signifikant reduzieren (Korrelationskoeffizient = −1). Der Korrelationsbegriff ist für uns hinsichtlich des Gesamtrisikos der eingegan­ genen Positionen von einer entscheidenden Bedeutung. Das Portfolio gilt als umso risikoärmer, je geringer die ausgewiesene Korrelation zwischen den einzelnen im Port­ folio enthaltenen Instrumenten ist. Autokorrelation und Autokovarianz Als Autokorrelation bezeichnet die Korrelation mit sich selbst zu einem anderen Zeitpunkt als dem aktuell betrachteten (es kann ein Trend entstehen).⁷⁴ Ähnlich gilt dies für die Autokovarianz. Als diese bezeichnen wir die Kovarianz (COV) einer Zeitreihe (t 0 − t x ) mit sich selbst zum aktuellen Beobach­ tungszeitpunkt.⁷⁵

73 Romeike F., Hager P.: Erfolgsfaktor Risiko-Management 2.0, Gabler. 74 Spreemann, K.: Finance, Oldenbourg Wissenschaftsverlag (2007); 3. Auflage. 75 Brockwell P. J., Davis R. A.: Time Series: Theory and Methods, New York: Springer-Verlag, (1987).

2.5 Korrelationsanalyse

|

45

Rendite

positiv korrelierend

Zeit

Rendite

negativ korrelierend

Zeit Abb. 2.13: Positiv (1. Grafik) und negativ (2. Grafik) korrelierende Wertpapiere

Die Korrelation von verschiedenen Anlageinstrumenten ist ein wichtiger Bestandteil des Financial En­ gineering. Wir werden auf dieses Thema sowohl im Bereich des Hedging von Positionen als auch bei der Konstruktion von verbrieften Derivaten (Zertifikaten) wieder zurückkommen.

46 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Rendite

nicht korrelierend

Zeit Abb. 2.14: Wertpapiere mit keiner Korrelation zueinander

25%

Korrelation = 1

20%

Portfoliorisiko

Korrelation = 0,75 15%

Korrelation = 0,5 Korrelation = 0,25

10%

Korrelation = 0 Korrelation = -0,5

5%

Korrelation = -1

100%

90%

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%

0%

Gewicht Asset 2

Abb. 2.15: Risiko eines Portfolios aus zwei Assets bei unterschiedlichen Korrelationen (Risiko As­ set 1 = 15 %, Risiko Asset 2 = 25 %)⁷⁶

76 Ernst, Häcker (Hrsg.): Financial Modeling 2. Auflage (2016).

2.5 Korrelationsanalyse

| 47

Tab. 2.1: Portfoliokorrelationen Asset 1 Risiko 0,15 Gewicht

Asset 2 Risiko 0,25 Gewicht

Korrela­ tion (1,00) Port­ folio­ risiko

Korrela­ tion (0,50) Port­ folio­ risiko

Korrela­ tion 0 Port­ folio­ risiko

Korrela­ tion 0,25 Port­ folio­ risiko

Korrela­ tion 0,50 Port­ folio­ risiko

Korrela­ tion 0,75 Port­ folio­ risiko

Korrela­ tion 1,00 Port­ folio­ risiko

1,0 1,0 1,0 0,9 0,9 0,9 0,9 0,8 0,8 0,8 0,8 0,7 0,7 0,7 0,7 0,6 0,6 0,6 0,6 0,5 0,5 0,5 0,5 0,4 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 0,3 0,2 0,2 0,2 0,2 0,1 0,1 0,1 0,1 0,0 0,0 (0,0)

– 0,0 0,1 0,1 0,1 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,3 0,3 0,3 0,3 0,4 0,4 0,4 0,4 0,5 0,5 0,5 0,5 0,6 0,6 0,6 0,6 0,7 0,7 0,7 0,7 0,8 0,8 0,8 0,8 0,9 0,9 0,9 0,9 1,0 1,0 1,0

15,00 % 14,00 % 13,00 % 12,00 % 11,00 % 10,00 % 9,00 % 8,00 % 7,00 % 6,00 % 5,00 % 4,00 % 3,00 % 2,00 % 1,00 % 0,00 % 1,00 % 2,00 % 3,00 % 4,00 % 5,00 % 6,00 % 7,00 % 8,00 % 9,00 % 10,00 % 11,00 % 12,00 % 13,00 % 14,00 % 15,00 % 16,00 % 17,00 % 18,00 % 19,00 % 20,00 % 21,00 % 22,00 % 23,00 % 24,00 % 25,00 %

15,00 % 14,32 % 13,67 % 13,04 % 12,44 % 11,88 % 11,35 % 10,87 % 10,44 % 10,07 % 9,76 % 9,53 % 9,37 % 9,29 % 9,29 % 9,38 % 9,54 % 9,78 % 10,09 % 10,46 % 10,90 % 11,38 % 11,91 % 12,48 % 13,08 % 13,71 % 14,36 % 15,04 % 15,74 % 16,45 % 17,18 % 17,93 % 18,68 % 19,45 % 20,22 % 21,00 % 21,79 % 22,58 % 23,38 % 24,19 % 25,00 %

15,00 % 14,64 % 14,30 % 14,00 % 13,73 % 13,49 % 13,29 % 13,13 % 13,00 % 12,91 % 12,87 % 12,87 % 12,90 % 12,98 % 13,10 % 13,26 % 13,45 % 13,69 % 13,95 % 14,25 % 14,58 % 14,93 % 15,32 % 15,73 % 16,16 % 16,61 % 17,08 % 17,57 % 18,07 % 18,59 % 19,12 % 19,67 % 20,22 % 20,79 % 21,37 % 21,96 % 22,55 % 23,15 % 23,76 % 24,38 % 25,00 %

15,00 % 14,79 % 14,61 % 14,46 % 14,33 % 14,23 % 14,16 % 14,12 % 14,11 % 14,12 % 14,17 % 14,24 % 14,35 % 14,48 % 14,64 % 14,82 % 15,03 % 15,27 % 15,53 % 15,80 % 16,11 % 16,43 % 16,76 % 17,12 % 17,49 % 17,88 % 18,28 % 18,70 % 19,13 % 19,57 % 20,02 % 20,48 % 20,95 % 21,43 % 21,92 % 22,42 % 22,92 % 23,43 % 23,95 % 24,47 % 25,00 %

15,00 % 14,95 % 14,91 % 14,90 % 14,91 % 14,93 % 14,98 % 15,05 % 15,13 % 15,24 % 15,36 % 15,50 % 15,66 % 15,84 % 16,03 % 16,24 % 16,46 % 16,70 % 16,95 % 17,22 % 17,50 % 17,79 % 18,10 % 18,41 % 18,73 % 19,07 % 19,41 % 19,77 % 20,13 % 20,50 % 20,88 % 21,26 % 21,66 % 22,05 % 22,46 % 22,87 % 23,29 % 23,71 % 24,13 % 24,56 % 25,00 %

15,00 % 15,10 % 15,21 % 15,33 % 15,46 % 15,61 % 15,76 % 15,92 % 16,09 % 16,27 % 16,46 % 16,66 % 16,87 % 17,09 % 17,31 % 17,54 % 17,78 % 18,02 % 18,27 % 18,53 % 18,79 % 19,06 % 19,34 % 19,61 % 19,90 % 20,19 % 20,48 % 20,78 % 21,09 % 21,39 % 21,70 % 22,02 % 22,34 % 22,66 % 22,99 % 23,31 % 23,65 % 23,98 % 24,32 % 24,66 % 25,00 %

15,00 % 15,25 % 15,50 % 15,75 % 16,00 % 16,25 % 16,50 % 16,75 % 17,00 % 17,25 % 17,50 % 17,75 % 18,00 % 18,25 % 18,50 % 18,75 % 19,00 % 19,25 % 19,50 % 19,75 % 20,00 % 20,25 % 20,50 % 20,75 % 21,00 % 21,25 % 21,50 % 21,75 % 22,00 % 22,25 % 22,50 % 22,75 % 23,00 % 23,25 % 23,50 % 23,75 % 24,00 % 24,25 % 24,50 % 24,75 % 25,00 %

48 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Tab. 2.2: Korrelation der internationalen Aktienmärkte (2007)⁷⁷

USA UK Japan Frankreich Schweiz Deutschland Niederlande Kanada Australien Italien

USA

UK

JP

FR

CH

DE

NL

KA

AU

IT

1,00 0,86 0,63 0,78 0,67 0,79 0,78 0,87 0,75 0,66

1,00 0,62 0,82 0,71 0,78 0,84 0,78 0,73 0,67

1,00 0,58 0,50 0,48 0,58 0,63 0,70 0,46

1,00 0,75 0,88 0,87 0,78 0,67 0,78

1,00 0,70 0,80 0,63 0,56 0,60

1,00 0,88 0,75 0,69 0,72

1,00 0,74 0,68 0,74

1,00 0,77 0,61

1,00 0,61

1,00

2.5.2 Varianz, Kovarianz und Korrelationskoeffizienten Unter der Varianz versteht man die quadrierte Standardabweichung eines beobach­ teten Instrumentes z. B. einer Aktie. Diese kann keine negativen Werte annehmen und es gilt Konsistenz.⁷⁸ Zieht man aus der Varianz die Quadratwurzel, so erhält man die Standardabweichung (Volatilität) des beobachteten Anlageobjektes. Bei der Va­ rianz wird somit die erwartete quadrierte Abweichung vom Erwartungswert des beob­ achteten Instruments beschrieben. Die Streuung um den Erwartungswert beschreibt die Varianz. Sie ist das Mittel der Summe der qua­ dratischen Abweichungen vom Erwartungswert.

In der Statistik wird die Kovarianz als nichtstandardisierte Maßzahl der Zusammen­ hänge zweier statistischer Merkmale definiert. So ist nach Bauer: „Die Kovarianz po­ sitiv, wenn z. B. X und Y tendenziell einen gleichsinnigen linearen Zusammenhang be­ sitzen, d. h., hohe Werte von X gehen mit hohen Werten von Y einher und niedrige Werte von X mit niedrigen Werten von Y. Die Kovarianz ist hingegen negativ, wenn X und Y einen gegenläufigen linearen Zusammenhang aufweisen, d. h., hohe Werte der einen Va­ riablen gehen mit niedrigen Werten der anderen Variablen einher. Ist das Ergebnis 0, so besteht kein Zusammenhang oder ein nichtlinearer Zusammenhang, z. B. eine U-förmige Beziehung zwischen den beiden Variablen X und Y.“⁷⁹

77 Prof. Herbst, Frankfurt School of Finance and Management, Frankfurt. 78 Vgl. Heilmann, W.-R., Schröter, K. J.: Grundbegriffe der Risikotheorie, Verlag der Versicherungs­ wirtschaft, Karlsruhe, 2. Auflage (2014). 79 Bauer, Christoph: Rohstoffe und ihre Korrelation mit traditionellen Anlagemärkten.

Aktien

Rohstoffe

Devisen

Zinsen

®

DAX®

S&P 500

Nasdaq 100

DJ EURO STOXX 50®

6M Euribor®

EUR/GBP

EUR/JPY

EUR/USD

Gold

Brent-Rohöl

S&P GSCI Livestock ER

S&P GSCI Precious Metals ER

S&P GSCI Industrial Metals ER

S&P GSCI Agriculture ER

S&P GSCI Energy ER

S&P GSCI ER

DAXglobal® BRIC

Zinsen

0,75 0,76 0,67 0,72

0,79 0,77 0,70 0,74 0,74

Nikkei 225

DAXglobal® BRIC

0,36 0,34 0,25 0,28 0,33 0,32 0,54 0,43

0,45 0,44 0,37 0,41 0,48 0,51

S&P GSCI Agriculture ER

S&P GSCI Industrial Metals ER

0,00 -0,04 -0,07 -0,05 0,01

0,23 0,22 0,27 0,28 0,26 0,21

0,51 0,49 0,52 0,52 0,57

-0,16 -0,18 -0,08 -0,09 -0,17 -0,15 -0,03 -0,04 0,01 -0,10 0,15 0,00 -0,05 0,14

0,07 0,08 0,04 0,08 0,04 0,03

Gold

EUR/USD

EUR/JPY

EUR/GBP

6M Euribor®

0,17 0,38 0,51

-0,37 -0,35 -0,37 -0,37 -0,41 -0,40 -0,23 -0,21 -0,28 -0,25 -0,10 -0,07 -0,23 -0,09 -0,22 -0,45 0,16 -0,18 -0,78

Rex Performance Index

-0,67

0,14 0,05

-0,28 -0,08 0,27

0,36 0,35 0,35 0,38 0,37 0,32 0,27 0,25 0,33 0,25 0,16 0,06 0,28 0,15 0,30 0,43 -0,03 0,27

0,12 0,03 0,08 -0,03 0,04 0,06 -0,02 0,04 0,09 -0,12

-0,03 0,00 0,50 -0,49

0,75 0,25 -0,10 0,47 -0,35

0,31 0,00

0,55

0,47 0,25 0,18 -0,04 0,26 -0,14

10J EURSwap-Satz®

0,11

0,51 0,39 0,34 0,37 0,46 0,23 0,19 0,33 0,21

0,41 0,36 0,39 0,38 0,53

0,38 0,32 0,33 0,35 0,99 -0,01 0,33

0,28 0,45 0,54 -0,14 0,04 0,51 -0,38

0,49 0,04 0,39 0,39 0,01 -0,14 0,23 -0,13

0,31 0,32 0,22 0,29 0,32 0,39 0,94 0,95 0,46 0,48 0,35 0,24

0,07 0,33 0,99 0,49 0,28 0,17 -0,05 0,27 -0,16

Brent-Rohöl

0,15 -0,01

0,04 -0,01 -0,04 -0,02 0,04 0,14 0,40 0,34 0,35 0,37

0,24 0,23 0,21 0,26 0,19 0,24 0,24 0,22 0,13

0,06 0,43 0,76 0,02 0,39 0,68 -0,28 0,10 0,45 -0,39

0,69 0,36 0,44 0,65 0,32 0,64 0,64 -0,01 -0,11 0,48 -0,40

S&P GSCI Livestock ER

0,56 0,48 0,44

S&P GSCI Precious Metals ER

0,11

0,54 -0,43

0,65 0,78 0,30 0,44 0,96 0,25 0,43 0,57 -0,15 0,14 0,53 -0,40

0,99 0,74 0,83 0,33 0,47 0,96 0,28 0,50 0,63 -0,15 0,11

S&P GSCI Energy ER 0,19 0,27 0,30 0,39 0,99

0,34 0,34 0,22 0,31

0,30 0,31

S&P GSCI ER 0,35 0,43

0,57 -0,02 0,49 0,69 -0,20 -0,05 0,45 -0,48

0,64 0,61 0,52 0,66 0,04 0,46 0,57 -0,01 0,34 0,63 -0,20 -0,06 0,42 -0,47

0,83 0,65 0,60 0,62 0,69 0,03 0,41

0,83 0,84 0,64 0,61 0,57 0,65 0,01 0,46 0,58 -0,04 0,46 0,60 -0,12 -0,02 0,51 -0,45

0,86 0,87 0,90

S&P 500

0,95 0,77 0,82 0,61 0,57 0,58 0,66 0,04 0,43 0,58 -0,01 0,49 0,64 -0,12 -0,09 0,51 -0,49

0,83 0,90 0,87 0,84 0,68 0,64 0,61 0,69 -0,01 0,48 0,61 -0,05 0,43 0,59 -0,24 0,05 0,48 -0,42

0,79 0,78

0,97

Devisen

10J EUR Swap-Satz®

Rohstoffe

Rex Performance Index

0,98 0,88 0,93 0,86 0,88 0,68 0,63 0,64 0,71 0,03 0,47 0,59 -0,02 0,46 0,64 -0,19 0,01 0,48 -0,44

Nikkei 225

Nasdaq 100

DJ EURO STOXX 50

DAX®

-0,01 x p = -1,00

-0,01 x p = -0,25

0,24 x p = 0,00

0,49 x p = 0,25

0,74 x p = 0,50

1,00 x p = 0,75

Aktien

80 Quelle: GoldmanSachs, Bloomberg; Linkes Dreieck die 5-Jahres-Korrelationen, rechtes Dreieck die 1-Jahres-Korrelationen (jeweils auf Basis wöchentlicher Renditen).

Abb. 2.16: Korrelations­ matrix der einzelnen Anlagegruppen (Stand: 08/2009)⁸⁰

2.5 Korrelationsanalyse |

49

50 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Die Kovarianz beschreibt, in welchem Maß zwei Größen parallel um ihren individuellen Erwartungs­ wert streuen.

Die Kovarianz gibt somit die Richtung einer Beziehung zwischen zwei Variablen an, über die Stärke des Zusammenhangs kann jedoch keine Aussage getroffen werden. Grund hierfür ist die Abhängigkeit des Ergebnisses der Maßeinheiten der beteiligten Variablen X und Y. Um hier Zusammenhänge deutlich zu machen und aufzuzeigen, normiert man die Kovarianz und erhält somit den Korrelationskoeffizienten. Dieser bewegt sich im Wertebereich zwischen −1 und +1. Ein Wert von +1 sagt somit aus, dass ein absolut positiver Zusammenhang und Gleichlauf besteht. Bei einem Wert von 0 besteht kein Zusammenhang und bei −1 haben wir logischerweise eine vollkommen gegensätzliche Bewegung zu erwarten.⁸¹ Wie bereits angesprochen erhält man durch die Normierung der Kovarianz den Korrelationskoeffizienten nach Bravais und Pearson, welcher die Stärke des Zu­ sammenspiels angibt (vgl. Tabelle 2.3). Positive Werte weisen auf einen gleichgerich­ teten, negative Werte auf einen gegenläufigen linearen Zusammenhang hin.⁸² rim =

COVim σi × σm

rim = Korrelationskoeffizient COVim = Kovarianz = Standardabweichung i σi Tab. 2.3: Korrelationskoeffizienten – Werte und Bedeutung Wert

Bedeutung

r = +1 r=0 r = −1

es besteht ein absolut positiver Zusammenhang und Gleichlauf kein Zusammenhang; max. zufallsbedingt vollkommen gegensätzliche Entwicklung (absolut)

Der Korrelationskoeffizient ist ein dimensionsloses normiertes Maß, das auf den Wertebereich zwi­ schen −1 und +1 begrenzt ist. Positive Werte zeigen einen gleichlaufenden (korrelierenden), negative Werte einen gegenläufigen (unkorrelierenden) linearen Zusammenhang auf. Je mehr sich der Korrela­ tionskoeffizient der Zahl 1 annähert, desto größer ist folglich der positive Zusammenhang. Je näher der Korrelationskoeffizient bei null liegt, desto geringer ist die wechselseitige Beziehung.

81 Vgl. Bauer, Christoph: Rohstoffe und ihre Korrelation mit traditionellen Anlagemärkten. 82 Vgl. Wewel, Max C.: Statistik im Bachelor-Studium BWL VWL; Pearson (2014); Vgl. Pepels W.: Handbuch des Marketing, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München (2012).

2.6 Duration und Konvexität |

51

Copulas Als Copula bezeichnet man die ausgegebene Funktion des funktionalen Zusammenhangs zwischen den Randverteilungsfunktionen von unterschiedlichen Zufallsvariablen und deren gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsverteilung. Hiermit können stochastische Abhängigkeiten modelliert und aufge­ zeigt werden. Anwendung finden Copulas z. B. im Bereich der Versicherungsmathematik und bei der Bewertung und Einordnung von Kreditrisiken. Folglich auch in der Bewertung von Bondportfolien und deren Ausfallrisiken.⁸³

2.6 Duration und Konvexität 2.6.1 Die Duration Bei der Modified Duration spricht man von einer Methode zur Ermittlung der Preis­ sensibilität von zinstragenden Instrumenten (Bonds). Die Duration zeigt somit die erste Ableitung aus dem Anleihepreis und dessen Sensitivität auf. Dies ist von großer Wichtigkeit, um hier Preisveränderungen zu erkennen und daraus Schlüsse zu ziehen. Wir drücken die Modified Duration wie folgt aus:⁸⁴ MD = MD n N CF n r

∑Nn−1

n×CF n (1+r)n CF n ∑Nn=1 (1+r) n

×

1 1+r

= Modified Duration = fortlaufendes Jahr = Gesamtlaufzeit in Jahren = Cashflow (auf die Nominale 100) zum Zeitpunkt n = aktuelle Rendite in Dezimalen

Die oft in der Literatur genannte MACAULAY Duration wird hierfür als Grundmodell genutzt und die Modified Duration ist eine Weiterentwicklung dieser. Die MACAULY Duration wird in Jahren ausgewiesen und nicht in Prozent. Nach­ folgend zeigen wir die Formel hierfür auf:⁸⁵ DMac =

∑Nn−1

n×CF n (1+r)n CF n ∑Nn=1 (1+r) n

83 Vgl. Hull, John C.: Risikomanagement, S. 250 ff. (2011); Vgl. Beck A.; Lekso, M.: Zur Modellierung von Abhängigkeiten in der Bankpraxis – Copula-Funktionen zur Ermittlung des Gesamtbankrisiko­ profils, in Betriebswirtschaftliche Blätter 07/2006; Vgl. Wengert, H.; Schittenhelm, A.: Corporate Risk Management (2013). 84 Vgl. o. V. Finance Trainer: Anleihen Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma. 85 Vgl. o. V. Finance Trainer: Anleihen Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma.

52 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering Zusammenfassung Grundaussagen Duration – Die Duration eines Zero-Bonds entspricht seiner Restlaufzeit. – Bei konstanter Restlaufzeit ist die Duration einer Anleihe mit niedrigerem Kupon höher. – Bei konstantem Kupon gilt: „Je länger die Restlaufzeit, desto länger ist die Duration der Anleihe.“ – Ceteris paribus ist die Duration einer Kuponanleihe höher, je niedriger die Rendite bis Endfällig­ keit. – Bei steigender Marktrendite sinkt die Duration. – Bei fallender Marktrendite steigt die Duration.⁸⁶

2.6.2 Die Konvexität Die Konvexität (Convexity) gibt das Verhalten eines Bonds bei Zinsänderungen an. Nun wird der geschulte Leser, wie oben beschrieben, einwenden, dass dies ja auch die Duration angibt. Dies ist korrekt, dabei ist jedoch zu beachten, dass die Duration (erste Ableitung) nur für kleinere Zinsänderungen zu verwenden ist und der Grad der Ungenauigkeit dementsprechend mit der Größe der Zinsänderung zunimmt. SPREMANN, GANTENBEIN erklärten dazu: „Die Duration gibt bei Wertänderungen, bei Zinserhöhungen den Wertverlust und bei Zinssenkungen den Wertzuwachs als zu gering an. Dieser Fehler ist umso größer, je stärker die Konvexität der Barwertkurve ist“.⁸⁷

Daher bedient man sich der zweiten Ableitung aus dem Bondpreis, der Konvexität, um eine verstärkte Genauigkeit zu erhalten. Hier wird die Krümmung berücksichtigt und der Aussagewert der gegebenen Sensitivität nimmt zu. Mit der Konvexität (wie auch mit der Duration) kann folglich eine Aussage über die Veränderung des Barwer­ tes eines Bonds getroffen werden. Die allgemeine Konvexität wird mit C= C P y c t

n 1 d2 P ∑i=1 c i t2i e−yt = P dy2 P

= Konvexität = Preis der Anleihe = Zins (stetige Verzinsung) = Zahlung(en) = Zeitpunkt(e)

angegeben.⁸⁸

86 Vgl. o. V. Eurex AG: Handbuch zur Vorbereitung auf die Eurex Händlerprüfung (2016). 87 Vgl. Spremann, Gantenbein: Zinsen, Anleihen, Kredite 4. Auflage, Oldenbourg Wissenschaftsver­ lag S. 170. 88 Vgl. Spremann, Gantenbein: Zinsen, Anleihen, Kredite 4. Auflage, Oldenbourg Wissenschaftsver­ lag S. 170; Vgl. Hull, John C.: Options, Futures und andere Derivate S. 133.

2.7 Statistische Konzepte der Wertpapieranalyse | 53

Abb. 2.17: Die Konvexität im Verhältnis zur Modified Duration⁸⁹

Man kann nun durch eine Taylorreihenentwicklung den Preis P wie folgt dar­ stellen:⁹⁰ dP 1 d2 P 2 ∆P = ∆y + ∆y dy 2 dy2 In der Abbildung 2.17 wird dies verdeutlicht. Hier geht Preis A und Zinssatz Z1 davon aus, dass bei einer Änderung auf Z2 eine Preisänderung auf B eintritt. Jedoch findet eine Änderung des Preises auf D statt. Berechnet man jedoch statt der Duration die Konvexität, so zeigt diese einem Punkt C, welcher als Näherungswert deutlich nä­ her Punkt D liegt. Die Aussagekraft ist somit höher.⁹¹

2.7 Statistische Konzepte der Wertpapieranalyse 2.7.1 Berechnung des Betafaktors Der Betafaktor eines Wertpapiers i (oder eines Portfolios) gegenüber einem effizien­ ten Marktportfolio M wird definiert als: Betafaktor =

COV(r i , r M ) VAR(r M )

89 Quelle: Morgan Stanley in ZJ Magazin S. 18; eigene Darstellung. 90 Vgl. Müller, Sofsky, Sawicz: Duration und Konvexität von Anleihen im Anleihenportfolio, Techni­ sche Hochschule Ingolstadt; Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives. 91 Vgl. o. V. Morgan Stanley: Duration und Konvexität.

54 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

was auch β=

σ iM σ i /σ m = ρ iM σM σ 2M

entspricht. Wir wollen an dieser Stelle kurz auf ein Praxisbeispiel eingehen. Abbildung 2.18 sieht man das Beta der BMW-Aktie, welche wir aus Beispielzwecken gewählt haben, im Vergleich zum DAX® Index. Für den Zeitraum Sept. 2007 bis Sept. 2009 ergibt sich laut Bloomberg ein Beta von 1,053. Des Weiteren wird der Beta-Standardfehler von 0,088 ausgewiesen, welcher bedeutet, dass das Beta mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 2/3 zwischen 0,965 und 1,141 liegt. Dies lässt sich herleiten, indem der Beta-Stan­ dardfehler von 0,088 zum Beta von 1,053 addiert bzw. subtrahiert wird. In der Wirt­ schaftspraxis wird i. d. R. das Beta roh (RAW BETA) angewendet (hier: 1,053). Bloom­ berg und andere Systeme weisen zusätzlich das Beta bereinigt (ADJUSTED BETA) aus. Dieses berechnet sich dann wie folgt: 2/3 × Beta roh + 1/3 × 1. In diesem Fall gilt: (2/3 × 1,053) + (1/3 × 1) = 1,036 .

Abb. 2.18: Beta von BMW im Vergleich zum DAX® ⁹²

β > 1 bedeutet: Das Wertpapier bewegt sich in größeren Schwankungen als der Gesamtmarkt. β = 1 bedeutet: Das Wertpapier bewegt sich gleich dem Gesamtmarkt. β < 1 bedeutet: Das Wertpapier bewegt sich weniger stark als der Gesamtmarkt. 92 Quelle: Bloomberg.

2.7 Statistische Konzepte der Wertpapieranalyse | 55

Das Beta gilt also als Kenngröße für das systematische Risiko, welches ein Instrument aufweist. Da dieses nicht durch Diversifikation zu eliminieren ist, gilt das Beta als wichtige Kenngröße.

Die besprochenen Faktoren: Varianz, Kovarianz, Korrelationskoeffizienten sowie Beta sind im Finan­ cial Engineering sehr wichtig. In diesem Buch gehen wir darauf nochmals in der Strategiefindung bzw. im Strategieaufbau ein. Speziell in den Themenbereichen der Kapitel 6, 8 und 13 wird das hier darge­ stellte Wissen benötigt.

2.7.2 Bewertung mittels Duplikation Unter der Duplikation versteht man das synthetische Nachbilden eines Portfolios, das dieselben Zahlungsströme (Payoff ist gleich) wie das zu bewertende UrsprungsInstrument aufweist. Die Tatsache, dass das Duplikationsportfolio (A) die gleiche Zah­ lungsströme erzeugen muss wie das duplizierte Instrument (B), führt bei Gültigkeit der Arbitrage-Freiheit⁹³ dazu, dass Portfolio (A) und Instrument (B) zu jedem Zeitpunkt den selben Wert einnehmen (A=B). Um beliebige Instrumente wie z. B. Wertpapiere duplizieren zu können, muss jedoch die Möglichkeit bestehen, z. B. Aktien leer zu ver­ kaufen, man nennt dies auch Short Selling oder synthetisches shorten der Position, auch Teilstücke (Deltapositionen) der Instrumente zu handeln und zu einem einheit­ lichen Zinssatz Geld risikofrei zu leihen und anzulegen. Es gilt ferner, die Laufzeiten von Derivat und Portfolio entsprechen sich stets, da sonst eine gleichlaufende Abbil­ dung nicht möglich wäre. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen der statischen Duplikation und der dynamischen Duplikation. Bei der statischen Duplikation findet nur dann eine An­ passung statt, wenn auch beim nachgebildeten Instrument diese stattfindet. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine Indexbewertung. Hier findet nur eine Adjustierung bei ei­ ner dementsprechenden realen Indexanpassung statt. Anders verhält es sich z. B. bei Optionen. Hier ist eine dynamische Handelsstrategie als Duplikation notwendig, da sich der Preis einer Option nicht linear zum Preis anderer Wertpapiere entwickelt, son­ dern einem asymmetrischen Risikoprofil folgt (kein Delta-1-Produkt). Daher ergibt sich die Notwendigkeit, das Portfolio fortlaufend anzupassen, damit es zumindest zum je­ weiligen Zeitpunkt die preisliche Bewegung des Derivates nachvollzieht. Zur dynami­ schen Duplikation werden i. d. R. Sensitivitäten wie das Delta, das Gamma und das Vega genutzt um diese optimal umsetzen zu können. Diese Sensitivitäten werden für das zu duplizierende Derivat sowie für die einzelnen Wertpapiere im Portfolio berech­ net. Anschließend wird das Portfolio so zusammengestellt, dass die einzelnen Sensiti­

93 Es fehlt die Möglichkeit zur Arbitrage (Ausnutzung von Preisunterschieden des gleichen Gutes auf unterschiedlichen Märkten); die Arbitrage-Freiheit ist eine Grundannahme der modernen Finanzma­ thematik.

56 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

vitäten des Derivats und des Portfolios sich entsprechen. Da sich dieser Prozess unter der Einflussnahme einer ständigen Veränderung fortsetzt, muss auch das Duplikati­ onsportfolio permanent an die nun passenden Faktoren bzw. Änderungen der Sensiti­ vitäten angepasst werden. In der Praxis und abseits vom theoretischen betrachten, ist dies natürlich mit Kosten und Aufwand verbunden. Dies findet in der theoretischen Betrachtung keine Berücksichtigung. Hier geht es lediglich um die quantitative Her­ leitung der Preis- und Risikostruktur. Originalunderlying

Duplikationsportfolio

x Auszahlungen an y Tagen in v Jahren Original

x Auszahlungen an y Tagen in v Jahren Synthetisch dem Original nachgebaut mit denselben Auszahlungsprofilen

Abb. 2.19: Duplikationsmodell

Wir kommen bei der Bewertung von Derivaten auf die Duplikation zurück. Speziell wird hierauf in Ka­ pitel 6 eingegangen.

2.8 Value-at-Risk | 57

2.8 Value-at-Risk Der Value-at-Risk (VaR) zählt zu den Standardrisikomaßen. Er gibt an, welchen Wert der Verlust einer bestimmten Risikoposition oder eines risikotragenden Portfolios, bei einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (dem Konfidenzniveau; 1 − α) und während ei­ nes festgelegten Zeitraumes nicht überschreitet. Der Value at Risk (VaR) zählt nicht zu den kohärenten Risikomaßen. VaR ist demnach der absolute Verlust einer Risikoposition, der mit einer entspre­ chenden Wahrscheinlichkeit über einen bestimmten Zeitraum nicht überschritten wird. Der betrachtete einmonatige 95 % VaR bedeutet folglich, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % der Risikobetrag für eine Laufzeit von einem Monat nicht überschritten wird. Bei einer Veränderung der Wahrscheinlichkeit auf 99 % wird folglich der Betrag angeben, welcher mit einer 99 % Wahrschein­ lichkeit nicht überschritten wird.

2.8.1 Wie wird der VaR bestimmt? In der Literatur wird zwischen drei Methoden der VaR Berechnung unterschieden: – Varianz-Kovarianz bzw. analytische Methode, – historische Simulation und – Monte-Carlo Simulation.

2.8.2 Varianz-Kovarianz / Analytische Methode Der analytische VaR wird aus einer, für die Risikoposition angenommenen Wahr­ scheinlichkeitsverteilung abgeleitet. Hierfür wird das gesuchte Konfidenzniveau der kumulierten Verteilung mit der Standardabweichung der Risikoposition multipliziert. Nutz man dieses Verfahren in einer Portfoliobetrachtung, so sind die einzelnen VaR’s zu einem Portfolio VaR zu aggregieren. Dieses Verfahren wurde ursprünglich von der Investmentbank J.P. Morgan entwickelt. Bei diesem Ansatz können Umwelt­ einflüsse über die Veränderung der Standardabweichung bzw. Kovarianz Matrix (im Portfolio Modell) in die VaR Bestimmung einfließen. Die somit aufgebaute Be­ trachtung eignet sich für symmetrische und lineare Instrument, jedoch nicht für asymmetrische. 2.8.3 Historische Simulation Die historische Simulation ist der einfachste Ansatz zur VaR Bestimmung. Hier­ bei wird die historische Kursbewegung einer Risikoposition für einen bestimmten Zeitraum in aufsteigender Reihenfolge sortiert. In einem weiteren Schritt wird das

58 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

α-Quantil der historischen kumulierten Verteilungsfunktion berechnet. Der ent­ sprechende Wert ist der VaR der historischen Simulation. Der Vorteil der historischen VaR Simulation ist, dass es ein sehr einfacher, nicht parametrischer Ansatz zur VaR Bestimmung ist. Ein offensichtlicher Nachteil ist die Annahme, dass die historische Verteilungsfunktion auch die zukünftige Verteilung der Risikoposition widerspiegelt. Häufig werden bei der historischen Simulation auch entsprechende bootstrapping Verfahren eingesetzt, die die Qualität des Verfahrens verbessern sollen. 2.8.4 Monte-Carlo Simulation Eine Alternative zur analytischen Methode und historischen Simulation ist die Bestim­ mung des VaR mithilfe einer Monte-Carlo Simulation. Im Unterschied zur historischen Simulation basiert das Verfahren der VaR Bestimmung mit Monte-Carlo Simulation auf der Annahme eines statistischen Modells, welches die Veränderungen der Risiko­ position bestmöglich approximiert. In einem ersten Schritt muss ein geeignetes Mo­ dell zur Abbildung der Veränderungen in der Risikoposition gewählt werden. Dann werden die Parameter des Modells bestimmt und mithilfe einer großen Zahl an zu­ fallsgenerierten Zahlen eine Verteilungsfunktion für die Risikoposition simuliert. Wie bei den anderen Verfahren wird das α-Quantil der simulierten Verteilungsfunktion be­ rechnet und damit der VaR bestimmt. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass es auch für nicht-lineare, asymmetrische Risikopositionen stabile Ergebnisse liefert und un­ terschiedliche Umweltszenarien sehr einfach in die Berechnung mit aufgenommen werden können. Als negativ kann die relativ hohe Rechenzeit für größere Simulatio­ nen genannt werden, wobei hierfür verschiedene Lösungsansätze in der Literatur und Praxis bereits vorgeschlagen werden. Conditional Value at Risk (CVaR) – Expected Shortfall Unter dem Conditional Value at Risk (CVaR) oder auch dem Expected Shortfall (dieser ist in den meis­ ten Fällen gleich dem CVaR, wenn die beobachten Zufallsgrößen stetige Dichten vorweise) versteht man, als Weiterentwicklung des Value at Risk (VaR). Mit dem Risikomaß VaR wird der maximale abso­ lute Verlust einer Risikoposition über einen Beobachtungszeitraum für eine bestimmte Wahrschein­ lichkeit widergegeben.⁹⁴ CVaR ist eine Weiterentwicklung von VaR zu einem kohärentem Risikomaß, vorgestellt von ARTZNER, DELBAEN, EBER und HEATH in COHERENT MEASURES OF RISK (vgl. MATHE­ MATICAL FINANCE, 9 (1999), 203–208).⁹⁵ CVaR ist definiert als der durchschnittliche absolute, VaR überschreitende Verlust in einem Beobachtungszeitraum für eine gegebene Wahrscheinlichkeit.⁹⁶

94 Vgl. Albrecht, Peter: Conditional Value at Risk (CVaR), Tail Value at Risk, Expected Shortfall in: Gabler Versicherungslexikon (online abgerufen Mai 2016). 95 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate (9. Ausgabe) S. 612, Pearson; Hull, John C.: Risikomanagement (2. Auflage); Pearson 191 ff. und S. 311. 96 Vgl. Albrecht, Peter: Conditional Value at Risk (CVaR), Tail Value at Risk, Expected Shortfall in: Gabler Versicherungslexikon (online abgerufen Mai 2016) und vgl. Artzner, P. / Delbaen, F. / Eber, J. / Heath, D. (1999), Coherent Measures of Risk, in: Mathematical Finance, Vol. 9, No. 3, S. 203–228.

2.9 Entscheidungstheoretische Grundlagen und Ansätze |

59

2.9 Entscheidungstheoretische Grundlagen und Ansätze Wir wollen nun einen kleinen Einblick in die klassische Spieltheorie und in der Praxis vorkommende Verhaltensmuster ermöglichen sowie einen Überblick über die gängi­ gen Portfoliotheorien geben. Dabei haben wir uns den für den Financial Engineer not­ wendigen Teil herausgegriffen und kurz dargestellt.

2.9.1 Die klassische Entscheidungstheorie Die klassische Entscheidungstheorie ist ein Teil der angewandten Wahrscheinlich­ keitstheorie, welche die Konsequenzen von Entscheidungen untersucht und bewer­ tet. Bekannte Methoden sind die Nutzwert-, Stakeholder- und Kraftfeldanalyse und der Analytic Hierachy Process. Dabei geht es immer um Entscheidungen, welche in verschiedenen Situationen zu treffen sind. Dabei unterscheidet man zwischen Ent­ scheidungen unter Sicherheit und unter Unsicherheit. Dies bedeutet, ist der Um­ weltzustand bekannt und kann dieser eingeschätzt werden und fließt dies somit in die Entscheidung mit ein, oder ist dieser nicht bekannt und muss daher als Unsicher­ heitsfaktor berücksichtigt werden. Da viele Entscheidungen in komplexen Situatio­ nen stattfinden, in denen nur unvollkommene Informationen vorliegen, ist die Ent­ scheidung bei Unsicherheit die wohl spannendere Angelegenheit. Die Entscheidungstheorie stößt jedoch dann an ihre Grenzen, wenn ein rational reagierender Gegenpart vorhanden ist bzw. konstruiert wird. Nun kommt die Spiel­ theorie zum Einsatz, welche wir nachfolgend kurz und in den Kernaussagen aufzei­ gen.

2.9.2 Die Spieltheorie Im Unterschied zur klassischen Entscheidungstheorie bedient sich die Spieltheorie der Aussage, dass der Erfolg eines Einzelnen nicht nur von seinen eigenen Handlun­ gen, sondern auch von den Aktionen und Reaktionen anderer abhängt. Erste formale Analysen von Gesellschaftsspielen legte John von Neumann im Jahr 1928 vor, auf de­ ren Grundsatz die Spieltheorie basiert. Die Spieltheorie modelliert die verschiedensten Ausgangssituationen als ein klas­ sisches Spiel. In der mathematisch formalen Beschreibung werden die Grundelemen­ te des Spieles festgelegt. So werden hier z. B. dargestellt: Welche und wie viele Spieler es gibt, welchen sequenziellen Ablauf das Spiel hat und welche Handlungsoptionen jeder Spieler in den einzelnen Stufen der Sequenz hat. Folglich der Handlungsrahmen des Spiels.⁹⁷

97 Vgl. Andree, Ulrich: Wirtschaftlichkeitsanalyse öffentlicher Investitionsprojekte.

60 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Zunächst wird hier eine Auszahlungsfunktion bestimmt. Diese Funktion ordnet jedem möglichen Spielausgang einen zugehörigen Auszahlungsvektor zu. Durch die­ sen wird festgelegt, welchen Gewinn ein Spieler erhält, wenn ein bestimmter Spiel­ ausgang eintritt. Der Gewinn kann dabei je nach Einsatz (Disziplin) variieren.⁹⁸ Wird ein Spiel nicht wiederholt, so spricht man vom isolierten Ereignis eines OneShot-Game (es ist ein einmaliger Durchlauf). Werden One-Shot-Games wiederholt und dies in Reihe fortgeführt, so spricht man von einem Super-Game (also einem Mehrfachspiel). Hierbei ist zu beachten, dass die Spieler die Erfahrungen der voran­ gegangenen Spiele in jedem Folgespiel einsetzen können. Es gibt folglich eine Erinne­ rungs- und Erfahrungsfunktion.⁹⁹

2.9.3 Wer hat welche Information? Die Frage, welcher Mitspieler welche Information hat, ist eine entscheidende Frage. Denn diese kann über den Spielausgang entscheiden. Nachfolgend wollen wir die ein­ zelnen Informationsstränge kurz aufzeigen und beleuchten. 2.9.3.1 Vollständige Information Ein Spieler kennt sowohl die Spielstruktur als auch die Eigenschaften der Mitspieler, aber er kann nicht notwendigerweise alle Handlungen der Mitspieler beobachten. 2.9.3.2 Vollkommene Information Ein Spieler kennt die Spielstruktur und die Eigenschaften der Mitspieler und ist grund­ sätzlich auch fähig, die Handlungen der Mitspieler zu antizipieren.

2.9.4 Überführung von Spielen mit unvollständiger Information in Spiele mit vollständiger, aber unvollkommener Information Nach Harsanyi¹⁰⁰ ist eine Unterscheidung zwischen Spielen mit unvollkommener In­ formation und unvollständiger Information überflüssig, da sich Spiele mit unvollstän­ diger Information in Spiele mit unvollkommener Information transformieren lassen.

98 Vgl. Holler, Manfred J., Illing, Gerhard: Einführung in die Spieltheorie, Springer Verlag, Heidelberg (2008). 99 Vgl. von Neumann, John: Theory of Self-Reproducing Automata; Vgl. Holler, Manfred J., Illing, Gerhard: Einführung in die Spieltheorie, Springer Verlag, Heidelberg (2008). 100 Harsanyi John C.: 1967/8. „Games with Incomplete Information Played by Bayesian Players.“ Parts 1–3 Management Science 14: 159–82, 320–34, 486–502.

2.9 Entscheidungstheoretische Grundlagen und Ansätze |

61

2.9.5 Unterschiedliche Strategien Wie bei jedem Spiel gibt es unterschiedliche Strategien. Nachfolgend wollen wir die einzelnen Strategien aufzeigen und darstellen. 2.9.5.1 Reine und gemischte Strategien Eine Strategie ist dann rein, wenn ein Spieler sie in jedem denkbaren Fall benutzt. Eine Strategie wird als gemischt bezeichnet, wenn ein Spieler sich aufgrund eines Zu­ fallsmechanismus zwischen zwei reinen Strategien entscheiden muss.¹⁰¹ 2.9.5.2 Gleichgewichte in dominanten Strategien Bei einem Gleichgewicht in dominanten, also beherrschenden Strategien, kann jeder Spieler seine Strategie unabhängig von der Strategiewahl des Gegenübers bestimmen. Da es somit per Definition keinen Anreiz gibt, die Gleichgewichtslösung zu verlas­ sen, ist jedes Gleichgewicht in dominanten Strategien auch ein Nash-Gleichgewicht. Umgekehrt ist aber nicht jedes Nash-Gleichgewicht ein Gleichgewicht in dominanten Strategien.¹⁰² 2.9.5.3 Nash-Gleichgewicht In einem Nash-Gleichgewicht stellen die gewählten Strategien die wechselseitig besten Antworten dar. Aufgrund dessen besteht für keinen Spieler der unilaterale, also für ihn bestehende, Anreiz eine andere Strategie zu verfolgen.¹⁰³ 2.9.5.4 Lösungswege aus bekannten Problemsituationen Ziel der mathematischen Spieltheorie ist, für Konfliktsituationen eine rationale Ent­ scheidung zu bestimmen. Dabei liegt die Schwierigkeit darin begründet, dass keiner der Spieler weiß, wie sich die anderen Spieler entscheiden werden. Damit ist es für einen einzelnen Spieler völlig ungewiss, wie sich seine konkrete getroffene Entschei­ dung für eine Strategie auswirken wird.¹⁰⁴ Das von Nash aufgestellte Gleichgewicht, zeigt nun folgendes auf:

101 Vgl. Holler, Manfred J., Illing, Gerhard: Einführung in die Spieltheorie, Springer Verlag, Heidel­ berg (2008). 102 Vgl. Holler, Manfred J., Illing, Gerhard: Einführung in die Spieltheorie, Springer Verlag, Heidel­ berg (2008). 103 Vgl. Nash jr., John F.: Equilibrium Points in n-Person Games (1949). Vgl. Eichberger, Jürgen (1993): „Game Theory for Economists“. San Diego / New York: Academic Press, S. 84. 104 Holler, Manfred J., Illing, Gerhard: Einführung in die Spieltheorie, Springer Verlag, Heidelberg (2008).

62 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

1. 2.

Es werden alle möglichen Kombinationen der Entscheidung zugelassen. Voraus­ setzung ist, dass diese für jeden Spieler eine Strategie darstellen. Da kein Spieler einen unilateralen Anreiz hat, von seiner Strategie abzuweichen, kann man diese als stabil bezeichnen. Die Auszahlung an den Spieler, der sei­ ne Strategie als Einzelner ändert, darf sich also aufgrund dieser Änderung nicht erhöhen. Es ist somit kein isolierter Anreiz für ihn gegeben, diese Anpassung vor­ zunehmen.

Ist dies der Fall, wird die betreffende Strategiekombination, nach John F. Nash, NashGleichgewicht¹⁰⁵ genannt. Jedoch muss beachtet werden, dass es keine eindeutige Bestimmung für das Nash-Gleichgewicht gibt. Wird der Entscheidungsrahmen der Spieler auf sogenannte gemischte Strategien (jeder Spieler kann seinen Handlungs­ plan frei und zufällig wählen) erweitert, so kann man von dessen Existenz jedoch gesi­ chert ausgehen. Ein Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien besteht folglich aus einer gemischten Strategie für jeden Spieler, mit der Eigenschaft, dass die gemischte Strategie eines jeden Spielers die beste Antwort auf die gemischten Strategien der an­ deren Spieler bildet.¹⁰⁶ Beispiel: „Zwei Spieler (1 = X und 2 = Y) haben je eine schwarze und eine weiße Spielfigur. Die Regeln lauten: Spieler X gewinnt, wenn die Farben der Spielfigur beim Ziehen gleich sind (schwarz/schwarz oder weiß/weiß). Spieler Y gewinnt, wenn die Farben der Spielfigur unterschiedlich sind (weiß/schwarz oder schwarz/weiß). Welche Strategie wird Spieler X wählen? Wählt er die schwarze Spielfigur, wird Spieler Y immer die weiße wählen und Spieler X verliert. Selbst wenn Spieler X seine Strategie ändert und sich für die weiße Spielfigur entscheidet, ändert Spieler B seine Strategie ebenfalls und wählt diesmal als Konter die Farbe schwarz – Spieler X verliert folglich wieder. Beginnt Spieler Y, wird Spieler X seine Strategie ebenfalls anpassen. Daraus folgt, dass kein Spieler durch die richtige Kombination von Spielfiguren einen Vorteil erzielen kann. Wenn der Gegner die Strategie errät, kann er immer eine passende Gegenstrategie wählen, die ihm den Sieg sichert – und umgekehrt.“¹⁰⁷ Im gegebenen Beispiel nach Rieck kann es folglich kein Nash-Gleichgewicht geben, wenn beide Spieler eine reine Strategie (vgl. Kapitel 2.9.5.1) wählen. Abhilfe kann ein Abweichen, also ein Spiel mittels zufälliger Auswahl der Vorgehensweisen sein. Nur wenn beide Spieler rein zufällig mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent die weiße

105 Nash-Equilibrium. 106 Vgl. Holler, Manfred J., Illing, Gerhard: Einführung in die Spieltheorie, Springer Verlag, Heidel­ berg (2008), Vgl. Rieck, Christian: Spieltheorie: Eine Einführung, Christian Rieck Verlag, Eschborn (2008). 107 Rieck, Christian: Spieltheorie: Eine Einführung, Christian Rieck Verlag, Eschborn (2008).

2.10 Financial Engineering und Spieltheorie | 63

oder schwarze Spielfigur nehmen, gäbe es für keinen den Anreiz, von dieser zufälligen Strategie abzuweichen, und es entsteht zwangsläufig ein Nash-Gleichgewicht.¹⁰⁸

2.10 Financial Engineering und Spieltheorie Was hat die Spieltheorie nun mit Financial Engineering und den Märkten zu tun? Sehr viel! Nein, wir sprechen nicht davon, dass Derivatemärkte etwas für Spieler sind. Es geht uns vielmehr um die Entscheidungen, welche wir jeden Tag im Zuge des Finan­ cial Engineering, im Wealth Management oder in anderen für die Financial Industrie relevanten Abteilungen treffen. Natürlich evaluiert man nicht jeden Tag seine Ent­ scheidungen mittels spieltheoretischer Ansätze, auch wenn wir dies evtl. im Unter­ bewusstsein so machen (denken Sie an das Beispiel mit den weißen und schwarzen Spielfiguren). An den Märkten werden täglich Entscheidungen zugunsten oder zulas­ ten eines Investments getroffen, Zahlen bewertet und Bilanzen ausgewertet. Wichtig ist jedoch auch, zu wissen, wie die Masse der Investoren auf eine Nachricht reagiert. Was wird sie in die eine oder andere Richtung treiben? Wie reagiert mein Gegenüber als Verhandlungspartner in einer bestimmten Situation, wie weit kann ich z. B. bei Verhandlungen gehen? Diese Lösungsansätze lassen sich mittels der Spieltheorie auf­ bauen und bewerten. Natürlich wird kein Mensch immer rational entscheiden oder sich zu einhundert Prozent an alle Regeln halten. Dies macht es jedoch so spannend, diese Verfahren anzuwenden. Gerade bei harten Verhandlungen kann man sich hier Vorteile gegenüber seinem Verhandlungspartner verschaffen. Wichtig ist jedoch, dass man bereits im Vorhinein das Spiel mit den einzelnen möglichen Ausgängen durch­ gespielt hat. Dann ist man auf verschiedene Situationen vorbereitet und kann schnell und zielgerichtet handeln. Eine solche Vorbereitung ist bei allen großen Verhandlun­ gen zwingend notwendig! Lassen Sie uns an dieser Stelle noch auf ein anderes Beispiel aus der Finanzbran­ che eingehen. Viele gehen davon aus, dass bei einer Dividendenzahlung ein Aktio­ när „reicher“ wird. Dies ist jedoch falsch, da er lediglich einen Gewinn, welcher sonst im Unternehmen folglich der Aktie zugrunde liegt, ausgeschüttet bekommt. Warum macht ein Unternehmen dies dann? Hierfür gibt es einige Gründe: Zum einen sind es Anreizinstrumente für neue Kapitalgeber, zum anderen ist es eine Signalwirkung an den Markt und somit folglich nach außen. Diese kann man spieltheoretisch un­ tersuchen. Schlechte Nachrichten, wie Rückrufaktionen bei Autos, Arbeitsplatzstrei­ chungen, Skandale etc., führen zu einem schlechten Außenbild des Unternehmens, während z. B. Dividendenzahlungen oder ein Aktienrückkaufprogramm zu einem po­ sitiven Außenbild führen. So versucht ein Manager immer, negative Daten mit posi­ tiven Daten nach außen zu verkaufen (fast wie kleine Kinder, welche oft zur selben

108 Vgl. Rieck, Christian: Spieltheorie: Eine Einführung, Christian Rieck Verlag, Eschborn (2008).

64 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Taktik greifen, wenn es um Verhandlungen mit den Eltern geht). Warum ist dies so? Dass es dem Unternehmen gut geht, weiß nur ein „Insider“ bzw. gut informierter In­ vestor. Trifft folglich eine schlechte Nachricht auf „Nicht-Insider“, hat dies negative Folgen. Kombinieren sie dies jetzt mit etwas, das sich ein „schlechtes“ Unternehmen nie leisten könnte, wie eine Dividendenzahlung, haben sie eine negative Nachricht aufgefangen und austariert. Somit signalisiert die Dividendenzahlung, dass die Insi­ der des Unternehmens mehr wissen als Außenstehende und dass die Nachrichten vom Unternehmen gut sein müssen, ohne dass diese konkret ausgesprochen werden.¹⁰⁹

2.11 Die Risikosteuerung eines Portfolios Im nachfolgenden Teil sprechen wir von Risikosteuerung und setzen dies auch in den diversen Hedgingstrategien um. Wenn man von Risikosteuerung spricht, ist es unbe­ dingt notwendig, das Risiko richtig zu benennen. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen dem unsystematischen Risiko, das aus dem Einzelengagement resultiert, und dem systematischen Risiko, das auch als nicht diversifizierbares Risiko bezeich­ net werden kann. Das unsystematische Risiko lässt sich durch aktives Depotmanage­ ment und Diversifikation eliminieren.¹¹⁰ Das systematische Risiko dagegen ist im Ge­ samtmarkt verwoben und betrifft damit alle Investitionen eines Marktes. Es lässt sich folglich nicht wegdiversifizieren. Wie in der Abbildung 2.20 zu erkennen ist, bleibt die durchschnittliche Kovarianz zwischen den Assets bestehen. Das Portfoliorisiko besteht aus einer gewichteten Summe der Einzelwertrisiken sowie der wechselsei­ tig bestehenden Korrelationen. Folglich kann man sagen, es geht um Einzelrisiken und deren Zusam­ menspiel mit anderen Einzelrisiken.

2.11.1 Welche Grundfragen stehen vor einem jeden Handeln? Ein Investor sollte immer seine Ziele planen. Erst wenn dieser Plan gereift ist, sollte er in die Tat umgesetzt werden. Von zu hastigen Aktionen ist abzuraten, da diese im Regelfall zu Verlusten führen. Vor Abschluss der Geschäfte muss sich ein Investor folgende Fragen stellen: – Ist es sinnvoll, dieses Geschäft abzuschließen? – Wie sind die Chancen im Verhältnis zum Risiko? – Mit wie viel Geld werde ich dieses Investment beginnen? – Wie viel Geld werde ich noch einbringen? – Wie lange möchte ich das Investment halten? 109 Vgl. Rieck, Christian: Spieltheorie: Eine Einführung, Christian Rieck Verlag, Eschborn (2008). 110 Siehe hierzu: Markowitz, Harry M.: Portfolio Selection Theory, 1952.

2.11 Die Risikosteuerung eines Portfolios

| 65

Varianz der Portfoliorendite

var

unsystematisches Risiko cov systematisches Risiko 1

3

5

7

9

11

13

15

19

21

…N

Abb. 2.20: Varianz der Portfoliorendite in Abhängigkeit von der Anzahl der Portfolioelemente¹¹¹

– – –

Welches Risiko bin ich bereit zusätzlich aufzubauen? Wann werde ich die Position im Gewinnfall schließen? Wann werde ich die Position im Verlustfall schließen?

Nach diesen Fragen sollte er einen Aktionsplan (vgl. Abbildung 2.21) aufstellen, in dem die Antworten festgehalten werden. Grundsätzlich ist ratsam, nicht mehr als 20 bis 30 Prozent des liquiden Vermögens in Spekulationen zu investieren. Die Nachschussverpflichtungen (Sicherheiten-Verstärkung) sollten 30 bis 50 Prozent¹¹² des Ursprungsinvestitionskapitals nicht überschreiten, da in diesem Rahmen eine Abfederung der eventuell eintretenden Verluste möglich ist. Der Aktionsplan sollte ausführlich geschrieben werden und ist als Wegweiser durch die ersten Engagements zu verstehen. Der Aktionsplan muss Aktionsanweisungen für den Ein- und Ausstieg in Positionen beinhalten, die Verlust- und Gewinngrenzen aufzeigen, die möglichen Nachschussverpflichtungen festlegen und der Grundintention des Investors (Warum mache ich dieses Geschäft?) dienen. Gerade am Anfang, aber auch in komplexen Strategien ist es sinnvoll, Stop-Loss-Limits zu definieren. Diese Vorgehensweise

111 Vgl. Crowther, D. & Sefi, S., 2010. Corporate Governance & Risk Management; vgl. Shahla Seifi & Ventus Publishing ApS; vgl. Auckenthaler, C.: Theorie und Praxis des modernen Portfoliomanage­ ment, 1994, 143 (Darstellung angepasst und eigen). 112 Gilt für nicht professionelle Marktteilnehmer.

66 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Grundgedanken

• Grundintention für das Geschäft • Nachschussmöglichkeiten

Grenzen

• Gewinngrenzen • Verlustgrenzen

Aktionsanweisungen

• Einstiegsplan • Ausstiegsplan

Abb. 2.21: Aufbau eines Aktionsplans

sorgt auch dafür, dass sich der Investor intensiv mit der Materie beschäftigt und seine Entscheidung nicht aus einer Laune heraus trifft. Hat sich ein Investor bereits intensiv mit der Materie beschäftigt, ist der schriftliche Aktionsplan nicht mehr notwendig, da er aus eigener Erfahrung heraus entscheiden und reagieren kann. Im institutionel­ len Bereich kommen Risikomanagementsysteme mit Früherkennungssignalen zum Einsatz, welche hier unterstützend arbeiten.

2.11.2 Welche Typen von Investoren gibt es? Vereinfacht unterscheidet man zwischen Retail- und institutionellen Kunden. Die­ se lassen sich wiederum in beliebig viele Unterkategorien aufschlüsseln. Die beiden Kundengruppen unterscheiden sich hinsichtlich des Einsatzes von Derivaten im All­ gemeinen wie folgt: – Fachwissen – Haltedauer – Liquidität – Analytische Fähigkeit und Tools – Marktzugang (OTC und Börsen) – Regulatorische Vorschriften – Ordergröße Grundsätzlich ist eine Berücksichtigung der obigen Faktoren notwendig. Gerade bei diesen Faktoren unterscheiden sich Retail- und institutionelle Investoren stark. Dar­ über hinaus besteht die Möglichkeit, dass Derivate durch eine dritte Partei beraten bzw. vermittelt werden (Vermögensverwalter, Family-Office, Kundenbetreuer, Wirt­

2.11 Die Risikosteuerung eines Portfolios

| 67

schaftsprüfer etc.). Ihr Einfluss muss hier ebenfalls berücksichtigt werden. Auf der Ebene der institutionellen Kunden, unterscheidet man auch zwischen Buy Side und Sell Side Kunden. Also Kunden wie Portfoliomanager, Hedge Funds etc. (Buy Side) und Broker/Dealer/Banken (Sell Side).

2.11.3 Wie gehen neue Investoren mit Derivaten um? Investoren, die neu im Bereich Derivate investieren wollen, oder Mitarbeiter, welche in einer Ausbildungsphase sind, sollten zuerst im Trockenhandel (auf dem Papier oder z. B. in Excel® oder einem Handelssimulationssystem) Strategien aufbauen und die­ se verfolgen. Dieser Trockenhandel ist schriftlich festzulegen und ehrlich zu führen (nicht nur das Positive zählt). Die Verluste auf dem Papier sind keine echten Verluste, aber auch aus ihnen kann man lernen. In diesem Zusammenhang sind uns folgende Punkte wichtig: – Die Strategien müssen in unterschiedlichen Marktsituationen getestet werden. – Normale Marktsituation. – Stresstest in einer außergewöhnlichen Marktsituation. – Die Ein- und Ausstiegssignale müssen realistisch und nachvollziehbar sein. – Marktgerechte Signale. – Nachvollziehbarkeit muss immer gewährleistet werden. – Die Grundregeln der Statistik sind unbedingt anzuwenden und zu beachten. Erst wenn ein Investor auf diese Art und Weise Erfahrungen gesammelt hat, sollte er die Investitionen selbst vornehmen. Er kann nun mit auftretenden Problemen einfacher umgehen, da er die verschiedenen Situationen bereits auf dem Papier „durchlebt“ hat. Man sollte sich jedoch nicht der Illusion hingeben, keine neuen Entscheidungen mehr treffen zu müssen: Auch der beste Spekulationsplan und die beste Vorbereitung im Trockenhandel können nicht vor hektischen und oft zu emo­ tional getroffenen Entscheidungen bewahren. Daher gilt es vor allem, Ruhe zu bewahren und zu versuchen, Entscheidungen sachlich zu treffen. „An der Spitze sind die Dinge einfach!“ Diese Aussage von Alpa of Switzerland „Things are simple at the top!“ ist auch im Financial Enginee­ ring richtig. Daher ist nicht immer die komplexe Materie das Richtige. Oft sind es die simplen Strate­ gien, mit denen man sehr viel mehr Erfolg hat als mit den hochkomplexen.

Lassen Sie uns an diesem Punkt noch kurz ein paar Worte zur Höhe der Investitio­ nen verlieren. Statistisch gesehen bringen häufigere kleine Einsätze einen per Saldo höheren Ertrag als wenige große. Auch aus Risikoaspekten heraus sollte man sich hierauf stützen. Das Verlustpotenzial ist gemessen am Gesamtvermögen auszurich­

68 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

ten und das Investitionsvolumen sollte nicht den Verlusten angepasst werden. Wer­ fen Sie nicht gutes Geld dem schlechten hinterher! Im Bereich der institutionellen Investoren sind die Bandbreiten der zur Verfügung gestellten Liquidität zu beachten. Des Weiteren die Belastungen für das haftende Eigenkapital. Hier gelten die theoretischen Grundsätze des Portfoliomanagements, welche wir in Kapitel 2.12 auf­ zeigen. Ebenfalls sollte das Risikomanagement nicht aus den Augen gelassen werden. Wir gehen hier­ auf näher in Kapitel 16 ein.

2.12 Portfoliotheorie Die Portfoliotheorie untersucht das Investitionsverhalten von Anlegern an Kapital­ märkten und ihre Renditeerwartung im Verhältnis zum eingegangenen Risiko. Folg­ lich, wie effizient die Investitionen und Kombinationen der Investitionen sind. Ziel der Portfoliotheorie ist, Handlungsanweisungen für die bestmögliche Kombination von Anlagealternativen zur Bildung eines optimalen Portfolios zu geben. Denn das op­ timale Portfolio bietet dem Anleger genau auf seine Erwartungshaltung zugeschnit­ tene Möglichkeiten. Es berücksichtigt sowohl die Renditevorstellung (im Verhältnis zum Risiko) wie auch die Liquiditätssituation des Investors. Dabei kommen mathe­ matische Modelle zum Einsatz, welche wir in den Grundlagen nachfolgend aufzeigen wollen.

2.12.1 Das Portfolio-Selection-Modell Ausgangspunkt des Portfolio-Selection-Modells¹¹³ von H. M. Markowitz¹¹⁴ ist die empirische Beobachtung, dass Anleger ihr Vermögen auf mehrere Anlagetitel auftei­ len, folglich also diversifizieren und somit das Risiko versuchen zu streuen.¹¹⁵ Für sein nachfolgend erklärtes Modell erhielt Markowitz 1990 den Wirtschaftsnobelpreis und gilt bis heute als Vater der modernen Portfoliotheorie. Zentrale Aussagen des MARKOWITZ-Modells¹¹⁶ – –

Maßgeblich für die Portfoliokonstruktion sind die Größen erwartete Rendite und Risiko. Aus Gründen der Risikoreduktion ist die Bildung von Wertpapierportfolios, und die damit ein­ hergehende Diversifikation, sinnvoll und anzuraten.

113 Entwickelt 1952 von Harry Markowitz und publiziert erstmals unter: Portfolio Selection, Journal of Finance. 7/1952, S. 77–91. 114 Geb. 1927 in Chicago, US amerikanischer Ökonom; seit 1990 Wirtschaftsnobelpreisträger. 115 Vgl. Putnoki, H., Hilgers, B.: Große Ökonomen und ihre Theorien, 2. Auflage, Wiley (2013). 116 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement.

2.12 Portfoliotheorie







| 69

Als effizient werden solche Portfolios bezeichnet, zu denen es bei gleicher erwarteter Rendite kein Portfolio mit einem geringeren Risiko gibt bzw. zu denen es bei gleichem Risiko kein Portfolio mit einer höheren zu erwartenden Rendite gibt. Zentrale Bedeutung für das Portfoliorisiko besitzt die Korrelation der erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere im Portfolio. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Menge der ins Portfolio aufgenommenen Werte, sondern vielmehr auf die Korrelationen der im Portfolio befindlichen Titel an. Die optimale Portfoliowahl ist dort erreicht, wo das Portfolio risikoeffizient ist und zugleich der individuellen Risikoneigung des einzelnen Anlegers entspricht.

Im MARKOWITZ-Modell wird das Risiko von Wertpapieranlagen berücksichtigt. Da­ bei wird die bislang geltende eindimensionale Betrachtungsweise, die der Rendite, aufgebrochen und durch eine bis heute genutzte zweidimensionale Betrachtung von Rendite und Risiko ersetzt. Dieser Umstand führt nun dazu, dass nicht mehr die Be­ trachtung des Einzelwerts sondern die des gebildeten Portfolios als Ganzes im Mittel­ punkt steht. Die Betrachtungsebene hat sich somit um eine Ebene verschoben. Das Portfolio-Selection-Modell ist jedoch keinesfalls frei von Anfälligkeiten und Stör­ faktoren. Für die Berechnung der Effizienzgrenze ist eine große Menge zu schätzender Daten (und diese bringen diverse Schätzfehler mit sich) notwendig. In der Praxis be­ steht oft erhebliche Unsicherheit bezüglich der Werte der Modellvariablen. Ferner ist die Verwendung historischer Daten (welche immer nur einen Rückblick liefern) pro­ blematisch, da für die Anleger die Kenntnis zukünftig effizienter Portfolios wichtig ist.¹¹⁷ Die erwartete Portfoliorendite wird mithilfe der erwarteten Rendite der einzelnen Anlagen gemessen und erfolgt grundsätzlich aus: n

μp = ∑ xi μi i=1

μp xi μi n

= erwartete Portfoliorendite = Anteil des Wertpapiers i am Portfolio = Erwartungswert der Rendite des i-ten Wertpapiers = Anzahl der im Portfolio enthaltenen Wertpapiere

Das erwartete Portfoliorisiko wird mithilfe der Varianz abgebildet. Ihre Berechnung wird grundsätzlich wie folgt ausgeführt: σ 2p =

1 T ∑ (R pt − μ p )2 T t=1

σ 2p = Varianz der erwarteten Rendite des Portfolios p

117 Vgl. Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement.

70 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

T = Anzahl der beobachteten Renditen des Portfolios (Zeitperioden) R pt = erwartete Rendite des Portfolios p in der Periode t μ p = Erwartungswert der Portfoliorendite Wird die Varianz einer Portfoliorendite aus den Einzelrenditen der getätigten oder an­ stehenden Investments berechnet, so ist das Ausmaß des Renditegleichlaufes (wel­ cher von der Korrelation der Renditen abhängt) der einzelnen Wertpapiere ausschlag­ gebend. Es muss somit die Portfoliovarianz neben den Einzelvarianzen der Wertpa­ piere berechnet werden (vgl. Abbildung 2.22).¹¹⁸

erwartete Rendite

risikoeffiziente Linie Minimum-Varianz-Portfolio

risikoineffiziente Linie

Volatilität

Abb. 2.22: Minimum-Varianz-Portfolio (grafische Darstellung des Erwartungswertes der Renditen vs. der Standardabweichung der erwarteten Renditen)

Kernaussagen des Markowitz-Modells¹¹⁹ Es gibt kein anderes Portfolio, das – bei gleicher Renditeerwartung ein geringeres Risiko aufweist, – bei gleichem Risiko eine höhere zu erwartende Rendite generiert, – sowohl einen höheren Renditeerwartungswert als auch gleichzeitig ein geringeres Risiko be­ sitzt.

118 Vgl. Markowitz, H. M.: Portfolio Selection, Journal of Finance. 7/1952, S. 77–91; Vgl. Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement. 119 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement.

2.12 Portfoliotheorie

| 71

2.12.2 Das Single-Index-Modell Ziel des von Sharpe¹²⁰ geschaffenen Modells ist, mit weniger Datenreihen als Mar­ kowitz auszukommen. Sharpe geht davon aus, dass die positiven Korrelationskoef­ fizienten zwischen Anlagetiteln fundamentale Ursachen haben (z. B. Änderungen der Leitzinsen durch die Notenbank, politische oder wirtschaftliche Ereignisse). Er unter­ stellt, dass diese gemeinsamen Einflüsse mithilfe eines Indexes erfasst werden kön­ nen und dass dieser die Renditeunsicherheit der Aktien – abgesehen von einer titel­ spezifischen Störkomponente – vollständig erklärt. Folglich wird nach seiner Maßga­ be im Index alles abgedeckt.¹²¹ Zentrale Aussage des Single-Index-Modells¹²² – –

Bildet man einen Indexansatz, so lässt sich die Datenproblematik des Markowitz-Modell be­ wältigen. Die Wertentwicklung von Einzelinstrumenten ist nicht unabhängig voneinander, sondern hängt auch vom Index ab.

Aufgrund des Index-Modells ist das Problem der großen und oftmals nicht vollstän­ dig bis in jedes Detail korrekten Datenmengen des Markowitz-Modells überwindbar. Dies führt zu deutlichen Kosten- und Zeitersparnissen. Allerdings ergibt sich bei An­ wendung des Index-Modells ein deutlicher Informationsverlust gegenüber dem um­ fänglicheren Markowitz-Modell, da die Korrelationen der einzelnen Anlagetitel unter­ einander nicht mehr modelliert werden.¹²³

2.12.3 Das Capital-Asset-Pricing-Modell (CAPM) Das CAPM, das von Sharpe, Lintner und Mossin entwickelt wurde, greift den Kern­ gedanken der Portfoliotheorie nach Markowitz auf, demzufolge das Risiko von Wert­ papieren zumindest zu einem Teil durch aktive Diversifikation zu eliminieren bzw. zu vermindern ist. Daher geht nicht das Gesamtrisiko, sondern nur das nicht durch Diver­ sifikation zu eliminierende Risiko in die Risikobetrachtung ein. Dabei wird versucht mittels CAPM, als maßgeblichen Outcome, Gleichgewichtskurse für einzelne riskante Anlagemöglichkeiten im Portfolio unter dem gegebenen Risiko (Unsicherheitsfaktor

120 William F. Sharpe (*1934) ist US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Prof. Emeritus an der Stanford University. Er gehört zu den Mitbegründern des CAPM. 121 Vgl. Sharpe, W. F.: A Simplified Model for Portfolio Analysis. Management Science, 9, Jan, 277–93 und Sharpe, W. F.: Capital Asset Prices: A Theory of Market Equilibrium under Condition of Risk. Jour­ nal of Finance, 19, 425–442. Vgl.: Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement. 122 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement. 123 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement.

72 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

der einzelnen Wertpapiere) herzuleiten. Da CAPM die erwartete Rendite ins Verhältnis zum eingegangenen Risiko setzt, nennt man es auch ein Einfaktor-Modell. Es wurde in den vergangenen Jahren durch diverse Mehrfaktorenmodelle erweitert und ergänzt.¹²⁴ 2.12.3.1 Annahmen des CAPM¹²⁵ Neben den bekannten Prämissen der Portfoliotheorie wird Folgendes eingeführt: – Es besteht ein vollkommener Kapitalmarkt, d. h. keine Informations- und Trans­ aktionskosten, keine Steuern und keine sonstigen Beschränkungen wie z. B. Marktregulierungen. Wir gehen somit von fraktionslosen Märkten aus. – Einzelne Investoren haben weder einen Einfluss auf die Marktpreise noch auf de­ ren Preisfindung. – Alle Investitionen lassen sich beliebig teilen und sind liquide handelbar. – Es existiert ein risikoloser Zinssatz, zu dem jederzeit beliebig viel Geld aufgenom­ men und angelegt werden kann. Es gibt keinen Risikoaufschlag. – Bezüglich der Rendite und des Risikos aller Wertpapiere bestehen bei den Inves­ toren homogene Erwartungen und es gibt unter den Investoren keine Informati­ onsasymmetrie. 2.12.3.2 Kernaussagen des CAPM¹²⁶ – Im Kapitalmarktgleichgewicht ist der riskante Teil eines Portfolios sämtlicher Anleger – unabhängig von ihrer Risikoeinstellung – identisch strukturiert. Das riskante Teilportfolio entspricht dem Marktportfolio. Dieses enthält alle verfüg­ baren Wertpapiere im Verhältnis zu ihrer Kapitalisierung. Die Einführung des Konstrukts des Marktportfolios, das auf der Annahme homogener Erwartungen fußt, erbringt gegenüber der Portfoliotheorie den Vorteil, dass alle Anleger anstatt eines individuellen Portfolios die gleiche Portfoliozusammensetzung im Bestand halten. – Die erwarteten Renditen effizienter Portfolios sind eine lineare Funktion der Stan­ dardabweichung der Portfoliorendite (die Kapitalmarktlinie). Zwischen der Ren­ dite eines Wertpapiers bzw. eines Wertpapierportfolios und seinem (systemati­ schen) Risiko besteht somit ein linearer Zusammenhang (die sogenannte Wert­ papierlinie). – Die Wertpapierrendite setzt sich aus einem risikolosen Teil und einer Risikoprä­ mie zusammen. – Im Portfoliozusammenhang ist für einzelne Wertpapiere nur der Betafaktor als Sensitivität bewertungsrelevant. Da das Beta lediglich das systematische Risiko,

124 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement. 125 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement. 126 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement.

2.12 Portfoliotheorie

| 73

E (Ri) Kapitalmarktlinie

Marktportfolio „M“ E (Rm)

Effizienzkurve riskanter Portfolios

Rf

σm

σi

Abb. 2.23: Die Kapitalmarktlinie (Capital Market Line)¹²⁷

also das nicht „wegdiversifizierbare“ Marktrisiko reflektiert, wird im CAPM für die Übernahme des unsystematischen Risikos keine Risikoprämie gewährt. In den vergangenen Jahren stand das CAPM auch immer wieder in der Kritik. Konn­ ten frühere empirische Tests die Aussagen von CAPM eher bestätigen, so haben neuere gezeigt, dass dies auch zu widerlegen ist.¹²⁸ So ist das Paradigma des „unangreifba­ ren“ Modells ins Wanken gekommen. Denn gerade der Ansatz eines unvollkommenen Kapitalmarktes und von Störquellen, die aus dieser Thematik herrühren, können hier nicht abgedeckt werden. Daher kommt es zu Verzerrungen. Wir sehen diese als nor­ mal und in einer Modellwelt auch dazugehörig an. Das perfekte und in jeder der viel­ schichtigen Lagen einsetzbare unfehlbare Modell wird es wohl nie geben. Wichtig ist die richtige Approximation zur Beurteilung der aktuellen Situation. Zwei Punkte determinieren die Lage der Kapitalmarktlinie, nach Steiner Bruhns sind dies: „Zum einen der Ordinatenabschnitt R f zum anderen der Tangenti­

127 Springer Gabler (Hrsg.) Wirtschaftslexikon http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/119/ capital-asset-%20pricing-model-capm-v8.html. 128 Vgl. Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement.

74 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

alpunkt mit der Effizienzkurve riskanter Portfolios, welche man auch als Marktportfolio bezeichnen kann (vgl. Abbildung 2.23).“¹²⁹ Es lässt sich also Folgendes ableiten: E(R p ) = R f + E(R p ) pE(R m ) σp σm Rf

E(R m ) − R f × σp σm

= Renditeerwartungswert des Portfolios = Renditeerwartungswert des Marktportfolios = Standardabweichung des Portfolios p = Standardabweichung des Portfolios m = risikoloser Zins (risikolose Anlage)

Die Kapitalmarktlinie definiert den allgemeinen Zusammenhang zwischen zunehmender Rendite­ erwartung und steigendem Portfoliorisiko.¹³⁰

Man könnte nun schlussfolgern, dass Anleger bereit sind, Risiko zu tragen, und dafür eine adäquate Risikoprämie erwarten. Oder anders ausgedrückt: Bei einer Änderung des Risikos ändert sich folglich auch die Renditeerwartung der Investoren. Denn mehr Risiko sollte ja auch mit einer größeren Renditeaussicht belohnt werden. Man kann nun von der Kapitalmarktlinie, welche die Renditeerwartung von riskanten Portfolios aufzeigt, auf die Wertpapierlinie, die den Preis einzelner Wertpapiere des Marktport­ folios im Kapitalmarktgleichgewicht angibt, überleiten.¹³¹ E(R p ) = a × E(R i ) + (1 − a) × E(R m ) a E(R i ) E(R m ) E(R p )

= Anteil des Wertpapiers i am Portfolio p = Erwartungswert der Rendite des Wertpapiers i = Erwartungswert der Rendite des Marktportfolios = Erwartungswert der Rendite des Portfolios p

Folglich ergibt sich das Portfoliorisiko: σ p = √a2 σ 2i + (1 − a)2 σ 2m + 2COVim a(1 − a) COVim stellt die Kovarianz zwischen dem Wertpapier i und dem Marktportfolio dar.

129 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement. 130 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement. 131 Vgl. Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement; Vgl. Gutermuth, G.: Grundlegende theoreti­ sche Konzepte des modernen Portfoliomanagements und ihre Umsetzung in der Investmentfondspra­ xis.

2.12 Portfoliotheorie

| 75

Möchte man die Auswirkungen, welche die Variation des Anteils des Wertpapiers i auf die Portfoliorisiken und die Portfoliorendite hat isolieren, so leitet man beide Glei­ chungen nach dem Portfolioanteil a ab. dE(R p ) =E(R i ) − E(R m ) da dσ p 1 = × √a2 σ 2i + (1 − a)2 σ 2m + 2COVim a(1 − a) × [2aσ 2i − 2σ 2m + 2aσ 2m da 2 + 2COVim − 4aCOVim ] Für die Bestimmung des Preises wird der Anteil des Wertpapiers (i) auf null ge­ setzt. Denn im Marktportfolio ist das Wertpapier i bereits mit einem Anteil von a ver­ treten. Die daraus ergebenen Ableitungen kann man nun nach i auflösen und erhält somit die Kapitalmarktlinie. E(R i ) = R f + [E(R m ) − R f ] × E(R i ) E(R m ) COVim σ 2m Rf

COVim σ 2m

= Renditeerwartungswert des Wertpapiers i = Renditeerwartungswert des Marktportfolios m = Kovarianz zwischen Wertpapier i und dem Marktportfolio m = Varianz des Marktportfolios = Rendite der risikolosen Anlagemöglichkeit

Wie wir erkennen, kann man für eine einzelne Kapitalanlage im Kapitalmarkt­ gleichgewicht eine Rendite erwarten, die sich aus einem risikolosen Zinssatz und einer Risikoprämie (diese muss bezahlt werden, da es sich um ein risikotragendes Asset handelt) zusammensetzt. Das Maß der Risikohöhe nennt man auch Betafak­ tor (= COVim /σ 2m ). Durch die Erweiterung dieses Modells ist eine mehrdimensionale Sichtweise möglich.¹³² Die Rendite eines individuellen Assets hängt von der Höhe des jeweiligen Beta ab. Je größer dieses ist, desto größer ist die Rendite. Mit der Rendite steigt jedoch auch das Risiko im CAPM.¹³³

2.12.3.3 Zusammenfassung des CAPM Mit dem CAPM wird für alle Anlageinstrumente eine theoretische Beziehung zwi­ schen deren erwarteter Rendite und dem jeweiligen Risiko des Assets dargestellt.

132 Vgl. Sharpe W.: Capital Asset Prices: A Theory of Markets Equilibrium under Conditions of Risk, Journal of Finance Vol. 19, No. 3 (1964) pp. 425–442; Vgl. Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanage­ ment; Vgl. Gutermuth, G.: Grundlegende theoretische Konzepte des modernen Portfoliomanagements und ihre Umsetzung in der Investmentfondspraxis. 133 Steiner M., Bruhns C.: Wertpapiermanagement.

76 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Die Renditeerwartung jeder Anlagemöglichkeit entspricht somit dem Zinssatz für die sichere Anlagealternative zuzüglich einer Risikoprämie. Die Risikoprämie ist somit proportional zum Beta des Assets.¹³⁴

E (Ri)

E (Rm)

Wertpapierlinie

Rf

Abb. 2.24: CAPM Wertpapierlinie¹³⁵

2.12.4 Abschließende Würdigung der Modelle Die oben aufgezeigten Modelle sind die in der Praxis gängigsten und meist angewand­ ten Modelle. Natürlich wollen wir an dieser Stelle nicht verschweigen, dass auch ande­ re Modelle bzw. Ableitungen wie z. B. Arbitrage Pricing Theory (APT)¹³⁶ nach Ross¹³⁷ etc. durchaus von maßgeblicher Bedeutung sind.

134 Vgl. Spremann, Gantenbein: Finanzmärkte, 4. Auflage UTB (2017). 135 Springer Gabler (Hrsg.) Wirtschaftslexikon; http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/119/ capital-asset-pricing-model-capm-v8.html. 136 Bestimmung von Eigenkapitalkosten und erwartete Rendite von Wertpapieren. 137 Professor am MIT (MIT Sloan School of Management).

2.13 Prozess des Portfoliomanagements

| 77

2.13 Prozess des Portfoliomanagements Lassen Sie uns kurz den praktischen Prozess des Portfoliomanagements ansprechen. Dieser sollte in drei Prozessbausteine gegliedert sein (vgl. Abbildung 2.25): – die Planung, – die Realisierung und – die Kontrolle.

Planung Anlegeranalyse Anlegerpräferenzen stehen im Vordergrund

Anlagekonzept wird erarbeitet Finanzanalyse u. Vermögensverwaltungsanalyse

Realisierung Portfoliobildung

Portfoliorevision

Kontrolle Wird alles im Anlegersinn realisiert?

Performance- und Risikomessung

Abb. 2.25: Aufbau eines Portfoliomanagements

Bei der Analyse des Anlegers (Anamnese seiner Präferenzen, Risikoeinschätzung, Ein­ schätzung des Komplexitätsgrades des Portfolios etc.) werden die meisten Fehler ge­ macht. Bei der Analyse ist es wichtig, dass nur der Anleger und nicht der Portfolioma­ nager im Vordergrund steht. Gerade die Frage nach dem Komplexitätsrahmen eines Portfolios wird oft nach den Kompetenzen des Portfoliomanagers und nicht nach den Grundbedürfnissen des Anlegers beantwortet. Dasselbe gilt für die Performanceaus­ sichten. Diese werden fälschlicherweise oft zu hoch angesetzt. Hier gilt der alte Lehr­ spruch: „Hohe Renditen, hohe Risiken!“¹³⁸ Dies muss dem Anleger bewusst sein (vgl. Abbildung 2.26). Ein langes und klärendes Gespräch zu Beginn und mindestens jedes Quartal (bei manchen Anlegern auch öfters) sowie ein Review-Gespräch sind hier an­

138 You Get What You Pay For.

78 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

zuraten. Der Portfoliomanager muss sich immer an die vereinbarten Grundstrategien halten, außer er fragt explizit für ein Einzelgeschäft beim Anleger nach. Sollte auf­ grund einer extremen Marktlage ein kompletter Strategiewechsel notwendig sein, so ist dieser erst nach Rücksprache und Genehmigung des Anlegers durchzuführen.

Rendite des Portfolios

Ziel: Portfolios mit effizienter Chance / Risikoausrichtung

Renditemaximierung

Mischung Diagonal nach links oben

Bewegung nach oben

Ausgangsportfolio Risikominimierung

Bewegung nach links

Rendite

Optimierung auf Basis der Risikopräferenz: Vom Ausgangsportfolio zur Effizienzlinie

Portfoliokennzahlen

Risiko Risiko des Portfolios

Abb. 2.26: Portfolioausrichtung je nach Präferenz des Investors¹³⁹

Warum ist der Bereich des Portfoliomanagements für den Financial Engineer so wichtig? Hier fließen die maßgeblichen Instrumente zusammen. Nur wer ein „Portfoliodenken“ hat, wird nah am Markt sein. Die einzelnen Produkte müssen aufeinander abgestimmt sein. Nur dann lassen diese sich auch am Markt platzieren. In Kapitel 13 und Kapitel 14 werden diese Grundlagen vorausgesetzt bzw. die Kapitel bauen hierauf auf.

2.14 Marktpsychologie und Verhaltensökonomik 2.14.1 Die Marktpsychologie In der Marktpsychologie wird versucht, menschliches Verhalten auf den Märkten zu erklären und eine Prognose davon abzuleiten. Ebenso wie die Werbepsycholo­ gie zählt die Marktpsychologie zur angewandten oder auch praktischen Psycholo­ gie. Die Aufgabenstellung ist wie folgt gegliedert: – Verhaltenserklärung (warum z. B. ein Investor eine Aktie kauft, ein Verbraucher ein Gut erwirbt)

139 Quelle: Commerzbank AG Wealth Management.

2.14 Marktpsychologie und Verhaltensökonomik | 79

– – – –

Analyse von Motiven und Bedürfnissen Untersuchungen von Meinungen, Vorstellungen und Stereotypen Zielgruppensegmentierung Vorhersagen bzgl. einer Reaktion des Investors oder Verbrauchers

Nach Wiswede¹⁴⁰ ist die Marktpsychologie ein Teil der klassischen Wirtschaftspsy­ chologie. Während sich die Marktpsychologie jedoch stärker mit dem Verbraucher beschäftigt, wendet sich die Verhaltensökonomik, Behavioural Economics, eher dem menschlichen Verhalten in wirtschaftlichen Situationen zu.

2.14.2 Die Verhaltensökonomik Die Verhaltensökonomik beschäftigt sich mit der menschlichen Reaktion (Verhalten) in verschiedenen wirtschaftlichen Situationen. Dabei werden Konstellationen unter­ sucht, in denen Menschen im Widerspruch zur Modell-Annahme des Homo oecono­ micus agieren. Der Homo oeconomicus ist ein Mensch, der – völlig zweckrational handelt, – Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung anstrebt, – mit „Markttransparenz“ und vollkommener Voraussicht in wirtschaftlichen Dingen begabt ist so­ wie – sofort und völlig normal auf Datenänderungen reagiert.¹⁴¹

Im Spezialgebiet verhaltensorientierter Finanzierungslehre (Behavioural Finance) beschäftigt man sich mit dem irrationalen Verhalten auf den Finanz- und Kapitalmärk­ ten. In der klassischen Nationalökonomik bestand eine enge Verbindung zwischen der Wirtschaftstheorie und der Psychologie.¹⁴² In der Zeit der Neoklassischen Theorie entzweiten sich Wirtschaftstheorie und menschliche Psychologie. Es wurde eher ver­ sucht, die Annahmen aus der Natur abzuleiten. Hierbei wurde auch das Konzept des Homo oeconomicus entwickelt. Erst ab Ende der 70er-Jahre wurde wieder stärker auf die psychologische Seite einer Handlung geachtet. Hierbei ist anzumerken, dass die­ sen Stein Kahneman/Tversky¹⁴³ mit ihrer Arbeit „Prospect Theory: Decision Ma­ king Under Risk“¹⁴⁴ ins Rollen gebracht haben.

140 Günter Wiswede geb. 1938, Professor Emeritus, Universität zu Köln. 141 Vgl. Bongard Willi: Der Wirtschaftsmensch (homo oeconomicus) Dogmenhistorischer Abriß. In: Nationalökonomie, wohin? VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden (1965). 142 Vgl. Smith Adam: The Theory of Moral Sentiments, 1759. 143 Daniel Kahneman erhielt 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. 144 Neue Erwartungstheorie, psychologisch realistische Alternative zur Erwartungsnutzentheorie (von Neumann-Morgenstern (Erwartungs-) Nutzenfunktion).

80 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

2.14.3 Methoden im Behavioural Finance Zu Beginn wurden fast ausschließlich experimentelle Beobachtungen zugrunde ge­ legt. Selbst die funktionelle Magnetresonanztomografie wurde aktiv eingesetzt, um herauszufinden, welche Gehirngegend bei den verschiedenen Schritten des wirt­ schaftlichen Entscheidens genutzt wird. Experimente, die Marktsituationen wie Bör­ senhandel und Auktionen simulieren, wurden als besonders nützlich und aussage­ kräftig angesehen. Aufgrund dieser Untersuchungen konnten folgende Themen als Kernthemen lo­ kalisiert werden: – Heuristik: Der Mensch trifft Entscheidungen häufig auf der Grundlage eines „Bauchgefühls“ und nicht nur nach strikten Vernunftvorgaben. Es fließen Erfah­ rungen, Vorurteile, Vorlieben und ähnliche Gegebenheiten ein. Des Weiteren ist die Informationsbeschaffung oftmals zu einfach bzw. viele Informationen werden nicht ausgiebig neutral verifiziert oder falsifiziert. – Einordnung: Die Art und Weise wie ein Problem oder eine Entscheidung vorge­ stellt wird beeinflusst die Handlung. Man könnte auch sagen, gutes Marketing für eine Idee, lässt Entscheidungen in einem anderen Licht erscheinen. – Unvollkommene Märkte: Der Modellansatz des vollkommenen Marktes ist in der Praxis nicht zu erreichen. Daher sind gerade die Modellierungen bei unvoll­ kommenen Märkten von großem Interesse und sehr interessant. Denn dies schafft Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Kommt es zu marktweiten Anomalien, so können diese nicht allgemein über die In­ dividuen erklärt werden, die unter bestimmten Vorurteilen oder Beschränkungen im Denken leiden. Individuelle Voreingenommenheit hat oft nicht den ausreichend gro­ ßen Einfluss, um Marktpreise und Gewinne zu ändern. Dazu kommt, dass sich in­ dividuelle Vorurteile gegenseitig aufheben können. Kognitive Voreingenommenheit haben nur dann ungewöhnliche Effekte, wenn es eine gesellschaftliche Kontamina­ tion mit einem sehr emotionalen Inhalt gibt, wie allgemeine Habgier, Panik, Angst oder auch absolute Sorglosigkeit. Dies führt dann zu zahlreichen Phänomenen, wo­ bei im Folgenden das Herdenverhalten und das Gruppendenken näher betrachtet werden.¹⁴⁵ 2.14.3.1 Das Herdenverhalten Als Herdenverhalten bezeichnet man ein Phänomen das auch an Finanzmärkten auftritt. Es zeichnet sich dadurch aus, dass Anleger sich in ihren Entscheidungen 145 Vgl. Hersh, Shefrin: Beyond Greed and Fear: Understanding behavioral finance and the psychol­ ogy of investing. Oxford University Press, 2007. Vgl. Kahneman D., Tversky A.: Choices, Values and Frames. Cambridge University Press, 2000. Vgl. Pompian Michael: Behavioral Finance and Wealth Ma­ nagement. How to built optimal portfolios that account for investor biases. Wiley Finance, 2006.

2.14 Marktpsychologie und Verhaltensökonomik |

81

gleich einer Herde verhalten und somit mehrheitlich in ein Anlageobjekt oder ei­ ner Anlageklasse investieren. Gute Beispiele aus der Vergangenheit waren der Neue Markt in Deutschland und die Tulpenmanie in den Niederlanden. Die Folge von Her­ denverhalten können starke Preisschwankungen des jeweiligen Anlageobjekts sein. Herdenverhalten ist eine Ausprägung der sogenannten Ansteckungseffekte. Dabei wird das Herdenverhalten zumeist mit der Existenz asymmetrischer Informationen erklärt. Ist ein Anleger der Meinung, dass andere Anleger (z. B. Insider, professionelle Investoren etc.) über weitergehende Informationen als er selbst verfügen, wird er seine Entscheidungen an die beobachteten Entscheidungen anpassen. Er rennt somit dem „Leitwolf“ nach. Somit kann man auch sagen, dass Herdenverhalten ein Zeichen für fehlende Effizienz von Märkten und Marktinformationen ist. Dabei kann dieses eine Reihe von Reaktionen auslösen, die allesamt zu starken Preisausschlägen und in der Konsequenz evtl. sogar zu Finanz- und Währungskrisen führen können. Die jüngste Vergangenheit hält hier einige Beispiele aus der realen Welt zur Veranschaulichung bereit. Oftmals wird in diesem Zusammenhang auch von einer selbsterfüllenden Pro­ phezeiung (selffullfilling prophecy) gesprochen. Somit beeinflusst die Herde das Preisverhalten selbst. Dies ist vergleichbar mit einem Bank Run (siehe hierzu auch Finanzkrise 2007 ff., Argentinienkrise etc.). Hierbei heben die Anleger gleichzeitig all ihre Einlagen bei einer Bank ab, weil sie der Ansicht sind, dass diese bei dieser Bank nicht mehr sicher sind. Durch diese Aktion folgt als Reaktion die Zahlungsunfähigkeit der Bank und somit die selbsterfüllende Prophezeiung.¹⁴⁶ 2.14.3.2 Das Gruppendenken Das Gruppendenken kommt oftmals dann vor, wenn bei einer Gruppendiskussion die eigene Meinung der vermeintlichen Gruppenmeinung angepasst wird. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Entscheidungsfindung, kann diese komplett von der ei­ gentlichen Realität entfernt sein. Die freie Darstellung der eigenen Meinung wurde der Gruppenmeinung geopfert und somit werden vielschichtige Argumente nicht ge­ hört und kommen nicht zur eigentlich notwendigen Diskussion. Daraus können Situa­ tionen entstehen, bei der die Gruppe Handlungen oder Kompromissen zustimmt, die jedes isoliert betrachtete Gruppenmitglied unter normalen und nicht in der Gruppe vorkommenden Umständen ablehnen würde. Dabei zeigt sich auch die große Schwä­ che einer solchen Situation, welche in der Inflexibilität begründet ist. Eine Gruppe braucht folglich immer die Möglichkeit, die eigenen Entscheidungen zu reflektieren und zu überdenken. Stattdessen werden Standpunkte oftmals zu schnell und zu fest manifestiert und damit als absolut fixiert dargestellt. Betrachtet man die Entscheidun­ gen von außen oder in einem zeitlichen Abstand, so erscheinen einem diese oftmals sehr weltfremd oder auch auf den ersten Blick hin schon als falsch. Die Gruppe an sich

146 Vgl. Zimbardo, Philip G.: Psychologie. 6., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin 1995.

82 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

erkennt es jedoch nicht. Eine Möglichkeit, die hier gegeben ist, ist die Berufung eines Advocatus Diaboli,¹⁴⁷ welcher hier modellierend eingreifen kann. Auch ist das im­ plementieren eines anonymen Vorschlagssystems für die zu besprechenden Themen und Prozessen durchaus zu empfehlen.¹⁴⁸ SCHRÖDINGERS Katze Bei SCHRÖDINGERS Katze handelt es sich um ein Gedankenexperiment des Physikers ERWIN SCHRÖDINGER.¹⁴⁹ SCHRÖDINGER positionierte in diesem eine Katze in einer Stahlkammer. Er fügte ein radioaktives Element, welches in einem Mechanismus den Auslöser darstellt für die Zerstörung einer zerbrechlichen Viole (die mit Blausäure gefüllt ist) ein und schloss die Kammer (von ihm als Höllenmaschine bezeichnet). Sobald das radioaktive Element zerfällt, wird die Viole zerbrochen und das Gift tritt aus. Wann dieser Zerfall ist, kann jedoch nicht genau gesagt werden (aufgrund quantenmechanische Prozesse). Nun stellte er die Frage, ist die Katze am Leben oder Tod? An sich hat diese im Zustand der verschlossenen „Höllenmaschine“ beide Zustände. Erst durch das Öff­ nen, also durch konkrete Beobachtung, Messung und erkennen, kann der eigentliche Zustand fest­ gestellt bzw. realisiert werden. Nun wird aus der Annahme eine belegbare Gewissheit.¹⁵⁰ Mathematisch betrachtet, kann der Sachverhalt wie folgt dargestellt werden: Ψ 12 =

1 (Ψ 1 + Ψ 2 ) √2

Ψ = Zustand der Katze Nun kann man sich fragen, was hat dies mit Finance zu tun? Sehr viel, denn gerade dieses Gedan­ kenexperiment zeigt, dass nur durch die konkrete Beobachtung Realität und Erkenntnis geschaffen wird. Während ohne die konkrete Beobachtung nur eine Annahme (also Relativität) besteht. Dies ist vor allem im Bereich der modellbasierenden Verfahren (Preisbildungen, Risikobeurteilung etc.) eine maßgebliche Tatsache, die es zu beachten gilt.

2.14.4 Abschließende Würdigung Einige Finanzmodelle benutzen die Grundlagen der Behavioural Finance. Dabei wer­ den die neoklassischen Modelle abgewandelt und um die angesprochenen Effekte er­ 147 Der Advocatus Diaboli („Anwalt des Teufels“) war ursprünglich eine als Gegensprecher bei den Selig- und Heiligsprechungsverfahren der katholischen Kirche berufene Person, welche die Gegen­ gründe der Selig- oder Heiligsprechung vorträgt. Sein Gegner ist der Advocatus Angeli (oder Advoca­ tus Dei, „Anwalt der Engel“ oder „Anwalt Gottes“), welcher für die Gründe spricht. Heute wird er als Promotor Justitiae („Förderer der Gerechtigkeit“, umbenannt 1983 durch Papst Johannes Paul II.) be­ zeichnet. Außerhalb der Kirche hat sich der Begriff jedoch für den Gegensprecher in einer Diskussion oder einem Meinungsbildungsprozess verfestigt und gehalten. Dieser Gegensprecher ist es, der alles hinterfragt und alle Meinungen anzweifelt. 148 Vgl. Zimbardo, Philip G.: Psychologie. 6., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin 1995. 149 * 12. August 1887 Wien – 04.01.1961 ebenda. 150 Vgl. Schrödinger, Erwin: Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik; Die Naturwissen­ schaften (1935), Ausgabe 48, S. 812.

2.15 Nicht-lineare dynamische Systeme |

83

gänzt. Hierbei wird von den Gegnern jedoch immer wieder angebracht, dass der Be­ havioural-Finance-Ansatz nur eine Ansammlung von Anomalien in einem sonst voll­ kommenen Markt sei. Aufgrund der Komplexität ist ein abschließendes Urteil über die tatsächliche Aussagekraft nur bedingt möglich. Festzuhalten bleibt jedoch, dass gera­ de die beiden oben angesprochenen Probleme des Herdentriebs und des Gruppenden­ kens in der Wirtschaftspraxis vorhanden sind und auch im Markt messbar dargestellt werden können. Wie stark die oben angesprochenen Einflüsse auf Strategien sein können, ist abhängig von der aktuel­ len Marktlage. Je konfuser diese ist, desto stärker sind die Einflüsse. In allen in diesem Buch gezeigten Strategien haben diese Einflüsse ihren Platz.

2.15 Nicht-lineare dynamische Systeme Wir wollen an dieser Stelle einen kleinen Ausflug in die Welt der nicht-linearen dy­ namischen Systeme unternehmen. Diese sind, sowohl für die moderne Finance, als auch an sich von hoher Komplexität aber auch von herausragender Wichtigkeit.

2.15.1 Kompliziert oder komplex? Die beiden Begriffe kompliziert und komplex werden von vielen als Eigenschaften oftmals gleichartig verwand. Dies ist jedoch nicht korrekt. Daher möchten wir an die­ ser Stelle zunächst die Begrifflichkeiten klären. Unter kompliziert versteht man ein vielfältiges, unübersichtliches und schwie­ rig zu durchschauen bzw. zu handhabendes Thema. Es ist jedoch zu bewältigen. Bei komplexen Themen hingehen, kommt es zu Interaktion von verschiedenen Kompo­ nenten, die vielschichtig, von unterschiedlichen Einflüssen bestimmt und umfassend sind. Es handelt sich somit um eine verwobene Struktur und ein vielschichtig verwo­ benes System.¹⁵¹

2.15.2 Die Chaostheorie In der Chaostheorie beschäftigt man sich mit der Ordnung in deterministischen dy­ namischen Systemen. Die Vorhersagbarkeit ist in diesen, trotz deren deterministi­ scher Ordnung nicht vorzunehmen. „Chaos ist ein nicht-linearer deterministischer

151 Vgl. Richter K., Rost, J.-M.: Komplexe Systeme; Fischer (2015).

84 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Prozess, der zufällig ausschaut“.¹⁵²Dieses Zitat, welches David A. Hsieh zuzuschrei­ ben ist, macht dies deutlich. In der Theorie zeichnen solche nicht-linearen dynami­ schen Systeme folgende Sachverhalte aus: – Es handelt sich um Systeme mit deterministischer chaotischer Dynamik. – Wiederholt man ein Experiment, so erhält man andere unterschiedliche Ergeb­ nisse. – Das Wiederherstellen der komplett gleichen Ausgangssituation ist nicht möglich. – Schon die kleinste Abweichung führt zu einem komplett anderen Ergebnis. Die kleinste Abweichung hat folglich große Auswirkung auf das folgende Ergebnis. Schreitet man mit der Zeit voran, so erkennt man, dass kleine Abweichungen und Fehler in der Zukunft ins unendliche anwachsen.¹⁵³ Dies wird mit dem berühm­ ten Schmetterlings-Effekt („Flügelschlag eines Schmetterlings kann auf der ande­ ren Seite der Erde einen Orkan auslösen“) beschrieben. Grafisch dargestellt kann 45

40

35

30

25

20

15

10

5 -20 -10 0 10 20 20

15

10

5

0

-5

-10

-15

-20

Abb. 2.27: Lorenz Attractor¹⁵⁴

152 Vgl. Hsieh, David A.: Chaos and Nonlinear Dynamics: Application to Financial Markets, Duke University (1990). 153 Vgl. Storgatz, Steven H.: Nonlinear Dynamics and Chaos, Perseus Book, Reading, Massachusetts (1994). 154 Erzeugt mit Matlab von Mathworks.

2.15 Nicht-lineare dynamische Systeme |

85

man dies über einen Lorenz Attractor aufzeigen, welchen wir in Abbildung 2.27 zeigen. Jede neue Schlinge weicht von den anderen bereits bestehenden ab. 2.15.3 In welcher Hinsicht hat dies Einfluss auf die Finance bzw. auf die Finanzmärkte? Finanzmärkte tendieren, ohne Frage, zu chaotischen Systemen bzw. stellen ein sol­ ches dar.¹⁵⁵ Folglich können Wirtschafts- und Finanzdaten auch mittels Fraktalen¹⁵⁶ (Abbildung 2.28) bzw. Intermittenzen¹⁵⁷ beschrieben werden. Daraus wiederrum folgt, dass wir uns, wenn wir uns mit der Frage, was ist Risiko? Welche ja schließlich und endlich die grundlegendste Frage der modernen Finanzwelt darstellt, da diese

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

-2

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

Abb. 2.28: Mandelbrot Menge¹⁵⁸

155 Vgl. Hsieh, David A.: Chaos and Nonlinear Dynamics: Application to Financial Markets, Duke University (1990). 156 Vgl. Mandelbrot Benoit B.: The Fractal Geometry of Nature. W. H. Freeman Company, New York, N.Y. 1977; Mandelbrot, Benoit B.; Hudson, Richard L.: Fraktale und Finanzen; Piper (2007). 157 Vgl. Pomeau, Manneville: Intermittent transition to turbulence in dissipative dynamical systems, Communications in Mathematical Physics, Band 74, 1980, S. 189–197 158 Erzeugt mit Matlab von Mathworks.

86 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

auch alle anderen Faktoren steuert (wie zum Beispiel die erwartete Rendite), Be­ rücksichtigung erfahren muss. Haben also schon kleinste Veränderungen, wie oben beschrieben, große Auswirkungsmöglichkeiten auf das System in der Zukunft, so können wir des Weiteren schlussfolgern, dass diese auch in unsere Risikobeurtei­ lung einfließen muss. Des Weiteren schließt sich die Frage der Beurteilungssysteme an. Gehen wir in den meisten Beurteilungssystemen doch von einem festen Hand­ lungsrahmen aus (z. B. dem kontinuierlichen Verlaufen von Aktienkurse). Legen wir diesem jedoch zu Grunde, dass wir schon bei minimalen Änderungen des Systems zu einem anderen Ergebnis kommen, verändert dies die komplette Sichtweise und Risikobeurteilung. Die von uns genutzten Risikomaße wie zum Beispiel der Value at Risk (VaR) verschieben sich. Man könnte auch schlussfolgern, dass die Daten eine „Rauheit“ im Sinne von Mandelbrot erhalten haben, wo wir eine glatte vermuten würden. Mandelbrot beschreibt in seinem Werk, Fraktale und Finanzen, einen ganzen Satz von Regeln. Die fünfte Regel wollen wir an dieser Stelle isoliert herausgreifen. Er beschreib darin, dass die „Marktzeit relativ ist“. Folglich in Zeiten hoher Volatilität schneller und in Zeiten niedriger Volatilität langsamer verläuft.¹⁵⁹ Ein spannender An­ satz, zur Beurteilung von Stresssituationen. Ebenso wie seine Schlussfolgerung, dass die umschriebene Beurteilung mittels eines Value at Risk (VaR) von 95 Prozent wohl weder sinnstiftend noch zielführend sein kann. Benoit B. Mandelbrot (1924–2010) war ein französisch-US-amerikanischer Mathematiker und gilt als der Vater der fraktalen Geometrie. Er war IBM Fellow am Thomas J. Watson Research Center der IBM und erst viel später Professor an der Yale Universität (Sterling Professor für Mathematik). Ihm ist es zu verdanken, dass wir heute „raue“ nicht durch einfache Beschreibung und Überleitung zu definierende Flächen und Objekte in der Geometrie beurteilen können. Das wahrscheinlich eindrucksvollste Beispiel ist das Bestimmen einer Küstenlänge. Nimmt man einen Messstock mit 1 km Länge, so wird eine deutlich geringere Küstenlänge herauskommen, als nimmt man exakt die durch Rauheit der Küstengrenzen gezeichnete Länge. Ein weiterer in diesem Zusam­ menhang immer wieder genannter Begriff ist der der Selbstähnlichkeit (bzw. Skaleninvarianz). Ein Gegenstand, eine Fläche, ein Körper oder eine Struktur, weißt bei genauer Betrachtung und in an­ deren Maßstäben eine selbstähnliche Struktur auf. Fraktale weißen diese Selbstähnlichkeit in ei­ ner sehr hohen Struktur auf. Auch die Trajektorien (die Lösungskurven) einer eindimensionalen Brownschen Bewegung (gebrochene Brownsche Bewegung) sind selbstähnlich, warum man die­ se auch fraktionale Brownsche Bewegung nennt. In der Natur ist ein schönes Beispiel hierfür das Gemüse Romanesco, welche diese auf den ersten Blick aufzeigt. Mandelbrot zählt heute zu den Pionieren der Mathematik und Wissenschaft, obwohl er Zeit sei­ nes Lebens nicht immer dem klassischen Wissenschaftsbetrieb angehört hat bzw. seine Gedanken immer vom Mainstream abgewichen haben. Er war ein wahrer ewig Fragender.

159 Vgl. Mandelbrot, Benoit B.; Hudson, Richard L.: Fraktale und Finanzen; Piper (2007).

2.15 Nicht-lineare dynamische Systeme |

87

2.15.4 Unvollkommene Kapitalmärkte In den vergangenen Jahren hat man viel zum Thema unvollkommene Kapitalmärkte gehört. Der Homo oeconomicus ist tot, hat man da vielfach als Kernbotschaft entneh­ men können. Andere Wissenschaftler gehen sogar soweit, dass dieser nie existiert hat. Eines kann jedoch mit Gewissheit gesagt werden, der rein rational handelnde Mensch existiert wohl wirklich nur in den Vorstellungen und Rahmenbedingungen von Model­ len. Was wir jedoch annehmen können, sobald die im Prozess der Disruption der „al­ ten“ Handlungsabläufe neu belegten künstlichen Abläufe implementiert sind, könn­ ten wir dieser Theorie näherkommen. Fraglich bleibt per heute jedoch weiterhin, ob wir dem vollkommenen Markt nur nahekommen, oder diesen tatsächlich umsetzen können. Vielleicht ist es ja auch gerade der Reiz der Wirtschaftswissenschaften, dass diese rein rationalen Annahmen in der Praxis nicht eintreten und daher immer wie­ der neue spannende Rahmenbedingungen geschafften werden. Im Prinzip kommen wir immer dann an Grenzen, wenn wir in Unschärfebereiche eintreten. Also immer dann, wenn nicht trennscharf abgegrenzt werden kann, sondern ein Spielraum zur Interpretation und somit auch keine Wahrscheinlichkeitsverteilung besteht. In der Wissenschaft beschäftigt sich das Themenfeld der Fuzzy Logic mit dieser Thema­ tik. Lotfi Zahdeh nannte dies „die präzise Erfassung des Unpräzisen“ – folglich, dass fassen von unpräzisen und vagen Aussagen und Wertträumen (zum Beispiel den sprachlichen Ausdruck es ist billig, teuer, warm, kalt etc.) in quantitativ greifbare Daten. Diese Einordnung ist für uns im Financial Engineering jedoch, aufgrund der fehlenden Präzision und der verbundenen Regelbasierung, nicht wirklich umsetzbar. Vielleicht wird dies und in den kommenden Jahren bzw. Jahrzehnten ein neues Bild des „Homo oeconomicus 2.0“ aufzeigen. Bis dahin jedoch, werden wir mit vollkom­ menden Annahmen in unvollkommenen Märkten modellieren müssen – was auch sehr spannend ist.

2.15.5 Abschließende Betrachtung der Modelle Was wäre das Financial Engineering ohne seine Modelle? Ganz einfach, nichts! Oh­ ne die Mathematik im Hintergrund könnte niemals ein Prozess oder ein Produkt im­ plementiert werden. Keine Option gehandelt und kein Portfoliorisiko bestimmt wer­ den. Somit bilden die quantitativen Modelle den Nährboden für alles weiterführende. Das Financial Engineering ist ein Zusammenschluss von Computational Finance, Quantitative Finance und der Lehre der Finanzderivate. Abbildung 2.29 soll nach­ stehend die einzelnen Modelltypen zusammenfassen. Der Outcome dieser wird dann entweder in nummerischen Verfahren oder wie­ derrum in simulationsbasierender Verfahren (z. B. Monte Carlo Simulation) eingesetzt und das gewünschte Gesamtergebnis zu erreichen. Dabei ist schon fast sinnbildlich klar, dass die Ergebnisse nur so gut sein können, wie die herangezogenen Model­

88 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Power-Modells (Antriebsmodelle) z.B. Geometrisch Brownsche Bewegung

ZinsstrukturModelle

Forecast-Modelle z.B. GARCH

z.B. Hull White Modell

Abb. 2.29: Quantitative Verfahren

le und Annahmen. In diesem Sinne könnte man Mandelbrot wohl mit unserer, in der theoretischen Finance so klassischen, Modellwelt versöhnen. Wenn man über mehr spricht, als die Glockenkurve und die dabei angenommenen Wahrscheinlich­ keiten.

2.16 Programmiersprachen im Financial Engineering Es gibt eine Vielzahl von Programmiersprachen und Möglichkeiten diese umzusetzen. Aus diesen haben sich im Financial Engineering vor allem die in Abbildung 2.30 auf­ gezeigten Sprachen durchgesetzt.

MATLAB

Python

Programmiersprachen

C++

C Abb. 2.30: Programmiersprachen im Financial Engineering

Dabei kann man festhalten, dass Matlab wahrscheinlich zur eingängigsten dieser gehört, da diese sehr schnell zu erlernen ist und das Matlab System für die weitrei­ chenden quantitativen Fragestellungen des Financial Engineering ausgelegt ist. Mat­ lab ist eine Matrizen basierte Programmiersprache und damit bestens geeignet finanz­ mathematische Ansätze schnell und effizient umzusetzen. Viele quantitative Metho­ den sind in den Toolboxen bereits hinterlegt und können direkt übernommen und

2.16 Programmiersprachen im Financial Engineering | 89

eingewoben werden. Dies macht die Entwicklung von Prototypen sehr einfach und schnell. Das erlernen und handhaben von Matlab ist daher recht einfach und kann sehr schnell mit Erfolgen belegt werden. Des Weiteren gibt es eine umfangreiche Bi­ bliothek an Dokumentation die den Einsatz erleichtern. Eine sehr weit verbreitete Sprache ist C++. Sie hat ihren Anfang in den 1980er Jahren und ist sehr schnell Industriestandard geworden. Es handelt sich dabei um ei­ ne Sprache, die verschiedene Paradigmen der Programmierung unterstützt. C++ wird im Financial Engineering häufig für schnelle Berechnungen in der Produktionsumge­ bung genutzt.¹⁶⁰ Eine in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnene Programmierspra­ che ist Python. Die Sprache zeichnet sich durch ihrer Klarheit und übersichtliche Syntax aus. Python ist sehr umfangreich und kann vielfältig zum Einsatz gebracht werden. Natürlich gibt es auch noch viele andere Sprachen, wie JAVA, JavaScript, C, R etc. die ihren festen Platz in der Umsetzung der geforderten Fragestellungen haben. Wir gehen an dieser Stelle jedoch nur auf die voran genannten ein, da wir diese als Maßgeblich und wichtig für die von uns angesprochene Materie halten. Dabei hat die Reihenfolge etc. keinen Wertungscharakter. Wir sehen alle genannten als gleich wich­ tig und notwendig an. Wir empfehlen an dieser Stelle, sich mit mindestens einer, besser zwei der unter­ schiedlichen Sprachen vertraut zu machen.

2.16.1 Datenvendoren (Daten-Bereitsteller) Oftmals werden für die Ausführung der geschriebenen Programme Daten benötigt. Diese liefert i. d. R. ein Datenvendor. Am Markt kann man hier mit verschiedenen Firmen dementsprechende Datenverträge schließen. Wir wollen an dieser Stelle nur auf die beiden für uns maßgeblich marktbestimmenden Anbieter eingehen, welche in Abbildung 2.31 dargestellt sind.

Thomson Reuters

Bloomberg Abb. 2.31: Datenanbieter im Financial Engineering

Sowohl Bloomberg als auch Thomson Reuters gelten als Standardanwendungen in der modernen Finance und liefern von Kursdaten (Realtime, Klickdaten, lange Zeitrei­ hen etc.) auch diverse klassische Marktdaten, Daten zu ökonomischen Fragestellun­ gen und vieles mehr. Die Systeme sind so angelegt, dass aus diesen direkt die Daten

160 Vgl. Duffy, Daniel J.: Introduction to C++ for financial engineers; Wiley Finance (2006).

90 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

für die Weiterverarbeitung extrahiert werden können bzw. direkt in das jeweilige Sys­ tem übergeleitet werden. API Schnittstellen sorgen hier für einen schnellen und rei­ bungslosen Transfer. Selbstverständlich liefern auch die Börsen Daten zu. Dies erfolgt ebenfalls direkt über eine API. Ein weiterer sehr wichtiger Eingangskanal für Daten ist die eigene Handelsstruktur. Denn jede Bank, jeder Broker etc. produziert jeden Tag eine Unmenge an Daten, die man verwenden kann. Losgelöst von den zur Verfügung gestellten Daten, ermöglichen die Abfragesysteme auch Berechnungen, Simulationen etc. die ebenfalls von großem Nutzen sein können. Hierbei kann man oftmals, auf das vom Anbieter hinterlegte Modell (z. B. ein Standardzinsmodell), oder ein eigenes zu­ rückgreifen. Für Studierende oder Leser, die keinen Zugriff auf ein solches System haben, kön­ nen wir empfehlen sich die Daten (meist jedoch nur lange Kurszeitreihen verfügbar) bei einem im Internet verfügbaren Dienstleister zu laden. So bieten zum Beispiel gro­ ße Onlinebanken in deren System einen Download von historischen Kursdaten an. Diese können dann z. B. als CSV Format gespeichert werden.¹⁶¹

2.16.2 Grundsätzlichen Herangehensweise beim Erstellen eines Codes Bei der Erstellung des eigenen Programmcodes sollte man ein paar grundsätzliche Regeln beachten. 2.16.2.1 Datensammlung als Grundlage der Untersuchung Beim Sammeln der benötigten Daten, sollte man auch die Datenklarheit (also deren logischen Aufbau, Qualität, keine Datenlücken etc.) achten. So gut wie die Struktur der gesammelten Daten ist, so einfach hat man es später mit deren Verarbeitung. Da­

Aufbau der Architektur: Speicherort definieren Sicherheitskonzept definieren Datenschutz und regulatorische Hindernisse beachten

Dateinamen und Dateistruktur Spalten

Datenspeicherung

Namen der Daten

Datensettlement

Datenformate Bezüge und Relationen ...

Abb. 2.32: Aufbau Daten-Architektur

161 z. B. bei Onvista, Ariva.de, etc.

2.16 Programmiersprachen im Financial Engineering | 91

her ist es sehr zu empfehlen, sich genügend Gedanken über die Architektur der Da­ ten zu machen und wie diese später eingelesen und eingesetzt werden. Abbildung 2.32 gibt einen exemplarischen Blick auf eine simple Struktur wieder. Des Weiteren sollten nur die Daten, welche auch wirklich benötigt werden, hier eingefügt werden. Als Instrument eignet sich eine Datenbank (z. B. DB2, MS SQL, Big­ Query oder S3 Filesystem). Sollte man kleinere Datenmengen haben, so kann man diese auch in CSV Dateien gliedern und speichern. Sollte es mehre Datenversionen geben, so sind diese so zu dokumentieren, dass man die unterschiedlichen Versio­ nen anhand einer Versionsnummer und am besten eines Abrufdatums definieren und auseinanderhalten kann. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass unterschiedliche Datenversionen in einer Quelle zusammengefügt werden. Dann wäre die Datensamm­ lung unbrauchbar. Abbildung 2.33 zeigt den beschriebenen Sachverhalt nochmal als Prozesskette auf.

Versionsmanagement

Datenarchitektur

Datensammlung Datenkontrolle Datensettlement

Abb. 2.33: Datensammlung im Überblick

2.16.2.2 Code Erstellung Bei der Erstellung des Code ist darauf zu achten, diesen klar und deutlich und mit einer hohen Transparenz zu schreiben. Des Weiteren sollte man gleich die Dokumen­ tation im Code selbst beginnen. Gerade bei langen Codeeinheiten wird es sonst sehr kompliziert einzelne Details nochmals herauszuarbeiten bzw. auf diese konsequent zu verweisen. Wie beim Datensammeln gilt auch hier, die Architektur des Codes macht sehr viel von dessen Qualität und Umsetzung aus. Man sollte sich folglich die Zeit nehmen, sich darüber ausführlich Gedanken zu machen und dies dann bei der Um­ setzung auch zu beachten. Testen Sie immer Teilabschnitte so ab, dass Sie wenn nötig eingreifen können. Verwenden Sie den Debug Mode in Matlab bzw. Logging Funk­ tionen, um Fehler im Code ausfindig zu machen und diese frühzeitig zu beheben. Für die Versionierung größerer Projekte wird häufig auf git bzw. bitbucket repositories zurückgegriffen. Diese eignen sich bestens für Projekte an denen mehrere Program­ mierer gleichzeitig arbeiten. Nachfolgendes Beispiel zeigt eine Möglichkeit der Benen­ nung auf.

92 | 2 Die quantitativen Grundlagen des Financial Engineering

Beispiel für die Vergabe von Versionsnummern: 1. Version: Testcode_1_Datum 1.1 Version: Testcode_1.1_Datum 1.2. Version: Testcode_1.2_Datum ... 5. Version: Testcode_5_Datum Das gilt auch immer dann, wenn man ein neues Experiment umsetzen will. Hier gilt es, eine Vorversion zu speichern und das Experiment unter einer neuen Versionsnummer zu beginnen. Sollte es dann nicht funktionieren, können Sie zur alten Version einfach zurückgehen. Des Weiteren legen Sie sich eine Architektur an, wie Sie die Versions­ nummern und Daten speichern und wo. Hat man dies einmal klar definiert tut man sich im Umgang mit unterschiedlichen Experimenten deutlich leichter. Abbildung 2.34 zeigt dies nochmal in einer Zusammenfassung auf.

Versionsmanagement Coden und dokumentieren Architekturen erstellen und anlegen

Abb. 2.34: Prozessablauf bei Neuerstellung Code

2.16.3 Herausforderungen beim Programmieren Neben persönlichen Herausforderungen, die jeder individuell hat, kommen generelle hinzu, über die wir hier kurz sprechen möchten. Für jeden, der einen Code neu aufbaut und umsetzen will, stellen sich dieselben Fragen. Wie bekommt man diesen schnell, effizient und vor allem so umgesetzt, dass er auch flexibel bleibt. Die große Frage der Rechenkapazität hat sich in den vergangenen Jahren durch die gute Möglichkeit des Memory, Parallel bzw. Cloud Computing gewandelt. Dennoch gilt auch diese zu be­ rücksichtigen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die oben schon angesprochene Dokumentation. Hier sollte man lieber etwas mehr Zeit als zu wenig aufwenden. Denn nur mit einer lückenlosen und klaren Dokumentation können Experimente und der Aufbau des Mo­ dells auch durch Dritte nachvollzogen bzw. zu einem späteren Zeitpunkt rekonstruiert werden.

2.16 Programmiersprachen im Financial Engineering | 93

Was uns zum Thema Bugs (also Programmfehler) bringt. Diese sind normal und gehörten dazu. Sie stellen einen meist vor persönliche Herausforderungen, denn das Suchen und Beheben ist oftmals von langer zäher Dauer, aber nun mal notwendig. Da­ von darf man sich weder entmutigen lassen noch dies überbewerten. Es geht jedem einmal so, wenn man einen Code geschrieben hat, heißt es ab einer gewissen Stelle, suchen von Bugs und deren Klärung. Hierbei hilft einen transparente und klare Pro­ grammstruktur inkl. deren Dokumentation ebenfalls weiter. Das Programm sollte im Debug Mode Schritt für Schritt ausgeführt werden. Suchen Sie den ersten Fehler im Code, beheben Sie diesen und gehen Sie zum nächsten Bug. Sollte Ihnen dabei auffallen, dass Kommentare fehlen ist es sinnvoll diese gleich in die Dokumentation mit aufzunehmen. So verfahren Sie bis der gesamte Code keine Fehler mehr ausweist. Speichern Sie die einzelnen Versionen, wie oben beschreiben, unter einer neuen Ver­ sionsnummern und dokumentieren Sie die Änderungen. Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit der klassischen Finanzmathematik beschäftigt. Wir haben aufgezeigt wie diese funktioniert und warum diese für uns so wichtig ist. Die Mathema­ tik gilt als universale Sprache und als das Grundlegendste unserer Arbeit überhaupt. Somit bildet diese auch den Boden für unsere jegliches Handeln. Wir haben uns mit den Grundlagen der Wahr­ scheinlichkeitsrechnung auseinandergesetzt. Haben die verschiedenen Wahrscheinlichkeitsarten besprochen und erklärt. Dann haben wir uns mit den großen Themen der Stochastik beschäftigt. Wir sind dabei auf die für uns sehr wesentlichen stochastischen Prozesse eingegangen und ha­ ben diese hergeleitet. Des Weiteren haben wir uns mit der Verteilung und den gängigen Vertei­ lungsarten beschäftigt. Wir haben uns die Konzepte zur Risikosteuerung angeschaut und uns mit Durration, Konvexität und Korrelation auseinandergesetzt. Die Risikomaße VaR und CVaR wurden besprochen und aufgezeigt. Im Bereich der Entscheidungs- und Spieltheorie haben wir uns mit den dort wesentlichen Grundlagen beschäftigt. Wir sind sowohl auf deren einzelne Besonderhei­ ten eingegangen als auch ausführlich auf das Nash-Gleichgewicht. Im Bereich der Portfoliotheorie haben wir neben den klassischen Ansätzen wie CAPM und Portfolio Selection Modell auch wei­ terführende Ansätze besprochen. Da wir als handelnde Akteure immer gewissen psychologischen Grenzen ausgesetzt sind, haben wir uns mit dem Themengebiet der Marktpsychologie und der Ver­ haltensökonomik beschäftigt und diese aufgezeigt. Zum Ende des Kapitels hin, haben wir uns mit der Chaos-Theorie, der Frage nach Komplexität und den von B. Mandelbrot aufgestellten Thesen beschäftigt. Die Frage, wie man in einem unvollkommenen Kapitalmarkt reagieren muss und soll, stand hier im Mittelpunkt. Da für viele die Antwort schnell mittels einer IT Lösung herbeigerufen wird, haben wir das Kapitel mit der Frage des richtigen programmieren im Financial Engineering beschlossen. Wir sind hierbei auf die einzelnen Systemsprachen eingegangen und haben nützli­ che Tipps zur Frustrationsminimierung gegeben.

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Interview mit MathWorks Dr.-Ing. Sebastian Groß, Academia Group In recent years, almost every programming language has begun to incorporate artificial intelligence and digitization. MATLAB has been focused on this topic for much longer. What developments do you see in this area? MathWorks first offered Deep Learning Toolbox (formerly Neural Network Toolbox) in June 1992. A lot has changed since then; MATLAB, our foundation programming lan­ guage for mathematical modeling and interactive data analytics, has evolved greatly and continues to do so. New ideas and innovative applications of artificial intelligence and digitization are invented every day. However, implementing these trends in industrial and scien­ tific workflows requires special engineering and scientific domain knowledge. So, the challenge is to empower domain experts who do not have a computer sci­ ence background to acquire computational and data science skills. This is where Math­ Works has always seen our role, and it’s where our software, support, and training and consulting services come in. We provide computation capabilities and domain-speci­ fic algorithms in an easy-to-use, powerful, interactive environment. Financial engineering, as an umbrella term for quantitative and computational finance, is very model based. In times of crisis, these models only work to a limited extent, since they assume a frictionless, perfect capital market. In what ways do you think the models will become even more accurate and precise so that they can also be used in imperfect markets? You are referring to a model-driven approach that is based on financial theories and simplifying assumptions. Besides refining and adapting the well-established models to accommodate specific imperfections of the markets, the alternative data-driven ap­ proach also holds a lot of promise. In addition, a data-driven selection of the best theoretical model for a given mar­ ket situation complements the explanatory power of financial theory with the predic­ tive power of modern AI techniques. Many students, especially from quantitative subjects, expect that learning how to use a new programming language will be difficult. Can you give them a tip on how best to meet this challenge? Learning a new programming language, let alone your first, can feel like a daunting task. An introductory learning experience should, therefore, be modularized and al­ low students to build skills in small, reasonable steps. It should also connect the learn­ ing with hands-on experience and a sense of achievement to grow confidence. And it should be engaging and interesting. MathWorks works closely with faculty and professors to integrate MATLAB and Simulink into curriculum and provides ready-made courses that they can bring into

Interview mit MathWorks |

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the classroom. MathWorks also offers free Onramps for MATLAB, Simulink, and deep learning—online tutorials¹⁶² enable users with varying prior knowledge to learn and advance at their own pace and include practical examples and hands-on exercises to evaluate skills. Many universities go beyond that and subscribe to Campus-Wide Online Training¹⁶³ to offer the full range of our tutorials to their students and staff free of charge. We produce a lot of data every day, most of which is not reused. What trends do you see in this area? The big data trend still has great potential. But we must empower more users to ac­ cess and analyze available data. A starting point for professionals is the “MATLAB for Financial Applications” training. We have been improving capabilities in MATLAB to enable users to access remote data from storage locations such as Amazon S3™ (Simple Storage Service), Micro­ soft® Azure® Storage Blob, and Hadoop® Distributed File System (HDFS™). It is a single, high-performance, easy-to-use environment for working with big data where you can use familiar MATLAB functions and syntax to work with big datasets, even if they don’t fit in memory. The aim is to enable you to use a processing platform that suits your needs, from your local desktop machine to Hadoop—without rewriting your algorithms. In which directions is technology developing beyond financial engineering? We see a definite trend toward “software in everything.” Devices and machines are becoming faster and smarter. At the same time, artificial intelligence trends such as machine learning and deep learning have seen a rise in recent years. But we are only at the beginning. We will employ more and more autonomous systems to support hu­ mans. Another trend is the rise of cloud platforms. Overall, the digital transformation is well underway and will continue. In the science and engineering space, there is also a strong trend toward elec­ trification and power electronics. Electric vehicles and small electric motors will be everywhere. These are all trends that MATLAB and Simulink support, and we continuously work toward making these products more powerful and easy to use. The current limit to the answers that can be found is often the computing power or capa­ city. How will this change? MATLAB is now delivered with an integrated cloud computing technology. Is that part of the future? Cloud computing is definitely part of future technology. But already now we are pro­ viding cloud-based solutions for different workflows.

162 MATLAB Online Tutorials, https://matlabacademy.mathworks.com/ 163 Campus-Wide Online Training, https://www.mathworks.com/products/campus-wide-training. html

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One of the options is MathWorks Cloud, which provides instant access to MATLAB and other products and services hosted on MathWorks managed cloud infrastructure. With MATLAB Online, you can use MATLAB in a web browser without installing, con­ figuring, or managing any software. MathWorks Cloud also provides MATLAB Drive, giving you the ability to store, access, and work with your files from anywhere. You can access MathWorks Cloud solutions anywhere across different devices, use them to teach and learn, and incorporate MATLAB analytics for a variety of applications. Another option is to use MATLAB on virtual machines in public cloud environ­ ments like Amazon Web Services (AWS) and Microsoft Azure. If you are not a cloud expert, or if you want a head start, you can use a MathWorks published reference architecture¹⁶⁴. Templates in these reference architectures auto­ matically create and configure the cloud infrastructure for running MATLAB. You can also adapt or extend the reference architectures to better meet your specific needs. Which future finance topics will be exciting in the coming years, and which ones will MathWorks focus on? Models—from quantitative investment and risk models, to econometric forecasting models, to data science and machine learning models—are at the heart of managing fi­ nancial businesses. All of these models are based on math and numeric computation, which is the core strength of MATLAB. To meet customer requests in this industry, we developed the Computational Fi­ nance Suite, a bundled set of 12 products including Financial Instrument Toolbox, Econometrics Toolbox, and Risk Management Toolbox offered as an annual subscrip­ tion. The suite contains all the core financial functionality quants need. The suite is widely used by central banks of major economies, investment banks on Wall Street, insurance companies, funds management companies, research institutes, and various other financial institutions, and is integrated with trading platforms all over the world. The use of machine learning to solve a variety of financial problems is a rapidly growing area, it is exciting to see how innovative customers are using our software. For example, insurance companies are exploring how to use computer vision from drones used to assess damage from natural disasters such as fires, hailstorms, or hurricanes. And with the increased focus on financial stability since the Great Recession, we have been working closely with global banks to simplify and streamline their model risk management systems to ensure that they have real-time visibility into the risk they face from their models and can automatically generate model validation and reg­ ulatory reporting documents using up-to-date models and data. This approach has helped customers provide transparency and visibility into their operations to regula­ tors and drive down model development time from months to weeks to a matter of days.

164 MathWorks published reference architecture, https://github.com/mathworks-ref-arch

Literaturhinweise zu diesem Kapitel |

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Böker, Fred: Formelsammlung für Wirtschaftswissenschaftler, 2007. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate, 8. Auflage 2012 Reitz, Stefan: Mathematik in der modernen Finanzwelt, 2011. Riechmann, Thomas: Spieltheorie, 2. Auflage 2008 Rieck, Christian: Spieltheorie, 8. Auflage 2008 Spremann, Gantenbein: Finanzmärkte, 4. Auflage UTB, 2017 Spremann, Klaus: Finance, 3. Auflage 2007 Steiner, Manfred; Bruns, Christoph: Wertpapiermanagement, 9. Auflage 2008

97

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Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Was versteht man unter Martingal? Frage 2: Welche Aussage trifft das Gesetz der großen Zahlen? Frage 3: Was bedeutet Laplace-Wahrscheinlichkeit? Frage 4: Welche Themen werden in der Heuristik beleuchtet? Frage 5: Was unterscheidet das Single-Index-Modell vom Markowitz-Modell? Antwort zu Frage 1: Martingal bezeichnet in der Wahrscheinlichkeitstheorie einen stochastischen Pro­ zess, in dem der Erwartungswert einer Beobachtung gleich dem Wert von vorherigen Beobachtungen ist. Antwort zu Frage 2: Es besagt, dass, wenn ein Zufallsexperiment immer öfters wiederholt wird, das arith­ metische Mittel der Realisierungen sich dem Erwartungswert annähert. Antwort zu Frage 3: Als Laplace-Wahrscheinlichkeit wird die klassische Wahrscheinlichkeit bezeichnet. Antwort zu Frage 4: Es handelt sich dabei um die Entscheidungen, welche ein Mensch nur aufgrund seiner Gefühlsebene, jedoch nicht aus Vernunftvorgaben trifft. Antwort zu Frage 5: Das Hauptunterscheidungsmerkmal ist, dass das von Sharpe entwickelte Modell mit weniger Datenreihen als Markowitz auskommt. Sharpe geht davon aus, dass die po­ sitiven Korrelationskoeffizienten zwischen Anlagetiteln eine fundamentale Ursache haben.

3 Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering In Kapitel 3 werden Sie Folgendes erfahren: – – –

Ist Ethik in der Finance durchsetzbar? Wie definieren wir ethische und nachhaltige Grundsätze für das Financial Engineering? Welche ethischen Ansätze sind für einen Financial Engineer von Bedeutung?

Ethik und Finance, wie passt dies zusammen? Viele Zeitungen würden angesichts von Diskussionen über Bonuszahlungen an Banker etc. dieses Thema kritisch hinterfra­ gen. Andere würde gegebenenfalls darauf antworten, dass es sich doch „nur“ um Ma­ thematik handelt, wie kann diese unethisch schein. Doch wie wichtig die Ethik in der Finance ist, zeigt sich immer deutlicher. Denn hinter der Mathematik steht die Reakti­ on auf deren Umsetzung. Der indische Autodidakt und Mathematiker S. Ramanujan soll einmal gesagt haben:¹⁶⁵ „Eine Gleichung hat für mich keinen Sinn, es sei denn, sie drückt einen Gedanken Gottes aus.“ Wenn heute von Wirtschaftsethik gesprochen wird, so wird dies oft als Synonym für gelebte Werte verstanden. Was wir für den Bereich des Financial Engineering als un­ umgänglich und wichtig erachten, fassen wir nachfolgend zusammen. Zunächst definieren wir den Begriff Ethik. Er wird aus dem altgriechischen ¯ ἠϑιϰή ethik e¯ übersetzt und bedeutet so viel wie das sittliche Verständnis. Ethik beschäftigt sich folglich mit dem menschlichen Handeln und befasst sich des Wei­ teren mit der Moral und hier besonders mit der Begründung für das menschliche Handeln. In der klassischen wissenschaftlichen und soziologischen Betrachtung wird Ethik in verschiedene Teilgebiete untergliedert: Sozialethik, Wirtschaftsethik und Unternehmensethik. Letztere beschäftigt sich mit der Fragestellung, welche mo­ ralischen Wertevorstellungen in einem Unternehmen gelebt werden sollen. Dies ist für uns im Financial Engineering von Bedeutung. Die klassische Wirtschaftsethik un­ tersucht im Gegensatz dazu das Handeln von Unternehmen und deren Auswirkung auf eine Gesellschaft bzw. das Individuum. Die Sozialethik beschäftigt sich mit gesell­ schaftlichen Dingen, die ein gutes Leben sowie die Werte „Freiheit“, „Toleranz“ und „Gerechtigkeit“ aufzeigen. Für das Financial Engineering ist der Begriff der Wirtschaftsethik von Bedeu­ tung. Dieser wurde bereits in der Antike diskutiert, in der Neuzeit jedoch erst 1907

165 Vgl. Beutelspacher, Alberecht: Ein göttlicher Gedanke. Bild der Wissenschaft 10/2009, S. 89. https://doi.org/10.1515/9783110659931-003

100 | 3 Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering

durch Ignaz Seipel klar definiert.¹⁶⁶ Die Wirtschaftsethik fasst verschiedene, teilwei­ se für einen gebildeten Menschen selbstverständliche Komponenten zusammen. So werden z. B. der Umgang mit Geschäftspartnern, das Abschlussverhalten bei einem Geschäft, die Vertraulichkeit sowie die fachliche und persönliche Eignung eines Mit­ arbeiters definiert. Es gilt, einen Blick auf Folgendes zu lenken: 1. Moral und Wirtschaftlichkeit eines Projektes schließen sich nicht aus. 2. Nicht alles Machbare muss auch umgesetzt werden. 3. Eigentum und Umweltressourcen sind zu respektieren. 4. Vertraulichkeit ist ein hohes Gut und darf auf keinen Fall ausgenutzt werden. In wirtschaftlich schweren Zeiten (insbesondere nach oder in Krisen) wird oft nach der Wirtschaftsethik, also dem moralischen Handeln, gerufen. In Boom-Zeiten wird diese jedoch i. d. R. nicht weiter beobachtet. Doch woran liegt das? Eine Erklärung ist die Hilflosigkeit des Menschen. Vereinfacht ausgedrückt: Geht es einem Menschen nicht gut, ruft er nach Hilfe. Gott und Glauben werden präsent. In guten Zeiten werden diese Werte jedoch wieder über Bord geworfen. Es ist jedoch festzuhalten, dass vieles, was wir heute mit Ethik, also dem Werteverständnis, übersetzen würden, anerzogen also ein Prozesses der Sozialisierung eines jeden einzelnen Menschen ist. Es kann somit festgehalten werden, dass Erziehung und Sozialisierung, Glaube und Religion so tief in uns verwurzelt sind, dass sie sich nicht verleugnen lassen. Der Mensch verfällt, in für ihn außergewöhnlichen Situationen oder wenn er es nicht mehr selbstständig kontrollieren kann, in alte ihm altvertraute und bekannte Verhaltens­ muster. Dies ist jedoch keine neue Darstellung, sondern gilt schon seit Urzeiten. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich der moderne homo oeconomicus an altbewährte Dinge klammert, wie sie schon seit Hunderten von Jahren bestand ha­ ben.¹⁶⁷ Der Mensch klammert sich in Krisenzeiten an Dinge, welche in einem Prozess der creatio ex nihilo nicht geschaffen werden können. Dies begründet auch die Tat­ sache, dass zum Beispiel Gold als Sachwertinvestment in Krisenzeiten stärker nach­ gefragt wird als in den Zeiten ohne eine Krise. Auf solche Entwicklungen muss ein Financial Engineer ebenfalls Rücksicht nehmen. Dabei sind die Fiat-Produkte¹⁶⁸ wel­ chen ein Engineering-Prozess vorausgegangen ist, von größter Wichtigkeit. Denn eine in der Regel aufkommende Sachwertdiskussion wird spätestens nach dem Ende der bestehenden Krise wieder neue Lösungen fordern. Codex Financial Engineering Die Jahre der Finanzkrise und die damit einhergehende Vertrauenskrise in moderne Finanzprodukte haben deutlich aufgezeigt, dass ein ethisch korrektes und nach den 166 Im Rahmen der katholischen Soziallehre vgl. Ordo Socialis; vgl. Die Wirtschaftsethischen Lehren der Kirchenväter. 167 Vgl. Bloss, Michael: Die Gier nach Gold. 168 Vgl. Genesis: Fiat Lux: Es werde Licht; die ersten Worte Gottes in der Bibel.

3 Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering

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Maßgaben von Treue und Glauben (fides et ratio) errichtetes Financial Engineering und damit eine darauf begründete Finance von großer Wichtigkeit ist. Nach der Insol­ venz der Investmentbank Lehman Brothers und den damit verbundenen weltweiten Auswirkungen in der Finanzbranche (siehe hierzu: Bear Stearns, Rettungsfonds für Banken etc.) und weiter darüber hinaus war oft und vielerorts die Frage zu hören: „Wer wird es überleben und wie wird die finanzielle Zukunft ausschauen?“ Eine komplexe Frage, welche so vorher am Markt selten bis nie zu hören war. Sie zeigt das „systemi­ sche Risiko“ dieser Tage auf, das ganze Volkswirtschaften betreffen kann. Natürlich ist das Entscheiden bei unvollkommener Information,¹⁶⁹ wie wir dies jeden Tag tun, auch die Grundlage für ein Scheitern bzw. im Falle eines Erkennens des Fehlers für eine Anpassung der Entscheidung auf das neue Umfeld. Hierbei muss jedoch im Vor­ hinein eine gute Grundlage für die Entscheidung (und eine gegebenenfalls notweni­ ge Änderung der Ursprungsentscheidung) gelegt sein, dass diese fruchtbringend wir­ ken kann. Denn wer seine Entscheidungen und Investments „auf Fels gebaut hat¹⁷⁰“, kann bis nach dem tobenden Sturm abwarten und sich dann neu ordnen. Daher ha­ ben wir beschlossenen einen grundlegenden Codex aufzustellen, um, wenn auch nur die grundlegendsten, Fixpunkte aufzuzeigen, nach denen man vorgehen und han­ deln sollte. Dabei geht es uns nicht darum, den Zeigefinger zu erheben, sondern zu einer Reflexion aufzurufen, welche wir generell und regelmäßig durchführen sollten. Dies gilt im Übrigen auch für die gesamte Finance¹⁷¹ und ist nicht nur für den Bereich des Financial Engineering zu beachten. Da im interdisziplinären Financial Enginee­ ring jedoch Produkte, Bewertungen und Managementleistungen ab ovo entstehen, er­ scheint es uns hier von immanenter Zweckgebundenheit und Wichtigkeit.¹⁷² Oliver Stone ließ seinen Filmcharakter Gordon Gekko einst die berühmten Worte: „Gier ist gut“ im Film Wall Street¹⁷³ sprechen. Als er in der über 20 Jahre später erscheinen­ den Fortsetzung diesem Ausspruch anhängen lässt „. . . und heute scheint sie legal 169 Vgl. Bloss, Michael: Die Gier nach Gold. 170 Vgl. Matthäus 7,24. 171 Wir definieren in diesem Buch den Themenbereich der Finance klassisch, wie dies im Investment­ banking üblich ist. Die einzige Ausnahme stellt der Begriff hier dar, wo wir zusätzlich zum klassischen Finance-Bereich auch das komplette Banking miteinbeziehen. Dies rührt von der Tatsache her, dass hier eine deutliche Verwobenheit zwischen den beiden großen unter dem Hauptbegriff Finance und Banking zusammenfassenden Begriffe besteht. Beschäftigt sich das Banking in seiner Tiefe doch eher mit anderen Themen, so ist dem Finance eine weitere Offenheit gestattet. Im Zuge der Regulierung (speziell nach der Finanzkrise 2009 ff.) wurden viele früher in der Finance isoliert betrachteten The­ menfelder zusammen mit Banking-Themenfeldern neu aufgestellt. So wurden zum Beispiel viele der vormals einzigen Investmentbanken in großen Einheiten und Konzernen mit Banking-Einheiten zu­ sammengeschlossen. 172 Dies gilt auch vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit aufgetretenen Probleme in der Finance-Industrie: Lehman Brothers, Long-Term Capital Management (LTCM), Barings Bank, Bear Stearns, Société Générale (SG) etc. 173 Wall Street ist ein Kinofilm von 1987; die Fortsetzung erschien 2010; Der Film und seine Protago­ nisten gelten als Ikone und Meisterwerk.

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zu sein“, zeigt er beide Seiten, die positive und negative, auf. Wie eine Medaille mit Vorder- und Rückseite sehen wir, das wir stets beides betrachten müssen.¹⁷⁴ Dabei ist zu berücksichtigen, dass wohl keine andere Industrie in den vergangenen 20 Jahren so viel Umbruch erlebt hat wie die Finance-Industrie. Große und bedeutende Namen sind verschwunden oder in großen multinationalen Konzernen aufgegangen. Das Ge­ sicht der Wall Street¹⁷⁵ hat sich stärker verändert als jemals zuvor. Derivate, die oft als „Massenvernichtungswaffen der Finance“¹⁷⁶ bezeichnet wur­ den, sind allerdings bei Weitem nicht so gefährlich, wie viele dies immer vermuten. Man muss damit jedoch umgehen können und darf sich nicht, durch die Gier getrie­ ben, das Heft aus der Hand nehmen lassen. Denn auch hier gilt: „Dosis sola venenum facit – Alles ist Gift, es kommt auf die Dosis an“.¹⁷⁷ Herausforderungen einer „vollen Welt“ oder anders ausgedrückt: „Die nicht Skalierbarkeit von Projekten und Prozessen –im Finance– aufgrund natürlich endlicher Skaleneffekte“ Herman Daly der ehemalige Senior Economist der Weltbank hat den Begriff der „vollen Welt“ geprägt (an sich die Entwicklung innerhalb des Anthropozän).¹⁷⁸ War bis in die 70er Jahre des ver­ gangenen Jahrhunderts, die Welt noch als „leere Welt“ zu bezeichnen, so ist dies heute nicht mehr der Fall. Die Grenzen des Wachstums, wie diese einst im ersten großen Bericht an den Club of Rome beschrieben wurden, sind zwar so, aufgrund von Vereinfachung im damaligen Prognose­ modell so nicht eingetreten, dennoch stimmen die Grundgegebenheiten und Aussagen bis zum heutigen Tag. Doch unsere Antworten auf die neu gestellten Fragen, sind dieselben geblieben. Die Wirtschaft verfolgt in vielen Feldern, die weiterhin gleiche Wachstumsstrategie wie in einer „lee­ ren Welt“, ohne dabei festzustellen, dass diese falsch und nicht mehr praktikabel ist. War in einer „leeren Welt“, ein Skaleneffekt einfach umsetzbar, so ist dies in der „vollen Welt“ nicht mehr rea­ listisch. Wir müssen mit den uns anvertrauten Rohstoffen und Ressourcen haushalten und diese sinnvoll nutzen. „Wollte man in der „leeren Welt“ mehr Fische fangen, so hat man mehr Boote ge­ schickt. Man folgte in der Entscheidungsfindung der Kausalkette: Mehr Boote, mehr Fischer, mehr Netze mehr Fische! In der „vollen Welt“ ist das nicht so! Hier bedeutet es, mehr Fische werden durch Fischfangzonen, Aufbau der Bestände, Auf-Fischung und Verbote von Fischfang etc. erreicht“, so Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, der Ehrenpräsident des Club of Rome.¹⁷⁹ Unsere ange­ stammten Antworten und Handlungen sind folglich die falschen in diesem veränderten Umfeld. Es bedarf somit auch einer „neuen Aufklärung“ auch im Bereich der Finance. Es kann auch hier übertragen werden, hat man früher als Bank mehr Ertrag machen wollen, so hat man einfach mehr Filialen etc. aufgemacht oder mehr Produkte an den Kunden gebracht. Mehr Kunden, mehr Orders, mehr Produkte bedeutete automatisch auch mehr Ertrag. Doch dies ist heute, in einem Umfeld der Verdrängung, nicht mehr umsetzbar. Die Dichte der Anbieter, Produkte und Möglichkeiten, aber

174 Vgl. Bloss, Michael: Die Gier nach Gold. 175 Wall Street steht hier als Synonym für die gesamte weltweite Finance, für die handelnden Akteure, die Firmen und den Flair, welchen das Investmentbanking ausstrahlt und vermittelt. 176 Vgl. u. a. Buffet, Warren. 177 Vgl. Paracelsus. 178 Vgl. Daly, H.: Economics in a Full World. Scientific American September: 100–107 (2005). 179 Vgl. von Weizsäcker, E. U., Wijkman, A.: Wir sind dran. Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Eine neue Aufklärung für eine volle Welt. 3. Auflage (2017).

3.1 Ist Ethik in der Finance durchsetzbar? | 103

auch die begrenzte Anzahl an Nutzern, verhindert dies. Es gilt sich zu spezialisieren und vor allem, das Eigenkapital sinnvoll und zielführend zu investieren. Wir müssen folglich konkret umdenken! Wir können die alten Konzepte und Antworten in der heutigen Zeit nicht mehr realisieren bzw. pos­ tulieren. Dies gilt für die gesamte Wertschöpfungskette, nicht nur für die Finance, aber gerade auch für diese! Getrieben von der Regulatorik und dem Regulator des jeweiligen Marktes kommt es zu deutlichen und vielschichtigen Anpassungen. Dabei sehen wir eine Finance der zwei Geschwin­ digkeiten. Während Europa und vor allem Deutschland einen sehr strengen Kurs einschlägt, ist UK und USA hier deutlich moderater in der Regulatorik und auch progressiver im Verdrängen aufge­ stellt. Dies zeigt sich auch an der Größe der Institute und deren letztendlich an deren Ertragskraft. Diese Aussage erfolgt komplett ohne eine Wertung. Welche Strategie die Richtig ist, wird uns die Geschichte zeigen. Was uns jedoch mehr als angebracht erscheint, ist die Tatsache sich hier, vor allem in der praktischen Anwendung, Gedanken zu machen, was man für Folgen auslösen kann. Wir trennen an dieser Stelle die theoretische Finance, welcher wir uns verbunden wissen, von der praktischen und umsetzbaren Finance, der wir verantwortlich gegenüber stehen möchten. Julius R. Oppenheimers Aussage: „Now, I am become death, the destroyer of worlds – Jetzt bin ich zum Tod geworden, der Zerstörer der Welten“¹⁸⁰ klingt uns hier in den Ohren nach. Dies nimmt insofern noch mehr Gestalt an, je mehr wir uns mit den dringenden Fragen der Digitalisierung, der Künstlichen Intelligenz (KI) und deren Einbindung in die Geschäftsprozesse beschäftigen. Nun möchten wir an dieser Stelle keine Angst vor der Singularität¹⁸¹ machen, welche manche einer­ seits heute schon feiern, andere wiederrum verteufeln, wir aber in der nahen Zukunft nicht sehen. Wir wollen lediglich das Bewusstsein dafür schaffen, sich darüber Gedanken zu machen. Das eine starke Künstliche Intelligenz (KI) zeitnah zur Verfügung steht, damit rechnen wir nicht. Das aber schwache „Künstliche Intelligenz Systeme“ uns in den kommenden Jahren deutlich mehr beglei­ ten werden, da sind wir sicher. Vor allem „Plain Vanilla Prozesse“ im Financial Engineering werden auch in den kommenden Jahren hiervon mehr profitieren. Dies wird sich selbstverständlich auch auf die Arbeitsabläufe und vor allem, auf die Personalplanung auswirken. Am Ende jedoch, wird sich die Qualität immer behaupten bzw. von Nöten sein, um noch bessere Prozesse zu implemen­ tieren bzw. diese am Laufen zu halten. Wir müssen folglich keine Angst haben, dass die Computer unser Jobs machen und wir nur noch „faul“ rumsitzen werden. Ganz im Gegenteil, es wird eini­ ges auf uns warten. Wichtig dabei ist aber auch, dass wir das Fachwissen dafür haben und wir die Hintergründe, sowohl quantitativ als auch qualitativ, durchdenken und durchblicken können. Andererseits werden einfache, und heute schon nicht wirklich anspruchsvolle Tätigkeiten dann automatisiert und von solchen Systemen übernommen. Die Antworten in einer vollen Welt, sind komplizierter als in einer leeren Welt. Wir müssen folglich auch hier tiefer und umfänglicher an vielen Dingen arbeiten. Somit eröffnet sich ein ganz neuer Blickwinkel auf viele Dinge. Es werden sich neue Fragestellungen ergeben, für die es sich lohnt Antworten zu finden.

3.1 Ist Ethik in der Finance durchsetzbar? Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst eine Definition für Finance gefunden werden. Wir definieren diese als die Wissenschaft der Anwendung der Fi­ nanztheorie, der mathematischen Modelle und der Produkte auf Unternehmen und auf die Finanzmärkte selbst. Es gilt festzuhalten, dass sich die Finance in den ver­

180 Vgl. Bhagavad Gita.

104 | 3 Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering

gangenen Jahren deutlich gewandelt hat. Komplexe Sachverhalte haben stärker an Einfluss gewonnen. Die Integration macht somit auch ein neues Verständnis für Ethik notwendig. Das Financial Engineering, welches eng mit dem Begriff des Fortschritts verbunden ist,¹⁸¹ ist die quantitative Lehre der Lösung für Finanzfragestellungen. In­ novative Produkte sollen Lösungsansätze dieser Sachverhalte darstellen und aufzei­ gen. Nicht selten sind diese Lösungsansätze von starker Komplexität geprägt und gel­ ten somit für viele als undurchsichtig (dies bedeutet jedoch nicht unethisch oder nicht ethisch korrekt). Hier gilt zunächst, jeder Idee die Chance zu geben. Die Idee muss je­ doch nicht nur auf die Machbarkeit hin geprüft werden, sondern auch auf die damit verbundenen ethischen Verhältnisse bzw. auf deren im positiven Sinne beinhaltende Nachhaltigkeit. Die Frage, was können wir damit Auslösen sollte uns immanent, aber ohne Sorge und Angst vor Augen stehen.

3.2 Was ist im Financial Engineering hinsichtlich Ethik wichtig? Man könnte sagen: Das Financial Engineering ist nur der Ideengeber, der Produzent eines Produktes. Doch dieser Ansatz wäre falsch. Wo fängt die ethische Verwerflichkeit einer Idee an? Beim Entstehen oder beim Vermarkten? Wir gehen von der Entstehungstheorie aus und sind daher der Ansicht, ein ethisches Grundverhalten muss in jedem Produktionsschritt vorhanden sein. So müssen die aufgezeigten Spiel­ regeln der Ethik für das Financial Engineering jederzeit umgesetzt werden. Nur wer ein transparentes und durchdachtes Produkt als Lösungsansatz verkaufen kann, wird auf lange Sicht damit erfolgreich sein. Beim Financial Engineering handelt es sich nicht um den Erfüllungsgehilfen des Turbokapitalismus. Das Financial Enginee­ ring ist heute einer der großen Ertragsbringer für eine Investment- oder Großbank. Jedoch verpflichtet gerade eine solche Cash-Cow¹⁸² dazu, zweimal zu prüfen: „Ist die Entscheidung, welche ich treffe auch ethisch korrekt?“ Doch was ist ein ethisch korrekter Weg? Wir versuchen diesen, nach unseren Maßstäben, wie folgt zu gliedern: – Der Financial Engineer als kompetenter Partner. – Der Financial Engineer als konkreter Gestalter. – Der Financial Engineer als Hüter des Machbaren.

3.2.1 Der Financial Engineer als kompetenter Partner Zunächst muss sich jeder Financial Engineer einer persönlichen innerlichen Prüfung unterziehen: „Bin ich mit meiner Erziehung, meinen Motiven und meiner Grundein­ 181 Vgl. Professor Dr. Rainer Stöttner Universität Kassel: Vorlesung: Financial Engineering. 182 Vgl. hier auch BCG Matrix (auch Bosten-I-Portfolio). Hier angewandt in einer Inhouse-Betrach­ tung.

3.2 Was ist im Financial Engineering hinsichtlich Ethik wichtig?

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stellung für einen solchen Beruf geeignet?“ Es gilt stets einen einwandfreien Leumund und Charakter zu haben. Jeder Kunde und jeder Arbeitgeber muss sich auf einen Fi­ nancial Engineer verlassen können. Das Vertrauen zur besprochenen Personengruppe ist wie das Patienten-/ Arztverhältnis zu sehen. Ist jemand nicht bereit, eine Vertrau­ ensperson und ein Geheimnisträger zu sein, so ist er kein kompetenter Partner. Der faire und jederzeit vertrauensvolle Umgang mit den Wünschen der Kunden und deren Anforderungen ist ebenfalls von großer Wichtigkeit. Jedem Financial Engineer soll­ te bewusst sein, dass seine Produkte, Entscheidungen, Berechnungen und Lösungen zum Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens beitragen können. Dabei sollte man keine Angst davor haben, dass etwas nicht aufgeht. Dies wird es marktbedingt immer geben. Wer dies jedoch grundsätzlich billigend in Kauf nimmt, handelt grob fahrläs­ sig. Entscheidungen eines Financial Engineers sollten immer wohl überlegt und nicht aufgrund von Außeneinflüssen¹⁸³ getroffen werden.

3.2.2 Der Financial Engineer als konkreter Gestalter Kommt ein Kunde mit einem Problem auf den Financial Engineer zu, so ist ein kon­ kreter Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Hierbei ist es wichtig, Interessen des eigenen Unternehmens zurückzustellen. Der Kunde und seine Anforderungen müssen im Mit­ telpunkt stehen. Hier gilt vor allem eines: Der Respekt muss sowohl vor dem Kunden (dessen Problem) sowie auch vor dem gestalteten Produkt immer vorhanden sein. Hat man den Respekt vor einem der beiden verloren, so wird die Entwicklung Schaden nehmen.

3.2.3 Der Financial Engineer als Hüter des Machbaren Den Möglichkeiten der Kreation von neuen Produkten sind fast keine Grenzen gesetzt. Doch gerade hier muss der moralische und sittliche Verstand eines Financial Engi­ neer zum Tragen kommen. Nicht alles, was machbar ist, sollte auch umgesetzt wer­ den. Nicht in jeder Marktlage und nicht für jede Kundengruppe sind alle Produkte ge­ eignet. Des Weiteren ist auf die Margengestaltung zu achten. Es ist durchaus möglich, Produkte mit einer Innenmarge von 5 Prozent darzustellen. Aber ist dies erstens richtig und zweitens ethisch vertretbar? Hier muss auch das Kundeninteresse im Vordergrund stehen. Dasselbe gilt für Spezialprodukte, welche so hochkomplex sind, dass sie eine

183 Außeneinflüsse können hier geschäftspolitischer Natur jedoch auch persönliche Differenzen sein. Ein Financial Engineer sollte stets mit dem „Erwachsenen-Ich“ entscheiden und sich nicht vom „Kindheits-Ich“, welches oft gekennzeichnet von Trotz, Wut etc. ist leiten lassen. Vgl. hierzu: Trans­ aktionsanalyse nach Eric Berne (1910–1970).

106 | 3 Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering

Vielzahl von Anlegern nicht verstehen kann. Braucht ein Markt so etwas? Auch hier muss die Vernunft über die Möglichkeit des Geldverdienens siegen. Die angesprochenen Grundvoraussetzungen erweitern wir auf einer zweiten Ebe­ ne wie folgt: Sittliches Verhalten gegenüber Counterparts und Endkunden Der Counterpart ist für den Financial Engineer ebenso wichtig wie der Kunde für den Salesdesk. Daher ist hier ein absolutes Vertrauensverhältnis Pflicht. Es ist wichtig, nichts zu versprechen, was man nicht halten kann. An Absprachen muss man sich absolut halten, und sollte sich ein Fehler eingeschlichen haben, so ist dieser unver­ züglich und in voller Transparenz offenzulegen. Bei Unstimmigkeiten ist ein schnelles und zielführendes Handeln notwendig. Dasselbe gilt für das Verhältnis zu dem End­ kunden. Der Kunde ist es, der die Produkte kauft. Seine Wünsche und Bedürfnisse müssen im Mittelpunkt stehen. Er gibt den Weg vor, der gegangen werden muss. Da­ bei ist darauf zu achten, dass die Landkarte des Kunden und die eigene übereinstim­ men. Dieses Bild zeigt gut, wie wichtig die Abstimmung ist. Nur wer seinen Kunden versteht, seine Sorgen, Ängste und Probleme kennt, kann auch sinnvolle Lösungen präsentieren. „There’s no such thing as a free lunch“. – Milton Friedman

Produktive Ressourcenverwendung statt Monte-Carlo-Kapitalismus Einen „free lunch“ gibt es nicht! Wenn dies manchmal auch so scheint. Wichtig für ei­ nen Financial Engineer ist, dass er mit seinen Produktlösungen nicht mehr Probleme verursacht als löst. Daher ist die Mentalität eines Spielers hier völlig fehl am Platz. Je­ de Entscheidung muss sorgfältig überdacht werden. Der Einsatz der Ressourcen sollte sinnvoll und nicht zur Margengestaltung des Emittenten verwendet werden. Das neue Produkt soll Probleme lösen, keine neuen schaffen. Deshalb ist ein Financial Engineer auch eine Art Hüter der Büchse der Pandora.¹⁸⁴ Ja, er kann ein Produkt definieren, aber wie er dies macht und mit welcher Intention, ist ihm überlassen. Er hat somit Gestaltungsspielraum und steuert dadurch das Wohl und Wehe von privaten und ge­ werblichen Vermögen. Ursachen des steigenden Bedarfs an Financial-Engineering-Leistungen Die Ursachen für den steigenden Bedarf an Financial-Engineering-Leistungen sind recht einfach zu erklären. Es besteht die Möglichkeit, diese für komplexe Problem­ stellungen zu nutzen. Noch vor 30 Jahren wäre dies in vielfacher Hinsicht nicht mög­

184 In der griechischen Mythologie brachte das Öffnen der Büchse der Pandora alles Schlechte in die Welt.

3.4 Grundsätzliche ethische Ansätze für einen Financial Engineer |

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lich gewesen. Heute ist es zum Tagesgeschäft geworden. Natürlich mehrt das auch die Nachfrage nach solchen Lösungen. Des Weiteren ist in einer globalen und vernetz­ ten Welt ein höherer Wirkungs- und Nachfragegrad zu erreichen. Es öffnen sich neue Märkte und Investitionsmöglichkeiten. Jedoch tun sich auch viele neue Fragen auf, wie z. B.: „Woher kommen die Ressourcen und mit welchen Hintergründen (z. B. Kinderar­ beit) sind diese verbunden?“ Hier muss nun die ethisch korrekte Entscheidung lau­ ten: Brauchen wir ein Produkt, das einem westlichen Anleger eine höhere Rendite verspricht, während aufgrund genau dieses Produktes die Negativspirale anderswo zunehmen wird? Oder denken Sie an die Möglichkeiten, heute auf fast jeden Index ein Produkt aufzulegen. Darf man nun z. B. ein Produkt auf eine steigende Arbeitslo­ sigkeit emittieren?

3.3 Wie werden ethische Grundsätze kontrolliert? Viele Investmentbanken haben interne Compliance-Vorschriften, in denen auch ethi­ sche Grundsätze und Regeln aufgeführt sind. So werden hier neben den oben ange­ sprochenen Grundvoraussetzungen auch oft Verhaltensrichtlinien für den Umgang mit Kunden, Vertragspartnern und Counterparts aufgeführt. Auch beinhalten diese Regelungen das Monitoring durch die Vorgesetzten. Diese Regeln zeigen klar und deutlich auf, für welche Werte ein Unternehmen und folglich auch seine Mitarbeiter stehen. Würde es einen solchen Verhaltenskodex nicht geben, wäre ein zügelloser Zynismus vorgegeben. Ein deutlicher Reputationsverlust wäre die Folge. Hier gilt der schöne Ausspruch des Zauberlehrlings: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“¹⁸⁵

3.4 Grundsätzliche ethische Ansätze für einen Financial Engineer Es ist schwer, allgemeinverbindliche und nicht einzelfallbezogene Regeln für ein ethisch korrektes Financial Engineering aufzustellen. Nachfolgend wagen wir es, un­ sere Sichtweise darzustellen, und übereignen diese in die Hand und die Reflexion des Lesers: – Ein Financial Engineer sollte von der Lösung eines Problems und nicht von der Ertragsmarge eines Produktes getrieben sein. – Die Produktlösung sollte nicht mehr Probleme auslösen. – Religiöse, kulturelle und sonstige Anforderungen des Kunden müssen beachtet und geachtet werden. Gehen Sie den Weg mit dem Kunden gemeinsam, mit einer „gemeinsamen Landkarte“. 185 Der Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe; 1749–1832.

108 | 3 Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering

– – – – – – – –

Das Produkt darf nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Ressourcen müssen sinnvoll und produktiv eingesetzt werden. Gibt es Interessenkonflikte, so müssen diese vorher ausgeräumt werden. Sind Sie oder Ihr Unternehmen befangen, so muss von einer Produktlösung Ab­ stand genommen werden. Die Frage, wer unser Kunde ist, muss im Vordergrund stehen. Schadet dieses Produkt oder meine Handlung einem anderen? Wenn ja, ist ein weiteres Vorgehen nicht statthaft. Versprechen gegenüber Dritten (Counterparts, Endkunden etc.) müssen jederzeit eingehalten werden. Verstoße ich gegen das Recht und Gesetz? Wenn ja, ist von der Arbeit sofort Ab­ stand zu nehmen. Dies gilt auch für alle Verstöße gegen die geltende regulatori­ schen Anforderungen.

Vorsicht bei: – Embargo-Ländern etc. – Kinderarbeit – Waffen- und Kriegsgeschäften – Transaktionen, welche einen fraglichen finanziellen Hintergrund besitzen. Wir sind oben auf die Legalität einer Transaktion eingegangen. Wenn man Ethik und Legalität als deckungsgleich betrachtet, wäre dies jedoch zu einfach. Ein rein geset­ zestreues Verhalten reicht nicht aus, um ethisch korrekt zu handeln. Denn wäre dies so, dann hätte die Ethik im Bereich der Finance nur eine kleine Rolle inne. Ethik ist somit mehr als legales Handeln. Ethik zeigt den Zeitgeist und die Werte einer Gesell­ schaft auf. Ethik bedeutet, ein Produkt ohne Hintergedanken und frei von Zwängen auf den Markt zu bringen. Partner für Kunden und den Markt zu sein bedeutet, nicht nur stupider Produzent zu sein. Ethik bedeutet ein Mitdenken von allen. Das Logos,¹⁸⁶ das Wort, muss bestand haben und zur Ratio,¹⁸⁷ zur Vernunft und somit zum Han­ deln¹⁸⁸ werden. Peter Drucker hat in seinem Werk: Die fünf entscheidenden Fra­

186 Logos ist nicht nur mit dem deutschen Begriff: Wort, sondern tiefer zu fassen. Es bedeutet so z. B. Beweis, Lehrsatz und Lehre, Sinn und Vernunft. Vgl. auch hier J. W. von Goethe: Faust I, Vers 1224 ff.; die religöse Grundlage liegt im Evangelium nach Johannes (Joh 1,1): „en arche^ e^n ho Logos kai ho Logos e^n pros ton Theon kai Theos e^n ho Logos“; übersetzt ins Deutsche: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Es soll in diesem Zusammenhang die Verbindlich­ keit des gesprochenen, zuvor durchdachten Wortes aufzeigen. Somit soll die Reinheit der Lehre zum Ausdruck gebracht werden, die losgelöst von Ertrags- und Margenzielen zu sehen ist. Sie sollte losge­ löst vom wirtschaftlichen und persönlichen Gewinnstreben des Einzelnen oder der Gesellschaft sein. 187 Ratio ist hier als Vernunft, somit als Klugheit und Einsicht zu sehen. 188 Handeln in diesem Fall als Erkennen des Richtigen und das Umsetzen in den Financial-Enginee­ ring-Lösungen.

3.5 Was versteht man unter ESG-Kriterien?

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gen des Managements¹⁸⁹ klare Definitionen abgegeben, welche wir hier zitieren möch­ ten: – Wie lautet unsere Mission? – Wer ist unser Kunde? – Worauf legt der Kunde wert? – Welches sind unsere Ergebnisse? – Welches ist unser Plan? Wir möchten noch zwei Fragen diesem Katalog hinzufügen: – Welche Werte verkörpern wir? – Was ist für uns Motiv und Ziel einer Entscheidung und Handlung? Die Antworten auf diese Fragen muss jeder für sich selbst treffen. Sie dienen zur Re­ flexion und Einschätzung des eigenen Ichs sowie des Umfeldes. Aufoktroyieren kann und darf man ethisches Handeln nicht. Es würde nie ernst genommen werden. Es muss sozusagen aus jedem der handelnden Akteure selbst kommen.¹⁹⁰ Dies schafft dann auch eine gegenseitige Selbstverpflichtung, welche jederzeit wünschenswert ist. Oftmals ist die Frage einer ethisch korrekten Einordnung nicht nur eine Frage der rechtlichen Situation, sondern eine vorn Moral und Gewissen. Hier gilt es vorsichtig und richtig abzuwägen und zu entscheiden. Des Weiteren ist immer darauf zu achten, dass es neben allen Betrachtungen auch langfristig nicht zu einem Reputationsschaden kommen kann.

3.5 Was versteht man unter ESG-Kriterien? Um nachhaltige Investments kategorisieren und gliedern zu können, wurden ver­ schiedene vielschichtige Kriterien aus drei verschiedenen Teilbereichen zusammen­ gestellt, an denen man ein solches Investment ausmachen und einordnen kann. Die Teilbereiche wurden in Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) gegliedert. Dabei setzen klar definierte Ausschlusskriteri­ en eine hohe Hürde für ein Investment und fordern das Management des Investments zu einem konsequenten und nachhaltigen investieren auf. Wie in Abbildung 3.1 exemplarisch aufgezeigt, fallen den drei definierten Haupt­ feldern Environment, Social und Governance jeweils zugeordnete Untergruppen zu.

189 Vgl. Drucker, Peter: Die fünf entscheidenden Fragen des Managements; Wiley VCH Verlag San Francisco, USA. 190 Wer sich diesem Thema nicht mit einer starken inneren Weite und Offenheit stellt, wird immer nur eine Maske tragen, welche in Stresssituationen meist nicht aufrechtzuerhalten ist.

110 | 3 Ethische und nachhaltige Grundsätze für ein erfolgreiches Financial Engineering

Diese sind zu definieren und verbindlich festzuhalten. Des Weiteren ist festzulegen, in welcher Form man die jeweiligen Felder definiert. Ein klar gegliedertes Verfahren, welches auch einem externen Audit stand hält ist hier von Nöten. Des Weiteren sind die Kriterien als verbindlich und generell anzuwenden zu definieren. Diese sollten al­ so nicht einem ständigen Prozess der Änderung unterliegen. Ganz im Gegenteil, sie sollten als fundamentale Grundvoraussetzungen gelten.¹⁹¹

Environment

Governance

Social

Klimawandel

Humankapital

Firmenverhalten

Naturkapital

Produkthaftung

Compliance

Wasser- und Umweltveränderungen

Chancen im Bereich Soziales, Gesundheit und Sicherheit

Unternehmensführung

Abb. 3.1: ESG Kriterien und deren Untergruppen

Wie wird hier konkret vorgegangen? Im Vorfeld eines Investments werde aufgrund der ESG Kriterien sogenannte Ausschlusskriterien festgelegt und diese dann im In­ vestmentprozess fixiert und umgesetzt. So können dies z. B. Rüstung, Glückspiel, Waffenhandel, Alkoholproduktion, Tierversuche, Arbeitssicherheit, Kinderarbeit etc. sein.¹⁹² Wie bei klassischen Investitionen (z. B. in Einzelwerte), können die ESG Kriteri­ en auch auf die Auswahl der Underlyings im Bereich des Derivatehandel stattfinden. Bezieht sich diese Transaktion auf eine Grundgeschäftstransaktion, ist es zwingend notwendig, dass auch das Grundgeschäft die ESG Kriterien aufweist, da es sonst zu einer Diskrepanz kommt. Des Weiteren empfehlen wir ausdrücklich zu einer lückenlo­ sen Dokumentation der Kriterien und deren Umsetzung. Der eingegangenen Strategie und der Ausschlüsse.

191 o. V. MSCI ESG Research. 192 o. V. Commerzbank AG.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel |

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Sollte es sich auf das Fondsmanagement beziehen, ist dies selbstverständlich in den jeweiligen Prozessen einzubinden und zu definieren. Die großen Datenanbieter liefern die jeweilig benötigten Informationen in deren Datenbanken. Somit kann auch ein klarer technischer Prozess definiert und die Da­ tenqualität für diesen festgehalten werden. Neben bereits vordefinierten Datenpake­ ten und zusammengestellten Daten, bieten diese Unternehmen auch die Möglichkeit gezielt Research zu betreiben und die benötigten Daten selbständig auszuwerten.

3.6 ESG-Derivate an der Eurex Wir wollen an dieser Stelle einen kleinen Abstecher zu den handelbaren Produkten an den Terminbörsen machen. Im Jahr 2019 hat die Eurex begonnen Derivate auf ESG In­ dices (ESG-X und Europe ESG Leaders Select 30) einzuführen und hat damit die Palet­ te der handelbaren Derivate ergänzt. Sie trägt hier der Nachfrage am Markt Rechnung und bietet, durch die zur Verfügung gestellten Derivate, einen schnellen und transpa­ renten Zugang. Des Weiteren wurden Futures auf Climate Impact Indices wie und Low Carbon Futures gelistet. Diese ermöglichen es direkt in die zugrundeliegenden Indices zu in­ vestieren bzw. zu de-investieren (Long- und Short-Transaktionen) bzw. diese zu han­ deln. Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit der großen Fragestellung: Wie ein ethisch korrek­ tes Financial Engineering funktioniert? beschäftigt. Wir haben dabei einen Ansatz gewählt, der zu­ nächst das Machbare vom ethisch Korrekten trennt und zum Nachdenken anregt. Dies gilt sowohl für die Kundenbeziehung als auch die Beziehung zu Counterparts und Mitbewerbern. Des Weiteren sind wir auf die persönliche Einstellungsebene eingegangen. Wir diskutieren hierbei die für uns als maßgeblich erachteten Inhalte. Beschlossen haben wir das Kapitel mit den ESG Standards, welche derzeit viel Beachtung finden.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Bloss, Michael: Die Gier nach Gold Drucker, Peter: Die fünf entscheidenden Fragen des Managements Löhr, Albert; Valeva, Milena: Finance & Ethics Pieper, Annemarie: Einführung in die Ethik Ratzinger, Joseph: Einführung in das Christentum Seipel, Ignaz: Die Wirtschaftsethischen Lehren der Kirchenväter

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Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Was bedeutet Ehtik nach unserer Definition? Frage 2: Stimmt die Aussage: „Moral und Wirtschaftlichkeit eines Projektes schließen sich grundsätzlich aus.“? Frage 3: Warum wird in wirtschaftlich schweren Zeiten öfters nach der Ethik gerufen? Frage 4: In welche drei Punkte gliedern wir die ethisch korrekte Darstellung eines Finanicial Engineer? Frage 5: Warum muss Ethik gelebt werden und kann nicht angeordnet werden? Antwort zu Frage 1: Ethik bedeutet so viel wie das sittliche Verständnis und beschäftgt sich folglich mit dem menschlichen Handeln und darüber hinaus mit dem Wirken des Handelns auf das Umfeld. Antwort zu Frage 2: Nein, Moral und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht aus. Seipel hat dies in seinen Studien offen dargestellt. Antwort zu Frage 3: Die Erklärung liegt in der Hilflosigkeit des Menschen, mit Problemen umzugehen, be­ gründet. Antwort zu Frage 4: Der Financial Engineer als kompetenter Partner Der Financial Engineer als konkreter Gestalter Der Financial Engineer als Hüter des Machbaren Antwort zu Frage 5: Würde Ethik angeordnet werden, wäre die Gefahr, dass die Handelnden in extremen Situationen wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen, zu groß. Daher muss ein korrektes ethisches Verhalten anerzogen werden und aus jedem Financial Engineer von innen heraus kommen.

Lückentext | 113

Lückentext Das Financial Engineering ist ein Geschäftsfeld, welches modular aufgebaut ist. Da­ bei werden die jeweiligen Einheiten so zusammengestellt, wie diese dem , der und dem eines Produktes dienlich sind. Neben den , welche man zwischen und unterscheidet, gibt es auch fortlaufende Emissionen, welche als bezeich­ net werden können. Zu diesen gehörten die zum Beispiel die fortlaufend begebe­ nen . Je nach und Marktlage wird ein Emittent entscheiden, welche Art von Struktur er an den Markt begibt. Die methodischen Grundlagen der Mathematik und Statistik, welche hier einfließen, sind sehr wichtig. Denn fundamentale Grundlagen, wie die , sind für das moderne Financial Engineering unabdingbar. Dabei unterscheidet man zwischen der Wahrscheinlichkeit und der oder auch Wahr­ scheinlichkeit. Prozesse wie der Prozess, ein Prozess ohne Drift, kommen hier ebenfalls zum Einsatz. und sind ebenfalls sehr wichtig. , als Maß Dabei gilt festzuhalten, dass die Volatilität, also die für das Risiko gilt. Quadriert man diese, so erhält man die . Das Radikal der ist folglich wieder die . Diese begründen unter anderem das ma­ thematische und statistische Handwerkszeug eines Financial Engineer. Doch auch Grundsätze, wie wir diese aus der Spieltheorie kennen, sind hier vonnöten. Denn auch bei Finanzlösungen schwingen immer mit. oder das dürfen Gerade Phänomene wie das nicht unterschätzt werden. Diese sind als nicht kalkulierbare Risikoart zu behandeln. Also eine Risikoart, welche nicht durch das wegzudiversifizieren nicht zu erkennen ist. Somit also ein Risiko, welches im ist. Auch und Grundsätze sind im Financial Engineering von gro­ ßer Bedeutung. Dabei sollte immer der im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. ein Produkt spendet, ist maßgeblich. Die Frage, welchen Bau, bedingten, Bewertung, Discountzertifikate, Emotionen, entscheidungstheoreti­ sche, ethische, Gruppendenken, Herdentriebverhalten, Konditionalen, Konjunktur­ zyklus, Korrelationen, Kunde, Markowitz-Modell, Massengeschäft, Minimum-Vari­ anz-Portfolio, moralische, Nutzen, Plain-Vanilla-Emissionen, Private Placements, Sonderemissionen, Standardabweichung, Subjektiven, Varianz, Varianz, Varianzen, Verkauf, Volatilität, Wahrscheinlichkeitstheorie, Wiener-

| Modul II: Plain-Vanilla-Derivate

4 Terminbörsen und Terminmärkte In Kapitel 4 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – – – –

Wie sind Terminbörsen entstanden? Wie sind Terminbörsen organisiert? Welche Funktionen haben Terminbörsen? Wer handelt an Terminbörsen? Was sind Derivate? Was wird benötigt, um ein Derivat zu handeln? Welche Möglichkeiten bieten Derivate?

4.1 Historische Entwicklung von Terminbörsen Der Ursprung unserer heute so verbreiteten Finanztermingeschäfte liegt in den Ter­ mingeschäften auf Rohstoffe begründet. Diese wurden abgeschlossen, um Preisrisi­ ken absichern zu können. Bereits im Jahr 2.000 vor Christus sind in Indien erste Formen von Terminmärkten entstanden. Diverse Aufzeichnungen aus der Zeit des rö­ mischen Reichs und der Phönizier belegen ebenfalls Termingeschäfte. Thales von Milet soll ca. 500 v. Chr. bereits mit Optionen auf Oliven bzw. auf die Olivenpressen gearbeitet haben. Aufgrund von Unsicherheiten im Welthandel wurden früh Termingeschäfte auf Waren abgeschlossen, welche über den Seeweg und somit aus „unsicheren“ Gebie­ ten geliefert wurden. Mit den abgeschlossenen Termingeschäften konnte folglich ei­ ne Preissicherung durchgeführt werden. Aus dem Mittelalter sind Termingeschäfte in England und in Frankreich überliefert. Hauptsächlich handelte es sich damals um Termingeschäfte auf Waren (Warentermingeschäfte), die aus Asien stammten und erst Monate später geliefert wurden. Auch hier war das Motiv eine Preissicherung. Um das Jahr 1630 wurde in den Niederlanden ein reger Optionshandel auf Tulpenzwiebeln¹⁹³ betrieben. Hierbei kam es, ähnlich wie später bei der New Economy,¹⁹⁴ zu einer klassi­ schen Blasenbildung.¹⁹⁵ Aufgrund einer Übernachfrage nach Tulpenzwiebeln wurden diese immer teurer und es entwickelte sich eine Preisspirale. Als die ersten Investoren beschlossen, ihre Gewinne zu sichern, und die Investments abzustoßen begannen, löste dies eine Verkaufswelle aus. Aufgrund des Überangebotes brach der Preis für

193 Die große Tulpenmanie. 194 New Economy ist eine durch die Globalisierung und Technologisierung geprägte Wirtschafts­ form; in Deutschland in den späten 1990er-Jahren aufgekommen (vgl. auch: Internetfirmen gehen an die Börse, Einführung von angloamerikanischen Begriffen etc.). 195 Als Blasenbildung wird ein übertriebener Handel z. B. mit Aktien bezeichnet. In einer klassischen Wirtschaft kommt dies immer wieder vor und gehört auch zum Wirtschaftszyklus. https://doi.org/10.1515/9783110659931-004

118 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Abb. 4.1: Weltkarte mit den heutigen Zentren des Terminmarkthandels (eingefärbt)

Tulpenzwiebeln ein und die Preisspirale bewegte sich in die entgegengesetzte Rich­ tung. Die meisten Investoren erlitten einen überproportionalen Verlust. In Asien (Osaka, Japan) wurde um diese Zeit ein reger Handel mit Reis und Seide betrieben. Bekannt wurde dies unter dem Begriff „DOJIMA RICE MARKET“. Dieser war somit der erste geregelte Terminmarkt in Asien. Ihren Siegeszug als „Mutter aller Terminbörsen“ feierte das CHICAGO BOARD OF TRADE (CBOT) in den Jahren nach 1848.¹⁹⁶ Dabei wurde zum ersten Mal in der Ge­ schichte ein standardisierter Terminkontrakt gehandelt. 1898 wurde ebenfalls in Chi­ cago das „CHICAGO BUTTER AND EGG BOARD“ gegründet. Wie aus dem Namen her­ vorgeht, wurden dort Butter und Eier gehandelt. Da das Produktangebot über die Jahre zunahm, firmierte dieses 1919 in die CHICAGO MERCANTILE EXCHANGE (CME) um. 2007 fand ein Zusammenschluss zwischen CME und CBOT zur CME GROUP statt. Was begründete den Aufschwung der Termingeschäfte? Durch den sprunghaf­ ten Anstieg der amerikanischen Staatsverschuldung sowie die Aufhebung der festen Wechselkurse von Währungen (Einführung der Kontrakte am 16.05.1972 am INTER­ NATIONAL MONETARY MARKET (IMM)) wurde ein neues wirtschaftliches Umfeld geschaffen. Dieses zeichnete sich durch höhere Volatilitäten aus. In den 70er-Jahren 196 Gegründet am 3. April 1848.

Abb. 4.2: Historischer Zeitstrahl der Derivate¹⁹⁷

500 v. Christus Der Grieche Thales erwirbt Optionen auf Olivenpressen und macht daraus ein Vermögen.

1602 In der holländischen Vereinigten Ostindischen Kompanie schließen sich sechs kleine Handelsunternehmen zusammen und geben, um sich zu finanzieren, erstmals im größeren Stil Aktien heraus.

1975 Der erste „Interest Rate Future“ wird von der Chicago Board of Trade ausgegeben. Dies ist der erste Future, dem kein festes (reales) Produkt zugrunde liegt.

197 Quelle: http://www.4finance.ch/literatur/derivatgeschichte.pdf, Darstellung Eigen.

1972 Start des International Monetary Market (IMM – Unterabteilung der CME). Möglich sind nun Futures auf Währungen, Münzen und Edelmetalle.

1630 In Holland werden die ersten Optionen auf Tulpen ausgegeben. Ab 1634 werden spezielle Sorten nach Gewicht verkauft. Dabei kommt dasselbe Maß wie bei den Goldschmieden zur Anwendung. Den Tulpenmarkt begleiten wilde Spekulationsgeschäfte die 1637 nach einem enormen Crash von der Regierung beendet werden. Viele Händler und Privatleute machen während dieser Zeit Bankrott. Diese Periode wird unter dem Namen „Tulpenmanie“ bekannt.

1988 Start der Soffex in der Schweiz, die durch Fusion mit der Deutschen Terminbörse (DTB) 1998 zur EUREX wurde.

1978 Erste standardisierte Finanzderivate werden an der Börse in Holland gehandelt.

1973 Die Finanzwissenschaftler Fischer Black und Myron Scholes publizieren ihre Formel zur Optionspreis-Berechnung, bei der die Risikopräferenz der Anleger keine Rolle spielt, sondern nur Arbitragefreiheit verlangt. Die Optionsbörse Chicago Board of Options Exchange (CBOE) nimmt den Handel mit Call-Optionen auf. Vier Jahre später mit Put-Optionen.

1919 Umbenennung des Chicago Butter and Egg Board, welches vorwiegend mit Landwirtschaftsprodukten wie Butter, Eiern und Geflügel handelte, in Chicago Mercantile Exchange (CME). Heutzutage wichtigste Terminbörse für Viehbestände und Devisen. Vor Kurzem hat die CME mit der CBOT fusioniert. Daraus ist die weltgrößte Derivate-Handelsplattform entstanden.

1991 Der damalige Schweizerische Bankverein lanciert als erste Bank in der Schweiz ein strukturiertes Produkt. Es handelt sich dabei um ein Kapitalschutzprodukt, welches unter dem Namen „GROI“ verkauft wird.

1979 Aufkommen numerischer Modelle wie das Binomialmodell von Cox-Ross-Rubinstein. Durch Monte-Carlo-Simulationen sind somit komplexere Varianten bewertbar.

1900 Louis Bachelier reicht seine Dissertation „Théorie de la Spéculation“ ein, in der er einen probabilistischen Zugang zu Aktienkursbewegungen sucht. Er gibt explizite Preisformeln für Put- und Call-Optionen sowie BarrierOptionen an - 73 Jahre bevor dies Black und Scholes gelingt.

1848 Gründung der Chicago Board of Trade (CBOT) durch 82 Geschäftsleute. Obwohl schriftliche Überlieferungen beim Brand von Chicago verloren gehen, kann man davon ausgehen, dass standardisierte Terminkontrakte schon ab 1860 gehandelt werden.

1650 Am japanischen Doijma Reismarkt in der Nähe von Osaka wird Reis auf Termin verkauft.

1150 Bauern im Mittelmeergebiet vereinbaren auf den Frühlingsmärkten die Preise für ihre zukünftigen Ernten, um sich gegen Preisschwankungen abzusichern.

1700 v. Christus Händler gewähren ihren Kunden das Recht, zu vereinbarten Zeitpunkten bei ihnen Sklaven zu kaufen.

1870 Gründung der New York Cotton Exchange, die mit Baumwolle handelt.

4.1 Historische Entwicklung von Terminbörsen |

119

120 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

des vergangenen Jahrhunderts wurde als Absicherungsinstrument somit der erste Fi­ nanzterminkontrakt, ein Zinsfuture, in Chicago eingeführt. Dies war die Geburtsstun­ de der Finanztermingeschäfte. 1972 wurden an der CME die ersten FX-Futures auf die sieben großen Weltwährungen gehandelt. Die ersten Kontrakte auf den S&P500 wur­ den 1982 an der CME eingeführt. Im Jahr 1988 wurde in Deutschland die DEUTSCHE TERMINBÖRSE (DTB) gegründet, welche 1998 mit der Schweizer SOFFEX zur EUREX fusionierte. Seit 2012 ist die Eurex im vollständigen Besitz der Deutschen Börse AG. 1992 wurde das GLOBEX TRADING SYSTEM (Computer-Handelsplattform) der CME in Betrieb genommen. Die Abbildung 4.2 zeigt die historische Entwicklung der Deriva­ te auf. Die Entwicklung der vergangenen Jahre war stark geprägt durch die Ereignisse der Finanzkrise Ende der 2000er Jahre. Vor allem Änderungen der Regulatorik und eine deutliche Zunahme der Digitalisierung waren hier zu erkennen. Während die Re­ gulatorik eine deutliche Belastung für viele Handelsteilnehmer darstellt, ist von der zunehmenden Digitalisierung eine Entlastung zu erwarten. Die heutigen Zentren des Terminmarkthandels werden in Abbildung 4.1 hervor­ gehoben. Abbildung 4.3 zeigt die nach Kontrakten zehn größten Terminbörsen weltweit auf. 0

500

1000

1500

2000

2500

3000

CME Group

4000

4500

4.089

National Stock Exchange of India

2.465

Intercontinental Exchange

2.125

CBOE Holdings

1.810

B3

1.809

Nasdaq

1.677

Eurex

1.676

Moscow Exchange

1.585

Shanghai Futures Exchange Dalian Commodity Exchange

3500

1.364 1.101

Abb. 4.3: Top 10 der internationalen Terminbörsen nach gehandeltem Volumen im Jahr 2017 (in Mio. Kontrakten)¹⁹⁸

4.2 Was versteht man unter Termingeschäften? „Futures traden ist wie Mühle spielen – Optionen traden und preisen ist wie „dreidimensionales“ Schach!“ Rex Jones, Eurex

Termingeschäfte sind Geschäfte, bei denen Abschluss (T0 ) und Erfüllung (T0 + X) zeitlich auseinanderklaffen. Dies unterscheidet sie von Kassageschäften, bei denen 198 Quelle: o. V.: marketvoicemag.org (2018), Top 10 der internationalen Terminbörsen im Jahr 2017 nach der Anzahl der gehandelten Kontrakte (in Millionen), Statista. Statista GmbH. Zugriff: 8. Septem­ ber 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/185065/umfrage/top-10-der-internationalenterminboersen-nach-anzahl-der-kontrakte/

4.2 Was versteht man unter Termingeschäften? |

121

die Erfüllung „unmittelbar“ nach dem Abschluss erfolgt. Dabei ist festzuhalten, dass Plain Vanilla Derivate (Optionen und Futures) klassische Nullsummenspiele sind, dies bedeutet, der Gewinn der einen Seite führt zum Verlust in gleicher Höhe auf der Gegenseite. Unter einem Termingeschäft versteht man eine für beide Vertragsparteien bindende Verpflichtung über die Lieferung bzw. Abnahme eines Gutes mit einer bestimmten Qualität und Quantität zu einem im Vorfeld festgelegten Preis sowie zu einem festgelegten Zeitpunkt (vgl. Abbildung 4.4).¹⁹⁹

Abschluss

Erfüllung des Geschäftes Termingeschäft

T0+2t oder T0+3t

T0

T0+Xt

Kassageschäft Abschluss

Sofortige Erfüllung

Abb. 4.4: Erfüllungszeitpunkt Termin- und Kassageschäft²⁰⁰

Die klassischen Termingeschäfte nennt man Forward oder Future. Ein Forward ist da­ bei ein individuell ausgearbeiteter unbedingter bilateraler Vertrag zwischen den Ver­ tragsparteien. In diesem werden alle Vertragsbestandteile individuell für das Grund­ geschäft angepasst. Ein Future ist standardisiert und somit an Börsen handelbar. Die darin enthaltenen Bestandteile können nicht individuell geregelt werden. Daher ist ein Future jederzeit an einen anderen Marktteilnehmer übertragbar. Dies ist bei ei­ nem Forward aufgrund der Individualität nicht möglich. Futures oder Forwards wer­ den auch als unbedingtes Termingeschäft bezeichnet, denn dieses muss unbedingt erfüllt und ausgeübt werden. Es bedarf also keiner weiteren Willenserklärung, ob eine Ausführung stattfindet oder nicht. Es gibt somit kein Wahlrecht. Ein Future / Forward ist ein unbedingt zu erfüllendes Termingeschäft. Dabei setzt der Käufer eines Future / Forward auf ein Steigen des Underlying und der Verkäufer auf ein Fallen.

Im Gegensatz dazu steht die Option, welche auch zu den Plain-Vanilla-Termingeschäf­ ten zählt. Die Option ist jedoch etwas weniger konkret. Denn eine Option beinhaltet 199 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007). 200 Vgl. o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung.

122 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Forwa r

d

FORWARD -nicht standardisiert-

UNBEDINGTE TERMINGESCHÄFTE

FUTURE -standardisiert-

Fu

t u re

O TC O

p

OTC OPTIONEN

tio

n en

-nicht standardisiert-

BEDINGTE TERMINGESCHÄFTE

OPTIONEN -standardisiert-

O

pt

io n e n

Abb. 4.5: Bedingte und unbedingte Termingeschäfte

im Gegensatz zum Future oder Forward ein Wahlrecht des Käufers: Er bestimmt, ob er die Option ausübt oder verfallen lässt (von der Ausübung keinen Gebrauch macht). Die Option beinhaltet das Recht, eine bestimmte Menge eines zugrunde liegenden Gegenstandes in­ nerhalb eines bestimmten Zeitraums oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem im Vorfeld fest­ gelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen.

Der Käufer (Long) einer Option entscheidet, ob diese ausgeübt wird. Dafür bezahlt er die Optionsprämie. Der Verkäufer (Short), auch Stillhalter genannt, wird nach der Ausübung zur Erfüllung aufgefordert und besitzt folglich kein Wahlrecht. Er ist ledig­

4.3 Standardisierung von Termingeschäften | 123

lich der stille Partner in der Vereinbarung. Dafür erhält er vom Käufer der Option einen finanziellen Ausgleich bezahlt, die Optionsprämie. Da der Käufer sein Recht nicht ausüben muss, sondern es auch verfallen lassen kann, spricht man bei Optionen von bedingten Termingeschäften, denn im Gegen­ satz zum Future ist ihre Ausübung an eine weitere Willenserklärung (des Long) ge­ bunden. Der Käufer einer Option (Long) ist immer in der Situation der Ausübung. Der Verkäufer einer Option (Short) erhält für sein „stillhalten“ die Optionsprämie bezahlt.

Werden Optionen nicht standardisiert über eine Terminbörse gehandelt, sondern indi­ viduell zwischen den Vertragsparteien vereinbart, so spricht man von OTC-Optionen. Diese werden „Over The Counter“ gehandelt (vgl. Abbildung 4.5 und Abbildung 4.6).

Derivate unbedingte

bedingte Termingeschäfte

Termingeschäfte

Future

Long Future

Short Future

Forward

Optionen

Call

Long Call

OTC-Optionen

Put

Short Call

Long Put

Call

Short Put

Long Call

Put

Short Call

Long Put

Short Put

Abb. 4.6: Gliederungsstruktur von bedingten und unbedingten Termingeschäften

In Kapitel 5 und 6 gehen wir intensiv auf Optionen und Futures ein. In Kapitel 6.28 werden Optionen auf Futures und in Kapitel 8 werden die außerbörslich gehandelten Derivate besprochen.

4.3 Standardisierung von Termingeschäften Die an Terminbörsen gehandelten Termingeschäfte sind standardisiert. Doch warum ist das so? Für die Standardisierung gibt es einige wesentliche Gründe: – Zum einen sind potenzielle Vertragspartner beim Forward (nicht standardisiert) schwer zu finden.

124 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte



Zum anderen ist es beim Forward kaum möglich, eine Position zu „closen“, also sich durch ein Gegengeschäft aus dem Vertrag zu befreien.

Ist ein Terminkontrakt standardisiert, so kann die auflösende Partei gegen eine andere ausgetauscht werden. Denn die Kontraktangaben sind vorgegeben und wurden nicht individuell zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Somit kann ein Dritter an Stelle des ursprünglichen Vertragspartners in das Geschäft eintreten. Ein weiterer sehr wich­ tiger Punkt ist, dass durch die Standardisierung ein liquider und schneller Handel möglich ist. Dadurch ist jederzeit ein Öffnen (Opening; Eröffnen des Termingeschäf­ tes) und Schließen (Closing oder Close-Out; Schließen des Termingeschäftes durch ein Gegengeschäft, die sogenannte Counter-Order) der Positionen möglich (vgl. Ab­ bildung 4.7). Opening

Opening

Long

Short

Closing

Closing

Short

Long

Abb. 4.7: Opening (Erstorder) Close-out (Gegenorder)

Die Standardisierung der Kontrakte bezieht sich auf nachfolgende Merkmale: Underlying Das Underlying (der Basiswert) ist der Gegenstand des Termingeschäfts. Dies kann z. B. ein Finanzmarktinstrument oder ein Rohstoff etc. sein. Auf diesen Basiswert be­ zieht sich das Termingeschäft. Es handelt sich somit um das zugrunde liegende Han­ delsgut. Kontraktgröße – Quantität Die Kontraktgröße gibt an, wie viele Einheiten eines Basiswertes bei einem Kontrakt geliefert bzw. übernommen werden müssen (z. B. 100 Aktien, 5 Euro pro Indexpunkt). Die Kontraktgröße ist somit das Maß für die Quantität eines Termingeschäftes. Basispreis Der Basispreis ist der Preis, zu dem bei Ausübung der Option das Underlying ge­ kauft oder verkauft werden muss. Oft wird hier auch vom Strike, Strikepreis oder auch Ausübungspreis gesprochen. Der Basispreis ist der Grundpreis des Terminge­ schäfts. Die Basispreise werden fortlaufend, je nach Handelsverlauf, von den Ter­ minbörsen aufgeführt. Daher stehen immer genügend handelbare Basispreise zur Verfügung.

4.3 Standardisierung von Termingeschäften | 125

Laufzeit Die Laufzeit gibt die Fälligkeit bzw. die Zeit bis zur Fälligkeit des Termingeschäfts an. International ist der dritte Freitag im Monat der Verfallstag, welcher den letzten Bör­ senhandelstag des Termingeschäftes bezeichnet. Der dritte Freitag der Quartalsend­ monate wird Hexensabbat oder großer Verfallstag (3-facher Verfallstag) genannt. An diesem verfallen zusätzlich zu den Optionen auch die Future-Kontrakte (vgl. Tabel­ le 4.1). Tab. 4.1: Hexensabbat 3. Freitag im Verfallsmonat

Einstufung des Verfallstages

Januar + Februar März April + Mai Juni Juli + August September Oktober + November Dezember

NORMALER VERFALLSTAG HEXENSABBAT NORMALER VERFALLSTAG HEXENSABBAT NORMALER VERFALLSTAG HEXENSABBAT NORMALER VERFALLSTAG HEXENSABBAT

Handelszeit und Handelsort Die Handelszeit und der Handelsort sind von der Terminbörse abhängig. Der Handels­ ort zeigt auf, wo das Termingut gehandelt wird. Die Börsenhandelszeiten gewährleis­ ten einen liquiden und regen Handel. Dies gilt sowohl für Präsenzbörsen wie auch für Computerbörsen. Bitte beachten Sie, dass vor allem bei Terminbörsen, die nicht ihn der eigenen Zeitzone liegen, auch das Thema der Datumsgrenze für den Verfalls­ tag eine wichtige Rolle spielt. So ist alles was von Deutschland aus in der Zeitzone östlich von uns angesiedelt ist, der „Zeit voraus“ und somit auch der Datumsgrenze. Dies spielt vor allem am Verfallstag eine Rolle. Da Sie ggf. nicht mehr aktiv (bzw. nicht mehr so lange) handeln können. Alles was von der Zeitzone westlich von uns ist, ist hier etwas einfacher zu fassen, da die Datumsgrenze in der Zukunft verläuft. Qualität des Basiswerts Die Qualität des Basiswerts ist gerade bei Rohstoffen sehr wichtig, da es verschiedene Arten von ein und demselben Rohstoff gibt. Es wird genau definiert, welches Gut ge­ liefert bzw. abgenommen wird (z. B. Zucker Nr. 11). Dies gilt auch für Aktien: Es wird genau vorgegeben, welche Aktie (Vorzugs- oder Stammaktie) geliefert wird. Auf diese Weise kann es nicht zu Verwechslungen oder Missverständnissen kommen. Sind die Vertragsbestandteile nicht standardisiert, so müssen diese alle individu­ ell verhandelt werden. Ein solches individuelles Termingeschäft kann somit nicht an Terminbörsen gehandelt werden, da die Chance, dass ein Dritter genau dieselben in­

126 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

dividuellen Spezifikationen sucht, sehr unwahrscheinlich ist. Es ist ein bilaterales in­ dividuelles Termingeschäft erforderlich, welches mittels eines individuellen Vertrags geregelt wird. Die Standardisierung von Termingeschäften kann auch Nachteile mit sich brin­ gen. So kann es vorkommen, dass ein Investor seine bestehenden Positionen in Bezug auf Menge und Laufzeit nicht exakt absichern kann (z. B. aufgrund der vorbestimm­ ten Kontraktmenge). In diesem Fall ist ein OTC-Geschäft (als Tailor Made Solution) zu bevorzugen.²⁰¹ Flexibles Trading durch Standardisierung Wie wir im vorangegangenen Abschnitt gesehen haben, ist durch die Standardisierung der Terminge­ schäfte ein reibungsloses Übertragen sowie Eröffnen und Schließen möglich. Die Standardisierung erlaubt den Handel in Börsentermingeschäften. OTC-Derivate sind in vielerlei Hinsicht „träger“ und schwerfälliger zu handhaben, sind aber bei nicht standardisierten Absicherungsgeschäften eine wich­ tige Ergänzung.

4.4 Welche Funktionen haben Terminbörsen? Für die Entwicklung der Terminbörsen ist das Vorhandensein von gut organisierten und umsatzstarken Kassamärkten erforderlich. Die Börse bietet die organisatorischen Voraussetzungen, um den Handel in den gelisteten Terminprodukten aufnehmen und aufrechterhalten zu können. Der Hauptgrund für die Gründung von Terminbörsen, den wir bereits angespro­ chen haben, ist die Umverteilung von Risiken. Terminmärkte geben den Marktteil­ nehmern die Möglichkeit, sich gegen ungewollte Preisveränderungen im Kassamarkt zu schützen. Das Risiko wird von Hedgern (Investoren, die sich absichern wollen) auf Spekulanten (Gruppe, welche das Risiko aktiv aufnimmt; Risk Taker) übertragen. Ge­ rade die Spekulanten sind für die Liquidität an den Terminbörsen unerlässlich und sichern ein reibungsloses Funktionieren. Sie nehmen bestehende Risiken auf, ohne dabei neue Risiken zu generieren. Des Weiteren entstehen über die Terminmärkte zusätzliche Preisinformationen. Diese zeigen Tendenzen für die Preisentwicklung am Kassamarkt. Dadurch können Entscheidungen effektiver und transparenter getroffen werden. Die Preise an den Ter­ minmärkten zeigen mehr Informationen auf als die Preise an den Kassamärkten. Da­ her ist ein schnellerer und aktiverer Handel über die Terminmärkte bzw. in einer Ab­ leitung davon auch an den Kassamärkten möglich. Die Abbildung 4.8 zeigt den orga­ nisatorischen Aufbau einer Terminbörse inkl. deren Kunden. Durch die niedrigen Transaktionskosten und die schnelle Ausführungsgeschwin­ digkeit können große Positionen preiswert und schnell gehandelt werden. Innerhalb 201 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007).

4.5 Wer sind die Marktteilnehmer an Terminbörsen? | 127

Derivatebörse

Market-Maker und Sales/RelationshipManager

Kunden

Handelsüberwachung und Verwaltung/ Stäbe

Clearing

weitere institutionale Banken und Broker

Adressen (wie z.B. Hedge Fonds)

Abb. 4.8: Aufbau einer Derivatebörse mit integriertem Clearing²⁰²

von wenigen Sekunden bzw. Minuten können große Summen bewegt werden. Gan­ ze Märkte (z. B. Indizes) lassen sich mit nur einer Transaktion, z. B. einem Indexfu­ ture, handeln. Außerdem muss man für einen Abschluss an den Terminmärkten nicht den gesamten, dem Geschäft zugrunde liegenden Betrag aufbringen. Lediglich eine Sicherheitenleistung, die sogenannte Margin (abgedeckt durch Collaterals), ist zu stellen. Die Margin dient dazu, die Zahlungsfähigkeit der Kontrahenten zu sichern. Bei gekauften Optionen, sogenannten Long Options, ist die gezahlte Optionsprämie nur ein Bruchteil des gehandelten Kontraktgegenwertes. Dadurch kann ein Investor mit geringem Kapitalaufwand große Summen handeln. Ein weiterer sehr wichtiger Vorteil von Terminbörsen ist die Spekulation auf fallende Kurse. Während an Kas­ sabörsen nur auf steigende Kurse spekuliert werden kann, ist dies bei Terminbörsen anders. Hier kann aktiv auf Baisse spekuliert werden. Somit kann ein Investor auch bei fallenden Kursen Geld verdienen bzw. sich gegen diese aktiv absichern. Die Ter­ minbörsen stellen den Marktteilnehmern hierfür Instrumente zur Verfügung, ohne die solche Strategien nicht möglich wären.

4.5 Wer sind die Marktteilnehmer an Terminbörsen? An den Terminbörsen gibt es verschiedene Marktteilnehmer. Diese werden je nach Vorgehen in vier Gruppen kategorisiert (vgl. Abbildung 4.9): Der Hedger Seine Motivation ist das Absichern von bestehenden Positionen (er ist risikoavers). Er vertritt somit den eigentlichen Existenzgrund der Terminbörsen. Er sichert sich gegen Preisrisiken ab, indem er das Risiko aktiv auf andere Markt­ teilnehmer überträgt. Er ist stark risikoavers. Durch sein Hedging kann er z. B. sei­ 202 Quelle: Eurex.

128 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Arbitrageur

Spreader

Hedger

Spekulant

Markt

Abb. 4.9: Die Marktteilnehmer an der Terminbörse

nen Gewinn aus einer Kassaposition planen und kalkulierbar machen. Es entsteht da­ durch ein klassischer Risikotransfer. Dieser war früher der Grundgedanke eines jeden Termingeschäfts; es sollten Preisrisiken übertragen werden.²⁰³ Der Spekulant Er ist der klassische Antagonist zum Hedger. Der Spekulant (Risk Taker) engagiert sich an der Börse in der Erwartung, ein Termingeschäft mit Gewinn abschließen zu können. Er nimmt dafür aktiv Risiken auf sich und schafft mit seinen Positionen die erforderliche Liquidität an den Märkten. Er nimmt das Risiko in Kauf und erwartet aus seinem Engagement einen Gewinn. Ohne den Spekulanten hätte der Hedger kei­ ne Chance sein Risiko übertragen zu können.²⁰⁴ Der Arbitrageur Er betreibt Arbitrage. Das bedeutet, er nutzt risikolos die unterschiedlichen Kursstel­ lungen in einem Handelsgegenstand auf unterschiedlichen Märkten aus und profitiert aus deren Differenz. Durch den gleichzeitigen Kauf und Verkauf eines Kontrakts ist das Risiko gleich null. Auch der Arbitrageur sorgt für Liquidität im Markt und trägt zudem zu fairen Marktpreisen bei. Meist sind Arbitrageure Banken, Broker, Hedge Funds etc. Die Arbitrage, oder vielmehr die Möglichkeit dazu, zerstört sich in der wei­ teren Entwicklung im positiven Sinn selbst: Denn durch den Vorgang der Arbitrage schließt sich der Preisunterschied der gleichwertigen Handelsobjekte und löst sich somit auf.²⁰⁵

203 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007). 204 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007). 205 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007).

4.6 Grundbegriffe zum Verständnis von Terminbörsen und Terminmärkten | 129

Der Spreader Dieser Investor versucht, durch Ausnutzung von Preisdifferenzen einen Gewinn zu erzielen. Er kauft einen Terminkontrakt, welcher ihm zu preiswert erscheint, und ver­ kauft einen Terminkontrakt, welcher ihm zu teuer erscheint. Durch gleichzeitiges Öff­ nen und Schließen der Positionen ergibt sich eine Differenz. Er kann maximal aus dieser Differenz profitieren.²⁰⁶ Für Arbitrage- und Spread-Handel müssen die Positionen sehr groß sein und man benötigt eine ausgereifte Technik hierfür. Dies ist der Grund, dass hier meist institutionelle Trader, Hedge Funds und Liquidity Provider auftreten.

4.6 Welche weiteren Grundbegriffe werden zum Verständnis von Terminbörsen und Terminmärkten benötigt? Investoren In diesem Buch wird oft von Investoren gesprochen. Daher wird der Begriff an die­ ser Stelle kurz erklärt. Der Investor ist ein in Termingeschäften und Wertpapieren en­ gagierter Marktteilnehmer. Dieser kann sowohl ein privater Anleger (Retail-Anleger) als auch ein professioneller Anleger (institutioneller Anleger) sein. Der Investor kann nach unserer Auslegung auch etwas verkaufen, das er nicht besitzt (Short Selling),²⁰⁷ bzw. er kann jegliches Termingeschäft abschließen (keine Größen- bzw. Zulassungsbe­ schränkungen). Somit hat der Investor unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung, welche er zeitlich und räumlich ungebunden einsetzen kann. Es handelt sich ferner um einen Investor, der Erfahrung und Wissen in sich vereint und somit alle Instru­ mente anwenden kann. Derivate Ebenfalls wollen wir den Begriff Derivat für uns definieren. Das Wort Derivat kommt vom Wortursprung aus dem lateinischen „derivare“ (ableiten) und bedeutet so viel wie Abkömmling. Es handelt sich somit um ein von einem Grundinstrument (z. B. Ak­ tie) abgeleitetes Finanzinstrument. Das Grundinstrument wird auch als Underlying oder Basiswert bezeichnet. Die Entwicklung des Derivats bezieht sich immer auf die Entwicklung des Under­ lying (Basiswert des Termingeschäfts). Das Underlying selbst ist von den Investitio­ nen in Derivate weitestgehend unberührt, da bei Investitionen in Derivate lediglich auf

206 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007). 207 Short Selling bezeichnet das Eingehen einer Negativposition in einem Handelsgegenstand mit der Grundintention, diesen zu einem späteren Zeitpunkt zu einem preiswerteren Kurs zurückzukaufen und damit die Minusposition auszugleichen.

130 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

eine Veränderung des Underlying gehofft bzw. dieses vorausgesetzt wird. Das Under­ lying selbst ist nur im seltenen Fall in die Strategien mit eingebunden. Das Underlying ist somit Ursprung und Grundlage der Investition, jedoch nicht die Investition selbst. Es kann jedoch durch Ausübung zur Investition werden. Dann ist jedoch das Derivat nicht mehr existent. An seine Stelle tritt das Underlying als Basis. Hedging Bei einer Hedging-Transaktion sichert sich der Investor gegen gegenläufige Marktent­ wicklungen ab. Der Aspekt der Absicherung steht im Vordergrund. Ein Hedging ist immer mit einem monetären Aufwand verbunden. Der Hedger ist ein risikoaverser In­ vestor bzw. ein Investor, der Wert auf die Planbarkeit legt. Er transferiert durch seine Operationen das Risiko auf eine weitere Partei und entledigt sich damit seiner. Dafür ist er bereit, der Risiko aufnehmenden Partei einen monetären Ausgleich zu bezahlen. Spekulation Anders ist die Situation bei Spekulationspositionen. Das lateinische Wort „speculor“ entspricht dem deutschen Begriff „ich spähe“. Somit kann Spekulation als kurzfris­ tiges beobachten und einordnen übersetzt werden. Bei einer Spekulation handelt es sich stets um ein zeitlich kurzfristiges Engagement mit dem Ziel, einen schnellen Ge­ winn zu erwirtschaften. Jedoch muss auch hier wieder eine Differenzierung vorgenom­ men werden, denn eine Spekulation kann auch mittelfristig oder gar langfristig ange­ legt sein. Man spricht dabei jedoch dann von einem strategischen Investment bzw. einer geplanten Zukunftsspekulation. Die Bereitschaft, ein Investment mit Gewinnabsicht einzugehen, sichert nicht nur dem Derivatemarkt einen großen Teil seiner Liquidität. Es kann gesagt werden, dass der Spekulant der Motor einer jeder Order ist. Erst wenn jemand bereit ist, ein Risiko einzugehen, wird ein Geschäft zustande kommen. Ein Spekulant weiß, welche Risiken er eingeht, und kann diese in der Regel überblicken. Spekulation ist somit nach un­ serer Definition das Erwirtschaften von Renditen unter Einschluss von Risiken. Somit nimmt der Spekulant (oft volkswirtschaftlich geschaffene) Risiken auf und versucht, daraus einen legitimen Profit zu erzielen. Dividenden und Zinsen Lassen Sie uns kurz einen Blick auf die Zinsen und Dividenden werfen, die direkten und indirekten Einfluss auf Finanztermingeschäfte haben können. Die Dividenden Die Dividenden gelten als Ausschüttung des Gewinns einer Aktiengesellschaft. Sie beeinflussen direkt das Underlying eines Finanztermingeschäfts. Dividenden haben damit direkte Auswirkungen auf das Finanztermingeschäft. Hierbei ist zu beachten,

4.6 Grundbegriffe zum Verständnis von Terminbörsen und Terminmärkten | 131

dass ein Teil des Gewinns des Unternehmers an die Halterstruktur (Aktionäre oder Shareholder) ausgeschüttet wird und somit für das Unternehmen sofort als kapital­ mindernd wirkt.²⁰⁸ Diese Eigenschaft senkt den Kurs des Underlying und sorgt somit zu Veränderungen des Preises einer Terminmarktableitung (Derivat) auf dieses Un­ derlying. Die Zinsen Der Blick auf die Zinsen lässt erkennen, dass wir für unterschiedliche Laufzeiten un­ terschiedliche Zinsen haben. Trägt man diese Zinssätze grafisch ab, erhält man die Zinsstrukturkurve (vgl. Abbildung 4.10) für die jeweiligen Laufzeiten. Hierbei ist dar­ auf zu achten, inwieweit eine Veränderung der Zinsstrukturkurve zu erwarten ist und wie stark deren Veränderung ausfallen wird (vgl. Tabelle 4.2). Die Veränderungen der Zinsstrukturkurve sowie deren Ursprung ist in den Zinsstrukturtheorien nachzuvoll­ ziehen.²⁰⁹

Zinssatz

inverse Zinsstrukturkurve flache Zinsstrukturkurve normale Zinsstrukturkurve

Zeit Abb. 4.10: Zinsstrukturkurven²¹⁰

Wir unterscheiden grundsätzlich in drei typische Zinsstrukturkurven (Die in einer Kur­ venbetrachtung zusammengefasst werden können. Also zum Beispiel: Erst ist die Kur­ ve normal, dann wird diese invers und am langen Laufzeitende ist diese flach.):

208 Der Investor wird durch eine Dividende übrigens nicht reicher, er erhält lediglich einen Teil des Unternehmensgewinns ausbezahlt und hat folglich mehr persönliche Liquidität zur Verfügung. 209 Vgl. Spremann, Gantenbein: Finanzmärkte, 4. Auflage UTB (2017). 210 Vgl. o. V. Frankfurt School of Finance „Wertpapiergeschäft für Wertpapierspezialisten“.

132 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Tab. 4.2: Szenarioerklärung für Zinsinstrumente²¹¹ Szenario +100 Bp

−100 Bp

‚Flattening‘ +100 Bp/ −50 Bp

‚Steepening‘ −100 Bp/ +50 Bp

+300 Bp

−300Bp

Beschrei­ Parallel­ bung verschie­ bung der gesamten Zinskurve um 100 Bp nach oben

Parallel­ verschie­ bung der gesamten Zinskurve um 100 Bp nach unten

Geldmarkt­ satz steigt um 100 Bp; zehnjähriger Satz sinkt um 50 Bp; 30-jähriger Satz sinkt um 100 Bp

Geldmarkt­ satz sinkt um 100 Bp; zehnjähriger Satz steigt um 50 Bp; 30-jähriger Satz steigt um 100 Bp

Parallel­ verschie­ bung der gesamten Zinskurve um 300 Bp nach oben

Parallel­ verschie­ bung der gesamten Zinskurve um 300 Bp nach unten

Flache Zinsstrukturkurve: Es besteht kein Unterschied zwischen den Fristen. Die Zinsen verlaufen flach. Die Zentralbanken haben bei flachen Zinsstrukturkurven Schwierigkeiten, die Geldmengen zu steuern. Normale Zinsstrukturkurve: Die Zinsen steigen mit steigender Laufzeit an. Eine solche Zinsstrukturkurve ist typisch für einen langsam beginnenden Konjunkturauf­ schwung bzw. eine „normale“ Marktlage. Inverse Zinsstrukturkurve: Die Zinsen fallen im Verlauf der längerer Restlaufzeit der Zinskurve. Eine inverse Kurve ist oft in Zeiten von Rezession und bei deflationären Tendenzen zu beobachten (diese begleitet diese Zeiten oftmals). Es wird eine Rückbil­ dung der Inflation erwartet. Die Geldmarktsätze sind hoch und die Kapitalmarktsätze niedriger, was zu einem solchen Kurvenbild führt. Die Differenz zwischen den Zinsen am langen und am kurzen Ende bezeichnet man als Term Spread. Nachfolgend finden Sie die Formeln zur Berechnung der Term Spreads für Euro und USD. Term Spread Euro SEUR = (

10 ) = i10 − i1 1

SEUR = Spread für Euroraum i = Zinssätze Term Spread USD SUSD = (

30 ) = r30 − r0,5 0,5

SUSD = Spread für die USA r = Renditen 211 Vgl. o. v. Frankfurt School of Finance „Wertpapiergeschäft für Wertpapierspezialisten“.

4.8 Wie funktioniert eine elektronische Börse? |

133

Die Zinskurve steigt an, wenn der Term Spread positiv ist. Es kann von einem wei­ terhin ansteigenden Wirtschaftsaufschwung ausgegangen werden. Dagegen sind die Tendenzen einer Rezession vorhanden, wenn dieser null oder negativ ist.²¹² Oftmals ist die am Markt zu beobachtende Zinsstrukturkurve eine Kombination aus den einzelnen Kurventypen und kann für die jeweiligen Laufzeiten dementspre­ chend interpretiert werden. Anmerkung zu den USA: In den USA ist es üblich, nicht die Zinssätze anzugeben, sondern die Yields (Rendite). Somit spricht man hier auch von der Yield-Kurve (Renditekurve).

4.7 Wie sind Terminbörsen organisiert? Terminbörsen können sowohl als Präsenzbörsen als auch in Form von Computer­ börsen organisiert sein: – Die Präsenzbörse ist die klassische Art einer Börse. Der Handel findet unter an­ derem auf dem Parkett im Open-Outcry-Verfahren statt. Zugleich bedient man sich eines Verständigungssystems mittels Handzeichen. – Anders ist dies bei Computerbörsen wie der Eurex. Bei diesen Börsen findet ein anonymer und lautloser Handel im Datensystem statt. Alle Börsenteilnehmer kommunizieren über Datenleitungen miteinander. Dies ermöglicht einen rei­ bungslosen überregionalen bzw. internationalen Handel. Alle Teilnehmer haben die gleichen Markt- und Preisinformationen zur selben Zeit. Die Ordereingabe über den Handelsschirm garantiert eine extrem schnelle Bearbeitung. Die Aufträ­ ge werden vollautomatisch abgewickelt. Durch ein aktives Market Making wird die Liquidität gewährleistet. Das Handelssystem bildet hier folglich auch den Handelssaal, der nur virtuell und nicht mehr real vorhanden ist.

4.8 Wie funktioniert eine elektronische Börse? Die EUREX ist ein sehr gutes Beispiel für eine voll elektronische Börse. Sie ist 1998 aus dem Zusammenschluss von DTB²¹³ und SOFFEX²¹⁴ entstanden. Seit 2012 ist die Eurex im Alleinbesitz der Deutschen Börse AG. Auch schon die DTB, welche im Jahr 1988 als Trägergesellschaft gegründet wurde, war eine ausschließlich auf den Computerhandel ausgerichtete Börse. Da in Deutschland bis zur Gründung der DTB

212 Vgl. Spremann, Gantenbein: Finanzmärkte, 4. Auflage UTB (2017). 213 DTB: Deutsche Terminbörse. 214 SOFFEX: Swiss Options and Financial Futures Exchange.

134 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Termingeschäfte aufgrund fehlender gesetzlicher Rahmenbedingungen fast nicht ver­ breitet waren, tat sich die neue Börse in den Anfangsjahren schwer. Doch schon bald wurden die großen Vorteile des Terminhandels erkannt und die DTB konnte sich ge­ gen die Konkurrenz an den europäischen und amerikanischen Börsenplätzen behaup­ ten. Durch die neu geschaffene Struktur, welche auf hoher Transparenz, Funktionali­ tät und Sicherheit basierte, wusste die junge Börse zu überzeugen. Der Börsenhandel läuft lautlos und schnell über den Zentralrechner ab. Auf diesem ordnet ein Programm alle eingehenden Orders, sofern möglich, sofort anderen, bereits bestehenden passen­ den Orders zu. Können die Orders nicht sofort ausgeführt werden, setzt der Zentral­ rechner diese in das zentrale Orderbuch. Sobald sie ausgeführt werden können, ver­ anlasst das System automatisch ein Matching (Ausführung; Zusammenführung der Orders). Neue Orders werden nach dem Zeit-Preis-Prinzip²¹⁵ zugeordnet. Das bedeu­ tet, dass die zeitlich erste Order, zu welcher eine Ausführung möglich ist, gehandelt wird. Sind weitere Ausführungen möglich, so rücken die Orders nach ihrem zeitlichen Eingang bei der Börse nach. In Tabelle 4.3 wird exemplarisch ein Handelsbuch auf den ® FDAX dargestellt. Zu erkennen sind die Kauf- und Verkaufsorders sowie die Kontrak­ tanzahl und Zeitstempel der Orders. Tab. 4.3: Beispiele für ein Handelsbuch (Beispiel hier: Future auf DAX® -Index) Handelstag 21.4.2010

Kauforders (Geld)

Limit Kontrakte Eingang

6.050 30 11:15

6.050 45 11:05

DAX Future 6.090 12 12:07

Verkaufsorders (Brief) 6.100 45 10:23

6.100 30 12:05

6.130 32 11:22

Wie am obigen Beispiel zu erkennen ist, wäre die Quotierung 6.090/6.100 (12 Kon­ trakte/45 Kontrakte). Würde nun beispielsweise eine Verkaufsorder über 20 Kontrakte zu 6.060 eingehen, so würde sie mit den 12 Kontrakten zu 6.090 verrechnet und mit 8 Kontrakten ins Orderbuch eingestellt werden. Die anschließende Quotierung würde 6.050/6.060 (75/8) lauten. Ein sehr wichtiger Aspekt ist die Sicherheit des Systems. Die Eurex hat daher drei Sicherheitsebenen eingeführt. Technische Sicherheit: Die technische Sicherheit beginnt mit dem Herzstück der Eurex. Der Zentralrechner ist zweifach vorhanden, um einen Ausfall zu verhindern. Sollte der erste Rechner ausfallen, übernimmt sofort der parallel geschaltete zweite Zentralrechner die Arbeit. Gleichzeitig sind alle Verarbeitungs- und Kommunikations­

215 Könnten mehrere Orders zum selben Preis ausgeführt werden, wird die Order mit dem frühesten Zeitstempel zuerst ausgeführt. Orders mit einem besseren Preis werden vor Orders mit einem schlech­ teren Preis ausgeführt.

4.9 Was versteht man unter dem Market-Maker-Prinzip? |

135

verbindungen doppelt vorhanden. Durch die Mehrfachkopie aller Daten und Orders wird ein hoher Sicherheitsstandard gewährleistet. Marktsicherheit: Um Marktsicherheit gewährleisten zu können, werden Ver­ dachtsmomente bzgl. Manipulationen permanent untersucht und kontrolliert. Teilnehmersicherheit: Die Eurex legt für jeden Teilnehmer eine Zugangsberech­ tigung fest. Somit können nur berechtigte Mitarbeiter an einem Handelsschirm Orders erfassen. Ebenfalls kontrolliert die Eurex die Zugriffe der Mitarbeiter auf die Daten­ quellen. So sind nur Zugriffe auf eigene Handels- und Clearing-Daten möglich. Fremd­ zugriffe werden verweigert. Mit diesem System bzw. Regelwerk ist die Eurex eine der führenden Terminbörsen der Welt.²¹⁶ Computerbörsen vs. Präsenzbörsen Kurz zusammengefasst kann man sagen, Computerbörsen sind ein rein virtueller Handelsraum. Hier wird schnell und mittels computerunterstützten Methoden der Handel abgewickelt. Präsenzbörsen haben noch das Flair des „alten“ Handels. Hier wird noch real und auf dem „Parkett“ gehandelt. Aufgrund der voranschreitenden Globalisierung, der immer weiter steigenden Umsätze und des „Ge­ schwindigkeitsrausches“ werden die klassischen Handelssäle jedoch immer leerer und verlagern sich zunehmend in die virtuelle Welt.

4.9 Was versteht man unter dem Market-Maker-Prinzip? Um die Liquidität in allen gehandelten Produkten garantieren zu können, hat die Eurex (wie alle Terminbörsen) das Prinzip des Market Making eingeführt. Market Maker sind Marktteilnehmer (dies sind Angestellte bei Banken, Brokern, Hedge Funds etc.), die fortlaufend oder auf Anfrage verbindliche Preise für die von ihnen betreu­ ten Produktreihen stellen (Liquidity Provider). Die gestellten Geld-/Briefkurse nennt man Quotes. Für die „Stellung“ dieser Quotes muss der Market Maker eine von der Eurex vorgegebene Kontraktmenge und eine festgelegte Spanne beachten. Außer­ dem muss der Market Maker mindestens die Hälfte (je nach Market-Making-Einstu­ fung auch bis zu 85 Prozent) der an ihn gestellten Quote Requests (Anfragen) inner­ halb einer Minute beantworten und diese Quotes für zehn Sekunden offen- und somit handelbar halten. Nur dann hat der Anfragende die Möglichkeit, auf diese Quotes mit einer Order zu antworten. Nach 150 Anfragen pro Tag kann ein Market Maker weitere Anfragen ablehnen bzw. unbeantwortet lassen. Dieses Market Making wird als Regu­ lar Market Making bezeichnet. Es ist für weniger liquide Serien vorhanden und be­ zeichnet das Stellen eines Quote auf Anfrage (Quote on Request). Das Market Making wird oft auch als Marktpflege bezeichnet. Denn ohne Market Maker wäre es oft unmög­ lich, Produkte – vor allem seltene – zu handeln. Hat ein Marktteilnehmer eine Order 216 Eurex AG.

136 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

in einem Produkt eingestellt, für die keine Quotes im System vorhanden sind, so fragt das Ordersystem diesen automatisch an. Entweder es erfolgt dann eine Ausführung oder die Order geht in das zentrale Orderbuch über.²¹⁷ Welche Produktgattung der Eurex mit welchen Market-Making-Verpflichtungen verbunden sind, erfah­ ren Sie in unserem Downloadbereich.

Permanent Market Making ist für Optionen (bestimmte Basispreise im „At the money“-Bereich) verfügbar. Dabei stellt der Market Maker für die von ihm betreuten Kontrakte fortlaufend Quotes. Diese fortlaufende Quotierung stellt einen schnellen und liquiden Handel sicher. Daher ist das Permanent Market Making von extremer Wichtigkeit. Ohne dieses wäre der schnelle und konsequente Handel nicht möglich. Man spricht beim quotieren von Paketen (Aktienoptionen, Aktienindexoptionen so­ wie Optionen auf Fixed Income Futures) vom Advanced Market Making. Hierbei wird ebenfalls fortlaufend quotiert, wodurch Ausführungen gewährleistet werden. Im Gegensatz zum Permanent Market Making werden hierbei jedoch nicht nur einzel­ ne Serien quotiert, sondern von der Börse vorgegebene Pakete, welche verschiedene Produkte enthalten können (vgl. Abbildung 4.11).²¹⁸

Market Making

Permanent Market Making

Advanced Market Making

Regular Market Making

Fortlaufende Quotierung

Quotierung von Paketen

Quote auf Anfrage

Abb. 4.11: Arten des Market Making

Das Market Making gilt als eine der wichtigsten Errungenschaften von modernen Terminbörsen. Denn nur durch ein aktives und fortlaufendes Market Making wird ein liquider Markt garantiert. Ohne Market Making würde dieser sehr schnell austrocknen bzw. in vielen Produkten einfach schrumpfen.

217 Quelle: Eurex. 218 Quelle: Eurex.

4.10 Wie erfolgt der Handel an der EUREX?

| 137

4.10 Wie erfolgt der Handel an der EUREX? Der Handel an der Eurex wird in verschiedene Phasen unterteilt.²¹⁹ Pre-Trading-Phase In dieser Phase können alle Marktteilnehmer Orders erfassen, ändern und streichen. Ein Handel findet jedoch noch nicht statt. Opening Phase Durch eine Eröffnungsauktion beginnt der Handel an der Eurex. Als Erstes wird ein ausgeglichenes Orderbuch geschaffen. Der Ausgleichsprozess entspricht der Berech­ nung von Eröffnungskursen und gegebenenfalls damit verbundenen Eröffnungsge­ schäften. Grundlage für die Preisermittlung ist das Preisniveau, zu dem das größte Ordervolumen ausgeführt werden kann. Bestehende Orders werden nach Möglichkeit zusammengeführt. Sobald dieser Ausgleich fertiggestellt wurde, beginnt die TradingPeriode. Trading-Periode Während der Trading-Periode werden offene Orders und Quotes fortlaufend vergli­ chen. Alle in dieser Zeit eingegebenen Orders und Quotes, die besser als oder gleich gut wie bestehende Orders und Quotes auf der entsprechenden Gegenseite des Order­ buchs sind, werden unmittelbar zusammengeführt (Matching). Wenn kein sofortiges Matching für eine Order möglich ist, wird sie gegebenenfalls im zentralen Orderbuch geführt. Die ausgeführten Orders werden realtime rückgemeldet. Orders und Quotes können fortlaufend eingegeben, geändert oder gelöscht werden. Schlussauktion Auch hier kommt es zu einem Ausgleich des Orderbuches. In der Schlussauktion wer­ den alle offenen Orders und Quotes übernommen und nach Möglichkeit ausgeglichen. Die Schlussauktion endet für ein bestimmtes Produkt, sobald der Ausgleichsprozess (Netting) für alle Futures-Kontrakte, die auf diesem Produkt basieren, abgeschlossen wurde. Wenn für bestimmte Futures-Kontrakte keine Market Orders vorliegen und eine Zusammenführung von limitierten Orders und Quotes nicht möglich ist oder wenn nicht ausführbare Market Orders vorliegen, endet die Schlussauktion ohne Feststel­ lung eines Schlusskurses.

219 Die Eurex ziehen wir in diesem Buch exemplarisch für eine Terminbörse als Beispiel heran und er­ klären anhand ihres Marktmodells den Terminhandel.

138 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Post-Trading-Phase Diese unterscheidet sich in vier weitere Phasen (vgl. Abbildung 4.12): – Post Trading Full: Hier können Orders erfasst, geändert und gelöscht werden. – Post Late 1: Das Eurex-System lässt eine Eingabe in dieser Phase für OTC-gehan­ delte Produkte nicht zu. – Post Late 2: Die Post-Late 2-Periode gilt ausschließlich für Zinsoptionen am letz­ ten Handelstag. – Post Trading Restricted: Während dieses Zeitraums sind nur Datenabfragen möglich. Orders für den nächsten Handelstag können weiter eingegeben werden, dagegen werden Ausübungen nicht länger vollzogen.²²⁰

Trading-Phasen EUREX

PreTrading

Opening

Trading

Schlussauktion

Post Trading

Post Trading Full

Post Late 1 Post Late 2

Post Trading Restricted

Abb. 4.12: Die Trading-Phasen an der Eurex²²¹

Nach diesen Phasen beginnt die „Stapelverarbeitung“ (das Abarbeiten der gehandel­ ten Kontrakte) auf dem Eurex-System. Es sind keine Datenabfragen mehr möglich. Das System wird gepflegt und für den nächsten Handelstag vorbereitet. Rein theore­ tisch wäre ein Handel rund um die Uhr möglich. Genau genommen würden nur wenige Minuten reichen, um das System zu pflegen. Die Eurex hat sich jedoch auf konkrete Handelszeiten verständigt. Anders ist dies bei GLOBEX:²²² Dieses System ist fast rund um die Uhr handelsbereit, nur für Wartungs- und Pflegearbeiten ist es für kurze Zeit offline.

4.11 Wer reguliert Terminmärkte? Options- und Futures-Märkte unterliegen einer strengen, in manchen Ländern sogar einer sehr strengen Regulierung. Die jeweiligen Regulierungsorgange sind länderspe­ zifisch unterschiedlich und daher nicht einheitlich zu beurteilen. In den USA ist z. B. 220 Quelle: Eurex AG. 221 Quelle: Eurex AG. 222 Computerhandelssystem der CME in Chicago.

4.12 Welche Produkte können gehandelt werden? | 139

die Securities and Exchange Commission (SEC) auf Bundesebende für die Opti­ onsprodukte zuständig. Die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) ist für die Futures und Optionen auf Futures verantwortlich. In Deutschland gibt es wiederum die Börsenaufsichtsorgane sowie die Bundesaufsichtsorgane. Börsenaufsicht in Deutschland: Börsenaufsicht SEC (USA): Börsenaufsicht CFTC (USA):

http://www.boersenaufsicht.de http://www.sec.gov http://www.cftc.gov

4.12 Welche Produkte können gehandelt werden? Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, auf jedes Underlying ein Termingeschäft abzu­ schließen. An Terminbörsen wird jedoch darauf geachtet, dass die gelisteten Termin­ geschäfte (und auch die Underlyings) liquide und für den Markt notwendig (nachge­ fragt) sind. Sonst wäre ein Listing nicht sinnvoll. Die in Abbildung 4.13 dargestellten Underlyings sind lediglich einige wenige Bei­ spiele. Wir subsumieren gedanklich hier den Bereich der Geldmarktinstrumente unter „Fixed Income“, obwohl dieser selbstverständlich auch separat ausgewiesen werden kann. Die jeweils für den Handel zugelassenen Produkte kann man den Informati­ onsseiten der Terminbörsen entnehmen. Die Kontraktspezifikationen wie z. B. Kon­ traktgrößen, Multiplikator, Abwicklung, Handelszeiten etc. können dort ebenfalls in Erfahrung gebracht werden.

Listed Derivatives

Equity-linked-Derivatives

Fixed Income Produkte

Commodity

FX

Indexprodukte

Produkte auf Einzelwerte

Fixed Income Futures

Optionen auf Fixed Income

Commodity Futures

FX Derivate

FDAX

Optionen auf DAX Werte

Euro Bund Future

Optionen auf den 30y Treasury Future

Future auf Gold

EUR/USD

Abb. 4.13: Gruppen von Derivaten und deren Beispiele

Die jeweiligen Produktdaten und Kontraktspezifikationen können in unserem Downloadbereich ein­ gesehen werden.

140 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

4.13 Was versteht man unter Clearing? Das Clearing ist ein wichtiger Punkt, der hinter jeder Order steht. Denn mit dem Clea­ ring ist die Abwicklung, Besicherung und die Geld- und Stücke-Regulierung der ab­ geschlossenen Geschäfte gemeint. Das Clearing (Zentraler Kontrahent CCP, Central Counterpart) an der EUREX übernimmt die EUREX Clearing AG. Die Mitglieder, die auf der Eurex-Plattform handeln dürfen, werden unterschie­ den hinsichtlich ihres Status beim Clearing (vgl. Abbildung 4.14).

EUREX General Clearing Member Eigengeschäfte und Kundengeschäfte (GCM)

Non Clearing Member (NCM)

Direkt Clearing Member Eigengeschäfte Kundengeschäfte

Eigengeschäfte Kundengeschäfte

Abb. 4.14: Mitglieder am Eurex-Handel²²³

General Clearing Member (GCM) Eine solche Mitgliedschaft erhalten Handelsteilnehmer die ein haftendes Eigenkapital von mindestens 125 Millionen Euro besitzen. Sie haben das Recht, Transaktionen für Kunden und andere Börsenmitglieder ohne Clearing-Lizenz abzuwickeln. Es handelt sich um die höchste Clearing-Mitgliedschaft, die ein Teilnehmer am Handel anstreben kann. Direkt Clearing Member (DCM) Handelsteilnehmer welche ein haftendes Eigenkapital von mindestens 12,5 Millionen Euro haben können diesen Status erhalten. Sie dürfen eigene Geschäfte und Kunden­ geschäfte abwickeln. Non Clearing Member (NCM) NCM haben keine eigenen Clearing-Aktivitäten und Mitgliedschaften. Doch auch ih­ nen bleibt die Eurex nicht verschlossen. Sie haben die Möglichkeit, über ein General

223 Quelle: Eurex.

4.14 Welche Orderspezifikationen gibt es? | 141

Clearing Unternehmen (GMC) am Eurex-Handel teilzuhaben. Dies setzt eine vertrag­ liche Vereinbarung mit dem General Clearing Member voraus. Diese Verträge stellen ein unabhängiges Rechtsverhältnis dar, denn nur Clearing-Mitglieder können mit der Eurex Clearing AG als Vertragspartner auftreten. Grundsätzlich treten gegenüber den Terminbörsen immer nur Banken und Broker als Kunden auf. De­ ren Kunden (Endverbraucher) treten nicht in direkte Erscheinung.

4.14 Welche Orderspezifikationen gibt es? Beim Erteilen von Terminmarktorders sind nachfolgende Termini notwendig: – Was ist es für ein Termingeschäft soll gehandelt werden? – Option? – Future? – Bei Optionen: Call oder Put? – Welcher Geschäftsvorfall wird gehandelt? – Long? – Short? – Welche Anzahl von Kontrakten? – Welches Underlying liegt dem Geschäft zu Grunde? – Welcher Verfallsmonat und in welchem Jahr? – Ggf. Basispreis (bei Optionen) – Ggf. Limit zur Ausführung (oder billigst/bestens = Market Order) – Ggf. Ordergültigkeit (nur heute (GFD), bis auf Widerruf (GTC) oder bis zu einem bestimmten Datum (GTD)) – Welcher Handelsplatz spricht man mit der Order an? – Gibt es evtl. Besonderheiten? – Covered- oder Uncovered-Merkmal?²²⁴ – Ist evtl. eine Kombinationsbezeichung vorhanden? – Opening oder Closing? – Evtl. Orderzusätze Die Orders können eingeschränkt oder uneingeschränkt an den Markt gegeben wer­ den. Dabei werden uneingeschränkte Orders „Market Orders“ genannt. Diese werden, wenn möglich, sofort nach Erteilen ausgeführt. Bei eingeschränkten Orders, z. B. Li­ mit-Orders, kann die Ausführung auf sich warten lassen, denn diese Orders dürfen nur zum Limit oder besser ausgeführt werden. Kann eine Order nicht sofort ausge­

224 Covered Options werden solche Optionen genannt, bei denen der Investor z. B. die Aktien im Portfolio hat.

142 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

führt werden, wird diese ins Eurex-Orderbuch aufgenommen. Dasselbe gilt auch für Teilausführungen. Die nicht ausgeführten Teile werden in das Orderbuch eingestellt. Einschränkungen – Limit-Order: Hierbei muss ein Limit erreicht werden, damit die Order ausgeführt werden kann. Die Order darf nur zum angegebenen Preis oder besser ausgeführt werden – im Gegensatz zu einer Market Order, welche zum nächsten Preis gehan­ delt wird. – Stop-Auftrag (STP): Dies sind Orders bei Futures, welche dann aktiv werden, wenn eine zuvor bestimmte Grenze durchbrochen wurde. Möglich ist das nur beim Kauf über aktuellem Preis und beim Verkauf unter dem aktuellen Preis. Diese Art von Zusatz wird bei Systemorders, die nach technischen Analysen vorgenommen werden, aufgegeben. Gleichzeitig werden damit Sicherungspunkte fixiert. Ein In­ vestor kann sich somit vor Verlusten schützen bzw. im steigenden Markt einen Einstieg an einer z. B. charttechnisch wichtigen Stelle sichern. – „Fill and Kill“-Auftrag (FAK): Unverzügliche Ausführung der Order, auch in Tei­ len. Die nicht ausgeführten Teile werden annulliert. – „Fill or Kill“ Auftrag (FOK): Hier muss der Auftrag komplett und sofort ausge­ führt werden. Ansonsten erfolgt eine Annullierung. Somit sind Teilausführungen nicht zugelassen. – Spread-Auftrag: Eine Spread Order handelt den kompletten Spread in einer Or­ der. Dabei werden Kauf und Verkauf in einem angegeben. Diese Orders sind an der Eurex nur in Futures möglich. – Immediate or Cancel-Auftrag (IOC): Die Ausführung soll sofort erfolgen, jedoch sind auch Teilausführungen genehmigt. Die nicht ausgeführten Teile werden an­ nulliert. Diese Orderart ist bei Kombinationsorders in Futures sowie bei Optionen an der Eurex handelbar (vgl. Abbildung 4.15).

Orderspezifikationen

Limit-Order

Fill and Stop Auftrag (STP) Kill Auftrag (FAK)

Fill or Kill Auftrag (FOK)

Abb. 4.15: Unterschiedliche Orderspezifikationen

Spread Auftrag

Immediate or Cancel Auftrag (IOC)

4.14 Welche Orderspezifikationen gibt es? | 143

Orders können mit einer gewissen Gültigkeit aufgegeben werden. Dabei unterscheidet man zwischen (vgl. Abbildung 4.16) – Orders, welche nur am Tag der Order gültig sind (Good for Day; GFD), – Orders, welche bis zu einem gewissen Tag gültig sind (Good till Date; GTD), – Orders, welche bis auf Widerruf gültig sind (Good till Cancelled; GTC).

Ordergültigkeit

Heute (GFD)

Bis auf Widerruf (GTC)

Bis zu einem bestimmten Tag (GTD)

Abb. 4.16: Unterschiedliche Ordergültigkeit

Orderausführung Um ungewollte Preissprünge auszuschließen, hat die Eurex eine maximale Bandbrei­ te bei Futures festgelegt, in der unlimitierte Orders ausgeführt werden dürfen. Dies schützt den Investor (Ordergeber) vor ungewollten Preissprüngen. Die Orderausführung, das Matching, erfolgt nach dem Preis-Zeit-Prinzip: Orders welche nicht sofort oder nur in Teilen ausgeführt werden können, werden in das elek­ tronische Orderbuch der Eurex aufgenommen und bei Matching-Möglichkeit ausge­ führt. Es kann jederzeit zu einer Teilausführung kommen (es sei denn, die Order lässt es nicht zu). Da es sich bei der Eurex um eine Computerbörse handelt, ist die Ausfüh­ rungsgeschwindigkeit sehr hoch (vgl. Abbildung 4.17: Ordererfassungsmaske Eurex, und Abbildung 4.18 Ordererfassung: SwissKey). Nach der Ausführung erteilt das Sys­ tem sofort eine Rückmeldung über die gehandelten Kontrakte (Underlying des Kon­ traktes), den Ausführungspreis und die ausgeführte Kontraktmenge. Weitere Ordermöglichkeiten An anderen Terminbörsen bestehen weitere Ordermöglichkeiten, die sehr unter­ schiedlich sein können. So ist z. B. eine Market If Touched Order eine Order, die dann in Kraft tritt, wenn der angegebene Preis gehandelt wird. Die Order wird an­ schließend zu einer Market Order. Eine Not Held Order, auch als Take Time Order bezeichnet, gibt dem ausführenden Broker einen gewissen Ermessensspielraum bei der Ausführung: Geht er von einer besseren Ausführung zu einem späteren Zeitpunkt aus, so kann er die Order in sein Orderbuch aufnehmen und nach seinem Ermes­ sen ausführen. Eine Regressmöglichkeit gibt es nicht. Eine Cancel Former Order

225 Quelle: Eurex.

Abb. 4.17: EUREX T7²²⁵

144 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

4.14 Welche Orderspezifikationen gibt es? | 145

Abb. 4.18: Order-Tool für Auslandsbörsen (UBS SwissKey System; Buy Order)²²⁶

beinhaltet immer die Streichung einer Altorder. Im Gegensatz dazu werden bei einer One Cancels the Other Order verschiedene Kombinationen erfasst. Das bedeutet: Wenn eine Order ausgeführt wird, so wird die andere Order, die gleichzeitig erfasst wurde und als Verbund anzusehen ist, gestrichen. Schließlich gibt es noch Orders, welche erst zum Marktschluss oder schon zur Markteröffnung ausgeführt werden müssen. Diese Orders gelten nur für diese Zeiteinheiten und heißen Market Opening und Market Closing Orders.²²⁷ Es ist wichtig, die Orderspezifikationen verstanden zu haben – unabhängig da­ von, für welche Orderform man sich der Situation und dem Positionsbuch entspre­ chend entscheidet. Gleichzeitig ist es wichtig, dass man bei seiner Bank/seinem Bro­ ker nachfragt, welche Orderarten angeboten werden. Nicht alle Banken/Broker bieten alle Möglichkeiten an. Es ist auch stets zu überprüfen, ob eine Order, so wie sie erteilt wurde, sinnvoll ist. Sinnlose oder nicht marktgerechte Orders sollte man nicht ertei­ len. Meist werden sie auch von den Banken/Brokern abgelehnt.

226 Quelle: Commerzbank AG CM Derivatives Sales Desk. 227 Quelle: Commerzbank AG CM Derivatives Sales Desk.

146 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Wenn es bei einem Basiswert zu einer Aussetzung an der Börse kommt, so werden i. d. R. alle Terminmarktorders in diesem Underlying von der Terminbörse gelöscht. Nach Wiedereinsetzung müssen diese Orders dann erneut erfasst werden. Mistrade-Regelung Da es, wie bei jedem Geschäft, auch beim Handel mit Termingeschäften zu Fehlern kommen kann, gibt es Mistrade-Regelungen (vgl. Abbildung 4.19). Hierbei ist zu be­ achten: Sobald ein Fehler entdeckt wird, ist dieser unverzüglich und ohne ab­ wartende Haltung zu korrigieren. Ein „spekulieren oder gar spielen“ mit einer aus Versehen falschen Order kann hohe Verluste produzieren und vor allem eine Kunden­ beziehung stark in Mitleidenschaft ziehen. Jede Fehlorder ist zu protokollieren und an der Vermeidung einer Wiederholung zu arbeiten.

Mistrade ist angefallen

• Korrektur des Trades • Die Korrektur erfolgt sofort. • Gewinn oder Verlust wird vom Händler (Verursacher) getragen.

Meldung

• Broker/Bank meldet an internes Meldesystem. • OpRisk-Meldung wird veranlasst.

Abb. 4.19: Abwicklung eines Mistrades

Ordersysteme und Ordererteilung Dass man sich den Umgang mit den jeweiligen Ordersystemen aneignen muss, ist selbstverständlich. Für Eurex-Händler ist eine Systemschulung (von T7) Pflicht. Dies zeigt, wie wichtig der sichere Umgang mit der Software ist. Sollten zusätzliche Systeme, oder Systeme andere Börsen zum Einsatz kommen, so ist dies hier ebenfalls als Pflichtschulung anzusehen. Wir wollen an dieser Stelle auch nochmals auf die verschiedenen Orderarten und Orderspezifi­ kationen hinweisen. Hierfür gilt: Vor Ordererteilung ist festzulegen, welche Orderarten und Spezifi­ kationen man benötigt. Dann ist zu klären, ob diese auch vom Counterpart angeboten und ausgeübt werden können. Diese vorbereitenden Maßnahmen sind immer zu treffen. Kennt man den Counterpart schon seit Jahren, so erübrigt sich ein Nachfragen oft.

4.15 Welche Verfallstage gibt es an der EUREX? Der Verfall für die Optionsserien an der Eurex, wie auch international üblich, ist der dritte Freitag im Monat. Indexfutures verfallen am dritten Freitag im Quartalsend­

Interview mit Thomas Knipping | 147

monat (beides ist international gängig). Der letzte Handelstag für die Fixed Income Futures ist zwei Börsentage vor dem Liefertag.²²⁸ Die Optionen auf Fixed Income Fu­ tures werden zuletzt sechs Börsentage vor dem ersten Kalendertag des Verfallsmonats der Option gehandelt. Die Weekly Options werden im Verfallszyklus 1., 2., 4., 5. Frei­ tag gehandelt (vgl. Abbildung 4.20). Jede Terminbörse veröffentlicht den jeweils für diese gültigen Handelskalender, welcher auch die Verfalls- und Liefertage der han­ delbaren Instrumente beinhaltet. Aufgrund der einzelnen Feiertagsregelungen und evtl. in einem Jahr auftretenden Besonderheiten ist es zu empfehlen, die jeweiligen Handelskalender im Blick zu behalten.

3. Freitag im Monat

1., 2., 4., ggf. 5. Freitag im Monat

normale Optionsserien

Weekly-Optionsserien

Abb. 4.20: Verfallstage an der Eurex (Freitagsregelung)

Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit der historischen Entwicklung von Terminmärkten, Terminbörsen und des Handels an Terminbörsen beschäftigt. Wir sind der Fragestellung der Stan­ dardisierung von Termingeschäften und deren Handelbarkeit nachgegangen. Haben die jeweiligen Marktteilnehmer einer Terminbörse und deren Motive betrachtet. Wir haben uns mit den jeweiligen Market-Maker-Vorschriften auseinandergesetzt, uns die Regulierung dieser Märkte angeschaut. Neben dem Handel ist das Clearing, also die Abwicklung, von Termingeschäften eine große und wichtige Komponente im Financial Engineering. Daher haben wir uns mit den jeweiligen Gegeben­ heiten hier auseinandergesetzt. Wir sind auf die international gängigen Verfallstage an den Ter­ minbörsen eingegangen und haben die Ausnahmen von diesen besprochen. Dabei sind wir auch auf die Unterschiede von Computerhandel und Open Outcry Handel eingegangen.

Interview mit Thomas Knipping Head of Listed Derivatives Sales – Commerzbank AG Herr Knipping, wie sehen Sie die Entwicklung des Derivatemarktes in den kommenden Jahren? Der Derivatemarkt befindet sich meiner Meinung nach in einer Metamorphose. Nach den Auswüchsen der letzten Jahre, die ja maßgeblich mit zu der Finanzkrise beigetra­ gen haben, stellen wir ein zunehmendes Interesse an einfach gestrickten (= Plain

228 Liefertag z. B. beim Euro Bund Future ist der zehnte Tag des Verfallsmonats.

148 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Vanilla) Derivaten fest. Ebenso lässt sich festhalten, dass mehr gelistete Produkte im Vergleich zu den OTC-Derivaten nachgefragt werden. Das Beispiel Lehman Brothers hat gezeigt, dass das Counterpartyrisiko nicht unterschätzt werden darf. Welche prozentualen Unterschiede in den gehandelten Kontrakten können Sie zu den unterschiedlichen Underlying-Gruppen (Fixed Income, Equity, Commodity) nennen? Ich glaube, wir werden eine Umverteilung in den nächsten Jahren sehen. Bisher wur­ den am stärksten Fixed-Income-Produkte nachgefragt, aber die Gruppe Equity und Index holt sehr stark auf und wird in absehbarer Zeit an die erste Stelle treten. Auch Commodities werden immer häufiger nachgefragt. Welche Produkte (Listed Options & Futures) sehen Sie in den kommenden Jahren als bedeutend an? Aktien- und Indexoptionen zur Absicherung eines Portfolios respektive Zusatzertrag durch das Schreiben von Calls/Puts. Welcher Underlying-Gruppe würden Sie für die nächsten Jahre das größte Wachstum zutrauen? Ich sehe erhöhtes Wachstum in den Bereichen der flexiblen Produkte, insbesondere im Aktien- und Indexbereich. Produkte wie die Flex-Futures an der Eurex ermöglichen es dem Anleger, individuelle Präferenzen (Laufzeit, Settlement usw.) zu realisieren, ohne dass ein Counterpartyrisiko entsteht. Welche Bedeutung haben Hedginggeschäfte im Verhältnis zu Spekulationsgeschäften in der Zukunft? Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass es weniger Spekulationsgeschäfte geben wird. Allerdings verlieren die Märkte möglicherweise dadurch an Liquidität. Aber die Fi­ nanzkrise hat das Risikobewusstsein der Anleger drastisch erhöht und Hedgegeschäf­ te stehen verstärkt im Fokus. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Terminmärkte? Hier ist es wichtig zu unterscheiden: Strukturierte Produkte und Kreditderivate wur­ den sehr gescholten, aber sie werden weiterhin nachgefragt und benötigt, aber der Trend geht eindeutig zu den Plain-Vanilla-Produkten. Bei welcher Kundengruppe sehen Sie das höchste Wachstumspotenzial? Das kann ich eindeutig benennen: bei Kapitalverwaltern. Es passt nicht mehr in die Zeit „Kaufen und Liegenlassen“. Dafür gibt es andere, bessere Produkte. Welche Underlyings würden Sie sich „Listed“ noch wünschen? Ehrlicherweise halte ich die aktuelle Palette an Produkten für ausreichend. Innova­ tionen wie Wetterfutures mögen auf den ersten Blick interessant sein, haben aber den Nachteil, dass sich durch die Unhandelbarkeit des Basiswertes keine echte Liquidität erreichen lässt.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel |

149

Können Sie ein kurzes Fazit über die vergangenen Jahre in Bezug auf die Entwicklungen am Derivatemarkt ziehen? Nun, der Derivatemarkt hat lange Zeit stetiges und hohes Wachstum in allen Segmen­ ten gezeigt. Leider wurden nicht alle Produkte kritisch hinterfragt und anscheinend auch, vor allem von Retail-Kunden, nicht ausreichend verstanden.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate, 8. Auflage 2012 Madura, Jeff: International Financial Management, 6th edition 2004 Rudolph, Bernd, Schäfer, Klaus: Derivative Finanzinstrumente 2005 Steinbrenner, Hans-Peter: Optionsrechte in der Praxis 2002

150 | 4 Terminbörsen und Terminmärkte

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Was unterscheidet eine Future- von einer Forward-Transaktion? Frage 2: Was versteht man unter dem Open-Outcry-Verfahren? Frage 3: Was ist das Regular Market Making? Frage 4: Was ist ein General Clearing Member (GCM)? Frage 5: Was versteht man unter einem Fill or Kill (FOK) Auftrag? Antwort zu Frage 1: Futures werden im Gegensatz zu Forwards an Terminbörsen gehandelt. Die Ausge­ staltung von Futures ist standardisiert und daher ist eine Übertragung auf eine dritte Partei jederzeit möglich. Antwort zu Frage 2: Es handelt sich hierbei um das in Chicago auf dem Parkett angewandte Handelsver­ fahren auf Zuruf. Ein solches Verfahren findet nur bei Präsenzbörsen (z. B. Chicago) Einsatz. Antwort zu Frage 3: Es werden fortlaufend Quotes in den betreuten Produktgruppen eines Market Maker gestellt. I. d. R. werden pro Tag mindestens 150 Quotes von jedem Market Maker auf diese Art gestellt. Antwort zu Frage 4: Es handelt sich hierbei um die höchste Zulassungsstufe für das Clearing an der Eurex. GCM können sowohl Eigengeschäft, Kundengeschäft und Geschäfte für Non Clearing Member abwickeln. Antwort zu Frage 5: Hier muss der Auftrag komplett und sofort ausgeführt werden. Ist dies nicht möglich, wird die Order gestrichen. Teilausführungen sind somit nicht möglich.

5 Futures In Kapitel 5 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – –

Was sind Futures? Wie ist die Funktionsweise von Futures? Wie findet die Preisfindung eines Futures statt? Welche Arten von Futures gibt es? Welche Strategien kann ich mit Futures aufbauen?

5.1 Was sind Futures? Klassische unbedingte Termingeschäfte, nachfolgend Futures und Forwards ge­ nannt, sind fast so alt wie der Handel selbst. Früher wurden Futures hauptsächlich auf Waren abgeschlossen. Die ersten Financial Futures wurden im August des Jahres 1977 in Chicago gehandelt. Ihnen lag der 30-jährige US Treasury Bond (T-Bond) zu­ grunde, welcher auch heute noch als einer der meistgehandelten Kontrakte gilt. Die Vielzahl der heute gehandelten Kontrakte und Underlyings ist fast unüberschaubar. Es gibt Index Futures, Fixed Income Futures, Commodity Futures, Devisen (FX) Futures etc. Was ist ein Future? Ein Future ist ein Vertrag, dessen Bestandteile standardisiert sind und der somit an den Börsen handelbar ist. Er ist aufgrund dieser Eigenschaft jederzeit übertragbar und auch von einer dritten Partei zu akzeptieren. Das OTCGegenstück dazu ist ein Forward, der eine individuelle Vertragslösung zwischen zwei Parteien (meist zwischen einer Bank und einem Mandanten) darstellt (vgl. Ab­ bildung 5.1). Dieser Vertrag wird speziell für dessen Bedürfnisse ausgestaltet und kann somit nicht einfach auf einen Dritten übertragen werden. Was beide wiederum eint, ist die Tatsache, dass es sich um unbedingte Termingeschäfte handelt, deren Verpflich­ tungen eingehalten werden müssen. Beide Vertragsparteien haben sich verpflichtet, die beim Abschluss eingegangenen Verbindlichkeiten einzuhalten. Die Grundintenti­ on eines Forward-Investors ist, sich gegen Risiken abzusichern bzw. mittelfristig auf eine Marktbewegung zu spekulieren. Aufgrund der eingeschränkten Fungibilität des Forward eignet er sich nicht für die kurzfristige oder „richtige“ Spekulation; vielmehr dienen solche Termingeschäfte meist der Sicherung eines Grundgeschäftes und der damit verbundenen Zahlungsströme. Ein Future ist per Definition ein Termingeschäft, welches die Verpflichtung beinhaltet, ein bestimmtes Underlying (Basiswert) zu einem im Voraus bestimmten Preis zu einem festgelegten Termin, in einer festgelegten Qualität und Quantität zu übernehmen (Long) oder zu liefern (Short). Dabei gibt es kein Wahlrecht. Das Termingeschäft muss erfüllt werden.

https://doi.org/10.1515/9783110659931-005

152 | 5 Futures

Forw a

rd

FORWARD nicht an Börsen gehandelt

UNBEDINGTE TERMINGESCHÄFTE

FUTURE an Börsen gehandelt

Fu

t u re

Abb. 5.1: Unbedingte Termingeschäfte

5.2 Futures-Märkte Es gibt Futures auf verschiedene Basiswerte. Abbildung 5.2 zeigt die gängigsten Fu­ tures.

Futures

IndexFuture

EinzelwertFuture

CommodityFuture

FixedIncomeFuture

DevisenFuture

Abb. 5.2: Die gängigsten Arten von Futures

5.3 Futures-Handel Um einen Future-Kontrakt handeln zu können, braucht ein Investor einen bestimmten Geldbetrag, welcher nur einen Teil des eigentlichen Kontraktwertes ausmacht und als Initial Margin²²⁹ bezeichnet wird. Dieser soll die Glattstellungsrisiken des Investors bis zum nächsten Börsentag absichern.

229 Die Eurex nennt diese Margin auch Additional Margin; in der Literatur wird diese auch manch­ mal als Maintenance Margin bezeichnet . . . nicht zu verwechseln mit Maintainance Level.

5.4 Grundstrategien mit Futures

|

153

Während der Investor einen Future-Kontrakt in seinem Positionsbuch hält, findet täglich ein Gewinn- und Verlustausgleich im Mark-to-Market-Verfahren statt (vgl. Abbildung 5.3). Man nennt dies die Variation Margin. Nähere Informationen zum Thema „Margin“ finden Sie im dazugehörigen Kapitel. letzter Handelstag

Opening Variation Margin

Close-out jederzeit möglich Initial Margin muss hinterlegt werden

Liefertag bzw. Cash Settlement

Abb. 5.3: Zeitlicher Ablauf einer Future-Transaktion²³⁰

5.4 Grundstrategien mit Futures Grundsätzlich hat ein Future-Investor zwei Grundstrategien zur Auswahl: – Er kauft einen Future („geht long“), wenn er auf einen steigenden Trend setzen möchte. – Er verkauft einen Future („geht short“), wenn er auf einen Abwärtstrend speku­ liert. Da ein Future symmetrisch und somit mit einem Delta von 1 ausgestattet ist, folgt die­ ser 1 : 1 der Bewegung des Underlying. Die Abbildung 5.4 fasst dieses nochmals zusammen. Bei einem Long Future setzt der Investor, wie bereits erwähnt, auf einen Auf­ wärtstrend des Underlying. Daher kauft er sich dieses über den Future synthetisch in sein Positionsbuch. Er erzielt einen Gewinn, wenn das Underlying und somit analog der Future teurer wird, und kommt dann in die Verlustzone, wenn das Underlying und mit diesem der Future fällt. Die Gewinne bzw. Verluste werden, wie bereits erwähnt, zu Börsenschluss durch eine Geldbuchung ausgeglichen (Variation Margin Buchung). Geht der Investor jedoch von einem Rückgang des Preises des Underlyings aus, dann sollte er den Future verkaufen, also Short gehen. Der Short Future kommt analog der obigen Betrachtungsweise dann in die Verlustzone, wenn das Underlying steigt. Somit bietet der Short Future die Möglichkeit, aktiv aus einen Rückgang des Preises des Underlying zu spekulieren oder sich gegen diesen abzusichern. 230 Vgl. o. V. Commerzbank O&F Prüfung.

154 | 5 Futures

Short

ture Fu

SHORT FUTURE Negative Grundeinstellung zum Underlying

FUTURES LONG FUTURE unbedingte Termingeschäfte

Positive Grundeinstellung zum Underlying

L

on

g F u t u re

Abb. 5.4: Mögliche Grundhaltungen eines Future-Investors

Futures werden fortlaufend und liquide gehandelt. Das Schließen einer FuturePosition ist durch eine Gegenorder (Counter-Order) jederzeit möglich (vgl. Tabelle 5.1). Futures bieten einem Marktteilnehmer die schnelle und kostengünstige Möglich­ keit einen gesamten Markt schnell und in einer Transaktion abzubilden. Dieser kann sowohl auf eine aktive Marktbewegung spekulieren als auch sich gegen eine für Ihn gegenläufige Marktbewegung absichern. Somit stellen Futures ein transparentes und zielgerichtetes Instrument für den professionellen Einsatz dar. Tab. 5.1: Öffnen und Schließen von Positionen in Futures Opening Closing Opening Closing

BUY FUTURE (Long) SELL FUTURE (Short) SELL FUTURE (Short) BUY FUTURE (Long)

5.5 Hebel bei Future-Transaktionen Der Hebel bei einer Future-Transaktion entsteht dadurch, dass der Future-Trader nicht den kompletten Gegenwert, sondern nur die Initial Margin bereithalten muss. Da er mit dieser vergleichsweise geringeren Geldmenge dasselbe Volumen bewegt, als wür­ de er eine Spot-Transaktion durchführen, ergibt sich eine Hebelwirkung. Die Möglich­ keiten Eigenkapital daher noch effektiver zu nutzen, ist ein großes Argument im Han­ del mit Futures. Kontraktgegenwert Hebel Future = Initial Margin

5.7 Index-Futures | 155

5.6 Lieferverfahren Es gibt, auch hier, zwei Möglichkeiten, Futures zu beliefern: zum einen die klassische physische Belieferung,²³¹ welche wir beispielsweise beim Euro Bund Future haben. Die andere Variante ist das Cash Settlement,²³² wobei eine Differenzzahlung vorge­ nommen wird. Dies kommt zum Beispiel bei Indexfutures zum Tragen, da ein effekti­ ves Liefern des Underlyings nicht möglich ist (vgl. Abbildung 5.5).

sisches Set Phy t

nt me le

CASH SETTLEMENT

PHYSISCHES SETTLEMENT Der Future wird mit dem Underlying beliefert. Es findet eine Stückelieferung statt.

Der Future wird in Cash ausgeglichen.

Ca

Barausgleich

s

hS

e t t l e m e nt

Abb. 5.5: Belieferungsarten bei Futures

In der Praxis wird eine physische Lieferung i. d. R. umgangen, da diese oftmals nicht im Vordergrund der Transaktion steht.

5.7 Index-Futures Es gibt viele Futures auf Indizes. Wir wollen im Folgenden anhand des Futures auf den DAX® (FDAX) einige Beispiele aufzeigen. Bei einem Index-Future ist es wichtig, das Underlying genau zu kennen. Handelt es sich um einen Performance- oder Kursin­ dex? Wie viele Werte sind im Index enthalten? Wie wird der Index berechnet? Wie ist der Indexmultiplikator, welche Handelszeiten muss man einhalten? Erst nach Be­ antwortung dieser Fragen sollte der Handel im Indexfuture beginnen. 231 Der Future wird mit dem Underlying beliefert. Dies kann nur dann stattfinden, wenn das Under­ lying lieferbar ist, wie z. B. bei Anleihen, Aktien etc. 232 Barausgleich der Differenz in Soll oder Haben.

156 | 5 Futures Nehmen wir das Beispiel DAX® -Future: Das Underlying ist der DAX® -Performance-Index der Deutschen Börse AG, der 30 Aktientitel beinhaltet. Jeder einzelne wird nach festgelegten und von der Deut­ schen Börse AG näher definierten Indexregeln (Freefloat, Größe etc.) ausgewählt. Anpassungen des Index werden zu vordefinierten Zeitpunkten vorgenommen oder wenn sich Grundgegebenheiten ändern, wobei eine Anpassung der Indexgewich­ tung vierteljährlich vorgenommen wird. Da es sich um einen Performance-Index handelt, gehen die ausgeschütteten Dividenden wieder als Reinvestition in den Index ein. Dies unterscheidet ihn zum Beispiel vom S&P500, welcher ein Kursin­ dex ist. Ein weiterer wichtiger Hintergrund ist das Settlement. Da man keinen Index lie­ fern kann, findet ein Cash Settlement statt, welches gleichbedeutend ist mit einer Dif­ ferenzzahlung in Geldeinheiten. Einem Future auf dem DAX® (FDAX) liegen 25 Euro pro Indexpunkt zugrunde. Wenn also der FDAX um einen Punkt steigt, bekommt der Long-Investor 25 Euro gut­ geschrieben und der Short-Investor bekommt diese 25 Euro belastet. Dieses Verfah­ ren wird auch Mark to Market genannt. Dabei werden alle offenen Positionen jeden Tag zum aktuellen Preis bewertet. Die Buchung findet jeden Tag bis zur Ausübung oder zum Schließen der Position statt und sorgt dafür, dass nach Börsenschluss al­ le Konten ausgeglichen sind. Der Folgetag startet dann wieder mit einem Positions­ buchbestand in der täglichen G&V von Null. Aufgrund dieses Mechanismus können keine Gewinne oder Verluste auflaufen, welche nicht ausgeglichen worden sind. Es handelt sich folglich um ein Nullsummenspiel, da es lediglich zu Transferleistungen kommt. Die Investition in einen Future entwickelt eine Hebelwirkung, da mit der geringen Sicherheitenleistung (Initial-Margin) eine größere Investitionsleistung bewerkstelligt werden kann. Dies versetzt einen Investor in die Lage, beispielsweise mit einer deut­ lich geringeren Liquiditätsbildung denselben Effekt zu erreichen wie ein klassischer Kassa-Investor. Des Weiteren ist es möglich, Transaktionen durchzuführen, welche das Eigenkapital schonen und dieses nur im gewissen Umfang angreifen. Das freie Eigenkapital steht dann für andere Investitionen oder Vorhaben zur Verfügung und wird nicht anderweitig gebunden. Handelt es sich um einen Index-Future, wird die Differenz in Punkten angege­ ben, welche dann mittels des Indexmultiplikators (beim FDAX: 25 Euro pro Index­ punkt) in die entsprechende Geldeinheit umgerechnet wird. Die Veränderung der Fu­ ture-Index-Punkte muss folglich mit dem Indexmultiplikator multipliziert werden um auf den Geldeinheitengegenwert der Veränderung zu kommen. Die einzelnen Index­ multiplikatoren werden von den Terminbörsen vorgegeben und sind dem Fact Sheet des jeweiligen Futures zu entnehmen. Tabelle 5.2 gibt einen Überblick über die häufig gehandelten Index-Futures und Tabelle 5.3 zeigt die Grundintention von Futures-Investoren auf.

5.8 Fixed-Income-Futures |

157

Tab. 5.2: Häufig gehandelte Index-Futures Index

Future

DAX®

DAX® -Future (FDAX) S&P-500-Future (SPX) DJI-Future FTSE-Future Dow-Jones-Euro-STOXX-50® -Future Nikkei-225-Future ...

Standard & Poor’s Dow Jones Industrial Average FTSE Dow Jones Euro STOXX 50® Nikkei 225 ...

Tab. 5.3: Grundintentionen von Future-Investoren Future-Position

Grundeinstellung zum Underlying

Long Future Short Future

Steigendes Underlying Sinkendes Underlying

Beispiel: Ein Investor kauft 10 DAX® Future-Kontrakte bei 6.700 Punkten. Am Abend steht der FDAX bei 6.650 Punkten. Der Investor erleidet einen Verlust von 50 Punkten. Bei ei­ nem Indexmultiplikator von 25 Euro pro Punkt entspricht dies einem Verlust von 1.250 Euro pro Kontrakt. In unserem Beispiel beläuft sich der Verlust des Investors in allen 10 Kontrakten auf 12.500 Euro. Wir wollen nun kurz die gehandelte Größenordnung in Relation setzen: 10 FDAX-Kontrakte entsprechen (in unserem Beispiel) einem Kassagegenwert von 1.675.000 Euro (10 × 25 × 6.700 Punkte). Der Investor bindet jedoch nur die Initial Margin (In diesem Beispiel 410 Punkte; diese wird von der Terminbörse festgelegt und ständig den Marktgegebenheiten angepasst) von 102.500 Euro (410 × 10 × 25). Er bewegt somit mit 102.500 Euro Sicherheitenleistung einen Kassagegenwert von 1.675.000 Euro! Index-Futures eignen sich sehr gut, um bei einer klaren Marktmeinung diese auch im Portfolio um­ zusetzen. Dabei gilt jedoch auch: Wenn diese nicht eintritt, ist die Futures-Position zu schließen und ggf. die Strategie anzupassen.

5.8 Fixed-Income-Futures Ein anderes Bild zeigt sich bei einem Future wie zum Beispiel dem Euro Bund Future (FGBL), welcher physisch beliefert wird. Ihm liegt eine synthetische Bundesanleihe mit einem Nominalkupon von 6 Prozent und einer Restlaufzeit von 8,5 bis 10,5 Jah­ ren zugrunde. Der Future wird physisch, also effektiv in Stücken beliefert. Da es sich

158 | 5 Futures

um eine fiktive Schuldverschreibung des Bundes handelt, wird ein Korb von Anleihen zugelassen, der am Fälligkeitsdatum vom Verkäufer der Futures zur Belieferung her­ angezogen werden kann. Die für den Verkäufer günstigste Anleihe ist die sogenannte CTD (Cheapest to Deliver)-Anleihe (vgl. Abschnitt 5.15). Aus diesem Grund entspre­ chen die Anleihen nicht der fiktiven 1 : 1-Abbildung und müssen mit dem Preisfaktor, auch Conversion Factor genannt, umgerechnet werden. Mithilfe des Faktors können die unterschiedlichen Kupons und Laufzeiten sowie die standardisierten Kontraktspe­ zifikationen des Euro-Bund Future ausgeglichen werden und dieser schafft eine Ver­ gleichbarkeit der unterschiedlichen real am Markt existierenden Anleihen. Es ist zu beachten, dass ein Großteil der Future-Kontrakte nicht effektiv beliefert werden, da sie bereits vor Fälligkeit geschlossen oder gerollt werden. Der Handel in Fixed Income Futures, wie zum Beispiel etwa dem Euro Bund Fu­ ture und dem 30-jährigen Treasury Bond Future (T-Bond), ist nicht nur sehr inten­ siv, sondern auch sehr liquide. Aufgrund verschiedener Futures (Laufzeitenstruktur der Anleihen) können Investoren auf Veränderungen am Zinsmarkt, Ungleichgewich­ ten, Verformungen und Verschiebungen der Zinsstrukturkurve reagieren. Ein Trader, der zum Beispiel von einem steigenden Zinsniveau am langfristigen Ende ausgeht, wird Kontrakte auf den Euro Bund Future verkaufen. Im Gegenzug kann er das kurz­ fristige Niveau der Zinsstrukturkurve kaufen etc. Durch die unterschiedlichen Laufzeitspektren der zur Verfügung stehenden Fu­ tures kann der Investor die komplette Zinsstrukturkurve abdecken und effektiv auf Verschiebungen und Verformungen reagieren. Durch eine solche Modellierung kann er aktiv, schnell und zielgerichtet auf diese reagieren und z. B. sein Portfolio gegen Zinsveränderungen absichern. Dies gilt auch für Operationen, welche über den eigenen Währungsbereich hin­ ausgehen. Dabei ist es möglich, den Euro Bund Future (Euro) und T-BOND FUTURE (USD) zu kombinieren. Falls der Investor davon ausgeht, dass die Zinsen in den USA fallen und in Europa steigen werden, kann er den T-BOND FUTURE kaufen und gleich­ zeitig den Euro Bund Future verkaufen. Es kann auch Sinn machen, gleichzeitig noch einen FX-Future additiv zu handeln. Im Handel spielen die Preise der Fixed Income Futures ebenfalls eine wichti­ ge Rolle als Indikator für die Höhe der Zinssätze für einen Laufzeitbereich zu einem bestimmten Zeitpunkt. Durch die Preisbewegung von Futures können mithilfe der Du­ ration etwa Aussagen über die Preisentwicklung von Anleihen getroffen werden, wel­ che die gleiche Laufzeit wie der Basiswert des Futures haben (gleiche Bonität). Der Futures-Markt bietet hierzu die kalkulatorischen Grundlagen und Informationen ab. Futures-Märkte als Informationsgrundlage Für die meisten Märkte kann man die Aussage treffen, dass die Informationsgrundlage immer der Futures-Markt bildet und nicht der Kassa-Markt. Da die Futures i.d. R. schneller und vor dem KassaMarkt reagieren.

5.9 Devisenfutures (FX Futures) |

159

Tabelle 5.4 zeigt verschiedene Fixed Income Futures und deren Laufzeitbereich auf. Tabelle 5.5 fasst die Grundintentionen im Bereich der Fixed Income Futures nochmals zusammen. Sowohl auf den Handel mit Devisenfutures wie auch mit Commodity Futures gehen wir nochmals ex­ plizit im Kapitel 7 ein.

Tab. 5.4: Laufzeitenstruktur unterschiedlicher Fixed Income Futures Future

Laufzeit des Underlying in Jahren

Euro-Schatz-Future (Euro) Euro-Bobl-Future (Euro) Euro-Bund Future (Euro) Euro-Buxl-Future® (Euro) Conf-Future (CHF) T-Bill Future (USD) 10-y T-Note Future (USD) 30-y T-Bond Future (USD) JGB (JPY)

1,75–2,25 Bundesanleihen 4,5–5,5 Bundesanleihen 8,5–10,5 Bundesanleihen 24,0–35,0 Bundesanleihen 8,0–13,0 Schweizer Eidgenossenschaft Dreimonatiger US-Schatzwechsel 10-jährige US-Staatsanleihen 30-jährige US-Staatsanleihen 7–11-jährige japanische Staatsanleihen

Tab. 5.5: Grundintentionen im Fixed Income Future Handel²³³ Futureposition

Grundeinstellung

Erfüllung

Long Future Short Future

Sinkende Zinsen; Anleihenkurse steigen Steigende Zinsen; Anleihenkurse fallen

Muss Anleihen kaufen Muss Anleihen verkaufen

5.9 Devisenfutures (FX Futures) Devisenfutures (auch Währungsfutures oder FX Futures genannt) werden zum Bei­ spiel an der CME in Chicago gehandelt (vgl. Tabelle 5.6). Hier kann man feste Wäh­ rungspaare wie etwa Euro/USD handeln. Der Kontrakt entspricht einer Summe von 125.000 Euro.²³⁴ Ein Investor kann durch den Kauf (Long) auf ein Steigen des Euro ge­ genüber dem USD setzen oder umgekehrt durch den Verkauf des Futures (Short) auf ein Fallen des Euro gegenüber dem USD spekulieren. Er handelt folglich die beiden Währungspaare zueinander über das Instrument eines Futures. Natürlich gilt dieser Zusammenhang auch für die anderen angebotenen Währungspaare. Oftmals werden diese FX-Futures als Ergänzungen für das Portfolio oder zur Klärung kurzfristiger Han­ delsbuchtransaktionen herangezogen. 233 Vgl. o. V. Commerzbank O&F Prüfung. 234 Euro/USD 125.000 Euro, YEN/USD 12.500.000 Yen, GBP/USD 62.500 GBP, Euro/CHF 125.000 Euro.

160 | 5 Futures

Tab. 5.6: Mögliche FX Futures (Währungskombinationen) EUR EUR EUR GBP AUD ...

USD CHF JPY USD USD ...

Die Information, welche Währungskombinationen zur Verfügung stehen, kann man den jeweiligen Informationsseiten der Terminbörsen entnehmen. Im Appendix dieses Buches finden Sie hier die für uns maßgeblichen.

5.10 Commodity Futures Der Handel mit Commodity Futures (Warentermingeschäfte) ist ein sehr spannen­ des und wichtiges Kapitel innerhalb der großen Gruppe der Termingeschäfte. Com­ modity Futures sind die „Muttergeschäfte“ der Terminbörse und somit ihr ursprüng­ licher Existenzgrund. Heute werden sie nicht mehr ausschließlich zur Sicherung (Hedging), sondern auch zu Spekulationszwecken auf Preisveränderungen gehan­ delt. In Deutschland sind die Warenterminfutures sehr schwach repräsentiert. Dies kommt unter anderem dadurch zum Ausdruck, dass die großen Warenterminbörsen in den USA beheimatet sind. Die Eurex bietet neben ETC-Derivaten auch den Handel in Commodity Indizes an. Abbildung 5.6 zeigt Produktgruppen, welche an den US-Warenterminbörsen ge­ handelt werden. Auch hier ist es wichtig, festzustellen, ob die Futures in Cash „gesettled“ oder physisch beliefert werden. Meistens werden beide Varianten angeboten. Die Möglich­

Commodity Futures

Soft Commodity

Weizen, Mais, Zucker, FCOJ, Kaffee

Öle und Gase

Metalle

Energieprodukte

Brent, Diesel

Henry Hub Natural Gas

Light Sweet Crude, Crude Oil

Gold, Silber, Platin, Palladium

Abb. 5.6: Produktgattungen an den US-Warenterminbörsen (Ausschnitt)

Kupfer, Zinn, Zink

5.12 Marktverfassung beim Futures-Trading | 161

keit des Cash Settlement ist für Spekulationszwecke einfacher, da eine physische Be­ lieferung im Vorhinein ausgeschlossen wurde. Bei Futures an exotischen Terminbörsen ist evtl. eine auftretende Zeitverschiebung zu beachten.

5.11 Single Stock Futures Eine andere Gattung von Futures ist ein Single Stock Future, wobei sich dieser auf einzelne Unternehmenswerte als Underlying beziehen. An der Eurex werden bei­ spielsweise Dow-Jones-Euro-STOXX-50® -Unternehmen als Single Stock Futures ge­ handelt. Dabei ist ein Investor in der Lage, wie bei den klassischen Indexfutures auf steigende bzw. fallende Kurse des Underlyings zu setzen. Er hat folglich eine syn­ thetische Nachbildung des Underlyings (in diesem Fall einer Einzelaktie) in seinem Positionsbuch. Vorteil hierbei ist, dass ein Short Selling jederzeit und völlig unkom­ pliziert möglich ist (vgl. Tabelle 5.7). Tab. 5.7: Grundintention von Single Stock Futures Futureposition

Grundeinstellung Underlying

Long Future Short Future

Steigender Aktienkurs Sinkender Aktienkurs

5.12 Marktverfassung beim Futures-Trading Da es gerade beim Handel mit Futures, aber auch mit Optionen wichtig ist, eine Markt­ einschätzung abgeben zu können, wollen wir kurz einen Blick auf das Open Interest werfen. Das Open Interest gibt an, wie viele Kontrakte, in der jeweiligen Optionsse­ rie, eröffnet sind. Jedes Geschäft wird dabei nur einmal gezählt. Dies resultiert aus der Tatsache, dass zu jeder Short Position eine spiegelverkehrte Long Position gehört. Das Open Interest steigt demnach, wenn zwei Marktteilnehmer ein neues Geschäft er­ öffnen. Es sinkt wenn zwei Marktteilnehmer ein Geschäft schließen. Es bleibt jedoch gleich, wenn es zu keiner Nettoveränderung kommt. Also wenn ein anderer Marktteil­ nehmer in die Ursprungsposition eintritt. Setzt man das Open Interest ins Verhältnis zum Umsatz und zum Marktpreis, so lassen sich gewisse Rückschlüsse zur bestehen­ den Marktverfassung ziehen. Tabelle 5.8 fasst die Marktverfassung im Future-Handel nochmals zusammen. Für die Handelszusammenführung der einzelnen Kontrahenten ist die Terminbör­ se zuständig. Über diese werden alle Kontrakte abgewickelt. Somit fungiert diese auch

162 | 5 Futures

Tab. 5.8: Marktverfassung im Future-Handel²³⁵



➢ ➢

➢ ➢





Marktverfassung ➢ ➢

➢ ➢

Umsätze



➢ ➢

Preise





Open Interest

als zentraler Kontrahent und garantiert die Erfüllung der abgewickelten Geschäfte. Die einzelnen Parteien treten nicht direkt in Kontakt, sondern immer über die Ter­ minbörse als Vermittler.

5.13 Wie erfolgt die Preisbildung bei Futures? Die Preisbildung bei Futures ist deutlich schlichter als bei Optionen, da es sich um symmetrische Derivate handelt, welche wie bekannt ist kein Wahlrecht beinhalten. An sich hat ein Investor hat zwei Möglichkeiten: Er kauft entweder ein Portfolio, bestehend aus den Werten, welche auch dem Fu­ ture zugrunde liegen, oder er kauft direkt einen Future. Wenn sich der Investor zum Aufbau des Portfolios entschließt, muss er die Werte analog der Gewichtung im Fu­ ture (bzw. des zugrundeliegenden Underlyings) kaufen und diese genauso lange wie die Future-Position halten. Beim Kauf der Werte entstehen Kosten, auch für die ge­ bundene Liquidität, aber im Gegenzug erhält er gleichzeitig Erträge aus den gekauften Papieren. Alternativ ist, er kauft einen Future auf dasselbe Underlying. Wird der Future-Preis unter den obigen Annahmen, sowie unter der Annahme der Arbitragefreiheit berechnet, müssen Future und Portfolio zum gleichen Ergebnis füh­ ren. Somit lässt sich für die Ermittlung des Future-Preises nachfolgende Formel her­ leiten:²³⁶ Annahmen Preis Index (Kassa) Finanzierungskosten Entgangene Erträge

5.000,00 250,00 100,00

Berechnung Future-Preis

5.150,00

235 Vgl. o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung. 236 Vgl. Eurex AG.

5.13 Wie erfolgt die Preisbildung bei Futures?

| 163

Theoretischer Future-Preis = Spotpreis + (Finanzierungskosten − entgangene Erträge) F0 = S0 + [S0 (r F0 S0 r T−t d t,T

T−t ) − d t;T ] 360

= Future-Preis = Spot-Preis = Risikoloser Zinssatz p. a. = Restlaufzeit eines Futures in Tagen = Erwartete Erträge im Zeitraum t bis T

Die Nettofinanzierungskosten, die sich aus der Differenz zwischen Finanzierungs­ kosten und entgangenen Erträgen (z. B. Dividenden) ergeben, bezeichnen wir als Cost of Carry (CoC) oder Basis.²³⁷ Basis = Kassapreis − Future-Preis Basis = Future-Preis − Kassapreis Die Cost of Carry (CoC) kann positiv oder negativ sein. Sie ist dann positiv, wenn die Rendite höher ist als die Finanzierungskosten, und negativ, wenn die Finanzie­ rungskosten die Rendite übersteigen (vgl. Abbildung 5.9). Je näher der letzte Handelstag des Futures rückt, desto geringer wird die Basis und am letzten Handelstag entspricht der Kassapreis dem Terminpreis. Man spricht nun von der Basiskonvergenz. Denn nun fallen weder Finanzierungskosten als auch ent­ gangene Erträge an. Der Spot-Preis (Preis des Kassainvestment) und der Future-Preis entsprechen sich nun. Sie sind nun konvergent. Tab. 5.9: Future-Basis²³⁸ Spot-Preis ist . . .

Future-Preis ist . . .

Basis ist . . .

...niedriger als Future-Preis ...höher als Future-Preis

...höher als Spot-Preis ...niedriger als Spot-Preis

negativ positiv

Die Berechnung des Future-Preises ist recht unspektakulär. Es werden dabei lediglich dem Kassain­ strument (Underlying Spotpreis) die Kosten für die Terminmarkthaltung aufgeschlagen und im Gegen­ zug die Erträge abgezogen, welche erzielt worden wären, wenn man das Gut nicht auf Termin, sondern

237 Beide Varianten sind möglich und daher hier aufgezeigt. Die Erstgewählte wird in der Literatur (der Logik wegen) öfters verwendet; Vgl. auch John C. Hull Options, Futures and other Derivatives, 2009. 238 Vgl. o. V. Commerzbank O&F Prüfung.

164 | 5 Futures

525

520

515

Preis

510 Spot-Preis des Underlying 505

Future-Preis

500

495

490 1

2

3

4

5

Zeit Abb. 5.7: Basiskonvergenz von Spot- und Future-Preis auf Sicht vor dem letzten Handelstag

540 530

negative Basis

520

Preis

510 500 Spot-Preis des Underlying 490

Future-Preis

480

positive Basis

470 460

Zeit

450 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

Abb. 5.8: Negative oder positive Basis in der Future-Preisbetrachtung

sofort gekauft hätte. Des Weiteren sehen wir, dass bei der Preisberechnung von Futures die Volatilität keine Rolle spielt. Der Future ist ein unbedingtes Delta-1-Instrument und bildet das Underlying immer 1 : 1 ab. Ein Wahlrecht, welches aktiv ausgeübt werden müsste, ist nicht vorhanden. Denn ein Future ist ein unbedingtes Termingeschäft, welches auch unbedingt ausgeübt werden muss.

5.14 Wie erfolgt die Preisbildung bei Fixed Income Futures?

| 165

Die Abbildung 5.9 zeigt abschließend nochmals schematisch den Zusammenhang zwi­ schen Underlying (in diesem Beispiel eine lieferbare Anleihe) und dem Future-Preis auf.

Future-Preis Negative Cost of Carry Preis

Preis der lieferbaren Anleihe Positive Cost of Carry Future-Preis

Tage bis Fälligkeit

0

Zeit

Abb. 5.9: Schematische Darstellung der Basiskonvergenz²³⁹

Futures haben einen großen und schnellen Einfluss auf die Preisfindung von Kassainstrumenten. Dies kommt daher, dass große Investoren eher über die Futures-Märkte (kostengünstig, schnell) handeln. So kommt es öfters vor, dass über die Futures-Märkte Druck auf die Kassamärkte aus geübt wird. Folglich reagieren die Futures-Märkte daher auch schneller auf Marktveränderungen und Anomalien und die Kassamärkte ziehen dann in der Reaktion nach. Hierbei sind die in Kapitel 2 angesprochenen marktpsychologischen und verhaltensökonomischen Modelle zu beachten.

5.14 Wie erfolgt die Preisbildung bei Fixed Income Futures? Die Zinsstrukturkurve hat einen großen Einfluss auf die Preisbildung bei Fixed In­ come Futures. Bei einer vorliegenden normalen Zinsstrukturkurve (eine positive Steigung der Kurve mit dem Laufzeitbereich) beeinflussen kurzfristige Zinsen die Re­ finanzierung einer Anleihen-Investition. Die längerfristigen Zinsen wiederum bestim­ men den Ertrag der Anlage. Folglich ergibt sich, dass der Ertrag höher ist als die zu zahlenden Finanzierungskosten. Der Terminpreis kann somit eine positive Basis auf­ weisen, da der Spot-Preis über dem Terminpreis liegt. In diesem Zusammenhang kann man auch erkennen, dass der Future-Preis günstiger wird, je länger die Laufzeit ei­

239 Quelle: Eurex; Darstellung eigen.

166 | 5 Futures

nes Futures ist. Der umgekehrte Fall geht mit einer inversen Zinsstrukturkurve (ne­ gative Steigung der Kurve mit dem Laufzeitbereich) einher: Die Basis des Futures ist dann negativ und die Finanzierungskosten übersteigen die Haltungskosten. Dies hat zur Folge, dass der Future-Preis mit längerer Restlaufzeit höher notiert (vgl. Abbil­ dung 5.10).²⁴⁰

Preis Jun

Verlauf bei normaler Zinsstrukturkurve Sep Dez Dez Sep Verlauf bei inverser Zinsstrukturkurve

Jun Laufzeit Abb. 5.10: Preisverlauf des Euro-Bund-Futures bei normaler und inverser Zinsstrukturkurve²⁴¹

In Abbildung 5.11 haben wir nochmals die drei möglichen Zinsstrukturkurven zusam­ mengefasst. Der faire Wert eines Fixed Income Future lässt sich wie nachfolgend dargestellt ermitteln: Future-Preis = C t + (C t + c Ct c t0 t rc T T−t act.

t − t0 T−t T−t ) × rc × −c× act. 360 act.

= Aktueller Clean-Preis des Underlyings zum Zeitpunkt t = Anleihecoupon in Prozent = Coupontermin = Valuta = kurzfristiger Finanzierungssatz in Prozent = Valuta Tag = Restlaufzeit Future in Tagen = Tatsächliche Anzahl der Tage im Jahr der Betrachtungsperiode²⁴²

240 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007). 241 o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung. 242 Vgl. o. V. Eurex Fixed Income Handelsstrategien.

5.14 Wie erfolgt die Preisbildung bei Fixed Income Futures?

| 167

Zinssatz

inverse Zinsstrukturkurve flache Zinsstrukturkurve normale Zinsstrukturkurve

Zeit Abb. 5.11: Zinsstrukturkurven²⁴³

Tab. 5.10: Berechnung Fixed Income Futures Annahmen Kassaposition Preisfaktor Kuponzahlung Finanzierungskosten

101,00 1,00 4,00 2,00

Berechnung Future-Preis

95,00

Der Fair Value ist dann gegeben, wenn sich theoretische und aktuelle Basis entspre­ chen. Anders ausgedrückt: Der Future-Preis entspricht dem Preis des Underlyings zu­ züglich der Finanzierungskosten und abzüglich der während der Haltedauer angefal­ lenen Gewinne (Kuponzahlungen). Der Preisfaktor kann erst am Fälligkeitstag seine volle Bedeutung entfalten. Dabei gilt, dass der Preisfaktor größer 1 ist, wenn der Kupon der konkreten Anleihe höher als der Kupon der synthetischen Anleihe ist. Ist der Preisfaktor jedoch kleiner 1, dann ist der Kupon der konkreten Anleihe niedriger als der Kupon der synthetischen Anleihe. Lieferpreis = Schlussabrechnungspreis des Futures × Konvertierungsfaktor der Anleihe + Stückzinsen der Anleihe

243 Quelle: o. V. Frankfurt School of Finance and Management „Wertpapiergeschäft für Wertpapier­ spezialisten“.

168 | 5 Futures

5.15 Was versteht man unter einer CTD-Anleihe? Die CTD (Cheapest to Deliver)-Anleihe ist die Anleihe, aus der Vielzahl der am Markt zur Verfügung stehenden Anleihen (vgl. Abbildung 5.12), welche bei einer Belieferung in den Future eingebracht und schlussendlich zur Belieferung herangezogen wird. Die Bestimmung der CTD-Anleihe wird mit einem Konvertierungsfaktor (Wpys /Wsyn) er­ mittelt. Dieser gleicht, wie bereits angesprochen, die unterschiedlichen Anleihebedin­ gungen (Konditionen des Futures zu: Verzinsung, Laufzeiten etc. der realen Anleihen) aus und schafft somit eine Lieferbarkeit. In der Praxis werden über z. B. Bloomberg und Thomson Reuters die bestimmten CTD Bonds veröffentlicht welche dann ge­ nutzt werden müssen. I. d. R. stehen mehrere Anleihen zur Verfügung. Basis = Kassapreis der Anleihe − (Future-Preis × Konvertierungsfaktor) Die Basis ist bei Belieferung gleich null. Folglich sieht die Formel dann wie folgt aus: Kassapreis der Anleihe Future − Preis = Kovertierungsfaktor Dieser Future-Preis wird als „Nullbasis-Future-Preis“ bezeichnet.

Abb. 5.12: Cheapest to Deliver Anleihen „Euro Bund Future“²⁴⁴

244 Quelle: Thomson Reuters.

5.16 Was versteht man unter Final Settlement? |

169

Integriert man den Konvertierungsfaktor in die bereits aufgezeigte Formel für die Future-Preisberechnung, so ergibt sich folgender Formelausdruck: Theoretischer Future-Preis = KF Ct c t0 t rc T T−t act.

t − t0 T−t T−t 1 [C t + (C t + c ) × rc × −c× ] KF act. 360 act.

= Konvertierungsfaktor = Aktueller Clean-Preis des Underlyings zum Zeitpunkt t = Anleihecoupon in Prozent = Coupontermin = Valuta = kurzfristiger Finanzierungssatz in Prozent = Valuta Tag = Restlaufzeit Future in Tagen = Tatsächliche Anzahl der Tage im Jahr der Betrachtungsperiode²⁴⁵

Es ist anzumerken, dass die meisten Investoren keine Lieferung/Abnahme der Stücke wünschen und deshalb ihre Futures im Vorfeld schließen bzw. einen Roll-Over durch­ führen. Ein Marktteilnehmer muss dann anzeigen, welche Anleihe er liefern wird, wenn er seine Future-Positionen bis zum Final Settlement halten will (Anzeigetag oder Notification Day = letzter Handelstag). Die Lieferung erfolgt dann i. d. R. am zweiten Börsentag nach dem letzten Handelstag. Sie wird analog zu den Aktienoptionen über die Clearing-Stelle vorgenommen. Sollten man eine Belieferung über einen Future wünschen, so ist anzuraten, dass im Vorhinein die Abwicklung mit den jeweiligen Clearingpartnern bzw. Bank/Broker besprochen wird. Damit hier die Prozesse für eine solche vorhanden sind und es während des Liefervorgangs nicht zu prozessbeding­ ten Verlusten kommt.

5.16 Was versteht man unter Final Settlement? Der am letzten Handelstag festgestellte Abrechnungspreis wird auch Final Settle­ ment Price genannt. Zu diesem Preis wird der Future abgerechnet bzw. beliefert. Vor Abschluss eines solchen Geschäfts wird festgelegt (und in den Kontraktspezifikatio­ nen festgehalten), ob ein Future physisch geliefert oder durch ein Cash Settlement ausgeglichen wird. Diese Information sollte in die Investitionsüberlegungen eines In­ vestors miteinfließen. Um sich einer Verpflichtung zu entziehen, ist es definitiv rat­ sam, ein vorzeitiges Closing vorzunehmen und damit eine potenzielle Lieferung zu umgehen. Falls ein Investor aufgrund seiner Grundeinstellung das Geschäft über den

245 Vgl. o. V. Eurex: Fixed Income Handelsstrategien.

170 | 5 Futures

ursprünglichen Verfallstag hinaus verlängern möchte, kann er dies durch einen RollOver realisieren: Er schließt die Ursprungsposition und eröffnet eine neue Position mit einem späteren Verfallstag.

5.17 Welche Verfallstermine gibt es für Futures? In der Regel stehen, wie bereits erwähnt, mindestens drei verschiedene Verfallster­ mine zur Verfügung. So werden zum Beispiel an der Eurex die Futures auf den Dow Jones Euro STOXX 50® immer für die nächsten drei Quartals-Endmonate angebo­ ten. Den nächsten Futures-Verfall nennt man den „Nearby Future“ oder den „Front Month“. Ist der Future zeitlich weiter entfernt, spricht man vom „Back Month“ oder vom „Second-Nearby“ oder „Third-Nearby“.²⁴⁶ Jede Terminbörse hat ihr eigenes Regelwerk und Handelskalender. Aus diesen können Sie entnehmen, welche FutureTermine für die verschiedenen Produkte angeboten werden. Hierbei ist zu beachten, dass z. B. die Fixed Income Futures einen verschobenen Verfallstermin haben und bei den Commodity Futures oft monatliche Verfallstermine vorhanden sind (dritter Freitag eines jeden Monats). Tab. 5.11: Übersicht der möglichen Future-Serien am Beispiel des DJ EURO STOXX 50® Futures²⁴⁷ 1. Möglichkeit 2. Möglichkeit 3. Möglichkeit 4. Möglichkeit

März Juni September Dezember

Juni September Dezember März

September Dezember März Juni

Falls ein Investor beschließt, einen nach dem nächsten Verfallstag liegenden Fu­ ture zu handeln, so muss er beachten, dass sich hierbei die Finanzierungskosten even­ tuell negativ für ihn entwickeln können. Das bedeutet konkret, sie können unter Um­ ständen höher (bei einem Long Future) oder niedriger (beim Short Future) sein. Diese Problematik kann sich auch bei Roll-Over-Positionen in Futures ergeben. Dabei wer­ den auftretende Verluste, die durch die bestehenden Preisunterschiede verursacht wurden, als Roll-Over-Verluste bezeichnet (vgl. Abbildung 5.13). Bedauerlicherweise sind diese Verluste für Investoren nicht zu vermeiden, da sie aus der Preisbildung ent­ stehen und unabhängig von der Strategie sind. Im Folgenden findet sich ein Beispiel für einen Roll-Over-Verlust (nachfolgende Futures sind teurer zu kaufen).

246 Je nach Verfallsrangfolge der zweite oder dritte Verfall, den aktuellen (folglich den Nearby Future) mitgezählt. 247 Vgl. o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung.

5.18 Welche Future-Strategien gibt es? | 171

Preis

Futurepreis 3

Futurepreis 2 = Cost of Carry Futurepreis 1 Zeit

Abb. 5.13: Roll-over-Verlust

5.18 Welche Future-Strategien gibt es? Wie bei allen Termingeschäften liegen auch bei Futures die Hauptmotive in den grund­ legenden Investitionsarten: – Spekulation – Hedging – Arbitrage- und Spread-Handel Es gibt jedoch noch weitere Gründe, warum Future-Märkte wichtig für den Gesamt­ markt sind. Einer davon ist der Leverage-Handel. Durch den geringen Kapitaleinsatz (Initial Margin) bildet sich ein Hebeleffekt; das heißt, der Investor kann mit wenig Einsatz eine große Investition bewegen. Dies ist eigenkapitalschonend. Ein zweiter Vorteil ist, dass er diese nicht nur auf der Käuferseite (Long), sondern auch auf der Verkäuferseite (Short) durchführen kann. Ein dritter Vorteil ist die Erfüllungssicher­ heit der Geschäfte. Das Bonitätsrisiko ist minimiert, da als Geschäftspartner die Clea­ ring-Stelle der Börse eintritt. Diese Tatsache bedingt auch die schnelle Handelbarkeit sowie das Lösen alter Positionen. Ebenfalls zu berücksichtigen sind die kostengünsti­ gen und schnellen Transaktionen, die eine große Breite und Vielfalt von handelbaren Investments abdecken. Somit kann ein Investor schnell und effektiv Geschäfte abwi­ ckeln.

172 | 5 Futures

5.18.1 Long-Future-Position Der Investor rechnet mit einem Steigen des Underlyings, er geht folglich eine LongFuture-Position darauf ein. Sein Gewinn ist die Differenz zwischen dem niedrigen Kauf- und dem höheren Verkaufspreis; dagegen erleidet er bei fallenden Kursen ei­ nen Verlust. Das Chancen- und Gewinnpotenzial einer Long-Position ist analog der eines Long-Underlyings (vgl. Abbildung 5.14).

Gewinn Long Future

positiv Underlying negativ

Verlust Abb. 5.14: Long-Future-Position und seine grafische Darstellung

5.18.2 Short-Future-Position Der Investor rechnet mit einem Sinken des Underlyings und geht daher eine ShortFuture-Position darauf ein. Sein Gewinn ist in diesem Fall die Differenz zwischen dem hohen Verkaufspreis und dem niedrigeren Rückkauf des Futures. Steigt der Future je­ doch gegen die Erwartung des Investors, erleidet er einen Verlust. Der Investor ver­ kauft das Underlying im Falle eines Short-Futures synthetisch (vgl. Abbildung 5.15). Die beiden aufgeführten Future-Spekulationen sind als Grundstrategien anzuse­ hen, auf denen die anderen Strategien aufbauen. An dieser Stelle wollen wir ein paar grundsätzliche Worte zum Future-Investor verlieren. Dieser muss drei unerlässliche Grundeigenschaften für sein Investment mit sich bringen: – Eine hohe Liquiditätsdecke. – Einen hohen Ausbildungs-/Kenntnisstand. – Eine hohe Informationsdichte.

5.18 Welche Future-Strategien gibt es? | 173

Gewinn

negativ Underlying positiv

Short Future Verlust Abb. 5.15: Short-Future-Position und seine grafische Darstellung

Nur wenn er diese drei Voraussetzungen erfüllt, sollte er in Futures investieren. Das Handeln einer Future-Position ist sehr simpel, der Umgang damit aber nicht! FuturePositionen können zum aktiven Spekulieren und zum Hedging verwendet werden. Das Hedging mit einer klassischen Future-Position ist recht eindimensional: Man will sich entweder gegen fallende oder gegen steigende Kurse absichern. Das Absichern gegen fallende Kurse ist klassisch: Ein Investor befürchtet, dass sein Portfolio weniger wert sein wird. Er will sich mittels eines Short Futures absi­ chern. Eine solche klassische Absicherung ist nur möglich, wenn das Portfolio und das Underlying des Futures einander entsprechen. Da dies jedoch meist nicht der Fall ist, wird die größtmögliche Schnittmenge gesucht und mit diesem Future eine Absi­ cherungsstrategie aufgebaut. Eine solche Vorgehensweise nennt man „Cross Hedge“ und diese basiert auf dem Grundgedanken, dass eine möglichst hohe Korrelation zwi­ schen dem gewählten Future und dem Underlying existiert. Zunächst errechnet man die Anzahl der benötigten Future-Kontrakte: Hedge Ratio =

Portfolio 1 × Index − Future − Punkte Indexmultiplikator

Beispiel: Ein Investor hat ein Portfolio in Höhe von 1 Million Euro. Dieses will er gegen Kurs­ rückgänge absichern. Da die im Portfolio enthaltenen Werte am ehesten mit dem Dow Jones (DJ) Euro STOXX 50® zu vergleichen sind, entscheidet er sich für eine Absiche­ rung mittels DJ-Euro-STOXX-50-Future® (FESX).

174 | 5 Futures

Vorab errechnet er zunächst die Hedge-Ratio: Portfolio ) Index =x Indexmultiplikator (

Portfolio ) DJ Euro Stoxx 50 =x Indexmultiplikator

(

(

1.000.000 ) 4450 = 22,47 10

Er muss also 23 DJ-Euro-STOXX-50-Future®-Kontrakte verkaufen, um sich abzusi­ chern. Eine Absicherung gegen höhere Kurse klingt anfänglich etwas irreführend, ist aber durchaus ebenfalls zu erwägen. Nehmen wir an, der Investor erwartet einen gro­ ßen Mittelzufluss in sechs Monaten; aufgrund der augenblicklichen Marktlage ist aber ein Investment momentan günstig. Der Investor sichert sich somit heute das Einstiegs­ niveau ab, obwohl er erst in sechs Monaten sein Investment an der Börse tätigen wird. Diese Art der Absicherung ist vor allem dann vonnöten, wenn der Investor in Zukunft über einen regelmäßigen Liquiditätszufluss verfügen wird. Er geht somit heute schon synthetisch sein Investment ein, welches er erst in sechs Monaten durch die volle Be­ zahlung erfüllen kann. Im Gegenzug zur Absicherung vor einem Preisverfall wird also hier der Future gekauft, da man sich gegen ein Steigen absichern will. In beiden Fällen ist der Investor besorgt, dass sich das Kursverhalten am Kassa­ markt zu seinen Ungunsten ändern wird. Er sichert sich mit den beiden genannten Strategien seinen Ein- bzw. Ausstiegspreis im Investment. Wie wir bereits im Kapitel „Future-Preis“ erläutert haben, bildet sich dieser aus dem Spot-Preis sowie der Cost of Carry. Daher ergibt sich eine Differenz zwischen den Futures auf dasselbe Underlying, aber mit unterschiedlichen Verfallsterminen. Diesen Unterschied nennt man Time Spread. Er resultiert aus der Differenz der Net­ tofinanzierungskosten für die unterschiedlichen Restlaufzeiten. Keinen Einfluss hat die Erwartung des Underlyings für diesen Zeitraum. Diesen Spread kann man sich als Investor zu eigen machen und dadurch eine Investition tätigen.

5.19 Kauf eines Spread Der Future-Investor kauft den frühen Kontrakt und verkauft den auf der Zeitskala spä­ teren Kontrakt. Eine Transaktion könnte zum Beispiel wie folgt aufgebaut werden: Abschlussdaten Februar: Kauf X-Index Verfall März Verkauf X-Index Verfall Dezember

5.21 Inter-Market Spread

| 175

5.20 Verkauf eines Spread Der Future-Investor verkauft den nächstliegenden Kontrakt und kauft den auf der Zeit­ skala späteren Kontrakt. Beispiel: Verkauf X-Index Verfall März Kauf X-Index Verfall Dezember Doch wann ist welche Strategie anzuraten? Grundsätzlich muss hier nochmals unterschieden werden, ob wir einen Future auf einen Kursindex oder einen Performance-Index handeln. Ebenso ist es notwen­ dig, dass sich der Investor Gedanken um die Kursentwicklung des Index sowie die Entwicklung der Nettofinanzierungskosten macht. Tab. 5.12: Spreads²⁴⁸ Indexart

Kurse steigen

Kurse fallen

Performance-Index Kursindex Cost of Carry >0 Kursindex Cost of Carry Basispreis

202 | 6 Optionen

Beispiel: Underlying: 30 Euro Basispreis: 28 Euro Innerer Wert: 2 Euro

Bei einem Put ist ein innerer Wert vorhanden, wenn der Kurs des Underlyings kleiner ist als der Basis­ preis der Option. Underlying Basispreis Kurs Underlying < Basispreis

Kurs Underlying = Basispreis Kurs Underlying = Basispreis

Kurs Underlying < Basispreis Kurs Underlying > Basispreis

Der Realwert einer Option am Ende der Laufzeit kann somit als innerer Wert be­ zeichnet werden. Der innere Wert (IV) kann nicht negativ werden, aber gleich Null sein.

Da aber auch aus dem Geld liegende Optionen einen Wert besitzen, ist noch ein ande­ rer Faktor für die Optionspreisgestaltung von immenser Bedeutung: der Zeitwert.

270 271 272 273

Das Wahlrecht ist am kraftvollsten. Die Funktion des Zeitwertes ist erfüllt. Der innere Wert ist Null und die Option wird nicht ausgeübt. Vgl. o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung.

6.9 Wie erfolgt die Preisbildung von Optionen in der Theorie? |

203

6.9.2 Der Zeitwert (Time Value) Wenn es den Zeitwert (Time Value = TV) nicht geben würde, hätten nur Optionen, die im Geld sind und somit einen inneren Wert aufweisen, einen Preis. Dieser würde dann genau dem „Im-Geld-Betrag“ entsprechen. Der Zeitwert ist die Differenz zwischen dem Optionspreis und dem inneren Wert. Zeitwert = (Optionspreis − innerer Wert)

Der Zeitwert (TV) ist die Optionspreiskomponente, welche die Chance und somit auch die Wahrschein­ lichkeit reflektiert, dass die Option am Ende der Laufzeit im Geld endet.

Der Zeitwert ist umso größer, je länger die Restlaufzeit der Option ist. Diese Aussage ergibt sich aus der Funktion des Zeitwerts. Je länger die Restlaufzeit ist, umso größer ist die Chance, dass die Option im Geld endet und somit am letzten Handelstag einen realen, inneren Wert aufweist. Der Zeitwert nimmt somit mit abnehmender Restlauf­ zeit ab. Die Abnahme des Zeitwertes ist nicht linear, sondern verstärkt sich gegen Ende der Laufzeit (vgl. Abbildung 6.7). Dieses Phänomen lässt sich auch aus der Funktion des Zeitwerts herleiten. Je länger die Chance besteht, dass die Option im Geld endet, desto größer ist der Zeitwert. Im Umkehrschluss gilt auch, dass der Zeitwert schnel­ ler abnimmt, je geringer die Chance wird. Anders ausgedrückt: Die Chance, dass die Option gewinnbringend endet, nimmt aufgrund des herannahenden letzten Handels­

Zeitwert

100

Abb. 6.7: Die Zeitwert-Funktion

Laufzeit der Option in Tagen

0

204 | 6 Optionen

tags von Tag zu Tag schneller ab und verstärkt die Gefahr eines wertlosen Verfalls. Anders ausgedrückt, die Chance (Wahrscheinlichkeit), dass die Option im Geld endet wird geringer. Albert Einstein und der Zeitwert Viele Grundlagen, speziell in den Wirtschaftswissenschaften, beruhen auf der Physik. Albert Einstein hat mit seiner Speziellen Relativitätstheorie (und seiner berühmten Formel E = mc2 ) einen der fundamentalen Grundsteine unseres modernen Denkens und Handelns gelegt. Daher möchten wir an dieser Stelle ein kleines Gedankenexpe­ riment machen. Nach ALBERT EINSTEIN ist es bekannt, dass Zeit nicht linear sondern relativ zum Betrachter respektive zum Raum verläuft (die Zeit bildet eine weitere Di­ mension; Einstein spricht auch von der Raumzeit). Er erklärte diesen Umstand der Zeitdilatation mit den einfachen Worten: „Bewegte Uhren gehen langsamer.“ Die soll bedeuten, dass eine Uhr in einem bewegten Objekt, welches mit annähernd Lichtge­ schwindigkeit fliegt, im relativen Bezugssystem zu einer Uhr im unbewegten Zustand langsamer geht. Daraus schlussfolgernd können wir postulieren, dass eine Option, welche in einem bewegten Körper (zum Beispiel das Raumschiff) abgeschlossen und gehandelt wurde, relativ zu einer Option, welche auf der Erde abgeschlossen wurde (beide bilden das Bezugssystem zueinander), einen relativ zueinander betrachteten langsameren Zeitwertverfall hat.²⁷⁴ Sicherlich, diese Erkenntnis ist von theoretischer Natur, zeigt jedoch auf, dass all die von uns aufgestellten Modelle nur in den von uns als natürlich gegebenen Umge­ bungsdaten Anwendung finden.

time

2

time to maturity

timeline

3

space theta earth theta

1 0 0

200

400 600 time steps

0

800

1000

time to maturity (ttm)

3 2

space ttm earth ttm

1 0 0

200

call theta out of earth perspective

400 600 time steps

800

1000

theta

‒10 ‒20 ‒30 ‒40 0

space theta earth theta 100

200

300

400

500 time steps

600

700

800

900

1000

Abb. 6.8: Zeitwertverfall der beiden Optionen relativ zueinander²⁷⁵ 274 Vgl. Einstein, Albert: Zur Elektrodynamik bewegter Körper. In: Annalen der Physik und Chemie. 17, 1905, S. 891–921. Vgl. Bloss, Michael, Kleinknecht, Manuel: Option Valuation Under the Effect of Time Dilation (January 17, 2016). Available at SSRN: http://ssrn.com/abstract=2716997. 275 Vgl. Bloss, Michael, Kleinknecht, Manuel: Option Valuation Under the Effect of Time Dilation (Ja­ nuary 17, 2016). Available at SSRN: http://ssrn.com/abstract=2716997.

6.9 Wie erfolgt die Preisbildung von Optionen in der Theorie? | 205

Zeitwertverlust Selbst wenn sich der Preis des Underlyings nicht verändert, so konvergiert der Wert der Option gegen seinen inneren Wert, sobald die Fälligkeit der Option näher rückt.

Aus diesen Gründen gelten folgende Faustregeln: Grundsätzliche Lehraussage Optionen mit kurzer Restlaufzeit haben grundsätzlich ein geringeres Risiko als Optionen mit einer längeren Restlaufzeit. Sie eignen sich damit für den Verkauf, da der Zeitwertverfall für einen eher risikoaversen Investor läuft. Die Prämie ist als Risikoaufschlag für die Laufzeit anzusehen und somit gilt: Je höher die Prämie, desto höher das implizite Risiko.

Zuvor haben wir erläutert, dass Optionen, die aus dem Geld sind, keinen inneren Wert haben. Ergänzend müssen wir noch Folgendes klarstellen: Optionen, die tief im Geld liegen, haben fast keinen Zeitwertaufschlag mehr, weil die Funktion des Zeitwertes, dass die Option im Geld endet, bereits erfüllt ist. Die Abbildung 6.9 zeigt den Options­ preis eines Long Calls in Abhängigkeit von der Laufzeit sowie vom Underlyingpreis. Beides sind Variablen und beeinflussen den Optionspreis. Im Downloadbereich dieses Buches findet sich ein Tool zur Berechnung von Optionspreisen, zur Beurteilung der Sensitivitäten des Optionpreis etc. Dieses versetzt Sie in die Lage, hier eigenstän­ dige Beurteilungen vorzunehmen.

3.436,44

0,0

45,2

90,5

135,8

181,0

2.577,33

1.718,22

859,11

0,00 9.000,00 7.750,00 6.500,00 5.250,00 4.000,00 Abb. 6.9: Grafische Darstellung eines Long Calls (Optionspreis)²⁷⁶

276 Quelle: Interactive Data Managed Solutions AG; Commerzbank AG.

206 | 6 Optionen

6.10 Vorzeitige Ausübung von Optionen Der bereits dargestellte Preismechanismus (vgl. auch Abbildung 6.10) macht deutlich, dass es mehr als ungünstig ist, eine Option vor ihrem Verfallstag auszuüben, da sonst der großer Zeitwertbetrag (ein verlorenes Aufgeld) als Verlust eingeht. Lassen Sie uns dies an einem Beispiel aufzeigen: 10 Long-Call-Optionen auf die X-Aktie Basis: 50 Euro Aktienkurs: 55 Euro Optionspreis: 7,50 Euro Laufzeit: 3 Monate Die Ausübung dieser Position würde dazu führen, den Zeitwert von 2,50 Euro (7,50 Optionspreis −5,00 Euro innerer Wert = 2,50 Euro Zeitwert) zu verlieren. Wir würden zwar die Aktien mit 50 Euro kaufen, jedoch 2,50 Euro Zeitwert als Verlust realisieren.

Optionspreis

Zeitwert

Volatilität & Restlaufzeit

Marktzinsveränderung & ggf. Dividenden

Innerer Wert Verhältnis: Strikepreis zum Preis des Underlyings, oder 0, aber nicht negativ

Abb. 6.10: Einflussparameter auf den Optionspreis

Wenn der Investor von einem baldigen Fallen des Underlyings ausgeht und deshalb gerne seinen Gewinn realisieren möchte, ist es zu empfehlen, die Optionsposition zu schließen. Dadurch realisiert er sowohl den Zeitwert als auch den inneren Wert der Option. Die Short-Spekulation in Optionen bezieht sich immer auf den Zeitwert, welcher oft auch als Aufgeld angegeben wird. Doch wann wäre eine vorzeitige Ausübung überhaupt denkbar? Das vorzeitige Ausüben einer Option, ist im theoretischen Falle einer Dividendenzahlung, welche den Zeitwert der Option überschreitet, realisierbar (wenn die Möglichkeit eines Clos­ ing und gleichzeitigem Erwerben der Stücke am Markt nicht möglich ist). Ebenfalls bei der Gefahr einer nahe drohenden Insolvenz des Underlying (im Falle eines Put) oder wenn es an die Ausübung von Aktionärsrechten geht, welche z. B. durch den Kauf am Markt nicht zu realisieren (da diese Stücke nicht vorhanden) sind. An sich kann man schlussfolgern, das vorzeitige Ausüben einer Option ist nur in Sondersituationen (wie oben beschrieben) durchzuführen. Die Sinnhaftigkeit ist

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?

|

207

dann jedoch speziell abzuklären und kann so nicht generell angenommen werden. Generell kann man jedoch sagen, dass das vorzeitige Ausüben einer Option i. d. R. nicht zu empfehlen ist, da dieses mit dem rechnerischen Verlust des Zeitwertes der Option einhergeht, welcher im mathematischen Sinne nicht zu verantworten ist.

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis? 6.11.1 Der Kurs des Underlyings Der Preis des Underlyings hat einen großen Einfluss auf den Optionspreis, da sich der Preis der Option mit diesem bewegt. Ein Call nimmt somit im Preis zu, wenn sich das Underlying verteuert; umgekehrt fällt er, wenn das Underlying preiswerter wird. Beim Put ist dieser Zusammenhang genau umgekehrt. Dieser wird teurer, wenn das Under­ lying sinkt und preiswerter, wenn es steigt. Ergeben tun sich diese Preisveränderun­ gen aus der Tatsache, wie sich die Wahrscheinlichkeit verändert, dass die Option im Geld endet und dann auch ausgeübt wird. Das Recht, ein Gut zu kaufen, wird teurer, wenn das zugrunde liegende Gut (Underlying) teurer wird. Es sinkt im Preis, wenn das Underlying fällt. Das Recht, ein Gut zu verkaufen, wird teurer, sobald das zugrunde liegende Produkt im Preis sinkt (die Versicherungsfunktion tritt ein). Das Recht wird preis­ werter, wenn das Gut steigt.

Dies erklärt auch, warum ein Derivat (als Ableitung einer Grundstruktur) mit dem Preis der Grundstruktur in einer direkten Abhängigkeit steht. Infolgedessen ist eine Preisänderung des Underlyings auch mit einer Preisänderung des Derivats verbun­ den. Da es sich bei Optionen um Derivate mit Wahlrecht handelt, ist die Veränderung nicht wie beim Future 1:1 zu beobachten, sondern entspricht dem Delta der Option.

6.11.2 Die Volatilität Die Volatilität σ (volare = fliegen) ist ein statistisches Maß für die Intensität der Streu­ ung eines Instruments, um dessen Mittelwert, innerhalb eines gewissen Zeitraums. Die Volatilität gibt dabei das Ausmaß der Schwankungen an, jedoch nicht deren Richtung. Bei einer historischen Volatilität von 10 und einem Mittelwert von 100 schwankt folglich ein normalverteiltes Instrument mit einer Wahrscheinlichkeit von 68,26 Prozent zwischen 90 und 110. Wird die Volatilität quadriert, so erhält man die Varianz σ 2 . Zöge man aus dieser wieder die Quadratwurzel, so würde man zur Volatilität zurückkehren. Somit gilt: σ = √σ2

208 | 6 Optionen

Historische Volatilität Allgemeiner Schätzer für die Volatilität: σ=√

1 n ∑ (r i − μ)2 n − 1 i=1

In der obigen Formel zeigt n die Anzahl der Beobachtungen, r i die einzelnen Beobachtungen (z. B. Renditen) und μ den Mittelwert an.²⁷⁷ Wie wir bereits erfahren haben, ist die Volatilität (= Standardabweichung) ein statis­ tisches Maß, das die Stärke der Schwankungen um einem bestimmten Mittelwert, in einem bestimmten Zeitraum misst. Da historische Werte aber nicht unbedingt mit den aktuellen oder gar zukünftigen Annahmen übereinstimmen müssen, gestaltet sich ei­ ne Verwendung dieser Daten als schwierig. Daher gibt es zusätzlich zur historischen Volatilität noch die implizite Volatilität (vgl. Abbildung 6.11).

Spotbewegung

Implizite Volatilität

Historische Volatilität

Optionspreis

Starke Beziehung Schwache Beziehung

Abb. 6.11: Volatilitätsbeziehungen²⁷⁸

Die implizite Volatilität spiegelt die aktuelle Marktmeinung über die Volatilität wi­ der,²⁷⁹ welche je nach Laufzeit der Option oder Wahl des Strikes stark von der his­ torischen Volatilität abweichen kann. Die implizite Volatilität ist somit die aktuelle und am Markt gehandelte Volatilität.

277 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives. 278 Quelle: ZKB Zürich. 279 Wird auch als gefühlte Volatilität bezeichnet, da sie am Markt präsent ist.

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?

|

209

Abb. 6.12: Historische Volatilität

Implizite Volatilität Um die implizite Volatilität in Erfahrung zu bringen, muss sie aus den aktuell ge­ handelten At-the-Money-Optionen abgeleitet werden.²⁸⁰ Dies geschieht anhand des Iterationsverfahrens²⁸¹ aus der Black-Scholes-Formel. Die implizite Volatilität ist die derzeit gehandelte Volatilität und kann daher als Marktkonsens verstanden wer­ den. Nachfolgend zeigen wir die Bestimmung der impliziten Volatilität mit dem New­ ton-Verfahren. Dies kommt immer dann zum Einsatz, wenn die Black-Scholes-Formel nicht analytisch nach der Volatilität aufgelöst werden kann.²⁸² 0 = S0 N(d1 ) − Ke−rT N(d2 ) − c =: f(σ) mit d1 =

ln(S0 /K) + (r + σ 2 /2)T σ√T

und d 2 = d 1 − σ √T c S0 K ln

= Preis der Call-Option = Preis des Underlyings zum Zeitpunkt t = 0 = Basispreis der Option = natürlicher Logarithmus

280 In der Praxis werden OTM- oder ITM-Optionen ebenfalls verwendet, um den sogenannten „Volatility Smile“ der impliziten Volatilität über verschiedene Ausübungspreise zu ermitteln (Vgl. hier­ zu Kapitel 6.16). 281 Das Iterationsverfahren ist ein mathematisches Prinzip, bei dem man sich schrittweise der Lö­ sung annähert. Die Funktion dieses Verfahrens besteht aus der sich wiederholenden Anwendung des gleichen Rechenverfahrens. 282 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

210 | 6 Optionen

e r N σ T

= Basis des natürlichen Logarithmus = risikoloser Zins = kumulative Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung = Volatilität = Restlaufzeit der Option

Wie leicht zu erkennen ist, bildet die Berechnung der Nullstelle der Funktion f ei­ ne Problemstellung (nicht lineare Funktion). Zur Lösung der Nullstellen-Problematik existieren eine Reihe numerischer Iterationsverfahren. Wir wollen an dieser Stelle das sehr schnell konvergierende Newton-Verfahren aufzeigen.

Abb. 6.13: Implizite Volatilität

6.11.3 Das Newton-Verfahren Beim Newton-Verfahren gibt man einen Startwert σ 0 vor. Davon ausgehend werden die weiteren Iterationswerte nach der folgenden Iterationsvorschrift berechnet: σ i+1 = σ 1 −

f(σ i ) , f 󸀠 (σ i )

i = 0, 1, 2, . . .

Im Nenner steht die Ableitung der Funktion f nach σ. Um das Newton-Verfahren hier anwenden zu können, muss die Ableitung f 󸀠 (σ) bestimmt werden. Hierbei ist zu beachten: – Dass die Funktion f über die Faktoren d1 und d2 von σ abhängt. – c eine Konstante ist.

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?



|

211

Die Ableitung der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung N(x) durch die Dichtefunktion der Standardnormalverteilung geben ist.²⁸³ nx =

1 − 1 x2 e 2 √2π

Es gilt: f 󸀠 (σ) = S0 √Tn(d1 )

6.11.4 Volatilitätsbeziehungen Der Zeitwert einer Option ist die volatilitätssensitive Komponente im Optionspreis (vgl. Abbildung 6.11). Grundsätzlich gilt: Je höher die Volatilität, desto höher ist der Zeitwert der Option (zum gegebenen Zeitpunkt). Die Optionspreise steigen bei einem Anstieg der Volatilität und sinken bei ihrem Rückgang. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Volatilität eine negative Korrelation zum zugrunde liegenden Aktienunder­ lying besitzt. Die Abbildung 6.14 zeigt die Volatilität des DAX® für 30 und 250 Tage auf. Daraus ist gut zu erkennen, wie schnell es zu Volatilitäts-Spikes kommen kann und wie diese sich auch wieder zurückbilden.

80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%

30.08.2009

30.12.2008

30.04.2009

30.08.2008

30.12.2007

30.04.2008

30.08.2007

30.12.2006

30.04.2007

30.08.2006

30.12.2005

30.04.2006

30.08.2005

30.12.2004

30.04.2005

30.08.2004

30.12.2003

30-Tage-Volatilität

30.04.2004

30.08.2003

30.12.2002

30.04.2003

30.08.2002

30.12.2001

30.04.2002

30.08.2001

30.12.2000

30.04.2001

30.08.2000

30.12.1999

30.04.2000

0%

250-Tage-Volatilität

Abb. 6.14: Historische 30-Tage- und 250-Tage-Volatilität des DAX® ²⁸⁴ 283 Vgl. Deuflhard P., Hohmann A.: Numerische Mathematik I. Eine algorithmisch orientierte Einfüh­ rung. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, De Gruyter, Berlin, New York 2002. Vgl. Deuflhard Peter: Newton Methods for Nonlinear Problems. Affine Invariance and Adaptive Algorithms., Springer, Berlin 2004. Vgl. Korsinek S.: Implizite Volatilitäten im Black-Scholes-Modell. 284 Vgl. Prexl et al.: Financial Modeling, Stuttgart 2010.

212 | 6 Optionen

6.11.5 Volatility-Forecast Das Schätzen und Herleiten der Volatilität ist seit jeher die komplexeste Aufgabe bei der Berechnung von Finanzinstrumenten. Dennoch spielt gerade dieser Forecast eine grundlegende und tiefgreifende Rolle bei der Bewertung und quantitativen Einord­ nung von Finanzinstrumenten bzw. bei deren Preis-Forecast. Robert F. Engle (1982) und Tim Bollerslev (1986) haben mit ihren Arbeiten Autoregressive Conditional Heteroscedasticity (ARCH) und Generalized Autore­ gressive Conditional Heteroscedasticity (GARCH) hier die Grundlagen für moderne und zielführende Forecast-Modelle vorgelegt. Es handelt sich um klassische stochas­ tische Zeitreihenanalysen (Ergänzender Hinweis: Der vorhandene Random Walk wird im Vorfeld über eine Differenzenbildung in eine stationäre Zeitreihe übergelei­ tet) und deren Modellierung. Hier zeigen schon die Namen der Modelle, dass diese vergangenheitsbezogen und auf Nicht-Konstanz ausgelegt sind. Die Nicht-Konstanz bezieht sich sowohl auf die Volatilitäten wie auch auf Korrelationen. Dabei wird ver­ sucht diese Inkonsistenz zu erfassen und zum Ausdruck zu bringen.²⁸⁵ Stationärer stochastischer Prozess Mit der Stationarität in Prozessen erhält man die Eigenschaften, welche nicht nur für bestimmte Zeitpunkte einer untersuchten Zeitreihe gelten, sondern über diese hinaus für die gesamte Zeit als unveränderlich angenommen werden. Dabei ist sowohl Erwartungswert als auch die Varianz der Zeitreihe zu jedem Zeitpunkt gleich. Es gilt folglich eine zeitliche Unabhängigkeit.

Autoregressive Conditional Heteroskedasticity (ARCH) Robert F. Engle nutzte in seinem ARCH Modell autoregressive Zeitreihen, um einen Volatilitäts-Forecast darzustellen. Engle definiert dies für sein Modell wie folgt: σ 2t = a0 + a1 r2t−1 Es gilt in diesem Fall, dass a0 positiv (a0 > 0) ist und a1 als nicht negativ definiert wird und r als die standardisierte Rendite (Error Term) gilt. Daraus ist zu schließen, dass die Volatilitätsschätzung nie negativ sein kann. Die angenommene Verteilung ist normalverteilt und besitzt einen Mittelwert von Null und eine Varianz von σ 2t . Erweitert man dieses Modell nun um weitere Konstanten (um einer in der Praxis notwendigen Genauigkeit nahe zu kommen; hierbei werden lange Zeitreihen verwen­ det), um einen genaueren Blick auf die Volatilität zu bekommen (in der Vorausset­ zung, dass nicht nur die letzte betrachtete Zeitperiode Einfluss hat), so erhält man

285 Vgl. Hull, J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate; 9. Auflage, Pearson, S. 642 ff.

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?

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213

nachfolgenden Ausdruck.²⁸⁶ q

σ 2t = a0 + a1 r2t−1 + . . . + a q r2t−q = a0 + ∑ a i r2t−1 i=1

Generalized Autoregressive Conditional Heteroskedasticity (GARCH) Ausgehend vom ARCH Modell hat Bollerslave dieses erweitert und generalisiert zum GARCH(1,1) Modell. Dieses bietet größere Flexibilität und die Möglichkeit mit längeren Zeitreihen zu arbeiten. σ 2t = a0 + a1 r2t−1 + βσ 2t−1 Die Konstante a1 bestimmt wie stark die in der Zeitreihe am aktuellsten Daten­ punkte, die Varianzschätzung beeinflussen. β beeinflusst wie schnell sich das Modell dem gleitenden Mittelwert (Mean Reversion) annähert. Wie oben beschrieben, kann man auch hier eine Erweiterung der Datenbasis durchführen GARCH(p,q). q

p

a2t = a0 + ∑ a i r2t−1 + ∑ β i σ 2t−1 i=1

i=1

wobei a0 > 0, a i ≥ 0 und β ≥ 0.²⁸⁷ Erweitert man das bestehende GARCH Modell um eine Hebelwirkung (Leverage Effekt), so erhalten wir die Berücksichtigung der Tatsache, dass bei negativen Nach­ richten, zum Beispiel bei drastisch fallenden Aktienkursen aufgrund einer eingetrete­ nen Negativnachricht (sogenannte Negativ-Shock-Events), eine schnellere und deut­ licher Zunahme der Volatilität zu beobachten ist. Diesen Umstand nennen wir auch asymmetrische Auswirkung auf die Volatilität.²⁸⁸ In der Literatur werden mehrere Abwandlungen des klassischen GARCH Modells beschrieben. Zu den bekanntesten zählen z. B. das von Nelson (1991) entwickelte Exponential GARCH (EGARCH) Mo­ dell das asymmetrische Effekte von Renditen auf die Volatilität berücksichtigt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Non-linear GARCH (NGARCH) Modell von Higgins und Bera (1992).

286 Vgl. LaBarr, A.: Volatility Estimation through ARCH/GARCH Modeling, North Carolina State Uni­ versity, Paper 1456–2014; Engle, R.: Autoregressive Conditional Heteroscedasticity with Estimates of the Variances of United Kingdom Inflation. Econometrica, 987–1007, 1982. 287 Vgl. LaBarr, A.: Volatility Estimation through ARCH/GARCH Modeling, North Carolina State University, Paper 1456–2014; Bollerslev, T.: Generalized autoregressive heteroscedasticity. Journal of Econometrics, 31:307–327, 1986; Bollerslev, T.: A conditionally heteroscedastic time series model for speculative prices and rates of return. The Review of Economics and Statistics, 69:542–547, 1987. 288 Vgl. Heuermann, F.: Das GARCH Modell zur Modellierung von Finanzmarktzeitreihen; Universi­ tät Münster (2010); Vgl. Nelson, D. B., 1991. Conditional Heteroskedasticity in Asset Returns: A New Approach. Econometrica 59: 347–370; Vgl. Tsay, R. S., 2005. Analysis of Financial Time Series – 2nd Ed. Wiley Interscience.

214 | 6 Optionen

Welche Weiterentwicklungen sind derzeit in der wissenschaftlichen Diskussion? Die Anwendung von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) zur Bestimmung der Volatilität ist ein aktuell häufig diskutiertes Thema in der Literatur und Praxis. Diese Methoden werden bei der nicht-parametrische Zeitreihenanalyse verwendet. Zu den gängigsten Modellen zählen SUPPORT VECTOR MACHINE (SVM)²⁸⁹ und ARTI­ FICIAL NEURAL NETWORK (ANN).²⁹⁰ Alan Turing’s Legacy Heute gehen wir mit Begriffen wie künstliche Intelligenz, künstliche neuronale Netzwerke etc. wie selbstverständlich um. Doch an dieser Stelle wollen wir an den Mann erinnern, ohne dessen bahn­ brechenden Ideen und Forschungsergebnisse wir heute nicht an dieser Stelle stehen würden. Ganz zu schweigen davon, welchen großen Anteil er für den Ausgang der wahrscheinlich größten Kata­ strophe im 20. Jahrhundert hatte. Alan Mathison Turing (1912–1954) veröffentlichte 1936 sein Werk: On Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem und im Jahre 1950 das für uns heute noch grundlegende Paper Computing Machinery and Intelligence. Damit legte er den Grundstein zur modernen Informationsgesellschaft. Der von ihm beschriebene Turing-Test zur Bestimmung, ob es sich um eine künstliche oder menschliche Intelligenz handelt, ist legendär und zu einem Stan­ dard geworden. Seine grundlegende Frage: „Can maschines think?“ ist so präsent wie nie zuvor in der Geschichte. In einer Welt, die sich der Disruption, als Technik der Verwandlung zugewandt hat, fällt diese Frage öfters als eine andere. Sein in Kapitel 1 beschriebenes „Imitation Game“ wurde so­ mit zur täglichen Praxis und wird millionenfach jeden Tag in dem nach ihm benannten Turing-Test angewandt. Für die moderne Computational Finance, für das Financial Engineering und die damit verbundenen Grundlagendisziplinen sind Turings Erkenntnisse nicht wegzudenken. Er entwarf Maschinen, die man früher nach ihm „Turing Maschinen“ nannte, heute heißen diese Computer. Er prägte ein ganzes Fachgebiet, das heute den Namen Informatik trägt. Ob er sich dies wohl je­ mals hätte zu träumen gewagt, dass er die Grundlagen für so viele moderne Entwicklungen, gerade auch in der Finance, gelegt hat? Im Jahr 2019 gab die Bank of England bekannt, dass ab 2021 Alan M. Turings Konterfei die 50-Pund-Note zieren wird. In der Zukunft werden immer mehr Entscheidungen von Algorithmen übernommen, welche dann Trades auslösen, Positionen und Risiken managen und Entscheidungen über diese treffen. Aus den getroffenen Entscheidungen werden diese lernen und zu neuen Entscheidungsfindungen kommen. Gerade im Bereich der Mustererkennung sind hier schon viel Dinge möglich. Tradebots agieren als „Agent basierende Systeme“ bereits heute. Neben analysierenden und erkennenden Systemen, werden also auch handelnde und umsetzende Systeme hinzukommen. Individuelle, für den jewei­ ligen Kunden zugeschnittene Lösungen, werden zum Standard werden und die vorkonfektionierten Produktlinien verdrängen. Viele Kosten werden sinken, da diese effektiv so nicht mehr entstehen werden. Risikofrüherkennungssysteme werden ausgereifter arbeiten können. Durch die Möglich­ keit, eine große Anzahl von Daten zu untersuchen, werden diese effektiver sein und emotionslos handeln. Die Abwicklung von Transaktionen wird schneller und effizienter funktionieren. Somit

289 Vgl. Boser, B.; Guyon, I. M.; Vapnik, V.: A Training Algorithm for Optimal Margin Classidiers, 1992. 290 Vgl. Haykin, S.: Neural Networks: A Comprehensive Foundation, Prentice Hall (1999).

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?

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215

schaffen die neuen Möglichkeiten auch neue Entwicklungschancen und Weiterentwicklungen auf allen Ebenen.

Dynamische Korrelation In vielen Bereichen der Finanzmathematik ist die Volatilität ein wichtiger Faktor der einen großen Einfluss auf die Modellqualität hat. Häufig wird eine über die Zeit kon­ stante Volatilität angenommen, um Einflussfaktoren auf die Modellergebnisse bes­ ser erklären zu können. Für die Berechnung der Volatilität wird meist die empirische Bewegung einer Zeitreihe herangezogen da angenommen wird, dass die historische Verteilung die beste Annahme für die zukünftige Verteilung der Zeitreihe ist. Es ist jedoch bekannt, dass die Volatilität einer Zeitreihe über die Zeit variiert und auto­ korreliert. Diese Faktoren werden mit der Annahme einer konstanten Volatilität nur sehr schlecht berücksichtigt. Aus diesem Grund werden Modelle wie unter anderem das GARCH Modell zur Zeitpunkt spezifischen Abschätzung der Volatilität herangezo­ gen. Neben der Volatilität ist auch die Korrelation zwischen Zeitreihen ein entschei­ dender Faktor in statistischen bzw. finanzmathematischen Modellen. Im Folgenden werden wir auf das Dynamic Conditional Correlation (DCC) Modell, welches von Engle (2002) publiziert wurde, näher eingehen. Das DCC Modell baut auf den dyna­ mischen Volatilitäten der GARCH Prozesse auf und bietet sich daher für die Berech­ nung einer dynamischen Korrelation an. Schätzung der dynamischen Korrelation Das von Engle publizierte DCC Modell ist ein multivariates GARCH Modell das die Korrelation zwischen N Zeitreihen schätzt. Wie für das GARCH Modell kann auch beim DCC Modell die Ordnung der Varianz und der Residuen bestimmt werden. Im Folgenden werden wir uns auf das DCC(1,1) Modell beziehen da es sich gut mit einem GARCH(1,1) Prozess verbinden lässt. Das GARCH(1,1) Modell hat sich in einer Ver­ gleichsstudie, durchgeführt von Hansen und Lunde (2005), als ein stabiler Ansatz zur Varianzschätzung herausgestellt.²⁹¹ Unter der Annahme, normalverteilter Zeitreihen kann die bedingte Kovarianz­ matrix zwischen den Zeitreihen wie folgt geschätzt werden:²⁹² Ht = Dt Rt Dt 1/2

Die Komponente D t = diag(h i,t ) ist eine N × N Diagonalmatrix dessen i-thes Element durch den univariaten GARCH Prozess der Zeitreihe i bestimmt wird. Anstelle eines GARCH(1,1) Prozesses für die univariaten Varianzen kann auch ein GARCH(p,q) Modell

291 Vgl. Hansen P. R.; Lunde, A. (2005). 292 Vgl. Engle, R. (2002).

216 | 6 Optionen

mit verzögerten quadrierten Residuen und verzögerten bedingten Varianzen verwen­ det werden. R t ist die zeitlich variierende bedingte Korrelationsmatrix zwischen den Zeitreihen. Ebenso wie für die bedingte Kovarianzmatrix H t folgt auch für die bedingte Korrelationsmatrix R t die Anforderung positiv-definit bestimmt zu sein. Daraus ergibt sich folgende Definition für die bedingte Korrelationsmatrix²⁹³ R t = Q∗t −1 Q t Q∗t −1 wobei Q t die dynamische Korrelationsstruktur beschreibt und Q∗t ist eine N × N Diago­ nalmatrix deren diagonalen Elemente sich aus der Wurzel aus Q t ergeben. Die Werte in Q t ergeben sich wie folgt:²⁹⁴ Q t = (1 − α − β) Q + αϵ t−1 ϵ⊤t−1 + βQ t−1 Die unbedingte Korrelation Q ergibt sich als Erwartungswert aus den standardisier­ ten angepassten Residuen ϵ t = D−1 t r̂t für den Beobachtungszeitraum. Parameter α und β sind reelle Zahlen die für die Berechnung von Q t geschätzt werden müssen. Für das einfachere Schätzen der Parameter ersetzen wir den Abschnitt (1 − α − β)Q durch Omega ω. Gewichtung im DCC Modell Ähnlich wie bei der Schätzung der dynamischen Volatilität mithilfe des GARCH Pro­ zesses, haben bei der Schätzung der dynamischen Korrelation über das DCC Modell neuere Informationen in der Zeitreihe einen größeren Einfluss auf die zu schätzende Zielgröße. Durch einfaches Ersetzen von Q t−i , wobei 1 ≤ i ≤ T und T die Gesamtlänge der Zeitreihe ist, lässt sich erkennen, dass sich das Gewicht für ϵ t−1 ϵ⊤t−1 durch αβ i−1 de­ finiert. Daraus ergibt sich, dass der Einfluss aus ϵ t−1 ϵ⊤t−1 auf die bedingte Korrelation mit dem Parameter β exponentiell abnimmt. Je kleiner β desto schneller reagiert die geschätzte Korrelation auf neue Informationen in der Zeitreihe. Ein hoher β Wert lässt die bedingte Korrelation nur langsam auf ihren langfristigen Durchschnittswert zu­ rücksinken. Für eine positiv-definite Korrelationsmatrix muss die Bedingung gelten α ≥ 0, β ≥ 0. Zusätzlich muss Q0 positiv-definit sein. Ein stabiler DCC(1,1) Prozess setzt voraus, dass α + β < 1. Schätzung der Modellparameter Für die Schätzung des bedingten Korrelationsmatrix müssen die Modellparameter ge­ schätzt werden. Dieser Prozess kann in zwei Teilschritte unterteilt werden. Im ersten

293 Vgl. Engle, R. (2002). 294 Vgl. Engle, R, (2002).

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?

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217

Schritt müssen die Parameter ϕ = (ω1 , α 1 , β 1 , . . . , ω n , α n , β n ) für den univariaten GARCH Prozess geschätzt werden. Im zweiten Schritt werden dann die für das DCC Modell nötigen Parameter φ = (α, β) geschätzt. Bei einem univariaten GARCH(1,1) Prozess kann die Zielfunktion für die Approxi­ mation der Modellparameter, für die Berechnung der bedingten Varianz σ 2it der Zeitrei­ he i = 1, . . . , n und dem Zeitpunkt t ∈ [1, T], als Log-Likelihood Funktion definiert werden: 2 T r̂ 1 N log L (ϕ) = − ∑ (T log (2π) + ∑ (log (σ 2it ) + it2 )) 2 i=1 σ it t=1 Sobald die Parameter für den univariaten GARCH Prozess geschätzt wurden und die bedingte Varianz σ 2it und die diagonale matrix D t berechnet wurden müssen die Parameter für die Berechnung der bedingten Korrelation approximiert werden. Als Zielfunktion für die DCC Parameterschätzung kann folgende Log-Likelihood Funk­ tion verwendet werden:²⁹⁵ log L (φ) = −

1 T ∑ (N log (2π) + 2 log (|D t |) + log (|R t |) + ϵ⊤t R−1 t ϵt) 2 t−1

Der sich aus der Optimierung ergebende optimale α und β Wert für den DCC Pro­ zess wird dann bei der Berechnung der dynamischen Korrelationsstruktur einge­ setzt.

6.11.6 Was ist ein Volatility-Surface? Unter einem Volatilty-Surface versteht man die gesamt Volatilität eines gehandelten Kontraktes in jeder zur Verfügung stehenden Laufzeit und den jeweiligen Zuständen der Moneyness. Über das Volatilitäts-Surface kann man folglich ableiten wie die (hier implizite) Volatilität eines Underlying aufgebaut ist und wie sich diese verändert (z. B. beim Volatility-Shift). Tabelle 6.3 können Sie das Volatility-Surface des DAX® -Index per 24. Juni 2016 entnehmen. Dabei ist die Tabelle so zu lesen, dass in der Mitte die At-the-money Option (ATM) abgetragen wurde und nach rechts die Call- und nach links die Put Options-Vola­ tilitäten aufgezeigt werden. In den Spalten wird die Moneyness (Delta) und in den Zeilen die Laufzeit der jeweiligen untersuchten Optionen abgetragen. Stellt man das ganze grafisch dar, bekommt man die bekannten Volatilitäts-Sur­ face Darstellungen wie in Abbildung 6.15 zu sehen ist.

295 Vgl. Engle, R. (2002).

1W 2W 3W 1M 2M 3M 4M 5M 6M 7M 8M 9M 10M 11M 12M 13M 14M 15M 16M 17M 18M 19M 20M 21M 22M 23M 24M

36,88 39,11 40,86 39,28 38,04 36,30 35,35 34,86 34,35 33,63 33,03 32,64 32,39 32,20 31,97 31,66 31,37 31,11 30,91 30,72 30,40 29,95 29,45 29,06 28,67 28,29 28,04

10D PUT

35,83 37,56 38,90 37,29 35,87 34,15 33,11 32,50 31,94 31,26 30,69 30,31 30,05 29,85 29,61 29,33 29,07 28,83 28,65 28,48 28,23 27,89 27,51 27,22 26,93 26,65 26,45

15D PUT

35,02 36,37 37,40 35,77 34,21 32,51 31,42 30,74 30,14 29,51 28,97 28,61 28,34 28,13 27,89 27,64 27,39 27,18 27,00 26,85 26,63 26,37 26,08 25,86 25,63 25,41 25,25

20D PUT 34,34 35,37 36,16 34,51 32,84 31,17 30,05 29,33 28,70 28,10 27,59 27,25 26,98 26,77 26,54 26,30 26,07 25,86 25,70 25,55 25,36 25,16 24,93 24,76 24,58 24,41 24,27

25D PUT 33,74 34,50 35,07 33,42 31,65 30,01 28,88 28,12 27,49 26,92 26,44 26,11 25,85 25,65 25,42 25,19 24,97 24,77 24,62 24,47 24,31 24,15 23,97 23,83 23,69 23,55 23,44

30D PUT 33,19 33,72 34,10 32,43 30,59 28,98 27,85 27,07 26,43 25,90 25,45 25,13 24,88 24,68 24,46 24,24 24,03 23,84 23,69 23,55 23,41 23,28 23,13 23,02 22,91 22,80 22,70

35D PUT 32,68 32,99 33,20 31,52 29,62 28,04 26,91 26,12 25,49 25,00 24,57 24,27 24,03 23,83 23,61 23,41 23,21 23,03 22,88 22,75 22,61 22,51 22,39 22,31 22,21 22,12 22,04

40D PUT 32,20 32,30 32,35 30,67 28,70 27,17 26,05 25,26 24,64 24,18 23,78 23,50 23,27 23,07 22,86 22,66 22,47 22,30 22,16 22,03 21,91 21,82 21,73 21,66 21,58 21,50 21,43

45D PUT 31,73 31,63 31,54 29,85 27,83 26,34 25,24 24,45 23,85 23,42 23,05 22,79 22,56 22,36 22,15 21,96 21,77 21,61 21,47 21,35 21,23 21,16 21,08 21,01 20,95 20,88 20,81

ATM 31,27 30,99 30,75 29,05 26,98 25,54 24,47 23,69 23,11 22,72 22,38 22,14 21,91 21,71 21,50 21,31 21,14 20,98 20,85 20,72 20,62 20,55 20,48 20,42 20,36 20,30 20,23

45D CALL

Tab. 6.3: Volatilitäts-Surface DAX® Index (Quelle: Thomson Reuters abgerufen am 24.06.2016.)

30,81 30,35 29,98 28,28 26,16 24,79 23,74 22,98 22,42 22,07 21,77 21,55 21,32 21,13 20,92 20,75 20,58 20,43 20,30 20,18 20,09 20,03 19,96 19,91 19,85 19,80 19,74

40D CALL 30,34 29,71 29,21 27,51 25,36 24,04 23,03 22,30 21,77 21,46 21,19 20,99 20,77 20,58 20,38 20,22 20,06 19,91 19,79 19,68 19,59 19,54 19,48 19,43 19,38 19,32 19,27

35D CALL 29,86 29,05 28,44 26,74 24,55 23,30 22,33 21,64 21,15 20,88 20,65 20,48 20,26 20,07 19,87 19,71 19,56 19,43 19,31 19,21 19,12 19,07 19,02 18,97 18,92 18,87 18,83

30D CALL 29,36 28,37 27,64 25,94 23,73 22,56 21,65 20,99 20,55 20,32 20,14 19,99 19,77 19,58 19,38 19,23 19,09 18,96 18,86 18,76 18,68 18,63 18,58 18,54 18,49 18,44 18,41

25D CALL 28,81 27,64 26,80 25,11 22,89 21,80 20,96 20,36 19,96 19,79 19,65 19,53 19,31 19,10 18,90 18,77 18,64 18,52 18,42 18,33 18,25 18,21 18,16 18,12 18,08 18,04 18,02

20D CALL

28,19 26,84 25,89 24,23 22,04 21,03 20,27 19,73 19,39 19,28 19,20 19,11 18,87 18,65 18,43 18,31 18,19 18,08 17,99 17,90 17,83 17,80 17,76 17,73 17,70 17,67 17,67

15D CALL

27,44 25,91 24,89 23,30 21,21 20,24 19,59 19,13 18,84 18,81 18,81 18,74 18,46 18,20 17,96 17,85 17,75 17,65 17,57 17,48 17,42 17,40 17,39 17,37 17,36 17,36 17,39

10D CALL

218 | 6 Optionen

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?

219

|

Volatility Surface

45 40

Volatility

35 30 25 20 15 0 5 10 15 20 25 Delta

30

18

16

14

12

10

8

6

4

2

0

Tenor

Abb. 6.15: Volatilitäts-Surface DAX® -Index per 24. Juni 2016 (gerechnet aus impliziten Volatilitäten der DAX-Optionen an der Eurex)²⁹⁶

6.11.7 Was ist ein Volatilitäts-Shift? Unter einem Volatilitäts-Shift versteht man das Anpassen der Volatilität in gehandel­ ten Produkten (verbrieft und nicht verbrieft) aufgrund einer Volatilitätsveränderung im Markt oder der Volatilitätsabschätzung (zum Beispiel vor Handelseröffnung). Da­ bei kann man zwei Arten von Anpassungen vornehmen: Die lineare Anpassung Unter der linearen Anpassung versteht man eine Anpassung über das gesamte Volati­ litäts-Surface hinweg. Diese ist rein technisch gesehen, die einfachere Variante. Da der Shift alle Gitterpunkte des Surface gleichermaßen hebt oder senkt. Dies bringt jedoch auch den Umstand mit sich, dass der evtl. aufgetretene Schätzfehler sich gleicherma­ ßen über das komplette Surface verteilt. Die nicht-lineare Anpassung Bei der nicht-linearen Anpassung findet eine individuelle Anpassung aller Gitterpunk­ te statt. Dies bringt einen genauere Darstellung der geschifteten Volatilität mit sich und zeigt ein stimmigeres Bild auf. Dafür ist diese Methode deutlich komplexer da jeder Gitterpunkt individuell bestimmt werden muss. 296 Quelle Daten: Thomson Reuters, Grafik: Matlab® ; Darstellung eigen.

220 | 6 Optionen

Trotz der höheren Komplexität nicht-linearer Systeme, empfehlen wir eine nichtlinearen Volatilitätsanpassung. Sie sind häufig präziser als lineare Modelle und bieten so einen besseren Überblick der aktuellen Volatilitätsverteilung. Des Weiteren ist die Anzahl der Schätzfehler deutlich geringer und somit vermindert sich das Handelsrisi­ ko. An diesem Beispiel ist gut zu erkennen, das Komplexität nicht immer einhergeht mit der Zunahme des Risikos sondern mit deren Reduktion. Volatilität-Forecast Die oben beschriebene Komplexität und die Tatsache, dass selbst mit den zielfüh­ rendsten Methoden dennoch Schätzfehler auftreten können macht das Bestimmen der wirklichen und „realen“ Volatilität hoch komplex. Doch gerade diese Schlüsselgröße ist für die Bestimmung des Fair-Value eines asymmetrischen Derivats von großer Be­ deutung. Denn mit der Volatilität verändert sich das gesamte Preisgefüge. Während die anderen Sensitivitäten, wie z. B. das Zinsumfeld etc. einen nicht so direkten, in­ tensiven und zeitnahen Einfluss haben, ist die falsche Annahme einer Volatilität in der quantitativen Einordnung von Derivaten ein Kardinalsfehler und kann sehr schnell zu deutlich falschen Preisen führen. Dumas, Fleming und Whaley führen in ihrer Ar­ beit: Implied Volatility Functions: Empirical Tests aus, dass in der Summe aller Betrachtungen die einfachste Bestimmung der Volatilität sich als die zielführendste herausgestellt hat bzw. diese oftmals ausreicht. An sich kann daraus auch geschlussfolgert werden, dass die gesamte Preisfindung eines Derivats, sich mehr oder weniger (nur) um die Frage dreht, mit welcher Vola­ tilität dieses berechnet wurde und auf welchen Annahmen diese Herleitung basiert. Mit dieser zentralen Fragestellung beginnt jegliche quantitative Einordnung und letzt­ endlich ist diese auch oftmals ausschlaggebend, ob ein Trade zu Stande kommt oder nicht.²⁹⁷ Es geht folgerichtig um die zentralen Fragen: – Wird die von mir angenommene Volatilität bezahlt oder nicht? – Basiert meine Annahme auf korrekten Grunddaten? – Stehen der Preis des Derivats und das durch den Handel eingegangene Risiko, in einer guten oder unverhältnismäßigen Chance-Risiko-Relation zueinander?

6.11.8 Der Marktzins Bei einem steigenden Marktzins (theoretisch: risikoloser Zins) verteuert sich der Preis eines Calls und der des Puts vermindert sich. Dieser Mechanismus gleicht den Marktzinsvorteil bzw. Marktzinsnachteil der verschiedenen Optionsformen aus. So

297 Dumas, Fleming, Whaley: Implied Volatility Function: Empirical Tests; The Journal of Finance, Vol. 53, No. 6 (Dec. 1998), pp. 2059–2106.

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?

|

221

wird ein eventuell resultierender Nachteil aus dem Investment in Optionen gegen­ über dem Direktinvestment oder der direkten Order im Underlying ausgeglichen. Der Marktzins selbst lässt sich aus einer AAA-Bonität mit der dementsprechenden Lauf­ zeit ableiten. In der Praxis werden jedoch Geldmarkt- oder Swap-Sätze aus dem In­ terbankenmarkt als Marktzins verwendet. Grund hierfür ist auch die Tatsache, dass diese fortlaufend erhoben werden und für die jeweiligen Laufzeitenbereiche vorhan­ den sind. Des Weiteren bilden diese die Zinsstrukturkurve in einer genaueren Intensi­ tät ab.

6.11.9 Dividendenauszahlungen Dividendenauszahlungen wirken sich direkt und indirekt auf das Underlying aus. Aufgrund ihres direkten Einflusses führen sie bei Calls zu sinkenden und bei Puts zu steigenden Preisen. Dieser Mechanismus gilt jedoch nur für Optionen des amerika­ nischen Typs, bei europäischen Optionen ist hier kein Effekt zu erkennen. Im Zusammenhang mit Dividendenzahlungen ist es auch wichtig, dass bei In­ dexoptionen die zugrunde liegenden Indizes differieren. Es gibt Performance-Indizes (die ausgeschütteten Dividenden werden rechnerisch wieder in den Index reinvestiert) und Kurs-Indizes (Dividendenzahlungen gehen als Verlust ein und führen somit zu einem Rückgang des Index). Diese Tatsache ist entscheidend, da sie einen direkten Einfluss auf die Optionspreisbestimmung hat (vgl. Tabelle 6.4). Tab. 6.4: Dividendenzahlungen als Einfluss auf den Optionspreis²⁹⁸

Dividendenzahlung

Preis eines Calls

Preis eines Puts

fällt

steigt

6.11.10 Restlaufzeit Wie bereits erwähnt, ist die Restlaufzeit die letzte große Einflusskomponente auf den Optionspreis. Je kürzer die Restlaufzeit, desto größer deren preismindernde Wirkung (vgl. Abbildung 6.16). Der Zeitwert in der Option nimmt exponentiell ab, da die Chance, dass die Option im Geld endet, geringer wird. Somit nimmt der Einfluss des Zeitwertes bei abnehmender Restlaufzeit zu.

298 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007).

222 | 6 Optionen

Wert der Call-Option

Basispreis

Zeitwert

lls s Ca t de Wer

Innere Wert Underlying

Wert der Put-Option

Basispreis

Zeitwert Innerer Wert

We rt d es P uts

Underlying

Abb. 6.16: Darstellung des Zeitwertes innerhalb der Optionen (Call und Put)²⁹⁹

299 Commerzbank AG.

6.11 Welche Einflussfaktoren wirken auf den Optionspreis?

|

223

6.11.11 Einfluss von besonderen Kapitalmaßnahmen Lassen Sie uns an dieser Stelle noch kurz einen Blick auf den Einfluss von Kapital­ maßnahmen auf die Preisfindung werfen. Bei einer Veränderung von Kapitalverhält­ nissen ist es erforderlich, eine Anpassung zu gestalten, welche die beiden Kontrakt­ parteien in dieselbe Situation versetzt wie vor der Kapitalveränderung. Es darf sich folglich kein Unterschied zwischen der Situation vor und nach der Kapitalverände­ rung ergeben. Hierbei unterscheidet man jedoch nach Fusionen und Übernahmen, Sonderdividenden sowie in bar ausgeglichene Kapitalmaßnahmen. Fusionen und Übernahmen Bei Fusionen oder Übernahmen kann es zu verschiedenen ausgesprochenen Ange­ boten kommen. So zum Beispiel zu reinen Aktienangeboten, gemischten Angeboten mit Aktien- und Baranteil oder reinen Barangeboten. Bei einem reinen Aktienangebot sowie bei gemischten Angeboten von mindestens 33 Prozent Aktienanteil erfolgt ein Umtausch entsprechend dem festgelegten Verhältnis der Aktien der übernommenen Gesellschaft in die Aktien der übernehmenden Gesellschaft.³⁰⁰ Die Kontraktspezifika­ tionen werden angepasst. Bei einem Barangebot findet eine Bewertung des Baranteils nach der Fair-ValueMethode statt. Die Optionspreise werden folglich rechnerisch ermittelt und ange­ passt.³⁰¹ Sonderdividenden Bei der Ausschüttung von Sonderdividenden werden diese rechnerisch eingepreist und die Optionspreise dementsprechend angepasst. Es findet gegebenenfalls eine An­ passung der Optionsserien statt. Die Altserien werden von den neuen Serien durch das Einfügen einer Seriennummer (z. B. DAI1³⁰²) abgegrenzt. Barausgleich bei Kapitalmaßnahmen Hier werden die Kontraktspezifikationen angepasst. Oft kommt es in diesem Zusam­ menhang zu „krummen“ Aktienstücken (z. B. 101,654 Aktien). Die Spitzendifferenzen werden hier nun in bar ausgeglichen. Im obigen Beispiel würden folglich 101 Aktien + 0,654 Aktien in bar (als Geldbuchung) im Settlement bezogen werden. Zusammenfassend zeigt die Tabelle 6.5 die klassischen Einflussfaktoren auf die Optionspreisbildung.

300 Deutsches Recht, international können Abweichungen vorkommen bzw. gesonderte Regelungen müssen beachtet werden. 301 Vgl. o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung. 302 DAI1 als Kürzel für Daimler AG + 1 als Seriennummer; die „normale“ Serie wäre nur „DAI“.

224 | 6 Optionen

Tab. 6.5: Klassische Einflussparameter im Überblick³⁰³ Einflussparameter

Optionspreis Call

Optionspreis Put

steigt

steigt

fällt

fällt

fällt

steigt

steigt

steigt

steigt

fällt

fällt

fällt

Restlaufzeit

geht zurück

fällt

fällt

Marktzins

steigt

steigt

fällt

fällt

fällt

steigt

amerikanisch

fällt

steigt

europäisch

gleichbleibend

gleichbleibend

Underlying

Volatilität

Dividendenzahlung

6.12 Greeks – Die Sensitivitäten des Optionspreises Die Sensitivitätsfaktoren, im Fachjargon „Greeks“ genannt, geben an, wie sich die Veränderung eines Einflussparameters auf den Optionspreis auswirkt. Die Tabelle 6.6 zeigt diese im Überblick. Nachfolgend erklären wir die einzelnen Ableitungen näher und gehen auch auf deren Ableitung aus der Black-Scholes-Formel ein. Tab. 6.6: Übersicht der klassischen Greeks Delta

Das Delta gibt den Einfluss einer Preisänderung des Basiswerts auf den Optionspreis an.

Gamma

Das Gamma ist eine Sensitivitätskennzahl des Deltas. Es gibt an, wie sich das Delta bei Preisveränderung des Basiswerts verändert und ist somit die zweite Ableitung.

Theta

Das Theta ist die Sensitivität für den Einfluss der Zeit auf den Optionspreis (Abnahme der Restlaufzeit).

Vega

Das Vega gibt den Einfluss der Volatilität auf den Optionspreis an.

Rho

Das Rho zeigt den Einfluss einer Zinsänderung auf den Optionspreis.

6.12.1 Delta Das Delta einer Option gibt an, inwieweit sich der Preis der Option ändert, wenn sich der Preis des Underlyings verändert. Folglich ist das Delta als direkte Sensitivität des Underlyings auf den Optionspreis zu sehen und spiegelt die Preisveränderung des

303 Vgl. o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung.

6.12 Greeks – Die Sensitivitäten des Optionspreises |

225

Basiswertes im Optionspreis wider. Es gilt: Delta = ∆ =

Absolute Veränderung des Optionspreises δf(S, T) = Absolute Veränderung des Basiswertes δS

Für Long-Call-Optionen kann das Delta Werte im Intervall [0, 1] annehmen (vgl. Abbildung 6.17). Bei Long-Put-Optionen liegen die Werte in einem Intervall von [−1, 0] (vgl. Abbildung 6.17).³⁰⁴

1,0

Underlying

0

Im Geld

Aus dem Geld 0,5

-0,5 Aus dem Geld

Am Geld

Am Geld Im Geld

0

0 Aus dem Geld

Underlying

-1,0

Underlying

1,0

Im Geld -0,5

0,5 Im Geld

Am Geld

Am Geld Aus dem Geld

-1,0

0

Underlying

Abb. 6.17: Darstellung des Delta (Long Call, Short Call, Long Put, Short Put)³⁰⁵

In Tabelle 6.7 sehen wir die Vorzeichenübersicht der jeweiligen Deltapositionen. Wir erkennen, dass das Delta einer Long-Call-Position immer positiv ist und die einer

304 Bitte beachten Sie hierbei, dass die Werteskala zwar bis [-1/1] geht, aber der Wert maximal zu [(-)0,999999. . . ] approximieren kann, den Wert [1] (bzw. [-1]) aber aufgrund des Wahlrechts (Plain Vanilla ohne Zwangsausübung etc.) der Option nicht erreichen kann. 305 Quelle: Commerzbank AG.

226 | 6 Optionen

Short-Call-Position immer negative Werte annimmt. Warum ist das so? Delta positiv entspricht dem Long-Investment im Underlying. Daher ist ein Call, welcher das Recht zum Kauf abbildet, ebenfalls positiv. Ein Short Call ist folglich negativ, da er eine synthetische Negativposition im Underlying vorsieht. Die Vorzeichen auf der Put-Seite müssen dieser Erkenntnis folgend genau spie­ gelverkehrt aufgebaut sein, was sie auch sind. Ein Long Put ist immer mit negativem Vorzeichen versehen, während ein Short Put mit positivem Vorzeichen belegt ist. Tabelle 6.8 gibt einen Überblick über das Werteverhalten des Deltas. Aus dem Black-Scholes-Modell kann das Delta wie folgt berechnet werden: ∆Call = N(d1 ) ∆Put = N(d1 ) − 1 Tab. 6.7: Vorzeichen Call- und Put-Delta

Call Put

Long

Short

+ –

– +

Tab. 6.8: Deltawerte in der jeweiligen Optionssituation³⁰⁶ Optionsposition

Out-of-the-money

At-the-money

In-the-money

Long Call/Short Put Long Put/Short Call

0 bis 0,5 0 bis −0,5

0,5 −0,5

0,5 bis 1 −0,5 bis −1

Das Arbitrage-Portfolio, das dem Black-Scholes-Modell zugrunde liegt, kann gewis­ sermaßen als ein Delta-neutrales Portfolio verstanden werden, bei dem durch lau­ fendes Umschichten des Portfolios zu jedem Zeitpunkt Delta gleich Null ist.³⁰⁷

6.12.2 Gamma Während das Delta die Sensitivität des Optionspreises bei Veränderung des Underly­ ingpreises aufzeigt, informiert das Gamma darüber, um wieviel sich das Delta einer Option verändert, wenn sich der Kurs des zugrunde liegenden Basiswertes um eine Einheit verändert. Das Gamma ist das „Delta vom Delta“ und somit die zweite Ab­ leitung aus dem Optionspreis oder anderes gesagt, die erste Ableitung des Deltas

306 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007). 307 Vgl. Hull, John C.: Optionen Futures und andere Derivate.

6.12 Greeks – Die Sensitivitäten des Optionspreises |

227

0,25

Gamma

0,20

0,15

0,10

0,05

0,00 20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

27

28

29

30

Preis des Underlyings

Preis des Underlyings 20

21

22

23

24

25

26

0,00

Gamma

-0,05

-0,10

-0,15

-0,20

-0,25

Abb. 6.18: Gamma bei Long-Optionen (oben) und Short-Optionen (unten)³⁰⁸

(vgl. Abbildung 6.18). Das Gamma misst folglich die Änderung des Deltas bei der Ver­ änderung des Underlyingspreises. Gamma = Γ =

Absolute Veränderung des Deltas δ2 f(S, T) = Absolute Veränderung des Basiswertes δS2

308 Quelle: Commerzbank AG.

228 | 6 Optionen

6.12.3 Rho Das Rho informiert darüber, wie stark sich der Wert einer Option verändert, wenn es zu einer Änderung des Zinsniveaus kommt. Dabei wird das Rho in absoluten Geldein­ heiten angegeben. Rho = ρ C,P =

Veränderung des Optionspreises δf(S, T) = Veränderung der Kreditkosten δr

0,00 0,00 0,00 -0,01 -0,01 -0,01 -0,01 -0,01 -0,02 -0,02 0,02 0,02 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,00 0,00

Long Call

20

21

22

23

20

21

22

23

24 25 26 27 28 29 30 Preis des Underlyings Preis des Underlyings 24 25 26 27 28 29 30

Short Call

Rho

0,00 0,00 0,00 -0,01 -0,01 -0,01 -0,01 -0,01 -0,02 -0,02

Rho

0,02 0,02 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,00 0,00

Rho

Rho

Dabei gilt, das Rho ist bei einem Long Call/Short Put immer positiv, bei einem Long Put/Short Call stets negativ (vgl. Abbildung 6.19).

20

21

22

23

Preis des Underlyings 24 25 26 27 28 29 30

Long Put

Short Put

20

21

22

23

24 25 26 27 28 29 30 Preis des Underlyings

Abb. 6.19: Rho in seiner grafischen Darstellung³⁰⁹

6.12.4 Theta Das Theta einer Option zeigt auf, wieviel eine Option jeden Tag an Zeitwert verliert, wenn alle anderen Parameter gleich bleiben (vgl. Abbildung 6.20). Die stärkste Sensi­ tivität ist zu messen bei At-the-Money-Optionen mit kurzer Laufzeit. Veränderung des Optionspreises δf(S, T) = Veränderung der Laufzeit δt Beträgt das Theta einer Option 0,25, bedeutet dies, dass die Option „über Nacht“ theoretisch 0,25 Euro an Wert verliert (vgl. Abbildung 6.21).³¹⁰ Wie zu erkennen ist, wird auch das Theta direkt in Geldeinheiten angegeben. Theta = Θ =

309 Quelle: Commerzbank AG. 310 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007).

6.12 Greeks – Die Sensitivitäten des Optionspreises

|

229

Preis des Underlyings 20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

0,00 0,00 0,00

Theta

-0,01 -0,01 -0,01 -0,01 -0,01 -0,02 -0,02

0,02 0,02 0,01

Theta

0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,00 0,00

Preis des Underlyings Abb. 6.20: Theta bei Long-Optionen (oben) und Short-Optionen (unten)³¹¹

6.12.5 Vega Die Veränderung der Volatilität und deren Einfluss auf den Optionspreis werden durch das Vega abgeleitet (vgl. Abbildung 6.22). Die Angabe des Vega findet ebenfalls in absoluten Geldeinheiten stattfindet. Vega = Λ =

Veränderung des Optionspreises δf(S, T) = δσ Veränderung der Volatilität (implizit)

311 Quelle: Commerzbank AG.

230 | 6 Optionen

Zeitwert Am Geld

Theta

{ Im Geld

Aus dem Geld Laufzeit (Tage) Abb. 6.21: Darstellung des Theta³¹²

Beispiel: Wenn eine Option bei einer Volatilität von 25 Prozent ein Vega von 1,7 aufweist, bedeu­ tet dies, dass sich bei einem Anstieg/Rückgang der Volatilität von 25 auf 26 Prozent bzw. von 25 auf 24 Prozent – ceteris paribus – der Wert der Option um 1,7 Geldein­ heiten erhöht/verringert. Demzufolge nimmt das Vega mit abnehmender Restlaufzeit ebenfalls ab (vgl. Abbildung 6.23). Zusammenfassend kann der Tabelle 6.9 die Vorzeichenübersicht der Greeks entnom­ men werden. Tab. 6.9: Vorzeichenübersicht der Greeks³¹³

Long Call Short Call Long Put Short Put

Delta

Gamma

Vega

Theta

Rho

Positiv Negativ Negativ Positiv

Positiv Negativ Positiv Negativ

Positiv Negativ Positiv Negativ

Negativ Positiv Negativ Positiv

Positiv Negativ Negativ Positiv

312 Quelle: Commerzbank AG. 313 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007).

6.12 Greeks – Die Sensitivitäten des Optionspreises

|

231

0,03

0,03

Vega

0,02

0,02

0,01

0,01

0,00

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

28

29

30

Preis des Underlyings Preis des Underlyings 20

21

22

23

24

25

26

27

0,00

-0,01

Vega

-0,01

-0,02

-0,02

-0,03

-0,03

Abb. 6.22: Vega von Long-Optionen (oben) und Short-Optionen (unten)³¹⁴

6.12.6 Die Ableitung der Greeks aus der Black-Scholes-Formel Für eine europäische Option kann aus dem Black-Scholes-Modell (hier inkl. Dividen­ den; ohne entfällt die Diskontierung der Dividenden in den jeweiligen Ableitungen), wie nachfolgend gezeigt, jede der oben dargestellten Ableitungen extrahiert wer­ den:³¹⁵

314 Quelle: Commerzbank AG. 315 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

232 | 6 Optionen

Optionspreis

Am Geld Im Geld } Vega

} Vega

Volatilität in % Abb. 6.23: Darstellung des Vega³¹⁶

Für Call-Optionen gelten: Delta = N(d1 )e−DT Gamma =

N(d1 )e−DT S0 σ√T

N(d1 )σ − DN(d1 )] + rKe−rT N(d2 ) 2√T Vega = S0 e−DT N(d1 )√ T

Theta = −S0 e−DT [

Rho = KTe−rT N(d2 ) Für Put-Optionen gelten: Delta = N(d1 )e−DT − 1 Gamma =

N(d1 )e−DT S0 σ√T

N(d1 )σ − DN(−d1 )] − rKe−rT N(−d2 ) 2√T Vega = S0 e−DT N(d1 )√ T

Theta = −S0 e−DT [

Rho = −KTe−rT N(−d2 ) Die aufgezeigten Ableitungen lassen sich mit dem im Downloadbereich stehenden Excel Tool nach­ vollziehen und aus den jeweiligen Berechnungen ableiten.

316 Quelle: Commerzbank AG.

6.12 Greeks – Die Sensitivitäten des Optionspreises

|

233

Zur besseren Verdeutlichung der Ableitungen führen wir nachfolgend an einem Bei­ spiel einige Szenario-Untersuchungen zum Optionspreis unter Berücksichtigung der jeweiligen Greeks durch. Hierbei nehmen wir an, dass das Underlying bei 1.000 Ein­ heiten notiert und die Veränderungen jeweils unter denselben Rahmenbedingungen ablaufen (Tabelle 6.10).

Abb. 6.24: Black-Scholes inkl. Greeks

Zeitwert Aus dem Geld

Am Geld

Im Geld Delta } Gamma

} Gamma

Laufzeit (Tage)

Abb. 6.25: Der Optionspreis und seine Ableitungen³¹⁷

317 Quelle: Commerzbank AG.

Delta +0,5 +0,5 Gamma +0,0018 −0,0018 −0,0018 +0,0018 Vega +1,40 −1,40 +1,40 −1,40 Theta −0,25 +0,50 −0,25 +0,25 Rho +3,64 −3,64 −3,64 +3,64

1.000 + 1 = 1.001

1.000 + 1 = 1.001 Underlying 1.000 +0,50 +0,50 −0,50 −0,50 Volatilität (+1 %) 15 % auf 16 % 15 % auf 16 % 15 % auf 16 % 15 % auf 16 % Zeit (+ 1 Tag) +1 Tag +1 Tag +1 Tag +1 Tag Zins (+ 1 %) 2,10 % auf 3,10 % 2,10 % auf 3,10 % 2,10 % auf 3,10 % 2,10 % auf 3,10 %

318 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007).

Long Call Short Call Long Put Short Put

Long Call Short Call Long Put Short Put

Long Call Short Call Long Put Short Put

Delta Long Call Delta Short Put Delta Short Call Delta Long Put

Sensitivität der Option

Underlying Preis

Tab. 6.10: Sensitivitäten des Optionspreises (Beispiele)³¹⁸

+200,00 +0,50 = 200,50 Optionspreis Short Call −200 −0,50 = −200,50 Underlying 1.001 (+1) +0,5018 +0,4982 −0,5018 −0,482 Optionspreis alt +10,00 −10,00 +10,00 −10 Optionspreis alt + 10 −10 + 10 −10 Optionspreis alt + 121,30 −121,30 +121,30 −121,30

Optionspreis Long Call

−150 +0,50 = 149,50 Optionspreis Long Put +150 −0,50 = 149,50 Underlying 999 (−1) +0,4982 +0,5018 −0,4982 −0,5018 Optionspreis neu +11,40 −11,40 +11,40 −11,40 Optionspreis neu + 9,75 −9,75 + 9,75 −9,75 Optionspreis neu + 124,94 −124,94 −117,66 −117,66

Optionspreis Short Put

234 | 6 Optionen

6.13 Greeks der nächsten Ordnung

|

235

Tab. 6.11: Sensitivitätsableitungen des Optionspreis³¹⁹

Preis Underlying Volatilität Restlaufzeit Zins

Erste Ableitung

Zweite Ableitung

Dritte Ableitung

Delta Vega Theta Rho

Gamma Vanna & Vomma (Volga) Charm Vera

Colour & Speed Ultima & Zooma

6.13 Greeks der nächsten Ordnung Im Vorangegangenen haben wir hauptsächlich die Greeks der ersten Ordnung (bis auf das Gamma, welches auch der zweiten Ordnung zugehörig ist) besprochen. Nachste­ hend erhalten Sie nun eine Übersicht der Greeks der nächsten Ordnungen, welche zur Steuerung und Beurteilung herangezogen werden. ∂Θ ∂2 V Das Charm = ∂∆ ∂τ = ∂S = ∂τ∂S misst die Veränderungsrate des Deltas in Verbin­ dung mit der vergehenden Zeiteinheit. Somit also den Zerfall des Deltas über die ent­ ∂ν ∂2 V ∂ν ∂2 V sprechende Zeiteinheit. Vanna = ∂∆ ∂σ = ∂S = ∂S∂σ und Vomma = ∂σ = ∂σ 2 messen die Sensitivität gegenüber der Volatilität. Wobei das Vomma die Veränderungsrate misst, ∂ρ ∂2 V deren das Vega bei einer Volatilitätsänderung ausgesetzt ist. Das Vera = ∂σ = ∂σ∂r misst die Veränderungsrate in Bezug auf die Volatilität und die Verzinsung. Speed = ∂Γ ∂3 V ∂S = ∂S3 misst die Veränderungsrate des Gammas, wenn es zu einer Veränderung des zugrunde liegenden Underlyingpreises kommt. Somit kann man auch vom Gamma ∂3 V des Gammas sprechen. Colour = ∂Γ ∂τ = ∂S2 ∂τ wiederrum misst den Gammaverfall 3 ∂vomma = ∂∂σV3 bezeichnet man die ∂σ 3 ∂vanna = ∂S∂ 2V∂σ gibt Auskunft über die ∂S

während der Laufzeit der Option. Als Ultima =

Sensitivität des Vomma und das Zooma = ∂Γ ∂σ = Änderungsrate des Gamma auf die Veränderung der Volatilität. Wie man erkennen kann, sind die Greeks der nächsten Ordnung immer zu Einordnung und Steuerung bzw. zur Erkennung von Sensitivitäten, Brüchen oder Veränderungsraten da. Somit lassen sich Handelsbücher aktiv steuern. Zum Beispiel, wenn über einen Zeitraum oh­ ne wirklichen Handel (Feiertage etc.) eine Delta-neutrale Position aufrecht gehalten werden muss.³²⁰, ³²¹ Bei der Namensgebung in der Literatur werden manche Sensitivitäten, einer nach­ folgenden Ordnung, mit alternativen Namen belegt. Wir haben uns bei der obigen Dar­ stellung für die uns und in der Praxis gängigen Namen entschieden.

319 Vgl.: Ursone, Pierino: How to Calculate Options Prices and Their Greek: Exploring the Black Scholes Model from Delta to Vega; Wiley (2015). 320 Vgl.: Haug, Espen Gaarder: The Complete Guide to Option Pricing Formulas. McGraw-Hill Profes­ sional (2007). 321 Vgl.: Haug, Espen Gaarder: „Know Your Weapon, Part 1“, Wilmott Magazine (May 2003); 49–57.

236 | 6 Optionen

6.14 Was versteht man unter der Put-Call-Parität? Der Optionspreis eines Puts kann aus dem Preis eines Calls abgeleitet werden, denn beide stehen in einem direkten Zusammenhang. Dieser von Hans R. Stoll³²² in „The Relationship Between Put and Call-Option Prices in Journal of Finance” 1969 herge­ leitete Zusammenhang wird als Put-Call-Parität bezeichnet.

Abb. 6.26: Put-Call-Parität

322 Geb. 1939, Inhaber des „The Anne Marie and Thomas B. Walker Jr.“-Lehrstuhl an der Vanderbilt University.

6.14 Was versteht man unter der Put-Call-Parität?

|

237

Die dafür herangezogene Berechnung (Put-Call-Paritätsgleichung) stellt sich wie folgt dar.

6.14.1 Die Put-Call-Paritätsgleichung p + S0 = c + Ke−rT p S0 c K r T

= Preis der Put-Option = Preis des Underlyings = Preis der Call-Option = Basispreis der Option = risikoloser Zinssatz = Laufzeit

Durch Umwandlung entsteht: p = c + Ke−rT − S0 Erweitert man die obige Formel um Dividenden, so erhält man folgende Paritätsglei­ chung: p + S0 = c + Ke−rT + D D = Barwert der während der Laufzeit der Option erwarteten Dividende.³²³

Zur Berechnung der Put-Call-Parität steht im Downloadbereich ein Tool zur Verfügung.

6.14.2 Darstellung der Put-Call-Beziehung mittels eines Duplikationsansatzes³²⁴ Man kann den oben dargestellten Zusammenhang auch mittels eines Duplikations­ portfolios (vgl. Kapitel 2.7.2) beweisen. Hier gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, welche wir kurz aufzeigen möchten: Möglichkeit 1: Es wird ein Portfolio, bestehend aus einer risikolosen, festverzinslichen Anlage (Ze­ robond) und bestehend aus Call-Optionen auf einen bestimmten Basiswert, gebildet. Die festverzinsliche Anlage ist hierbei der Floor (Preisuntergrenze) bzw. die Liquidi­ tätskomponente. Mit den Call-Optionen kann man darüber hinaus an einem mögli­

323 Vgl. Hull, John C. Options, Futures and other Derivatives. 324 Bachhuber, Heiko (2012).

238 | 6 Optionen

chen positiven Kursverlauf des Basiswerts partizipieren, da die Option bei einem An­ steigen des Basiswertes ebenfalls steigen wird. Diese Vorgehensweise wird in der Pra­ xis synthetischer Hedge genannt, da die Long Gesamtposition synthetisch generiert wird. Möglichkeit 2: Es wird ein aus Aktien bestehendes Portfolio mit dem Einsatz von Put-Optionen ab­ gesichert, wobei sich das gleiche Auszahlungsprofil wie im davor erwähnten Portfolio ergibt. Diese Vorgehensweise wird als „Protective Put“ bezeichnet. Das Risiko, dass die Aktien im Wert fallen, wird durch den Long Put, welcher dann im Wert steigt, aus­ geglichen. Wir haben folglich hier die Versicherungslösung nach unten gewählt.³²⁵

6.15 Wie wird der Optionspreis nach dem Black-Scholes-Modell bestimmt? Fischer S. Black und Myron S. Scholes haben 1973 ein relativ einfaches, aber sehr elegantes Standardmodell zur theoretischen Berechnung von Optionspreisen entwi­ ckelt. Dieses hat sich schnell als sehr praxisrelevant herausgestellt und ist heute aus keiner Plain-Vanilla-Optionspreisberechnung mehr wegzudenken. Der Grundgedan­ ke des Black-Scholes-Modells ist, dass, bestehend aus einer Option sowie einer va­ riablen Gegenposition, ein Portfolio aus Aktien und festverzinslichem Anteil gebildet wird, sodass sich der Gewinn bzw. Verlust der einen Position durch die Gegenposi­ tion neutralisiert. Dabei erwirtschaftet das risikolose Portfolio den risikolosen Zins­ satz. Heute preisen alle Terminbörsen ihre Optionen im Ansatz mittels des von Black und Scholes entwickelten Preismodells, welches auf einem kontinuierlichen stochas­ tischen Prozess beruht und z. B. hinsichtlich Dividendenzahlungen und anderen Mo­ dellierungsoptionen eine Weiterentwicklung gefunden hat.³²⁶ Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass Robert C. Merton ebenfalls mitgearbeitet, jedoch eine eigenständige Veröffentlichung³²⁷ angestrebt hat. Merton und Scholes erhielten für das Modell 1997 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaf­ ten.³²⁸ Da Fischer Black bereits 1995 verstorben war, konnte ihm diese Auszeichnung nicht mehr zuteil werden. Im Rahmen der Nobelpreisverleihung erfuhr er eine post­ hume Würdigung. 325 Vgl. Hull, John C. Options, Futures and other Derivatives 286 ff. 326 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives. 327 Das Black-Scholes-Merton-Modell beinhaltet bekannte Dividendenzahlung des Underlyings und ist somit die Weiterführung der klassischen Black-Scholes-Formel, welche von einem dividendenlosen Titel ausgeht. Diese Dividendenerweiterung ist wohl auf Robert C. Merton zurückzuführen. 328 Im Original: Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel.

6.15 Wie wird der Optionspreis nach dem Black-Scholes-Modell bestimmt? |

239

6.15.1 Annahmen des Black-Scholes-Modells³²⁹ –

– – – – – –



Der Kapitalmarkt kann als vollkommen angesehen werden: – Informationen sind allen Investoren gleichermaßen zugänglich. – Es existieren keine Eintrittsbarrieren, die dem Markteilnehmer einen freien Zutritt zu allen Märkten verwehren würden. – Es gelten somit friktionslose Märkte, folglich wird vom Paradigma der neo­ klassischen Finanztheorie ausgegangen. – Arbitrage-Gewinne sind nicht möglich. – Es existieren keine Informations- und Transaktionskosten. – Es existieren geleichwohl keine Steuern. Die Rendite des Underlying ist normalverteilt und die Standardabweichung (σ) der Rendite (µ) ist konstant. Die Volatilität des Underlying bleibt während der Laufzeit konstant und ist im Voraus bekannt. Alle behandelten Optionen können nur am Laufzeitende ausgeübt werden und sind daher europäische Optionen. Es kommt während der Laufzeit zu keiner Dividendenzahlung. Alle Assets und Derivate sind beliebig teilbar und reagieren preislich nicht auf eine sich verändernde Liquidität am Markt. Geldanlagen sowie Kredite sind beide in unbegrenzter Höhe zum risikolosen Zins möglich. Der risikolose Zins bleibt hierbei während der Laufzeit konstant und be­ kannt. Leerverkäufe sind unbegrenzt und jederzeit möglich.

6.15.2 Die Black-Scholes-Formel Unter der Prämisse der oben aufgeführten Annahmen haben Black und Scholes so­ wie Merton das folgende Modell zur Bestimmung des „Fair Value“ einer Call-Option europäischen Typs ohne Dividendenzahlung entwickelt:³³⁰ c = S0 N(d1 ) − Ke−rT N(d2 ) d1 =

c

ln(S0 /K) + (r + σ 2 /2)T σ√T d 2 = d 1 − σ √T

= Preis der Call-Option

329 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives. 330 Black, Scholes: The Pricing of Options and Corporate Liabilities, The Journal of Political Economy, Vol. 81, Issue 3, (1973), 637–654; Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

240 | 6 Optionen

S0 K ln e r N σ T

= Preis des Underlyings zum Zeitpunkt T = 0 = Basispreis der Option = natürlicher Logarithmus = Basis des natürlichen Logarithmus = risikoloser Zins bei stetiger Verzinsung = kumulative Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung = Volatilität des Underlyings = Restlaufzeit der Option

Für den Wert einer Put-Option p ergibt sich folgende Formel: p = Ke−rT N(−d2 ) − S0 N(−d1 )

6.15.3 Herleitung der Black-Scholes-Formel³³¹ Um die Black-Scholes-Formel herzuleiten kann entweder über die Differentialglei­ chung gelöst werden oder man verwendet den Ansatz der risikoneutralen Bewer­ tung.³³² Wir werden nun die Gleichung anhand der risikolosen Bewertung ableiten. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit beträgt der Erwartungswert (E)̂ einer europäischen Kauf­ option c in einer risikoneutralen Welt: ̂ E[max(S T − K, 0)] Dies stimmt mit den bereits gemachten Überlegungen überein. Der Wert dieser Option zu einem Zeitpunkt T ist der mit dem risikolosen Zinssatz diskontierte Erwartungs­ wert: ̂ c = e−rT E[max(S T − K, 0)] Der komplexe Beweis hierfür ist den mathematischen Standardwerken zu entneh­ men.³³³ Wir interpretieren aufgrund der gegebenen Gleichung. Hierfür wird die Gleichung zunächst umgestellt: c = e−rT [S0 N(d1 )erT − KN(d2 )] Unter der Annahme einer risikoneutralen Welt kann die Wahrscheinlichkeit der Ausübung der Option durch den Ausdruck N(d2 ) beschrieben werden. Der Term KN(d2 ) besteht somit aus dem Ausübungspreis und der Wahrscheinlichkeit, dass es zur Auszahlung des Ausübungspreises kommt. Der Term S0 N(d1 )erT beschreibt den

331 Bachhuber, Heiko (2012). 332 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives. 333 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

6.15 Wie wird der Optionspreis nach dem Black-Scholes-Modell bestimmt? | 241

Erwartungswert einer Variablen. Diese entspricht in einer risikoneutralen Welt dem Aktienkurs zum Zeitpunkt T(S T ), sofern S T > K ist, sonst nimmt sie den Wert null an. Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei um ein dividendenloses Underlying handeln muss.³³⁴

6.15.4 Das Black-Scholes-Merton-Modell mit Dividenden³³⁵ Erweitert man das oben stehende klassische Black-Scholes-Modell an der Stelle S0 durch S0 e−DT , so erhält man den Preis c einer europäischen Call-Option und für p den Preis einer europäischen Put-Option, welche eine Dividendenrendite D berücksich­ tigt. Diese Erweiterung geht wohl auf Robert Merton zurück und wird daher in der Literatur oft differenziert auch das Black-Scholes-Merton-Modell bezeichnet bzw. hierbei wird meist sein Name mit genannt. Ansonsten hat sich der Name Black-Scho­ les-Modell sehr etabliert. Robert Merton hat mit seinem Modell bewiesen, wie man die Black-ScholesFormel modifizieren muss, um Dividendenzahlungen gerecht zu werden. Anstatt der einmaligen Dividendenzahlungen pro Quartal oder Halbjahr geht Merton in seinem Modell von fortlaufenden Zahlungen aus. Im Wesentlichen bedeutet die Anpassung, dass die Dividenden als negative Zinsen betrachtet werden. Dadurch verringert sich der Wert des Underlyings kontinuierlich und nicht wie bei Dividendenausschüttung auf einmal. Das von Merton entwickelte Modell lässt sich besonders gut auch auf Optionen von Investitionsobjekte wie Fremdwährungen anwenden. Bei diesen Optio­ nen wird die Fremdwährung behandelt, als ob sie fortlaufend Dividenden in Höhe des Fremdwährungszinses ausschüttet.³³⁶ Merton erweiterte also die allgemeine BlackScholes-Formel, um sie auch für europäische Optionen auf Aktien mit Dividenden­ zahlungen anwendbar zu machen. Die Zahlung einer Dividende reduziert den Preis der Aktie am Tag der Ausschüttung um die Höhe der Zahlung. Wird stattdessen die Dividendenrendite³³⁷ D verwendet, so ist das Wachstum des Aktienpreises um den Faktor D kleiner, als er ansonsten wäre. Zum Zeitpunkt null hat somit eine Aktie mit Dividendenrendite D den Kurs S0 und steigt zum Zeitpunkt T auf S T . Ohne Dividende steigt der Kurs der Aktie zum Zeitpunkt null S0 auf S T eDT zum Zeitpunkt T. Optional würde der Preis der Aktie ohne eine Dividende zum Zeitpunkt null von ursprünglich S0 e−DT auf S T zum Zeitpunkt T steigen. Dies zeigt, dass in jedem der beiden folgenden Fälle die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Aktienkurses für den Zeitpunkt T iden­ tisch ist.³³⁸

334 335 336 337 338

Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives. Bachhuber, Heiko (2012). Vgl. Kolb & Overdahl (2007), S. 458. Die Dividendenrendite ist nichts anderes als das Verhältnis der Dividende zum Aktienkurs. Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

242 | 6 Optionen

a) Der Preis der Aktie zum Zeitpunkt null ist S0 und die Aktie hat eine Dividenden­ rendite von D. b) Der Preis der Aktie zum Zeitpunkt null ist S0 e−DT und die Aktie hat keine Dividen­ denrendite. Daraus folgt, dass bei der Bewertung zum Zeitpunkt T einer europäischen Aktienopti­ on mit Dividendenrendite D der momentane Aktienkurs von S0 auf S0 e−DT verringert wird. Im weiteren Verlauf wird die Option behandelt, als ob es sich um eine Aktie ohne Dividendenzahlung handeln würde.³³⁹ c = S0 e−DT N(d1 ) − Ke−rT N(d2 ) p = Ke−rT N(−d2 ) − S0 e−DT N(−d1 ) Wegen ln (

S0 e−DT S0 ) = ln − DT K K

ändern sich die Parameter d1 und d2 zu d1 = d2 = c p S0 K ln e r D N σ T

ln ( SK0 ) + (r − D +

σ2 2 )T

σ√T ln ( SK0 )

+ (r − D − σ√T

σ2 2 )T

= d 1 − σ √T

= Preis der Call-Option = Preis der Put-Option = Preis des Underlyings zum Zeitpunkt T = 0 = Basispreis der Option = natürlicher Logarithmus = Basis des natürlichen Logarithmus = risikoloser Zins = Dividendenrendite = kumulative Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung = Volatilität = Restlaufzeit der Option

Als D wird die durchschnittliche jährliche Dividendenrendite während der Laufzeit der Option betrachtet. Somit ist das obige Modell auch dann gültig, wenn die Dividen­ denrendite während der Laufzeit zwar bekannt, aber nicht konstant ist.³⁴⁰ Wir berechnen den Preis einer Call-Option europäischen Typs ohne Dividenden­ zahlung (vgl. hierzu auch Abbildung 6.28 jedoch hier mit Dividendenzahlung) mit den nachfolgenden Parametern: 339 Bachhuber, Heiko (2012). 340 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

6.15 Wie wird der Optionspreis nach dem Black-Scholes-Modell bestimmt? | 243

Preis des Underlyings Basispreis der Option Laufzeit der Option Risikloser Zinssatz Dividenden Volatilität

61,73 Euro 60 Euro 1 Jahr = 12 Monate 1% 2,30 % 34 %

Abb. 6.27: Berechnung des Optionspreises nach Black, Scholes

6.15.5 Herleitung der Differentialgleichung nach Black, Scholes, Merton³⁴¹ Für die Herleitung der Black-Scholes-Merton-Differentialgleichung,³⁴² wird für das Underlying der bereits beschriebene Prozess einer geometrisch Brownschen Bewe­ gung zugrunde gelegt: dS = μS dt + σS dz

341 Bachhuber, Heiko (2012). 342 Bei einer Differentialgleichung ist die Unbekannte eine Funktion und folglich keine Zahl. Sie kann außerdem eine oder mehrere Ableitungen der Funktion beinhalten. Es wird grundsätzlich zwischen der gewöhnlichen Differentialgleichung, wo die Funktion eine einzige Variable besitzt, und der par­ tiellen Differentialgleichung unterschieden, bei der die Funktion eine Unbekannte von mindestens zwei Variablen ist. Vgl. Böker, Fred; Formelsammlung für Wirtschaftswissenschaftler, Pearson.

244 | 6 Optionen

Abb. 6.28: Berechnung des Optionspreises nach Black, Scholes, Merton (mit Dividenden)

Zusätzlich ist f der Preis eines Derivates, welches durch die stochastischen Eigen­ schaften von S selbst ebenfalls stochastisch ist. Der Wert dieses Derivates f kann so­ mit auch als Funktion von S und t dargestellt werden. Eine Funktion in Abhängigkeit dieser beider Variablen wurde bereits im Abschnitt 6.15.4 mit dem Lemma von Ito¯ erarbeitet. Die Gleichung lautet somit: df = (

∂f ∂f ∂f 1 ∂2 f 2 2 μS + + σS dz σ S ) dt + ∂S ∂t 2 ∂S2 ∂S

Diese wird nun in ein diskretes Modell umgewandelt: ∆S = μS∆t + σS∆z ∆f = (

∂f 1 ∂2 f 2 2 ∂f ∂f μS + + σS∆z σ S ) ∆t + ∂S ∂t 2 ∂S2 ∂S

Betrachtet man einen kurzen Zeitintervall ∆t, so beschreiben ∆S und ∆f jeweils ei­ ne Veränderung von f und S. Der Preisverlauf des Derivates f und auch der Aktienkurs folgen einem Wiener-Prozess. Aus diesem Grund ist ∆z in beiden Gleichungen iden­ tisch. Um diesen Unsicherheitsfaktor zu eliminieren, wird zunächst ein Portfolio Π, bestehend aus einer Short-Position im Derivat und einer Long-Position mit ∂f/∂S Ak­ tien, synthetisiert: ∂f Π = −f + S ∂S

6.15 Wie wird der Optionspreis nach dem Black-Scholes-Modell bestimmt? |

245

Die Wertänderung des Portfolios ∆Π in einem Zeitabschnitt ∆t ist demnach ∆Π = −∆f +

∂f ∆S ∂S

Im nächsten Schritt werden die Gleichungen eingefügt und vereinfacht: ∂f 1 ∂2 f 2 2 ∂f μS − − σ S ) ∆t ∂S ∂t 2 ∂S2  ∂f  ∂f  ∂f  −  σS∆z + μS∆t+  σS∆z ∂S ∂S ∂S  ∂f  1 ∂2 f 2 2 ∂f  ∂f  ∆t − μS∆t σ S ∆t+  ∆Π = − μS∆t − 2 ∂t 2 ∂S ∂S ∂S ∂f 1 ∂2 f 2 2 ∆Π = (− − σ S ) ∆t ∂t 2 ∂S2 ∆Π = (−

In dieser Gleichung wird ∆z vollständig eliminiert, was bedeutet, dass in einem kleinen Zeitabschnitt ∆t das Portfolio risikolos ist. Aus der Annahme eines vollkom­ menen Kapitalmarktes können Arbitrage-Gewinne ausgeschlossen werden. Das risi­ kolose Portfolio muss demnach die gleiche Rendite haben wie eine vergleichbare kurz­ fristige risikolose Anlage. ∆Π = rΠ∆t Der risikolose Zinssatz wird durch r beschrieben, und setzt man die Gleichungen in die Gleichung, so erhält man die berühmte Black-Scholes-Merton-Differential­ gleichung: ∂f ∂f 1 ∂2 f 2 2 − S) ∆t σ S ) ∆t = r (−f + (− 2 ∂t 2 ∂S ∂S (−

∂f 1 ∂2 f 2 2 ∂f t = (−rf + t σ S ) ∆ ∆ − rS)  2 ∂t 2 ∂S ∂S ∂f ∂t

+

1 ∂2 f 2 2 2 ∂S2 σ S

+

∂f ∂S rS

= rf

Diese Gleichung hat mehrere Lösungen, da verschiedene Derivate basierend auf S als Variable bestimmt werden können. Die gegebenen Randbedingungen (Boundary Conditions) haben entscheidenden Einfluss auf die besondere Lösung für ein spezi­ elles Derivat. Sie bestimmen demnach den Wert, den ein Derivat an der Grenze der für S und t möglichen Werte annimmt. Für eine europäische Kaufoption gilt folgende Randbedingung f = max(S − K, 0) , für t = T und für eine europäische Verkaufsoption f = max(K − S, 0) ,

für

t=T

Das für die Herleitung der Gleichung verwendete Portfolio ist nicht kontinuierlich risikolos, sondern nur für einen kleinen Zeitabschnitt. Sobald sich S und t verändern,

246 | 6 Optionen

variiert auch ∂f /∂S. Um zu garantieren, dass das Portfolio kontinuierlich risikolos ist, müssen die relativen Anteile an Derivaten und Aktien ununterbrochen angepasst werden.³⁴³

6.16 Wie wird der Optionspreis nach dem Binomialmodell bestimmt? Die amerikanischen Professoren John C. Cox, Stephen Ross und Mark Rubinstein entwickelten im Jahr 1979 ein diskretes Modell zur Modellierung von Wertpapierkur­ sen und dadurch auch zur Bestimmung von Optionspreisen. Es eignet sich somit zur Bestimmung von Optionspreisen von Optionen des amerikanischen Typs. Der Optionspreis wird beim Steigen und beim Fallen des Underlyings bewertet bzw. die Preisstruktur wird im Optionsbaum abgetragen (vgl. Abbildung 6.29). Im Ein­ periodenmodell beginnt es mit einem Szenario in t = 0 und endet mit zwei Szena­ rien in t = 1. Letztendlich existieren nur zwei unterschiedliche Endszenarien, da­ her spricht man von einem Binomialschritt. Dabei stellt S das Ausgangsszenario dar, S u das Szenario bei steigenden und S d das Szenario bei fallenden Kursen des Under­ lyings.³⁴⁴ t=0

t=1

Su S

Sd

Abb. 6.29: Binomialschritt im Einperiodenfall

6.16.1 Grundvoraussetzungen des Binomialmodells Das von Cox, Ross und Rubinstein aufgestellte Modell geht von folgenden Grundan­ nahmen aus:

343 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives. 344 Vgl. Cox, Ross, Rubinstein: Option Pricing: A simplified Approach; Journal of Financial Encono­ mics 7 (1979) 229–263.

6.16 Wie wird der Optionspreis nach dem Binomialmodell bestimmt? | 247

– – – – – –

Cox, Ross und Rubinstein gehen von vollkommenen Märkten aus, in denen es weder Transaktionskosten, Steuern noch Einschusserfordernisse gibt. Der Erlös aus Leerverkäufen steht dem Investor sofort zur Verfügung. Die vorhandenen Handels-Gegenstände sind alle beliebig teilbar. Es gibt nur einen einheitlichen Zinssatz für Ausleihungen wie auch Anlagen. Für jedes Betrachtungsintervall sind Kursanstiege, Kursabstiege und der risikolo­ se Zinssatz bekannt. Arbitrage-Gewinne sind nicht möglich.

gestiegener Aktienkurs Su

u S0 derzeitiger Aktienkurs

d Sd gefallener Aktienkurs

Abb. 6.30: Binomialschritt im Aufbau

Eine weitere anfängliche Annahme in diesem Modell ist, dass der Preis eines Un­ derlyings entweder um den Faktor u steigen (u = up) oder um den Faktor d fallen (d = down) kann. Für beide Szenarien gibt es eine Wahrscheinlichkeit (q) bzw. (1 − q) (vgl. Abbildung 6.30). Dem von Cox, Ross und Rubinstein aufgestellten Modell liegt ein diskreter stochastischer Prozess zugrunde gelegt. Dies unterschei­ det es vom Black-Scholes-Modell, dem ein stetiger stochastischer Prozess zugrunde liegt.³⁴⁵

6.16.2 Aufbau eines Trees Zum konkreten Aufbau eines Trees geben wir hier ein Beispiel: Eine Aktie kostet in diesem Beispiel und zur aktuellen Zeit 50 Euro. Somit bildet diese das Szenario bei S0 = 50. Diese kann in einer Periode nun den Preis S1u = 51, dies entspräche dann einem Optionspreis von 1 Euro, oder S1d = 49, was einem Opti­ onspreis bei null entspricht, annehmen (vgl. Abbildung 6.31).

345 Vgl. Cox, Ross, Rubinstein: Option Pricing: A simplified Approach; Journal of Financial Econom­ ics 7 (1979) 229–263; Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

248 | 6 Optionen

gestiegener Aktienkurs u

51

50 derzeitiger Aktienkurs

d 49 gefallener Aktienkurs

Abb. 6.31: Erster Binomialschritt

6.16.3 Umsetzung des Binomialmodells Beim Binomialmodell handelt es sich, wie bereits besprochen, um ein diskretes Mo­ dell zur Bestimmung des Optionspreises. Das bedeutet, das Underlying (S) steigt mit einer Wahrscheinlichkeit q um einen Faktor u bzw. sinkt mit einer Wahrscheinlich­ keit (1 − q) um einen Faktor d. Im Einperiodenmodell zeigt sich der Faktoren u und d wie folgt: u = eσ d = e−σ

√∆t

√∆t

=

1 u

Darauf ergeben sich für den Preis eines Calls, bei der Wahrscheinlichkeit q und der Funktion u, folgende Herleitungen: C u = max[u × S − K; 0] und bei einer Gegenwahrscheinlichkeit von 1 − q, folglich bei der Funktion d: C d = max[d × S − K; 0] Festzuhalten ist, dass wir zunächst das Underlying mittels eines Wertentwick­ lungsbaumes darstellen (vgl. Abbildung 6.32). Auf diesen aufbauend (mit den gewon­ nenen Daten) findet dann die Ableitung des Optionspreisbaumes statt. Es kann nun abgelesen werden, an welchem Knotenpunkt des Wertentwicklungsbaumes des Un­ derlying welcher Optionspreis zur Folge hat. Die Herleitung des Optionspreises erfolgt unter der Annahme der Arbitragefreiheit, und unter Zuhilfenahme des risikolosen Zinssatzes (r). Die Berechnung eines Calls folgt somit im Einperiodenmodell (mit nur einem Binomialschritt) folgender Systematik. c=

p × C u + (1 − q) × C d 1+r

6.17 Kritik an den Modellen |

249

Dabei ist zu beachten, dass die Wahrscheinlichkeit q eine Pseudowahrschein­ lichkeit ist und somit aus den gegebenen Parametern u, d und r abgeleitet werden kann. Dieses Einperiodenmodell, kann nun durch Addition von unendlich vieler dieser Teilperioden in ein Mehrperiodenmodell übergeleitet und erweitert werden. Die Herleitung der Faktoren u und d folgt nun folgender Systematik (hier eine n-monatige Betrachtung): u=e d=e

σ√ 1n

−σ√ 1n

Bei der Berechnung der Pseudowahrscheinlichkeit muss darauf geachtet werden, dass sich, aus der über mehrere Monate gehenden Laufzeit, Zinseszinseffekte ergeben. Die Berechnung des Monatszinses muss folglich angepasst werden. n rM = √ (1 + r) − 1

Nun ergibt sich die Pseudowahrscheinlichkeit wie folgt: q=

1 + rM − dM uM − dM

Im Mehrperiodenmodell ist sehr schnell zu erkennen, dass umso mehr Schritte ein Binomialbaum aufweist desto stärker konvergiert der Optionspreis gegen das ste­ tige Optionspreismodell nach Black-Scholes. Dies zeigt, dass eine korrekte Options­ preisfindung nur unter Zuhilfenahme von möglichst vielen Knotenpunkten zu erfol­ gen hat. Setzt man hier zu wenige, ist der Unterschied deutlich zu erkennen bzw. die Abweichung aufgrund der Modellgegebenheiten zu groß.³⁴⁶ Im nachfolgenden Beispiel simulieren wir die Entwicklung des Optionspreises mit folgenden vorgegebenen Komponenten (vgl. Abbildung 6.32): Preis des Underlyings Volatilität Ausübungspreis der Option risikoloser Zinssatz Laufzeit der Option

45 Euro 25 % 44 Euro 5 % p. a. entspricht: 0,407 monatlich 1 Jahr = 12 Monate

6.17 Kritik an den Modellen Sowohl das Black-Scholes-Merton-Modell als auch das Binomialmodell nach Cox, Ross und Rubinstein stoßen in der Praxis öfters auf Kritik. Der Grund hierfür liegt 346 Vgl. Cox, Ross, Rubinstein: Option Pricing: A simplified Approach; Journal of Financial Encono­ mics 7 (1979) 229–263; Ernst, Schneider, Thielen: Unternehmensbewertung erstellen und verstehen, Vahlen (2012).

250 | 6 Optionen Binomialmodel im Mehrperiodenfall

Underlying Volatilität (monatlich) Ausübungspreis Risikofreier Zinssatz Risikofreier Zinssatz (monatlich) Optionslaufzeit (monatlich)

45 25% 44 5% 0,407%

1

Steigungs- und Senkungsfaktor Steigungsfaktor 1,0748367 Senkungsfaktor 0,9303739 Berechnung der Pseudowahrscheinlichkeit Pseudowahrscheinlichkeit 0,5101675

Zeitpunkt 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12 106,98

99,54 92,61 86,16 80,16 74,58 69,39 64,55 60,06 55,88 51,99 48,37 45,00

51,99 48,37

45,00 41,87

33,72

41,87

31,37

41,87 33,72

41,87 38,95 36,24 33,72

31,37 29,18

27,15

45,00

38,95 36,24

31,37

51,99 48,37

45,00

38,95

29,18

60,06 55,88

48,37

36,24 33,72

64,55 51,99

45,00

38,95 36,24

69,39

60,06 55,88

48,37

41,87 38,95

36,24

64,55 51,99

45,00

80,16 74,58

69,39

60,06 55,88

48,37

41,87 38,95

64,55 51,99

45,00

74,58 69,39

60,06 55,88

92,61 86,16

80,16

33,72 31,37

29,18 27,15

25,26

29,18 27,15

25,26 23,50

25,26 23,50

21,87

21,87 20,34 18,93

Zeitpunkt 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12 62,98

55,71 48,96 42,69 36,87 31,46 26,45 21,82 17,64 13,34 10,78 8,15 6,04

10,21 7,57

5,49 3,89

6,95

3,36 2,26

21,44

1,14

1,43

0,43 0,02

0,13

0,00 0,00

0,00 0,00

0,00 0,00

1,00 0,51

0,26

0,07 0,03

7,99 4,55

2,56

0,79

0,24 0,13

16,06 12,06

5,49

2,15

0,78 0,46

20,73 8,34

3,48

1,31

25,39

16,42 12,41

6,26

2,79 1,80

21,09 8,98

4,23

36,16 30,76

25,74

16,77 12,90

9,61

4,89

31,11 26,10

17,19 13,42

48,61 42,34

36,52

0,00 0,00

0,00 0,00

0,00

0,00 0,00

0,00 0,00

0,00 0,00

0,00

0,00 0,00 0,00

Abb. 6.32: Aufbau eines Mehrperiodenbinomialbaumes inkl. Underlying

6.17 Kritik an den Modellen |

251

darin, dass die Modellannahmen von der Realität teilweise abweichen bzw. diese für die Modellierung als real gegeben angenommen werden. An dem Black-Scholes-Merton-Modell kann Folgendes kritisch betrachtet werden: – Die Volatilität und Zinsen, wie auch Dividenden sind in der Realität nicht konstant bzw. vorhanden. – Eine Bewertung amerikanischer Optionen ist im klassischen Modell nicht mög­ lich. – Aktienkurse sind in der Realität nicht vollständig lognormalverteilt, dies ist nur näherungsweise der Fall. Es ist vor allem unrealistisch, dass μ und σ über einen längeren Zeitraum konstant sind.³⁴⁷ – In der Realität existieren Steuern, Arbitragemöglichkeiten und Transaktionskos­ ten. Betrachten wir die implizite Volatilität, deren Ausleiten aus den vorhandenen Opti­ onspreisen sehr schnell und einfach umsetzbar ist. Beim Vergleich dieser impliziten Volatilitäten auf denselben Basiswert mit derselben Laufzeit, jedoch verschiedenen Strikepreisen, lässt sich ein sogenannter Volatility Smile³⁴⁸ beobachten (vgl. Abbil­

Volatilität

Die implizite Volatilität steigt, wenn die Option zunehmend „in the money“ oder „out of the money“ liegt Volatility Smile

kein Volatility Smile

Strikepreis Abb. 6.33: Volatility Smile vs. konstante Volatilität³⁴⁹ 347 Vgl. Hausermann, W., Diener, K., Käsler, J.: Derivate, Arbitrage und Portfolio-Selection; Vieweg Verlag (2002). 348 Die Volatilitäten weisen einen U-förmigen Verlauf in Abhängigkeit vom Basispreis auf. Des Weite­ ren betrachtet man die Skew und Sneer, welche als Verformung/Verschiebung des Smile gelten. Diese geben Auskunft über die Lage der Volatilität. 349 Quelle: Commerzbank AG.

252 | 6 Optionen

dung 6.33). Bei diesem ist zu erkennen, dass Optionen, die in the money oder out of the money liegen, höhere implizite Volatilitäten (und folglich auch eine höhere Opti­ onsprämie) aufweisen als Optionen, deren Strikepreis am Geld notiert. Sep 20, 2013 - DEUTSCHE BANK Spot 33.0418

60.0

Frwd 32.4650

57.5 55.0 52.5 50.0 47.5 45.0 42.5 40.0 37.5 35.0 32.5 30.0 27.5 5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

Abb. 6.34: Volatility Smile Deutsche Bank AG³⁵⁰

Das Auftreten eines Volatility Smile oder auch eines Volatility Skew ist in den Mo­ dellannahmen des Black-Scholes-Modells begründet. So wird hier unter anderem unterstellt, dass sich das Underlying mittels einer geometrischen Brownschen Be­ wegung modellieren lässt und dass die Volatilität des Underlyings im Zeitablauf konstant ist. Dies impliziert, dass die Renditen des Underlyings normalverteilt sind. Wie wir aus empirischen Studien jedoch sehen können, ist gerade diese Normalvertei­ lung von Aktienkursrenditen fraglich. Trägt man die gewonnenen Daten grafisch ab, so erhält man ein Volatility-Surface (vgl. Abbildung 6.35), welche die Abhängigkeit des Ausübungspreises der Option, der Volatilität und der Restlaufzeit in einer Grafik skizziert.³⁵¹ Wie aufgezeigt ist der größte Widerspruch zwischen der Kapitalmarktpraxis und den Modellannahmen nach Black Scholes die Prämisse das die Volatilität als kon­ stant betrachtet wird. Dies widerspricht der in der Realität vorkommenden Volatilität und wird als größte Modellungenauigkeit angesehen und kritisiert. Daher hat die Wis­

350 Quelle: Commerzbank AG CBCM/ThomsonReuters 351 Vgl. Günther M.; Jüngel, A.: Finanzderivate mit Matlab 2. Auflage (2010).

6.17 Kritik an den Modellen

| 253

33.6200 32.4671 31.3143 30.1614 29.0086 27.8557 26.7029 25.5500

34

32

(%) Volatility

30

28

26

or s

24M 22M 20M 18M 15M 14M 12M 10M 8M 6M 4M 2M 3W

Te n

24 T PUPUT T D 10 15D PU UT D P T 20 5D PU UT 2 0D P 3 5D PUT T 3 0D PU 4 5D TM LL 4 A CA LL D CA L De lta 45 40D D CAL ALL 35 D C ALL L 30 D C CAL L 25 0D AL 2 5D C ALL 1 DC 10

1W

Abb. 6.35: Volatility-Surface einer beliebig modellierten Aktie³⁵²

senschaft das Thema aufgenommen und begegnet diesem mit sogenannten stochasti­ schen Volatilitätsmodellen. Ein Vertreter hierfür ist das Heston Modell, welches von Steven Heston entwickelt wurde. Bei den stochastischen Volatilitätsmodellen sind die Grundannahmen, dass die Volatilität nicht konstant und nicht deterministisch vorbestimmt ist. Sie folgt somit einem Zufallsprozess.³⁵³ Beim Binomialmodell nach Cox, Ross und Rubinstein sollten folgende Punkte kritisch betrachtet werden: – Die Aktienkurse folgen einer stetigen Preisquotierung. – Die Dividenden werden nicht ohne Weiteres berücksichtigt. – Investoren handeln in der Realität nicht risikoneutral und Arbitrage ist, zumin­ dest zeitweise und in Teilen, möglich. 352 Quelle: Thomson Reuters. 353 Vgl. Heston, Steven L.: A Closed-Form Solution for Options with Stochastic Volatility with Appli­ cations to Bond and Currency Options, Yale University, The Review of Financial Studies Volume 6, number 2, pp. 327–343 (1993).

254 | 6 Optionen

– –

Das Zinsniveau muss nicht konstant sein. In der Realität existieren Steuern, Arbitragemöglichkeiten und Transaktions­ kosten.

Trotz einiger teilweise unrealistischer Annahmen sind die Modelle dafür geeignet, de­ rivative Finanzprodukte mit geringem Informations- und Arbeitsaufwand zu bewer­ ten. Daher treffen beide Modelle in der Theorie auf weitverbreitete wenn auch kritische Akzeptanz. Die ausgegebenen Optionspreise können als Näherungswerte mit einem hohen und allgemein gültigen Akzeptanzlevel gesehen werden und den Kritikpunk­ ten begegnet man mit Modellerweiterungen und Verfeinerungen.

6.18 Konvergenz der Optionspreise im CRR-Modell und der Black-Scholes-Formel Wie wir dargestellt haben, ist das Black-Scholes-Modell ein stetiges Modell während das von Cox, Ross und Rubinstein (CRR) aufgestellte Binomialmodell einem dis­ kreten Verlauf folgt. Wie Abbildung 6.36 zeigt, kann festgehalten werden, dass das CRR-Modell, bei gleichen Gegebenheiten und bei ausreichend vielen Einzelschritten vollständig gegen das Black-Scholes-Modell konvergiert und somit kann auch gesagt

CRR BS

3.52 3.515 3.51 Option Price

3.505 3.5 3.495 3.49 3.485 3.48 3.475 0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

4000

4500

5000

Number of Steps

Abb. 6.36: Cox, Ross, Rubinstein Modell (CRR) vs. Black Scholes Model³⁵⁴

354 Quellencode für die Approximation; MathWorks: Pricing European Call Options Using Different Equity Models; Angepasst auf obiges Beispiel.

6.19 Monte Carlo Verfahren zur Optionspreisbestimmung |

255

werden, dass das Black-Scholes-Modell nichts anderes ist, als ein Spezialfall des CRR-Modells. Im dargestellten Beispiel handelt es sich hierbei um 5.000 Schritte des CRRModells. Kann man anfänglich noch eine deutliche Diskrepanz zwischen den Er­ gebnissen feststellen, so ist nach weiteren Schritten deutlich zu erkennen, wie die Konvergenz verläuft und letztendlich auch zum selben Ergebnis führt (nach mehr als 5.000 Schritten).

6.19 Monte Carlo Verfahren zur Optionspreisbestimmung Die partielle Differentialgleichung des Black-Scholes Modells zur risikoneutralen Be­ wertung einer europäischer Optionen kann mithilfe von numerischer Integration ge­ löst werden. Ein weiterer Lösungsweg ist die Anwendung von Monte Carlo Methoden die wir in diesem Kapitel besprechen. Monte Carlo Methoden werden häufig in der Finanz- und Volkswirtschaft ein­ gesetzt, um eine approximierte Lösung für anspruchsvolle Aufgaben zu finden wenn eine analytische Lösung nicht gefunden werden kann. Im Speziellen ist hier die Preis­ bestimmung komplexer Derivate, Generierung von Szenarien über die Entwicklung zukünftiger Ergebnisse oder die Durchführung von Sensitivitätsanalysen zu nennen. Im Rahmen des Approximationsverfahrens wird eine sehr große Zahl an Zufallsva­ riablen generiert und die entsprechenden Zielfunktionen berechnet. Mit einer ausrei­ chend großen Zahl an Zufallsvariablen, kann dieses Verfahren annährungsweise das Optimum der Zielfunktion bestimmen. Abbildung 6.37 zeigt beispielhaft die Simula­ tion einer Kursbewegung auf und lässt deren Spektrum erkennen. Um eine Zufallsvariable aus einer uniformen Verteilungsfunktion zu generieren wird ein Pseudozufallszahlengenerator benötigt. In der Literatur und Praxis gängige Pseudozufallszahlengeneratoren sind z. B. lineare und multiplikative KongruenzGeneratoren oder die Mittquadratmethode. Die Pseudozufallszahlen werden mit Hilfe verschiedener Umformungsmethoden für die angenommene Verteilungsfunktion umgeformt. Zu den Umformungstechniken zählen z. B. die Transformationsmetho­ de und Rejection Methode.

6.19.1 Optionspreisbestimmung mit Monte Carlo Simulation Für die Bewertung von Optionen mit Monte Carlo Simulationen werden Preispfade S t mithilfe von Zufallszahlen berechnet, die unter einer angenommenen Wahrschein­ lichkeitsverteilung generiert werden. Für die simulierten Preispfade wird dann der je­ weilige Auszahlungsstrom zum Laufzeitende (T) der gewünschten Option berechnet. Auch wenn eine Monte Carlo Simulation für die Berechnung einer europäischen Op­ tion nicht nötig ist da es eine analytische Lösung mithilfe der Black-Scholes Formel

256 | 6 Optionen

Simulierte Kursbewegung

Simulierter Kurslevel

120

110

100

90

10

20

30

40

50

60

Simulierte Tage Abb. 6.37: Simulierte Kursverläufe mittels Monte-Carlo Simulation

gibt, zeigen wir den Prozess der Preisapproximation exemplarisch für eine europäi­ sche Call und Put Option. Der Auszahlungsstrom zum Laufzeitende (T) einer europäi­ schen Call Option ergibt sich aus: c iT = max(S iT − K, 0) und für eine europäische Put Option p iT = max(K − S iT , 0) wobei i = 1, 2, . . . , N für den i-ten Preispfad aus N Simulationen steht. In einem letzten Schritt wird der approximierte Optionspreis berechnet. Dafür wird der durch­ schnittliche Auszahlungsstrom für alle simulierten Optionswerte berechnet und auf den Tag der Bewertung diskontiert. Der Preis einer europäischen Call Option ergibt sich so aus: 1 N c0 = e−rT ∑ c iT N i=1 und für die europäische Put Option: p0 = e−rT

1 N i ∑p N i=1 T

Die Qualität der Monte Carlo Preisapproximation hängt stark von der Anzahl der generierten Zufallsvariablen ab. Je höher die Anzahl an Simulationen desto besser ist die Approximation. Jedoch ist die Anzahl an Simulationen häufig durch verschie­ dene Faktoren begrenzt, z. B. Arbeitsspeicher der IT oder Laufzeit der Berechnung. Es

6.19 Monte Carlo Verfahren zur Optionspreisbestimmung |

257

gibt mehrere alternative Ansätze, um dieses Problem zu lösen. Zu den bekanntesten zählen Varianzreduktionsmethoden und Quasi-Monte Carlo Verfahren.

6.19.2 Varianzreduktion Die gezogene Stichprobe aus Zufallszahlen für die Monte Carlo Simulation sollte die selben Eigenschaften besitzen wie die der Grundgesamtheit. Je größer die Stichpro­ be, desto mehr sollten die Eigenschaften der Stichprobe und Grundgesamtheit über­ einstimmen. In einigen Fällen kann diese Annahme jedoch nicht erfüllt werden. So werden seltene Ereignisse nicht perfekt abgebildet werden können und eine Stich­ probe wird niemals exakt eine stetige Verteilung sein. Zudem besteht die Stichprobe des Monte Carlo Verfahrens aus Zufallszahlen und hat damit auch zufällig verteilte statistische Eigenschaften. Im Idealfall ist die Varianz zwischen den statistischen Ei­ genschaften der Stichprobe und der Grundgesamtheit minimal. Um die Varianz der statistischen Eigenschaften zu reduzieren werden Varianzreduktionsmethoden wie B. Antithetische Zufallszahlen, Kontrollvariate, gewichtete Stichproben und geschichte­ te Stichproben verwendet.

6.19.3 Quasi-Monte Carlo Methode Die Quasi-Monte Carlo Methode unterscheidet sich von der herkömmlichen Monte Carlo Simulation da sie nicht versucht zufällig verteilte Zufallsvariablen zu generie­ ren. Das Verfahren zur Simulation der Basiswerte ist identisch mit dem der Monte Carlo Methode, jedoch verwendet das Quasi-Monte Carlo Verfahren Niedrigdiskre­ Uniform-Zufallszahlen

Quasi-Zufallszahlen

1

1

0.8

0.8

0.6

0.6

0.4

0.4

0.2

0.2

0

0 0

0.5

1

Abb. 6.38: Uniform-Zufallszahlen und Quasi-Zufallszahlen

0

0.5

1

258 | 6 Optionen

panz-Folgen anstelle von Pseudozufallsfolgen. Aufgrund der gleichförmigen Vertei­ lung der Quasizufallszahlen hat das Quasi-Monte Carlo Verfahren ein besseres Kon­ vergenzverhalten. Zu den klassischen Niedrigdiskrepanz-Folgen zählen die HaltonFolge, Faure-Folge und Sobol-Folge. Abbildung 6.38 zeigt den Unterschied zwischen generierten Quasi-Zufallszahlen und Uniform-Zufallszahlen.

6.20 Dünngitterverfahren (Sparse Grid Methode) Wie bereits im Kapitel 6.18 MONTE CARLO SIMULATIONEN angesprochen, besteht für eine Vielzahl von exotischen Optionen nicht die Möglichkeit diese mittels ge­ schlossenen Verfahren zu bewerten. I. d. R. greift man daher auf Monte Carlo Simu­ lationen zurück. Diese können jedoch eingeschränkte Daten im Bereich der Konver­ genzrate und bei der Bestimmung von Risikomaßen mit sich bringen. Um dies zu umgehen, ist die direkte Lösung der linearen parabolischen partiellen Differen­ tialgleichung³⁵⁵ der Black Scholes Gleichung von Nöten (folglich die Umsetzung im Bereich der nummerischen Verfahren zu suchen).³⁵⁶ Dies kann mit regulären Git­ teransätzen durchgeführt werden. Da diese jedoch von hoher Rechenkomplexität (hinsichtlich Rechenzeit und Speicheraufkommen sowie dem Fluch der Dimensiona­ lität)³⁵⁷ sind, bedient man sich der Dünngittertechnik nach Smolyak (1963).³⁵⁸ Diese kommen mit deutlich weniger Gitterpunkten aus und senken somit die Ressourcen­ anforderung.³⁵⁹ Das Verfahren beruht auf der Konstruktion von mehrdimensionalen Quadraturformeln, welche nicht alle aber ausgewählte Produkteigenschaften und Kombinationen enthalten, jedoch die benötigten. Die Anzahl der Gitterpunkte wird auf ein Minimum reduziert. Da an den Stellen, wo eine hinreichende Approximati­ on vorhanden ist, diese nicht gesetzt werden müssen. Hingegen neue Gitterpunkte da gesetzt werden, wo diese zur Reduzierung des Gesamtfehlers notwendig sind. Es ist hierbei festzuhalten, dass mit klassischen Dünngitterverfahren komplexe Options­ produkte nicht berechnet werden können, da die Anfangsdaten bei Optionsprodukten

355 Vgl. Zenger, C.: Sparse Grinds. In Parallele Algorithms for Partial Differential Equations (W. Hack­ busch, Ed.) Vol. 31 of Notes on Numerical Fluid Mechanics, Vieweg Verlag (1991). 356 Vgl.: Heinecke, Alexander F.: Integration von Adaptivität in einen Dünngitterlöser für Basket Op­ tionen; TU München (2011). 357 Als Fluch der Dimension wird der exponentielle Anstieg der Anzahl von Gitterpunkten in der Dimension bezeichnet. Vgl. Mertens T.: Optionspreisbewertung mit dünnen Gittern (2005). 358 Vgl. Gerstner, T.; Noll, M.: Programmierpraktikum Computational Finance Goethe Universität Frankfurt a.M. (2014/2015); Smolyak, S. A.: Quadrature and interpolation formulas for Tensor Products of Certain Classes of Functions. Dokl. Akad. Nauk SSSR, 148:1042– 1043, 1963. Russian, Engl. Transl.: Soviet Math. Dokl. 4:240–243, 1963. 359 Vgl.: Heinecke, Alexander F.: Integration von Adaptivität in einen Dünngitterlöser für Basket Op­ tionen; TU München (2011).

6.21 Sprungprozesse – Jump-Diffusions-Modelle | 259

nicht stetig differenzierbar sind und somit die erforderliche Glattheitsvoraussetzung fehlt.³⁶⁰ Mertens empfiehlt daher ein modifiziertes Dünngitter, was in einem solchen Falle zielführend ist. Die daraus resultierende mehrdimensionale Quadraturmetho­ de (z. B. bei pfadabhängigen Optionen) kann dann zur Preisfindung herangezogen werden.³⁶¹

6.21 Sprungprozesse – Jump-Diffusions-Modelle Etablierte Optionspreismodelle, wie das Black Scholes Modell, funktionieren unter der Annahme eines „friktionslosen“ Kapitalmarkts.³⁶² Die Annahme einer Brown­ schen Bewegung mit stetigem Pfad und logverteilten Renditen spiegeln jedoch selten die Realität der Kapitalmärkte wider. Durch die Annahme einer parametrischen Ver­ teilungsfunktion werden extreme Kursbewegungen nicht ausreichend bei der Preis­ bestimmung durch die Brownsche Bewegung berücksichtigt.³⁶³ Entsprechend erhöht sich das Fehlerpotential des Optionspreismodells. Betrachten wir die empirischen DAX® -Renditen der letzten 25 Jahre, so ergibt sich eine mittlere Standardabweichung σ von 1,6 %. Würde man ein Streuintervall von fünf Standardabweichungen annehmen, ergäbe sich bei Annahme normalverteilter Ren­ diten eine Wahrscheinlichkeit von 1 : 3.000.000 dass der Investor einen mittleren Tagesverlust von 8 % erleidet. Unter Annahme eines Handelsjahres von 250 Tagen müsste der Investor somit nur alle 12.000 Jahre mit dem Eintritt eines solchen Er­ eignisses rechnen. Es zeigt sich jedoch, dass wir innerhalb der letzten 30 Jahre drei solcher Ereignisse erlebt haben (Schwarzer Montag 1987, Gorbatschow Putsch 1991, Terror-Anschläge (9/11) 2001).³⁶⁴ „Bei einem Black Swan Event handelt es sich um ein unstetiges Ereignis in einem stetigen Pro­ zess.“

Mithilfe sogenannter Sprungprozesse wird versucht diese außergewöhnlichen Ereig­ nisse in der Annahme der Verteilungsfunktion der Renditen zu berücksichtigen. Zwei

360 Vgl. Mertens T.: Optionspreisbewertung mit dünnen Gittern (2005); Smolyak, S. A.: Quadrature and interpolation formulas for Tensor Products of Certain Classes of Functions. Dokl. Akad. Nauk SS­ SR, 148:1042–1043, 1963. Russian, Engl. Transl.: Soviet Math. Dokl. 4:240–243, 1963. 361 Vgl. Gerstner, T.; Noll, M.: Programierpraktikum Computational Finance Goethe Universität Frankfurt a.M. (2014/2015). 362 Ein vollkommener Kapitalmarkt; Konstante Volatilitäten; keine Asymmetrie etc. 363 Vgl. Merton, R. C.: Option pricing when underlying stock returns are discontinuous. Massachu­ setts; MIT (1975). 364 Vgl. Kassberger, Stefan: Sprungprozesse in der Finanzmathematik; Frankfurt School of Finance and Management (2012).

260 | 6 Optionen

der ersten solcher Modelle sind das MERTON JUMP DIFFUSION MODELL, entwickelt von Robert C. Merton und das DOUBLE EXPONENTIAL JUMP DIFFUSION MODEL von Steven Kou.³⁶⁵ Hierbei werden die starren Anforderungen z. B. konstante Volati­ lität und stetige Kursverläufe aufgelöst und modelliert.³⁶⁶ Die geometrisch Brownschen Bewegung zur Abbildung von Kursbewegungen, kann um das Jump-Diffusions-Modell erweitert werden.³⁶⁷ Der klassische Ansatz zur Abbildung einer Kursbewegung S zum Zeitpunkt t mit­ tels geometrisch Brownscher Bewegung kann wie folgt dargestellt werden: S t = S0 × exp[μ + σB t ] B t = Brownsche Bewegung Von dieser leiten wir nun über zu einem Jump Diffusions Modell, wobei dynamische Volatilitätsmodelle angewendet werden. Diese können mittels deterministischer oder stochastischer Volatilitätsmodelle erzeugt werden. Vorteil einer deterministischen Herleitung ist, dass diese über eine Duplikationsstrategie erfolgen können.³⁶⁸ Basie­ rend auf Untersuchungen von Buraschi und Jackwerth kann jedoch festgehalten werden, dass sich diese Modelle in der Anwendung von exotischen Optionen nicht als geeignet erweisen da sie zu einer Überparametisierung neigen. Daher sollten bei exotischen Optionen stochastische Volatilitätsmodelle angewendet werden (siehe z. B. Hull und White oder Schöbel und Zhu).³⁶⁹ Verallgemeinerung des JUMP DIFFUSION MODELL Nachfolgend zeigen wir die Umsetzung eines JUMP DIFFUSION MODELLS anhand eines POISSON PROZESSES:³⁷⁰ Nt

S t = S0 × exp [μ + σB t + ∑ Y i ] i=1

365 Vgl. Burger, P.; Kliaras, M.: Jump Diffusion Models for Option Pricing vs. the Black Scholes Model; Working Paper Series by the University of Applied Sciences bfi Vienna (81/2013). 366 Vgl. Ender, Manuela: Modellrisiko bei der Bewertung von Optionen in einem Vergleich von Mo­ dellen mit stochastischer Volatilität (2008). 367 Vgl. Kassberger, Stefan: Sprungprozesse in der Finanzmathematik; Frankfurt School of Finance and Management (2012). 368 Vgl. Ender, Manuela: Modellrisiko bei der Bewertung von Optionen in einem Vergleich von Mo­ dellen mit stochastischer Volatilität (2008). 369 Vgl. Ender, Manuela: Modellrisiko bei der Bewertung von Optionen in einem Vergleich von Mo­ dellen mit stochastischer Volatilität (2008). 370 Bei einem Poisson Prozess handelt es sich um einen stochastischen Prozess mit unabhängigen Zuwächsen, dessen Pfade rechtseitig stetig und bei zufälligen Ereignissen reagierend sind. Die Anzahl der Ereignisse kann unabhängig voneinander aber mit einer Konstanz beobachtet werden. Vgl. Reitz, Stefan: Mathematik in der modernen Finanzwelt; Vieweg+Teubner (2011).

6.22 Handelbare Optionspreise

|

261

N t = Poisson Prozess zum Zeitpunkt t Y i = Sprunghöhe Um eine weitere Verallgemeinerung zu erhalten, binden wir als Erweiterung ein expo­ nentielle Lévy Modelle ein und erhalten folgendes Modell: S t = S0 × exp[μ + σB t + J t ] J t = Kompensierter Sprungprozess zum Zeitpunkt t Die Bewertung klassischer Plain Vanilla Optionen erfolgt mittels analytischer Verfah­ ren wie z. B. der Black Scholes Formel.³⁷¹ Für die Bewertung exotischer Optionen bei denen keine analytische Lösung gefunden werden kann kommt es zum Einsatz nume­ rischer Lösungsverfahren. Insbesondere ist hier, das Verfahren der MONTE CARLO SIMULATION³⁷² zu nennen, welches wir in Kapitel 6.18 näher beleuchten. Modelle im Financial Engineering Das Financial Engineering bedient sich einer Reihe von Standardmodellen, welche (teilweise auch angepasst) zum Einsatz kommen. Im Appendix dieses Buches erhalten Sie eine Übersicht der wich­ tigsten und meist verbreiteten Modelle und deren Spezifikationen. Diese Modelle sind es, welche letztendlich das Financial Engineering ausmachen. Auf deren Grundlage fußt unsere ganze Arbeit und letztendlich sind es diese, welche neben den einzelnen Instrumenten und deren Payoff das Financial Engineering in Gänze bestimmen.

6.22 Handelbare Optionspreise Lassen Sie uns an dieser Stelle nochmals auf die Praxis eingehen. Die an den Termin­ börsen gestellten Quotes,³⁷³ auf welche man handeln kann, werden in der Regel von Market Makern gestellt. Jedoch gibt es auch Kontrakte, welche nicht durchlaufend ge­ pflegt werden. Daher ist es vor allem bei den nicht gepflegten Kontrakten notwendig, mit Limit-Orders zu arbeiten. Nur bei sehr liquiden Optionsserien ist die Eingabe ei­ ner Market Order³⁷⁴ zu empfehlen. Bei Marktengen (nicht sehr liquiden Serien) oder nicht gepflegten Kontraktserien ist eine Limit-Vorgabe zwingend notwendig. Ebenfalls

371 Vgl. Lord, R.; Kahl, C.: Optional Fourier Inversion in Semi-Analytical Option Pricing; Tinbergen Institute Discussion Papers, No 06-066/2 (2006). 372 Vgl. Seydel, R.: Tools for Computational Finance; 3. Auflage Springer Verlag Berlin, Heidelberg (2006). 373 Handelbare Geld-Brief-Spannen. 374 Market Order: Eine Order ohne Preislimit (bestens oder billigst). Sie wird zum derzeitigen „Markt­ preis“ ausgeführt.

262 | 6 Optionen

steht dem Investor die Anforderung eines Quote Request, also einer Quoteanfrage,³⁷⁵ offen. Diese ist zwingend durchzuführen, wenn keine Quotes gestellt wurden. Vor ei­ nem „Blindflug“ wollen wir hierbei ausdrücklich abraten. Gerade bei Roll-Over-Aktivi­ täten³⁷⁶ kann dies zu deutlichen Prämienverschiebungen und ungewollten Verlusten führen. Die oben angesprochenen „Preise“ sind als Fair Value bzw. fairer Wert einer Opti­ on zu bezeichnen. Es muss jedoch betont werden, dass diese, wenn auch nur in sehr geringem Umfang, von den tatsächlich gehandelten Preisen an den Terminbörsen ab­ weichen können (vgl. Abbildung 6.39).

Abb. 6.39: Daimler Optionen an der Eurex³⁷⁷

6.23 Vanna–Volga Pricing Das Verfahren des Vanna-Volga Pricing gilt unter Händlern als „Praktikeransatz“ und ist ein klassisches empirisches Verfahren. Dabei wird aus real existierenden und 375 Anfrage wird an den betreuenden Market Maker gestellt. Dieser muss die Anfrage nach seinen Vorgaben beantworten oder darf sich auch aus der Beantwortung ausnehmen, wenn er seiner Pflicht bereits nachgekommen ist (vgl. Kapitel 4.9). 376 Vor allem, wenn diese „deep in the money“ sind oder aufgrund ihrer Komplexität und dem Volu­ men den Markt überfordern. 377 Quelle: Thomson Reuters.

6.23 Vanna–Volga Pricing

| 263

gehandelten Preisen die Volatilität und deren Kurve bestimmt. Es kommen sowohl die realen Preise eines Portfolios, dessen Absicherungskosten sowie die jeweils korrespondierenden Preise des Back-Scholes-Modells zum Einsatz. Das Modell be­ nötigt hierfür einen gut funktionierenden und vor allem liquideren Markt um korrekt angewandt zu werden, da es nur bei real existierenden, fortlaufenden Preisstellungen funktioniert.³⁷⁸ Konstruiert wird ein Vanna-Volga Portfolio aus den in Abbildung 6.40 zu ent­ nehmenden Derivatekombinationen:

Delta-neutraler ATM-Straddle (bildet die ATM Volatilität und Preise ab) Risk Reversal 25 Call und Put Butterfly 25 Delta als Vega-gewichtete Position

Abb. 6.40: Einzelkomponenten eines Vanna-Volga Portfolios

Mit Hilfe dieser Optionskombinationen, ist es möglich, implizite Volatilitäten und so­ mit den Vola-Smile abzuleiten. Bei Vanna und Volga (Vomma) handelt es sich um Greeks der sogenannten zwei­ ten Ordnung. Wir erweitern somit das bestehende, klassische, Greek-Universum um zwei weitere Sensitivitäten. Weitere Greeks einer folgenden Ordnung besprechen wir in Kapitel 6.13. Vanna gilt als die Sensitivität des Vega unter Berücksichtigung, dass sich der Spotpreis, also das Underlying, verändert. Das Volga (Vomma) gibt die Sensitivität des Vegas an. Dies geschieht unter der Berücksichtigung, dass sich die implizite Volatilität verändert.

Das Vanna kann durch Vanna =

∂ν ∂S

Volga =

∂ν ∂σ

und Volga durch

ausgedrückt werden.³⁷⁹

378 Vgl. Wystrup, Uwe: Vanna-Volga Pricing; MathFinance AG (2008). 379 Vgl. Wystrup, Uwe: Vanna-Volga Pricing; MathFinance AG (2008).

264 | 6 Optionen

Wie beschrieben, erfolgt die Ableitung von Vanna und Volga über die Darstellung eines Portfolio von Derivaten. Wir bilden dieses wie folgt: At the money Straddle: ATM(K0 ) =

1 (Call(K0 , σ 0 ) + Put(K0 , σ 0 )) 2

Risk Reversal mit Call und Put Delta 25: RiskReversal(K c , K p ) = Call (K c , σ(K c )) − Put (K p , σ(K p )) Butterfly Call und Put mit Delta 25: 1 Butterfly(K c , K p ) = (Call(K c , σ(K c ) + Put(K p , σK p ))) − ATM(K0 ) 2 Die daraus gewonnen Einzelkomponenten fügen wir nun zur Gesamtbetrachtung zu­ sammen. Es folgt somit: X VV = X BS +

Xvolga Xvanna RiskReversalcost + Butterflycost RiskReversalvanna Butterflyvolga

X BS Entspricht dem Black Scholes Optionspreis ATM mit der ATM Volatilität RiskReversalcost = [Call(K c , σ(K c )) − Put(K p , σ(K p ))] − [Call(K c , σ 0 ) − Put(K p , σ 0 )] 1 1 Butterflycost = [Call(K c , σ(K c )) + Put(K p , σ(K p ))] − [Call(K c , σ 0 ) + Put(K p , σ 0 )] 2 2 Die nun gewonnene Volatilitätskurve kann zur besseren Beurteilung der gehan­ delten Preise, der aktuellen Preissituation und als Volatility Forecast herangezogen werden. Des Weiteren dient diese zum Hedging von Vega-Risiken des Handelsbu­ ches.³⁸⁰ Im täglichen Handelsablauf kann es aus praktischer Sicht durchaus sinnvoll sein, seine Volatilitätspositionen in den jeweiligen Produkten bzw. Derivaten über ein solches Modell zu sichern.³⁸¹ Gerade im Bereich der exotischen FX Optionen wird es daher oftmals ins Feld geführt und genutzt. Es besticht durch seine Einfachheit und die geringe benötigte Rechenleistung. Aber es führt auch nicht immer zu korrekten Outcome Situationen. Wahrscheinlich ein Grund, warum das Vanna Volga Modell (als eines der ersten und ältesten) immer wieder versucht wird weiterzuentwickeln und zu verbessern. Es gilt, wie viele andere Modelle, als Begleiter im täglichen Han­ del.³⁸²

380 Vgl. Wystrup, Uwe: Vanna-Volga Pricing; MathFinance AG (2008). Vgl. Castagna, A., Mercurio, F.: The Vanna-Volga Method for Implied Volatilities (2007). 381 Vgl. Musiela, M., Rutkowski M.: Martingale Methods in Financial Modelling (2005). 382 Vgl. Bossens, F. et al.: Vanna-Volga Methodes applied to FX derivatives: From theory to market practice (accepted 2010) International Journal of Theoretical and Applied Finance Vol. 13, No. 8 (2010) 1293–1324 doi:10.1142/S0219024910006212

6.24 Strategien mit Optionen

|

265

6.24 Strategien mit Optionen Wir wollen nun zu den einzelnen Strategien mit Optionen kommen. Dies ist die An­ wendung der in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten Theorien. Hierbei ist Folgendes zu beachten: Es gibt vier Grundstrategien, auf denen alle Optionskom­ binationen aufbauen. Es ist unerheblich, wie komplex eine Gesamtstrategie ist. Sie lässt sich immer in ihre Einzelpositionen zerlegen und dadurch gut bewerten und verstehen.

6.24.1 Was beinhalten die vier Grundstrategien im Optionsgeschäft (Plain Vanilla)? Im Optionsgeschäft gibt es vier Grundstrategien, auf welche alle anderen Strategien aufbauen. Daher ist es wichtig, diese vier Grundausrichtungen verinnerlicht zu haben. – Long Call: Bei einem Long Call ist der Investor (Käufer) davon überzeugt, dass das Underlying steigen wird. Er erwirbt das Recht, das Underlying mittels eines Calls zu kaufen. Dieses wird, tritt seine Erwartung ein, im Preis teurer werden. Der In­ vestor könnte zwar auch gleich das Underlying kaufen, müsste dafür jedoch deut­ lich mehr Kapital aufwenden. Durch den Call besteht somit die Möglichkeit, sein eingesetztes Kapital zu hebeln. Sein Verlustpotenzial ist auf die gezahlte Options­ prämie begrenzt. Darüber hinaus erhält er jedoch die Chance, an unbegrenzten Kurssteigerungen zu partizipieren. Er hat keine Nachschussverpflichtung und ist somit nur dem Ursprungsrisiko (Prämienzahlung) ausgesetzt. Die bezahlte Opti­ onsprämie geht als Marginguthaben in die Marginberechnung ein. – Short Call: Der Investor, der einen Call Short eingeht, rechnet mit einem konstan­ ten bzw. leicht fallenden Kursszenario und möchte durch die Optionsprämie eine Zusatzeinnahme generieren. Er verkauft folglich Calls und erzielt einen maxima­ len Gewinn in Höhe der vereinnahmten Optionsprämie. Das Risiko eines Short Calls besteht darin, dass man die Stücke zum Basispreis liefern muss. Jedoch kann dieses Risiko minimiert werden, indem man die Stücke bei Abschluss des Termin­ geschäftes bereits im Besitz hat. Man spricht nun von einer gedeckten oder auch Covered Option, da die Lieferverbindlichkeit aus den „Lagerbeständen“ gedeckt wird und somit kein größerer liquiditätsmäßiger Verlust auftreten kann. Dennoch macht der Investor ökonomisch Verlust, da er ohne den Short Call die Stücke zu einem höheren Kurs hätte veräußern können. – Long Put: Bei einem Long Put rechnet der Investor mit (deutlich) fallenden Kur­ sen. Er möchte sich entweder mit dem Kauf einer Put-Option gegen einen Kurs­ rückgang in seinem Portfolio (er hat den Bestand) absichern oder aktiv auf einen Kursrückgang spekulieren (hat den Bestand nicht und möchte nur von der ab­ wärts gerichteten Marktlage profitieren). Auch hier ist das maximale Verlustrisi­ ko, wie bei allen Long-Optionen, auf die bezahlte Optionsprämie begrenzt. Der

266 | 6 Optionen



Gewinn ist gewissermaßen auch begrenzt, da jedes Anlagegut nur auf die Null­ grenze fallen kann und somit hier eine natürliche Barriere besteht. Short Put: Der Investor, der sich für einen Short Put entscheidet, rechnet mit stei­ genden oder zumindest gleichbleibenden Märkten. Er möchte daran profitieren und nimmt hierfür Risiko aktiv in Kauf. Die erhaltene Optionsprämie stellt seinen maximalen Gewinn dar. Sein Verlust ist dagegen theoretisch unbegrenzt, was in der Praxis jedoch der Höhe des Ausübungspreises entspricht. Dies ergibt sich aus der Tatsache, das er unter Umständen das Underlying zum festen Ausübungspreis abnehmen (kaufen) muss und somit dem vollen Risiko (eines Komplettverlustes vom Underlying) ausgesetzt ist. Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Ak­ tie eines Unternehmens im Falle einer Insolvenz nicht unter die Nullgrenze fallen kann. Dies führt somit auch im Worst-Case-Szenario zu einer rechnerischen Grö­ ße, auf welche das formal Risiko begrenzt ist.

Lassen Sie uns nun die vier Grundpositionen kurz und detailliert erläutern. Grundannahmen: Grundsätzlich wird angenommen, dass eine Aktie gehandelt wird. Etwaige Gebühren und Kosten bleiben unberücksichtigt.

6.24.2 Die Strategie LONG CALL Ein Investor erwirbt durch einen Long Call das Recht, jedoch nicht die Pflicht, ein Un­ derlying während oder am Ende der Laufzeit zu kaufen. Dafür bezahlt er dem Kontra­ henten (Short Call) einen Preis: die Optionsprämie. Der Inhaber des Short Calls muss auf Anforderung der Long-Call-Position die Stücke liefern. Long Call auf X Aktie Basispreis 50 Euro Verfalltermin: September Optionsprämie 3 Euro Der Käufer hat also das Recht, die Aktie X während der gesamten Laufzeit (bis spätestens zum dritten Freitag im September) zu einem Preis von 50 Euro zu kaufen. Dafür hat er dem Verkäufer 3 Euro Prämie bezahlt, welcher dieser sofort bei Abschluss des Geschäftes erhält. Wenn der Kurs der Aktie X über den Basispreis steigt, in unserem Beispiel 50 Euro, so wird der Optionskäufer (Long) von seinem Recht Gebrauch machen und die Option ausüben. Der Verkäufer (Short) muss ihm die Stücke zu 50 Euro pro Aktie liefern. Break-Even-Point dieser Strategie Der Break-Even-Point (vgl. Abbildung 6.41) liegt bei 53 Euro. Warum dies? Der Halter dieser Option hat für das Recht, die Aktien mit 50 Euro zu kaufen, hat aber bereits bei Abschluss des Termingeschäfts 3 Euro aufgewendet. Dies muss in die Gesamtbetrach­ tung miteinfließen.

6.24 Strategien mit Optionen |

267

Gewinn Basispreis: 50 EUR Long Call

Underlying Optionsprämie: 3 EUR

Break-EvenPoint: 53 EUR

Verlust Abb. 6.41: Gewinn- und Verlustszenario beim Long Call

Szenarioanalyse – Die Aktie steht unter 50 Euro: Der Käufer des Calls realisiert am Verfallstag sei­ nen maximalen Verlust. Die Option verfällt wertlos. – Die Aktie steht zwischen 50 und 53 Euro: Der Inhaber des Calls realisiert einen verminderten Verlust. Der Wert der Option am Verfallstag entspricht dem inneren Wert, da sie im Geld liegt. – Die Aktie steht über 53 Euro: Der Inhaber ist in der Gewinnzone. Die Option ist am Verfallstag mehr wert als die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Terminge­ schäfts bezahlte Optionsprämie. Wir sehen also, dass das Underlying den Break-Even-Point bei einem Long Call über­ schreiten muss, damit der Käufer bei der Ausübung einen Gewinn macht.

6.24.3 Die Strategie SHORT CALL Im obigen Beispiel wurde eine Call-Option gekauft. Nun wird der Investor diese CallOption verkaufen. Wir wenden dabei dasselbe Beispiel an: Short Call auf Aktie X Basispreis 50 Euro Verfalltermin: September Optionsprämie 3 Euro Als Verkäufer des Calls auf die X-Aktie hat der Investor 3 Euro Prämie erhalten. Da­ für wird er Stillhalter; das bedeutet, dass er auf Aufforderung des Long-Call-Investors Stücke liefern muss.

268 | 6 Optionen

Gewinn Basispreis: 50 EUR

Optionsprämie: 3 EUR Underlying

Break-EvenPoint: 53 EUR

Short Call

Verlust Abb. 6.42: Gewinn- und Verlustszenario beim Short Call

Grundsätzlich unterscheiden wir in diesem Zusammenhang zwischen Short-CallPositionen auf Stücke, welche sich im Bestand befinden (Original-Stillhalter) und zum anderen ungedeckte Short-Call-Positionen (ohne einen Bestand). Naked Call Writing oder einfach Short Call ist der Verkauf von Call-Optionen, ohne im Besitz des Ba­ siswertes zu sein. Es ist deutlich spekulativer als das Covered Call Writing (CCW),

8 6 4 2 0

50

51

52

53

54

55

56

57

58

59

-2 -4

Gewinn und Verlust (EUR)

G/V Option

Aktienkurs (EUR)

Abb. 6.43: CCW Payoff inkl. G&V Rechnung³⁸³ 383 Quelle: Eurex.

G/V Portfolio

G/V Aktie

60

6.24 Strategien mit Optionen

|

269

bei dem der Stillhalter die Papiere im Bestand hat (vgl. hierzu das Beispiel in Abbil­ dung 6.43). Das Covered Call Writing (CCW) ist somit eine der einfachsten und effek­ tivsten Overlay-Management Strategien. Durch die geschriebenen Calls werden per­ manent neue Cash Flows bzw. Zusatzerträge im Bestand generiert. Wird ein Bestand abgerufen, kommt das Portfolio in Bewegung und verändert sich mit dem Markt. Es bieten sich dann eine schnelle Möglichkeiten zum weiteren agieren. Bleibt der Be­ stand von einem Abrufen verschont, so ist die erhaltene Call-Prämie als Zusatzgewinn zu verbucht und man kann ein neues CCW abschließen. Lassen Sie uns zunächst das aufgezeigte Beispiel in der Variante des Naked Call Writing reflektieren. Die Gewinn- und Verlustsituation ist somit spiegelbildlich zur Long Position (vgl. Abbildung 6.42). Szenarioanalyse – Der Aktienkurs liegt unter dem Basispreis von 50 Euro: Der Investor im Short Call realisiert seinen maximalen Gewinn. Er hat die Prämie vollständig verein­ nahmt und die Option verfällt wertlos. – Der Aktienkurs liegt zwischen 50 Euro und 53 Euro: Der Short-Call- Investor er­ zielt einen verminderten Gewinn. Da der Long-Call-Investor den Call ausübt, muss der Short-Call-Investor die Aktien liefern. Er kauft diese also am Markt und bringt diese in die Belieferung der Stücke über den Call ein (zur Erinnerung: Es handelt sich um ein Naked Call Writing, also ein ungedecktes Short Call Geschäft). Die Dif­ ferenz zwischen bereits erhaltener Optionsprämie und Aufwand zur Beschaffung der Wertpapiere minus Basispreis ist sein Gewinn. – Der Aktienkurs notiert über dem Break-Even-Point von 53 Euro: Der Investor erleidet einen Verlust. Er ist verpflichtet, die Aktien zum Basispreis zu liefern. Sein Verlust errechnet sich wie folgt: (Einkaufspreis − Basispreis) − Optionsprämie. Sehr wichtig: Das Verlustpotenzial der Strategie „Short Call“ ist bei steigenden Märk­ ten unbegrenzt! Die konservative Ausgestaltung eines Short Calls ist das CCW. Hier werden Calls auf (Aktien-Bestände) verkauft. Sollte es zu einer Ausübung kommen, kann der Short-Call-Investor aus seinem Bestand die Lieferung vornehmen. Das CCW ist eine Strategie zur Steigerung der Rendite, da vor allem unbewegte Bestände durch die Prämieneinnahme renditestärker werden. Das Risiko ist auf einen entgangenen Gewinn begrenzt. Denn steigt das Underlying über den Basispreis hinaus, so muss der CCW-Investor die Stücke liefern. Er partizipiert nicht mehr an weiteren Steigerun­ gen des Underlyings. Sollte die Gesamtposition (Kassa & Termin) unter 47 Euro sinken (50 Euro Basis, 3 Euro Prämie), macht der Investor in der Gesamtposition einen Ver­ lust: Er hat zusätzlich zum Terminmarktinstrument auch das Underlying im Bestand. Umgekehrt kompensiert die Einnahme aus dem Terminmarkt auch Kursrückgänge in der Kassaposition.

270 | 6 Optionen

Beispiel für ein CCW Engagement: Unser Investor hat folgende Aktien im Bestand/in seinem Portfolio: 10.000 Aktien der X AG; Kaufkurs 30 Euro; Aktueller Kurs: 48 Euro 10.000 Aktien der Y AG; Kaufkurs 50 Euro; Aktueller Kurs: 51 Euro 5.000 Aktien der V AG; Kaufkurs 35 USD; Aktueller Kurs: 34 USD 5.000 Aktien der C AG; Kaufkurs 28 CHF; Aktueller Kurs: 75 CHF Die Bestände sind allesamt unbewegt und der Investor nutzt diese lediglich, um Divi­ denden einzunehmen. Strategie: Während des Zeitraums, in dem keine Dividendenzahlungen zu erwar­ ten sind, wird ein CCW auf das Portfolio angewendet. Bei den Calls sollte darauf geach­ tet werden, dass diese aus dem Geld geschrieben werden. Durch die Prämien sichert sich der Investor einen positiven Cashflow. Im Falle einer Ausübung durch die Gegen­ position (Long Call) ist das Risiko begrenzt, da er die Stücke bereits besitzt. Mithilfe der Prämieneinnahme, die er als außerordentlichen Ertrag eingenommen hat, ist der Investor gegen leichte Kursrückgänge abgesichert. CCW ist eine perfekte Einstiegsstrategie und eine Renditestrategie für unbewegte Depotbestände. Durch die vereinnahmte Optionsprämie kreiert man eine weitere Einnahmequelle und schafft so zu­ sätzlich Cashflows.

6.24.4 Die Strategie LONG PUT Der Long-Put-Investor erwirbt durch den Kauf des Puts ein Recht, aber nicht die Pflicht, während der Laufzeit oder zum Ende der Laufzeit das Underlying an den Ver­ käufer des Puts (Short Put) zu verkaufen. Er bezahlt diesem eine Prämie dafür, dass er das Risiko aktiv in Kauf nimmt. Der Long-Put-Investor hat also das Recht, durch Ausübung der Option zum Verkäufer von Stücken zu werden. In unserem Beispiel sieht dies wie folgt aus: Long Put auf die Aktie X Basispreis 50 Euro Optionsprämie 3 Euro Laufzeit: September. Der Long-Put-Investor hat das Recht, die Aktie X bis zum September an den ShortPut-Investor zu verkaufen. Dieses Recht kostet 3 Euro, welches bei Geschäftsabschluss an den Short-Put-Investor bezahlt wird. Gleichzeitig wird auch der Basispreis pro Ak­ tie auf 50 Euro festgelegt (vgl. Abbildung 6.44). Der Break-Even-Point eines Long Put ist der Marktpreis, welcher unterschrit­ ten werden muss, damit der Käufer bei Ausübung der Option einen Gewinn reali­ siert.

6.24 Strategien mit Optionen |

271

Verkauf mit: 50 Euro Prämie: 3 Euro (bereits bezahlt) Break-Even Point: 47 Euro

Gewinn Basispreis: 50 EUR

Underlying Break-EvenPoint: 47 EUR

Optionsprämie: 3 EUR Long Put

Verlust Abb. 6.44: Gewinn- und Verlustszenario beim Long Put

Szenarioanalyse – Die Aktie fällt unter 47 Euro: Der Long-Put-Investor erzielt seinen maximalen Gewinn. – Die Aktie liegt nur zwischen 50 und 47 Euro: Der Investor erleidet einen ver­ minderten Verlust, da die Option am letzten Handelstag nur noch den im Geld liegenden Faktor wert ist. – Das Underlying steigt gegen die Erwartungen des Investors an: Der Investor erleidet seinen maximalen Verlust. Dieser ist zwar auf die bereits bezahlte Opti­ onsprämie begrenzt, aber dennoch als Komplettverlust anzusehen. Diese Strategie eignet sich sowohl zur Absicherung (Hedging) als auch zur Spekulati­ on auf fallende Kurse. Wenn ein Long Put als Absicherungsstrategie verwendet wird, entspricht die bezahlte Optionsprämie der Versicherungsprämie für die Laufzeit.

6.24.5 Die Strategie SHORT PUT Die Gegenposition zu unserer vorangegangen Long-Put-Strategie bildet der Short Put (vgl. Abbildung 6.45). Ein Short-Put-Investor ist damit einverstanden, das Underlying

272 | 6 Optionen

an einem bestimmten Tag (bzw. in einem bestimmten Zeitraum) und zu einem be­ stimmten Preis zu kaufen, wofür er die Optionsprämie erhält. Diese stellt gleichzeitig seinen maximalen Gewinn dar. Jedoch ist sein Verlustpotenzial begrenzt auf den Aus­ übungspreis, da er die Stücke übernehmen muss.³⁸⁴

Gewinn Basispreis: 50 EUR Short Put Optionsprämie: 3 EUR Underlying Break-Even Point: 47 EUR

Verlust Abb. 6.45: Gewinn- und Verlustszenario beim Short Put

In unserem bereits dargestellten Beispiel müsste der Short-Put-Investor bei Ausübung der Option durch den Long-Put-Investor die Aktien zu 50 Euro kaufen. Da er bereits 3 Euro erhalten hat, ist sein realer Einstandskurs bei 47 Euro. Fällt die Aktie unter 47 Euro, erleidet der Short-Put-Investor einen Verlust. Szenarioanalyse – Die Aktie fällt unter 47 Euro: Der Short-Put-Investor erleidet einen Verlust. – Die Aktie steht zwischen 47 und 50 Euro: Die Short-Put-Position realisiert einen verminderten Gewinn. – Die Aktie steht über 50 Euro: Der Investor behält die bereits erhaltene Options­ prämie und erzielt damit gleichzeitig den maximalen Gewinn. Diese Strategie ist bei fallenden Kursen sehr riskant. Es besteht die Gefahr, hohe Ver­ luste hinnehmen zu müssen, während der mögliche Gewinn auf die Prämieneinnah­ me begrenzt ist. 384 Da eine Aktie nur bis Null fallen kann, ist die Begrenzung folglich auf die Gesamtposition zu sehen.

6.25 Wie erfolgt ein Hedging mit Optionen?

| 273

Die Tabelle 6.12 fasst die vier Grundstrategien nochmals zusammen. Der Tabel­ le 6.13 kann man die jeweiligen Grundintentionen inkl. Volatilität und Zeitwerteffekt entnehmen. Tab. 6.12: Die vier Grundpositionen im Optionsgeschäft Grundeinstellung

Geschäft

Long Call

Steigendes Underlying

Short Call

Gleichbleibendes, leicht sinkendes Underlying Sinkendes Underlying

Muss Prämie bezahlen; kann ggf. kaufen Erhält als Stillhalter die Prämie und muss evtl. liefern Muss Prämie bezahlen; kann ggf. verkaufen Erhält als Stillhalter die Prämie und muss evtl. abnehmen

Long Put Short Put

Gleichbleibendes, leicht steigendes Underlying

Für Einsteiger in die Materie sollten die vier Grundpositionen am Anfang genügen. Erst wer mit diesen Erfahrungen gesammelt hat, sollte sich den Kombinationen und weiterführenden Strategien zuwen­ den.

Tab. 6.13: Die vier Grundpositionen in der Übersicht und deren Erwartungshaltung³⁸⁵ Position

Kurs Underlying

Volatilität

Zeitwerteffekt

Long Call Short Call Long Put Short Put

+ +/− − −/+

+ − + −

− + − +

6.25 Wie erfolgt ein Hedging mit Optionen? Einer der grundlegendsten Gedanken im Geschäft mit Optionen ist das Absichern von bestehenden Positionen bzw. von Positionen,³⁸⁶ welche in der Zukunft einge­ gangen werden sollen. Die einfachste Art der Absicherung ist die Strategie „Short Basiswert“:³⁸⁷ Man verkauft dazu den abzusichernden Teil oder das Gesamtportfo­ lio. Das ist einfach, aber oft nicht effektiv. Der Investor löst sich bei dieser Strategie 385 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007). 386 Eliminieren des spezifischen Risikos einer Portfolioposition. 387 Long und Short Basiswert sind Kassamarktstrategien, weil das Underlying direkt gekauft bzw. verkauft wird. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, die Basiswerte synthetisch z. B. über eine ZeroStrike-Option zu handeln. Dann sprechen wir nicht von einer Kassamarkttransaktion, sondern von einer Derivatetransaktion.

274 | 6 Optionen

vom Investment und damit auch von allen Chancen, weiter mit diesem Erträge zu generieren. Daher ist eine Absicherung über Termingeschäfte sinnvoller. Um einen Hedge mit Optionen aufbauen zu können, benötigt man immer eine „Hedge-Ratio“. Wie bereits dargelegt, gibt das Delta einer Option an, inwieweit der Op­ tionswert sich aufgrund von Schwankungen des Basiswertes verändert. Es ist daher notwendig und ideal, diesen zur Berechnung eines Absicherungsverhältnisses her­ anzuziehen. Die Hedge-Ratio gibt also an, wie viele Optionen für die abzusichernde Position benötigt werden.

6.25.1 Der Delta-Hedge Kontraktanzahl =

Aktienbestand 1 × Kontraktgröße Delta der Option

Beispiel: Unser Investor hat 10.000 Aktien der V-AG im Bestand. Er möchte diese bei 40 Euro absichern. Dafür wählt er einen Put mit Basis 40 Euro, welches ein Delta von −0,50 hat. Aktienbestand ( ) Kontraktgröße Kontraktanzahl = Delta der Option 10.000 ( ) 100 −200 = −0,50 Er benötigt somit 200 Kontrakte, um die Position absichern zu können (das Vorzei­ chen spielt hier keine Rolle). Sollte die Aktie V fallen, kompensiert die Hedgeposition den Verlust. Jedoch muss unser Investor seinen Hedge immer anpassen, da sich das Delta der Option verändert. Zum Beispiel muss er bei einem Delta von −0,60 nur noch 167 Kontrakte halten. Diese Strategie ist sehr teuer, da aufgrund der Veränderungen des Delta eine permanente Anpassung erfolgen muss. Der Delta-Hedge wird von Emittenten zur Sicherung von Positionen, die aus dem Verkauf von Zertifikaten bestehen, genutzt. Kauft zum Beispiel ein Kunde eine Ak­ tienanleihe, so wird der Emittent sofort im Hintergrund einen Delta-Hedge für die jeweilige Position ausführen. Dies kann durch eine komplette Weitergabe des Del­ tarisikos erfolgen als auch durch einen Gamma-neutralen Hedge. Dabei wird die Deltaänderungsrate auf null reduziert (über einen Portfolioansatz). Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch bei Gamma-neuralen Positionen noch Risikofaktoren vorhan­ den sind, welche durch Änderungen im Markt (z. B. Volatilität, falsche Annahmen etc.) aufleben können. Erst das transferieren von Risiken eliminiert diese im eigenen Handelsbuch. Es kann grundsätzlich gesagt werden, dass jede Handelsposition im Handelsbuch des Emittenten in die jeweilige Risikoposition „zerlegt“ wird und eine Absicherung für

6.25 Wie erfolgt ein Hedging mit Optionen?

| 275

diese gehandelt wird. Diese Sicherungspositionen (für jede einzelne Risikoart) sind immer dynamisch und niemals statisch. Dabei werden die entstehenden Positionen, welche sich verrechnen lassen, genettet. In einem zweiten Schritt wird dann über Sicherheitstransaktionen eine Weitergabe des Risikos vorgenommen. Dies kann in einer großen Bank sowohl über das interne Hedging (ein Desk hedged sich mit einem anderen Desk der selben Bank; zum Beispiel: ETF Desk) wie auch das Hedging über den Markt erfolgen.

6.25.2 Der Protective Put Als Alternative zum Delta Hedge könnte der Investor die Strategie des Protective Put³⁸⁸ (wird im englischen auch als Married Put bezeichnet) wählen. Dabei richtet sich die Anzahl der zu kaufenden Puts nach der Anzahl der Aktien im Portfolio. Er würde also hier eine statische 1:1-Absicherung vornehmen, wodurch er jedoch stark gebunden ist. Er hat meist einen höheren Kostenaufwand. Die Strategie Protective Put ist somit eine klassische Strategie der Portfolio Insurance, welche als einziges Ziel hat, ein Portfolio abzusichern. Wie bereits dargestellt handelt es sich beim Protective Put um eine statische Strategie, welche man auch mit einem Stop Loss im Underlying vergleichen könnte. Eine Kombination mit einem klassischen Covered Call Writing (CCW) kann hierbei jedoch zu einer Prämienneutralität bzw. einer Verringerung der Sicherungskosten führen. Wählt ein Investor diese Möglichkeit, so ist er eine stati­ sche Absicherungsstrategie und eine statische Verkaufsstrategie eingegangen, da er an die Lieferverpflichtung aus dem CCW gebunden ist, als er für sich selbst den Absi­ cherungspreis mittels des Protective Put festgelegt hat. Er hat folglich seine Position eingezäunt. Sichert ein Investor sein Portfolio mittels eines Index-Puts ab, so ist unbedingt darauf zu achten, dass sein Portfolio auch dem des Index entspricht (siehe hierzu den Abschnitt ß-Hedge). Ein sonst auftretender Tracking Error würde das gewünschte Er­ gebnis verfälschen bzw. beeinträchtigen. Ein weiterer festzuhaltender Problemfall ist die Laufzeit der Optionen. Da meist die Portfoliolaufzeit länger als die der Optionen angelegt ist, ist ein Weiterrollen der Positionen meist nicht zu umgehen.

6.25.3 Portfolio Insurance mit Calls Möchte ein Investor sich gegen einen steigenden Markt absichern, da er in der Zukunft eine Investition plant, so kann er dies mittels Long Calls und einer festverzinslichen Komponente (z. B. Zerobond) darstellen. Hierbei werden wie beim Protective Put Op­

388 Protective Put: Long Put auf Bestände desselben Underlyings zur 1:1-Absicherung (statische Ab­ sicherung).

276 | 6 Optionen

tionen gekauft. Der Anleger profitiert vom Steigen des Underlyings, welches er zu ei­ nem späteren Zeitpunkt aus der Position kauft. Auch hier gilt: Wenn die Position über Index Calls aufgebaut werden soll, ist ein Beta-Hedge anzuraten.

6.25.4 Beta-Hedge Eine weitere Möglichkeit der Absicherung ist der Beta-Hedge. Hierbei kommt das β des Portfolios zum Tragen. Es handelt sich dabei um eine Portfolioabsicherungsstrategie, die mittels einer Indexoption zustande kommt. Diese Art des Hedging ist sehr weit ver­ breitet, da ein Beta-Faktor aus jedem Portfolio errechnet werden kann. Im Gegensatz zu den obigen Strategien kommt jedoch keine isolierte Absicherung der Positionen zustande, sondern eine Portfolioabsicherung (Komplettabsicherung). Hedge-Ratio für einen Beta-Hedge: Kontrakte =

Gegenwert des Portfolios × β Portfolio (Indexstand × Kontraktgröße der Indexoption)

Ein Investor möchte sein Portfolio im Gegenwert von 80.000.000 Euro mittels ODAX® -Optionen absichern. Das Beta des Portfolios beträgt 1,2. Der Kontraktmulti­ plikator für den ODAX® ist 5 Euro pro Punkt. Der Index steht bei 5.000 Punkten. Kontraktanzahl =

80.000.000 × 1,2 (5.000 × 5)

Der Investor muss somit 3.840 Kontrakte handeln. Hedingstrategien sind i. d. R. erst einmal Aufwandsstrategien. Durch die Kombination von z. B. Long Put mit einem CCW kann dieser Aufwand reduziert werden.

6.26 Plain Vanilla Optionskombinationen Eingangs haben wir erwähnt, dass alle Optionskombinationen auf den vier Grundpo­ sitionen beruhen. Im kommenden Abschnitt wollen wir die gängigsten Optionskom­ binationen erläutern.

6.26.1 Straddle Unter einem Straddle (deutsch: Grätsche) versteht man den gleichzeitigen Kauf oder Verkauf der gleichen Anzahl von Calls und Puts mit dem gleichen Underlying, dem­ selben Verfallsdatum und demselben Basispreis. Wie Sie erkennen können, ist nicht die Richtung einer Kursbewegung ausschlaggebend, sondern deren Intensität. Der Straddle gilt daher als klassische Volatilitätsstrategie.

6.26 Plain Vanilla Optionskombinationen | 277

Long Straddle Bei einem Long Straddle setzt der Investor sowohl auf eine starke Kursveränderung des jeweiligen Underlyings als auch auf eine Veränderung, im Falle eines Long, eine Zunahme der Volatilität. Der Long Straddle ist eine klassische „long vol“ Strategie. D. h., der Investor kauft die Volatilität (Long-Position in den Optionen) und kann damit aktiv auf ein Steigen der Volatilität setzen. In welche Richtung sich der Kurs bewegt, ist nicht von Relevanz, da der Investor sich beidseitig aufgestellt hat. In einer solchen Strategie steht dem unbegrenzten Gewinnpotenzial ein Verlustpotenzial gegenüber, das auf die gezahlten Optionsprämien begrenzt ist. Konstruktion eines Long Straddle: Der simultane Kauf eines Calls (Long Call) und eines Puts (Long Put) mit gleicher Laufzeit und identischen Basispreisen ergibt einen Long Straddle. Beispiel: Long Call, X-Aktie, Basis 50 Euro, Verfall September, Optionsprämie 2 Euro. Long Put, X-Aktie, Basis 50 Euro, Verfall September, Optionsprämie 1,80 Euro. Der gesamte Prämienaufwand für diese Strategie beträgt folglich 3,80 Euro. Somit liegt der Break-Even-Point entweder bei 53,80 Euro oder bei 46,20 Euro. Wir sehen also, es muss die komplette Prämie in die Erfolgsrechnung übernommen werden. Wenn sich das Underlying zwischen den beiden Break-Even-Points befindet, ist der Investor im Bereich des verminderten bzw. vollen Verlusts (vgl. Abbildung 6.46). Er kommt in den Bereich des unbegrenzten Gewinns, wenn der Kurs über einen der Break-Even-Points steigt oder fällt. Der Investor profitiert aus einer steigenden Volatilität aufgrund der dadurch steigenden Preise von Long-Optionen. Daher kann diese Strategie auch als positive Volatilitätsstrategie bezeichnet werden. Short Straddle Der Short Straddle bildet logischerweise das exakte Gegenstück zur Long-Ausrich­ tung: Der Investor geht davon aus, dass sich das Underlying nicht allzu weit weg vom Basispreis bewegt und die Volatilität dabei absinkt. Er verkauft folglich die Volatilität mit dieser Strategie. Somit ist der Short Straddle eine klassische „short vol“ Strategie. Beispiel: Short Call, X-Aktie, Basispreis 50 Euro, Verfall September, Optionsprämie 2 Euro. Short Put, X-Aktie, Basispreis 50 Euro, Verfall September, Optionsprämie 1,80 Euro. Die gesamte Prämieneinnahme bei dieser Strategie beträgt 3,80 Euro. Die Verlustgren­ zen sind also bei 53,80 Euro bzw. bei 46,20 Euro. Der Investor realisiert mit dieser Strategie Verluste, wenn das Underlying stärker schwankt; er profitiert also von ei­ ner rückläufigen Volatilität. Das Verlustpotenzial dieser Strategie ist unbegrenzt (vgl.

278 | 6 Optionen

Gewinn Basispreis

Underlying

Long Straddle Long Call Long Put

Verlust

Abb. 6.46: Gewinn- und Verlustszenario bei Long Straddle

Gewinn Basispreis

Underlying

Verlust

Short Straddle Short Call Short Put

Abb. 6.47: Gewinn- und Verlustszenario beim Short Straddle

Abbildung 6.47). Sie gilt folglich als Risikostrategie, weil dem Risiko nur geringe Ein­ nahmen aus den Prämien gegenüberstehen. Auf der anderen Seite ermöglicht diese Strategie dem Investor aktiv die Volatilität zu verkaufen. Dies ist, gerade in großen Handelsbüchern, oftmals eine wichtige Strategie zu deren Steuerung.

6.26 Plain Vanilla Optionskombinationen

| 279

Strategien zum Auf- und Abbau von Volatilität in einem Handelsbuch sind von großer Wichtigkeit. Die­ se werden neben der aktiven Performancesteuerung auch zur Risikosteuerung genutzt und verwen­ det. Denn mittels dieser Strategien wird die Volatilität zu einem handelbaren Instrument. Da diese ein extremer Werttreiber bzw. Einflussfaktor ist, ist auch die Steuerung dieser von großer Wichtigkeit.

6.26.2 Straps und Strips Straps gleichen von ihrem Aufbau Straddles. Lediglich das Mengenverhältnis von Call zu Put wird asymmetrisch verschoben. Dabei wird i. d. R. die doppelte Anzahl Calls wie Puts gehandelt. Somit kommt es zu einem Call-Put-Verhältnis von 2 : 1. Natürlich sind auch andere Mengenverhältnisse möglich. Werden bei den Straps die Calls gegenüber den Puts übergewichtet, so ist dies bei den Strips gerade umgekehrt. Es findet eine Übergewichtung von Puts gegenüber den Calls statt. Auch hier kommt es oft zu einem 2 : 1-Verhältnis, nun jedoch Puts zu Calls. Wie auch schon bei den Straps besprochen, können auch hier andere Mengenverhält­ nisse eingegangen werden.

6.26.3 Strangle Unter einem Strangle versteht man den gleichzeitigen Kauf oder Verkauf der gleichen Anzahl von Calls und Puts mit demselben Basiswert und Verfallsdatum, aber unter­ schiedlichen Basispreisen. Diese Strategie unterscheidet sich vom Straddle dadurch, dass die Calls oder Puts unterschiedliche Basispreise aufweisen. Die Strategie zählt ebenfalls zu den Volatilitäts-Strategien. Long Strangle Im Prinzip gehen der Strategie Long Strangle dieselben Grundgedanken voraus wie beim Long Straddle. Der Strangle ist im Vergleich zum Straddle billiger, da die Op­ tionen oftmals weiter aus dem Geld gewählt werden. Folglich müssen hier die Kurs­ auschläge jedoch stärker ausfallen. Beispiel: Long Call, X-Aktie, Basispreis 40 Euro, Verfall: September, Prämie 1 Euro. Long Put, X-Aktie, Basispreis 36 Euro, Verfall: September, Prämie 0,80 Euro. Die Gewinnschwellen dieser Strategie liegen bei 41,80 Euro und 34,20 Euro (vgl. Abbildung 6.48). Zwischen diesen beiden Punkten liegt eine relativ breite Verlustspan­ ne: Wenn sich das Underlying innerhalb dieses Bereichs bewegt, macht der Investor einen Verlust. Überschreitet aber der Basiswert eine der beiden Schwellen, ist der Ge­

280 | 6 Optionen

Gewinn Basispreise

Underlying

Verlust

Long Strangle Long Call Long Put

Abb. 6.48: Gewinn- und Verlustszenario beim Long Strangle

winn potenziell unbegrenzt. Dagegen ist der Verlust auf die bereits bei Abschluss be­ zahlte Prämie begrenzt.

Short Strangle Der Short Strangle ist spiegelbildlich zum Long Strangle zu sehen. Der maximale Er­ trag ist auf die Prämieneinnahme begrenzt. Gleichzeitig ist jedoch der Verlust poten­ ziell unbegrenzt. Beispiel: Short Call, X-Aktie, Basispreis 40 Euro, Verfall: September, Prämie 1 Euro. Short Put, X-Aktie, Basispreis 36 Euro, Verfall: September, Prämie 0,80 Euro. Die Verlustschwellen liegen bei 41,80 Euro und 34,20 Euro. Es ist zu beachten, dass sowohl bei stark steigenden als auch bei stark fallen­ den Kursszenarien die Strategie deutlich in die Verlustzone kommen kann (vgl. Ab­ bildung 6.49). Daher ist anzuraten, im Vorfeld zu definieren und zu klären, wann und wie die Strategie im schlechtesten Fall geschlossen werden kann und muss.

Strangle-Positionen reagieren etwas weniger schnell und sprunghaft als Straddle-Positionen. Daher sind diese als „Einstiegspositionen“ sinnvoller.

6.26 Plain Vanilla Optionskombinationen |

281

Gewinn Basispreise

Underlying

Verlust

Short Strangle Short Call Short Put

Abb. 6.49: Gewinn- und Verlustszenario beim Short Strangle

6.26.4 Spreads Unter einem Spread versteht man den gleichzeitigen Kauf und Verkauf einer Option desselben Typs, bei denen die Basispreise und/oder die Verfallstermine differieren. In der Fachterminologie³⁸⁹ werden Spreads, die mit Calls gebildet werden, als Bull Spreads bezeichnet. Im Gegenzug werden Spreads, welche mit Puts erstellt werden, als Bear Spreads bezeichnet. Faktisch wäre dies auch, wie manchmal in der Literatur beschrieben, mit der jeweiligen Gegenseite möglich. Man spricht von einem gekauften oder auch Debit Spread, wenn der Investor für das Spread-Konstrukt einen Nettoprämienaufwand leisten muss. Der Credit Spread (auch: verkaufter Spread) stattet den Investor mit einer Nettoprämiengutschrift aus (vgl. Abbildung 6.50). Nachfolgend wollen wir an zwei Beispielen Spreads aufzeigen: Debit Bull Spread: Dabei wird ein Call gekauft und ein Call mit einem höheren Basispreis verkauft (vgl. Abbildung 6.51). Beispiel: Kauf eines Calls auf Aktie X Basispreis 20 Euro Laufzeit: September Optionsprämie: 1,50 Euro Verkauf eines Calls auf Aktie X Basispreis 25 Euro

389 Diese Einstufung ist das gängige Wording an der Terminbörse Eurex und wird von uns hier so übernommen.

282 | 6 Optionen

Spread

Bear Spread = Spread mit Puts

Bull Spread = Spread mit Calls

Debit Bull Spread = Nettoaufwand

Credit Bull Spread = Nettoeinnahme

Debit Bear Spread = Nettoaufwand

Credit Bear Spread = Nettoeinnahme

Abb. 6.50: Grundarten von Spreads

30 25 20 15 10 5 0 0

5

10

15

20

25

30

35

40

-5 -10 -15 -20 -25

Abb. 6.51: Debit Bull Spread (Payoff)

Laufzeit: September Optionsprämie: 0,50 Euro Somit beträgt der Nettoaufwand 1 Euro. Für diese Strategie ergibt sich der größtmögliche Gewinn, wenn die Aktie am Ver­ fallstag am oberen Basispreis oder darüber notiert. Er errechnet sich aus der Differenz der beiden Basispreise abzüglich der gezahlten Optionspreisdifferenz. Der maximale Verlust tritt ein, wenn der Kurs der Aktie unter den tieferen Basispreis sinkt und damit beide Optionen wertlos verfallen.

6.26 Plain Vanilla Optionskombinationen | 283

Credit Bear Spread: Der Investor geht von einem seitwärts leicht steigenden Markt aus. Für Marktrückschläge ist jedoch eine Long-Put-Position eingebaut. Der Investor shortet einen höheren Put und kauft einen niedrigeren Long Put. Durch den Short Put, der sich auf einen höheren Basispreis bezieht, nimmt er mehr Prämie ein, als er für den Long Put ausgegeben hat. Dadurch erhält er eine Nettoprämieneinnahme, welche den maximalen Gewinn darstellt. Der maximale Verlust ist die Differenz zwischen den beiden Basispreisen abzüglich der Nettoprämie (vgl. Abbildung 6.52).³⁹⁰

30 25 20 15 10 5 0 0

5

10

15

20

25

30

35

40

-5 -10 -15 -20 -25

Abb. 6.52: Credit Bear Spread (Payoff)

Beispiel: Verkauf eines Puts auf Aktie X Basispreis 30 Euro Laufzeit: September Optionsprämie: 3 Euro Kauf eines Puts auf Aktie X Basispreis 25 Euro Laufzeit: September Optionsprämie: 1 Euro Es ergibt sich eine Prämieneinnahme (netto) von 2 Euro. Der maximale Verlust beträgt 3 Euro.³⁹¹

390 Vgl. o. V. Eurex AG. 391 Errechnet sich wie folgt: 30−25 = 5; 5−2 = 3.

284 | 6 Optionen

6.27 Plain-Vanilla-Optionsstrategien im Überblick + entspricht einer Long-Option − entspricht einer Short-Option Ziffer entspricht dem Basispreis der Option³⁹²

6.27.1 Strategien für eine positive Markteinstellung Markterwartung

Optionsposition

Potenzieller Gewinn

Verlustrisiko

Kräftig steigend

Long Call + Call 30

Unbegrenzt

Maximale Prämie

Leicht steigend

Kauf Bull Spread + Call 30 − Call 35

Maximale Basispreisdifferenz minus Nettoprämienaufwand

Maximaler Nettoprämienaufwand

Schwach steigend

Short Put − Put 30

Maximale Prämie

Nahezu unbegrenzt

6.27.2 Strategien für eine neutrale Markteinstellung Markterwartung

Optionsposition

Potenzieller Gewinn

Verlustrisiko

Seitwärts

Verkauf Bear Spread + Put 36 − Put 40

Maximaler Nettoprämienerlös

Maximale Basispreisdifferenz minus Nettoprämienerlös

Seitwärts

Verkauf Bull Spread + Call 40 − Call 36

Maximaler Nettoprämienerlös

Maximale Basispreisdifferenz minus Nettoprämienerlös

392 Quelle: Tabellen in Anlehnung an o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung.

6.27 Plain-Vanilla-Optionsstrategien im Überblick | 285

6.27.3 Strategien für eine negative Markteinstellung Markterwartung

Optionsposition

Potenzieller Gewinn

Verlustrisiko

Schwach fallend

Short Call − Call 40

Maximale Prämie

Unbegrenzt

Leicht fallend

Kauf Bear Spread + Put 36 − Put 32

Maximale Basispreisdifferenz minus Nettoprämienaufwand

Maximaler Nettoprämienaufwand

Kräftig fallend

Long Put + Put 36

Nahezu unbegrenzt

Maximal gezahlte Prämie

6.27.4 Strategien für eine volatile Markteinstellung Markterwartung

Optionsposition

Maximaler Gewinn

Verlustrisiko

Steigende Volatilität

Long Straddle + Call 36 + Put 36

Nahezu unbegrenzt

Begrenzt auf gezahlte Prämie

Steigende Volatilität

Long Strangle + Call 38 + Put 34

Nahezu unbegrenzt

Begrenzt auf gezahlte Prämie

Fallende Volatilität und konstanter Marktpreis vom Underlying

Short Straddle − Call 36 − Put 36

Maximal erhaltene Prämie

Nahezu unbegrenzt

Fallende Volatilität und konstanter Marktpreis vom Underlying

Short Strangle − Call 38 − Put 34

Maximal erhaltene Prämien

Nahezu unbegrenzt

Abbildung 6.53 zeigt die klassischen Kombinationen und das dafür benötigte Markt­ umfeld auf. Nachfolgend wollen wir einen Blick auf komplexere Strategien werfen. Die folgenden Strategien sollten nur von erfahrenen Investoren eingesetzt werden, die Erfahrungen im Positionsmanagement von Plain-Vanilla-Strategien haben.

286 | 6 Optionen

Annahme einer steigenden Volatilität Buy Put

Buy Call Buy Straddle Buy Strangle

Annahme eines fallenden Underlyings

Sell Call Spread

Buy Put Spread

Sell Put Spread

Buy Call Spread

Annahme eines steigenden Underlyings

Sell Strangle Sell Straddle Sell Call

Sell Put

Annahme einer sinkenden Volatilität

Abb. 6.53: Strategieübersicht mit Markt- und Volatilitätseinstufung (Grundstrategien)³⁹³

6.28 Weiterführende Optionsstrategien und deren Aufbau Nachfolgend zeigen wir komplexere Strategien auf. Diese richten sich an einen erfah­ renen Kundenkreis bzw. sollten nur von Financial Engineers eingesetzt werden. Dabei kommt es oft auf die Kombination von Einzelstrategien an, welche zum aktiven Port­ foliomanagement, in der Konstruktion von Financial-Engineering-Produkten oder bei Eigenhändlergeschäften benötigt werden. Dabei gehen wir nachfolgend auf die von der Eurex³⁹⁴ definierten Inhalte der einzelnen Strategien ein.³⁹⁵

6.28.1 Butterfly Bei der Strategie Long-Butterfly profitiert der Investor vom Zeitwertverfall der ShortPositionen und der auf den Verfallstag hin ausgerichteten „in the money“-Position. Dabei entsteht der maximal mögliche Gewinn, wenn der Underlying Preis gleich dem Basispreis der Short-Position (B) ist (vgl. Abbildung 6.54).

393 In Anlehnung an: I, Stepkoch / CC BYSA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/). 394 In der Handelssoftware T7 sind diese auch direkt auswählbar und somit werden einem die Ein­ zelkomponenten der Strategien vorgeschlagen und vorgegeben. 395 Vgl. o. V. Eurex Handelsstrategien.

6.28 Weiterführende Optionsstrategien und deren Aufbau |

287

Aufbau: Variante

Basispreis 42 (A)

Basispreis 44 (B)

Basispreis 46 (C)

1 2 3 4

1 Long Call 1 Long Put 1 Long Put 1 Long Call

2 Short Calls 2 Short Puts 1 Short Put + 1 Short Call 1 Short Call + 1 Short Put

1 Long Call 1 Long Put 1 Long Call 1 Long Put

Es gilt: B−A muss gleich C−B sein. B

A

C

Abb. 6.54: Long Butterfly

Bei der Short-Butterfly Variante wird ein begrenztes Gewinn- und Verlustpotential aus­ gewiesen. Der maximale Gewinn besteht aus den erhaltenen Prämien aus den ShortGeschäften. Dabei bilden die Long Positionen Begrenzungen eines evtl. eintretenden Verlustes (vgl. Abbildung 6.55). Variante

Basispreis 42 (A)

Basispreis 44 (B)

Basispreis 46 (C)

1 2 3 4

1 Short Call 1 Short Put 1 Short Put 1 Short Call

2 Long Calls 2 Long Puts 1 Long Put + 1 Long Call 1 Long Call + 1 Long Put

1 Short Call 1 Short Put 1 Short Call 1 Short Put

C

A

B Abb. 6.55: Short Butterfly

288 | 6 Optionen

6.28.2 Condor Die Strategie Condor ähnelt der Strategie Butterfly sehr. Die Gewinn- und Verlustpo­ tenziale sind auch hier begrenzt, jedoch mit dem Unterschied, dass die Basispreise nun weiter auseinander liegen. Einen Long Condor wendet man dann an, wenn man von einer geringeren Vo­ latilität ausgeht. Die Kurse sollten bei Fälligkeit zwischen den Basispreisen B und C notieren, um den größten Erfolg zu erzielen (vgl. Abbildung 6.56). Variante

Basispreis 42 (A)

Basispreis 44(B)

Basispreis 46 (C)

Basispreis 48 (D)

1 2 3 4

1 Long Call 1 Long Put 1 Long Call 1 Long Put

1 Short Call 1 Short Put 1 Short Call 1 Short Put

1 Short Call 1 Short Put 1 Short Put 1 Short Call

1 Long Call 1 Long Put 1 Long Put 1 Long Call

B

C

A

D

Abb. 6.56: Long Condor

Selbstverständlich lässt sich diese Strategie auch als Short Condor aufbauen. Die beiden Long-Positionen zwischen den Short-Positionen weisen hierbei unterschiedli­ che Basispreise auf. Es entsteht somit, zur Long Variante, eine spiegelbildliche Stra­ tegie und folglich auch das spiegelbildliche Payoff (vgl. Abbildung 6.57).

6.28.3 Ratio Spread Bei einem Ratio Spread werden Long- und Short-Positionen mit unterschiedlicher An­ zahl von Kontrakten aufgebaut. D

A

B Abb. 6.57: Short Condor

C

6.28 Weiterführende Optionsstrategien und deren Aufbau | 289

Ratio Call Spread Bei einem Ratio Call Spread handelt es sich um eine Strategie, bei der einer oder mehrere Calls gekauft werden. Auf diese Position wird eine höhere Anzahl von Calls auf dasselbe Underlying mit einem höheren Basispreis am Markt verkauft (vgl. Abbil­ dung 6.58). Der Grund hierfür kann unter anderem die Refinanzierung der gekauften Position sein. Somit schafft sich der Investor einen Liquiditätsvorteil, da er die Prämi­ en nicht aus dem Eigenkapital sondern über die zusätzlich gewonnenen Einnahmen abdecken kann. Es kann somit sowohl eine Netto Debit als auch eine Netto Credit Si­ tuation entstehen.

4.000

Gewinn

2.000

Gesamt

60 0 3. 70 0 3. 80 0 3. 90 0 4. 00 0 4. 10 0 4. 20 0 4. 30 0 4. 40 0 4. 50 0 4. 60 0 4. 70 0 4. 80 0 4. 90 0 5. 00 0 5. 10 0 5. 20 0 5. 30 0 5. 40 0 5. 50 0 5. 60 0

Sell Call

3.

Verlust

0

Buy Call

-2.000

-4.000

Kurs

Abb. 6.58: Ratio Call Spread

Ratio Put Spread Der Ratio Put Spread werden Puts mit einem niedrigeren Basispreis verkauft und eine geringere Anzahl auf dasselbe Underlying mit derselben Laufzeit wird gekauft (vgl. Abbildung 6.59). Es kann sowohl eine Netto Debit als auch eine Netto Credit Situati­ on entstehen, je nachdem, ob ein Prämienüberschuss oder eine Prämiendifferenz zu verbuchen ist.

6.28.4 Back Spread (Call oder Put) Bei einem Back Spread erfolgt die Umkehrung eines Ratio Spreads. Es werden spiegel­ bildlich die oben aufgeführten Positionen gehandelt. So sind z. B. die Long-Positionen umfänglicher gehandelt, als die Short-Positionen und vice versa.

290 | 6 Optionen

4.000

Gewinn

2.000

Gesamt

60 0 3. 70 0 3. 80 0 3. 90 0 4. 00 0 4. 10 0 4. 20 0 4. 30 0 4. 40 0 4. 50 0 4. 60 0 4. 70 0 4. 80 0 4. 90 0 5. 00 0 5. 10 0 5. 20 0 5. 30 0 5. 40 0 5. 50 0 5. 60 0

Sell Put

3.

Verlust

0

Buy Put

-2.000

-4.000

Kurs

Abb. 6.59: Ratio Put Spread

6.28.5 Box-Strategien Box-Spreads sind Optionsstrategien, welche auf dem Arbitrage-Gedanken aufgrund von Ungleichgewichten zwischen der Bewertung von Calls und Puts basieren. Es wird folglich versucht, aus diesen Ungleichgewichten einen Zusatzertrag zu erzielen. Da­ bei ist der Aufbau einer 4-Leg-Strategy hinsichtlich deren Beobachtung und Risiko­ management nicht trivial und es ist anzuraten, diese einem komplexen Monitoring zu unterziehen. Long Box Long Box bezeichnet den Kauf des Box Spreads. Dieser besteht aus einem Bull Call Spread und einem Bear Put Spread (vgl. Abbildung 6.60). Einzelposition

Verfall

Basispreis

Long Call Short Call Short Put Long Put

Januar Januar Januar Januar

5.000 5.500 5.000 5.500

Short Box Short Box bezeichnet den Verkauf des Box Spreads. Dieser besteht aus einem Bear Call Spread und einem Bull Put Spread (vgl. Abbildung 6.61).

6.28 Weiterführende Optionsstrategien und deren Aufbau | 291

4.000

Gewinn

2.000

Buy Call

60 0 3. 70 0 3. 80 0 3. 90 0 4. 00 0 4. 10 0 4. 20 0 4. 30 0 4. 40 0 4. 50 0 4. 60 0 4. 70 0 4. 80 0 4. 90 0 5. 00 0 5. 10 0 5. 20 0 5. 30 0 5. 40 0 5. 50 0 5. 60 0

Buy Put

3.

Verlust

0

Sell Call Sell Put

-2.000

-4.000 Kurs

Abb. 6.60: Long Box

Einzelposition

Verfall

Basispreis

Long Call Short Call Short Put Long Put

Januar Januar Januar Januar

5.500 5.000 5.500 5.000

4.000

Buy Put

60 0 3. 70 0 3. 80 0 3. 90 0 4. 00 0 4. 10 0 4. 20 0 4. 30 0 4. 40 0 4. 50 0 4. 60 0 4. 70 0 4. 80 0 4. 90 0 5. 00 0 5. 10 0 5. 20 0 5. 30 0 5. 40 0 5. 50 0 5. 60 0

Buy Call 0

Sell Call

3.

Verlust

Gewinn

2.000

Sell Put

-2.000

-4.000 Kurs

Abb. 6.61: Short Box

292 | 6 Optionen

6.28.6 Time Spread oder Calender Spread Bei einem Time Spread, welcher auch Calender Spread genannt wird, werden Op­ tionskombinationen mit unterschiedlichen Laufzeitenbändern (Erfüllungstermine) gehandelt. Bull Calender Spread

Bear Calender Spread

Long Call 15.000 Short Call 15.000 Long Put 15.000 Short Put 15.000

Long Call 15.000 Short Call 15.000 Long Put 15.000 Short Put 15.000

März Januar März Januar

Januar März Januar März

Diese Strategie kann sehr gut mit einer „Ratio“ kombiniert werden.

Ratio-Call: Diese Optionsposition ist von der Grundstruktur ähnlich dem Bull-Time-Spread, be­ steht aber aus einer größeren Anzahl von verkauften Calls.

50 40 30 20 10

-10 -20 -30 -40 -50 –

25

50 Long Call

Abb. 6.62: Long-Risk-Reversal³⁹⁶ 396 Quelle: UBS.

75

100 Short Put

125

150 RR

6.28 Weiterführende Optionsstrategien und deren Aufbau |

293

Ratio-Put: Diese Optionsposition ist von der Grundstruktur ähnlich dem Bear-Time-Spread, be­ steht aber aus einer größeren Anzahl von verkauften Puts.

6.28.7 Long-Risk-Reversal Der Investor geht von steigenden Kursen aus. Er verkauft Puts und kauft aus der Prä­ mieneinnahme Calls (vgl. Abbildung 6.62). Er baut folglich eine Zero-Cost-Strategie auf. In dieser Strategie ist sowohl das Gewinnpotenzial als auch das Verlustpotenzial unbegrenzt.

6.28.8 Short-Risk-Reversal Der Investor geht von einem Fallen der Kurse aus. Er kauft einen Put und finanziert diesen Kauf über den Verkauf eines Calls (vgl. Abbildung 6.63). Auch hier sehen wir wieder die Zero-Cost-Strategie. Wie auch für die Long-Variante gilt, das Gewinn- und Verlustpotential ist unbegrenzt.

50 40 30 20 10

-10 -20 -30 -40 -50 –

25

50 Short Call

Abb. 6.63: Short-Risk-Reversal³⁹⁷ 397 Quelle: UBS.

75

100 Long Put

125

150 RR

294 | 6 Optionen

6.29 Wie erfolgt ein Strategieaufbau mit Optionen? Es ist anzuraten, die Strategien aufeinander aufzubauen. Bei einem Neuengagement (vor allem, wenn es sich um einen kleineren Investor handelt) ist zu beachten, dass genügend Liquidität für spätere Operationen zurückgehalten wird. Dies ist grundsätz­ lich ein wichtiger Punkt: Nur wenn der Investor über genügend Liquidität verfügt, kann er seine Strategien ausreichend erweitern und managen. In diesem Zusammen­ hang gilt: Lieber eine Position weniger eröffnen, dafür aber die bereits bestehenden Positionen professionell und konsequent managen. Bei Optionsstrategien ist auch zu beachten, dass Außenfaktoren wie beispiels­ weise die Volatilität wichtige Einflussfaktoren sind, welche man sich zunutze machen kann. So kann man zum Beispiel Strategien zur Ausnutzung der Volatilität zusätzlich zu den Spekulationspositionen aufbauen. Die Volatilität kann entweder durch Kombinationen von Optionspositionen dem Portfolio/Handelsbuch hinzugefügt oder entzogen werden oder durch das Handeln der Volatilität mittels eines Volatilitätsfutures. Sowohl die Eurex als auch andere füh­ rende Terminbörsen bieten Volatilitätsfutures als eigenständiges Instrument an. Neh­ men wir das Beispiel der Eurex zur Hand. Hier werden Volatilitätsfutures auf den VSTOXX®, VDAX-NEW® und den VSMI® gelisted. Alle drei basieren auf der implizi­ ten Volatilität von Optionen aus den drei unterschiedlichen Aktienindizes, dem Dow Jones EURO STOXX 50® , dem DAX® (vgl. Abbildung 6.64) sowie dem Schweizer Index SMI® . Die Notierung der Futures wird in Prozent durchgeführt. Die Auszahlung des Futures lässt sich wie folgt ermitteln:³⁹⁸ Auszahlung (Volatilitätsindex) = m × (IV REL − IV EXP ) × n m IV REL IV EXP n

= Indexmultiplikator (1.000 Euro oder 1.000 CHF) = realisierte implizite 30-Tage-Volatilität bei Fälligkeit = erwartete implizite 30-Tage-Volatilität bei Geschäftsabschluss = Anzahl der Kontrakte

Diese Erweiterungen können im Portfolio zu einer gesteigerten Rendite und zu einer besseren Stabilität beitragen. Zumal diese schnell und preiswert zu handeln sind. So­ mit hat man als Investor eine weitere Möglichkeit, sein Positionsbuch um ein weiteres Underlying zu ergänzen, und man kann im Rahmen der Diversifikation (Volatilität hat eine negative Korrelation zum Aktienmarkt) dieses auch zielgerichteter steuern und modellieren. Optionsstrategien mit risikomindernder Wirkung können hier ebenso eingebaut werden wie Ergänzungsoptionen, die evtl. nur kurz (auch Intraday genannt) gehalten werden.

398 Quelle Eurex.

399 Quelle: Interactiv Data Management Solutions.

Abb. 6.64: DAX® (unten) vs. DAX® VOLATILITÄT (oben)³⁹⁹

2007 Darstellung: Performance

DAX-VOLATILITÄTSINDEX 0

2008

2009 Zeitabschnitt: 29.05.2207 – 27.05.2009

40%

60%

80%

100%

120%

140%

160%

180%

200%

220%

240%

260%

280%

300%

320%

340%

360%

380%

400%

420%

440%

460%

480%

6.29 Wie erfolgt ein Strategieaufbau mit Optionen? | 295

296 | 6 Optionen

Unserer Meinung nach ist es notwendig, das ein Portfolio unter Berücksichtigung der folgenden drei Grundsatzgruppen aufgebaut werden sollte: Gruppe I: Langfristige Strategiegeschäfte. Hierzu gehören Positionen, welche aus strategischen Überlegungen langfristig eingegangen werden. Sie sind das Grund­ gerüst des Portfolios und können unter anderem aus Absicherungsgeschäften und Kombinationsstrategien bestehen. Gruppe II: Spekulationspositionen. Hier werden die klassischen Terminmarkt­ spekulationen bestimmten Marktbewegungen zugeordnet. Diese Positionen dienen rein der Spekulation. Gruppe III: Ultrakurze Spekulationen. Diese Spekulationen werden oft nur als Intraday⁴⁰⁰ betrieben. Im langfristigen Fall setzt man maximal ein paar Tage darauf, wobei der Übergang zur Gruppe II fließend sein kann. In welchem Zeitraum ein Inves­ tor hier Übergänge definiert, ist ihm überlassen. Investitionen aus Gruppe III werden beispielsweise vor Zahlenveröffentlichungen oder an Tagen mit besonderen Marktbe­ wegungen und Ähnlichem abgeschlossen. In der Praxis sind Geschäfte der Gruppe III vor allem im Bereich des High-Frequency-Trading anzutreffen und damit als im wahrs­ ten Sinne des Wortes ultrakurze Trades zu erkennen. Beispiel: Gruppe I Dazu gehören Futures auf Indizes, Futures auf Zinsderivate, Optionen auf Fixed Income Futures, Sicherungstransaktionen, Transaktionen auf nahestehende Unter­ nehmen etc. Gruppe II Investitionen wie zum Beispiel Optionen auf Indizes, Optionen auf Aktienbestän­ de, Short-Put-Optionen etc. sind Mitglieder dieser Gruppe. Gruppe III Diese Gruppe besteht unter anderem aus sehr kurzfristigen Futures, FX-Futures, Optionspositionen auf einen speziellen Einzelwert, Warentermingeschäften etc. Der Investor versucht im obigen Kontext, so viele Möglichkeiten auszunutzen, wie machbar sind. Dafür benötigt er folgende Elemente: – Ausreichend Liquidität. – Ausreichende Informationen. – Ausreichende Markteinstellung und Strategieeinstellung. – Ausreichende technische Mittel zur Umsetzung. Die technischen Mittel zur Umsetzung sind i. d. R. gut vorhanden und werden immer weiterentwickelt. Gerade in den vergangenen Jahren haben sich hier viele neue Mög­

400 Intraday bezeichnet ein Geschäft, welches am selben Tag auf- und wieder zugemacht wird. Am Abend hat der Investor keine offene Position.

6.30 Optionen auf Futures und synthetische Terminmarktpositionen

| 297

lichkeiten ergeben und aufgetan. Im Zuge der regulatorischen Veränderung haben sich aber auch andere Themen ergeben, auf die wir hier kurz eingehen wollen. Vor allem die Ausstattung mit Eigenkapital für gewissen Transaktionen haben sich verän­ dert. Dies ist auch ein Grund, warum einige vormals sehr große Häuser das Geschäft für sich selbst straffen und nicht mehr jedes denkbare und vor allem im exotischen Be­ reich angesiedelte Derivat anbieten. Die Beschränkung hat sich aus den Kosten und den regulatorischen Anforderungen, dem vorhalten von Prozessen etc. ergeben. Da­ durch hat sich das Spektrum der Derivate in den vergangenen Jahren wieder etwas eingeengt, ohne dass dies eine technische oder marktabhängige Komponente hatte. Des Weiteren ist nach wie vor zu beobachten, dass nicht institutionelle Investoren sich eher den verbrieften Produkten zuwenden, als den nicht verbrieften Derivaten.

6.30 Optionen auf Futures und synthetische Terminmarktpositionen Optionen welche sich auf Futures als Underlying beziehen, ergänzen die große Palette der gelisteten Derivate.⁴⁰¹ Durch die Kombination eines bedingten Termingeschäfts mit einem unbedingten Termingeschäft schaffen diese das unmittelbare Bindeglied zwischen diesen beiden. Diese Art von Optionen wird physisch mit dem Future-Kontrakt beliefert und er­ möglicht dem Investor ein abgeschlossenes Chancen- und Risikoprofil. Bedingt durch die Optionsposition findet der Investor eine für ihn vorteilhafte, asymmetrische Risi­ koverteilung vor, da er ein Wahlrecht bzw. eine Option besitzt und bisher keine Ver­ pflichtung eingegangen ist. Nach Ausübung der Option wird aus dem Wahlrecht eine Verpflichtung, nämlich die des Futures, welcher zur Gattung der unbedingten Termin­ marktgeschäfte zählt. Vor allem im Bereich der Fixed Income Futures sind Optionen auf Futures sehr geläufig. So werden z. B. Optionen auf den Euro-Bund-Future (OGBL) und den 30-year Treasury-Bond-Future (T-BOND) angeboten.

6.30.1 Wie sind Optionen auf Futures aufgebaut und strukturiert? Der Käufer einer Option auf den Future (wie etwa den Euro-Bund-Future) erwirbt das Recht, jedoch nicht die Pflicht, den Future zu einem bei Geschäftsabschluss festgeleg­ ten Preis zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Im Falle einer Ausübung der Option wird diese physisch mit dem Future beliefert, sodass der Optionsinvestor zum Future-

401 Futures-Optionen (wird in der Literatur teilweise so genannt).

298 | 6 Optionen

Investor wird. Man kann es auch anders ausdrücken: Die Optionsposition (bedingtes Geschäft) wird durch die Future-Position (unbedingtes Geschäft) ersetzt.

6.30.2 Was versteht man unter der Future-Style-Methode? Bei Optionen auf Futures werden die Optionspreiszahlungen nicht bei Abschluss des Geschäftes, sondern während der Laufzeit (Future-Style-Methode) durchgeführt. Es kommt somit zu einem täglichen Gewinn- und Verlustausgleich aufgrund der Bewer­ tung der Optionsposition. Genau gesagt, werden die Optionspositionen jeden Abend anhand des Settlement-Preises bewertet und somit über das Future-Style-Verfahren ausgeglichen. Hierbei geht man nach einem ähnlichen Verfahren vor wie bei den Fu­ tures (Variation Margin). Der Käufer einer Option profitiert von gestiegenen Options­ preisen, der Verkäufer erzielt einen Gewinn bei fallenden Preisen. Die Optionen sind meist im amerikanischen Stil aufgelegt. Ein vorzeitiges Aus­ üben ist in der Regel nicht zu empfehlen, da dadurch der Zeitwert verloren geht. Der Verfallstag der Optionen differiert vom „normalen“ Verfallstag, damit der Trader einer Short-Position angemessen entscheiden und reagieren kann. Die Optionen werden in der Regel mit dem dazugehörigen nächsten Future-Kontrakt beliefert und daher auch wie dieser bezeichnet (Option auf März, letzter Handelstag im Februar, da die Option mit dem März Future beliefert wird und es auch noch eine Möglichkeit zum Agieren geben sollte). Optionen auf Futures entsprechen folgenden Future-Positionen bzw. werden wie folgt beliefert: Tab. 6.14: Übersicht über Optionen auf Futures⁴⁰² Optionskontrakt

Future (nach Belieferung)

Long Call Short Call Long Put Short Put

Long Future Short Future Short Future Long Future

Die Verrechnung über die Future-Style-Methode gewährt dem Käufer der Option einen Liquiditäts­ vorteil und dem Verkäufer einen Liquiditätsnachteil, da die Prämien nicht sofort mit Abschluss der Option bezahlt werden, sondern im Variation-Margin-Verfahren (Future-Style-Methode) ausgeglichen werden.

402 Vgl. o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung.

6.30 Optionen auf Futures und synthetische Terminmarktpositionen |

299

6.30.3 Wie bewertet man Optionen auf Futures mit dem Black-76-Modell? Bereits im Jahr 1976 hat Fischer Black (daher auch als Black-76-Modell bezeichnet) sein Modell zur Bewertung von europäischen Optionen auf Futures veröffentlicht. Das Modell unterstellt die Annahme, dass Future-Preise einem lognormalverteilten Pro­ zess folgen. Dabei ist zu beachten, dass S0 durch F0 ersetzt wird und σ die Volatilität des als Underlying gehandelten Future-Preises darstellt. Die Bestimmung für europäi­ sche Calls und europäische Puts erfolgt dann wie folgt:⁴⁰³ c = e−rT [F0 N(d1 ) − KN(d2 )] p = e−rT [KN(−d2 ) − F0 N(−d1 )] wobei gilt: 2

d1 =

ln ( FK0 ) + ( σ2 ) T

σ√T d 2 = d 1 − σ √T

Es gilt zu beachten, dass das Modell von Black es nicht erforderlich macht, dass der Future-Kontrakt und der Optionskontrakt zum selben Zeitpunkt fällig werden.⁴⁰⁴ Beim obigen Modell werden reguläre Optionen, auf Futures als Underlying, be­ rechnet. Wird dagegen eine Future-Style-Option berechnet, so erfolgt daraus für den Call: c = F0 N(d1 ) − KN(d2 ) und für den Put p = KN(−d2 ) − F0 N(−d1 ) wobei gilt: 2

d1 =

ln ( FK0 ) + ( σ2 ) T

σ√T d 2 = d 1 − σ √T

Die Put-Call-Parität für die Future-Style-Option definiert sich wie folgt: p + F0 = c + K p F0 c K

= Preis der Put-Option = Future-Preis = Preis der Call-Option = Basispreis der Option

403 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate Seite 490 ff.; Vgl. Black, Fischer: „The Pricing of Commodity Contracts“; Journal of Financial Economics, 3 (März 1976), 167–179. 404 Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate Seite 490 ff.

300 | 6 Optionen

Bei amerikanischen Optionen, welche vorzeitig ausgeübt werden, erfolgt eine soforti­ ge Endabrechnung zum inneren Wert der Option. Die ist in vielfacher Hinsicht nicht optimal, da der Future-Preis über dem inneren Wert der Option liegt. Rechnerisch ist hiermit jedoch eine Gleichbehandlung von amerikanischen wie europäischen Optio­ nen möglich.⁴⁰⁵ Die Abbildung 6.65 zeigt eine Bewertung mittels Black-76-Modell auf. Das Tool zu dieser Bewertung steht im Downloadbereich des Buches zur Verfügung.

Annahmen Future-Preis Strike-Preis Risikoloser Zinssatz Volatilität Laufzeit

40,00 38,00 2,50 % 0,3000 0,2000

Berechnungen d1 −d 1 d2 −d 2 N(d 1 ) N(−d 1 ) N(d 2 ) N(−d 2 ) Preis Call-Option Preis Put-Option

0,4494 −0,4494 0,3152 −0,3152 0,6734 0,3266 0,6237 0,3763 3,22 1,23

Abb. 6.65: Optionsbewertung mittel Black-76-Modell

6.30.4 Welche Strategien werden mit Optionen auf Futures verfolgt? Es ist anzuraten, bei Optionspositionen auch Positionen auf den dazugehörigen Fu­ ture in das Positionsbuch aufzunehmen. Über konsequentes Beimischen von Optio­ nen auf Futures sind Investoren in der Lage, Strategien zur Erweiterung und Absiche­ rung zu verfolgen. Natürlich ist auch eine isolierte Strategie umsetzbar. Durch das zusätzlichen handeln von Optionen auf Futures bieten sich dem Trader erweiterte Möglichkeiten mit seinen Positionen umzugehen, diese zu managen und um- oder auszubauen. Zumal er die Möglichkeit hat, zusätzliche Cashflows in Form der Optionsprämien zu generieren. Des Weiteren kann er nun auch Optionen auf Un­ derlyings handeln, auf die es keine Premium-Styled-Options gibt.

405 Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate Seite 490 ff.

6.30 Optionen auf Futures und synthetische Terminmarktpositionen |

301

Schauen wir uns hierzu ein Beispiel an: Ein Future-Investor hat den Euro-Bund-Future (FGBL) bei 116 verkauft. Seine Einstel­ lung gegenüber dem Bund-Future ist negativ bzw. er vertritt die Meinung, dass die Marktzinsen steigen werden. Aus diesem Grund möchte er seine Position erweitern. Da er, über den konkreten Zeitpunkt des Zinsanstieges jedoch nicht absolut sicher ist, beschließt unser Investor, die Position über Optionen und nicht direkt über weitere Futures zu erweitern. Bestand: 100 Kontrakte, Short FGBL, Preis 116

Er baut diese Position wie folgt aus: 25 Kontrakte, Short Call, Basispreis 116 25 Kontrakte, Short Call, Basispreis 116,50 25 Kontrakte, Short Call, Basispreis 117

Der Investor nimmt über diese Positionen Prämien ein und wird nur dann ein ShortFuture-Investor, wenn das Underlying die Basispreise erreicht und die Gegenposition (Long Call) die Option ausübt. Somit ist unser Investor in der komfortablen Position, sein Risiko diversifizieren zu können. Auch im Falle eines sinkenden Futures (Basis­ preise werden nicht erreicht) kann der Investor aus der erhaltenen Prämie und den zu­ vor aufgemachten 100 Short-Futures profitieren. Die Future-Positionen werden durch Optionen erweitert, wenn der Future entgegen den Erwartungen steigen sollte. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass der Investor durch die erhaltene Prämie sei­ nen Einstandspreis reduziert. Wenn die Einstellung des Investors gegenüber dem Future nur bis zu einem ge­ wissen Preis negativ ist (maximale Untergrenze), beispielsweise 114,50, kann er auch Gegenpositionen eröffnen. Der Investor verkauft nun Short Puts mit den Basispreisen 114,50 und 114,00. Im Falle einer Andienung sind diese Short Puts als Closing-Positio­ nen zu sehen, da es sich um ein Gegengeschäft (zugegebenermaßen ohne Closing-Ver­ merk, aber mit derselben Wirkung) handelt. Der Investor profitiert in einem solchen Fall von seinem Short Future bis 114,50 bzw. 114,00. Dabei verfallen die verkauften Calls und die Short Puts bilden die Gegen­ position. Der Investor ist durch beide Short-Positionen und die damit verbundenen Prämieneinnahmen in der Lage, seinen Gewinn zu erweitern. Lassen Sie uns nun die obige Strategie anhand des Chancen- und Risikoprofils aufgliedern. Die Tabelle 6.15 zeigt einen Ausschnitt aus einem Trading-Book mit Erweiterungs­ positionen. Positionsbuch: FGBL steht bei 115,50 Das Cap definiert hierbei die Gegenposition zu den oben stehenden ursprüngli­ chen Future-Positionen. Das Grundprofil ist einfach: Der Short Future generiert einen Gewinn, wenn der Future fällt, und wir haben den gewünschten Ertrag. Andererseits machen wir einen Verlust, wenn der Future steigt.

302 | 6 Optionen

Tab. 6.15: Trading-Book mit Erweiterungspositionen Kontraktanzahl

Kontrakt

Basispreis

Strategie

100 25 25 25 50 50

Short Future Short Call Short Call Short Call Short Put Short Put

116 116 116,50 117 114,50 114

Ursprung Erweiterung Future Erweiterung Future Erweiterung Future Cap Future Cap Future

Durch die erste Erweiterung mit den Short Calls auf den Future ergänzen wir die Strategie zunächst nur indirekt: Wir übernehmen den Future erst nach Erreichen des Basispreises. Auf den ersten Blick wirkt die erhaltene Prämie gewinnbringend, be­ inhaltet jedoch das Risiko, dass die bestehende Position erweitert wird. Damit wir die­ ses Risiko absichern können, verkaufen wir Puts mit den Basispreisen von 114,50 und 114. Das ermöglicht uns, aus der Ursprungsstrategie bei den Basispreisen auszustei­ gen; das heißt, wir haben einen Cap bei 114 und 114,50. Die Strategie wird somit ab­ geschlossen. Gleichzeitig sichern wir uns durch die erhaltene Prämie einen weiteren Risikopuffer. Welche Szenarien können eintreten? Wir erweitern die Short Futures durch ein Ausüben der Calls (→ Puts verfallen) und besitzen dann die Position, die wir ur­ sprünglich erweitern wollten. Eine andere Möglichkeit ist die Ausübung der Puts (→ Calls verfallen) und die damit verbundene Schließung der Future-Position. Die dritte Möglichkeit wäre, dass beide Optionstypen verfallen, da sich der Future nicht signifi­ kant bewegt hat! Wir sehen somit, dass wir durch die Erweiterung der einfachen Fu­ ture-Strategie eine „planbare“, aber gleichzeitig auch komplexere Kombinationsstra­ tegie erhalten haben. In der Praxis wird diese Art von Verkettung und Kombination täglich 1.000-fach angewandt und gehört zu den Standardstrategien. Eine weitere Verkettung ist die Kombination von zwei verschiedenen Futures, um zum Beispiel unterschiedliche Laufzeithorizonte abzudecken. So kann ein Investor von der Veränderung der Zinsstrukturkurve profitieren. Solche Strategien sind jedoch nur bei Investoren mit einer guten und auskömmlichen Eigenkapitaldecke zu empfeh­ len: Neben der Margin-Stellung (Collaterals) benötigt man zusätzlich eine tägliche Liquiditätsdecke zur Bezahlung der Gewinn- und Verlustausgleiche. Des Weiteren lohnt es sich bei solchen Strategien, sowohl mit Gewinn- und Ver­ lustschwellen als auch mit Limits (und auch Computersystemen zur Überwachung) zu arbeiten. Das Aufbauen einer gegenseitigen Limit-Strategie ist gerade bei Positionen, bei denen die ständige Überwachung notwendig ist, angebracht. Optionen auf Futures eignen sich sehr gut als Erweiterungsinstrumente zu bestehenden Futures-Posi­ tionen bzw. zu deren Auf- oder Abbau von Positionen.

6.32 Dokumentation von eingegangenen Derivatepositionen

|

303

6.31 Was versteht man unter synthetischen Terminmarktpositionen? Die dargestellten Terminmarktpositionen können auch synthetisch nachgebaut wer­ den, wobei das Chancen-Risiko-Profil synthetisch nachempfunden wird (vgl. Tabel­ le 6.16). In Verbindung mit verschiedenen Einzelpositionen ersteht bei einer syntheti­ schen Position eine neue Gesamtposition, welche als solche angesehen werden muss. Daher ist von einem einseitigen Auflösen der Position abzuraten. In der Tabelle 6.16 finden Sie die Kombinationsmöglichkeiten für synthetische Terminmarktpositionen. Durch die Kombination einzelner Termingeschäfte entsteht das Chancen- und Ri­ sikoprofil eines erweiterten Termingeschäftes. Somit kann ein Investor mittels der ein­ zelnen Komponenten eine neue, komplexere Chancen- und Risikostruktur schaffen. Tab. 6.16: Kombinationsmöglichkeiten⁴⁰⁶ Synthetische Form eines: Long Call Short Call Long Put Short Put

Kombinationsform aus: Call-Option Put-Option Long Short Long Short

Synthetische Form eines:

Kombinationsform aus: Call-Option Put-Option

Long Future Short Future

Long Short

Future Long Short Short Long

Short Long

6.32 Dokumentation von eingegangenen Derivatepositionen Je komplizierter und verschachtelter Positionen eingegangen werden, desto klarer und deutlicher muss die Dokumentation der jeweiligen Positionen, deren Hintergrund und Grundgeschäft etc. erfolgen. Denn auch ein Dritter muss diese nachvollziehen können und ggf. aus diesen heraus handeln. Daher empfehlen wir sehr, eine saubere und lückenlose Dokumentation zu füh­ ren. Dies gilt vor allem für Kombinationen. Denn gerade diese sind in den Handelsbü­ chern nicht ohne weiteres zu erkennen (da die einzelnen Positionen nicht mit Verket­

406 Commerzbank AG; Eurex AG.

304 | 6 Optionen

tung angezeigt werden). Um Fehler und Mistrades zu vermeiden, ist daher für Klarheit zu sorgen. Doch eine klare Dokumentation hilft nicht nur Dritten sondern einem auch selbst. Denn nicht jede Position wird jeden Tag angegriffen. Eine Übersichtlichkeit und gute Struktur ist daher nicht nur im Handelsbuch unerlässlich sondern auch in der Doku­ mentation der eingegangenen Positionen. Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit bedingten Termingeschäften, sogenannten Optio­ nen beschäftigt. Wir erklärten deren Funktionsweise, Aufbau und Einsatz. Haben die Instrumen­ te in Call und Put gegliedert, deren Payoff besprochen und wie diese funktionieren. Wir sind auf die verschiedenen Belieferungsverfahren und die Möglichkeiten der Ausübung einer Option ein­ gegangen. Wir haben uns mit den Wahlrechten der Option beschäftigt und wie man eine Option auf einen späteren Verfallzeitpunkt rollt. Wir sind auf die Herleitung und Funktionsweise des ste­ tigen Back Scholes Modell eingegangen und haben auch das diskrete Cox Ross Rubinstein Modell (CRR Modell) besprochen. Wir haben uns die Sensitivitäten der ersten und der nächsten Ordnung angeschaut und die Einflussfaktoren auf den Optionspreis bestimmt und besprochen. Der Volati­ lität haben wir einen ausführlichen Teil gewidmet. Dabei sind wir auf die jeweiligen Möglichkeiten zur Bestimmung eingegangen. Des Weiteren haben wir uns möglichen Sprungprozessen gewid­ met und gezeigt, wie man diese in die Preisfindung einbinden kann. Wir haben uns ausführlich mit den Grundpositionen im Optionshandel beschäftigt und sind dann von diesen kommend zu den Kombinationsstrategien gekommen. Hier haben wir neben den marktüblichen Strategien und komplexere aufgezeigt, welche nicht in jeder Marktlage Verwendung finden. Des Weiteren haben wir den Praktikeransatz „Vanna-Volga“ besprochen.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Bernd; Schäfer, Klaus: Derivative Finanzinstrumente 2005 Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate, 8. Auflage 2012 Madura, Jeff: International Financial Management, 6. Auflage 2004 Rudolph, Rubinstein, Reuven Y.; Kroese Dirk P.: Simulation and the Monte Carlo Method, 2. Auflage 2008 Steinbrenner, Hans-Peter: Optionsrechte in der Praxis 2002 Wiedemann, Arnd: Bewertung von Finanzinstrumenten, 4. Auflage 2007 Wilmott, Paul: Paul Wilmott introduces Quantitative Finance, 2. Auflage 2007

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel |

305

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Stimmt die Lehraussage? Optionen mit kurzer Restlaufzeit sollen gekauft werden! Frage 2: Worauf wirkt sich die implizite Volatilität aus? Frage 3: Stimmt die folgende Aussage? Mit fallenden Marktzinsen steigt der Preis eines Puts? Frage 4: Was versteht man unter einem Strap? Frage 5: Stimmt die Aussage, dass es sich bei einem Short-Risk-Reversal um eine Zero-CostStrategie handelt? Antwort zu Frage 1: Nein, die Aussage ist falsch. Optionen mit einer kurzen Restlaufzeit sollen aufgrund des positiv für den Verkäufer laufenden Zeitwertes verkauft werden. Antwort zu Frage 2: Sie wirkt sich auf den Optionspreis aus. Dieser hat jedoch auch Einfluss auf die impli­ zite Volatilität. Somit stehen beide in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Antwort zu Frage 3: Ja, die Aussage ist korrekt. Antwort zu Frage 4: Es handelt sich dabei um einen Straddle, jedoch wird das Mengenverhältnis asymme­ trisch verschoben. I. d. R. wird die doppelte Anzahl von Calls wie von Puts gehandelt. Antwort zu Frage 5: Ja, die Aussage ist korrekt. Durch den Verkauf der Calls werden die gekauften Puts finanziert.

7 Devisen- und Warentermingeschäfte In Kapitel 7 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – – –

Was sind Devisentermingeschäfte? Was sind Devisenoptionen? Welche Preisfindung gibt es hier? Was sind Warentermingeschäfte? Welche Strategien kann ich mit FX-Derivaten und Commodity-Derivaten aufbauen? Welche Besonderheiten gibt es hier?

7.1 Entwicklung des Devisenhandels Nachdem in den 1970er Jahren die Goldkonvertibilität aufgehoben wurde und die Währungen frei floaten konnten, begann auch der Bereich der Devisentermingeschäf­ te zu expandieren. Dies lag vor allem daran, dass sich Investoren der Chancen und Risiken des neuartigen Währungssystems bewusst waren. Auch wurde die Notwen­ digkeit erkannt, sich gegen ungewünschte Abwertungen abzusichern und auf diese zu spekulieren. Es gibt zwei Arten von Devisentermingeschäften: Zum einen die OTC, welche die Banken in ihren Devisenhandelszentren untereinander und für ihre Kunden ab­ wickeln; zum anderen Termingeschäfte, welche über die Terminbörsen gehandelt werden. Die CME in Chicago hat hier eine Vormachtstellung im Handel. Beide Arten von Devisentermingeschäften sind heute in der Praxis stark verbreitet, wobei die indi­ viduell abgeschlossenen Geschäfte eher zum Hedging bzw. zur Sicherung von Grund­ geschäften⁴⁰⁷ und die Devisenfutures (FX-Futures) aufgrund der hohen Liquidität und der engeren Geld- und Briefkurse eher zur Spekulation⁴⁰⁸ eingesetzt werden. Grund­ sätzlich kann gesagt werden, dass es sich beim FX Markt, um einen OTC Markt han­ delt. Denn die großen Volumina werden hier gehandelt. Abbildung 7.1 zeigt die jewei­ ligen Währungspaare und deren Anteil am weltweiten FX Handel auf.

7.2 Grundlagen des Devisenhandels Lassen Sie uns einen kurzen Ausflug in die Welt des Devisenhandels machen. Devisen (engl. Foreign Exchange oder auch nur FX) sind ausländische Währungen in Form von Buchgeld. Im Gegensatz zum Buchgeld wird Bargeld als Sorten bezeichnet. Unter dem

407 Verbreitet in der Industrie bzw. im Corporate Finance. 408 Eher im Investmentbanking und im Wealth Management eingesetzt. https://doi.org/10.1515/9783110659931-007

308 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte 25,0% 20,0% 15,0% 10,0% 5,0%

US USUS -D Do US oll lla U -Do -D ar/ r/B S- lla US oll Au rit Do r/E a s is ll U US-Do r/K tral che ar/ R l a i Y US -Do lar/ nad sch s P en -D lla Ch is er fun c r i D ol /S n h o d e e l US ar/ chw sis r D llar U US S- -D Mex ei che olla -D Do olla ik zer r Y r ol lla r/ an Fr ua la r S is a N U r/S /N ing ch nk US S-D üd eus ap er P en -D oll ko eel ur- es ol ar re an Do o la /H an d ll US r/S on isc -Do ar c g h l US -Do hw kon er Wlar - ll ed g US US- Dol ar/T isc -Do on l h U -D Do ar ür e lla US S-D olla llar /Ind kisc Kro r -D ol r/ /R isc he ne ol lar No us h L la /B rw si e R ira r/ r e ch u Sü as gi er p U d ili sc R ie US S-D afri ani he ube -D ol kan sch Kro l ol la is er n la r/ ch R e r/ Ta e e a P U ol iwa r R l Eu S-D nis n-D and ro ol ch o /B la er lla Eu rit r/S Zl r is o oty Eu ro/ ch ns ro Sc e ti h / Eu Sc w E s Pf ge e u u r Eu o/N hwe ize ro/ nd ro o d r F Y Eu /A rwe isch ran en ro ust gi e ke /K ra sc Kr n Eu ana lisc he K one ro d h r E / is er on Eu uro Pol che Do e ro /D nis r D lla /U ä ch o r n ni e lla Eu Eu gar sch r Z r ro ro isc e K lot /C /T h r y hi ürk er on so ne is Fo e ns s c r tig E isc he int e uro her Lir W / Y a äh So u ru ns an ng ti sp ge aa re

0,0%

Abb. 7.1: Anteile der Währungspaare am Handel (Stand 2016)⁴⁰⁹

Devisenhandel versteht man also den Tausch von Währungen untereinander. Er hat aus volkswirtschaftlicher Sicht die Aufgabe, als konjunktureller Regulator zwischen zwei verschiedenen Volkswirtschaften mit unterschiedlichen Währungen zu wirken (vgl. Kaufkraftparität). Der Devisenkurs ist definiert als der Preis (angegeben in der Heimatwährung), welcher für eine fremde Währung bezahlt werden muss. Man spricht hier auch von der Preisnotiz. Das Gegenstück dazu ist die Mengennotiz, die in einer Fremdwährung ausgedrückt wird und den Preis für die Heimatwährung angibt (vgl. Abbildung 7.2). In der Praxis wird der Euro grundsätzlich gegen alle Währungen mengennotiert. Einzige Ausnahme ist die Notierung Britisches Pfund (GBP) gegen Euro, welche preisnotiert ist. Grundsätzlich sind aber beide Notierungsarten möglich, da sie ledig­ lich die Sichtweise des Betrachters wiedergeben. Während im Devisenkassahandel die Lieferung und Erfüllung nach zwei Arbeits­ tagen erfolgen muss, gibt es beim Devisenterminhandel eine zeitliche Lücke: Die Er­ füllung folgt nicht sofort der Einigung, sondern innerhalb eines Zeitraums, welchen wir als Devisenterminzeitraum bezeichnen. Der internationale Devisenmarkt ist mit einem Tagesvolumen von 3,2 Billionen US-Dollar am Tag der größte Markt der Welt. Im Zeitraum von 2004 bis 2007 ist der Tagesumsatz an den Devisenmärkten um 71 Prozent gestiegen.⁴¹⁰

409 Vgl.: o. v.: BIZ. (2016). Struktur der weltweiten Devisenumsätze in den Jahren von 2001 bis 2016 nach Währungspaaren. Statista. Statista GmbH. Zugriff: 08. September 2019. https://de.statista. com/statistik/daten/studie/240004/umfrage/struktur-der-weltweiten-devisenumsaetze-nachwaehrungspaaren/ 410 Quelle: EUROSTAT, EZB.

7.3 Das Währungsrisiko

Menge n

| 309

iert not

MENGENNOTIERT z.B. Euro gegenüber allen Währungen

DEVISEN

PREISNOTIERT z.B. Britisches Pfund

Pr

ei

s n o tiert

Abb. 7.2: Devisen-Notierungsarten

7.3 Das Währungsrisiko Ein Währungsrisiko besteht besonders für international tätige Investoren und Unter­ nehmen, sobald sie sich in Geschäften in einer anderen als ihrer Heimatwährung en­ gagieren,⁴¹¹ da hiermit zukünftige Zahlungsein- und -ausgänge sowie Guthabenbe­ stände in Fremdwährung verbunden sind.⁴¹² Da Währungskurse als volatil und als nicht mit völliger Sicherheit prognostizierbar gelten,⁴¹³ wird unter dem Begriff Wäh­ rungsrisiko allgemein die Gefahr einer Abweichung des tatsächlichen Wechselkurses vom erwarteten Wechselkurs bzw. Terminkurs verstanden.⁴¹⁴ Die Abbildung 7.3 zeigt diese Thematik am Beispiel von Euro/USD auf. Somit stellt das Währungsrisiko „durch Wechselkursänderungen verursachte Schwankungen in den Cashflows oder dem aus­ gewiesenen Gewinn des Unternehmens (oder eines Investors)“ dar,⁴¹⁵ wobei vorteil­ hafte Schwankungen als Chance und negative Schwankungen als Gefahr für das die­ sen angesehen werden.⁴¹⁶

411 412 413 414 415 416

Vgl. Büschgen, S. 307. Vgl. Beike; Barckow, S. 95. Vgl. Breuer, S. 117. Vgl. Büschgen, S. 307. Vgl. Breuer, S. 117. Vgl. Beike; Barckow, S. 95.

310 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

tatsächlicher Kurs in t1

Wahrscheinlichkeit

Streuung der in t1 möglichen Wechelskurse (=Wechselkursrisiko)

Kurs in t0

Kurserwartung (Erwartungswert) in t0 für t1

1,60

1,70

1,80

1,90

2,00

2,10

Wechselkurs (USD/EUR)

Abb. 7.3: Wechselkursrisiko und Kurserwartung am Beispiel Euro/USD⁴¹⁷

7.4 Wirtschaftliche Einflussfaktoren der Währungspreisbildung Folgende Einflussfaktoren der Währungspreisbildung können genannt werden: – Leistungs- und Kapitalverkehrsvolumen – Zinsniveau – Inflationsraten – Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsentwicklung (Segmente etc.) – Geldmengenveränderung – Konjunkturentwicklung – Wirtschaftspolitik der Regierungen und der Notenbanken – Krisen, Unruhen, Kriege – Politische Einflussnahme von innen und außen – Marktpsychologische Einflussfaktoren wie Rücktritte, Gerüchte, Bestätigungen, Ankündigungen, Wahlergebnisse etc. Die Einflüsse auf die Währungspreisbildung sind sehr umfangreich und komplex, und daher oftmals nur sehr schwer zu prognostizieren. Gerade politische Einflüsse wirken hier schnell und können tief­ greifend sein.

417 Vgl. Sperber, S. 210.

7.6 Das Devisenkassageschäft

|

311

7.5 Carry Trade Lassen Sie uns an dieser Stelle einen Blick auf Carry Trades werfen. Dieser haben einen festen Platz in der internationalen Finance und spielen eine große Rolle. Beim Carry Trade nutzt ein Investor das unterschiedliche Zinsniveau zwischen zwei Währungs­ räumen aus. Dabei wird die niedriger verzinste Währung verkauft und in dieser ein Kredit aufgenommen und die höherverzinste Währung wird gekauft, folglich in die­ ser das Geld angelegt. Der Carry Trade kombiniert somit Zins- und Währungsmarkt. Die Gewinne bzw. Verluste entstehen in der Nettorechung der einzelnen Komponen­ ten zueinander. Das Beispiel für einen häufig in der Vergangenheit getätigten Carry Trade ist, die Kreditaufnahme in JPY und Anlage in USD. Dabei setzt dieser Carry Trade sich aus folgenden Transaktionen zusammen: – Kreditaufnahme in JPY – Währungstausch JPY in USD – Anlage in USD Papieren Bei der Auflösung des Carry Trade (einem sogenannten Unwinding) kommt es zu fol­ genden Transaktionen: – Verkauf der USD Papiere – Währungstausch USD in JPY (Rücktausch) – Auflösung der Kreditposition in JPY

7.6 Das Devisenkassageschäft Bei einem Kassa- oder auch Kassafestpreisgeschäft wird der Handelsgegenstand – in unserem Fall die Devisen – fest gehandelt und innerhalb von zwei Arbeitstagen (Valu­ ta) nach Abschluss geliefert bzw. abgenommen. Diese Geschäfte, bei denen Abschluss und Erfüllung zeitnah aufeinanderfolgen, werden im normalen Geschäftsverlauf ohne besondere Berücksichtigung täglich durchgeführt (Interbankenhandel). Diese unter­ liegen keinen besonderen Verpflichtungen und werden wie ein Wertpapierkassage­ schäft behandelt und angesehen. Dies bedeutet unter anderem auch, dass der Inves­ tor die zur Erfüllung benötige Liquidität sofort vorhalten muss. Der Abrechnungskurs wird dabei entweder als Kassakurs oder als Spot-Rate (vgl. Abbildung 7.4) bezeich­ net und stellt den Wechselkurs der Kassatransaktion dar. Als Handelstage gelten al­ le Bankwochentage, somit ausgenommen Samstag, Sonntag und die Bankfeiertage der jeweiligen Länder. Der Liefertag des Geschäftes wird auch Valuta oder Valutentag genannt.

312 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Abb. 7.4: Kassageschäft (Abwicklung mittels Pricingsystem Medusa)⁴¹⁸

7.7 Was sind Devisentermingeschäfte? Die Differenz zwischen dem Kassakurs und dem Terminkurs von Devisen hängt von den Zinsdifferenzen der beiden Währungen zueinander ab. Man geht davon aus, dass eine Anlage in der eigenen Währung den gleichen Ertrag erwirtschaften muss wie eine Anlage in einer fremden Währung, vorausgesetzt die Risikostruktur und die Laufzeit der Anlagen entsprechen sich (vgl. hierzu Zinsparitätentheorie). Da es sich jedoch um unterschiedliche Zinsmärkte handelt, muss folglich die Differenz über die jeweiligen Währungspaare ausgeglichen werden. Weist ein Devisenterminkurs gegenüber dem Devisenkassakurs einen Aufschlag auf, spricht man von einem Report. Sollte sich dagegen ein Abschlag ergeben, wird dieser als Deport bezeichnet (vgl. Abbildung 7.5). Gemäß dem Zinsparitätentheorem bezeichnet man die Zinsdifferenz zwischen zwei Währungen als Swap-Satz (Basis­ swap).⁴¹⁹ Zinssatz der Gegenwährung > Zinssatz der quotierten Währung = Report Zinssatz der Gegenwährung < Zinssatz der quotierten Währung = Deport

418 Quelle: DigitalVega. 419 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007).

7.8 Devisentermingeschäfte im OTC-Handel |

313

keine Differenz

Deport

Report

Devisenkurs

Abb. 7.5: Mögliche Zinsrelationen zwischen zwei Währungen

7.8 Devisentermingeschäfte im OTC-Handel Lassen Sie uns zuerst einen Blick auf die Devisenhandelsinstrumente der Banken und Broker werfen. Ein Kunde kann auf Termin Devisen kaufen und/oder verkaufen, wo­ bei die Bank die Gegenposition einnimmt (ob diese eine Hedgingtransaktion für sich selbst anschließt, ist hier nicht von Bedeutung). Diese Termingeschäfte beziehen sich meist auf Grundgeschäfte und dienen dazu, diese abzusichern und/oder die Absiche­ rung zu erweitern. Die meisten Corporates sichern damit ihre Import- und Exportakti­ vitäten (gegen Wechselkursrisiken) ab und schaffen sich dadurch eine kalkulatorische Grundlage. Bei solchen Geschäften spricht man, je nach Ausgestaltung des Vertrags, entweder von einer OTC-Option, einem Swap oder einem Forward. Da es sich um einen individuellen Vertrag zwischen zwei Parteien handelt, ist die Übertragbarkeit eines solchen Termingeschäftes auf Dritte nur sehr unwahrscheinlich und in der Pra­ xis fast nie umsetzbar (vgl. Abbildung 7.6). Die Grundintention eines Handelspartners (oftmals Corporates oder geeignete Gegenparteien) ist es meist, sich gegen Wechsel­ kursentwicklungen abzusichern, und sie bezieht sich somit auf bestehende Grundge­ schäfte. Das heißt, ihnen steht beispielsweise eine Import- oder Exporttätigkeit gegen­ über. In den wenigsten Fällen dienen diese Geschäfte der Spekulation, was jedoch ebenfalls möglich wäre. Beispiel: Ein Unternehmer erhält in 6 Monaten einen Eingang über 1 Million US-Dollar. Er möch­ te den Wechselkurs zum Euro sichern. Hierfür stehen ihm zwei Möglichkeiten zur Ver­ fügung:

314 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Abb. 7.6: Handel eines Risk Reversal über das Pricingsystem Medusa⁴²⁰

1. 2.

Verkauf der 1 Million Dollar auf Termin Verkauf der 1 Million Dollar gegen Euro und Aufnahme eines Kredites über 1 Mil­ lion Dollar. Diesen Kredit müsste er jedoch bis zuletzt bedienen.

Bei beiden Varianten kommen wir zum selben Ergebnis – was auch zu erwarten war, da sonst risikolose Arbitrage getätigt werden könnte.

Ein Großteil der Devisentermingeschäfte wird OTC über Banken und Broker abgewickelt. FX-Futures, welche an Terminbörsen gelistet werden, spielen eher im Bereich der klassischen Spekulation auf eine Währungsänderung eine Rolle. Sie werden also eher kurzfristig und ohne Grundgeschäftsbezug gehandelt. Während den OTC Transaktionen oftmals ein Grundgeschäftsbezug zu Grunde liegt und diese auch mit größerem Volumina ausgestattet sind.

420 Quelle: DigitalVega.

7.10 Berechnung des Terminkurses über den Swap-Satz

|

315

7.9 Berechnung des Terminkurses Terminkurs = Kassakurs × T rG rQ BQ BG

1 + (r Q × 1 + (r G ×

T BQ ) T BG )

= Anzahl der Tage = Zinssatz p. a. in Dezimalen, quotierte Währung = Zinssatz p. a. in Dezimalen, Gegenwährung = Berechnungsbasis für quotierte Währung (360 oder 365) = Berechnungsbasis für Gegenwährung (360 oder 365)

Berücksichtigt man, dass die Handelspartner zu Geld-/Briefkursen quotieren, erhal­ ten wir folgende Formeln: TerminkursGeld = KassakursGeld × TerminkursBrief = KassakursBrief × T rG rQ BQ BG

1 + (rGeld,G × 1 + (rBrief,Q × 1 + (rBrief,G × 1 + (rGeld,Q ×

T BG ) T BQ ) T BG ) T BQ )

= Anzahl der Tage = Zinssatz p. a. in Dezimalen, quotierte Währung = Zinssatz p. a. in Dezimalen, Gegenwährung = Berechnungsbasis für quotierte Währung (360 oder 365) = Berechnungsbasis für Gegenwährung (360 oder 365)⁴²¹

7.10 Berechnung des Terminkurses über den Swap-Satz In der Praxis werden Terminkurse für Kunden einer Bank über den Swap-Satz be­ rechnet. Hierbei wird zuerst der Swap-Satz der quotierten Währungen zueinander be­ stimmt und dann dem Spot-Preis der Währung zugeschlagen. In der Regel verwendet man hierfür folgenden Formelausdruck:⁴²² SST = SST S0 IRF IRH T

S0 × (IRF − IRH ) × T 360 × 100 + IRH × T

= Swap-Satz FX = Spot-Preis FX = Fremdwährungszins = Heimatwährungszins = Zeit in Tagen

421 Vgl. o. V. Finance Trainer: Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma. 422 Vgl. o. V. Finance Trainer: Skriptum für ACI Dealing und Operations Certificate und ACI Diploma.

316 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Damit kann man den Terminkurs (S T ) wie folgt errechnen: S T = S0 + (SST ) S T = Terminkurs FX S0 = Spot-Preis FX SST = Swap-Satz FX

7.11 Devisentermingeschäfte über die Börsen Die Börse hat bei der Abwicklung von Termingeschäften, auch bei FX-Termingeschäf­ ten über deren Plattform, zwei zentrale Funktionen: – Sie kann beispielsweise zwei Parteien zusammenführen, die dann ein Geschäft eingehen, – Und/oder sie stellt über das Market-Maker-System die Liquidität für den Markt zur Verfügung. Die Börse ist somit der Vermittler zwischen zwei Parteien, welche gegenläufige Ziele verfolgen und stellt für den fortlaufenden Handel die notwendige Liquidität, damit es zu einer Ausführung kommen kann. Denn ohne diese Liquidität wären viele Geschäfte nicht abzuwickeln. Wir unterscheiden, auch bei den FX-Derivaten, zwischen Optionen und Futures (vgl. Abbildung 7.7).

Devisentermingeschäfte

Unbedingte Termingeschäfte

Devisenswaps

Plain-VanillaSwaps

DevisenForward

Exotic FX Swaps

Abb. 7.7: Devisentermingeschäfte

DevisenFuture

Bedingte Termingeschäfte

Devisenoption

OTCOptionen

Börsengehandelte Optionen

7.13 Devisenhändler haben eine eigene Sprache

| 317

7.12 Cross Rate In manchen Fällen muss eine so genannte Cross Rate errechnet werden (vgl. Abbil­ dung 7.8), da ein Währungspaar nicht unmittelbar gehandelt werden kann. Dies ist beispielsweise beim japanischen Yen (JPY) zum Schweizer Franken (CHF) der Fall. Da­ bei wird zuerst JPY gegen Euro und dann Euro gegen CHF gehandelt. Der resultierende Devisenkurs wird Cross Rate genannt, da „über Kreuz“ gehandelt wird. In der Praxis ist ein solcher Cross Rate kein Problem, weil er von den großen Devisenabteilungen der Banken errechnet und mit dem Kunden abgerechnet werden kann.⁴²³ Gesucht ist der CHF/JPY – berechnet über den Euro Ausgangswerte: Euro / CHF = 1,5500 Euro/ JPY = 138,00 CHF/ JPY = ?

Berechnung: Wie viel JPY = 1 CHF, wenn 1,5500 CHF = 1 Euro, wenn 1 Euro = 138,00 JPY

Aus diesem Dreisatz lassen sich die Eurowerte heraus kürzen. Dann ergibt sich: CHF/JPY = 138,00/ 1,5500 = 89,03 Für einen Schweizer Franken bekommt man 89,03 japanische Yen. Abb. 7.8: Beispiel für ein Cross Rate⁴²⁴

7.13 Devisenhändler haben eine eigene Sprache Zugegeben, die Überschrift zu diesem Punkt ist etwas provokant, aber wenn Sie die folgenden Zeilen lesen, werden Sie verstehen, was wir meinen. Handelt man im in­ Tab. 7.1: Beispiele für die Sprache von Devisenhändlern Währungspaar (ISO-CODE)⁴²⁵

Eigenname

EUR EUR GBP USD AUD GBP NZD

Fiber Channel Cable The Funds Aussi Geppi Kiwi

USD GBP USD CAD USD JPY USD

423 Vgl. Geyer, C., Uttner, V.: Praxishandbuch Börsentermingeschäfte, Gabler (2007). 424 Commerzbank AG. 425 Die Abkürzungen für die jeweiligen Währungen sind standardisiert. Dies erfolgte, um evtl. Ver­ wechslungen etc. zu vermeiden Man bedient sich hier der sogenannten ISO-Codes, welche von der International Organisation of Standardization herausgegeben werden. Der ISO-Code besteht immer aus drei Buchstaben wobei i. d. R. die ersten zwei Buchstaben das Land kennzeichnen und der letzte die Währungseinheit (Name) z. B. USD US = Vereinigte Staaten und D = Dollar.

318 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

ternationalen FX-Handel eine Währung zu einer anderen, so werden oft Synonyme angewendet. Dies ermöglicht einen schnellen und unkomplizierten Umgang unter­ einander. Ein weiteres großes Kriterium ist, dass die Verwechselungsgefahr abnimmt, da die Eigenbegriffe sich nicht so sehr gleichen. Tabelle 7.1 zeigt Ihnen die gängigsten Eigenbegriffe im FX-Handel auf.

7.14 Was sind Devisenoptionen (Currency Options)? Auch hier unterscheidet man zwischen OTC und Plain Vanilla. Der Vorteil von OTCWährungsoptionen ist, dass der Investor sich diese genauso zusammenstellen lassen kann, wie er diese benötigt. Der Nachteil ist, dass diese Option nur für ihn sinnvoll ist und beispielsweise eine Weiterübertragung nur schwer möglich ist. Die standardisierten Devisenoptionen (gehandelt unter anderem an der CME, ISE)⁴²⁶ weisen wie alle Optionen dieselben Grundgegebenheiten (Call, Put) auf. So ist z. B. ein Euro/USD-Kontrakt an der CME im Gegenwert 125.000 Euro standardisiert. Der große Vorteil dieser Optionen die schnelle Handelbarkeit an den Terminbörsen, sowie die kostengünstige und standardisierte Abwicklung. Der Käufer einer Devisenoption erhält, wie auch der Käufer einer Aktienoption, durch den Kauf das Recht, aber nicht die Pflicht, einen Fremdwährungsbetrag bis zu einem im Voraus bestimmten Termin zu einem im Voraus fest vereinbarten Preis zu kaufen bzw. zu verkaufen. Für dieses Recht bezahlt er eine Optionsprämie an den Stillhalter (Short).

7.15 Die Preisfindung bei Devisenoptionen nach Garman-Kohlhagen Auch bei Devisenoptionen wird nach europäischen (stetig) und amerikanischen Op­ tionen (diskret) unterschieden. Bei der Berechnung von europäischen Optionen kommt das von Mark Garman und Steven Kohlhagen modifizierte Black-Scho­ les-Modell aus dem Jahr 1983 für Devisenoptionen (Garman-Kohlhagen-Modell) zum Einsatz. Danach berechnet sich der Preis einer Devisenoption mit dem GarmanKohlhagen-Modell wie folgt:⁴²⁷ c = S0 e−r1 τ N(d1 ) − K0 e−rτ N(d2 )

426 Settlement der Optionen erfolgt durch den dazugehörigen Future-Kontrakt. 427 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

7.15 Die Preisfindung bei Devisenoptionen nach Garman-Kohlhagen |

mit d1 =

ln(S0 /K0 ) + (r − r1 +

319

σ2 2 )τ

σ√τ

d2 = d1 − σ√τ c S0 τ K0 r r1 N σ

= Optionspreis (Call) = Wechselkurs am Devisenkassamarkt zum Abschlusszeitpunkt = Laufzeit des Kontrakts = Basispreis der Option = Zinssatz der Heimwährung = Zinssatz der Fremdwährung = kumulative Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung = Volatilität

Wie die praktische Umsetzung des oben besprochenen Garman-Kohlhagen-Modells anzuwenden ist, können Sie der Abbildung 7.9 entnehmen. Das für die Bewertung not­ wendige Tool finden Sie im Downloadbereich.

Annahmen FX Preis 1 FX Preis 2 Risikoloser Zins Inland Risikoloser Zins Ausland Volatilität Zeit

40,00 38,00 2,50 % 4,00 % 0,2000 0,2000

Berechnungen d1 −d 1 d2 −d 2 N(d 1 ) N(−d 1 ) N(d 2 ) N(−d 2 ) Preis Call-Option Preis Put-Option

0,4270 −0,4270 0,2929 −0,2929 0,6653 0,3347 0,6152 0,3848 3,14 1,27

Abb. 7.9: Bewertung mit dem Garman-Kohlhagen-Modell

Das Garman-Kohlhagen-Modell ist für europäische FX-Optionen geeignet. Ist die Option amerikani­ schen Typs so kommt i. d. R. ein diskretes Binomialmodell zum Einsatz.

320 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

7.16 Was sind FX-Futures? Die CME in Chicago als auch die Eurex (als Beispiele für Börsen mit Devisenfutures) bieten eine Vielzahl von FX-Futures (Devisenfutures) an. Diese sind standardisiert und aufgrund der aktiven Market-Maker-Aktivitäten mit hoher Liquidität versehen. Der Euro/USD-Future (EC) hat einen Kontraktgegenwert von 125.000 Euro und zählt zu den meistgehandelten FX-Kontrakte. Die Futures werden rund um die Uhr (CME; GLOBEX) gehandelt und können individuell und schnell eingesetzt werden. Der Markt für FX-Futures und gelistete Optionen auf Devisen ist im Vergleich zum OTC-Markt sehr klein. Er macht in etwa 5 Prozent des gesamten Welthandels in Devisenderivaten aus. 95 Prozent aller Trans­ aktionen werden im Interbankenhandel abgewickelt.⁴²⁸

Die Funktionsweise der FX-Futures ist analog den bereits bekannten Futures. Es gibt die beiden Grundausrichtungen – steigend oder fallend – und je nach Einstellung wird ein Währungsfuture gekauft oder verkauft. Da das Settlement am Ende der Laufzeit physisch erfolgt, werden viele Futures vor dem letzten Handelstag geschlossen bzw. gerollt. Sollte sich ein Anleger jedoch für das physische Settlement entscheiden, so werden zwei Währungen zueinander bewegt. Beispiel: Unser Investor geht von einem Steigen des Euro gegenüber dem USD aus. Er kauft auf­ grund dieser Annahme 10 Euro/USD-Futures (EC) an der CME. Wenn der Euro tatsäch­ lich gegenüber dem USD steigt, macht der Investor einen Gewinn. Er erleidet einen Verlust, wenn er fällt.

Tab. 7.2: Währungsfutures und deren Grundintension Währungsfuture

Erwartung

Position

EUR / USD

Euro steigt ggü. dem USD USD fällt ggü. dem Euro Euro fällt ggü. dem USD USD steigt ggü. dem Euro

Long Future Short Future

JPY / USD

Yen steigt ggü. dem USD USD fällt ggü. dem Yen Yen fällt ggü. dem USD USD steigt ggü. dem Yen

Long Future Short Future

GBP / USD

GBP steigt ggü. USD USD fällt ggü. GBP GBP fällt ggü. USD USD steigt ggü. GBP

Long Future Short Future

EUR / CHF

Euro steigt ggü. CHF CHF fällt ggp. Euro CHF steigt ggü. Euro Euro fällt ggü. CHF

Long Future Short Future

428 Quelle: Commerzbank AG FX Research.

7.16 Was sind FX-Futures? | 321

Obwohl die 10 Kontrakte einen Gegenwert von 1.250.000 Euro haben, muss unser Investor nur die entsprechende Initial Margin für diese Position investieren. Das be­ deutet, dass er eine günstige und flexible Währungsposition aufbauen kann (vgl. Tabelle 7.2). 7.16.1 Preisbildung von FX-Futures Auch bei den FX-Futures kommt das bereits aufgezeigte Cost of Carry Modell zum Ein­ satz. Der Verkäufer eines Futures kauft eine Fremdwährung auf Termin. Dabei setzen sich seine Kosten aus dem Wechselkurs der betreffenden Währung, den kurzfristi­ gen Zinssätzen der inländischen und ausländischen Währung und der Laufzeit des Futures zusammen. (1 + Γ1 )T F0 = S0 ( ) (1 + Γ2 )T F = Future-Preis S = Spot-Preis Γ1 = Auslandszins Γ2 = Inlandszins T = Laufzeit Der Future-Preis hängt von den Zinssätzen der jeweiligen Währung und von der Dif­ ferenz zwischen dem in- und ausländischen Zinssatz ab. Im Preis enthalten ist somit der Unterschied zwischen der Rendite (Verzinsungsniveau), die mit der ausländischen Währung, und der Rendite, die mit der einheimischen Währung erzielt werden kann. Ist der Kurs des Futures über dem Kassakurs, dann ist zu schlussfolgern, dass die einhei­ mische Währung höher verzinst wird als die ausländische Währung.⁴²⁹ Liegt der Kurs jedoch unter dem Kassakurs, dann wird die ausländische Währung höher verzinst.⁴³⁰ 7.16.2 Einsatzmöglichkeiten von FX-Futures Da FX-Futures eine schnelle und sehr preiswerte Variante des Tradings verkörpern, werden sie nicht nur zum Hedging, sondern häufig auch zur Spekulation auf anste­ hende Preisveränderungen eingesetzt. Große Investoren setzen hierbei auf eine ange­ nommene Marktbewegung der Währung. An dieser Stelle ist es ratsam, mit Limits zu arbeiten, da sich die Währungen oft sehr schnell, manchmal auch sprunghaft und dies rund um die Uhr bewegen. Ein aktives Risikomanagementsystem ist daher notwendig. Auch ist der Einsatz von Algo-basierenden Handelssystemen anzuraten. Oft werden diese Instrumente als Ergänzung zu bestehenden Termingeschäften wie etwa dem Euro-Bund-Future eingesetzt. Doch auch als Einzelposition sind FX429 Preisnotiz; Mengennotiz: Sachverhalt ist spiegelbildlich zu sehen. 430 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

322 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Futures in Betracht zu ziehen. Gerade in einer Zeit schneller globaler Investitionen kann darauf im professionellen Management von Portfolios und Positionsbüchern nicht mehr verzichtet werden. 7.16.3 Grundintentionen eines Investors Auch der Handel mit Devisentermingeschäften basiert auf den drei Grundintentionen. Wir wollen uns diese kurz anschauen: Hedging Das klassische Absichern gegen Währungsschwankungen kann auf verschiedene Grundbedürfnisse zurückgehen. Beispielhaft sind zu nennen: – Import-Export-Transaktionen. – Preissicherung bei Investitionsaufwendungen. – Absichern von Beständen (Wertpapieren; Rohstoffen etc.). – Absichern von Zahlungsströmen, welche in der Zukunft liegen. Spekulation Der Investor spekuliert auf eine nach seiner Ansicht eintretende Veränderung der Prei­ se an den Devisenmärkten. Diese Spekulationen sind unabhängig von Grundgeschäf­ ten und dienen ausschließlich zur Erwirtschaftung zusätzlicher Einnahmen, wobei auch diesen Verlustrisiken gegenüberstehen: Falls der Investor auf die falsche Kurs­ bewegung setzt, hat er den Verlust zu tragen, wobei dieser nicht durch ein Grundge­ schäft kompensiert werden kann. Dennoch ergänzen diese Positionen optimal die Positionsbücher von Spekulan­ ten, denn durch die Kombination mit Index- und Fixed-Income-Futures eröffnen De­ visen-Futures (vgl. Abbildung 7.10) eine weitere Investitionsebene. Dies gilt auch für Kombinationen mit Warentermingeschäften, die ebenfalls zu Spekulationszwecken dienen können. An dieser Stelle wollen wir noch darauf hinweisen, dass DevisenFutures genauso einfach zu handeln sind wie Index-Futures. Fälligkeit

Aktuell

Veränderung absolut

relativ

Volumen

Datum Zeit

Geld

Brief

Open Interest Settlement

Rolling

1,302600

0,012700

+0,98%

52

16.03.09 12:15 [R]

1,302500

1,303300

2.697

1,289900

Mär 09

1,302600

0,012700

+0,98%

52

16.03.09 12:15 [R]

1,302500

1,303300

2.697

1,289900

Jun 09

1,303400

0,013300

+1,03%

539

16.03.09 12:15 [R]

1,303000

1,303600

786

1,290100

Abb. 7.10: Übersicht Euro/USD Future⁴³¹

431 Quelle: Interactiv Management Data Solution.

7.17 NDF – Non Deliverable Forward

| 323

Spekulation auf Spreads bzw. Währungspaare Ein Investor, der darauf spekuliert, dass sich verschiedene Währungspaare im Verhält­ nis zueinander verändern, kann Kombinationen aufbauen, welche das Risiko teilwei­ se reduzieren können. Allerdings besteht auch die Gefahr, das Risiko zu potenzieren, wenn die Kombinationen nicht gegenläufig, sondern in Reihe eingesetzt werden.

7.17 NDF – Non Deliverable Forward Möchte man ein Devisentermingeschäft auf eine nicht frei konvertierbare Währung abschließen, wie z. B. den chinesischen Renminbi (CNY) oder den koreanischen Won (KRW), so kommen unter anderem sogenannte NDFs zum Einsatz. Das Geschäft wird zwar auf die nicht konvertierbare Währung abgeschlossen, jedoch am letzten Han­ delstag in eine bei Vertragsabschluss festgelegte Währung ausgeglichen (Cash-Sett­ lement). Die nicht frei konvertierbare Währung ist somit das Underlying aber nicht das die Erfüllungswährung. Dennoch kann man die Bewegung dessen nachvollzie­ hen. Somit wird die Möglichkeit gegeben, diese Währungen in ein Hedgingverfahren (z. B. bei Firmen mit Grundgeschäft in diesen Ländern) einzubinden. Die jeweiligen Geschäfte werden i. d. R. OTC und unter Zuhilfenahme des ISDA-Master-Agreement abgeschlossen. Die Tabelle 7.3 zeigt ein Beispiel für einen NDF auf EUR/BRL inkl. der jeweiligen (der Marktlage geschuldeten) Ausgleichszahlungen. Bei Fälligkeit kommt es zu einer Ausgleichszahlung, folglich zu einem Cash-Settlement in Euro. Tab. 7.3: NDF–EUR/BRL Szenarioanalyse⁴³² Kunde

Geschäftsvorfall

Bank

Kauf BRL Verkauf Euro

NDF NDF Kurs (Referenzkurs) Euro/BRL 2,5500 Fälligkeit in 6 Monaten

Verkauf BRL Kauf Euro

Empfängt Ausgleichszahlung

Bei Fälligkeit am Feststellungstag Euro/BRL 2,5500

Empfängt Ausgleichszahlung

Abbildung 7.11 zeigt die beiden verfügbaren Szenearien nochmals in Kompensation auf.

432 Quelle: Commerzbank AG.

324 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Abb. 7.11: NDF–EUR/BRL Szenarioanalyse⁴³³

7.18 NDO – Non Deliverable Option Neben der bereits aufgezeigten Möglichkeit eines NDF, welcher ein symmetrisches, unbedingtes Derivat darstellt, besteht auch die Möglichkeit, ein asymmetrisches, be­ dingtes Derivat, also eine Option, abzuschließen. Man spricht dann von einem NDO, einer Non Deliverable Option. Im Gegensatz zum NDF kommt es hier zur Zahlung einer Optionsprämie, wie bei klassischen Optionen, und es ergibt sich somit ein Wahlrecht, wie dies auch bei anderen Optionen der Fall ist. In der Praxis werden im Geld liegende Optionen direkt ausgeübt und es kommt auch hier zu einem Cash-Settlement. Durch die NDO wird dem Investor folglich auch die Möglichkeit gegeben, sich in einem asymmetrischen Risikoprofil in nicht frei konvertierbaren Währungen zu en­ gagieren bzw. diese für sein Hedging Transaktionen zu nutzen. Auch kann er neben der Long Seite eine Short Position aufbauen und ein Stillhaltergeschäft abschließen. Das NDO vervollständigt damit die Palette der Derivate auf nicht frei konvertierbare Währungen.

7.19 Warentermingeschäfte vs. Warenkassageschäfte Warentermingeschäfte unterscheiden sich von klassischen Warenkassageschäften darin, dass bei Abschluss des Geschäftes keine Lieferung erfolgt – diese wird auf einen in der Zukunft liegenden Termin verschoben. Daher kann es vorkommen, dass man heute ein Warentermingeschäft auf ein Gut abschließt, welches zum Zeitpunkt des Vertrages noch nicht produziert bzw. gefördert worden ist. Diese Termingeschäfte, die auch als „Muttergeschäfte“ der Terminbörse bezeichnet werden, waren die ersten

433 Quelle: Commerzbank AG.

7.20 Commodity-Futures

| 325

Termingeschäfte überhaupt. Durch sie entstanden im Laufe der Zeit die Terminbör­ sen, die wir heute kennen. Hauptgrund für den Abschluss solcher Geschäfte war das Übertragen von Risiken bzw. die Abwicklungen von Lieferungen aus fernen Ländern. In einer sehr vereinfachten Form haben diese Börsen bereits in der Antike existiert. Die wichtigsten Warenterminbörsen befinden sich in den USA. Hier sind die CME in Chicago und die NYMEX in New York zu nennen, welche aus einem Zusammen­ schluss der kleineren Milch- und Butterbörsen hervorging. Gegenwärtig wird an der NYMEX, welche die größte Warenterminbörse der Welt darstellt, ein Großteil der Wa­ rentermingeschäfte abgewickelt; sie gilt als: „. . . die letzte wahre Bastion des absoluten Kapitalismus. Hier werden die Dinge gehandelt, welche die Welt am Laufen halten“.⁴³⁴ Die meisten dieser Geschäfte dienen heute der Spekulation, ein Großteil davon wird durch ein Closing vorzeitig beendet. Im Gegensatz dazu ist bei Kassageschäften eine Lieferquote von fast 100 Prozent anzunehmen (vgl. Abbildung 7.12).

Abschluss eines Warentermingeschäftes

Evtl. Lieferung und Abnahme der Ware

Closing des Geschäftes und Realisierung des „Spekulationsgewinnes“ bzw. des „Spekulationsverlustes“

Abb. 7.12: Abschluss eines Warentermingeschäftes

Die Waren, deren Handel an der Warenterminbörse stattfindet, werden meist über Fu­ tures gehandelt. Doch gibt es grundsätzlich auch hier die Unterscheidung zwischen dem Forward (dem individuell ausgestatteten, bilateralen Vertrag) und dem Future (standardisiert und somit handelbar). Mithilfe dieser standardisierten Verträge wird ein fließender Handel ermöglicht und gleichzeitig können diese auch an Dritte über­ tragen werden. Wir werden im weiteren Verlauf dieses Buches nur noch die Futures betrachten, welche in der Praxis den Optionen oftmals vorgezogen werden.

7.20 Commodity-Futures Der Aufbau eines Commodity-Future entspricht dem eines klassischen Futures zum Beispiel auf Indices oder eines Fixed-Income-Futures. Es handelt sich um ein unbe­ 434 Zitat: Die Glücksritter – 1983 (im engl. Orginal: Trading Places).

326 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

dingtes Termingeschäft, bei dem bereits bei Abschluss alle relevanten Kontraktdetails vereinbart worden sind. Wie auch bei den anderen Futures ist die Grundeinstellung des Long-Future-Investor die Erwartung eines steigenden Preises des Underlyings und die des Short-Future-Investor eines fallenden Preises des Underlyings. Aufgrund des schnellen, preisgünstigen Handels sowie der großen Transparenz werden Commod­ ity-Futures sehr gerne sowohl von Hedgern als auch von Spekulanten gehandelt.

7.20.1 Opening, Closing und Settlement Wie wir bereits erwähnt haben, wird ein Großteil aller Commodity-Futures vorzeitig geschlossen und dient hauptsächlich der Spekulation. Gleichzeitig kann, wie bei ei­ nem Indexfuture, ein Closing durch ein Gegengeschäft vollzogen werden, das den Investor von seinen eingegangenen Future-Verpflichtungen vollständig entbindet (vgl. Tabelle 7.4). Wenn ein Future nicht vorzeitig geschlossen wird, muss er erfüllt werden. Tab. 7.4: Opening- und Closing-Transaktionen Opening

Closing

Long Future Short Future

Short Future Long Future

Aufgrund der Vielzahl von Investoren und deren Grundbedürfnisse gibt es Commod­ ity-Futures mit physischer Belieferung oder Cash-Settlement. Lassen Sie uns zuerst auf die physische Belieferung eingehen: Hier wechseln Wa­ ren den Besitzer bzw. werden geliefert. Diese, im Regelfall, klassische und ursprüng­ liche Form des Settlements wird zum Beispiel von Firmen angewandt, die mit dem gekauften Gut arbeiten oder dieses weiterverkaufen wollen (wie es den eigentlichen Grundansprüchen eines Warentermininvestors entspricht). Insbesondere in den letzten Jahrzehnten ist man dazu übergangen, zusätzlich zur physischen Belieferung auch ein Cash-Settlement anzubieten, da im Bereich der Warentermingeschäfte immer mehr Investoren tätig sind, welche keine physische Lieferung benötigen und mittels des Cash-Settlements den Geldbetrag ausgeglichen bekommen. Der Grund hierfür ist ganz einfach: Ein Investor, welcher rein auf die Preisveränderung eines Gutes spekuliert, handelt einen Cash-Settlement-Kontrakt und möchte das Gut auf keinen Fall geliefert bekommen, sondern nur von der Markt­ bewegung profitieren.⁴³⁵

435 Quelle: Commerzbank AG.

7.20 Commodity-Futures | 327

Das vorzeitige Schließen funktioniert genauso wie z. B. bei den Index-Futures: Der Differenzbetrag wird in bar ausgeglichen. Müsste der Investor hingegen die Waren lie­ fern bzw. abnehmen, könnte das für ihn sehr problematisch werden, da er die dafür notwendige und kostenintensive Infrastruktur aufbauen und zudem das Gut kaufen oder verkaufen müsste, je nachdem, auf welchen Future er gesetzt hat. Beispiel: Kauft ein Investor z. B. einen Henry Hub Natural Gas Future und lässt sich diesen an­ dienen, so muss er das Gas in den USA abholen. Dies ist mit Kosten etc. verbunden. Daher nur für Investoren, die das Gut auch wirklich benötigen. Alle anderen, werden zum Cash-Settlement greifen.

7.20.2 Anwendung der verschiedenen Settlements Die Abbildung 7.13 zeigt die verschiedenen Arten des Settlements auf.

Settlement

Weiterverarbeitung

Physisches Settlement

Cash-Settlement

Industrieller Investor

Finanzinvestor

Handel



Spekulation

Ergänzung und Diversifikation des Portfolios

Abb. 7.13: Settlement-Varianten und deren Realisierung

Natürlich können in der Praxis Überschneidungen vorkommen, die jedoch meis­ tens daraus resultieren, dass ein industrieller Investor als Beimischung zusätzlich Cash-Settlement-Produkte handelt. Die Abbildung 7.14 zeigt die für jedes Produkt in­ dividuell festgelegten Produktspezifikationen anhand eines Beispiels (Zucker Nr. 11) auf.

328 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Abb. 7.14: Produktspezifikationen für ein physisches Settlement (hier: Zucker Nr. 11)⁴³⁶

7.20.3 Auf welche Waren können Termingeschäfte abgeschlossen werden? Grundsätzlich sind Warentermingeschäfte auf jedes Gut möglich. In der Praxis werden die Güter wie Abbildung 7.15 darstellt unterschieden. In der Abbildung 7.15 wird „stark vereinfacht“ dargestellt, in welche Gruppen man Warentermingeschäfte unterscheidet. Eines der viel gehandelten Warentermin­ produkte ist gefrorener, hoch konzentrierter Orangensaft.⁴³⁷ Bei der Herstellung wird der Orangensaft auf ein Siebtel reduziert; dabei werden ihm zuvor die flüchtigen Aromen entzogen und nach der Reduktion wieder beigemischt. Anschließend wird das Konzentrat für den Lagerungsprozess eingefroren. Bei der Wiederherstellung des Saftes wird dann das Konzentrat aufgetaut und mit Wasser sowie ggf. etwas Zucker versetzt. Aufgrund der starken weltweiten Nachfrage werden die Kontrakte auf den FCOJ sehr rege gehandelt. Bei Warentermingeschäften sollte man beachten, dass man heute an den Termin­ börsen bereits die Ernten der nächsten Jahre handelt. Durch Krankheiten, Umweltka­ tastrophen und Missernten können deutliche Preissteigerungen hervorgerufen wer­

436 Quelle: Bloomberg. 437 Frozen Concentrated Orange Juice/FCOJ.

7.21 Abschluss von Warentermingeschäften |

329

Warentermingeschäfte

Metalle

Öl /Schmierstoffe

Gas

Öle

Heizöl

Benzin

Leichtes Öl

Gasarten

Edel-

Industrie-

metalle

metalle

Gold, Silber, Platin, Palladium

Zinn, Zink, Blei, Kupfer

Soft Commodity

Getreide

Weizen

Mais

Früchte

Orangensaft

Zucker Nr. 11

Kaffee

Arabica Robusta

Abb. 7.15: Den Warentermingeschäften zugrunde liegende Güter (vereinfacht dargestellt)

den; umgekehrt kann bei einer sehr guten Erntesituation oder einem Einbrechen der Verbrauchernachfrage ein Preisverfall eintreten. Gerade der Handel in den Soft-Com­ modities hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen; so wurden zum Beispiel die Futures auf Zucker und Mais rege gehandelt,⁴³⁸ da beide Rohstoffe bei der Herstel­ lung von Ethanol zum Einsatz kommen. Selbst private Investoren versuchen oft, über andere Derivate (zum Beispiel Turbozertifikate) in diesen Bereichen zu investieren. Weshalb existieren Futures-Märkte? Es muss ein standardisierter Rohstoff (Ware oder Finanzinstrument) vorhanden sein. Es müssen Preis­ variabilitäten bestehen und die Transaktionskosten müssen ausreichend gesenkt werden. Der Fu­ tures-Markt muss dem Investor eine Möglichkeit bieten, die ihm sonst kein anderer Markt bietet.

7.21 Abschluss von Warentermingeschäften In Deutschland sind bislang nur die großen Terminbörsen-Broker und einige Banken mit einschlägiger Kompetenz in der Lage, Futures an Warenterminbörsen zu handeln. Die wenigsten Kreditinstitute führen bereits ein eigenes Warenterminbuch; bei den meisten ist dieser Geschäftszweig erst im Auf- und Ausbau. Nur vereinzelt werden Wa­ rentermingeschäfte (hauptsächlich den Firmenkunden) zu Absicherungs- oder Spe­ kulationszwecken angeboten. Grund ist die Gesetzeslage: Erst seit Inkrafttreten des

438 Dies gilt vor allem für die Jahre 2006–2008.

330 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

neuen „Grundsatz I“⁴³⁹ ist den Banken in Deutschland der Abschluss von Warenter­ mingeschäften erlaubt. Weiterhin fällt auf, dass hauptsächlich institutionelle bzw. professionelle Inves­ toren sich mit dem Thema auseinandersetzen. Privaten Investoren ist dieser Markt oft aufgrund der mangelnden Liquidität verschlossen. Sie bedienen sich stattdessen der klassischen Hebelprodukte bzw. der Anlagezertifikate, um am Warenterminmarkt zu profitieren. Hinter diesen verbrieften Derivaten stehen große Emittenten, welche die an den Warenterminbörsen abgeschlossenen Geschäfte verbriefen und in eine für private Kunden handelbare Größe bringen. Im Grundsatz sind diese Produkte jedoch ähnlich aufgebaut wie die klassischen Termingeschäfte an den Terminbörsen. Hier ist eindeutig ein Trend zu erkennen: Die privaten Investoren sind eher dem verbrieften Derivat (ausgegeben von einem Emittenten) zugewandt, wohingegen die professionellen Investoren ihre klassischen Terminmarktpositionen handeln. Man kann auch sagen, der Terminmarkt auf Warengütern ist ein Markt für professionelle Investoren. Privaten Investoren fehlt für diesen oftmals die benötigte Größenordnung und auch die korrekt einzuordnende Informationen.

7.22 Wann sollte ein Investor Warentermingeschäfte abschließen? Diese grundlegende Frage kann je nach Investor unterschiedlich beantwortet wer­ den. Einige Voraussetzungen müssen unseres Erachtens nach jedoch unbedingt er­ füllt sein: – Ein Investor, der in Warentermingeschäften spekulieren will, muss ausreichend Liquidität vorweisen können, da diese ihm den positiven Ausgang seiner Positio­ nen sichert. – Daneben sind aber auch fachliche Eignung und Kompetenz unverzichtbar, denn der Derivatemarkt ist kein Spielplatz und ein Fehlgeschäft kann schnell sehr teuer werden. – Der dritte Punkt ist die absolute Marktbereitschaft. Mit absoluter Marktbereit­ schaft ist gemeint, dass sich der Investor täglich und fortlaufend mit seinem Positionsbuch beschäftigen muss. Der Derivatemarkt ist ein schneller Markt; folglich ist nicht nur eine absolute Marktpräsenz unentbehrlich, sondern auch die konsequente und korrekte Versorgung mit Informationen. Hinzu kommt die Problematik der Zeitverschiebung, da sich die Terminbörsen meist in den USA oder im sonstigen Ausland befinden. Es muss sichergestellt werden, dass Orders platziert, weitergeleitet und gehandelt werden können und dass sie gleichzeitig auch sicher abgewickelt werden. Der Einsatz einer ausgefeilten Technik ist somit unabdingbar. 439 Anfang 2004 herausgegeben von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

7.23 Entwicklungen und Ausblick |



331

Es muss ein Grundgeschäft oder eine Spekulationsabsicht vorhanden sein. Hier­ aus sollte sich die gehandelte Strategie ergeben.

Lieferprobleme Was passiert, wenn ein Farmer seine Waren komplett auf Termin verkauft hat, jedoch aufgrund ei­ nes Ernteausfalls, wegen Naturkatastrophen etc. nicht liefern kann? Diese Frage wird gerne gestellt, weshalb wir hier kurz darauf eingehen wollen. Die Gefahr, dass aufgrund einer unvorhersehbaren Ka­ tastrophe ein Ernteausfall auftritt, kann am besten durch Sachversicherungen ausgeschlossen wer­ den. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass er das Termingeschäft vorher schließt oder sich mit den Waren anderweitig eindeckt. Wir sehen, das Termingeschäft bleibt unabhängig vom „realen“ Gut bestehen und muss erfüllt werden. Daher muss sich in unserem Beispiel der Farmer im Worst-CaseSzenario einer Alternative bedienen.

7.23 Entwicklungen und Ausblick Angesichts der sich schnell verändernden und weiterentwickelnden Märkte sehen wir weiter ein deutliches Potenzial im Bereich der Warentermingeschäfte. Dabei sind ak­ tuelle Debatten wie die ethische Verträglichkeit des investitionsbezogenen Handels mit Rohstoffen kein wirklicher Hinderungsgrund. Gewiss, die Fragen, welche sich hier auftun, sind komplex und sollten nicht außer Acht gelassen werden. Es ist jedoch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Terminbörsen das Ange­ bot mit Rohstoffen weiter ausbauen und etablieren werden. Die in den vergangenen Jahren auch an der Eurex eingeführten Rohstoff-Futures zeigen ein klares Bild auf. So werden hier nicht nur klassische Rohstoffe gehandelt, sondern auch Energiederi­ vate (Stromderivate), welche ebenfalls als Rohstoff gelten. Wir gehen daher von ei­ ner weiter fortschreitenden Entwicklung sowohl in Europa als auch in der restlichen westlichen Welt aus. Die bereits angesprochenen Bedenken, der Rohstoffterminhan­ del würde außerordentlich in das Preisgefüge und in die Volatilität der gehandelten Waren eingreifen, lässt sich nach aktuellen Studien nicht belegen. Dies hat eine Aus­ wertung von 35 Forschungsarbeiten gezeigt, welche unter der Federführung der Uni­ versität Halle-Wittenberg und dem Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa entstanden ist. Die von Will, Pries, Prehn und Glau­ ben veröffentliche Studie kann hier keine direkte Verbindung feststellen. Dies bezieht sich auf die Unterpunkte Preisabkopplung, Preistreiber, Spekulationsblasen,⁴⁴⁰ Ver­ elendung durch Hunger sowie auf das oft ins Feld geführte Kriterium der Intranspa­ renz. Was den Rückschluss zulässt, dass das Thema wohl eher von den Medien zur

440 Laut der Wirtschaftswoche 8/2013 gab es zum Beispiel in 1995 ein höheres Open Interest und dennoch war der Preis tiefer; des Weiteren ist eine Preissteigerung im historischen Vergleich nicht vorhanden.

332 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Berichterstattung genutzt wurde, als es den Tatsachen entspricht. Wissenschaftlich konnte in keiner Studie dieser Zusammenhang isoliert werden.⁴⁴¹

7.24 Wie kommt bei Commodity-Futures die Preisbildung zustande? Wie bereits bei den Index-Futures dargestellt, ist der faire Future-Preis vom Kassain­ strument und den Cost of Carry (Finanzierungskosten) abhängig. Doch anders als bei einem Finanzterminkontrakt kommen hier zu den Finanzierungskosten noch die La­ gerhaltungs- und die Versicherungskosten hinzu. Die Lagerhaltungskosten entfallen nur, wenn ein Gut bzw. lebende Güter nicht gelagert werden können. Die Finanzie­ rungskosten werden höher, wenn klassische Kosten (wie etwa für die Lagerhaltung) anfallen, und sie verringern sich, wenn sogenannte Zwischenerträge realisiert wer­ den. Letzteres ist allerdings bei Waren nicht ganz so einfach: Während eine Aktie Di­ vidende einbringt, die als Zwischengewinn zu verbuchen ist, verhält es sich bei Waren anders: Hier wird für das Halten des Gutes der sogenannte Vorteilszins (Convenience Yield) berechnet. Dieser Vorteilszins ergibt sich z. B. durch das verleihen eines Gutes. Folglich ist die Leiheprämie analog einer klassischen anderweitigen Einnahme zu se­ hen (z. B. einer Dividende bei einer Aktie). Dieser Zusatznutzen kann zu einer Verän­ derung der Cost of Carry beitragen. Steigt die Convenience Yield über die errechneten Cost of Carry, sodass sich ein Zuwachs ergibt, wird der Future unter dem aktuellen Spot-Preis (Kassapreis) gehandelt. Man spricht nun davon, dass der Future mit Back­ wardation gehandelt wird. Sind jedoch die Cost of Carry größer als die Convenience Yield, so ist der Future teurer als der Spot-Preis: Man sagt, er wird Contango gehandelt (Vgl. Abbildungen 7.16 und 7.17).

7.25 Commodity-Future-Preise Wir greifen in der Tabelle 7.5 nochmals die Thematik der jeweiligen Notierungen auf und führen diese grafisch in der Abbildung 7.16 aus. Tab. 7.5: Relation zwischen Kassa- und Future-Preis Commodity-Futures Kassapreis Kassapreis

< >

Future-Preis Future-Preis

Contango Backwardation

441 Vgl. o. V. Wirtschaftswoche Nr. 8/2013: Trockene Tatsachen.

7.25 Commodity-Future-Preise |

FuturePreise

333

FuturePreise Juni Mai

Mai Juni Future-Laufzeit

Future-Laufzeit

Abb. 7.16: Contango und Backwardation⁴⁴²

Die Abbildung 7.17 zeigt das in der Abbildung 7.16 grafisch dargestellte Szenario nochmals anhand von Zahlenreihen auf. Contango Spot

Dez +1

Dez +2

Dez +3

Dez +4

Dez +5

613,50

628,90

666,10

703,60

741,80

780,30

Steigende Preise = Contango Backwardation Spot

Dez +1

Dez +2

Dez +3

Dez +4

Dez +5

73,85

76,12

75,42

72,97

71,17

69,74

Fallende Preise = Backwardation Abb. 7.17: Contango (oben) und Backwardation (unten)⁴⁴³

442 Quelle: RBS/ABN Amro. 443 Commerzbank AG.

334 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Es ist hier zu unterscheiden, ob der errechnete Vorteilszins die Finanzierungskos­ ten anhebt oder senkt. Warum dies so wichtig ist, werden wir in den kommenden Ab­ schnitten erläutern. Die Convenience Yield ist der Zusatzertrag des Investors, wenn er ein Gut phy­ sisch hält anstatt des zugehörigen Derivats. Denn er kann z. B. durch Verleihen des Gutes einen zusätzlichen Ertrag erwirtschaften. Der Convenience Yield lässt sich aus der Terminkurve des jeweiligen Gutes ableiten. Der Future-Preis kann entsprechend folgender Formel kalkuliert werden: F0 = S0 × F0 S0 L r y T

= Future-Preis = Spot-Preis = Lagerkosten (netto) = risikoloser Zinssatz = Convenience Yield = Laufzeit in Jahren

Abb. 7.18: Terminmarktkurve WTI⁴⁴⁴

444 Quelle: Bloomberg.

(1 + r + L)T (1 + y)T

7.26 Worin liegt die Problematik einer Contango-Notierung?

|

335

Wenn man y (Convenience Yield) mittels einer Formel darstellen möchte, so lautet diese: F0 × (1 + y)T = (S0 + L) × (1 + r)T Man kann auch die Lagerkosten als proportionalen Lagerhaltungskostensatz L ausdrücken und erhält so: F0 × (1 + y)T = S0 × (1 + r + L)T Wie bereits erwähnt, ist die Preisberechnung der Warenterminfutures ähnlich wie bei Index-Futures. Es kommt der Cost of Carry Berechnungsansatz zum Tragen, wel­ chen wir nachfolgend für Warenterminfutures aufzeigen: Future-Preis = Spot-Preis + ((Finanzierungskosten + Lagerkosten) – Convenience Yield)

Die Abbildung 7.18 zeigt exemplarisch die Rohstoffterminmarktkurven für die Ölsorte WTI und deren Ausgestaltung wie auch Verlauf auf.

7.26 Worin liegt die Problematik einer Contango-Notierung? Die Antwort auf diese Frage leitet sich aus der Thematik selbst ab. Ein Investor, der einen Future in Contango gekauft hat, hat auch die Erhöhung auf die Basis bezahlt. Durch das Contango erleidet er dann einen Verlust, wenn sich der Spot-Preis nicht oder nur sehr wenig positiv ändert. Wird nun dieser Kontrakt in den Folgemonat wei­ ter „gerollt“, welcher ebenfalls im Contango notiert, so baut er das Verlustpotenzial weiter aus. Er kauft folglich jeden Monat den Future mit einer höheren Basis in sein Tradingbook. Sollte der Investor diese Transaktionen regelmäßig und über einen län­ geren Zeitraum so durchführen, können die Contango Verluste in maßgebliche Höhen steigen. Dies ist auch ein Grund dafür, warum sich in Contango notierende Futures nicht für die Langfristanlage in einem verbrieften Derivat eignen. Denn mit jedem RollOver im Produkt, wird ein neuer Contango Aufschlag bezahlt. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 7.19 und 7.20 veranschaulicht. In der Praxis kann ein Contango zwischen 15 und 20 Prozent in einem Jahr lie­ gen.⁴⁴⁵ Dies muss einem Investor bewusst sein. Erst bei einem Übersteigen des Contan­ go kommt er rechnerisch in die Gewinnzone. Natürlich besteht die Möglichkeit, auf­ grund bestimmter Marktsituationen schneller und effizienter Gewinne zu realisieren; dennoch sind diese Zusammenhänge bei der Bewertung unbedingt zu beachten. Ent­ sprechendes gilt natürlich auch für den umgekehrten Fall, der Backwardation. Hier wäre mit jedem Roll-Over ein Abschlag einhergehend.

445 Quelle: Commerzbank AG.

336 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

FuturePreise

= Contango

Zeit

Abb. 7.19: Contango-Problematik bei Future-Positionen

Abb. 7.20: Contango-Situation bei Light Crude Oil (CL) an der NYMEX⁴⁴⁶

Die aufgezeigte Thematik zeigt jedoch ganz klar, für Buy-and-Hold-Strategien sind Commodity-Futures an sich nicht geeignet. Das Ausnutzen von Marktgegebenheiten, das aktive Spekulieren oder das Absichern einer Position ist jedoch sehr gut mit diesen umzusetzen.

446 Quelle: Thomson Reuters.

7.29 Welche Faktoren können die Preisbildung beeinflussen? |

337

7.27 Future-Handel Beim Handel mit Commodity-Futures sind einige Dinge zu beachten, welche bei In­ dex-Futures nicht zutreffen. Der Handelskalender bei Index-Futures beinhaltet meist die nächsten drei Quartals-Endmonate und unterscheidet sich schon in diesem Punkt von den Commodity-Futures, in denen es oft für jeden Kontrakt eine monatliche Fäl­ ligkeit gibt (oft über mehrere Jahre im Voraus). Diese Tatsache ermöglicht auch einen stetigen und liquiden Handel.⁴⁴⁷ Die Qualität des Underlyings wird in den Kontraktda­ ten festgehalten. So wird zum Beispiel der Light Sweet Crude Oil Future mit einem süßen Öl beliefert, das maximal 0,42 Prozent Schwefelgehalt und eine relative Dichte von 37° bis 42° API aufweisen muss. Solche detaillierten Kontraktspezifikationen sind wichtig, um sicherzustellen, dass vom gleichen Gut ausgegangen wird. Gerade bei Öl, wo es sehr viele Unterschiede gibt, ist dies wichtig. Aber auch bei anderen Waren wird darauf geachtet. Es wird für die dazugehörenden Futures eine genaue Festlegung des Underlyings verlangt. So unterscheidet man beispielsweise bei Zucker zwischen der Sorte Nr. 11 und der Sorte Nr. 14 (vgl. Abbildung 7.14).

7.28 Lagerungsmöglichkeiten Eine weitere Besonderheit bei Warentermingeschäften ist die Frage nach der Lage­ rungsmöglichkeit des Gutes. So lassen sich Edelmetalle und Öle recht einfach und gut lagern, wobei es bei Soft-Commodities und lebenden Erzeugnissen (wie z. B. lebende Rinder) schon deutlich schwieriger wird. Es ist daher immer notwendig, sich die La­ germengen und die Lagerhaltung anzuschauen, bevor man eine Investitionsentschei­ dung trifft. Gerade bei Sondersituationen (z. B. nach Naturkatastrophen) ist es auch schwer, einen Ausweichlagerplatz etc. zu finden. Als Beispiel ist hier die furchtbare Katastrophe in New Orleans von 2005 zu nennen, welche dem Markt diese Problema­ tik deutlich vor Augen gehalten hat.

7.29 Welche Faktoren können die Preisbildung beeinflussen? Es ist offensichtlich, dass Warenterminmärkte Schwankungen und äußeren Einflüs­ sen unterliegen. Diese können politisch, wirtschaftlich oder im Gut selbst begründet liegen. Die häufigsten Einflussfaktoren sind: – Nachfrage- und Angebotszahlen – Produktionszahlen (real)

447 Die Liquidität der Kontrakte muss vor dem Handel individuell untersucht werden.

338 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

– – – – – –

Wetterlagen und klimatische Veränderungen, Naturkatastrophen Missernten und Schädlinge Subventionsprogramme und Zuschüsse Kriege, Embargos und Katastrophen Importzölle, Lagereinflüsse Einflussnahmen aus dem Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft

Diese potenziellen Einflussfaktoren bergen sowohl Risiken als auch Chancen. Es ist daher wichtig, dass ein Investor sich gut mit der Materie auskennt. Er muss die Ein­ flussfaktoren, die für die jeweiligen Futures relevant sind, kennen und auch einschät­ zen können. Ebenso ist eine entsprechende Informationsfindung unabdingbar. Wenn ein Investor in Kaffee-Futures investiert hat, muss er zeitnahe und präzise Informatio­ nen zu diesem Investment bekommen. Hier unterscheiden sich die institutionellen von den privaten Investoren: Die institutionellen verfügen über ein fundiertes und stets aktuelles Wissen (aufgrund ihrer technischen Voraussetzungen), während die meisten privaten Investoren die Informationen mühsam aus verschiedenen Quellen zusammentragen müssen. In den nächsten Jahren wird sich hier ein Wandel vollzie­ hen: Wohlhabende und einflussreiche private Investoren werden immer mehr in die­ sem Bereich investieren und sich somit zu einer weiteren Nachfragerschicht entwi­ ckeln. Wir haben weiter oben bereits erläutert, dass die Soft-Commodities in den letz­ ten Jahren eine deutlich größere Nachfrage erfahren haben. Dies hängt auch mit den Veränderungen in unserer Gesellschaft zusammen. So erlebt die Welt beispielsweise derzeit einen Boom bei den Kaffeetrinkern. „Coffee to go“ ist in aller Munde. Selbst im Land des Lächelns, wo früher nur Tee getrunken wurde, erfreut sich Kaffee mittlerwei­ le großer Beliebtheit. Somit steht ein großer, noch „schlafender“ neuer Nachfrager auf der Handelsbühne. Lassen Sie uns noch ein weiteres Beispiel aufzeigen: Kontrakte auf Zucker. Was früher nur zum süßen genutzt wurde, ist mittlerweile auch ein wichtigs­ ten Energieträger. Durch die Beimischung bei der Produktion von Ethanol ist sowohl bei Zucker als auch bei Mais ein großes Nachfragepotenzial entstanden. Noch ist unsere heutige Gesellschaft so aufgebaut, dass es mehr junge als al­ te Menschen gibt. Doch aufgrund der demografischen Veränderung wird sich diese Struktur in den nächsten Jahren dramatisch verschieben und somit auch unser Kon­ sumverhalten beeinflussen. Auch die Steigerung des persönlichen Lebensstandards trägt ihren Anteil dazu bei, dass wir als Konsumenten andere Waren nachfragen. Dies führt dazu, dass der Preis solcher Waren steigt und sich damit unsere Prioritäten ver­ ändern. Haben in der Vergangenheit noch viele über Kaffee- und Orangensaftfutures gelacht, so ist dies heute ein bedeutender Markt. Das Interessante an den Future-Märk­ ten ist, dass man sowohl von steigenden als auch von fallenden Preisen profitieren kann und somit eine Investition im Regelfall immer machbar ist. Voraussetzung ist immer, dass man den aktuellen Trend erkannt hat und entsprechend investiert. So einfach wie sich diese Aussage anhört, so kompliziert ist sie in die Realität umzuset­

7.30 Strategien im Bereich Warentermingeschäfte | 339

zen. Gerade weil der Warenterminfuture ein einfaches und transparentes Instrument ist, lassen sich – teilweise Intraday – gewinnbringende Strategien aufbauen. Im Zusammenhang mit Commodity-Futures ist der Bezug von Informationen sehr wichtig. Gleichzeitig aber steckt hier das grundlegendste Problem vieler Investoren: Nur wer eine konsequente und gute Nachrichtenversorgung hat, kann langfristig konsequente Strategien aufbauen. Auch das richtige Ein­ schätzen von Informationen hat eine enorme Bedeutung – insbesondere bei Warentermingeschäften ist man auf gute und vor allem realistische Expertenanalysen angewiesen. Denn nur die wenigsten Derivatespezialisten können ein Gutachten über eine Kaffeeernte richtig deuten.

Wer einfach ins Blaue hinein investiert, hat meist Pech. Daher ist eine konsequente Analyse unter fundamentalen und technischen Gesichtspunkten der erste Schritt für eine richtige Strategie. Dabei ist wiederum zu beachten, dass Instrumente gewählt werden, deren Handel und Clearing abgestimmt sind. Gleichzeitig muss man sich Gedanken über ein eventuelles Erfüllen des Termingeschäfts machen und zusätzlich eine Nettokosten-Nutzen-Rechnung erstellen. Ist ein Warentermingeschäft aufgrund der Komplexität und der besonderen Abwicklung zu teuer, sollte man davon absehen. Grundsätzlich gilt: Es muss ein im Verhältnis zum Risiko gesteigerter Gewinn möglich sein.

Informationen beziehen ist die eine Seite, die andere Seite ist das Herdenverhalten und das Gruppen­ denken. Wir haben diese Themen im Kapitel 2 dieses Buches erklärt und angesprochen. Wie häufig und weitreichend diese Verhaltensweisen auf den Markt einwirken, kann man bei jeder Blasenbil­ dung, bei jedem Crash und jeder unausgeglichenen Marktlage sehen.

7.30 Strategien im Bereich Warentermingeschäfte Wie für alle anderen Arten von Termingeschäften gelten auch im Warentermingeschäft die drei Grundintentionen: – Hedging – Spekulation – Arbitrage- und Spread-Handel Nachfolgend werden wir jede Grundintention aufgreifen und erklären bzw. deren Stra­ tegien beleuchten.

7.30.1 Hedging mit Warentermininstrumenten Die Voraussetzung für die Absicherung eines Warengeschäftes ist das Vorhandensein eines Grundgeschäftes. Wir beziehen also entweder Waren oder verkaufen sie. Um diese Grundgeschäfte absichern zu können, bauen wir Terminpositionen auf. Die ein­ fachste Terminposition ist mittels eines Future abzudecken: Wenn wir uns beispiels­

340 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

weise gegen steigende Preise im Industriemetallbereich absichern wollen, werden wir uns entscheiden, einen Future zu kaufen. Sollten nun die Preise entsprechend unse­ ren Erwartungen steigen, kompensieren wir durch den Kauf des Futures das entstan­ dene Delta. Falls es jedoch nicht zum Preisanstieg kommt, erleiden wir durch die Fu­ tures einen Verlust, welchen es einzudämmen gilt; gegebenenfalls müssen wir uns dabei schnell entscheiden. Eine weitere Möglichkeit besteht im Abschluss von Optio­ nen, die in Hedgingstrategien durchaus ihren Platz haben, da durch gestiegene Roh­ stoffpreise eine Kosten- und Ertragskalkulation sehr schwierig wird. Somit schaffen wir mit dem Hedge eine gewisse Planungssicherheit. Bei einer Hedgingstrategie ist zu unterscheiden, ob wir ein bestehendes Geschäft absichern wollen oder ob wir ein zu­ künftiges Geschäft heute schon preislich fixieren wollen. Bei beiden Geschäften steht die Planungssicherheit, wie oben angesprochen, im Vordergrund. Mithilfe klassischer Strategien wie Long Put oder Short Future kann eine Absi­ cherung erfolgen: Sie eignen sich, um ein bestehendes Geschäft zu hedgen. Strate­ gien wie Long Call und Long Future sind dann notwendig, wenn man sich vor einem Preisauftrieb in der Zukunft absichern will, indem dieser Preisauftrieb kompensiert wird. Dies ist immer dann vonnöten, wenn eine Investition in der Zukunft getätigt werden soll, jedoch die dafür benötigten finanziellen Mittel noch nicht zur Verfügung stehen.

7.30.2 Spekulation mit Warentermininstrumenten Eine ganz andere Intention liegt dem Spekulieren auf veränderte Warenpreise zugrun­ de: Wir sind dabei nicht an ein Grundgeschäft gebunden und führen die Transaktion nur zur Generierung von Nebeneinnahmen durch. Wir spekulieren mittels eines Fu­ tures entweder auf eine positive oder negative Preisänderung und haben keine weite­ ren Absichten. Unserem Investment geht somit ausschließlich eine Grundüberlegung über eine Veränderung des Preises eines Warengutes voraus. Beispiel: Der Preis für Orangensaft (FCOJ) erscheint unserem Investor zu niedrig und er rechnet aufgrund der schlechten Wetterlage mit deutlichen Ernteeinbußen. Da er folglich von einer Angebotsverknappung ausgeht, was gleichbedeutend ist mit einer Preissteige­ rung, kauft er einen Future auf den FCOJ. Entspricht die Preisentwicklung seinen Ver­ mutungen (in unserem Fall: steigende Tendenz), realisiert unser Investor einen Ge­ winn. Umgekehrt wird er einen Verlust erleiden, wenn die Preise aufgrund anderer Gegebenheiten fallen. Der Investor spekuliert, wie bereits erwähnt, aktiv auf eine Preisveränderung und geht somit aktiv ins Obligo (er nimmt das Risiko auf), weil diese Geschäfte nicht ab­ geschlossen wurden, um Grundgeschäfte abzusichern. Es handelt sich um eine reine Spekulation, welche er auf seiner Analyse aufbauen sollte.

7.32 Kombinationen von Devisen- und Wartentermingeschäften | 341

Ein Großteil der heute gehandelten Warenterminkontrakte dient der Spekulation. Die meisten dieser Termingeschäfte werden per Cash-Settlement und nicht durch Waren­ lieferung ausgeglichen. 7.30.3 Arbitrage mit Warentermininstrumenten Die dritte Möglichkeit ist die Waren-Arbitrage: Ein Investor kauft ein Gut an der Bör­ se X und verkauft es im gleichen Augenblick wieder an der Börse Y. Die entstandene Differenz ist sein Gewinn bzw. Verlust. Der Investor geht aufgrund des gleichzeitigen Geschäfts an beiden Märkten kein Risiko ein. 7.30.4 Spread mit Warentermininstrumenten Der Investor baut einen Spread auf, um von den Preisunterschieden zu profitieren. So verkauft er den teuer erscheinenden Kontrakt und kauft den preiswerteren Kontrakt. Die Differenz zwischen beiden Geschäften ist, wie bei jedem Spread, sein begrenzter Gewinn. Er kann also nur aufgrund der Preisveränderung der beiden Kontrakte relativ zueinander verdienen. Diese Strategien sind Zusatzstrategien zu großen Spekulationsstrategien und die­ nen der Erweiterung. Man könnte auch sagen, sie dienen in gewisser Weise zur Markt­ pflege. Investoren, welche aktiv an den Terminbörsen handeln, bauen jeden Tag neue Strategien auf und schließen die vorherigen Strategien.

7.31 Korrelationsmatrix der Rohstoffe Da wie wir aus den vergangenen Kapiteln wissen, dass die Korrelation zwischen ver­ schiedenen Anlageinstrumenten von immanenter Bedeutung für einen Financial En­ gineer sind, gehen wir hier kurz auf die Korrelation der Rohstoffe zueinander ein. Da­ bei zeigt die Korrelationsmatrix⁴⁴⁸ (Tabelle 7.6) diese deutlich auf. Ihr kann man zum Beispiel entnehmen, dass Gold gegenüber Silber die stärkste und gegenüber Henry Hub Natural Gas die geringste Korrelation besitzt.

7.32 Kombinationen von Devisen- und Wartentermingeschäften Die Kombination zwischen Devisen- und Warentermingeschäften kommt oft bei Tra­ des vor, die sich auf Grundgeschäfte beziehen: Auf diese Weise kann sich ein Investor gegen Preisveränderungen beim Rohstoffgut und auch eventuelle Preisänderungen in der Handelswährung (meist USD) absichern. 448 Quelle: Thomson Reuters.

0,5085

Silver

0,4821

0,2571

0,2834

0,3294

0,3366

0,3961

0,2528

0,2867

0,1234

0,6716

0,8019

1

0,498

0,2491

0,2332

0,3161

0,2902

0,3014

0,2764

0,2419

0,0603

0,5031

1

0,8019

0,7342

0,3858

0,2004

0,3321

0,2968

0,2322

0,2913

0,1942

0,2141

0,0788

1

0,5031

0,6716

0,5641

NY ICE Gasoline Gasoil

Created on: 30.04.2012 at 17:44:47. Quelle: Bloomberg

0,2756

0,2424

Gold

0,3384

Coffee

Cocoa

0,3588

0,3332

Corn

Sugar No. 11

0,1482

Henry Hub Nat. Gas

0,3214

0,5641

ICE Gasoil

0,4246

0,7342

NY Gasoline

Soybeans

0,8022

NY Heating Oil

Wheat

1

Light Sweet Crude Oil

0,8022

Light NY Sweet Heating Crude Oil Oil

Commodities

Tab. 7.6: Korrelationsmatrix Commodity

0,0842

0,0058

0,0199

0,0146

0,1012

0,0857

0,1364

0,145

1

0,0788

0,0603

0,1234

0,1482

Henry Hub Nat. Gas

0,2365

0,1502

0,1043

0,2372

0,2809

0,6069

0,799

1

0,145

0,2141

0,2419

0,2867

0,3332

Corn

0,2687

0,1587

0,1062

0,2289

0,3077

0,5823

1

0,799

0,1364

0,1942

0,2764

0,2528

0,3214

Wheat

0,3457

0,2307

0,2621

0,2611

0,3147

1

0,5823

0,6069

0,0857

0,2913

0,3014

0,3961

0,4246

Soybeans

0,2358

0,0941

0,1103

0,2535

1

0,3147

0,3077

0,2809

0,1012

0,2322

0,2902

0,3366

0,3588

Sugar No.11

0,2816

0,1543

0,2121

1

0,2535

0,2611

0,2289

0,2372

0,0146

0,2968

0,3161

0,3294

0,3384

Coffee

0,2279

0,143

1

0,2121

0,1103

0,2621

0,1062

0,1043

0,0199

0,3321

0,2332

0,2834

0,2756

Cocoa

0,7428

1

0,143

0,1543

0,0941

0,2307

0,1587

0,1502

0,0058

0,2004

0,2491

0,2571

0,2424

Gold

1

0,7428

0,2279

0,2816

0,2358

0,3457

0,2687

0,2365

0,0842

0,3858

0,498

0,4821

0,5085

Silver

342 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

7.33 Strategien mit Devisentermingeschäften |

343

Beispiel: Unser Investor will für 10 Millionen USD Kupfer kaufen, benötigt es aber erst in sechs Monaten und damit ist es einleuchtend, dass dieses Geschäft erst in sechs Monaten zustande kommen wird. Da aber unser Investor von einem Preisanstieg ausgeht, kauft er bereits heute einen Kupfer-Future (Long Copper Future). Gleichzeitig rechnet der Investor damit, dass der US-Dollar gegenüber dem Euro deutlich aufwerten wird. Da er das Geschäft in Dollar abwickeln wird, möchte er sich gegen eine solche Aufwer­ tung für die nächsten 6 Monate absichern. Folglich verkauft er Euro-/USD-Futures⁴⁴⁹ im Gegenwert seines Grundgeschäftes. Trifft die erwartete Reaktion an den Devisen­ märkten nun ein, ist unser Investor durch den Währungsfuture gegen die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar abgesichert. Zusätzlich ist er gegen durch den Long Copper Future gegen eine Preissteigerung für Kupfer abgesichert. Er hat somit für beide Komponenten eine planbare Absicherung und eine kalkulatorische Grund­ basis. Natürlich macht es keinen Sinn jeden Euro absichern zu wollen. Der eventuell auftre­ tende Verlust und die Absicherungskosten müssen schon in einer sinnvollen Relation stehen. Gleichzeitig ist auf jeden Fall darauf zu achten, dass die Grundintention auch marktgerecht und stimmig ist, da sonst die ganze Absicherung keinen Sinn macht.

7.33 Strategien mit Devisentermingeschäften 7.33.1 Absicherungsstrategien Ein Investor will sich gegen die Abwertung der eigenen Währung absichern. Er ver­ kauft folglich seine eigene Währung gegen eine Fremdwährung auf Termin und er­ wirtschaftet einen Gewinn, wenn die von ihm erwartete Preisveränderung eingetreten ist. Beispiel: Der Investor bekommt in drei Monaten 10 Millionen Euro überwiesen. Da jedoch seine Heimatwährung der US-Dollar ist, möchte er sich gegen einen abwertenden Euro ab­ sichern und verkauft deshalb EUR-Futures. Diese Transaktion ist gleichbedeutend mit einem Verkauf von Euro und einem gleichzeitigen Kauf von US-Dollar und sie versetzt den Investor in die Lage, die eventuell entstehende Differenz auszugleichen. Bei Devisentermingeschäften werden Absicherungsstrategien hauptsächlich von In­ vestoren mit großen Grundgeschäften getätigt. Sie schaffen sich dadurch konkrete Pla­ nungs- und Kalkulationsmöglichkeiten.

449 Verkauf Euro zum USD bedeutet synthetisch Kauf USD gegen Euro.

344 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Anders verhält es sich mit Spekulationen auf Devisen: Hierbei wird auf eine Ver­ änderung der Währung zu einer anderen spekuliert. Solche Geschäfte sind unabhän­ gig vom Grundgeschäft und dienen lediglich der zusätzlichen Ertragsgenerierung. Beispiel: Ein Investor geht davon aus, dass der Euro gegenüber dem US-Dollar abwerten wird, und verkauft deshalb EUR/USD-Futures. Den US-Dollar erwirbt er dadurch synthe­ tisch. Wenn der Euro gegenüber dem USD abwertet, macht der Investor einen Gewinn, im umgekehrten Fall einen Verlust. Anhand dieses Beispiels soll unter anderem gezeigt werden, dass sich mithilfe dieser Transaktionen eventuelle Verluste aus einem Kassaobjekt (beispielsweise bei einem Bondportfolio) kompensieren lassen.

7.33.2 Spekulationsstrategien Bei dieser Form der Strategie spekuliert ein Investor auf eine Veränderung in der Preisfeststellung eines Währungspaares, vorzugsweise mittels eines börsengehan­ delten FX-Futures. Geht nun der Investor von steigenden Preisen aus, kauft er ei­ nen Future; umgekehrt verkauft er einen Future, wenn er mit einer Abwertung der Währung rechnet. Der FX-Future ist aufgrund seiner schnellen und kostengünstigen Durchführbarkeit das beste Instrument für die Spekulation in Währungen. Beispiel: Unser Investor rechnet mit einem Aufwerten des US-Dollar gegenüber dem Euro und nimmt die Short-Position im Eurofuture ein (analog dem Kauf von USD-Futures). Wenn der Euro gegenüber dem Dollar abwertet, tritt die Marktmeinung des Investors ein und er macht einen Gewinn. Steigt aber umgekehrt der Euro gegenüber dem Dollar, erleidet der Investor einen Verlust. Er partizipiert an jeder Preisbewegung 1:1, da es sich um einen Future (Delta-1-Instrument) handelt. Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns Devisentermingeschäften und Warentermingeschäften beschäftigt. Wir sind dabei auf die jeweiligen Instrumente, deren Aufbau und Preisfindung einge­ gangen. Dabei haben wir uns sowohl den OTC Derivaten als auch den an Terminbörsen gehandelten Kontrakten zugewandt. Wir sind auf die Besonderheiten wie Cross Rate, NDF und NDO eingegan­ gen und haben uns auch mit den Besonderheiten des Warenterminhandels auseinandergesetzt. Vor allem die Preisfindungen und die umsetzbaren Strategien haben wir beleuchte und sind auf diese eingegangen.

Interview mit IBM Deutschland | 345

Interview mit IBM Deutschland Andreas Schneider, Senior Technical Specialist Andreas Schneider ist bei der IBM Deutschland GmbH als Senior Technical Specialist im Bereich Data Science & AI tätig. Durch seine mehr als zehnjährige Berufserfahrung verfügt er über prakti­ sche Fachkenntnisse in der Modellierung und Entwicklung von Lösungen aus den Bereichen Natu­ ral Language Processing, Machine Learning und Data Mining. Andreas Schneider studierte Wirt­ schaftsinformatik und Leitung und Kommunikationsmanagement. Seit 2018 unterrichtet er als Lehrbeauftragter an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg.

Digitalisierung ist der Oberbegriff und das Schlaglicht, das derzeit jeden interessiert. Doch inwieweit wird diese Digitalisierung beziehungsweise dieser Traum“ vom selbst­ handelnden Computer sich zeitnah verwirklichen lassen? Ich persönlich verbinde mit dem Begriff Digitalisierung nicht gleichzeitig den selbst­ handelnden Computer. Vielmehr verstehe ich darunter den zielgerichteten Einsatz von Technologien aus dem Wissenschaftsbereich der Künstlichen Intelligenz (KI), wie Machine Learning, Natural Language Processing und Deep Learning, um bestimmte Aspekte operativer Geschäftsprozesse zielorientiert zu optimieren und automatisie­ ren. Und zwar genau dort, wo heute Tätigkeiten anfallen, die mit hohem Aufwand manuell durchgeführt werden müssen und fehleranfällig sind. Was würden Sie als den stärksten Werttreiber der aktuellen Digitalisierungsentwicklung ansehen? Als einen der stärksten Werttreiber schätze ich digital erschlossenes Wissen ein. So sind Daten zwar zur Genüge vorhanden und existieren quasi in all unseren Lebensbe­ reichen. Aus diesem Rohstoff tatsächlich auch einen geschäftsrelevanten Mehrwert zu erzeugen, ist eine Herausforderung, der sich viele Unternehmen heute aktiv stellen. Der Weg dorthin ist jedoch keinesfalls trivial. Als Grundlage hierzu sehe ich die Digi­ talisierung von Daten für diejenigen Prozesse, in denen die Kernkompetenzen eines Unternehmens verankert sind. Dazu gehört die Umwandlung von Daten in maschi­ nenlesbare Formate und Strukturen, um letztendlich überhaupt Wissen daraus ablei­ ten zu können. Darauf lassen sich dann neue, digitale Geschäftsmodelle aufsetzen, die den Unternehmenswert nachhaltig erhöhen können und gleichzeitig eine Diffe­ renzierung zum Wettbewerb darstellen. Ein erster Schritt in diese Richtung besteht in der Identifikation derjenigen Anwendungsfälle, die das höchste Digitalisierungs­ potential aufweisen und einen signifikanten Nutzen erzeugen. Dies geht idealerwei­ se mit der Betrachtung sozialer und organisatorischer Rahmenbedingungen einher. Denn ein nicht unerheblicher Teil des Wissens eines Unternehmens sitzt in den Köp­ fen der Mitarbeiter/innen. Diese gilt es in besonderer Weise zu motivieren, ihr Knowhow zu digitalisieren und aktiv an der Gestaltung zukünftiger Geschäftmodelle zu par­ tizipieren.

346 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

Welche Lösungen sehen Sie als die maßgeblichsten in den kommenden Jahren? Lösungen, die mittels Technologien aus den Bereichen Machine Learning, Natural Language Processing und insbesondere Deep Learning unterstützen können, einzel­ ne Prozesse oder Prozessschritte zu automatisieren. Das Ziel sollte dabei sein, eine/n Fachanwender/in bei der Entscheidungsfindung zu entlasten. Bereits heute muss für eine fundierte Entscheidungsfindung eine Vielzahl an Daten analysiert und aufberei­ tet werden. Dies erfolgt zu einem hohen Anteil manuell. Aufgrund fehlender Ressour­ cen, bedingt durch Fachkräftemangel oder unzureichendes Expertenwissen, sowie der weiteren Zunahme von Datenvolumina und deren Bedeutung für Kernprozesse, wird es zukünftig ohne technologische Unterstützung nicht mehr handhabbar sein, in strukturierter Art und Weise, Wissen aus Daten abzuleiten. Hierbei können Technolo­ gien aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz komplexe Zusammenhänge und Mus­ ter in hochdimensionalen Datenräumen erschließen, die für eine/n menschliche/n Betrachter/in nicht erkennbar wären, um diese anschließend in einer konsumierba­ ren Form für eine/n Fachanwender/in aufzubereiten. Welche könnten im Bereich Finance eingesetzt werden? Ein hohes Potenzial sehe ich in Bezug auf das Steuerrecht. Gerade in diesem Umfeld lässt sich eine Vielzahl an repetitiven Tätigkeiten beobachten. So könnte beispielswei­ se in der Rechnungseingangsverarbeitung die Prüfung einer Rechnung auf Pflichtan­ gaben durch entsprechend trainierte KI-Modelle automatisiert werden. Ferner wäre es denkbar, Umsatzsteuersätze sowie die Kontierung einzelner Rechnungspositionen auf Basis historischer Buchungen technologisch mittels Machine Learning-Algorith­ men zu unterstützen. Schaut man sich die Entwicklung der vergangenen 10 Jahre an und überträgt man diese in die Zukunft, auf was denken Sie, können wir uns (positiv) gefasst machen? Die Thematik Künstliche Intelligenz ist nicht neu, hat aber sicherlich in den letzten 10 Jahren enormen Aufwind bekommen. Dies liegt unter anderem daran, dass sich einige Rahmenbedingungen, sowohl technologisch wie auch fachlich, für den Ein­ satz von KI-Technologien in Unternehmen geändert haben. Positiv sehe ich aktuell die Beobachtung, dass die Erwartungshaltungen realistischer geworden sind. So wur­ de beispielsweise verstanden, dass insbesondere hinter KI-Lösungen auch aufwändi­ ge Projekte stecken, die methodisch geplant, konzipiert und implementiert werden müssen. Software, die einmalig installiert und in Betrieb genommen wird, findet man in diesem Zusammenhang kaum. Ist dieser Blick geschärft, so wird auch der Auf­ wand, der hinter solchen Lösungen steckt, klarer, insbesondere was den dauerhaf­ ten Betrieb angeht und die Dimensionen Technologie, Organisation und Soziales be­ trifft. Auf der anderen Seite schreckt dies auch ab, da damit die durch KI-Marketing suggerierte Einfachheit abhanden kommt. Wünschenswert ist eine Reflexion, an wel­ chen Stellen KI-Technologien im Kontext eines Unternehmens und dessen Geschäfts­ feldern tatsächlich auch Sinn machen und Mehrwert erzeugen können, um darauf

Interview mit IBM Deutschland |

347

aufbauend eine Strategie zu entwicklen, die auch die Organisation als Ganzes mit­ einbezieht. Was sind eigentlich die größten Hürden der aktuellen technischen Entwicklung? Als eine der größten Hürden empfinde ich die Erwartungshaltungen an KI-Technolo­ gien und KI-Lösungen zu managen. Aus diesem Grund sollte die aktuelle technische Entwicklung gleichzeitig durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen beglei­ tet werden. Dies erfordert mitunter den Einsatz eines gezielten Change Managements im Unternehmen, um beispielsweise neue Rollen und Aufgaben zu definieren und de­ ren Akzeptanz zu motivieren. Die Grundvoraussetzung dafür sind Fachspezialisten, welche in der Regel die Kernkompetenzen vertreten, wie auch IT-Spezialisten, die ge­ meinsam KI-Projekte vorantreiben und nicht in Silos agieren. Idealerweise wird in solchen Projekten unternehmensspezifisches Wissen generiert und dieses nicht nur für ein Anwendungsszenario genutzt. Diese organisationsübergreifende Wissensge­ nerierung und -bereitstellung erfordert eine methodische Vorgehensweise auf allen Ebenen und stellt heute eine große Herausforderung dar. So sollte Wissen in diesem Zusammenhang sowohl horizontal wie auch vertikal, unterschiedlich abstrahiert, be­ reitgestellt und nutzbar gemacht werden. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachabteilungen in einem Unterneh­ men anzuregen. Viel zu oft werden an verschiedenen Stellen ähnliche Problemstel­ lungen diskutiert und neu entwickelt. Um dies zu verhindern, wäre eine transparente Sicht auf aktuelle Digitalisierungsprojekte in einer Organisation erforderlich, was mit zunehmender Unternehmensgröße und Internationalisierung eine weitere Hürde dar­ stellt. Welche Industrien sehen Sie in der Zukunft hier als Vorreiter an und welche tun sich eher schwer damit? Ich sehe vor allem diejenigen Industrien als Vorreiter, welche eine Nähe zu den Inge­ nieurwissenschaften haben. Dazu zähle ich unter anderem auch datengetriebene Or­ ganisationen sowie Forschungseinrichtungen. Eben genau dort, wo die Auswertung einer Vielzahl an Daten bereits seit längerem zum Geschäftsmodell gehört und über die Jahre hinweg ein breites Know-how im Bereich Datenanalyse aufgebaut wurde. Vergleicht man verschiedene Industriezweige, so herrscht aktuell sicherlich ein Un­ gleichgewicht. Jedoch lässt sich aber grundsätzlich beobachten, dass das Thema Di­ gitalisierung heute in so gut wie allen Industrien mindestens diskutiert wird. Müssen wir bei der Beurteilung eines Unternehmens bald eine Risikokomponente für dessen Positionierung in der 4.0 Welt aufnehmen? Ist dies für Unternehmen, die hier bei den klassischen Verfahren bleiben folglich existenzbedrohend? Ich denke dies ist abhängig vom Kerngeschäft des betrachteten Unternehmens. Je mehr Bedeutung die Digitalisierung in bestimmten Märkten erlangt, desto wich­ tiger wird es für die dort agierenden Unternehmen auch sein, Geschäftsprozesse und -modelle anzupassen und sich gegebenenfalls neu auszurichten. Dies wird vor­

348 | 7 Devisen- und Warentermingeschäfte

aussichtlich nicht in allen Industrien und Märkten in gleichem Umfang notwendig sein. Dabei sollte beachtet werden, in welchen Bereichen ein Unternehmen bereits Geschäftsprozesse oder Teile von Geschäftsprozessen erfolgreich digitalisierte be­ ziehungsweise in welche laufenden Projekte mit hohem Digitalisierungspotential momentan investiert wird. Was denken Sie, wie stark sind die Kapitalmärkte generell von der Digitalisierung betrof­ fen? Unternehmen, die in den Kapitalmärkten agieren, sind ständigen Veränderungen aus­ gesetzt. Dies liegt unter anderem an der Vielzahl unterschiedlicher Marktteilnehmer, deren Einflüsse auf die Märkte sich nicht unmittelbar prognostizieren lassen. Inner­ halb dieser hochkomplexen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen ist eine kurzfristige Reaktion auf Veränderungen für die dort agierenden Unternehmen oftmals essentiell. Hierbei spielen agile Projektmanagement-methoden eine zentrale Rolle. Auf diese Weise lassen sich Kernkomponenten eines Geschäftsprozesses zu­ nächst funktional in einer KI-Lösung abbilden, um gleichzeitig den Entwicklungspro­ zess am Feedback der Endanwender/innen auszurichten. Dadurch werden Entwick­ lungszyklen in der Regel verkürzt und der schnellere Einsatz einer Lösung motiviert sowie Risiken minimiert. Bei diesem Vorgehen, auch als Rapid Prototyping bezeich­ net, liegt der Fokus meist darauf, in möglichst kurzer Zeit beispielhaft bestimmte Funktionalitäten einer Lösung zu implementieren. Die Einbettung der Lösung in ei­ ne bestehende IT-Infrastruktur, deren Betrieb und die dauerhafte Weiterentwicklung stehen dabei häufig nicht im Fokus der Betrachtung. Genau hierbei handelt es sich je­ doch um wesentliche Bestandteile eines Projekts, um eine KI-Lösung innerhalb eines geschäftsrelevanten Prozesses später tatsächlich auch in Produktion zu bringen.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Bloss, Michael; Eil, Nadine; Ernst, Dietmar; Fritsche, Harald; Häcker, Joachim: Währungsderivate, 2009 Bloss, Michael: Die Gier nach Gold, 2012 Choudhry, Moorad: The Bond & Money Markets, 2001 Eilenberger, Guido: Währungsrisiken, Währungsrisikomanagement und Devisenkurssicherung von Unternehmen; 4. Auflage 2004 Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate, 8. Auflage 2012 Steiner, Bob: Foreign Exchange and Money Markets, 2002 Wiedemann, Arnd: Bewertung von Finanzinstrumenten, 4. Auflage 2007

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel | 349

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Den Aufschlag gegenüber einem Devisenkassakurs auf den Devisenterminkurs nennt man? Frage 2: Ein Unternehmen erhält in 3 Monaten einen Betrag von x Geldeinheiten in Fremd­ währung. Welche Optionsstrategie sollte gewählt werden, wenn man sich gegen einen Preisverfall absichern möchte? Frage 3: Sie handeln einen Euro/CHF Future. BUY 5 Euro/CHF DEC.2020 Haben Sie den Euro oder den CHF gekauft? Welches Volumen haben Sie gehandelt? Frage 4 Was gibt es für Arten des Settlements bei Warenterminfutures und warum? Frage 5: Wo liegt das Problem bei einer Contango-Notierung des Futures? Antwort zu Frage 1: Man nennt dieses einen REPORT. Antwort zu Frage 2: Eine Long-Put-Position mit dreimonatiger Laufzeit. Diese sichert, dass das Unterneh­ men die Fremdwährung in Euro tauschen kann. Antwort zu Frage 3: Sie haben den Euro gegenüber dem CHF gekauft. Das gehandelte Volumen entspricht 5 × 125.000 Euro = 625.000 Euro. Antwort zu Frage 4: Man hat hier die Möglichkeit, zwischen physischem Settlement und Cash-Settlement zu wählen. Spekulanten und Börsenteilnehmer ohne eine Produktion etc. handeln i. d. R. die mit Cash-Settlement ausgestatteten Kontrakte, da sie keine Lieferung er­ halten wollen. Antwort zu Frage 5: Das Problem liegt hier in den teureren Folgekontrakten. Der Investor macht bei jeder Roll-Operation einen Verlust, da er den aktuellen Future zu einem Preis X verkauft und den Folgefuture zu einem Preis X + y kaufen muss. y = Roll-Verlust.

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Lückentext Die Entwicklung von ist keine neuzeitliche Erfindung. Doch in den vergangenen 35 Jahren haben die modernen Terminbörsen einen Siegeszug um die Welt angetreten. Bei einem klaffen und auseinander. Dabei unterscheidet man zwischen und Ter­ mingeschäften. Solchen, die ein haben, ausgestaltet und heißen, und solche, welche ohne dieses ausgestattet sind, daher aufgebaut sind und oder genannt werden. Jedes dieser Termingeschäfte kann durch eine wieder geschlossen werden. Damit ein fortlaufender Handel an den Terminbörsen gewährleistet ist, haben die Termin­ börsen, wie die , ein aktives eingeführt. Der Verfallstag für die meisten an den Terminbörsen gehandelten Instrumente ist der im Mo­ auch die Futures, so spricht man vom nat. Verfallen an den oder dem . Kann eine Option während der kompletten Optionslaufzeit ausgeübt werden, so spricht man von einer Option Typs. Geht diese Ausübung nur zum Laufzeitende, so ist es eine Option Typs. Die Preisbildung von Optio­ nen ist gegenüber von Futures komplexer, da diese ein beinhalten. Das . Optio­ gängige Modell zur Bewertung von Optionen ist das nen werden oft in Kombinationen angewandt. Kombiniert man zum Beispiel einen Long Call und einen Long Put mit gleichem Basispreis und gleicher Laufzeit, so er­ hält man einen . Box-Spreads sind Optionsstrategien, welche auf dem aufgrund von Ungleichgewichten zwischen der Bewertung von und basieren, und zählen in der Praxis ebenfalls zu oft gehandelten Strate­ gien. Auch auf Devisen und auf Rohstoffe werden oft Termingeschäfte abgeschlossen. Das Bewertungsmodell für FX-Optionen nennt man das -Modell. Ist eine direkte Quotierung zweier Währungen nicht möglich, so kommt ein zum Einsatz. Bei den Rohstoffderivaten muss man auf den bei der Preisfindung von Rohstofffutures achten. Dieser beeinflusst maßgeblich, ob ein Fu­ ture oder notiert. Abschluss, amerikanischen, Arbitrage-Gedanken, asymmetrisch, Backwardation, be­ dingten, Black-Scholes-Modell, Calls, Contango, Convenience Yield, Counterorder, Cross-Rate, dritte Freitag, Erfüllung, Eurex, europäischen, Forwards, Futures, Gar­ man-Kohlhagen, großen Verfallstag, Hexensabbat, Long Straddle, Market Making, Optionen, Puts, Quartalsendmonaten, symmetrisch, Terminbörsen, Termingeschäft, unbedingten, Wahlrecht, Wahlrecht, Wahlrecht, zeitlich

| Modul III: Non-Plain-Vanilla-Derivate und Strukturen

8 OTC-Derivate und exotische Strukturen In Kapitel 8 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – – – –

Was sind nicht an Börsen gehandelte Derivate? Was unterscheidet diese Derivate von Plain-Vanilla-Derivaten? Was sind exotische Termingeschäfte? Was sind SWAPS und SWAPTIONS? Welche Arten von SWAPS gibt es? Wie setze ich exotische Optionen ein? Was sind Caps und Floors?

8.1 OTC Derivate Wir wollen an dieser Stelle einen Blick auf die nicht an Börsen gehandelten Derivate (OTC Derivate) werfen. Es handelt sich dabei um Derivate, die individuell zwischen den Parteien ausgehandelt werden und somit nicht standardisiert aber oftmals hoch individualisiert sind. An sich handelt es sich um individuelle bilaterale Finanzver­ träge, deren Ausgestaltung die vertragsschließenden Parteien bestimmen. Wie in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigt wurde, sind nur standardisierte Derivate leicht an Börsen zu übertragen. Die nun angesprochenen Derivate werden entweder zur Spe­ kulation (mittel- bis langfristig) oder zur Absicherung eines Grundgeschäftes abge­ schlossen. Investoren, die nicht börsengehandelte Derivate in ihrem Bestand haben, sind meist professionelle bzw. institutionelle Marktteilnehmer. Die im nachfolgenden Abschnitt angesprochenen flexiblen Kontrakte, welche an der Eurex gehandelt wer­ den können, sind trotz der Abwicklung über das Eurex-System⁴⁵⁰ zu den OTC-Deriva­ ten zu zählen. OTC-Derivate und CCPs Im Zuge der weltweiten Finanzkrise und des Zusammenbruchs der Investmentbank LEHMAN BROTH­ ERS wurde viel über die Clearing-Pflicht von OTC-gehandelten Derivaten diskutiert. Durch die Imple­ mentierung von höheren Regulierungsmöglichkeiten sowie durch die deutlich gestiegene Aufsichts­ verpflichtung der Regulatoren hat man sich auf die Einführung von CCPs (Central Counter Parties) geeinigt (im Zuge der Einführung von EMIR⁴⁵¹). Über diese zentralen Kontrahenten werden die OTCDerivate abgewickelt. Dabei kommt dem CCP wie bei den an Börsen gehandelten Derivaten die Aufga­ be zu, für deren Erfüllung und Ausgleich Sorge zu tragen und ein evtl. eintretendes Adressenausfall­ risiko zu minimieren.⁴⁵²

450 Abwicklung über Eurex inkl. Clearing über Eurex als CCP. 451 European Market Infrastructure Regulation (EMIR). 452 Vgl. o. V. Börsen Zeitung: 243/15.12.2012: Clearingpflicht für Derivate startet „erst Ende 2013“. https://doi.org/10.1515/9783110659931-008

354 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

8.1.1 OTC-Derivate als „Flexible Options/Futures“ an der EUREX OTC-Derivate können in vielfacher Hinsicht abgeschlossen werden. Klassisch werden diese zwischen zwei Parteien vereinbart. Die Abwicklung übernehmen Banken/Bro­ ker. Seit einiger Zeit besteht jedoch auch die Möglichkeit, individuell vereinbarte Op­ tionen und Forwards auch an der Eurex über eine spezielle Plattform zu handeln.⁴⁵³ Diese OTC Flexible Options and Futures werden über das Eurex-System abgewi­ ckelt, sind jedoch in der Ausgestaltung frei wie alle OTC-Derivate.⁴⁵⁴ Optionen können durch Festlegung folgender Parameter individuell ausgestaltet werden: – Der gewählte Ausübungspreis kann entweder über dem höchsten Ausübungs­ preis der entsprechenden regulären Optionsserie liegen oder der niedrigste Aus­ übungspreis einer Option (z. B. LEPOs) sein, der im Eurex-System abzubilden ist. Er kann aber auch dazwischen liegen. Maximale Basispreise für OTC Flexible Options sind begrenzt auf das 2,5-Fache des höchsten verfügbaren Standardba­ sispreises im jeweiligen Produkt. – Als Verfallstag kann jeder Börsentag (mit einigen von Eurex festgelegten beson­ deren Ausnahmen) gewählt werden. Die Spanne reicht vom jeweils nächsten Han­ delstag bis hin zum längsten, aktuell gehandelten Standardverfallstermin des je­ weiligen Standardprodukts. – Sowohl amerikanische als auch europäische Optionen werden unterstützt. – Die Art der Erfüllung von OTC Flexible Options ist frei wählbar. Teilnehmer kön­ nen ihre OTC Flexible Options-Kontrakte somit entweder durch Barausgleich oder durch die für das jeweilige Produkt gegebenenfalls vorgesehene Art der physi­ schen Lieferung erfüllen. Futures können durch Festlegung folgender Parameter individuell ausgestaltet wer­ den: – Flexible Fälligkeit: Die Marktteilnehmer können selbst bestimmen, wann der Terminkontrakt fällig wird. Mögliche Fälligkeitstermine sind der jeweils nächste Börsentag bis hin zu dem Tag, an dem der an der Eurex gehandelte StandardFutures-Kontrakt mit der letzten Fälligkeit ausläuft. – Wahl der Erfüllungsart: Die Marktteilnehmer können, analog zu OTC Flexible Options auf einzelne Aktien, die Erfüllungsmodalitäten für Einzelwertfutures auf Aktien individuell vereinbaren. Das bedeutet Erfüllung durch Barausgleich oder durch physische Lieferung.

453 Diese Möglichkeit besteht auch an anderen Terminbörsen (z. B. CBOE). 454 Ob und welches Underlying hier Verwendung finden kann, können Sie der Homepage www. eurexchange.com entnehmen.

8.1 OTC Derivate

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Entscheidet sich ein Investor, seine OTC-Transaktionen nicht über diese Plattform abzuwickeln, übernimmt seine Bank/sein Broker die Abwicklung über eigene Syste­ me.⁴⁵⁵

8.1.2 Caps, Floors und Collars Bei Cap und Floor handelt es sich um Zinsoptionen, welche eine Zinsobergrenze oder eine Zinsuntergrenze definieren. Werden diese kombiniert, spricht man von ei­ nem Collar. Dabei bündeln die einzelnen Produkte eine Vielzahl von Zinsoptionen um die gewünschte Eigenschaften darstellen zu können. Nachfolgend gehen wir auf die einzelnen Instrumente ein. Caps Der Käufer eines Cap (Long Cap) hat die Pflicht zur Zahlung einer Optionsprämie an den Verkäufer des Caps (Short Cap). Dafür erhält er das Recht auf eine Ausgleichs­ zahlung, sobald die im Cap festgelegte Zinsobergrenze, die für ihn als Zinsgarantie gilt, überschritten wird (vgl. Abbildung 8.1). Dadurch kann sich der Investor gegen steigende Zinsen schützen und eine Absicherung seiner Zinsaufwendungen durch­ führen. Er erhält nun neben einer sicheren kalkulatorischen Grundlage auch die Mög­ lichkeit, aus einem variablen Zinssatz einen „Höchstzinssatz“ für sich zu generieren. Der Short-Cap-Investor hingegen erhält für seine Bereitschaft und als Risikoprämie die Optionsprämie und geht folglich die Verpflichtung ein, die Ausgleichszahlung an

Ausgleichszahlung Kunde

Bank Prämienzahlung

3-MonatsEURIBOR zzgl. Kreditmarge

Variable Finanzierung

Abb. 8.1: Zahlungsströme bei einem Long Cap inkl. Grundgeschäft (Kredit mit variabler Zinsseite)⁴⁵⁶

455 Quelle: Eurex AG. 456 Quelle: Commerzbank AG.

356 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

den Long-Cap-Investor zu leisten, sobald der vereinbarte Referenzzinssatz über der Zinsobergrenze liegt (vgl. Abbildung 8.2).⁴⁵⁷

3-M-Euribor Zinssatz in %

X.xx

heute

Cap

Laufzeit

Abb. 8.2: Zinsobergrenze beim Cap⁴⁵⁸

Caplets Ein Cap besteht i. d. R. immer aus mehreren Zinsoptionen. Eine Zinsoption für jede der gegebenen Entscheidungsperioden. An jedem Entscheidungszeitpunkt wird beurteilt, ob der Referenzzinssatz über dem Cap notiert und es somit zu einer Ausführung der Zinsobergrenze kommt. Dies erklärt auch, warum es an manchen Entscheidungstagen zur Ausführung kommt und an manchen nicht. Denn nur wenn die Zinsobergrenze überschritten ist, wird die jeweilige Option ausgeübt. Nur diese Zinsoptionen haben einen inneren Wert. Bewertet wird ein Cap in der Addition der einzelnen Caplets, wel­ che einzeln, z. B. mit dem Black76-Modell, bewertet worden sind. Denn die Gesamtheit der Zinsoptionen bildet den Gegenwert des Caps. Da jede einzelne Zinsoption mit ei­ ner eigenen Wahrscheinlichkeit der Ausübung versehen ist, unterscheiden sich die Preise der Zinsoptionen. So kann es gut möglich sein, dass eine Zinsoption mit einer kurzen Laufzeit out of the money notiert, und damit fast wertlos ist, eine Zinsopti­ on mit einen später Ausübungszeitpunkt jedoch eine andere Wahrscheinlichkeit zur Ausübung hat und daher auch so gepreist wird.⁴⁵⁹

457 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 458 Quelle: Commerzbank AG ICLM. 459 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

8.1 OTC Derivate

|

357

Cap t=0

t=1

Caplet 1

Start

t=2

Caplet 2

Roll-over 1

t=3

Caplet 3

Roll-over 2

t=4

Caplet 4

Roll-over 3

t=5

Caplet 5

Roll-over 4

Ende

Abb. 8.3: Das Cap aufgeteilt in die einzelnen Caplets

Floor Der Floor bildet die Gegenseite zum bereits besprochenen Cap. Während ein Cap mit einem Call zu vergleichen ist, ist ein Floor mit einem Put gleichzusetzen. Auch hier­ bei handelt es sich um eine Zinsoption, welche eine Zinsuntergrenze garantiert. Der Käufer (Long Floor) erwirbt somit das Recht, aber nicht die Verpflichtung, gegen Zah­ lung einer Optionsprämie eine Zinsuntergrenze zu erhalten. Fällt der gehandelte Refe­ renzzinssatz unter diese Zinsuntergrenze, so ist die Zinsoption im Geld und es kommt zu einer Auszahlung. Mit dem Floor erhält der Investor die Möglichkeit eine Zinsun­ tergrenze und somit eine kalkulatorische Grundlage abzusichern. Der Verkäufer des Floors erhält für seine Bereitschaft, die bezahlte Optionsprämie, welche auch hier die Risikoprämie für das abgeschlossene Geschäft darstellt. Dadurch geht er die Verpflich­ tung ein, die Ausgleichszahlung an den Long-Floor-Investor zu leisten.⁴⁶⁰ Floorlets Wie auch schon beim Cap dargestellt, besteht ein Floor aus mehreren einzelnen Zins­ optionen, den sogenannten Floorlets. Analog der oben dargestellten Vorgehenswei­ se, werden auch bei einem Floor die einzelnen Floorlets bewertet und dann zu einem Gesamtpreis zusammengefügt. Auch hier ist für jede einzelne Zinsoption eine Wahr­ scheinlichkeit zur Ausübung gegeben, welche sich individuell nach den aktuellen

460 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

358 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Marktgegebenheiten, im Verhältnis zu den gewählten Kontraktspezifikationen rich­ tet. Zur Bewertung zieht man auch hier i. d. R. Black76-Modell heran.⁴⁶¹ Floor t=0

t=1

Floorlet 1

Start

t=2

Floorlet 2

Roll-over 1

t=3

Floorlet 3

Roll-over 2

t=4

Floorlet 4

Roll-over 3

t=5

Floorlet 5

Roll-over 4

Ende

Abb. 8.4: Floor aufgeteilt in die einzelnen Floorlets

Bewertung von Caplets und Floorlets Für die Bewertung der einzelnen Zinsoption wird wie bereits angesprochen, das Black76-Modell verwendet. Nachfolgend zeigen wir dieses auf.⁴⁶² C i = NB × δ × e−rT × [Fw × N(d1 ) − K × N(d2 )] F i = NB × δ × e−rT × [K × N(−d2 ) − Fw × N(−d1 )] d1 =

C F σ NB r K T

ln(Fw/K) − σ2 × t/2 σ × √t d2 = d1 − σ√t

= Caplet = Floorlet = Volatilität = Nominalbetrag = kongruenter Zins bis zum Laufzeitende = Basispreis/Strike = Laufzeit

461 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 462 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

8.1 OTC Derivate

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Fw = Forward δ = Optionslaufzeit t = Vorlaufzeit bis Optionsbeginn

Ein Cap, wie ein Floor, bestehen folglich aus einzelnen Zinsoptionen. Nur die Gesamtheit dieser Optio­ nen macht das bestimmen des Gesamtpreis möglich. Jede einzelne Zinsoption ist hier zu betrachten. Des Weiteren sind alle Optionen in Kombination (als Gesamtprodukt) zu beurteilen.

Collar Als Collar bezeichnet man eine Kombination aus den bereits dargestellten Zinsoptio­ nen Cap und Floor. Dabei wird ein Long Collar aus der Kombination eines Long Cap sowie aus einem Short Floor konstruiert. Der Long Collar gibt einem Investor somit die Möglichkeit, dass eine gewisse von ihm definierte Zinsbelastung nicht überschrit­ ten wird, wobei gleichzeitig auch ein gewisses Zinsniveau nicht unterschritten werden kann. Bei der Short Collar Variante, erfolgt die Kombination aus Short Cap und Long Floor, welche ein dementsprechendes Auszahlungsprofil darstellen. Wir sehen also, auch ein Collar ist kein wirklich eigenständiges Derivat, sondern eine Kombination aus den eigenständigen Derivaten Cap und Floor, welche in sich jedoch wieder aus einzelnen Zinsoptionen bestehen. Diese werden in Kombination zu einer neuen Ge­ samtstruktur zusammengeführt. Der Preis eines Collars ist folglich die Summe der im Collar enthaltenen und bewerteten Einzeloptionskomponenten.⁴⁶³ Ein Beispiel für die Einzelkomponenten zeigt Tabelle 8.1 auf. Tab. 8.1: Datenblatt zum Collar (Einzelkomponenten) Zinsoption Basiszins Volatilität Kontraktvolumen Laufzeit Referenzzinssatz

Cap 4% 25 % p. a. 10 Mio. 3 Jahre 12-Monats-Euribor

Floor 2,5 % 45 % p. a. 10 Mio. 3 Jahre 12-Monats-Euribor

8.1.3 Was ist ein Forward? Ein Forward ist ein individuell abgeschlossenes und gleichzeitig unbedingtes sym­ metrisches Termingeschäft, ähnlich wie ein Future. Es ist deshalb „nur“ ähnlich, da

463 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

360 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

durch die verhandelte Individualität kein Börsenhandel (fehlende Standardisierung) vorgenommen werden kann. Die entsprechenden Kontraktbestandteile vereinbaren die Vertragsparteien (Finanzintermediär und Klient) völlig frei. In der Praxis werden solche Geschäfte zum Beispiel zwischen Banken und deren Klienten abgeschlossen und dienen meist zur Sicherung eines Grundgeschäftes (z. B. einer Warenlieferung etc.). Anders als bei einem Future gibt es bei einem Forward ein Gegenparteirisiko. Dieses kann durch eine Abwicklung über ein CCP ausgeschlossen werden. Für die Bewertung von Forward-Kontrakten mit bekannter Rendite betrachten wir die folgende Vorgehensweise: F0 = S0 × e(r−f)T F0 S0 r f T

= Forward = Spot-Preis = risikofreier Zins = bekannte Rendite = Laufzeit

Es wird in der Regel angenommen, dass Forward- und Future-Preise dieselben sind. Sind die Zinssätze jedoch unsicher, dann sind die Preise theoretisch verschieden. Bei einem Forward kann auf die tägliche Gewinn- und Verlustbuchung verzichtet werden. Dies ist an sich hier nicht praktisch durchführbar (Bewertungsfrage) und wäre mit ei­ nem zu großen Aufwand verbunden. Daher ist die Bewertung entsprechend der Än­ derung des Barwertes des Forward anzusetzen. Dies kann jedoch in der Praxis zu Dis­ kussionen führen, da es nun zur Akkumulation von Gewinnen und Verlusten kommen kann.⁴⁶⁴ Des Weiteren gilt zu beachten, bei einer hohen positiven Korrelation zwischen Zinssätzen und dem Preis des Anlagegutes (S) ist der Future-Preis höher als der For­ ward-Preis. Folglich ist bei einer hohen negativen Korrelation das Gegenteil der Fall.⁴⁶⁵ Tabelle 8.2 zeigt den Unterschied zwischen Forwards und Futures auf. Forwards Forwards können in vielfacher Weise zum Einsatz kommen. Neben den klassischen OTC Verträgen, welche Institutionelle und Corporate Clients verwenden, werden diese auch im Private Clients Seg­ ment eingesetzt. Zum Beispiel als Forward-Darlehen, welche heute schon eine Kreditvereinbarung in der Zukunft vorsehen. Auch auf der Anlageseite ist ein solches Forward Geschäft einsetzbar. Es handelt sich dann zum Beispiel um einen Forward auf ein Termingeld, dessen Laufzeitbeginn in der Zukunft liegt. I. d. R. können diese Anlagen zur Liquiditätssteuerung herangezogen werden und dienen auch zur Absicherung von Zinssätzen für Cash-Anlagen (in Eigen- und Fremdwährung). Diese nennt man dann Forward-Forward-Deposit.

464 Vgl. Hull, J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate. S. 148 ff. 465 Vgl. Murawski 2007a Universität Zürich.

8.1 OTC Derivate

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Tab. 8.2: Vergleich zwischen Forward und Future⁴⁶⁶ Forwards

Futures

Markt

OTC

Terminbörse

Kontraktinhalt

Individuell ausgehandelt in allen Belangen. Somit auch völlig frei in der Gestaltung und bei der Umsetzung.

Standardisiert hinsichtlich Quantität, Qualität, Liefertermin und Lieferort, keinerlei Möglichkeit zur individuellen Ausgestaltung.

Liquidität

Nahezu keine Fungibilität.

Hohe Liquidität durch fortlaufenden Börsenhandel und Liquidity Provider gewährleistet.

Gegenparteirisiko

Ja, wie bei jedem anderen Vertrag (außer bei CCP).

Nein – da die Clearing-Stelle als Gegenpartei fungiert.

Settlement

Erst am Laufzeitende durch die Schlussabrechnung.

Täglich – durch die Variation Margin Buchungen sowie am Laufzeitende durch die Schlussabrechnung.

Ausübung

Werden meist ausgeübt; somit erfolgt Lieferung oder Schlussabrechnung in bar oder durch die Lieferung.

Werden mehrheitlich vor der Ausübung glattgestellt.

Transaktionskosten

Ggf. Anwaltskosten, Strukturierungsentgelte der abwickelnden Banken etc.

Brokergebühren

8.1.4 Was ist ein Swap? Ein Swap (engl. tauschen) ist, rein formal betrachtet, ein bilateraler Finanzvertrag, der Zahlungsströme zwischen zwei Parteien abbildet und austauscht. Damit wird ein Austausch von Zahlungsströmen vereinbart. Die Konditionen für den Austausch wer­ den vor Abschluss des Swaps festgelegt. Die Ausgestaltung der Swap-Vereinbarung ist den Vertragsparteien hierbei frei überlassen. Mittels eines Swaps ist es möglich, einen komparativen Vorteil zu nutzen. Partei 1

Partei 2 Zahlungsstrom

z.B. Bank

z.B. Klient

Abb. 8.5: Swap

Da bei einem Swap i. d. R. nur Zahlungsströme ausgetauscht werden (vgl. Abbil­ dung 8.5), ist das Augenmerk auf die Bonität der vertragsschließenden Parteien zu

466 Rieger, Marc Oliver: Optionen, Derivate und strukturierte Produkte, Stuttgart 2009, S. 44.

362 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

richten, denn diese begründet einen Teil des Risikos (das Counterpartrisiko). Dieses Risiko kann ausgeschlossen werden, wenn die Abwicklung des Swaps über einen zentralen Kontrahenten (CCP) erfolgt. Grundsätzlich unterscheiden wir grundsätzlich zwischen verschiedenen Grup­ pen von Swaps: – Zinsswap (Interest Rate Swap) – Währungsswap/Devisenswap – Aktienindexswap – Warenswap – Dividendenswap – Volatilitäts- und Varianzswap – Assetswaps – Liability Swaps – Credit Default Swaps (CDS) – Performance Swaps

8.1.5 Was beinhaltet ein Swap? Die folgenden Konditionen sind bei einem Swap vorab zu vereinbaren: – Laufzeit – Laufzeitbeginn – Nominalbetrag – Festsatzzahler/Festsatzerhalter – Swap-Satz – Referenzzinssatz – Zahlungsfrequenz – Zinsusance – Short/long first und last stubs

8.1.6 Swap-Arten und deren Aufbau Der Austausch der Zahlungsströme in einem Swap kann auf folgende Art und Weise erfolgen, wobei die Swap-Art nicht ausschlaggebend ist: Leg 1

Leg 2

fest fest variabel variabel

fest variabel variabel fest

8.1 OTC Derivate

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363

Swap-Beispiel: 5% p.a. fest Partei 1

Partei 2 Zahlungsstrom

Bank

Klient 2 x 3-Monats CHF LIBOR

Abb. 8.6: Beispiel für einen Swap

Ein Swap ist an sich unabhängig von einem Grundgeschäft, kann aber zur Sicherung eines solchen Grundgeschäftes, wie beispielsweise einer Kreditverbindlichkeit, einge­ setzt werden. So besteht zum Beispiel die Möglichkeit für den Payer eines Swaps, eine Zinskonstante aufzubauen und sich somit gegen Zinsänderungsrisiken abzusichern. Im in Abbildung 8.6 dargestellten Beispiel tauscht der Investor das Festzinsrisi­ ko gegen ein variables Risiko in Form des dreimonatigen CHF-Libor-Satz. Er generiert einen Gewinn, wenn der zu erhaltende Festzinssatz höher ist als der zu zahlende va­ riable Zinssatz. Andernfalls erleidet unser Investor einen Verlust. Der Investor setzt somit darauf, dass sich der variable Zinssatz nicht nach oben bewegt und die Zins­ grenze von 5 Prozent nicht erreicht. Er kann eine solche Position beispielsweise zum Aufbauen von Kreditsicherungspositionen (Zinssicherheit) nutzen und diese an das Grundgeschäft (Kreditvereinbarung) anhängen (vgl. Abbildung 8.7). 5% p.a. fest Bank

Zahlungsstrom

5% p.a.

2 x 3-Monats-CHF-LIBOR

Klient

Bankkredit Abb. 8.7: Swap-Beispiel mit Kredit als Grundgeschäft

Zinsswap (Interest Rate Swap) Bei einem Zinsswap (Interest Rate Swap) vereinbaren die beiden vertragsschließen­ den Parteien den Austausch von Zinsströmen, welche auf einen vereinbarten Nennbe­ trag lauten. So können zum Beispiel variable Zinsen gegen einen festen Zinssatz aus­ getauscht werden. Dabei unterscheidet man vom Wording her. Bezahlt der Klient den festen Zinssatz, so nennt man den Swap einen Payer Swap. Erhält der Klient hingegen den Festzinssatz, so spricht man von einem Receiver Swap (vgl. Abbildung 8.8).

364 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Werden hingegen zwei variable Sätze ausgetauscht, so spricht man von einem sogenannten Basisswap. Nun gelten beide Legs des Swap als völlig frei und nichts ist fixiert. Ein Beispiel hierfür wäre der 3-monats Euribor gegen den 6-monats GBP Libor Satz. Gemessen am gehandelten Volumen von rund ca. 50 Billionen Euro⁴⁶⁷ ist der Swap-Markt größer als der Markt für Anleihen. Diese Größenordnung unterstreicht die Bedeutung der Instrumente zur Absicherung bzw. zur Spekulation auf ein Markter­ eignis und zeigt auch auf, wie vielfältig diese eigesetzt werden. Fester Zinssatz PAYER

RECEIVER Variabler Zinssatz

Abb. 8.8: Payer- und Receiver-Seite eines Swaps

Schaut man sehr vereinfacht auf die Funktionsweise eines Plain Vanilla Swaps, so könnte man sagen, dass ein Zinsswap analog zum Tausch einer Anleihe mit festem Zins gegen eine Anleihe mit variablem Zins (Floater) funktioniert. Dabei ist zu beach­ ten, dass bei einem Zinsswap nicht die Nominalen getauscht werden, sondern ledig­ lich die Zinsströme „genettet“. Bei Abschluss des Geschäftes hat der Swap einen Wert von null, da sonst eine Ausgleichszahlung, von einer Partei an die andere, erfolgen müsste. Von der Grundintention geht der Payer entweder davon aus, dass die Zinssät­ ze schneller steigen, als der Markt dies erwartet, oder dass sie langsamer als erwartet fallen werden. Aus dieser Überlegung heraus entscheidet er sich den Festzins im Swap zu bezahlen. Sein Antagonist ist der Receiver, der den Festzins erhält und die um­ gekehrte Markteinstellung aufweist. Sollte die Markterwartung des Payers eintreten, macht er einen Gewinn; umgekehrt realisiert er einen Verlust und der Receiver einen Gewinn. Beide bilden jedoch ein Nullsummenspiel. Da der Gewinn der einen Seite, zum Verlust auf der anderen Seite führt. Es findet folglich nur eine Transferzahlung statt.⁴⁶⁸ Constant Maturity Swap (CMS) Ein sehr weit verbreiteter Swap ist die Ausgestaltung als Constant Maturity Swap (CMS). Im anglo-amerikanischen Raum spricht man auch von einem Yield Curve Swap. Hier wird ein Kapitalmarktzinssatz (z. B. der jeweilige zehnjährige SwapSatz) gegen einen anderen Satz (meist einen Geldmarktsatz) getauscht (vgl. Abbil­ dung 8.9).

467 Quelle: ISDA. 468 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

8.1 OTC Derivate





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365

Zwei Besonderheiten gelten beim Constant Maturity Swap (CMS): Der CMS-Satz wird zu jedem Fixing neu festgestellt und entspricht dem jeweili­ gen Swap-Satz für eine bestimmte Zeitperiode. Somit gilt der CMS-Satz ein Float­ ing-Satz. Es wird in der Swap-Transaktion festgehalten, wie oft und zu welchen Zeitpunkten dieser Floating-Satz angepasst wird. Dies kann z. B. vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich sein. Das Marktzinsrisiko eines CMS ist im Vergleich zum „Basis Plain Vanilla Zins­ swap“ konstruktionsbedingt höher (aufgrund des Floating-Satz) und die Sensi­ bilität zur Veränderung der Zinsstrukturkurve ist dementsprechend gegeben.⁴⁶⁹ 5-Jahres-Swap-Satz (jährliche Anpassung)

Partei 1

Partei 2 12-Monats-Euribor

Abb. 8.9: Beispiel für einen CMS Swap

Währungsswap und Devisenswap Beim Währungsswap wird der Austausch von zwei verschiedenen Währungen verein­ bart, wobei sowohl die Differenz der Währungen als auch die Nominale bei Valuta und bei Fälligkeit im Normalfall dabei ausgetauscht werden. Es werden folglich zwei unter­ schiedliche Währungsbeträge (z. B. EUR Summe X vs. USD Summe Y) getauscht. Wäh­ rend der Laufzeit werden die Zinszahlungen auf die jeweilige Summe ausgeglichen. Diese können als fix, und/oder auch als variable definiert werden (bei Abschluss des Swaps). Es werden auch die Zahlungsfristen und die Zahlungshäufigkeit des Swaps definiert. Des Weiteren findet eine Klarstellung der jeweiligen Zinsrechenart, der Zins­ grundlage (z. B. 3-Mo. hybrid-EURIBOR etc.) und aller sonst den Swap betreffenden Details statt. Am Laufzeitende findet dann wieder der Rücktausch der nominalen Sum­ men statt. Viele Corporates nutzen diese Art von Swaps um damit bestehende Wäh­ rungstransaktionen abzusichern bzw. Währungsströme im Unternehmen aktiv zu ma­ nagen. Auch können hierbei unterschiedliche Zinsräume genutzt werden und der da­ mit sich ergebende komparative Kostenvorteil. Im Gegenzug hierzu, wird beim klassischen Devisenswap (FX Swap) eine Ter­ minmarktposition gegen eine Kassamarktposition getauscht. Es werden zum Beispiel Währung A gegen Währung B zum Kassapreis (Spot) gehandelt und gleichzeitig ein Rücktausch auf Termin, z. B. in 6 Monaten, zum aktuellen Terminpreis für diese Lauf­ zeit vereinbart.

469 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

366 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Trotz der namentlichen Nähe der beiden Transaktionen besteht somit ein deut­ licher Unterscheid zwischen einem Währungsswap (Cross Currency Swap) und ei­ nem Devisenswap (FX Swap). Beide SWAP Arten werden oftmals von Corporates genutzt um die unterschiedli­ chen Belange im Bereich des Währungs- und Währungs-Zins-Managements abzude­ cken. Sie gelten als Plain Vanilla Swaps und werden i.d. R. auf Basis des ISDA-Master­ agreement abgeschlossen. Die gehandelten Währungen entsprechen den auch sonst rege genutzten Währungspaaren, welche sich aus der originären Geschäftstätigkeit des Unternehmens ergeben. Aktienindexswap Hier ist der Austausch an die Entwicklung zweier Indizes gebunden. Es findet folglich ein Austausch von Zahlungsströmen im Verhältnis zur Veränderung der Indexstän­ de statt. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn man sich die Performance von DAX® zu MDAX® austauschen möchte. Man kann mittels eines Aktienindexswaps hier aktiv auf die Performance der beiden Indices zueinander setzen bzw. deren Verschiebung als Investitionsgut nutzen. Auch ist eine Kombination von nationalen und internatio­ nalen Indices möglich. Diese Art von Swaps wird unter anderem im Portfoliomanage­ ment oder als Hintergrundsicherung für verbriefte Emissionen eingesetzt. Dividendenswap Bei einem Dividendenswap erhält der Dividendenkäufer als Gegenleistung für die Zahlung eines festen Betrags (Fixed Leg) die tatsächlich gezahlte Dividende (Float­ ing Leg) für den vereinbarten Zeitraum.⁴⁷⁰ Dabei kann es sich um eine Einzeldivi­ dende oder auch die gesamte Dividendenzahlung eines Index oder Basket handeln. Die Abbildung 8.10 zeigt diesen Zusammenhang nochmals in einem Payoff-Schema auf. Fix-Betrag Dividendenkäufer

Dividendenverkäufer Dividendenbetrag

Abb. 8.10: Schemazeichung eines Dividendenswaps⁴⁷¹

Zur Bewertung wird die Put-Call-Paritätsgleichung herangezogen.

470 Vgl. o. V. Eurex: Index-Dividendenswaps: Preisbildung. 471 Vgl. CBOE 26th Annual Risk Management Conference: Dividend Swaps, Options & Futures; Rede von Charles de Boissezon, Societe Generale.

8.1 OTC Derivate

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367

Der Formelausdruck lautet wie folgt:⁴⁷² S − PV Div + P = C + PV Stk S PV Div P C PV Stk

= Aktienpreis = Barwert der Dividendenzahlung = Put-Preis = Call-Preis = Barwert des Basispreises

Durch Umformung erhält man folgenden Formelausdruck: PV Div = S + P − C − PV Stk Forward Swap Der Forward Swap ist eine aufgeschobene Variante des „Standard Swaps“. Im Unter­ schied zu diesem startet der Forward Swap nicht sofort, sondern hat eine aufgeschobe­ ne Vorlaufperiode. Dieser anschließend hat der Swap seinen Starttermin. An diesem muss in den Forward Swap, unabhängig vom aktuellen Zinsniveau und den aktuellen Marktgegebenheiten, eingegangen werden. Man kann somit sagen, ein Forward Swap ist ein Swap mit aufgeschobenem Starttermin aber bereits fest fixierten Konditionen. Der Zinssatz des Forward Swaps ist ein Terminsatz (Forward-Satz), der in Abhän­ gigkeit der jeweiligen Spot-Rates berechnet wird. Bis zum Starttermin des Swaps er­ folgt noch kein Zinstausch. Nach Ablauf der Vorlaufperiode startet der reguläre Zins­ swap mit dem vorher vereinbarten Festsatz (Forward-Swap-Satz). Als Beispiel kann man hier nennen, dass der Investor den vereinbarten Geld­ marktsatz (z. B. zur Deckung eines variabel verzinslichen Kredits, der hier als Grund­ geschäft gilt) von der Bank erhält und er leistet im Gegenzug den Forward-Swap-Satz an die Bank. Die Grundintention des Investors ist, in diesem Beispiel, eine Sicherung des aktuellen Zinsniveaus für konkrete Finanzierungsvorhaben in der Zukunft. Der Investor geht hier von einem steigenden zugrundeliegenden Referenzzinssatz aus und legt diesen mittels des Forward(-Swap) bereits heute für sich fest. Rohwarenswap Bei einem Rohwarenswap orientiert sich der Austausch des Zahlungsstromes an der Entwicklung von Rohwaren. Diese müssen nicht zwangsläufig physisch ausgetauscht werden, es besteht auch die Möglichkeit, dass nur die Preisveränderung zueinander in bar ausgeglichen wird.

472 Vgl. o. V. Eurex: Index-Dividenden-Swaps: Preisbildung.

368 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Beispiel für einen Rohwarenswap auf Dieselöl⁴⁷³ Ausgangssituation für den Investor Ein Unternehmen benötigt regelmäßig größere Mengen an Dieselöl. Veränderungen des von ihm zu zahlenden Dieseleinkaufspreises sind zum großen Teil auf Preisän­ derungen von Dieselöl zurückzuführen. Er möchte sich gegen steigende Dieselpreise absichern, da er davon ausgeht, dass in den nächsten Jahren, aufgrund der Angebotsund Nachfragesituation, der Preis für Dieselöl sich weiter verteuern wird. Somit erhält er eine feste Kalkulationsbasis. Er möchte ferner die Absicherung in Euro vornehmen, da er hauptsächlich im Euro-Währungsraum agiert. Die Absicherung soll keine Liqui­ dität binden. Abschluss eines Dieselölswaps Der obige Investor schließt seiner Grundintention und seinem Bedarf folgend einen Dieselölswap ab (vgl. Abbildung 8.11).

Festpreis*

Bank

Dieseleinkaufspreis (inkl. Steuern, Lieferantenmarge)

Kunde

Rohstofflieferant

Variabler Preis* * Zahlbar an jedem Fälligkeitstag. Dabei werden beide Zahlungsströme saldiert und lediglich der Differenzbetrag gezahlt (sog. „Payment Netting“).

Abb. 8.11: Zahlungsströme für den abgeschlossenen Dieselölswap⁴⁷⁴

Funktionsweise des Dieselrohölwaps – Es findet ein periodischer Austausch von Zahlungsströmen in Euro auf der Grund­ lage einer fiktiven Bezugsmenge Dieselöl (in metrischen Tonnen) je Berechnungs­ zeitraum statt. – Der Investor zahlt für jeden Berechnungszeitraum am betreffenden Fälligkeitstag den Festbetrag, während die Bank den variablen Betrag zahlt.

473 Commerzbank AG. 474 Quelle: Commerzbank AG.

8.1 OTC Derivate



– – –



| 369

Der Festbetrag/variable Betrag ist das Produkt aus der für den betreffenden Be­ rechnungszeitraum vereinbarten Bezugsmenge Dieselöl und dem Festpreis/varia­ blen Preis. Der Festpreis wird bei Abschluss des Derivats vereinbart. Der variable Preis wird von der Bank für jeden Berechnungszeitraum festgestellt und richtet sich nach dem aktuellen Preis des Basiswerts. Wird für einen Berechnungszeitraum mehr als ein Feststellungstag vereinbart, so ist der variable Preis das arithmetische Mittel der für jeden dieser Feststellungs­ tage ermittelten Preise des Basiswerts. Den an einem Feststellungstag ermittelten Preis des Basiswerts rechnet die Bank auf der Grundlage des tagesaktuellen Euro/USD-Kurses in Euro um.

Der Dieselölswap sichert den Investor folglich gegen steigende Dieselölkosten ab. Er besitzt Planungssicherheit und ist unabhängig von einer physischen Lieferung. Er besitzt eine hohe Flexibilität durch die Trennung des Rohwarenderivats und der physischen Lieferung. Er kann somit beide Komponenten unabhängig voneinan­ der auflösen. Die Absicherung besteht jedoch nur auf das Underlying selbst. Sollten steigende Steuern etc. Einfluss auf den Preis nehmen, so ist der Investor mit dieser Absicherung nicht gegen Preisanstiege gesichert.⁴⁷⁵ Der Assetswap Bei einem Assetswap handelt es sich um ein kombiniertes und vor allem im Interban­ kenhandel und im Handel von institutionellen Marktteilnehmern geläufiges Finanz­ produkt, welches z. B. zum einen aus einer Anleihe (Bond) und zum anderen aus ei­ nem Tauschgeschäft (Swap) besteht und in der Regel gleichzeitig abgeschlossen wird. fix Partei A

variabel

fix

Bond

Abb. 8.12: Der Assetswap

475 Commerzbank AG.

Partei B

370 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Der Swap ist so konstruiert, dass ein Leg (eine Seite des Zahlungsstroms) kongruent zum bestehenden Bond verläuft. Das andere Leg ist eine variable Komponente und kann zum Beispiel ein IBOR-Satz (ein variabler Satz) sein. Der Investor erhält folglich aus dem Bond einen fixen Satz (fixed Leg), welchen er in den Swap einbringt. Er erhält im Gegenzug dazu einen variablen Satz, das sogenannte floating Leg bezahlt. Durch diese Kombination entsteht ein synthetischer Floater, da der Investor den Festzins ge­ gen die variable Verzinsung eintauscht. Als Risiken für den Investor kann man neben dem Anleiherisiko (Ausfall oder Umstrukturierung) auch noch das Adressenausfallri­ siko des Swap-Partners beziffern. Dieses kann er durch die Abwicklung über ein CCP ausschließen. Durch die Transaktion selbst, entledigt er sich des Zinsänderungsrisi­ kos, welches er mit der Investition in den Bond eingegangen ist.

8.1.7 Swap-Handel Die abgeschlossenen Swaps, die gehandelt werden können, ermöglichen es, Risiken, die beispielsweise eine Bank auf sich genommen hat, weiterzugeben. Wenn der Klient einen Swap schließen möchte (Gegengeschäft), muss er den Marktpreis dafür aufbrin­ gen, da Swaps immer zur aktuellen Marktsituation bewertet werden. Theoretisch und in einem vollkommenen, friktionslosen Markt ist ein Receiver Swap immer so viel wert wie eine Fixkupon-Anleihe abzüglich des Wertes des auf das floating Leg geltenden Floaters. Oder anders ausgedrückt, der Swap verkörpert die Differenz zwischen dem Barwert des festen Zinssatzes und dem Barwert des variablen Zinssatzes zum Zeitpunkt t = 0. Dabei gilt auch, der Wert des Payer Swap entspricht dem Spiegelwert des Receiver Swaps. Nachfolgend zeigen wir die Bewertung im Detail auf.

8.1.8 Bewertung von Swaps Die Bewertung von Swaps ist vielschichtig, da diese je nach Swap anders ausgestaltet sein kann. So können Swaps unter anderem mittels des Replikationsverfahrens⁴⁷⁶ be­ wertet werden (unter Zuhilfenahme der Ermittlung der Barwerte). Dabei wird für bei­ de Seiten des Swaps je eine Anleihe mit dem jeweiligen Zahlungsstrom bewertet. Bei einem Plain-Vanilla-Zinsswap kann zum Beispiel mithilfe einer Anleihe mit fixem Kupon und einer Anleihe mit variablem Kupon die Bewertung durchgeführt werden. Somit entspricht der Barwert des Swaps dem Barwert der fixen Zahlungen minus dem Barwert der variablen Zahlungen. Im Barwert der fixen Zahlungen summieren sich die einzelnen Zinszahlungen des Swaps.

476 Bezeichnet das synthetische Erzeugen von Portfolios (Replikation oder auch Duplikation), die dieselben Zahlungsströme generieren wie das zu bewertende Investment.

8.1 OTC Derivate

| 371

Grundsätzlich kann für die Bewertung von Plain-Vanilla-Swaps folgende Bewer­ tungsformel postuliert werden:⁴⁷⁷ BW Swap = BW fix − BW var BW Swap = Barwert Swap in toto BW fix = Barwert fixe Zahlungen BW var = Barwert variable Zahlungen M

BW fix = SW Satz × ∑ (P × i=1

BW fix SW Satz M P ti Ti df i

= Barwert fixe Zahlung = Swap-Satz = Anzahl der fixen Zahlungen = Nominal des Swaps = Anzahl der Tage pro Zinsperiode = Basis der Zinsrechnung = Diskontierungsfaktor N

BW var = ∑ (P × f j × j=1

BW var N fj P tj Tj df j

ti × df i ) Ti

tj × df j ) Tj

= Barwert variable Zahlung = Anzahl der variablen Zahlungen im Swap = Forward rate = Nominale des Swaps = Anzahl der Tage = Basis der Zinsrechnungsmethode = Diskontierungsfaktor

Warum benötigt man den Swap-Satz? Da der Barwert beim Abschluss des Swaps sowohl für die variable als auch für die fixe Seite gleich sein muss (es wird i. d. R. keine Ausgleichszahlung vorgenommen, sonst wäre ein Arbitrage-Gewinn möglich) wird der fixe Swap-Satz (SW Satz ) benötigt. Durch diesen entspricht bei Abschluss des Swaps BW var = BW fix . Die Berechnung für den Swap-Satz (SW Satz ) ergibt sich aus folgendem Formelaus­ druck: BW var SW Satz = M ∑i=1 (P × Tt ii × df i )

477 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

372 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

BW var SW Satz M ti Ti df i

= Barwert variable Zahlung = Swap-Satz = Anzahl der fixen Zahlungen = Anzahl der Tage pro Zinsperiode = Basis der Zinsrechnung = Diskontierungsfaktor

Die Abbildung 8.13 zeigt die Bewertung eines Plain-Vanilla-IR-Swaps auf. Dabei wird der Marktwert für den Payer Swap wie auch den Receiver Swap ausgegeben. Die Be­ rechnung findet sowohl mit 360 wie auch mit 365 Tagen Zinsrechnung statt.

Abb. 8.13: Swap-Bewertung Plain-Vanilla-IR-Swap⁴⁷⁸

Ein Credit Default Swap (CDS) kann unter anderem mithilfe einer ausfallrisikofreien und einer ausfallrisikobehafteten Anleihe bewertet werden. Hier werden die jeweili­ gen Zahlungsströme bewertet und dann zu einem Marktwert zusammengesetzt.⁴⁷⁹ Ein Beispiel und nähere Informationen hierzu finden Sie im Kapitel 9. Variable Zinssätze in Swaps Die in den Swaps verwendeten variablen Zinssätze basieren meist auf den IBOR-Refe­ renzzinssätzen. Es besteht für jeden Swap die Möglichkeit, die Zahlungskonditionen 478 Quelle: EIFD, Kleinknecht, Manuel. 479 Vgl. Hull, John C.: Options, Futures and other Derivatives.

8.1 OTC Derivate

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373

frei in der Swap-Ausgestaltung zu vereinbaren. So werden z. B. in der Praxis nicht nur einmal im Jahr Zahlungen fällig, sondern es besteht auch die Möglichkeit, dass diese mehrfach unterjährig bezahlt werden. Die Ausgestaltung liegt bei den vertragsschlie­ ßenden Parteien und ist frei nach deren Wunsch auszugestalten. Dennoch orientieren sich die Zahlungstermine oft am Referenzsatz, beispielsweise vierteljährliche Zahlun­ gen im Falle des 3-Monats-Libor Satzes. Tab. 8.3: Markterwartung Markterwartung Zinsen

Eintritt am Markt

Entwicklung Payer

Entwicklung Receiver

Die Zinsen steigen:

Anstieg ist schneller oder stärker als die Erwartungshaltung. Der Anstieg ist geringer oder langsamer als die Erwartungshaltung.

positiv negativ

negativ positiv

Die Zinsen fallen:

Die Zinsen sinken schneller oder stärker als die Erwartungshaltung. Die Zinsen sinken langsamer oder schwä­ cher als die Erwartungshaltung.

negativ positiv

positive negativ

8.1.9 Anwendung von Swaps Klassische Swaps sind oft an ein Grundgeschäft gebunden und dienen entweder zu dessen Absicherung oder als Spekulation auf eine weitere Gewinnmarge. Im Regelfall gibt es folgende Motivationen: – Kreditmanagement und Liquiditätsmanagement – Bilanztechnische Veränderungen – Währungs- und Zinsabsicherungen – Differenzgeschäfte – Finanzierungsmöglichkeiten – Ausnutzung von globalen Währungs- und Zinskonstellationen – Gewinnfestschreibung – Ausnutzung von Lieferantenkrediten ohne Währungsrisiko – Diversifikation von Anleihen-Portfolios und Absicherung gegen Währungsschwankungen 8.1.10 Beispiele für Swaps Es gibt auch eine Vielzahl von klassischen und exotischen Swaps. Die exotischen sind meist deutlich komplexer aufgebaut und unterliegen somit auch einer vielschichtigen Beurteilung.

374 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Inflationsswaps⁴⁸⁰ Inflation ist immer wieder ein wichtiges Thema bei der Absicherung von Zahlungs­ strömen. Es ist möglich, mittels Inflationsswaps eine gute Kalkulationsbasis für ein Grundgeschäft zu erhalten. Grundsätzlich unterscheidet man bei Inflationsswaps zwischen einem Inflation Payer Swap und einem Inflation Receiver Swap. Der Investor wählt, je nach seiner Inflationserwartung, den für ihn passenden Swap aus. Inflation Payer Swap Der Inflation Payer Swap dient zur Absicherung von zukünftigen inflationsabhängi­ gen Zahlungseingängen, z. B. aus einem Grundgeschäft in Solaranlagen oder einem Vermietungsgeschäft. Der Investor tauscht mit dem Swap folglich seine inflationsabhängigen Zahlungs­ eingänge in feste Zinszahlungen. Damit schafft er eine feste zukünftige Kalkulations­ basis. Er schützt sich somit auch vor fallenden Inflationsraten. Im Gegenzug partizi­ piert er nicht von steigenden. Funktionsweise des Inflation Payer Swaps Beim Inflation Payer Swap erhält der Investor an den fest vereinbarten Zahlungster­ minen einen vereinbarten Festzins von der Gegenseite des Swaps. Im Gegenzug zahlt der Investor einen variablen Zins, dessen Höhe von der jeweils realisierten Inflations­ rate abhängig ist. Er tauscht die zu zahlende Inflation somit gegen einen fixen im Vor­ hinein definierten Festzinssatz. Die Zahlungsströme werden netto ausgeglichen. Soll­ te die realisierte Inflationsrate zu den jeweiligen Feststellungszeitpunkten oder auch Perioden, unterhalb des vereinbarten Festzinssatzes liegen, erhält der Investor Netto­ zahlungen aus dem Inflation Payer Swap. Sollte die realisierte Inflationsrate zu den jeweiligen Feststellungszeitpunkten oberhalb des vereinbarten Festzinssatzes liegen, hat der Investor Nettozahlungen in den Inflation Payer Swap zu leisten. Denn es wer­ den die jeweiligen Nettodifferenzen ausgeglichen. Damit es zu keinen Differenzen kommt, sollten die zugrunde liegende Inflations­ rate sowie die Feststellungs- und Zahlungszeitpunkte im Grundgeschäft und dem In­ flation Payer Swap möglichst identisch sein (vgl. Abbildung 8.14). Bei Abschluss des Inflation Payer Swaps werden üblicherweise die folgenden Pa­ rameter festgelegt: – Laufzeit – Nominalbetrag – Referenzindex zur Berechnung der für die Zahlung relevanten Inflationsrate (z. B. Eurostat HICP ex Tobacco)

480 Commerzbank AG.

8.1 OTC Derivate

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375

Feststellungstage für den Referenzindex (Fixing) (üblicherweise die Indexstände jeweils 15 und 3 Monate vor den Feststellungstagen) Festzinssatz Zahlungstermine Zinskonventionen

Zahlungsströme des Inflation Payer Swaps 2,500% p.a. Festzins

Inflation Bank

Payer

Kunde

Swap

Inflationsabhängige Zahlungen

Jahresinflationsrate in % p.a.

Grundgeschäft

Abb. 8.14: Zahlungsströme Inflation Payer Swap⁴⁸¹

Inflation Receiver Swap Der Inflation Receiver Swap dient der Absicherung künftiger inflationsabhängiger Zahlungsausgänge aus dem Grundgeschäft. Mit dem Inflation Receiver Swap tauscht der Investor seine inflationsabhängigen Zahlungsverpflichtungen, zum Beispiel aus einem inflationsindexierten Mietvertrag, in feste Zinszahlungen, sodass er unabhängig von der zukünftigen Inflationsentwick­ lung fest kalkulierbare Zahlungen zu leisten hat. Der Inflation Receiver Swap schützt somit vor steigenden Inflationsraten, lässt jedoch im Gegenzug auch keine Partizipa­ tion an fallenden bzw. niedrigen Inflationsraten zu. Dies schafft für den Investor ei­

481 Aus Banksicht. Payer hier = Bank = Bank bezahlt den Festzins. Quelle: Commerzbank AG.

376 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

ne kalkulatorische Grundlage, welche ihm auch die Möglichkeit einer Budgetplanung vereinfacht. Denn nehmen wir an, er hat Mietverträge geschlossen, die alle inflations­ indexiert sind. So ergibt sich aus diesen für den Investor ein unkalkulierbares Risiko bei steigender Inflation. Mittels eines Inflation Receiver Swaps kann er sich von die­ sen Risiken entweder ganz oder teilweise (je nach Wunsch) entledigen. Er schafft eine Planungs- und Bilanzsituation, die für ihn angenehm ist. Funktionsweise des Inflation Receiver Swaps Beim Inflation Receiver Swap zahlt der Investor an den fest vereinbarten Zahlungs­ terminen einen vereinbarten Festzins an die Bank (vgl. Abbildung 8.15). Im Gegenzug erhält der Investor einen variablen Zins, der abhängig von der jeweils festgestellten Inflationsrate ist. Sollte die Inflationsrate zu den jeweiligen Feststellungszeitpunkten oberhalb des vereinbarten Festzinssatzes liegen, erhält der Investor Nettozahlungen aus dem Inflation Receiver Swap. Sollte die Inflationsrate zu den jeweiligen Feststellungszeitpunkten unterhalb des vereinbarten Festzinssatzes liegen, hat der Investor Nettozahlungen in den Inflation Receiver Swap zu leisten. Auch bei dieser Variante, zur Vermeidung von Differenzen, sollten die zugrunde liegende Inflationsrate sowie die Feststellungs- und Zahlungszeitpunkte im Grundge­ schäft und beim Inflation Receiver Swap möglichst identisch sein. Bei Abschluss des Inflation Receiver Swaps werden üblicherweise die folgenden Parameter festgelegt: – Laufzeit – Nominalbetrag – Referenzindex zur Berechnung der für die Zahlung relevanten Inflationsrate – Feststellungstage für den Referenzindex (Fixing) – Festzinssatz – Zahlungstermine – Zinskonventionen

8.1 OTC Derivate

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Zahlungsströme des Inflation Receiver Swaps Jahresinflationsrate in % p.a.

Inflation Bank

Receiver

Kunde

Swap

Inflationsabhängige Zahlungen

2,500% p.a. Festzins

Grundgeschäft

Abb. 8.15: Zahlungsströme Inflation Receiver Swap⁴⁸²

Was ist eigentlich Inflation? Grundsätzlich bezeichnet man als Inflation das kontinuierliche Ansteigen von Prei­ sen, welches i. d. R. mit einer vorangegangenen Ausweitung der Geldmenge zusam­ menhängt. Gemessen wird die Inflation von Statistikämtern wie dem EUROSTAT. Die­ se geben dann Inflationsindizes heraus. Nachfolgend wollen wir den HICP ex Tobacco erklären. HICPexT = Harmonised Index of Consumer Prices excluding Tobacco Der HICP ist ein Verbraucherindex, der die Preisentwicklung von Dienstleistungen und Waren abbildet. Er wird auf Basis eines repräsentativen Warenkorbes von Gütern und Dienstleistungen, die im inländischen (d. h. hier: europäischen) Wirtschaftsraum privaten Haushalten zum Kauf angeboten werden, ermittelt. Der HICP wird durch Eu­ rostat, dem statistischen Amt der Europäischen Kommission, in harmonisierter Form berechnet. Harmonisiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass für die Be­ rechnung europaweit nach gleichen Regeln für diese Warenkörbe verfahren wird. Es kann durchaus Abweichungen zu nationalen (z. B. deutschen) Inflationsindizes ge­ 482 Receiver hier = Banksicht = Bank erhält Festzins. Quelle: Commerzbank AG.

378 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

ben. Im HICPexT sind alle Waren und Dienstleistungen ohne Tabakwaren erfasst. Die­ ser Index gilt als Standard für die Verwendung in Finanzkontrakten auf Basis der eu­ ropäischen Inflation. Der HICPexT wird monatlich von Eurostat veröffentlicht. Berechnung: Zur Berechnung der Inflationszahlung wird üblicherweise die 3 Monate vorher veröf­ fentlichte Inflationsrate verwendet (3M-Gap). Hierbei gilt der Wert der Erstveröffentli­ chung. Spätere Revisionen dieses Wertes werden nicht berücksichtigt.

Abb. 8.16: Verbraucherpreisindex (Inflation ex. Tabaco)⁴⁸³

Express Swap Euro/TRY⁴⁸⁴ Ausgangssituation der Überlegung: – Es besteht eine Euro-Finanzierung. – Der Investor erwartet maximal eine leichte Aufwertung des EUR/TRY-Wechselkur­ ses. – Der Investor will sein Darlehensportfolio optimieren (Euro-Finanzierung). Ziele des Investors: – Er möchte die Zinsbelastung aus einer Euro-Finanzierung reduzieren. – Sollte seine Markterwartung nicht eintreffen, ist er bereit, eine zusätzliche Zins­ belastung aus diesem Swap zu leisten. – Er ist sich des theoretisch unbegrenzten Verlustrisikos bewusst. – Alle Zahlungen sollen in Euro stattfinden.

483 Quelle: Thomson Reuters. 484 Commerzbank AG.

8.1 OTC Derivate

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Swap-Aufbau: – Der Swap-Investor zahlt am Ende der Laufzeit einen Zinssatz in Abhängigkeit vom EUR/TRY-Wechselkurs. – Die Gegenpartei (Bank) zahlt einen Zinssatz in Abhängigkeit vom EUR/ TRY-Wech­ selkurs. Investorensicht: – Der Investor empfängt einmalig einen der folgenden Zinssätze: 5,00 % / 10,00 % / 15,00 % / 20,00 % / 25,00 % / 30,00 % des Nominalbetrages, falls der Euro/TRY-Wechselkurs am jeweiligen Feststellungstag den Strike von 2,4000 TRY/Euro unterschreitet oder genau auf diesem liegt. – Ist eine Zinszahlung an ihn geleistet worden, so erlischt der Swap. – Im Gegenzug zahlt er null Prozent des Nominalbetrages. – Sobald der EUR/TRY-Wechselkurs am Feststellungstag unterhalb oder genau am Strike von 2,4000 festgestellt wird, erzielt er einen Ertrag aus dem Swap. – Hierbei gilt: Wird der EUR/TRY-Kurs oberhalb des vereinbarten „Strikes“ am je­ weiligen Feststellungstag (z. B. nach 6, 12, 18, 24, 30 und 36 Monaten) festgestellt, erhält er keine Zahlung und der Swap besteht weiterhin. Nach 6 Monaten: 5,00%** Nach 12 Monaten: 10,00%** Nach 18 Monaten: 15,00%** Nach 24 Monaten: 20,00%** Nach 30 Monaten: 25,00%** Nach 36 Monaten: 30,00%**

Bank

Von der Bank empfangene Zahlungen

Kunde

EURFinanzierung

Zahlung am Ende der Swaplaufzeit gemäß Formel* nur bei Überschreitung des EUR/TRY-Wechselkurses an allen Fälligkeitstagen * Formel: Nominalbetrag* ((EUR/TRY am letzten Fälligkeitstag – 2,4000)/2,4000) ** des Nominalbetrages bei Unterschreitung des Strikes oder Feststellung genau auf dem Strike von EUR/TRY 2,4000, sofern an keinem vorherigen Fälligkeitstag eine Zinszahlung an Sie geleistet wurde.

Abb. 8.17: EUR/TRY-Swap⁴⁸⁵

485 Quelle: Commerzbank AG ICLM.

380 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen



– – –

Notiert der EUR/TRY-Wechselkurs auch nach Ende der letzten Periode am Fällig­ keitstag oberhalb des Strikes von 2,4000, so leistet er eine Zahlung nach folgender Formel: Nominalbetrag × EUR/(TRY-Wechselkurs am Fälligkeitstag – 2,4000)/2,4000 Somit entsteht für ihn ein Aufwand aus dem Swap, falls der EUR/TRY-Wechselkurs oberhalb von 2,4000 an allen Fälligkeitstagen festgestellt wird. Bei einem an allen Fälligkeitstagen über dem Strike notierenden EUR/TRY-Wech­ selkurs besteht für ihn ein theoretisch unbegrenztes Zinsrisiko.

Abbildung 8.17 fasst den kompletten Swap-Vorgang nochmals zusammen. Zahlungsaustausch Wie wir am obigen Swap sehen, ist es sehr wichtig, eine Einschätzung zur aktuellen und zukünftigen Währungslage zu haben. Nachfolgend zeigen wir die historische Ent­ wicklung des EUR/TRY-Wechselkurses auf (vgl. Abbildung 8.18). Dennoch ist für die Bewertung und somit für die Strukturierung eines Derivats nicht die Vergangenheit,

Abb. 8.18: EUR/TRY-Wechselkurs⁴⁸⁶

486 Quelle: Bloomberg.

8.1 OTC Derivate

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sondern der zukünftig zu erwartende EUR/TRY-Wechselkurs von Bedeutung. Die obige Ausgestaltung ist ein klassischer Fall von steigenden EUR/TRY Forwards im Markt. Um aus diesem Geschäft einen Gewinn zu realisieren, muss der Investor erwarten, dass die Forwards entweder langsamer steigen oder gar fallen. Aus ökonomischer Sicht der beste Ausdruck für den Risikogehalt dieses Geschäfts sind die Forwards⁴⁸⁷ zum Zeitpunkt des Abschlusses. Wechselkursanalyse Einer solchen Swap-Transaktion sollte stets eine Wechselkursanalyse vorausgehen. In dieser sollten „Stresstests“ eingebunden werden (vgl. Abbildung 8.19). Denn gerade Währungen können massiven und teilweise nur sehr schwer deutbaren Schwankun­ gen unterliegen. Hier sollte man die Extreme kennen und auch beurteilen können. Investor hat einen Devisenkurs EUR/TRY

Devisenkurs EUR/TRY

Strike

2,4000

Zinsaufwand

Strike

2,4000

Kassakurs

Kassakurs

2,0500

2,0500

5,00 Zinsvorteil für aktuelle Periode und Express Swap erlischt

heute

1. Fälligkeit

Vorletzte Fälligkeit

Letzte Fälligkeit

Abb. 8.19: Mögliche Zinszahlungen⁴⁸⁸

Um die obige Grafik etwas greifbarer zu machen, haben wir diese in ein Zahlen­ beispiel übertragen. Hierbei wählten wir einen Beispielbetrag von nominal 1 Million Euro als SwapGrundlage.

487 Und die implizite EUR/TRY-Volatilitäten ebenfalls. 488 Quelle: Commerzbank AG ICLM.

382 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen Strike EUR/TRY: Nominal in Euro Investor erhält % des Nominals: Seine Zahlung⁴⁸⁹ (Formel) Szenario EUR/TRY-Kurs:

2,4000 1.000.000 30,00 Nominal × ((EUR/TRY Kurs – Strike)/Strike) 1 2 3 4 2,0000 2,3900 2,4000 2,5000

5 2,9000

Investor erhält % des Nominals: Investor bezahlt % des Nominals:

30,00 0,00

30,00 0,00

30,00 0,00

0,00 4,17

0,00 20,83

Vorteil/Nachteil in % Summe in Euro

30,00 300.000

30,00 300.000

30,00 300.000

−4,17 −41.667

−20,83 −208.333

Am obigen Beispiel erkennt man sehr schön den Zinsvorteil bis 2,40 EUR/ TRY. Man erkennt jedoch auch sofort, welcher Nachteil (zusätzlicher Zinsaufwand) ab 2,40 EUR/TRY entsteht. Der Begriff „Express“ für diese Struktur resultiert aus der Pfadab­ hängigkeit der Auszahlungen der Struktur. Second Chance Swap Die Ausgangssituation für diese Art von exotischen Swaps ist: – Der Investor möchte seine Zinsbelastungen aus diversen Euro-Finanzierungen re­ duzieren. – Er möchte von der Einschätzung profitieren, dass sich der 12-Monats-Euribor wäh­ rend der Laufzeit innerhalb eines vorab definierten Korridors bewegt. Vgl. Abbil­ dung 8.22, in welcher der Verlauf des 3- und 12-Monats-EURIBOR abgebildet ist. – Er ist bereit, im Worst Case Szenario, eine höhere Zinsbelastung in Kauf zu neh­ men. Aufbau eines Second Chance Swap Der Investor bezahlt entweder einen: – Best-Chance-, Second-Chance- oder den Worst-Case-Zinssatz. Dieser ist abhän­ gig davon, ob der 12-Monats-EURIBOR innerhalb oder außerhalb der vereinbarten Korridore gefixt wird oder nicht. – Der Gegenpart (Bank) bezahlt über die gesamte Laufzeit einen Festsatz. Funktionsweise des Swaps⁴⁹⁰ – Der Investor erhält an den jeweiligen Zahlungsterminen einen Festsatz. – Im Gegenzug zahlt er den „Best Case“-Zinssatz von 3,20 Prozent p. a., sollte der Referenzzinssatz (bspw. 12-Monats-EURIBOR) an keinem Bankarbeitstag der je­

489 Falls der Euro/TRY-Wechselkurs in den vorangegangen Perioden an den Fälligkeitstagen nicht unter/genau auf 2,4000 notiert hat. 490 Commerzbank AG.

8.1 OTC Derivate





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383

weiligen Zinsperiode außerhalb des vereinbarten Korridors I (vgl. Abbildung 8.20) festgestellt werden. Sollte der Referenzzinssatz an einem Bankarbeitstag außerhalb des Korridors I und innerhalb des Korridors II (vgl. Abbildung 8.21) der betreffenden Zinsperiode gefixt werden, zahlt er den „Second Chance“-Zins von 3,70 Prozent p. a. Sollte der Referenzzinssatz an einem Bankarbeitstag außerhalb des Korridors II der betreffenden Zinsperiode gefixt werden, zahlt er den „Worst Case“-Zins von 6,70 Prozent p. a.

Somit erzielt er für eine Zinsperiode einen Vorteil aus dem Swap, wenn der 12-MonatsEURIBOR die Grenzen der Korridore weder über- noch unterschreitet. Von der Bank empfangene Zahlungen

Festsatz 4,00%

Bank

Kunde

EURFinanzierung

• „Best Case“-Zinsen = 3,20% p.a., wenn der Referenzzinssatz an jedem Tag der Zinsperiode innerhalb des Korridors I (3,60%–5,00%) festgestellt wurde • „Second Chance“-Zinsen = 3,70% p.a., wenn der Referenzzinssatz Korridor I an einem Tag nach unten verlässt und an allen weiteren Tagen der Zinsperiode innerhalb des Korridors II (3,10%–5,00%) festgestellt wurde • „Worst Case“-Zinsen = 6,70% p.a., wenn der Referenzzinssatz Korridor II an einem Tag der Zinsperiode verlässt Abb. 8.20: Swap inkl. Referenzzinssatz und Korridore⁴⁹¹

491 Quelle: Commerzbank AG ICLM.

384 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Abb. 8.21: 12-Monats-EURIBOR 2000–2008 inkl. Korridore⁴⁹²

Abb. 8.22: 3- und 12-Monats-EURIBOR⁴⁹³

492 Quelle: Bloomberg. 493 Quelle: Bloomberg.

8.1 OTC Derivate

|

385

Zahlungsströme des Swaps⁴⁹⁴ Szenarioanalyse Best Case:* Second Chance:* Worst Case:*

3,20 3,70 6,70

Nominal: 12-M-EURIBOR:* 3-M-EURIBOR:*

2.500.000 4,75 4,74

Korridor I in %: Korridor II in %:

3,60 3,10 3,10 5,15 4,00

5,00 5,00 5,00 4,85 4,00

3,75 4,00

3,50 4,00

3,00 4,00

6,70 −2,70 −16.875

3,20 0,80 5.000

3,20 0,80 5.000

3,70 0,30 1.875

6,70 −2,70 −16.875

12-M-EURIBOR* Investor erhält* Investor zahlt je Fixing* Vorteil/Nachteil* In Euro je Fixing * in % p. a.

Callable Range Accrual Swap Accrual Swaps sind Swaps, bei denen die Zinsen auf einer Seite des Swaps nur dann anfallen, wenn sich der variable Referenzzinssatz in einem bestimmten Bereich befin­ det. Dieser Bereich bleibt während der gesamten Laufzeit des Swaps konstant oder er wird in regelmäßigen Abständen neu festgelegt. Man spricht immer dann von einem Callable Swap, wenn es sich um einen künd­ baren Swap handelt. Das Kündigungsrecht in unserem Beispiel liegt bei der Bank und ist einseitig gehalten. Ausgangssituation für den Investor in unserem Beispiel:⁴⁹⁵ – Er will die Zinszahlungen seines Darlehensportfolios optimieren. – Er ist bereit, hierfür begrenzte Risiken einzugehen. – Er ist der Meinung, dass sich der 10-y-Swap-Satz in den nächsten 3 Jahren nicht zu stark verändert. Struktur eines Callable Range Accrual Swap Der Investor bezahlt einen Festsatz. Die Bank (Gegenpart) zahlt an den Tagen, an de­ nen sich der Referenzzinssatz in einer bestimmten Bandbreite befindet, einen höhe­ ren Festsatz. Die Bank hat ein Kündigungsrecht (nach 3 Monaten; vierteljährlich) (vgl. Abbildung 8.23).

494 Commerzbank AG. 495 Commerzbank AG.

386 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen 6% p.a.

Festsatz 6,00% p.a. × n/N

Bank

Festsatzdarlehen

Kunde

Festsatz 5,00% p.a. Bandbreite: 3,50– 5 ,15% p.a. 10-Jahres-Swap-Satz aktuell: 4,43% p.a. n = Anzahl der Tage, an denen 10-Jahres-Swap-Satz innerhalb bzw. an Bandbreite notiert N = Anzahl Gesamttage des Geschäfts Die Bank hat ein einseitiges vierteljährliches Kündigungsrecht, erstmalig nach 3 Monaten

Abb. 8.23: Zahlungsstöme des Swaps⁴⁹⁶

Zahlungsströme des Swaps⁴⁹⁷ Szenarioanalyse Tage in bzw. an der Bandbreite Referenzzinssatz der Bandbreite

360 180 10-Jahres-Swap-Satz

60

Grundgeschäft vom Investor ./. Festsatz (% p. a.)

6,00 %

6,00 %

6,00 %

Investor bezahlt Festsatz (% p. a.)

5,00 %

5,00 %

5,00 %

Variabler Satz der Bank, abh. von Tagen in Bandbreite (6,00 % p. a. × n/N)

6,00 %

3,00 %

1,00 %

Satz des Investors unter Berichtigung des Grundgeschäfts (% p. a.)

5,00 %

8,00 %

10,00 %

Chancen: – Kalkulationssicherheit durch Maximalzins. – Starke Partizipation an einer Seitwärtsbewegung des Referenzzinssatzes. – Hohe Flexibilität durch Trennung von Liquidität und Zinsderivat. – Bei vorzeitiger Auflösung kann ein Auflösungsgewinn entstehen. – Möglichkeit der Zinsreduktion.

496 Quelle: Commerzbank AG ICLM. 497 Commerzbank AG.

8.1 OTC Derivate

| 387

Risiken: – Möglichkeit höherer Zinskosten. – Kündigung durch die Bank nach 3 Monaten vierteljährlich möglich. – Wegfall des zugrunde liegenden Kredits führt nicht zu einer automatischen Been­ digung des Swaps. – Bei vorzeitiger Auflösung kann ein Auflösungsverlust entstehen. FX Linked Knockout Swap Mit einem FX Linked Knockout Swap hat der Investor die Möglichkeit, seinen Cash­ flow zu optimieren. Der Investor hat folgende Ausgangssituation seiner Überlegung zugrunde gelegt: – Er geht davon aus, dass der US-Dollar sich seitwärts oder negativ entwickelt (Euro aufwertet), tendenziell weiterhin über 1,40 zum Euro. – Der Investor möchte sein Anlagenportfolio optimieren. Struktur des Swaps⁴⁹⁸ Der Investor bezahlt einen Betrag, der vom Euro/USD-Wechselkurs abhängig ist. Im „Best Case“ ist dieser Betrag null Prozent p. a. Die Bank (Gegenpart) bezahlt einen Festsatz von 1 Prozent p. a. Die Funktionsweise im Detail – Der Investor empfängt 1,0 Prozent p. a. – Im Gegenzug zahlt er einen Betrag, welcher in Abhängigkeit des EUR/USD-Kurses berechnet wird. – Hierbei gilt: Wird der EUR/USD-Kurs oberhalb des vereinbarten „Strikes“ (1,36 EUR/USD) festgestellt, zahlt er keinen Aufschlag und erhält somit den „Best Case“, d. h., er erzielt einen Ertrag von 1,0 Prozent p. a. aus dem Swap (vgl. Abbil­ dung 8.24). – Wenn die obere K. o.-Grenze (1,50 EUR/USD) innerhalb der Knockout Periode er­ reicht oder überschritten wird, gilt dieser „Best Case“ für die gesamte Restlaufzeit des Swaps. – Bereits bei Feststellung des EUR/USD-Kurs zwischen dem Strike von 1,3600 und 1,3465 (Break Even) erzielt er noch einen Ertrag aus dem Swap. – Sofern der EUR/USD-Kurs während der Laufzeit nicht die K.o.-Grenze berührt und an den Fälligkeitsterminen unterhalb des „Break Even“ notiert, entsteht für ihn ein Verlust aus dem Swap. Die Zahlungsströme aus diesem Swap sind in der Abbildung 8.26 ersichtlich.⁴⁹⁹ 498 Quelle: Commerzbank AG. 499 Quelle: Commerzbank AG ICLM.

388 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen Festzins 1% p.a.

Bank

Kunde

Variable Zahlung in Abhängigkeit EUR/USD min. 0% p.a.

Abb. 8.24: Betrachtung der Swap-Parameter⁵⁰⁰

Abb. 8.25: Analyse der historischen Währungskursentwicklung⁵⁰¹

Szenarioanalyse⁵⁰² Strike: 1,3600 Knockout-Grenze: Bank zahlt: Bank empfängt: EUR/USD-Kurs: Investor zahlt

500 Quelle: Commerzbank AG. 501 Quelle: Bloomberg. 502 Commerzbank AG.

1,5000 1,00 % p. a. ((1,3600 − EUR/USD-Kurs) / EUR/USD-Kurs); min.0 % p. a. 1,1000 1,3000 1,3465 1,3700 1,6000 23,64 % 4,62 % 1,00 % 0,00 % 0,00 %

8.1 OTC Derivate

Investor empfängt Festsatz Vorteil/Nachteil

1,00 % 1,00 % −22,64 % −3,62 %

Devisenkurs EUR/USD 1,5000

1,00 % 0,00 %

|

1,00 % 1,00 %

389

1,00 % 1,00 %

Devisenkurs EUR/USD

Obere Grenze, gültig in Knockout-Periode

1,5000

Obere Grenze, gültig in Knockout-Periode

Strike

Best Case: 1,00% Vorteil für aktuelle Periode

Strike

1,3600

1,3600 Break-Even

Break-Even höherer Zinsaufwand

1,2500

1,2500

heute

heute

Fälligkeit

Fälligkeit

Knockout Devisenkurs EUR/USD

Devisenkurs EUR/USD

Obere Grenze, gültig in Knockout-Periode 1,5000

Obere Grenze, gültig in Knockout-Periode 1,5000

Strike

Best Case: 1,00% Vorteil für die gesamte Restlaufzeit

Strike

1,3600

1,3600 Break-Even

Break-Even Zinsertrag

1,2500

1,2500

heute

Fälligkeit

heute

Fälligkeit

Abb. 8.26: Grafische Szenarioanalyse zum Swap-Verlauf⁵⁰³

Step-Down Swap Die Ausgangssituation für einen Step-Down Swap sind stark gefallene Marktzinsen und ein attraktives Finanzierungsniveau. Es gibt Unsicherheiten an den Finanzmärk­ ten und diese führen zum Wunsch der Investoren, eine Kalkulationssicherheit zu schaffen. Dennoch möchte man sich die Chancen zur Partizipation an weiter fallen­ den Marktzinsen erhalten. 503 Quelle: Commerzbank ICLM.

390 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Funktionsweise eines Step-Down Swaps⁵⁰⁴ Beim Step-Down Swap gehen beide Vertragsparteien eine Verpflichtung zur regelmä­ ßigen Zahlung von Zinsen ein. Die Bank zahlt regelmäßig den jeweils aktuellen 3-Mo­ nats-EURIBOR an die Gegenseite. Der vertragsschließende Mandant zahlt im Gegen­ zug den Step-Down Swap-Satz an die Bank. Der zu zahlende Zins im Step-Down Swap ist für das erste Jahr bei 2,50 Pro­ zent p. a. festgelegt. Für die nachfolgenden Jahre steigt der Zins auf 3,85 Prozent p. a. wenn der 3M-EURIBOR über 2,75 Prozent p. a. festgestellt wird. Sollte jedoch der 3M-EURIBOR seinen Abwärtstrend fortsetzen, passt sich dieser Zins automatisch in 3 Stufen bis auf 1,60 Prozent p. a. nach unten an (vgl. Abbildung 8.27): 3M-EURIBOR > 2,75 % p. a. = 3,85 % p. a. 3M-EURIBOR ≤ 2,75 % p. a.= 3,10 % p. a. 3M-EURIBOR ≤ 2,25 % p. a.= 2,35 % p. a. 3M-EURIBOR ≤ 1,75 % p. a.= 1,60 % p. a. 3-Monats-EURIBOR

Bank

Kunde

Finanzierung mit variablem Zins

Abb. 8.27: Step-Down Swap⁵⁰⁵

504 Commerzbank AG. 505 Quelle: Commerzbank AG.

3-Monats-EURIBOR zzgl. Kreditmarge

1. Jahr: 2,50% p.a. 2.-5. Jahr: 3,85% p.a., wenn 3-M-EURIBOR > 2,75% p.a. 3,10% p.a., wenn 3-M-EURIBOR ≤ 2,75% p.a. 2,35% p.a., wenn 3-M-EURIBOR ≤ 2,25% p.a. 1,60% p.a., wenn 3-M-EURIBOR ≤ 1,75% p.a.

8.1 OTC Derivate

| 391

Szenarioanalyse⁵⁰⁶ Im obigen Beispiel kann der Zinsaufwand im besten Fall auf 1,60 Prozent p. a. fallen oder im Extremfall auf 3,85 Prozent p. a. steigen. Der Investor in einen solchen Swap kann sich somit gegen das Zinsänderungsrisiko in steigenden Geldmarktzinssätzen absichern bzw. dieses auf das Worst-Case-Szenario, in unserem Fall 3,85 Prozent p. a., beschränken. Bei fallenden Geldmarktzinsen erfolgt weiterhin eine positive Partizipa­ tion über die schrittweise Anpassung der zu zahlenden Zinsen. Der Investor hat jedoch das Risiko, dass die Geldmarktzinssätze unter den niedrigsten Step-Down-Zins fallen. Dann fällt die Zinsbelastung für ihn nicht weiter (vgl. Tabelle 8.4).⁵⁰⁷ Tab. 8.4: Szenarioanalyse⁵⁰⁸ 2 Monats EURIBOR (in % p. a.)

1,70 %

aktuell (1,88 %)

3,00 %

Grundgeschäft ./. Variabler Darlehenszins*

1,70 %

1,86 %

3,00 %

Swap + Variabler Zins (Referenzzins) ./. Step-Down Swap-Satz

1,70 % 1,60 %

1,88 % 2,35 %

3,00 % 3,85 %

Zinsbelastung

1,60 %

2,35 %

3,85 %

* Ohne Berücksichtigung der Kreditmarge des kreditgebenden Instituts. Die Kreditmenge kann sich je nach Vertragsgestaltung im Grundgeschäft auch während der Laufzeit des Swaps verändern und somit dennoch zu einer sich ändernden Zinsbelastung führen.

8.1.11 Swap-Confirmation Eine Swap-Confirmation ist die einem Swap zugrunde liegende rechtskräftige Verein­ barung, die von den Vertretern beider vertragsschließenden Parteien unterschrieben werden muss. Die INTERNATIONAL SWAPS AND DERIVATIVES ASSOCIATION (IS­ DA) in New York hat die Erstellung dieser Confirmations erleichtert. Mit ihrer Hilfe wurde eine Reihe von Rahmenvereinbarungen erarbeitet, die im sogenannte Mas­ ter Agreement zusammengefasst sind, welches i. d. R. alle vertragsrelevanten Daten beinhalten. ISDA Master Agreement Das ISDA Master Agreement regelt alle im Zusammenhang mit OTC-Derivaten relevanten Grundver­ tragsbestandteile. Diese sind im Master Agreement festgelegte und werden für die jeweiligen Ver­ tragsabschlüsse aufgrund der Standardvorgabe angepasst. Des Weiteren gibt es für die jeweiligen gehandelten Produkte Anhänge (Annex) zum Master Agreement, welche eindeutige Abwicklungs- und 506 Commerzbank AG. 507 Vgl. Commerzbank AG. 508 Quelle: Commerzbank.

392 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Funktionsweisen darstellen. Somit gehen die Vertragsparteien ein neutrales, umfängliches und klar geregeltes Regel- und Vertragswerk ein. Dieses beinhaltet neben der Regelung für die Events, die Zah­ lungsweisen und Lieferanforderungen, die Regelungen für ein Closing und das Netting, eine Regelung für Streitfälle sowie Informationen zur Vertragsgestaltung und den geltenden Rechtsbeziehungen.⁵⁰⁹ Die ISDA fungiert auch im Falle eines Ausfalls oder von Streitigkeiten auch als Schiedsstelle.

Es handelt sich also um die Herstellung von allgemeinen Richtlinien und Standards für die Dokumentation eines OTC-Geschäfts und nicht beispielsweise um Vorgaben für dessen Strukturierung. Somit wird ein größerer Grad an Effizienz in der Post-TradeAbwicklung und Durchführung eines OTC-Geschäfts erreicht. Nachfolgend haben wir eine Swap-Confirmation⁵¹⁰ beispielhaft dargestellt: Abschlusstag Zeitpunkt des Inkrafttretens Geschäftstagkonvention Feiertagskalender Endtag Zahler des Swaps Nominalbetrag für den Festzinssatz Festzinssatz Festzins-Tagzählungskonvention Festzins-Zahltermine⁵¹¹ Zahler variabler Zinssatz Variabler Zinssatz Tageszählungskonvention für den variablen Zinssatz Zahlungstermine variabler Zinssatz⁵¹²

03.02.2020 03.02.2020 nächster Geschäftstag Deutschland; US 03.02.2025 Financial Engineering AG, Finanzstadt 10.000.000 Euro in Worten: zehn Millionen Euro 1,000 % p. a. actual/365 3. März, 3. September, beginnend am 03. September 2020 XY-Bank AG, Frankfurt a.M. 6 Monats USD Libor Satz actual/365 3. März, 3. September, beginnend am 03. September 2020

8.1.12 Was sind Swaptions? Eine Swaption („Swap-Option“) ist ein Optionsgeschäft dem als Underlying ein Swap zu Grunde liegt. Der Käufer erwirbt, gegen Zahlung einer Prämie, das Recht, jedoch nicht die Pflicht, mit dem Verkäufer ein im Voraus bestimmtes Swap-Geschäft abzu­ schließen (vgl. Abbildung 8.28). Die Konditionen werden dabei bereits bei Abschluss 509 o. V. ISDA Legal Guidelines for Smart Derivatives Contracts: The ISDA Master Agreement, New York (2019). 510 Quelle: Commerzbank AG. 511 Ist ein angesprochener Tag ein Sonn- oder Feiertag, so gilt der nächste Bankarbeitstag als Erfül­ lungstag. 512 Ist ein angesprochener Tag ein Sonn- oder Feiertag, so gilt der nächste Bankarbeitstag als Erfül­ lungstag.

8.1 OTC Derivate

| 393

der Swaption abgestimmt und festgelegt. Aufgrund des Optionsrechtes besitzt ei­ ne Swaption ein asymmetrisches Risikoprofil, wie wir es aus den vorangegange­ nen Options-Konstrukten kennen. Der Käufer einer Swaption hat somit ein zeitlich begrenztes Wahlrecht, welches sowohl europäisch, amerikanisch oder als BermudaOption ausgestaltet sein kann. Dieses ist verbunden mit der Verpflichtung des Käufers, an den Verkäufer eine Prämie zum Ausgleich des asymmetrischen Risikos zu bezah­ len. Eine Swaption funktioniert somit, wie eine Plain Vanilla Option, hat jedoch als Underlying einen Derivat in Form eines Swaps.⁵¹³ Abschluss und Prämienzahlung

Ausübungstag der Option

Optionslaufzeit

Endfälligkeit

Swap-Laufzeit

Abb. 8.28: Zeitlicher Ablauf einer Swaption⁵¹⁴

Ein Investor kann sich somit per Optionsrecht die Konditionen für einen eventuell in der Zukunft benötigten Swap sichern. Diese Art von Geschäften wird demnach ab­ geschlossen, wenn ein konkretes Grundgeschäft noch nicht, oder nicht in der Grö­ ßenordnung, vorhanden ist, sich aber abzeichnet oder zu erwarten ist. Dabei will der Trader die Kondition für dieses absichern und nicht bis zur endgültigen Fixierung des Geschäftes warten. Wie bei allen Optionsgeschäften ist der Long dabei bereit eine Prä­ mie an den Short zu bezahlen. Übt dieser die Option nicht aus, da das Geschäft keinen Sinn mehr macht etc., erleidet er einen Verlust in Höhe der bezahlten Optionsprämie (vgl. hierzu Plain-Vanilla-Optionen). Der Stillhalter (Short) der die Prämie erhält, geht die Verpflichtung ein, die Gegenseite des Swaps zu bilden (vgl. Tabelle 8.5). Tab. 8.5: Swaptions und deren Gegenposition Position

Gegenposition

Long Payer Swaption Short Payer Swaption Long Receiver Swaption Short Receiver Swaption

Short Payer Swaption Long Payer Swaption Short Receiver Swaption Long Receiver Swaption

Bei der Ausübung einer Swaption unterscheidet man grundsätzlich nach drei ver­ schiedenen Ausübungsarten: 513 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 514 Vgl. Bloss et al: Währungsderivate (2009).

394 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

– – –

Amerikanisch: Die Ausübung kann während der Laufzeit immer erfolgen. Europäisch: Die Ausübung kann nur zum Ende der Laufzeit erfolgen. Bermuda: Die Ausübung kann während einer im Vorhinein festgelegten Frist bzw. an im Vorhinein festgelegten Zeitpunkten erfolgen.

Swaptions spielen unter anderem bei strukturierten Produkten eine große Rolle. Sie eignen sich zum einen als Baustein, um das gesamte Risikoprofil eines Produkts an­ zupassen. Denn gerade „Kündigungsrechte“ oder „Verlängerungsrechte“, in struktu­ rierten Produkten, können anhand von Swaptions dargestellt werden. Auch lässt sich mittels Swaptions eine aktive Steuerung vom Delta- und Gamma-Risiken (Konvexi­ tät) in einem Portfolio oder Handelsbuch durchführen. Receiver oder Payer Swaption Swaptions lassen sich wie folgt gliedern: Eine Receiver Swaption besteht dann, wenn der Käufer das Recht hat, im Swap, nach der Ausübung der Swaption, den festen Zins­ satz zu empfangen. Im Gegenzug hierzu spricht man von einer Payer Swaption, wenn der Käufer der Swaption nach deren Ausübung die variable Verzinsung erhält und den Festzins im Swap bezahlt (vgl. Tabelle 8.6).⁵¹⁵ Tab. 8.6: Swaption und die nach der Swap-Ausübung bestehende Swap-Position Swaption

Nach der Ausübung (SWAP)

Receiver Swaption

Käufer der Option erhält den festen Zinssatz und bezahlt den variablen Zinssatz.

Payer Swaption

Käufer der Option erhält den variablen Zinssatz und bezahlt den Festzinssatz.

Bewertung von Swaptions Die Bewertung von Swaptions kann z. B. über das Black-76-Modell erfolgen. Im Prin­ zip kann eine Receiver Swaption als Put und eine Payer Swaption als Call auf den Swap-Satz betrachtet werden. 1 1 − (1+F/m) t1 m ] × e−rT [FN(d1 ) − XN(d2 )] c=[ F [ ] 1 1 − (1+F/m) t1 m ] × e−rT [XN(−d2 ) − FN(−d1 )] p=[ F ] [

515 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

8.1 OTC Derivate

| 395

2

d1 =

ln ( XF ) + ( σ2 ) T

σ√T d 2 = d 1 − σ √T

c p t1 F X r T σ m

= Payer Swaption = Receiver Swaption = Laufzeit Swap in Jahren = Forward Rate des Swaps = Basispreis der Swaption = Risikoloser Zins = Laufzeit = Volatilität = Aufzinsung der Swap Rate⁵¹⁶

Sollte eine Betrachtung im diskreten Fall notwendig sein, so hat eine Bewertung mit­ tels Binominal-Bäumen oder Monte Carlo Simulation zu erfolgen. Settlement einer Swaption Auch bei einer Swaption besteht die Möglichkeit eines physischen Settlements oder eines Cash-Settlements. Beim Cash-Settlement wird die Vergütung des Marktwertes des Swaps vorgenommen. Beim physischen Settlement erfolgt der konkrete Eintritt in den Swap (vgl. Abbildung 8.29).

Settlement Swaption Physisches Settlement

Cash-Settlement

Eintritt in den Swap

Vergütung des Marktwertes

Abb. 8.29: Settlement-Möglichkeiten einer Swaption und deren Auswirkung

Tabelle 8.7 fasst die Erwartungen und Vereinbarungen der jeweiligen Swaption noch­ mals zusammen.

516 Vgl. Hull, John C. (2013).

396 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Tab. 8.7: Eigenschaften von Swaptions⁵¹⁷

Vereinbarung

Zinserwartung Risiko Auswirkungen beim Abschluss Laufzeitgleicher Swap-Satz über Swap Strike Laufzeitgleicher Swap-Satz unter Swap Strike

Vereinbarung

Zinserwartung Risiko Auswirkungen beim Abschluss Laufzeitgleicher Swap-Satz über Swap Strike Laufzeitgleicher Swap-Satz unter Swap Strike

Käufer Payer Swaption

Verkäufer Payer Swaption

Recht, aber nicht die Pflicht, den vorher definierten Swap einzugehen und den Festzinssatz zu zahlen. Steigende Zinsen.

Stillhalter der Position.

Auf die bezahlte Prämie begrenzt. Zahlt die Swaption-Prämie. Übt die Swaption aus.

Übt die Swaption nicht aus.

Sinkende oder konstante Zinsen. Volles Marktrisiko (unbegrenzt). Erhält die Swaption- Prämie. Wird aus der Swaption in Anspruch genommen und wird Festsatzempfänger im Swap. Wird nicht in Anspruch genommen.

Käufer Receiver Swaption

Verkäufer Receiver Swaption

Recht, aber nicht die Pflicht, den vorher definierten Swap einzugehen und den Festzinssatz zu empfangen. Sinkende Zinsen.

Stillhalter der Position.

Auf die bezahlte Prämie begrenzt. Zahlt Swaption-Prämie. Übt die Option nicht aus. Übt die Option aus und wird Festsatzempfänger des Swaps.

Steigende oder konstante Zinsen. Volles Marktrisiko. Erhält Swaption-Prämie. Wird nicht in Anspruch genommen. Wird aus der Swaption in Anspruch genommen und wird Festsatzzahler im Swap.

8.1.13 Was sind exotische Optionen? Bei exotischen Optionen handelt es sich um Optionen, die nicht an Börsen gehandelt werden. Diese werden individuell ausgestaltet und als bilaterale Finanzverträge abge­ schlossen. Das bedeutet, die Ausgestaltung ist völlig frei und mehrere Optionsrechte können zum Beispiel kombiniert oder auch mit wenn dann Klauseln verbunden wer­ den. Sie unterliegen damit keiner direkten Standardisierung. Daher werden diesen nachfolgend auch Klassifiziert und die Rechte jeweils einzeln bzw. als eine reine Opti­

517 Rieger, Marc Oliver: Optionen, Derivate und strukturierte Produkte, Stuttgart (2009).

8.1 OTC Derivate

| 397

on dargestellt. Oftmals haben exotische Optionen aufgrund der Ausgestaltung andere Sensitivitäten und es wirklichen andere Außeneinflüsse und Kräfte auf diese ein. So können zum Beispiel verschiedene Korrelationen gemeinsam in einer Option gepreist und damit gehandelt werden. Oder man handelt nur einen Differenzwert zueinander in einem Produkt. Exotische Optionen und deren Entwicklung Die Entwicklung von exotischen Optionen reicht bis ins Jahr 1967 zurück, wo wohl die ersten Downand-Out-Calls gehandelt wurden. Dabei ist der Begriff exotische Optionen eher neu und geschicht­ lich auf die Monografie „Exotic Options“ von 1990 von keinem geringeren als Mark Rubinstein zu­ rückzuführen. Vor dieser Zeit sprach man eher von sogenannten Boutique Options oder Designer Options, welche die individuelle Ausgestaltung im Namen stärker zum Ausdruck gebracht haben. Der Begriff Exotic Options hat sich jedoch schnell und flächendeckend etabliert und ist heute zum Standardausdruck geworden.

Auch bei exotischen Optionen unterscheidet man zwischen einer Call-Option (Recht zum Kauf) und einer Put-Option (Recht zum Verkauf). Gleichzeitig handelt es sich bei diesen Optionen um OTC-Optionen, welche nicht an den Terminbörsen gehandelt werden, sondern individuell zwischen den Handelsabteilungen bzw. den Kontrakt­ parteien abgeschlossen werden. Sie unterliegen somit keiner Standardisierung. Die Abwicklung findet selbstverständlich auf Handelsplattformen bzw. in Handelssyste­ men statt. Die exotischen Optionen sind gerade für Emittenten von verbrieften Derivaten von großer Wichtigkeit. Mittels exotischer Optionen werden zum Beispiel die Zertifikate (strukturierte Produkte) für Retail-Anleger⁵¹⁸ sowie institutionelle Anleger dargestellt bzw. deren Payoffs, also das abgegebene Zahlungsversprechen, abgesichert. Im Regelfall werden strukturierte Produkte durch die Kombination eines Derivats (z. B. Swap) mit einem Zerobond (Nullkupon-Anleihe) oder nur durch ein isoliertes Derivat (z. B. Swap) konstruiert. Der aufgezeigte Zerobond entspricht der TreasuryLeistung des jeweiligen Emittenten. Diese ist von den Refinanzierungssätzen der Emittenten abhängig und ist für das fertige Produkt ein Werttreiber. Sie hängt sowohl vom Bonitätsrisiko des Emittenten als auch vom Zinsniveau ab. Man spricht hier vom „Funding“ eines Produkten. Denn der Emittent kann mit dem eingeworbenen Geld für das Anlageprodukt bis zu dessen Fälligkeit arbeiten. Somit kann das Funding kann zur Finanzierung von eingebetteten Optionen und/oder zu einer Mindestverzinsung des Produktes verwendet werden. Somit ist das Funding ein Teil der Refinanzierung des neu emittierten Produktes.

518 Retail-Anleger beinhalten in diesem Fall alle privaten Investoren, welche in verbrieften Produkten investiert sind.

398 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

8.1.14 Wie unterscheiden sich exotische Optionen? Wie bereits angesprochen, sind exotische Optionen solche, die individuell ausgestal­ tet sind, wobei ihnen weitere Optionsrechte hinzugefügt, die Rechte variiert oder ent­ zogen werden. Nachfolgend wollen wir die gängigsten Optionsarten aufzeigen, diese in ihrer Funktion erklären und das enthaltene bzw. entfallene Recht klären (vgl. Ab­ bildung 8.30). Bei exotischen Optionen wird unter anderem nach – pfadabhängigen, – zeitabhängigen, – korrelationsabhängigen Optionen unterschieden. Gleichzeitig wird unterschieden, ob es Einmalauszahlungen gibt oder ob die Optionen an spezielle Auszahlungsmuster geknüpft sind. Ein Beispiel hierfür sind Leveraged Options, welche bei einer Rückzahlung ein Mehrfaches oder einen expo­ nentiellen Wert des inneren Wertes auszahlen.

Exotische Optionen

Pfadabhängig

Average/Asiatische Options Lookback Options Ladder Options Ratchet Options

Grenzwertabhängig

Zeitabhängig

Zahlungsprofil veränderte Optionen

Korrelationsabhängig Multivariate Optionen

Barrier Options

Bermuda Options Chooser Options Compound Options

Binary/Digitale Optionen

Basket Options Exchange Options Spread Options Quanto Options

Abb. 8.30: Exotische Optionen

Zur quantitativen Herleitung und Modellierung von exotischen Optionen empfehlen wir Matlab® von MathWorks.

8.1 OTC Derivate

| 399

8.1.15 Gruppen von exotischen Optionen und deren Funktionsweise Nachfolgend zeigen wir die gängigsten exotischen Optionen sowie deren Funktions­ weise. Dabei haben wir Wert auf die im Financial Engineering meistverwendeten Op­ tionstypen gelegt. Barrier-Optionen Als Barrier-Optionen bezeichnet man Optionen, welche entstehen oder vergehen, wenn der Barrierpreis erreicht, berührt, überschritten oder unterschritten wird. Es folglich zu einem sogenannten Trigger- oder Hit-Event kommt. Da diese Barriere oberhalb (up) oder unterhalb (down) des aktuellen Kurses des Underlyings liegen kann, gibt es acht mögliche Formen von Barrier-Optionen. Diese Optionen können sowohl in europäischer als auch amerikanischer Form be­ geben werden oder auch im Bermuda-Style (vgl. Tabelle 8.8). Tab. 8.8: Knock-in-/out-Optionen Ereignis

Aktivierung (knock in)

Verfall (knock out)

Basiswert up Basiswert down

Up-and-in Call/Put Down-and-in Call/Put

Up-and-out Call/Put Down-and-out Call/Put

Betrachtet man den inneren Wert einer Barrier-Option, so ist dieser identisch mit dem einer Standardoption. Dies gilt jedoch unter der Annahme, dass die Option noch existiert bzw. aktiviert wurde. Grundsätzlich sind Knock-out- und Knock-inOptionen preiswerter als Standardoptionen und bieten, aufgrund des geringeren Kapitaleinsatz, dementsprechend höhere Gewinnchancen (vgl. exemplarisch Ab­ bildung 8.31). Ein weiterer Vorteil ist, dass Barrier-Optionen mit einer Geld-zurückGarantie (Money-Back-Element) ausgestattet werden können. Es besteht auch die Möglichkeit, die Barriere dynamisch zu halten („Dynamische Barrier-Option“). Hierbei kann der Knock-out- oder Knock-in-Level beispielsweise von 100 Euro im ersten Jahr auf 110 Euro im zweiten Jahr ansteigen. Dieser Level-Shift kann mit dem Markt erfolgen und von großem Vorteil für das Auszahlungsprofil sein. Wird nun der Knock-Level zusätzlich mit einer zusätzlichen zeitlichen Komponente versehen, spricht man von „Parisian Options“. Das könnte bspw. so aussehen, dass der Knockout für vier Wochen am Stück unterschritten werden muss. Dies wäre von Vorteil für den Trader, da er bei kurzfristigen Events (z. B. Spike) hier nicht betroffen wäre bzw. nicht abhängig von einem Spikemoment ist.⁵¹⁹

519 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl.: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

400 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

1000

1500

2000

2500

3000

3500

4000

Abb. 8.31: Exemplarisches Verhalten eines Down-and-Out-Put⁵²⁰

Knock-out-Barrier: Wird während der Laufzeit der Option die Barriere berührt, so verfällt die Option unmittelbar wertlos. Es kommt zum Komplettverlust. Knock-in-Barrier: Nach Bezahlung der Prämie ist die Option noch nicht aktiv. Die Aktivierung erfolgt, wenn die Barriere während der Laufzeit berührt wird, und hat dann zur Folge, dass die Option genauso reagiert wie eine Standardoption. Reverse-Knock-Option: Man spricht immer dann von einer Reverse-Knock-Opti­ on, wenn durch eine Bewegung des Underlyings die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Barriere berührt wird und gleichzeitig die Option an inneren Wert gewinnt. Bei diesen Optionen notiert die Barriere immer in the money. Vorteile von Barrier-Optionen: Ein großer Vorteil liegt in der deutlich günstige­ ren Optionspreisgestaltung. Denn die zu bezahlende Prämie ist niedriger im Vergleich zum Standardoptionsprodukt. Dennoch lässt die Options sich zielgerichtet einsetzen (vgl. Tabelle 8.9). Nachteile von Barrier-Optionen: Man benötigt ein Alternativszenario, falls die Option ausgeknockt und nicht eingeknockt wurde und man für seine Handelsbuch­ transaktionen diese benötigt. Des Weiteren ist mit der finanziellen Differenz bei einem negativen Trigger-Ereignis umzugehen.⁵²¹

520 Quelle: Commerzbank AG. 521 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl.: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

8.1 OTC Derivate

|

401

Tab. 8.9: Übersicht der Barrier Options⁵²² Barrier Option

Trigger zum Spot

Auszahlungsprofil bei Erreichen des Triggers

Auszahlungsprofil bei Nicht-Erreichen des Triggers

Down-and-out-Call Down-and-in-Call Up-and-out-Call Up-and-in-Call Down-and-out-Put Down-and-in-Put Up-and-out-Put Up-and-in-Put

unterhalb unterhalb oberhalb oberhalb unterhalb unterhalb oberhalb oberhalb

0 Standard-Call 0 Standard-Call 0 Standard-Put 0 Standard-Put

Standard-Call 0 Standard-Call 0 Standard-Put 0 Standard-Put 0

Bewertung von Barrier-Options Die Bewertung der Standardoptionen Call (c) und Put (p) erfolgt über die bereits schon aufgezeigten Modelle. Die Berechnung der jeweiligen Barriere Option, voraus­ gesetzt diese folgt einer einfachen Ausgestaltung, ist analytisch wie folgt darzustel­ len.⁵²³ Down and in Call: H 2λ H 2λ−2 N (y − σ √T) ) N (y) − Ke−rT ( ) S0 S0 r − q + σ 2 /2 λ= σ2 H2 ln [ (S0 K) ] + λσ √T y= σ√T

c di = S o e−qT (

Down and out Call: c do = c − c di Ist H größer oder gleich K so gilt: c do = S0 N (x1 ) e−qT − Ke−rT N (x1 − σ √T) − S0 e−qT ( + Ke−rT (

H 2λ ) N (y1 ) S0

H 2λ−2 ) N (y1 − σ √T) S0

und c di = c − c do

522 Quelle: o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006). 523 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate (S. 738 ff.).

402 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

wobei x1 = y1 =

ln ( SH0 ) σ √T ln ( SH0 ) σ √T

+ λσ √ T + λσ √ T

Up and in Call: c ui = S0 N (x1 ) e−qT − Ke−rT N (x1 − σ √T) − S0 e−qT ( + Ke−rT (

H 2λ ) [N − (−y) − N (−y1 )] S0

H 2λ−2 ) [N (−y + σ √T) − N (−y1 + σ √T)] S0

Up and out Call: c uo = c − c ui Up and in Put: p ui = −S0 e−qT (

H 2λ H 2λ−2 ) N (−y) + Ke−rT ( ) N (−y + σ √T) S0 S0

Up and out Put: P uo = p − p ui Es gilt hier, ist H kleiner oder gleich K wenden wie folgendes an: p uo = − S0 N (−x1 ) e−qT + Ke−rT N (−x1 + σ √T) + S0 e−qT ( − Ke−rT (

H 2λ ) N (−y1 ) S0

H 2λ−2 ) N (−y1 + σ √T) S0

und p ui = p − p uo Down and in Put: p di = − S0 N (−x1 ) e−qT + Ke−rT N (−x1 + σ √T) + S o e−qT ( − Ke−rT (

H 2λ−2 ) [N (y − σ √T) − N (y1 − σ √T)] S0

Down and out Put: p do = p − p di H = Barriere K = Basispreis

H 2λ ) [N (y) − N (y1 )] S0

8.1 OTC Derivate

| 403

An dieser Stelle wollen wir darauf hinweisen, dass es sich in hier aufgezeigten ana­ lytischen Möglichkeiten nur um eine Variante bei normaler bis niedriger Komplexität der Optionskontrakte handelt. Sollten diese von einer höheren Komplexität z. B. bei diskreten Beobachtungen des Underlying etc. abhängen, so ist eine Preisfindung mit­ tels Monte-Carlo-Simulation beziehungsweise Bi- und Trinominalbäumen vorzu­ nehmen. Es gilt auch hier, dass mit zunehmender Komplexität die Wahl des Modelles an diese angepasst sein muss. Da Barriere Optionen durch nur kleine Bewegungen im Underlying (Spike) aufleben oder vergehen, macht diese für manche Situationen sehr spannend und interessant. Denn eine kleine Bewegung im Underlying hat hier gegeben falls große Auswirkungen auf die Optionsposition. Auch ist es interessant zu sehen, wie Barriere Optionen gegenüber Standardoptionen in manchen Situationen reagieren. So besteht die Möglichkeit, dass diese ein negatives Vega ausweisen. Dies ist, wie Hull beschreibt, zum Beispiel bei einem Up-and-out Call mit einer Barriere nahe dem aktuellen Underlyingpreis zu beobachten. Ein Anstieg der Volatilität würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Barriere erreicht wird und somit kann der Preis der Option günstiger werden.⁵²⁴ Digitale-Optionen Digitale-Optionen (manchmal auch als Binäre-Optionen bezeichnet) sind gekenn­ zeichnet durch die Auszahlung eines im Voraus festgelegten Betrages, wenn der Kurs des Underlyings den vereinbarten Basispreis über- oder unterschreitet (Trig­ ger-Event). Auch diese Optionen können in beiden Optionsausübungstypen, sowohl europäisch wie auch amerikanisch, existieren. Man nennt sie deshalb digital, weil diese wie im Digitalsystem entweder eine Existenz als 0 (nicht ausgeführt und keine Auszahlung) oder 1 (ausgeführt und eine Auszahlung) haben. Diese Form von Optio­ nen kann in Kombination mit anderen Optionen verwendet werden und erzeugt dabei ein spezifisches Auszahlungsmuster (vgl. Abbildung 8.32). Bei Digitale-Optionen unterscheidet man zwischen One-Touch- und DoubleTouch- sowie No-Touch- und Double-No-Touch-Optionen. Diese werden norma­ lerweise bis zum Verfallszeitpunkt gehalten und am Lieferdatum zurückbezahlt. Im Gegenzug hierzu sind Instant-One-Touch- und Instant-Double-Touch-Optionen so begeben, dass diese unverzüglich nach dem erfolgten Trigger-Event zurückbezahlt werden. Bei den European-Digital-Calls und European-Digital-Puts besteht die die Be­ sonderheit, dass der Trigger der Option nur am Verfallszeitpunkt, am Laufzeitende, relevant und somit aktiv ist. Ein Trigger-Event während der Laufzeit ist somit nicht von Relevanz. Da das Auszahlungsprofil erst am Laufzeitende erreicht werden kann.⁵²⁵

524 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 525 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl.: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

Verlust

Gewinn

404 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Prämie Digital Call

Prämie Standard Call

Preis des Basiswertes

Abb. 8.32: Digital- vs. Standard-Call Payoff bei Fälligkeit (Long Call)⁵²⁶

Range-Optionen Bei Range-Optionen („Bandbreiten-Optionen“) hängt der Kurs von der Entwicklung eines oder mehrerer Underlyings zwischen verschiedenen vorgegebenen Grenzen ab. Dabei unterscheidet man zwischen: – Bottom-Up/Top-Down – Single Range – Dual Range – Knock out Range Optionen. Bermuda-Optionen Bislang kannten wir die Auszahlungsmuster einer europäischen und einer ameri­ kanischen Optionen. Dies wird nun durch eine weitere Möglichkeit erweitert. Bei der Bermuda-Option handelt es sich um ein Optionsrecht mit mehreren vordefi­ nierten Ausübungszeitpunkten. Wird diese Option am Ausübungszeitpunkt nicht in Anspruch genommen, geht das Ausübungsrecht an die anderen, nachfolgenden, Ausübungszeitpunkte über. Im Vergleich zu einer europäischen Option, welche nur ein Ausübungsrecht am Ende der Laufzeit der Option besitzt, und einer amerikani­ schen Option, welche während der gesamten Laufzeit ausgeübt werden kann, sind bei einer Bermuda-Option die Ausübungszeitpunkte genau bei Abschluss der Option definiert. So kann dies z. B. immer der 30. Januar eines Jahres oder auch ein vorge­ gebener Zeitraum im Jahr z. B. Mai-Juni jeden Laufzeitjahres sein. Wird die Option einmal ausgeübt, so erlischt jedes weitere Ausübungsrecht bzw. wird nicht mehr aktiv.⁵²⁷

526 Quelle: o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006). 527 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

8.1 OTC Derivate

| 405

Chooser-Optionen Bei Chooser-Optionen hat der Optionsinhaber die Möglichkeit, zu einem festgelegten Zeitpunkt, oder in einer festgelegten Frist, zu wählen, ob er diese Option in einen Call oder in einen Put umwandeln möchte. Er hat folglich ein Optionsrecht, mit beiden Ausgestaltungsmerkmalen, welches er selektiv bestimmen kann. Auch der Preis einer Chooser-Option steigt mit zunehmender Volatilität, wobei die eigentliche Bewegung des Underlyings hier keine große Rolle spielt. Somit eignen sich Chooser-Optionen sehr gut, um Volatilitätsstrategien aufzubauen. Man profitiert von einer steigenden Volatilität, ohne dabei zu sehr vom Preis des Underlyings abhängig zu sein. Grundsätzlich sind Chooser-Optionen teurer als die vergleichbaren einzelne Callbzw. Put-Optionen; doch sind sie immer noch preiswerter als der Handel einer Kom­ bination, wie etwa eines Straddles, auf die gewünschten Basiswert. Des Weiteren ist zu beachten, dass je früher man den Entscheidungszeitpunkt in der Chooser-Option wählt, desto günstiger ist diese.⁵²⁸ Bewertung einer von Chooser-Optionen Bei der nachfolgenden Bewertung wird davon ausgegangen, dass die Strikepreise für den Call und den Put sich entsprechen und es sich um einen europäischen Opti­ onstyp handelt. max (c, p) = max (c, c + Ke−r(T2 −T1 ) − S1 e−q(T2 −T1 ) ) = c + e−q(T2 −T1 ) max (0, Ke−(r−q)(T2 −T1 ) − S1 ) c p T1 K T2 r

= Call = Put = Assetpreis zum Zeitpunkt T1 = Basispreis = Laufzeit der Optionen = risikoloser Zins

Sollten die Strikepreise sich nicht entsprechen und/oder der Optionstyp nicht europä­ isch sein, so kommen simulationsbasierende Verfahren zur Preisfindung zur Anwen­ dung. Hier greift man unter anderem auf Monte-Carlo-Simulationen und Binomi­ nalbäume zurück.⁵²⁹ Compound-Optionen Bei Compound-Optionen handelt es sich um Optionen auf Optionen. Man sichert sich folglich mit der Option ein Recht auf eine andere Option (Recht auf ein Recht (vgl. Ab­ 528 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 529 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

406 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

bildung 8.33)). Der Vorteil von Compound-Optionen ist der vergleichsweise günstige Preis gegenüber einer „normalen“ Option. Dieser liegt darin begründet, dass es sich „nur“ um ein Recht auf ein Recht und nicht direkt auf das Underlying handelt.⁵³⁰ Position des CompoundOption-Inhabers CALL

PUT

CALL

Call auf einen Call

Put auf einen Call

PUT

Call auf einen Put

Put auf einen Put

Zu liefernder Basiswert

Abb. 8.33: Compound-Optionen⁵³¹

Bewertung von europäischen Compound Optionen Call auf einen Call: c c = S0 e−qT2 M (a1, b 1 ; √T1 /T2 ) − K2 e−rT2 M (a2, b 2 ; √T1 /T2 ) − e−rT1 K1 N (a2 ) wobei a1 =

ln ( SS∗0 ) + (r − q +

σ2 2 ) T1

σ √T 1

a2 = a 1 − σ √T 1 b1 =

ln ( KS02 ) + (r − q +

σ2 2 ) T2

σ √T 2

b 2 = b 1 − σ √T 2 Put auf einen Call: p c = K2 e−rT2 M (−a2 , b 2 ; −√T1 /T2 )−S0 e−qT2 M (−a1 , b 1 ; −√T1 /T2 )+e−rT1 K1 N−(−a2 ) Call auf einen Put: c p = K2 e−rT2 M (−a2 , −b 2 ; √T1 /T2 )−S0 e−qT2 M (−a1 , −b 1 ; √T1 /T2 )−e−rT1 K1 N−(−a2 ) Put auf einen Put: p p = S0 e−qT2 M (a1 , −b 1 ; −√T1 /T2 ) − K2 e−rT2 M (a2 , −b 2 ; √T1 /T2 ) + e−rT1 K1 N (a2 ) 530 Vgl. Bloss et al.: Währungsderivate, Oldenbourg Wissenschaftsverlag (2009). 531 Vgl. Bloss et al.: Währungsderivate, Oldenbourg Wissenschaftsverlag (2009).

8.1 OTC Derivate

T K M S∗

| 407

= Ausübungstermine = Basispreise = kumulierte zweidimensionale Normalverteilung der Wahrscheinlichkeit = Assetpreis zum Zeitpunkt T1 bei dem der Optionspreis K1 entspricht (zum Zeit­ punkt T1 )

An dieser Stelle wollen wir darauf hinweisen, dass es sich in hier aufgezeigten Mög­ lichkeiten nur um eine Variante bei niedriger Komplexität der Optionskontrakte han­ delt. Sollten diese von einer höheren Komplexität bestimmt sein, so ist eine Preisfin­ dung mittels Monte-Carlo-Simulation und Binominalbäumen vorzunehmen.⁵³² Window-Optionen Bei einer Window-Option wird, wie der Name schon sagt, ein Trigger-Fenster zuge­ wiesen. Folglich ist ein Trigger, eine Kursschwelle etc. nicht während der gesamten Laufzeit aktiv, sondern nur in diesem vorbestimmten Fenster (Window). Das Window, in der die Option aktiv ist, kann sowohl am Anfang als auch am Ende stehen und von unterschiedlicher Dauer sein.⁵³³ Quanto-Optionen Die Quanto-Option spielt vor allem für Emittenten von Zertifikaten aber auch bei Fondsmanagern eine wichtige Rolle. Um das Kursrisiko bei Investitionen in auslän­ dische Werte (die sich nicht im eigenen Währungsraum befinden) wie z. B. Indizes zu vermeiden, kann auf eine Quanto-Option⁵³⁴ zurückgegriffen werden. Die QuantoOption bezieht sich z. B. auf einen in ausländischer Währung lautenden Index. Dieser wird mit seinem entsprechenden Wechselkurs mit bei Fälligkeit der Anlage umgerech­ net. In unserem Fall jedoch wird bei Beginn der Laufzeit bereits der Umrechnungskurs final festgelegt. Der Investor hat nunmehr kein Währungsrisiko. Quanto-Produkte sind somit solche Produkte, welche alle Zahlungsströme in heimischer Währung (z. B. Euro) abdecken, obgleich das Underlying in Fremdwährung notiert ist (z. B. Nikkei Index in JPY). Grundsätzlich lassen sich Quanto-Optionen auf beliebige Underlyings (Equity, Commodity, Fixed Income; Indices) handeln. Des Weiteren haben wir verschiedene Varianten von Quanto-Optionen. Eine weitere ist die folgende: Es gibt die Möglich­ keit Call- und Put-Optionen mit Strikes in Fremdwährung zu handeln. Dabei werden alle Zahlungsströme der Optionen in Heimatwährung abgewickelt. Hierbei wird der Strikepreis der Option fixiert. Notiert z. B. die Aktie (in USD) unter diesem, verfällt die

532 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 533 Vgl. Bloss et al.: Währungsderivate, Oldenbourg Wissenschaftsverlag (2009). 534 Auch Cross-Currency-Derivat genannt.

408 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Option wertlos (Call) notiert diese jedoch darüber, ergibt sich ein Gewinn, welcher bei Fälligkeit in Heimatwährung ausbezahlt wird. In einer weiteren Variante, nutzt man nicht eine Option mit Strikepreis in Fremd­ währung, sondern in Heimatwährung auf ein Underlying in Fremdwährung. Es findet also eine Wandlung statt. In einer dritten Variante nutzen wir den Strikepreis wieder in Fremdwährung, haben aber bereits bei Abschluss des Geschäftes die Umrechnung zu einem festgelegten Wechselkurs vereinbart. Dies sind nur drei von sehr vielen Varianten, welche hier genutzt werden können und tagtäglich zum Einsatz kommen. Nutzt man diese Quanto-Instrumente auf der Fixed Income Seite des Trading­ books, so spricht man von einem Quanto-Swap oder einem Index-DifferentialSwap. Diese bieten die Möglichkeit im Zinsmarkt zwei unterschiedliche Zinssätze auszutauschen, wobei die Zahlungen isoliert in einer Währung erfolgt.⁵³⁵ Rainbow-Optionen Rainbow-Optionen sind multivariate Optionen. Multivariate Optionen oder auch Korrelationsoptionen sind Optionen, welche von mehreren Basiswerten abhän­ gig sind. Sie besitzen somit nicht nur ein Underlying, sondern mehrere (mindestens zwei). Dabei ist die Gewichtung der Werte bei Rainbow-Optionen gleichgewichtet. Die Preisbildung ist deutlich komplizierter als bei Standardoptionen, da nicht nur ein Basiswert sowie dessen Volatilität Einfluss auf die Preisfindung nimmt, sondern mehrere. Des Weiteren sind die Korrelationen zu beachten. Betrachten wir eine praktische Anwendung dieses Optionstyps. Ein Investor geht von einer unterschiedlichen Performanceentwicklung der von ihm gewählten zwei Basiswerte (Aktie A und B) aus. Er hätte daher die Möglichkeit, einen Call auf Aktie A und einen Put auf Aktie B zu erwerben. Er würde nun die Auszahlungsprofile ana­ log der inneren Werte der Optionen erhalten. Im Gegenzug hierzu, kann er nun auch eine Outperformance-Option handeln. Damit erzielt der Käufer nur dann eine positive Auszahlung, wenn der relative Kursanstieg der Aktie A stärker ausfällt als bei Aktie B. Was seiner Einstellung entspricht. Die von ihm zu bezahlende Prämie für die Outperformance-Option ist günstiger, als die Prämien für die beiden Standardoptionen. Jedoch ist die Optionsprämie selbst stark abhängig von der Korrelation der jeweiligen Basiswerte. Denn je höher die Kor­ relation der Werte, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Perfor­ manceunterschied kommen wird. Daraus folgt, dass die erwartete Auszahlung nied­ riger ausfällt, ist die zu zahlende Optionsprämie ebenfalls niedriger ist und die Preis­ ersparnis im Vergleich zum Kauf der Standardoptionen größer ist.

535 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl. Hull John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

8.1 OTC Derivate

| 409

Korrelation ist folglich ein Instrument welches aktiv zur Senkung von Options­ kosten verwendet werden kann. Dabei muss es dem Investor jedoch bewusst sein, dass man bei solchen Handelsaktivitäten direkte Korrelationspositionen eingeht. Man kann auch sagen, der Käufer einer Outperformance-Option setzt darauf, dass die ak­ tuell eingepreiste Korrelation höher ist als die zukünftige Korrelation der Performance der beiden (in diesem Beispiel sind es nur zwei, es gehen natürlich auch N-Basiswerte) zugrundeliegenden Basiswerte. Der Verkäufer, sein Counterpart, geht die Gegenposi­ tion hierzu ein. Bei der Bewertung solcher Positionen ist zu beachten, dass es mehrere Deltas zur Beobachtung der Position gibt bzw. diese maßgeblich sind. Denn jeder der zugrun­ deliegenden Basiswerte zeigt seine Preiseinflüsse, reflektiert im Optionspreis. Auch ergeben sich „Cross-Gammas“ also Deltaveränderungen, in unserem Beispiel, hin­ sichtlich Aktie A bei einer Preisveränderung von Aktie B. Auch ist die Veränderung der Volatilität zu beachten. Des Weiteren verändert eine Zu- oder Abnahme der Korrelati­ on automatisch alle relevanten Delta- und Gamma-Werte, welche fortlaufend über­ wacht werden müssen. Auch der Zusammenhang zwischen Volatilität, Korrelation und Auto-Korrelationen muss berücksichtigt werden, da diese beiden Größen eine ge­ wisse Interdependenz, also Abhängigkeit, aufweisen. Da Volatilität und Korrelation einen multiplikativen Effekt auf die Bewertung haben, verstärkt sich die Wirkung auf den Kurs aufgrund der Veränderung beider Kennziffern.⁵³⁶ Basket-Optionen Wie der Name schon sagt, sind diese multivariaten Optionen mit einem Basket (al­ so mehreren in einem Korb zusammengefassten Basiswerten) als Underlying unter­ legt. Das bedeutet, dass nicht ein Basiswert für die Veränderung und die Preisfindung der Option von Bedeutung ist, sondern mehrere, welche in einem Basket, mit indi­ vidueller Gewichtung, zusammengefasst sind (vgl. Tabelle 8.10). Diese Art der Op­ Tab. 8.10: Basket-Option-Preisbildung, Abschluss vs. Fälligkeit⁵³⁷ Kurs bei Abschluss Aktie A Aktie B Aktie C Aktie D

10 20 30 40

Summe Prozent

100 100 %

Kurs bei Fälligkeit 9 10 29 35 83 83 %

536 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl.: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 537 Quelle: o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006).

410 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

tionen kommt oft bei der Realisierung von Retail-Produkten zum Einsatz. Ebenfalls werden Basket-Optionen gerne von Portfoliomanagern verwendet, um Währungs- und Aktienrisiken zu hedgen. In der Bewertung der Option kommen alle darin zugrun­ deliegenden Basiswerte, deren Korrelationen und Sensitivitäten zum Einsatz. Es gel­ ten die Einflussfaktoren (Korrelation, Cross-Gammas, Volatilität, Auto-Korrelationen etc.), welche wir bei den Rainbow-Optionen bereits ausgeführt haben. Hier kommt je­ doch noch die evtl. unterschiedliche Gewichtung der im Basket beinhalteten Werte zum Tragen.⁵³⁸ Lookback-Optionen Bei einer Lookback-Option wird während eines bestimmten Zeitraums der Marktwert des Underlyings periodisch festgehalten. Bei der Strike-Lookback-Option bestimmt der Tiefstwert (Call-Option) oder der Höchstwert (Put-Option) des Basiswerts den Aus­ übungspreis. Bei der Price-Lookback-Option bleibt der Ausübungspreis unverän­ dert; dafür wird bei der Berechnung des Optionswertes für den Basiswert im Falle ei­ ner Call-Option dessen Höchstwert bzw. im Falle einer Put-Option dessen Tiefstwert festgehalten.⁵³⁹ Cliquet-Optionen und Ladder-Optionen Bei der Cliquet-Option (auch Ratchet Option genannt) wird der Ausübungspreis in meist regelmäßigen (vorher definierten) Zeitabständen für die folgende Periode dem Kurs des Basiswerts angepasst. Ein allfälliger innerer Wert der Option wird festgehal­ ten. Man nennt dies Lock-in. Die während der gesamten Laufzeit anfallenden Lock-ins werden aufgerechnet. Bei der Ladder-Option erfolgen die Anpassungen nicht periodisch, sondern beim Erreichen bestimmter Kurse des Basiswerts. In der Regel wird nur der höchste innere Wert (das Lock-in) festgehalten. Es gibt auch eine Variante, bei der ausnahmsweise auch alle festgehaltenen inneren Werte aufgerechnet werden (vgl. Abbildung 8.34).⁵⁴⁰ Spread-Optionen und Outperformance-Optionen Beide Formen beziehen sich auf zwei Basiswerte. Bei der Spread-Option ist der ab­ solute Unterschied in der Entwicklung der beiden Basiswerte für die Ermittlung des Optionswerts maßgebend.

538 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl.: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 539 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 540 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006).

8.1 OTC Derivate

| 411

Kurs des Basiswertes

Kursverlauf des Basiswertes Cliquet Payoff

Ladder Payoff

Cliquet Anpassungstermine

Zeit

Abb. 8.34: Schematische Darstellung des Auszahlungsverlaufs einer Cliquet-Option⁵⁴¹

Im Gegensatz dazu ist bei der Outperformance-Option der relative Unterschied (siehe: Rainbow Option), d. h. die prozentuale Besserentwicklung des einen über den anderen Basiswert, für die Ermittlung des Optionswerts maßgebend.⁵⁴² Shout-Optionen Als Shout-Option bezeichnet man eine Option, welche gewisse Eigenschaften der vor­ an genannten Lookback- und Ladder-/ Cliquet-Option kombiniert. Auch hier deter­ miniert die Kursveränderung des Basiswertes den Preis der Option. Dabei muss man beachten, dass bei Lookback- und Ladder Optionen kein aktives Eingreifen nach dem Optionsabschluss notwendig ist, bei Shout-Optionen dies jedoch zu erfolgen hat. Den bei Shout-Optionen, im Gegensatz zu Ladder-Optionen, muss der Optionkäufer das Reset-Level selbst bestimmen. Somit löst er den Shout sozusagen selbst aus. Da die Möglichkeit der Gewinnfestschreibung selbst besteht, ist eine Shout-Option im Ge­ gensatz zur Plain Vanilla Standardoption teurer. Dabei ist ein wesentliches Merkmal, wie viele Shouts ausgelöst werden können.⁵⁴³ Asiatische Optionen (Average-Optionen) Asiatische Optionen sind besondere exotische Optionen. Es handelt sich um Durch­ schnittsoptionen. Diese werden unter anderem in Average Strike Options und Average Price Options unterschieden. Des Weiteren unterscheidet man zwischen der Art der Durchschnittsbildung. Hier kommen arithmetische und geometrische Mit­ 541 Quelle: DZ Bank. 542 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 543 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

412 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

telungen zum Einsatz. Dies bestimmt dann auch, ob es sich um eine arithmetische und geometrische asiatische Option handelt. Hinsichtlich der Ausübung können asiatische Optionen sowohl amerikanischen als auch europäischen Typs sein.⁵⁴⁴ Geometrisches Mittel: (P1 × P2 . . . P n )(1/n) Arithmetisches Mittel: (P1 + P2 + . . . + P n ) n

8.1.16 Kombinationen und Kreuzungen von exotischen Optionen Oftmals werden exotische Optionen in Kombination für ein Produkt angewandt bzw. die einzelnen exotischen Komponenten werden mit weiteren Merkmalen ausgestattet und/oder gekreuzt. Das beste Beispiel hierfür ist, wenn man eine Option so ausgestal­ tet, dass diese in der Ausübungsart der besprochenen Bermuda-Option entspricht. Es besteht auch die Möglichkeit, für ein Produkt verschiedene Optionstypen zu kreuzen oder zu kombinieren. Aufgrund der individuellen Ausgestaltung dieser Pro­ dukte, stellt dies keine Herausforderung dar sondern wird jeden Tag so durchgeführt.

8.1.17 Übersicht Auszahlungsprofile ausgewählter exotischer Optionstypen Nachfolgend finden Sie eine Übersicht der Auszahlungsprofile der gängigsten exoti­ schen Optionen. Wir empfehlen an dieser Stelle, zur finanznummerischen Herleitung, die in Matlab® bereits vorhandenen Modelle anzuwenden, bzw. diese in Matlab®, Python™ oder C++ zu übertragen und selbst umzusetzen. Name

Auszahlungsprofil⁵⁴⁵

AsiatischeOptionen

Direkt arithmetisch + 1 V(S, T) = ( m ∑m i=1 S(t i ) − K) Direkt geometrisch V(S, T) = ((∏m i=1 S(t i ))

1/m

+

− K)

Kontinuierlich arithmetisch + T V(S, T) = ( 1T ∫0 S(t) dt − K) Kontinuierlich geometrisch 1

V(S, T) = (e T

T

∫0 ln S(t) d t

+

− K)

544 Vgl. o. V. DZ Bank AG: Derivative Zinsprodukte; Strukturierte Produkte VI (2006); Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 545 Quelle: Gerstner, Thomas, Finanznumerik (Computational Finance), Goethe-Universität Frank­ furt (2010).

8.1 OTC Derivate

| 413

Name

Auszahlungsprofil

BarriereOptionen

Down-and-out Call V(S, T) = {(S(T) − K)+ falls S(t) > H für 0 ≤ t ≤ T ; sonst 0 Die Anpassung fur die anderen Barrieretypen erfolgt jeweils über H und dessen Stellung zu S(t). In-Out-Parität (Europäische Option) V In (S, t) + V Out (S, t) = V Eur (S, t)

BasketOptionen

V(S, T) = ( ∑ a i S i (T) − K)

BermudaOptionen

τ = {t 1 t 2 . . . t m } mit

DigitaleOptionen

Asset-or-nothing V(S, T) = {S(T) falls S(T) > K; sonst 0 Cash-or-nothing V(S, T) = (S, T) = {B falls S(T) > K; sonst

+

k

LookbackOptionen

t=1

Fester Ausübungspreis:

ti ≤ tj

für 1 ≤ i ≤ j ≤ m, t 1 > 0 und

tm = T

0

+

V(S, T) = ( max S(t) − K) 0≤t≤T

Variabler Ausübungspreis:

+

V(S, T) = (S(T) − min S(t)) 0≤t≤T

RainbowOptionen

Bester Wert

+

V(S, T) = ( max S i (T) − K) i=1,...,k

Schlechtester Wert

+

V(S, T) = ( min S i (T) − K) i=1,...,k

ShoutOptionen

V(S, T) = max{(S( t)̄ − K)+ , (S(T) − K)+ }

Allgemeine Definitionen

B = Cash or nothing H = Barriere K = Strike S = Underlying T = Zeitpunkt V(S,T) = Auszahlungsfunktion

Grundsätzliches zu exotischen Optionen Wir haben in diesem Kapitel nur einen kleinen Überblick über die gängigsten exotischen Optionen ge­ geben. Die Vielfalt der Möglichkeiten ist hier vor allem durch verschiedene Kombinationen sehr um­ fangreich. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die exotischen Optionen nicht über Terminbörsen gehan­ delt werden, sondern als OTC (over the counter)-Geschäfte eingegangen werden. Die Ausgestaltung ist bzw. kann komplex sein und die Preisfindung ist nicht immer mittels klassischer Optionspreismodelle möglich, sondern bedarf komplexer Herangehensweisen wie z. B. Monte-Carlo-Simulationen.

414 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

8.1.18 Bewertung von exotischen Optionen Exotische Optionen sind oftmals (wenn diese nicht einfach ausgestaltet sind) nicht mittels geschlossener Bewertungsformeln (wie z. B. das Black-Scholes-Modell) zu bewerten. Eine Herleitung der Bewertung erfolgt dann mittels umfangreicher nume­ rischer Methoden oder simulationsbasierender Ansätze. Es bedarf somit weitrei­ chender Modelle, wie die bereits dargestellten Monte-Carlo-Simulationen etc. Dabei ist die korrekte Bestimmung der Inputparameter maßgeblich. Denn diese haben ei­ nen großen Einfluss auf das Ergebnis damit auch die Risikobewertung. Daher ist de­ ren konkrete und korrekte Bestimmung im ersten Schritt durchzuführen und diese dann in das genutzte Bewertungsmodell einfließen zu lassen. Da bei der Bestimmung der Inputparameter ebenfalls Approximalverfahren zum Einsatz kommen (können), ist hier auch das zu erhaltende Ergebnis von evtl. Änderungen in der Realität betrof­ fen. Des Weiteren stehen evtl. zur Bewertung von ein und demselben Optionstyp mehrere Verfahren zur Verfügung. Dies gilt auch die Möglichkeit des Backhedge ei­ nes verbrieften Produktes, oder einer Strategie, welche nicht zwangsläufig nach den hier dargestellten Verfahren in der Praxis durchgeführt werden müssen. Spezielle An­ forderungen eines Emittenten oder Händlers können hier zu anderen, in der Praxis eingesetzten, Maßnahmen führen. Technisch möchten wir zur Bewertung neben der theoretischen Herleitung in Matlab® auf die von Bloomberg® zur Verfügung gestellte „Derivate Bibliothek“ verweisen. Hier finden Sie Modelle für die Preisberechnung von Derivaten fast jegli­ cher Ausgestaltung. Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit OTC Derivaten beschäftigt. Wir sind dabei sowohl auf die Zinsderivate: Cap, Floor und Collar wie auch auf Derivate im Equity-Bereich eingegangen. Dabei haben wir einen intensiven Blick auf die Funktionsweise der Derivate geworfen und uns mit deren Preisfindung vertraut gemacht. Wir haben uns mit Swaps, deren Aufbau und Funktion so­ wie deren Preisbildung auseinander gesetzt und uns mit Swaptions, als bedingte Termingeschäfte beschäftigt. Des Weiteren sind wir auf den Handel dieser Instrumente eingegangen. Ein weiteres großes Anliegen dieses Kapitel war es, die exotischen Optionen darzustellen, die im Financial En­ gineering nicht wegzudenken sind. Wir sind dabei auf deren Funktionsweise, Preisfindung und Risikomanagement eingegangen. Wir haben aufgezeigt, wie und in welchen Kombinationen diese Verwendung finden und eingesetzt werden.

Interview with Dr. Axel Vischer, EUREX and ISE

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Interview with Dr. Axel Vischer, EUREX and ISE What future developments do you foresee for the derivatives markets? We are currently emerging from a financial crisis and while we foresee a slow recovery, we still face many challenges and opportunities. The main challenges and opportu­ nities facing the derivatives markets in the near future are: – De-leveraging: by institutional investors, the professional trading community and private individuals. – Exchange Consolidation: A continued consolidation of the exchange industry into global exchange groups, and on the other hand the proliferation of new ex­ change start-ups specializing in product or regulatory niches. One prime example of this trend is the U. S. equity options market, where we recently saw a consolida­ tion of the American Stock Exchange (AMEX) into NYSE-Euronext Group, but also expect new entrants into the market within this year, for example the BATS op­ tions exchange. Thus far, new entrants have “grown the pie” by creating different types of trading opportunities through the introduction of different fee structures or a different market structure, creating new opportunities for arbitrage, additio­ nal opportunities for moving order flow and overall a larger pool of liquidity. – A New Emphasis on Exchange Trading and Clearing: The financial crisis has reinforced the value of exchange trading and central clearing. Both regulators as well as politicians now recognize the importance of a regulated financial market place ensuring transparency and liquidity through clearing via Central Counter­ parties (CCPs). This new appreciation of the values we bring to the market will ultimately create new business opportunities for all market participants in terms of transparency, neutrality and efficiency. We expect that the fundamental factors which drove our market growth in the past will still exist and will continue to drive our business in the long run. Specifically, a steady increase in the use of derivatives by institutional players, including hedge funds, and an expansion into new markets and asset classes. We expect strong demand for new products enabling the market to hedge particular risks and, especially in the U. S., new equity options products resulting from an increased number of IPOs. What major changes do you expect for the next couple of years? The regulatory agenda will dominate the derivatives landscape on both sides of the Atlantic. Specifically, regulation of OTC derivatives will have a major impact on all aspects of the financial industry. In Europe, for example, the EU Commission is in a consultation process with the member states to introduce a European Market Infrastructure legislation later this year. You can expect a stronger emphasis on expanded use of CCPs for OTC deriva­ tives transactions to reduce or eliminate counterparty risk.

416 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

In the U. S., the focus has shifted partially away from a pure focus on the OTC mar­ kets. Instead, there is an increased regulatory scrutiny of securities exchanges and their trading practices. Although they performed the function they were designed for during the financial crisis, the exchanges turned out to be easier targets for some lawmakers and since they are so highly regulated. While these markets did not cause the financial crisis, this scrutiny does shift the focus away from the OTC derivatives market, which was one of the major causes of the crisis. Another major driver of change will be regulatory reform and harmonization in the U. S. The regulatory structure of the U. S. markets is currently divided by instrument or product – the SEC regulates securities markets and the CFTC regulates commodities and futures markets. This division has resulted in regulatory gaps, jurisdictional stale­ mates, and inconsistent regulation of financial products and industry participants. On October 16th 2009, the SEC and CFTC published their Joint Report on the Har­ monization of Regulation. The report put forth recommendations for harmonization in four categories – markets, enforcement, financial intermediaries and operational coordination. It does not address the regulation of the OTC derivatives market or fun­ gibility in the futures markets. We expect that the harmonization process will have a strong impact on the U. S. derivatives market in the short-term. Eventually the two regulatory bodies will diverge again as new products and participants enter the mar­ kets. Only a broader reform effort to reorganize and consolidate the agencies under a risk-based regulatory framework can lead to a long lasting solution. While the next couple of years will certainly be dominated by regulatory issues and regulatory changes we still will see and feel the continued technological arms race. The quest for the lowest possible latency and highest possible throughput will continue unabated. New technologies will actually drive the market into a race for ever faster speed. What type of product innovation do you expect to reach the market in the coming years? Do you expect new futures based on underlyings which seem to be rather exotic today? Like, for example garbage, water or similar underlyings? We will see a drive for standardization of OTC derivatives to ensure that they can be cleared via CCPs. In the long run this will facilitate the transition of standardized pro­ ducts to become successful exchange traded products. For example, one of the new Eurex products with the fastest growth rates are dividend derivatives. They are de­ signed to provide very similar exposure as OTC derivatives to various types of dividend swaps. Another area with a strong demand for product innovation is the commodity sec­ tor. Commodities were one of the strongest growth segments in recent years. Glob­ alization in combination with a steadily increasing demand for natural resources has driven strong demand for derivatives on commodities and will continue to do so in the foreseeable future. Eurex has responded to this trend by offering agricultural, com­

Interview with Dr. Axel Vischer, EUREX and ISE

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modities as well as commodity indices derivatives. Scarce resources like water will become a major topic if a standardized underlying can be found and be defined. Within the commodity space we see additional strong demand for derivatives linked to environmental factors and to climate change. Here Eurex has engaged in the European Emission reduction scheme through cooperation with EEX, the European Energy Exchange. We currently offer trading in European emission reduction futures (EUA, CER) and hope to participate in similar programs if and when the US joins the Kyoto protocol or its successor. Which products do you expect to disappear from the market and why? It is likely that regulators will either strongly regulate or even ban products showing large and unsustainable risks. This should affect some of the products trading in the OTC markets and highlighted during the financial crisis. During the financial crisis we observed that OTC products with their associated bilateral risk distribution can be the cause of chain reactions resulting in broad and systemic risks. However, CCPs mitigate these types of risks for many of the OTC products, especially if they show a certain level of standardization. Other OTC products which are highly standardized might even migrate onto the exchange. A typical example is the ISE FX options. The FX market is one of the largest OTC markets. The ISE FX options correspond to the FX options traded OTC but they allow investors to hedge their exposure to foreign currencies by trading an exchangelisted, centrally cleared, cash-settled options product. In general marginal costs for listing new products on any exchange are relatively low. Exchanges will continue to explore new product opportunities by speaking with its participants, analyzing customer demand, and finally listing new derivatives to test new product ideas or product categories. At the same time we will also see the delisting of unsuccessful ones. The Financial Crisis greatly affected the markets last year. What challenge does the Fi­ nancial Crisis pose for exchanges today and how do you meet them? The financial crisis as well as the Lehmann Brothers default showed that in general, exchange-traded and centrally cleared markets worked as designed. They provided systemic advantages, in particular liquidity and transparency. Clearinghouses elimi­ nated counterparty risk and the CCP mutualized the risk. All members have equal ac­ cess to the market and pay the same fees. While our market design proved successful we still did see some significant reduction of our trading volumes, driven by the de-leveraging process and a consoli­ dation process within our membership. In recent months we have seen that customer flows and interest is returning and our volumes have stabilized and are growing again. Especially the default of Lehman Brothers has created an astute awareness of the effects of counterparty risk emphasizing the benefits of our CCP offering. In additi­ on, regulators strive to implement measures to assure market stability and reduce sys­

418 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

temic risks inherent in the financial markets. Customers want to react to the now easily observable risk exposures and ask for enhanced risk services from exchanges. Eurex Clearing has reacted by offering its Enhanced Risk Solution which as of spring 2010 provides real-time risk assessment for both users and a stop button to halt trading for a client whose exposure due to technical or market reason is going haywire. What is your view about the future of Financial Engineering? I foresee that investment banking will drift from rapid growth towards a steady state. This will result in fewer entry opportunities for first time job seekers. It could also result in a consolidation of financial engineering programs. Overall there will be a stronger trend for graduates to find employment within proprietary trading firms and hedge funds. Hands-on experience will become ever more important, i. e. practical trainings or work experience is a must. Finally there will be a stronger focus on higher quality instead of quantity. I expect that all these trends will actually balance each other and result in graduates being placed more easily again. What aspects and developments within financial engineering do you see in demand for the next couple of years? The financial crisis has resulted in an enormous emphasis on risk management in all areas of the financial industry. Financial engineering programs will react to this emphasis by streamlining their courses and offering more in depth training. Another related area with higher demand is valuation, especially valuation of OTC products. Finally we see a tremendous interest from the financial engineering community with regards to our high-frequency, full order book data. Both the Eurex Historical Order book as well as the ISE HOT data are unique and in high demand. Financial engineering programs will have to refocus part of their courses on the challenges such massive and complex data sets pose. Do you believe that further consolidation within the exchange industry will occur in the next few years? We believe that consolidation does need to create value for shareholders, customers and all other stakeholders. Based on such values, inorganic growth, i. e. mergers and acquisitions can be valuable. In addition, exchanges and their members operate bo­ th as partners and sometimes as competitors. When over-consolidation occurs, new consortiums of members and exchanges will create new trading platforms. We are actively participating in this cycle of consolidation and creation: through mergers or acquisitions, partnerships or through the formation of strategic alliances and exchange networks. Exchange networks have the advantage of sharing liquidity through crosslisting, direct market access and order routing agreements

Literaturhinweise zu diesem Kapitel |

419

How will the exchange industry assure further growth? We always strive to expand and improve services. Some of our main focus currently is on new data offerings (e. g. HOT or Eurex Historical Order book), access to new flow (e. g. Eurex/ISE Link), access to new types of customers (e. g. buy-side), strategic alliances (e. g. link with the Korean Exchange KRX), new and improved products (e. g. new ETFs on ISE), new services (e. g. GC Pooling by Eurex Repo), expansion into new asset classes (e. g. commodities) and new geographies (e. g. Asia). One example to explain here more in detail is the Eurex/ISE Link. It will provide Eurex customers with more efficient access to the ISE options product range, and will bring new liquidity to ISE’s market. Regulatory approval is pending.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Fabozzi, Frank J.: The Handbook of Financial Instruments, 2002 Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate, 8. Auflage 2012 Lyuu, Yuh-Dauh: Financial Engineering and Computation-Principles, Mathematics, Algorithms, 2002 Madura, Jeff: International Financial Management, 6th edition 2004 Nelken, Israel: The Handbook of Exotic Options-Instruments, Analysis and Applications 1996

420 | 8 OTC-Derivate und exotische Strukturen

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Was versteht man unter einem Swap? Frage 2: Was bedeutet CMS? Frage 3: Gibt es Optionen auf Swaps? Frage 4: Wie werden Swaps bewertet? Frage 5: Was versteht man unter einer Quanto-Option? Antwort zu Frage 1: Bei einem Swap handelt es sich um einen bilateralen Finanzvertrag, welcher den Aus­ tausch von Zahlungsströmen vorsieht. Antwort zu Frage 2: CMS steht für Constant Maturity Swap und bezeichnet den Austausch von zwei varia­ blen Zahlungsströmen. Antwort zu Frage 3: Ja, sogenannte Swaptions. Es handelt sich hierbei um Wahlrechte (Optionen), welche den Abschluss eines Swaps heute schon für die Zukunft sichern. Antwort zu Frage 4: Hier kommt das Replikations-/Duplikationsverfahren zum Einsatz. Folglich wird ein Portfolio mit demselben Auszahlungsprofil zur Bewertung der Positionen gebildet und herangezogen. Antwort zu Frage 5: Es handelt sich hierbei um eine Option, welche das Währungsrisiko ausschließt. Es wird z. B. eine Option auf einen ausländischen Index gekauft, welcher kein Währungs­ risiko mehr in sich hat.

9 Kreditderivate In Kapitel 9 werden Sie Folgendes erfahren: – – – –

Was verstehen wir unter Kredit? Was sind Kreditderivate? Welche Arten von Kreditderivaten gibt es und wie sind diese handelbar? Warum sind Kreditderivate wichtige Risikotransferinstrumente?

9.1 Wozu dienen Kreditderivate? Kreditderivate dienen der Übertragung von Kreditrisiken von einer Partei auf eine an­ dere. Die übernehmende Partei erhält für das Aufnehmen des Risikos eine Prämie. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass sich ein Finanzintermediär teilweise oder ganz von seinen Kreditausfallrisiken und Kredit-Events (klassische Kredite und Anlei­ hen) trennen kann. Zusätzlich kann sich ein Investor mithilfe von Kreditderivaten ge­ gen einen Preisverfall von Unternehmensanleihen absichern, welche bei Bonitätsver­ schlechterung des Schuldners oder sogar bei dessen Ausfall eintreten würde.

9.2 Was ist ein Kredit? Lassen Sie uns zuerst jedoch den Begriff des Kreditderivats klären. Das Wort Kredit ist abgeleitet aus dem Lateinischen „credo“ und „creditum“, das für „Glauben“ und „auf Treu und Glauben anvertrauen“ steht. Man geht mit einem Kredit somit ein Glaubensversprechen ein, dass die ausgeliehene Liquidität zum Verleiher zurück­ kommt. Es besteht zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer ein Vertrauensverhältnis, welches sich in der Ausleihung widerspiegelt. Da leider nicht jeder Kreditnehmer über die Bonität verfügt, dass man ihm „auf Treu und Glauben“ Geld anvertrauen kann, versucht ein Kreditgeber, sich gegen einen solchen Kreditausfall bzw. ein Krediter­ eignis (Nichtzahlung der Zinsen, Stundung, Rückzahlungsverletzung) abzusichern. Für ein solches Absicherungsgeschäft wurden die Kreditderivate ins Leben gerufen: Sie dienen als Absicherungsinstrumente und helfen dem Kreditgeber, sich gegen das Ausfallrisiko seines Kreditportfolios abzusichern. Kreditrisiko Das Kreditrisiko ist die Gefahr oder Wahrscheinlichkeit, dass ein Default⁵⁴⁶ eintritt und der Kreditgeber dadurch einen Verlust erleidet. Dabei kann es zu einem Teil- oder Gesamtverlust kommen. Ändert sich 546 Ein Default ist ein anderes Wort für einen Zahlungsausfall. Es kann in manchen Fällen auch eine Umstrukturierung von Verbindlichkeiten sein. https://doi.org/10.1515/9783110659931-009

422 | 9 Kreditderivate

während der Kreditlaufzeit die Bonität des Schuldners, kann es aufgrund dieser Änderung ebenfalls zu Einschränkungen (wie vorzeitige Wertberichtigungen etc.) kommen. An sich kann gesagt werden, dass auf dem Bond Markt immer nur der Credit eines Schuldners betrachtet wird. Dieser bestimmt schlußendlich alle anderen Gegebenheiten.

Kredit-Ratings Ratingagenturen wie Moody’s, S&P und Fitch liefern Ratings, welche die Kreditwürdigkeit (Bonität) von Unternehmen und folglich von Schuldnern beschreiben. Dabei werden die einzelnen Firmen ge­ ratet und somit vergleichbar gemacht. Die Ausfallwahrscheinlichkeit wird mittels dieses Systems un­ tersucht und visualisiert. Im Anhang dieses Buches finden Sie eine Tabelle mit den einzelnen Rating­ gruppen sowie die durchschnittliche kumulierte Ausfallraten in Prozent.

Ausfallkorrelation Als Ausfallkorrelation bezeichnet man die Gefahr, dass zwei Bonds unterschiedlicher Emittenten im Zuge einer Insolvenz, von einem der beiden Emittenten, gleichzeitig also miteinander notlei­ dend werden. Grund hierfür kann unter anderem sein, dass ein Ereignis, welches auf Bond A lastet, auch gleichzeitig auf Bond B wirken kann, da das emittierende Unternehmen von den gleichen Au­ ßeneinflüssen beeinflusst wird. Beide bilden folglich eine Risikokorrelation aus.⁵⁴⁷

Credit VaR Als Credit VaR kann die Verlustsumme ermittelt werden, die während einer bestimmten Lauf­ zeit (zum Beispiel ein halbes Jahr) und zu einem bestimmten Konfidenzniveau (zum Beispiel mit 99,9 Prozent) nicht überstiegen wird. Es gelten hier, wie beim VaR, dieselben Annahmen und Ge­ gebenheiten.⁵⁴⁸

9.3 Welche Arten von Kreditderivaten gibt es? 9.3.1 Klassische Kreditderivate Bei klassischen Kreditderivaten handelt es sich um bilaterale Verträge zwischen ei­ nem Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber (vgl. Abbildung 9.1). Der Sicherungsge­ ber transferiert die Sicherung des Kredits an den Sicherungsnehmer und dieser gibt die Risiken zurück. Die zu bezahlenden Prämien werden aufgrund des Ratings, folg­ lich des Risikos eines Ausfalls bzw. eines Kreditereignis (Credit Event) berechnet. Die Prämien errechnen sich im Allgemeinen als Produkt aus der Wahrscheinlichkeit und dem erwarteten Verlust eines Ausfalls und stellen somit die Risikokosten dar.

547 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. 548 Vgl. Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate.

9.3 Welche Arten von Kreditderivaten gibt es? | 423

Sicherungsposition

Sicherungsgeber

Sicherungsnehmer

Bezahlt die Prämie

Evtl. Weitergabe des Risikos

Rating

Abb. 9.1: Kreditderivat⁵⁴⁹

Die unter Zuhilfenahme von Ratings berechneten Prämien für Kreditderivate werden meist als Spreads angegeben. Der Markt für diese Derivate ist international einheitlich, da nicht das Zinsgeschäft, sondern das Kreditrisiko bepreist wird und die Ratings international gleich gehandhabt werden. Durch diese Homogenität ist ein schneller Vergleich der Kreditrisiken weltweit möglich, was das aktive Marktgesche­ hen begünstigt. Wichtig ist, wie ein Ausfall definiert wird. Man spricht hier von einem Krediter­ eignis oder Kreditvorfall (Credit Event (vgl. Abbildung 9.2)). Es ist notwendig, dass beide Vertragsparteien dieses Ereignis klar und einheitlich definieren und einfach nachprüfen können, ob dieses eingetreten ist.

Sicherungsnehmer

Sicherungsgeber

1

1

2 3 4 Ausgleichszahlung 5

n

Abb. 9.2: Zahlungsströme des Sicherungsnehmers und Sicherungsgebers⁵⁵⁰

549 Commerzbank AG. 550 Commerzbank AG.

424 | 9 Kreditderivate

– – – – –

Kreditereignisse sind unter anderem folgende:⁵⁵¹ Zahlungsverzug des Schuldners Restrukturierung der Verbindlichkeiten Ausfall des Schuldners (Zahlungsunfähigkeit) und Insolvenz Aufschubgewährung Vorzeitiges Fälligstellen von Krediten

Es muss ferner noch die genaue Summe geklärt werden, welche übernommen wird, sowie deren Nominale. Es gilt, jegliche Bedingung wird klar und deutlich festgehalten und definiert. Denn nur dann kann es nicht zu ungewollten Verwirrungen kommen.

9.3.2 Moderne Kreditderivate Ein Credit Default Swap (CDS) (vgl. Abbildung 9.3) funktioniert im Prinzip wie eine „Put-Option“. Wenn es zum Kreditereignis (Credit Event)⁵⁵² kommt, wird er ausgelöst und das Kreditrisiko verkauft. Der Begriff Swap (engl. tauschen) kommt in diesem Zu­ sammenhang aus der Vergangenheit, bei dem eine Unternehmensanleihe gegen eine Staatsanleihe ausgetauscht wurde. Anders als bei einem klassischen Swap kommt der Austausch hier nur bei einem eingetretenen Kreditereignis zustande. Die Belieferung

Obligation (CDS)

Aktivum zur Bestimmung des Triggers für den Credit Event

Periodische oder einmalige Credit Fee Sicherungsnehmer

Sicherungsgeber Zahlung im Falle des Credit Events bzw. Abnahme der Deliverable Obligation gegen einen vereinbarten Preis

Obligation (Risikoaktivum)

Deliverable Obligation physical Delivery

Abb. 9.3: Credit Default Swap⁵⁵³

551 Vollständige Auflistung der „Credit Events“ in: 2003 ISDA Credit Derivatives Definitions. Arti­ cle IV – „Credit Events“. 552 Der jeweils zugrundeliegende Credit Event wird vertraglich im Vorhinein festgeschrieben. 553 Quelle: Commerzbank AG.

9.3 Welche Arten von Kreditderivaten gibt es? | 425

kann sowohl physisch als auch durch ein Cash-Settlement vorgenommen werden. Die Prämie setzt sich häufig aus einer Upfront-Zahlung bei Abschluss des CDS zuzüg­ lich einer optionalen jährlichen Zahlung zusammen (kann auch vierteljährlich etc. erfolgen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass es zu keiner Upfront-Zahlung kommt). Die Zeiten, in denen CDS nur von Banken abgeschlossen wurden, sind schon lange vorbei: In den vergangenen Jahren treten auch alternative Investoren in diesem Be­ reich auf. Denn ein CDS kann auch aktiv zum Erwirtschaften von Erträgen genutzt werden. Dabei muss man jedoch aktiv ins Risiko gehen, was nur sehr finanzstarken Investoren zu raten ist. Der Preis eines CDS gibt neben der Preisinformation über das Risiko, eine Infor­ mation über den Trend und eine Vergleichsgröße zu anderen Schuldnern. Damit ist der CDS ein transparentes „Preisinformationssystem“, welches Rückschlüsse über ei­ ne zukünftige Entwicklung zulässt. Da die Preise sich fortlaufend bilden bzw. ständig Spreads gestellt werden, ist dies ein transparentes System und ein sehr guter Indika­ tor. Vor allem wirkt dieser dann, wenn man sich die jeweiligen Peergroups betrachtet und die jeweiligen Schuldner in dieser vergleicht. Man kann sehr schnell und mit­ tels einer langen Zeitreihe Rückschlüsse über die Veränderung des CDS und somit des Risikos des Schuldners treffen. Damit gibt ein CDS mehr als nur einen Preis für eine Absicherung vor. Er ist vielmehr auch ein gutes Instrument zu Beurteilung der aktu­ ellen Situation. Dies gilt auch für die Einschätzung von ganzen Volkswirtschaften. Im Vergleich zu anderen vergleichbaren Volkswirtschaften kann man hier sehr aussage­ kräftige Schlüsse ziehen. Die Prämien eines CDS hängen von der risikobehafteten Kreditposition und deren Bonität ab. Je größer die Ausfallwahrscheinlichkeit, desto höher die zu bezahlende Prämie. Seit einigen Jahren gibt es für CDS standardisierte Vertragsbestandteile, wel­ che einen schnellen und unkomplizierten Vertragsabschluss gewährleisten. Die Inter­ national Swap and Derivatives Association (ISDA) mit Sitz in New York hat dazu 1999 (und seit damals fortlaufend) eine umfangreiche Handlungsempfehlung ausgespro­ chen. Mit dem ISDA-Master-Agreement sowie den für CDS notwenigen Anhängen (Annex CDS) verfasste sie einen standardisierten Vertrag, mit dessen Hilfe die beiden vertragsschließenden Parteien schnell, zielgerichtet und rechtssicher arbeiten kön­ nen. Grundsätzlich müssen in einem CDS Vertrag folgende Grundgegebenheiten ent­ halten sein:⁵⁵⁴ – Referenzschuldner (Reference Entity) – Kreditereignis (Credit Event) – Anhand welcher Aktiva kann das Kreditereignis festgestellt werden? – Startzeitpunkt des CDS – Laufzeit des CDS

554 Vgl. Wöhe, Bilstein, Ernst, Häcker: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, Vahlen 2009.

426 | 9 Kreditderivate

– – – –

Nominalwert des CDS Prämienhöhe (meist in Basispunkten vom Nominalwert angegeben) Art der Leistung des Sicherungsgebers beim Eintritt des Kreditereignisses Physische Lieferung oder Cash-Settlement

Die Abbildung 9.3 zeigt die Zahlungsströme eines CDS auf. Klassische Kreditarten Zu den klassischen Refinanzierungarten für Corporates gehören z. B. Bankkredite, Anleihen und Schuldscheindarlehen. Je nach deren Ausgestaltung sind diese für den Investor von Vorteil oder aufgrund der Konzeption eher nicht zu gebrauchen. Gerade Anleiheemissionen und auch Schuld­ scheindarlehen (Einlagensicherung unterlegt für den Kreditgeber)⁵⁵⁵ sichern einem Investor mittelund langfristig Liquidität. Diese werden über den Markt bzw. OTC weitergehandelt und stellen damit die Finanzierung auf eine Breite Basis. Das Bankdarlehen zählt zu den klassischsten Finanzierungs­ formen.⁵⁵⁶

9.4 Bewertung von Credit Default Swaps (CDS) Als Marktstandard zur Bewertung von Credit Default Swaps (CDS) hat sich das Re­ duced-Form-Modell durchgesetzt (vgl. Abbildung 9.4). Die Bewertung beruht hierbei auf den Barwerten zweier Zahlungsströme: Ein Cashflow beschreibt die Prämienseite (Prämienzahlungen), ein zweiter die Ausfallzahlungen. ST =

(1 − R) ∑ m j=1 [P(0, t j ) − P(0, t j−1 )] × DF(0, t j ) ∑m j=1 ∆(t j−1 , t j ) × DF(0, t j ) × (t − P(0, t j ))

Eine weitere Möglichkeit der Bewertung von Kreditrisiken ist in der Verwendung von Aktienmarktdaten. Dabei sprechen zwei Argumente für die Verwendung des so­ genannten Structural Model: – Es gilt, einen Credit Default auf eine Referenz zu ermitteln, welche keine Unter­ nehmensanleihen emittiert hat. – Bewertung des inhärenten, marktimplizierten Risikos in Form einer Ausfall­ wahrscheinlichkeit auf das Referenzunternehmen. Intensitätsmodelle verwen­ den CDS-Spreads zur Bestimmung von Ausfallwahrscheinlichkeiten. Steht diese Informationsquelle nicht zur Verfügung, werden Structural Models eingesetzt. In der Praxis erfolgt hauptsächlich die Verwendung des Reduced-Form-Modells. Da­ her wird dieses Modell auch stärker in der Literatur hervorgehoben.⁵⁵⁷ 555 Nur bei „Nichtkreditinstituten“, also beispielsweise kein Schutz für Banken oder Versicherungen. 556 Vgl. Wöhe, Bilstein, Ernst, Häcker: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, Vahlen 2009. 557 Vgl. o. V. DVFA, Ausgabe 06/07 „Standards zur Bewertung von Kreditderivaten“.

9.5 CDS – Ein Instrument zur Beurteilung von Marktsituationen

ParSpreads

Swap-Kurve

Obligation

Interpolation auf CDSFrequenz

Iterative Berechnung der Zero-Rates

Berechnung der Kupontermine

Recovery Rate

Interpolationsmethoden

Tagezählkonventionen

Anpassung Zahlungszeitpunkte

Bestimmung der Diskontfaktoren

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Berechnung Accrued

Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeiten

Bewertung CDS - Bestimmung des fairen Spreads

Teilprogramm: Bootstrapping zur Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeiten

Lösungsverfahren

Abb. 9.4: CDS Bewertung nach DVFA⁵⁵⁸

Kreditoptionen bzw. Optionen auf Kreditausfallrisiken werden mit den Bewer­ tungsansätzen nach Longstaff und Schwartz⁵⁵⁹, Das⁵⁶⁰ oder mit den Modellen von Jarrow, Lando und Turnbull⁵⁶¹ bewertet.

9.5 CDS – Ein Instrument zur Beurteilung von Marktsituationen Die CDS von Banken und von Staaten (Sovereign Debt) werden immer wieder als Indikator dafür verwendet, um zu beurteilen, wie es um die Zahlungsfähigkeit und Bonität einer Institution steht. Es wird folglich nicht nur das Instrument als solches betrachtet, sondern über das Instrument versucht man einen Überblick über die ak­ tuelle Situation zu bekommen. Somit ist der CDS neben seiner eigentlichen Funktion, dem Übertragen von Kreditrisiken, zu einem Preisindikator und zu einem Aussage­ instrument herangewachsen, welches auch von Marktteilnehmern genutzt wird, wel­ che den CDS früher nicht gehandelt haben (z. B. Wealth-Management-Einheiten zur Beurteilung von Makroszenarien). Die Abbildung 9.5 zeigt die CDS-Level von Staaten auf. Sehr gut erkennbar ist hier die Volatilität der jeweiligen Schuldnerstaaten. Man kann ebenfalls sehr gut erkennen,

558 Quelle: DVFA, Ausgabe 06/07 „Standards zur Bewertung von Kreditderivaten“. 559 Vgl. Longstaff/Schwartz 1995a. 560 Vgl. Das, S.: Credit Risk Derivatives (1995). 561 Jarrow und Turnbull bewerten Optionen auf riskante Anleihen mittels Martingal-Maßstäben und verweisen hierbei ausdrücklich auf Kreditderivate, vgl. Jarrow/Turnbull (1995).

428 | 9 Kreditderivate

Abb. 9.5: CDS Sovereign Debt⁵⁶²

Abb. 9.6: Funding-Spreads von exemplarisch ausgewählten Emittenten (Laufzeit 5 Jahre über 1 Jahr normiert)⁵⁶³ 562 Quelle: Bloomberg. 563 Quelle: Bloomberg.

9.5 CDS – Ein Instrument zur Beurteilung von Marktsituationen |

429

wie die jeweiligen Staaten sich in den verschiedenen Marktphasen verhalten haben. Dies lässt eine Aussage über deren Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten zu. Abbil­ dung 9.7 zeigt große Banken. Hier kommt im Financial Engineering ein spezielles Augenmerk dazu. Das Counterparty-Risiko, welches man sehr gut im CDS ablesen kann. Je höher das Risiko ist, welches von der Gesamtheit des Marktes gesehen wird, desto höher müssen die „Funding-Spreads“ respektive die Aufschläge für das Risiko in einem Produkt sein. Diese unterschiedlichen Funding-Spreads sind der Abbildung 9.6 zu entnehmen. Diese zeigt die Funding-Spreads von unterschiedlichen Emittenten auf. Da das Counterparty-Risiko nicht erst seit der Insolvenz von Lehman Brothers ein wichtiges Entscheidungskriterium ist, sollte man sich hierzu Gedanken machen. Jedoch durch die Einführung der CCP Clearing Verpflichtung für viele Derivate, ist das klassische Counterparty Risk heute anders zu beurteilen. Da die Erfüllung, bei der Abwicklung über dieses, durch das CCP garantiert wird. Dennoch sollte man sich das Risiko eines Counterparts immer vor Augen führen. Denn dieses determiniert unter anderem die Kondition des Geschäftes.

Abb. 9.7: CDS ausgewählter großer Geschäftsbanken⁵⁶⁴

Zusammengefasst kann somit konstatiert werden, dass der CDS-Markt, neben seiner originären Funktion eine nicht unwichtige Rolle bei der reinen Informationsgabe, bei der Orientierung und Beurteilung von Risiken spielt. 564 Quelle: Bloomberg.

430 | 9 Kreditderivate

Funding-Spread Unter einem Funding-Spread versteht man den Aufschlag, der je nach Emittenten, auf die risikolose Rendite bezahlt werden muss. Somit wirkt sich der Funding-Spread renditeerhöhend aus.⁵⁶⁵ Aus dem Funding-Spread werden unter anderem konstruktionsbedingte Zahlungen geleistet.

Risikolose Rendite (Risk Free Rate) Unter einer risikofreien Rendite versteht man zum Beispiel die Rendite des EURIBOR (bei OvernightTransaktionen des EONIA) oder des LIBOR (Euro und andere Währungen). Diesen wird keine Risiko­ prämie aufgeschlagen. Der risikofrei Zins ist somit eine „Nullrisikobetrachtung“. Er gilt als Ausgangs­ grundlage für Zinsberechnungen bzw. wird in Fristentransformationen als Grundlage angewandt. Mit der Einführung der neuen robusten risikolosen Zinssätze verändert sich die Herleitung dieser Zinssät­ ze und die Produkte werden ausgetauscht. Die genaue Vorgehensweise hierzu finden Sie im Kapitel 5.

08.01.2013 11:07 Uhr EURIBOR1YD=X-EURIBOR3MD=X-EONIA=X QEURIBOR1YD=X, PRICE, 0.55 QEURIBOR3MD=X, PRICE, 0.192

QENIA=X, PRICE, 0.066 5 Jahre [Monat] 5,0000 4,5000 4,0000 3,5000 3,0000 EURIBOR 1 Jahr 2,5000 2,0000

EURIBOR 3 MONATE

1,5000 1,0000 0,55 0,5000

EONIA 2008 Apr

Jul

Okt

2009 Apr

Jul

Okt 2010

Apr

Jul

Okt

2011 Apr

Jul

Okt

2012 Apr

Abb. 9.8: EURIBOR 3 Monate und 1 Jahr, EONIA seit 2008 bis 2013 (Anfang)⁵⁶⁶

565 Quelle: Landesbank Berlin. 566 Quelle: Thomson Reuters.

Jul

Okt

9.6 Was sind verbriefte Kreditderivate? |

431

9.6 Was sind verbriefte Kreditderivate? Die verbrieften Kreditderivate (oftmals auch als bonitätsabhängige Anleihen be­ zeichnet) nennt man z. B. Credit Linked Notes (CLN).⁵⁶⁷ Sie basieren auf Credit Default Swaps (CDS) und beinhalten darüber hinaus das Emittentenrisiko.⁵⁶⁸ Die CLN werden als Wertpapier emittiert und auch an Retail-Kunden⁵⁶⁹ verkauft (vgl. Ab­ bildung 9.9). Zu beachten ist, dass bei einem Kreditereignis die Rückzahlung des CLN nicht mehr der Nominalen entspricht. In der Regel wird der Verwertungserlös aus­ bezahlt. Als Wertpapier unterliegen CLN auch dem Rating des Emittenten und damit dessen Kreditrisiko. Das Gesamtrisiko setzt sich somit aus dem Risiko des CDS sowie dem Bonitätsrisiko des Emittenten zusammen. Anleihebetrag Kuponzahlung Emittent

Anleihegläubiger Rückzahlung zum Nennwert bzw. im Falle eines Kreditereignisses den Liquidationserlös des CLN

Referenzschuldner

Verbindlichkeit

Abb. 9.9: Aufbau eines CLN mit Cash-Settlement

Szenario 1: Der verbriefte Kredit wird vom Schuldner ordnungsgemäß bedient und es kommt zu keinen Leistungsstörungen. Der CLN wird folglich ebenfalls normal bedient

567 Die hier dargestellte Funktionsweise ist die von Banken genutzte. Sollte es sich beim Emittenten um eine Zweckgesellschaft handeln, welche extra zu diesem Zweck gegründet worden ist, so wird die Umsetzung über einen SPV (Special-Purpose-Vehicle) dargestellt. 568 Vgl. Insolvenz Lehman Brothers 2008 im Zuge der Finanzkrise. 569 Aufnahme in die Portfolien von Privatkunden; Das BaFin hat sich in einer klaren Anweisung ge­ gen einen Verkauf an Retail Kunden ausgesprochen (Vertriebsverbot für Bonitätsanleihen). Die Umset­ zung erfolgte nicht (BaFIN hat 2017 davon abgesehen). Es ist jedoch von vielen Ebenen immer wieder mit verschiedenen Produktverboten für Retail Kunden zu rechnen. Diese kommen immer dann ins Gespräch, wenn durch eine Marktbewegung hier Schäden entstehen.

432 | 9 Kreditderivate und der Investor erhält seine Zinsen (an jedem Zinszahlungstermin t1 − t7 ) und das einbezahlte Kapital am Ende der Laufzeit (t7 ) (vgl. Abbildung 9.10). Das Produkt verlief störungsfrei.

Investition t 0

Kapitaldienst über n Zeiteinheiten

Rückzahlung t +7

Abb. 9.10: CLN ohne Kreditereignis

Szenario 2: Der verbriefte Kredit wird vom Schuldner nicht mehr ordnungsgemäß bedient und es kommt zu Leistungsstörungen bzw. zu Kapitalveränderungen (kann gleich die Insolvenz, Kapitalschnitt etc. sein). Das Kreditereignis ist somit einge­ treten. Der CLN wird nun nicht weiter bedient, sondern gemäß seinen Abwicklungs­ bedingungen (stehen im Emissionsprospekt) abgewickelt. In Abbildung 9.11 ist gut zu erkennen, dass es nach t3 zu einem Kreditereignis kommt und folglich die Zinszah­ lungen t4−7 sowie die Rückzahlung t7 davon betroffen sind bzw. nicht mehr bedient werden. Der CLN wird abgewickelt.

Investition t 0

Kapitaldienst über n Zeiteinheiten

Feststellung Default (Leistungsstörung) Zeitpunkt nach t 3

Abwicklung CLN

Abb. 9.11: CLN mit Kreditereignis

Eine Alternative zu den CLN sind die sogenannten CDO (Collateralized Debt Obliga­ tions). Hierbei handelt es sich um emittierte Wertpapiere eines Instituts, welches die Bonds im Portfolio hat, um damit die CDOs decken zu können. Nur im Falle eines synthetischen CDO liegen keine Bonds im Portfolio, sondern Kreditderivate (z. B. CDS). Unser kurzer Überblick zeigt somit, dass Kreditderivate grundsätzlich vorhanden sind, um Risiken zu transferieren; aus diesem Ursprung sind sie entstanden. Heute ist der Markt für Kreditrisiken ein sehr vielfältiger und großer Markt geworden. Kre­ ditderivate werden von professionellen Investoren bzw. Corporates gehandelt. Auch

9.7 Probleme am Verbriefungsmarkt nach der Finanzkrise 2007

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433

private Investoren sind meist mit CLN an Kreditderivaten beteiligt. Doch hierbei ist darauf zu achten, dass der private Investor sich über die Risiken eines solchen Ge­ schäfts im Klaren ist und diese auch aus seiner Liquiditätsplanung tragen kann. Im Worst-Case-Szenario – im Falle eines Kreditereignisses – muss i. d. R. ein Komplett­ verlust hingenommen werden. Dies kann einem Investor jedoch auch bei einem Unsecured-Bond-Investment passieren. Man kann abschließend sagen, dass ein CLN neben dem klassischen Adressausfallrisiko noch das Ausfallrisiko des Emittenten besitzt, welches eingepreist wird und über die Funding-Rate zu erkennen ist. Dies gestaltet den CLN jedoch auch von der Kondition anders als einen klassischen Bond des Schuldners.

9.7 Probleme am Verbriefungsmarkt nach der Finanzkrise 2007 Im Zuge der Finanzmarktkrise ab 2007 kam es zu drastischen Problemen am Verbrie­ fungsmarkt, was schließlich in einen kompletten Stillstand des Marktes mündete. Die Spreadaufschläge (vgl. Abbildungen 9.12 und 9.13) nahmen nach der Insolvenz von Lehman Brothers drastisch und sprunghaft zu. Ein Weiterverkauf von bestehenden Verbriefungen bzw. eine Neuverbriefung war faktisch nicht mehr möglich. Auf die Be­ stände mussten große Abschreibungen vorgenommen werden. Diese Entwicklung zeigt die Problematik einer Kreditverbriefung auf. Nur in funk­ tionierenden, risikoaufnehmenden Märkten kann ein Handel mit diesen verbrieften Risiken funktionieren. In Krisenzeiten (Rezession, Depression) ist eine Übertragung von Kreditrisiken faktisch nicht möglich. Das Kriterium, dass in einer Krisenzeit die Fungibilität der Kredite nicht mehr gewährleistet ist, muss einen Investor vor Ab­ schluss einer solchen Transaktion beschäftigen. Die Zeit nach der Krise hat jedoch auch gezeigt, dass der Markt zu alter Stärke zurückfinden kann. Oft geht eine solche Rückkehr jedoch mit Änderungen der Regel­ werke einher. Wie schnell und stark sich die Regulatorik eines Marktes ändern kann, haben wir in den vergangenen Jahren auch erfahren müssen. Durch ein deutliches Anziehen der Regulatorik in Deutschland und Europa, der Transparenzvorschriften und der Überwachung der Umsetzung dieser, haben die Gesetzgeber auf die vergan­ gene Krise und deren Auswirkungen reagiert. Viele Banken haben daher beschlossen Teile des Geschäftes nur noch für bestimmte Kundengruppen oder gar nicht mehr an­ zubieten. Die Vielfalt der Produkte und Möglichkeiten wurde dadurch reduziert und eingeschränkt. Die Anforderungen an das Eigenkapital, die Kosten für die Regulatorik und der Aufwand der Umsetzung zwangen einige Häuser hierzu drastische Maßnah­ men zu ergreifen bzw. das Geschäftsfeld umzubauen. Was damit einher geht, ist eine Verschiebung von Anbietern und deren Geschäftssitz. Es bleibt spannend abzuwar­ ten, wie sich das regulatorische Umfeld im Finance-Bereich weiter entwickelt.

570 Quelle: LBBW und Bloomberg.

Abb. 9.12: Euro-Neuemissionen (klassisch) inkl. Spreadaufschläge über CDS⁵⁷⁰

240 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 -20 Lehman-Default

EDF 5 02/05/18 OTE 6 02/12/15 OTE 5 3/8 02/14/11 BATSLN 5 7/8 03/12/15 COFP 6 3/8 04/04/13 KPN 6 1/2 01/15/16 DIAG 5 1/2 07/01/13 WKLNA 6 3/8 04/14/15 DT 5 3/4 04/14/15 AALLN 5 7/8 04/17/15 AUCHAN 5 04/29/13 EDF 4 7/8 05/06/15 BNFP 5 1/2 05/06/15 BNFP 5 1/4 05/06/11 EOANGR 5 3/4 05/07/20 EOANGR 5 1/8 05/07/13 WPPLN 6 5/8 05/12/16 IBESM 5 1/8 05/09/13 IBESM 5 5/8 05/09/18 VW 5 1/8 05/19/11 BMW 5 05/28/15 UNANA 4 7/8 05/21/13 RENAULT 5 1/4 05/27/11 FRTEL 5 1/4 05/22/14 FRTEL 5 5/8 05/22/18 EDF 5 05/30/14 EDF 5 3/8 05/29/20 EOANGR 5 1/4 06/06/14 TELEFO 5.58 06/12/13 CAFP 5 3/8 06/12/15 SIEGR 5 3/8 06/11/14 SIEGR 5 1/4 12/12/11 SIEGR 5 5/8 06/11/18 BOUY 6 1/8 07/03/15 BRITEL 6 1/2 07/07/15 SSELN 6 1/8 07/29/13 BNFP 5 1/4 05/06/11 VW 5 1/2 02/12/10 SIEGR 5 1/4 12/12/11 SIEGR 5 5/8 06/11/18 EOANGR 5 1/4 09/08/15 EOANGR 5 09/08/11 EDF 5 1/8 09/12/18 DAIGR 5 7/8 09/08/11 DAIGR 6 1/8 09/08/15 DT 5 7/8 09/10/14 LINGR 5 3/8 09/12/13 SCOFP 7 1/4 09/16/13 IMTLN 7 1/4 09/15/14 KPN 6 1/4 09/16/13 DSM 4 11/10/15 GSZFP 6 7/8 01/24/19 GSZFP 6 1/4 01/24/14 RWE 5 3/4 11/20/13 RWE 6 5/8 01/31/19 ENBW 6 11/20/13 ENBW 8 7/8 11/20/18 BMW 8 7/8 09/19/13 IBESM 7 1/2 11/25/15 IBESM 6 3/8 11/25/11 EOANGR 4 3/4 11/25/10 ENIIM 5 7/8 01/20/14 CAFP 6 5/8 12/02/13 BNFP 6 3/8 02/04/14 VATFAL 5 3/4 12/05/13 VATFL 6 3/4 01/31/19

434 | 9 Kreditderivate

Literaturhinweise zu diesem Kapitel |

435

Abb. 9.13: CDS-Aufschläge der einzelnen Banken in Basispunkten⁵⁷¹

CCP Clearing für OTC Derivate Im Zuge der Finanzmarktkrise wurden Möglichkeiten geschaffen, CDS über ein Clearingsystem von ICE Clear Europe und über die Eurex Credit Clear abzuwickeln (als Zentralabwicklungsstelle; CCP = Central Counterparty). Die damit geschaffene Möglichkeit bringt Transparenz und Klarheit. Auch wenn heute erst ein kleiner Teil über diese Art von Systemen abgewickelt wird, gehört ihnen die Zukunft. Das CCP schafft einen transparenten und sicheren Abwicklungsweg für OTC-Derivate. Dies ist nicht nur auf die Kreditderivate beschränkt, sondern erfasst jegliche Art von OTC-gehandelten De­ rivaten. Durch die Anbindung an ein CCP ist es auch für den Regulator einfacher, statistische Zahlen über das gehandelte Volumen und über die Risikopositionen zu erheben. In der Vergangenheit haben die über die Terminbörsen gehandelten und über die jeweiligen CCP abgewickelten Geschäfte gezeigt, wie zielführend dies ist.

Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit Kreditderivaten beschäftigt. Wir sind dabei von den klassischen Kreditderivaten zu den modernen und hochstrukturierten Kreditderivaten gekommen. Wir haben uns CDS genauer angeschaut, deren Funktionsweise besprochen und aufgezeigt, warum diese mehrfach wichtig für uns sind. Wir sind auf die Preisfindung eingegangen. Des Weiteren ha­ ben wir uns dem Credit VaR gewidmet uns angeschaut, was Ausfallkorrelationen sind und wo und wie diese wirken. Wir haben das Thema modernes Kreditrisikomanagement aufgezeigt und darge­ stellt, wie man mit diesen Instrumenten umgehen kann. Auch haben wir verbriefte Kreditderivate, welche auch zu Anlagezwecken Verwendung finden betrachtet.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Hull John, C.: Optionen, Futures und andere Derivate, 8. Auflage 2012 Madura, Jeff: International Financial Management, 6th edition 2004 Spremann, Klaus: Finance, 3. Auflage 2007 Wiedemann, Arnd: Bewertung von Finanzinstrumenten, 4. Auflage 2007 Wöhe, Bilstein, Ernst, Häcker: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, Vahlen 2009

571 Quelle: Bloomberg.

436 | 9 Kreditderivate

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Warum sind Kreditderivate so immanent wichtig? Frage 2: Wie werden Kreditderivate (CDS) bewertet? Frage 3: Was ist ein CLN? Frage 4: Werden Kreditderivate nur OTC gehandelt? Frage 5: Ist die Aussage richtig: Der Markt der Kreditderivate ist in der Finanzkrise liquide ge­ blieben! Antwort zu Frage 1: Kreditderivate bieten die Möglichkeit, Kreditrisiken auf eine weitere Partei zu übertra­ gen und sich somit der Risiken zu entledigen. Antwort zu Frage 2: Die Bewertung wird anhand des Reduced Form Model oder des Structural Model durchgeführt. Dabei kommt das erstgenannte in der Praxis deutlich öfter vor. Antwort zu Frage 3: Bei einem CLN handelt es sich um ein verbrieftes Kreditderivat in Form eines Credit Linked Note. Antwort zu Frage 4: Nein, diese können auch über Börsen gehandelt werden. Auch die Möglichkeit eines OTC-Trades mit einer CCP-Abwicklung besteht. Antwort zu Frage 5: Nein, die Aussage ist falsch. Im Zuge der Finanzkrise 2007 ist der Markt der Kredit­ derivate faktisch eingebrochen. Fehlende Bewertungen und Kreditausfälle führten zu starken Abschreibungen.

10 Wetterderivate In Kapitel 10 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – – –

Was sind die Grundlagen für Wetterderivate? Welche Wetterderivate sind klassisch handelbar? Welche Instrumente kommen zum Einsatz? Wie werden Wetterderivate bewertet? Wie erfolgt der Handel in Wetterderivaten? Welche Marktteilnehmer treten im Handel auf?

10.1 Grundlagen Wetterderivate Wenn man von Wetterderivaten spricht, so spricht man von Derivaten, deren Under­ lying zum Beispiel die Niederschlagsmenge, Sonnenstunden oder die Lufttempera­ tur sind. Folglich, Derivate welche in einem direkten Zusammenhang mit unserem Wetter stehen.⁵⁷² Hierbei ist festzuhalten, dass Wetterderivate nicht physisch beliefert werden können, noch, dass diese als klassische und gängige Instrumente anzusehen sind. An sich werden diese nur von großen institutionellen Investoren gehandelt. Diese versuchen zum Beispiel über Wetterderivate Risiken an andere Marktteilnehmer zu übertragen.⁵⁷³ Grundsätzlich können wir bei Wetterderivaten zwischen den beiden bekannten Gruppen der bedingten (Optionen) und unbedingten Derivaten (Fu­ tures und Swaps) unterscheiden. Auch kommen Kombinationen (z. B. in Form von Collar, Straddle und Strangle) zum Einsatz. Alle Derivate werden am Laufzeitende oder bei Ausübung durch ein Cash-Settlement ausgeglichen. Ebenfalls sind hybride Wetterderivate wie Weather Indexed Bonds, Weather In­ dexed Loan oder Weather Indexd Interest Rate Forward möglich. Diese exotischen Varianten gelten als Hybridformen der klassischen Wetterderivate, da diese eine Ver­ knüpfung aus Plain Vanilla Instrument z. B. Bond und einer wetterabhängigen Kom­ ponente (umgesetzt durch das Wetterderivat) darstellen.

10.2 Was für Wetterderivate sind klassisch handelbar? Nach Angaben der Weather Risk Management Association (WRMA) werden ein Groß­ teil aller Wetterderivate mit dem Underlying Heating Degree Days (HDD) angeschlos­

572 Das Wetter wird hierbei von neutralen und extra ausgesuchten Wetterstationen aufgezeichnet und untersucht/dokumentiert. 573 Vgl. Müller, A.; Grandi M.: Wetterderivate zur Absicherung von Wetterrisiken (2000). https://doi.org/10.1515/9783110659931-010

438 | 10 Wetterderivate

sen. Gefolgt vom Underlying Cooling Degree Days (CDD). Die oftmals als erstes in Sinn kommenden Wetterrisiken wie Sturm, Schnee, Wind, Regen etc. spielen eine deutlich kleinere Rolle und kommen somit auch seltener zum Einsatz. Abbildung 10.1 zeigt die handelbaren Underlyings nochmals auf.

Wetterderivate Temperaturabhängiger Engergieverbrauch

HDD

CDD

Wetteranomalien

Sturm, Hagel, Regen, Schnee, Wind, ect.

Abb. 10.1: Übersicht Wetterderivate nach Gruppen

Bei den CDD und HDD Absicherungen handelt es sich im Wesentlichen um die Tage, an denen außerhalb der Durchschnittstemperatur (gerechnet auf einen gewissen Wir­ kungskreis und einer im Vorhinein festgelegten Range) geheizt oder gekühlt werden muss. Es wird demnach der Mehrenergieverbrauch für diese Tage abgesichert. Denn jeder Tag, welcher hier von der durchschnittlichen Temperatur abweicht entscheidet über einen Energiemehrverbrauch, welcher auch mit einer Kostensteigerung zu bele­ gen ist. Dies ist vor allem für bestimmte Einrichtungen von großer Bedeutung. Denken wir an große Krankenhäuser, Einkaufszentren oder große Büroanlagen. Vor allem in Altbauten, welche nicht mit Passivenergiesystemen ausgestattet sind, kommt es hier zu einer deutlichen Zunahme des Verbrauchs und somit der produzierten Kosten. Dies gilt sowohl für Tage, an denen zusätzlich geheizt wie auch an denen außerhalb der Re­ gel die Klimatechnik zum Kühleinsatz kommen muss, um ein angenehmes Raumklima zu gewährleisten. In beiden Szenarien steigt der Energieverbrauch deutlich an.⁵⁷⁴ Es besteht somit eine starke Wechselwirkung zwischen der Tagestemperatur und dem Energieverbrauch des Tages und somit der für den Tag entstandenen Kosten.⁵⁷⁵ Alternativ können jedoch auch verschiedene Wetterszenarien und Wetteranoma­ lien Grundlage für Wetterderivate sein. Das wahrscheinlich bekannteste ist der Hur­ rikan-Future, mit dem man sich für gewissen Regionen der Erde gegen eine solche Naturkatastrophe absichern kann. Das Derivat wird in diesem Fall, wie ein Versiche­ rungsvertrag eingesetzt. Das versicherte Ereignis, ist die Naturkatastrophe. Gerade in den USA, aber auch in Europa, gäbe es eine Vielzahl von Gebieten (z. B. ölproduzie­ rende Bundesstaaten in den USA etc.),⁵⁷⁶ welche hier handelbar wären.

574 Vgl. Schirm, A.: Wetterderivate – Einsatzmöglichkeiten und Bewertung (2001). 575 Vgl. Becker H.; Bracht, A.: Katastrophen und Wetterderivate (1999); Bergschneider C.: Risikoma­ nagement im Energiehandel (1999). 576 Vgl. ehemaliges Angebot der Eurex.

10.3 Welche Instrumente kommen zum Einsatz?

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439

10.3 Welche Instrumente kommen zum Einsatz? Ein Großteil der heute gehandelten Wetterderivate wird in Form von bedingten Deri­ vaten gehandelt (Optionen).⁵⁷⁷ Das vorhandene Wahlrecht ist gerade bei Wetterano­ malien und den damit verbundenen Gegebenheiten von großer Bedeutung. Denn das Wahlrecht und das damit verbundene asymmetrische Auszahlungsprofil bieten hier Vorteile. Übt der Käufer die Option aus, so hat er seine Absicherung ausgelöst und kompensiert sein nicht eingetretenes Grundgeschäft. Übt er jedoch nicht aus, so sind alle Grundannahmen eingetreten und er benötigt die Absicherung nicht. So werden: – HDD Calls zur Absicherung gegen einen kalten Winter, – CDD Calls zur Absicherung gegen einen warmen Sommer, – HDD Puts zur Absicherung gegen einen zu milden Winter und – CDD Puts zur Absicherung gegen eine zu kühlen Sommer gehandelt.⁵⁷⁸ Auch die schon angesprochenen Future-Kontrakte sowie Swap-Transaktionen sind jederzeit handelbar. Futures, welche an Terminbörsen standardisiert handelbar sind, haben den Vorteil einer schnellen und zielführenden Übertragbarkeit. Leider nimmt die Standardisierung auch viele für diese Transaktion ggf. notwendige Indivi­ dualisierung heraus. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass wenn in diesen Produkten kein Marktet Making angeboten wird, diese Kontrakte an den Terminbörsen nicht angenommen werden.⁵⁷⁹ Nur wenn ein aktives und fortlaufendes Market Making gewährleistet ist, kommt es auch zur Verlagerung der OTC Transaktionen auf die Bör­ senplattformen.⁵⁸⁰ Forward-Transaktionen, welche bilateralen individuellen unbe­ dingten Termingeschäften entsprechen, können hier Abhilfe schaffen. Diese kommen vermehrt zum Einsatz, wenn es nicht um den Grad der Standardisierung, sondern wenn es um eine spezielle und individuelle Vertragsgestaltung geht. Market Making bei Wetterderivaten Wie bei allen Derivaten ist auch bei Wetterderivaten das Market Making von großer Bedeutung und Wichtigkeit. Nur wenn durch dieses ein aktiver und fortlaufender Handel gewährleistet wird, werden sich Marktteilnehmer zur Abwicklung der Geschäfte über die Terminbörse entscheiden. Denn nur so ist sichergestellt, dass ich ein Geschäft fortlaufend handeln und somit schließen bzw. erneut eröffnen kann.

Die bereits angesprochenen Swap-Transaktionen haben wie Futures/Forwards ein symmetrisches Auszahlungsprofil. Dies ist für viele Marktteilnehmer nicht das ge­

577 Vgl. Schirm, A.: Wetterderivate – Einsatzmöglichkeiten und Bewertung (2001). 578 Vgl. Schirm, A.: Wetterderivate – Einsatzmöglichkeiten und Bewertung (2001). 579 Eurex – Gespräch mit Produktmanagement. 580 Dies ist auch der Grund, warum die Eurex den Handel mit Wetterderivaten wieder eingestellt hat.

440 | 10 Wetterderivate

wünschte Pay-off. Da diese lieber, wie bei einem Versicherungsvertrag, erst bei Ein­ tritt des Zahlungsumstandes ein Auslösen des Derivates wünschen. Abbildung 10.2 zeigt die jeweiligen Derivatearten nochmals in der Übersicht auf.

SWAP

Futures

Wetterderivate

Forward

Optionen

Abb. 10.2: Instrumente im Handel mit Wetterderivaten

10.4 Wie werden Wetterderivate bewertet? Wie von Zimmermann, Jäger und Jovic im Jahr 2001 vorgestellt wurde, stößt das Black-Scholes Modell bei Wetterderivaten sehr schnell an seine natürlichen Grenzen. Die Hintergründe hierzu sind vielschichtig. Als Grundlegend kann man nennen, dass Black-Scholes nur dann korrekte Daten liefert, wenn die Basiswerte real vorhanden sind und deren prozentuale Veränderung durch eine Normalverteilung zu beschrei­ ben ist. Die bei Wetterderivaten benötigten stochastischen Prozesse folgen anderen Gegebenheiten (kein Markov Prozess) und werden unter anderem von Autokorre­ lationen geprägt. Dies lässt sich durch einen klassischen Random-Walk nicht abde­ cken. Eine weitere sehr interessante Erkenntnis ist, dass Wetterderivate abhängig von den gemessenen bzw. beobachteten Wetterdaten sind. Diese unterscheiden sich grundsätzlich von an Börsen festgestellten und gut nachvollziehbaren Börsenkur­ sen.⁵⁸¹ Um diesen Gegebenheiten zu begegnen, bedient man sich bei der Bewertung von Wetterderivaten zum einen der Burning-Cost-Methode, bei der die Schadenslast be­ rechnet wird (als hätte der Kontrakt schon immer bestanden; Methode der Rückver­ sicherer). Alternative Verfahren sind die Index Value Simualtion Method (IVSM), mit der unter dem No-Arbitrage-Argument in einer für die Teilnehmer risikoneutral

581 Vgl. Zimmermann, H; Jäger, S; Jovic, D: Bedeutung, Bewertung und Einsatz von Wetterderivaten (2001).

10.6 Welche Marktteilnehmer treten im Handel auf? | 441

gewichteten Welt argumentiert wird⁵⁸² und dem von Cao und Wei konzipierten DailySimulation Modell, welches jedoch nur für temperaturanhängige Derivate nutzbar ist. Ausgleichszahlungen bei Wetterderivaten Bei Wetterderivaten kommt es i. d. R. zu einer Ausgleichszahlung, welche analog einer Versicherungs­ leistung zu definieren ist. Hierbei werden Monte-Carlo Simulationen zur Bestimmung der Ausgleichs­ zahlung eingesetzt. Des Weiteren werden diese zur Simulation der jeweiligen Derivate während der Laufzeit und damit auch zur Bestimmung deren Risikogehaltes genutzt.

10.5 Handel von Wetterderivaten Ein Großteil aller Wetterderivate werden OTC gehandelt. Individuelle und vor allem genau auf die Kundengruppe zugeschnittene Derivate dominieren hier das Bild. An den Terminbörsen haben sich standardisierte Kontrakte nur bedingt durchgesetzt. Dies war auch der Grund dafür, dass die Terminbörse Eurex sich dazu entschlossen hat, das Segment mit Wetterderivaten einzustellen.⁵⁸³ Die Chicagoer Terminbörse CME-GROUP bietet sowohl für die USA (8 Städte) als auch ausgewählte Städte in Europa (2 Städte) Wetterderivate an. Diese werden im Falle der USA auf HDD und CDD Indices gehandelt. Bei den beiden europäischen Städten sind es HDD und Cumulative Average Temperature (CAT) Kontrakte. Dabei wird als Referenzwert 65∘ Fahrenheit (dies entspricht ca. 18,33∘ Celsius, was für die Europa Kontrakte auf 18∘ Celsius normiert wird) angenommen.⁵⁸⁴

10.6 Welche Marktteilnehmer treten im Handel auf? Der Markt für Wetterderivate ist stark von institutionellen Investoren geprägt. Dieser Umstand wird durch zwei maßgeblichen Faktoren begründet. Zum einen ist das Ein­ satzgebiet von Wetterderivaten sehr speziell und zum anderen ist die Komplexität die­ ser Instrumente oftmals sonst nicht nachgefragt. Es kann daher postuliert werden, dass die Endverbraucher von Wetterderivaten nur in einem Zweitrundeneffekt betroffen sind. Nämlich dann, wenn diese ein Produkt oder eine Dienstleistung erwerben oder in Anspruch nehmen, welches durch den Ein­ satz von Wetterderivaten entstanden bzw. in der eigenen Preisgestaltung beeinflusst wurden.

582 Vgl. Hee, Chr.; Hoffmann, L.: Wetterderivate Grundlagen, Exposure, Anwendung und Bewertung, Wiesbaden (2006). 583 Quelle: Eurex. 584 Vgl. o. V. CME Group: Weather Products.

442 | 10 Wetterderivate

Welche Gruppen rechnen wir zu den angesprochenen institutionellen Investoren? Zu diesen zählen im Bereich der Wetterderivate vornehmlich die Rück-VersicherungGesellschaften und die klassischen Erstversicherer. Außerdem zählen dazu: Ban­ ken und Energieunternehmen, Pensionskassen, staatliche Einrichtungen und Regierungen, große Einzelhändler und Produzenten sowie Hedgefunds.⁵⁸⁵ Neben einer guten und intensiven Informationslage verfügen diese Marktteilneh­ mer über das Know-how, mit den gegebenen Instrumenten Risiken zu übertragen, auf­ zunehmen und diese zu managen. Gerade dieses Management von Risiken ist in die­ sem Zusammenhang von großer und immanenter Bedeutung. Des Weiteren kommt hinzu, dass diese Marktteilnehmer über Liquiditätsgrundlagen verfügen, welche es ihnen erleichtert, mit den gehandelten Größenordnungen umzugehen. Auch steht ih­ nen i. d. R. ein großes und internationales Netzwerk zur Verfügung um über den ein­ zelnen Geschäftsabschluss hinaus, diesen einordnen zu können. Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit Wetterderivaten beschäftigt. Diese Art von Deriva­ ten hat eine Besonderheit, man kann diese nicht physisch beliefern. Wir haben uns mit den Markt­ teilnehmern auseinander gesetzt. Aufgezeigt, warum ein Börsenhandel so schwierig erscheint und welche Bedürfnisse die Marktteilnehmer haben. Wir haben uns mit den einzelnen Instrumenten und Underlyings beschäftigt und die Verbindung zwischen dem Wetter und dem Energieverbrauch dargestellt.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Becker H.; Bracht, A.: Katastrophen und Wetterderivate (1999) Bergschneider C.: Risikomanagement im Energiehandel (1999) Hee, Chr.; Hoffmann, L.: Wetterderivate Grundlagen, Exposure, Anwendung und Bewertung, Wiesba­ den (2006) Müller, A.; Grandi M.: Wetterderivate zur Absicherung von Wetterrisiken (2000) Schirm, A.: Wetterderivate – Einsatzmöglichkeiten und Bewertung (2001) Zimmermann, H; Jäger, S; Jovic, D: Bedeutung, Bewertung und Einsatz von Wetterderivaten (2001)

585 Vgl. o. V. CME Group: Weather Products.

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel | 443

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Stimmt die Aussage? Wetterderivate sind die liquidesten Derivate der Welt. Frage 2: Werden Wetterderivate mit Black-Scholes bewertet? Frage 3: Wer handelt mit Wetterderivaten? Frage 4: Stimmt die Aussage, dass an der Eurex keine Wetterderivate gehandelt werden? Frage 5: Welche Alternativen bestehen zu Wetterderivaten? Antwort zu Frage 1: Nein, die Aussage ist falsch. Es handelt sich um einen kleinen, sehr illiquiden Markt. Antwort zu Frage 2: Nein, es kommt eher die Burn-Analyse oder die Burning-Cost-Methode zum Einsatz. Antwort zu Frage 3: Meist sind es institutionelle Investoren wie Energieunternehmen und Banken bzw. Versicherungsgesellschaften zur Absicherung der Portfolios. Antwort zu Frage 4: Ja, der Handel wurde eingestellt. Antwort zu Frage 5: Alternativen zu Wetterderivaten sind z. B. Versicherungsverträge, Versicherungsderi­ vate oder auch Warentermingeschäfte.

11 Börsengehandelte Inflationsderivate In Kapitel 11 werden Sie Folgendes erfahren: – –

Warum sind Inflationsderivate wichtig und wie funktionieren diese? Welche Rolle spielen Inflationsderivate in der täglichen Praxis?

Neben den klassischen und den bereits besprochenen strukturierten Inflationsswaps, welche allesamt als bilaterale OTC-Derivate gelten, besteht auch die Möglichkeit, stan­ dardisierte Inflationsderivate an Terminbörsen zu handeln. So bietet die Eurex unter anderem börsengehandelte inflationsindexierte Futures-Kontrakte als Ergänzung zu den am Markt bestehenden inflationsgebundenen Kassamarktprodukten (wie zum Beispiel inflationsgeschützte Anleihen) oder den bereits erwähnten OTC-Derivaten (wie zum Beispiel Inflationsswaps) an. Der von der Eurex angebotene Euro-Inflati­ ons-Future basiert auf dem HVPI (harmonisierter Verbraucherpreisindex), der die Inflation für die Eurozone abbildet.

11.1 Das auktionsbasierende Marktmodell für die Euro-Inflations-Futures Für die Euro-Inflations-Futures wurde das sonst übliche und gängige Marktmodell ad­ justiert. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass Intraday die Schwankung bei der In­ flation sehr gering ist. Daher wurde entschieden, dass der Handel in diesen Produkten nur in zwei Auktionen pro Tag stattfindet. Diese gehen jeweils fünfzehn Minuten. In den Auktionen (Eröffnungs- und Schlussauktion) stellen die Market Maker Liquidität für den Handel zur Verfügung. Sollte ein Handelsteilnehmer zwischen den Auktionen handeln wollen, so geschieht dies auf Anfrage bei einem Market Maker. Dadurch ist auch untertägig ein Handel möglich.⁵⁸⁶

11.2 Warum werden Inflationsderivate an Terminbörsen gehandelt? Die Frage lässt sich nur sehr vielschichtig beantworten. Die Anforderungen an den Markt für Inflationsderivate sind sehr groß. Gerade in den letzten Jahren (ab 2010) wurden viele strukturiere Produkte mit einer Inflationskomponente entwickelt. Diese werden i. d. R. mittels OTC-Inflationsderivaten konstruiert und abgewickelt. Neben diesen Anforderungen können jedoch auch Anforderungen genannt werden, welche 586 Quelle: Eurex. https://doi.org/10.1515/9783110659931-011

446 | 11 Börsengehandelte Inflationsderivate

nicht durch ein Financial-Engineering-Produkt (also eine Verbriefung) sondern nur als reines nicht verbrieftes Derivat beantwortet werden können. Für diese Anforde­ rungen stehen unter anderem die Euro-Inflations-Futures zur Verfügung.

11.3 Wieso ist ein Inflationsderivat für das Portfoliomanagement von Bedeutung? Setzen wir den Begriff Inflation, wie er auch beschreibend gemeint ist, mit dem Wort Entwertung gleich, so ergibt sich schnell die Lösung für obige Frage. Gerade der rea­ le Werterhalt steht in vielen Anlagestrategien ganz oben. Neben klassischen Sach­ wertanlagen kann dies durch die Kombination mit Inflationsderivaten gewährleistet werden. Die Inflationskomponente wird folglich durch das Derivat gesichert. Die Ab­ bildung 11.1 zeigt die in Deutschland (nicht HVPI) gemessene und vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Inflationsrate auf. Die hier gezeigte lange Zeitreihe ermög­ licht die Einordnung von Trends und die langfristige Betrachtung der Inflation.

11.4 Wie wird der Preis für den Euro-Inflations-Future berechnet? Die Preisbildung erfolgt in Anlehnung an die des EURIBOR-Kontraktes. „Dabei wird der Schlussabrechnungspreis auf vier Nachkommastellen auf der Ba­ sis 100 abzüglich der jährlichen Inflationsrate der dem Kontraktmonat vorausgehenden 10,0% 8,0%

Inflationsrate

6,0% 4,0% 2,0% 0,0%

-2,0% -4,0% -6,0%

1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

-8,0%

Abb. 11.1: Inflationsrate in Deutschland von 1950–2018⁵⁸⁷

587 Quelle: o. V. Statistisches Bundesamt. (2019). Inflationsrate in Deutschland von 1950 bis 2018. Statista. Statista GmbH. Zugriff: 08. September 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/ 4917/umfrage/inflationsrate-in-deutschland-seit-1948/

11.4 Wie wird der Preis für den Euro-Inflations-Future berechnet? |

447

12-Monats-Periode (Berechnungszeitraum) des unrevidierten harmonisierten Verbrau­ cherpreisindex der Eurozone ohne Tabakwaren (ebenfalls auf vier Nachkommastellen gerundet) ermittelt.“⁵⁸⁸ In einer Formel ausgedrückt ergibt sich Folgendes:⁵⁸⁹ FSP t = 100 − (100 × (

HVPI t−1 − 1)) HVPI t−13

= Schlussabrechnungspreis für den laufenden Kalendermonat t FSP t HVPI t−1 = unrevidierter harmonisierter Verbraucherpreisindex der Eurozone ohne Tabakwaren für den Kalendermonat t − 1 HVPI t−13 = unrevidierter harmonisierter Verbraucherpreisindex der Eurozone ohne Tabakwaren für den Kalendermonat t − 13

Beispiel für die Schlussabrechnung: Sie gehen von einer höheren Inflation als 2,1 Prozent aus. So verkaufen Sie 20 Kontrakte zu 97,95 in der Auktion. Sie halten den Kontrakt bis zum Schlussabrechnungstag. An diesem kommt es zu folgender Berechnung. Der HICP (ex. Tab.)-Index steht bei 106,55 Indexpunkten. Die in der Vorperiode (Vorjahr) veröffentlichten Indexdaten lagen bei 104,19. Der Settlement-Preis berechnet sich wie folgt:⁵⁹⁰ 100 − (100 × (

106,55 − 1)) = 97,7349 104,19

Wir können aus diesem Ergebnis nun folgende Profit & Loss-Abrechnung (P&L) erstellen: Verkauf des Futures zu: 97,9500 Schlussabrechnung zu: 97,7340 Differenz: Gewinn von 21,51 Ticks 21,51 Ticks × 20 Kontrakte × 10 Euro⁵⁹¹ = Euro 43.020 Gewinn Im Beispiel sind wir von einer höheren Inflation als 2,1 Prozent ausgegangen. Diese ist eingetreten. Rechnet man den Futures-Strand in Inflationspunkte um, so erkennt man, dass die jährliche Inflati­ onsrate in diesem Beispiel bei 2,2651 Prozent lag.

Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit börsengehandelten Inflationsderivaten ausein­ ander gesetzt. Wir haben deren Einsatz, Preisfindung und Handel aufgezeigt. Wir haben dabei verdeutlicht, wie wichtig diese Instrumente zur Risikobeurteilung und zum Risikomanagement sind. Dabei haben wir ebenfalls aufgezeigt, wie diese im Portfoliomanagement eingesetzt werden können.

588 589 590 591

o. V. Eurex Rundschreiben 217/07. Quelle: Eurex. Quelle Beispiel: Eurex. Multiplikator 10 Euro pro Tick, vgl. Eurex Produkte.

448 | 11 Börsengehandelte Inflationsderivate

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate 8. Auflage 2012

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Warum haben Inflationsderivate einen hohen Stellenwert im Portfoliomanagement? Frage 2: Stimmt es, dass der Preis für Inflationsderivaten mittels des Verbraucherpreisindex geschätzt wird? Frage 3: Frage: Stimmt es, dass es keinen OTC-Markt für Inflationsderivate gibt? Antwort zu Frage 1: Diese dienen zur Absicherung von Zahlungsverkehrsströmen und zur Absicherung des investierten Vermögens. Antwort zu Frage 2: Nein, dieser wird mittels der Preisberechnung errechnet. Antwort zu Frage 3: Nein, ein Großteil der Derivate wird OTC gehandelt.

12 Versicherungsderivate In Kapitel 12 werden Sie Folgendes erfahren: – –

Was sind Versicherungsderivate? Warum und durch wen werden diese gehandelt?

12.1 Was sind Versicherungsderivate? Aufgrund der gesteigerten Risikovorkommen und der Möglichkeit, auch Versiche­ rungsderivate abzuschließen, ist dieser Markt in den vergangenen Jahren deutlich angewachsen. In der Vergangenheit hat die Versicherungsbranche ihre Risiken im Bereich der Naturkatastrophen (wie z. B. Hurrikan, Sturmflut, Hagel etc.) mithilfe von Rückversicherungen abgedeckt. Derivate, welche an ein Versicherungsereignis gekoppelt sind, wurden erstmals beim sogenannten Contingent-Capital-Programm eingesetzt. Dieses bieten Versicherungsunternehmen nach dem Eintritt großer Schä­ den und dem Verlust von Eigenmitteln, die beispielsweise durch eine Naturkata­ strophe hervorgerufen werden können, eine Kapitalunterstützung in der Form von Genussrechten oder Vorzugsaktien.⁵⁹²

12.2 Warum und durch wen werden diese gehandelt? In diesem Rahmen kauft der Investor gegen Zahlung einer Prämie das Recht, bei Ein­ tritt einer im Vorhinein genau definierten Naturkatastrophe und dem Verlust von Ei­ genmitteln, Vorzugsaktien oder Genusskapital an den anderen Investor zu verkau­ fen. Die Option kann erst nach Eintritt einer Naturkatastrophe (muss genau definiert sein) ausgeübt werden. Der „Neuinvestor“ erhält Aktien oder Genusskapital (Mezza­ nine Kapitalstrukturen) und bringt dafür neues Kapital in das Unternehmen ein. Ver­ gleicht man dies mit Versicherungsrisikoanleihen, so erkennt man, dass der In­ vestor erst nach Eintritt der Katastrophe Kapital zur Verfügung stellt. Bei einer Ver­ sicherungsrisikoanleihe stellt er das Kapital bereits vorher zur Verfügung, welches im schlechtesten Fall komplett verloren gehen kann.⁵⁹³ Am CBOT in Chicago werden seit einigen Jahren standardisierte Derivate auf Basis von Marktschadensindizes für neun Regionen der USA gehandelt. Die Deckungszeit­

592 Vgl. Grandi M., Müller A.: Versicherungsderivate – Zur Konvergenz von Kapital- und Versiche­ rungsmärkten. 593 Vgl. Grandi M., Müller A.: Versicherungsderivate – Zur Konvergenz von Kapital- und Versiche­ rungsmärkten. https://doi.org/10.1515/9783110659931-012

450 | 12 Versicherungsderivate

räume betragen bis zu einem Jahr. Die Kosten entsprechen bei diesen Derivaten der Rückversicherungsprämie.⁵⁹⁴ Eine andere wählbare Form eines Versicherungsderivates ist der OTC Insurance Swap. Hierbei zahlt der Investor eine fixe Prämie und erhält im Schadensfall eine va­ riable Zahlung aus dem Swap. Es besteht auch die Möglichkeit, im Zuge eines Port­ folio-Swaps oder Exposure-Swaps die jeweiligen Risiken aus dem Portfolio zu tau­ schen. Hierbei entfällt dann die variable Zahlung.⁵⁹⁵ Die abgeschlossenen Verträge sind jeweils als bilaterale Finanzverträge zu sehen. Die International Swap and Derivatives Association (ISDA) hat hierfür stan­ dardisierte Musterverträge entwickelt, welche zum Einsatz kommen. Bei Versicherungsderivaten besteht natürlich wie bei allen bilateralen Finanzver­ trägen ein Parteienrisiko. Was passiert, wenn die Gegenpartei im Zuge einer Ausübung nicht zahlen kann? Hier ist folglich vor dem Abschluss des Derivates auf die gute Bo­ nität und eine hohe Liquiditätsquote der Gegenpartei zu achten. Bei einer Versiche­ rungsanleihe ist dieses Risiko aufgrund der Gründung eines Collateral Trust und der Vorabeinzahlung nicht so dramatisch. Dafür ist das Konstrukt komplexer und bringt einen höheren Verwaltungsaufwand mit sich.

12.3 CatBonds Bei CatBonds handelt es sich um sogenannte Katastrophenanleihen. Sie werden auch Act-Of-God-Bonds genannt. Dabei handelt es sich um Anleihen, welche das fi­ nanzielle Risiko eines Katastrophenschadens kompensieren können. Sie werden in Form eines SPV (Special Purpose Vehicle) aufgelegt. Dabei wird das Emissionsvolu­ men vom SPV treuhänderisch verwaltet. Es handelt sich folglich um eine Möglichkeit der Rückversicherung von möglichen Katastrophenrisiken. Mit seiner Investition in einen CatBond stellt der Investor einer Gesellschaft (z. B. Industrieunternehmen oder Versicherung) Kapital zur Verfügung. Dieses wird während der Laufzeit des CatBonds verzinst. Kommt es zum Katastrophenevent (ist genau im Vorfeld definiert, kann in­ dexabhängig sein oder als isoliertes Ereignis definiert werden) wird das zur Verfügung gestellte Kapital entweder teilweise oder ganz zur Abdeckung der Risiken verwendet (es kann unter Umständen zu einer Rückzahlung einer Recovery Rate kommen). Ist das Katastrophenereignis nicht eingetreten, so erhält der Investor sein eingezahltes

594 Vgl. Grandi M., Müller A.: Versicherungsderivate – Zur Konvergenz von Kapital- und Versiche­ rungsmärkten. 595 Vgl. Grandi M., Müller A.: Versicherungsderivate – Zur Konvergenz von Kapital- und Versiche­ rungsmärkten.

12.3 CatBonds | 451

Kapital zurück. Aufgrund der speziellen Eigenschaften eines CatBonds weist dieser gegenüber anderen Anlagen nur eine geringe Korrelation aus.⁵⁹⁶

Zeichnung CatBond

Eintritt des abgedeckten Katastrophenrisikos

Rückzahlung zur Recovery Rate (oder keine Rückzahlung)

Zeichnung CatBond

kein Ereignis ist eingetreten

Rückzahlung der Nominale

Abb. 12.1: CatBond Payoff-Zahlungen mit und ohne Eintritt des Katastrophenfalls

Die Bewertung von CatBonds ist so komplex, dass diese i. d. R. einen Verlaufspfad von null haben. Tritt jedoch ein Risikoschaden ein, entsteht sofort ein Jump-Prozess mit einer schiefen Verteilung.⁵⁹⁷ Eine Absicherung dieses Risikos ist wegen fehlender akzeptabler Korrelationen in der Regel nicht möglich. Es muss folglich ein Hedge in ei­ nem unvollkommenen Marktumfeld generiert werden.⁵⁹⁸ Die Bewertung findet daher meist unter Berücksichtigung von Preisbändern statt, in denen mittels StochasticVolatility-Modellen (zur Berücksichtigung der Jumps) arbeiten.⁵⁹⁹ Es wurde immer wieder versucht, CatDerivate aufzulegen. Diese sollten, wenn möglich, an Terminbörsen fortlaufend und liquide gehandelt werden und das Pro­ duktangebot ergänzen. Bislang wurden diese Derivate jedoch meist wieder nach kur­ zer Zeit, mangels Nachfrage eingestellt.⁶⁰⁰ Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit Versicherungsderivaten beschäftigt. Dabei sind wir auf die in diesem Markt speziellen Produkte eingegangen und haben die Marktteilnehmer aufge­ zeigt. Wir haben die Funktionsweise der Produkte erläutert und deren Handelbarkeit aufgezeigt. Wir sind auf die Preisfaktoren eingegangen und haben die Preisfindung beschrieben. Des Weiteren haben Wir CatBonds aufgezeigt und dargelegt, warum CatDerivate keinen fortlaufenden Handel an Terminbörsen gefunden haben.

596 Vgl. Deistler D., Ehrlicher S., Heidorn T.: CatBonds – Möglichkeiten der Verbriefung von Katastro­ phenrisiken. 597 Vgl. Jaffee, D. M./ Russell, T., a. a. O., S. 13. 598 Vgl. Cox, S./ Pedersen, H., Catastrophe Risk Bonds, paper, Georgia State University, Atlanta 1997, S. 2. 599 Vgl. Embrechts, P., Actuarial versus Financial Pricing of Insurance, Vortragsskript zur Konferenz: Risk Management in Insurance Firms, Financial Institutions Center, The Wharton School of University of Pennsylvania, Philadelphia, 15. bis 17. Mai 1996, S. 7 f. 600 Vgl. D’Agostino, 2002, S. 36; Laster/Raturi, 2001, S. 5.

452 | 12 Versicherungsderivate

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Deistler D., Ehrlicher S., Heidorn T.: CatBonds – Möglichkeiten der Verbriefung von Katastrophenrisi­ ken Grandi M., Müller A.: Versicherungsderivate – Zur Konvergenz von Kapital- und Versicherungsmärkte; Whitepaper Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate 8. Auflage 2012

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Durch welche Katastrophen wurden Versicherungsderivate dargestellt? Frage 2: Wer ist Investor in ein Versicherungsderivat? Frage 3: Gibt es eine Börse, welche solche Derivate handelt? Frage 4: Über welchen Markt gehen die meisten Versicherungsderivate? Frage 5: Welches ist die Gefahr beim Abschluss eines Versicherungsderivats? Antwort zu Frage 1: Der Auslöser waren Naturkatastrophen. Antwort zu Frage 2: I. d. R. handelt es sich hierbei um Versicherungskonzerne und Rückversicherer. Antwort zu Frage 3: Ja, die CBOT in Chicago. Antwort zu Frage 4: Die meisten Derivate werden OTC gehandelt. Antwort zu Frage 5: Die Bonität des Gegenparts. Fällt dieser aus, ist das Derivat nichts wert.

Lückentext | 453

Lückentext Derivate, welche nicht an Terminbörsen gehandelt werden, nennt man -Derivate. Zu diesen gehörten auch die und , welche als Zinsober- und Zinsuntergren­ und zen bekannt sind. Zur Bewertung werden diese in die einzelnen zerlegt. Auch ein Forward ist ein typisches OTC-Derivat. Ebenso wie der berühmte Tauschvertrag, der . Beide zählen zu den Derivaten. Das bedingte ist die , die Option auf den Swap. Exotische Optionen, wel­ Derivat zum che allesamt an Terminbörsen gehandelt werden, sind Optionen mit bestimmten Rechten oder ohne gewisse Rechte. So gibt es zum Beispiel , welche entweder wertlos oder werthaltig sind. Oder Optionen auf Optionen, welche man dann Optionen nennt. Diese Derivate sind die Handwerkzeuge des Financial En­ gineer. Auch Kreditderivate sind wichtig für den Markt. Diese helfen, zu übertragen, und geben Auskunft über die Risikolage eines Unternehmens oder einer Volkswirtschaft. Das berühmteste Kreditderivat ist der . Wetterderivate können ebenfalls zur Absicherung von Risiken verwendet werden. Diese werden jedoch nur von institutionellen Investoren eingesetzt. Caplets, Caps, CDS, Compound, Digitaloptionen, Floorlets, Floors, Kreditrisiken, nicht, Optionen, OTC, Swap, Swap, Swaption, unbedingten

| Modul IV: Anwendung von Derivaten und deren Risikomanagement

13 Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios In Kapitel 13 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – –

Wie werden Derivate zur Strukturierung von komplexen Portfolios eingesetzt? Wie nimmt man ein Positionsmanagement vor? Was gibt es für Erweiterungsstrategien? Wie baut man eine Exitstrategie auf? Welche Roll-Over-Operationen gibt es?

13.1 Was ist Averaging und Pyramiding? Das Aufbauen von Terminmarktpositionen sollte ebenfalls im Vorfeld durchdacht werden. Grundsätzlich spricht man hier von zwei unterschiedlichen Vorgehenswei­ sen: Von Averaging (vgl. Abbildung 13.1) spricht man, wenn ein Investor immer die gleiche Anzahl von Kontrakten auf eine bestehende Position aufbaut. Geht diese Stra­ tegie auf, ist dies eine gute Einnahmequelle. Misslingt sie jedoch, erhöht der Inves­ tor sein Risiko mit jeder neuen Position um ein Vielfaches. Daher ist von dieser Art des Positionsaufbaus abzuraten. Sie sollte nur von erfahrenen Derivatespezialis­ ten und nach reiflicher Überlegung vorgenommen werden. XXXXX XXXXX XXXXX XXXXX

Positionsaufbau

Abb. 13.1: Schematische Darstellung Averaging

Das Gegenstück dazu ist das Pyramiding (vgl. Abbildung 13.2): Hier werden auf die Altpositionen neue, geringere Positionen in Form einer Pyramide aufgebaut. Dieser Aufbau ist im klassischen Sinne einer risikogewichteten Strategie zu empfehlen. X XX XXX XXXX XXXXX

Positionsaufbau Abb. 13.2: Schematische Darstellung Pyramiding

Beim Pyramiding ist jedoch wichtig, dass die Pyramide auch richtig aufgebaut wird. Wenn auf wenige Positionen viele gestellt werden, steigert sich das Risiko exponenti­ ell. Damit tritt genau das Gegenteil des Erwünschten ein. Auch die ägyptischen Pyra­ miden könnten nicht auf dem Kopf stehen! https://doi.org/10.1515/9783110659931-013

458 | 13 Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios

3. Erhöhung 2. Erhöhung 1. Erhöhung Anfangsposition

Kauf 1 X Puts Kauf 3 X Puts Kauf 5 X Puts Kauf 7 X Puts

2 Euro 1,60 Euro 1,30 Euro 1,00 Euro

X XXX XXXXX XXXXXXX

Bei obigem Beispiel hat sich der durchschnittliche Einstandspreis gegenüber der An­ fangsposition um 27 Prozent auf 1,27 Euro erhöht. Die Gesamtposition liegt nach der 3. Anpassung mit 57 Prozent im Gewinn. Hätten wir die Pyramide jedoch spiegelverkehrt aufgebaut, so hätte sich der durchschnittliche Einstandspreis um 68 Prozent auf 1,68 Euro erhöht und die Gesamt­ position würde nur 19 Prozent im Gewinn liegen. Würde es eine Marktveränderung (gegen uns) geben, so würden wir aufgrund der veränderten Einstandspreisgewin­ nung schneller und deutlicher in den Verlust kommen.⁶⁰¹ Wie wir an den obigen Beispielen sehen, ist bei einer Positionserweiterung das Risiko der Ursprungsposition in das Verhältnis zur neuen Position zu setzen bzw. die­ ses abzuwägen. Gerade in unübersichtlichen Marktphasen gehen viele Investoren hier nicht rein rational, sondern emotional getrieben vor. Dies kann schnell zu größeren Verlusten führen. Oft ist auch die Zweitmeinung (Konsiliar-Meinung) eines anderen oder einer Gruppe von Financial Engineers sinnvoll. Beim Positionsmagagement ist darauf zu achten, dass das Risiko nicht ausgebaut wird. Dies gilt so­ wohl für das Einzelrisiko als auch das betrachtete Gesamtrisiko. Des Weiteren ist zu empfehlen, dass immer der Risikogedanke und niemals der Gedanke nach Profit und Gewinn im Mittelpunkt zu stehen hat.

13.2 Warum sollte man Positionserweiterungen überhaupt vornehmen? Dafür gibt es grundsätzlich zwei mögliche Grundintentionen: – Gewinnerweiterung – Positionsmanagement bei gegenläufigen Positionen. In beiden Marktlagen kann und muss ein Derivatespezialist Entscheidungen treffen. Natürlich ist im Tagesgeschäft hier eine gewisse Routine vorhanden, dennoch sollte man sich an Grundregeln halten, welche wir nachfolgend aufzeigen.

601 Vgl. o. V. Commerzbank AG O&F Prüfung.

13.2 Warum sollte man Positionserweiterungen überhaupt vornehmen? | 459

13.2.1 Gewinnerweiterung Die Position läuft entsprechend der Erwartung und der Investor möchte den Gewinn weiter ausbauen. Er beschließt also, die Position für sich zu erweitern, und schließt zusätzliche Kontrakte ab. Er geht davon aus, dass er mit den erweiterten Kontrakten ebenfalls Gewinn macht. Allerdings ist zu beachten, dass mit jedem Kontrakt auch die Möglichkeit eines Verlustes steigt. Bei einer Gewinnerweiterungsstrategie erweitert der Investor seine Position nicht deshalb, weil der Markt gegen ihn gelaufen ist, sondern weil seine Strategie aufgeht und er auf diese Weise seinen Gewinn erweitern kann. Außerdem kann er dabei sein Risiko durch den bereits erzielten Gewinn abfedern. Dennoch ist diese Strategie mit Vorsicht zu genießen, da sich im Worst-Case-Szenario das Risiko des Investors mit den gesteigerten Volumen erhöht. Beispiel für eine Gewinnerweiterungsstrategie Ursprungsposition: 5 Kontrakte auf den X-Index Erweiterungsposition in drei Schritten (zeitlich versetzt): 3 Kontrakte auf den X-Index 2 Kontrakte auf den X-Index 1 Kontrakt auf den X-Index Der Investor hat mit dieser Strategie seine Ursprungsposition von fünf Kontrakten auf elf Kontrakte mehr als verdoppelt und folglich nun ein mehr als 100 Prozent höheres Risiko im Positionsbuch. Da die Ursprungsposition im Gewinn ist, kann er damit das Risiko etwas abfedern.

13.2.2 Positionsmanagement bei gegen den Investor laufenden Positionen Die eingegangenen Positionen entwickelt sich nicht so, wie sich der Investor es wünscht. Er „verbilligt“ sie nun durch erneute Positionen und erweitert dadurch sein Verlustpotenzial. Ebenfalls wird das Gewinnpotenzial erweitert, sollte die Po­ sition sich in die vom Investor vorgestellte Richtung entwickeln. Jedoch muss er im Vorfeld sehr sorgfältig abschätzen, ob sich die Positionserweiterung lohnt. Solche Verbilligungsstrategien sind als Ultima Ratio anzusehen, da eine Risikoausweitung der Ursprungsposition nur selten anzuraten ist. Das Hauptproblem liegt oft darin, dass sich seine Erwartungshaltung nicht bewahrheitet hat. Da dies jedoch bei Erwei­ terung der Position nicht zwangsläufig noch eintreten muss, ist es oft sinnvoller, die Position zu schließen, als sie zu erweitern. Entschließt sich der Investor aufgrund sei­ ner Analyse dennoch zu einer Erweiterung der Position, so sollte er mit gebührender Vorsicht vorgehen.

460 | 13 Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios

An dieser Stelle möchten wir kurz darauf hinweisen, dass sich jeder Investor bei Abschluss einer neuen Position bereits Gedanken über eine eventuelle Erweiterung machen sollte. Er sollte dabei die Einstiegs- und Ausstiegspunkte nach zeitlichen wie auch nach monetären Kriterien definieren. Computer-gestützte-Risikomanagementsysteme helfen einem beim Positionsmanagement und sind bei institutionellen Marktteilnehmern ein gegebener Standard.

Im folgenden Fallbeispiel gehen wir auf eine solche Situation genauer ein: Ein Investor hat Positionen in Long-Future-Kontrakten abgeschlossen. Leider hat sich der Basiswert negativ entwickelt, sodass unser Investor einen Verlust erleidet. Den­ noch möchte er die Position weiter halten, da er aufgrund der fundamentalen Daten sowie der charttechnischen Situation⁶⁰² von einem Steigen des Basiswertes überzeugt ist. Daraufhin beschließt er, zur Einstandsverbilligung die Position weiter auszubau­ en. Was muss ihm bewusst sein? – Es besteht das Risiko einer Fehleinschätzung der Marktlage. – Beim Aufbau von neuen Positionen erhöht er sein Risiko, Verluste zu machen, um ein Vielfaches. – Das mengenmäßige Verlustrisiko ist in der erweiterten Position größer als das Ur­ sprungsverlustpotenzial, welches er riskieren wollte. Der Investor verbilligt durch den erneuten Aufbau derselben Position im besten Fall seinen Einstandspreis. Im negativen Fall „hebelt“ er durch die neuen Positionen sei­ nen Verlust. Daher raten wir, dass solche Strategien nur von liquiditätsstarken Investoren vor­ genommen werden sollten. Beispiel für den Aufbau einer Erweiterungsstrategie: Der Investor hat bereits 5 Long-Kontrakte im Indexfuture in seinem Bestand. Er be­ schließt, im Pyramidensystem seine Position auszubauen, und kauft weitere 3 Kon­ trakte. Trifft die von ihm erwartete Bewegung ein, profitiert er von 8 Kontrakten. Ist seine Markteinschätzung jedoch falsch, so erleidet er einen gehebelten Verlust von 8 Kontrakten, welcher größer ist als mit seiner Ursprungsposition von 5 Kontrakten (vgl. Abbildung 13.3).

602 Es ist eine umfassende technische Analyse vorausgegangen.

13.3 Was ist ein Roll-Over?

| 461

Läuft der Index für den Investor, kann er ebenfalls erneut Kontrakte aufbauen. Er baut diese jedoch im Gegensatz zum vorherigen Beispiel mit dem Markt auf und profitiert somit von der Marktentwicklung. Er kann auf 5 bereits im Plus befindliche Kontrakte wiederum 3 neue Kontrakte aufbauen. Das Verlustrisiko auf die Ursprungs­ position wird dabei durch den bereits entstandenen Gewinn minimiert. Erst wenn die­ ser aufgebraucht ist, hat der Investor dasselbe Risikoprofil wie im ersten Beispiel. XXX XXXXX

Abb. 13.3: Schematische Darstellung der Beispiel-Erweiterungsstrategie (Pyramiding)

Wir sehen, dass der Aufbau von Positionen mit dem Markt eindeutig zu empfehlen ist. Gegen den Markt gestellte Terminmarktpositionen können sehr schnell einen großen finanziellen Verlust nach sich ziehen.

13.3 Was ist ein Roll-Over? Bei einem Roll-Over verlängert der Investor seine Position über den ursprünglichen Verfallstag hinaus, indem er die Ursprungsposition schließt und eine neue Position eröffnet. Seine Grundintentionen können folgende sein: – Verlust in der Ursprungsposition (da die Markterwartung nicht eingetreten ist). – Vorbeugen eines vorzeitigen Assignments. – Verlängern der Position, weil sie für den Investor läuft.

Viele Terminbörsen bieten die Möglichkeit, bei Roll-Over-Operationen nur den Spread der beiden RollOver-Kontrakte zu handeln. Dies gibt dem Investor die Möglichkeit, nicht auch noch die Geld-BriefSpanne bezahlen zu müssen.

13.3.1 Roll-Over bei einer gegenläufigen Marktentwicklung Ein Investor hat Calls auf den X-Index verkauft (Short Call), zu einem Basispreis von 5.000 Punkten, und erhält dabei eine Prämie von 50 Punkten. Der Index steht einen Tag vor dem letzten Handelstag bei 5.100 Punkten. Die Grundannahme des Investors war, dass der Index nicht über 5.050 Punkte (Prämie + Basis) steigt. Er ist jedoch nach wie vor der Auffassung, dass der Index zu teuer ist. Daher schließt er die Altposition (durch Rückkauf) und verkauft erneut Calls auf den Index X bei 5.100 Punkten, wofür er erneut eine Prämie erhält. Deckt die erhaltene Prämie die für den Rückkauf bezahlte Prämie, so spricht man von einem prämienneutralen Roll-Over, da keine zusätzlichen

462 | 13 Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios

Prämienaufwendungen erforderlich sind. Ist der Investor aber der Ansicht, dass der Index noch etwas steigen kann, „rollt“ er auf eine höhere Basis (zum Beispiel 5.200 Punkte). Aller Wahrscheinlichkeit nach kann er in diesem Fall keinen prämienneu­ tralen Roll-Over erzeugen und hat entweder Aufwendungen oder erhöht die Kontrak­ tanzahl. Die Folge eines solchen Vorgangs ist die Steigerung des Risikos, da er eine Erhöhung der Ursprungsposition vorgenommen hat, welche bei Abschluss des ersten Geschäftes nicht geplant war. Closing-Call 5 Kontrakte Opening-Call 10 Kontrakte = Steigerung des Positionsrisikos um 100 Prozent Diese Art von Roll-Over ist die gängigste. Da sie aufgrund einer nicht eingetrete­ nen Marktmeinung zustande kommt, könnte man auch sagen, dass es sich um ein „Zwangsrollen“ handelt. Die Praxis zeigt jedoch, dass man mit einem solchen RollOver die Positionen häufig in die Gewinnzone zurückführen kann. Bei jedem Roll-Over ist eine Analyse der gegenwärtigen und erwarteten Marktlage erforderlich. Nur wenn beides in sich stimmig ist, sollte man einen Roll-Over vorneh­ men. Wenn man selbst nicht mehr mit dem Eintreten der ursprünglichen Marktein­ stellung rechnet, ist ein Closing und ein erneutes Positionieren anzuraten.

13.3.2 Vorbeugen gegen eine vorzeitige Erfüllung Ein Short-Investor befürchtet, dass es bei seinen Positionen zu einem vorzeitigen As­ signment (die Option wird vom Long-Investor ausgeübt) kommen kann. Er beschließt, diese auf einen ferneren Verfallstermin zu rollen. Auch wenn er hier nur ein wenig mehr Zeitwert bezahlt bekommt. Für ihn steht eine evtl. anstehende Ausübungsverhinderung im Vordergrund (vgl. Abbildung 13.4). Er rollt seine Positionen somit nicht wegen den Prämien, sondern ausübungsgetrieben weiter.

Position nach Roll-Over März

Ursprungsposition Januar

Abb. 13.4: Vermeiden vorzeitiger Erfüllung durch Roll-Over

13.3 Was ist ein Roll-Over?

|

463

13.3.3 Verlängern von Positionen, die für den Investor laufen Ausgangssituation: Ein Investor hat die Long-Position in einem Future bezogen, wel­ cher nun für ihn läuft. Am letzten Handelstag verkauft er den Future und kauft den Folge-Future. Damit profitiert er aus der bestehenden Strategie und prolongiert sein Engagement. Wir sehen, dass bei einem Roll-Over das Terminmarktengagement zeit­ lich verlängert wird. Wenn sich mit dem Roll-Over die Quantität erhöht, sind die deut­ lich erhöhten Risiken im Verhältnis zum Ursprungsrisiko zu berücksichtigen. Durch einen Roll-Over wird dem Investor die Möglichkeit gegeben, seine Termin­ marktposition in die Zukunft zu prolongieren. Diese Möglichkeit ist rein theoretisch unendlich gegeben, vorausgesetzt, es besteht ein liquider Handel. Es ist jedoch auf die Sinnhaftigkeit einer Prolongation zu achten. Wir fassen also zusammen: Wer weitere Risiken ausbaut, ohne die Möglichkeit ei­ nes positiven Abschlusses zu sehen, handelt mehr als töricht. Vielmehr ist es dringend anzuraten, sich stets schon bei Abschluss eines Termingeschäftes Gedanken über des­ sen Erfüllung zu machen. Sollte ein Investment nicht den erwarteten Gewinn abwer­ fen, so ist es zu schließen und eine andere Investition aufzumachen oder die Strategie zu überdenken. Von einem Rollen durch Eröffnen zusätzlicher weiterer (ursprünglich nicht geplanter) Positionen (eventuell noch von einem anderen Investment) in der Ab­ sicht, Prämienneutralität herzustellen, ist dringend abzuraten. Aus einer Ursprungsposition in der Aktie X sollten keine neuen Positionen in der Aktie X und Y sowie dem Index Z werden, da man ja diese Investments ohne die Ur­ sprungsproblemposition auch nicht eingegangen wäre. Um die durch eine solche Ri­ sikoausweitung eintretenden Verluste zu vermeiden, ist immer eine Exit-Strategie für den Notfall erforderlich, die bereits beim Eingehen des Geschäftes überdacht werden sollte.

13.3.4 Cross-Roll-Over Wenn ein Investor im Besitz eines Calls auf die Aktie X ist, welcher sich nicht so ent­ wickelt wie erwartet, kann er dieses Geschäft auch zurückkaufen und ein anderes eröffnen. Auch wenn dieser Cross-Roll-Over eigentlich nicht als Roll-Over im klassi­ schen Sinn zu sehen ist, da das Underlying ausgetauscht wird, kann es bei manchen Investments ratsam sein (vgl. Abbildung 13.5 und 13.6). Es handelt sich eher um eine Strukturveränderung bzw. ein Umstrukturieren von bereits entstandenen Cash-FlowPositionen.

Short Call X-Aktie

Closing Abb. 13.5: Closing Ursprungsgeschäft (Altgeschäft)

464 | 13 Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios

Short Call Y-Aktie

Opening

Abb. 13.6: Opening neues Geschäft als Fortführung des Ursprungsgeschäfts mit anderem Underlying

Der Investor finanziert das Closing der Ursprungsposition X durch das Opening einer Position Y und löst sich somit vom alten, nicht so gut gelaufenen Investment. Es handelt sich zwar um zwei unterschiedliche Grundgeschäfte, doch werden diese über Kreuz zur Finanzierung herangezogen. Der negative Marktwert des „alten“ Geschäf­ tes, wird mit einem neuen sozusagen versucht zu kompensieren.

13.4 Kombinationen Bei Kombinationen ist auf die Übersichtlichkeit zu achten. Nur wer die Übersicht be­ hält, kann effektiv handeln. Gleichzeitig ist davon abzuraten, einseitige Auflösungen vorzunehmen. Positionen, die miteinander – in Kombination – eingegangen wurden, sollten auch wieder gemeinsam geschlossen werden. Diese Regelung tritt dann nicht in Kraft, wenn es sich um eine spezielle Börsensituation (z. B. eine Insolvenz etc.) han­ delt. Bei Kombinationen ist weiterhin auf die Wechselwirkungen (Korrelationen) zu achten. Denn gerade hochkomplizierte Verstrickungen innerhalb eines Handelsbu­ ches können hier Auswirkungen haben. Die großen Handelshäuser haben hier i. d. R. keine Probleme mit, da bestimmte Mechanismen und Techniken diese verhindern. Doch gerade bei kleineren Investoren oder auch bei Investoren, welche nicht über den IT Hintergrund verfügen, sollte darauf gesondert geachtet werden.

13.5 Positionsmanagement von Swaps und anderen OTC-Derivaten Die oben angesprochenen Möglichkeiten gelten für klassische börsengehandelte De­ rivate bzw. auch für OTC-Optionen und -Forwards. Wir wollen an dieser Stelle jedoch auch auf die anderen OTC-Derivate wie Swaps etc. eingehen. Gerade bei Swaps, wel­ che stark gegen einen Investor laufen, ist es ratsam, auch über eine vorzeitige Auflösung nachzudenken. Dabei wird der Swap-Partner eine Ausgleichszahlung, den so­ genannten Rückkaufswert, verlangen. In manchen Fällen ist es jedoch sehr ratsam, den mit negativen Rückkaufswerten (gegen den Investor) laufenden Swap aufzulösen und z. B. in einen anderen Swap überzuleiten. Die negativen Rückkaufswerte können dann z. B. im neuen Swap verrechnet werden. In der Praxis erfolgt die Umsetzung dieser Strategie auch häufig mit einem soge­ nannten „Back to back“-Swap. Hierbei wird der bestehende Swap nicht vorzeitig auf­ gelöst, damit ein eventuell bestehender negativer Marktwert nicht realisiert werden

13.6 Der Schlüssel zum Erfolg ist die Liquidität! |

465

muss. Der negative Marktwert wird dafür beim Abschluss vom neuen Swap übernom­ men, indem der neue Swap so strukturiert wird, dass der gleiche (negative) Marktwert wie das ursprüngliche Geschäft besteht. Der Investor hat nach diesem Verfahren jetzt zwei Swaps abgeschlossen. Ökonomisch gesehen sind sie aber wie ein Swap zu be­ trachten, da die beiden Swaps jeweils ein gleiches Leg (allerdings mit unterschiedli­ chen Vorzeichen) haben.⁶⁰³ Die obige Vorgehensweise ist vor allem dann anzuraten, wenn der Ursprungsswap keine Aussicht mehr auf Erfolg hat. Auch hier muss ein aktives Positionsmanagement vorgenommen werden. Das gilt auch für die Sicherheitenbereitstellung (Linieninan­ spruchnahme) bei Swaps, auch hier muss der Investor wie der Derivatespezialist ein wachsames Auge haben. OTC-Optionen und exotische Optionen können ebenfalls „gerollt“ werden. Bei exotischen Optionen, welche zum Abschluss eines Financial-Engineering-Produkts aufgebaut wurden, ist dies oft aufgrund des Konstruktes des Zertifikates nicht notwen­ dig, da die Optionen explizit für das Produkt aufgelegt wurden. Bei OTC-Optionen, die im internen Management bzw. im Eigenhandel stehen, ist dies jedoch eher der Fall, da kein Grundgeschäft (über das auch ein evtl. Verlust gebucht wird) besteht. Beim Umgang mit komplexen Positionsbüchern, wie es z. B. bei einem Hedgefonds etc. der Fall ist, ist ein unbedingtes Einhalten von Profit- und Loss-Marken unabdinglich. Gerade bei OTC-Derivaten ist dies von zentraler Bedeutung, da diese im Gegenzug zu Listed Derivaten keinen geregelten Markt besitzen.

13.6 Der Schlüssel zum Erfolg ist die Liquidität! Es ist wichtig, genügend Liquidität vorzuhalten, um Geschäfte auch bei gegenläufigen Marktlagen offenhalten zu können. Das größte Problem tritt dann ein, wenn ein Inves­ tor die geforderten Sicherheiten nicht mehr stellen kann. Dann droht ihm die Zwangs­ liquidation nach dem Margin Call und somit die zwangsweise Auflösung von Positio­ nen. Der Investor muss dem Margin Call Folge leisten. Daher ist es äußerst wichtig, nur so viele Positionen im Portfolio zu führen, wie man abdecken kann. Entsprechen­ des gilt für die fachliche Abdeckung: Hat man einmal den Überblick verloren, hat der „Teufel im Tempel des Herrn Einzug gehalten“!⁶⁰⁴ Daher ist es unbedingt ratsam, nur so viele Positionen offen zu haben, wie man überblicken und auch managen kann, denn eines ist klar: Als Investor muss man das Underlying analysieren und beurteilen, um die Erkenntnis zeitlich und qualitativ umsetzen zu können!

603 Vgl. Gastineau, G., Kritzman, M.: Dictionary of Financial Risk Management S. 30. 604 Vgl. Paul PP VI 1897–1978.

466 | 13 Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios

Für Extremsituationen sollte man stets Notfallpläne parat haben; beispielswei­ se, dass man bei einem Börsencrash 50 Indexfutures verkaufen wird. Auf diese Weise ist man jederzeit auf eventuelle Notsituationen vorbereitet. Gerade bei großen Kassa­ beständen ist dies wichtig: Tritt am Markt aufgrund einer extremen Entwicklung ein schneller Kurswechsel ein, so kann man nur über Future-Instrumente schnell und ef­ fizient das Kassaportfolio absichern. Wichtig: Die Entscheidungen für einen solchen Fall sollten immer im Vorfeld getroffen werden! Am Ereignistag sollte man nur noch Adjustierungen vornehmen müssen, da sonst wertvolle Zeit verloren geht. Gleichzeitig muss man auch die technischen Abwicklungsmöglichkeiten sicher­ stellen. Nur wenn diese auch in extremen Situationen zur Verfügung stehen, kann ein reibungsloser Handel gewährleistet werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Kommunikationswege zu den jeweiligen Handelsabteilungen vorhanden sind. Dies gilt gerade für große private Investoren, die nicht über eigene Handelsplattformen ver­ fügen. Es ist zu empfehlen, den Notfallplan schriftlich festzuhalten. Dabei sollte man nach einem einfachen Algorithmus vorgehen, an den man sich dann im Notfall auch halten muss! Dieser Algorithmus sollte die Handlungsempfehlungen, Größenordnun­ gen, Ansprechpartner, Kommunikationswege sowie eine Handlungsempfehlung für ein Intraday-Reversal⁶⁰⁵ beinhalten.

13.7 Derivate im Portfoliomanagement Prinzipiell sollte ein Portfolio unter den Gesichtspunkten der Diversifikation aufge­ baut sein. Dabei ist die Risikoneigung des Investors absolut zu befolgen. Viele große Investoren fahren dabei deutlich geringere Risikopositionen als kleinere Retail-Kun­ den. Dies liegt oft an der Grundeinstellung. Bei großen Investoren sind der Werter­ halt und die Möglichkeit, das große Vermögen für die nachfolgenden Generationen zu erhalten, stärker ausgeprägt als bei klassischen Retail-Kunden. Große institutio­ nelle Kunden verfolgen ebenfalls individuelle Ziele. Dabei ist zu beachten, welche der­ zeit am Markt bestehenden Trends aufgenommen werden können. Die im Kassaport­ folio befindlichen Investments können dann durch Terminmarktpositionen erweitert werden. So besteht z. B. die Möglichkeit, auf Bestände, von denen man nicht mehr überzeugt ist oder bei denen man mit einem Seitwärtslauf rechnet, Calls zu schreiben oder durch den CCW einen Long Put zu finanzieren. Zukäufe können über aggressive Short-Put-Strategien realisiert werden. Zeichnet sich eine Baisse ab, so können durch CCW und Long Put oder durch einen isolierten Long Put oder zur Portfolioabsicherung durch Short Futures Absicherungsmechanismen implementiert werden.

605 Komplette Kursveränderung innerhalb eines Tages, z. B. von negativ zu positiv.

13.7 Derivate im Portfoliomanagement

|

467

Overlaymanagement Durch ein aktives Overlaymanagement (z. B. CCW) kann ein Portfolio schneller und effektiver gesteu­ ert werden. Des Weiteren werden ggf. zusätzliche Cash Flows erzeugt und/oder Risiken anderweitig transferiert. Dies gilt z. B. bei Währungsoverlays etc. Das aktive einbinden von Overlays schafft so­ mit auch einen sehr guten Managementrahmen für ein Tradingbook. Dies gilt vor allem dann, wenn diesem ein großes Kassapositionsbuch gegenübersteht. Die können die Derivate-Overlays zur Gene­ rierung von Alpha genutzt werde. Da diese Positionen fortlaufend zu führen sind, könnte man diese auch als das Brot- und Butter-Geschäft des Derivatemanagement bezeichnen.

Wir sehen an diesen kleinen Beispielen, dass die Terminmarktpositionen als Erweite­ rung bzw. Ergänzung des Portfolios Stabilität und Zusatzerträge mit sich bringen. Ein Investor, der sein Portfolio aktiv mit Derivaten strukturiert, versetzt sich in die Lage, Kassageschäfte aufgrund der Derivate zu steuern. Er baut durch die Termingeschäfte aktiv Kassaengagements auf und ab; zusätzlich schafft er sich die Möglichkeit, Zu­ satzeinahmen zu generieren und Risikopotenziale auszugliedern. Das Portfolio wird nicht nur planbar, da sich die zu erwartenden Auswirkungen bestimmen lassen, son­ dern gleichzeitig auch stabiler. Der Investor transferiert Entscheidungen (bei ShortGeschäften) teilweise weiter. Nur wenn er aktiv eingreift (Closing), trifft er letztlich eine endgültige Entscheidung. Ansonsten gilt die Entscheidung, welche er beim Ab­ schluss des Termingeschäftes getroffen hat. Nachfolgend ein Beispiel für Terminmarktkonstrukte zur Erweiterung eines ange­ nommenen Portfolios: Tab. 13.1: Beispiel-Portfolio und Erweiterung durch Termingeschäfte Bestehendes Portfolio (Ausschnitt) Underlying Bestand Kaufkurs

Kurs heute

Erweiterung Termingeschäft

X-Aktie Y-Aktie M-Aktie Indexzertifikat L-Index

39,00 41,90 91,23 67,10

Short Call Basis 41 Short Put Basis 41 Short Call Basis 92 Indexfuture als Zusatzkomponente

10.000 15.000 7.000 15.000

34,50 43,10 89,45 54,40

Der Investor erweitert die Strategien durch Covered Calls, nimmt dafür Prämien ein und schreibt somit eine Renditestrategie (Overlay Strategie). Die Short Puts sind zum erneuten Aufbau der Aktie Y gedacht. Er senkt somit seinen Einstandskurs und steht zu seinem Investment weiterhin positiv. Das Indexzertifikat erweitert er durch diesel­ ben Indexfutures. Somit schafft er das gleiche Chancen-Risiko-Profil, kann mit diesem aber handeln und das Zertifikat als langfristiges Investment liegen lassen (vgl. Tabel­ le 13.1).

468 | 13 Derivate zur Strukturierung komplexer Portfolios

Die obigen Hinweise und Darstellungen gelten auch für das Designen von Financial-Engineering-Pro­ dukten, die wir in Kapitel 14 besprechen.

Dieses einfache Beispiel veranschaulicht, wie Terminmarktpositionen als Ergänzun­ gen und Steuerungselemente anzuwenden sind. Ebenfalls ist deutlich zu erkennen, dass eine Kombination zwischen verbrieftem Derivat und einem Terminkontrakt vor­ teilhaft sein kann. In der Praxis werden solche Konstruktionen oft bei großen Privat­ kunden angewandt. So schreibt man beispielsweise Calls auf Discount- und Bonus­ zertifikate oder man erweitert seine Liquidität durch Short-Optionen und investiert die resultierenden Prämien in Futures oder verbriefte Hebelprodukte. Dies gilt haupt­ sächlich für Investoren, welche Zertifikate nutzen. Folglich keine klassischen institu­ tionellen Investoren darstellen. Denn diese würden die Gegenposition des Zertifikats direkt mit den jeweiligen Derivaten nachbauen ohne auf ein verbrieftes Produkt zu­ rückzugreifen. Gründe sind neben der Handhabung, die entstehenden Kosten und die bestehenden Strukturen. Durch die Kombination verschiedener Risiko- und Chancenprofile ergeben sich neue Möglichkeiten zur Investition. Dasselbe gilt bei Kombinationen in Waren- und Devisentermingeschäften und/oder für das Aufbauen von Swap-Positionen. Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit dem Positionsmanagement von Derivatepositio­ nen beschäftigt. Wir haben verschiedene Strategien um Aus- und Aufbau von Positionen am Ter­ minmarkt besprochen. Sind auf deren Risikogewichtung und Ausgestaltung eingegangen. Dabei haben wir auch das große Themenfeld der Roll-Over-Strategien besprochen. Sind auf die Kombi­ nationen im Positionsmanagement eingegangen und haben vor den Risiken von unkontrolliertem Positionswachstum gewarnt. Wir haben praktische Tipps zur Umsetzung von Risikopositionen ge­ geben und Aufgezeigt, wie man mit diesen umgehen sollte. Des Weiteren haben wir Overlay Stra­ tegien aufgezeigt, welche man zur Generierung weiteren Alphas nutzen kann. Wir haben Kombina­ tionen aus Kassa- und Terminmarktpositionen beschrieben und warum man diese gut miteinander kombinieren kann.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate 8. Auflage 2012 Maier, Kurt M.: Risikomanagement im Immobilien- und Finanzwesen, 2. Auflage 2004 Rudolph, B.; Schäfer, K.: Derivative Finanzmarktinstrumente, 2005 Seetaler, P.; Steitz, M.: Praxishandbuch Treasury-Management, 2007 Steinbrenner, Hans-Peter: Professionelle Optionsgeschäfte 2001

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel | 469

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Was ist ein Spekulationsplan? Frage 2: Was ist Pyramiding? Frage 3: Stimmt es, dass das Averaging eine bessere Strategie als das Pyramiding ist? Frage 4: Was versteht man unter einem Roll-Over? Frage 5: Stimmt es, dass man auch Kombinationen aus Termingeschäften und verbrieften De­ rivaten machen kann? Antwort zu Frage 1: Es handelt sich hierbei um einen Plan, welcher die Spekulation in ein Portfolio oder eine Einzelposition aufzeigt, Einstiegs- und Ausstiegsszenarien festhält und einen Ri­ sikoplan beinhaltet. Antwort zu Frage 2: Der schrittweise Aufbau von Derivatepositionen in Pyramidenform. Antwort zu Frage 3: Nein! Averaging ist deutlich risikoreicher als das Pyramiding. Antwort zu Frage 4: Ein Roll-Over bezeichnet das Verlängern einer fälligen Terminmarktposition über den ursprünglichen Verfallstermin hinaus. Dabei wird das Erstgeschäft durch ein Gegen­ geschäft geclosed und ein weiteres neues Geschäft zu einem späteren Verfallszeit­ punkt wieder aufgemacht. Antwort zu Frage 5: Ja, die Aussage ist korrekt. Es sind hier keine Grenzen gesetzt.

14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement In Kapitel 14 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – –

Wie setzt man Derivate im Financial Engineering ein? Wie werden Financial Engineering Produkte konstruiert? Wie werden die gängigsten Zertifikate gebaut und bewertet? Welche Besonderheiten bei Financial Engineering Produkten gibt es? Wie setzt man Derivate im Fondsmanagement ein?

Die in diesem Buch besprochenen Instrumente haben eine große Bedeutung im Finan­ cial Engineering. Gerade im Zusammenhang mit strukturierten Produkten sind jene unabdingbar (sowohl im Asset- wie im Liability-Bereich). In den vergangenen Jahren ist der Markt an strukturierten und verbrieften Derivaten (Zertifikaten) erst deutlich gewachsen und hat dann eine Strukturveränderung erlebt (vgl. Abbildung 14.1 Deriva­ tebaum). Einer der Gründe hierfür ist, dass mithilfe von Zertifikaten auch Retail-Inves­ toren von derivativen Finanzinstrumenten und deren Auszahlungsprofilen profitieren können und dies auch nutzen. Vielen Anlegern würde ohne Zertifikate der Zugang zu diesen Instrumenten verwehrt bleiben. Allerdings hat auch aufgrund regulatorischer Änderungen eine Strukturveränderung stattgefunden. Verbunden damit ist für RetailInvestoren vielfach die Umsetzung komplizierter geworden. Nachfolgend wollen wir anhand von einigen gängigen Strukturen aufzeigen, wie die gängigen Strukturen konstruiert und dargestellt werden. „Die Aufgabe ist nicht, zu sehen, was noch niemand gesehen hat, sondern zu denken, was noch nie­ mand gedacht hat über das, was alle sehen!“ Diese Aussage von ARTHUR SCHOPENHAUER ist eine gute Beschreibung für das Financial Engineering und die Aufgabe eines Financial Engineer.

14.1 Überlegungen beim Design von neuen Produkten Jedes neues Produkt entsteht durch eine neue Idee des Financial Engineer. Im Folgen­ den zeigen wir auf, welche Grundgedanken in eine solche Ideenfindung einfließen: – Was ist der Bedarf des Investors? – Wie sind die Markterwartungen und Marktgegebenheiten? – Welche Instrumente benötigt er zur Konstruktion des Produktes? – Welchen Preis hat das Produkt und welche Sensitivitäten?

https://doi.org/10.1515/9783110659931-014

472 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

Call Put Option Plain Vanilla OTC-Optionen Exotic OTC-Optionen Futures/Forwards Aktienanleihen Discountzertifikate Swap

Zinszertifikate Twin-Win-Zertifikate Strategiezertifikate Lock-in-Zertifikate

verbriefte Derivate

Garantiezertifikate Alpha-Zertifikate Sprinterzertifikate Schmetterlingszertifikate Best-in- und Best-out-Zertifikate Bonuszertifikate Expresszertifikate

Derivate

CLN derivative Bonds Optionsscheine Hebelzertifikate

Plain-Vanilla-Optionsscheine exotische Optionsscheine

Reversezertifikate Indexzertifikate Delta-1-Zertifikate

Abb. 14.1: Derivatebaum



Welche Kosten und/oder Erträge (Strukturierungsentgelte, Funding⁶⁰⁶ etc.) hat er beim Konstrukt und was kann als Nebenkosten bzw. als Nebengewinn auftreten?

Erst nachdem man sich diese Fragen gestellt hat, sollte man sich an die Strukturierung eines neuen Produktes machen. Grundsätzlich können, je nach Marktlage, fast alle Arten von Zertifikaten begeben werden. Wichtig ist für den Financial Engineer, dass er das Auszahlungsprofil (Payoff) des Zertifikats darstellen, bewerten und risikomäßig ordnen kann. Eine große Rolle

606 Kosten der Kapitalbeschaffung, Erträge aus der Anlage der Investorengelder. Das Funding ist ein wichtiger Aspekt, da hier die interne Zinsverrechnung aus dem Treasury einfließt. Dadurch wird die Kondition und eben das Kreditrisiko eines Zertifikates maßgeblich beeinflusst.

14.2 Grundlagenkomponente Zerobond |

473

spielen in diesem Zusammenhang auch die Counterparts. Diese müssen ebenfalls be­ wertet und beurteilt werden. Ausfallgefährdete Counterparts werden meist nicht in ein Geschäft aufgenommen. Denn das Kreditrisiko steht häufig nicht als primärer Wert­ treiber im Vordergrund. Auch ist zu klären, ob es sich um ein Flow-Produkt⁶⁰⁷ oder ein Buy-and-Hold-Produkt⁶⁰⁸ handelt. Je nachdem kann die Kondition besser oder schlechter ausfallen. Sind diese Grundgegebenheiten klar definiert, lässt sich auch auf das exotischste Underlying (z. B. einen Frachtratenindex, Hauspreise in den USA etc.) ein Zertifikat⁶⁰⁹ als verbriefte Derivate begeben.

14.2 Grundlagenkomponente Zerobond Oft wird bei der Konstruktion von Zertifikaten (und strukturierten Anleihen/Schuld­ scheinen) auf einen Zerobond als Basiskomponente verwiesen. Daher wollen wir an dieser Stelle kurz auf diesen eingehen. Ein Zerobond ist eine Nullkuponanleihe, wel­ che unter pari begeben wird und am Laufzeitende zu 100 Prozent zurückbezahlt wird. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Emission zu 100 Prozent erfolgt und ei­ ne Zinssammelfunktion eingebaut ist. Die Rückzahlung fällt dann dementsprechend höher aus. Die Grundfunktion der Nullkuponanleihe liegt in der Verwahrfunktion des angelegten Kapitals. In der Praxis findet die Funktion des Zerobonds im TreasuryBereich des Emittenten statt. Dieses stellt dem Financial Engineer dann ein TreasuryLeg zur Verfügung, über dieses er verfügen kann. Die Bewertung eines Zerobonds erfolgt stets über den Barwert: Barwert =

Nennwert (1 + i)n

i = Marktzins für jede Periode n = Laufzeit gemessen in Perioden

Die Funktion des Zero-Bonds nimmt in der Praxis das Treasury des Emittenten wahr. An dieses werden die gesammelten Mittel einer Emission weitergegeben und man erhält dafür das Funding-Leg.

607 Produkt, welches regelmäßig gehandelt wird (ge- und verkauft). 608 Produkt, welches einmal gekauft und bis zur Fälligkeit gehalten wird (zumindest ein Großteil einer Emission). 609 Man unterscheidet noch zwischen Vola Long (z. B. Garantiezertifikaten) und Vola Short (z. B. Ak­ tienanleihen, Discountzertifikate etc.).

474 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

14.3 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau Nachfolgend wollen wir die derzeit gängigsten Financial-Engineering-Produkte auf­ zeigen. Dabei ist es uns wichtig, die Einzelkomponenten und deren Zusammenspiel im neuen Financial-Engineering-Produkt darzustellen. Zweck ist es, das dem Zertifi­ kat zugrunde liegende Auszahlungsprofil für die Hedgingaktivität des Emittenten dar­ zustellen.

14.3.1 Das Discountzertifikat Als Discountzertifikate werden Produkte bezeichnet, welche eine feste Fälligkeit auf­ weisen, einen Abschlag (Discount) gegenüber dem Preis des Basiswertes gewähren und durch einen Auszahlungshöchstbetrag gekennzeichnet sind (Cap). Konstruiert werden solche Zertifikate auf zwei verschiedene Arten (vgl. Abbil­ dung 14.2):

Gewinn Cap

Kurs des Basiswertes

Discount Verlust

Abb. 14.2: Payoff eines Discountzertfikates⁶¹⁰

1. Alternative Der Emittent handelt einen Zero-Strike-Call und verkauft einen Call auf diesen. Der Zero-Strike-Call deckt in diesem Konstrukt folglich die Underlyingposition ab, der ver­ kaufte Call bildet den Cap.

610 Quelle: UBS.

14.3 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau | 475

Zero-Strike-Call Bei Zero-Strike-Calls ist der Basispreis des Calls immer null und folglich ist die Option immer deep in the money. Somit kann man synthetisch die Komponente des Underlying im Hedging abdecken. Der Preis des Zero-Strike-Call entspricht dem Underlyingpreis abzüglich dessen Dividende. Denn die Dividende wird aus dem Preis des Zero-Strike-Call diskontiert.

2. Alternative Eine andere Möglichkeit wäre der Kauf eines Zerobonds und das Schreiben von Puts. Hierbei wird der Zerobond zur Deckung der Gesamt-Position (Cash Sammlung, bei An­ dienung erfolgt damit die Bezahlung) herangezogen und der verkaufte Put ermöglicht das Auszahlungsprofil. Beide Konstruktionen kommen zum gleichen Ergebnis (vgl. Abbildung 14.2).⁶¹¹ Portfolio Positionen

Alternative 1

Nennwert Zerobond — (Short Put + Disagio) Zero-Strike-Call — Short Call Wert Portfolio

50 Euro −14,12 Euro

Alternative 2

39,22 Euro −3,34 Euro 35,88 Euro

35,88 Euro

Um eine qualitative Aussage über den Vor- und Nachteil einer Investition in Dis­ countzertifikaten treffen zu können, muss man diese mittels einer Szenarioanalyse be­ wertbar machen. Nachfolgend haben wir dies an einem kleinen Beispiel dargestellt. Vergleich einer Direktanlage in Aktien vs. Anlage in Discountzertifikaten⁶¹² Aktienkurs (Erwerbszeitpunkt) Cap (des Discountzertifikates) Bezugsverhältnis Kurs des Discountzertifikates

400 Euro 450 Euro 1:1 350 Euro

Szenariorechnung⁶¹³ Szenario

1

2

3

4

5

Kurs Underlying am Laufzeitende Rückzahlung/Wert der Aktienlieferung Gewinn/Verlust Direktinvestment Gewinn/Verlust Discountzertifikat

350 Euro 350 Euro −12,5 % 0%

400 Euro 400 Euro 0% 14,3 %

450 Euro 450 Euro 12,5 % 28,6 %

500 Euro 450 Euro 25 % 28,6 %

550 Euro 450 Euro 37,5 % 28,6 %

611 Quelle: Commerzbank AG. 612 Quelle: Commerzbank AG. 613 Quelle: Commerzbank AG.

476 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

14.3.2 Reverse Convertibles

Anlageerfolg am Bewertungstag (in %)

Reverse Convertibles (Aktienanleihen) funktionieren von der Funktions- und Kon­ struktionsweise wie die bereits angesprochenen Discountzertifikate. Lediglich wird für den Investor eine Verzinsung (wird immer an ihn ausgezahlt) anstatt eines Dis­ counts ausgewiesen. Für den Investor stellt ein Reverse Convertible Bond eine Inha­ berschuldverschreibung mit einem Tilgungswahlrecht des Emittenten dar. Der Emit­ tent entscheidet (ist die vereinbarte Barriere getroffen oder nicht), ob er das Underly­ ing (als Underlying ist rein theoretisch alles denkbar: Equity, Commodity etc.) liefert oder den Nominalbetrag wieder auszahlt. Das Gewinn- und Verlustpotenzial (vgl. Ab­ bildung 14.3) ist z. B. bei einer Aktienanleihe, genau wie beim Discountzertifikat, ver­ schoben. So partizipiert der Investor nur eingeschränkt von positiven Bewegungen des Underlyings (bei der Aktienanleihe der Kupon, beim Discountzertifikat der CapBetrag).

30.00% 20.00% 10.00% 0.00% 80.00 -10.00%

88.00

96.00

104.00

112.00

120.00

128.00

136.00

-20.00% Rendite der Direktanlage (in %) -30.00% -40.00%

Rendite der Aktienanlage (in %) Aktienkurs am Bewertungstag

Abb. 14.3: Payoff eines Reverse Convertible Bond (Aktienanleihe) vs. Direktinvestment in die Aktie⁶¹⁴

Der Investor, welcher in einen Reverse Convertible Bond investiert, hat gegenüber dem Direktinvestor einen Kurspuffer, im Gegenzug hat der Investor, der die Direktinvestiti­ on vornimmt, ein anderes Chancen/Risiko-Profil. Gleiches erkennen wir übrigens bei der Optionsstrategie „Short Put“, wenn wir diese isoliert und nicht verbrieft darstel­ len.

614 Quelle: Commerzbank AG.

14.3 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau | 477

Das Hauptrisiko bei einem Reverse Convertible Bond sowie bei einem Discount­ zertifikat liegt im Kursrückgang des Underlyings begründet. Ein solcher Kursverfall ist, wie bei einem isolierten Short Put, negativ für den Investor. Die Maximalrendite ist der vereinbarte Zins bzw. die Cap-Obergrenze, welche der Optionsprämie bei der isoliert betrachteten Optionsstrategie entspricht⁶¹⁵ (vgl. Abbildung 14.3). Bewertung dieser Instrumente Die oben aufgezeigten verbrieften Derivate gehören, wie die folgenden, zu den struk­ turierten Finanzprodukten. Sie werden aus verschiedenen Basisinstrumenten kon­ struiert, welche einzeln bewertet und in der Summe dann zusammengesetzt werden. Die jeweiligen Basiselemente werden zu diesem Zweck synthetisch nachgebildet und bewertet (Duplikationsmethode). Die übliche Duplikationsmethode für Reverse Con­ vertibles liegt in der Kombination einer klassischen Anleihe (z. B. Zerobond) und ei­ nes Short Puts (europäisch) auf das Underlying. Es besteht auch die Möglichkeit der Bewertung des Equity Underlying und eines Short Calls. Wie wir sehen, ist die Konstruktion genau dieselbe wie beim Discount-Zertifikat. Der Grund, warum es zwei „bauartgleiche“ Zertifikate am Markt gibt ist, dass in der alten Steuerrechtsprechung Kursgewinne (also wie diese ein Discount-Zertifikat aus­ weist) nach zwölf Monaten steuerfrei waren. Zinserträge jedoch nicht. Diese Regel ist natürlich schon seit vielen Jahren hinfällig. Dennoch haben sich beide Produktgrup­ pen im Markt gehalten und haben ihre Anhänger. Aus Sicht des Emittenten und des Hedges sind die Produkte jedoch gleich aufgebaut. Berechnung des Handelspreises für eine Aktienanleihe Die Berechnung des Handelspreises für die Aktienanleihe folgt aus der Bewertung der Komponenten. Zunächst wird der faire Marktwert der Aktienanleihen errechnet. Hier bewertet man die Zerobondpo­ sition sowie die „Short-Put-Optionen“. Dann setzt man dieses ins Verhältnis zum Nominalbetrag. Die daraus entstehende Prozentnotiz ist die Bewertung für die Aktienanleihe. Kurs Aktienanleihe =

Ergebnis Marktpreise Einzelkomponenten Nominalbetrag Aktienanleihe

Oftmals gibt es mehrere Arten, wie ein Zertifikat konstruiert werden kann. Rechnerisch führen immer alle zum selben Ergebnis.

615 Hier können in der Praxis aufgrund von versteckten Gebühren oder anderen Einflussfaktoren Dif­ ferenzen in der Summe entstehen.

478 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

14.3.3 Das Bonuszertifikat Bonuszertifikate zeichnen sich durch eine Bonuszahlung für den Investor aus, sollten Kursschwellen, welche im Vorhinein definiert sind, nicht gebrochen werden (es kam zu keinem Trigger-Event). Da diese Zertifikate durchaus sehr beliebt sind, gibt es ver­ schiedene Varianten von Bonusstrukturen. Zum einen klassische Strukturen ohne Cap und mit nur einer Kursschwelle (vgl. Abbildung 14.4). Aus Sicht des Investors werden diese durch die Kombination eines gekauften Zero-Strike-Call plus einen gekauften Down-and-out-Put gebildet. Capped-Varianten enthalten zusätzlich hierzu noch ei­ nen verkauften Call, welcher den Cap bildet (vgl. Abbildung 14.5). Die Cap-Varianten kommen meist dann zum Einsatz, wenn sich Varianten ohne ein Cap nicht rechnen und darstellen lassen. Bei Reverse-Bonus-Varianten, die spiegelverkehrt funktionieren, wird ein dem­ entsprechender 200 Prozent Strike Put sowie ein Up-and-out-Call miteinander kom­ biniert. Bonusstrukturen erfreuen sich hauptsächlich in seitwärts tendierenden Märkten bzw. in der nicht gedeckelten Version in positiven Marktlagen großer Beliebtheit. Hier kann mit überschaubarem Risiko auf die Bonusleistung spekuliert werden.

Gewinn Untere Kursschwelle

Kurs des Basiswertes

Bonus-Level Verlust

Abb. 14.4: Payoff klassisches Bonuszertifikat⁶¹⁶

In Zeiten hoher Dividendenerwartungen ist eine Bonus-Struktur aufgrund der Zero-Strike-Komponente interessant.

616 Quelle: UBS.

14.3 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau | 479

Cap Gewinn

Untere Kursschwelle

Kurs des Basiswertes

Bonus-Level Verlust

Abb. 14.5: Payoff Capped Bonuszertifikat⁶¹⁷

14.3.4 Hebelprodukte Bei Hebelprodukten wird der Basiswert entweder ge- oder verkauft. Hierbei ist zu be­ achten, dass es nicht möglich ist, jeden Basiswert zu verkaufen (Short Selling). Grün­ de hierfür können gesetzliche Restriktionen oder nicht vorhandene Wertpapierleihe­ möglichkeiten⁶¹⁸ sein. Die durch den Kauf oder Verkauf gewonnene Position wird im Hebelprodukt verbrieft und somit für den Endverbraucher handelbar gemacht. Funktionsweise von Hebenprodukten Die Funktionsweise von Hebelprodukten lässt sich am einfachsten vor dem Hinter­ grund eines klassischen Vollinvestments erklären. Während der Anleger bei einem Vollinvestment das komplette Underlying bezahlt, um an der Kursbewegung zu parti­ zipieren, investiert der Anleger bei einem Hebelprodukt nur einen Teil seines Kapitals. Aus dem reduzierten Kapitaleinsatz resultiert die Hebelwirkung. Je niedriger der Kapi­ taleinsatz, desto höher die Hebelwirkung und desto risikoreicher ist das Investment. Mit anderen Worten ähnelt die Auszahlung einem kreditfinanzierten Kauf vom Under­ lying.⁶¹⁹ Intraday wird dabei jede Bewegung im Basiswert exakt vom Hebelprodukt un­ 617 Quelle: UBS. 618 Wertpapierleihe: Bei einer Wertpapierleihe werden Wertpapiere geliehen, mit diesen dann ge­ arbeitet und nach Ablauf der Leihefrist wieder zurückgegeben. Für die Wertpapierleihe bezahlt der Entleiher an den Verleiher eine Gebühr. Für eine Wertpapierleihe ist in der Regel eine Bank als Ab­ wicklungsstelle zwischengeschaltet. 619 Mit einem Knock-out-Mechanismus.

480 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

ter Berücksichtigung der Geld-/Briefspanne nachvollzogen. Hier gleichen die Hebel­ produkte einem klassischen Future. Deshalb werden diese auch oft als Mini-Futures bezeichnet. Im Gegensatz zu klassischen Futures kann bei einem Mini-Future kei­ ne Margin-Nachschussverpflichtung eintreten. Sollte eine solche aus Marktgründen notwendig sein, wird das Hebelprodukt durch einen Knock-out-Mechanismus ausge­ knockt und verfällt wertlos bzw. es kommt zu einer geringen Restwertzahlung. Somit kann der Anleger immer nur das von ihm eingesetzte Kapital verlieren. Beispiel⁶²⁰ Typ

Index

Finanzierungs­ level

KO-Schwelle

Indexstand

Kapital­ einsatz

Hebel

Long

DAX®

3.000 Punkte

3.060 Punkte

4.000 Punkte

10 Euro

4

Typ

Index

Finanzierungs­ level

KO-Schwelle

Indexstand

Kapital­ einsatz

Wert­ entwicklung des Zertifikats

Long

DAX®

3.000 Punkte

3.060 Punkte

4.200 Punkte

12 Euro

+20 %

Typ

Index

Finanzierungs­ level

KO-Schwelle

Indexstand

Kapital­ einsatz

Hebel

Short

DAX®

5.000 Punkte

4.900 Punkte

4.000 Punkte

10 Euro

4

Typ

Index

Finanzierungs­ level

KO-Schwelle

Indexstand

Kapital­ einsatz

Wert­ entwicklung des Zertifikats

Short

DAX®

5.000 Punkten

4.900 Punkten

3.800 Punkte

12 Euro

+20 %

14.3.5 Optionsscheine Lassen Sie uns an dieser Stelle, einen kurzen Ausflug zu den Optionsscheinen ma­ chen. Diese werden entweder im Zuge eine Optionsanleihe⁶²¹ oder als Covered War­ rants⁶²² von einem Emittenten (meist eine Bank) begeben. Optionsscheine verbriefen immer die „Long-Seite“ einer Option. Die Bewertung eines Optionsscheins ähnelt da­ mit der einer klassischen Plain-Vanilla-Long-Option. Im Gegensatz zu klassischen Op­ tionen, welche wir in diesem Buch besprechen, sind Optionsscheine keine klassischen Termingeschäfte und werden nicht an Terminbörsen, sondern an Kassabörsen⁶²³ ge­

620 Commerzbank AG. 621 Traditionelle Optionsscheine. 622 Werden von Banken im Rahmen vorhandener Eigenbestände an fremden Aktien begeben. 623 z. B. der Euwax in Stuttgart.

14.3 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau | 481

handelt. Der Mechanismus des Zeitwertverfalls etc. ist derselbe wie bei klassischen Optionen. In den 1980er- und frühen 1990er-Jahren waren Optionsscheine sehr be­ liebt, heute spielen diese eine eher untergeordnete Rolle.

14.3.6 Strukturierte Finanzprodukte mit Zinsoptionen Natürlich lassen sich strukturierte Produkte auch auf Zinsbasis darstellen. Diese Pro­ dukte können sowohl auf den Kurs einer Anleihe fokussiert sein als auch auf Zinssät­ zen basieren. Bei den strukturierten Bonds unterscheidet man zwischen Callable Bonds und Putable Bonds. Die Callable Bonds erlauben es dem Emittenten, die Anleihe zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzukaufen (er hat ein Sonderkün­ digungsrecht). Bei diesen Anleihen ist der Investor Short-Vol (hat die eingebaute Option verkauft) und hat deswegen eine negative Konvexität bei fallenden Markt­ zinsen. Bei den Putable Bonds gibt es ein Recht des Anleihekäufers, diese zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zu verkaufen. Bei diesen Anleihen ist der Investor LongVol (hat die eingebaute Option gekauft). Ferner unterscheidet man zwischen einem Single- und einem Multi-Callable oder Multi-Putable. Bei der Singlevariante gibt es nur einen Termin zur Rückgabe, bei der Multivariante können dies mehrere sein. Die entsprechenden Rückkaufpreise (meist zu pari) werden bereits bei der Emission festgelegt.⁶²⁴ Gerade im Geschäft mit Retail-Kunden sind Multi-Callable-Anleihen, z. B. in Form von strukturierten Side Step Zertifikaten,⁶²⁵ sehr beliebt. Die Investoren sichern sich bei einer Seitwärtsbewegung einen festen Kupon, welcher sich ansammelt, wenn ein Kündigungstermin nicht gezogen wird. Allerdings entwickeln diese Zertifikate bei ei­ nem rückläufigen Markt eine ebenfalls deutliche negative Outperformance.⁶²⁶ Single-Putable-Bonds Bei einem Single-Putable-Bond hat der Investor das Recht, die gekaufte Anleihe an einem bei der Emission der Anleihe festgelegten Zeitpunkt und zu einem festgeleg­ ten Kurs wieder an den Emittenten zu veräußern. Somit ist der Investor long in der Anleihe und der Emittent (in der Betrachtung von der Anleihe kommend) ist im Ge­ genzug dazu short in der Anleihe. Da jeweils eine Barwertbetrachtung durchgeführt wird, bedeutet dies, dass der Anleiheninvestor bei steigenden Marktzinsen einen Ver­ lust realisiert, da der Barwert sinkt, und der Emittent, welcher short ist, einen Gewinn

624 Vgl. Wiedemann, Arnd: Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 625 Side Step Zertifikate waren eine Erfindung der Commerzbank, bei der Multi-Callable-Optionen zum Einsatz kommen; das maximale Gewinn-Momentum hat das Produkt bei einem seitwärts laufen­ den Markt. 626 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

482 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

macht. Bei der umgekehrten Betrachtungsweise kehrt sich dies natürlich um. Wird in diesem Fall jedoch dem Investor ein Kündigungsrecht eingeräumt, so ändert sich die obige Betrachtungsweise, da bei steigenden Zinsen der Investor von seinem Kündi­ gungsrecht Gebrauch machen wird.⁶²⁷ Der Payoff eines solchen Single-Putable-Bonds kann synthetisch durch eine Ku­ ponanleihe und eine Anleiheoption dargestellt werden. Wir benötigen eine Position Long Anleihe und eine Position Long Put. Der potenzielle Verlust im Barwert der Anlei­ he wird durch den Gewinn der Put-Option ausgeglichen. Der Emittent geht die Gegen­ position zum Investor ein. Aus dieser Gegebenheit ergibt sich auch hier ein asymmetri­ sches Risikoprofil, wie wir es bereits von den klassischen Optionsgeschäften kennen. Zur Bewertung kann folgende Gleichung herangezogen werden: Barwertcum = Barwertex + p Barwertcum = Barwert der Anleihe mit Kündigungsrecht Barwertex = Barwert der Anleihe ohne Kündigungsrecht p = Preis der Put-Option Diese Formel kann sowohl für den Emittenten als auch für den Investor herangezogen werden, allerdings jeweils mit umgekehrtem Vorzeichen. Für den Investor bedeutet das Kündigungsrecht einen Zuschlag auf den Barwert, der bezahlt wird. Dagegen ist es beim Emittenten ein Abschlag.⁶²⁸ In der Praxis gibt es häufig zwei Faktoren, die das Emittieren von Putable-Bonds erschweren. Zum einen muss der Zuschlag für das Kündigungsrecht vom Investor mit­ finanziert werden. Zum anderen zeigen die meisten Emittenten niedrigere Spreads bei Putable-Bonds, da das Nominal (die Liquidität) nicht mit Sicherheit eingeplant wer­ den kann. Bei einer „5yrNC1“-Anleihe (5-jährige Anleihe mit einem einmaligen Kün­ digungsrecht nach einem Jahr) zeigt der Emittent für das erste Laufzeitjahr (bis zum ersten Kündigungsrecht) normalerweise einen niedrigeren Funding-Level, für die rest­ lichen vier Jahren dann höhere Spreads.⁶²⁹ Single-Callable-Bonds Beim Single-Callable-Bond hat der Emittent ein Kündigungsrecht. Der Termin für dieses Recht ist im Voraus definiert. Der Investor ist long in der Anleihe, der Emit­ tent hat jedoch das Recht, diese zu einem definierten Zeitpunkt zurückzukaufen. Der

627 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 628 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 629 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

14.3 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau | 483

Investor verkauft dem Emittenten hierfür eine Anleihe-Call-Option. Er ist folglich long in der Anleihe und short in der Option. Für den Investor bedeutet dies, er erhält eine Optionsprämie. Dafür erhält er keine Ausgleichzahlung, wenn sich der Barwert der Anleihe verändert. Der Emittent geht auch hier wieder die Gegenposition zum Investor ein. Für ihn gleicht sich folglich eine Veränderung der Anleihe durch die Veränderung der Call-Option aus. Beide Seiten bewerten einen Single-Callable-Bond mit folgender Formel: Barwertcum = Barwertex − c Barwertcum = Barwert der Anleihe mit Kündigungsrecht Barwertex = Barwert der Anleihe ohne Kündigungsrecht c = Preis der Call-Option Für den Investor bedeutet das Kündigungsrecht des Emittenten einen Nachteil, der mit einem Abschlag auf den Verkaufspreis für ihn positiv gehalten wird. Er zahlt folglich weniger als bei einer Anleihe ohne Kündigungsrecht vom selben Emittenten. Für den Emittenten liegt der Vorteil im Kündigungsrecht.⁶³⁰ Mehrfach kündbare Anleihen In der Ergänzung zu oben genannten gibt es auch Anleihen mit mehreren Kündigungs­ rechten. Diese werden mittels einer Bermuda-Option dargestellt. Eine Bermuda Opti­ on kann zu mehreren im Vorhinein festgelegten Zeitpunkten ausgeübt werden. Diese mehrfach kündbaren Anleihen haben oft eine unendliche Laufzeit und eine jährli­ che Zinszahlung. Die Tilgung ist endfällig. Es besteht i. d. R. ein Kündigungsrecht des Emittenten.⁶³¹ Multi-Callable-Bonds Bei einem Multi-Callable-Bond liegt das Kündigungsrecht, wie in der Regel immer, beim Emittenten. Er erwirbt das Recht, zu mehreren Zeitpunkten in der Zukunft die Anleihe zu kündigen. Der Investor hat folglich eine Long-Position in der Anleihe und eine Short-Position in der Option. Die Bewertung findet durch eine Binomialbaum­ struktur ggf. unter Zuhilfenahme einer Monte-Carlo-Simulation statt.⁶³²

630 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 631 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 632 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

484 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

Multi-Putable-Bonds Das Kündigungsrecht liegt bei einem Multi-Putable-Bond beim Investor. Dieser er­ wirbt das Recht, zu mehreren Zeitpunkten, welche in der Zukunft liegen, die Anleihe zu kündigen und folglich an den Emittenten zu verkaufen. Auch hier kommt, wie bei der Multi-Callable-Variante, eine Bermuda-Option zum Einsatz.⁶³³ Reverse Floater Ein Reverse Floater ist ein synthetischer Bond mit einem variablen Zins, deren Ku­ pon durch den Abzug eines Geldmarktzinses von einem festen Basiszins regelmäßig adjustiert wird. Reverse Floater werden bei einer sinkenden Zinserwartung gekauft. Das Auszahlungsprofil eines Reverse Floater lässt sich synthetisch durch symme­ trische und asymmetrische Einzelkomponenten erzeugen. Dabei wird als symmetri­ sche Komponente des Reverse Floater ist ein klassischer Floater genutzt. Bei diesem wird die Verzinsung durchgehend an die aktuelle Zinssituation angepasst. Des Weite­ ren wird ein Receiver Swap benötigt. Dieser generiert einen konstanten Zinsertrag. Der Floater und die variable Seite des Swaps werden mit dem Referenzzinssatz (Euribor, Libor etc.) verzinst. Jede Festzinsseite des Swaps erhält eine Verzinsung in Höhe der halben Grundverzinsung. Die asymmetrische Seite, die Optionskomponente, besteht bei einem Reverse Floater aus einem Cap. Der Basiszinssatz entspricht hier dem fes­ ten Basiszinssatz des Swaps. Das Cap wird eingekauft, um eine evtl. negative Rendite zu verhindern. Bei einem Anstieg der variablen Verzinsung über den festen Basiszins hinaus gleicht die Zinsoption die Verluste aus. Dieser Mechanismus garantiert bei der Überschreitung des festen Basiszinses eine Rendite im Reverse Floater von null und verhindert somit eine negative Rendite (vgl. Abbildung 14.6). Um eine aktive Bewertung eines Reverse Floater durchführen zu können, muss man die einzelnen Komponenten bewerten und diese dann zusammenführen. Wir be­ werten folglich die beiden Swaps, den Floater sowie das Cap und führen diese dann zusammen. Der Gesamtwert entspricht immer dem gesamten Wert der einzelnen Kom­ ponenten.⁶³⁴ Leveraged Floater Ein Leveraged Floater ist ein synthetischer Bond mit einer variablen Verzinsung, bei der sich der Kupon aus einer gehebelten Geldmarktverzinsung (z. B. zwei Mal den 3-Monats-Euribor) abzüglich eines festen Basiszinssatzes ergeben. Auch bei diesem kann die Rendite, aufgrund der Konstruktion, niemals negativ werden. Aufgebaut wird ein solcher Floater durch einen Floater und einen Payer Swap (symmetrische

633 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 634 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

14.3 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau | 485

Cap

Zinsobergrenze

Fix Swap 1

Fix Swap 2

Investor Euribor

Euribor

Euribor

variable Zinskomponente

Abb. 14.6: Aufbau eines Reverse Floater⁶³⁵

Komponente) sowie zwei Floors (asymmetrische Komponente). Der Basiszinssatz der beiden Optionen entspricht hier dem festen Basiszinssatz aus dem Payer Swap geteilt durch den Hebel. Diese verhindern in diesem Fall, dass der Leveraged Floater negativ wird. Durch den Payer Swap wird die variable Zinsseite des Floater verstärkt (vgl. Abbildung 14.7). Auch hier werden wieder die einzelnen Komponenten bewertet und dann zu­ sammengeführt. Aus den einzelnen Komponenten entsteht die Gesamtbewertung des Leveraged Floater.⁶³⁶

14.3.7 Strukturierte Inflationsanleihe Grundintention beim Kauf einer solchen Anleihe ist, dass der Investor mit einer posi­ tiven Inflationserwartung ausgestattet ist. Als Financial Engineer ist es folglich unsere Aufgabe, ein Produkt zu generieren, welches: 1. möglichst einfach zu verstehen (da der Anlegerkreis auch Retail-Kunden umfasst) und 2. der Grundintention der Käufer möglichst nahekommt.

635 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 636 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013.

486 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

Floor 1

Zinsuntergrenze

Euribor Swap

Investor

Floor 2

Fix

Euribor

variable Zinskomponente

Abb. 14.7: Aufbau eines Leveraged Floater⁶³⁷

Wir entwickeln daraufhin folgendes Produkt: Inflationsanleihe mit 5 Jahren Laufzeit. In den ersten beiden Jahren erhält der In­ vestor einen fixen Kupon. In den Jahren 3 bis 5 erhält er einen Kupon, der abhängig von der realisierten Inflationsrate (mal Hebefaktor) zu diesem Zeitpunkt ist. Die Konstruktion eines solchen Produktes erfolgt über einen Treasury-Ansatz. Die Gelder vom Investor werden beim Emittenten angelegt; Der Emittent bezahlt dafür den Funding-Satz, meist einen Floating-Satz.⁶³⁸ Der Financial Engineer bezahlt dem Investor den festen Satz für zwei Jahre. Modellieren lässt sich das empfangene Fund­ ing kombiniert mit der Auszahlung vom Festsatz über einen zwei-jährigen Payer Swap mit dem gleichen Festsatz und dem Funding-Satz als Floating-Leg. Um die Inflations­ komponente in den Laufzeitjahren drei bis fünf abzudecken, schließt der Financial Engineer einen dreijährigen Inflationsswap mit Start in zwei Jahren ab. Aus diesem erhält er die realisierte Inflationsrate (zzgl. eines Hebefaktors) in den Laufzeitjahren drei bis fünf und zahlt einen Festsatz. Aus dem Inflationsswap erhält der Financial Engineer also in Summe positive Zahlungen, wenn die realisierte Inflationsrate den Festsatz übersteigen. Der umgekehrte Fall tritt ein, wenn die realisierte Inflationsrate den Festsatz nicht übersteigt. Die realisierte Inflationsrate gibt der Financial Engineer im Rahmen der Inflationsanleihe an den Investor weiter. Da der Financial Engineer in dem Inflationsswap das Risiko eingeht, negative realisierte Inflationsraten (d. h. De­

637 Vgl. Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013. 638 Optional: Plus/minus ein fixer „Spread“ (Aufschlag/Abschlag), der von dem Refinanzierungssatz des Emittenten und eventuellen Kündigungsrechten abhängig ist.

14.3 Financial-Engineering-Produkte und deren Aufbau | 487

flation) ausgesetzt zu sein, kauft er zusätzlich einen Floor auf der realisierten Inflati­ onsrate bei 0 %. Somit ist dieses Risiko für ihn nicht mehr vorhanden.⁶³⁹ Bewertet wird ein solches Produkt, indem man alle Teile des Produktes einzeln bewertet und dann zu einer abschließenden Bewertung zusammenfügt.

14.3.8 Hochstrukturierte Finanzprodukte Oft werden am Markt Produkte angeboten, die man nicht einfach in Optionen und Fu­ tures zergliedern kann. Dann spricht man von komplexen Produkten oder auch von hochstrukturierten Produkten. Diese beinhalten meist viele Einzelkomponenten und sind sehr vielschichtig. Gerade diese Produkte stellen uns vor die wichtigen Herausfor­ derungen an die Preisbildung und das Risikomanagement der Positionen. Doch auch gerade diese Produkte sind es, die die ganze Spannung des Financial Engineering in sich tragen und uns begeistern.

14.3.9 Exchange Traded Fund (ETF) Ein Exchange Traded Fund (ETF) kann auf verschiedene Art und Weise dargestellt wer­ den: komplett replizierend (kauft das Underlying; Vollreplikation oder Optimized Sampling) oder auch komplett synthetisch (wird mit einem performanceübertragen­ den Derivat dargestellt). Wir beschäftigen uns hier nur mit der synthetischen Variante (erklärt an einer möglichen Darstellungsoption; als Unfunded ETF mit SWAP). Dabei wird das Geld des Investors vom Emittenten eingeworben und dem Treasury⁶⁴⁰ über­ geben. Dieses erwirtschaftet normalerweise ein Funding-Leg (kennen wir aus dem Zertifikatebereich). Bei einem ETF ist dies aufgrund des Fondskonzepts und der recht­ lichen Bestimmungen für diesen, etwas anders. Es investiert der Emittent in ein Trä­ gerportfolio, welches den ETFs zur Verfügung steht. Des Weiteren wird ein Perfor­ mance-Swap abgeschlossen.⁶⁴¹ Dieser sichert dem ETF die Performance des jeweiligen Underlyings. Positive Cashflows werden aus dem Swap dem Barwert des ETF gutge­

639 Bloss, Thorborg Inflationsanleihe; ABN Amro Bank. 640 Vereinfachte Darstellung: Es wird in der Praxis ein Trägerportfolio angelegt, welches eine Ren­ dite liefert. Die Anlage des Trägerportfolios muss nicht zwangsläufig über das Treasury des Emitten­ ten erfolgen, sondern kann auch in anderen Konzerneinheiten durchgeführt werden (dies ist, auch aufgrund von regulatorischen Anforderungen, so üblich). Es handelt sich nicht um ein klassisches Funding. Alternativ kann auch ein Sicherheitenportfolio zusätzlich aufgebaut werden. Hierbei kann es jedoch zu steuerlichen Einschränkungen kommen. Das Sicherheitenportfolio wird zusätzlich aufge­ baut, um evtl. Zahlungsausfälle beim Swap abzudecken. Es kann hierbei auch zu einer Überdeckung kommen. Gem. OGAW/UCITS dürfen maximal 10 Prozent Unterdeckung vorhanden sein. Die meisten Emittenten greifen dem mit der Überdeckung z. B. 105 Prozent (vgl. Comstage) vor. 641 Beim Swap können die beiden Legs von ein und demselben Partner bedient werden.

488 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

schrieben, negative werden belastet. Somit steigt der Barwert mit der positiven und fällt mit der negativen Performance des Underlyings. Dies bestimmt den fortlaufen­ den Preis des ETF und zeigt die Performanceveränderung des Underlyings auf. Die Zahlung des SWAPS wird über das Trägeportfolio dargestellt.

Trägerportfolio & ein zusätzliches Sicherheitenportfolio

Performance Trägerportfolio Bank A

Performance für ETF

Bank B

Abb. 14.8: Schematischer Aufbau eines Exchange Traded Fund (ETF)

14.4 Konstruktionsmatrix Zertifikate Nachfolgend geben wir einen Überblick über die zur Konstruktion von gängigen Zer­ tifikaten verwendeten Einzelkomponenten und deren Zusammenstellung (Stripping).

14.4 Konstruktionsmatrix Zertifikate |

Yield Enhancement⁶⁴² Art des Zertifi­ Konstruktion kates

Besonderheiten

489

Sonstiges

Reverse Convertible

Sell Put + Long Zero Bond Long Zero Strike Call + Sell Call

Discount Zertifikat

Sell Put + Long Zero Bond Long Zero Strike Call + Sell Call

Caped Bonus Zertifikat

Zero Strike Call + Long Down and Out Put + Short Call

Long Down and Out Put = Strike = Bonuslevel; Short Call = Strike = Cap Level

Express Zertifikat

Digital Multi Barrier Call „out“ + Down and Out + Short Multi Barrier Put up & out

Beobachtungstage müssen festgelegt werden.

Sprint Zertifikat

Zero Strike Call + Long Call + 2 x Short Call

Long Call = Strike = ATM; Short Call = Strike = Cap Zertifikat

Strukturiere Anleihen

Long Zero Bond + Zins Swap Zinsuntergrenzen = Floors Zinsobergrenzen = Caps

Ausgestaltung kann mit oder ohne Kündigungsrecht sein.

Konstruktion

Besonderheiten

Sonstiges

Long Zero Bond + Future

Long Future = Long Zertifikat Short Future = Short Zertifikat

Knock out = Margin-Level ist erreicht.

Leverage⁶⁴³ Art des Zertifi­ kates Long und Short Zertifikate (Delta 1)

Bei Plus Pro: Long Zero Strike Call + Long Down and Out Put

642 Quelle: WGZ Bank: Zertifikate Fibel (2015); Commerzbank AG. 643 Quelle: EIFD.

490 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

Participation⁶⁴⁴ Art des Zertifi­ Konstruktion kates

Besonderheiten

Outperformance Zertifikat

Long Zero Strike Call + Long Call

Long Call = Strike = ATM → im Ver­ hältnis zur Par­ tizipationsrate (bei 120 % 0,20 Call auf 100)

Bonus Zertifikat

Long Zero Strike Call + Long Down and Out Put

Long Down and Out Put = Strike = Bonuslevel

Garantie Zertifikate

Zerobond + Long Call

Long Call (ATM)

Etf/Etc

Anlage des Trägerportfolio Anlage des Sicherheitenportfolio Swap → Performance

Kann auch durch 1 : 1, also Investi­ tion im Underlying erfolgen.

Sonstiges

Bei CAP wird noch ein Short mit Call Basis = Cap verkauft.

Hedging von Zertifikaten aus Emittentensicht Ein verbrieftes Derivat (Zertifikat) ist ein „Versprechen des Emittenten“, die in der Verbriefung festgehaltenen Auszahlungsprofile dem Investor zukommen zu lassen. Somit ist es an sich das Versprechen, dass der Emittent genau die Funktionsweise bzw. das Auszahlungsprofil des Zertifi­ kates zur Verfügung stellt. Damit dieses Versprechen eingehalten werden kann und sich das Risiko nicht auf Seiten des Emittenten sammelt, wird dieser über einen Backhedge das Produkt für sich eindecken bzw. das Auszahlungsprofil zur Weitergabe an den Investor sichern (erfolgt klassisch über den Markt). Hierfür gibt es vielerlei Möglichkeiten, die sich je nach Emittent, Handelsbuch des Emittenten etc. ergeben. Daher kann hier keine generelle Aussage getroffen werden. Grundsätz­ lich kann man jedoch sagen, es gibt verschiedene Kategorien von Hedging Transaktionen. Neben dem Absichern des Underlyings (Delta-Risiko), können Währungsrisiken, Zinsänderungsrisiken, Volumens- und Volatilitätsrisiken hier eine Rolle spielen. Ob der jeweilige Emittent das Produkt isoliert oder in Kombination über das bestehende Handelsbuch absichert, bleibt ihm überlassen und kommt auch auf die Emission an. Manche Positionen lassen sich auch über natürliche Absi­ cherungspositionen, welche durch das originäre, sonstige Geschäft entstehen einbeziehen. In der Regel ist eine Position jedoch mit einem dynamischen Hedge abzusichern. So können (nicht nur bei Positionen, welche zu einem Produkt zusammengefügt und verbrieft wurden, sondern generell bei allen gehandelten Strategien) zum Beispiel isolierte Risiken an den Markt abgegeben werden. Diese bedeutet aber auch, dass er fortlaufend einer Anpassung unterliegt, sobald sich die Para­ meter (z. B. das Delta, Gamma) der Position verändert.

644 Quelle: o. V. WGZ Bank: Zertifikate Fibel (2015); Commerzbank AG; Comstage (2016).

14.5 Einsatz von Derivaten im Fondsmanagement | 491

14.5 Einsatz von Derivaten im Fondsmanagement Fonds haben in den vergangenen Jahren nochmals deutlich an Bedeutung gewonnen. Auch im Fondsmanagement werden daher wesentlich mehr Derivate eingesetzt als noch vor einigen Jahren. Nach einer Aussage der „European Fund Management In­ dustry“, veröffentlicht im Mai 2006 in Financial News, ist das Derivateaufkommen im Fondsmanagement von 48 Prozent auf 62 Prozent im Jahr 2004 angestiegen. Nach ei­ ner Studie (aus 2009) nutzen über 70 Prozent der europäischen Fondsmanager Deriva­ tekonstruktionen zur Portfolioallokation. Zum einen werden aktive Hedgingstrategien über Derivate aufgebaut, zum anderen dienen Derivate dem direkten Investmentein­ satz (Spekulation bzw. Strategiefindung). Es werden sowohl lineare (z. B. Swaps) als auch nichtlineare Derivate (z. B. Swaptions) verwendet. Den größten Anteil an Deri­ vaten findet man in den Assetklassen Equity, Fixed Income (Zinsen) und FX. Es war zu beobachten, dass in den vergangenen Jahren auch der Anteil bei den Commodities deutlich zugelegt hat.

14.5.1 Strategien für den Einsatz von Derivaten im Portfoliomanagement eines Fonds Nachfolgend wollen wir einige der klassischen Strategien für Portfoliomanager auf­ zeigen. Dabei haben wir uns auf die fünf gängigsten Strategien, welche an der Eurex gehandelt werden fokussiert.⁶⁴⁵ Sinn und Zweck dieser Strategien ist es, durch den Einsatz von Derivaten eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen, Volatilitäten aufzunehmen oder abzugeben oder diese zu strukturieren. Somit schaffte man zusätz­ liche, erweiternde Möglichkeiten, als nur das Underlying zu handeln. Des Weiteren erhält man die Möglichkeit, die Volatilität eines Underlyings als separate „Anlage­ klasse“ zu nutzen und aktiv auf uns abzubauen. Auch schaffen diese Strategien eine strukturierte Vorgehensweise im Management der Portfolios. Call-Volatility-Trade Bei einem Call-Volatility-Trade wird das Underlying verkauft (auch synthetisch z. B. mittels Futures) und im Gegenzug werden Call-Optionen auf das Underlying gekauft. Dadurch erhält man eine volatilitätsabhängige Position des Underlyings (vgl. Abbil­ dung 14.9). Short Long

Underlying Call

645 Gemessen nach Volumen; Quelle: Eurex.

492 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

5.00

4.00

3.00

2.00

1.00

0.00 20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

-1.00

-2.00

Abb. 14.9: Payoff Call-Volatility-Trade⁶⁴⁶

Put-Volatility-Trade Bei einem Put-Volatility-Trade wird das Underlying gekauft (auch synthetisch z. B. mittels Futures) und zusätzlich werden Long-Put-Positionen aufgebaut. Der Fonds­ manager kann somit eine volatilitätsabhängige Put-Strategie aufbauen (vgl. Abbil­ dung 14.10). Long Long

Underlying Put

Combo vs. Long Underlying Eine Combo- vs. Long-Underlying-Strategie wird aus Short Calls, Long Puts (mit gerin­ gerem Basispreis) und einem Long Underlying aufgebaut (vgl. Abbildung 14.11). Short Long Long

Call Put Underlying

646 Eurex AG.

14.5 Einsatz von Derivaten im Fondsmanagement | 493

5.00

4.00

3.00

2.00

1.00

0.00 20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

24

25

26

27

28

29

30

-1.00

-2.00

Abb. 14.10: Payoff Put-Volatility-Trade⁶⁴⁷

2.50

2.00

1.50

1.00

0.50

0.00 20

21

22

23

-0.50

-1.00

Abb. 14.11: Payoff Combo vs. Long Underlying⁶⁴⁸

647 Eurex AG. 648 Eurex AG.

494 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

Put Spread vs. Underlying Bei einem Put Spread vs. Underlying werden Long Puts aufgebaut und Short Puts mit einem niedrigeren Basispreis gegeben. Das Underlying wird in dieser Strategie long gehandelt (vgl. Abbildung 14.12). Long Short Long

Put Put Underlying

5.00

4.00

3.00

2.00

1.00

0.00 20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

-1.00

-2.00

Abb. 14.12: Payoff Put Spread vs. Underlying⁶⁴⁹

Conversion vs. Underlying Bei Conversion vs. Underlying werden Long Calls aufgebaut, Short Puts gegeben (beides mit demselben Basispreis) und das Underlying wird verkauft (vgl. Abbil­ dung 14.13). Long Short Short

Call Put Underlying

649 Eurex AG.

14.5 Einsatz von Derivaten im Fondsmanagement | 495

0.01

0.01

0.00 20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

-0.01

-0.01

-0.02

-0.02

-0.03

-0.03

Abb. 14.13: Payoff Conversion vs. Underlying⁶⁵⁰

14.5.2 Warum werden diese Strategien im Portfoliomanagement eines Fonds eingesetzt? Mithilfe der dargestellten Kombinationsformen kann ein Portfoliomanager entweder eine höhere Rendite als das Vergleichs-Underlying erwirtschaften oder dadurch eine Absicherung durchführen (z. B. Protective Put vgl. Kapitel 6). Die aufgeführten Strate­ gien zählen allesamt zu den Volatilitätsstrategien.⁶⁵¹ Warum ist dies so? Das ist einfach zu beantworten: Ein Portfoliomanager möchte ein „Alpha“ (eine Outperformance ge­ genüber dem Vergleichsinvestment) generieren. Er möchte sich somit von der Masse abheben und besser als die Benchmark sein. Dieses Alpha lässt sich am besten durch das Ausnutzen der Volatilität erreichen. Daher werden viele Volatilitätsstrategien auf­ gebaut. Natürlich handeln die Fondsmanager auch viele der anderen in diesem Buch vorgestellten Strategien, wie Sie in den folgenden Beispielen sehen können. In Abbildung 14.14 sehen wir die Outperformance der Strategie Protective Put vs. DAX® an einem Live-Beispiel eines zugelassenen Publicfunds. Wie zu erkennen ist, konnten in den Jahren 1998, 2001 und 2002 eine teils deutliche Outperformance erzielt werden.

650 Eurex AG. 651 Vgl. hierzu auch Optionen und Futures auf die Volatilität z.B: FVS (Volatilität auf den EuroStoxx50 Index) welche sep. an der Eurex gehandelt werden können. Somit wird die Volatilität zu einem eige­ nen Handelsprodukt und kann z. B. zur Cashflow-Generierung oder im Hedging verwendet werden.

496 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

Hatte ein Fondsmanager eine klassische CCW-Strategie aufgebaut (vgl. Kapi­ tel 6), so konnte auch durch diese Strategie eine Outperformance erzielt werden. Abbildung 14.15 zeigt dies für den Zeitraum 1992–2005. Algo-Trading Der automatisierte Handel macht einen großen Anteil am Gesamthandel aus. Dabei werden gezielt nach Nachrichten, Mustern in der Kursfeststellung und Quotes sowie in Handelsgegebenheiten ge­ sucht und darauf die jeweiligen Strategien gehandelt. Diese Strategien nutzen eine Marktsituation optimal aus und generieren neben der entstehenden P&L auch Liquidität für den Gesamtmarkt.

36%

19%

1%

-6%

-7%

-5%

-2%

-2% -5%

-6% -9% -15%

-17%

Abb. 14.14: Outperformance Protective Put vs. DAX® ⁶⁵²

652 Quelle: Dr. Axel Vischer, Eurex, ISE New York.

-19%

Interview mit J.P. Morgan Asset Management | 497

600

500 DAX plus Covered Call 400 DAX 300

200

100

30.12.2005

30.12.2004

30.12.2003

30.12.2002

30.12.2001

30.12.2000

30.12.1999

30.12.1998

30.12.1997

30.12.1996

30.12.1995

30.12.1994

30.12.1993

30.12.1992

0

Abb. 14.15: Long DAX® vs. DAX® mit CCW-Strategie⁶⁵³

Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit dem Einsatz von Derivaten Financial Engineering und im Fondsmanagement beschäftigt. Wir sind nun dazu gekommen, die von uns besprochenen Grundlagen und Instrumente zu neuen Produkten zusammenzufügen und in einem Kreativprozess diese entstehen zu lassen. Dabei sind wir auf die gängigen am Markt zu findenden Produkte ein­ gegangen. Wir haben diese in die jeweiligen Einzelteile zergliedert um diese für den Leser ver­ ständlich und nachbaubar zu machen. Aus der Kombination der einzelnen Derivate entsteht so­ mit das Auszahlungsprofil des neuen verbrieften Produktes. Die einzelnen Komponenten dienen dem Emittenten zur Absicherung des Auszahlungsprofils welches er dadurch Rücksichert. Auch im Fondsmanagement werden Derivate eingesetzt. Auch hier haben wir die, für uns maßgeblichen Strategien ausgewählt und aufgezeigt.

Interview mit J.P. Morgan Asset Management Matthias Schulz, Managing Director 1. Nicht nur die Zinspolitik der vergangenen Jahre hat deutliche Spuren in den Portfolios der Investoren hinterlassen. In welcher Hinsicht veränderten sich dadurch die genutzten Anlageinstrumente? Wir beobachten einen nachvollziehbaren Trend der stärkeren Nutzung von „IncomeInvestments“ und damit verbunden von Anlageklassen, die in der Vergangenheit we­ 653 Quelle: Dr. Axel Vischer, Eurex, ISE New York.

498 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

niger stark oder gar nicht allokiert wurden (Hybridanleihen/Nachrangkapital/höhe­ re Allokationen von High Yield/ höhere Gewichtung von US-Assets aufgrund des dort derzeit höheren Zinsniveaus). Auch die Nachfrage und Nutzung von „Real Assets“ wie Infrastruktur, Real Estate, Private Equity bei Institutionellen ist angestiegen. Privatan­ leger fragen breit gestreute Multi–Asset-Income-Fonds nach, die auf regelmäßige Aus­ schüttungen hin gemanaged werden. Allgemein sind Assets mit „Carry“, also einer höheren laufenden Rendite als bei klassischen Festverzinslichen, gesucht. Eine we­ sentlich höhere Aktienquote – sozusagen als TINA-Trade („There is no alternative“) – scheint es jedoch bei Privatkunden nicht zu geben, zumindest wenn man die aggre­ gierten Zahlen aus der Bundesbank-Statistik zum deutschen Geldvermögen betrach­ tet. Danach sind weiterhin mehr als 40 Prozent des Geldvermögens im Bargeldumlauf, auf Giro-, Tagesgeld und Festgeldkonten sowie Sparanlagen mit dreimonatiger Kün­ digungsfrist. Aus Verzinsungssicht also quasi „brach liegend“. 2. Es scheint doch sehr, als würden die Zentralbanken alles realwirtschaftliche über­ strahlen. Welche Änderungen aus Zentralbanksicht erwarten Sie in den kommenden Jah­ ren? Unser CIO auf der Anleihenseite, Robert Michele, hat 2010, also vor 9 Jahren, den dargestellten Chart „lower for longer“ mit den Parallelen zu Japan zum ersten Mal in Deutschland anlässlich der Institutional Money Messe in Frankfurt gezeigt. Seinerzeit wurde kontrovers diskutiert, ob wir wirklich „japanische Verhältnisse“ auf der Zinsseite bekommen, also ein lang anhaltendes Niedrigzinsniveau über mehr als eine Dekade. Heute ist die Korrelation im Chartverlauf mehr als deutlich und eine Dekade des Gleichlaufs liegt hinter uns. Kurzfristig auf die nächsten 12 Monate gesehen sind in den USA tatsächlich wie­ der 3 Zinssenkungen zu erwarten (Stand: 29.07.2019). Wir erleben also eine Wende von der Zinswende. Die Äußerungen der Notenbankpräsidenten Powell (Fed) und Draghi (EZB) waren doch sehr eindeutig: So sagte Jerome Powell als Antwort auf Trumps ver­ schärfte Rethorik im Handeskonflikt: „. . . . As always, we will act as appropriate to sus­ tain the expansion” und auch Mario Draghi im EZB Statement im Juli 2019 war nicht weniger klar: “. . . the Governing Council is determined to act. . . It therefore stands rea­ dy to adjust all of its instruments”. Die Negativzinsen bei deutschen Staatsanleihen werden uns also wohl noch auf Jahre hinaus erhalten bleiben – Zinsen steigen eben nur dann, wenn die Inflationser­ wartungen ansteigen und ggf. über den von der Zentralbank gesetzten Korridor hin­ ausschießen. Mit einem Wachstum „unter Trend“ für die nächsten Jahre oder gar ei­ ner Rezession ist das aber einigermaßen unwahrscheinlich. Zudem ist die weltweite Verschuldung der Staaten, aber auch vieler Unternehmen, vorsichtig formuliert, auch nicht kleiner geworden. Ein wesentlich höheres Zinsniveau würde die Bedienung die­ ser Schulden erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Die Hoffnung aber, dass die Zentralbanken die Realwirtschaft so beeinflussen können, dass künftige Rezessionen durch „prophylaktische“ Zinssenkungen aus­

10-Jährige Anleiherenditen gleichgewichteter Durchschnitt USA/Großbritannien/Deutschland von 2008 – heute (Achse oben)

10-Jährige Anleiherenditen Japan 1995 – heute (Achse unten)

-0,5 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2031 5,0

Quelle: JP Morgan Asset Management

Nominale Rendite in %

Rendite 10-jähriger japanischer Staatsanleihen vs. Durchschnitt USA/GB/DE

„Lower for longer: Japanische Verhältnisse?”

Interview mit J.P. Morgan Asset Management | 499

500 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

fallen, erscheint trügerisch. Tendenziell können diese Zinssenkungen zyklusverlän­ gernd wirken, und zukünftige Rezessionen mildern, aber die wirtschaftliche Entwick­ lung wird auch zukünftig zyklischer Natur sein. 3. Das Stichwort Digitalisierung ist in aller Munde, nicht nur im Bereich Finance. Kommt dies auch im Asset Management zum Tragen und wenn ja, in welcher Form? Eine Frage, die sich schwer in wenigen Sätzen beantworten lässt. Zunächst wächst na­ türlich auf der Produktseite am Markt das Angebot an Investmentfonds, die das Thema Digitalisierung mit all ihren Facetten aufgreifen und investierbar machen wollen, bei­ spielsweise mit Unternehmen, die von der Digitalisierung verschiedenster Lebensbe­ reiche profitieren. Dies Fonds tragen dann gern die „Buzz-words“ im Produktnamen, sei es „Künstliche Intelligenz“, Industrie 4.0 oder „Smart Industrial“. Wenn man die Entwicklung von Unternehmen im „Tech-Bereich“ und deren stark gewachsene Ge­ wichtung in wichtigen Indizes in den letzten Jahren verfolgt hat, ist das ja auch nach­ vollziehbar. Digitalisierung wirkt aber natürlich nicht nur auf das Produktangebot im Asset Management, es geht ja seit jeher auch originär um effiziente Verarbeitung von Informationen, Daten, und Risiken. Und hier hat die Leistungsfähigkeit der Portfolio­ management- und Risikosysteme deutlich zugenommen. Künstliche Intelligenz un­ terstützt im Portfoliomanagement, die besten Ergebnisse liefern aber auch zukünftig wohl Investmentprozesse, bei denen menschliche Erfahrung und Einschätzungsver­ mögen vom Computer und KI unterstützt wird. Ein spannendes Feld in diesem Zusam­ menhang sind sicherlich auch die Anwendungsmöglichkeiten einer Blockchain und die Entwicklung bei Kryptowährungen. Für Kunden sichtbarer sind im letzten Jahr zudem „Robo-Advisor“ wie Pilze aus dem Boden geschossen, die Portfolien standardisiert für Kunden aufgrund deren Vor­ gaben managen. Diese waren aber im ersten Schritt nicht wirklich billiger oder besser als klassische standardisierte Fondsvermögensverwaltungen, so dass erste Angebo­ te auch schon wieder vom deutschen Markt verschwunden sind. Eine Konsolidierung des Angebot ist mit zunehmender Reife des Marktes zu erwarten. 4. Ist das quantitative Computersystem am Ende des Tages der bessere Fondsmanager und welche Entwicklung kann man hier prognostizieren? Wir sehen es nicht so, dass rein quantitative Ansätze überlegene Ergebnisse bringen. Zwar lassen sich damit die menschliche Emotion aus der Entscheidungsfindung her­ ausnehmen und typisch menschliche Anlegerfehler bzw. Entscheidungen, die auf ein­ fachen Heuristiken beruhen, eliminieren, aber das an sich ist auch noch keine Erfolgs­ garantie. Es gibt leider keinen Investmentprozess „der über Wasser geht“, aber die Kombi­ nation aus quantitativen Filtern, ergänzt um eine menschliche Komponente mit dis­ kretionärem Spielraum für erfahrene Portfoliomanager bringt längerfristig betrachtet wohl mit die besten Ergebnisse. Aber auch bei solchen Ansätzen unterliegt das Alpha Schwankungen.

Interview mit J.P. Morgan Asset Management | 501

5. Viel wird über Robo-Advisor gesprochen. Aber kann ein solcher wirklich eine komplexe Anlagestrategie umgesetzt mit einem Asset Management Team ersetzen? Sicherlich gibt es einen Markt für Robo-Advice – dieser liegt derzeit geschätzt viel­ leicht bei 15 Prozent der Privatanleger. Ich denke aber nicht, dass Robo Advisor den Mensch und seine Entscheidungen – sei es im Portfolio Management, sei es in der „Be­ ratung“ oder Kundenbetreuung – wirklich ersetzten werden. Es wird auf ein Nebenund Miteinander verschiedener Beratungsmodelle herauslaufen. Vor allem Vertrauen bleibt in der Kunde-Bank–Asset Manager Beziehung sehr wichtig. Vertrauen entsteht aber nicht durch die Technik alleine, Vertrauen entsteht, wenn der Berater auf opportunistisches Verhalten verzichtet und seinen potentiellen Informationsvorsprung nicht zum eigenen Vorteil begreift, sondern zum Wohle seines Kunden einsetzt und der Kunde die Arbeit des Beraters im Beraterungsprozess und die entstehende Asset Allokation nachvollziehen kann. Das wird beim reinen Robo Advisor schwieriger. Der Marktanteil für Robo Advice wird aber steigen – sicherlich besonders bei zukünftigen Anlegergenerationen, die als digital Natives den digitalen Lösungen gegenüber aufgeschlossener sind. Spannend wird es zu sehen, wie Kun­ den von Robo Advisorn mit schwierigen Marktphasen umgehen und wie es digital gelingen kann, zu erklären was gerade passiert, bzw. welche Optionen der Kunde sinnvollerweise hat. 6. Welche Keyfactors kann man herausstellen, wenn man ein erfolgreiches Asset Ma­ nagement beschreiben möchte? Wir sehen drei Bereiche von Alpha: Produkt, Sales und und Service. Ein Asset Manager hat nur dann eine Daseinsberechtigung am Markt, wenn er einen Mehrwert für seine Kunden schafft. Das ist einerseits Mehrwert durch bessere Anlageergebnisse also eine überdurchschnittliche Performance bzw. überdurchschnittlich gutes Risikomanage­ ment, andererseits Mehrwert im Vertrieb und nicht zuletzt Mehrwert im Service. Das Ganze natürlich bei vertretbarem Aufwand, so dass auch nach Kosten ein Mehrwert in den Ergebnissen bleibt. Ein nicht zu unterschätzender Faktor dabei ist sicherlich die Skalierbarkeit des jeweiligen Geschäftsmodells bzw. die Größe des Asset Managers. Die aufsichtsrecht­ lichen Anforderungen, derzeitige Integration von ESG Faktoren, Investitionen in zu­ künftige Geschäftsfelder, Digitalisierung, Margendruck durch den Trend zu passiven ETF-Investments, harter Wettbewerb etc. machen es für kleine Asset Manager schwie­ riger, die notwendige Profitabilität sicherzustellen, um dauerhaft am Markt zu be­ stehen und den genannten Mehrwert sicherzustellen. Eine Konsolidierung der Bran­ che wird seit Jahren prognostiziert – bisher ist aber noch nicht all zu viel passiert. Größe alleine ist aber natürlich nicht alles, es kommt darauf an die richtigen Mit­ arbeiter an Bord zu haben, die den genannten Mehrwert liefern, ob im Portfolioma­ nagement, im Vertrieb, in den Serviceeinheiten, im Marketing bis hin zur Führung des Unternehmens. Dazu muss, wie in anderen Branchen auch, über den Tellerrand hinaus gedacht werden und Produkte wie Prozesse fortlaufend hinterfragt und effizi­

502 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

enter gemacht werden. Ein Asset Manager muss stets eine lernende Organisation sein, die sich anpassen und fokussieren kann – und es gilt vor allem, nicht zu „satt“ durch vergangene Erfolge zu werden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Management-Team zu, das – hoffent­ lich – mit Weitblick und Durchhaltevermögen agiert, und eine Strategie umsetzt, die zu den eigenen Wurzeln, Werten und Fähigkeiten passt, aber auch die ausufernde Bü­ rokratie bekämpft und damit Kosten im Zaum hält. Wichtig erscheint mir im Asset Ma­ nagement nicht zuletzt das, was wir „Fiduciary Mindset“ nennen, also das Selbstver­ ständnis als Treuhänder. Asset Management ist kein Selbstzweck, sondern hat immer dem Wohle der Kunden zu dienen. 7. Wenn man heute von globalen Trends spricht, ist schnell der Superlativ Megatrend im Gebrauch. Sehen Sie hier einen der derzeit erwächst oder sind das doch eher alles normale Entwicklungsschritte? Persönlich bin ich kein Freund dieser „Marketing-Superlative“ bei denen jeder kurz­ fristige Hype zum Megatrend hochstilisiert wird. Aber es gibt natürlich eine Vielzahl von Themen und Trends, bei denen sich längerfristig struktureller „Rückenwind“ be­ obachten lässt. Diese können spannende Anlagethemen in der Beimischung oder ei­ nem Core/Satellite Ansatz sein. Dazu zählen beispielsweise Entwicklungen in der Welt, die kaum oder zumin­ dest weniger von konjunkturellen Entwicklungen abhängig sind und verschiedene Geschäftsmodelle von Unternehmen begünstigen. Das sind sicherlich die bereits dis­ kutierten technologischen Entwicklungen, wenn man nur an Digitalisierung verschie­ denster Branchen und Lebensbereiche denkt oder die Verarbeitung und Analyse der gesammelten Datenmengen durch Künstliche Intelligenz. Auch die Entwicklungen im Bereich Gesundheitswesen (Biotechnoglogie, Genetik, Medizintechnik und Pharma) ist ein solches Thema. Aber auch regional sehen wir strukturelle Veränderungen bei­ spielsweise ist Asiens Aufholjagd ungebrochen: die Urbanisierung, oft günstigere De­ mographie als in den wesentlichen Industrieländern, entstehende Mittelschichten. Das führt zu verändertem Konsumverhalten, entstehender Nachfrage nach Finanz­ dienstleistungen, Bildung, medizinischer Versorge und so weiter. Wobei die Entwicklungsschritte in den meisten Fällen noch moderat ausfallen. Bisher hat die Digitalisierung beispielsweise noch nicht zu Quantensprüngen in der Produktivität geführt, aber das ist ein Feld, das sich lohnt im Auge zu behalten. Für den Anleger ist es sicher richtig, sich mit den Themen zu beschäftigen, von de­ nen man überzeugt ist, dass sie zukünftiges Wachstum bieten und in diese Bereiche dann auch zu investieren. Die allgegenwärtige Konzentration auf die Frage, wie lange der aktuelle Konjunkturzyklus noch weitergehen kann und wann die nächste Rezes­ sion beginnt, erscheint bei der eigenen Geldanlage zwar wichtig und spannend, aller­ dings gibt es keine sichere Antwort darauf. Von daher ist es gerade im Spätzyklus sehr sinnvoll, den Anlagehorizont auf Themen auszuweiten, die längerfristig und weniger zyklusabhängig positives Potenzial bieten.

Interview mit J.P. Morgan Asset Management | 503

8. In den vergangenen 10 Jahren hat sich die Finance, auch geprägt durch das neue re­ gulatorische Umfeld sehr stark verändert. Wenn Sie heute die Glaskugel in die Zukunft hätten, an welche weiterführenden Änderungen denken Sie dabei? Da gibt es gleich einige Stichpunkte zu nennen: Der Trend zu passiven Investments wird anhalten, aber aktives Management wird bleiben. Flexible, benchmarkunabhän­ gige Anlagestrategien mit verlässlicher Ertragskomponente wie Income und Macro werden dabei wichtiger. Alternative Investments werden eine noch größere Rolle spie­ len genau wie „Real Assets“. Dazu werden Nachhaltigkeitskriterien/ESG – auch bei der eigenen Geldanlage und der Auswahl der Investments – weiter an Bedeutung zu­ nehmen. Und das nicht nur wegen der geplanten Frage nach ESG im Beratungspro­ zess durch die Regulierung in Europa. Das Bewusstsein für Umwelt und soziale The­ men hat deutlich zugenommen, sei es durch die Friday for Future Bewegung, die im­ mer stärker bemerkbaren Auswirkungen der Klimakrise und der damit verbundene Aufstieg „grüner“ Parteien, etc. Aber auch Transparenz wird (noch) wichtiger. Für die Anbieter werden Margen weiterhin unter Druck bleiben und das anhaltende Niedrig­ zinsumfeld sorgt für massiven Druck auf klassische Retail-Banking-Geschäftsmodelle, die bisher oft maßgeblich von der Zinsspanne lebten. Der Trend zu größeren Einheiten mit mehr Skalierbarkeit wird daher anhalten. Als Folge werden weitere Fusionen und größere Übernahmen in der Branche zu beobachten sein. Der regulatorische Druck und die Kosten für umfangreichere Bü­ rokratie und Compliance dürften hoch bleiben, werden aber gut gemanagte Finanz­ dienstleister auch nicht überfordern. Die Anforderungen an die Mitarbeiter werden weiter steigen, die Anzahl der Be­ schäftigten vor allem in einfacheren Tätigkeitsbereich aber spürbar sinken. Bemer­ kenswert was Algorithmen heute schon für Aufgaben übernehmen können. . . 9. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Derivate in den kommenden Jahren? Derivate haben Ihren festen Platz in der (Investment)-Welt. Ich denke nicht, dass sich hier das Rad wirklich zurückdrehen lässt. Um schnell und kostengünstig reagieren zu können, oder zu Absicherungszwecken, stellt ja auch kaum jemand mehr die segens­ reiche Wirkung von richtig eingesetzten Derivaten in Frage. Ein Problem ist natürlich die öffentliche Transparenz dieser riesigen Märkte. Die Exzesse der Vergangenheit (Stichwort: Finanzkrise) bei denen nicht zuletzt In­ transparenz zu einem Vertrauensverlust unter den großen Marktteilnehmern geführt und das globale Finanzsystem an den Rande des Abgrunds geführt hat, gehören hof­ fentlich der Vergangenheit an. Es hat sich seitdem ja einiges getan – sei es das Trans­ parenzregister, höhere Eigenkapitalanforderungen für Banken und Versicherungen oder bessere Risikomanagement-Systeme um nur ein paar Stichworte zu nennen. Das Volumen aller ausstehenden Derivate bleibt aber „schwindelerregend“ und damit ein Thema, das Aufseher und Marktteilnehmer in Krisenphasen wieder mehr beschäfti­ gen wird. . . .

504 | 14 Einsatz von Derivaten im Financial Engineering und im Fondsmanagement

10. Ihr Haus betreut Kunden auf der ganzen Welt. Kommt es bei den Anforderungen der jeweiligen Kundengruppen zu unterschiedlichen Profilen? Ist der deutsche Investor an­ ders als sein UK oder USA Gegenüber? Natürlich haben verschiedenen Kundengruppen unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen an Ihren Asset Manager bzw. Ihre Bank und jeweils ein individuelles Profil. Aber wenn man homogenere Gruppen betrachtet, beispielsweise Privatanlager weltweit, sind die Bedürfnisse und Herausforderungen doch ähnlich. Verhaltens­ muster wie der „Home-Bias“ also die übertriebene Heimatliebe, bei der vor allem die Aktien einheimischer Unternehmen, die man vermeintlich besser kennt gekauft wer­ den, gibt es nicht nur bei deutschen Anlegern, sondern finden Sie auch in UK oder in den USA. Auch finden sich in vielen Ländern verunsicherte Privatanleger, die ihr Erspartes in unverzinsten Sparanlagen horten – den Ausspruch „Cash is king“ gibt es ja auch im Englischen. Letztlich sind Anleger auch nur Menschen und wollen bei Ihrer Entschei­ dung keinen Fehler machen. Bei Entscheidungen unter Ungewissheit ist nun mal die wahrscheinlichste menschliche Entscheidung, keine zu treffen, also am Status Quo festzuhalten. „Status Quo Bias“ nennt sich das Phänomen in der Behavioral Finance. Emotional ist das verständlich, denn keine Entscheidung zu treffen kann (gefühlt) doch kein Fehler sein. Aber rational betrachtet ist eben auch eine Nicht-(Anlage) Ent­ scheidung eine Entscheidung für den Status Quo und der sieht bei den meisten An­ legern nicht so gut aus, wenn die Zinsen noch jahrelang im Niedrigzinstal bleiben. Anders formuliert sind Bildungsstand, Anlageerfahrung, steuerliche Behandlung un­ terschiedlicher Investments, aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen bei institutio­ nellen Investoren, verschiedene Altersvorsorgesysteme etc. wohl viel wichtigere Ein­ flussfaktoren um unterschiedlich wahrgenommenes Anlegerverhalten zu erklären, als nur die Herkunft nach Ländern.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate 8. Auflage 2012 Rudolph, Bernd; Schäfer, Klaus: Derivative Finanzinstrumente 2005 Wiedemann, Arnd: Financial Engineering Bewertung von Finanzinstrumenten, 6. Auflage, Frankfurt 2013

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel | 505

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Welche Komponente wird vorwiegend bei Garantieprodukten als Rückzahlungssiche­ rungskomponente verwendet? Frage 2: Welche synthetische Komponente bildet bei einem Discountzertifikat das Underlying ab? Frage 3: Bei einem Short-Hebelprodukt wurde die K.o.-Schwelle berührt. Was passiert mit dem Zertifikat? Frage 4: Multi-Callable-Bonds werden mit welcher Art von Optionen dargestellt und bewertet? Frage 5: Aus welchen Teilkomponenten besteht ein Leveraged Floater? Antwort zu Frage 1: Der Zerobond. Das abgezinste Papier sichert die Rückzahlung des Financial-Enginee­ ring-Produktes zum Laufzeitende. Antwort zu Frage 2: Wird ein Discountzertifikat ohne direktes Underlying konstruiert, so bildet ein ZeroStrike-Call das Underlying ab. Antwort zu Frage 3: Das Underlying ist im Preis gestiegen und das Zertifikat wurde ausgeknockt. Es ist, sofern kein Minimumrückzahlungsbetrag vereinbart worden ist, wertlos. Antwort zu Frage 4: Es handelt sich um Bermuda-Optionen, welche mittels eines Binomialbaumes bewer­ tet werden. Antwort zu Frage 5: Aus zwei Floors einem Floater, einem Swap.

15 Die Wertpapierleihe und das Repo-Geschäft In Kapitel 15 werden Sie Folgendes erfahren: – –

Was genau ist ein Repo-Geschäft und wie setzt man dieses ein? Warum sind Repo-Geschäfte im modernen Finanzmarkt so wichtig?

Wertpapiere können nicht nur ge- und verkauft werden, sondern natürlich auch verlie­ hen. In der Praxis kommen solche Leihetransaktionen (auch Wertpapierpensions­ geschäfte genannt) oft vor. Denn sie bieten sowohl dem Wertpapierleihenden wie auch dem Wertpapierverleiher Möglichkeiten, auf Marktgegebenheiten zu reagieren. In diesem Kapitel befassen wir uns mit der klassischen Wertpapierleihe und dem klas­ sischen Repo-Geschäft.

15.1 Die Wertpapierleihe Bei einem Wertpapierleihegeschäft (Security Lending) werden, wie der Name schon besagt, Wertpapiere, welche sich im Besitz eines Investors befinden, für einen gewis­ sen Zeitraum (Leihezeitraum) an einen anderen Finanzintermediär verliehen. Dafür erhält der Verleiher vom Ausleiher der Wertpapiere eine Leiheprämie bezahlt. Der Aus­ leiher der Wertpapiere gibt diese nach der Leihefrist an den Verleiher wieder zurück. Die Abbildung 15.1 zeigt diesen Mechanismus schematisch auf. Gliedert man das Geschäft etwas tiefer auf, so erkennt man, dass es sich eigent­ lich nicht um eine Leihegeschäft (im juristischen Sinne) handelt, sondern um ein soge­ nanntes Sachdarlehen.⁶⁵⁴ Der Besitz geht für den Leihezeitraum an den Ausleiher über und dieser muss lediglich dieselbe Stückzahl und Art der Wertpapiere nach der Lei­ hefrist wieder zurückgeben. Da bei Wertpapieren (z. B. Aktien) hier kein Unterschied zwischen den ursprünglichen und den „neuen“ zurückgegebenen Stücken vorhanden ist, spielt dies jedoch nur eine sehr untergeordnete Rolle. Die Wertpapierleihe ermög­ licht es einem großen Investor, mit seinen Beständen eine zusätzliche Rendite zu er­ Wertpapierleihe Verleiher

Ausleiher Leiheprämie

Abb. 15.1: Schema einer Wertpapierleihe 654 Vgl. Häuselmann, Holger: Wertpapier-Darlehen in der Steuerbilanz; Der Betrieb Heft 10/2000; vgl. Käufer, Anke: Übertrag finanzieller Vermögenswerte nach HGB und IAS 39: Factoring, Pensions­ geschäft und Wertpapierleihe im Vergleich. https://doi.org/10.1515/9783110659931-015

508 | 15 Die Wertpapierleihe und das Repo-Geschäft

wirtschaften. Da es sich jedoch um ein bilaterales Geschäft zwischen zwei Geschäfts­ parteien handelt, ist dieses immer von der Bonität beider abhängig. Daher wird i. d. R. eine Sicherheit und eine zweifelsfreie Bonität vom Ausleihenden erwartet. Eine Wert­ papierleihe ist folglich immer von einem Counterparty-Risk begleitet. Dieses lässt sich umgehen, wenn man einen zentralen Counterpart (CCP) in die Transaktion einbindet. Dieser garantiert dann für die Erfüllung des Geschäfts.⁶⁵⁵

15.2 Welche Gründe gibt es für ein Wertpapierleihegeschäft? Die Gründe können vielfältiger Natur sein. Einer, der meist zu Wertpapierleihege­ schäften führt, ist die Handelsstrategie: Short Underlying, bei diesem werden Leer­ verkäufe zum Beispiel in einer Aktiengattung (Verkäufe von Wertpapieren, welche man nicht im Bestand hat) vorgenommen. Um liefern zu können, kann man sich die Wertpapiere in der Zwischenzeit leihen. Ziel ist, die Wertpapiere zu einem späteren Zeitpunkt günstiger zurückzukaufen. Dies kann entweder am Kassamarkt durch eine Spot-Transaktion erfolgen oder auch über den Terminmarkt, zum Beispiel durch das Ausüben einer Optionsposition oder durch das Vorhandensein einer Stillhalteposi­ tion. Das Instrument der Wertpapierleihe ermöglicht es, wie oben dargestellt, dass der Leerverkauf gedeckt wird. Wird ein Leerverkauf so abgedeckt, spricht man auch von einem gedeckten Leerverkauf oder einem Covered Short-Selling. Diesem steht das Naked Short-Selling gegenüber, welches aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht überall einsetzbar ist.⁶⁵⁶ Pro und kontra Wertpapierleihe Vorteile welche sich für den Verleiher aus der Wertpapierleihe ergeben: – Professionelles Management der bereits vorhandenen Bestände. – Flexible Beschaffung kurzfristiger Liquidität unter Schonung bestehender Kreditlininen. – Kein Konflikt mit Pari-Passu-Klauseln,⁶⁵⁷ da die Leihe keine Kreditbesicherung ist. Nachteile die sich für den Verleiher ergeben können: – Beschränkte Dispositionsmöglichkeit, da an Leihevertrag gebunden. – Ggf. kommt es zu einem Margin Call bzw. einer Anforderung zur Verstärkung der Sicherheiten.

655 Vgl. Wieczorek T., Schindler C., Hindelang M.: Praxishandbuch Wertpapierleihe, Springer Fach­ medien Wiesbaden (2015). 656 Vgl. Wieczorek T., Schindler C., Hindelang M.: Praxishandbuch Wertpapierleihe, Springer Fach­ medien Wiesbaden (2015). 657 Gleichbehandlung von Gläubigern und deren Sicherheiten. Grundsätzlich leitet sich dies aus dem Grundsatz: Par conditio creditorum ab. Hier wird die gleiche Behandlung von Gläubigern im Insolvenz­ fall gefordert. Im Kreditvergabebereich spricht man davon, dass z. B. ein Kreditinstitut bei einer nicht besicherten Kreditherausgabe gleich wie jeder andere Gläubiger behandelt wird.

15.4 Wie erfolgt die Preisberechnung für ein Repo-Geschäft? |

509

Nachfolgend zeigen wir an einem Beispiel, wie eine solche Transaktion vorgenommen werden kann. Dabei werden 50.000 Stück der ABC-Aktie gedeckt short verkauft. Die Leiheprämie entspricht 1 Euro pro Stück. Transaktion

Einzelgeschäft

Preise

Leerverkauf ABC-Aktien Leihe der ABC-Aktien Rückkauf der ABC-Aktien in n Wochen später

50.000 Aktien 50.000 Aktien 50.000 Aktien

50 Euro Verkaufserlös −1 Euro Leiheprämie 45 Euro Rückkauf

Gewinn der Position

4 Euro pro Aktie; bei 50.000 Aktien entspricht dies einem Gewinn von 200.000 Euro

15.3 Das Repo-Geschäft Im festverzinslichen Bond-Bereich ist die Wertpapierleihe ebenfalls sehr verbreitet. Hier ist sie als Instrument zur Refinanzierung zu sehen. Man spricht hierbei von so­ genannten Repo-Geschäften (engl. Repurchase Operation). Die Wertpapiere werden dann zum Beispiel im Offenmarktgeschäft oder im klassischen Repo-Markt (Sale and Repurchsase Agreement) eingesetzt. Diese können in Laufzeiten zwischen Overnight bis hin zu einem Jahr abgeschlossen werden. Dabei wird der Wertpapier­ verkäufer zu einem Kreditnehmer und der Wertpapierkäufer zum Kreditgeber. Der Vertrag verlangt im Vorhinein, dass der Wertpapierverkäufer zu einem bestimmten Tag (dem Repurchase Date) die Stücke wieder zurückkauft. Für die Transaktion wer­ den Sicherheiten (Collateral) gestellt. Für die Bereitstellung des Kreditbetrages wird der sogenannte Repo-Satz bezahlt. Hierbei handelt es sich um die Kreditverzinsung für die Laufzeit des Repo-Geschäftes.⁶⁵⁸ Auch die Eurex-Börsen haben eine Repo-Plattform. Nähere Informationen hierzu finden Sie unter: http://www.eurexrepo.com

15.4 Wie erfolgt die Preisberechnung für ein Repo-Geschäft? Bei Transaktionsbeginn wird der Purchase Price ermittelt. Dieser entspricht dem Marktwert des Underlyings abzüglich evtl. vorhandener Stückzinsen und eines Si­ cherheitsabschlags (Haircut). Am Ende der Transaktion wird dann der Repurchase

658 Vgl. o. V. Eurex Repo.

510 | 15 Die Wertpapierleihe und das Repo-Geschäft

Price berechnet. Er beinhaltet den Purchase Price zuzüglich der Repo-Rate (RepoSatz), der wie bereits erwähnt, als Verzinsung für das gegebene Darlehen gilt.⁶⁵⁹ Beispiel für ein Repo-Geschäft Preis bei Transaktionsbeginn (Nominal) entspricht 100 Prozent inkl. Stückzinsen (für Beispiel inkludiert)

100.000.000 Euro

Stückzinsen (fiktiv für das Beispiel) Haircut (20 Prozent aus Nominal) Purchase Price Repo-Kosten: Repo-Satz 2,0 Prozent, Laufzeit 100 Tage, Basis 365 Tage

−5.000.000 Euro −20.000.000 Euro 75.000.000 Euro 410.958,90 Euro

15.5 Warum wird ein Haircut berechnet? Der Haircut (auch Sicherheitsabschlag genannt) ist eine Sicherheitsmaßnahme, dass bei einem Preisverfall nicht sofort ein Margin Call⁶⁶⁰ und die damit verbundene Aufforderung zur Verstärkung der Sicherheiten erfolgt. Die Bewertung des Underlyings erfolgt börsentäglich neu und zeigt daher immer den Mark-to-Market-Value auf. Für die jeweiligen Wertpapiere gibt es unterschiedliche Beleihungsgrenzen. Diese sind im Voraus festgelegt. I. d. R. entsprechen diese den Sicherheitsabschlägen, die auch beim Stellen von Sicherheiten für anderweitige Kredite Verwendung⁶⁶¹ finden. Die Sicher­ heitsabschläge werden regelmäßig überprüft und im gegebenen Fall auch angepasst. Einflussfaktoren auf die Höhe des Haircuts können zum Beispiel folgende sein: – Volatilität und Credit Rating des Wertpapiers. – Credit Rating des Partners. – Das Liquiditätsrisiko und die risikogewichtete Duration der zugrunde liegenden Wertpapiere.

659 Vgl. o. V. Eurex Repo. 660 Margin Call: Man spricht dann von einem Margin Call, wenn eine absolute Anweisung zur Ver­ stärkung der Sicherheiten ausgesprochen wird. Dies ist immer dann der Fall, wenn die gestellte Si­ cherheitsleistung (das Collateral) nicht mehr zur erforderlichen Sicherheitsleistung passt. Der Inves­ tor muss dann mit Fristsetzung, i. d. R. 24 Std. (geht aber auch Intraday), für den Ausgleich sorgen. Sollte er dem Margin Call nicht Folge leisten, können seine Risikopositionen teilweise oder auch ganz geschlossen werden. Man nennt dies dann Zwangsliquidation. Im Vergleich dazu haben die Banken und Broker an der Eurex nur maximal 30 Minuten Zeit, den Margin Call (Intraday) zu erledigen. Grund hierfür ist, dass es sich um den „wirklichen“ Margin Call handelt, welcher 1:1 entstanden ist, während der gegenüber dem Kunden zwar die Rückdeckung bei der Bank/Broker betrifft, jedoch nicht gegen­ über der Terminbörse selbst. 661 Gem. den jeweiligen Regularien wie zum Beispiel dem Kredithandbuch einer Bank etc.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel |



511

Diverse Fragestellungen im Zusammenhang mit der Korrelation, Duration und der Laufzeit des Geschäftes.

Weitere darüber hinaus gehende Faktoren können ebenfalls Einflussfaktoren sein. Hierbei muss eine Einzelfallbetrachtung durchgeführt werden.⁶⁶² Das Risiko ist relativ! Die Aussage: „Das Risiko ist relativ“ zeigt, dass nichts als konkrete Konstante anzusehen ist. Alles unterliegt folglich einer Drift. Somit sind der Blickwinkel einer Beurteilung, sowie der Zeitpunkt zu der diese Beurteilung getätigt wird maßgeblich. Dies entscheidet ob etwas risikolos oder risikotragend ist. Das Risiko ist folglich keine Konstante, sondern verändert sich. Die Zunahme des Risikos wird nicht selten mit Änderungen des Umfeldes und des Betrachtungszeitraumes einhergehen. Im Zuge der abgeschlossenen Finanzkrisen der vergangenen 10 Jahre wurden viele Haircuts an­ gepasst. Warum ist dies der Fall gewesen? Wurden früher zum Beispiel Staatsanleihen mit einem Si­ cherungsabschlag von null begeben, so rechnet man bei diesen auch heute ein Ausfallrisiko mit ein. Die Ereignisse, welche sich im Zuge der Staatsschuldenkrise (Vgl. hier die Griechenlandproblematik) ergeben haben, haben hierzu geführt. Die Abschläge für nutzbare Wertpapiere wurden nach deren Ri­ sikogehalt erneut gestaffelt und bewertet. Eine fortlaufende Überprüfung der Haircuts sichert hier ein mögliches Verschieben von Risiken. Neben den Ratings spielen auch die Aussichten für die Papiere hier eine Rolle. So werden zum Beispiel Anleihen in der Ratingkategorie AAA und einer Laufzeit von geringer einem Jahr mit ca. 2 Prozent abgeschlagen, bei einer Laufzeit von größer 10 Jahren und glei­ chem Rating sind dies jedoch ca. 9 Prozent Abschlag. Vergleicht man dies mit einem BB+ Rating, so ergeben sich Abschläge von 5 Prozent (kurzfristig) bis hin zu 50 Prozent (langfristig). Jede Bank hat hierfür eine für das Institut gültige Auslegung der Kreditrisikoparameter.⁶⁶³

Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit dem Repo Geschäft und der Wertpapierleihe aus­ einandergesetzt. Diese Verfahren werden jeden Tag zig-fach am Markt verwendet um Wertpapiere zu leihen oder in einer Leihe anzubieten. Dabei sind wir auf die Funktionsweise und die Preisfin­ dung eingegangen. Wir haben die Risiken dieser Geschäfte beleuchte und uns mit der Fragestel­ lung des Haircuts auseinander gesetzt. Des Weiteren haben wir uns die Handelsgründe für diese Geschäfte genauer beleuchtet.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate 8. Auflage 2012 Wieczorek, Schindler, Hindelang: Praxishandbuch Wertpapierleihe

662 Vgl. o. V. Eurex Repo; vgl. o. V. Commerzbank AG. 663 Quelle: Commerzbank AG; Kreditrisikoparameter 2012; Exzerpt zu Beispielzwecken (leicht ver­ ändert).

512 | 15 Die Wertpapierleihe und das Repo-Geschäft

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Welche Gründe gibt es für ein Wertpapierleihegeschäft? Frage 2: Pari-Passu-Klauseln spielen bei Repo-Geschäften keine Rolle? Frage 3: Für ein Repo-Geschäft werden Sicherheiten in Form eines Collateral gestellt? Antwort zu Frage 1: Diese können vielschichtig sein. Es können z. B. Short-Geschäfte, Eindeckungen oder vorübergehende Haltepositionen sein. Antwort zu Frage 2: Falsch, oftmals wird mittels eines Repo-Geschäftes gerade diese Art von Klauseln um­ gangen. Antwort zu Frage 3: Ja, korrekt. Jedes Repo- bzw. Leihegeschäft wird durch ein Collateral abgesichert.

16 Risiko- und Sicherheitenmanagement In Kapitel 16 werden Sie Folgendes erfahren: – – – – – –

Warum ist es wichtig ein aktives Risikocontrolling durchzuführen? Wie wird ein zielgerichtetes Risikomanagement durchgeführt? Was bedeutet Sicherheitenmanagement? Welche Arten von Margin gibt es? Wie hinterlege ich Margin? Was sind Glattstellungskosten?

16.1 Was ist Risiko? Dies ist die wahrscheinlich spannendste Frage in der modernen Finance! Sie reiht sich ein in die große Fragen der Zeitgeschichte. Eine andere ist: Was ist Zeit? – die große Fragestellung der Physik. Wie auch bei der Zeit müssen wir Risiko ins Verhält­ nis setzen um eine konkrete Vorstellung zu erhalten. Wir benötigen folglich ein Be­ zugssystem. Messen wir Zeit in Meter pro Sekunde oder Kilometer in der Stunde, so ist Risiko in Geldeinheit pro Zeitfenster zu bewerten. Anders ausgedrückt kann man auch sagen, Risiko ist die Ungewissheit für einen gewissen Zeitraum, welcher durch eine finanzielle Ausgleichszahlung negiert werden sollte. Ist die Ausgleichzahlung zu gering, ist man zu viel Risiko eingegangen und kann dieses nicht kompensieren. Risi­ ko ist folglich auch keine Konstante, welche sich nicht ändert. Sondern in jeder Hin­ sicht als Variable anzusehen, dass durch die Veränderung von Bezugsrahmen und Wechselwirkung, das Risiko zu-, aber auch abnehmen kann. In gewisser Hinsicht, kann man hier auch das Anna-Karenina-Prinzip nach Diamond anführen, das angibt, dass gewisse Faktoren oder Bedingungen zusammen erfüllt sein müssen, das etwas positiv verläuft. Das Fehlen eines einzigen Faktors je­ doch ein Scheitern des Vorhabens, in unserem Fall einer Investition oder ähnliches, mit sich bringen wird.⁶⁶⁴ Er bezog sich hierbei auf das Zitat aus Leo (Lew) Tolstois Werk Anna Karenina, „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglück­ liche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“⁶⁶⁵ Die glücklichen Familien be­ nötigen viele einzelne Faktoren um glücklich zu sein. Diese spielen folglich zusammen und zahlen in das „glückliche Szenario“ ein, während die unglücklichen Familien nur einen einzigen (individuellen) Faktor benötigen, dass ihr Unglück eintritt. Überträgt man dieses in die Risikobetrachtung, kann man schlussfolgern, dass Erfolg viele Fak­ toren besitzt, welche positiv zusammenkommen müssen. Doch nur ein einziger Faktor

664 Vgl. Diamond, Jared: Guns, Germs, and Steel. The Fates of Human Societies. W.W. Norton & Com­ pany, New York, (1997). 665 Vgl. Tolstoi, Leo: Anna Karenina (1877/78). https://doi.org/10.1515/9783110659931-016

514 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

kann die Risikogewichtung verschieben und diese negativ beeinflussen und somit das Scheitern herbeiführen. Die Schwankungsbreite eines Anlageinstruments um seinen Mittelwert, nennen wir Volatilität. Diese zeigt nicht die Richtung der Schwankung an, sondern deren In­ tensität. Hat ein Anlageinstrument folglich eine hohe Volatilität, so ist dieses als „un­ sicherer zu prognostizieren“ als ein Anlageinstrument mit einer geringeren Schwan­ kungsintensität. Wird die Volatilität quadriert, so sprechen wir von der Varianz. Wollen wir das Risiko in Form von Geldeinheiten messen, so ist der Value at Risk (VaR) das Risikomaß mit der höchsten Verbreitungsdichte. Er definiert eine Verlust­ größe, mit einem bestimmten Konfidenzniveau und einer bestimmten Zeitspanne. Dabei ist zu beachten, dass der VaR kein kohärentes Risikomaß ist, da die Subaddi­ tivität beim VaR nicht gewährleistet ist.⁶⁶⁶ Des Weiteren ist der Conditional Value at Risk (CVaR) von Bedeutung, da er angibt, wie groß der durchschnittliche Verlust ist, wenn der VaR überschritten wird. Der CVaR zählt zu den kohärenten Risikomaßen (bei Unterstellung, dass X stetig verteilt ist. Bei einer diskreten Verteilung ist dies zu modifizieren⁶⁶⁷), da die vier Axiome: – Monotonie, – positive Homogenität, – Translationsinvarianz und – Subadditivität gegeben sind.⁶⁶⁸ Die Aussage der von uns erzeugten Risikomaße muss in die Beurteilung der einge­ gangenen bzw. einzugehenden Risikopositionen und deren erwartete Rendite einflie­ ßen. Das Risiko kann somit auch als Zielfunktion (Objective Function) angesehen werden, die es gilt bezahlt zu bekommen bzw. in Rendite umzusetzen. Folglich kann man auch sagen, Risiko und Gewinn sind, in normalen Marktlagen, unmittelbar mit­ einander verbunden. Je höher das Risiko ist, desto größer müssen demzufolge auch die Gewinnchancen sein, da man sonst dieses Geschäft nicht abschließen würde. Ge­ winn und Risiko bilden somit ein starkes Kräfteverhältnis. Das Risiko determiniert die Gewinnerwartung eines Investors und ist somit einer der Werttreiber der Investi­ tion. Betrachten wir das Risiko, so können wir grundsätzlich sagen, dass folgende drei Schritte zielführend sind: 1. Risiko identifizieren (erkennen) 2. Risiko messen und quantifizieren (verstehen) 3. Risiko transferieren (managen)

666 Vgl. Wagner, Fred: Value at Risk (VaR) in Gabler Wirtschaftslexikon (2019). 667 Vgl. Albrecht, P. & Koryciorz, S.: Bestimmung des Conditional Value at Risk (CVaR) bei Normalbzw. Lognormalverteilung. Mannheimer Manuskripte zu Risikotheorie, Portfolio Management und Versicherungswirtschaft, Nr. 142, S. 3 (2003). 668 Vgl. Gleisner, Werner: Risikomaße und Bewertung; Risikomanager Ausgabe 13, S. 20.

16.1 Was ist Risiko?

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515

Erst was erkannt, gemessen und quantifiziert ist, kann schlussendlich über, zum Bei­ spiel, Derivate transferiert werden. Das Risiko baut sich dabei nicht ab, es wird nicht eliminiert, wie viele immer denken, es wird lediglich weitergegeben bzw. durch einen gegenläufige Liquiditätsbeschaffung für einen selbst ausgeräumt. Per se besteht es am Ende der Hedgingkette weiter fort. Ob das Risiko, durch ggf. anderweitige Transaktio­ nen gegenläufig aufgefangen wird oder nicht, erschließt sich uns in der Transaktion der Übertragung nicht. Wichtig ist uns an dieser Stelle jedoch auch, dass man vor jeglichem Risiko kei­ ne Angst oder Befürchtungen haben muss. Denn wer das Risiko einer Transaktion kennt, der kann dieses berechnen und schlussendlich auch beherrschen. Leider ist in den vergangenen Jahren, speziell nach der Finanzkrise der Jahre 2008 und fort­ folgend, immer mehr der Eindruck entstanden, dass es Risiken nicht lohnt einzuge­ hen. Dies ist aber ein falscher und geradezu katastrophaler Entscheidungsweg. Na­ türlich ist das blinde Eingehen von Risiken ebenfalls total falsch. Es gilt immer genau zu wissen, was man als Risiko eingeht und auf welchen Rahmendaten dieses Risiko fußt. Dieses muss sich ja schließlich in der Ertragschance auch wiederspiegeln. Die langläufig von vielen, vor allem auch geprägt durch die Medien und deren teilweise fragwürdige Berichterstattung, angenommenen Risikowerte, sind empirisch betrach­ tet oftmals nicht (vollständig) korrekt. Dieses Phänomen kommt aus der öffentlichen Wahrnehmung von Risiken, die in der Berichterstattung nur in Extremfällen eine Rol­ le spielen. Dies ist eine emotionale Risikoerkennung und Besprechung dieses Events. Gerade dies ist der falsche Weg! Risiken und Chancen müssen immer emotionslos be­ trachtet werden. Somit gilt es, ein neutrales, quantitatives und qualitatives Risikocontrolling aber vor allem auch Risikomanagement aufzusetzen, welches die einzugehenden bzw. die bereits eingegangenen Positionen betreut und beurteilt. Es geht vor allem um das Risikomanagement. Das Controlling ist zwar ebenfalls wichtig, doch bleibt eine Risikobeurteilung in diesem Stadium „hängen“ so kann dies katastrophale Aus­ wirkungen haben. Es ist zwar schön zu wissen, dass das Risiko vorhanden ist, aber es muss damit auch umgegangen werden. Emergency Action Plans (EAP) führen hier zum gewünschten Ziel. Diese werden für jedes einzutreffende und im vorhinein zu be­ stimmende Risiko erstellt. Nach diesen wird dann vorgegangen. Da uns aber auch un­ vorhergesehene Risiken treffen, ist immer ein Emergency Action Plans (EAP) der ähn­ lich artig ist zur Rate zu ziehen. Sollte der Fall überhaupt keinen Muster entsprechen, ist auf die Fachkompetenz der agierenden Manager zu setzen. Das „neue“ Szenario ist dann als neuer EAP aufzunehmen und dort festzuhalten. Wir wollen an dieser Stelle auch noch ein Wort zum Thema aktivem Handeln verlieren. Nur wer aktiv handelt, hat das Heft des Handelns auch in der Hand. Daher sollten Sie dies immer der passiven Entscheidung oder einem „warten wir einmal ab“ vorziehen. Wie uns viele Ereignisse der Vergangenheit⁶⁶⁹ gezeigt haben, ist ein 669 Vgl. 9/11; Finanzkrise; Griechenlandkrise etc.

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schnelles und zielführendes Handeln notwendig. Wer die Risiken zu lange vor sich herschiebt, oder auf eine Marktänderung hoffe, kann schwer enttäuscht werden.⁶⁷⁰ Daher muss jedes Risikoszenario so schnell und so zielführend wie möglich angegan­ gen werden, ohne dabei zu viele liquiden Mittel einzusetzen. Bei hohen Risikopositionen ist es auch immer ratsam, eine weitere „KonsiliarMeinung“ einzuholen. Denn vier Augen sehen oftmals mehr als zwei und wenn man sich über die Positionen austauscht, kann man auch andere Ansätze für deren Lösung finden. Daher raten wir sehr dazu, in komplizierten Lagen, in einen wissenschaftli­ chen Dialog und Disput zu gehen. Gerade in komplizierten, aber auch in „normalen“ Marktlagen, ist der effektive Einsatz von modernen Risikomanagementsystemen unerlässlich. Ohne solche wäre ein konsequentes Abwickeln und Handhaben eines großen, vielschichtigen Handels­ buches überhaupt nicht möglich. Nur durch die Zuhilfenahme von technischen Mög­ lichkeiten, können Handelsbücher der aktuellen Größenordnung effektiv geführt und gehandhabt werden. Die Zukunft des Risikomanagement wird stark von den technischen Möglichkei­ ten begleitet, welche uns heute zur Verfügung stehen und noch kommen werden. Ge­ rade die Möglichkeiten, welche sich durch Machine Learning, automatisierte Mus­ tererkennung und das auswerten von Big Data ergeben, werden hier ein noch ziel­ führenderes System schaffen. Denn die Anforderungen an das Eigenkapital, welche durch das Basel Regelwerk und die jeweiligen zusätzlichen regulatorischen Hürden an die Häuser gestellt werden, sind groß und teuer. Schnelle, präzise und vor allem selbsttragende Risikoprozesse sind daher unumgänglich und werden sich schnell und zielsicher weiter etablieren. Das Ziel muss es sein, das Eigenkapital zu schonen, Ri­ siken zielgerichtet zu erkennen und zu transferieren bzw. noch effektiver mit diesen umgehen zu können.

16.2 Grundlagen des Risikocontrollings und des Risikomanagements „Gesunder Menschenverstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber kein Grad von Bildung den gesunden Menschenverstand.“ Dieser Ausspruch, wel­ cher Arthur Schopenhauer zugeschrieben wird, passt sehr gut zum Thema Risiko­ controlling und Risikomanagement. Denn hier kommt es neben der fachlichen Eig­ nung auch auf eine emotionale Einschätzung der Gegenpartei an. Wie wichtig ein aktives und zielgerichtetes Risikocontrolling ist, zeigen uns die negativen Beispiele

670 Vgl. Steigen des Euro Bund Future (FGBL) im Zuge der fallenden Zinsen. Wer hier auf eine Zinser­ holung gesetzt hat, hat deutliche Verluste mitgenommen. Allein in den letzten approx. 10 Jahren (von 01.2009–09.2019) ist der FGBL von approx. 121,70 auf 179 angestiegen.

16.2 Grundlagen des Risikocontrollings und des Risikomanagements

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aus der Vergangenheit. Banken und Broker haben zentrale Stäbe, um das Risiko, wel­ ches von den offenen Terminmarktpositionen ausgeht, zu kontrollieren. Dennoch ist es die Aufgabe eines jeden Investors und seines Betreuers, das Risiko selbst im Blick zu behalten. Ein vollständiges Vermeiden von Risiken kann nicht Sinn und Zweck sein, denn dieses wäre nur mit dem Unterlassen von Risikogeschäften möglich, was einen Investor so stark einschränken würde, dass seine Investitionen unausgewogen und sinnlos würden. Vielmehr sollen das Erkennen von Risiken sowie die Risikoverminde­ rung im Vordergrund stehen. Wichtig ist hierbei vor allem das aktive beobachten der Positionsbuchgröße. Oft beginnt diese, vor allem bei nicht so erfahrenen Tradern und bei Roll-Over-Positionen, unkontrolliert zu wachsen. Das sollte unbedingt unterbun­ den werden, da sonst eine konsequente und strategiegerechte Steuerung nicht mehr möglich ist. Es darf auf keinen Fall aus einer 100 Kontrakte starken Ursprungspositi­ on eine 1.000 Kontrakte starke Roll-Over-Position entstehen. Als Investor sollte man sich stets die Volumen der gehandelten Underlyings vor Augen halten. Nur so kann man ein Gefühl für den Markt und dessen Größe entwickeln. Es ist unbedingt anzura­ ten, mit Handels-Limits⁶⁷¹ zu arbeiten. Nur wer sich selbst einen Rahmen steckt, wird das Risikocontrolling im Griff haben. Dies gilt auch für die Sicherheitenstellung (Col­ lateral) für die geforderte Margin. Gerade hier kommt es zu einer Risikoakzeptanz, welche unbedingt voraussetzt, dass man die gehandelten Größenordnungen kennt und einschätzen kann. Das Risikocontrolling muss täglich, bei komplexer Marktlage auch untertäglich fortlaufend überwacht werden. Dabei ist zu beachten, dass vor al­ lem die Sicherheitenstellung der Margin gewährleistet ist und die Investoren nur so große Positionen aufbauen und handeln, wie diese auch im Verhältnis zum Netto­ vermögen tragbar sind. Grundsätzlich ist es für nicht institutionelle Kunden sinn­ voll, nicht mehr als 30 bis 50 Prozent des liquiden Nettovermögens⁶⁷² für Derivatege­ schäfte zu verplanen (bei institutionellen Kunden kommt dies auf deren Ausrichtung und Gesamtstrategie, das Eigenkapitalvolumen und die Einstellung des Hauses an). Eine Risikoüberwälzung von einer Position auf mehrere Positionen, welche im WorstCase-Szenario zu einem ruinösen Ausmaß anwachsen können, ist unter allen Umstän­ den durch aktives und frühzeitiges Handeln zu vermeiden. Risiko- und Handelslinien sollten auf keinen Fall der Ausnutzung angepasst werden, sondern die Ausnutzung muss sich in deren Rahmen befinden. Investoren mit hohen Risikopositionen benöti­ gen eine umfassende und zielgerichtete aktive Betreuung, die nur durch Financial En­ gineers mit einem guten Erfahrungsschatz und dem konkreten Fachwissen erbracht werden kann. Da jede Entscheidung im Regelfalle bei unvollkommener Information erfolgt, müssen diese gegebenenfalls schnell und zielgerichtet revidiert bzw. der neu­ en Situation angepasst werden. Die Praxis zeigt, dass zwischen Risikoidentifizierung

671 Werden meist von den Brokern vorgegeben z. B. 50 % des unterhaltenen Nettovermögens. 672 Nettovermögen = Vermögen abzüglich Verbindlichkeiten; Immobilienbesitz und Firmenbeteili­ gungen werden nicht mitgerechnet. Hier kommt nur das liquide Vermögen zum Ansatz.

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aufgrund einer neuen Marktlage und Einleitung einer neuen Strategie oft zu viel Zeit ins Land geht. Hier muss schnell und zielgerichtet gearbeitet werden. Der erste Ver­ lust ist oft der geringste. Gerade große private Investoren scheuen hier oft, einen Ein­ schnitt zu machen. Wer hier jedoch auf Hoffnung setzt, kann schnell starke Verluste in seinem Positionsbuch haben. Des Weiteren empfehlen wir Risikoszenarien durch­ gängig zu simulieren und daraus die Handlungen abzuleiten, welche dann getroffen werden müssen. Der Fall der Barings Bank Nach mehr als 200 Jahren Geschichte und einem sehr erlauchten Kundenkreis, zu dem auch die Kö­ nigin von England gehört haben soll, musste die britische Barings Bank 1995 Konkurs anmelden. Grund hierfür waren Handelsaktivitäten eines ihrer Mitarbeiter in Singapur. Nick Leeson brachte die Bank durch eigenmächtige Handelsaktivitäten ins Schlingern und setzte sich ab. Er wurde verhaftet und verurteilt. Die Barings Bank konnte den Gesamtverlust von fast einer Milliarde USD nicht ver­ kraften und ging insolvent.

16.2.1 MaRisk als Grundlage des Risikomanagements Das Risikomanagement und die ausführenden Handelseinheiten innerhalb eines Kre­ ditinstitutes sind strikt zu trennen. Die MaRisk sieht eine solche Trennung auf al­ len operativen und planungsrelevanten Ebenen vor. Personen, die Handelsaktivitäten ausüben, dürfen gleichzeitig keine dementsprechende Kontrollfunktion innehaben. Sie müssen von einer klar getrennten Einheit kontrolliert werden. Grundlegend wird zwischen drei Bereichen unterschieden: Markt: Bereiche, die Geschäfte initiieren und bei Kreditentscheidungen über ein Votum ver­ fügen. Marktfolge: Bereiche, die bei Kreditentscheidungen über ein weiteres, vom Markt unabhängiges Votum verfügen. Handel: Bereiche, die eine strategische Kurs-/Abschluss- beziehungsweise Dispositionsver­ antwortung für Handelsgeschäfte im Sinne der MaRisk tragen. Als Händler wird dabei

16.2 Grundlagen des Risikocontrollings und des Risikomanagements

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angesehen, wer Handelsgeschäfte abschließt und hierbei einen Ermessensspielraum hat.⁶⁷³ Aus der Abbildung 16.1 geht hervor, dass eine klare aufbauorganisatorische Tren­ nung zwischen der Funktion/Stelle „Handel“ und den kontrollierenden und vom Han­ del unabhängigen Stellen „Abwicklung“ und „Controlling“ vorgesehen ist. Es findet folglich eine Trennung und damit ein Abwenden eines auflaufenden Risikopotentia­ les statt. Aufbauorganisatorische Trennung der Bereiche

Vorstand I

Vorstand II

Handel

Marktfolge

Rechtsabteilung

Abwicklung

....

....

....

.... Controlling

Abb. 16.1: Unterscheidung der verschiedenen operativen Einheiten⁶⁷⁴

Abbildung 16.2 zeigt den organisatorischen Musteraufbau. Hierbei unterscheidet man zwischen BTO 1 (Kreditgeschäft) und BTO 2 (Handelsgeschäft). Neutrale Stellen, wel­ chen keinen direkten Einfluss haben, werde hier werden nicht gesondert getrennt, sondern können beliebig zugeordnet werden. Sie unterliegen nicht dem Grundsatz der Funktionstrennung. Für die BTO 1 und 2 gekennzeichneten Bereiche gilt: Das Markt von Marktfolge sowie Handel von Risikocontrolling und deren Abwicklung aufbauor­ ganisatorisch strikt bis in die Ebene der Geschäftsleitung zu trennen sind. Auch sind Vertretungsberechtigungen hier nicht zulässig.⁶⁷⁵

673 Vgl. Eller R., (2005), S. 51.; Vgl. Gogarn, Jörg: Handbuch MaRisk (2015). 674 Vgl. o. V. Sparkassen Finanzgruppe (2007), S. 49. 675 Vgl. o. V. BaFin Rundschreiben 09/2017: Mindestanforderungen an das Risikomanagement – Ma­ Risk.

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Markt- und Handelsvorstand

Marktfolgevorstand

Markt BTO 1

Marktfolge BTO 1

Handel BTO 2

Abwicklung + Kontrolle BTO 2

Treasury BTO 3

Risikocontrolling BTO 3

Vertrieb

Rechnungswesen

Interne Revision

Abb. 16.2: Aufbauorganisation bei zwei Vorständen⁶⁷⁶

Oftmals ist eine Umsetzung mit nur zwei Vorständen nicht umsetzbar. Schon die Größe vieler Institute spricht hier deutlich dagegen. Wir erweitern daher die obige Grundsituation um weitere Vorstände und betrauen diese mit dementsprechenden Aufgabenfeldern. Abbildung 16.3 zeigt den organisatorischen Musteraufbau bei nun vier Vorständen auf. Eine Erweiterung in der nun bekannten Art und Weise ist auf weitere Mitglieder umsetzbar. Es besteht in der MaRisk auch die Möglichkeit für Ausnahmen der besprochenen Regelungen. Diese kommen aber nur für sehr kleine Marktteilnehmer vor, dennoch wollen wir darauf eingehen. In BTO 2.2 wird eine Ausnahme wie folgt zugelassen: „Von der generellen Trennung der Bereiche im Handel kann jedoch abgesehen wer­ den, wenn die Handelsgeschäfte vom Umfang oder von der Risikorelevanz so unbedeu­ tend sind, dass eine funktionale Trennung unverhältnismäßig wäre. Für kleine Kreditin­ stitute mit geringen Handelsaktivitäten besteht eine Öffnungsklausel, die auf eine Ver­ lautbarung des Bankkreditgesetzes zurückgeht.“⁶⁷⁷ 676 o. V. Sparkassen Finanzgruppe (2007), S. 71. 677 o. V. Sparkassen Finanzgruppe (2007), S. 19; Vgl. o. V. BaFin Rundschreiben 09/2017: Mindestan­ forderungen an das Risikomanagement – MaRisk.

16.2 Grundlagen des Risikocontrollings und des Risikomanagements

Marktvorstand

Handelsvorstand

Markfolgevorstand

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Vorstand marktunabhängige Segmente Segment-

Markt BTO 1

Handel BTO 2

Marktfolge BTO 1

marktunabhängig BTO 1

Vertrieb

Treasury BTO 2

Interne Revision

Abwicklung + Kontrolle BTO 2

Rechtsabteilung

Risikocontrolling BTO 2

Rechnungswesen

Abb. 16.3: Aufbauorganisation bei vier Vorständen⁶⁷⁸

Die Erleichterung kann in Anspruch genommen werden, wenn in einer Gesamt­ betrachtung folgende Voraussetzungen erfüllt werden: – Bei dem Kreditinstitut handelt es sich um ein Nichthandelsbuchinstitut. – Der Schwerpunkt der Handelsaktivitäten liegt beim Anlagevermögen beziehungs­ weise der Liquiditätsreserve. – Das Volumen der Handelsaktivitäten ist gemessen am Geschäftsvolumen gering. – Die Struktur der Handelsaktivitäten ist einfach, die Komplexität, die Volatilität und der Risikogehalt der Positionen gering.⁶⁷⁹

16.2.2 Risikocontrolling von Wealth-Management-Kunden Bei Wealth-Management-Kunden⁶⁸⁰ wird ein aktives fortlaufendes Risikocontrolling durchgeführt. Dieses besteht zum einen aus der Überwachung von Marktrisiken, der

678 o. V. Sparkassen Finanzgruppe (2007), S. 72. 679 Vgl. o. V. Sparkassen Finanzgruppe (2007), S. 46 ff. 680 Wealth Management ist das höchste Kundensegment einer Bank. Hier befinden sich die wohl­ habendsten Kunden und i. d. R. die besten Betreuer einer Bank. Aufgrund der komplexen Instrumen­ te werden Derivate oft nur hier aktiv angeboten. Retail-Kunden handeln oftmals „Execution only“, d. h. mit Beratungsverzicht. Es findet folglich keine aktive und tief greifende Beratung statt. Es wird lediglich die Order erfasst. Man kann auch von Brokerage sprechen. Natürlich werden die Retail-Kun­ den vom Risikocontrolling genauso behandelt wie die Wealth-Management-Kunden. Hierbei wird evtl. noch etwas stringenter vorgegangen, weil der finanzielle Hintergrund ein anderer sein kann.

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Margin-Überprüfung sowie der Überprüfung der Frage, ob die gehandelten Geschäfte zum Geschäftsumfang des Kunden passen. Ferner werden bankinterne Daten geprüft, wie wurden z. B. die Handelsrahmen eingehalten, wurden Verluste generiert, handelt der Kunde nur die für ihn freigegebenen Produkte, wurde der Kunde ordnungsgemäß aufgeklärt und auf die Chancen und Risiken hingewiesen? Hierzu gehören auch die Kontrollen, die der Gesetzgeber den Banken und Brokern auferlegt sowie die Kontrol­ le des Händlers. Handelt es sich um große Derivatekunden, die ihre Sicherheiten oft über eine Settlementlinie⁶⁸¹ stellen, so ist die Ausnutzung dieser Linie zu jedem Zeit­ punkt am Tag zu überwachen. Bei gesteigertem Risiko wird sowohl der Betreuer des Kunden bei der Bank als auch der Kunde selbst informiert. Somit ist ein lückenloses Controlling und ein damit verbundenes Management möglich. Die Ordnung der jewei­ ligen Settlementlinien obliegt der jeweiligen Bank. Ob und wie ein Kunde folglich die Möglichkeit bekommt, dies über eine solche Settlement Line abzudecken, entscheidet die Bank oder der Broker. In diesem Buch wird an manchen Stellen expliziert auf Wealth-Management-Kunden eingegangen. Der Grund hierfür liegt darin, dass diese viele Produkte nutzen, welche eine direkte Schnittstelle zum klassischen Investmentbanking darstellen. So sind auch die Prozesse in einer modernen WealthManagement-Bank (auch bei all der anderen Unterschiedlichkeit) mit denen einer Investmentbank vergleichbar. Die extra für diese Klientel geschaffenen Produktlösungen und Antworten auf deren Fra­ gestellung sind hier ausschlaggebend. Die Werttreiber, Projektarbeiten und Risikofaktoren sowie die Volumengrößen sind hier ebenfalls vergleichbar. Dies liegt an der Tatsache, dass die Wealth-Manage­ ment-Banken die Halterfamilie der Konzerne etc. betreuen. Diese haben oftmals dasselbe Anforde­ rungsprofil wie klassische institutionelle Investoren. Die Abwicklung wird oftmals von Family Offices durchgeführt, welche entweder als Single Family Office oder Multi Family Office agieren.

16.2.3 Risikocontrolling im Financial-Engineering Das Risikocontrolling von Financial-Engineering-Abteilungen ist nicht so sehr anders, als dies bei Wealth-Management-Kunden durchgeführt wird. Auch hier wird fortlau­ fend das Margin-Risiko⁶⁸² kontrolliert. Für die OTC gehandelten Produkte gibt es mit jedem Counterpart einen speziellen Vertrag über das Stellen von Sicherheiten, deren Höhe und Ausmaß. Die vereinbarten Handelsrahmen und Tradinglimits müssen ein­ gehalten werden und werden meist von einer im Backoffice angesiedelten Abteilung kontrolliert. Die Abwicklung über CCP macht hier viele Prozesse den klassischen an börsengehandelten Derivaten vergleichbar. Zur Kontrolle der einzelnen Risiken wer­ den computerunterstützte Prozesse herangezogen. Aufgrund der Größe der abgewi­ ckelten Geschäfte ist ein effektives und zielgerichtetes Risikocontrolling von großer

681 Settlementlinie ist eine Art Kreditlinie, in deren Umfang der Kunde Geschäfte tätigen darf. Diese Settlementlinie muss kreditmäßig geordnet werden. 682 Kontrolle der Margin Calls sowie der Sicherheitenstellung für die jeweiligen Positionen.

16.3 Unvorhersehbare Marktereignisse – Schwarze Schwäne | 523

Wichtigkeit. Die Hedgingtransaktionen werden oftmals direkt über ein zentrales Han­ delsdesk abgewickelt bzw. über das (wenn vorhanden) interne Bankbuch. Je nach Or­ ganisation können demnach verschiedene Abteilungen und Desks involviert sein. Des Weiteren werden i. d. R. nicht alle Positionen sofort 1:1 abgesichert, sondern erst ab ei­ ner gewissen Menge an offenen Risikopositionen (z. B. ab 10 Delta Positionen in der­ selben Gattung). Das Management der Risikopositionen trägt schließlich zum Erfolg der gesamten Transaktionskette bei. Erst wenn diese geschlossene und in sich stim­ mig abgewickelt wurde, kann die Transaktion als Erfolg gewertet werden. Lehren aus der Vergangenheit ziehen Viele negative Beispiele sind bekannt, ob dies nun der Fall der Barings Bank oder der der Société Générale ist. Jeder einzelne Fall ist ein negatives und abschreckendes Beispiel. Wichtig ist es nun jedoch, aus diesen Fällen Lehren zu ziehen. Eine große Lehre ist, so viel Risikocontrolling wie nötig einzusetzen. Vertrauen Sie nie blind einem System und stellen Sie sich nie gegen den Markt. Definie­ ren Sie klare Verlust- und Risikolimits und halten Sie diese auch ein. Führen Sie Szenario- und Stress­ testanalysen durch und ziehen Sie daraus Ihre Schlüsse. Glauben Sie nicht, Sie könnten den Markt schlagen. Wenn Sie mit mehr als 60 Prozent Ihrer Entscheidungen richtig liegen, sind Sie bereits sehr gut.

16.3 Unvorhersehbare Marktereignisse – Schwarze Schwäne Abschließend noch ein Wort zum Thema unvorhersehbare Marktereignisse, wie sie ja jederzeit eintreten können: Natürlich ist es nicht anzuraten, darauf zu warten, jedoch sollte jeder Investor genügend freie Möglichkeiten haben, um agieren zu können, da es sonst schnell zu einem formellen Margin Call und daraus resultierend dann zu ei­ ner Zwangsliquidation kommen kann – zumal sich in solchen (kritischen) Marktlagen durch aktive Spekulation auch Gewinne realisieren lassen. Schwarze Schwäne Als solche bezeichnet man nicht vorhersehbare Ereignisse, welche starke Marktschwankungen auslösen können. Beispiele hierfür sind zum Beispiel ein Putsch, politische Unruhen, ein Terror­ anschlag etc. Demnach immer maßgebliche Events, welche auf den Markt wirken. Dabei wird der Marktimpact eines schwarzen Schwans mittels der Standardabweichung für diesen definiert. Dies wäre zum Beispiel eine Tagesschwankung in Form einer dreifachen Standardabweichung eines In­ strumentes.

Grundsätzlich ist immer darauf zu achten, wo das größere Risiko einer Position liegt. Upside, wenn das Underlying (auch in Kombination zum Positionsbuch) nach oben steigt, oder downside, wenn das Underlying fällt. Gerade bei komplexen Strategien bzw. bei der Gesamtbetrachtung aller Positionen sollte hier genauestens darauf ge­ achtet werden. Sind die Positionen zu einer Seite hin verschoben, so kann es schnell zu großen Verlusten kommen. Ein ausgewogenes Positionsbuch schafft hier Abhilfe.

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Dasselbe gilt auch für Blockpositionen. Diese sollten zugunsten von mehreren kleine­ ren Positionen vermieden werden. Diese sind ggf. aufwendiger zu betreuen, jedoch ist das Risiko einer schnellen und unvorhergesehenen Preisveränderung gemindert. Abbildung 16.4 fasst die Hauptpunkte des Risikocontrollings nochmals zusam­ men.

Risikocontrolling

MarginÜberwachung

Margin- und Handelskontrolle

Produktkontrolle

Überwachung der Handelsaktivität (Orderkontrolle)

Produktzulassung für einzelne Kunden unterbinden oder freigeben

Überwachung der Handelsund Verlustrahmen

Abb. 16.4: Risikocontrolling

Die 10 goldenen Regeln des Risikocontrollings und des Risikomanagements 1. 2. 3.

So viel Controlling wie nötig und nicht wie möglich! Vertrauen Sie niemals blind einem System! Jeder, egal ob Händler, Kunde oder Risikocontroller, muss sich jeden Tag mit dem Risiko ausein­ andersetzen. 4. Risiken niemals „schleifen“ lassen. 5. Panik ist das Ende von allem Guten. Ruhe bewahren und versuchen, rationale Entscheidungen zu treffen. 6. Nicht überreagieren aber auch keine Risiken unter den Teppich kehren. 7. Intensive Kommunikation zwischen den Parteien pflegen. Risiken immer offen und vollständig ansprechen. 8. Aggregierte Risiken und deren Wechselwirkung beachten. 9. Vor Geschäftsabschluss Chancen und Risiken auswerten. 10. Erst nach dem Closing ist das Risiko aus dem Buch!

Für Emittenten ist das Risikocontrolling von großer Wichtigkeit. Denn die gestalteten Produkte müssen je nach Ausgestaltung und Darstellung überwacht werden. Im fol­ genden Interview gibt ein Experte darüber Auskunft.

Interview mit Gabriel Eigenmann

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Interview mit Gabriel Eigenmann Direktor Trading – LEONTEQ Securities AG⁶⁸³ Lieber Herr Eigenmann, wie läuft ein Risikosteuerungsprozess eigentlich ab und worauf muss man hier achten? Hier muss man auf verschiedene Punkte achten. Lassen Sie mich dies aufgliedern: a.) Produkt wurde aufgesetzt, gehandelt . . . Je nach Größe des Trades hedged der Händler bei Abschluss das Delta und den FX (also die Währungskomponente, falls vorhanden) und allenfalls (aber eher selten) das Vega. Wichtiger Schritt ist anschlie­ ßend die ökonomisch korrekte Aufsetzung des Produkts durch das Middleoffice im Frontoffice-System. Hierbei wird jeder Payoff in die einzelnen Komponenten zerlegt und so repliziert (Beispiel: Discountzertifikat = Bond (Funding) und ein short Put). Es folgen nun weitere Prozesse außerhalb vom Risikomanagement (Termsheet erstellen, Produkt beim Clearer und der Börse anmelden etc). b.) Wie erfolgt die Produktrisikoüberwachung? Nachdem das Middle-Office das Pro­ dukt aufgesetzt und verbucht hat, kann der Handel (und natürlich das Risikocontrol­ ling) laufend die Risiken betrachten, welche aus diesem Produkt entstehen. Dieses erfolgt mittels IT-Programmen. c.) Was ist während der Produktlaufzeit zu beachten? Während der Laufzeit gilt es natürlich, die vielen dynamischen Risiken im Auge zu behalten (und abzusichern), welche für Optionen so typisch sind (z. B. Delta-Hedge adjustieren aufgrund GammaExposure). Wichtig ist auch, auf mögliche Events wie Barrier Hits oder Autocalls zu achten, welche ebenfalls signifikante Anpassungen der Hedge-Position nötig machen können. Ein wichtiger Teil des Risikomanagements ist die aktive Pflege der Bewer­ tungsgrundlagen (v. a. Volatility Surface, projected Dividends). Eine Änderung der Volatility Surface beispielsweise wird sich direkt auf P&L und Risiko-Exposure aus­ wirken. d.) Was passiert mit Nachläufern auf der Sell-and-Buy-Seite? Einzelne Sekundär­ markttransaktionen fließen direkt ins Buch, werden meist aber nur im Rahmen vom Macro-Hedging betrachtet. Eine Ausnahme stellen die großen Sekundärmarkttansak­ tionen dar. Hier wird das Delta und das FX-Risiko natürlich „on the fly“ abgesichert. e.) Was gibt es sonst noch zu beachten? Das Risikomanagement erfolgt eher auf Ebe­ ne „Buch“ als auf Ebene „Produkt“: Der Händler betrachtet die aggregierten Risiken

683 LEONTEQ Securities AG ist einer der führenden Financial-Engineering-Anbieter. Gabriel Eigen­ mann verantwortet dort als Direktor Trading den Sekundärmarkthandel. Das Interview führte Michael Bloss und es wurde durch die LEONTEQ Securities AG zum Abdruck im Buch: Financial Engineering genehmigt. Aufgrund der Komplexität des Inhaltes konnte nicht auf jede Einzelheit eingegangen wer­ den.

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und sichert ab, wo nötig. Spezielle Beachtung erfordern Produkte mit Basiswerten aus unterschiedlichen Zeitzonen. Wie steuert der Emittent (Issuer) sein Risiko über alle Produkte (Gesamtbuch)? Prinzipiell kümmert sich jeder Händler um ein eigenes Buch. Die Überwachung der aggregierten Risiken über alle Bücher obliegt dem Risikocontrolling. Leitlinie fürs ge­ samte Risikomanagement und -controlling bildet eine Reihe von Risikolimits. Diese existieren für zahlreiche Risikoparameter wie: Delta, Vega, Rho etc. Ich denke, auch hier sind fiktive Beispiele angebracht: Ein Händler hat max. bspw. 1.500.000 CHF Delta-Exposure pro Aktie, max. 50.000 CHF Vega-Exposure pro Aktie. An diese Grenzen muss er sich halten. Des Weiteren lässt das Risikocontrolling für das gesamte Buch Szenarioanalysen laufen und untersucht deren Auswirkungen auf P&L und Risikoparameter. Es handelt sich um Szenarien wie beispielsweise Zinsschocks, Marktschocks (wie 9/11) etc. Prinzipiell unterscheiden wir Limits auf Positionslevel, wie etwa für Delta, Vega, Gap Risk, etc., hier werden eher idiosynkratrische Risiken adressiert und Limits auf Portfoliolevel, wie VaR und Stress Loss Limits. Dazu kommen zusätzlichen Kontrollen, wie etwa Validierung der Bewertungsmodelle und Bewertungsparameter, Checks zur Adressierung operationeller Risiken etc. Welche speziellen Risiken werden beachtet und ausgeschaltet? Prinzipiell werden alle Risikofaktoren, welche man in der Black-Scholes-Formel fin­ det, aktiv durch die Händler und das Risikocontrolling überwacht und gemanagt: Del­ ta, Vega, Gamma, Epsilon (Dividenden), Rho. Selbstredend wird auch die FX-Exposure überwacht (sollte diese vorhanden sein). Spezifisch für Barrier Produkte gilt es, auch die „Pink Risks“ im Auge zu behalten (Extremfall: Das Produkt verfällt in einer Minu­ te und der Aktienkurs befindet sich genau auf der Barriere oder dem Autocall-Level). Ein wichtiges Thema bei Emittenten von „Worst of“-Produkten ist auch die Korrelati­ on. Je nach Komplexität und Größe des Buches werden weitere „Second Order Greeks“ betrachtet, z. B. Vanna. Was ändert sich bei der Umstellung auf CCP? Sie meinen mit der Umstellung auf EMIR? Ja, genau. Die Produkte, welche durch CCP gehen, müssen standardisiert werden, was positiv ist. Für die anderen OTC-Geschäfte wird der Aufwand steigen und damit wahrscheinlich in Zukunft auch die Kosten, wie das regulatorische Kapital, aber anderseits gibt es sehr viele positive Aspekte, wie die Risk Mitigation Measures, welche implementiert werden müssen, wie etwa Abgleich der Positionen und Bewertungen. Herzlichen Dank für die vielen aufschlussreichen Informationen.

16.4 Risikomanagement

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527

16.4 Risikomanagement Das Steuern von Risiken ist die fundamentale Disziplin in einer Investmentbank. Nur wer sein Risiko kennt, versteht und mit diesem umgehen kann, wird langfristig er­ folgreich sein. Daher sind genau diese drei Blöcke von hoher Wichtigkeit: 1. Risiko erkennen a) Frühwarnsysteme implementieren b) Szenarien simulieren und betrachten c) Risikopositionen getrennt und im Portfolioansatz würdigen d) Eigenkapital im Auge behalten e) Liquiditätsrisiken beachten 2. Risiko verstehen a) Welche Risiken erwachsen aus welchen Transaktionen und wie kann man mit diesen umgehen? b) Welche Größenordnungen bewegen wir? c) Was ist das Risiko wert? d) Welches Geschäft steckt dahinter? e) Welche Korrelationen und Autokorrelationen sind vorhanden? 3. Risiko managen a) Wie gehen wir mit dem Risiko um und welche Maßnahmen werden ergriffen? b) Wie kann ich Risiken isolieren und beseitigen? c) Welche Risiken nehmen wir aktiv in Kauf und welche nicht? d) Wie gehen wir in Sondersituationen mit unseren Risiken um? e) Wie belastet mich und mein Eigenkapital die eingegangene Risikoposition? In einer Investmentbank führen Risikofrüherkennungssysteme und Systeme zum Steuern dieser Risiken zu einer transparenten Sichtweise auf die eingegangenen Positionen. Denn gerade Risiken, welche stark das Eigenkapital belasten müssen hinterfragt werden. Dies gilt für normale Handelsgegebenheiten wie auch für Zeiten mit extremen Handelsszenarien (z. B. 9/11, Lehman Brothers). Für Extremszenari­ en stehen in den Investmentbanken sogenannte Risikopläne zur Verfügung. Oftmals werden diese als Emergency Action Plans (EAP) bezeichnet. Diese liegen für ver­ schiedene Szenarien bereits vorkonfektioniert vor und würden beim Auslösen einem klassischen und selbsttragenden Prozess eröffnen. Der Grund für diese Vorbereitung liegt auf der Hand, es muss alles durchdacht sein. Dies wäre in einem spontanen Krisenfall so nicht denkbar. Doch auch bei nicht extremen Situationen ist es wich­ tig die Risikopositionen im Blick zu behalten, da diese immer auch das Eigenkapital belasten. Viele Investmentbanken haben daher beschlossen diverse Produkte nicht mehr für jede Kundenklientel bzw. an sich anzubieten. Diese Verschlankung des Produktangebotes und die Konzentration auf Kernprodukte entlastet oftmals das Ei­ genkapital und spart auch Sach- und Prozesskosten. Auf der anderen Seite wird das Produktangebot am Markt standardisierter und die Anbieter werden geringer. Dies

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kann zu einer Schaffung von Monokulturen führen, welche das Marktrisiko nicht verkleinern. Es ist jedoch zu erkennen, dass viele Produkte eher im Interbanken­ markt Verwendung finden und teilweise nicht bis zum Endkunden gelangen bzw. von diesem nachgefragt werden. Daher ist hinsichtlich eines endkundengesteuerten Modells eine Reduzierung von exotischen Strukturen und die damit einhergehende Reduzierung der Eigenkapitalanforderung bzw. auch der Kosten verständlich.

16.5 Risikomanagement Systeme Moderne Risikomanagement Systeme arbeiten sowohl im Front- als auch BackofficeBereich. Im besten Falle verwendet eine Investmentbank eine System-Familie dessel­ ben Anbieters und reduziert hier die Reibungsverluste und eine negative Schnittstel­ lenthematik. Die Anforderungen, welche an ein solches System gestellt werden sind sehr hoch. Neben Liquiditätsrisiken, dem Simulieren von Stresstests, Order- und Portfolio­ management (OTC und Listed Produkte), Performance Attribution, Trade Compli­ ance, Sicherheitenmanagement, Default-Management, Datenmanagement, Re­ porting und dem Cross Produkt Management, etc. sind diese Anwendungen auch in der Lage, alle vom Anbieter gehandelten Produktgruppen abzubilden.⁶⁸⁴ So kön­ nen Händler und Back-Office Spezialisten auf derselben Oberfläche arbeiten und dies in unterschiedlichen Underlyings. Diese Lösung aus einer Hand ermöglicht auch ein transparenteres Risikomanagement und schafft eine schnellere und zielgerichtete Ri­ sikosteuerung.

16.6 Was ist das Sicherheitenmanagement? Unter einer Margin versteht man die für die Termingeschäfte zu hinterlegende Sicher­ heitsleistung (auch Einschusszahlung genannt). Diese soll die finanzielle Erfüllbar­ keit absichern und gewährleisten, dass die eröffnete Position auch wieder geschlossen werden kann. Grundsätzlich gilt: Eine Margin fällt bei allen börsengehandelten Ter­ mingeschäften an. Lediglich bei Long-Optionen wird keine Margin „belastet“ (LongPositionen führen beim Netting der Positionen zu einem Margin-Guthaben), da es sich um den Erwerb eines Rechts und nicht um eine eventuelle Verpflichtung handelt. Die Verpflichtung ist somit mit der Prämienzahlung an den Short-Investor abgegolten. Die Margin-Anforderungen sind grundsätzlich fortlaufend für alle offenen Positionen zu stellen. Dabei kommt eine aggregierte Belastungsbetrachtung zum Einsatz.

684 Vgl. Murex MX3.

16.6 Was ist das Sicherheitenmanagement? |

529

Banken und Broker stellen die Sicherheit gegenüber den Terminbörsen unter anderem in Wertpapieren (lombardfähig) oder Liquidität (in verschiedenen Währun­ gen – EUR, CHF, USD, GBP) und sperren dann, aufgeschlüsselt auf die betreuten Kunden, Wertpapiere oder Guthaben in den Kundenkonten und -depots. Im Regelfall stellen die Endkunden gegenüber Broker oder Bank das 1,2- bis 2-Fache der von der Terminbörse geforderten Margin. Diese „künstliche“ Erhöhung ist eine weitere Maß­ nahme zur Absicherung sowohl des Kunden (grenzt seinen Handlungsspielraum ein) als auch der Bank/des Brokers. Settlement Linien im Derivatehandel Institutionelle und sehr große Kunden (meist juristische Personen) stellen die Margin-Sicherheit i. d. R. mittels einer von der Bank geordneten Settlement Linie. Diese wird von der betreuenden Bank eingeräumt (in welchem Umfang und wie diese besichert ist, ist individuell zu klären und un­ terliegt den Regularien der jeweiligen Bank (Kredithandbuch, Richtlinien und Anweisungen für den (Derivate-)Handel)) und in deren System hinterlegt. Der Investor kann diese nach freiem Ermessen für seine Geschäfte in Anspruch nehmen. Bei privaten Investoren erfolgt dies i. d. R. nicht über ei­ ne solche Settlement Linie, sondern direkt über eine zu hinterlegende Sicherheit in Form von Cash und/oder Wertpapieren, welche für die Zwecke der Margin-Sicherheit mit einem internen Sperr­ schlüssel (und ggf. mit einem Sicherheitsabschlag belegt) versehen werden. Des Weiteren werden bei großen Investoren oftmals nur die von der Terminbörse angeforderten Sicherheiten-Beträge (Exchange Minimum Margin) weitergegeben, wobei bei kleineren Investoren ein Sicherheitsauf­ schlag zu erbringen ist (z. B. das 1,5-fache der Exchange Minimum Margin). Die jeweilige Bank re­ gelt diese Praxis in ihren Regularien und es kann daher keine pauschale Aussage hierzu getroffen werden. Grund für den künstliche Aufschlag ist es, bei kleinen und nicht so stark mit Kapital ausge­ statteten Adressen, das Risiko zu minimieren, indem man auch das Volumen etwas begrenzt. Des Weiteren erfolgt zwar ein interner Margin-Call bei der Überziehung, aber gegenüber der von der Terminbörse geforderten Margin, ist ein solcher noch nicht anhängig. Der Aufschlag dient folglich dem Investorenschutz, vor allem in hektischen und vielschichtigen Handelszeiten.

Doch wie setzt sich die Margin-Anforderung zusammen? Grundsätzlich gibt es ver­ schiedene Margin-Systeme, wie Risk Based Margining⁶⁸⁵, SPAN⁶⁸⁶, TIMS⁶⁸⁷ und das

685 Risk Based Margining war das an der Eurex genutzte Margin-System. Es wurde durch Eurex Pris­ ma abgelöst. 686 1988 durch die Chicago Mercantile Exchange (CME) entwickelte Berechnungsmethode von Mar­ gin-Anforderungen. Es ist heute noch in der Verwendung am CBOE, CME, LIFFE etc. SPAN ist die Ab­ kürzung für „Standard Portfolio Analysis of Risk“. Bei der SPAN-Margin ergibt sich die Margin-Anfor­ derung aus der Berechnung komplexer Algorithmen, die sämtliche geschriebene und eingegangene Options- und Futures-Geschäfte eines Handelskontos berücksichtigt und damit das Gesamtrisiko des Portfolios erfasst. Somit werden jegliche größtmöglichen Verluste und Gewinne des nächsten Han­ delstages aller Positionen des Kontos berechnet und aufgrund dessen die zu hinterlegende MarginHöhe festgelegt. 687 Theoretical Intermarket Margin System: System der Options Clearing Corporation (OCC). Die OCC wurde 1973 gegründet und hat ihren Sitz in Chicago.

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Eurex Clearing Prisma etc. Somit bietet jede Terminbörse ein eigenes auf diese zugeschnittenes System an. Eurex Clearing AG Alle an den Eurex Börsen abgeschlossenen Geschäfte werden i. d. R. über die Eurex Clearing AG abgewickelt. Sie garantiert den Geschäftspartnern bzw. Clearing-Teilnehmern die Erfüllung der Geschäfte. Dabei übernimmt sie auch die Berechnung der Margin. Des Weiteren wird hier auch die Verrechnung der einzelnen Marginanforderungen bzw. Marginguthaben durchgeführt. Auch kommt das Cross-Margining hier zum Einsatz und verschafft sowohl auf der Liquiditätsseite wie auch auf der Seite der Sensitivitäten maximale Flexibilität. Durch diese portfoliobasierte Risiko­ management-Methode ist eine effektive Risikosteuerung gegeben.

16.7 Margin Durch das Stellen einer Margin soll das Risiko der höchstmöglichen Glattstellung ei­ ner Position unter Annahme des Worst-Case-Szenarios besichert werden. In einem ersten Schritt werden alle Long- und Short-Positionen, welche auf glei­ che Kontrakte mit gleicher Fälligkeit lauten, gegenseitig verrechnet (genetted) – so entsteht eine Netto-Long oder Netto-Short-Position. Alle Netto-Risikopositionen wer­ den zusammengefasst und als aggregierte Netto-Risikopositionen betrachtet. Um die maximalen Glattstellungskosten zu bestimmen, versucht man nun, ausge­ hend vom bisherigen Kursverlauf der Kontrakte (bzw. deren Underlying), Rückschlüs­ se auf die weitere Preisentwicklung für die kurze Zukunft zu ziehen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Volatilität, also die Schwankungsbreite: Zu ihrer Berechnung betrachtet die Eurex Clearing AG die Kursausschläge in den zurückliegenden 30 oder 250 Börsentagen (was einem Handelsmonat bzw. einem Handelsjahr entspricht). Auf Basis dieser Kursausschläge werden Margin-Parameter bestimmt, welche die ma­ ximale Kursschwankung von einem auf den anderen Börsentag beschreiben. Bei Be­ darf werden diese Parameter angepasst. Mithilfe der Margin-Parameter werden mögliche Niedrigst- und Höchstpreise für die einzelnen Basiswerte ermittelt und anschließend theoretische Optionspreise er­ rechnet. Die hier eingesetzte Volatilität ist die implizite Volatilität, welche aus den Abrechnungspreisen der Option zu extrahieren ist.

16.8 Margin bei Optionen 16.8.1 Long-Positionen Das finanzielle Risiko bei Long-Positionen ist durch die Zahlung der Prämie abgegol­ ten, da hier ein Recht erworben und keine Verpflichtung eingegangen wird. Es kann je­

16.8 Margin bei Optionen |

531

doch ein Margin-Guthaben entstehen, das beim Gegenüberstellen der Positionen her­ angezogen wird.

16.8.2 Short-Positionen Grundsätzlich unterscheidet man zwischen gedeckten und ungedeckten Short-Posi­ tionen. Bei gedeckten Short-Positionen (CCW) sind die jeweiligen Underlyings im Be­ stand des Investors vorhanden (die Bank/der Broker stellt für diese Position dennoch die normale Margin). Hat dieser beispielsweise Short Calls auf die Aktie X, so hat er bei einer gedeckten Short-Call-Position die entsprechenden Aktien 1 : 1 zur Termin­ marktposition im Bestand. Dies funktioniert jedoch nur bei Optionen mit physischer Belieferung, die nicht auf Futures lauten. Optionen mit einem Cash-Settlement kön­ nen nur ungedeckt abgeschlossen werden. Übt ein Long-Investor seine Position aus, wird per Auslosung eine passende ShortPosition zugeteilt. Anschließend erfolgt die Belieferung, wobei sich die Lieferzeiten je nach Kontrakt und Lieferart unterscheiden. Bei ungedeckten Optionen wird, wie bereits beschrieben, eine Sicherheitsleis­ tung in Form einer Margin erhoben. Die dafür benötigten theoretischen Optionspreise werden mittels verschiedener Optionspreismodelle ermittelt und in Zusammenhang mit möglichen Kursverläufen des Underlyings wird die Margin ermittelt. Die Abbildungen 16.5 und 16.6 zeigen Margin-Berechnungen aus einem Trading­ portfolio auf. Dabei wird nach der Risk Based Margin Berechnung (Abbildung 16.5) und SPAN (Abbildung 16.6) unterschieden.

Abb. 16.5: Risk-based-Margin-Berechnung für Short Puts⁶⁸⁸ 688 Quelle: Commerzbank ZTB, Rolfe & Nolan.

532 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

Abb. 16.6: SPAN Margin-Berechnung für Short Calls (3) und Short Puts (2)⁶⁸⁹

Da bei stark aus dem Geld liegenden Optionen das Risiko besteht, dass die Preise zu niedrig errechnet werden (da diese bei abrupt zunehmenden Schwankungen des Basiswertes übermäßig reagieren können), gibt es das Short Option Adjustment. Die­ ses kann zum Teil deutlich über den ermittelten Optionspreisen liegen. Ein Bestandteil der Rechnung ist das Out-of-the-money-Minimum: Es wird von der Terminbörse vorgegeben. Die Formel lautet wie folgt: Short Option Adjustment = Margin-Parameter × Out-of-the-money-Minimum + täglicher Abrechnungspreis Die verwendeten Margin-Parameter werden von den jeweiligen Terminbörsen festgelegt und je nach Risikogehalt des Underlyings und der aktuellen Marktlage angepasst.⁶⁹⁰

16.9 Margin während der Zeitdifferenz der Belieferung Wird eine Option ausgeübt, fällt bis zur Belieferung weiterhin eine Margin an. Diese bezieht sich jedoch nun auf den zu liefernden Basiswert und nicht mehr auf die Op­ tion. Die Differenz zwischen Ausübungspreis und Schlusskurs des Basiswerts ist als Premium Margin zu stellen. Die Kursschwankungen des Basiswertes gehen als Addi­ tional Margin in die Gesamtberechnung der Margin mit ein.

689 Quelle: Commerzbank ZTB, Rolfe & Nolan. 690 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining.

16.10 Margin bei Futures

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16.10 Margin bei Futures Die täglichen Gewinne und Verluste werden mittels einer Geldbuchung ausgeglichen (vgl. Abbildung 16.7). Diese nennt man Variation Margin. Aufgrund dieses Mechanis­ mus ist ein Akkumulieren von Gewinnen oder Verlusten ausgeschlossen. Neben dem täglichen Gewinn- und Verlustausgleich muss jedoch noch eine Si­ cherheit für den Fall gestellt werden, dass eine mögliche Glattstellung am folgenden Börsentag zu Verlusten führt. Diese Additional Margin (außerhalb des Eurex Sprach­ gebrauchs wird diese Initial Margin genannt) kann im Gegensatz zur Variation Mar­ gin – welche in Geld ausgeglichen wird – entweder in Wertpapieren oder in Geld (in Form von Kontoguthaben) geleistet werden (vgl. Abbildung 16.7). Ihre Höhe entspricht dem Betrag, der im Worst-Case-Szenario für eine Glattstellung der offenen Kontrakte benötigt würde.

Abb. 16.7: Euro/USD-Future an der CME, SPAN-Methode⁶⁹¹

Im ersten Schritt werden alle Long- und Short-Position desselben Fälligkeitsmonats saldiert („Netting“). Eventuell daraus entstehende Nettopositionen (long oder short) werden darauf untersucht, ob sich Spreads bilden lassen. Für diese wird die bereits erwähnte Spread Margin verrechnet, die geringer als die Additional Margin für die restlichen Nettopositionen ist. Lassen sich weder ein Netting noch Spreads aufzeigen, wird nur die Additional Margin berechnet. Bei der Berechnung der Spread Margin unterscheidet man zwischen der SpotMonth-Spread-Margin und der Back-Month-Spread-Margin. Den nächstfälligen Terminkontrakt nennt man Front-Kontrakt, den betreffenden Monat Spot Month; al­ le anderen Monate werden als Back Month bezeichnet. Die Kontrakte nennt man

691 Quelle: Commerzbank ZTB, Rolfe & Nolan.

534 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

Deferred-Kontrakte. Die Spot-Margin bezieht sich auf den Front-Kontrakt (voraus­ gesetzt, die Kontrakte befinden sich im selben Monat). Der Grund dafür ist simpel: Der Kontrakt, der als nächster fällig ist, geht mit dem höchsten Umsatz, aber auch der größten Volatilität einher. Somit steigt also das Risiko mit der Kontraktlaufzeit dieser Termingeschäfte. Als Folge kann es sein, dass Long- und Short-Positionen be­ züglich des Risikos nicht mehr negativ korrelieren, sodass die Kompensation nicht mehr ausreicht. Die Erhöhung der Margin tritt mit Anfang des letzten Handelsmonats in Kraft. Lassen sich keine Spreads bilden, fällt wie angesprochen, die Additional Mar­ gin an, da die betroffenen Positionen bis zum nächsten Börsen tag dem vollständi­ gen Glattstellungsrisiko unterliegen. Bei Drucklegung dieses Buchs wurde für eine FDAX® -Position pro Kontrakt eine Additional Margin (Initial Margin) von 550 FDAX® Punkten berechnet (entsprechend 550 × 25 Euro = 13.750 Euro).⁶⁹²

Abb. 16.8: Margin-Berechung FDAX® an der Eurex, Risk-based-Methode⁶⁹³

692 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining. 693 Quelle: Commerzbank ZTB, Rolfe & Nolan.

16.12 Wie erfolgt die Margin-Berechnung für Optionspositionen?

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535

16.11 Margin bei Future-Style-Optionen Bei klassischen Optionen fällt die übliche Premium Margin an. Bei den Optionen auf Futures ist dies nicht der Fall. Hier wird die Prämienzahlung im Mark-to-MarketVerfahren (siehe Variation Margin, Abschnitt 16.15) verbucht. Die Additional Margin, welche die Glattstellungsverluste im Worst-Case Szenario bis zum nächsten Börsen­ tag oder auch untertägig absichert, wird analog zu den klassischen Optionen berech­ net. Future-Style-Optionen unterliegen dem Future-Style-Premium-Posting. Das heißt, dass bei Ausübung oder Verfall zusätzlich zum täglichen Gewinn- oder Ver­ lustausgleich die noch unbezahlten Prämien-Teilbeträge abgerechnet werden. Somit wird die Optionsprämie erst bei der Ausübung der Option bzw. nach Ende ihrer Lauf­ zeit bezahlt. Dies schafft einen Liquiditätsvorteil für den Käufer, jedoch auch einen Nachteil für den Verkäufer. Die Gutschrift bzw. Belastung wird auf Basis der tägli­ chen Optionspreise berechnet. Es kommt an der Eurex bei Optionen auf Futures (z. B. OGBL) zum Einsatz.⁶⁹⁴

16.12 Wie erfolgt die Margin-Berechnung für Optionspositionen? Enthält ein Positionsbuch mehrere Kontrakte desselben Underlyings, so ist eine Kom­ pensation der Risikogewichtung (Risikogehalt) möglich. Man verwendet dazu das zu Anfang des Kapitels erläuterte Cross-Margin-Verfahren. Grundlage der Margin-Berechnung ist die maximal anzunehmende Preisbewe­ gung des Underlyings bis zum nächsten Börsentag (Margin-Parameter). Er wird auf Basis statistischer Untersuchungen zur Volatilität des Underlyings ermittelt. Durch Addition bzw. Subtraktion vom aktuellen Preis lassen sich die Maximal- bzw. Minimal­ kurse für das Underlying ermitteln. Dabei zeigt sich, ob ein Upside- oder ein Down­ side-Risiko⁶⁹⁵ besteht. Anschließend werden alle Basispreise eines Margin-Intervalls berechnet. Die jeweiligen Margin-Parameter können auf den Homepages der Terminbörsen eingesehen werden. Je nach Risikoeinschätzung werden diese angepasst.

694 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining. 695 Upside = bei einer Bewegung des Underlyings nach oben; Downside = bei einer Bewegung des Underlyings nach unten.

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16.13 Berechnung der Glattstellungskosten Das Cross Margining wirkt sich umso stärker aus, je mehr Optionskombinationen gehandelt wurden und sich im Positionsbuch befinden. Können mehrere MarginKlassen in einer Margin-Gruppe zusammengefasst werden, so wird diese erneut nach gleichartigen Risiken bewertet. Zunächst wird für jede Margin-Klasse die obere und die untere Hälfte der Additional Margin berechnet. Ergeben sich negative MarginSätze, werden diese in der Regel mit dem sogenannten Offset-Percent multipliziert: Dieser liegt meist bei null; das heißt, sie können gestrichen werden. Danach werden alle Additional Margins für die obere Hälfte addiert. Das Ergebnis nennt man die Up­ side Additional Margin einer Margin-Gruppe. Ebenso verfährt man mit der unteren Hälfte. So erhält man die Downside Additional Margin der Gruppe. Die beiden Sätze werden einander gegenübergestellt. Der höhere Satz wird als Additional Margin für die Margin-Gruppe erhoben.⁶⁹⁶

16.14 Was ist das Risk Based Margining der Eurex? Für den Investor ist es vorteilhaft, wenn er anstatt des Gesamtgegenwertes einer Po­ sition nur den Betrag deponieren muss, der dem Verlustrisiko seines Positionsbu­ ches entspricht. Durch die Berücksichtigung von Kombinationen wird dabei das Ri­ siko reduziert und eine Überdeckung vermieden. Produkte mit (annähernd) gleichen zugrunde liegenden Instrumenten werden in dieselbe Risikoklasse eingeteilt: So sind beispielsweise alle Optionen auf DAX® -Werte sowie die ODAX® und FDAX® -Positio­ nen in der Margin-Klasse DAX® enthalten. Analog zu diesem Beispiel werden alle Klassen gebildet. Mögliche Margin-Guthaben bzw. Margin-Verpflichtungen derselben Klasse werden gegenseitig verrechnet. Dieses Verfahren nennt man Cross Margining. Es trägt zur Schonung der Liquidität bei, da die Einzelbewertung jeder Position in Summe zu einer höheren Margin führen würde. Werden zwei oder mehrere MarginKlassen mit ähnlicher Korrelation zusammengefasst, spricht man von einer MarginGruppe. Auch innerhalb einer solchen Gruppe wird wiederum ein Cross Margining vorgenommen. So werden beispielsweise die Klassen Euro-Bund-Future, Euro-BoblFuture und Euro-Schatz-Future gegenseitig verrechnet. Die Margin wird jeden Tag für jedes Börsenmitglied neu berechnet. Auch im Ta­ gesverlauf wird die Margin weiter berechnet; dabei werden nicht nur die aktuellen, sondern auch die zukünftig wahrscheinlichen Kursrisiken berücksichtigt. Sollte ein Börsenmitglied untertags in Unterdeckung geraten, ergeht an dieses Mitglied ein so­ genannter Intraday Margin Call und die Liquidität wird sofort eingefordert.⁶⁹⁷

696 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining. 697 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining.

16.15 Die Marginarten des Risk Based Margin System der Eurex |

537

16.15 Die Marginarten des Risk Based Margin System der Eurex Premium Margin Diese Margin fällt bei allen Optionen an, bei denen die Prämie bereits beim Abschluss des Optionsgeschäftes bezahlt werden muss (vgl. Abbildung 16.9). Sie ist vom Stillhal­ ter durch entsprechende Sicherheiten (anerkannte Wertpapiere oder Geld) zu decken. Die Premium Margin deckt den Verlust ab, welcher entstehen würde, wenn der Still­ halter seine Positionen am heutigen Börsentag zurückgekauft hätte. Bei Optionen auf Futures⁶⁹⁸ fällt keine Premium Margin an. Hier wird die Opti­ onsprämie nicht bei Abschluss bezahlt, sondern im Mark-to-Market-Verfahren ver­ rechnet. Für Long-Positionen fällt ebenfalls keine zu zahlende Premium Margin an, da mit der Zahlung der Optionsprämie ein Recht, aber keine Verpflichtung erworben wird. Im Gegenzug zu den Short-Positionen werden bei Long-Positionen Margin-Guthaben in die Margin-Komplettbetrachtung eines Positionsbuches mit aufgenommen.⁶⁹⁹ Additional Margin Die Additional Margin (vgl. Abbildung 16.9) dient dazu, die bis zum nächsten Börsen­ tag und auch während des Geschäftstags (im Worst-Case-Szenario) möglichen zusätz­ lichen Glattstellungskosten zu decken. Die Additional Margin wird auf alle Optionsund Future-Positionen erhoben. Bei Future-Positionen spricht man hierbei (außerhalb des Eurex Sprachgebrauchs) auch von Initial Margin. Hier wird zum Abschluss des Termingeschäftes ein Grundbetrag gestellt, der das Worst-Case-Szenario in der Positi­ on abdecken soll.⁷⁰⁰ Variation Margin Die Variation Margin ist der tägliche Gewinn- oder Verlustausgleich bei Futures so­ wie Optionen auf Futures. Hier findet das oben erwähnte Mark-to-Market-Verfahren seine Anwendung: In diesem Verfahren werden die täglich entstehenden Gewinne oder Verluste den betreffenden Clearing-Mitgliedern entweder gutgeschrieben oder belastet. Der gravierende Unterschied zu den anderen Margin-Arten besteht darin, dass die Variation Margin keine Sicherheitsleistung mittels Wertpapieren und derglei­ chen ist, sondern ein tatsächlicher Gewinn- oder Verlustausgleich.⁷⁰¹ Hat ein Investor einen Future bei 100 Punkten gekauft und steht dieser am Fol­ getag bei 110 Punkten, so bekommt er die 10 Punkte – umgerechnet in die jeweilige Währungseinheit – gutgeschrieben. Der Inhaber einer Short-Future-Position wird im Gegenzug belastet. 698 Future-Style-Options. 699 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining. 700 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining. 701 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining.

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Optionen auf Aktien, ETF702 und Indices

Optionen Premium Margin

Additional Margin

Futures

Futures Additional Margin (Initial Margin)

Variation Margin

evtl. Futures Spread Margin Optionen auf Futures

Optionen auf Futures Additional Margin

Future Style Margin (Variation Margin)

Abb. 16.9: Die Margin-Arten im Überblick⁷⁰³

Somit werden alle Positionen im Mark-to-Market-Verfahren jeden Tag neu be­ wertet. Auch am letzten Handelstag wird nur noch die Differenz von allen vom Vortag offenen Positionen zum Final Settlement Price ermittelt.⁷⁰⁴ Beispiel für die Variation Margin Datum

Abrechnungs­ preis

G&V in Punkten

Punktwert Euro⁷⁰⁵

Anzahl der Kontrakte

Variation Margin in Euro

25.11. 26.11. 27.11. 28.11.

4.705 4.742 4.726 4.778

−30 +37 −16 +52

25 25 25 25

10 10 10 10

−7.500 +9.250 −4.000 +13.000

Summe



+43





+10.750

702 Exchange Traded Funds; z. B. Indexfonds, welche in Form von Sondervermögen an Börsen ge­ handelt werden. Auch auf diese kann man Optionen abschließen (die Eurex hat z. B. auf DAX® -ETF (iShares) Optionen eingeführt um eine „covered“ Variante für Retail-Kunden anzubieten; wurde vom Markt nur gering aufgenommen, auch das CBOE bietet Optionen auf ETFs an). 703 Eurex Margin-Arten. 704 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining. 705 Bsp.: FDAX = 25 Euro pro Punkt.

16.16 Was ist Eurex Clearing Prisma?

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539

Die summierten 10.750 Euro kann der Kunde als Gewinn verbuchen, wenn er den Fu­ ture schließt. Future Spread Margin Sind in einem Positionsbuch mehrere Future-Positionen enthalten, die sich auf den gleichen Basiswert beziehen, so können Long- und Short-Positionen gegenseitig ver­ rechnet werden. Dabei ist es wichtig, dass die Kontraktlaufzeiten gleich sind. Man nennt diesen Vorgang „Netting“. Verbleiben Long- oder Short-Positionen, deren Fäl­ ligkeitsmonate nicht übereinstimmen, so können diese ebenfalls gegenübergestellt werden. Man nennt diese Positionen nicht zu kompensierende Non-Spreads. Diese werden mit der Future Spread Margin belegt.⁷⁰⁶

16.16 Was ist Eurex Clearing Prisma? Um auch in komplexen Marktlagen antizyklische Marginanforderungen darstellen zu können, führte die Eurex das Eurex Clearing Prisma ein. Dieses ermöglicht es, die vielschichtigen Betrachtungsweisen und Einflussfaktoren zu berücksichtigen und gilt derzeit als eines der führenden Systeme. Da das Risikoportfolio eines Clearing Mitgliedes im Normalfall nicht homogen, sondern heterogen ist, stellt eine große Herausforderung dar. Daher wird mit Eurex Clearing Prisma das Prinzip von Liquiditätsgruppen eingeführt. Diese kombinieren Produkte mit ähnlichem Risiko und ermöglichen einen portfoliobasierenden Prozess im Risikomanagement. Die jeweiligen Liquiditätsgruppen werden regelmäßig überprüft und gegebenen­ falls von der Eurex Clearing AG angepasst. Innerhalb einer Liquidationsgruppe besteht die Möglichkeit, dass es zu Liquida­ tionsgruppensplit für unterschiedliche Laufzeiten kommen kann. So werden zum Bei­ spiel Positionen mit einer innerhalb der nächsten Tage endenden Laufzeit (< 4 Tage Restlaufzeit) und Position mit einer längeren Laufzeit (> 4 Tage Restlaufzeit) betrach­ tet. Das bedeutet, dass Positionen mit einer geringeren Restlaufzeit beim Ausfall eines Clearing-Mitglieds mit Priorität glattgestellt werden. Auch besteht die Möglichkeit ei­ ne ganze Liquiditätsgruppe im Rahmen einer Auktion glattzustellen. Dabei gibt es für die Liquidationsgruppe grundsätzliche Regelungen: – Portfoliobasierte Risikoaufrechnung ist nur innerhalb vordefinierter Liquidati­ onsgruppe zulässig. – Für jede Liquidationsgruppe ist eine feste Haltedauer definiert. Diese stellt die Ba­ sis für die Marginberechnung dar.⁷⁰⁷

706 Vgl. o. V. Eurex Risked Based Margining. 707 Vgl. o. V. Eurex Clearing Prisma; Eurex Clearing AG (2014).

540 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

16.16.1 Wie findet die Marginberechnung statt? Für Premium Style Optionen (klassische Optionen) hat der Verkäufer die Margin zu hinterlegen. Der Käufer bekommt auf seine Positionen eine Margin Gutschrift, welche er gegen andere Positionen verrechnen kann. Für Futures-Style-Optionen erfolgt die Verrechnung der Margin im Variation Margin Verfahren. Beide Optionspartner haben eine Margin zu hinterlegen, da die Optionsprämie nicht bei Abschluss der Transaktion, sondern im „Mark to Market Verfahren“ verbucht wird. Bei Futures Transaktionen haben beide Parteien eine Initial Margin zu hinterle­ gen. Der tägliche Gewinn und Verlustausgleich findet im Variation Margin Verfahren statt. Bei Swap Transaktionen erfolgt die Verrechnung der Beträge gemäß der ab­ geschlossenen Swap Vereinbarung. Dasselbe gilt auch für Forward Rate Agree­ ments.⁷⁰⁸

16.16.2 Margin-Komponenten Um keine unnötige Liquidität zu binden und dennoch eine adäquate Sicherheiten­ stellung darstellen zu können, berechnet Eurex Clearing Prisma die tatsächlichen Glattstellungskosten eines Portfolios und kalkuliert den maximalen Verlust, der wäh­ rend der Haltedauer auftreten kann. Dabei gliedert sich die Berechnung in zwei Komponenten: 1. Zurückblickende Komponente (Mark to Market Margin) a) Premium Margin b) Variation Margin c) Price Alignment Interest (bei Swaps) 2. Vorausschauende Komponente (Initial Margin – Marktrisiko) a) Liquiditätsrisikokomponente b) Marktrisiko basierende Komponente (aufgrund gefilterter historischer Simu­ lationen) c) Marktrisiko basieren auf Stress-Szenarien d) Ausgleich Modellungenauigkeit Gerade diese vorausschauende Komponente ist komplex. Sie basiert auf einer voll­ ständigen Portfolioanalyse eines jeden Clearing Mitglieds. Dabei kommen produkt­ übergreifende Korrelationseffekte wie auch Absicherungseffekte zum Tragen.

708 Vgl. o. V. Eurex Clearing Prisma; Eurex Clearing AG (2014).

16.17 Eurex Clearing Prisma versus RBM-System | 541

Rückwärtsgewandte Komponenten Price Alignment Interest

Premium Margin

Zukunftsweisende Komponenten Ausgleich Modellungenauigkeiten Variation Margin

Marktrisiko KorrelaKomprestionsadjus- sionsadtierung justierung

Long OptionGuthaben

Liquiditätsrisiko

Premium-Style-Optionen Futures Futures-Style-Optionen Zinsswaps Overnight-Indexswaps Forward Rate Agreements Anwendbar

Nicht anwendbar

Abb. 16.10: Anwendbare Margin Komponenten⁷⁰⁹

Die Initial Margin wird folglich nicht mehr produktspezifisch, sondern auf Ge­ samtportfolioebene ermittelt. Hierbei kommt eine Value at Risk (VaR) Methode zum Einsatz, welche aus gefilterten historischen Szenarien, Stressphasen Szenarien und Ausgleich und Korrekturbuchungen aus Korrelationsbrüchen, Kompressionsfehler und Illiquidität entsteht. Bevor ein solches Szenario errechnet wird, wird mittels ei­ nes vorgeschalteten Portfolioprozesses eine Portfoliooptimierung durchgeführt. Ein Cross Margining ist hier möglich. So werden zum Beispiel IRS-Positionen, Fixed In­ come- und Geldmarktderivate in solchen Splits berücksichtigt. Nach der Berechnung für jede Liquiditätsgruppe findet eine Aggregation der Gruppen statt. Die konsolidiere Initial Margin eines Clearing Mitglieds entspricht am Ende der Summe der entspre­ chenden Einzelergebnisse der Liquiditätsgruppen.⁷¹⁰ Zur näheren Vertiefung in den technischen Prozess verweisen wir an dieser Stel­ le an die Eurex Clearing AG und deren Homepage: www.eurexclearing.com. In der Eurex Member Section erhalten Sie auch Zugriff auf den Margin Calculator etc. der Eurex. Dieser ermöglicht einen guten Überblick über bestehende Positionen bzw. Po­ sitionen, die eingegangen werden sollen. Auch stehen hier Möglichkeiten zur Simula­ tion zur Verfügung.

16.17 Vergleich zwischen Eurex Clearing Prisma und dem Risked Based Margin System In der nachstehenden Tabelle 16.1 zeigen wir in einem Vergleich die Unterschiede der beiden von der Eurex entwickelten Risikomodelle auf. Seit Ende 2017 ist das Eurex Clearing Prisma für alle Marktteilnehmer als verpflichtend geltend und hat sich sehr gut am Markt eingeführt. Für uns ist die Betrachtung verschiedener Systeme je­ 709 Quelle: Eurex Clearing AG. 710 Vgl. o. V. Eurex Clearing Prisma; Eurex Clearing AG (2014).

542 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

doch von großer Bedeutung. Denn hier gibt es einen in sich fortschreitenden Prozess, welcher einem ständigen Wandel unterliegt. Immer getrieben von den aktuellen Mög­ lichkeiten der Risikobetrachtung sowie der Risikomessung und deren Vorhersage. Da­ her ist es uns wichtig, dass man sich mit verschiedenen Modellen zu deren Bestim­ mung auseinandersetzt, die Vor- und ggf. auch Nachteile betrachtet und die jeweiligen Risikomodelle durchdenkt. Denn letztendlich kann die Frage: „Was ist Risiko?“ nur über ein zielgerichtetes Risikomodell beantwortet werden. Nur dieses wird eine be­ lastbare Aussagekraft über die entstandenen Risikoquellen, deren Risikogehalt und deren korrelierende Kräfte treffen können. Nur mit einem guten Risikomodell besteht die Möglichkeit, das abstrakte in ein greifbares und vor allem quantitatives Maß über­ zuleiten. Tab. 16.1: Vergleich Eurex Clearing Prisma und Risked Bases Margin System⁷¹¹ Eurex Clearing Prisma

Risked Based Margin System

Risikohorizont: n-Tage (liquidationsgruppenabhängig)

Risikohorizont: d-Tage

Portfoliomodell (Risikofaktorsicht)

Szenario-Matrix-Ansatz

Liquidationsgruppen

Margingruppen/Klassen

Liquiditätsrisikoanpassung (abhängig von der Positionsgröße)

Liquiditätsfaktor (unabhängig von der Positionsgröße)

„Volatility Hardfloor“

„Volatility Hardfloor“

„Stress Period Floor“



Starke Reaktivität (reagiert stark auf Marktveränderungen)

Reaktivität (reagiert auf Marktveränderungen)

Historisches Volatilitätsmodell (EWMA)

Historisches Volatilitätsmodell (EWMA)

Beinhaltet das Wechselkursrisiko

– (Nur über FX-Haircuts auf kollateraler Ebene möglich.)

Enthält das Zinsänderungsrisiko



16.18 Sicherung der Margin-Verpflichtung Das Collateral für eine Marginverpflichtung kann in Geld oder auch in Wertpapie­ ren hinterlegt werden. Grundsätzlich sind dabei verschiedene Währungen zugelas­ sen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass das Währungsrisiko zur Verminderung der Sicherheitsleistung führen kann. Gleichzeitig können auch Sicherheitsabschläge

711 Quelle: o. V. Eurex Clearing Prisma – Setting new standards in CCP risk management – overview and update.

16.20 Was ist ein Margin Call? | 543

für die hinterlegte Wertpapiere vorgenommen werden. Diese entsprechen der jeweili­ gen Risikogattung der Papiere. Wie bereits angesprochen, stellen Banken und Broker die Sicherheiten gegenüber den Terminbörsen als Sammelsicherheiten und sperren zur Sicherung der Kundenpositionen dann Kundengelder in den entsprechenden De­ pots und Konten (Rücksicherung auf Kundenebene). Die von den Banken und Bro­ ker gestellten Sicherheiten bei der Eurex werden i. d. R. in Cash-Positionen und/oder Wertpapieren (die das Clearing House akzeptiert) gestellt. Für die Abwicklung stehen verschiedene Systeme, wie das von der EZB zur Verfügung gestellte TARGET2 System zur Verfügung. Neben diesem steht ebenfalls eine Vielzahl von Banken zur Abwick­ lung (vor allem von Währungsbuchungen) parat. Somit kann jeder Handelsteilneh­ mer das Collateral für die eingegangenen Positionen zielführend für die Besicherung steuern. Die Regularien für die Besicherung, die akzeptierten Sicherheiten und deren Bewertung legt jede Clearingstelle in den jeweiligen Clearingbedingungen fest und werden mit dem eingegangenen Clearingvertrag unterschrieben.

16.19 Der Settlement-Preis Der Settlement-Preis ist der letzte Preis eines Börsenhandeltages. Sollte in einem Pro­ dukt, einer Serie oder einem Kontrakt kein Preis festgestellt worden sein, so wird von der Eurex Clearing AG ein Settlement-Preis errechnet. Die Settlement-Preise des letz­ ten Handelstages nennt man Final-Settlement-Preise. Häufig werden sie auch als Schlussabrechnungspreise bezeichnet. Margin bei US-Optionen an der CBOE⁷¹² Die Margin für ungedeckte Optionen an der CBOE errechnet sich wie folgt: Es handelt sich hierbei um den größeren Wert aus der Berechnung: – 100 % der Prämienzahlung zzgl. 20 % des Underlying-Kurses ggf. abzüglich des Betrages, den die Option „out of the money“ ist, oder – 100 % der Prämienzahlung zzgl. 10 % des Kurses des Underlyings (bei Call-Optionen) oder 10 % des Basispreises (bei Put-Optionen) Bei Indexoptionen werden anstatt der 20 % nur 15 % hinzugezogen.

16.20 Was ist ein Margin Call? In diesem Abschnitt wird exemplarisch dargestellt, wie ein Margin Call aus Inves­ torensicht auftreten bzw. ablaufen kann. Kann ein Investor seinen Verbindlichkeiten

712 Vgl. CBOE.

544 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

(Stellung von Sicherheiten; Collateral) nicht mehr nachkommen (er unterschreitet den Maintenance Level), so ergeht an ihn von seiner Bank/seinem Broker ein formeller Margin Call. In diesem Schreiben (vgl. Abbildung 16.11) wird er aufgefordert, seine Sicherheiten entsprechend den Anforderungen zu verstärken. Dies geschieht unter der Androhung eines Zwangsclosing, der sogenannten Liquidation der Positionen. Kommt der Investor der Aufforderung nicht nach, wird die Liquidation nach Ablauf der vereinbarten zeitlichen Frist durchgeführt. In der Praxis ist es eher selten, dass Investoren diesen Aufforderungen nicht nachkommen wollen. Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, haben die Banken und Broker Sicherheitssysteme eingeführt, welche frühzeitig eine Reaktion des Investors erforderlich machen. Dabei werden Bro­ ker/Bank und Investor im Gespräch versuchen, eine Lösung zu finden. Ist es möglich, aufgrund dieses Gespräches den Margin Call aus dem Weg zu räumen, so erfolgen kei­ ne weiteren Maßnahmen. Erst bei Nichterfüllung ergeht der formelle Margin Call. Kommt es zur Zwangsliquidation, so werden so viele Positionen geclosed, bis die gestellte Margin wieder zur erforderlichen Margin passt.

Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund aktueller Bewertung Ihrer Positionen aus Finanztermingeschäften sind Nachschüsse in Höhe von EUR 1.500.000,00 erforderlich. Wir fordern Sie daher auf, bis zum 30.01.2020 um 14:00 Uhr die vorhandenen Sicherheiten um den genannten Betrag aufzustocken, sei es per Bareinzahlung oder nachgewiesener Überweisung auf Ihr Unterkonto /76. Sollten Sie Wertpapiere von einem anderen Institut auf Ihr bei uns geführtes Depot übertragen, so muss dies bis zum o. g. Termin veranlasst sein und fristgerecht eine entspre­ chende schriftliche Bestätigung der abgebenden Bank vorliegen. Bitte berücksichtigen Sie dabei, dass bei Wertpapieren gewisse Beleihungsabschläge vorgenommen werden; Ihr Berater gibt Ihnen hierzu gerne Auskunft. Alternativ besteht für Sie die Möglichkeit, durch entsprechendes Positionsmanagement, d. h. Schließen (Rückkauf) von Short-Positionen oder Kauf von marginmindernden Long-Positionen die Marginpflicht in den Rahmen der vorhandenen Deckung zurückzuführen. Dabei ist zu berücksich­ tigen, dass der finanzielle Aufwand für den Kauf dieser Optionen ggf. zulasten vorhandener, als Sicherheit dienender Kontoguthaben geht und diese vermindert. Auch in diesem Punkt unterstützt Sie Ihr Berater gern. Sollten Sie die oben genannte Frist nicht einhalten, werden wir Ihre Position(en) ganz oder teil­ weise glattstellen und sämtliche eventuell bei uns vorgemerkten noch offenen Aufträge über Fi­ nanztermingeschäfte streichen. Sollte am genannten Termin aufgrund der bis dahin eingetretenen Marktentwicklung eine über den vorstehenden Betrag hinausgehende Marginforderung entstan­ den sein, werden wir die Schließungen entsprechend anpassen. Mit freundlichen Grüßen Abb. 16.11: Margin Call⁷¹³

713 Vgl. Commerzbank AG Margin Call Mustertext.

16.21 Wie läuft die Zwangsliquidation aus Bank- oder Brokersicht? | 545

Einen von der Terminbörse gegenüber einem ihrer Kunden (Handelsteilnehmer: Banken oder Broker) ausgesprochenen Margin Call könnte man auch einen echten Margin Call nennen. Denn nun würden nicht die Kundenpositionen der Bank oder des Brokers nicht mehr ausreichen, sondern die des Handelsteilnehmers selbst. Soll­ te eine solche Partei die Positionen nicht mehr abdecken können oder gar hier ne­ ben dem Positionsmanagement zwangsweise zur Umstrukturierung und zum Clos­ ing angewiesen werden, kann dies deutliche Marktreaktionen mit sich bringen. Je nach Größenordnung kann es schnell zu einer Kettenreaktion am Markt kommen und auch andere Marktteilnehmer zum Handeln zwingen. Gerade in der Finanzkrise ab 2007 haben wir gesehen, wie stark und schnell solche Marktreaktionen sein kön­ nen. Des Weiteren ist zu beachten, dass durch ein solches Marktereignis auch viele Bonitätsfragen innerhalb der Peergroup aufgeworfen werden können.

16.21 Wie läuft die Zwangsliquidation aus Bank- oder Brokersicht? Kommt es im schlimmsten Falle zu einer Zwangsliquidation von Positionen, so ist diese durch die Bank oder den Broker genau zu dokumentieren und nach Möglich­ keit das Geschäft mit dem Kunden einzustellen. Denn die Gefahr, dass es wieder zu einer Unterdeckung oder Zahlungsunfähigkeit des Investors kommt, ist groß. Hier muss die Bank bzw. der Broker seiner Sorgfaltspflicht nachkommen und den Kunden von Investitionen an den Terminbörsen fernhalten. Festzuhalten ist ebenfalls, dass immer nur so viele Positionen geschlossen werden, wie zur Margin-Deckung notwen­ dig sind. Auch sollte homogen über das gesamte Positionsbuch verteilt geschlossen werden – also nicht eine einzige große Position, sondern verschiedene Teilpositio­ nen. Andernfalls könnte es passieren, dass der Investor in der geschlossenen Position einen Gewinn, aber in den noch offenen einen Verlust erleiden würde – das wäre nicht zu rechtfertigen. Wenn möglich, sollte eine Liquidation mit dem Investor abgestimmt werden. Ist dieser nicht bereit, aktiv daran mitzuwirken, so ist eine Zwangsliquidation einzuleiten und der Investor zeitnah mit den Folgen und den getroffenen Entscheidun­ gen zu konfrontieren. Er muss diese Informationen umgehend erhalten, um reagieren zu können. Underlying

Position vor Zwangsclosing (Kontrakte)

Position nach Zwangsclosing (Kontrakte)

Short Call Short Put Short Future

500 500 100

250 250 50

546 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement Abschließende Betrachtung einer Zwangsliquidation Kommt es zu einer Zwangsliquidation, so leidet die Beziehung zwischen Kunde und Bank/Broker i. d. R. spürbar. Die meisten Kunden stellen nach einer solchen Glattstellung das Geschäft mit der Bank ein. Davon ist zumindest in der Praxis auszugehen. Es ist ferner davon auszugehen, dass die Bank bei einem Kunden, welcher mittels Zwangsliquidation behandelt wurde, das Geschäft aus Risikogründen massiv reduzieren bzw. einstellen wird. Folge einer Zwangsliquidation ist fast immer das Auflösen der Geschäftsbeziehung oder zumindest eine harte Belastung für diese. Wichtig ist in diesem Zusammen­ hang jedoch, dass geschäftspolitische Interessen nicht über den Regeln des Risikocontrollings stehen dürfen. Das hätte fatale und ruinöse Auswirkungen. ROBERT C. MERTON hat einmal gesagt: „Man liegt falsch, wenn man glaubt, man könnte das Risiko ausschalten, nur weil man es messen kann.“ Diese Betrachtung des Risikos sollte jedem Financial Engineer immer bewusst sein.

16.22 Clearing von OTC-Derivaten Gerade bei OTC-gehandelten Derivaten ist das Clearing ein entscheidender Risiko­ faktor.⁷¹⁴ Denn ein eventuell auftretendes Adressenausfallrisiko kann sich hier schnell ruinös auswirken.⁷¹⁵ Durch die Implementierung eines CCP (Central Counter Party)⁷¹⁶ ist dieses Risiko auf ein Minimum zu reduzieren. Daher hat die Europäische Kom­ mission (EU) ein flächendeckendes Einführen von CCPs vorgeschlagen (konkretisiert unter anderem durch eine Überarbeitung der MiFID⁷¹⁷ und die Neuschaffung der MiFIR⁷¹⁸ sowie die Einführung von EMIR).⁷¹⁹ Dies führt dazu, dass der Großteil der gehandelten Derivate in einer transparenten und auch messbaren Form abgewickelt wird und es besteht die Möglichkeit des Erhebens von fundierten Statistiken über den Markt. Zu diesem Zweck sind die Meldungen an die ESMA⁷²⁰ sowie die Transaktions­ register⁷²¹ eingeführt worden (jeder Teilnehmer bekommt eine LEI⁷²² der dann alle

714 Vgl. auch die Strategieempfehlungen der G-30, veröffentlicht u. a. in Hull, John C., Risikomanage­ ment, Pearson 2. Auflage S. 270, und die damit verbundenen außerhalb des Clearings zu beachtenden Empfehlungen im Umgang mit Derivaten und deren Exposures. 715 Vgl. hier die Insolvenz von Lehman Brothers in den USA und die damit verbundene Problema­ tik mit den begebenen verbrieften Derivaten oder der Counterparty-Problematik bei den mit Lehman gehandelten Derivaten. 716 Die Ex-post-Abwicklung einer Handelsposition inkl. eines evtl. bestehenden Netting von Positio­ nen, der Sicherheitenstellung der Position etc. direkt über einen zentralen Kontrahenten. 717 MiFID: Markets in Financial Instruments Directive (bis 2012: MiFID I und II). 718 MiFIR: Markets in Financial Instruments Regulation. 719 EMIR: European Market Infrastructure Regulation. 720 European Securities and Markets Authority ist die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichts­ behörde, welche im Zuge der Finanzkrise und deren Auswirkungen 2011 ihre Arbeit aufnahm. 721 Gemeldet werden von CCPs und Gegenparteien: Alle Einzelheiten der eingegangenen Derivate­ kontrakte und der damit verbundenen Geschäfte. Vgl. hierzu: CMS Hasche Sigle. Neue Regulierung der OTC-Derivate in der EU und den USA. 722 Legal Entity Identifier Nummer.

16.22 Clearing von OTC-Derivaten |

547

Transaktionen zugeordnet werden). Dies gilt auch für die an Börsen durchgeführten Transaktionen. Wie die Abbildung 16.12 zeigt, ist ein Großteil aller Derivate OTC gehandelt (ein Großteil im Bereich der Zinsderivate, die viel besprochenen CDS⁷²³ bilden lediglich 5 Prozent aller OTC Derivate ab).⁷²⁴ Gliedert man diese nochmals nach Derivategruppe auf, so erhält man folgendes Bild, wie Abbildung 16.13 zeigt.⁷²⁵ Börsengehandelte Derivate 9%

OTC Derivate 91% Abb. 16.12: Börsengehandelte Derivate vs. OTCDerivate⁷²⁶

Bei der Abwicklung und dem Clearing von OTC-Positionen ist auf die Komplexität der gehandelten Produkte einzugehen. Neben dem Clearing-Prozess, der Regulierung und der Sicherheitenleistung ist vor allem die Beurteilung des Counterparty Risk von gro­ ßer Bedeutung. Ebenfalls ist die Beurteilung des Ausfallfonds, der die Risiken des

723 Credit Default Swaps (CDS) wurden im Zuge der Finanzkrise und der Insolvenz von Lehman Broth­ ers (auch wegen den Schwierigkeiten bei Bear Stearns) in der Presse als ein Katalysator der Finanz­ krise bezeichnet. Auf diese wurde oft das Zitat „Massenvernichtungswaffen der Finance“ angewandt, obwohl die Instrumente per definitionem nicht schlecht oder gar gefährlich sind. Durch deren Kom­ plexität war es jedoch einer breiten Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, wieso man diese gehandelt hat und welches der ursprüngliche Grund für die Transaktion war. Durch den Rückzug der Emotionen in der Berichterstattung hat sich dies wieder gelegt. 724 Vgl. Centrum für Europäische Politik: Dr. Bert van Roosebeke: OTC Derivate Vorschlag KOM (2010) 484 vom 15.09.2012 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Deri­ vate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister. 725 Eine erneute Überprüfung der Datenreihen hat ergeben, dass es seit 2010 bis 2018 nur zu mar­ ginalen Verschiebungen (gesehen in Prozent aller Derivatetransaktionen) innerhalb der jeweiligen Derviateproduktgruppen gekommen ist (Datenbasis ESMA Annual Statistical Report EU Derivatives Markets 2018). Daher kann das Zahlenmaterial weiterhin so als belastbar angesehen werden. Dies gilt auch für die voran genannte Ratio zwischen OTC und Listed O&F Geschäft. 726 Quelle: BIS, Juni 2010; entnommen aus: Regulierung von OTC-Derivaten; Steria Mummert Consulting, eigene Darstellung.

548 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement 600 500 400 300 200

Volumen in tn-USD 100

e

Co

m m od

ity

-D

er iv at

er iv at

e

e Ak tie nd

Kr

ed i

td

er iv at

er iv at -D FX

IR

-D

er iv at

e

e

0

Abb. 16.13: OTC-Derivatevolumen nach Assetklassen in T-USD⁷²⁷

CCPs abdeckt, von großer Wichtigkeit.⁷²⁸ Durch die Anforderungen, welche die neuen Regelanpassungen (hier vor allem der Dodd-Frank-Akt⁷²⁹ in den USA und die EMIR⁷³⁰ für Europa) mit sich bringen, ist das effektive und umfassende Umsetzen eines re­ gulierten und durch CCPs unterstützen OTC-Markt eine große Herausforderung. Im Gegenzug zu den Herausforderungen stehen jedoch die Vorteile, welche sich aus der Transparenz (Vor- und Nachhandelstransparenz)⁷³¹ und dem reduzierten Counter­ party Risk ergeben. Die jeweiligen genauen gesetzlichen Anforderungen in den USA und der EU differieren und sind den jeweiligen Regelungen zu entnehmen bzw. bei kri­ tischen Fragen (zum Beispiel bei Cross-Border-Transaktionen) bei den Finanzmarkt­ regulatoren zu erfragen. Regulatoren für die Finanzmärkte Unter den Regulatoren für die Finanzmärkte versteht man die jeweiligen Aufsichtsgremien, die von staatlicher Seite eingesetzt wurden. Für die Bundesrepublik Deutschland ist dies der zentrale Regu­ lator: BaFiN. Die BaFiN beaufsichtigt die Teilnehmer am Finanzmarkt, stellt die Regeln dafür auf und ahndet Verstöße. In den USA gibt es für die jeweiligen Geschäftsvorgänge bzw. regionale Belange unterschiedliche Regulatoren. Der wahrscheinlich bekannteste ist die SEC (U. S. Securities and Ex­ change Commission) oder die CFTC (Commodity Futures Trading Commission). Auch die FED (in

727 Quelle: BIS, Juni 2010 entnommen aus: Regulierung von OTC-Derivaten; Steria Mummert Consull­ ting, eigene Darstellung. 728 Vgl. KPMG: OTC-Derivate: Neue regulatorische Anforderungen für Handel und Abwicklung. 729 Vom 21. Juli 2010 ausführlich: Dodd Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act; In Kraft getreten Juli 2011. 730 European Market Infrastructure Regulation. 731 Vgl. o. V. CMS Hasche Sigle. Neue Regulierung der OTC-Derivate in der EU und den USA.

16.22 Clearing von OTC-Derivaten

| 549

diesem Fall das Federal Reserve System) nimmt Aufgaben des Regulators wahr. Aufgrund dieser Viel­ schichtigkeit ist es sehr wichtig, sich im Vorfeld einer Transaktion oder eines neuen Geschäftsab­ schlusses hierüber zu informieren. Internetauftritte einer Auswahl von Regulatoren: Deutschland U. S. Kanada Großbritannien China Brasilien Singapur

http://www.bafin.de http://www.sec.gov http://www.iiroc.ca http://www.fsa.gov.uk http://www.csrc.gov.cn http://www.cvm.gov.br http://www.mas.gov.sg

http://www.cftc.gov

Die Eurex Clearing AG (EurexOTC Clear)⁷³² übernimmt als eines der CCPs die Ab­ wicklung von OTC-Transaktionen. Wie auch bei den an den Eurex-Börsen gehandel­ ten Kontrakten kommt hier ein aktives Risikomanagement zum Einsatz. Die Abbil­ dung 16.14 zeigt dieses in komprimierter Form auf. Dabei werden zwei grundsätzliche Betrachtungsweisen angewandt. Zum einen die Betrachtung des Tagesrisikos, zum zweiten die Betrachtung des Risikos, das durch die zukünftigen Ereignisse auftreten könnte.

Margin-Komponenten für OTCDerivate über Eurex Clearing

Zukunftsbetrachtung des Risikos

Initial Margin

Marktrisikobeurteilung

Marktrisiko über x Tage

Aufschlag für mögliche Modellfehler

Tagesbetrachtung des Risikos Mark-toMarket Margin

Liquiditätsrisikoaufschlag

Abb. 16.14: Marginkomponenten für OTC-Transaktionen die über Eurex Clearing AG als CCP abgewi­ ckelt werden⁷³³

732 Wir haben uns in diesem Buch dazu entschlossen, die Beispiele anhand der Terminbörse Eurex aufzuzeigen. Diese sind jedoch (evtl. auch in abgewandelter Art) auf andere Terminbörsen weltweit übertragbar. Zum besseren Verständnis haben wir uns jedoch entschlossen, exemplarisch die Eurex zu verwenden. 733 Quelle: Eurex Clearing AG; Darstellung eigen.

550 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

Nähere Informationen über Eurex Clearing können der Homepage der Eurex Clearing AG entnom­ men werden: www.eurexclearing.com

Wie bereits angesprochen, besteht über das Eurex-System auch die Möglichkeit, OTCTrades für gelistete Produkte abzuwickeln. Diese OTC-Blocktrades erfreuen sich gro­ ßer Beliebtheit, da diese sehr flexibel und transparent über das Eurex-Handelssys­ tem zu handeln sind.⁷³⁴ Im Jahr 2011 wurden so über 800 Millionen Kontrakte über den Eurex OTC Trade Entry Services gehandelt.⁷³⁵ Wie sich das gesamte Handels­ volumen an der Eurex entwickelt hat, zeigt die Abbildung 16.15.

Handelsvolumen in Mio. Kontrakten

3500 3.172,7 3000

2.821,5

2.704,3

2.647,4 2.642,1

2500

2.292

2.191,9

2.097,9 1.951,8

2000 1.672,6 1.727,5 1.675,9 1.526,8

1500 1.248,7 1000 500 0

2005

2006

2007*

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015**

2016

2017

2018

Abb. 16.15: Veränderung Handelsvolumen an der Eurex Group in Mio. Kontrakten⁷³⁶

Was ist der Vorteil, wenn das CCP für OTC-Derivate auch das CCP für die gelisteten Derivate offeriert? Diese Frage ist mit dem Cross-Margining-Ansatz (X-Margining)⁷³⁷ zu beantworten. Hier werden die Positionen nicht einzeln sondern in Verbindung zueinander nach ih­ 734 Anmerkung: Gilt auch für andere Börsen, wie zum Beispiel die Liffe-NYSE-Euronext. Hier wird über Bclear die Abwicklung dargestellt. 735 Quelle: Eurex. 736 Quelle: o. V.: Deutsche Börse. (2019). Zahl der gehandelten Kontrakte an den Terminbörsen der Eurex Group in den Jahren von 2005 bis 2018 (in Millionen). Statista. Statista GmbH. Zugriff: 08. Sep­ tember 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/425520/umfrage/handelsvolumen-dereurex-group/. 737 Einführung von Eurex Prisma als portfoliobasiertes Risikomanagement. Dieses löst schrittweise das bestehende mit Risk-Based-Methoden gesteuerte Risikomanagement der Eurex ab. Dabei werden die jeweiligen an den Eurex-Börsen geclearten Transaktionen im Cross-Margin-Ansatz miteinander verrechnet.

16.22 Clearing von OTC-Derivaten |

551

rem Risiko beurteilt. Ergibt sich hier die Möglichkeit einer Marginverrechnung (Net­ ting) findet diese statt. Somit werden Plain Vanilla Derivate und OTC Derivate mit­ einander verrechnet und nach deren Gesamtgehalt des Risikos beurteilt.

Marktrisiko basierend auf gefilterter historischer Simulation

Preis-Zinsanpassung

rückwärtsgewandt

Marktrisiko

Variation Margin

Mark-to-Market Margin

Premium Margin

Marktrisiko basierend auf Stress-Szenarios

Initial Margin

Liquiditäts-Risikokomponente

Model Error-Erweiterung

jetzt

zukunftsweisend

Abb. 16.16: Eurex Clearing Prisma⁷³⁸

Ein weiterer Vorteil ist die einheitliche Sicherheitenverwaltung (Collateral Ma­ nagement) und die einheitliche Beurteilung der Clearing-Dokumentation (ISDA und DRV).⁷³⁹ Auch ist es hier von großer Wichtigkeit, dass durch einheitliche Prozesse gewährleistet ist, dass die Sicherheiteneinforderung synchron mit dem Bewertungs­ prozess erfolgt.⁷⁴⁰ Für den Broker/Bank und im Endeffekt auch für den Endverbrau­ cher sind eine einheitliche Regulierung (Regulator für Deutschland: BaFin; USA z. B.: CFTC) und somit eine Erhöhung der operationellen Effizienz sowie eine Reduktion der operationellen Risiken vorhanden.⁷⁴¹ Zudem sichert ein großer Anbieter durch die Höhe des Clearing-Fonds (im Fall der Eurex Clearing: Clearing-Fund: ca. 1,47 Mrd. Euro, Initial Margin: ca. 30,01 Mrd. Euro; Reserve und Eigenkapital: ca. 115,5 Mrd. Euro)⁷⁴² nochmals eine größere Sicherheit zu als ein kleiner Anbieter. Des Weiteren sollte man bei der Auswahl des CCP um die Betrachtung eines Stresstestes bitten. In seinen Ergebnissen kann man schön ablesen, wie sich die jeweiligen Häuser in den gegebenen Marktsituationen verhalten und wie sicher die jeweiligen CCPs sind. Des Weiteren raten wir zur Begutachtung des eigenen Regelwerkes: – Wurde ein Default Management Komitee (DMK) bestimmt und wie läuft der Pro­ zess im Risikofall ab? – Welche unabhängigen Prozesse sind additiv vorhanden?

738 Quelle: Eurex und Eurex Clearing. 739 Vgl. Culp, Christopher L.: OTC-Cleared Derivatives: Benefits, Costs, and Implications oft the „Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act“ – Journal of Applied Finance. 740 Vgl. Chlistella, M: Konzept des zentralen Clearings, in Deutsche Bank AG Research. 741 Vgl. Chlistella, M: Konzept des zentralen Clearings, in Deutsche Bank AG Research. 742 Quelle: Eurex; Stand: 29.2.2012.

552 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

Die Abbildung 16.17 stellt (vereinfacht und schematisch) ein CCP dar und zeigt, dass es sich bei diesem Konstrukt zum einen um eine direkte Handelsabwicklung und zum anderen um eine Sicherstellung des regulatorischen Umfeldes handelt. Handelsumfeld Order/Trade Broker/Bank

Broker/Bank

CCP Regulatorisches Umfeld

Clearing-Fonds

Regulator/Reporting/ Regelwerk

Abb. 16.17: CCP als Handelsabwicklung und im regulatorischen Umfeld

Wer muss sich an einem solchen CCP-Clearing beteiligen? Wir gehen in diesem Buch, grundsätzlich davon aus, dass wir es mit geeigneten Ge­ genparteien (folglich zwei Banken oder Broker) zu tun haben. Bei OTC-Derivaten kann dies jedoch auch eine „nichtfinanzielle“ Gegenpartei sein. Auch „nichtfinanzielle“ Ge­ genparteien können jedoch unter die CCP-Clearing-Verordnung fallen. Dies ist im­ mer dann der Fall, wenn jene ein kritisches Höchstmaß an Geschäften übersteigen und/oder diese Geschäfte nicht nur zur Begrenzung bzw. Absicherung des eigenen wirtschaftlichen Risikos dienen.⁷⁴³ Um für die „finanziellen“ Gegenparteien hier kei­ nen Spielraum zu schaffen, wurde dies auch vom Centrum für Europäische Politik so empfohlen.⁷⁴⁴ Um einen Sachverhalt in der Praxis umfänglich und in der Tiefe be­ urteilen zu können, empfehlen wir dem Leser die jeweils aktuellen gesetzlichen wie regulatorischen Gegebenheiten zu beachten und diese im jeweiligen Fall gesondert in

743 o. V. CMS Hasche Sigle: Neue Regulierung der OTC-Derivate in der EU und den USA. 744 Vgl. Centrum für Europäische Politik: Dr. Bert van Roosebeke: OTC Dertivate Vorschlag KOM (2010) 484 vom 15.09.2012 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über OTCDerivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister.

16.23 Individuelle Derivate mit bilateraler Besicherung | 553

der dafür vorgesehenen Literatur oder in sachgerechten Online-Quellen nachzuschla­ gen. Regulatorik und Compliance In den zurückliegenden Jahren wurden viele neue und konkrete regulatorische Anforderungen an den Derivatehandel und an das Financial Engineering gestellt. Diese schreiten mit großem Tempo und Dy­ namik voran und sind in der Komplexität den regulierten Produkten teilweise voraus. Daher ist es von großer Wichtigkeit, sich mit den jeweiligen regulatorischen Anforderungen, des eigenen Wirkungs­ bereiches (und der mit diesem verbundenen), vertraut zu machen und diese vollständig umzusetzen. Neben den klassischen Anforderungen aus MIFID (I und II), MIFIR, EMIR, CRD IV, MAR, MARISK und WPHG sind dies auch die Anforderungen an die WERTPAPIER UND DERIVATE COMPLIANCE und hier expliziert die für Mitarbeiter mit besonderer Funktion. Bei Graufällen oder im Fall einer Unsicherheit raten wir immer zur vorherigen Abklärung mit dem Regulator bzw. der dafür zuständigen Compliance Abteilung. Ferner wollen wir an dieser Stelle auf die BEST-PRACTICE-LEITLINIEN FÜR WERTPAPIER-COMPLIANCE DES BUNDESVERBANDES DEUTSCHER BANKEN⁷⁴⁵ bzw. anderer für die jeweiligen nationalen Banken zuständigen Verbände bzw. Regulatoren verweisen.

16.23 Individuelle Derivate mit bilateraler Besicherung Für nicht über CCP abgewickelte, bilaterale, individuelle Derivate sieht EMIR eine Be­ sicherung in Form von Initial und Variation Margin vor. Diese wurde schrittweise und mit Größenbeschränkungen (ab einem Mindestgesamtvolumen von 8 Mrd. Euro ausstehender Bruttonominalwert; nicht CCP) am Markt eingeführt und soll das syste­ mische Risiko von bilateralen Verträgen reduzieren. Dabei ist zu sagen, dass das Vo­ lumen dieser Transaktionen, seit Einführung der Verpflichtung, rückläufig ist. Denn sowohl der Prozess als auch die Abwicklung der Besicherung ist mit zusätzlichen Kos­ ten verbunden. Dies kann schon fast als generelle Aussage für alle eigenkapitalbelas­ tenden Maßnahmen nach den Basel-Anforderungen getroffen werden.⁷⁴⁶

745 Vgl. https://bankenverband.de/media/files/BdB-LeitlinienWertpapier-Compliance062011.pdf. 746 Vgl. o. V. Bearing Point – Collateral Management (2014).

554 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

Zusammenfassung des voranstehenden Kapitels Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns mit dem Risikomanagement von Derivatepositionen beschäftigt. Dabei sind wir auf die jeweiligen Risikogruppen und deren Ausgestaltung eingegan­ gen. Wir haben die unterschiedlichen Marginsysteme und Verfahren besprochen und aufgezeigt. Des Weiteren haben wir das Sicherheitenmanagement erklärt und dargelegt wie damit umzugehen ist. Wir sind auf die Besonderheiten des Eurex Clearing Prisma eingegangen und haben dieses ins Verhältnis zu den anderen Verfahren gesetzt. Dabei wurden auch die Verfahren der Rücksicherung und des Clearing-Funds besprochen. Wir haben dezidiert besprochen, wie man Risikopositionen beurteilt und für diese Sicherheiten stellt. Wir sind auf die Besonderheiten von OTC Transaktionen in diesem Zusammenhang eingegangen und haben diese in Verbindung mit den Listed gehandel­ ten Transaktionen gebracht. Wir haben besprochen, wie man mit einem Margin-Call umgeht und wie man diesen handhaben kann. Wie wichtig nicht nur ein Risikocontrolling sondern eine effekti­ ves Risikomanagement ist wurde ausführlich aufgezeigt und dargestellt.

Literaturhinweise zu diesem Kapitel Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate 8. Auflage 2012 Jabbour, George; Budwick, Philipp: The Option Trader Handbook, 2004 Saliba, Anthony J.: The Options Workbook, 2. Auflage 2002

Fragen und Antworten zu diesem Kapitel |

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Fragen und Antworten zu diesem Kapitel Frage 1: Was bedeutet Margining? Frage 2: Was ist die Variation Margin? Frage 3: Gibt es unterschiedliche Margin-Systeme? Frage 4: Was ist ein Margin Call? Frage 5: Kann eine Bank/ein Broker einfach eine Zwangsliquidation durchführen? Antwort zu Frage 1: Unter Margining versteht man das Bereithalten von Sicherheiten für offene Termin­ marktpositionen. Antwort zu Frage 2: Es handelt sich hierbei um den täglichen Gewinn- und Verlustausgleich im Market-toMarket-Verfahren bei Futures. Antwort zu Frage 3: Ja, man unterscheidet zwischen den einzelnen Systemen der unterschiedlichen Ter­ minbörsen und dann nochmals zwischen den für die jeweilige Derivategattung gel­ tenden Systemen. Antwort zu Frage 4: Bei einem formellen Margin Call handelt es sich um ein Schreiben, welches den In­ vestor auffordert (unter Androhung der Zwangsliquidation), weitere Sicherheiten zu stellen. Antwort zu Frage 5: Kann ein Investor die geforderten Sicherheiten nicht mehr stellen, so kann der Broker oder die Bank die Positionen zwangsweise closen und somit wieder Regelkonformität herstellen.

556 | 16 Risiko- und Sicherheitenmanagement

Lückentext Das Auf- und Abbauen von Derivatepositionen und das von Derivaten ist eines der spannendsten Aufgabenfelder. Wir empfehlen grundsätzlich, beim Posi­ tionsaufbau die Theorie des zu verwenden. Eine andere Aufbauweise ist zu stark risikobehaftet. Auch ist ein aktives Positionsmanagement absolut vonnöten. Bereits beim Eingehen einer Position sollte man sich Gedanken über das im Gewinn- und im Verlustfall machen. Auch ein ist in Betracht zu ziehen. Das Ausüben von Positionen, welche noch nicht fällig sind, ist oft nicht sinnvoll. Da der der Option verloren geht. Bei Derivaten ist das zu beachten, welches bei an Terminbörsen gehandelten aufgrund des nicht vor­ handen ist. Viele von Financial Engineers gebaute Lösungen sind fundet und haben zur besseren Berechnung einen synthetischen als Funding-Basis hinterlegt. und Discountzertifikate werden nach demselben Muster gebaut und bepreist. handeln oft Event Driven und haben oft deutlich geringere Risi­ kopositionen, als viele denken. Das Risikocontrolling ist dennoch hier extrem wichtig. Dies gilt jedoch für alle Derivatepositonen. Daher ist es wichtig, so viel Controlling wie , jedoch nicht wie zu machen. Die Eurex teilt jeden Tag die Risikoposito­ nen mit. Dabei unterscheidet man zwischen verschiede­ Margin und der Margin. Sollte nen Margin-Arten, wie zum Beispiel der ein Investor seine Margin nicht mehr stellen können, ergeht an diesen ein . Aktienanleihen, CCP, Close-out, Counterpartrisiko, des Risked Based Margining, Hedgefonds, Initial, Management, Margin Call, möglich, nötig, OTC, Premium, Pyra­ miding, Zeitwert, Zerobond

Schlusswort “Math, science, history, unraveling the mysteries. . . ” Ed Robertson & Steven Jay Page

Es gibt wohl nur wenig spannenderes als die Mathematik und deren angewandte Form im Financial Engineering. Wir haben versucht, die für uns grundlegende Mathematik, die Strategien, Herangehensweisen, Bewertungsmöglichkeiten und Risikoeinschät­ zungen eines modernen Financial Engineerings in diesem Buch aufzuzeigen. Dabei nutzen wir die an den Terminbörsen gehandelten Derivaten, wie Optionen und Fu­ tures, die symmetrischen wie auch asymmetrischen OTC Derivate bis hin zu hoch­ strukturierten Finanzprodukten. Die nachfolgende Abbildung gibt noch einmal einen zusammenfassenden Überblick über die Produktwelt des Financial Engineering. Da­ bei gliedern wir auf der Asset- und Liability-Seite von Plain-Vanilla-Derivaten bis hin zu komplexen Strukturen. Wir unterteilen, darauf folgend, zwischen symmetrischen und asymmetrischen Produkten, also Derivaten mit und ohne Wahlrecht. Der Über­ gang zu den komplexen Financial-Engineering-Produkten bzw. deren Bestandteilen ist entsprechend fließend. Eine Kennzeichnung nach bestimmten Unterscheidungs­ kriterien ist nun nur noch schwer möglich. Etliche dieser Produkte und deren Einzel­ sequenzen sind in diesem Buch vorgestellt worden. Dennoch stellen sie nur einen Teil der möglichen Ausprägungen dar. Aufgrund der fehlenden Abgrenzung entsteht eine Wolke, die exotische und hybride Produkte enthält. Die komplexen Produkte können nur noch nach pfadabhängigen und nicht pfadabhängigen Produkten unterschieden

Anspruch:

einfach

Symmetrisch unbedingte Termingeschäfte

Asymmetrisch bedingte Termingeschäfte

komplex

pfadabhängige Produkte

Future Forward Swap

Optionen: Cap/Floor Call/Put

Swaption Optionen auf Futures Compound-Optionen

Geschäftsvorfall Asset (Funded/Unfunded)

Liability (Unfunded)

https://doi.org/10.1515/9783110659931-017

exotische/hybride Produkte nicht pfadabhängige Produkte

558 | Schlusswort

werden. Die nicht pfadabhängigen Produkte lassen sich meist noch in Einzelprodukte untergliedern und mit dementsprechenden Pricing-Modellen bewerten. Die pfadab­ hängigen Produkte lassen sich am effizientesten mit simulationsbasierten Verfahren bewerten. Das Financial Engineering ist eines der spannendsten Geschäftsfelder einer Groß- und Investmentbank. Neben dem Designen neuer Produkte und Strukturen ist es gerade das anwendungsbezogene quantitative Arbeiten welche eine große An­ ziehungskraft ausstrahlt. Das Übertragen von Risikopositionen, die Bewertung von Handelstransaktionen und das Erarbeiten von neuen Lösungen macht das Financial Engineering so spannend und so abwechslungsreich. Es gilt als evolutorisches Fach­ gebiet, dass sich ständig weiterentwickelt und zeigt durch seinen interdisziplinären Ansatz eine Vielfalt von spannenden Fragestellungen und deren Antworten für uns auf. Michael Bloss

17 Appendix Matrix der Standardmodelle im Financial Engineering Beschreibung

Beschaffenheit

Besonderheiten

Markov Eigen­ schaften a

Ein stochastischer Prozess, bei dem nur der aktuelle Wert der Variablen für die Prognose der Entwicklung herangezogen wird. Historische Betrach­ tungen (z. B. von Aktienkursen) sind nicht notwendig. Es ist folglich nur der jetzige Wert einer Zufallsvariablen wichtig, um den zukünftigen Wert zu bestimmen.

Markov Eigenschaften be­ schreiben unter anderem, dass man Aussagen über die Entwicklung in der Zu­ kunft ohne den Kursverlauf der Vergangenheit treffen kann. Die Wahrscheinlich­ keitsverteilung ist somit nicht von der Vergangenheit abhängig. Der aktuelle Aus­ gangspreis reflektiert alle benötigten Daten inkl. derer Historie.

Alle Informatio­ nen der Vergan­ genheit sind zum Zeitpunkt der Betrachtung im aktuellen Preis enthalten und somit bekannt.

Lemma von It¯o b

Allgemeiner WienerProzess, wo a und b als Funktionen der Variablen x und der Zeit t gelten.

Prozess mit Änderungen im Zeitablauf des Prozesses.

WienerProzess

Spezieller MarkovProzess mit einer erwarteten Ände­ rung von null und einer Varianz der Änderung von 1,0. Er gilt als affiner Pro­ zess. Es kann gesagt werden, es han­ delt sich um einen zeitstetigen, normal­ verteilten, affinen und mit unabhän­ gigen Zuwächsen ausgestatteten stochastischen Prozess.

Ist ein stochastischer Stan­ dardprozess der sowohl in der Natur- als auch Wirt­ schaftswissenschaften unter der Annahme der Standardnormalverteilung zur Anwendung kommt.

Brownsche Bewegung c

Modell

d x = a(x, t) dt + b(x, t) dz

Driftrate = 0; Erwartungswert (von z) ist gleich aktuellem Wert Varianzrate = 1,0

∆z = ϵ√ ∆t

a Vgl.: Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 382; Markoff A. A.: Wahrscheinlichkeitsrechnung (Übersetzung nach Liebmann H.). b ¯ K.: Stochastic Integral. Proc. Imperial Acad. Vgl.: Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 388; Ito, Tokyo. c Vgl.: Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 384; Einstein A.: Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen; Annalen der Physik. 322, Nr. 8, S. 549–560.

https://doi.org/10.1515/9783110659931-018

560 | 17 Appendix

Beschreibung

Beschaffenheit

Besonderheiten

Modell

Allgemeiner WienerProzess

Weiterführung des Wiener Prozess. Der Prozess gilt als nicht affiner Prozess. Im ersten Schritt ist die Weiterentwick­ lung die Brownsche Bewegung mit Drift.

Der verallgemei­ nerte WienerProzess besitzt eine erwartete Driftrate (a) und eine Varianzra­ te (b2 ).

d x = a dt + b d z

Brownsche Bewegung mit Drift d

Die Drift ist mit μ > 0 belegt. Die Änderungen sind normalverteilt. Der Mittelwert und die Stan­ dardabweichung sind pro­ portional zu t (Zeitraum der Veränderung). → Brownsche Bewegung mit Drift.

Geometrisch Brownsche Bewegung e

Im darauffolgenden die geometrisch Brownsche Bewe­ gung.

Brownsche Brücke f

Spezieller Prozess mit definiertem An­ fangs- und Endwert.

Anwendung findet die Brownsche Brücke immer dann, wenn Beobach­ tungswerte (Anfang- und Endwert) eines Prozesses bekannt sind, jedoch der Verlauf nicht. Ist also der Endwert, wie z. B. bei einer Anleihe zu 100 % zum Zeit­ punkt T bekannt, kommt die Brownsche Brücke als Fore­ cast Modell zum Einsatz.

LevyProzess g

Als Levy-Prozesse bezeichnet man eine Vielzahl von stochastischen affinen Prozessen.

Als Levy-Prozess gelten Pro­ zesse, welche stationäre, unabhängige Zuwäch­ se aufweisen. Sie folgen Zufallsvariablen können zeitstetig und zeitdiskret sein.

d

dS = μ dt + σ d z S

Aktienkurse folgen einer geometrisch Brownschen Bewegung. Die konstante erwartete Drift gilt hier als ungeeignet und sollte daher durch die Annahme ersetzt werden, dass die erwartete Rendite konstant ist. Dieses Modell lässt sich in ein Modell für diskrete Zeitpunkte überleiten.

∆S = μS∆t + σSϵ√∆t Beruht auf dem klassischen Wie­ ner-Prozess. Es handelt sich um einen MarkovProzess, jedoch nicht um einen Levy-Prozess und um kein Martingal. Es ist ein definierter Gauß-Prozess.

B t := (W t |W T = 0), tϵ[0, T]

Vgl.: Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 385. Vgl.: Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 387; Gentle J. E., Härdle, W. K.: Modeling Asset Prices SFB 649 Discussion Paper 2010-031, Humboldt University, Berlin. f Vgl.: Schulz, M.: Stochastische Analysis und Finanzmathematik (2011); Universität zu Köln. g Vgl.: Bertoin J.: Lévy Processes. Cambridge Tracts in Mathematics, Vol. 121, Cambridge University Press 2002. e

Matrix der Standardmodelle |

561

Beschreibung

Beschaffenheit

Besonderheiten

Modell

OrnsteinUhlenbeckProzess h

Stochastischer Stan­ dardprozess mit affiner Prozessaus­ gestaltung.

Es gilt die Normalvertei­ lung. Antrieb ist die Brown­ sche Bewegung mit Mean Reversion. Sowohl die Rich­ tung als auch die Intensität der Mittelwertrückkehr können erkannt werden.

Wenn in der Differentialglei­ chung anstatt einer Brown­ schen Bewegung ein alternativer Lévy-Prozess für den Antrieb sorgt, so erhält man einen nicht Gaußschen Orn­ stein Uhlenbeck Prozess.

(X(t))t≥0 d x(t) = θ(μ − X(t)) dt + σ d B(t), X(0) = a

PoissonJumpProcess i

Prozesse mit einem großen Risikohin­ tergrund und daher eine großen Unsi­ cherheitsvariable.

Poisson-Verteilung liegt zu Grunde. λ gibt dabei die Inten­ sität an. Dabei wird die Zeit zwischen den Sprüngen expotential verteilt Es handelt sich um einen diskreten, zeitstetigen Pro­ zess, welcher unabhängige Zuwächse aufweist.

Versicherungswirtschaft zur Bestimmung von Katastro­ phenszenarien etc.

Jump-Dif­ fusionsModell (Merton) j

Merton kombiniert in diesem Modell eine stetige Verän­ derung mit nicht stetigen Sprüngen. Damit schafft er eine Möglichkeit der Erweiterung des be­ stehenden stetigen Modells.

Es werden neben den durchschnittlichen Sprün­ gen pro Zeiteinheit (λ) auch die durchschnittliche Sprunghöhe des Assets in Prozent des Preises (k) de­ finiert. Die relative Sprung­ höhe wird zufällig aus der Wahrscheinlichkeitsvertei­ lung entnommen.

WurzelDiffusionsProzess k

Stochastischer Pro­ zess mit (X t ), t ≥ 0 nennt man einen Wurzel-DiffusionsProzess.

Beruht auf der Brownschen Bewegung und ist mit Mean Reversion modelliert.

dS = (r−q−λk) dt S + σ dz + dp

d X t = K(θ − X t ) d t + σ√X t d W t

h Vgl.: Finch, S.: Ornstein-Uhlenbeck Process (2004); Uhlenbeck, Ornstein: On the theory of the Brownian motion. Phys. Rev. 36: 823–841. i Vgl.: Ross, S. M.: Statistic Prozesses (1996). j Vgl. Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 764ff; Merton, R. C.: Optimum Consumption and Portfolio Rules in a Continuous-Time Model, Journal of Economic Theory, 3, 373–413; Merton, R. C.: Option Pricing When Underlying Stock Returns Are Continuous, Journal of Financial Economics, 3, 125–144. k Vgl.: Glasserman, P.: Monte Carlo Methods in Financial Engineering, New York: Springer-Verlag; Ait-Sahalia, Y.: Transition Densities for Interest Rate and Other Nonlinear Diffusions, The Journal of Finance, Vol. 54.

562 | 17 Appendix

Beschreibung

Prämissen

Black Scholes Modell a

Standardmodell zur Bestimmung des Fair Value einer eu­ ropäischen Option. Es handelt sich um ein stetiges Modell.

Friktionslose Märkte (vollkom­ mener Markt) Leerverkäufe sind machbar, Soll- und Habenzinsen sind gleich, Volatilität ist konstant und flach, keine Steuern, Kosten und Auflagen. Alle Assets sind beliebig teilbar, es herrscht Normalverteilung. Unter Berücksichtigung der erwar­ teten diskontierten Dividende kann das Modell auch für dividendentragende Assets eingesetzt werden.

Black-76 Modell b

Standardmodell zur Bestimmung des Fair Value einer Option mit einem Future als Under­ lying. Es handelt sich um ein stetiges Modell.

Friktionslose Märkte (vollkom­ mener Markt), Leerverkäufe sind machbar, Soll und Ha­ benzinsen sind gleich, die Volatilität ist konstant und flach, keine Steuern, Kosten und Auflagen, alle Assets sind beliebig teilbar, es herrscht Normalverteilung.

c = e −rT [F0 N(d 1 ) − KN(d 2)] p = e −rT [KN(−d 2) − F0 N(−d 1)] ln(F0 /K) + σ 2 T/2 d1 = σ √T d 2 = d 1 − σ √T

Cox Ross Rubinstein (CRR) c

Standardmodell zur Bewertung von Optionen des amerikanischen Typs.

Es handelt sich um ein dis­ kretes Modell. Es werden up- und down-Faktoren unter Berücksichtigung der Wahr­ scheinlichkeit und der Gegen­ wahrscheinlichkeit berechnet (Pseudowahrscheinlichkei­ ten).

Kommt sowohl bei amerikanischen Optionen wie auch bei der Preisfin­ dung von exotischen Derivaten zur Anwendung.

Es kann postuliert werden, dass Black-Scholes ein Spe­ zialfall von CRR ist und dass beide Modelle bei genügend vielen Iterationen zum glei­ chen Ergebnis tendieren (CRR konvergiert auf den BS Preis).

Aufbau einer Baumstruktur im Mus­ ter C 0 ; C u ; C d . . .

Zeitdiskretes, lineares sto­ chastisches System, welches von einer konstanten Varianz ausgeht. Dabei geht man vom Grundgedanken aus, das der aktuelle Wert einer Serie als eine Funktion von Vergan­ genheitswerten interpretiert werden kann und daraus eine Prognose ableitbar ist.

y t = ϵ t + ∑ a i y t−i + ∑ b j ϵ t−j

ARMAModell d

Autoregressive Moving Average

Modell c = S0 N(d 1) − Ke −rT N(d 2) p = Ke −rT N(−d 2 ) − S0 N(−d 1 ) ln(S0 /K) + (r + σ 2 /2)T d1 = σ √T d 2 = d 1 − σ √T

n

m

i=1

j=1

a Vgl.: Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 420; Black F., Scholes M.: The Pricing of Options and Corporate Liabilities; Journal of Political Economy. 81, 3; Merton R. C.: Theory of Rational Option Pricing; The Bell Journal of Economics and Management Science. 4. b Vgl.: Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 490; Black F.: The Pricing of Commodity Contracts, Journal of Financial Economics, 3, 167–179. c Vgl.: Cox J., Ross, S. A.; Rubinstein M.: Option Pricing: A Simplified Approach, Journal of Financial Economics. d Vgl.: Hamilton, J. D.: Time Series Analysis. Princeton University Press, Princeton.

Matrix der Standardmodelle |

ARCH e

GARCH f

Beschreibung

Prämissen

Modell

Autoregressive Conditional Het­ eroscedasticity

Es handelt sich um eine sta­ tistische Zeitreihenanalyse. Das Modell gründet sich auf autoregressive Zeitreihen. Es gilt die Normalverteilung.

σ 2t = a 0 + a 1 r 2t−1

Ist die Verallgemeinerung von ARCH. Wir unterschei­ den i. d. R. zwischen dem GARCH(1,1)-Modell und dem GARCH(p,q)-Modell.

σ 2t = a 0 + a 1 r 2t−1 + β 1 σ 2t−1

Die Persistenz für Perioden mit hoher Volatilität wird im GARCH Modell schneller erreicht als bei ARCH.

a 2t = a 0 ∑ a 1 r 2t−1 + ∑ β i σ 2t−1

Generalized Autoregressive Con­ ditional Hetero­ scedasticity. Hierbei handelt es sich um ein Standardmodell zur Untersuchung stochastischer Zeitreihen.

563

σ 2t = a 0 + a 1 r 2t−1 + ⋅ ⋅ ⋅ + a q r 2t−q q

= a 0 + ∑ a 1 r 2t−1 i=1

q

q

i=1

i=1

EGARCH g

Exponential Gener­ alized Autoregres­ sive Conditional Heteroskedastic

EGARCH ist geeignet eine Aus­ sage zu treffen, wenn negative Einflüsse eine signifikantere Wirkung als positive Einflüsse auf die bedingte Varianz ha­ ben. Daher kommt auch die Aussage es handle sich um ein asymmetrisches GARCH Modell.

log(σ 2t ) = w + a(|z t−1 | − E(|z t−1 |)) + gz t−1 + b log(σ 2t−1 )

NGARCH h

Nonlinear Asym­ metric GARCH(1,1)

Nichtlineare asymmetrische Umsetzung eines GARCH (1,1)-Modells.

σ 2t = w + a|e t−1|d + bσ 2t−1

Maximum Likelihood Schätzung i

Methode der maxi­ malen Wahrschein­ lichkeit

Es handelt sich um ein para­ metrisches Schätzverfahren, bei dem jener Parameter zum Einsatz kommt, welcher gemäß Verteilung, das plausi­ belste Ergebnis liefert.

ρ : Ω → [0; 1], x → ρ(x|ϑ)

VEC j

Überleitung von unilateralen GARCH Modellen zu mul­ tilateralen GARCH Modellen mittels Übertragung in Vektoren.

vec(H t ) = vec(Ω) + A vec(r t−1 r t−1󸀠 )) + B vec(H t−1 )

e Vgl.: Franke J., Härdle W., Hafner C.: Statistics of Financial Markets: An Introduction. 3. Auflage Springer, Berlin/Heidelberg/New York; Engle, R. F.: Autoregressive Conditional Heteroscedasticity with Estimates of the Variance of United Kingdom Inflation; LaBarr, A.: Volatility Estimation through ARCH/GARCH Modeling, North Carolina State University, Paper 1456–2014. f Vgl.: Kreiß J.-P., Neuhaus G.: Einführung in die Zeitreihenanalyse. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg; Hull J. C.: Optionen, Futures und andere Derivate S. 646 ff.; Bollerslev T.: Generalized Autoregressive Conditional Heteroskedasticity. Journal of Econometrics. Vol.: 31 No.: 3, pp. 307–327; LaBarr, A.: Volatility Estimation through ARCH/GARCH Modeling, North Carolina State University, Paper 1456-2014. g Vgl.: Nelson, D. B.: Conditional Heteroskedasticty in Asset Returns: A new Approach. h Vgl.: Higgins, M. L., Bera A. K.: A Class of Nonlinear Arch Models; International Economic Review 33, 137–158. i Vgl.: Aldrich, J.: R. A. Fisher and the Making of Maximum Likelihood 1912–1922 Statistical Science 1997, Vol. 12, No. 3, 162 176. j Vgl.: Bollerslev, T.; Engle, R. F.; Wooldridge, J. M.: A Capital Asset Pricing Model with Time-varying Convariances (1988) Journal of Political Economy vol. 96.

564 | 17 Appendix

Beschreibung

Prämissen

Modell

BEKK k

Ein Modell mit einer garantierten positiv bestimmten Struktur.

H t = C 󸀠 C + A󸀠 e (t−1) e 󸀠(t−1) A + B 󸀠 H(t−1) B

CCC Con­ stant Con­ ditional Correlation l

Es wird von einer konstanten Korrela­ tion ausgegangen.

Ht = Rt Dt Rt

DCC Dynamic Conditional Correlation m

Arbeitet mit dyna­ misch bedingter Korrelation und zeigen mehr Flexibi­ lität auf. Sind nicht linear.

Ht = Dt Rt Dt

Monte Carlo Simulation n

Mithilfe von Zufalls­ experimenten wird versucht nummeri­ sche Fragestellun­ gen zu lösen. Dabei ist die Häufigkeit der durchgeführten Simulationen von großer Bedeutung.

QuasiMonte-Carlo Simula­ tionen o

k

In dieser Simulation sind determinis­ tische Annahmen gegeben.

Es handelt sich um ein univer­ sales Modell zur Handhabung komplexer Simulationen. Durch die n-fache Simulation von Pfaden wird versucht, die gesamte Fläche der Wahr­ scheinlichkeitsverteilung abzudecken und so viele Da­ ten erzeugen, wie möglich sind. Dann wird aus diesen ein stabiler Mittelwert ge­ bildet, welcher zur weiteren Verwendung genutzt wird. Im Gegensatz zur Monte Carlo Simulation werden hier de­ terministische Annahmen zu Grunde gelegt und schränkt somit den Ergebnisbereich ein bzw. führt nur zu Ergeb­ nissen in den vorgegebenen Annahmefeldern.

Zunächst wird ein Integrand an gleichverteilten, zufällig erzeugten Stützstellen untersucht. Der Inte­ gralwert wird durch die Mittelwerte der Funktionswerte gebildet. Dies findet unter Berücksichtigung des starken Gesetzes der großen Zahlen Anwendung. 1

If := ∫0 f(x) dx ≈ Q n f :=

1 N ∑ f(x) N i=1

Der Integrand wird nicht an stochas­ tischen durch den Zufallsprozess ge­ nerierten, Stützstellen ausgewertet. Die Auswertung findet stattdessen an deterministischen Stellen statt. Die Mittelung der Werte erfolgt analog zur Monte Carlo Simulation. 1

∫0 f(x) dx ≈

1 N ∑ f(x) N i=1

Vgl.: Baba,Y., Engle, R. F., Kraft, D. F., and Kroner, K. F. (1991): Multivariate Simultaneous Generalized ARCH. Vgl.: Bollerslev, T. (1990): Modeling the coherence in short-run nominal exchange rates: A multivariate generalized ARCH model. Review of Economics and Statistics, 72, 498–505; Bollerslev, T., J. M. Wooldridge (1992): Quasi-Maximum Likelihood Estimation and Inference in Dynamic Models with Time Varying Covariances. Econometric Reviews, 11, 143–172. m Vgl.: Engle, R.: Dynamic Conditional Correlation A simple class of multivariate GARCH models Fothcoming Journal of Business and Economic Statistics. n Vgl.: Gerstner, T.: Finanznumerik (Computiational Finance), Goethe-Universität Frankfurt; Metropolis, N. and Ulam S.: The Monte Carlo Method; Journal of the American Statistical Association 44:335. o Vgl.: Gerstner, T.: Finanznumerik (Computiational Finance), Goethe-Universität Frankfurt. l

Matrix der Standardmodelle |

Beschreibung VasicekModell p

Prämissen

565

Modell d r t = a(b − r t ) d t + σ d W t

Grundlage ist ein eindimensionaler Wiener-Prozess (Ein-Faktor-Modell). Dabei erfolgt die die Prozessintegration über einen OrnsteinUhlenbeck-Prozess. Damit weist das Modell Mean-Rever­ sion-Eigenschaften auf und wird folglich vom Mean-Rever­ sion-Level angezo­ gen.

Darstellung Short-Rate r(t) = e −Kt r(0) + (1 − e −Kt )θ t + σ ∫ e −K(t−s) d W̄ s 0

Verteilung der Short Rate r(t) ∼ N (e −Kt r(0) + (1 − e −Kt )θ, σ2 (

1 − e −2Kt )) 2K

d r t = a(b − r t ) d t + σ√r t d W t

Cox-Inger­ Folgt einem SquareRoot-Prozess. soll-Rossq Modell (CIR) Black-Der­ man-Toy Modell r

Es handelt sich um ein binomiales kalibrierendes Modell.

Binomialbaum mit Lognormal­ verteilung.

d r = at r d t + st r d W

Ho-Lee Modell s

Die Laufzeitenstruk­ tur der Verzinsung wird als exogen ge­ geben angesehen.

Das Modell kann negative Zinsen für die Zukunft aufzei­ gen. Es folgt nicht der Mean Reversion.

d rt = θt d t + σ d Wt

Hull-White Modell t

Non-Arbitrage-Modell, dass sowohl in Baumstruktur als auch in Gitterstruk­ tur angewandt werden kann.

Ein-Faktor-Modell

d r t = [θ t − α t r t ] d t + σ t d W t

Zweifaktorenmodell

d f(r t ) = [θ t + u − α t f(r t )] d t + σ t d W t

Black-Ka­ rasinski Modell u

Ein-Faktor-Modell mit arbitragefrei­ er Ausgangslage. I. d. R. werden Baumstrukturen verwendet.

Kommt i. d. R. bei ameri­ kanischen, Bermuda oder Swaption Strukturen zum Einsatz.

dln(r) = [θ t − ⌀t ln(r)] dt + σ t d W t

DothanModell v

Das Modell folgt einer geometrischen Brownschen Bewegung und der Log­ normalverteilung.

Die Zinsgestaltung ist immer positiv.

d r(t) = ar(t) dt + σr(t) dW(t)

p Vgl.: Schlotmann, D.: Das Vasicek-Modell, Westfälische Wilhelms-Universität Münster; Vasicek, Oldrich: An Equiliribum Characerizaion of the Term Structure, Journal of Financial Economics 5, 177–188. q Vgl.: Cox, J., J. Ingersoll, S. Ross: A theory of the term structure of interest rates, Econometrica, 53(2). r Vgl.: Benninga, S. and Wiener Z.: Binominal Term Structure Models; Mathematica in Education and Research Vol. 7 No. 3. s Vgl.: Ho, T., and Lee, S.: Term Structure Movements and Pricing Interest Rate Contingent Claims. Journal of Finance, 41, pp. 1011–1029. t Vgl.: Hull J. and White, A: Pricing interest-rate derivative securities, The Review of Financial Studies, Vol 3, No. 4 pp. 573–592. u Black, F.; Karasinski, P.: Bond and Option pricing when Short rates are Lognormal; Financial Analysts Journal: 52–59. v Dothan, U. L.: On the term structure of interest rates; Journal of Financial Economics 6, pages 59–69.

566 | 17 Appendix

Lernstandskontrollfragen und Lösungen Aufgabe 1: Woraus besteht ein Reverse Floater nicht? A: Caps B: Swaps C: Floater D: Floor Antwort 1 Antwort D Aufgabe 2: Die Strategie Put Volatility Trade beinhaltet nicht A: Long Underlying B: Short Underlying C: Long Put D: Short Put Antwort 2 Antworten B/D Aufgabe 3: Stimmt es, dass N(d2) der Black-Scholes Formel die Wahrscheinlichkeit angibt, dass die Option am Laufzeitende im Geld endet? Und N(d1) das Delta der Option aufzeigt? Antwort 3 korrekt Aufgabe 4: Stimmt es, dass die im Black-Scholes Modell modellierte Volatilität von der in den real gehandelten Kontrakten abweichen kann und man die gehandelte Volatilität, anhand eines Volatilitäts-Smiles dargestellt werden kann? Antwort 4 korrekt Aufgabe 5 Stimmt die Aussage: Ein Zerobond besitzt immer eine Duration, die gleich der Rest­ laufzeit ist. Antwort 5 korrekt

Lernstandskontrollfragen und Lösungen |

567

Aufgabe 6: Stimmt die Aussage: Ein Reverse Convertible hat denselben Payoff wie ein Discount­ zertifikat. Antwort 6 korrekt Aufgabe 7: Stimmt die Aussage: Bei Multi-Callable-Bonds liegt das Kündigungsrecht in der Regel beim Investor. Antwort 7 falsch Aufgabe 8: Stimmt es, dass der Funding-Satz oft ein Floating-Satz ist? Antwort 8 korrekt Aufgabe 9: Stimmt die Aussage: Mit der Strategie CCW kann ein Alpha generiert werden. Antwort 9 korrekt Aufgabe 10: Stimmt die Aussage: Zur Sicherung von Margin-Verpflichtungen können nur Euro-Gel­ der genutzt werden. Antwort 10 falsch Aufgabe 11 Durch welche Position(en) kann eine Short-Position in einem Euro STOXX-Future syn­ thetisch aufgebaut werden? A: Short Call und Long Put bei gleichem Ausübungspreis in Euro STOXX-Optionen B: Short-Position in einem Euro STOXX-Portfolio und Geldanlage für die Laufzeit des Euro STOXX-Future

568 | 17 Appendix

C: Short-Position in einem Euro STOXX-Portfolio und Kreditaufnahme für die Laufzeit des Euro STOXX-Future D: Long Call und Long Put bei gleichem Ausübungspreis, aber unterschiedlichen Laufzeiten in Euro STOXX-Optionen Antwort 11 Antworten A/B Aufgabe 12: Sie gehen am 25.11. eine Long-Position über 17 DAX® -Future-Kontrakte zum Preis von 4.735 Punkten ein. Bitte berechnen Sie die Variation Margin für die entsprechenden täglichen Abrechnungspreise bis zur Glattstellung der Position am 28.11. Geben Sie außerdem den Gesamtgewinn oder -verlust der Position an. Datum

Abrechungspreis G&V in Punkten

Punktwert Euro

25.11. 26.11. 27.11. 28.11. Summe

4.705 4.742 4.726 4.778 –



Anzahl der Kontrakte

Variation Margin in Euro

Antwort 12 Datum

Abrechungspreis G&V in Punkten

Punktwert Euro

Anzahl der Kontrakte

Variation Margin in Euro

25.11. 26.11. 27.11. 28.11. Summe

4.705 4.742 4.726 4.778 –

25 25 25 25 –

17 17 17 17 –

−12.750 +15.725 −6.800 +22.100 +8.275

−30 +37 −16 +52 +43

Aufgabe 13 Wie erfolgt die Ausführung von Kombinationsorders mit der Einschränkung IOC („Immediate or Cancel“)? A: Ausführung beider Teile im selben Umfang B: Ausführung zur festgesetzten Preisspanne oder zu einem besseren Preis C: Löschung des nicht ausgeführten Teils D: Zeitgleiche Ausführung beider Teile Antwort 13 A/B/C/D

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Aufgabe 14: Welche Markterwartungen werden mit dem Verkauf von DAX-Put-Optionen ausge­ drückt? A: Erwartung fallender Indexnotierungen B: Erwartung einer verringerten impliziten Volatilität C: Erwartung einer erhöhten impliziten Volatilität D: Erwartungen rückläufiger Zinsen für die Laufzeit des Puts Antwort 14 Antwort B Aufgabe 15: Was drückt das statistische Maß „Volatilität“ aus? Antwort 15 Es handelt sich hierbei um das statistische Maß der Schwankungsintensität eines An­ lageobjektes. Hierbei ist darauf zu achten, dass es sich nicht um die Schwankungs­ richtung, sondern nur um deren Intensität handelt. Ferner ist daraus eine Aussage über den Risikogehalt einer Investition zu treffen. Aufgabe 16: Was gibt die Hedge-Ratio an? Antwort 16 Die Hedge-Ratio gibt die Kontraktzahl an, welche bei einem Hedge gehandelt werden muss. Die Hedge-Ratio kann eine variable Position sein. Daraus resultiert, dass die Kontraktanzahl angepasst werden muss. Aufgabe 17 Beschreiben Sie die Bedeutung der Hebelwirkung bei Derivateinvestments. Antwort 17 Durch die Hebelwirkung kann ein Investor mit wenig Kapitaleinsatz (z. B. Initial Mar­ gin) ein großes Volumen handeln (z. B. Future auf Index). Dadurch ist er in der Lage, sein eigentlich zur Verfügung stehendes Anlagevolumen zu erhöhen. Aufgabe 18: Ein Anleger nimmt eine Short-Position in schweizerischen Aktienoptionen bei einer Quotierung von 23,00–25,00 ein. Einige Tage danach stellt er seine Position bei einer Quotierung von 26,00–28,00 glatt. Welches Ergebnis erzielt er, wenn er 3 Kontrakte handelt (Kontraktgröße 10; ohne Berücksichtigung von Gebühren)? Antwort 18 Es sind CHF −150.

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Aufgabe 19: Wie wird die Differenz aus dem Preis des Aktienindex-Future und dem Kassa-Index genannt und wie wird diese berechnet? Antwort 19 Es handelt sich hierbei um die Basis, welche als Differenz zwischen Future und Un­ derlying ermittelt wird. Aufgabe 20: Ein Anleger vergleicht folgende Möglichkeiten einer Anlage von 50.000 Euro: (A) Kauf eines Aktienportfolios, das in seiner Zusammensetzung dem DAX entspricht oder (B) Hinterlegung dieses Betrages als Additional Margin, um eine entsprechende LongPosition in DAX-Futures eingehen zu können. Welche Aussage(n) sind (ist) zutreffend? A: Bei Möglichkeit A riskiert der Anleger im ungünstigsten Fall einen Verlust von 5.000 Euro B: Bei Möglichkeit B muss der Anleger potenziell weitere Sicherheiten (Margin) nach­ schießen C: Möglichkeit B ermöglicht dem Anleger bei positivem Kursverlauf einen erheblich höheren prozentualen Gewinn D: Möglichkeit A und B unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Transaktionsge­ bühren Antwort 20 Antworten B/C Aufgabe 21: Wie wird der Wert einer Call-Option durch steigende Zinssätze beeinflusst? Antwort 21 Die Call-Option nimmt an Wert zu. Dies resultiert aus der Tatsache, dass ein Inves­ tor, der direkt im Anlageinstrument investiert ist, keine höheren Einnahmen aus ei­ ner Zinsanpassung nach oben hat. Der Call-Investor, der seine restliche Liquidität in verzinslichen Papieren anlegen kann, hat dies jedoch. Die Differenz wird über den Call-Preis ausgeglichen. Aufgabe 22: Ein Cross Hedge zeichnet sich unter anderem durch das Vorliegen folgender Merkmale aus: A: Basisrisiko B: Unterschied zwischen Laufzeit des Absicherungsinstruments und Halteperiode des Basiswertes

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C: Keine Übereinstimmung zwischen abzusicherndem Basiswert und dem Absiche­ rungsinstrument D: Ein Cross Hedge ist immer ein perfekter Hedge Antwort 22 Antworten A/B/C Aufgabe 23: Der heutige Marktpreis eines Basiswertes mit einer Volatilität von 25 Prozent liegt bei 1.000 Euro. Zwischen welchen Grenzwerten liegt der Marktpreis des Basiswertes in einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 68 Prozent? A: 250 Euro und 1.750 Euro B: 750 Euro und 1.250 Euro C: 900 Euro und 1.100 Euro D: 975 Euro und 1.025 Euro Antwort 23 Antwort B Aufgabe 24 Welche der folgenden Transaktionen ist synthetisch äquivalent zu einer Kreditaufnah­ me? A: Conversion B: Reversal C: Long Box D: Long Butterfly Antwort 24 Antwort B Aufgabe 25: Es kommt zu einer Kapitalveränderung bei einem Unternehmen. Hat dies Auswirkun­ gen auf die bereits im Umlauf befindlichen Optionen? Antwort 25 Ja, die Optionen werden gemäß der Kapitalveränderung angepasst. Diese angepassten Optionen werden um eine Versionsnummer nach oben angehoben. Aufgabe 26: Welche Position hält ein Anleger, der folgende Transaktionen getätigt hat: Kauf 10 DAX Sep 6.000 Puts, Verkauf 20 DAX Sep 6.100 Puts und Kauf 10 DAX Sep 6.200 Puts? A: Long Butterfly

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B: Short Butterfly C: Long Condor D: Short Condor Antwort 26 Antwort A Aufgabe 27: Sie erhalten in einem Monat eine Auszahlung aus einer Lebensversicherung in Höhe von 200.000 Euro, die Sie in Bundesanleihen mit einer zehnjährigen Restlaufzeit an­ legen möchten. Mit welcher Position können Sie sich das aktuelle Kursniveau sichern? Antwort 27 Sie kaufen zwei Kontrakte vom Euro-Bund-Future oder kaufen sich Call-Optionen auf den Euro-Bund-Future Kontrakt. Somit sichern Sie sich heute das Einstiegsniveau. Aufgabe 28: Ein Investor kann die erforderliche Initial Margin für seine Future-Positionen nicht mehr stellen. Wie gehen Sie vor? Antwort 28 Sie suchen das intensive und klärende Gespräch. Kann der Investor weitere Sicher­ heiten stellen, hat sich das Problem erledigt. Ist dies nicht der Fall, sprechen Sie mit ihm über ein Positionsmanagement. Zeigt er sich nicht einsichtig und will dieses nicht durchführen, erteilen Sie einen formellen Margin Call. Erfolgt auch nun keine positi­ ve Reaktion, so setzen Sie den Margin Call durch und führen eine Zwangsliquidation der Positionen des Investors durch. Dabei ist zu beachten, dass homogen über das komplette Positionsbuch Close-outs durchgeführt werden. Aufgabe 29: Ein Investor hat sich dazu entschlossen, CCW auf seinen Bestand an X-Aktien zu schreiben. Was ist sein maximaler Verlust? Antwort 29 Der maximale Verlust ist mit dem Verkaufen der Aktien zum Basispreis der Option begründet. Steigt der Kurs der Aktie über diesen zzgl. der erhaltenen Optionsprämie, so partizipiert der Investor nicht länger daran und macht somit einen entgangenen Gewinn.

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Aufgabe 30: Der Inhaber eines Calls SMI Mai 6.850, den er zu 132 CHF gekauft hatte, übt seine Opti­ on im April aus. Welches Nettoergebnis erzielt er, wenn der Kassakurs des SMI-Index zu 6.964 notiert (ohne Berücksichtigung von Gebühren)? A: 280 CHF B: −180 CHF C: 275 CHF D: Der Inhaber des Calls ist nicht berechtigt, seine Option im April auszuüben Antwort 30 Antwort D Aufgabe 31: Was zeichnet eine exotische Option vom Typ BERMUDA aus? Antwort 31 Die Option hat ein spezielles Ausübungsrecht. Der Ausübungstag oder Zeitraum wird bei der Option individuell ausgestaltet und vereinbart. So kann dieser z. B. jeder 12. Tag eines Monats oder immer der 1. Januar eines Jahres sein. Aufgabe 32: Wie ist die Preisstruktur einer Compound-Option im Verhältnis zu einer Plain-VanillaOption? Antwort 32 Die Compound-Option ist preiswerter, weil es sich „nur“ um eine Option auf eine Op­ tion und folglich um ein Recht auf ein Recht handelt. Aufgabe 33: Was versteht man unter der Put-Call-Parität? Antwort 33 Es handelt sich hierbei um den Zusammenhang zwischen dem Preis eines Puts und dem Preis eines Calls auf dasselbe Underlying zum gleichen Verfallszeitpunkt und zum selben Basispreis. Der Put wird hierbei als „Versicherungsprämie“ des Calls (folg­ lich dem Kaufrecht) angesehen. Aufgabe 34: Sie haben ein Portfolio i. H. v. 20. Mio. USD und ein Beta von 1,2. Zu Absicherungszwe­ cken möchten Sie Future-Kontrakte auf den XY-Index handeln. Der Index steht bei 1.020 und jeder Future-Punkt ist 50 USD wert. Wie viele Kontrakte benötigen Sie?

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Antwort 34 Wir errechnen die benötigten Kontrakte wie folgt: 1,2 ×

20.000.000 = 470,58 1.020 × 50

Gerundet benötigt man 471 Kontrakte, um das Portfolio abzusichern. Aufgabe 35: Was versteht man unter der Convenience Yield? Antwort 35 Die Convenience Yield ist der Vorteilszins für das Halten des Gutes, welcher bei der Be­ rechnung von Commoditiy-Futures verwendet wird. Dieser Vorteilszins fällt rein rech­ nerisch dem Halter des gehandelten Gutes zu und muss folglich in die Future-Preiser­ mittlung miteinfließen. Aufgabe 36: Ein Future notiert „Contango“. Erklären Sie dies und geben Sie eine Handlungsemp­ fehlung. Antwort 36 Contango bedeutet, dass die Future-Kontrakte mit einer längeren Laufzeit einen hö­ heren Preis haben als die mit einer kurzen Laufzeit. Dadurch entsteht ein steigender Future-Preis mit dem Fortschreiten der Laufzeit. Für einen Long-Future-Investor kann dies negativ sein, da er bei jedem Roll-Over den teureren Folgefuture kaufen muss.

FuturePreise Juni

Mai

Future-Laufzeit

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Aufgabe 37: Welche Bedeutung hat der SWAP-Satz? Antwort 37 Der SWAP-Satz gleicht die Zinsdifferenzen zwischen zwei gehandelten Währungen aus. Aufgabe 38: Was bedeutet eine Payer Swaption? Antwort 38 Bei einer Payer Swaption steigt der Investor nach Ausübung der Swaption als Payer in den Swap ein. Aufgabe 39: Was ist eine Chooser-Option und welche Ausgestaltung hat diese? Antwort 39 Bei einer Chooser-Option handelt es sich um eine Option, welche ein Wahlrecht auf den Optionstyp „Call oder Put“ besitzt. Diese Optionen sind teurer als vergleichbare Plain-Vanilla-Optionen. Dieser Preisaufschlag liegt im erweiterten Wahlrecht der Op­ tion begründet. Aufgabe 40: Ein Anleger geht eine Long-Position im DAX-Future mit 5 Kontrakten bei einer Quo­ tierung von 5.192,0–5.192,5 ein. Zur Begrenzung seiner Verluste gibt er eine Stop-LossOrder mit einem Triggerpreis (Auslösepreis) von 15 Punkten unter dem Einstandskurs ein. Der Markt fällt und die Stop-Order wird ausgelöst, wobei 2 Kontrakte zum Kurs des Triggerpreises und der Rest einen Tick darunter ausgeführt werden. Wie hoch ist der entstandene Gewinn oder Verlust (ohne Berücksichtigung von Gebühren)? Antwort 40 Der Verlust beläuft sich auf 1.912,50 Euro. Aufgabe 41: Aufgrund welcher Markterwartungen wird eine Position, bestehend aus Long EuroBUND-Future mit kurzfristiger Laufzeit/Short Euro-BUND-Future mit längerfristiger Laufzeit eingenommen? A: Steigende Renditen der Anleihen B: Fallende Renditen der Anleihen

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C: Steiler werdende Zinsstrukturkurve D: Flacher werdende Zinsstrukturkurve Antwort 41 Antwort C Aufgabe 42: Nennen Sie eine in diesem Buch bevorzugte Positionserweiterungsstrategie. Antwort 42 Das Pyramiding. Dabei werden die einzelnen Kontraktpositionen im Pyramidenver­ fahren aufeinandergesetzt. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass die Pyramide rich­ tig herum aufgebaut, folglich mit der großen Anzahl der Kontrakte als Basis und der kleineren als Add-on ist. x xx xxx Aufgabe 43: Ein Anleger erwartet fallende Volatilität im DAX bei fallendem Marktniveau. Mit wel­ cher Handelsstrategie kann er von seiner Erwartung profitieren? A: Bull Call Spread DAX-Option B: Short Call DAX-Option C: Bear Call Spread DAX-Option D: Long Jelly Roll Antwort 43 Antworten B/C Aufgabe 44: Welche Transaktion(en) nimmt der Inhaber der Long-Position bei der Erfüllung des Euro-BOBL-Future-Kontraktes vor? A: Annahme einer lieferbaren Anleihe und Zahlung des Future-Preises B: Lieferung einer lieferbaren Anleihe und Erhalt des Rechnungsbetrages C: Annahme einer lieferbaren Anleihe und Zahlung des Rechnungsbetrages D: Glattstellung durch Einnahme einer Short-Position mit längerer Laufzeit Antwort 44 Antwort C

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Aufgabe 45: Am 17.06. gehen Sie eine Long-Position über 25 Dow Jones STOXX 50-Futures Septem­ ber zu einem Kurs von 3.117 ein. Der Additional-Margin-Parameter für die Margin-Klas­ se beträgt 2.700 Euro. In welcher Höhe ist für diese Position Additional Margin zu hin­ terlegen und wie groß ist die Hebelwirkung (Gegenwert der Position im Verhältnis zum eingesetzten Kapital)? Am 18.06. verkaufen Sie 25 Dow Jones STOXX 50-Futures Dezember gegen Ihre be­ stehende Position. Bitte geben Sie die Spread-Margin für diese Position an. Der SpreadMargin-Parameter für die Margin-Klasse beträgt 150 Euro. Antwort 45 Berechnung Additional Margin: Additional Margin = Anzahl Kontrakte × Margin − Parameter in Euro = 25 × 2.700 Euro = 67.500 Euro Berechnung des Gegenwertes der Position von 25 Dow Jones STOXX 50-Futures und der Hebelwirkung: Gegenwert der Position = Anzahl Kontrakte × Future − Preis × Indexmultiplikator = 25 × 3.117 × 10 Euro = 779.250 Euro Hebelwirkung =

Gegenwert der Position 779.250 = = 11,54 Eingesetztes Kapital 67.500

Die zu hinterlegende Margin beträgt 67.500 Euro, woraus sich eine Hebelwirkung des eingesetzten Kapitals im Vergleich zum Gegenwert der Position von 11,54 ergibt. Berechnung Spread-Margin: Spread-Margin = Anzahl Spreads × Margin − Parameter in Euro = 25 × 150 = 3.750 Euro Die zu hinterlegende Spread-Margin beträgt 3.750 Euro. Aufgabe 46: Ein Investor nimmt eine Short Euro-BUND-Future-Position bei einem Preis von 102,50 ein. Einige Tage später schließt der Markt bei einem Kurs von 104,40. Wie hoch ist der akkumulierte Gewinn oder Verlust pro Kontrakt im Margin-Konto (ohne Berücksichti­ gung von Gebühren)? A: 4.750,00 Euro B: −4.750,00 Euro C: 1.900,00 Euro D: −1.900,00 Euro

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Antwort 46 Antwort D Aufgabe 47: Sie besitzen eine Call-Option auf XY am Geld. Die XY-Aktie beginnt zu steigen. Wird der Wert der Call-Option bei weiter steigenden Aktienkursen in gleich großen absoluten Werten wie in der Vergangenheit steigen? Antwort 47 Durch das positive Gamma steigt das Delta bei weiter steigenden Aktienkursen. Da­ durch steigt der Preis der Option pro Einheit einer Aktienkurssteigerung stärker als bei Optionen am Geld. Aufgabe 48: Ein Anleger sieht folgende Preise im Markt: Euro-BUND-Future MRZ 108,02–108,03; Euro-BUND-Future-Call-Option MRZ 108.00 1,13–1,15; Euro-BUND-Future-Put-Option MRZ 108.00 1,19–1,21. Wie viele Ticks Gewinn kann der Anleger bei diesen Preisen mit der richtigen Arbitrage Strategie erwirtschaften, wenn er jeweils nur einen Kontrakt handelt (ohne Berücksichtigung von Gebühren)? Antwort 48 Es handelt sich um 6 Ticks. Aufgabe 49: In Kürze werden Quartalszahlen von Y-AG erwartet. Ihr Aktienanalyst kommt zu dem Schluss, dass die Quartalszahlen wesentlich schlechter ausfallen werden als vom Markt erwartet. Mit welcher Optionsstrategie können Sie bei Eintreten der Prognose am besten partizipieren? Antwort 49 Sie kaufen Puts der Y-Aktie, welche im Geld sind, oder verkauften Futures auf die Y-Aktie. Aufgabe 50: Ein Anleger verkauft einen Call auf ABC AG mit einem Ausübungspreis von 52,50 Euro zu einem Optionspreis von 2,10 Euro. Bei welchen Aktienkursen am Laufzeitende der Option kann der Anleger seinen maximalen Gewinn erzielen? Antwort 50 Bei Kursen von höchstens 52,50 Euro wird die Short-Call-Position nicht ausgeübt und der Anleger erzielt den maximalen Gewinn in Höhe der Optionsprämie von 2,10 Euro.

Glossar

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Glossar Abrechnungspreis Der Abrechnungspreis wird auch Settlement-Preis genannt. Es handelt sich um den Preis, zu dem ein Termingeschäft abgerechnet wird. Additional Margin Die Additional Margin dient dazu, zusätzliche Glattstellungskos­ ten abzudecken, wie sie bei ungünstiger Marktentwicklung anfallen könnten. Am Geld Der Ausübungspreis der Option entspricht in etwa dem aktuellen Kurs. Amerikanische Optionen Optionen, die an jedem Börsentag während der Laufzeit der Option ausgeübt werden können. Arbitrage Bei der Arbitrage nutzt man Kursunterschiede zwischen zwei Ausfüh­ rungsplätzen am selben Handelstag (zur selben Handelszeit). Durch Kauf und gleichzeitigen Verkauf wird Arbitrage betrieben. Arbitrageur So wird ein Investor genannt, welcher eine risikofreie Rendite realisiert. ARCH Autoregressive Conditional Heteroscedasticity – Modell in der Zeitreihenana­ lyse Asiatische Option Eine Option, deren Auszahlung vom Durchschnittspreis des Un­ derlyings in einem festgelegten Zeitraum abhängt. Ask (Brief) Kurs, zu dem ein Marktteilnehmer bereit ist zu verkaufen. Aufgeld (Agio) Das Agio ist ein Aufgeld, somit ein Mehrpreis, welcher zu bezahlen ist. Im Aufgeld wird bei Optionen der Zeitwertaufschlag angegeben. Aus dem Geld Der Ausübungspreis ist vom aktuellen Kurs entfernt und bei einem Call niedriger und bei einem Put höher. Ausfallintensität Gibt die Wahrscheinlichkeit des Zahlungsausfalls an. Ausübung/Assignement Durch die Ausübung einer Long-Option muss ein ShortInvestor seiner Erfüllung nachkommen. Ausübungspreis Preis, zu welchem die Option ausgeübt wird. Averaging Mittels Averaging wird versucht, für eine längerfristige Position einen gu­ ten Durchschnittskurs zu erreichen. Dies gilt vor allem für Positionserweiterun­ gen. Da jedoch dieselbe Anzahl wie in der Ursprungsposition gehandelt wird, ist das Risiko nicht zu vernachlässigen. Verbilligungsstrategien sind als Ultima Ratio anzusehen. Backwardation Der Terminmarktpreis des Future liegt niedriger als der Spotmarkt­ preis. Barausgleich Wird ein Termingeschäft nicht physisch beliefert, sondern in bar aus­ geglichen (z. B. Indexfuture), so spricht man vom Barausgleich. Barrier-Option Option, deren Auszahlung pfadabhängig ist. Barwert Gegenwartswert eines oder mehrerer zukünftig anfallender Zahlungsströ­ me. Basis Differenz zwischen Basiswertkurs und dem Future-Preis. Die Basis kann nega­ tiv, null oder positiv sein. Basiskonvergenz Future- und Spot-Preis entsprechen sich. Dies ist am letzten Han­ delstag der Fall.

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Basispreis Preis, den man bei Ausübung der Option bezahlt bzw. erhält. Basiswert Der Basiswert (auch Underlying) ist der dem Derivat zugrunde liegende Basiswert (Aktie, Index etc.). Bermuda Option Option, mit im Vorhinein bestimmten Ausübungstagen oder Peri­ ode. Beta Gibt die Sensibilität eines Einzelwertes oder Portfolios zum Gesamtmarkt an. Bid (Geld) Kurs, zu dem ein Marktteilnehmer bereit ist zu kaufen. Bid-Ask Spread Beschreibt die Differenz zwischen Bid und Ask. Der Ask ist immer höher als Bid. Der Bid-Ask Spread wird als absoluter Wert oder auch als Prozent­ wert (absoluter Wert geteilt durch den Ask) angegeben. Binomialmodell Modell, welches von Cox, Ross & Rubinstein zur Bestimmung der Optionspreise entwickelt wurde. Black-Scholes-Modell Stetiges Berechnungsmodell für die theoretischen Options­ preiskurse. Es wurde von Black und Scholes entwickelt. Break-Even Der „Punkt“ an dem das Risikoprofil eines Trades null entspricht. Broker Eine Person, welche für die Entrichtung von Kommission Transaktionen durchführt. Brownsche Bewegung Stochastischer Prozess Calendar Spread Optionskombination bei der die jeweilige Laufzeiten variieren. Call Recht, aber keine Pflicht, etwas zu einem im Vorhinein festgelegten Preis und Zeitpunkt zu kaufen (auch: Kaufoption). Callable Bond Anleihe, welche durch den Emittenten zu einem bestimmten Zeit­ punkt zurückbezahlt werden kann. Im Financial Engineering wird der Callable Bond (aus Investorensicht) durch den Kauf eines Straight Bond und einen gleich­ zeitigen Short Call auf den Bond erzeugt. Cap Zinsobergrenze. Caplet Teilkomponente eines Cap. Cash-and-Carry-Arbitrage Verkauf Future und Kauf Kasse. CCW „Covered Call Writing“: gedeckter und verkaufter Call. Die Aktien, welche evtl. geliefert werden müssen, befinden sich beim Investor im Depot. Chooser-Option Option mit einem Wahlrecht auf das Optionsrecht: Call oder Put Clearinghouse Eine zentrale Firma, welche die Erfüllung von börsennotierten Deri­ vaten garantiert. Collar Kombination aus Cap und Floor. Confirmation Bestätigung über einen OTC Vertragsabschluss Contango Der Future-Preis ist höher als der Spot-Preis. Convenience Yield Ertrag für das Halten eines physischen Gutes, welcher in die Be­ rechnung des Commodity-Future-Preises eingehen kann. Copula Funktionaler Zusammenhang zwischen Randverteilungsfunktion und Varia­ blen und deren gemeinsamer Verteilung. Cost of Carry (CoC) Finanzierungskostenaufschlag beim Future-Preis. Die CoC ent­ sprechen der Basis.

Glossar

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Covered Call Writing Short Call Optionsstrategie mit bestehendem Underlyingenga­ gement Credit Default Swap CDS, Kreditderivat. Cross Rate Wird eine Drittwährung über zwei andere gehandelt, so spricht man von einem Cross Rate. CTD „Cheapest to deliver“: Die günstigste zu liefernde Anleihe. CVaR Als Conditional Value at Risk (CVaR) gilt die Weiterentwicklung des VaR und gibt bei dessen Übersteigung die Verlusthöhe an. Delta Betrag, um welchen sich der Optionspreis ändert, wenn sich der Basiswert um eine Einheit verändert. Deport Abschlag bei einem Devisengeschäft. Derivat Termingeschäft/„Ableitung“: Derivate sind von Kassageschäften abgeleitete Geschäfte. Das Kassageschäft selbst wird dabei nicht gehandelt. Digitale Option Es handelt sich um eine Option mit diskontinuierlichen Auszahlun­ gen. Dividende Barauszahlung an den Aktionär. Dünngitterverfahren Beim Dünngitterverfahren werden die einzelnen Gitterpunk­ te reduziert um dadurch eine schnellere und zielführende Ergebnisgestaltung zu erreichen. Emissionsplattformen Es handelt sich um IT gestützte Plattformen zur Emission von Zertifikaten. ETF Exchange Traded Fund – Es handelt sich um einen an der Börse gehandelten Funds. Eurex Clearing Prisma Marginverfahren der Eurex, welches einem Portfolioan­ satz folgt. Dabei werden die jeweiligen Marginanforderungen und Margingutha­ ben verrechnet. Es können auch OTC Derivate (welche über CCP abgewickelt wer­ den) Berücksichtigung finden. Europäische Option Option, die nur zum Ende der Laufzeit ausgeübt werden kann (z. B. Index-Optionen). Exchange-Minimum-Margin Die von der Terminbörse als Minimum vorgegebene Margin ohne Aufschläge bzw., bei tief aus dem Geld liegenden Kontrakten, die geringste zu leistende Margin. Exotische Optionen Optionen, bei denen Rechte hinzugekommen oder nicht mehr vorhanden sind. Sie dienen als Grundlage für strukturierte Produkte und werden OTC gehandelt. Exposure Risikobetrag einer eingegangenen Position. Fälligkeitsdatum/Verfall Gibt die Fälligkeit (den Verfall) des Termingeschäfts an. In der Regel ist dies der 3. Freitag im Monat. Fiduciary Call Besteht aus dem Kauf eines Calls und dem gleichzeitigen Kauf einer ri­ sikolosen Anleihe, die zur selben Zeit wie der Call verfällt und den gleichen Nenn­ wert hat wie der Ausübungspreis des Calls. Floor Zinsuntergrenzenoption.

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Floorlet Einzelkomponente eines Floors. Forward Rate Agreement Unbedingtes nicht börsengehandeltes Zins-Terminge­ schäft. Funding Das Funding oder auch der Funding-Level einer Financial-EngineeringAbteilung gibt an, welche interne oder externe Verzinsung auf eingeworbenes Kapital aus dem Treasury (des Emittenten) an die Financial-Engineering-Einheit zurückfließt und somit direkt in die Konditionsfindung eines neuen Produkts einfließen kann (ex. Kosten). Future Unbedingtes Termingeschäft. Future-Preis Abrechungspreis für einen Future. Future-Spread-Margin Auf Future-Spread-Positionen zu hinterlegende Margin. Future Style Options Optionen, welche auf Futures lauten und einen täglichen Ge­ winn- und Verlustausgleich beinhalten. Gamma „Delta vom Delta“, auch Konvexität genannt – gibt an, wie sich das Delta verändert, wenn sich das Underlying um eine Einheit verändert. GARCH Generalized Autoregressive Conditional Heteroscedasticity – Modell in der Zeitreihenanalyse, welches die Verallgemeinerung von ARCH darstellt. Gegenpartei engl. Counterpart; Gegenseite für ein (Termin-)Geschäft. Glattstellung auch Closing genannt. Man löst sich aus einem Termingeschäft durch ein Gegengeschäft. Greeks Sensitivitäten des Optionspreises Hard Commodities Warentermingeschäfte auf harte Waren wie Gold oder Silber. Das Pendant dazu sind Soft Commodities. HDD Heating Degree Days, Heizgradtage. Hedge-Ratio Anzahl der benötigten Kontrakte zum Aufbau einer Hedgestrategie. Hedger Investor, der sich gegen Marktentwicklungen absichern will. Hedging Absicherung von bestehenden Positionen oder Positionen, welche in der Zukunft eingegangen werden sollen. Hexensabbat Der 3. Freitag im Quartalsendmonat (auch: „dreifach großer Verfalls­ tag“). An diesem Tag verfallen gleichzeitig Optionen auf Einzelwerte, Optionen auf Indizes und Futures. Im Geld Die Option ist im Geld, wenn bei einem Call der Kurswert über dem Basis­ preis und bei einem Put unter dem Basispreis notiert. Implizite Volatilität Volatilität, welche im Optionspreis widergespiegelt wird. Es handelt sich um die gehandelte Volatilität. Initial Margin Margin, welche für einen Future-Kontrakt mit dem Clearinghouse hin­ terlegt werden muss, um eine Futures-Position zu eröffnen. Oft wird sie auch als Additional Margin angegeben. Innerer Wert Differenz zwischen Kassapreis und Ausübungspreis der Option. Dieser ist immer: Innerer Wert ≥ 0.

Glossar

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Inter-Market Spread Der Investor verkauft denselben Kontrakt an zwei unterschied­ lichen Börsen und nutzt so die Preisunterschiede zwischen beiden Börsenplätzen aus. Interkontrakt-Spread Zwei Futures mit unterschiedlichen Kontraktspezifikationen werden gegenseitig gehandelt. Intrakontrakt-Spread Es werden Futures auf dasselbe Underlying mit unterschied­ lichen Verfallstagen gehandelt. Jump Effekt Als Jump Effekt bezeichnet man die in der Öffentlichkeit als Schwarze Schwäne bekannten Sonderfaktoren, welche deutlichen Einfluss auf die Risiko­ betrachtung nehmen. Kombinationen Bei Kombinationen werden mindestens zwei verschiedene, aber zu­ einander gehörende Termingeschäfte gehandelt. Diese sollten nicht einseitig auf­ gelöst und stets als Gesamtposition betrachtet werden. Kontrakt Mindestabschluss bzw. Quantität eines Termingeschäftes. Korrelationskoeffizient Gibt an, inwieweit sich ein Wert mit oder gegen einen ande­ ren Wert bewegt. Kreditderivat Derivat, welches Kreditrisiken beinhaltet. Diese können OTC, verbrieft und an Terminbörsen gehandelt werden. Leverage „Hebelwirkung“, die entsteht, wenn mit kleinen Kapitaleinsätzen große Volumen bewegt werden können. Lognormalverteilt Der Logarithmus einer Variablen ist normalverteilt. Long-Position Gekaufte Termingeschäfte. Lookback Option Die Auszahlungshöhe ist von einem bestimmten Asset-Preis wäh­ rend der Laufzeit abhängig. Low Exercise Pricing Options (LEPO) Sind Optionen, welche sich tief im Geld be­ finden. Sie werden an der Eurex gehandelt und haben den Vorteil, dass sie den Kursverlauf der Aktie nachahmen. Man spricht auch von Zero-Strike-Optionen. Margin Call Formale Aufforderung zur Verstärkung der Margin. Diese ist verbunden mit der Androhung zum Zwangs-Closing bei Nichterfüllung. Margin Sicherheitsleistung, welche für Termingeschäfte hinterlegt werden muss. Da­ bei unterscheidet man zwischen verschiedenen Margin-Arten und Berechnungen. Market to Market Tägliche Neubewertung der Futures bzw. der Optionen auf Futures im täglichen Gewinn- und Verlustausgleich. Martingal Stochastischer Prozess mit Zero-Drift. Monte-Carlo Simulation Simulationsverfahren mit Zufallsexperimenten. Es kommt immer dann zum Einsatz, wenn das Lösen mittels nummerischer Integration nicht möglich ist. Netting Positionen werden gegenübergestellt. Normalverteilung Glockenförmige Standardverteilung aus der Statistik. Open Interest Offene Kontraktanzahl, welche sich im Umlauf befindet. Open Outcry Handelssystem – auf Zuruf. Option Bedingtes Termingeschäft, das ein Wahlrecht des Käufers enthält.

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Optionspreis Auch Prämie genannt: Der Preis, welcher für eine Option bezahlt wer­ den muss. OTC „Over The Counter“: bezeichnet ein individuelles, außerbörsliches Geschäft. Plain Vanilla Bezeichnung für ein einfaches Konstrukt, bei dem alles standardisiert ist. Prämie s. Optionspreis Premium-based-Methode Margin-Modell der US Terminbörsen: Dieses kompen­ siert keine Positionen. Premium Margin Ist vom Stillhalter einer Optionsposition zu hinterlegen und soll die Glattstellungskosten decken. Protective Put Die Position besteht aus dem Kauf der Aktie und dem gleichzeitigen Kauf eines Puts auf die Aktie. Der Protective Put beschreibt eine statische Absi­ cherungsstrategie, die in der Put-Call-Parität wiederzufinden ist. Put Verkaufsoption. Put-Call-Parität Beziehung zwischen dem Preis eines europäischen Calls und dem Preis eines europäischen Puts, wenn beide den gleichen Basispreis und den glei­ chen Verfallszeitpunkt haben (siehe Fiduciary Call und Protective Put). Putable Bond Anleihe, deren Inhaber das Recht hat, diese zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem festgelegten Preis an den Emittenten der Anleihe zu verkau­ fen. Der Putable Bond besteht aus einem Straight Bond und einem Long Put auf den Bond. Putable Swap Swap, der von einer Seite vorzeitig beendet werden darf. Pyramiding Aufbau von Positionen im Pyramidensystem. Eine zu empfehlende Er­ weiterungsstrategie. Quanto Die Auszahlung des Derivats findet in einer anderen Währung als die Wäh­ rung des Underlying statt. Die Höhe der Auszahlungen ist abhängig von Variablen in der Ursprungswährung. Quasi-Monte-Carlo Simulation Arbeitet mit Niedrigdiskrepanz-Folgen anstelle von Pseudozufallsfolgen und gehört zu dem simulationsbasierenden Ansätzen. Rendite Ertrag welchen ein Investment erwirtschaftet. Report Aufschlag bei einem Devisentermingeschäft. Reverse Cash and Carry Arbitrage Kauf Future und Verkauf Kasse. Rho Gibt den Einfluss von Zinsen auf den Optionspreis an. Risikocontrolling Aktives Controlling der bestehenden Risiken im Positionsbuch ei­ nes Investors. Risikoloser Zinssatz Zinseinkommen, welches ohne Risiko erwirtschaftet werden kann. Risk Based Margining An der Eurex früher eingesetztes Margin-System: Hierbei kommt es zu einer Kompensation von gegeneinander stehenden Positionen. Roll-Over Verlängerung eines Termingeschäftes über den ursprünglichen Fällig­ keitszeitpunkt hinaus. Dabei wird das „Altgeschäft“ geschlossen und ein neues, direkt damit im Zusammenhang stehendes eröffnet.

Glossar

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Settlement Belieferung eines Termingeschäfts. Diese kann physisch und durch Bar­ ausgleich erfolgen. Settlement-Preis Täglich zum Handelsschluss festgestellter Preis für ein Terminge­ schäft. Am letzten Handelstag nennt man den Settlement-Preis den Final-Settle­ ment-Preis oder auch Schlussabrechnungspreis. Short-Option Adjustment Berechnungsform der Exchange Minimum Margin. Short-Position Verkaufte Optionspositionen nennt man Short-Positionen. Soft Commodities Sammelbegriff für Warentermingeschäfte, welche auf weiche Wa­ ren wie Kaffee, Orangensaft, Weizen, Mais . . . lauten. Im Gegenzug gibt es Hard Commodities auf Gold, Silber, Öl etc. Spekulation Durch Spekulation soll ein Gewinn in einem Geschäft erwirtschaftet werden. Dafür ist der Spekulant bereit, Risiko zu übernehmen. Spread-Position Optionskombination mit gleichzeitigem Verkauf und Kauf von Op­ tionskontrakten. Spreader Investor genannt, der Spreads handelt. Stillhalter Short-Investor. Er hat eine Option verkauft und die Prämie erhalten. Straddle Optionskombination: Gleichzeitiger Kauf oder Verkauf der gleichen Anzahl von Calls und Puts mit dem gleichen Underlying, demselben Verfallsdatum und demselben Basispreis. Strangle Optionskombination: Gleichzeitiger Kauf oder Verkauf der gleichen Anzahl von Calls und Puts mit dem gleichen Basiswert und demselben Verfallsdatum, aber unterschiedlichen Basispreisen. SWAP Bilateraler Finanzvertrag zum Austausch von Zahlungsströmen. Swap-Satz Zinssatz, zu dem zwei Banken bereit sind, eine auf diesen Satz bezogene feste Zinszahlung gegen eine variable Zinszahlung zu tauschen. Im Währungsbe­ reich beschreibt der Swap-Satz die Zinsdifferenz zweier Währungen zueinander. Swaption Option, welcher ein Swap zugrunde liegt. Synthetische Positionen Sind Kombinationen, welche das Chancen- und Risiko­ profil einer Grundposition darstellen. Täglicher Abrechnungspreis Bewertungspreis für alle Optionen und Futures (auch: Daily Settlement Price). Theta Gibt den Einfluss des Zeitwerts (bzw. des Zeitwertverfalls) auf den Optionspreis an. Underlying Basiswert eines Derivats. VaR Der Value at Risk (VaR) gilt als Standardrisikomaß. Variation Margin Tägliche Gewinn- und Verlustbuchung bei Futures und Optionen auf Futures. Diese Bewertung findet im Mark-to-Market-Verfahren statt. Vega Gibt den Einfluss der Volatilität auf den Optionspreis wieder. Verfallsdatum Datum, an dem ein Termingeschäft verfällt (auch Verfallstag oder Fäl­ ligkeitstag genannt); in der Regel der 3. Freitag im Monat. Volatility-Forecast Unter einem Volatility-Forecast versteht man das Schätzen der Volatilität eines Instrumentes.

586 | 17 Appendix

Volatility Smile Variation der impliziten Volatilität auf den Basispreis. Volatility-Surface Unter einem Volatility-Surface versteht man die komplette Volati­ litätsstruktur eins Underlying. Dieses wird i. d. R. in einer dreidimensionalen Dar­ stellung aufgezeigt. Volatilität Ausmaß der tatsächlichen bzw. erwarteten Schwankung eines Finanzin­ struments (gibt nur die Schwankungsintensität, nicht deren Richtung an). Sie kann als historische wie auch als implizite Volatilität berechnet werden. Währungsderivate Derivate welche als Underlying eine Währung haben. Warentermingeschäfte Termingeschäfte, denen als Basiswerte Waren/Rohstoffe zugrunde liegen und die folglich anderen Schwankungsgegebenheiten bzw. an­ deren Außeneinflüssen unterliegen als Finanztermingeschäfte. Wetterderivat Derivate deren Auszahlung vom Wetter oder dessen Veränderung ab­ hängt. Wiener-Prozess Zeitstetiger stochastischer Prozess, der normalverteilte unabhängi­ ge Zuwächse ausweist. Zeitwert Der Teil des Optionspreises, welcher sich auf die Restlaufzeit der Option so­ wie deren Möglichkeit bezieht, im Geld zu enden. Der Zeitwert nimmt mit abneh­ mender Restlaufzeit zunehmend schneller ab. Zero-Strike-Call Eine Call-Option mit einem Basispreis von null. Somit kann man mit dieser das Underlying abbilden. Die Dividenden sind aus dem Zero-Strike-Call diskontiert. Zerobond Eine Anleihe welche keine Kuponzahlung vorsieht, sondern abgezinst ist. Zinsstrukturkurve Beziehung zwischen Zinssätzen und Laufzeiten. Zwangsliquidation Auflösung von Terminmarktpositionen, da die Margin-Höhe nicht ausreicht und der Investor keine weitere Margin stellen kann oder will.

Wertetabelle der Standardnormalverteilung N(z) für z ≥ 0

| 587

Wertetabelle der Standardnormalverteilung N(z) für z ≥ 0 z*

0,00

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

0,06

0,07

0,08

0,09

0,0* 0,1* 0,2* 0,3* 0,4* 0,5* 0,6* 0,7* 0,8* 0,9* 1,0* 1,1* 1,2* 1,3* 1,4* 1,5* 1,6* 1,7* 1,8* 1,9* 2,0* 2,1* 2,2* 2,3* 2,4* 2,5* 2,6* 2,7* 2,8* 2,9* 3,0* 3,1* 3,2* 3,3* 3,4* 3,5* 3,6* 3,7* 3,8* 3,9* 4,0*

0,50000 0,53983

0,50399 0,54380

0,50798 0,54776

0,51197 0,55172

0,51595 0,55567

0,51994 0,55962

0,52392 0,56356

0,52790 0,56749

0,53188 0,57142

0,53586 0,57535

0,57926 0,61791 0,65542

0,58317 0,62172 0,65910

0,58706 0,62552 0,66276

0,59095 0,62930 0,66640

0,59483 0,63307 0,67003

0,59871 0,63683 0,67364

0,60257 0,64058 0,67724

0,60642 0,64431 0,68082

0,61026 0,64803 0,68439

0,61409 0,65173 0,68793

0,69146 0,72575 0,75804

0,69497 0,72907 0,76115

0,69847 0,73237 0,76424

0,70194 0,73565 0,76730

0,70540 0,73891 0,77035

0,70884 0,74215 0,77337

0,71226 0,74537 0,77637

0,71566 0,74857 0,77935

0,71904 0,75175 0,78230

0,72240 0,75490 0,78524

0,78814 0,81594 0,84134

0,79103 0,81859 0,84375

0,79389 0,82121 0,84614

0,79673 0,82381 0,84849

0,79955 0,82639 0,85083

0,80234 0,82894 0,85314

0,80511 0,83147 0,85543

0,80785 0,83398 0,85769

0,81057 0,83646 0,85993

0,81327 0,83891 0,86214

0,86433 0,88493 0,90320

0,86650 0,88686 0,90490

0,86864 0,88877 0,90658

0,87076 0,89065 0,90824

0,87286 0,89251 0,90988

0,87493 0,89435 0,91149

0,87698 0,89617 0,91309

0,87900 0,89796 0,91466

0,88100 0,89973 0,91621

0,88298 0,90147 0,91774

0,91924 0,93319 0,94520

0,92073 0,93448 0,94630

0,92220 0,93574 0,94738

0,92364 0,93699 0,94845

0,92507 0,93822 0,94950

0,92647 0,93943 0,95053

0,92785 0,94062 0,95154

0,92922 0,94179 0,95254

0,93056 0,94295 0,95352

0,93189 0,94408 0,95449

0,95543 0,96407 0,97128

0,95637 0,96485 0,97193

0,95728 0,96562 0,97257

0,95818 0,96638 0,97320

0,95907 0,96712 0,97381

0,95994 0,96784 0,97441

0,96080 0,96856 0,97500

0,96164 0,96926 0,97558

0,96246 0,96995 0,97615

0,96327 0,97062 0,97670

0,97725 0,98214 0,98610

0,97778 0,98257 0,98645

0,97831 0,98300 0,98679

0,97882 0,98341 0,98713

0,97932 0,98382 0,98745

0,97982 0,98422 0,98778

0,98030 0,98461 0,98809

0,98077 0,98500 0,98840

0,98124 0,98537 0,98870

0,98169 0,98574 0,98899

0,98928 0,99180 0,99379

0,98956 0,99202 0,99396

0,98983 0,99224 0,99413

0,99010 0,99245 0,99430

0,99036 0,99266 0,99446

0,99061 0,99286 0,99461

0,99086 0,99305 0,99477

0,99111 0,99324 0,99492

0,99134 0,99343 0,99506

0,99158 0,99361 0,99520

0,99534 0,99653 0,99744

0,99547 0,99664 0,99752

0,99560 0,99674 0,99760

0,99573 0,99683 0,99767

0,99585 0,99693 0,99774

0,99598 0,99702 0,99781

0,99609 0,99711 0,99788

0,99621 0,99720 0,99795

0,99632 0,99728 0,99801

0,99643 0,99736 0,99807

0,99813 0,99865 0,99903

0,99819 0,99869 0,99906

0,99825 0,99874 0,99910

0,99831 0,99878 0,99913

0,99836 0,99882 0,99916

0,99841 0,99886 0,99918

0,99846 0,99889 0,99921

0,99851 0,99893 0,99924

0,99856 0,99896 0,99926

0,99861 0,99900 0,99929

0,99931 0,99952 0,99966

0,99934 0,99953 0,99968

0,99936 0,99955 0,99969

0,99938 0,99957 0,99970

0,99940 0,99958 0,99971

0,99942 0,99960 0,99972

0,99944 0,99961 0,99973

0,99946 0,99962 0,99974

0,99948 0,99964 0,99975

0,99950 0,99965 0,99976

0,99977 0,99984 0,99989

0,99978 0,99985 0,99990

0,99978 0,99985 0,99990

0,99979 0,99986 0,99990

0,99980 0,99986 0,99991

0,99981 0,99987 0,99991

0,99981 0,99987 0,99992

0,99982 0,99988 0,99992

0,99983 0,99988 0,99992

0,99983 0,99989 0,99992

0,99993 0,99995 0,99997

0,99993 0,99995 0,99997

0,99993 0,99996 0,99997

0,99994 0,99996 0,99997

0,99994 0,99996 0,99997

0,99994 0,99996 0,99997

0,99994 0,99996 0,99998

0,99995 0,99996 0,99998

0,99995 0,99997 0,99998

0,99995 0,99997 0,99998

Aufgrund der Symmetrie gilt für negative Werte Φ(−z) = 1 − Φ(z)

588 | 17 Appendix

Bonitätsbewertung⁷⁴⁷ Moody’s Long Term

S&P Short Term

Aaa Aa1 Aa2 Aa3

Long Term AAA

P-1

AA+ AA AA-

A1 A2

A+ A

A3

A-

P-2

Baa1 Baa2 Baa3

P-3

BBB BBBBB+ BB

Ba3

BB-

B1 B2 B3

B+ B B-

Not Prime

Long Term

Short Term

AAA A-1+

A-1 A-2

BBB+

Ba1 Ba2

Caa

Fitch Short Term

AA+ AA AAA+ A A-

Prime A1+ High grade A1 Upper Medium grade A2

BBB+ A-3

BBB BBB-

A3

BB+ BB B

BB-

Non Investmentgrade speculative B

B+ B B-

Highly Speculative

CCC+

Ca

CCC

C

CCC-

Lower Medium grade

Substantial risks C

CCC

C

Extremely speculative In default with little prospect for recovery

/ D

747 Quelle: Commerzbank.

/

DDD

/

In default

Rendite und Rating im Kontext |

Rendite und Rating im Kontext

Zusammenhang zwischen Anleihenrendite und Rating Rendite in % 20

19,85

15

10

13,51 10,11

9,68

9,35

5 AAA

11,36

AA

A

BBB

BB

B

Rating

Abb. 17.1: Zusammenhang Anleihenrendite und Rating⁷⁴⁸

MSCI Europe MSCI Japan

Anleihen Globale Immo- MSCI Europe bilienaktien World

MSCI Asia Anleihen Hochzinsex Japan Schwellenl. anleihen

MSCI Europe

MSCI Japan

S&P 500

MSCI EM

1,00

0,58

0,88

0,88

-0,35

0,71

0,96

0,86

0,46

0,57

1,00

0,60

0,66

-0,17

0,64

0,69

0,65

0,48

0,56

1,00

0,76

-0,30

0,71

0,96

0,77

0, 64

0,72

1,00

-0,28

0,68

0,89

0,98

0,48

0,57

1,00

-0,09

-0,34

-0,25

0,08

-0,21

1,00

0,75

0,70

0,45

0,59

1,00

0,89

0,59

0,69

1,00

0,46

0,57

1,00

0,80

S&P 500 MSCI EM Anleihen Europe Globale Immobilienaktien MSCI World MSCI Asia ex Japan Anleihen Schwellenl. Hochzinsanleihen

Abb. 17.2: Korrelation einzelner Märkte (Stand: Juli 2009)⁷⁴⁹

748 Quelle: Moody’s. 749 Quelle: J.P. Morgan.

1,00

589

0,00 0,03 0,07 0,22 0,12 0,80 3,92 28,85 4,18 1,80

AAA AA A BBB Investment Grade BB B CCC/C Speculative Grade All rated

0,04 0,08 0,20 0,58 0,32 2,52 9,00 39,23 8,25 3,59

2 0,17 0,18 0,36 0,99 0,56 4,57 13,43 44,94 11,81 5,16

3

750 Quelle: S&P Global Ratings, Stand 13.4.2017.

1

Rating / Jahre 0,29 0,31 0,54 1,50 0,86 6,57 16,88 48,55 14,68 6,48

4 0,42 0,45 0,73 2,05 1,17 8,38 19,57 51,31 17,00 7,57

5 0,54 0,60 0,95 2,60 1,49 10,14 21,76 52,53 18,95 8,52

6 0,59 0,74 1,19 3,09 1,80 11,62 23,56 53,95 20,59 9,32

7 0,67 0,86 1,41 3,58 2,09 12,98 24,98 55,00 21,95 10,01

8

Tab. 17.1: Weltweite durchschnittliche Ausfallrate kumuliert von 1981–2016 in Prozent⁷⁵⁰

0,76 0,96 1,65 4,07 2,38 14,17 26,24 55,96 23,16 10,63

9 0,85 1,07 1,89 4,55 2,67 15,25 27,42 56,66 24,26 11,21

10

0,90 1,17 2,11 5,02 2,95 16,13 28,42 57,32 25,18 11,71

11

0,94 1,25 2,32 5,37 3,17 16,91 29,20 57,93 25,95 12,12

12

0,99 1,34 2,52 5,71 3,39 17,61 29,90 58,60 26,64 12,49

13

1,09 1,42 2,69 6,06 3,59 18,22 30,53 59,14 27,24 12,82

14

1,20 1,51 2,89 6,42 3,81 18,84 31,16 59,14 27,83 13,16

15

590 | 17 Appendix

Maßgebliche Terminbörsen weltweit und deren Webadressen | 591

Maßgebliche Terminbörsen weltweit und deren Webadressen Name

Homepage

ASX Australia CBoE CME Eurex European Energy Exchange ICE Moscow Exchange National Stock Exchange of India Shanghai Futures Exchange Tokio Financial Exchange

www.asx.com.au www.cboe.com www.cmegroup.com www.eurexchange.com www.eex.com www.theice.com www.moex.com www.nseindia.com www.shfe.com.cn www.tfx.co.jp

592 | 17 Appendix

Kontraktdetails und Handelskalender Jede Terminbörse veröffentlicht auf ihrer Homepage die notwendig zu wissenden Kon­ traktdetails für die jeweiligen Produkte und Produktgruppen sowie den jeweils gülti­ gen Handelskalender. Nachstehend erhalten Sie die Seiten für die maßgeblichen Terminbörsen in Europa und den USA: CME https://www.cmegroup.com/trading/products CBOE http://www.cboe.com/products/ Eurex https://www.eurexchange.com/exchange-de/produkte ICE https://www.theice.com/products

Über die Autoren

|

593

Über die Autoren Senator E.h. Michael Bloss ist Direktor der Commerzbank AG und des Europäischen Instituts für Financial Engineering und Derivateforschung (EIFD). Er lehrt Financial Engineering und Internationales Finanzmanagement an der Hochschule für Wirt­ schaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Dr. Manuel Kleinknecht wurde am Centre for Computational Finance and Economic Agents der University of Essex promoviert. Er forscht im Bereich künstlicher Intelli­ genz mit Schwerpunkt heuristische Optimierung. Derzeit lebt und arbeitet er in Wien und entwickelt KI-Lösungen für selbsttragende Logistikabläufe für die Walter Group. Er lehrt Financial Engineering an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtin­ gen-Geislingen (HfWU). Dr. Daniel Sörensen ist Divisional Control Officer (DCO) für das Corporate- und In­ vestmentbanking bei der Deutschen Bank AG. Er lehrt International Finance an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

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„Lediglich aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in diesem Buch nur das generische Maskuli­ num, die grammatikalisch männliche Form, verwendet. Gemeint sind stets Menschen jeglicher ge­ schlechtlicher Identität.“

https://doi.org/10.1515/9783110659931-020

Stichwortverzeichnis 30-jähriger Treasury Bond Future 158

Absicherungsstrategie 173 Abzinsen 20 Act-Of-God-Bonds 450 Additional Margin 532–537 Advanced Market Making 136 After-Sales 7 Aktienanleihe 12, 15 Aktienindexswap 362, 366 Aktienrückkaufprogramm 63 Aktionärsrecht 206 Aktionsplan 65 Alan Mathison Turing 214 Alpha 495, 500, 501 American-Style Option 193 Analytic Hierachy Process 59 Anlageprodukt 15 Anna-Karenina-Prinzip 513 Annex CDS 421, 422, 425–427, 429, 433 Antithetische Zufallszahlen 257 Approximationsverfahren 255 Arbitrage 128, 129 Arbitrage Pricing Theory 76 Arbitrageur 128 arithmetisches Mittel 39, 412 ARTIFICIAL NEURAL NETWORK 214 Asiatische Optionen 411 Assetswap 362, 369 Assignment 196 asymmetrische Risikoverteilung 191, 297 Aufschubgewährung 424 Aufzinsen 20 Ausfall 421, 423, 424 Ausfallkorrelation 422 Auslosungsverfahren 531 Ausschlusskriterien 109, 110 Ausschüttungen 198 Aussi 317 Ausübungsrecht 404 Auszahlungsprofil 472, 474, 475, 484, 490 Autocall 526 Autokorrelationen 440 https://doi.org/10.1515/9783110659931-021

Autoregressive Conditional Heteroscedasticity 212, 213 Averaging 457, 469 Back Month 170 Back Office 4 Back Spread 289 Back-To-Back-Trades 8 Backwardation 332, 333, 335 Baisse 127 Barrier-Option 399, 400 Barwert 20, 22–24 Basiskonvergenz 163–165, 189 Basis-Point-Value-Methode 183 Basispreis 124, 141, 461 Basisswap 364 Basiswert 460 Basket-Option 409, 410 Bear Spreads 281 bedingte Korrelation 216 bedingten Wahrscheinlichkeit 27 Behavioural Finance 79, 80, 82 Benchmark-Verordnung 178 Bermuda-Option 404, 483, 484 Besicherung 543, 553 Betafaktor 53, 72, 75, 181, 182 Beta-Hedge 276 Beta-Standardfehler 54 Bezugsrahmen 513 Big Data 516 bilateraler Vertrag 121 Binomialbaumstruktur 483 Binomialmodell 246, 248, 249, 253, 254 Binomialschritt 246–248 Black-76-Modell 299, 300, 394 Black-Scholes-Formel 209, 224, 231, 238–241, 254 Black-Scholes-Modell 211, 226, 231, 238, 241, 247, 254 Blasenbildung 117 Bonität 158, 421, 425, 427 Bonitätsrisiko 171 Bonitätsverschlechterung 421 Bonuszahlung 99 Bonuszertifikat 468, 478, 479

608 | Stichwortverzeichnis

Bootstrapping 24 Boundary Conditions 245 Box-Strategien 290 Brownsche Bewegung 29, 33, 35, 86, 243, 252, 259, 260 Bull Spreads 281 Burning-Cost-Methode 440, 443 Butterfly 264, 286–288 Buy Side 67 Buy-and-Hold 7 Buy-and-Hold-Produkt 473 Cable 317 Calender Spread 292 Call 191, 193, 196, 202, 206, 207, 209, 217, 222, 224–226, 228, 230, 232, 234, 236, 237, 239, 241, 242, 254, 256, 264–270, 273, 275, 277, 279–281, 284, 285, 287, 289, 290, 292, 297–303, 318, 319, 340, 474, 475, 478, 483, 490–492, 494, 510 Callable Bonds 481 Cancel Former 143 Cap 474–478, 484, 490 Capital-Asset-Pricing-Modell 71 Caplets 356–358 CAPM 71–73, 75, 76 Caps 355 Carry Trade 311 Cash Settlement 155, 156, 161, 169, 194 Cash-and-Carry-Arbitrage 176 Cashflows 309 CatBonds 450–452 CatDerivate 451 CCP Clearing Verpflichtung 429 CCW-Strategie 496, 497 CDS 424–429, 431–433, 435, 436 CDS-Rates 12 Central Counterpart 140 Channel 317 Chaostheorie 83 Charm 235 CHICAGO BOARD OF TRADE 118 CHICAGO MERCANTILE EXCHANGE 118 Chooser-Option 405 Clearing XXIII, XXIV, 5, 169, 171, 178, 186–188, 529, 530, 537, 539–543, 546, 547, 549, 551, 552 Clearing-Haus 194 Clearingvertrag 543

Climate Impact Indices 111 Cliquet-Option 410 Closing 124, 141, 145, 462–464, 467 Club Deal 6 Club of Rome 102 CME 118, 120, 138, 307, 318, 320, 325 CMS 364, 365, 420 Collar 355, 359 Collateral 127, 302, 509, 510, 512, 517, 542, 551, 553 Collateral Trust 450 Collateralized Debt Obligations 432 Collateral-Management 180 Colour 235 Combo 492, 493 Commodity-Futures 151, 160, 170, 325, 326, 332, 337 Compliance 5, 107 Compound-Option 405, 406 Computerbörse 125, 133, 143 Conditional Value at Risk 514 Condor 288 Confirmation 391 Contango 332, 333, 335, 336, 349 Contingent-Capital-Programm 449 Convenience Yield 332, 334, 335 Conversion 494, 495 Cooling Degree Days 438 Copula 51 Corporate Finance 4 Cost of Carry 163, 174, 175, 321, 332 Counterpartrisiko 362 Counterparts 106–108, 473 Counterparty-Risk 508, 547 Covered Call Writing 268, 269, 275 Covered Short-Selling 508 Credit Default 426, 431 Credit Default Swap 362, 424 Credit Linked Notes 431 Credit Rating 510 Credit VaR 422 Credit-Risks 10 Cross Hedge 173, 182 Cross Margining 536, 541 Cross Produkt Management 528 Cross Rate 317 Cross-Margining-Ansatz 550 CTD-Anleihe 168

Stichwortverzeichnis

Cumulative Average Temperature 441 Currency Options 318 Daily-Simulation Modell 441 Datenanbieter 111 Default-Management 528 Delta 28, 55, 207, 217, 224–226, 230, 234, 235, 264, 274, 275 Delta-1-Instrument 164, 185, 344 Deltaveränderung 409 Deport 312 Derivat 129–131 Devisenfutures 159, 307, 320 Devisenhändler 317 Devisenkassageschäft 311 Devisenkassakurs 312, 349 Devisenmarkt 308 Devisenoption 318 Devisenswap 362, 365, 366 Devisentermingeschäft 307, 312, 313, 316, 322, 343 Devisenterminhandel 308 Dichtefunktion 37, 38 Differentialgleichung 240, 243, 245, 255, 258 Digitale-Option 403 Digitalisierung 103 Direkt Clearing Member 140 Discountierungsfaktor 20 Discountzertifikat 10, 12, 474–477, 505 Diskontieren 20 diskrete Rendite 20 diskreter stochastischer Prozess 247 Disruption 87 Dividende 130, 221, 231, 237, 241, 243, 251, 253, 270 Dividendenauszahlung 221 Dividendenrendite 241, 242 Dividendenswap 362, 366 Dividendenzahlung 198, 221, 238, 241, 270 Dodd-Frank-Akt 548 Double Exponential Jump Diffusion Model 260 Double-Touch 403 Down-and-out-Put 478 Downside Additional Margin 536 Drifts 33 DTB 120, 133 Dünngittertechnik 258 Duplikation 55 Duration 51–53, 158, 186

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Durationsmethode 183 Dynamic Conditional Correlation (DCC) Modell 215 dynamischen Hedge 490 Eigenkapital 154, 156, 516, 527, 551 Einperiodenfall 22 Einperiodenmodell 248, 249 Einzelwertfutures 354 Emergency Action Plans 515, 527 EMIR 526, 546, 548, 553 Emission 6–10, 12, 13 Emissionsgeschäft 4 Emittent 9–12 Emittentenrisiko 12, 431 EMMI 179 Endwert 21–24 Endwertberechung 21 Energiederivat 331 Energieverbrauch 438 Entscheidungstheorie 59 Environment 109 EONIA 178, 186 Erwartungswert 28–30, 32, 34, 36, 41, 48, 69, 70, 74, 98 ESG Indices 111 ESG-Derivat 111 ESG-Kriterien 109, 110 ESMA 546, 547 ETC-Derivat 160 EUREX 120, 133, 140, 144, 146 Eurex 120, 127, 133–138, 140, 142–144, 146–148, 150, 353, 354, 366, 367, 416–419, 529, 530, 532–543, 549–551 EUREX Clearing AG 140 Eurex Clearing Prisma 530, 539–542, 551 Euro Bund Future 155, 157, 158, 168 Euro Short Term Rate 178 Euro-Bund-Future 297, 301 Euro-Inflations-Future 445, 446 Euro-Inflations-Futures 445, 446 European-Digital-Calls 403 European-Digital-Puts 403 European-Style Option 194 Exchange Minimum Margin 529 Exchange Traded Fund 487, 488 Exercise 196, 198 Exit-Strategie 463 Exposure-Swaps 450

610 | Stichwortverzeichnis

Fair-Value-Methode 198, 223 FDAX 134 Fiber 317 Fill and Kill 142 Fill or Kill 142, 150 Final Settlement Price 538 Final-Settlement-Preis 543 Finanzlösung 3, 6 Finanztermingeschäft 117, 120, 130 Fixed Income 136, 139, 147, 148 Fixed Income Futures 151, 159, 170 Fixed Leg 366 flexibler Kontrakt 353 Floating Rate Bonds 180 Floating-Leg 486 Floor 355, 357–359 Floorlets 357, 358 Flow-Produkt 7, 9, 10, 473 Fluch der Dimensionalität 258 Fondsmanagement 111, 471, 491 formelle Margin Call 544 Forward 121–124, 150, 151, 313, 324, 325, 359–361, 367, 371, 395 Forward Rate Agreements 540 Forward-Satz 367 Fraktale 85 fraktale Geometrie 86 Freefloat 156 frequentistische Wahrscheinlichkeit 26 friktionsloser Markt 239 Front Month 170, 189 Front Office 4 Front-Kontrakt 533 Funding 397, 472, 482, 486, 487 Funding-Spreads 428, 429 Fusion 223 Future 121–123, 125, 134, 141, 147, 150–178, 180–183, 185–189, 529, 531, 533, 535, 537, 540, 554, 555 Future Value 21 Futures-Style-Option 540 Future-Style-Methode 298 Future-Style-Premium 535 Future-Style-Verfahren 298 Fuzzy Logic 87 FX Markt 307 FX-Futures 307, 320–322, 344 FX-Handel 318

Gamma 55, 198, 224, 226, 227, 230, 234, 235 Gamma-Exposure 198 Gammaverfall 235 Gap Risk 526 Garman-Kohlhagen 318, 319 Geldmarktfutures 177 Geldmarktstatistik 178 gemischte Strategie 61, 62 General Clearing Member 140, 141, 150 Generalized Autoregressive Conditional Heteroscedasticity 212 Genussrecht 449 Geometrisches Mittel 412 Geppi 317 Gesetz der großen Zahlen 27, 98 Gewinn- oder Verlustausgleich 535, 537 Gewinnerweiterung 458, 459 Gitterpunkt 219, 258 Glattstellung 199 Glattstellungskosten 530, 536, 537, 540 GLOBEX 120, 138 Glockenkurve 38, 88 Goldkonvertibilität 307 Governance 109 Greeks 224, 230, 231, 233, 235, 263 Grenzen des Wachstums 102 Grundgeschäft 439 Grundsatz I 330 Gruppendenken 80, 81 Haircut 509, 510 Haltungskosten 166 Handelsdesks 8 Handelskalender 147 Handelslinie 517 Handelstag 163, 164, 169, 189 Heating Degree Days 437 Hebelprodukt 10, 15, 468, 479, 480 Hedger 127, 128, 130 Hedge-Ratio 274, 276 Hedging 127, 130, 160, 171, 173, 181, 183, 187, 188, 264, 271, 273, 276 Hedgingkette 515 Hedgingstrategie 198 Herdenverhalten 80 Heston Modell 253 Heuristik 80, 98 Hexensabbat 125 historischen Volatilität 207, 208

Stichwortverzeichnis

Hit-Event 399, 403 Homo oeconomicus 79, 87 Hurrikan-Future 438 HVPI 445, 446 hybriden Euribor 179 IBOR 178, 186 IBOR-Referenzzinssatz 372 Imitation Game 214 Immediate or Cancel 142 implizite Volatilität 208, 209 Index Value Simualtion Method 440 Indexfutures 151, 155–157, 161, 181, 466, 467 Inflationsanleihe 12, 485–487 Inflationsderivat 445, 446, 448 inflationsindexierte Futures 445 Inflationsrate 446 Inflationsswaps 374, 445 Inhaberschuldverschreibung 476 Initial Margin 152, 154, 157, 533, 534, 537, 541 innerer Wert 201–203, 206 Insolvenz 11 Intermittenz 85 International Swaps and Derivatives Association 391 Interpolation 20, 21 Intraday-Reversal 466 ISDA-Master-Agreement 366, 425 Iterationsverfahren 209, 210 ¯ Ito-Prozess 35 Jump-Diffusions-Modell 259, 260 Jump-Prozess 451 Kapitalmarkteffizienz 28 Kapitalmarktlinie 72–75 Kapitalmaßnahme 223 Kassabörse 127 Katastrophenanleihe 450 Katastrophenereignis 450 Kiwi 317 Knock-in 399 Knock-out 399, 400 kohärente Risikomaße 514 Kombinationen 258, 285, 294, 303 Konfidenzniveau 514 Konjunkturzyklus 13 Konsiliar-Meinung 458 Konsistenz 48

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Konsortialkredit 6 Kontrahentenrisiko 12 Kontrakt 195, 196, 199, 297–299 Kontraktgröße 124 Kontraktspezifikation 139 Kontrakt-Typ 302 Kontrollvariate 257 Konvertierungsfaktor 167–169 Konvexität 51–53 Korrelation 44, 46, 48, 50, 69, 70, 211, 215–217, 294, 464 Korrelationskoeffizient 44, 48, 50, 71, 98 Korrelationsmatrix 341, 342 Kovarianz 48, 50, 57, 64, 74, 75 Kovarianzmatrix 215, 216 Kraftfeldanalyse 59 Kredit 421, 431, 432 Kreditausfall 421 Kreditausfallrisiko 421, 427 Kreditereignis 421–425, 431, 432 Kredit-Events 421 Kreditportfolios 421 Kreditrisiko 6 kubische Spline 21 Kündigungsrecht 482–484 Künstliche Intelligenz 103, 214 Kursindex 155, 156, 175 Ladder-Option 410 Lagerhaltungskostensatz 335 Lagerkosten 334, 335 Laplace 25, 98 Laufzeit 125, 126, 132, 148 leere Welt 102 Leeremission 10 Leg 465 LEI 546 Leihefrist 479, 507 Leiheprämie 507, 509 Leihezeitraum 507 Leitzins 71 Lemma von Ito¯ 35, 41 LEPO 198, 354 Level-Shift 399 Leveraged Floater 484–486, 505 Leveraged Options 398 Lieferverfahren 155, 189 Light Sweet Crude Oil Future 337 Likelihood Funktion 217

612 | Stichwortverzeichnis

Limit-Order 142 lineare Anpassung 219 Liquidationsgruppe 539 Liquiditätsgrundlage 442 Liquiditätsgruppe 539, 541 Liquiditätsrisiko 510 Liquidity Provider 129, 135, 183, 187 Lognormalverteilung 41–43 LONG CALL 266 Long Future 153, 157, 159, 161, 170 LONG PUT 270 long vol 277 Long-Future 172, 178 Long-Risk-Reversal 292, 293 Lookback-Option 410 Lorenz Attractor 84, 85 Low Carbon Futures 111 Machine Learning 516 Maintainance 152 Mandelbrot 85, 86, 88 Margin 127, 214, 302, 517, 522, 523, 528–545, 550, 551, 553, 555 Margin Call 523, 536, 543–545, 555 Margin-Arten 537, 538 Margin-Gruppe 536 Margin-Guthaben 528, 531, 536, 537 Margin-Verpflichtungen 536 MaRisk 518 Market If Touched 143 Market-Maker 135, 183 Market-Maker-System 316 Markov-Eigenschaft 28, 30 Markov-Prozess 27, 28 Marktet Making 439 Mark-to-Market 153, 156 Mark-to-Market-Value 510 Mark-to-Market-Verfahren 535, 537, 538 Marktpsychologie 78, 79 Marktschocks 526 Marktsicherheit 135 Marktverfassung 161, 162 Marktwert 464 Marktzins 220, 224 Marktzinsnachteil 220 Marktzinsvorteil 220 Married Put 275 Martingal 36, 98 Master Agreement 391

Matching 134, 137, 143 Mathematik der Finance 19 Matlab 84, 85 Median 39, 41 Mehrenergieverbrauch 438 Mehrperiodenmodell 249 Mengennotiz 308, 321 Mergers & Acquisitions 4 Mezzanine 6 Middle Office 4 MiFID 7, 9 MiFIR 546 Mistrade-Regelung 146 Mittelwert 38, 41, 208, 212, 213 Modus 39, 41 Moneyness 217 Monitoring 290 Monotonie 514 Monte-Carlo-Simulation 57, 58, 255, 257, 403, 407, 483 Moral 99, 100, 112 Multiplikator 139 multivariate Option 408 nachhaltige Investments 109 Naked Call Writing 268, 269 Naked Short-Selling 508 Nash-Gleichgewicht 61, 62 natürliche Absicherungsposition 490 NDF 323, 324 Nearby Future 170 Netting 528, 533, 539, 546, 551 Nettobarwert 23 New Product Approval (NPA)-Prozess 7 Newton-Verfahren 209, 210 nicht-lineare Anpassung 219 nicht-lineare dynamische Systeme 83 Nominalwertmethode 183 Non Clearing Member 140, 150 Normalverteilung 28, 32, 37–39, 41 Not Held 143 Notenbank 71 Notierungsart 308, 309 Notification Day 169 Nullbasis-Future-Preis 168 Nullkuponanleihe 473 Nullsummenspiel 121 NYMEX 325, 336

Stichwortverzeichnis

Obligo 340 Offset-Percent 536 One Cancels the Other 145 One-Shot-Game 60 One-Touch 403 Open Interest 161, 162 Opening 124, 137, 141, 145 Open-Outcry-Verfahren 133, 150 Option 121, 122, 124, 141, 147, 191–198, 201–207, 209, 212, 217, 219, 221, 222, 225–229, 231, 232, 237–239, 241, 251, 252, 255, 258, 260–262, 264, 265, 268, 273–277, 279, 282, 294, 296–301, 304, 305 Optionshandel 117, 195 Optionsposition 192, 200, 206, 284, 285, 292, 293, 297, 298 Optionsprämie 123, 127, 355, 393 Optionspreisbestimmung 201, 221, 255 Optionsschein 480 Orderspezifikation 141, 142, 145 OTC Flexible Options 354 OTC-Derivat 353, 354, 547, 551 OTC-Option 123, 191, 313, 464, 465 Outperformance 481, 495, 496 Outperformance-Option 410 Overlay Strategie 467 Overnight-Zinssatz 180 Parisian Options 399 Payer 363, 364, 370, 372–375, 393–396 Payer Swap 363, 370, 374 Payoff 6, 472, 474, 476, 478, 479, 482, 492–495 Performance Attribution 528 Performance-Index 156, 175 Performance-Swap 362, 487 Permanent Market Making 136 physische Belieferung 155, 161, 194 Plain Vanilla Derivat 551 Plain-Vanilla-Option 393 Portfolio Insurance 275 Portfoliobasierte Risikoaufrechnung 539 Portfoliomanagement 366 Portfolio-Selection-Modell 68, 69 Portfolio-Swaps 450 Portfoliotheorie 68, 71, 72 Positionsmanagement 458–460, 464, 465 positive Homogenität 514

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Prämie 193, 195, 198, 266, 267, 269–271, 273, 277, 279, 280, 283–285, 301, 302 Präsenzbörse 125, 133, 150 Preisfaktor 158, 167, 183 Preisinformationssystem 425 Preisnotiz 308, 321 Preisrisiko 117, 127 Preissicherung 117 Premium Margin 532, 537 Premium Style Option 540 Present Value 22, 23 Price Alignment Interest 540 Price-Lookback-Option 410 Private Placement 7–9, 17 Protective Put 238, 275, 495, 496 Pseudowahrscheinlichkeit 249 Public Offering 8, 17 Put 191–193, 196, 199, 200, 202, 206, 207, 217, 222, 224–226, 228, 230, 232, 234, 236–238, 240–242, 256, 264–266, 270–275, 277, 279, 280, 283–285, 287, 289, 290, 293, 296–300, 302, 303, 318, 319, 340, 349, 475, 477, 492, 494 Putable Bonds 481 Put-Call-Parität 236, 299 Pyramiding 457, 461, 469 Quanto-Option 407 Quanto-Produkt 407 Quasi-Monte Carlo Verfahren 257 Quasi-Zufallszahl 257, 258 Quote Requests 135 Quoteanfrage 262 Quotes 135–137, 150, 261 Rainbow-Option 408 Random Walk 212 Range-Option 404 Ratio Spread 288 RAW BETA 54 Receiver 363, 364, 370, 372–377, 393–396 Receiver Swap 363, 372, 374–376 Recovery Rate 450 Reduced-Form-Modell 426 Referenzzinssatz 179, 180 Refinanzierung 397 Regressionsmethode 184, 189 Regular Market Making 135, 150 Regulator 103

614 | Stichwortverzeichnis

Regulatorik VII, 4, 103, 433 regulatorische Anforderung 108 Rejection Methode 255 Rendite 20, 49, 69, 70, 72, 77 Repo 507, 509, 510, 512 Report 312 Repo-Satz 509, 510 Repurchase Date 509 Restrukturierung 424 Restwertzahlung 480 Reverse Convertibles 476, 477 Reverse Floater 484, 485 Reverse-Bonus 478 Reverse-Cash-and-Carry-Arbitrage 177 Reverse-Knock-Option 400 Rho 224, 228, 230, 234, 235 Risikocontrolling 515, 516, 519, 521, 522, 524–526 Risiko-Exposure 525 Risikofrüherkennungssystem 214 Risikogeschäft 517 risikogewichtete Duration 510 Risikomanagement 290, 515, 516, 518, 525–528, 530, 539, 546, 549, 550 Risikomaß 86 Risikoprämie 72–76, 355, 357 Risk Based Margining 529, 536 Risk Taker 126, 128 Rohwarenswap 367, 368 Roll-Over 169, 170, 200, 262, 461–463, 469, 517 Rückkaufswert 464 Rückversicherung 450 Rückversicherungsprämie 450 Sale and Repurchsase Agreement 509 SARON 180 Schlussabrechnungspreis 543 SCHRÖDINGERS Katze 82 Second-Nearby 170 Security Lending 507 Sell Side 67 Sensitivitätsfaktor 224 Seriennummer 223 Settlement 318, 320, 323, 324, 326–328, 341, 349 Settlementlinie 522 Short Basiswert 273 SHORT CALL 267 Short Future 157, 159, 161, 170

Short Option Adjustment 532 SHORT PUT 271 Short Selling 129, 479 Short Underlying 508 short vol 277 Short-Future 172, 173 Short-Risk-Reversal 293, 305 Shout-Option 411 Sicherheitenmanagement 513, 528 Simulationsmethode 21 Single Stock Futures 161 Single-Index-Modell 71, 98 Singularität 103 Social 109 SOFR 180 Soft-Commodities 329, 337, 338 Sonderdividende 223 SONIA 180 Sovereign Debt 427, 429 Sozialethik 99 SPAN 529, 531–533 Speed 235 Spekulant 128, 130 Spekulation 127, 130, 151, 171 Spekulationsplan 67 Spieltheorie 6, 59–64, 97 Spike 399, 403 Spot-Preis 163, 165, 174, 176 Spot-Rate 311 Spread 171, 174–176, 179, 185, 281, 282, 289, 290 Spread-Auftrag 142 Spreader 129 Spread-Option 410 Sprungprozess 259, 260 Standardabweichung 28–32, 34, 38, 41, 48, 50, 57, 70, 72, 74 Standardnormalverteilung 29, 34, 38 Standardrisikomaß 57 Stationarität 212 Step-Down Swaps 390 stetigen Rendite 20 Stichprobe 257 Stillhalter 192, 196, 267, 268, 273 Stochastic-Volatility-Modell 253, 451 Stop-Auftrag 142 €STR 178–180, 186 Straddle 264, 276–279, 285, 305 Strangle 279–281, 285

Stichwortverzeichnis

Straps 279 Stresstests 528 Strike-Lookback-Option 410 Stripping 488 Stromderivat 331 Structural Models 426 Structured Finance 4 strukturierten Bonds 481 Strukturierungsentgelt 472 Subadditivität 514 subjektiven Wahrscheinlichkeit 26 Submartingal 36 Super-Game 60 Supermartingal 36 SUPPORT VECTOR MACHINE 214 Swap 361–367, 370–372, 374–383, 385–397, 420, 424–426, 540 Swap-Confirmation 392 Swap-Satz 312, 315, 316 Swaption 392–396, 420 synthetische Anleihe 167 synthetische Nachbildung 161 synthetisches Termingeschäft 297 systematisches Risiko 64 Tailor Made Solutions 3 Tailor Made Zertifikat 10 Take Time 143 Teilnehmersicherheit 135 Term Spread 132, 133 Terminbörse 307, 318, 325, 328–331, 341 Termingeschäft 117, 118, 120–123, 134, 139 Terminkurs 309, 312, 316 Terminmarkt 117, 126, 138, 148 Termsheet 6, 9, 10 The Funds 317 Theta 224, 228–230, 234, 235 Third-Nearby 170 Tilgungswahlrecht 476 Time Spread 292 TIMS 529 TONAR 180 Trade Compliance 528 Tradebots 214 Transaktionsregister 546, 547, 552 Transformationsmethode 255 Translationsinvarianz 514 Trigger 399–401, 403, 407

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Trinominalbaum 403 Turing-Test 214 Übernahme 223 Ultima 235 unbedingtes Termingeschäft 121 Underlying 124, 129, 130, 139, 141, 143, 146, 148 Unfunded 487 Uniform-Zufallszahl 257, 258 Unschärfebereich 87 unsystematisches Risiko 64 Unternehmensanleihe 421, 426 unvollkommener Markt 80 Unwinding 311 Upfront-Zahlung 425 Upside Additional Margin 536 Value at Risk 57, 58, 86, 514, 541 Valuta 311 Vanna 235, 262–264 Varianz 28–30, 32–35, 41, 42, 48, 57, 65, 69, 70, 75, 212, 215, 217, 257, 514 Varianzrate 30, 32, 33, 36 Varianzreduktionsmethode 257 Variation Margin 153, 298 Vega 55, 224, 229–232, 234, 235, 263, 264 Vega-Exposure 526 Venture Capital 4 Vera 235 Verfallstag 146, 147, 200, 206, 267, 282, 286, 298 Verfallstermin 170 Verhaltensökonomik 78, 79 Versicherungsderivat 449, 450, 452 Versicherungsrisikoanleihe 449 Versicherungsvertrag 438, 440 Verteilung 28, 37, 39, 41, 57, 58 Verteilungsfunktion 39, 58 Verzinsungsniveau 321 Volatilität 207–217, 219, 220, 224, 229, 230, 234, 235, 239, 240, 242, 243, 249, 251, 252, 260, 263, 273, 277, 285, 288, 294, 299, 305, 514, 521, 530, 534, 535 Volatilitäts- und Varianzswap 362 Volatilitätsbeziehung 208, 211 Volatilitätsfutures 294 Volatilitäts-Shift 219 Volatilitäts-Spikes 211

616 | Stichwortverzeichnis

Volatility Forecast 264 Volatility Smile 251, 252 Volatility-Trade 491–493 Volatilty-Surface 217 Volga 235, 262–264 Vollkommene Information 60 Vollständige Information 60 Vomma 235, 263 Vorteilszins 332, 334 Vorzugsaktie 449 Wahrscheinlichkeit 204, 207, 240, 247–249, 259 Wahrscheinlichkeitsrechnung 6 Wahrscheinlichkeitstheorie 27, 59, 98 Wahrscheinlichkeitsverteilung 30, 37, 57, 87 Währungspaar 159, 307, 308, 323 Währungsrisiko 309 Währungsswap 362, 365, 366 Warenkassageschäft 324 Warenswap 362 Warentermingeschäft 307, 324, 326, 328–331, 339 Weather Indexd Interest Rate Forward 437 Weather Indexed Bonds 437 Weather Indexed Loan 437 Weather Risk Management Association 437 Wechselwirkung 464, 513 Weekly Options 197 Wertpapierleihe 479, 507–509, 511 Wertpapierleihemöglichkeit 479 Wertpapierlinie 72, 74, 76

Wertpapierpensionsgeschäft 507 Wertpapierverkaufsprospekt 8 Wetterderivat 437–443 Wiener-Prozess 29–33, 35, 36, 41 Window-Option 407 Wirtschaftsethik 99, 100 Worst-Case-Szenario 459, 517, 533, 537 WpHG 9 Zahlungsverzug 424 Zeit-Preis-Prinzip 134 Zeitwert 201–204, 206, 211, 221, 228, 298 Zeitwerteffekt 273 zentralen Counterpart (CCP) 508 zentralen Grenzwertsatz 37 Zero Strike Options 198 Zerobond 397, 473, 475, 477, 490, 505 Zero-Kurve 24 Zero-Strike-Call 474, 475, 478, 505 Zero-Zinssatz 24 Zielfunktion 514 Zinsberechnung 20 Zinsen 130–132 Zinsoption 355, 357 Zinsparitätentheorie 312 Zinsrechenmethode 20 Zinsschocks 526 Zinsstrukturkurve 21, 22, 24, 131–133, 158, 165, 166, 178, 185, 189 Zinsswap 362–364, 367, 370 Zooma 235 Zwangsliquidation 523, 544, 545, 555