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German Pages 315 [322] Year 2020
Figurengestaltung und Gesprächsinteraktion im antiken Dialog Herausgegeben von Gernot Michael Müller
Klassische Philologie Franz Steiner Verlag
Palingenesia | 126
Palingenesia Schriftenreihe für Klassische Altertumswissenschaft Begründet von Rudolf Stark Herausgegeben von Christoph Schubert
Band 126
Figurengestaltung und Gesprächsinteraktion im antiken Dialog Herausgegeben von Gernot Michael Müller
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung
Coverabbildung: Phönix aus einem byzantinischen Mosaik aus Antiochia am Orontes, jetzt im Louvre (Paris) © akg-images / Erich Lessing Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2021 Druck: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12906-0 (Print) ISBN 978-3-515-12907-7 (E-Book)
INHALTSVERZEICHNIS
Gernot Michael Müller Einleitung.................................................................................................................7 Diego De Brasi „Indem wir uns durch Gespräche aufmuntern“ (Plat. leg. 625b6). Platons Nomoi als Beispiel gelungener Dialogizität..............................................31 Sabine Föllinger Ethopoiie und Fiktionalität des Dialogs.................................................................55 Mélanie Lucciano Socrate comme personnage de dialogue à Rome. Quelques exemples chez Plaute, Lucilius et Cicéron.............................................69 Jean-Pierre De Giorgio Facere inter se disputantes (Cic. Att. 13,19). Cicéron, l’auteur et ses personnages......................................................................89 Malcolm Schofield Atticus in De Legibus and Brutus........................................................................109 Johannes Sedlmeyr Nemo dubitat Academicum praelatum iri. Der Einfluss des Ideals akademischen Philosophierens auf die Figurengestaltung in den Spätdialogen Ciceros.......................................127 Sabine Retsch Quinte frater, si memoria tenes. Ciceros Familienporträt im Paratext (Cic. de orat. 2,1–3)...................................143 Anne-Marie Favreau-Linder Pourquoi donner un nom aux personnages de dialogues ? Réflexion théorique et mise en œuvre pratique dans les dialogues de Dion de Pruse....................................................................165 Anna Ginestí Rosell Der Umgang mit negativen Figuren in den Dialogen Plutarchs..........................189
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Inhaltsverzeichnis
Peter von Möllendorff Figurale Elaboration. Ästhetische Investitionen in dialogische Relevanz...........205 Annick Stoehr-Monjou Le triple statut de Marcus Minucius Felix: narrateur, personnage et arbitre de l’Octavius. Un témoignage de foi et d’action du Saint-Esprit (caritas, gaudium et pax).....................................................................................221 Jochen Sauer Adressaten, Dialogfiguren und der implizite Leser in Augustinus’ Cassiciacum-Dialogen.................................................................241 Gernot Michael Müller Gemeinschaftsbildung im Geiste Martins von Tours. Sulpicius Severus’ Gallus und die Frage, ob Christen in der Lage waren, Dialoge zu verfassen............................................................................................261 Orts- und Namenregister......................................................................................301 Stellenregister.......................................................................................................305
EINLEITUNG Gernot Michael Müller I. Auch wenn die erste historische Gesamtdarstellung des literarischen Dialogs bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts verfasst wurde,1 lässt sich eine intensivere literaturwissenschaftliche Erforschung dieser für die Wissensliteratur zwischen Antike und Moderne konstitutiven Gattung erst in den letzten Jahrzehnten beobachten. Diese zielte zunächst in produktiver Auseinandersetzung mit der entsprechenden linguistischen Forschung auf eine Abgrenzung des literarischen Dialogs zu den mannigfaltigen Formen des mündlichen Gesprächs und damit auf seine präzise Definition als Gattung der Schriftlichkeit.2 Wie sich mündliche Rede situationsbedingt der Schriftlichkeit annähern kann, so orientiert sich der literarische Dialog zwar an der mündlichen Rede und ihren unterschiedlichen Artikulationsformen und -niveaus. Hierbei handelt es sich aber grundsätzlich um fingierte Mündlichkeit im Medium der Schrift, mithin also um das grundlegende Charakteristikum einer schriftlichen Gattung.3 Vor diesem Hintergrund lässt sich der Dialog als schriftliche Gattung definieren, deren konstitutives Merkmal die schriftlich inszenierte kommunikative Interaktion zweier oder mehrerer Sprecherinstanzen darstellt und die hierfür das Möglichkeitsrepertoire mündlicher Rede in das Medium der Schrift überführt.4 Auf diese elementare Bestimmung des literarischen Dialogs in Abgrenzung zum mündlichen Gespräch folgte seine Abgrenzung gegenüber vergleichbaren Formen im Bezirk literarischer Schriftlichkeit, mithin gegenüber den vielfältigen Formen des Dialogs als Bestandteil narrativer Literatur in Prosa und Vers. Anders als in Erzählung, Novelle oder Roman, in denen der Dialog eingebettet ist in ein 1 2
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Hirzel (1895). Vgl. zur linguistischen Dialoganalyse den Überblick in Hess-Lüttich (1994) 606–621 und Fries/Weimar (1997) 354–356 sowie die Beiträge in Hundsnurscher/Weigand (1986–2010) und Luzzati u. a. (1997); vgl. ferner Henne/Rehbock (42001); Brinker/Sager (1989) und Spiegel (1995). Die Unterscheidung zwischen dem mündlichen Gespräch und dem Dialog als literarischer Gattung findet im Reallexikon der germanistischen Literaturwissenschaft ihren Niederschlag darin, dass dieses zwei Lemmata „Dialog1“ und „Dialog2“ führt, von denen das eine das linguistische Phänomen, das andere die literarische Gattung bespricht (Fries/Weimar [1997] wie oben). Im Linguistischen Wörterbuch von Lewandowski (1973/61994) findet sich eine solche Unterscheidung indes noch nicht. S. ferner Bauer (1969) 10 und Hösle (2006) 32–33. Vgl. Westermann (2002) 10–15 und Hösle (2006) 38–41. Siehe Hempfer u. a. (2001) 73 und Föllinger/Müller (2013a) 2–3.
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übergeordnetes Narrativ, besteht ein literarischer Dialog ausschließlich aus Wechselrede, welche allenfalls eine narrative Rahmung aufweisen oder von knappen Erzählerkommentaren unterbrochen sein kann.5 Diese bleiben aber zwingend auf das Gespräch bezogen, indem sie etwa Zusammensetzung der Gesprächspartner, Ort, Zeitpunkt oder Anlass der Zusammenkunft klären sowie auf Veränderungen der Gesprächskonstellation während der Dialoghandlung verweisen. Im Horizont einer Unterscheidung zwischen literarischem Dialog und dem Dialog als Bestandteil narrativer Gattungen steht sodann eine weitere Klarstellung, die das Verhältnis des literarischen Dialogs zum Konzept der Dialogizität betrifft, wie es von Michael Bachtin entwickelt worden ist. Wie Dialogizität im Bachtinschen Sinne allen literarischen Gattungen zu eigen sein kann und daher nicht für eine Abgrenzung zwischen narrativen Texten und literarischen Dialogen geeignet ist, lässt sich dieses ebenso wenig als konstitutives Wesensmerkmal für jenen verbuchen.6 Denn die Tatsache, dass ein literarischer Dialog in Wechselrede verfasst ist, muss nicht bedeuten, dass diese zwingend dialogisch im Sinne Bachtins gestaltet sein muss. Wie jedes mündliche Gespräch kann ein literarischer Dialog monologische Struktur aufweisen, insofern er beispielsweise eine Wechselrede inszeniert, in der der einen Gesprächsinstanz nur Bestätigung oder Nachvollzug der Auffassung der anderen obliegt, ohne durch deren Infragestellung einen veritablen Austausch unterschiedlicher Meinungen herbeizuführen.7 Zuletzt hat sich die Performativitätsforschung dem literarischen Dialog zugewandt und den Blick für die spezifischen Dynamiken der Gattung geschärft, die sich ebenso textintern wie -extern realisieren lassen. Unter anderem in Anlehnung an den theaterwissenschaftlichen Begriff der Performance wendet sich die Performativitätsforschung8 zwar außertextuellen Phänomenen wie Theater, Spiel, Ritual oder allgemein gesellschaftlichen Praktiken und kulturellen Dynamiken zu, die sie dezidiert im Gegensatz zur Fixiertheit schriftlicher Äußerungen sieht.9 Allerdings vermag gerade der literarische Dialog ein Beispiel dafür abzugeben, dass auch Formen textinterner und mithin schriftlich inszenierter Performativität existieren, insofern dieser anders als ein Dramentext nicht die Vorlage für eine textexterne Aufführung abgibt, sondern der Text gleichsam selbst die Bühne bildet, auf der verschiedene Figuren im kommunikativen Austausch interagieren und eine wie auch 5
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Dialoge, die ausschließlich aus Wechselrede bestehen, werden als „dramatische Dialoge“ bezeichnet, während solche Dialoge, die narrative Rahmung und binnenstrukturierende Erzählerkommentare aufweisen, „narrative Dialoge“ genannt werden. Zu dieser Unterscheidung siehe Häsner (2004) 29–32. Siehe Hempfer u. a. (2001) 71–72, Hempfer (2002a) 10–16 und Huss/Müller (2002) 225–231. Vgl. zur Unterscheidung zwischen dialogischen und monologischen Dialogen Häsner (2002) 118–119 und Huss/Müller (2002) insb. 256–265 am Beispiel der Disputationes Camaldulenses des humanistischen Autors Cristoforo Landino. Für einen aktuellen Forschungsüberblick siehe die Beiträge in Hempfer/Volbers (2011) sowie für eine präzise Definition und Abgrenzung der Begriffe performance, Performanz und Performativität darin Hempfer (2011a). Vgl. zusammenfassend Fischer-Lichte/Roselt (2001).
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immer geartete Gesprächsdynamik entwickeln.10 Diesem als strukturelle Performativität bezeichneten Charakteristikum literarischer Dialoge wurde eine weitere gegenübergestellt, die funktionale Performativität genannt wird.11 Die Überlegungen der Sprechakttheorie von der Satzebene auf die Ebene ganzer Texte übertragend, verweist diese darauf, dass literarische Dialoge ebenso wie einzelne Sätze Handlungen konstituieren können, insofern die im Text dargestellte Welt als Einladung begriffen werden kann, die textexterne Welt in ihrem Sinne zu verstehen oder zumindest mit dieser zu vergleichen.12 Aufbauend auf den definitorischen Bemühungen der jüngeren Dialogforschung hat die Applikation des Performativitätsbegriffs auf den literarischen Dialog neben dem Aufweis bestimmter sozialer Funktionen der Gattung vor allem dazu beigetragen, die konstitutive Prozesshaftigkeit des textinternen Dialoggeschehens als konstitutives Element des literarischen Dialogs stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Dieser Aspekt wurde dabei zunächst vor allem in Bezug auf die argumentative Seite des Dialoggeschehens theoretisch reflektiert und in seinen verschiedenen Ausprägungen systematisiert.13 Vor allem in Abgrenzung zum Traktat und seiner sich linear entsprechend der Lektürezeit des Rezipienten entwickelnden Argumentation wurde darauf hingewiesen, dass das grundlegende Merkmal des literarischen Dialogs darin besteht, dass sich dessen Gegenstand durch die kommunikative Interaktion zweier oder mehrerer Figuren als ein kommunikatives Geschehen in einem bestimmten raumzeitlichen Setting entwickelt. Hieraus resultieren vielfältige Möglichkeiten, Argumentation bzw. Genese von Wissen in ihrer Prozesshaftigkeit und Dynamik vorzuführen, was in einem Traktat in dieser Weise so nicht möglich ist. Hierzu zählt nicht nur die grundlegende Frage nach den Bedingungen von Gelingen oder auch Misslingen, sondern auch die Kontext- und Situationsgebundenheit der Konstitution von Wissen. So ist das kommunikative Geschehen eines literarischen Dialogs offen für Abschweifungen, Unterbrechungen oder Widersprüchlichkeiten. Die Figurenkonstellationen können sich ebenso ändern wie auch der Ort, an dem das Gespräch geführt wird. All diese Aspekte können in ihrem Einfluss auf das jeweils angestrengte Erkenntnisziel gleichsam wie auf einer textinternen Bühne vorgeführt und in actu theoretisch reflektiert werden. Schließlich kann grundsätzlich erprobt werden, welche Bedeutung kommunikative Interaktion für die Gewinnung von Erkenntnis überhaupt hat, bzw. auf welche Weise diese zu gelingen vermag oder zum Scheitern führen kann. Das in der neueren Literaturwissenschaft gewonnene Bewusstsein für das gerade skizzierte argumentative Möglichkeitsrepertoire als gattungskonstitutives Merkmal des literarischen Dialogs hat seine Vorläufer in der philosophiegeschicht 10 Zum Verhältnis von Performativität und Text siehe Häsner u. a. (2011). 11 Zur Unterscheidung von struktureller und funktionaler Performativität siehe grundlegend Hempfer u. a. (2001) 68–69 und Häsner (2004) 29–32. 12 Siehe hierzu Krämer/Stahlhut (2001) sowie Häsner (2004) 48–52. 13 Zum Folgenden siehe die konzisen Ausführungen in Hempfer u. a. (2001) 74–76 sowie Häsner (2004).
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lichen Forschung, insbesondere in der Exegese der Dialoge Platons, denen nicht nur in der philosophischen, sondern in der Dialogforschung allgemein häufig Modellcharakter zugeschrieben wird. Das Interesse an den philosophischen Implikationen der Sokratischen Disputierkunst hat schon seit längerem Aufmerksamkeit für die Gesprächshandlung der platonischen Dialoge geweckt.14 Dieser ging es einmal darum, aus dieser die philosophische Methode des historischen Sokrates zu rekonstruieren, zum anderen aber stets auch darum, unabhängig von der Frage nach dessen Historizität sein Gesprächsverhalten als Methode des Erkenntnisgewinns zu analysieren. Als transhistorisches Medium der Philosophie hat die philosophische Forschung den literarischen Dialog indes ebenfalls erst in jüngerer Zeit und damit modo grosso in Koinzidenz mit dem Aufkommen von dessen intensiverer literaturwissenschaftlicher Erschließung entdeckt.15 Einer transhistorischen Aufarbeitung der Gattung, die ihrer hohen Bedeutung als Medium der Philosophie von der Antike bis an die Grenze zur Moderne und teilweise darüber hinaus gerecht würde, stand unter anderem lange entgegen, dass die Philosophiegeschichtsschreibung praktisch alle auf Platon folgenden Vertreter der Gattung als Dekadenzformen des in dessen Œuvre repräsentierten Idealmodells des philosophischen Dialogs angesehen hat.16 Einhelliges Ergebnis der jüngeren Forschungsgeschichte zum literarischen Dialog und seinen formalen Charakteristika ist der Aufweis, dass dessen spezifische Möglichkeiten auf der Ebene der Argumentation einer inhaltlichen Vielschichtigkeit Raum gewähren, die in einem Traktat so nicht zu realisieren ist.17 Der oben in aller Kürze skizzierte Spielraum in der argumentativen Gestaltung, der zum einen das weite Feld der unterschiedlichen Gelingensbedingungen gesprächsweiser Themenentfaltung bzw. Wissenskonstitution oder auch von deren Scheitern umfasst und zum anderen Kommunikation als solche ganz grundlegend zum Thema machen kann, wird in der Forschung über die sich intensivierende Erschließung einzelner Autoren hinaus inzwischen sowohl mit Blick auf einzelne Epochen der Gattungsgeschichte18 wie auch in epochenübergreifenden Zusammenhängen, die das gesamte Spektrum von der Antike bis an die Schwelle zur Moderne erfassen, breiter untersucht und einer transhistorischen Systematisierung zugeführt.19 Dabei steht das Verhältnis zwischen dem argumentativen Gestaltungsspielraum und den verschiedenen Subgattungen des literarischen Dialogs, die sich weitgehend schon im Laufe der antiken Gattungsgeschichte herausgebildet haben, ebenso zur Debatte wie die Frage nach den epistemologischen Implikationen bestimmter argumen-
14 Vgl. u. a. Kahn (1996), Rosetti (1997), Gill (2002). 15 S. hierzu Hösle (2006). 16 So schon Hirzel (1895) 6; vgl. ferner Dirlmeier (1960) 35 und der Tendenz nach Häsner (2004) 13. 17 Vgl. hierzu nochmals Hempfer u. a. (2001) 72–73 und Häsner (2004) 19–23. 18 Zum Dialog im Mittelalter siehe Cardelle de Hartmann (2007), zum Dialog der Renaissance Marsh (1980) und Cox (22008); zum antiken Dialog siehe unten Anm. 30. 19 Siehe hierzu Guellouz (1992) und die Beiträge in Hempfer/Traninger (2010).
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tativer Settings und infolgedessen nach deren verschiedenen epochalen Konjunkturen.20 II. Innerhalb der inzwischen etablierten Dialogforschung wird ein wesentliches konstitutives Element des literarischen Dialogs zwar wiederholt benannt und in seiner Bedeutung gewürdigt, aber bislang noch kaum systematisch erforscht. Die Rede ist von den Dialogfiguren, die als verbindendes Element aller Unterarten des literarischen Dialogs unabhängig von deren argumentativen Spezifika zu gelten haben, weil sie einen unabdingbaren Bestandteil eines literarischen Dialogs darstellen. Ihr Beitrag zur Realisierung von dessen argumentativen Gestaltungsmöglichkeiten ist oben schon angeklungen. Denn das dialogspezifische Potenzial, über eine Gesprächshandlung das Entstehen von Wissen selbst zum Thema zu machen und die dafür notwendigen Bedingungen gleichsam performativ vorzuführen, entfaltet sich über die Interaktion der Dialogfiguren. Mithin sind es sie, die Digressionen verursachen, Widersprüche bewusst oder unbewusst provozieren, Unterbrechungen einfordern, Dissens markieren, andere Erklärungsstrategien von ihrem Gegenüber einfordern, deren Überzeugungskraft generell in Frage stellen, den Gesprächsprozess gar zum Scheitern bringen usw. Indes verantworten die Dialogfiguren nicht nur die Möglichkeiten zur inhaltlichen Vielschichtigkeit auf argumentativer Ebene.21 Darüber hinaus lassen sich über sie je nach Grad ihrer Ausgestaltung weitere Aussagebereiche realisieren, die mit der argumentativen Ebene nur mehr in lockerer Verbindung stehen müssen. Diese bedingen sich durch die Körperlichkeit der Dialogfiguren, die sich je nach Bedarf freilich unterschiedlich detailliert ausgestalten lässt.22 So können diese bereits in nur rudimentärer Konzipierung differierende Wissensvoraussetzungen für das Gesprächsthema an den Tag legen, ihre Bereitschaft, sich auf ein Gespräch einzulassen, kann variieren, schließlich kann sich ihre Zielstrebigkeit im Hinblick auf das Erreichen des Erkenntnisziels unterscheiden, um nur einige Möglichkeiten zu benennen, wie sich über die Dialogfiguren die jeweilige Disposition der Gesprächspartner für Erfolg, spezifischen Verlauf oder eben auch Scheitern eines Kommunikationsprozesses thematisieren lässt. Solche Bereiche tangieren das weite Feld der Charakterzeichnung, die umso stärker zum Tragen kommen kann, je mehr die Dialogfiguren mit anthropomorphen Zügen ausgestattet werden. So lassen sich zusätzlich zu den soeben genannten Aspekten verschiedene Voraussetzungen thematisieren, die sich aus den (fingierten) Lebenskontexten der Dialogfiguren ergeben, indem diese den Gesprächsprozess 20 Siehe hierzu Hempfer u. a. (2001) 84–87 für den Dialog der Renaissance, zum angeblichen Versiegen des Dialogs mit dem aufkommenden Christentum in der Spätantike siehe Goldhill (2008). 21 Zu diesen Möglichkeiten siehe konzise Hempfer u. a. (2001) 73–75. 22 Vgl. Häsner (2004) 36–37.
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inhaltlich wie auch in Bezug auf das Verhalten beeinflussen können. Schließlich können Dialogfiguren historischen lebenden oder verstorbenen Personen nachgebildet sein, so dass Hinweise auf Charakter und Lebensumstände nicht unbedingt von diesen selbst gegeben werden müssen, weil ein entsprechendes Wissen unter Umständen von den (zeitgenössischen) Rezipienten vorausgesetzt werden kann. Derart komplex gestaltete Dialogfiguren beeinflussen nicht nur mit einer Fülle von zusätzlichen Informationen das Verständnis der Gesprächshandlung, sondern sie können auch auf textexterne Wirkung angelegt sein. Hierzu zählt etwa die Möglichkeit, Personen mit entsprechendem gesellschaftlichem Ansehen als nachahmenswerte Beispiele vorzuführen oder zu erinnern. Jedenfalls fordern Dialogfiguren, die ihre Modelle aus der realen Welt beziehen, in besonderem Maße zu einem Vergleich zwischen dieser und dem textinternen Gesprächssetting heraus.23 Bereits diese wenigen Bemerkungen lassen erkennen, dass für die Realisierung der für literarische Dialoge konstitutiven inhaltlichen Vielschichtigkeit die Dialogfiguren von zentraler Bedeutung sind, und dies vor allem auch, weil sich über sie nochmals weitere Themenfelder verhandeln lassen als jene, die mit dem Argumentationsprozess im engeren Sinne in Zusammenhang stehen. Dabei entscheidet der Grad der Ausgestaltung entlang der gerade skizzierten Spannbreite, wie viele inhaltliche Aussageebenen über die Dialogfiguren in die Gesprächshandlung implementiert werden können, und damit über die inhaltliche Komplexität des jeweiligen Dialogs insgesamt. Vor diesem Hintergrund haben die Dialogfiguren und ihr Gestaltungsspielraum noch nicht die Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren, die ihnen angesichts ihrer gattungstypologischen Relevanz zukäme. Dies betrifft nicht zuletzt auch den antiken Dialog. Freilich gilt dies nicht für einzelne Autoren, so einmal mehr für Platon, bei dem sowohl die Gestaltung der Dialogfiguren, insbesondere freilich jener des Sokrates, als auch deren Relevanz für die spezifischen kommunikativen Strategien der Gesprächshandlung und darüber hinaus nicht erst in jüngerer Zeit auf Interesse stoßen.24 Aber auch bei anderen Autoren zeigen sich erste Ansätze einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Rolle der Dialogfiguren für Poetik und Aussageabsicht des jeweiligen Dialogœuvres wie beispielsweise bei Cicero,25 Varro26 oder Plutarch.27 Systematische Wahrnehmung hat die Figurengestaltung als gattungskonstitutives Element des literarischen Dialogs bislang erst in der Renaissanceforschung erhalten, wobei diese erstmals auch eine Typologie für formalen Spielraum und Funktion anthropomorpher Figurengestaltung entworfen hat.28 23 Mit Bezug auf den literarischen Dialog der Renaissance siehe Häsner (2002); zu Cicero vgl. die Anmerkungen in Müller (2011). 24 Siehe u. a. Conventry (1990), Frede (1992), Blondell (2002), Nails (2002), Zuckert (2009), die Beiträge in Cornelli (2015) und Humar (2017). 25 Vgl. Gildenhard (2013), Steel (2013), Müller (2011), Sauer (2013) und Müller (2015). 26 S. Diederich (2007) und (2013). 27 S. Egelhaaf-Gaiser (2013) und Ginestí Rosell (2013). 28 S. grundlegend Häsner (2002) und (2004), am Beispiel von Lorenzo Vallas De voluptate s. Müller (2002).
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Ausgehend von den Ergebnissen, die die Erforschung der Figurenkonzeptionen in einzelnen antiken Dialogœuvres gezeitigt hat, sowie den Initiativen zu einer Systematik der Figurengestaltung und -interaktion in der Forschung zur nachantiken Gattungsgeschichte möchten die Beiträge dieses Sammelbandes erstmals anhand einzelner Fallstudien die Figurengestaltung und -interaktion des antiken Dialogs in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Möglichkeiten untersuchen und auf diese Weise Elemente einer Systematik dieses zentralen Bereichs der Poetik literarischer Dialoge für jene Epoche erarbeiten, in der die Fortüne der Gattung in der europäischen Literaturgeschichte begonnen hat.29 Der Band versteht sich dabei nicht nur als produktive Zusammenführung jener erwähnten autorzentrierten Forschungsaktivitäten mit dem Ziel, ein epochales Gesamtpanorama zu erstellen, sondern dezidiert auch als Fortführung und präzisierende Ergänzung jüngerer Bemühungen um eine Erforschung des antiken Dialogs in seiner gesamten Breite, die angesichts ihres Pioniercharakters zunächst thematisch weitgehend offen waren und dabei vor allem die vielfältigen Formen der argumentativen Gestaltung in den Blick genommen haben.30 III. Die dreizehn Beiträge des Bandes gehen auf die Vorträge einer internationalen altertumswissenschaftlichen Tagung zurück, die der Herausgeber in Kooperation mit der französischen Forschergruppe „Dialogos“ der Université Clermont Auvergne am 11. und 12. Mai 2017 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt veranstaltet hat. Sie stellen jeweils ein konkretes Werk oder Dialogœuvre in den Mittelpunkt, bald um die Spezifika von Figurengestaltung, -konstellation und Gesprächsinteraktion in diesem herauszuarbeiten, bald um ausgehend von ihm grundsätzlichere theoretische Fragestellungen zu erörtern oder an ihnen zu erproben. Ihre Anordnung erfolgt entlang der Chronologie der in ihnen behandelten Werke oder Autoren. Den Auftakt des Bandes bildet der Aufsatz von Diego De Brasi mit dem Titel „‚Indem wir uns durch Gespräche aufmuntern‘ (Plat. leg. 625b6). Platons Nomoi als Beispiel gelungener Dialogizität“ (S. 31–54). Sein Ausgangspunkt ist die verbreitete Forschungsmeinung, wonach die Nomoi als atypischer Dialog Platons zu gelten hätten, weil sie analog zum Timaeus eine eher monologische Struktur aufwiesen und die Gesprächsstruktur in ihnen auf ein Minimum reduziert sei. Grundlage hierfür ist unter anderem die Auffassung, dass die beiden Protagonisten Kleinias und Megillos mehr oder weniger als bloße Stichwortgeber für die Argumente der Figur des fremden Atheners fungierten. Dagegen kann De Brasi aufzeigen, dass die Nomoi durchaus die Absicht verfolgen, ein Beispiel für erfolgreiche Gesprächsinteraktion abzugeben. Hierzu untersucht er zunächst die drei Dialogfiguren 29 Für Hinweise auf literarische Dialoge in den altorientalischen Literaturen siehe Hösle (2006) 79–81 mit Angaben zu weiterer Literatur. 30 Vgl. die Sammelbände von Föllinger/Müller (2013) und Dubel/Gotteland (2015).
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des Werks und arbeitet heraus, dass diese trotz ihrer übereinstimmenden Charakterisierung als ältere, einander zugetane und übereinstimmend an der Analyse von Rechtssystemen interessierte Männer eine asymmetrische Beziehung aufweisen. Denn der fremde Athener verfügt mehr als seine Gesprächspartner über Kompetenzen in ganz unterschiedlichen Bereichen, die auch Religion und philosophische Argumentation einschließen. Ausgehend von diesem Befund schließt De Brasi, dass Platon in seinen Nomoi die Koordinaten einer von Respekt geprägten Konversation legen wollte, in deren Rahmen der fremde Athener als Lehrer der beiden anderen Dialogfiguren erscheinen sollte. Mit der exemplarischen Analyse zweier hierfür einschlägiger Partien im achten und neunten Buch des Werks, die einen evidenten didaktischen Ton aufweisen, schließt der Beitrag ab. Der anschließende Aufsatz stammt von Sabine Föllinger und ist überschrieben mit „Ethopoiie und Fiktionalität des Dialogs“ (S. 55–67). Er geht der Frage nach, warum antike Dialogautoren immer wieder historische Personen als Gesprächspartner auftreten lassen, auch wenn andere Möglichkeiten denkbar waren und umgesetzt wurden. Ausgehend von modernen und antiken Überlegungen zur Fiktionalität entwickelt der Beitrag auf der Grundlage der Aristotelischen Dichtungstheorie die These, dass die Verwendung historischer Personen und entsprechender Ethopoiien ein wichtiges Element für den fiktionalen Charakter von Dialogen markierte. Denn sie steht nicht im Gegensatz zur Fiktionalität des jeweiligen Werks, sondern sie dient dazu, den Gehalt des Dargestellten zu plausibilisieren. Auf diese Weise verleiht sie dem Dialog auf der propositionalen Ebene einen Allgemeinheitsgrad, der gerade über die spezifische, vom Autor gestaltete Situation hinausweist. Dass Dialoge in der Antike als fiktionale Gattung wahrgenommen wurden, macht Föllinger schließlich anhand der Aristotelischen Poetik und einiger autoreferentieller Bemerkungen Ciceros deutlich, bevor sie am konkreten Beispiel von Xenophons Oikonomikos aufzeigt, welche Rolle die Ethopoiie für die Plausibilisierung der dort inszenierten Figur des Sokrates spielt. Der nächste Beitrag des Bandes ist ebenjener Figur des Sokrates gewidmet, indem er sich zum einem mit ihr als Gründungsfigur des antiken Dialogs im Horizont der λόγοι Σωκρατικοί auseinandersetzt und zum anderen seiner Rezeption als literarische Figur in Rom nachgeht. Ausgangspunkt für Mélanie Luccianos Ausführungen, die mit „Socrate comme personnage de dialogue à Rome. Quelques exemples chez Plaute, Lucilius et Cicéron“ überschrieben sind (S. 69–88), ist der Befund, dass Sokrates’ Gestaltung als Dialogfigur von den ersten Sokratikern an und vor allem seit Platon konstitutiv an dessen Art der Gesprächsführung rückgebunden ist, und dies wegen der Mündlichkeit und Dialogizität seines Philosophieverständnisses. Interessanterweise kann Lucciano daraufhin aufzeigen, dass diese Figurengestaltung in der frühen lateinischen Literatur erst einmal keine Entsprechung findet, wenn Sokrates etwa in Plautus’ Pseudolus als seruus callidus erscheint, dessen Rede Mittel zur List ist, oder seine Rede in den Satiren des Lucilius als unnütz abqualifiziert wird. Erst mit Cicero, so Lucciano im nächsten Schritt ihrer Ausführungen, avanciert Sokrates in der lateinischen Literatur zur Dialogfigur. Dabei kann sie bei Cicero eine bewusste Anpassung seiner Sokrates-Figur an das römische decorum herausarbeiten, wodurch sich eine charakteristische Distanzierung gegen-
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über seiner platonischen Vorlage ableitet. Allerdings führt auch dies nicht dazu, dass die Sokrates-Figur zu einer Identifikationsfigur für die römische Gesellschaft avanciert, wie die Autorin am Ende ihres Beitrags am Beispiel des Rutilius Rufus aufzeigen kann. Mit seinem abschließenden Fokus auf Cicero leitet Mélanie Luccianos Beitrag zu einer Sequenz von vier Aufsätzen über, die unterschiedlichen Aspekten seines umfangreichen Dialogœuvres gewidmet sind. Deren erster stammt von Jean-Pierre De Giorgio und trägt den Titel „Facere inter se disputantes (Cic. Att. 13,19). Cicéron, l’auteur et ses personnages“ (S. 89–107). In ihm beleuchtet De Giorgio Ciceros Projekt, die griechische Philosophie nach Rom zu transferieren, anhand der komplexen Relation zwischen dem Autor Cicero, den von ihm entworfenen Dialogfiguren und der Cicero-persona selbst als Figur seiner Dialoge. Dazu diskutiert er zunächst die Problematik der Verwendung lebender Dialogfiguren (wie Varro in den Academica posteriora), wie sie Cicero im Brief Att. 13,19 aufwirft, um daraufhin zu zeigen, dass sich in Ciceros Œuvre die Präsenz der Autorfigur Cicero graduell erhöht: War sie in De oratore in der Nachfolge von Herakleides von Pontos noch schweigsam, erscheint sie in den aristotelisch inspirierten Dialogen (De finibus, Academica priora) als Gesprächspartner von bereits verstorbenen Personen, um sich hin zu den Academica posteriora als zeitgenössischer ‚Cicero‘ zu präsentieren und sich damit von jeglichem Vorbild zu lösen. Die Funktion der Autorfigur kann sich damit, so die These De Giorgios, auf die mit dem aptum begründete Auswahl der Dialogfiguren beschränken oder sie dient dazu, Cicero als Vollzieher des kulturellen Transfers von Griechenland herauszustellen. Das Prozedere Ciceros empfiehlt sich damit als neuer, römischer Dialogtypus, der den herakleidischen und aristotelischen Typus gleichermaßen überwindet. Indem Cicero überdies als Thema seiner Dialoge die Philosophie wählt und den einzelnen Dialogpartnern – wiederum nach Maßgabe des aptum – einzelne philosophische Schulen zuteilt, präsentiert er sich einerseits selbst als Dialogfigur auf Augenhöhe mit den anderen zur Disposition stehenden Perspektiven, andererseits aber als auktorialer, eloquenter Autor, der alle Perspektiven kennt und mittels seiner eigenen Eloquenz und seines Wissens zusammenführt. Damit legitimiert er, so die abschließende Folgerung De Giorgios, als Dialogfigur und als realer Autor den kulturellen, historischen und sozialen Transfer der Philosophie von Griechenland nach Rom. Hierauf wendet sich Malcolm Schofield unter dem Titel „Atticus in De Legibus and Brutus“ (S. 109–125) der Figurengestaltung von Ciceros Freund Atticus in den beiden genannten Dialogen zu. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, dass die Dialoge De legibus und Brutus aufgrund eines ähnlichen Settings, der Bezugnahme zur aktuellen politischen Lage, einer gleich großen Zahl der Gesprächsteilnehmer und der Verteilung der Redeanteile als Paar betrachtet werden können, auch wenn sie aus zwei verschiedenen Schaffensperioden Ciceros stammen. Eine wichtige Beziehung liegt darin, dass in beiden Werken neben dem Hauptredner Cicero dessen Freund Atticus als aktiver Gesprächspartner und Impulsgeber für das jeweilige Thema auftritt. Jedoch ist die Implementierung seiner Figur je verschieden: Im ersten Buch von De legibus muss er Kritik gegen die Epikureer und den Nachweis der Überlegenheit des stoischen Gerechtigkeitskonzepts unwidersprochen hinnehmen.
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Diese problematische Darstellung mag damit erklärt werden, dass De legibus wohl nie veröffentlicht und damit nicht endgültig überarbeitet worden ist. Im Brutus kommen Atticus (im Vergleich zu Brutus) die bedeutenderen Einwände und Ergänzungen zu. Seine kritische Haltung gegenüber der Ironie steht dabei in einem Spannungsverhältnis zu Ciceros ambivalentem Lob der römischen Beredsamkeit. Der nächste Aufsatz, der Ciceros Dialogen gewidmet ist, stammt von Johannes Sedlmeyr und widmet sich unter dem Titel „Nemo dubitat Academicum praelatum iri. Der Einfluss des Ideals akademischen Philosophierens auf die Figurengestaltung in den Spätdialogen Ciceros“ (S. 127–142) der Frage, inwieweit Diskurspraktiken der Akademie einen Einfluss auf die Gestaltung der Dialoge Ciceros, insbesondere der seines Spätwerks ausüben. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die von Augustinus überlieferte, jedoch auf Cicero zurückgehende Beschreibung der emblematischen Idealfigur des akademischen Weisen, die sich insbesondere durch eine bestimmte Form der Gesprächsinteraktion von den sapientes anderer philosophischer Schultraditionen unterscheidet. Der erste Teil des Aufsatzes setzt sich mit der Überlieferung des Konzepts des Academicus sapiens in Augustinus’ Contra Academicos und Ciceros Rede Pro Murena (§§ 60–66) auseinander und lotet dessen philosophiegeschichtliche und diskurstheoretische Implikationen aus. In einem zweiten Schritt nimmt der Beitrag jene Gesprächsszenarien in den Blick, in denen Cicero das von ihm bevorzugte Modell für den philosophischen Austausch entwirft. Dieses scheint dabei gleichermaßen den gesprächsethischen Maßstäben akademischen Philosophierens als auch den Erwartungen des römischen Lesers Rechnung zu tragen. Der dritte Teil des Beitrags analysiert die Cicero-Figur in De finibus bonorum et malorum I–IV und arbeitet heraus, dass deren Gesprächsverhalten im Gegensatz zu den jeweiligen epikureischen und stoischen Gesprächspartnern jenem des Academicus sapiens entspricht. Ein anschließender Exkurs legt dar, dass auch die Dialoggestaltung in De natura deorum auf das von Cicero als „akademisch“ empfundene Diskursideal rekurriert. Zum Abschluss folgert Sedlmeyr, dass dessen Attraktivität für Cicero auch in seiner Kompatibilität mit dem soziokulturellen Hintergrund seiner römischen Leser gelegen haben dürfte. Die spezifische Gesprächsgestaltung von Ciceros Dialogen und insbesondere die Gestaltung seiner Dialogfigur im Spätwerk erweisen sich vor diesem Hintergrund als wesentliche Strategeme im Rahmen seines literarischen Projekts, griechische Philosophie an ein römisches Publikum zu vermitteln. Im letzten Cicero gewidmeten Aufsatz verlässt Sabine Retsch den engeren Kreis der Dialoghandlung und wendet sich am Beispiel von De oratore dem komplexen Verhältnis von Proömien und Dialoghandlung in Ciceros Dialogen zu. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen mit dem Titel „Quinte frater, si memoria tenes […]. Ciceros Familienporträt im Paratext (Cic. de orat. 2,1–3)“ (S. 143–163) ist das Proömium des zweiten Buchs von De oratore, in dem Cicero das in seiner Kindheit verbreitete Gerücht thematisiert, die angesehenen Redner L. Licinius Crassus und M. Antonius hätten über keine griechische Bildung verfügt, um seinem Bruder Quintus, dem Adressaten des als Widmungsbrief markierten Proömiums, einige familiäre Zeugnisse in Erinnerung zu rufen, die das Gegenteil bewiesen hätten. In diesem Zusammenhang skizziert Cicero, in welchem Verhältnis einzelne Mit-
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glieder seines familiären Kollektivs, aber auch er selbst sowie Quintus zu Crassus und Antonius, den Hauptrednern des Dialogs, gestanden hätten. Dabei erweckt er nicht nur den Eindruck, so Retschs Analyse, er gewähre der Leserschaft, dem Adressaten auf zweiter Ebene, einen unverstellten Einblick in die Zeit seiner Kindheit und Jugend, sondern er stellt auf kompositorischer Ebene auch eine direkte Verbindung zwischen dem Proömium und dem eigentlichen Dialoggeschehen her. Ausgehend von dem Befund, dass sich weder in anderen Dialog Ciceros noch in einem weiteren Proömium eine vergleichbare ‚Verwandtenschau‘ findet und in De oratore mit Quintus zudem noch ein weiteres Familienmitglied als Widmungsträger gewählt wurde, unterzieht Retsch in ihrem Beitrag das komplexe Personengefüge des Proömiums einer umfassenden Analyse und legt dar, wie Cicero in diesem nicht nur sukzessive ein positives Familienporträt konstruiert, sondern auch der literarischen Inszenierung den Anschein von Historizität verleiht. Insbesondere zeigt sie dabei auf, dass Cicero gerade vermittels der im Paratext zwischen sich und den Leser des Werks geschalteten Quintus-Figur in Kommunikation mit seiner Leserschaft zu treten trachtet, um dieser vor dem Hintergrund der Widerlegung des besagten Gerüchts seinen eigenen familiären (Bildungs-)Hintergrund vor Augen zu führen. Auf die Sektion zu Ciceros Dialogœuvre folgen drei Beiträge, deren Fokus auf der Figurengestaltung in griechischen Dialogen der Kaiserzeit und deren theoretischer Reflexion liegt. Den Beginn macht Anne-Marie Favreau-Linders Aufsatz mit dem Titel „Pourquoi donner un nom aux personnages de dialogues ? Réflexion théorique et mise en œuvre pratique dans les dialogues de Dion de Pruse“ (S. 165– 188). In ihm widmet sich die Autorin den Reflexionen Dions von Prusa über die Namengebung von Dialogfiguren. Ihr Ausgangspunkt ist dabei dessen oratio 55 (Über Homer und Sokrates), in der Dion Elemente einer Theorie der Figurengestaltung im literarischen Dialog entwirft. Dabei hebt er die grundlegende Bedeutung einer Namengebung, die sich an bekannten Figuren der sokratischen Dialoge orientiert, hervor, um ethische Botschaften wirksam an die Rezipienten vermitteln zu können. Den Ursprung für diese charakteristische Figurenkonstellation, wonach Sokrates einem Gesprächspartner gegenübersteht, der entweder ein spezifisches Laster aufweist, von dem es ihn zu befreien gilt, oder eine Tugend verkörpert, zu der aufgefordert werden soll, lokalisiert Dion bei Homer, was Favreau-Linder zum Anlass nimmt, einige einschlägige Schlaglichter auf seine Ilias-Interpretation zu werfen. Der zweite Teil ihres Aufsatzes geht von dem Befund aus, dass Dion in den Dialogen, die er selbst verfasst hat, kaum Dialogfiguren auftreten lässt, die entsprechend seiner theoretischen Überlegungen ein Laster oder eine Tugend repräsentieren, wie er es in den sokratischen Dialogen oder den homerischen Epen greifen zu können meinte. Alleinige Ausnahme bildet hier ein Gespräch zwischen Diogenes und Alexander d. Gr. in oratio 4 (Gespräch über das Königtum). Dies nimmt Favreau-Linder abschließend zum Anlass für eine Untersuchung, wie Dion seine in orat. 55 niedergelegten theoretischen Überlegungen in jenem Dialog umgesetzt hat. Im folgenden Beitrag wendet sich Anna Ginestí Rosell dem umfangreichen Œuvre Plutarchs zu. Unter dem Titel „Der Umgang mit negativen Figuren in den Dialogen Plutarchs“ (S. 189–204) analysiert sie den Befund, dass Plutarch in seinen
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Dialogen wiederholt negativ gezeichnete Figuren auftreten lässt, die deutlich als solche identifizierbar sind. Leitende These ihrer Ausführung ist, dass Plutarch diese auftreten lässt, um seinen Rezipienten über den Kontrast die Gelegenheit zu bieten, ihre eigene Gesprächskunst auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls zu verbessern. Um dies zu verdeutlichen, unterzieht sie die negativen Figuren aus De E apud Delphos, Amatorius und den Quaestiones Convivales einer Analyse und arbeitet Ähnlichkeiten in ihrer Darstellung sowie im Umgang der Gesprächsgemeinschaft mit diesen heraus. So agieren diese übereinstimmend außerhalb der Konventionen des philosophischen Gesprächs und werden auf diese Weise als Störer identifiziert. Diese Funktion signalisiert Plutarch dabei durch entsprechende Signale in der Charakterisierung der Personen, durch fehlerhaftes Kommunikationsverhalten oder durch die ablehnende Reaktion der Gesprächsteilnehmer auf ihre Beiträge. Gemeinsam ist den drei Dialogen auch, dass die Auseinandersetzung mit den negativen Figuren als Aufgabe des Kollektivs verstanden wird, was zu notwendigen Strategien der Gruppenverständigung führt. Die negativen Figuren helfen Autor und Leser somit gleichermaßen, die Grenzen des Gespräches auszuloten und der dargestellten Gesprächsgemeinschaft deutliches Profil zu verleihen. Der anschließende Aufsatz stammt von Peter von Möllendorff und trägt den Titel „Figurale Elaboration. Ästhetische Investitionen in dialogische Relevanz“ (S. 205–220). Sein Fokus liegt auf der Ausarbeitung der figuralen Dimension im Dialog, mithin auf Reichtum und Eindringlichkeit von Persönlichkeitsmerkmalen und inszenierten oder erzählten Verhaltensweisen, mit denen Dialogfiguren über ihre Redebeiträge hinaus ausgestattet werden. Dabei konzentriert sich der Beitrag zunächst auf die Figur des Kynikers Alkidamas im gleichnamigem Dialog Lukians, um abschließend einen Ausblick auf den Alkibiades des Platonischen Symposions zu geben. Im Hinblick auf Lukians Alkidamas-Figur plädiert von Möllendorff zum einen dafür, den Kyniker als Rezeptionsfigur des athenischen Politikers zu verstehen. Zum anderen und grundlegender zeigt er auf, dass sein Auftreten ebenso wie jenes des Alkibiades in Platons Symposion die Propositionen ihrer Redebeiträge signifikant übersteigt. Hierin erkennt er einen von den Dialogautoren bewusst herbeigeführten Bedeutungsüberschuss, den er als ästhetische Intensivierung mit dem Ziel begreift, der Wirkung einer je für sich überwältigenden, unberechenbaren und letztlich unbeherrschbaren Persönlichkeit in der Dialoghandlung gerecht zu werden. Den Abschluss des Sammelbandes bilden drei Beiträge, die Beispielen des lateinischen Dialogs in der frühchristlichen Literatur bzw. der Spätantike gewidmet sind. Ihren Auftakt bildet Annick Stoehr-Monjous Aufsatz, in dem sie entsprechend seinem Titel „Le triple statut de Marcus Minucius Felix: narrateur, personnage et arbitre de l’Octavius. Un témoignage de foi et d’action du Saint-Esprit (caritas, gaudium et pax)“ (S. 221–240) herausarbeitet, dass der Autor des ersten frühchristlichen Dialogs in lateinischer Sprache für sich drei Rollen konzipiert: die des Erzählers, des Freundes der beiden anderen Protagonisten und schließlich des Richters über die Kontroverse zwischen dem Paganen Caecilius und dem Christen Octavius. Diese Unterscheidung erlaubt ihr daraufhin, die Aussageabsicht des Dialogs um einen in der Forschung bislang nicht beachteten Aspekt zu ergänzen. So
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liege seine Funktion auch darin, die Kraft des Glaubens und des Hl. Geistes, artikuliert in gaudium, pax und caritas, zu dokumentieren, welche die drei Dialogfiguren nach Trauer, Meinungsverschiedenheit und Verstimmung in Verbundenheit zu vereinen vermag. Der nächste Beitrag stammt von Jochen Sauer. Unter dem Titel „Adressaten, Dialogfiguren und der implizite Leser in Augustinus’ Cassiciacum-Dialogen“ (S. 241–260) arbeitet er heraus, dass Augustinus in den Proömien seiner drei Cassiciacum-Dialoge (Contra Academicos, De beata vita und De ordine) mit der Ansprache an die Widmungsträger Romanianus, Theodorus und Zenobius jeweils einen paradigmatischen Rezipienten modelliert, der in engem Zusammenhang mit dem Anliegen und dem Inhalt des jeweiligen Dialogs steht. Augustinus’ Ziel ist es dabei, dem Leser über den Adressaten eine Rezeptionshaltung nahezulegen und ihn auf die Perspektive zu orientieren, aus der heraus er seine Schriften verstanden wissen will. Sauer zeigt sodann auf, dass diese gekonnt aufeinander aufbauen. So wird der Rezipient aus der Rolle eines skeptischen Anfängers, der ein erstes Schülergespräch mit einer anschließenden Auswertung durch Augustinus verfolgt (Contra Academicos 1) sukzessive zu dem Anspruch eines scharfsinnigen Rätsellösers geführt, der die in De ordine verhandelten Fragen über die Ordnung der Welt und der Theodizee eigenständig weiterentwickeln und lösen kann. In der Dialoghandlung sieht Sauer die Aufmerksamkeit des Lesers sodann in besonderer Weise auf die Figur des Schülers Licentius gerichtet, der vor allem in seinem Ringen um Zuversicht, in der Philosophie weiterzukommen, charakterisiert wird. Er ist als Sohn des Widmungsträgers von Contra Academicos Romanianus bereits eng verbunden, und Augustinus empfiehlt ihm diesen auch explizit als Vorbild. Romanianus selbst wird als ein der Rekreation bedürfender und sich innerlich nach Freiheit sehnender Mensch dargestellt, der als Adressat mit der Protreptik der Bücher Contra Academicos korrespondiert. Theodorus hingegen, der Widmungsträger von De beata vita, ist ein arrivierter Staatsmann und Gelehrter, dem Augustinus die Schrift zur Begutachtung schickt: Sie erscheint fertig und gewissermaßen als Vorzeigeargumentation, welche sich stringent und straff auf ein Ziel hinbewegt. In De ordine verläuft das Gespräch wieder entlang vieler Umwege und Sackgassen. Hier wird der Adressat Zenobius nicht nur in der Vorrede, sondern auch in der Dialoghandlung von Augustinus angesprochen: Ihm und Augustinus’ Mailänder Kreisen komme die Aufgabe zu, die im Dialog nicht abschließend verhandelten Probleme zu lösen. Zenobius wird dabei als Rätsellöser imaginiert, der den Leser dazu motivieren soll, selbst Lösungen für das in De ordine aufgeworfene Problem der Theodizee zu erarbeiten. Hierdurch wird letztlich auch dem Leser die Fortsetzung der Überlegungen und Diskussionen zur Aufgabe gemacht. Somit zielt Augustinus’ Ansprache an die Adressaten, so die abschließende Folgerung Sauers, auch auf den Leser, indem sie bei diesem jeweils eine passende Rezeptionshaltung erzeugen soll, auf welche die jeweilige Schrift bezogen ist und die – zusammengelesen – eine plausible Reihenfolge der Schriften ergeben. Im abschließenden Beitrag des Sammelbands mit dem Titel „Gemeinschaftsbildung im Geiste Martins von Tours. Sulpicius Severus’ Gallus und die Frage, ob Christen in der Lage waren, Dialoge zu verfassen“ (S. 261–300) geht Gernot
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Michael Müller von der grundsätzlichen Beobachtung aus, dass die gattungsgeschichtliche Erforschung des literarischen Dialogs immer noch bestimmte Epochen vernachlässigt, so auch die Spätantike. Die häufig dafür angeführte Begründung, die angebliche Abnahme an Dialogizität in dieser Epoche, die von einem aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ohnehin nicht angemessenen Gattungsverständnis ausgeht, hat in der jüngeren Vergangenheit ihre Radikalisierung in der These gefunden, dass Christen auf Grund ihres Wahrheitsverständnisses zur Abfassung von literarischen Dialogen grundsätzlich nicht mehr willens oder gar fähig gewesen seien. Um diese These auf den Prüfstand zu stellen, unterzieht Müller Sulpicius Severus’ Dialog Gallus, der in der Forschung bislang im Schatten der übrigen Martin von Tours gewidmeten Werke des südgallischen Autors steht, einer umfänglichen Analyse. Die Auswertung von Gesprächsinteraktion und Figurengestaltung sowie -konstellation kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Sulpicius Severus kompetent auf die sich in der antiken Gattungsgeschichte herausgebildeten Gestaltungsmöglichkeiten des Dialogs zurückgegriffen hat, um sein Anliegen, das Gedenken an Martin von Tours zu verbreiten und sich dabei als maßgebliche Instanz dafür zu profilieren, über seine Martinsvita und einige daraufhin entstandene Briefe hinaus weiter zu befördern. Konkret dient die Unterredung zwischen seiner dramatis persona, dem bis zu den ägyptischen Eremiten gereisten Postumianus und einem Gallus, der eine Weile der klösterlichen Gemeinschaft Martins angehört haben will, auf seinem Landgut Primuliacum dazu, Sulpicius Severus als Stifter einer im Geiste Martins verbundenen Gesprächsgemeinschaft zu porträtieren, die zum einen über die Weltläufigkeit verfügt, dessen Wirken und Lebensweise im reichsweiten Kontext und im Vergleich mit anderen asketischen Lebensentwürfen als einmalig zu erweisen. Zum anderen erscheint diese über die Figur des Gallus, der nach Aufforderung seiner Gesprächspartner von weiteren Taten Martins berichtet, als Realisationsraum für die Rekrutierung weiterer Agenten für Sulpicius Severus’ Anliegen, ein Bestreben, das der Dialog über die darauf zurückführende Ausweitung der Gesprächsgemeinschaft als erfolgreich vorführt. Indem Struktur und intertextuelle Bezüge den Gallus als produktive Adaptation der Dialoge Ciceros und des in ihnen vorgenommenen Entwurfs einer spezifisch römischen philosophischen Diskursgemeinschaft erkennbar machen, gibt sich sein Autor als typischen Vertreter seiner Epoche zu erkennen, in welcher der nachvollziehbare Anschluss an pagane Vorbilder zum Strategierepertoire des christlichen Überbietungsdiskurs gehörte. Des Weiteren weisen sie ihn als Kenner der Gattungstradition des literarischen Dialogs aus, der für sein Anliegen gerade im ciceronianischen Dialog das geeignete Modell erkannte. Vor diesem Hintergrund kann Müller die Unangemessenheit der These, Christen seien zu Dialogen nicht in der Lage gewesen, abschließend in zweifacher Hinsicht nahelegen: Einmal spricht neben der in der Forschung bereits seit langem bekannten hohen Anzahl an christlichen Dialogen die in seiner Analyse herausgearbeitete strukturelle Komplexität von Sulpicius Severus’ Gallus und ein damit realisiertes vielschichtiges Set von Aussageintentionen dagegen. Vor allem stellt aber der Befund, dass hierfür die Orientierung am ciceronianischen Dialogparadigma verantwortlich zeichnet, in wünschenswerter Deutlichkeit klar, dass der Dialog im Laufe seiner antiken Gattungsgeschichte eine ganze Reihe von anspruchsvollen und
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funktional unterschiedlichen Varianten ausgebildet hat, unter denen die Inszenierung einer kooperativen und ergebnisoffenen Suche nach der Wahrheit nur eine und dabei keinesfalls die einzige der Gattung gerecht werdende darstellt. Dass diese unter christlichen Dialogen nicht zu finden ist, lässt sich also nicht überzeugend als Beleg dafür anführen, dass deren Autoren der Gattung nicht mehr gerecht zu werden vermochten. IV. Die dreizehn Beiträge des Sammelbandes decken eine Zeitspanne von ungefähr achthundert Jahren ab. Sie geben dabei zu erkennen, dass sich eine ausdifferenzierte Figurengestaltung und die damit einhergehenden Möglichkeiten inhaltlicher Komplexitätspotenzierung nicht erst im Laufe der Gattungsgeschichte herausgebildet haben, sondern diese von Anfang an prägte. Eindrücklich belegt wird dieser Befund in Diego De Brasis Aufsatz über Figurengestaltung und Gesprächsinteraktion in Platons Nomoi, gerade weil er nachweisen kann, dass diese selbst in einem Werk, dessen Dialogcharakter im Allgemeinen als gering veranschlagt wird, eine durchaus nicht unerhebliche Vielschichtigkeit aufweisen, die auch inhaltlich von beträchtlicher Relevanz ist. Sabine Föllinger arbeitet in ihrem daran anschließenden Beitrag komplementär dazu heraus, dass die für die antike Gattungsgeschichte von Anfang an charakteristische Präferenz für Dialogfiguren, die historischen Personen nachgebildet sind, im Potenzial gründete, das im Spannungsfeld zwischen einer solchen Figurengestaltung und dem von Anfang an fiktionalen Charakter der Dialoghandlung erkannt und ebenfalls bereits früh theoretisch reflektiert wurde. Indem sie diesen Befund sodann an der Gestaltung der Sokrates-Figur im bislang eher wenig untersuchten Oikonomikos Xenophons exemplifiziert, deutet sie zudem die grundlegende Bedeutung der Erinnerung an den Begründer der philosophischen Ethik im Kreise seiner Schüler und Verehrer für die Verwendung historischer Personen als Dialogfiguren an, die für den antiken Dialog durchgehend eine bevorzugte Gestaltungsoption bleiben wird. Hieran knüpft Mélanie Lucciano unmittelbar an, wenn sie in ihren Ausführungen zunächst zentrale Facetten der Sokrates-Gestaltung in der nach dessen Freitod entstandenen Dialogliteratur rekapituliert und sodann seine Rezeption in Rom nachzeichnet. Dass Auseinandersetzung und Rekurs auf Sokrates auch für die Herausbildung des Dialogs in Rom von wesentlicher Bedeutung sind, kann sie dabei gerade durch den Hinweis darauf herausstellen, dass er in seiner frühen Rezeption in der römischen Literatur in gewisser Analogie zur attischen Komödie vorzugsweise negativ gezeichnet oder gar als lächerlich dargestellt wird und erst in Ciceros Dialogœuvre eine differenzierte Rezeption erfährt. Indem sie zum Schluss ihres Beitrags erkennbar werden lässt, dass Cicero trotz wesentlich positiverer Sokrates-Darstellung als Gründungsfigur der philosophischen Ethik dennoch nicht so weit geht, diesen auch zur Identifikationsfigur für philosophisch interessierte Römer zu modellieren, deutet sich an, dass die Etablierung des Dialogs in Rom im Œuvre Ciceros bei aller expliziten Orientierung an der philosophischen Gattungstradition Grie-
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chenlands eigenständige Wege einschlägt, die ihren Niederschlag gerade auch in einer anderen Konzipierung des Philosophen und seiner Einbindung in entsprechend interessierte Gesprächsgemeinschaften findet. An diesen Befund schließt Jean-Pierre De Giorgio an, wenn er in Ciceros Dialogœuvre eine durchgängige theoretische Reflexionsebene über die Koordinaten seiner Figuren- und Gesprächsgestaltung freilegt und damit einerseits auf die Kontinuität eines entsprechenden Metadiskurses in der antiken Dialogliteratur hinweist, der auch in ihren römischen Varianten seine Fortsetzung findet, andererseits aber insbesondere offenlegt, dass Cicero hierbei von gänzlich anderen Voraussetzungen als seine griechischen Vorbilder ausgeht, welche sich aus den spezifischen kulturellen Rahmenbedingungen seines Schaffens ableiten lassen. Hieraus entsteht ein – bei aller Vorsicht, die auf Grund der schlechten Überlieferungslage im Bereich des hellenistischen Dialogs geboten ist – neuartiges Paradigma des Figuren- und Gesprächsdesigns, das auf die Konstruktion einer spezifischen philosophischen Diskussionskultur römischer Prägung zielt. Nichtsdestoweniger bleibt auch hier das kreative Austarieren zwischen historischer Bezugnahme und fiktionaler Anreicherung Grundlage für die Gestaltung des Figurenarsenals und des darüber organisierten Gesprächsgeschehens. Dies legt Malcolm Schofield in seinem Beitrag anhand der Figur von Ciceros Freund und Vertrautem Atticus dar. Dabei arbeitet er durch den Vergleich der beiden Dialoge, in denen dieser als Teil des Dialogpersonals erscheint, zudem das Spannungsfeld zwischen werkübergreifender Kohärenzbildung und themenspezifischer Anpassung in der Konzeption der Dialogfigur heraus und weist damit auf einen bislang noch nicht problematisierten Parameter hin, der für die Gestaltung von Dialogfiguren relevant sein kann, nämlich ihr mehrfaches Auftreten in größeren Dialogœuvres. Hierdurch können sie zu bisweilen tragenden Stiftern inhaltlicher, aber auch kommunikativer Beziehungen über die Grenzen des Einzelwerks hinweg avancieren, welche sich ihrerseits zu werküberspannenden Gesprächsnarrativen ausweiten oder aber die Koordinaten eines die Texte verbindenden bzw. über sie hinausweisenden Gesprächsnetzwerks bilden können. Johannes Sedlmeyr verleiht in seinem Beitrag sodann dem Spektrum an Möglichkeiten, historische und fiktionale Aspekte zur Konzipierung kohärenter Figuren angemessen auszutarieren, weiteres Profil und fügt auch den damit jeweils verbundenen Aussageabsichten einen bis dahin noch nicht angesprochenen Aspekt hinzu. Denn Ciceros Bestreben, seine Dialogfiguren glaubhaft als gebildete Vertreter verschiedener Philosophenschulen zu gestalten, weitet sich in seinem Spätwerk insbesondere auch auf seine eigene dramatis persona aus, wodurch die erstmals bei Aristoteles greifbare Option, dass sich der Autor selbst als Figur in ein von ihm gestaltetes Dialoggeschehen einfügt, in den Blick gerät. Die dabei herausgearbeitete Strategie des römischen Autors, aus den verschiedenen hellenistischen Idealen des philosophischen Weisen dasjenige herauszugreifen, durch das er sich als allen anderen überlegen erweisen zu können glaubt, legt eine der wichtigsten damit verbundenen Zielsetzungen frei, nämlich das autorbezogene self-fashioning. Hier knüpft der Beitrag von Sabine Retsch an, wobei sie ihre Aufmerksamkeit auf die Proömien der ciceronianischen Dialoge richtet und damit exemplarisch herausarbeitet, wie sich durch eine entsprechende paratextuelle Rahmung das in Dialogen in der Regel
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ohnehin intendierte Wechselspiel zwischen textinterner und -externer Welt weiter intensivieren lässt, und dies im Falle von Cicero, um ebenfalls seiner Selbstrepräsentation zuzuarbeiten. Entgegen früheren Annahmen der Forschung erscheint die Kaiserzeit in den drei sie betreffenden Aufsätzen ebenso als kreative Phase der Gattungsgeschichte. Hierzu gehört nicht zuletzt die Exegese des Platonischen Œuvres und seines Figurenarsenals mitsamt der Frage nach dem möglichen literaturgeschichtlichen Hintergrund seiner spezifischen Modellierungen, wie dies Anne-Marie Favreau-Linder am Beispiel Dions von Prusa darlegt. Anna Ginestí Rosell erweitert mit ihrer kursorischen Lektüre einiger Dialoge Plutarchs das Spektrum der Aussageziele, die sich mit den gattungsinhärenten Möglichkeiten, Text und Welt in komplexe Relation aufeinander zu beziehen, verfolgen lassen. Der von ihr herausgearbeitete Befund, dass die textintern inszenierten symposialen Unterhaltungen den Lesern gleichsam idealtypisch korrektes oder inkorrektes Verhalten beim Symposion vorführen und bei diesem somit eine didaktische Wirkung entfalten wollen, zeigt deutlich, dass Dialoge nicht nur einen propositionalen Gehalt zu vermitteln beabsichtigen, sondern auch das Gesprächsgeschehen und die darauf abgestimmte Figurenzeichnung einem Anliegen gehorchen, das im Sinne funktionaler Performativität dezidiert auf die Transformation des von ihnen modellhaft dargestellten Weltausschnitts zielt. Diesen Aspekt baut Peter von Möllendorff in seinem Aufsatz weiter aus, indem er vor allem anhand einer Analyse der Figur des Kynikers Alkidamas in Lukians gleichnamigem Dialog exemplarisch zeigt, dass das Design von Dialogfiguren Elemente aufweisen kann, die zur Vermittlung eines etwaigen propositionalen Gehalts nicht unbedingt notwendig sind, sondern gleichsam Bedeutungsüberschüsse markieren, die diese zum Träger autonomer Aussagen machen. Indem er abschließend ergänzend die Alkibiades-Figur in Platons Symposion in den Blick nimmt, um an deren Gestaltung den gleichen Befund freizulegen, weist er einmal mehr darauf hin, dass sich wesentliche Parameter des antiken Dialogs bereits in der Frühphase seiner Gattungsgeschichte verbindlich herausgebildet haben, was gerade in der Kaiserzeit zur intensiven und dabei immer wieder auch ironisch gebrochenen Auseinandersetzung mit diesen führt. Die Orientierung an einschlägigen Vorbildern lässt sich auch in der weiteren Gattungsgeschichte greifen, so auch in ihrer vom Christentum beeinflussten Phase in der Spätantike. Dabei setzen sich alle drei Autoren, deren Werke hier exemplarisch den christlichen Dialog in lateinischer Sprache repräsentieren, in unterschiedlicher Weise und Intensität mit dem Dialogœuvre Ciceros auseinander. Sie deuten damit an, dass die Modellfunktion, die Platons Werk in der griechischen Literatur herausbilden konnte, in der lateinischen in gewisser Weise von jenem eingenommen wird. Mit Blick auf Minucius Felix geht Annick Stoehr-Monjou dabei erneut auf die gattungsspezifischen Möglichkeiten ein, die sich einem Autor von Dialogen bieten, um sich selbst mit dem Gesprächsgeschehen in Beziehung zu setzen, und differenziert diese gegenüber den in den entsprechenden Aufsätzen aus Ciceros Œuvre gewonnenen Beobachtungen weiter aus. Weist sie auf das inhaltlich produktive Spannungsfeld hin, das dadurch entsteht, dass sich Minucius Felix explizit als Autor, Erzähler und Dialogfigur in sein Werk einbringt, knüpft Jochen Sauer in
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seiner Analyse der Cassiciacum-Dialoge des Augustinus an Sabine Retschs Beitrag zu De oratore an und setzt sich mit dem Verhältnis von Proömium und Dialoghandlung in diesen auseinander. Seine Aufmerksamkeit gilt allerdings nicht den sich aus diesen ergebenden Möglichkeiten für die Selbstrepräsentation des Autors, sondern der Beziehung, die in diesem zwischen Dialoggeschehen und Adressaten hergestellt werden kann. Indem er nachweist, dass die Kommunikation des Autors als Proömiensprecher mit seinem Adressaten auf die Rezipienten seiner Dialoge zielt, die zudem ein aufeinander aufbauendes didaktisches Programm entwickeln, stellt er in gewisser Analogie zu den Ergebnissen, die Anna Ginestí Rosell bei ihrer Untersuchung einiger Dialoge Plutarchs erzielen konnte, das wirkungsästhetische Potential heraus, das Dialoge über ihre Gesprächshandlung entfalten können. Schließlich legt Gernot Michael Müllers Beitrag zu Sulpicius Severus’ Gallus dar, dass auch christliche Autoren Dialoge zur Selbstrepräsentation nutzten, indem sie sich als Dialogfigur in das Gesprächsgeschehen einfügten. Der Befund, dass Sulpicius Severus’ Dialog den Endpunkt einer gattungstypologisch heterogenen Werkreihe bildet, die durchweg diesem Bestreben gehorcht, gibt dabei zu erkennen, dass ein Dialog über spezifische Möglichkeiten hierzu verfügt, die anderen Gattungen so nicht zuhanden sind. Dazu gehört nicht zuletzt die Verbindung von autorbezogenem self-fashioning und der Konstruktion idealer Gesprächsgemeinschaften, die dieses Anliegen unterstützen. Indem Sulpicius Severus diese im Rückgriff auf zentrale Koordinaten der in Ciceros Dialogœuvre mit dem gleichen Ziel entworfenen Figurenkonstellationen realisiert, weist sein Gallus zudem einmal mehr auf die konstitutive Bedeutung der produktiven Auseinandersetzung mit modellbildenden Vorläufern für die antike Gattungsgeschichte des Dialogs, und dies nicht zuletzt auch im Horizont der christlichen Literatur der Spätantike. Eine Folge von dreizehn Aufsätzen vermag die historische wie formale Spannbreite des antiken Dialogs selbstredend nicht annähernd vollständig abzubilden. Einem solchen Anspruch steht die durchgehend hohe Konjunktur der Gattung und die daraus erwachsende Fülle an Beispielen entgegen. Die hier versammelten Beiträge beschränken sich denn auch auf eine spezifische Variante, und zwar jene, in denen die Gesprächsinteraktion durch Figuren realisiert wird, die historischen Personen nachgebildet sind oder zumindest eine entsprechend differenzierte Ausgestaltung erfahren. Diese stellt allerdings auch die komplexeste Realisationsmöglichkeit des Dialogs dar, so dass sie sich in besonderem Maß dazu anbietet, den formalen und inhaltlichen Gestaltungsspielraum literaturwissenschaftlich auszuloten, der sich durch das konstitutive Gattungselement der Figuren und die vielfältigen Möglichkeiten ihrer Interaktion eröffnet. Darüber hinaus markiert sie die wirkmächtigste Neuerung, die die Gattungsgeschichte der Antike zu verdanken hat. Denn wiewohl diese bereits in den altorientalischen Literaturen beginnt, bilden diese keine Fälle mit einem vergleichbaren auf historische Personen zurückzuführenden Figurenarsenal aus. Der gattungsgeschichtliche Befund liefert somit einen hinreichenden Grund, sich in einer Untersuchung zur Figurengestaltung im antiken Dialog auf jenes innovative Paradigma zu konzentrieren, welches das der Gattung inhärente Komplexitätspotenzial erst vollständig auszuschöpfen erlaubt.
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Trotz ihres exemplarischen Charakters geben die hier versammelten Beiträge einen repräsentativen und – wie soeben angedeutet – in vielfältiger Weise miteinander verwobenen Überblick über das Spektrum der Figurengestaltung im antiken Dialog, die Konsequenzen, die sich daraus jeweils für das Gesprächsgeschehen ergeben, die verschiedenen mit ihr realisierbaren Wirkabsichten und schließlich über die Tendenzen der gattungsinternen theoretischen Reflexion im Hinblick auf diese Aspekte. Ergänzend kommt noch die Verschränkung der dialoginternen Figureninteraktion mit der proömialen Kommunikation zwischen Autor und Adressat hinzu, die die für die Gattung ohnehin konstitutiven Möglichkeiten, Text und Welt wechselseitig in Beziehung zu setzen, weiter ausbauen lässt. Auf diese Weise zielen die Beiträge weniger darauf, ein vollständiges Panorama des antiken Dialogs und des Spielraums seiner Figurengestaltung zu bieten, welches im Rahmen eines Sammelbandes ohnehin nicht zu erzielen ist, als vielmehr anregend auf die weitere Erforschung dieses noch nicht annähernd hinreichend erschlossenen Aspekts zu wirken, indem sie dessen fundamentale Bedeutung für die Poetik des antiken Dialogs herausstellen und darüber hinaus ein Spektrum von textinternen Funktionsweisen und textexternen Wirkabsichten aufspannen, das für seine weitere Erschließung richtungsweisend sein kann. Ein weiterführender Bereich hat sich dabei bereits im Laufe der Tagung, auf die die hier vorgestellten Beiträge zurückgehen, herauskristallisiert, nämlich die immer wieder zu beobachtende Tendenz, dass Dialogfiguren zu Trägern umfangreicher Erzählungen oder Berichte werden, wodurch diese den vielfältigen Strategien der Perspektivierung unterliegen, die sich über das Gesprächsgeschehen eines Dialogs realisieren lassen, und von daher zusätzliche Aussageebenen über ihren unmittelbaren propositionalen Gehalt hinaus ausbilden können. Nachdem die Abschlussdiskussion der Eichstätter Tagung von 2017 die poetologische Relevanz dieser Beobachtung weiter bestätigen konnte, nahmen dies Peter von Möllendorff und der Herausgeber des vorliegenden Bandes zum Anlass, ein Anschlusskolloquium zu planen, das speziell dem Thema „Erzählen im Dialog“ gewidmet ist. Realisiert wurde es mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 21. bis 23. März 2019 in Schloss Rauischholzhausen, dem Tagungshaus der Justus-LiebigUniversität Gießen. Die bereits in Vorbereitung befindliche Publikation dieser Veranstaltung wird sich somit als unmittelbare Ergänzung zu Thema und Zuschnitt des hier vorgelegten Bandes verstehen und die hier dokumentierte Diskussion über die Poetik des antiken Dialogs aus einem komplementären Blickwinkel weiterführen. V. Die Eichstätter Tagung und der aus ihr hervorgegangene Sammelband hätten ohne die mannigfaltige Unterstützung vieler nicht realisiert werden können. Sie sollen hier abschließend dankend Erwähnung finden. Ein Dank geht an die damaligen Hilfskräfte Matthias Paun, Markus Schinkel und Dennis Will sowie an die Sekretärin der Eichstätter Klassischen Philologie Karin Strobl für die tatkräftige Unterstützung bei Organisation und Durchführung der Tagung. Für deren großzügige
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Finanzierung sei der Fritz-Thyssen-Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Forschungsförderung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt gedankt. Für die Aufnahme des vorliegenden Bandes in die Reihe „Palingenesia“ gilt herzlicher Dank deren Herausgeber Christoph Schubert. Für das Lektorat hat der Herausgeber vor allem seinen Mitarbeitern Melchior Klassen und Bastian Wagner sowie seinen Hilfskräften Iustus Immanuel Köhler und Jan Scheidig zu danken. Letztere haben sich auch der beschwerlichen Arbeit der Registererstellung unterzogen. Ebenso herzlich sei schließlich dem Steiner-Verlag, namentlich Frau Katharina Stüdemann, für die hervorragende Zusammenarbeit und professionelle Betreuung des Projekts gedankt. Bonn, im Mai 2020
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„INDEM WIR UNS DURCH GESPRÄCHE AUFMUNTERN“ (PLAT. LEG. 625B6) Platons Nomoi als Beispiel gelungener Dialogizität* Diego De Brasi EINLEITUNG: DIE NOMOI, EIN ATYPISCHER DIALOG? Auf den ersten Blick scheint der Titel dieses Beitrages etwas unpassend zum übergeordneten Thema des Bandes zu sein. Denn er suggeriert, dass im Zentrum meiner Ausführungen die Diskussion um ein anderes, in der Forschung oft diskutiertes Problem stehen wird, nämlich die Frage nach dem ‚dialogischen‘ Status der Nomoi selbst. Oft wird Platons letzte Schrift1 nämlich als atypisch innerhalb des platonischen Œuvres insofern gesehen, als sie nach der Meinung vieler Forscher kein ‚richtiger‘ Dialog sei, da die Interaktion unter den Gesprächspartnern auf ein Minimum reduziert wird. Genau wie in anderen späteren Dialogen, wie z. B. dem Timaios, stelle das Dialogische in den Nomoi eigentlich nur ein Schmuckelement dar, das nicht zur Entfaltung und Entwicklung des Gedankengangs beitrage. Insbesondere vermisse man die Elenktik der sogenannten frühen und das dialektische Gespräch der sogenannten mittleren Dialoge.2 Dies hänge u. a. damit zusammen, *
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Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Eichstätter Tagung sowie bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an dem gräzistischen Forschungskolloquium der Philipps-Universität Marburg sehr herzlich bedanken: Durch die anregenden Diskussionen in diesen Gremien hat der Beitrag zu seiner definitiven Form gefunden. Außerdem möchte ich sehr herzlich Brigitte Kappl für die akribische Lektüre des Textes danken: Wie schon oft hat sie mich auch diesmal vor Fehlern und Irrtümern bewahrt. Wenn nicht anders angegeben, stammen die Übersetzungen der Nomoi aus Schöpsdau (1994–2011). So die communis opinio auf der Basis verschiedener antiker Quellen: Plut. Is. 40,370F; Diog. Laert. 3,37; Anon. Prol. 10,25,6–8; indirekt vgl. auch Aristot. pol. II 3 1264b26–27. Vgl. z. B. in jüngster Zeit Long (2013) 155–160, insb. 160: „[So] while the Laws shows the value of familiarity with a range of cultural perspectives, it also shows that these perspectives can cohabit in a single well-travelled individual and be called upon by that individual when necessary. The visitor’s cross-cultural comparisons are of course particularly appropriate in a conversation with two Dorians, but his comparisons were originally made possible not by this conversation but by fictional events […] that pre-date it. The point of dialogue form is no longer to show how the philosopher benefits from conversation; it is rather to show how empirical research enables him to benefit those who, like Clinias, seek his advice on political questions.“
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dass Sokrates, der in allen anderen platonischen Dialogen immer als Gesprächspartner vorkommt, wenn ihm auch in den sogenannten Spätdialogen eine weniger prominente Stellung gegeben wird, in den Nomoi überhaupt nicht als Gesprächspartner auftritt. Schon dieser kurze Überblick zeigt jedoch, dass die Frage nach dem dialogischen Charakter der Nomoi offensichtlich an die Auffassung, die in Hinsicht auf die Charakterisierung und Gestaltung der Gesprächspartner vertreten wird, gebunden ist. Der Eindruck einer nicht-dialogischen Natur der Schrift wird in der Forschung in der Tat dadurch unterstützt, dass zwei der Gesprächspartner nur eine Stichwortgeber-Funktion in der Ökonomie des Gesprächs zugesprochen wird. Am deutlichsten lässt sich dies vielleicht in der Einleitung zu einer italienischen, für ein breiteres Publikum gedachten Übersetzung der Nomoi feststellen:3 Gli altri due personaggi, non altrimenti noti, sono niente più che ascoltatori, che spesso chiedono al loro interlocutore di ripetere e di spiegare più esaustivamente le sue opinioni, senza d’altro canto dare un proprio contributo originale alla conversazione.
Dieser Beitrag setzt sich deshalb zum Ziel, die Stichhaltigkeit und Tragfähigkeit einer solchen Interpretation zu überprüfen. Durch die Analyse der Charakterisierung der Gesprächspartner und der Gestaltung ihrer Interaktionen soll dann gezeigt werden, dass auch die Nomoi den Ansprüchen eines platonischen Dialogs im Sinne einer shared search entsprechen. In Anlehnung an die Aufforderung Christopher Gills, der bereits gegen Ende der Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts betonte, dass jeder Dialog eine an sich einmalige Darstellung bietet, die nicht unbedingt mit anderen Dialogen verglichen werden darf,4 wird insbesondere dargelegt, welchen eigenen Regeln, die im Laufe des Dialogs explizit formuliert und vor allem häufig implizit vorausgesetzt werden, das Gespräch in den Nomoi unterliegt. Dies wird in drei Schritten erfolgen: Nach (1) einer systematischen Analyse der Personengestaltung werden (2) die daraus resultierenden Regeln für das Gespräch herausgearbeitet und (3) anschließend bei der Interpretation zweier Passagen (leg. 857a–864d und 835c–842a) angewandt. Eine kurze Zusammenfassung der Argumentation schließt den Beitrag ab.
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Poli (2005) 40. Signifikanterweise wird diese Auffassung auch in einer jüngeren Monographie zu den Nomoi vertreten, die jedoch von der Dialogizität des Werkes fest überzeugt ist. Bartels (2017) 128–129: „Yet we find frequent exchanges between Cleinias, Megillus and the Athenian in other parts of the text as well. In such cases, there is a brief exchange in which Cleinias asks the Athenian for further clarification, which the Athenian proceeds to offer, or in which Megillus expresses his agreement.“ Gill (1996); vgl. auch Gill 2003, und – zum Parmenides – Brisson (1984).
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DIE CHARAKTERISIERUNG DER GESPRÄCHSPARTNER5 Die Nomoi stellen ein Gespräch unter drei älteren Herren, die auf dem Weg zum Tempel und zur Grotte des Zeus auf dem Berg Ida auf Kreta sind, dar. Bereits in dieser Hinsicht weisen sie einige bedeutsame Unterschiede zu den anderen platonischen Dialogen auf. Nicht nur, weil sie nicht – wie fast alle anderen Dialoge – Athen als Schauplatz der Ereignisse haben,6 sondern auch weil Platon, anders als in den meisten anderen Dialogen, in denen historische Figuren als Gesprächspartner fungieren, auf die Bühne der Nomoi nur fiktive Personen stellt: einen Kreter namens Kleinias, einen Spartaner namens Megillos und einen ξένος aus Athen. Außerdem – und darin besteht der dritte bedeutende Hauptunterschied zu den meisten anderen Dialogen – gehören die Gesprächspartner der Nomoi zu einer einzigen Altersklasse, der der πρεσβύτεροι, des ehrwürdigen fortgeschrittenen Alters. Dabei wird dennoch präzisiert, dass der Athener etwas jünger als Kleinias und Megillos ist (leg. 892d7), während Megillos der älteste der drei ist (leg. 712c8–9). Diese beiden Aspekte könnten wichtige Implikationen für die Interpretation des Dialogs und der Gesprächsgestaltung haben. So könnte man meinen, dass Platon durch den Verzicht auf historische Figuren als Gesprächspartner in gewisser Weise auch die mögliche Auswirkung auf das Publikum des Aspektes, den Michael Erler als „ein besonderes Spezifikum platonischer Sokratikoi Logoi“ bezeichnet,7 nämlich der fingierten Historizität, mindere. Zwar gelinge auch in den Nomoi durch präzise Hinweise zu Ort und Zeit des Gesprächs eine durchaus realitätsnahe Inszenierung des Gesprächs, dennoch würden die Erwartungen des Publikums durch den Verzicht auf historische Figuren insofern nicht erfüllt, als ihm dadurch die Möglichkeit weggenommen werde, die Tragfähigkeit und Funktion der fingierten Historizität zu bewerten. Ist dem ‚Leser‘ beim Auftreten einer historischen Figur möglich, potentielle Übereinstimmungen bzw. Diskrepanzen zwischen dieser und deren fiktivem alter ego im Dialog nachzugehen und eventuell auf eine bestimmte Intention dieser spezifischen Figurengestaltung zu schließen, bleiben die Charaktere der Nomoi auf den ersten Blick eher unbestimmt und damit weniger greifbar.8 Auch die Entscheidung, Gesprächspartner aus einer einzigen 5 6
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Diese Sektion basiert auf meinen Ausführungen zu den Gesprächspartnern der Nomoi in De Brasi (2013a) 159–165 und führt sie in Auseinandersetzung mit jüngst erschienener Literatur weiter. Außerhalb Athens, aber bei weitem nicht so entfernt von Platons Heimatstadt wie die Nomoi spielen folgende Dialoge: Phaidros (außerhalb der Mauern Athens); Phaidon (aus der Rahmenerzählung erfahren wir, dass Phaidon seinem Freund Echekrates in Phleius auf der Peloponnes trifft und ihm erzählt, wie Sokrates seine letzten Stunden verbracht hat und gestorben ist); Theaitetos (auch hier wird aus der Rahmenerzählung ersichtlich, dass Eukleides und Terpsion sich in Megara, im äußersten Westen Attikas, treffen). Erler (2007) 69. Freilich stellt in dieser Hinsicht die Abwesenheit des Sokrates den größten Bruch mit den Publikumserwartungen dar. Dabei gibt es verschiedene Gründe für seine Abwesenheit. Die einfachste Erklärung, die sozusagen auf dem Prinzip der fingierten Historizität basiert, ist,
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Altersklasse auftreten zu lassen, deutet auf einen möglichen Bruch mit den Publikumserwartungen hin: Typisch für die platonischen Dialoge ist das Zusammenkommen und die Auseinandersetzung verschiedener ‚Generationen‘. Diese können verschiedene Formen annehmen, die Dialoge sehen indes oft vor, dass entweder das Gespräch zwischen einer älteren und einer jüngeren Figur stattfindet (so z. B. im zweiten Teil des Parmenides9 oder im Theaitetos) oder dass jüngere und ältere Figuren dem Gespräch als Zuhörer beiwohnen oder an der Diskussion teilnehmen (so z. B. in der Politeia, im Laches,10 im Protagoras). Diese Entscheidung, nur einer einzigen Altersklasse zugehörige Figuren – im spezifischen Fall der Nomoi nur ältere Herren – als Gesprächspartner auftreten zu lassen, mag auf eine philosophische Aufwertung des Alters seitens Platons schließen lassen, wie häufig behauptet wird.11 Sie könnte jedoch auch implizieren, dass die dialogische Interaktion möglicherweise anders gestaltet worden ist (bzw. werden musste), vor allem wenn, wie in den Nomoi, die Dialogfiguren nicht an historische Persönlichkeiten angelehnt sind. Dementsprechend wäre es gerechtfertigt, bei ihnen bestimmten Charaktereigenschaften, die traditionell dem hohen Alter zugeschrieben werden, nachspüren zu wollen. Z. B. ließe sich vermuten, dass zumindest einige der Charaktereigenschaften, die Aristoteles im zweiten Buch seiner Rhetorik den „Älteren“ zuweist – Unsicherheit, Übelgesinntheit, Argwohn, Kleingesinntheit, dass Sokrates bekanntlich Athen nie verlassen hat, bis auf die militärischen Einsätze im peloponnesischen Krieg bei den Schlachten von Potidaia (432 v. Chr.), Delion (424 v. Chr.) und Amphipolis (422 v. Chr.). Doch kann diese Erklärung nicht wirklich überzeugen: Platon hätte die Nomoi auch anders gestalten können und auf die Figur des Sokrates nicht unbedingt verzichten müssen. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, Sokrates’ Abwesenheit extradialogisch zu erklären und auf eine bewusste Distanzierung Platons von seinem Mentor hinzuweisen. Dies würde auch mit der immer weniger zentralen Bedeutung, die Sokrates in den sogenannten späteren Dialogen zugemessen wird, übereinstimmen. Dagegen spricht, wie z. B. Christopher Rowe gemerkt hat, dass „Socrates is also present in the Laws insofar as the Laws frequently presupposes and/or refers to ideas that Plato typically associates with his Socrates rather than with anyone else“ (Rowe [2012] 331). Man könnte gewiss mit Bartels (2017) passim behaupten, dass die sokratischen Elemente in den Nomoi nur eine terminologische ‚Hülle‘ darstellen, die den Eindruck einer Kontinuität zwischen den Nomoi und den früheren Werken Platons erwecken sollen, während die Nomoi eine neue, auf einer pragmatischen Sicht von Ethik und Politik basierende Begrifflichkeit präsentieren. Dies impliziert jedoch nicht, dass Platon sich von Sokrates abgewandt hat, sondern vielmehr, auch wenn Bartels Recht haben sollte, dass Platon manche Positionen des Sokrates für so tragfähig hielt, dass er sie bewusst in den Mund eines anonymen Gesprächspartners, sprich des Atheners, legte und die Identifizierung des Atheners mit Sokrates dezidiert empfahl. Dies wurde auch schon in der Antike so wahrgenommen, wie das Beispiel des Aristoteles zeigt, für den der ξένος aus Athen mit dem Sokrates der Politeia identisch war (vgl. Aristot. pol. II 3 1265a10). Eine solche Meinung scheinen auch viele moderne Forscher zu teilen, vgl. z. B. Pangle (1980) 378–379; Zuckert (2009) 135–136. Letztendlich bleibt jedoch die Frage, warum Sokrates in den Nomoi nicht als Gesprächspartner vorkommt, unlösbar und sollte vielleicht auch nicht mehr gestellt werden. 9 Ich erlaube mir hier in Hinsicht auf die Generationenproblematik im Parmenides auf De Brasi (2016) zu verweisen. 10 Auch in diesem Fall erlaube ich mir einen Verweis auf eigene Arbeiten: De Brasi (2013b). 11 Vgl. zuletzt z. B. Candiotto (2014).
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Knausrigkeit, Selbstliebe, Hoffnungslosigkeit, Geschwätzigkeit usw. (rhet. II 13 1389b12–1390a24) – bei Kleinias, Megillos und dem Athener wiederzufinden sind. Beide Vermutungen – d. h., dass die Dialogfiguren unbestimmt und nicht greifbar bleiben bzw. dass in ihnen bestimmte ‚traditionell‘ mit dem hohen Alter in Verbindung gebrachte Charaktereigenschaften wiederzufinden wären – treffen jedoch nicht zu. Denn Platon bietet eine (relativ) präzise Charakterisierung seiner Figuren, die damit nicht zu bloßen Typen werden. Dieser persönlichen Charakterisierung der Gesprächspartner werde ich mich nun widmen. Megillos ist unter den drei Dialogfiguren diejenige, die am wenigsten spricht: Er meldet sich hauptsächlich, wenn spartanische Bräuche analysiert werden, bzw. gibt Antworten auf Fragen, die eher praktischer Natur sind.12 In dieser Hinsicht ist er eindeutig ein Vertreter der lakonischen Art zu sprechen, wie gleich zu Beginn des Dialogs deutlich wird.13 Durch seine politische Funktion als πρόξενος Athens in Sparta, womit er die Familientradition fortführt, hat er eine besondere Bindung zur athenischen Kultur und Lebensweise (vgl. leg. 642b2–d2). Er behauptet, eine gute ‚literarische Ausbildung‘ genossen zu haben, die er mit Stolz auf seine lakedämonische Erziehung zurückführt: Wie alle Spartaner sei er ein guter Homerkenner (leg. 680c6– d1). Seine spartanische Art schlägt sich ferner auch in seiner Einstellung zu den Argumenten des Atheners nieder: Während der Diskussion präsentiert er sich manchmal kämpferisch, vor allem, wenn der ξένος spartanische Bräuche hart kritisiert (leg. 636e4–637a2; 806c8–9; vgl. auch 804b5–6). Indes ist er durchaus willig, der Argumentation des Atheners zu folgen (leg. 642d1–2; 683c). Kleinias, der 12 Vgl. Plat. leg. 634b1–c2: ΑΘ. […] ποῦ δὴ τοῦτ’ ἔστιν ταὐτὸν περὶ τὰς ἡδονὰς συντεταγμένον ἐν τοῖς νόμοις; λεγέσθω τί τοῦτ’ ἐστὶν ὃ καὶ ἀπεργάζεται ὑμῖν ὁμοίως πρός τε ἀλγηδόνας καὶ πρὸς ἡδονὰς τοὺς αὐτοὺς ἀνδρείους, νικῶντάς τε ἃ δεῖ νικᾶν καὶ οὐδαμῶς ἥττους πολεμίων τῶν ἐγγύτατα ἑαυτῶν καὶ χαλεπωτάτων. / ΜΕ. Οὕτω μὲν τοίνυν, ὦ ξένε, καθάπερ πρὸς τὰς ἀλγηδόνας εἶχον νόμους ἀντιτεταγμένους πολλοὺς εἰπεῖν, οὐκ ἂν ἴσως εὐποροίην κατὰ μεγάλα μέρη καὶ διαφανῆ λέγων περὶ τῶν ἡδονῶν· κατὰ δὲ σμικρὰ ἴσως εὐποροίην ἄν. – „Athener: ‚[…] Wo ist also das Gleiche bezüglich der Lust in den Gesetzen angeordnet? Es soll angegeben werden, was das ist, das bei euch dieselben Männer ebenso wie gegen die Schmerzen auch gegen die Lust tapfer macht, so daß sie besiegen, was man besiegen muß, und auf keinen Fall ihren nächsten und gefährlichsten Feinden unterliegen.‘ Megillos: ‚So freilich, Fremder, wie ich viele gegen die Schmerzen aufgestellte Gesetze anzugeben wußte, werde ich wohl bei der Lust dazu nicht in der Lage sein, soweit es um bedeutende und auffallende Beispiele geht; mit unbedeutenden könnte ich vielleicht aufwarten‘“. 13 Plat. leg. 624a1–6: ΑΘ. Θεὸς ἤ τις ἀνθρώπων ὑμῖν, ὦ ξένοι, εἴληφε τὴν αἰτίαν τῆς τῶν νόμων διαθέσεως; / ΚΛ. Θεός, ὦ ξένε, θεός, ὥς γε τὸ δικαιότατον εἰπεῖν· παρὰ μὲν ἡμῖν Ζεύς, παρὰ δὲ Λακεδαιμονίοις, ὅθεν ὅδε ἐστίν, οἶμαι φάναι τούτους Ἀπόλλωνα. ἦ γάρ; / ΜΕ. Ναί. – „Athener: ‚Ist es ein Gott oder irgendein Mensch, ihr Gastfreunde, dem ihr den Ursprung eurer Gesetzgebung zuschreibt?‘ Kleinias: ‚Ein Gott, Fremder, ein Gott, wie man gerechterweise sagen muß: bei uns Zeus, bei den Lakedaimoniern aber, von wo unser Freund da herkommt, sagen sie, glaube ich, es sei Apollon. Nicht wahr?‘ Megillos: ‚Ja.‘“ Vgl. jedoch leg. 721e4–722a2, wo er in Hinsicht auf die sogenannten Proömien zu den Gesetzen seine Präferenz für eine ausgearbeitete Formulierung der Gesetze äußert, die in Kontrast zur lakonischen Art zu sprechen steht.
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aus einer Familie aus Knossos mit engen Beziehungen zu Athen stammt (leg. 642d4–643a1), fungiert hingegen als Hauptgesprächspartner des Atheners. Er gehört zu einem Gremium von zehn Bürgern aus Knossos, die von der Polis den Auftrag erhalten haben, eine neue kretische Kolonie zu gründen (leg. 702b4–c8). Anders als der Spartaner führt er die Diskussion mit dem Athener, wenn eher theoretische Fragen behandelt werden, wie z. B. die anfängliche Diskussion zum eigentlichen Zweck einer guten Gesetzgebung (leg. 625b6–628e5). Er ist darin versiert, die kretischen Institutionen zu analysieren (leg. 626b5), und ist deutlich williger als Megillos, die Kritiken der Athener an den dorischen Verfassungen zu akzeptieren (leg. 642d3–4). Anders als Megillos kennt er sich weder mit Dichtung, und insbesondere mit Homer, noch mit Malkunst aus (leg. 680c6–d1; 769b4–5). Kommen wir schließlich zu dem ξένος aus Athen. Dieser ist nach Auffassung des Kleinias rhetorisch und intellektuell äußerst begabt: Er ist in der Lage, die Argumente in einer kohärenten und geschlossenen Reihenfolge zu entfalten, so dass die Schlussfolgerungen mit dem Beginn des Gedankenganges koinzidieren (leg. 626d5–6: τὸν γὰρ λόγον ἐπ’ ἀρχὴν ὀρθῶς ἀναγαγὼν σαφέστερον ἐποίησας). Darüber hinaus verficht er eine präzise Untersuchungsmethode, die sich erheblich vom Prozedere anderer (sprich: der meisten) Leute unterscheidet: Die einzige Möglichkeit, um ein Urteil über verschiedene empirische Phänomene zu fällen, besteht in seinen Augen darin, aus diesen den ‚paradigmatischen Fall‘ zu abstrahieren und diesen zu analysieren (leg. 638c–640e). Ferner weist er auf die (aus anderen platonischen Dialogen bekannte) diahairetische Methode hin. 14 Anders als Megillos und Kleinias weist er schließlich eine Expertise in den unterschiedlichsten Bereichen auf: Er kennt sich aus eigener Erfahrung mit Symposia aus (leg. 639d5–e4), kann Dichtung und Kunst analysieren (leg. 624a–b; 629b–e; 630a–d; 680b–c), weiß, welche Form der γυμναστική erfolgreich für die Erzie 14 Plat. leg. 658a4–b5: Ἀλλ’, ὦ μακάριε, μὴ ταχὺ τὸ τοιοῦτον κρίνωμεν, ἀλλὰ διαιροῦντες αὐτὸ κατὰ μέρη σκοπώμεθα τοιῷδέ τινι τρόπῳ· τί ἄν, εἴ ποτέ τις οὕτως ἁπλῶς ἀγῶνα θείη ὁντινοῦν, μηδὲν ἀφορίσας μήτε γυμνικὸν μήτε μουσικὸν μήθ’ ἱππικόν, ἀλλὰ πάντας συναγαγὼν τοὺς ἐν τῇ πόλει προείποι, θεὶς νικητήρια, τὸν βουλόμενον ἥκειν ἀγωνιούμενον ἡδονῆς πέρι μόνον, ὃς δ’ ἂν τέρψῃ τοὺς θεατὰς μάλιστα, μηδὲν ἐπιταττόμενος ᾧτινι τρόπῳ, νικήσῃ δὲ αὐτὸ τοῦτο ὅτι μάλιστα ἀπεργασάμενος καὶ κριθῇ τῶν ἀγωνισαμένων ἥδιστος γεγονέναι—τί ποτ’ ἂν ἡγούμεθα ἐκ ταύτης τῆς προρρήσεως συμβαίνειν; – „Nein, mein Bester, so leichthin wollen wir so etwas nicht beurteilen, sondern wir wollen es in Teile zerlegen und etwa folgendermaßen betrachten. Sag: Wenn jemand einmal so ganz einfach einen beliebigen Wettbewerb ansetzen würde, ohne ihn auf Gymnastik oder Musik oder auf Pferderennen einzugrenzen, sondern wenn er alle Bürger der Stadt zusammenriefe und nach Aussetzung von Siegespreisen verkünden würde, wer da wolle, möge antreten zu einem Wettbewerb bloß um die Lust; es gehe darum, wer die Zuschauer am meisten ergötzte, ohne daß ihm vorgeschrieben wird, auf welche Weise, sondern wer einfach dadurch, daß er eben dies am besten fertigbringt, gewinnt und vom Preisgericht zum Unterhaltsamsten unter den Wettbewerbsteilnehmern erklärt wird: Was meinen wir, wäre wohl der Erfolg einer solchen Ankündigung?“
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hung angewandt werden kann (leg. 673b), aber v. a. weist er gute Kenntnisse der Religion und der philosophischen Argumentation15 auf (Buch X). Indes sticht die Figur des Atheners in erster Linie wegen ihrer absoluten Anonymität hervor. Obwohl eine Analyse dieses Aspektes an sich nicht wirklich ertragreich für eine textimmanente Interpretation der Gesprächsinteraktion ist, lohnt es sich, auch in dieser Hinsicht einige Überlegungen anzustellen, die vielleicht helfen können, den Sitz im Leben der Nomoi besser zu fassen. Denn die Anonymität des Atheners stellt fast ein Unikum im platonischen Œuvre dar. Nur eine andere Figur, der Fremde aus Elea im Sophistes und im Politikos, ist in dieser Hinsicht mit ihr zum Teil vergleichbar. Beide Figuren sind ξένοι, Gäste und zugleich Fremde, denen von den Gesprächspartnern eine hohe Anerkennung zugesprochen wird: Wie soeben dargelegt, erkennt Kleinias die rhetorische und intellektuelle Überlegenheit des Atheners; die Gesprächspartner im Sophistes behaupten ihrerseits, dass der Fremde aus Elea ein wahrer Philosoph sei, und Sokrates selbst scheint an dessen göttliche Natur zu glauben.16 Es besteht deshalb die Mög 15 Bartels (2017) 197–202 zweifelt an der philosophischen Expertise des Atheners. Insbesondere fokussiert sie darauf, dass der Athener von seinen Gesprächspartnern als μάντις bezeichnet wird (leg. 634e7–635a2), und behauptet zum Teil zu Recht, dass, obwohl auch Sokrates oft in anderen Dialogen seine Tätigkeit als μαντεύεσθαι bezeichnet, beide Dialogfiguren nicht genau vergleichbar seien. Problematisch für ihre Behauptung, dass der Athener kein Philosoph sei, ist jedoch die Grundannahme, auf der diese Interpretation basiert. Denn sie behauptet (199): „The most philosophical part of Laws’ discussion is precisely Books I–II“ (kursiv i. O.). Doch, wie bereits Julia Pfefferkorn in ihrer Rezension zu Bartels’ Buch festgestellt hat (Pfefferkorn 2018), ist diese eine drastische Reduzierung (ich würde sogar sagen: ein grobes Missverständnis) der Bedeutung von Buch X, in dem Grundgedanken der platonischen ‚Ontokosmologie‘ präsentiert werden. Auch spricht für eine Auffassung, die in dem Athener einen Philosophen sieht, der Abschluss des Dialogs selbst: Hier drücken Megillos und Kleinias den Wunsch aus, den Athener ‚nicht gehen zu lassen‘ und ihn unbedingt als Gründer der Kolonie an Bord zu haben (leg. 969c4–d3). Genau dies passiert auch in anderen Dialogen, in denen Sokrates unbedingt als Diskutant bzw. ‚Lehrer‘ auch nach dem Ende des Gesprächs aufgesucht und ‚festgehalten‘ werden soll (vgl. z. B. Charmides, Laches), bzw. von seinen Gefährten zu Beginn eines Dialogs in das Gespräch ‚hineingezwungen‘ wird (vgl. insb. rep. 327b1–328b3). 16 Plat. soph. 216a1–b6: ΘΕΟ. Κατὰ τὴν χθὲς ὁμολογίαν, ὦ Σώκρατες, ἥκομεν αὐτοί τε κοσμίως καὶ τόνδε τινὰ ξένον ἄγομεν, τὸ μὲν γένος ἐξ Ἐλέας, ἑταῖρον δὲ τῶν ἀμφὶ Παρμενίδην καὶ Ζήνωνα [ἑταίρων], μάλα δὲ ἄνδρα φιλόσοφον. / ΣΩ. Ἆρ’ οὖν, ὦ Θεόδωρε, οὐ ξένον ἀλλά τινα θεὸν ἄγων κατὰ τὸν Ὁμήρου λόγον λέληθας; ὅς φησιν ἄλλους τε θεοὺς τοῖς ἀνθρώποις ὁπόσοι μετέχουσιν αἰδοῦς δικαίας, καὶ δὴ καὶ τὸν ξένιον οὐχ ἥκιστα θεὸν συνοπαδὸν γιγνόμενον ὕβρεις τε καὶ εὐνομίας τῶν ἀνθρώπων καθορᾶν. τάχ’ οὖν ἂν καὶ σοί τις οὗτος τῶν κρειττόνων συνέποιτο, φαύλους ἡμᾶς ὄντας ἐν τοῖς λόγοις ἐποψόμενός τε καὶ ἐλέγξων, θεὸς ὤν τις ἐλεγκτικός. – „Theodoros: ‚Der gestrigen Verabredung gemäß, o Sokrates, stellen wir selbst uns gebührend ein und bringen auch hier noch einen Fremdling mit, seiner Abkunft nach aus Elea, und einen Freund derer, die sich zum Parmenides und Zenon halten, einen gar philosophischen Mann.‘ Sokrates: ‚Solltest du etwa, Theodoros, dir unbewußt nicht einen Fremdling, sondern einen Gott mitbringen nach der Rede des Homeros, welcher ja sagt, daß sowohl andere Götter solche Menschen, die an Recht und Scham festhalten, als auch besonders der gastliche, zu geleiten pflegen, um den Obermut und die Frömmig
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lichkeit, in der Anonymität des Atheners die gleiche Funktion zu sehen, welche diese im Falle des Eleaten im Sophistes aufweist. Ruby Blondell sieht im Falle des Sophistes diese Funktion darin, dass durch die Anonymität des Hauptgesprächspartners ein höherer Grad an Allgemeingültigkeit des philosophischen Prozedere angedeutet wird.17 Aus meiner Sicht ist diese Interpretation auch für die Nomoi zumindest zum Teil zutreffend, insbesondere wenn man bedenkt, wie Myrthe Bartels zu Recht bemerkt, dass die Nomoi nicht eine fiktiv als tatsächliche gedachte Gesetzgebung präsentieren, sondern vielmehr ein Gedankenexperiment, um die Tragfähigkeit der in den ersten drei Büchern des Dialogs herausgearbeiteten ethisch-politischen Prinzipien zu testen.18 Die Anonymität des Atheners als hauptsächlicher Proponent der ethisch-politischen Reflexion und der darauf basierenden keit der Menschen zu beschauen: Vielleicht also begleitet auch dich auf dieselbe Art dieser, einer der Höheren, um uns, die wir noch so gering sind im Reden, heimzusuchen und zu überführen, ein überführender Gott?‘“(Übersetzung: F. Schleiermacher). 17 Blondell (2003) insb. 253: „the visitor’s namelessness, by reinforcing his lack of civic or personal identity, helps him to function as a kind of blank slate onto which a generic model of the philosopher may be projected. Accordingly, he lacks any idiosyncratic details of character of the kind that might suggest departure from an ideal aesthetic or moral standard. In Rowe’s words, he is ‘a representative par excellence of philosophy’ (kursiv i. O.)“. 18 Bartels (2017) 116–124. Zentral in dieser Hinsicht ist leg. 702a2–d5: Καὶ μὴν αὐτῶν γ’ ἕνεκα καὶ τὸ Δωρικὸν ἐθεασάμεθα κατοικιζόμενον στρατόπεδον καὶ τὰς τοῦ Δαρδάνου ὑπωρείας τε καὶ τὴν ἐπὶ θαλάττῃ κατοίκισιν, καὶ τοὺς πρώτους δὴ τοὺς περιλιπεῖς γενομένους τῆς φθορᾶς, ἔτι δὲ τοὺς ἔμπροσθεν τούτων γενομένους ἡμῖν λόγους περί τε μουσικῆς καὶ μέθης καὶ τὰ τούτων ἔτι πρότερα. ταῦτα γὰρ πάντα εἴρηται τοῦ κατιδεῖν ἕνεκα πῶς ποτ’ ἂν πόλις ἄριστα οἰκοίη, καὶ ἰδίᾳ πῶς ἄν τις βέλτιστα τὸν αὑτοῦ βίον διαγάγοι· εἰ δὲ δή τι πεποιήκαμεν προὔργου, τίς ποτ’ ἂν ἔλεγχος γίγνοιτο ἡμῖν πρὸς ἡμᾶς αὐτοὺς λεχθείς, ὦ Μέγιλλέ τε καὶ Κλεινία; / ΚΛ. Ἐγώ τινα, ὦ ξένε, μοι δοκῶ κατανοεῖν. ἔοικεν κατὰ τύχην τινὰ ἡμῖν τὰ τῶν λόγων τούτων πάντων ὧν διεξήλθομεν γεγονέναι· σχεδὸν γὰρ εἰς χρείαν αὐτῶν ἔγωγ’ ἐλήλυθα τὰ νῦν, καὶ κατά τινα αὖ καιρὸν σύ τε παραγέγονας ἅμα καὶ Μέγιλλος ὅδε. […] νῦν οὖν ἐμοί τε καὶ ὑμῖν ταύτην δῶμεν χάριν· ἐκ τῶν εἰρημένων ἐκλέξαντες, τῷ λόγῳ συστησώμεθα πόλιν, οἷον ἐξ ἀρχῆς κατοικίζοντες, καὶ ἅμα μὲν ἡμῖν οὗ ζητοῦμεν ἐπίσκεψις γενήσεται, ἅμα δὲ ἐγὼ τάχ’ ἂν χρησαίμην εἰς τὴν μέλλουσαν πόλιν ταύτῃ τῇ συστάσει. – „Athener: ‚Und eben deshalb haben wir auch die Ansiedlung des dorischen Heeresvolkes betrachtet und die Bergabhänge des Dardanos und die Gründung am Meer, und so auch die ersten Überlebenden der Vernichtung; deshalb haben wir ferner auch die dem vorausgegangenen Gespräch über die Musik und über den Rausch und was dem noch vorauslag, geführt. Dies alles ist nämlich erörtert worden, um zu erkennen, wie denn wohl eine Stadt am trefflichsten verwaltet würde und wie jemand für sich persönlich am besten sein Leben führen würde. Ob wir nun hiermit etwas Brauchbares zustande gebracht haben – welche Prüfung könnten wir hierfür in unserem Gespräch durchführen – Megillos und Kleinias?‘ Kleinias: ‚Ich glaube eine solche Möglichkeit zu sehen, Fremder. Denn durch eine Art glückliche Fügung, scheint es, haben sich all diese Gespräche ergeben, die wir geführt haben; denn ich bin gerade jetzt in einer Lage, in der ich sie gut gebrauchen kann, und du wiederum bist just im rechten Augenblick hier erschienen und ebenso unser Freund Megillos. […] Jetzt wollen wir also mir und euch diesen Gefallen erweisen: Wir wollen aus dem Gesagten eine Auswahl treffen und in unserem Gespräch eine Stadt entwerfen, wie wenn wir sie von Anfang an gründeten. Und so erhalten wir einerseits eine Möglichkeit zur Erforschung dessen, was wir untersuchen, andererseits könnte ich vielleicht diesen Entwurf für die geplante Stadt verwenden.‘“
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Gesetzgebung λόγῳ impliziert, dass diese Prinzipien und die daraus folgenden Gesetzentwürfe eine Gültigkeit aufweisen, die für die Diskussion über andere, reale Gesetzgebungen nützlich sein kann. Dennoch ist die Anonymität des ξένος aus Athen von zwei präzisen, bedeutsamen Eigenschaften flankiert, die den Weg für weitere Überlegungen öffnen: die Tatsache, dass er ein ξένος ist, und seine Provenienz aus Athen. Ξένοι genossen bekanntlich einen besonderen Status im antiken Griechenland. Auch wenn über den athenischen ξένος nicht gesagt werden kann, ob er ein formales ξενία-Verhältnis, d. h. eine institutionalisierte, rituelle Freundschaftsform unter aristokratischen Familien,19 zu irgendeinem Kreter oder zu einem der anderen Gesprächspartner unterhält,20 ist bei ihm sicher der andere Aspekt der ξενία fassbar, nämlich dass er ein Fremder ist, der sich nur temporär auf Kreta aufhält,21 nicht zum politischen System seiner Gesprächspartner gehört, mit ihnen jedoch dieselbe Kultur teilt.22 Insbesondere scheint, wie Miguel Ángel Spinassi hervorgehoben hat, der Athener die Personifikation des vierten Typen des Fremden, der aus einer anderen Stadt nach Magnesia kommen darf, zu sein:23 τέταρτος δέ, ἄν ποτέ τις ἀφίκηται, σπάνιος μέν, ἂν δ’ οὖν ποτέ τις ἔλθῃ τῶν παρ’ ἡμῖν θεωρῶν ἀντίστροφος ἐξ ἄλλης χώρας, πρῶτον μὲν ἔλαττον ἐτῶν μηδὲν πεντήκοντα γεγονὼς ἔστω, πρὸς τούτῳ δὲ ἀξιῶν τι καλὸν ἰδεῖν τῶν ἐν ταῖς ἄλλαις πόλεσιν διαφέρον ἐν καλλοναῖς ἢ καὶ δεῖξαί τι κατὰ ταὐτὰ ἄλλῃ πόλει. ἴτω μὲν νῦν πᾶς ἀκέλευστος ὁ τοιοῦτος ἐπὶ τὰς τῶν πλουσίων καὶ σοφῶν θύρας, τοιοῦτος ἕτερος αὐτὸς ὤν· ἐπὶ γὰρ τὴν τοῦ τῆς παιδείας ἐπιμελουμένου πάσης οἴκησιν ἴτω πιστεύων ἱκανῶς εἶναι ξένος τῷ τοιούτῳ ξένῳ, ἢ τὴν τῶν νικηφόρων τινὸς ἐπ’ ἀρετῇ, συνὼν δὲ τούτων τισὶν τὸ μὲν διδάξας, τὸ δὲ μαθὼν ἀπαλλαττέσθω, φίλος παρὰ φίλων δώροις καὶ τιμαῖς πρεπούσαις τιμηθείς. Der vierte Fremde, sofern überhaupt einer kommt, ist ein seltener Besucher; sollte aber einmal einer als Gegenstück zu unseren Beobachtern aus einem anderen Land zu uns kommen, so darf er erstens nicht jünger als fünfzig Jahre alt sein; außerdem muss er die Absicht haben, etwas Schönes zu sehen, das die Verhältnisse in den anderen an Schönheit übertrifft, oder auch etwas ebenso Vortreffliches einer anderen Stadt zu zeigen. Jeder Fremde dieser Art soll sich nun unaufgefordert an die Türen der Reichen und Weisen begeben, da er selber ein solcher ist. Er soll nämlich im Haus des Aufsehers über die gesamte Erziehung einkehren im Vertrauen darauf, einem solchen Gastgeber ein angemessener Gast zu sein, oder im Haus eines der Bürger, die in der Tugend den Sieg davongetragen haben; und wenn er mit einigen dieser Männer zusammen gewesen ist und sie teils belehrt, teils sich von ihnen hat belehren lassen, soll er wieder abreisen, als Freund von Freunden mit Geschenken und gebührenden Ehren ausgezeichnet.
Die Parallelen sind evident, wenn auch einige Änderungen vorgenommen werden müssen. Der vierte Typ von Fremden soll in die λόγῳ gegründete Polis kommen mit dem Ziel, etwas Schönes zu betrachten. Der Athener betrachtet mit Kleinias und Megillos etwas Schönes insofern, als sie gemeinsam die ethisch-politischen 19 S. dazu zuletzt Basile (2016) 229–235. 20 Dies wäre immerhin denkbar, da sowohl Kleinias als auch Megillos ihre Verbundenheit zu Athen, bei Megillos sogar in Form der προξενία, betonen, wie wir gesehen haben. 21 Vgl. dazu Migeotte (2004). 22 Vgl. dazu Moggi (1996). 23 Plat. leg. 953c3–d7; vgl. Spinassi (2011).
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Prinzipien untersuchen, die als Grundlage für eine Gesetzgebung dienen sollen. Der in der neuen Stadt zugelassene Fremde wird die Personen, die er trifft, belehren, aber auch von ihnen belehrt werden. Der Athener, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, wird hauptsächlich seine Partner belehren und deutlich weniger von ihnen belehrt werden. Der Fremdenstatus des Atheners hat also durchaus eine politische Konnotation: Er ist derjenige, der demselben Kulturkreis wie seine Gesprächspartner angehört, aber dennoch als politischer Externer in der Lage ist, die guten Aspekte ihrer politischen Verfassung zu begutachten oder auch Verbesserungen vorzuschlagen. Schließlich kommt der unbekannte Fremde aus Athen. Dies lässt sich auf zweierlei Weise erklären. Zum einen ist die athenische Provenienz des ξένος ein mögliches Indiz für Platons Bindung zu seiner Heimatstadt, eine Art Hommage an Athen: Immerhin wird im Kriton Sokrates’ Treue den athenischen Gesetzen gegenüber betont (Krit. 51c–52c); ferner wird Athen in der Politeia als Polis, die der Philosophie am nächsten steht, bezeichnet,24 und in den Nomoi selbst ist Athen, mit dem persischen Königreich, das historische Beispiel für eine der zwei „Mütter aller politischen Verfassungen“, die ermöglichen, die Grundsätze einer guten Verfassung – Freiheit, Eintracht, Vernunft – herauszuarbeiten.25 Doch berücksichtigt man die vorher dargelegten Ausführungen zur Anonymität und zum Fremdenstatus des Atheners, präsentiert sich noch eine weitere Möglichkeit, die im Einklang mit der historischen Gegebenheit, dass viele Mitglieder der platonischen Akademie als Ratgeber bei der Etablierung politischer Verfassungen gedient haben,26 steht. Wenn die Anonymität die Allgemeingültigkeit der philosophischen Reflexion und der Status als Fremder die externe Perspektive eines kulturell affinen, aber politisch anders sozialisierten Beobachters symbolisieren können, dann ist die Provenienz aus Athen nicht metaphorisch als Hommage an Athen, sondern als bedeutsame faktische Angabe aufzufassen: Der athenische ξένος wird wohl auch die in Athen philosophisch ausgebildeten Akademiemitglieder repräsentieren, die in anderen Poleis politisch aktiv werden können.27 24 Plat. rep. 435e6–436a1: ἢ τὸ φιλομαθές, ὃ δὴ τὸν παρ’ ἡμῖν μάλιστ’ ἄν τις αἰτιάσαιτο τόπον. – „Oder die Liebe zum Lernen, die man insbesondere unserer Gegend zuschreiben könnte“ (Übersetzung: D. De Brasi). Vgl. auch Hösle (1984) 605–614, der hervorhebt, dass Athen den anderen Poleis aus mindestens zwei Gründen überlegen ist, der Freiheit und der Liebe zum argumentativen Diskurs (Letztere stellt Hösle der spartanischen Brachylogie gegenüber). 25 Plat. leg. 693d2–7: εἰσὶν πολιτειῶν οἷον μητέρες δύο τινές, ἐξ ὧν τὰς ἄλλας γεγονέναι λέγων ἄν τις ὀρθῶς λέγοι, καὶ τὴν μὲν προσαγορεύειν μοναρχίαν ὀρθόν, τὴν δ’ αὖ δημοκρατίαν, καὶ τῆς μὲν τὸ Περσῶν γένος ἄκρον ἔχειν, τῆς δὲ ἡμᾶς· αἱ δ’ ἄλλαι σχεδὸν ἅπασαι, καθάπερ εἶπον, ἐκ τούτων εἰσὶ διαπεποικιλμέναι. – „Es gibt gleichsam zwei Mütter von Verfassungen, aus denen, wie man mit Recht sagen könnte, die andern entstanden sind, und es ist richtig, wenn man die eine als Monarchie und die andere als Demokratie bezeichnet und behauptet, daß jene beim Perservolk und diese bei uns ihren äußersten Grad erreicht hat; die andern Verfassungen aber sind, wie gesagt, fast alle aus diesen bunt zusammengewoben.“ 26 S. dazu ausführlich Trampedach (1994). 27 Ähnlich Schöpsdau (1994) 107.
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Die Ausführungen zur Anonymität des Atheners haben nun die Aufmerksamkeit auf ein Problem gelenkt, das nicht unmittelbar in Zusammenhang mit der Analyse der Gesprächsgestaltung steht. Doch es wird sich am Ende des Beitrages zeigen, dass die geäußerten Überlegungen zum Sitz im Leben der Nomoi die in den folgenden Seiten angebotene Lektüre der Gesprächsinteraktion unterstützen können. DIE REGELN DES DIALOGS Wie in der Einleitung dargelegt worden ist, ist ein gängiger Vorwurf gegen die Nomoi, dass diese fast a-dialogisch gestaltet seien bzw. dass die dialogische Interaktion nicht lebhaft genug im Vergleich zu anderen platonischen Dialogen sei. Gegen diesen Vorwurf ist die methodische Vorsicht, die Christopher Gill bereits gegen das Ende des letzten Jahrtausends vorgeschlagen hat, eingewendet worden. Nach Gills Prämissen sind die einzelnen Dialoge ja voneinander verschieden, auch und vor allem in der Gestaltung der dialogischen Interaktion. Wenn man nun die Charakterisierung der Gesprächspartner berücksichtigt, stellt sich heraus, dass die Nomoi bestimmten, durch diese Figurencharakterisierung und durch zahlreiche ‚programmatische‘ Passagen festgelegten Konventionen unterliegen. So ist bereits aus der persönlichen Charakterisierung des Kleinias und des Megillos ersichtlich, dass diese eine eher untergeordnete Rolle im Gespräch einnehmen werden. Obwohl sie zur gleichen Altersklasse des Atheners gehören, können sie in zahlreichen Gebieten weniger Expertise als er vorweisen. Darüber hinaus gewähren sie ihm die παρρησία, d. h. das Recht, frei zu sprechen, wobei damit das Recht gemeint ist, frei die Institutionen in Sparta und Kreta zu kritisieren. Schon diese Aspekte deuten darauf hin, dass das Gespräch, anders als andere platonische Dialoge – wie z. B. der Protagoras, aber auch der erste Teil des Parmenides – nicht nach den Prinzipien der agonalen Kultur geführt wird. Vielmehr basiert das Gespräch der Nomoi auf einer gepflegten urbanitas.28 Dieser Aspekt wird auf zweifache Weise vom Athener unterstrichen. Zum einen zeigt er sich seinen Gesprächspartnern gegenüber εὔνους, „wohl gesonnen“, eine Eigenschaft, die auch in anderen platonischen Dialogen als Hinweis gilt, dass der 28 Damit meine ich vor allem die Form des Umgangs miteinander. S. dazu Pröfener (2001) 351: „Der römische Begriff ‚urbanitas‘ ist eine Übersetzung von ἀστειότης, das die Vorzüge an Ausdruck und Toleranz beschreibt, die die gebildeten Stadtbürger Athens gegenüber der bäurisch-plumpen Art (ἄγροικος) bes. der Spartaner für sich in Anspruch nahmen. Gebildet nach dem zuvor lokal gebräuchlichen Adjektiv ‚urbanus‘ (‚der Stadt eigen‘; ‚stadtrömisch‘), umfasst die Urbanitas – im Gegensatz zur ungelenken, gewalttätigen Rusticitas – Umgangsformen des städtischen Bürgers, seine feine Bildung, insbesondere jedoch seine Gabe geistreicher Rede, bedeutungsgemäß nahe der Humanitas. Im Ausgleich zur altrömischen ‚gravitas‘, der allzu großen Ernsthaftigkeit, sowie zur ‚dicacitas‘, der zudringlichen Spottrede, bezeichnet ‚urbanitas‘ die Tugend der Höflichkeit und Freundlichkeit wie auch der zwar schlagfertigen, aber rücksichtsvollen Äußerungen und wird zu den Kennzeichen des guten Redners gezählt.“
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Hauptgesprächspartner seine ‚Mitstreitenden‘ ernst nimmt.29 Die εὔνοια des Atheners zeigt sich auf unterschiedliche Weise. Nicht nur ist er bereit, bei Nachfragen seine Ausführungen verständlicher und präziser zu formulieren,30 er nimmt auch seine Gesprächspartner in Schutz, wenn die Argumentation in seinen Augen zu ‚gefährlich‘ wird.31 Ferner betont er, dass er sich mit seiner Kritik an den dorischen Verfassungen nur an das „schönste Gesetz“ dieser Poleis hält: Dieses Gesetz erlaube nämlich Kritik an der Verfassung nur, wenn diese nicht öffentlich in Gegenwart der jungen Generation, sondern nur im engsten Kreis der Älteren geäußert wird. Diese Kondition treffe auch auf das Gespräch zu, so dass der Athener selbst auf das Wohlwollen seiner Gesprächspartner zählen darf (leg. 634d4–e6). Implizit ist freilich die Prämisse, dass er auf das Wohlwollen seiner Gefährten hofft, weil er selbst ihnen dadurch entgegenkommt, dass er sich ihren Bräuchen fügt. Zum anderen führt der Athener die urbanitas auf das gemeinsame Element des hohen Alters zurück. Denn er betont, dass ältere Männer nicht reizbar und empfindlich sein, sondern eine fundierte Kritik mit Wohlwollen akzeptieren sollen.32 Aus der Charakterisierung der einzelnen Gesprächspartner ergibt sich jedoch noch ein weiterer Aspekt, der zentral für eine korrekte Bewertung des dialogischen Charakters der Nomoi ist, die fassbare Asymmetrie unter den Partnern. Dies ist freilich ein Element, das (fast) allen Dialogen gemeinsam ist, wie vor allem die Vertreter der sogenannten Tübinger Schule betont haben. Insbesondere Thomas Alexander Szlezák hat gezeigt, dass der Athener ein erfahrener Dialektiker ist, der sich seiner philosophischen Überlegenheit bewusst ist.33 Die philosophische Expertise des Atheners tritt eindeutig zu Tage in der Diskussion über die Verbrechen gegen die Religion und insbesondere über den Atheismus im zehnten Buch (leg. 886–900),34 eine Passage, an der indes ersichtlich ist, dass auch Kleinias und Megillos sich ihrer niedrigeren philosophischen Ausbildung bewusst sind. So betont der Athener in leg. 886a6–b5, dass aufgrund ihrer dorischen Lebensweise Kleinias und Megillos nicht erkennen können, aus welchem Grund manche Menschen ein 29 Bartels (2017) 129 Anm. 46. Hier verweist sie auf polit. 262c2–4 und Gorg. 486e6–487a3 sowie auf Bobonich (1991) 376 Anm. 45. 30 S. dazu unten: Erstes Textbeispiel. 31 S. dazu die sich hier anschließenden Ausführungen zur Asymmetrie des Gesprächs. 32 Plat. leg. 634c5–d2: ΑΘ. […] ἀλλ’ ἂν ἄρα τις ἡμῶν περὶ τοὺς ἑκάστων οἴκοι νόμους ψέξῃ τι, βουλόμενος ἰδεῖν τό τε ἀληθὲς ἅμα καὶ τὸ βέλτιστον, μὴ χαλεπῶς ἀλλὰ πρᾴως ἀποδεχώμεθα ἀλλήλων. / ΚΛ. Ὀρθῶς, ὦ ξένε Ἀθηναῖε, εἴρηκας, καὶ πειστέον. / ΑΘ. Οὐ γὰρ ἄν, ὦ Κλεινία, τηλικοῖσδε ἀνδράσιν πρέποι τὸ τοιοῦτον. – „Athener: ‚[…] Hat aber einer von uns jeweils an den Gesetzen seiner Heimat etwas zu bemängeln, weil er das Wahre und zugleich Beste zu erkennen trachtet, so wollen wir das nicht ärgerlich, sondern freundlich voneinander hinnehmen.‘ Kleinias: ‚Du hast recht, Fremder aus Athen, und wir wollen deinen Worten gehorchen.‘ Athener: ‚Denn für Männer unseres Alters, Kleinias, würde sich so etwas doch nicht schicken.‘“ 33 Szlezák (2004) 44–53. 34 Zur Rolle der Religion in den Nomoi s. u. a. Schofield (2003), ein ausführlicher Kommentar zu Buch 10 ist Mayhew (2008).
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gottloses Leben führen (insb. leg. 886b4–5: σχεδὸν ὃ παντάπασιν ὑμεῖς ἔξω ζῶντες οὐκ ἂν εἰδείητε, ἀλλὰ ὑμᾶς ἂν λανθάνοι). Später hebt er hervor, dass seine Ausführungen ab diesem Punkt ziemlich ungewöhnlich sein werden, worauf Kleinias antwortet, dass die Argumentation wohl diese Form annehmen müsse, wenn keine andere argumentative Möglichkeit bereitstehe.35 Die Überlegenheit des Atheners und zugleich seine εὔνοια gegenüber den Gesprächspartnern wird am deutlichsten in den Passagen illustriert, welche die Argumentation für die Präexistenz der Seele vor dem Körper einrahmen. So stellt der Athener in Nomoi 892d– 893a, zu Beginn der Argumentation, einen Vergleich an: Der Diskurs über die Präexistenz der Seele sei wie ein Fluss, den er als jüngster und erfahrenster unter den drei durchqueren könne, nicht jedoch seine älteren und unerfahreneren Partner. Auf denselben Vergleich greift er dann am Ende der Argumentation zurück, wenn er sich an diejenigen richtet, die zwar an die Götter glauben, aber meinen, diese kümmern sich nicht um die Menschen. In diesem Zusammenhang fordert er Kleinias und Megillos auf, seine Fragen zu beantworten, und versichert ihnen, er werde ihnen helfen, „den Fluss zu überqueren“, sobald sie sich in Schwierigkeiten befinden. Kleinias stimmt zu und bemerkt, dass er und Megillos ihm nach Möglichkeit folgen werden.36 Die Betonung des Kleinias, dass er und Megillos nur εἰς 35 Plat. leg. 891c7–e5: ΑΘ. Ἆρ’ οὖν πρὸς Διὸς οἷον πηγήν τινα ἀνοήτου δόξης ἀνηυρήκαμεν ἀνθρώπων ὁπόσοι πώποτε τῶν περὶ φύσεως ἐφήψαντο ζητημάτων; σκόπει πάντα λόγον ἐξετάζων· οὐ γὰρ δὴ σμικρόν γε τὸ διαφέρον, εἰ φανεῖεν οἱ λόγων ἁπτόμενοι ἀσεβῶν, ἄλλοις τε ἐξάρχοντες, μηδὲ εὖ τοῖς λόγοις ἀλλ’ ἐξημαρτημένως χρώμενοι. δοκεῖ τοίνυν μοι ταῦτα οὕτως ἔχειν. / ΚΛ. Εὖ λέγεις· ἀλλ’ ὅπῃ, πειρῶ φράζειν. / ΑΘ. Ἔοικεν τοίνυν ἀηθεστέρων ἁπτέον εἶναι λόγων. / ΚΛ. Οὐκ ὀκνητέον, ὦ ξένε. μανθάνω γὰρ ὡς νομοθεσίας ἐκτὸς οἰήσῃ βαίνειν, ἐὰν τῶν τοιούτων ἁπτώμεθα λόγων. εἰ δὲ ἔστι μηδαμῇ ἑτέρως συμφωνῆσαι τοῖς νῦν κατὰ νόμον λεγομένοις θεοῖς ὡς ὀρθῶς ἔχουσιν ἢ ταύτῃ, λεκτέον, ὦ θαυμάσιε, καὶ ταύτῃ. / ΑΘ. Λέγοιμ’ ἄν, ὡς ἔοικεν, ἤδη σχεδὸν οὐκ εἰωθότα λόγον τινὰ τόνδε. – „Athener: ‚Haben wir nun damit nicht, bei Zeus, gleichsam eine Quelle der unvernünftigen Meinung all der Menschen entdeckt, die sich jemals mit Untersuchungen über die Natur befaßt haben? Betrachte und prüfe jedes Wort. Denn es wäre kein geringer Gewinn, wenn sich herausstellen sollte, daß diejenigen, die sich mit unfrommen Ansichten befassen und anderen darin vorangehen, die Worte nicht nur nicht richtig, sondern sogar verkehrt gebrauchen. Und dies scheint mir wirklich der Fall zu sein.‘ Kleinias: ‚Gut gesprochen. Aber inwiefern? Das versuche uns zu zeigen.‘ Athener: ‚Nun, da müssen wir uns wahrscheinlich mit Gedankengängen befassen, die uns ziemlich ungewohnt sind.‘ Kleinias: ‚Du darfst nicht zögern, Fremder. Denn ich merke, du meinst, wir kämen von der Gesetzgebung ab, wenn wir uns mit derartigen Gedanken befassen. Wenn es aber auf keinem anderen Weg als auf diesem möglich ist, Einigung darüber zu erzielen, daß die jetzt im Gesetz als Götter bezeichneten Wesen damit richtig bezeichnet sind, dann, mein Teuerster, müssen wir unsere Ansicht auch auf diesem Weg vortragen.‘ Athener: ‚So werde ich nun wahrscheinlich eine ziemlich ungewöhnliche Behauptung aufstellen, [nämlich folgende].‘“ 36 Plat. leg. 900c1–7: ΑΘ. σὺ δ’, ὦ Κλεινία τε καὶ Μέγιλλε, ὑπὲρ τοῦ νέου καθάπερ ἐν τοῖς ἔμπροσθεν ἀποκρινόμενοι διαδέχεσθε· ἂν δέ τι δύσκολον ἐμπίπτῃ τοῖς λόγοις, ἐγὼ σφῷν ὥσπερ νυνδὴ δεξάμενος διαβιβῶ τὸν ποταμόν. / ΚΛ. Ὀρθῶς λέγεις· καὶ σύ τε οὕτω ταῦτα δρᾶ, ποιήσομέν τε ἡμεῖς εἰς τὸ δυνατὸν ἃ λέγεις. – „Athener: ‚Du aber, Kleinias, und Megillos, übernehmt ihr es wie vorhin, für den jungen Mann zu antworten; wenn aber irgendeine Schwierigkeit in unserem Gespräch vorkommen sollte, so will ich diese Aufgabe übernehmen
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τὸ δυνατὸν – wie sie in der Lage sein werden – die Fragen des Atheners beantworten werden, spiegelt den Eindruck der Ratlosigkeit des Kreters und des Spartaners wider, der sich im Laufe des Gesprächs über die Präexistenz der Seele manifestiert,37 und bestätigt eindeutig ihre Unterlegenheit dem Athener gegenüber. Es wird aus diesen Ausführungen also ersichtlich, dass die Nomoi eigenen Gesprächsregeln unterliegen, die sich auf folgende Weise zusammenfassen lassen: Das Gespräch weist eine deutlichere Asymmetrie als andere platonische Dialoge auf, da anders als bei den meisten Dialogen, in denen starke Vertreter von ebenso starken Positionen gegeneinander auftreten – man denke z. B. an Kallikles im Gorgias, Protagoras im gleichnamigen Dialog, Thrasymachos in der Politeia, Zenon von Elea im Parmenides, die als sparring partner eine ebenso widerstandsfähige Figur, Sokrates, haben – ein Experte in zahlreichen Bereichen auf zwei Gefährten zutrifft, die ihm vor allem in Hinsicht auf ethische und philosophische Argumentation unterlegen sind. Diese Asymmetrie wird von einer akzentuierten urbanitas flankiert, die sich zum einen als εὔνοια des Atheners gegenüber seinen Gesprächspartnern manifestiert, zum anderen dadurch Ausdruck findet, dass Kleinias und Megillos dem Fremden aus Athen παρρησία, absolute Redefreiheit gewähren. So folgt daraus, dass dem Athener unmissverständlich die Leitung des Gesprächs zusteht, wie fast zu Beginn des Gesprächs angekündigt wird (der Athener spricht): „Ihr wärt also offenbar bereit, mir zuzuhören. Ich meinerseits habe zwar den Willen [zu reden, Anm. De Brasi], aber das Können ist nicht ganz leicht; dennoch muss es versucht werden.“38 Der Art und Weise, wie diese Mischung aus Asymmetrie und urbanitas verwirklicht wird, wollen wir uns in den nächsten Abschnitten widmen. ERSTES TEXTBEISPIEL: NOMOI 857A–864D Die erste Passage, die näher betrachtet werden soll, befindet sich relativ am Anfang des neunten Buches. In den diesem Text vorausgegangenen Ausführungen und euch so über den Strom setzen.‘ Kleinias: ‚Was du sagst, ist richtig. Und so mache es auch, und wir wollen nach bestem Vermögen tun, was du sagst.‘“ 37 Kleinias äußert mindestens achtzehnmal innerhalb von ca. zwölf Stephanusseiten des griechischen Textes (leg. 886–898) seine ‚Probleme‘ gegenüber der Argumentation des Atheners durch Wendungen wie „πῶς λέγεις;“, „λέγε σαφέστερον“, „οὔπω μανθάνω“ o. ä. 38 Plat. leg. 643a2–4: Τὰ μὲν τοίνυν ὑμέτερα ἀκούειν, ὡς ἔοικεν, ἕτοιμ’ ἂν εἴη· τὰ δ’ ἐμὰ βούλεσθαι μὲν ἕτοιμα, δύνασθαι δὲ οὐ πάνυ ῥᾴδια, ὅμως δὲ πειρατέον. – „So wärt ihr also eurerseits offenbar bereit, mir zuzuhören. Ich meinerseits habe zwar den Willen, aber das Können ist nicht ganz leicht; dennoch muß es versucht werden.“ Wichtig ist dabei, dass der Athener genauso wie andere philosophische Figuren in anderen philosophischen Dialogen (z. B. Parmenides im gleichnamigen Dialog, Sokrates in der Politeia) auf die möglich fehlende ‚Kompetenz‘ bei komplexen Argumentationen bzw. Fragestellungen hinweist. Dies ist freilich nur ein rhetorischer Topos (nach Curtius als ‚affektierte Bescheidenheit‘ zu bezeichnen), vgl. Curtius (111993) 93–95 und Lausberg (³1990) 275β), der jedoch auf die tatsächliche Komplexität des Behandelten hinweist.
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hat der Athener die Proömien zu den Gesetzen für Tempeldiebstahl und politische Verbrechen formuliert und die möglichen Strafen für diejenigen, die diesen Gesetzen nicht folgen, vorgeschlagen. Nun widmet er sich einem weiteren Verbrechen, dem allgemeinen Diebstahl. Betrachtet man den Inhalt dieser Passage, fällt auf, dass hier ein philosophisch dichter Text präsentiert wird. Auf die Frage des Kleinias, der sich erkundigt, warum nach Meinung des Atheners die Strafe für einen Diebstahl immer gleich sein soll, unabhängig von allen möglichen Varianten, die berücksichtigt werden könnten (z. B. Größe des Diebesgutes, Stand des Bestohlenen etc.) erinnert der Fremde zunächst an das Gleichnis des freien und des Sklavenarztes aus dem vierten Buch (leg. 720a–e), um zu verdeutlichen, dass die Gesetze die Bürger erziehen müssen (leg. 857c–e). Darauf folgt die Bemerkung, dass die Tätigkeit, die Kleinias, Megillos und er während des Gesprächs ausüben, keinen tatsächlichen legislativen Akt darstelle, sondern nur eine Untersuchung der Gesetze biete, flankiert von der Behauptung, dass der Gesetzgeber wie alle anderen ‚Schriftsteller‘, d. h. Dichter und Redner, „Rat über das Schöne, das Gute und das Gerechte“ erteilen soll (leg. 858a–859c). Daraus entfaltet sich eine Argumentation, die in die (typisch platonische) These mündet, dass das Schöne und das Gerechte entgegen dem, was die communis opinio verficht, identisch sind (leg. 859c–860c). Diese Stellungnahme wird sodann in Einklang mit einem weiteren (sokratischen) Postulat gebracht, wonach derjenige, der Unrecht tut, dies unfreiwillig tut (ἀκούσιον o. Ä.; leg. 860c–861a). Nachdem diese Annahmen der weiteren Argumentation zugrunde gelegt worden sind, zieht der Athener daraus einige Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber (leg. 861a–864c), die indes weiterhin die Form einer ausführlichen moralpsychologischen Reflexion aufweisen. So wird zunächst eine Unterscheidung zwischen Schädigungen und Ungerechtigkeiten getroffen, wobei Erstere sowohl freiwillig als auch unfreiwillig, Letztere nur freiwillig sein können. Nur freiwillig begangenes Unrecht bzw. freiwillig begangene Schädigungen seien dabei strafbar (leg. 861e–863a). Dies führt wiederum und abschließend zu einer Untersuchung der Gründe, die zu einer Verfehlung führen können (ἁμάρτημα): Einerseits wird Unrecht bzw. freiwillige Schädigung auf das übermäßige Wirken der Affekte zurückgeführt, insbesondere auf die zwei in den Nomoi zentralen Grundaffekte Lust und Schmerz, andererseits werden unfreiwillige Schädigungen als Resultat von Unwissenheit (ἄγνοια) aufgefasst. Dabei wird ἄγνοια noch in „einfache“ Ignoranz, in „doppelte“ Ignoranz – gemeint ist damit die Unwissenheit desjenigen, der glaubt, etwas zu wissen, obwohl er gar nichts weiß – und in eine von Schwachheit (ἀσθένεια) begleitete Ignoranz untergliedert. Diese fünf ‚Kategorien‘ dienen schließlich als Basis für eine Dreiteilung der Gesetze in Strafgesetze gegen gewaltsame, gegen auf Betrug fußende Vergehen und gegen Delikte, die sich als Mischung beider Deliktsorten präsentieren (leg. 863a–864d). Bei dieser Dichte an theoretischer Reflexion sollte nicht überraschen, dass das Gespräch, das hauptsächlich zwischen dem Athener und Kleinias stattfindet, eher die Form eines Lehrvortrags annimmt, in dem Kleinias’ Bemerkungen vor allem die Funktion haben, nach Präzisierungen und Klärungen sowohl auf inhaltlicher
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als auch auf argumentativer Ebene zu fragen. Betrachten wir nur folgendes Beispiel:39 ΑΘ. Περὶ δὴ καλῶν καὶ δικαίων συμπάντων πειρώμεθα κατιδεῖν τὸ τοιόνδε, ὅπῃ ποτὲ ὁμολογοῦμεν νῦν καὶ ὅπῃ διαφερόμεθα ἡμεῖς τε ἡμῖν αὐτοῖς, οἳ δὴ φαῖμεν ἂν προθυμεῖσθαί γε, εἰ μηδὲν ἄλλο, διαφέρειν τῶν πλείστων, οἱ πολλοί τε αὐτοὶ πρὸς αὑτοὺς αὖ. ΚΛ. Τὰς ποίας δὲ δὴ διαφορὰς ἡμῶν ἐννοηθεὶς λέγεις; ΑΘ. Ἐγὼ πειράσομαι φράζειν. περὶ δικαιοσύνης ὅλως καὶ τῶν δικαίων ἀνθρώπων τε καὶ πραγμάτων καὶ πράξεων πάντες πως συνομολογοῦμεν πάντα εἶναι ταῦτα καλά, ὥστε οὐδ’ εἴ τις διισχυρίζοιτο εἶναι τοὺς δικαίους ἀνθρώπους, ἂν καὶ τυγχάνωσιν ὄντες αἰσχροὶ τὰ σώματα, κατ’ αὐτό γε τὸ δικαιότατον ἦθος ταύτῃ παγκάλους εἶναι, σχεδὸν οὐδεὶς ἂν λέγων οὕτω πλημμελῶς δόξειε λέγειν. ΚΛ. Οὐκοῦν ὀρθῶς; ΑΘ. Ἴσως· ἴδωμεν δὲ ὡς, εἰ πάντ’ ἐστὶν καλὰ ὅσα δικαιοσύνης ἔχεται, τῶν πάντων τοι καὶ τὰ παθήματα ἡμῖν ἐστιν, σχεδὸν τοῖς ποιήμασιν ἴσα. ΚΛ. Τί οὖν δή; ΑΘ. Ποίημα μέν, ὅπερ ἂν ᾖ δίκαιον, σχεδὸν ὅσονπερ ἂν τοῦ δικαίου κοινωνῇ, κατὰ τοσοῦτον καὶ τοῦ καλοῦ μετέχον ἐστί. ΚΛ. Τί μήν; ΑΘ. Οὐκοῦν καὶ πάθος ὅπερ ἂν δικαίου κοινωνῇ, κατὰ τοσοῦτον γίγνεσθαι καλὸν ὁμολογούμενον, οὐκ ἂν διαφωνοῦντα παρέχοι τὸν λόγον; ΚΛ. Ἀληθῆ. ΑΘ. Ἐὰν δέ γε δίκαιον μὲν ὁμολογῶμεν, αἰσχρὸν δὲ εἶναι πάθος, διαφωνήσει τό τε δίκαιον καὶ τὸ καλόν, λεχθέντων τῶν δικαίων αἰσχίστων εἶναι. ΚΛ. Πῶς τοῦτο εἴρηκας; ΑΘ. Οὐδὲν χαλεπὸν ἐννοεῖν· οἱ γὰρ ὀλίγῳ πρόσθεν τεθέντες ἡμῖν νόμοι πάντων ἐναντιώτατα παραγγέλλειν δόξειαν ἂν τοῖς νῦν λεγομένοις. ΚΛ. Ποίοις; ATH. Was nun das Schöne und Gerechte im Allgemeinen betrifft, so wollen wir folgendes zu erkennen suchen: nämlich, in welcher Hinsicht wir selbst denn jetzt miteinander hierüber einer Meinung sind und in welcher wir mit uns selbst uneins sind (die wir doch, wie wir meinen, zumindest danach streben, uns von den meisten Leuten zu unterscheiden), und andererseits, inwiefern die Masse der Menschen untereinander einig oder uneinig ist. KL. An welche Meinungsverschiedenheiten zwischen uns denkst du denn bei diesen deinen Worten? ATH. Ich will es zu erklären versuchen. Über die Gerechtigkeit im Allgemeinen und über die gerechten Menschen und Dinge und Handlungen sind wir uns doch alle einig, dass dies alles schön ist. Daher würde selbst dann, wenn einer behaupten würde, dass die gerechten Men-
39 Plat. leg. 859c6–860a11.
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schen, auch wenn sie körperlich hässlich sind, eben wegen ihrer gerechten Gesinnung vollkommen schön seien, fast niemand, der so etwas sagt, etwas Verkehrtes zu sagen scheinen. KL. Und nicht mit Recht? ATH. Vielleicht. Wir wollen aber noch folgendes betrachten: wenn alles schön ist, was mit der Gerechtigkeit zusammenhängt, so gehört doch zu diesem ‚allen‘ gewiß auch das uns zugefügte Leiden, fast in gleichem Maße wie unsere Taten. KL. Wie das? ATH. Jedes Tun, sofern es gerecht ist, hat doch so ziemlich in demselben Maße, in dem es am Gerechten teilhat, auch am Schönen teil. KL. Gewiss. ATH. Wenn wir uns also darauf einigten, dass auch ein Leiden, sofern es am Gerechten teilhat, in demselben Maße schön wird, so würde dies keinen Widerspruch in unserer Argumentation bedeuten? KL. Richtig. ATH. Wenn wir uns aber darauf einigten, dass ein Leiden zwar gerecht, aber hässlich ist, dann wird das Gerechte und das Schöne miteinander in Widerspruch geraten, weil ja das Gerechte damit für äußerst hässlich erklärt wird. KL. Wie hast du das gemeint? ATH. Dies ist nicht schwer zu begreifen. Die kurz zuvor von uns aufgestellten Gesetze könnten nämlich den Eindruck erwecken, als gäben sie Anweisungen, die zu den gerade eben gemachten Aussagen in allergrößtem Gegensatz stehen. KL. Wie denn? […]
Das didaktische Verfahren des Atheners ist sofort ersichtlich. Zuerst umreißt er das im Fokus der folgenden Ausführungen stehende Thema kurz (περὶ δὴ καλῶν καὶ δικαίων συμπάντων πειρώμεθα κατιδεῖν τὸ τοιόνδε), um sodann die genaue Fragestellung zu präzisieren. Die ziemlich allgemein gehaltene Beschreibung des ‚Untersuchungsgegenstandes‘ führt Kleinias dazu, nach einer genaueren Darstellung zu fragen (τὰς ποίας δὲ δὴ διαφορὰς ἡμῶν ἐννοηθεὶς λέγεις;). Daraufhin zeigt sich der Athener gewillt, auf Kleinias’ Frage einzugehen, wobei er darauf hinweist, dass die Erklärung nicht unbedingt verständlicher sein wird (ἐγὼ πειράσομαι φράζειν). Er verweist dann auf die Einigkeit unter ihnen in Bezug auf die intrinsische Schönheit der Gerechtigkeit (συνομολογοῦμεν), um gleich im nächsten Satz auf die daraus folgende Konsequenz einzugehen, dass ein gerechter Mensch schön sein wird, auch wenn er wegen seines Aussehens für hässlich gehalten werden sollte. Kleinias ahnt nun, dass sein Gesprächspartner aus dieser Prämisse eine nicht unmittelbar einleuchtende Argumentation entfalten wird, und äußert seine Zweifel (οὐκοῦν ὀρθῶς;). Durch das anschließende ἴσως, das vermutlich eine ironische Färbung hat, beruhigt der Fremde seinen Gefährten und weist ihm den Weg der weiteren Untersuchung (ἴδωμεν δὲ ὡς). Bis jetzt hat der Athener also das Interesse des Kleinias für eine spezifische Fragestellung geweckt, ihn durch gezielte Äußerungen zunächst verunsichert und anschließend zu einer präzisen Argumentation gelenkt. In der Folge geht es ähnlich weiter: Eine unklare
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Aussage des Atheners löst in Kleinias den Bedarf nach einer Präzisierung (τί οὖν δή;) aus, daraufhin sichert sich der Fremde erst einmal die Zustimmung seines Gesprächspartners über zwei Prämissen (τί μήν; ἀληθῆ), bevor er erneut argumentative Sprünge vollzieht, die für Kleinias erklärungsbedürftig sind (πῶς τοῦτο εἴρηκας; ποίοις;). Man sollte indes nicht glauben, dass der Athener der alleinige ‚Entscheidungsträger‘ in Hinsicht auf den Verlauf des Gesprächs ist. Die ganze Diskussion um die Identität von Gerechtigkeit und Schönheit sowie um die Ursachen der Verfehlung ist im Grunde genommen Kleinias’ Entscheidung nach einem Vorschlag des Atheners:40 ΑΘ. καὶ δὴ καὶ τὸ νῦν ἔξεστιν ἡμῖν, ὡς ἔοικεν, εἰ μὲν βουλόμεθα, τὸ βέλτιστον σκοπεῖν, εἰ δὲ βουλόμεθα, τὸ ἀναγκαιότατον περὶ νόμων· αἱρώμεθα οὖν πότερον δοκεῖ. ΚΛ. Γελοίαν, ὦ ξένε, προτιθέμεθα τὴν αἵρεσιν, καὶ ἀτεχνῶς ὥσπερ κατεχομένοις νομοθέταις ὅμοιοι γιγνοίμεθ’ ἂν ὑπὸ μεγάλης τινὸς ἀνάγκης ἤδη νομοθετεῖν, ὡς οὐκέτ’ ἐξὸν εἰς αὔριον· ἡμῖν δ’—εἰπεῖν σὺν θεῷ—ἔξεστι, καθάπερ ἢ λιθολόγοις ἢ καί τινος ἑτέρας ἀρχομένοις συστάσεως, παραφορήσασθαι χύδην ἐξ ὧν ἐκλεξόμεθα τὰ πρόσφορα τῇ μελλούσῃ γενήσεσθαι συστάσει, καὶ δὴ καὶ κατὰ σχολὴν ἐκλέξασθαι. ATH. [Und] so steht es uns jetzt offensichtlich frei, wenn wir wollen, das Beste oder auch, wenn wir dies wollen, das Notwendigste auf dem Gebiet der Gesetze zu betrachten. Wählen wir also das, was uns beliebt. KL. Vor eine lächerliche Wahl, Fremder, stellen wir uns da; und wir würden in genau die gleiche Lage geraten wie Gesetzgeber, die von einer dringenden Notwendigkeit gezwungen werden, schon jetzt Gesetze zu geben, als ob dies morgen nicht mehr möglich wäre. Wir aber haben – mit Gottes Hilfe, muss man sagen – die Freiheit, wie die Maurer oder wie Leute, die sonst ein Bauwerk beginnen, zunächst das Material haufenweise zusammenzutragen, aus dem wir das für den künftigen Bau Geeignete auswählen, und so in aller Ruhe unsere Auswahl zu treffen.
Der Athener zielt demnach darauf ab, sich zunächst das Einverständnis seiner Gesprächspartner vor der Durchführung einer ausführlichen, auf philosophischen bzw. moralpsychologischen Prämissen basierenden Argumentation zu sichern. Dies bestätigt auch das folgende zweite Textbeispiel. ZWEITES TEXTBEISPIEL: NOMOI 835C–842A Im achten Buch, in dem in erster Linie die Erziehung der heranwachsenden Jungen und Mädchen sowie der Erwachsenen behandelt wird, setzt der Athener sich mit dem für ihn aus gesellschaftlicher Sicht problematischen Aspekt der homosexuellen und außerehelichen Beziehungen auseinander. Auch in diesem Fall geht er bewusst auf seine Gesprächspartner ein, wobei seine Umsicht bei der Formulierung und Darlegung der Argumentation noch stärker als in der soeben analysierten Passage aus dem neunten Buch zu Tage tritt. Er weiß, dass dieses Thema auf 40 Plat. leg. 858a3–b6.
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besondere Ablehnung bei Kleinias und Megillos stoßen könnte, da die dorischen Gesetzgebungen in Hinsicht auf sexuelle Sitten im Vergleich zu seinem avisierten Ziel eher lax waren.41 Deshalb führt er die Problematik auf besonders vorsichtige Weise ein, indem er betont, dass nur ein Gott unmittelbar Befehle über ein Thema erlassen könnte, worüber die Leute sehr schwer zu überzeugen/überreden sind. Dennoch soll ein Mensch, „der ein offenes Wort besonders hochschätzt“ und „als einziger einzig der Vernunft folgt“, dieses Problem direkt ansprechen.42 Durch seine verallgemeinernde Formulierung erzeugt er erneut Unsicherheit in Kleinias: „Welches Thema, Fremder, haben wir denn nun wieder zu besprechen? Denn wir verstehen das noch nicht“ (leg. 835d1–2). Aus dieser Nachfrage des Kleinias entwickelt sodann der Athener eine ausführliche, fast monologische Argumentation, die ihn dazu führen wird, ein Gesetz zu formulieren, wonach homosexuelle Beziehungen verboten, heterosexuelle außereheliche im Verborgenen geduldet werden. Bemerkenswert ist dabei die Form des Umgangs des Atheners mit seinen Gefährten. So arbeitet er in seinen Ausführungen bereits diejenigen argumentativen Schritte ein, von denen er weiß, dass sie bei Kleinias und Megillos einen zur Zustimmung führenden Effekt haben können. So lenkt er nach der Betrachtung der drei Arten von Freundschaft und Liebe (zwischen Ähnlichem, zwischen Gegensätzlichem und ‚gemischt‘) die Aufmerksamkeit seiner Gefährten auf das ethische Resultat des Gesetzes in seinem sozialen Kontext, wohl wissend, dass zumindest Megillos sich damit einverstanden erklären wird:43 ΑΘ. ὄντων δὲ τούτων τοσούτων, πότερον ἅπαντας δεῖ κωλύειν τὸν νόμον, ἀπείργοντα μὴ γίγνεσθαι ἐν ἡμῖν, ἢ δῆλον ὅτι τὸν μὲν ἀρετῆς ὄντα καὶ τὸν νέον ἐπιθυμοῦντα ὡς ἄριστον γίγνεσθαι βουλοίμεθ’ ἂν ἡμῖν ἐν τῇ πόλει ἐνεῖναι, τοὺς δὲ δύο, εἰ δυνατὸν εἴη, κωλύοιμεν ἄν; ἢ πῶς λέγομεν, ὦ φίλε Μέγιλλε;
41 Plat. leg. 836b4–8: καὶ γὰρ οὖν πρὸς μὲν ἄλλα οὐκ ὀλίγα ἡ Κρήτη τε ἡμῖν ὅλη καὶ ἡ Λακεδαίμων βοήθειαν ἐπιεικῶς οὐ σμικρὰν συμβάλλονται τιθεῖσι νόμους ἀλλοίους τῶν πολλῶν τρόπων, περὶ δὲ τῶν ἐρώτων—αὐτοὶ γάρ ἐσμεν—ἐναντιοῦνται παντάπασιν. – „Denn während uns sonst in nicht wenigen Fällen Kreta und Lakedaimon freundlicherweise eine nicht geringe Hilfe leisten, wenn wir Gesetze geben, die von den meisten Gewohnheiten abweichen, so befinden sie sich doch in Fragen der Liebe – wir sind ja unter uns – in völligem Gegensatz zu uns.“ 42 Plat. leg. 835c1–8: ἃ δὲ μὴ σμικρὸν διαφέρει, πείθειν τε χαλεπόν, θεοῦ μὲν μάλιστα ἔργον, εἴ πως οἷόν τε ἦν ἐπιτάξεις αὐτὰς παρ’ ἐκείνου γίγνεσθαι, νῦν δὲ ἀνθρώπου τολμηροῦ κινδυνεύει δεῖσθαί τινος, ὃς παρρησίαν διαφερόντως τιμῶν ἐρεῖ τὰ δοκοῦντα ἄριστ’ εἶναι πόλει καὶ πολίταις, ἐν ψυχαῖς διεφθαρμέναις τὸ πρέπον καὶ ἑπόμενον πάσῃ τῇ πολιτείᾳ τάττων, ἐναντία λέγων ταῖς μεγίσταισιν ἐπιθυμίαις καὶ οὐκ ἔχων βοηθὸν ἄνθρωπον οὐδένα, λόγῳ ἑπόμενος μόνῳ μόνος. – „Was jedoch von nicht geringer Bedeutung ist, wozu aber die Leute nur schwer zu überreden sind, das wäre am ehesten eine Aufgabe für einen Gott, sofern es nur möglich wäre, daß von ihm unmittelbare Befehle ausgingen; so aber scheint es dazu eines unerschrockenen Mannes zu bedürfen, der ein offenes Wort besonders hochschätzt und deshalb ausspricht, was ihm als das Beste für eine Stadt und ihre Bürger erscheint, der mitten unter verdorbenen Seelen anordnet, was sich schickt und mit der gesamten Verfassung im Einklang steht, der mit seinen Worten den größten Begierden entgegentritt und da er in keinem Menschen einen Helfer hat, als einziger einzig der Vernunft folgt.“ 43 Plat. leg. 837d2–e8.
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Diego De Brasi ΜΕ. Πάντῃ τοι καλῶς, ὦ ξένε, περὶ αὐτῶν τούτων εἴρηκας τὰ νῦν. ΑΘ. Ἔοικά γε, ὅπερ καὶ ἐτόπαζον, τυχεῖν τῆς σῆς, ὦ φίλε, συνῳδίας· τὸν δὲ νόμον ὑμῶν, ὅτι νοεῖ περὶ τὰ τοιαῦτα, οὐδέν με ἐξετάζειν δεῖ, δέχεσθαι δὲ τὴν τῷ λόγῳ συγχώρησιν. Κλεινίᾳ δὲ μετὰ ταῦτα καὶ εἰς αὖθις περὶ αὐτῶν τούτων πειράσομαι ἐπᾴδων πείθειν. τὸ δέ μοι δεδομένον ὑπὸ σφῷν ἴτω, καὶ διεξέλθωμεν πάντως τοὺς νόμους. ΜΕ. Ὀρθότατα λέγεις. ATH. Wenn es nun so viele Arten gibt, soll das Gesetz sie alle unterbinden und ihre Entstehung in uns verhindern, oder ist es klar, dass wir die Art, die sich auf die Tugend richtet und danach trachtet, dass der junge Mann möglichst gut wird, in unserer Stadt haben wollen, die anderen beiden Arten aber, wenn es möglich wäre, verhindern würden? Oder was meinen wir, mein lieber Freund Megillos? MEG. In jeder Hinsicht schön hast du, Fremder, gerade über diese Dinge soeben gesprochen. ATH. So scheine ich, wie ich auch vermutete, deine Zustimmung, mein lieber Freund, erhalten zu haben. Was aber euer Gesetz über derartige Fragen denkt, brauche ich nicht zu untersuchen, sondern kann mich mit deiner Zustimmung zu meinen Darlegungen begnügen. Den Kleinias aber werde ich in eben dieser Frage später noch einmal mit dem Mittel der Bezauberung zu überzeugen suchen. Auf die gemeinsame Zustimmung von euch beiden will ich verzichten, und so wollen wir die Gesetze ganz bis zum Ende durchgehen. MEG. Du hast völlig Recht.
Sowohl der Einschub ὅπερ καὶ ἐτόπαζον als auch und vor allem die abschließende Bemerkung, dass die Zustimmung des Kleinias auch zu einem späteren Zeitpunkt durch ‚Zaubersprüche‘ gewonnen werden kann (πειράσομαι ἐπᾴδων πείθειν), deutet daraufhin, dass die Argumentation des Atheners zunächst auf den spezifischen Mitstreitenden Megillos gemünzt wird: Als guter und wohlwollender ‚Erzieher‘ kümmert sich der Athener darum, seinen Partner dort abzuholen, wo dieser sich gedanklich aufgrund seiner (spartanischen) Sozialisierung befindet. Deshalb greift der Athener direkt im Anschluss die Bedeutung der öffentlichen Meinung für die gesellschaftliche Umsetzung und Festigung von Moralnormen (in dem spezifischen Fall das Inzestverbot), da dieser Aspekt in Sparta (zumindest nach Quellenüberlieferung) eine prominente Stellung hatte.44 In der Tat kann Megillos den Ausführungen des Fremden nur lobend zustimmen:45 ΜΕ. Ὀρθότατα λέγεις τό γε τοσοῦτον, ὅτι τὸ τῆς φήμης θαυμαστήν τινα δύναμιν εἴληχεν, ὅταν μηδεὶς μηδαμῶς ἄλλως ἀναπνεῖν ἐπιχειρήσῃ ποτὲ παρὰ τὸν νόμον. MEG. Du hast zumindest darin völlig recht, dass die öffentliche Meinung eine geradezu wunderbare Macht erlangt hat, wenn niemand jemals auch nur einen Atemzug entgegen dem Gesetz zu tun wagt.
Nun, da Megillos auf seiner Seite ist, kann der Athener ausführlicher auf sein avisiertes Gesetz eingehen und mit Kleinias die Argumentation weiterführen. Dabei behält er stets Megillos im Auge, so dass am Ende der Diskussion der Spartaner 44 Vgl. z. B. die Darstellung der (idealisierten) spartanischen Gesellschaft in Xenophons Verfassung der Spartaner sowie in Plutarchs Leben des Lykurgs. 45 Plat. leg. 838c8–d2.
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als erster seine eindeutige und endgültige Zustimmung zum vorgeschlagenen Gesetz zur Sexualmoral verkündet.46 FAZIT In diesem Beitrag habe ich entgegen der communis opinio, die in den Nomoi den dialogischen Aspekt vermisst, argumentiert, dass Platons letzter Dialog durchaus ein Beispiel gelungener Dialogizität darstellt, wenn man davon ausgeht, dass er eigenen dialogischen Konventionen unterliegt. Diese lassen sich anhand einer Analyse der allgemeinen sowie der spezifischen Charakterisierung der Dialogfiguren herausarbeiten. So werden die Gesprächspartner im Allgemeinen als wohlwollend und nicht reizbar charakterisiert, was impliziert, dass der Dialog nach dem Prinzip der urbanitas gestaltet wird. Die Dialogfiguren weisen jedoch auch große Unterschiede in Bezug auf ihre Expertisen auf. Dies führt zu einer eindeutigen asymmetrischen Gestaltung des dialogischen Verfahrens: Auf der einen Seite steht der Fremde aus Athen, der eine Expertise in beinahe jedem Gebiet vorweisen kann, auf der anderen Kleinias und Megillos, die vom Athener ‚an die Hand genommen‘ und in jedes Thema eingeführt werden. Die kurz umrissenen Passagen zeigen, wie Kleinias’ und Megillos’ Wortmeldungen entscheidend zum Verlauf des Gesprächs beitragen insofern, als sie dessen didaktischen Zweck hervorheben. Betrachtet man all diese Aspekte, kann man nicht umhin, mit Chris Bobonich zu vermuten, dass Kleinias und Megillos selbst den Erziehungsprozess, den der Athener für die Bürger Magnesias vorsieht, durchlaufen.47 Dafür spreche auch – so Bobonich – die berühmte Passage im siebten Buch, in der das gerade stattfindende Gespräch unter den drei Gefährten als Modell für die Erziehung der Kinder in Magnesia bezeichnet wird (leg. 811c6–812a1). Wenn wir aber die Stellung des Kleinias und des Megillos im Dialog berücksichtigen, kann Bobonichs Hypothese nicht gänzlich überzeugen. Denn es stimmt zwar, dass Kleinias und Megillos sozusagen einen Erziehungsprozess durchlaufen, doch gehört zumindest Kleinias im fiktiven Universum der Nomoi den zukünftigen Gründern (und vermutlich Gesetzgebern) der kretischen Kolonie an. Eine Möglichkeit, diesen Erziehungsprozess besser zu verstehen, ergibt sich deshalb m. E., wenn man die früher gebotenen Ausführungen zur Anonymität des Atheners berücksichtigt. Falls der Athener für das sich politisch betätigende Mitglied der Akademie steht und Kleinias und Megillos der Dialogsituation entsprechend mögliche Empfänger der politischen Ratschläge der Akademiemitglieder repräsentieren, ist der Erziehungsprozess, dem sie sich unterwerfen, dem Verfahren gleichzusetzen, das beim Zusammentreffen eines Gesetzgebers und eines in der Akademie ausgebildeten ‚philosophi 46 Plat. leg. 842a4–6: ΜΕ. Καὶ τοίνυν, ὦ ξένε, ἐγὼ μέν σοι σφόδρα δεχοίμην ἂν τοῦτον τὸν νόμον, ὁ δὲ δὴ Κλεινίας αὐτὸς φραζέτω τί ποτε περὶ αὐτῶν διανοεῖται. – „Megillos: ‚Nun Fremder, ich würde mir dieses Gesetz schon sehr gerne gefallen lassen; Kleinias aber soll selber sagen, was er darüber denkt.‘“ 47 Bobonich (1996) 259–273.
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schen Beraters‘ in Gang kommen soll. In dieser Perspektive wären die Nomoi nicht (oder besser: nicht nur) ein Werk der politischen Philosophie, sondern (auch und vor allem) ein Modell, eine kreative Anleitung sozusagen, für die Mitglieder der Akademie, die ihre Dienste als politische Berater anbieten möchten, um sich argumentativ mit nicht philosophisch ausgebildeten Politikern auseinanderzusetzen und sie von der Güte und der Tragfähigkeit der platonischen moralpsychologischen und ethischen Prämissen zu überzeugen.48 Auch darin bestünde die Beispielhaftigkeit der Nomoi als gelungener Dialog. LITERATURVERZEICHNIS Editionen, Kommentare, Übersetzungen Burnet (1907): Platonis Opera recognouit brevique adnotatione critica instruxit Ioannes Burnet, tomus V tetralogiam IX, Definitiones et spuria continens, Oxford. Mayhew (2008): Robert Mayhew, Plato: Laws 10. Translated with an Introduction and Commentary, Oxford (Clarendon Plato Series). Pangle (1980): Thomas Pangle, The Laws of Plato: Translated with Notes and an Interpretative Essay, New York. Poli (2005): Platone, Le leggi, testo greco a fronte, introduzione di Franco Ferrari, premessa al testo di Silvia Poli, traduzione di F. Ferrari e S. Poli, note di S. Poli, Mailand. Schleiermacher (2016): Platon, Werke in acht Bänden, Griechisch und Deutsch, hrsg. v. Gunther Eigler, 6. Band: Theaitetos, Der Sophist, Der Staatsmann, bearbeitet von Peter Staudacher, griechischer Text von Auguste Diès, deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, 7. Aufl., Darmstadt. Schöpsdau (1994–2011): Klaus Schöpsdau, Platon: Nomoi, Übersetzung und Kommentar, 3 Bde., Göttingen (Platon: Werke, Übersetzung und Kommentar IX 2).
48 Die hier präsentierte Interpretation unterscheidet sich von derjenigen Schöpsdaus, der die Nomoi als ein „Handbuch für einen Gesetzgeber, der die politische Wirklichkeit im platonischen Geiste gestalten will“, interpretiert (Schöpsdau [1994] 132). Die Nomoi können nicht als Handbuch für einen Gesetzgeber gelesen werden, wenn damit ein Nachschlagewerk gemeint ist, das tatsächlich Anleitungen zur politischen und gesetzgeberischen Handlung bietet. Denn die Nomoi weisen einen modellhaften Charakter in zweifacher Hinsicht auf. Zum einen sind sie ein ‚Modell‘ im Sinne der Modelltheorie: Sie bieten ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit mit dem heuristischen Ziel, bestimmte politische und gesetzgeberische Konzepte zu überprüfen. Zum anderen sind sie ein ‚Modell‘ im Sinne von Vorbild, das nachgeahmt werden kann/soll. Als heuristisches Instrument zur politischen Analyse können sie nicht die Funktion erfüllen, praktische Anleitung im politischen und gesetzgeberischen Bereich zu geben. Als literarisches Werk, das eine dialogische Konstellation herausarbeitet und implizit thematisiert, wie ein Dialog zwischen einem philosophisch ausgebildeten Berater und einem nicht philosophisch ausgebildeten Gesetzgeber gestaltet werden kann, können sie aber ein ‚Vorbild‘ für die dialogische Interaktion dieser Akteure sein.
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ETHOPOIIE UND FIKTIONALITÄT DES DIALOGS Sabine Föllinger EINLEITUNG Warum verwandten antike Dialogautoren immer wieder gerne historische Personen für ihre Werke, obwohl andere Möglichkeiten denkbar sind und praktiziert wurden, beispielsweise von hellenistischen Schriftstellern, die auch mythische Figuren auftreten ließen?1 In den folgenden Überlegungen möchte ich dieser Frage nachgehen und versuchen, eine Antwort darauf zu finden. Diese lässt sich folgendermaßen als These zusammenfassen: Durch die Verwendung historischer Personen und die entsprechende Ethopoiie können die Autoren auf sublime Weise mit der ‚Fiktionalität‘ spielen, die im Dienste der pragmatischen Funktion steht: Ein Dialog generiert eine spezifische Situation für ein Gespräch, dessen propositionaler Gehalt darüber hinausweist. Denn durch eine bestimmte Beschaffenheit des fiktionalen Charakters kann der Allgemeinheitsgrad des im Dialog verhandelten Inhalts gesteuert werden. Um diese These zu entwickeln, werde ich im Folgenden, von allgemeinen Überlegungen zu ‚Fiktionalität‘ ausgehend, dialogtheoretische Äußerungen der Antike über das antike Verständnis der Fiktionalität von Dialogen untersuchen und dabei besonderes Gewicht auf die Aristotelische Dichtungstheorie legen. Denn diese scheint mir einen guten Zugang zu bieten, weil sie mit der Fokussierung auf die Tragödie von einer dem Dialog nahestehenden Gattung ausgeht und auch Dialoge mit einbezieht. Am Beispiel des Xenophontischen Oikonomikos möchte ich dann zeigen, wie die Überlegungen zum Verhältnis von Ethopoiie und Fiktionalität für die Interpretation eines Dialogs fruchtbar gemacht werden können. Dieses Werk eignet sich deshalb gut, weil man in der modernen Forschung Anstoß daran nahm, dass Xenophon für ein ökonomisches Werk die Figur des Sokrates verwandt habe, der doch für diese Thematik keinen überzeugenden Gesprächspartner abgebe. FIKTIONALITÄT Die Frage, was ‚Fiktionalität‘ ist, ist Gegenstand eines komplexen modernen Forschungsdiskurses, der hier selbstverständlich nicht in Gänze aufgerollt werden kann.2 Vielmehr möchte ich wesentliche Züge des modernen Fiktionalitätsverständnisses festhalten: Erstens beansprucht ein Text nicht, dass sein Wahrheitsgehalt 1 2
Siehe Hirzel (1895) 1, 334–338. Siehe hierzu etwa Zipfel (2001).
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irgendwie außertextlich überprüfbar ist. Damit hing ursprünglich auch zusammen, dass man streng zwischen fiktionalem und faktualem Schreiben unterscheiden wollte. Dies wird inzwischen differenzierter gesehen, weil ein fiktionaler Text auch Faktuales enthalten kann.3 Zweitens beinhaltet der moderne Fiktionalitätsbegriff das Wissen des Rezipienten darum, dass es sich bei dem im literarischen Werk Dargestellten um eine Fiktion handelt, dass es also nicht oder nur unzulänglich überprüft werden kann. Dieser Umstand wird als „Fiktionsvertrag“ oder „Fiktionalitätskonvention“ bezeichnet.4 Damit hängt die weiterführende und schwierige Frage zusammen: Was sind ‚Fiktionalitätssignale‘ im Text? Als solche gelten:5 die Darstellungen von privaten Unterhaltungen durch einen Erzähler, der gar nicht daran beteiligt war; die Tatsache, dass die Erzählung das, was der Erzähler wissen kann, überschreitet; es erfolgt zwar eine Einführung in eine Situation, diese ist aber nicht präzise, ist also etwa nicht mit der genauen Angabe eines Datums o. ä. verbunden. Bei all diesen Signalen handelt es sich aber nicht um eindeutige Signale. Daraus schlussfolgert die Fiktionalitätsforscherin Fludernik, dass „alle Unterscheidungen darüber, ob ein Text Realität oder Erfundenes berichtet, kontextuell vom Leser oder Zuhörer in Erfahrung zu bringen“ seien, wobei „explizite Erzähläußerungen und paratextuelle Elemente“, wie etwa die Angabe, dass ein Buch ein Roman ist, „die größte Rolle spielen“.6 Die Frage ist nun, inwieweit solche Überlegungen überhaupt auf antike Literaturgenera anzuwenden sind. Dass der moderne Fiktionalitätsdiskurs mit dem gleich mit Homer und Hesiod beginnenden antiken manche Ähnlichkeiten aufweist, hat vor allem Rösler herausgestellt.7 Denn seit dem frühgriechischen Epos geht es um die Frage, was ‚Wahrheit‘ und was ‚Fiktion‘ ist.8 Aber insgesamt stellt sich die Unterscheidung von fiktionalem und faktualem Erzählen für die antike Literatur als schwierig dar. So unterschied sich der Erwartungshorizont eines antiken Rezipienten historiographischer Werke zur Geschichtsschreibung offensichtlich von dem eines modernen Lesers, was den Anspruch an Überprüfbarkeit betraf. Einen Beleg hierfür bietet Thukydides’ berühmtes Methodenkapitel, in dem er sein Vorgehen bei der Darstellung von Reden erklärt: Da es schwierig gewesen sei, die Reden wortgetreu wiederzugeben, habe er sie so geschrieben, wie sie hätten gehalten werden können. Damit spricht Thukydides offen das Bewusstsein von einer Differenz zwischen Realität und Fiktion an, das Autor und Rezipient teilen. Er bietet hier, in der modernen Begrifflichkeit, einen ‚Fiktionsvertrag‘ an, obwohl er sich ansonsten bekanntlich seines sorgfältigen Umgangs mit den Quellen rühmt (1,20f.). Unter dem Aspekt der Fiktionalität ist es aus moderner Sicht sowieso bemerkenswert, wie viele Reden antike Geschichtswerke enthalten. Dieses Charakteristikum lässt sich genetisch mit dem Einfluss der Homerischen Epen begründen, in denen Reden und Gespräche einen großen Umfang einnehmen. Es spiegelt aber 3 4 5 6 7 8
Vgl. hierzu die Überlegungen von Hoops (1979). Hoops (1979) 301ff. Hoops (1979). Fludernik (2006) 74. Rösler (2014). Zur antiken Diskussion über Fiktion und Fiktionalität siehe Halliwell (2015).
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auch die Ansicht wider, dass die Art und Weise, wie eine Person spricht, ihren Charakter repräsentiert, aus dem heraus wiederum das Handeln der Person erklärt werden kann. So stellt Homer gleich zu Beginn der Ilias mit dem psychologisch fein komponierten Streit (1,106–244) zwischen dem seiner Position bewussten und auf seine Vorteile bedachten Agamemnon und dem stolzen und leicht aufbrausenden, gleichzeitig aber auf ‚Gerechtigkeit‘ abzielenden Achill den Rezipienten die Charaktere der beiden Kontrahenten vor Augen. So können sie in der Folge nachvollziehen, warum beide so handeln wie sie handeln. Ebenso charakterisieren die Historiographen ihre Akteure durch die Reden, etwa wenn – um nur ein Beispiel zu nennen – Thukydides durch die Art und Weise, wie er Alkibiades (6,89–92) sprechen lässt, den Charakter eines jungen, egoistischen, karrieresüchtigen und auf seinen Vorteil versessenen Politikers zeichnet. Die Ansicht, dass die Art des Sprechens den Menschen charakterisiere, vertritt ebenfalls die antike Rhetorik, die aus diesem Grund der Ethopoiie eine zentrale Rolle zuweist. Bekannt ist das Beispiel des Lysias, der als Logograph besonders gut den Charakter seiner Auftraggeber durch die Reden, die er für sie schrieb, wiedergeben konnte. Dass Reden Charakter darstellen, gilt, natürlich, insbesondere für die Gattung des Dramas. Anhand der Tragödie entwickelt Aristoteles in der Poetik bekanntlich seine Dichtungstheorie: Es ist ‚Mimesis‘, die Nachahmung menschlichen Handelns, die Dichtung ausmacht. Weil es dabei nicht um ein zeitlich bestimmtes Handeln geht, sondern um ein Handeln, das geschehen könnte, ist die Dichtung allgemeiner als die Geschichtsschreibung (Poetik 9.1451b4–7): ἀλλὰ τούτῳ διαφέρει, τῷ τὸν μὲν τὰ γενόμενα λέγειν, τὸν δὲ οἷα ἂν γένοιτο. διὸ καὶ φιλοσοφώτερον καὶ σπουδαιότερον ποίησις ἱστορίας ἐστίν· ἡ μὲν γὰρ ποίησις μᾶλλον τὰ καθόλου, ἡ δ᾽ ἱστορία τὰ καθ᾽ ἕκαστον λέγει. [Geschichtsschreiber und Dichter] unterscheiden sich vielmehr dadurch, dass der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte. Daher ist Dichtung etwas Philosophischeres und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung; denn die Dichtung teilt mehr das Allgemeine, die Geschichtsschreibung hingegen das Besondere mit (Übersetzung Fuhrmann).
Es geht bei dem dargestellten Handeln also nicht um die Abbildung eines realen Handelns, vielmehr geht es um die innere Plausibilität: Etwas ‚könnte so geschehen‘. Diese innere Plausibilität wird der Aristotelischen Dichtungstheorie zufolge dadurch hergestellt, dass die Ereignisse aus einer inneren ‚Handlungslogik‘ heraus geschehen. Dazu gehört, dass das Handeln der Tragödienakteure mit ihrem Charakter übereinstimmt. Damit steht der Dichter vor der Aufgabe, das Zustandekommen des Handelns durch entsprechende Charakterzeichnung und innere Handlungslogik zu plausibilisieren. Mit diesen Überlegungen hat Aristoteles klar gemacht, dass Tragödien fiktional sind.9 Gleichzeitig gibt er aber auch den Hinweis (Poetik 9.1451b15–19), die Tragödiendichter würden vorwiegend Namen historischer Personen verwenden (τῶν γενομένων ὀνομάτων). Denn die Zuschauer würden das, was 9
Zum ‚Möglichen‘ als Kategorie der Fiktion im modernen ästhetischen Diskurs siehe Kablitz (2003).
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wirklich passiert sei, eher für möglich halten.10 Dies macht deutlich, dass ‚Fakten‘ – und die mythischen Figuren der Geschichte werden hier als (modern gesprochen) faktische ‚Vergangenheit‘ betrachtet11 – der Plausibilität dienten. Man kann die in der Poetik vorgestellten Überlegungen also folgendermaßen zusammenfassen: Nach dem Aristotelischen Dichtungsbegriff schließen sich Fiktionalität und historische Plausibilität nicht aus, sondern die ‚historische Plausibilität‘ stützt den Gehalt der fiktionalen Dichtung, indem sie es dem Rezipienten erleichtert, das Dargestellte für möglich zu halten. Dieses Fiktionalitätsverständnis lässt sich meines Erachtens für die Ausgangsfrage, warum so viele antike Dialogautoren historische Personen auftreten lassen, verwenden. Für die Entstehung der Gattung ‚Dialog‘ in klassischer Zeit spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Sicher ist die Person des Sokrates dabei von Bedeutung, aber auch das Experimentieren mit tradierten Gattungen und Gattungselementen des Epos, der Geschichtsschreibung, der Komödie und Tragödie, wie wir es gerade bei Platon finden, dürfte wesentlich sein. So war sicher auch der Einfluss der Rhetorik wichtig, wie Andrew Ford gezeigt hat.12 Aus diesem Grund ist der Zusammenhang von Ethopoiie und Fiktionalität, wie ihn Aristoteles in der Poetik formuliert, von Anfang an zentral. Was die Platonischen Dialoge betrifft, so hat man längst erkannt, dass Platon in der Regel historische Gestalten und „realistische Szenerien“13 für seine Dialoge verwendet, aber Anachronismen und andere Inkonzinnitäten zulässt.14 Diese Kluft soll, wie Michael Erler es formuliert hat, dazu dienen, dass sich die Rezipienten des Dialogs „den gleichwohl fiktionalen Charakter der Darstellungen und ihren spielerischen Charakter (zu) vergegenwärtigen“.15 Erler spricht von „fingierter Historizität“16 und „fiktionaler Historizität“.17 Platon selbst gibt also Fiktionalitätssignale und bietet, um in der modernen Terminologie zu bleiben, einen ‚Fiktionsvertrag‘ an. In diesem Zusammenhang verwendet Erler das Wort ‚Spiel‘; ich halte es für die passende Bezeichnung, denn offensichtlich hatte das Publikum auch des 5./4. Jh.s 10 ἐπὶ δὲ τῆς τραγῳδίας τῶν γενομένων ὀνομάτων ἀντέχονται. αἴτιον δ᾽ ὅτι πιθανόν ἐστι τὸ δυνατόν· τὰ μὲν οὖν μὴ γενόμενα οὔπω πιστεύομεν εἶναι δυνατά, τὰ δὲ γενόμενα φανερὸν ὅτι δυνατά· οὐ γὰρ ἂν ἐγένετο, εἰ ἦν ἀδύνατα. – „Bei der Tragödie halten sich die Dichter an die Namen von Personen, die wirklich gelebt haben. Der Grund ist, dass das Mögliche auch glaubwürdig ist; nun glauben wir von dem, was nicht wirklich geschehen ist, nicht ohne weiteres, dass es möglich sei, während im Falle des wirklich Geschehenen offenkundig ist, dass es möglich ist – es wäre ja nicht geschehen, wenn es unmöglich wäre“ (Übersetzung Fuhrmann). 11 Siehe Föllinger (2003) 17–24. 12 Ford (2010). 13 Erler (2007) 69. 14 Ein Anachronismus findet sich etwa im Menexenos: Sokrates wird als Dialogsprecher eingeführt und Aspasia als Verfasserin einer Leichenrede auf die Gefallenen des Korinthischen Krieges kurz nach dem Antalkidasfrieden. Dieser aber wurde 12 bis 13 Jahre nach Sokrates’ Tod abgeschlossen. Manche Anachronismen wurden bereits in der Antike verulkt, vgl. Hirzel (1895) 1, 414. 15 Erler (2007) 80. 16 Erler (2007) 69. 17 Erler (2007) 80.
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v. Chr. ein differenziertes Fiktionalitätsverständnis. Inwiefern Autoren auf dieses differenzierte Fiktionalitätsverständnis reagieren mussten, lässt sich am Beispiel von Xenophons Oikonomikos gut sehen.18 Auch antike Dialogtheorien betrachteten Dialoge als fiktionale Literatur. Aristoteles rechnet in der Poetik19 die λόγοι Σωκρατικοί (lógoi Sokratikoi)20 unter die Dichtung, sieht also als entscheidendes Merkmal ihren mimetischen Charakter in dem oben beschriebenen Sinn und hält sie somit für fiktional.21 Für Cicero ist die Fiktionalität der Gattung ‚Dialog‘ selbstverständlich. Denn er begründet in einem Brief an Varro (fam. 9,8,1) die Tatsache, dass er sie beide in den Academica Gespräche führen lasse, die so nie stattgefunden hätten, mit der Gattungskonvention (mos dialogorum): puto fore ut, cum legeris, mirere nos id locutos esse inter nos quod numquam locuti sumus, sed nosti morem dialogorum. Du wirst dich – wie ich vermute – beim Lesen wundern, dass wir miteinander über etwas gesprochen haben, über das wir nie gesprochen haben; aber du weißt ja, wie es in den Dialogen zugeht.
Die Formulierung sed nosti morem dialogorum ist ein deutliches ‚Fiktionaliätssignal‘ im Sinne der oben22 beschriebenen ‚Fiktionalitätskonvention‘. Gleichzeitig ist sich Cicero bewusst, dass es bei der Wahl der Dialogpersonen auf Glaubwürdigkeit ankommt. Denn er begründet die Wahl Catos als prósōpon des gleichnamigen Werks damit, dass dieser, im Unterschied zum mythischen Protagonisten Tithonos des hellenistischen Referenzwerkes von Ariston, mehr auctoritas habe (Cato 1,3).23 Die Wahl Catos als Gesprächspartner hält er überdies deshalb für geeignet, weil dieser die ihm zugeschriebene Position aufgrund seines vorbildhaften Umgangs mit dem Alter glaubwürdig vertreten könne. Gleichzeitig ist sich Cicero aber auch bewusst, dass es auch Züge des historischen Cato gibt, die sein Auftreten im besagten Dialog unglaubwürdig erscheinen lassen könnten. Denn er begründet eigens, warum es plausibel sein könne, dass Cato sich hier gebildeter (eruditius) ausdrücke als man dies von seinen Büchern gewohnt sei. Dies sei insofern plausibel, als bekannt sei, dass Cato im Alter großes Interesse für die griechische Literatur entwickelt habe.24 18 Vgl. dazu unten S. 63–66. 19 Poetik 1.1447b9–13. 20 Eine etwas andere Einschätzung wird für sein Werk „Über die Dichter“ zitiert: Sie schreibt dem Platonischen Dialog eine Zwischenstellung zwischen Dichtung und Prosa zu (fr. 4 Ross = fr. 73 Rose = DL 3,37). 21 Vgl. Rösler (2014) 379f. 22 S. 56. 23 Omnem autem sermonem tribuimus non Tithono ut Aristo Cius (parum enim esset auctoritatis in fabula), sed M. Catoni seni, quo maiorem auctoritatem haberet oratio. – „Aber wir haben nicht Tithonos sprechen lassen, wie dies Ariston aus Kios getan hat – denn ein Mythos hätte zu wenig Autorität –, sondern Marcus Cato; dadurch gewinnt das, was gesagt wird, mehr Autorität“ (Die Übersetzungen aus Cicero stammen von der Autorin). 24 Qui si eruditius videbitur disputare quam consuevit ipse in suis libris, attribuito litteris Graecis quarum constat eum perstudiosum fuisse in senectute. – „Wenn er [sc. Cato] hier auf
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Fasst man beide Aussagen Ciceros zusammen, heißt das: Cicero reflektiert sein eigenes Vorgehen dahingehend, dass die Fiktionalität selbstverständliches Charakteristikum des Dialoges ist, aber eine Art von Fiktionalität, die durch eine der Erwartungshaltung der Rezipienten gerecht werdende Ethopoiie plausibilisiert wird. DIE ROLLE DER ETHOPOIIE Gerade Ciceros Aussagen machen klar, dass die Ethopoiie im ‚Fiktionalitätsspiel‘ eine zentrale Stellung einnimmt. Dies ist wohl auch der Grund, warum Aristoteles im Hinblick auf die Sokratikoi logoi von mímesis spricht und sie in der Poetik zur Dichtung zählt. Denn wie Andrew Ford ebenfalls gezeigt hat, ist für Aristoteles diese Literatur25 deshalb mimetisch, weil sie gemäß seinem Mimesisbegriff menschliches Handeln, also Entscheidungshandeln, zeigt. Entscheidungshandeln ist aber mit dem jeweiligen Charakter untrennbar verknüpft. In diesem Punkt zeigt sich die Nähe des Dialogs zur Tragödie. Diese wird auch deutlich, wenn man die Rhetorik mit heranzieht. Hier sieht Aristoteles den Unterschied zwischen wissensvermittelnden Texten und Sokratikoi logoi darin, dass letztere Charaktere darstellen, die sich durch ihre Einstellungen bzw. Entscheidungen zu erkennen geben (Rhetorik III 16.1417a17–21).26 Auch die hellenistische Dialogtheorie des Demetrios, die eigentlich, wie Sandrine Dubel gezeigt hat,27 die sprachliche Gestaltung in den Mittelpunkt stellt, weist der Ethopoiie immer noch eine zentrale Rolle zu (§ 227): πλεῖστον δὲ ἐχέτω τὸ ἠθικὸν ἡ ἐπιστολή, ὤσπερ καὶ ὁ διάλογος.28 Und Demetrios selbst begründet den Erfolg, den die Sokratischen Dialoge von Anfang an genossen hätten (§ 298), mit
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gebildetere Weise zu diskutieren scheint als er selbst dies in seinen Büchern gewöhnlich tat, so soll man den Grund dafür in der griechischen Literatur suchen, mit der er sich, wie man weiß, im Alter sehr fleißig beschäftigt hat.“ Ford (2010) 231. Er kommt hier zu dem Ergebnis: „Sokratikoi logoi were generally perceived in the early fourth century as elevated discourses (unlike mime), concerned with ethical questions, and stylishly refined.“ ἠθικὴν δὲ χρὴ τὴν διήγησιν εἶναι. ἔσται δὲ τοῦτο, ἂν εἰδῶμεν τί ἦθος ποιεῖ. ἓν μὲν δὴ τὸ προαίρεσιν δηλοῦν, ποιὸν δὲ τὸ ἦθος τῷ ποιὰν ταύτην. ἡ δὲ προαίρεσις ποιὰ τῷ τέλει. διὰ τοῦτο οὐκ ἔχουσιν οἱ μαθηματικοὶ λόγοι ἤθη, ὅτι οὐδὲ προαίρεσιν (τὸ γὰρ οὗ ἕνεκα οὐκ ἔχουσιν), ἀλλ᾿ οἱ Σωκρατικοί [περὶ τοιούτων γὰρ λέγουσιν]. – „Charaktervoll muss die Erzählung sein; sie wird dies sein, wenn wir wissen, was den Charakter (in der Rede) bewirkt. Das eine ist also, die Einstellung kund zu tun. Von was für einer Beschaffenheit aber der Charakter ist (wird klar) durch die Beschaffenheit von dieser; die Beschaffenheit der Einstellung durch das Ziel. Deswegen haben die mathematischen Reden keine Charaktere, weil sie keine Einstellung haben – denn sie haben auch kein Worum-Willen; hingegen haben die Sokratischen Gespräche ein Ziel. [Sie reden nämlich über solche]“ (Übersetzung Rapp). Zur Diskussion der Stelle mit weiterer Literatur siehe Ford (2010) 229f. Für den Hinweis, dass unter μαθηματικοὶ λόγοι nicht nur ‚mathematische‘ Texte, sondern allgemeiner wissensvermittelnde Texte verstanden werden können, danke ich Frau Dr. Brigitte Kappl, Marburg. Dubel (2012). „Im Brief soll der Ausdruck des Charakters eine zentrale Rolle spielen, wie auch im Dialog“ (Übersetzung von der Autorin).
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der Kunst der Nachahmung und der mit ihr verbundenen pädagogischen Wirkung. In der Folgezeit nimmt Diogenes Laertios die Forderung nach einer angemessenen Prosopopoiie sogar in seine Definition des Dialogs auf (III 48), und die spätantiken Aristoteleskommentatoren weisen auf die gelungene Charakterzeichnung der Aristotelischen Dialoge hin. Denn Aristoteles muss in seinen eigenen Dialogen eine ansprechende und plausible Charaktergestaltung gelungen sein. So sieht es jedenfalls Olympiodor. Er spricht ihnen neben Kunstfertigkeit und Charme eine vielfältige und ansprechende Charakterzeichnung der beteiligten Personen zu (Prolegomena, CAG XII 1,11,14f.).29 Ammonios (In Arist. Cat., CAG IV 4,25–7,4) erwähnt, Aristoteles habe in seinen Dialogen die prósōpa differenziert und passend zu dem, was sie jeweils sagen, gestaltet.30 Wenn man diesen Zeugnissen traut, hat Aristoteles seine eigene, auf die Tragödie gemünzte Dichtungstheorie aus der Poetik angewandt, der zufolge die Charaktere sich in dem, was sie sagen, zu erkennen geben.31 ETHOPOIIE UND FIKTIONALITÄT IN XENOPHONS OIKONOMIKOS Dialogautoren sahen sich also vor der Aufgabe, das Fiktionalitätsspiel so zu spielen, dass erstens die Konstellation der Personen, ihre Charakterzeichnung und ihre Gesprächsbeiträge in sich stimmig waren und dass zweitens die Gestaltung der prósōpa, wenn sie historische Figuren wiedergaben, eine jeweils spezifisch zu bestimmende Balance zwischen historischer Plausibilität und fiktiven Zügen aufwiesen. Drittens, so kann man hinzufügen, musste dies alles so gestaltet sein, dass es der „Konstitution“ des „propositionalen Gehalts“ des Dialogs diente.32 29 ἐν δὲ τοῖς διαλογικοῖς ὡραῖος, μεστὸς χαρίτων, οὐκ ἐνδεής, ποικίλος ἐν ταῖς μιμήσεσιν. – „in seinen Dialogen voll Reife, mit Charme, nicht zu knapp und vielfältig bei der Nachahmung“ (Die Übersetzung stammt von der Autorin). 30 ἐν δέ γε τοῖς διαλογικοῖς, ἃ πρὸς τοὺς πολλοὺς αὐτῷ γέγραπται, καὶ ὄγκου φροντίζει τινὸς καὶ περιεργίας λέξεων καὶ μεταφορᾶς, καὶ πρὸς τὰ τῶν λεγόντων πρόσωπα μετασχηματίζει τὸ εἶδος τῆς λέξεως, καὶ ἁπλῶς ὅσα λόγου καλλωπίζειν οἶδεν ἰδέαν. – „However, in the dialogues, which he wrote for the general public, he deliberately employs a certain volume and overelaboration of speech and metaphor; moreover, he changes the form of speech depending on the personalities of the speakers, and, in a word, he knows how to embellish any type of discourse“ (Übersetzung Cohen; Matthews). 31 Entgegen der Meinung von Dubel (2012) 254, Anm. 14 hat Aristoteles seine Dialoge also ‚mimetisch‘ gestaltet. 32 Hempfer (2002) 22: Die Konstitution des propositionalen Gehaltes ist „an die gleichzeitige Konstitution eines Handlungs- bzw. Geschehenszusammenhanges gebunden“. Hempfer fasst, basierend auf Pfister, treffend den Unterschied zwischen Drama und Dialog: Während der Zweck des Dramas ist, ‚Welt zu konstituieren‘, dient im Dialog die ‚Konstitution von Welt‘ dazu, den argumentativen Zweck des Dialogs zu unterstützen, d. h. im Dialog wird ‚Weltkonstituierung‘ funktionalisiert. Gelungene Beispiele für Dialoge, deren kongeniale und ästhetisch ansprechende Gestaltung des „Handlungs- und Geschehenszusammenhangs“ den propositionalen Gehalt auf der performativen Ebene stützen, sind Platos Phaidon, dessen Sokratesfigur die auf der argumentativen Ebene erarbeitete philosophische Haltung gegenüber dem Tod durch ihr Verhalten demonstriert, und ebenso der Dialog Symposion, in dem die Figur Alkibiades durch die Schilderung seines Verhältnisses zu Sokrates deutlich macht, dass dieser die im
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Dass Dialogautoren gerne mit historischen Figuren operierten, hängt meiner Meinung nach mit der Plausibilisierung des propositionalen Gehalts eines Dialogs zusammen, wie sie Aristoteles und Cicero darstellen. Aber dann bedeutet die Charakterzeichnung einen Balanceakt zwischen ‚historischer Genauigkeit‘ und Fiktion. Dies macht Ciceros autoreferentielle Bemerkung zur Wahl der Catofigur deutlich.33 Allerdings ist es notwendig, an dieser Stelle den Begriff der ‚historischen Genauigkeit‘ weiter zu bestimmen. Es handelt sich bei ihr darum, dass die Rezipienten der Dialoge die jeweilige Ethopoiie mit ihrer „Erfahrungswirklichkeit“34 in Übereinstimmung bringen können. ‚Erfahrungswirklichkeit‘ meint dabei nicht, dass der Rezipient zu derselben Zeit wie die historische Person, die das prósōpon des Dialogs darstellt, leben muss. Erfahrungswirklichkeit ist vielmehr die Vorstellung, die ein Dialogrezipient sich von einer Person des Dialogs macht. Diese kann ihrerseits auf traditionellen literarischen Gestaltungen einer Figur beruhen oder auf dem Bild, das sich im ‚kollektiven Bewusstsein‘ verfestigt hat. Aus diesem Grund hat sich wohl Sokrates in besonderer Weise als Dialogfigur geeignet. Es war nicht allein die biographische Erfahrung der Dialogautoren, sondern die Tatsache, dass die Person ‚Sokrates‘ eng mit dem Merkmal ‚Reden und Gespräch‘ verbunden war, was nicht zuletzt auch seine Charakterisierung in Aristophanes’ Wolken ex negativo zeigt. Wir haben weder von Platon noch von Xenophon autoreferentielle Kommentare zu ihrer Personengestaltung wie die von Cicero, aber in Xenophons Oikonomikos agiert Sokrates in einer Weise, die eine Art metapoetischen Kommentar zu den Anforderungen eines dialogischen Fiktionalitätsspiels darstellt: Im Dialog Oikonomikos35 wird die Frage behandelt, wie es gelingen kann, einen Haushalt profitabel zu führen. Der Dialog ist zweigeteilt: Die Kapitel 1 bis 6 geben das Gespräch zwischen Sokrates und Kritobulos wieder. Kritobulos gehört zur obersten Vermögensklasse Athens und ist deshalb zu finanziellen Aufgaben für Athen wie etwa Liturgien verpflichtet. Diesen Anforderungen kann er aber aufgrund seines ökonomischen Unvermögens nicht nachkommen. Darum bittet er Sokrates um Unterricht in einer optimalen und profitablen Hausverwaltung. In den Kapiteln 7 bis 21, also bis zum Schluss, referiert Sokrates seinerseits Kritobulos das Gespräch, das er einst mit dem als vorbildlich geltenden reichen Gutsbesitzer Ischomachos geführt habe. In diesem belehrte Ischomachos ihn, Sokrates, über die Prinzipien einer profiterzielenden Haushaltsführung. Kritobulos soll also, so Sokrates, Ischomachos nachahmen.36
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Dialog stufenweise erarbeitete richtige, nämlich philosophische Haltung gegenüber dem Eros repräsentiert. Siehe oben S. 59. Hoops (1979) 301f. Zum Oikonomikos siehe Föllinger (2014) 586–589. Auffällig ist dabei die unterschiedliche Rollenverteilung der Gesprächspartner: Im ersten Teil, dem Dialog zwischen Sokrates und Kritobulos, ist Sokrates der Fragende und Kritobulos der Antwortende, es findet also eine Rollenverteilung statt, wie man sie aus den Platonischen Dialogen kennt. Im zweiten Teil dagegen fragt Ischomachos, und Sokrates antwortet — eine
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Wie Sokrates sind auch Kritobulos und Ischomachos historische Figuren. Bei Kritobulos handelt es sich um den Sohn des Kriton. Er ist bei Platon (Euthydem 306d5) und Xenophon (Memorabilien 1,3,8–10 und 2,6,15; Symposion 2,6,15) belegt. Ischomachos ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Mann desselben Namens identisch, der im 5. Jh. zur athenischen Oberschicht gehörte und sehr vermögend war.37 Zwischen der Zeit, zu der Xenophon den Dialog verfasste, und dem dramatischen Datum liegen, je nachdem, wann man den Oikonomikos ansetzt,38 40–60 Jahre. Das Gespräch mit Ischomachos liegt noch weiter zurück. Der Dialog beginnt mit den Worten (1,1): ἤκουσα δέ ποτε αὐτοῦ καὶ περὶ οἰκονομίας τοιάδε διαλεγομένου –„Einst aber hörte ich ihn auch über die Ökonomie folgendes Gespräch führen“. Dass der Beginn so unvermittelt ist, könnte damit zusammenhängen, dass der Oikonomikos als Fortsetzung der Memorabilien zu verstehen ist. Dabei scheint das „ich hörte“ zwar historische Authentizität zu suggerieren, aber zusammen mit dem ποτε (einst) ist es meines Erachtens als ein „metanarrativer Kommentar“39 aufzufassen, der Fiktionalität verdeutlicht. Denn weder sind Zeitpunkt noch Ort des Gesprächs genannt. Damit haben wir ein Fiktionssignal im oben40 beschriebenen Sinne. Ein weiteres dementsprechendes Fiktionssignal ist darin zu sehen, dass eine allgemeine und realistische, jedoch unspezifische Szenerie kreiert wird, indem die für Athen üblichen Orte und Institutionen Elemente der Inszenierung sind: agorá, oíkos, Landbesitz außerhalb der Stadt, Liturgien u. ä. Diese Mischung aus Historischem und Fiktivem ist eine Mischung,41 die uns auch aus Platonischen Dialogen geläufig ist. In Xenophons Dialog wird durch das allgemeine Bild von den Lebensumständen und den wirtschaftlichen Bedingungen der Oikenwirtschaft Athens ein plausibilisierender Rahmen hergestellt, in dem das, was allgemein über die Bedingungen einer gelingenden profitablen Oikenwirtschaft ausgesagt werden kann, gut verortbar ist. Aber das, was im Einzelnen ausgeführt wird, ist von so allgemeiner Art, dass es über den speziellen oíkos hinaus gilt und sogar so allgemein – es geht vor allem um Motivationssteuerung der Mitglieder eines oíkos: Ehefrau, Verwalter, Verwalterin, Sklaven –, dass man heute noch Prinzipien für ein gelungenes betriebswirtschaftliches Management aus ihm herauslesen und unter moderner institutionenökonomischer Sicht einordnen kann.42 Kritobulos und Ischomachos sind die geeigneten Gesprächspartner für das Thema des Dialogs: die Frage, wie es gelingen kann, gewinnbringend zu wirtschaften und so als Mitglied der athenischen Oberschicht in der Lage zu sein, die Aufgaben, die einem im wirtschaftlichen und politischen Bereich der pólis obliegen, zu erfüllen. Anders sieht es mit der Figur des Sokrates aus. Dass er sich mit ökonomischen Fragen befasst, muss erst einmal unplausibel erscheinen. Dies fand nicht nur
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Rollenverteilung, die in der modernen Forschung teilweise moniert wird, da Sokrates hier nur der Lernende sei und damit eine für die Sokratesgestalt ungewöhnliche Rolle einnehme. Pomeroy (1994) 259–264. Zur Datierungsproblematik siehe Pomeroy (1994) 1–8. Vgl. Fludernik (2006) 75f. S. 56. Vgl. Hobden (2017) 154: Verbindung von „specificity in action“ und „imprecision in setting“. Vgl. dazu Föllinger/Stoll (2018).
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die moderne Forschung,43 sondern offensichtlich rechnete Xenophon selbst damit, dass sein Publikum Anstoß daran nehmen könnte. Denn das ist m. E. der Grund, warum er seine Ethopoiie dem allgemein bekannten Bild von Sokrates annäherte. Dies geschieht durch verschiedene Strategien: 1) Als Kritobulos Sokrates darum bittet, ihm in seiner finanziellen Misere behilflich zu sein, weist dieser darauf hin, dass er der falsche Ansprechpartner für ökonomische Probleme sei, weil er bekanntlich weder selbst über großen Besitz verfüge noch Erfahrung in der Verwaltung eines solchen habe. Darum bringt er Kritobulos gewissermaßen ‚virtuell‘ mit Ischomachos in Kontakt, indem er ihm das Gespräch mit Ischomachos referiert.44 Dieser habe, so Sokrates, allgemein als verantwortungsbewusster und vorbildlicher Bürger Athens (kaloskagathós) gegolten. 2) Als wiederum Ischomachos Sokrates darum bittet, ihn ggf. bei seinen Ausführungen zu korrigieren, antwortet dieser, er selbst könne wohl kaum jemanden, der als so vorbildlich gelte, verbessern, da er selbst bekanntlich jemand sei, der Unsinn rede und die Luft vermesse.45 Dies ist eine Anspielung auf die Aristophanischen Wolken. In beiden Fällen also verweist die Figur Sokrates auf den Ruf, der der Person Sokrates anhafte. Xenophon nähert sie dem Erwartungshorizont seiner Leser an und plausibilisiert sie auf diese Weise – unabhängig davon, inwieweit sie mit dem ‚historischen Sokrates‘ übereinstimmt. 3) Diese Plausibilisierung wird dadurch unterstützt, dass Xenophon Sokrates an zwei Stellen mit Ironie agieren lässt, so dass ein weiterer Horizont jenseits des Ziels der Profitmaximierung erkennbar wird: Bei der ersten Ironisierung klagt Sokrates gegenüber Ischomachos, er, Sokrates, wäre schon ganz mutlos gewesen, wäre er nicht neulich dem Pferd des Nikias begegnet. Da dieses die Bewunderung der Leute auf sich zog, habe er den Pferdepfleger gefragt, ob das Pferd viel Geld besitze:46 43 Siehe die Forschungsdiskussion in Föllinger (2006) 5–7. 44 Zur Bedeutung des imaginierten ‚Schauens‘ – Kritobulos soll Ischomachos ‚zuschauen‘ – vgl. Föllinger (2006). 45 Oikonomikos 11,3: ἀλλ᾽ ἐγὼ μὲν δή, ἔφην, πῶς ἂν δικαίως μεταρρυθμίσαιμι ἄνδρα ἀπειργασμένον καλόν τε κἀγαθόν, καὶ ταῦτα ὢν ἀνὴρ ὃς ἀδολεσχεῖν τε δοκῶ καὶ ἀερομετρεῖν καί, τὸ πάντων δὴ ἀνοητότατον δοκοῦν εἶναι ἔγκλημα, πένης καλοῦμαι; – „Aber wie sollte denn gerade ich, gab ich zu bedenken, gerechterweise einen Mann belehren dürfen, der als ‚kalós kai agathós‘ anerkannt ist, und das, da ich selbst ein Mann bin, der (nur) zu schwätzen und die Luft zu messen scheint und auch noch – was vor allem wohl der unverständlichste Vorwurf ist – arm genannt wird?“ (Übersetzung Meyer). 46 Oikonomikos 11,4–7 (Übersetzung Meyer): καὶ πάνυ μεντἄν, ὦ Ἰσχόμαχε, ἦν ἐν πολλῇ ἀθυμίᾳ τῷ ἐπικλήματι τούτῳ, εἰ μὴ πρῴην ἀπαντήσας τῷ Νικίου τοῦ †ἐπηλύτου ἵππῳ εἶδον πολλοὺς ἀκολουθοῦντας αὐτῷ θεατάς, πολὺν δὲ λόγον ἐχόντων τινῶν περὶ αὐτοῦ ἤκουον· καὶ δῆτα ἠρόμην προσελθὼν τὸν ἱπποκόμον εἰ πολλὰ εἴη χρήματα τῷ ἵππῳ. ὁ δὲ προσβλέψας με ὡς οὐδὲ ὑγιαίνοντα τῷ ἐρωτήματι εἶπε· Πῶς δ’ ἂν ἵππῳ χρήματα γένοιτο; οὕτω δὴ ἐγὼ ἀνέκυψα ἀκούσας ὅτι ἐστὶν ἄρα θεμιτὸν καὶ πένητι ἵππῳ ἀγαθῷ γενέσθαι, εἰ τὴν ψυχὴν φύσει ἀγαθὴν ἔχοι. ὡς οὖν θεμιτὸν καὶ ἐμοὶ ἀγαθῷ ἀνδρὶ γενέσθαι διηγοῦ τελέως τὰ σὰ ἔργα, ἵνα, ὅ τι ἂν δύνωμαι ἀκούων καταμαθεῖν, πειρῶμαι καὶ ἐγώ σε ἀπὸ τῆς αὔριον ἡμέρας ἀρξάμενος μιμεῖσθαι. καὶ γὰρ ἀγαθή ἐστιν, ἔφην ἐγώ, ἡμέρα ὡς ἀρετῆς ἄρχεσθαι.
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Der aber schaute mich an wie einen, der mit seiner Frage nicht ganz bei Verstand ist, und sagte: „Wie sollte wohl ein Pferd zu Reichtümern kommen?“ Da allerdings atmete ich auf, als ich hörte, dass es auch einem armen Pferd gestattet ist, gut zu sein, wenn es nur eine von Natur aus gute Seele hat. Sofern es nun auch mir erlaubt ist, ein guter Mensch zu sein, erläutere mir gründlich deine Arbeiten, damit auch ich versuche, dich in dem, was ich vom Hören zu verstehen vermag, nachzuahmen, und mit dem morgigen Tag beginne. Es ist nämlich auch, fügte ich hinzu, ein geeigneter Tag, anzufangen mit der Verwirklichung der Areté.
Es ist unschwer zu erkennen, dass Sokrates hier ironisch ist, und dieser Eindruck wird durch ein eindeutiges Ironiesignal gestützt, denn Ischomachos antwortet: παίζεις – „du nimmst mich auf den Arm“. An der zweiten Stelle schildert Ischomachos ein Verhalten seines Vaters, das wir heute als Bodenspekulation bezeichnen würden, das Ischomachos selbst aber „Freude an der Landwirtschaft“ nennt. Darauf reagiert Sokrates folgendermaßen:47 Du behauptest zu Recht, Ischomachos, entgegnete ich, dass dein Vater von Natur aus Freude an der Landwirtschaft hatte, nicht weniger als die Kaufleute Freude am Getreide haben. Denn auch die Kaufleute fahren aus leidenschaftlicher Liebe zum Getreide ihm dorthin nach, wo es – wie sie hören – am meisten geben soll, und sie durchqueren dabei das Ägäische, das Schwarze und das Sizilische Meer. Dann kaufen sie, soviel sie bekommen können, und bringen es über das Meer, und sie haben es in das Schiff geladen, in dem sie selbst fahren. Und wenn sie Geld brauchen, verkaufen sie es nicht auf gut Glück, wo sie gerade sind, sondern wo nach ihrer Information das Getreide am höchsten im Kurs steht und wo die Menschen am meisten dafür zahlen, da bringen sie es hin und denen geben sie es ab. Auch dein Vater scheint etwa in diesem Sinne Freude an der Landwirtschaft gehabt zu haben.
Auch hier wird der Eindruck, es handele sich um Ironie, vereindeutigt, weil Ischomachos wiederum antwortet: παίζεις. Diese Ironisierungen haben dazu geführt, dass einige Forscher eine insgesamt ironische Lektüre des Dialogs vorschlugen.48 Aber abgesehen davon, dass es kaum denkbar ist, Xenophon habe seinen ganzen Dialog durch eine grundlegende Ironie desavouieren wollen, kann man einen anderen triftigeren Grund für diese Sokratische Ironie erkennen, nämlich die Plausibilisierung: Mit einer solchen Ethopoiie konnte Xenophon an das allgemein bekannte Bild von Sokrates anschließen, das nicht das eines profitorientierten Ökonomen war. Denn die Ironisierung lässt ‚zwischen den Zeilen‘ eine Wertvorstellung erkennen, die eng mit der Figur des 47 Oikonomikos 20,26–29 (Übersetzung Meyer): Καὶ ἐγὼ μέντοι ἀκούσας τοῦτο ἠρόμην αὐτόν· Πότερα δέ, ὦ Ἰσχόμαχε, ὁπόσους ἐξειργάσατο χώρους ὁ πατὴρ πάντας ἐκέκτητο ἢ καὶ ἀπεδίδοτο, εἰ πολὺ ἀργύριον εὑρίσκοι; Καὶ ἀπεδίδοτο νὴ Δί’, ἔφη ὁ Ἰσχόμαχος· ἀλλὰ ἄλλον τοι εὐθὺς ἀντεωνεῖτο, ἀργὸν δέ, διὰ τὴν φιλεργίαν. Λέγεις, ἔφην ἐγώ, ὦ Ἰσχόμαχε, τῷ ὄντι φύσει τὸν πατέρα φιλογέωργον εἶναι οὐδὲν ἧττον ἢ οἱ ἔμποροι φιλόσιτοί εἰσι. καὶ γὰρ οἱ ἔμποροι διὰ τὸ σφόδρα φιλεῖν τὸν σῖτον, ὅπου ἂν ἀκούσωσι πλεῖστον εἶναι, ἐκεῖσε πλέουσιν ἐπ’ αὐτὸν καὶ Αἰγαῖον καὶ Εὔξεινον καὶ Σικελικὸν πόντον περῶντες· ἔπειτα δὲ λαβόντες ὁπόσον δύνανται πλεῖστον ἄγουσιν αὐτὸν διὰ τῆς θαλάττης, καὶ ταῦτα εἰς τὸ πλοῖον ἐνθέμενοι ἐν ᾧπερ αὐτοὶ πλέουσι. καὶ ὅταν δεηθῶσιν ἀργυρίου, οὐκ εἰκῇ αὐτὸν ὅπου ἂν τύχωσιν ἀπέβαλον, ἀλλ’ ὅπου ἂν ἀκούσωσι τιμᾶσθαί τε μάλιστα τὸν σῖτον καὶ περὶ πλείστου αὐτὸν ποιῶνται οἱ ἄνθρωποι, τούτοις αὐτὸν ἄγοντες παραδιδόασι. καὶ ὁ σὸς δὲ πατὴρ οὕτω πως ἔοικε φιλογέωργος εἶναι. 48 Wie etwa Strauss (1970); vgl. die Diskussion bei Hobden (2017) 162f. zu Strauss. Vgl. auch Kronenberg (2009).
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Sokrates verbunden ist: ‚Gutsein‘ ist nicht abhängig von Geld und sozialem Standing. Gerade die Ironisierung verkleinert die Differenz zwischen der ‚Erfahrungswelt‘ des Lesers, in der Sokrates der Inbegriff einer nicht auf materielle und traditionelle Werte fokussierten Haltung ist, und der fiktiven Welt des Dialogs, in der er die Rolle eines Beraters in ökonomischen Dingen spielt. So kann Xenophon seine Figur plausibilieren. Gleichzeitig aber gelingt ihm durch das Spiel mit der Fiktionalität auf der propositionalen Ebene ein Spagat zwischen der Abgeschlossenheit eines didaktischen bzw. pädagogischen Textes und der interpretatorischen Offenheit eines Dramas. Denn der Oikonomikos konnte und kann einerseits als ‚betriebswirtschaftliche‘ Anleitung, téchnē, gelesen werden, die zur Profitmaximierung verhilft, andererseits kann er eine Lektüre auf zweiter Ebene eröffnen, die zum Hinterfragen der traditionellen Bestimmung der kalokagathía und den Grenzen der Profitmaximierung einlädt. LITERATUR Editionen und Übersetzungen Ammonius, In Aristotelis Categorias Commentarius ed. A. Busse (CAG IV 4), Berlin 1895. Aristoteles, De arte poetica liber rec. brevique adnotatione critica instr. R. Kassel, Oxford 1965. M. Tullius Cicero, Epistulae ad familiares libri I–XVI ed. D. R. Shackleton Bailey, Stuttgart 1988. S. Marc Cohen und Gareth B. Matthews, Ammonius. On Aristotle’s Categories, Ithaca/New York 1991. Manfred Fuhrmann, Aristoteles. Poetik. Griechisch-deutsch, Stuttgart (Reclams Universalbibliothek 7828) 1987. Klaus Meyer, Xenophons „Oikonomikos.“ Übersetzung und Kommentar, Marburg 1975 (Res. Philologische Beiträge zur Realienforschung im antiken Bereich 1). Olympiodor, Prolegomena et In categorias commentarium ed. A. Busse (CAG XII,1), Berlin 1902. Christof Rapp, Aristoteles. Rhetorik, Berlin 2002 (Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung 4). Xenophon, Opera omnia rec. brevique adnotatione critica instr. E. C. Marchant. Tomus II: commentarii, oeconomicus, convivium, apologia Socratis, Oxford 1901 (Repr. 1991).
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SOCRATE COMME PERSONNAGE DE DIALOGUE À ROME Quelques exemples chez Plaute, Lucilius et Cicéron Mélanie Lucciano Sit ergo hic sermo in quo Socratici maxime excellunt, lenis minimeque pertinax, insit in eo lepos ; nec uero, tamquam in possessionem suam uenerit, excludat alios, sed cum reliquis in rebus, tum in sermone communi uicissitudinem non iniquam putet ; ac uideat in primis quibus de rebus loquatur ; si seriis, seueritatem adhibeat, si iocosis leporem.1 Il faut donc que la conversation – art dans lequel les Socratiques excellent au plus haut point – soit douce et non pas du tout agressive, mais qu’elle présente de l’agrément. Et de fait, il ne faut pas qu’on en exclue les autres, comme si on arrivait dans sa propre propriété, mais qu’on estime qu’il n’est pas injuste que, comme dans tous les autres domaines, il y ait un roulement dans l’échange des propos au cours de la conversation. Et il faut aussi tout d’abord que l’on examine de quoi on parle : s’il s’agit de choses sérieuses, on doit montrer du sérieux, et s’il s’agit de choses plaisantes, de l’agrément.
Dans un de ses derniers traités, le De officiis, qui, il est intéressant de le souligner, n’est pas un échange entre plusieurs interlocuteurs, mais un exposé continu que Cicéron adresse à son fils Marcus,2 l’Arpinate s’intéresse à partir du § 132 du livre I à la uis orationis3 et l’usage qui doit être fait de la parole, distinguant, comme c’est déjà le cas au début de son texte,4 le sermo de la contentio,5 la conversation et le discours.6 Dans ce moment de refondation romain du genre dialogique – l’expression est de Sandrine Dubel7 – un rôle de modèle est accordé aux Socratiques (nous reviendrons avec Lucilius sur ce terme) en tant que praticiens de la parole, mais également, et cela de façon peut-être sous-jacente, en tant 1 2 3 4 5
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Cic. off. 1,134. Nous citons, sauf indication contraire, le texte de la Collection des Universités de France ; nous retraduisons les textes. Sur la question de la mise en scène d’un rapport d’interlocution entre un père et un fils dans le dialogue, cf. De Giorgio (2015) 107–109. Sur la question de l’articulation entre philosophie et éloquence dans le cadre du dialogue, cf. Auvray-Assayas (2015) 127–136. Cic. off. 1,3. La différence entre les deux genres de parole et les usages qui leur sont attachés se retrouve en off. 1,132 : contentio, disceptationibus tribuatur iudiciorum, contionum, senatus ; sermo, in circulis, disputationibus, congressionibus familiarium uersetur, sequatur etiam conuiuia (« Il faut assigner l’éloquence aux débats des tribunaux, des assemblées, du sénat ; la conversation doit s’appliquer aux réunions, discussions, rencontres amicales ; elle suivra aussi les repas »). Cf. Lévy (1993) 399–414. Dubel (2015) 12.
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qu’auteurs et créateurs de personnages de dialogue – j’entends ici l’expression comme personnages prenant part à un sermo. En effet, l’expression in sermone communi et la métaphore de l’échange comme possessio qui ne peut être considérée comme une propriété individuelle impliquent un équilibre nécessaire et harmonieux entre les participants à la discussion, et donc la création d’autant de personnages lorsque le sermo passe à l’écrit.8 En ce sens, il nous apparaît pertinent de nous interroger sur le plus célèbre personnage de dialogue mis en scène par les Socratiques, Socrate lui-même, qui apparaît en filigrane dans notre extrait avec la notion de douceur, lenis – renvoyant à la célèbre définition de la dialectique socratique dans le Ménon9 comme πρᾳότερον, mais également de manière explicite, quelques paragraphes plus haut, lorsque Cicéron souligne le passage presque imperceptible d’un acteur réel, historique, de l’art de la parole, à celui de personnage construit à travers des textes littéraires :10 Erat in L. Crasso, in L. Philippo multus lepos, maior etiam magisque de industria in C. Caesare, L. filio ; at iisdem temporibus in M. Scauro et in M. Druso adulescente singularis seueritas, in C. Laelio multa hilaritas, in eius familiari Scipione ambitio maior, uita tristior. De Graecis autem dulcem et facetum festiuique sermonis atque in omni oratione simulatorem, quem εἴρωνα Graeci nominarunt, Socratem accepimus, contra Pythagoram et Periclem summam auctoritatem consecutos sine ulla hilaritate. Il y avait chez Lucius Crassus et Lucius Philippus beaucoup d’agrément, mais plus encore et avec plus d’application chez Caius César, fils de Lucius. Mais, à la même époque, il y avait chez Marcus Scaurus et Marcus Drusus, tout jeune homme, un sérieux exceptionnel, chez Caius Laelius une grande gaieté, chez son ami Scipion davantage d’ambition mais une vie plus austère. Des Grecs nous avons reçu l’exemple de Socrate, agréable, spirituel, d’une conversation enjouée et dissimulant dans chaque discours, lui que les Grecs ont appelé εἴρων, l’ironiste, mais en revanche on voit que Pythagore et Périclès ont atteint la plus haute autorité sans aucune gaieté.
Ainsi, par le prisme d’un échange lenis qui crée le lepos,11 une des caractéristiques du sermo des Socratiques,12 Cicéron utilise des exemples grâce auxquels il opère un glissement entre les personnages historiques que sont les hommes d’État romains et la construction littéraire que constitue le personnage de Socrate, comme l’indique le terme accepimus. Quant au verbe nominarunt, il insiste sur l’élaboration du philosophe grec comme un type, voulu par les auteurs grecs, celui de l’εἴρων, celui qui pose des questions tout en dissimulant son savoir. Dans un passage qui a pour contexte immédiat la doctrine des personae, la métaphore de 8
Sur les Sokratikoi logoi comme « genre littéraire » et sur leur importance numéraire dès les années qui suivent la mort de Socrate, cf. Rossetti (2001) 11–35 ; Vegetti (2006) 119–132. 9 Plat. Mén. 75d : εἰ δὲ ὥσπερ ἐγώ τε καὶ σὺ νυνὶ φίλοι ὄντες βούλοιντο ἀλλήλοις διαλέγεσθαι, δεῖ δὴ πρᾳότερόν πως καὶ διαλεκτικώτερον ἀποκρίνεσθαι. – « Mais lorsque deux amis, comme toi et moi, veulent discuter entre eux, il faut répondre de façon plus douce et d’une manière plus conforme à l’esprit de la conversation. » 10 Cic. off. 1,108. 11 Guérin (2011) 154–157. 12 Cf. Cic. de orat. 2,270 ; 3,67–68.
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l’acteur, où se lit l’influence stoïcienne d’un Panétius de Rhodes,13 c’est-à-dire la définition de la personnalité, de la nature humaine, comme autant de facettes, de rôles à jouer,14 Cicéron donne une vision d’un personnage Socrate qui aurait, comme au théâtre,15 un rôle bien défini à jouer, rôle construit dans le cadre de la modalité dialogique que suppose sa fonction de questionneur, personnage créé par et pour les dialogues des Socratiques, au premier rang desquels se place bien entendu Platon. Si le texte du De officiis, qui constituera le point d’aboutissement chronologique du parcours textuel abordé dans cet article, semble tracer une ligne de continuité parfaite avec le célèbre texte de l’Apologie de Socrate de Platon16 – il existerait en effet une quasi consubstantialité entre l’acte de parole, le dialogue, et la figure de Socrate, puisque son activité philosophique se définit par sa dimension orale et discursive, nécessaire au philosophe, avant même sa survie –, il convient néanmoins d’interroger le début du parcours latin du personnage de Socrate, en le précisant d’un point de vue générique et par là, paradoxalement, en l’élargissant, en sortant du seul dialogue philosophique. En effet, l’équivalence implicitement tracée entre le genre dialogique et les écrits des Socratiques, qui 13 Alesse (1994) 62–74. 14 Cf. De Lacy (1977) 163–172 ; Gill (1981) 169–199 ; Reydams Schils (2005) 27, 93–99 ; Guérin (2011) 399–401 ; Machek (2016) 163–191. 15 La métaphore de la vie humaine comme autant de rôles de théâtre à incarner est très ancienne, comme le montre Hadot (2000) 86–87, et se trouve particulièrement bien illustrée chez Épictète, Manuel, 17 (Gerard J. Boter éd., Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, W. de Gruyter, 2007) : Μέμνησο ὅτι ὑποκριτὴς εἶ δράματος οἵου ἂν θέλῃ ὁ διδάσκαλος· ἂν βραχύ, βραχέος· ἂν μακρόν, μακροῦ· ἂν πτωχὸν ὑποκρίνασθαί σε θέλῃ, ἵνα καὶ τοῦτον εὐφυῶς ὑποκρίνῃ· ἂν χωλόν, ἂν ἄρχοντα, ἂν ἰδιώτην. Σὸν γὰρ τοῦτ’ ἔστι, τὸ δοθὲν ὑποκρίνασθαι καλῶς· ἐκλέξασθαι δ’ αὐτὸ ἄλλου. – « Souviens-toi que tu es un acteur qui joue un rôle dans une pièce qui est telle que la veut le poète dramatique. Un rôle bref, s’il veut que ton rôle soit bref, long, s’il veut qu’il soit long. S’il veut que tu joues le rôle d’un mendiant, veille à jouer ce rôle avec talent : ou un boiteux, ou un magistrat, ou un homme ordinaire. Car ce qui t’appartient, c’est ceci : bien jouer le rôle qui t’a été donné. Mais choisir ce rôle appartient à un autre » (traduction Pierre Hadot). 16 Plat. Apol. 29c–30a et surtout 37e–38a : en effet, à ses accusateurs qui lui demandent : σιγῶν δὲ καὶ ἡσυχίαν ἄγων, ὦ Σώκρατες, οὐχ οἷός τ᾽ ἔσῃ ἡμῖν ἐξελθὼν ζῆν ; – « Quoi, Socrate, ne peux-tu donc nous débarrasser de ta présence et vivre tranquille en silence ? ». Socrate, tout en étant bien conscient que cette attitude est incompréhensible pour ses juges, répond qu’il ne peut cesser de dialoguer : ἐάν τε αὖ λέγω ὅτι τῷ θεῷ ἀπειθεῖν τοῦτ᾽ ἐστὶν καὶ διὰ τοῦτ᾽ ἀδύνατον ἡσυχίαν ἄγειν, οὐ πείσεσθέ μοι ὡς εἰρωνευομένῳ· ἐάντ᾽ αὖ λέγω ὅτι καὶ τυγχάνει μέγιστον ἀγαθὸν ὂν ἀνθρώπῳ τοῦτο, ἑκάστης ἡμέρας περὶ ἀρετῆς τοὺς λόγους ποιεῖσθαι καὶ τῶν ἄλλων περὶ ὧν ὑμεῖς ἐμοῦ ἀκούετε διαλεγομένου καὶ ἐμαυτὸν καὶ ἄλλους ἐξετάζοντος, ὁ δὲ ἀνεξέταστος βίος οὐ βιωτὸς ἀνθρώπῳ, ταῦτα δ᾽ ἔτι ἧττον πείσεσθέ μοι λέγοντι. – « Si je vous dis que ce serait désobéir au dieu et que, par conséquent, je ne peux pas m’abstenir, vous ne me croirez pas, vous penserez que je parle ironiquement. Et si je dis, d’autre part, que c’est peut-être le plus grand des biens pour un homme que de s’entretenir tous les jours soit de la vertu, soit des autres sujets dont vous m’entendez parler, lorsque j’examine les autres et moimême, et si j’ajoute qu’une vie sans examen ne mérite pas d’être vécue, vous me croirez bien moins encore. »
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n’est pas pertinente dans les textes grecs, comme le résume bien Sandrine Dubel,17 doit également être interrogée à Rome. Le terme de sermo, sur lequel il convient encore de s’interroger, ne suffit pas à rendre compte de la pluralité des Sokratikoi logoi à Rome, ni dans leur diversité terminologique,18 ni dans leur diversité générique, entre prose et vers.19 Dans ce cadre, à quel type de parole socratique avons-nous affaire et quelles en sont les implications pour la constitution du personnage du philosophe athénien ? Nous voudrions ainsi proposer un parcours, qui ne peut bien entendu viser à l’exhaustivité, qui interrogera les modalités de la constitution à Rome du personnage de Socrate, en insistant sur la description et l’analyse de la caractéristique essentielle de sa figure, son usage de la parole, chez Plaute et chez Lucilius, dans une forme de préhistoire du dialogue philosophique, avant d’analyser la perception fine qu’avait Cicéron de Socrate en tant que construction littéraire, par l’analyse qu’il mène de ses sources, et par les modifications qu’il fait lui-même subir à la figure du philosophe athénien dans sa propre écriture du genre dialogique. Ainsi, la focalisation que nous choisissons autour de la figure de Socrate comme personnage de dialogue servira de révélateur à la pratique littéraire et philosophique de l’Arpinate.20
17 Dubel (2015) 13–20 ; 14 : « Les sokratikoi logoi ne sont pas exactement une désignation générique du dialogue : toute parole de (ou sur) Socrate n’est pas dialogique (voir les Apologies), de même que tout dialogue ne passe pas nécessairement par Socrate – les Lois de Platon, le Hiéron de Xénophon, les propres dialogues d’Aristote ont-ils leur place dans cette “prose socratique” ? » 18 Ainsi on peut noter, pêle-mêle, une utilisation des expressions comme satirae ou Socratici carti chez Lucilius (Sat. XXVII,22 Charpin = 709–710 Marx) ; Socraticae chartae chez Horace (ars 310), sermo Socraticus ou sermones Socratici chez Cicéron (de orat. 3,62–68 ; off. 1,134), Horace (carm. 3,21) ou Pline le Jeune (epist. 3,12,1), oratio Socratica (Cic. fin. 5,84) ou encore Socraticorum libri (Cic. acad. 1,13 ; diu. 1,122 ; off. 1,104 ; Tusc. 3,43, mais aussi Properce 2,34) et Socraticorum hominum disputationes (Cic. de orat. 3,139 ; part. 1,6). 19 De Giorgio (2016) 113–128 et plus particulièrement 120–127. 20 On peut alors, par transposition, appliquer les réflexions de Vincent Jouve sur la construction du personnage de roman par la participation du lecteur individuel du texte à la pratique cicéronienne de ressaisissement de la figure du philosophe athénien à travers sa lecture des écrits des Socratiques antérieurs. Ainsi, Jouve (1992) 27–39 : « Étudier la perception du personnage romanesque, c’est donc déterminer comment et sous quelle forme il se concrétise pour le lecteur. […] il convient de remarquer que l’identité du personnage ne peut se concevoir que comme le résultat d’une coopération productive entre le texte et le sujet lisant. […] Cet état d’incertitude du lecteur […] ajustant et réajustant sans cesse sa perception du personnage, montre bien que […] lire c’est choisir. Le lecteur bénéficie ainsi d’une latitude d’action relativement importante. Par la façon dont il combine et actualise les données du texte, il ne manque pas d’imprimer sa marque aux créatures romanesques : l’identité des personnages est nécessairement liée à son état affectif. C’est sur le double plan émotionnel et intellectuel que le sujet s’implique dans l’univers littéraire ».
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1. SOCRATE, UN PERSONNAGE DE DIALOGUE AVANT LE DIALOGUE PHILOSOPHIQUE ? TÉMOIGNAGES DE PLAUTE ET DE LUCILIUS SUR LA PAROLE SOCRATIQUE À ROME L’apparition du personnage de Socrate à Rome nous permet de creuser la question de l’association, qui semble définitoire, entre la figure du philosophe grec et le dialogisme, selon une double modalité, qui apparaît comme diamétralement opposée.21 En écho aux partes et aux personae évoquées plus haut, la parole socratique est d’abord celle qui se fait entendre au théâtre, par le biais du Pseudolus de Plaute, pièce relevant de la Néa, qui plonge donc ses racines dans la comédie grecque, affirmant et revendiquant cet héritage. Cependant, cette parole se multiplie aussi, portée par les Socratici, dans le cadre de la satire, ou plutôt des Satires de Lucilius, dans un genre, revendiqué comme proprement latin,22 qui se veut issu de la conversation – puisque le poète utilise aussi le terme de sermones pour désigner ses pièces23 – et suppose donc une nécessaire dimension dialogique, d’autant plus qu’y apparaissent en filigrane des réminiscences de dialogues platoniciens.24 Dans le Pseudolus de Plaute, c’est de façon seconde que Socrate intervient dans le dialogue : le philosophe grec n’est dans la pièce qu’un être de paroles. En effet, à la différence des Nuées d’Aristophane,25 la mention du philosophe grec n’est évidemment pas un renvoi à sa figure historique, ce qui serait impossible dans le cadre de la Néa, mais Socrate n’est pas davantage un personnage de la pièce – même si, comme le rappelle Cicéron dans un fragment du Pro Gallio,26 le 21 Sur le rapprochement entre dialogue socratique et théâtre d’un point de vue générique, cf. Vassallo (2012) 45–61. 22 Quint. inst. 10,1,93–95. Ce propos est bien sûr à nuancer par des textes comme le serm. 1,4 d’Horace, qui évoque les modèles grecs de Lucilius comme Eupolis, Cratinus et Aristophane. Sur ce point, cf. Delignon (2006) 205–219 ; Breed/Wallace/Keitel (2018) 1–35. 23 Cf. 1039–1040 (Marx) = 30, 85 (Charpin) ; 1015 (Marx) = 30, 22 (Charpin) ; 1122–1123 (Marx) = H 31 (Charpin). Pour une analyse de ce terme chez Lucilius, cf. Keane (2018). 24 Lucilius, Satires, 29, 65 et 66 (Charpin) = 830–831 et 832–833 (Marx), qui par la mention de la linea alba, renvoie très certainement au Charmide de Platon, cf. sur ce point Lucciano (2008) 3–4. 25 Sur l’évolution du traitement comique de Socrate entre la pièce d’Aristophane et celle de Plaute, cf. Lucciano (2012a) 40–70. 26 Cic. Pro Gallio 2 (Orationum deperditarum fragmenta, Iulius Puccioni ed., 1969), cité par Hier. epist. 52,8 : Ad Nepotianum presbyterum (Jérôme Labourt ed., 1951) : In oratione pro Quinto Gallio quid de fauore uulgi, et de inperitis contionatoribus loquatur adtende : « his autem ludis – loquor enim quae sum ipse nuper expertus – unus quidam poeta dominatur, homo perlitteratus, cuius sunt illa conuiuia poetarum ac philosophum, cum facit Euripiden et Menandrum inter se, et alio loco Socratem atque Epicurum disserentes, quorum aetates non annis, sed saeculis scimus fuisse disiunctas. Atque his quantos plausus et clamores mouet ! Multos enim condiscipulos habet in theatro qui simul litteras non didicerunt. » – « Cicéron, dans son discours pour Quintus Gallius, dit ce qu’il faut penser de la faveur de la foule et des discoureurs malhabiles ; écoute-le : “Dans ces jeux – et je parle d’une toute récente
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philosophe athénien était aussi un personnage de mimes. Au contraire, Socrate n’est qu’un des masques derrière lequel se cache le personnage éponyme de la pièce, Pseudolus, incarnation du type du seruus fallax ou seruus callidus.27 En effet, c’est dans la métaphore mise en place par son maître, Simon, qu’apparaît Socrate : alors que Pseudolus entreprend de voler son maître pour procurer de l’argent au fils de celui-ci, Calidore, Simon invite son ami Calliphon à ne pas se laisser berner par les propos de son esclave :28 CALLIPHO. Sunt quae te uolumus percontari, quae quasi Per nebulam nosmet scimus atque audiuimus. SIMO. Conficiet iam te hic uerbis, ut tu censeas Non Pseudolum, sed Socratem tecum loqui. PSEUDOLVS. Itast : iam pridem tu me spernis, sentio. Paruam esse apud te mihi fidem ipse intellego. Cupis me esse nequam ; tamen ero frugi bonae. SIMO. Fac sis uociuas, Pseudole, aedis aurium, Mea ut migrare dicta possint quo uolo. PSEUDOLUS. Age loquere quiduis, tam etsi tibi suscenseo. CALLIPHON : Il y a certaines choses que nous voulons te demander, dont nous avons nousmêmes entendu parler et que nous savons, pour ainsi dire, confusément comme à travers des nuées. SIMON : Il finira par t’avoir avec ses discours, si bien que tu croiras que ce n’est pas Pseudolus, mais Socrate qui te parle. PSEUDOLUS : Exactement : il y a longtemps que tu me méprises, je le sens. Tu n’as qu’une faible confiance en ma propre personne, je le conçois. Tu veux que je sois un homme de rien ; je serai cependant un brave gars. SIMON : Garde vides, s’il te plaît Pseudolus, les cavités de tes oreilles, pour que mes paroles puissent se loger là où je veux. PSEUDOLUS : Va, dis tout ce que tu veux, bien que je sois irrité contre toi.
Dans cet échange entre le seruus callidus et les senes apparaissent clairement des échecs dans la communication entre les personnages : en effet, Simon annule immédiatement la demande d’informations formulée par Calliphon auprès de son esclave Pseudolus, en taxant ses propos de mensongers, avant de demander luimême à son esclave de l’écouter. Dès lors, si le dialogue entre Calliphon et Pseudolus est impossible car le senex, à l’instar de certains interlocuteurs de Socrate, n’est pas préparé à ces propos, il convient de noter que l’échange entre Pseudolus
expérience personnelle –, un seul poète l’emporte ; c’est un homme très instruit, l’auteur de ces Banquets de poètes et de philosophes, quand il fait converser Euripide et Ménandre entre eux, et ailleurs Socrate et Épicure, eux dont nous savons que séparaient non des années mais des siècles. Pourtant, par ces balivernes, que d’applaudissements, que d’acclamations il soulève ! Car il a beaucoup de condisciples sur les gradins du théâtre qui, tout comme lui, n’ont pas appris la littérature.” » 27 Sur le modèle de l’esclave qui révèle l’ambivalence des Romains vis-à-vis de la culture grecque à travers Pseudolus, menteur et metteur en scène, cf. Stehle (1984). 28 Plaut. Pseud. 459–471.
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et Simon, réclamé par le maître, n’est pas non plus réalisé puisqu’il suscite la colère (suscenseo) de Pseudolus, qui refuse alors d’écouter.29 Cet échec du dialogue, par la dénégation des paroles et le refus de l’écoute – qui se double bien sûr dans le cas de Pseudolus d’un refus d’une injonction à obéir à son maître !30 – casse assez logiquement la possibilité de l’action théâtrale, mettant en place, selon Isabella Tondo, une communication paradoxale, tournée uniquement vers l’hilarité.31 C’est donc bien dans le cadre d’une forme d’anti-dialogue qu’apparaît le masque socratique parmi les partes dont se revêt Pseudolus aux dires de Simon,32 masque renforcé par la référence à l’oracle de Delphes et l’usage du grec dans la même scène.33 Le procédé littéraire utilisé pour faire apparaître Socrate est la personnification, qui crée presque une métamorphose, laquelle se produit grâce au pouvoir des mots maniés par Pseudolus, qui, comme nous l’avons vu, ne constituent pas un réel échange entre les personnages. Le jeu sur l’identité de Pseudolus est alors mis en lumière dans la réponse qu’il donne à Simon : en effet, au vers 467, la séquence mihi fidem ipse montre bien que l’identité mouvante de Pseudolus, fortement affirmée par le personnage au moyen du mihi que renforce le ipse, est questionnée par Simon, qui n’accorde plus sa fides à son esclave. Les termes appuyant l’identité du seruus encadrent le terme de fides, dans une sorte d’oxymore : Simon sait qu’il ne peut se fier à son esclave, mais sera pourtant berné par celui-ci. La gradation sémantique des verbes sentio et intellego, entre les vers 466 et 467, souligne le caractère réfléchi du changement d’identité mis en place par Pseudolus. Nous retrouvons donc ici un phénomène mis en lumière par Eduard Fraenkel, qui explique que la métaphore comique chez Plaute passe par la transformation et l’identification du personnage.34 En effet, selon les termes mêmes de son maître Simon, lorsque Pseudolus parle, il devient Socrate, afin de mieux rouler son interlocuteur, métamorphose qui se crée par son usage du langage. En ce sens, la première attestation de la parole socratique à Rome, dans la bouche d’un personnage qui pour un temps a revêtu le masque de Socrate, est marquée par son ambiguïté, entre fausseté et efficacité 29 Sur l’écoute comme sens relationnel qui fonde le dialogue entre les personnages, cf. Tondo (2010a) 47–56. 30 Cf. Tondo (2010b) 229–237, dans le paragraphe « Le orecchie di Pseudolo. La comunicazione non comunicante ». 31 Tondo (2010b) 232 : « L’ascolto mette comunque i personaggi in movimento: ascoltano e reagiscono in un senso o in un altro, assumono un dato comportamento, eseguono quanto hanno udito. Dal momento che il dialogo è la struttura portante del genere teatrale, verrebbe quasi da dire che se è vero che senza ascolto non ci sarebbe dialogo, senza ascolto non ci sarebbe neppure azione teatrale. » Sur le même point, cf. Negri (1985) 228–242. 32 Sur la superposition des partes d’un même personnage, précisément dans le Pseudolus, cf. Petrone (2012) 85–94. 33 Plaut. Pseud. 479–480 ; 481–484. 34 Cf. Fraenkel (2007) 17–44, dans le chapitre « Transformation and Identification Motifs ». Sur l’importance du jeu sur l’identité et du déguisement, cf. aussi Faure-Ribreau (2012) 213–231 ou encore Muecke (1986) 216–229.
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relative, puisque, même si Simon est bien conscient que son esclave cherche à le berner, ce dernier arrivera néanmoins à ses fins, en utilisant non pas des mots, mais tout l’attirail du seruus callidus, le fait de monter des intrigues ou encore le travestissement, réel et non métaphorique, d’identité et dans cette réussite, Pseudolus ne revêt plus le masque de Socrate, mais bien celui d’Ulysse.35 Ainsi, la parole socratique est bien un marqueur fort du personnage du philosophe athénien à Rome, mais dans le cadre d’une pratique qui, si elle peut être dialectique,36 n’a rien de dialogique. Si la parole socratique subit donc de fortes altérations sur la scène de la comédie latine, force est de constater que cette parole se développe également dans un autre genre, celui de la satire,37 et qu’elle se démultiplie, portée par un groupe d’individus, les Socratici, qui, sous la plume de Lucilius, apparaissent aussi bien comme des auteurs transmettant la parole socratique que comme des personnages la proférant. Ces derniers rédigent en effet des logoi Sokratikoi, dont l’épanouissement spectaculaire,38 dans une période contemporaine à la mort de Socrate – sans que l’on sache si le phénomène commence avant la mort du philosophe ou si c’est cette dernière qui sert d’élément déclencheur39 –, a été souligné, notamment par Livio Rossetti,40 et dont la réception latine garde donc une trace. Il convient toutefois de noter que la naissance de cette forme littéraire ne signifie pas que le critère dialogique soit suffisant et déterminant pour la définir, car, comme l’ont bien montré Andrew Ford et avant lui Nicole Loraux,41 en étudiant notamment les liens entre les logoi Sokratikoi et différentes formes rhétoriques (le discours d’éloge, le discours aux morts…) voire sophistiques, des éléments jugés caractéristiques comme le type de public auquel s’adresse la discussion (un petit groupe ou une assemblée) ou encore la différence entre discours court et discours long, peuvent également être dépassés par des contre-exemples, parfois même issus des dialogues qui les formulent. Il ne faut enfin pas oublier que ces critères et ces définitions sont issus d’une vision qui, traditionnellement et ce depuis l’Antiquité, comme le montre les témoignages de Diogène Laërce42 ou encore d’Alcinoos,43 prend comme prisme l’œuvre de Platon.44 35 Sur le passage de la figure de Socrate à celle d’Ulysse comme marqueur de la réussite de Pseudolus, je renvoie à ma thèse, Paene Socratico genere : figures de Socrate dans la littérature et la philosophie à Rome de Plaute à Sénèque, volume II, en cours de publication, mais aussi à Wright (1975). 36 Petrone (2009) 168 : « Pseudolo dunque come Socrate : astuzia dell’intelligenza e abilità filosofica si identificano nell’esercizio di un sapere verbale, di una dialettica che ha successo e s’impone sugli altri. » 37 Cf. Littlewood (2019). 38 Sur l’importance, envisagée selon un angle numérique des logoi sokratikoi, cf. Rossetti (2001) ; Vegetti (2006). 39 Ford (2008) 29–44. 40 Cf. Rossetti (2008). 41 Loraux (2000). 42 Diog. Laert. 3,48. 43 Alcinoos, Enseignement des doctrines de Platon, VI, H 158.
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Cependant, dans le livre 27 des Satires de Lucilius, les Sokratikoi logoi possèdent bien une dimension dialogique ; en dépit du caractère fragmentaire du texte, frein possible à l’analyse, tous les éditeurs s’accordent sur l’importance, dans ce livre, de la thématique de l’aveuglement, quasi physique, qu’induit la passion, et plus précisément la passion amoureuse. Il s’agit ici d’un lieu commun des philosophies hellénistiques, que l’on retrouve aussi bien dans l’école stoïcienne et néo-académicienne45 que dans l’école épicurienne.46 Un des remèdes à cet aveuglement examinés par Lucilius serait donc les Socratici carti, qui se révèlent néanmoins frappés d’impuissance et donc d’inutilité :47 [nec] sic ubi Graeci, ubi nunc Socratici carti ? quidquid quaeritis, periimus. Alors, où sont les Grecs, où sont maintenant les textes socratiques ? – Quel que soit ce que vous cherchez, nous sommes perdus.
La dimension dialogique de notre fragment apparaît assez claire dans le jeu sur le changement de personne dans le dernier vers, entre la 1ère et la 2ème personne du pluriel (quaeritis/periimus), qui définissent deux communautés, celle dont le poète se fait le porte-parole, soumise aux affres du tourment amoureux, qui s’exprime donc par le cri désabusé, voire désespéré d’individus en proie à la passion, mais tout de même suffisamment lucides pour juger de la gravité de leur état. Si cette 1ère personne du pluriel peut peut-être se comprendre également comme un pluriel de majesté, la mention des Graeci et des Socratici carti nous invite en revanche à tracer les contours d’un groupe de personnes, les Socratici, personnages définis de nouveau par leur seule parole, qui est décrite avant tout comme inefficace et déceptive. À ce titre, nous sommes loin ici de la mention des Socraticae chartae comme modèle d’écriture pour créer de parfaits personnages de dialogue qui apparaîtra dans l’Art Poétique d’Horace :48 ce qui est dénoncé ici est bien l’inutilité du recours à la philosophie et à ses auteurs lorsqu’on est en proie à la passion. Qui sont alors ces « Socratiques », personnages vides mis en avant par Lucilius ? L’adjectif Socratici peut s’entendre dans différentes acceptions, qui ne s’excluent bien évidemment pas : un sens thématique (les auteurs qui mettent en scène le personnage de Socrate), mais également, en suivant par exemple la ré-
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Cf. Dinapoli (2008). Cf. Lévy (1992) 83 ; Lévy (1997) 172–176. Ainsi, par exemple Lucr. 4,1153–1154. Lucil. 37,22 (Charpin) = 709–710 (Marx). Hor. ars 310–311 : Rem tibi Socraticae poterunt ostendere chartae, | uerbaque prouisam rem non inuita sequentur. – « Les écrits socratiques pourront te faire voir l’idée, et les mots, une fois l’idée devant tes yeux, viendront la rejoindre d’eux-mêmes. » Sur le lien entre les Socraticae chartae et la théorie stoïcienne des kathekonta, cf. Sedley (2014) et particulièrement, 116 : « Horace’s humorously feigned inability to write poetry is no problem, he is saying, because there is a way he can teach us without writing at all. That is, in order to enable us to construct dramatic roles convincingly, all he has to do is send us off to read the Socratic writings. »
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flexion de Livio Rossetti,49 un sens chronologique, et de fait plus restreint (les philosophes socratiques, c’est-à-dire les disciples directs de Socrate, ou encore les philosophes qui se réclament directement du maître athénien), ou encore un sens générique (ceux qui écrivent un mode de composition « socratique », ce qui nous rapprocherait de la tentative de définition de notre sermo). Dans tous les cas, ce groupe de personnages sans visage ne se caractérise que par leurs écrits qui échouent à entrer en dialogue avec les préoccupations réelles de leurs lecteurs. Si la parole socratique apparaît dans son entrée à Rome comme contestée, déceptive, voire inefficace, c’est peut-être justement parce qu’elle n’est que le fait d’épigones. En ce sens, il importe de se tourner vers celui qui donne une véritable présence au philosophe athénien ; ainsi, c’est bien par le témoignage cicéronien que prend corps le personnage de Socrate, dans le genre qui lui est le plus « naturel » : le dialogue. 2. SOCRATE COMME PERSONNAGE DE DIALOGUE PHILOSOPHIQUE : QUESTIONNEMENT ET RÉVÉLATION DE LA PRATIQUE CICÉRONIENNE Avec Cicéron, Socrate prend à Rome un vrai rôle de personnage de dialogue, en étant explicitement cité par l’Arpinate : il n’est pas alors uniquement défini par son usage de la parole, même si cette caractéristique reste prépondérante, mais comme nous le disions précédemment, il prend corps, au sens propre : apparaissent ainsi tour à tour son visage, dans le face-à-face entre le philosophe et le physiognomoniste Zopyre, dans les Tusculanes,50 et surtout dans le De fato,51 mais 49 Cf. Rossetti (2001). 50 Cic. Tusc. 4,80 : Ergo ut constantia scientiae, sic perturbatio erroris est. Qui autem natura dicuntur iracundi aut misericordes aut inuidi aut tale quid, ei sunt constituti quasi mala ualetudine animi, sanabiles tamen, ut Socrates dicitur : cum multa in conuentu uitia conlegisset in eum Zopyrus qui se naturam cuiusque ex forma perspicere profitebatur, derisus est a ceteris qui illa in Socrate uitia non agnoscerent, ab ipso autem Socrate subleuatus, cum illa sibi insita, sed ratione a se deiecta diceret. – « Donc, de même que l’équilibre de l’âme relève de la connaissance positive, la passion relève de l’erreur. Quant à ceux dont l’on dit qu’ils sont naturellement portés à la colère, ou à la pitié, ou à la jalousie, ou à quelque passion pareille, ils ont pour ainsi dire une mauvaise constitution morale, mais n’en sont pas moins guérissables, à preuve ce que l’on rapporte de Socrate. Dans une réunion, Zopyre, qui se faisait fort de reconnaître la nature de chaque individu à son type physique, ayant chargé Socrate de tous les vices, mit en gaieté l’assistance, laquelle ne retrouvait point ces vices en Socrate, et ce fut Socrate, l’intéressé, qui tira Zopyre d’affaire en disant que ces vices-là étaient bien innés en lui, mais que la raison l’en avait débarrassé. » 51 Cic. fat. 10–11 : Quid ? Socraten nonne legimus quem ad modum notarit Zopyrus physiognomon, qui se profitebatur hominum mores naturasque ex corpore, oculis, uultu, fronte pernoscere ? Stupidum esse Socraten dixit et bardum, quod iugula concaua non haberet : obstructas eas partes et obturatas esse dicebat ; addidit etiam mulierosum, in quo Alcibiades cachinnum dicitur sustulisse. – « Et Socrate ? N’avons-nous pas lu comment l’a caractérisé le physionomiste Zopyre, qui faisait profession de discerner les mœurs des gens et leur naturel
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aussi d’autres détails corporels, comme ses « pieds calleux » (quod ille durissimis pedibus fecit, ut se abiceret in herba atque ita illa, quae philosophi diuinitus ferunt esse dicta, loqueretur), au début du livre I du De oratore, 52 dans un décalque du Phèdre platonicien ;53 ainsi, le corps même de Socrate devient un objet philosophique, appelant ses disciples à la réflexion.54 Dans un même mouvement d’enrichissement, la figure de Socrate acquiert également une existence sociale, par la mention de sa famille, et au premier chef de sa femme Xanthippe,55 mais également du cercle de ses disciples et de ses familiers : Platon,56 Xénophon,57 Alcibiade,58 mais aussi Aspasie,59 pour ne citer que quelques noms. Cependant, cet enrichissement ne doit pas nous conduire à rechercher et à reconstituer dans le Socrate qui apparaît dans les textes cicéroniens une quelconque figure historique ; le philosophe athénien y est bien un personnage, une figure construite, ce dont Cicéron est tout à fait conscient. En effet, suivant ce qui pourrait sembler être une première définition de la fameuse « question socratique », Cicéron, dans le cadre d’un travail qui s’assimile à celui des philologues modernes, met en concurrence les sources grecques dont il dispose et s’interroge sur leur validité. Il effectue ainsi une nouvelle construction de Socrate en tant que personnage de dialogue, par un travail de sélection dans la matière à sa disposition, mais aussi par un travail de traduction et de réécriture du corpus platonicien60 ou plus généralement des textes des Socratiques, comme Xénophon ou Eschine.
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d’après leur corps, leurs yeux, leur visage, leur front ? Socrate était un homme stupide, disaitil, et un imbécile parce qu’il n’avait pas de cavités dans le cou : il disait que ces parties étaient obstruées et bouchées ; il ajouta même : adonné aux femmes, à quoi l’on dit qu’Alcibiade éclata de rire. » Cic. de orat. 1,29. Cf. Auvray-Assayas (2001) ; Zetzel (2003) ; Benferhat (2007–2008). Cf. Lucciano (2012b). Cic. Tusc. 3,31. Cic. de orat. 1,28–29 ; 1,227–233 ; 3,15 ; 3,62 ; 3,67–68 ; 3,129 ; 3,139 ; Scaur. 3,3–6 ; rep. 1,16 ; 2,3 ; 2,21–22 ; 2,51 ; Brut. 292 ; Orat. 14–16 ; 41–42 ; opt. gen. 17 ; Hort. 42a (Grilli) ; leg. 2,6 ; fin. 2,1–2 ; 5,84 ; 5,87–88 ; ac. 1,15–18 ; 1,44–46 ; Luc. 2,14–15 ; 2,74 ; 2,129– 131 ; Tusc. 1,53–55 ; 1,57–58 ; 1,71–75 ; 1,97–100 ; 2,8 ; 3,36–37 ; 3,43 ; 5,10–11 ; 5,30 ; 5,34–36 ; 4,119–120 ; nat. deor. 1,31 ; 1,93 ; 3,82 ; diu. 1,52–53 ; 1,60–62 ; off. 1,2 ; Att. 4,16,3 ; fam. 9,22,1–5. Cic. inv. 1,31,51–53 ; de orat. 2,58 ; Brut. 292 ; Tusc. 2,62 ; nat. deor. 1,31 ; 2,18 ; 3,27 ; diu. 1,52–53 ; 1,122–124 ; Cat. 59 ; off. 2,87. Cic. de orat. 3,139 ; Tusc. 3,77–78 ; fat. 10–11 ; Protagoras 1 (Garbarino). Cic. inv. 1,31,51–53. On trouve ainsi de nombreuses réécritures des propos du Socrate platonicien dans l’Apologie de Socrate ou dans le Phédon dans le De oratore, cf. Lucciano (2014) 8–11. De même, le rêve de Socrate du Criton (en 44a–b) est évoqué par Cicéron dans le De diuinatione 1,52–53 lorsque l’Arpinate se penche sur les songes prophétiques ; le dédain que manifeste Socrate pour la question de sa sépulture face à Criton dans le Phédon (en 115c–e) est réécrit par Cicéron dans les Tusculanes 1,102–103.
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Ainsi, dans la manière dont il rend compte de la figure socratique, Cicéron est parfaitement conscient du fait que le Socrate qu’il nomme dans ses textes est une construction littéraire déjà voulue par ses prédécesseurs dans le genre dialogique, construction dont la paternité est parfois clairement identifiée : ainsi, il évoque à plusieurs reprises le Socrate apud Platonem,61 ou encore, dans le De natura deorum, le Socrate apud Xenophontem.62 Si l’Arpinate cite donc parfois une source grecque précise en évoquant la figure du philosophe athénien, il est également conscient du fait que l’acte de constitution du personnage de Socrate peut être le résultat de la stratification de différents auteurs ; ainsi, dans le Brutus, Cicéron rend compte du fait que l’ironie socratique est retranscrite par un faisceau de sources diverses:63 Ironiam illam quam in Socrate dicunt fuisse, qua ille in Platonis et Xenophontis et Aeschinis libris utitur, facetam et elegantem puto. Cette ironie qu’on attribue à Socrate, et dont il use dans les livres de Platon, de Xénophon, et d’Eschine, je la juge spirituelle et pleine de distinction.
Se lit bien ici un retour sur un moment romain de constitution de Socrate en tant que personnage de dialogue : Cicéron confronte les différentes sources grecques qui rapportent une caractéristique socratique, l’ironie – qui se trouve originellement liée à une technique de recherche de la vérité prenant corps dans un genre bien particulier, le dialogue philosophique grec –, et met en avant une forme de consensus entre ces auteurs, mais il parvient également à la transcrire en des termes qui ne sont plus strictement philosophiques, mais aussi stylistiques et ornementaux (facetam et elegantem), laissant ainsi place à une transformation romaine, ici esthétique et littéraire, du dialogue platonicien dans le cadre du sermo cicéronien. En effet, dans le Brutus, le dialogue devient le moyen de faire l’historia de l’éloquence romaine,64 et l’ironie socratique s’apparente à un procédé rhétorique s’appuyant sur le delectare par le biais de l’humour, le facetus.65 Cette confrontation des sources effectuée par Cicéron lui permet de mettre en lumière la construction du personnage de Socrate dans les dialogues des auteurs grecs et d’émettre parfois son propre jugement auctorial sur les textes dont il s’inspire. Mais ce que montre avant tout Cicéron, c’est que la figure d’un Socrate comme personnage univoque ou unifié entre les différents auteurs, voire au sein du corpus d’un même auteur, n’existe pas. Le personnage de Socrate dans le cadre du dialogue des auteurs grecs est mouvant : elle s’articule en fonction des objectifs de leurs auteurs, ce dont rend compte le texte cicéronien :66 Atque etiam Xenophon paucioribus uerbis eadem fere peccat ; facit enim in his quae a Socrate dicta rettulit Socratem disputantem formam dei quaeri non oportere, eundemque et so61 62 63 64 65 66
Cic. Brut. 292 ; rep. 2,3 ; 2,21–22. Cic. nat. deor. 2,18 ; 3,27. Cic. Brut. 292. Cf. Aubert-Baillot/Guérin (2014). Cf. Guérin (2011) 156–157 ; 256–257. Cic. nat. deor. 1,31.
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lem et animum deum dicere, et modo unum, tum autem plures deos ; quae sunt isdem in erratis fere quibus ea quae de Platone dicimus. Mais Xénophon aussi, quoique plus concis, tombe à peu près dans les mêmes erreurs. En effet, dans les Mémorables,67 il présente Socrate affirmant qu’il ne faut pas s’interroger sur la forme du dieu, et le même Socrate dit que le soleil et l’âme sont des dieux et qu’il existe tantôt un seul dieu, tantôt plusieurs ; ce sont à peu près les mêmes erreurs que je trouve chez Platon.68
Ici, les propos sont à mettre sur le compte de l’épicurien Velleius, c’est-à-dire tenant d’une doctrine fréquemment fustigée par Cicéron. Le jeu de miroirs est alors particulièrement fin, car c’est dans le cadre d’un dialogue cicéronien qu’un personnage créé par l’Arpinate rend compte de la dimension construite et donc malléable d’un autre personnage de dialogue auquel il répond, comme le montre l’expression rettulit Socratem quaeri non oportere. Le Velleius de Cicéron renvoie alors dos à dos le Socrate de Platon comme celui de Xénophon, en mettant ainsi en place un durcissement des propos des auteurs qu’il cite.69 On peut alors peut-être émettre l’hypothèse que la mauvaise évaluation du personnage de Socrate dans les textes que fait le personnage de l’Épicurien est un moyen pour Cicéron de décrédibiliser sa doctrine. Toutefois, ce sont les passages où Cicéron discute la construction littéraire des personnages platoniciens qui sont les plus significatifs. En ce sens, la figure de Socrate comme personnage de dialogue nous permet ici d’apprécier le jugement que porte Cicéron sur l’œuvre de Platon, et par là-même de définir ses propres attentes et celles de ses lecteurs. Ainsi, Platon peut lui servir de modèle dans l’élaboration de ses propres personnages :70 Quod in iis libris quos laudas personam desideras Scaeuolae, non eam temere dimoui, sed feci idem quod in πολιτείᾳ deus ille noster Plato. Cum in Piraeum Socrates uenisset ad Cephalum, locupletem et festiuum senem, quoad primus ille sermo habetur, adest in disputando senex, deinde cum ipse quoque commodissime locutus esset, ad rem diuinam dicit se uelle discedere neque postea reuertitur. Credo Platonem uix putasse satis consonum fore si hominem id aetatis in tam longo sermone diutius retinuisset. Multo ego magis hoc mihi cauendum putaui in Scaeuola, qui et aetate et ualetudine erat ea qua esse meministi et iis honoribus ut uix satis decorum uideretur eum plures dies esse in Crassi Tusculano. Et erat primi libri sermo non alienus a Scaeuolae studiis ; reliqui libri τεχνολογίαν habent, ut scis. Huic ioculatorem senem illum, ut noras, interesse sane nolui. Tu regrettes, dans ces livres que tu loues, l’absence du personnage de Scaevola ; toutefois, ce n’est pas sans raison que je l’ai écarté, mais j’ai fait de même que, dans sa République, celui qui est notre dieu, Platon. Comme Socrate s’était rendu au Pirée pour voir Céphale, un riche vieillard spirituel, tant que dure la première conversation, le vieillard assiste au débat, puis, après avoir lui-même parlé aussi, et fort bien, il déclare qu’il désire s’en aller pour aller ac67 Cf. Xen. Mem. 4,3,13–14. 68 On peut voir ici un écho avec Plat. Leg. 7,821a–b, même si la parole n’est pas portée par Socrate, mais par l’Athénien. Pour l’édition, la traduction et le commentaire du passage, cf. Auvray-Assayas (2019) ; Dyck (2003) 98. 69 Pease (1955) 236–237. 70 Cic. Att. 4,16,3.
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Mélanie Lucciano complir un devoir religieux, et ensuite il ne revient pas. Je crois que, d’une certaine manière, Platon a pensé qu’il ne serait guère convenable de retenir plus longtemps dans une si longue conversation un homme de cet âge. Et c’est bien davantage que j’ai cru, pour ma part, devoir être attentif à cet aspect en ce qui concerne Scaevola, car tu te rappelles combien il était âgé et de santé délicate ; de plus, les honneurs dont il était revêtu rendaient peu digne de lui de demeurer plus d’un jour dans la retraite tusculane de Crassus. D’ailleurs il y avait, dans le premier livre, une conversation qui n’était pas étrangère aux études de Scaevola, tandis que les autres livres contiennent, comme tu le sais, une τεχνολογία. Je n’ai pas voulu, bien sûr, y faire participer ce vieillard jovial que tu as connu.
Dans le décalque créatif entre le personnage cicéronien et le personnage platonicien, Scaevola répondant à Céphale, Cicéron justifie auprès d’Atticus71 l’imitation qu’il fait de la technique platonicienne par la grandeur du modèle qu’il imite (deus ille noster Plato) en explicitant le raisonnement de celui qu’il présente comme son maître (Credo Platonem uix putasse […]) dans son élaboration d’un personnage qu’il souhaite vraisemblable, c’est-à-dire dont le comportement corresponde à celui qui est attendu d’un homme de son âge et de sa condition. La technique cicéronienne d’écriture, qui adapte sa rédaction à ses personnages, comme le prouve le passage comparant l’état de santé respectif de Céphale et de Scaevola,72 oscille donc entre un impératif réaliste, un impératif littéraire d’imitation par rapport au modèle platonicien, mais également un impératif lié au decorum : on ne peut en effet concevoir qu’un homme de l’âge et de la stature de Scaevola assiste à une discussion dont le sujet – l’usage de l’humour en rhétorique au livre II du De oratore – est si peu en rapport avec la grauitas toute romaine, en dépit du caractère ioculator du senex en question. En revanche, avec la figure de Socrate, la relation au modèle platonicien se complexifie : ainsi Cicéron, précisément dans le De oratore, met bien en avant une sélection de la matière socratique, par le biais de ses personnages, en convoquant à l’orée du dialogue un Socrate bien particulier, celui du Phèdre,73 plus propice à une discussion sur l’art oratoire. Comme l’ont déjà bien montré Emanuele Narducci et James Zetzel,74 cette imitation double, dans laquelle Cicéron est à la fois Platon et Socrate, auteur et personnage, permet également à l’Arpinate une adaptation du genre dialogique à Rome. Le lieu mémoriel du locus amoenus, cadre du dialogue, est alors l’indice et le symbole de cette évolution : à la chaleur de l’été athénien succède ainsi la fraîcheur de l’ombre portée par les branches du platane. L’imitation, voire l’émulation, par rapport à Platon n’est cependant pas le seul positionnement auctorial de Cicéron : dans le même dialogue, l’Arpinate revient sur l’éclatement de la figure socratique au sein du corpus platonicien, en con71 Sur l’implication d’Atticus dans la construction des personnages cicéroniens, cf. Boes (1990) 318–319. 72 Cf. White (2010) 111. 73 Cic. de orat. 1,28 : Cur non imitamur, Crasse, Socratem illum qui est in Phaedro Platonis ? – « Pourquoi n’imitons-nous pas, mon cher Crassus, le Socrate que l’on trouve dans le Phèdre de Platon ? » 74 Cf. Zetzel (2003) ; Narducci (92009) 5–109 ; Narducci (1997) 28–34.
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voquant un autre dialogue, le Gorgias, bien moins conciliant à l’égard de la rhétorique :75 Ipse ille Leontinus Gorgias, quo patrono, ut Plato uoluit, philosopho succubuit orator, qui aut non est uictus umquam a Socrate neque sermo ille Platonis uerus est, aut, si est uictus, eloquentior uidelicet fuit et disertior Socrates, et, ut tu appellas, copiosior et melior orator. Ce Gorgias de Léontinoï en personne, que Platon a choisi comme avocat quand l’orateur a succombé devant le philosophe, ou bien il n’a jamais été vaincu par Socrate et le dialogue de Platon n’est qu’une invention, ou bien, s’il a été fut vaincu, c’est que Socrate s’est évidemment montré plus éloquent, plus disert, et, selon ta propre expression, plus abondant et meilleur orateur.
Ce qui est en question dans ces propos de Catulus est bien le mécanisme de construction de la figure socratique dont Cicéron s’est néanmoins réclamé : il met clairement en doute l’efficacité de la construction du personnage faite par Platon, en introduisant un raisonnement par l’absurde :76 si Socrate a été capable d’avoir le dessus dans une discussion avec Gorgias, c’est parce qu’il s’est montré un orateur – voire un sophiste car l’allusion comporte bien entendu une dimension satirique77 – plus brillant. Si cela n’est pas le cas, le dialogue de Platon ne peut être authentique, au sens où la construction du personnage de Socrate ne peut être tenue pour réaliste ; en ce sens, c’est bien le personnage qui révèle les incohérences de l’auteur lui-même.78 Ainsi, dans la transmission de l’image de Socrate et son ressaisissement, Cicéron, tout en rendant compte avec précision de ses sources – il s’agit en effet pour lui de montrer qu’il n’invente rien et qu’il a une connaissance réelle des textes qu’il commente79 – s’en détache pour les étudier, les ressaisir et les confronter, adoptant à leur égard une position critique, dans une prémisse de la « question socratique ». Il se donne ainsi les moyens de créer un nouveau « personnage-Socrate » : le Socrate cicéronien. Or, c’est bien sur la question de la parole du philosophe que se cristallise la question de la construction d’une des facettes de la figure socratique cicéronienne. En effet, si le modèle du philosophe athénien est acceptable en ce qui concerne le sermo, il n’a apparemment pas sa place lorsqu’il sort du cadre dialogique de la conversation et qu’il s’expose dans d’autres lieux comme le tribunal, lorsqu’il devient un discours public orienté vers un autre but que la recherche de la vérité philosophique, comme le discours de Socrate à ses juges tel que nous le donne à lire l’Apologie de Socrate de Platon. Dans ce cadre, il apparaît que Cicéron con75 76 77 78
Cic. de orat. 3,129. Cf. Wisse/Winterbottom/Fantham (2008) 109–112 ; 123–125. Cf. Wisse (2002) 381; 389–397. Cic. de orat. 1,47 : tum Athenis cum Charmada diligentius legi Gorgiam ; quo in libro in hoc maxume admirabar Platonem, quod mihi oratoribus inridendis ipse esse orator summus uidebatur. – « Pendant mon séjour à Athènes, Charmadas et moi, nous avons lu attentivement le Gorgias ; et rien ne me frappait davantage que de voir le philosophe, tout en se moquant des orateurs, se montrer très grand orateur lui-même. » 79 Sur le commentaire cicéronien du Gorgias, cf. Tarrant (2000) 126–129.
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struit ou plutôt déconstruit le personnage de Socrate face à ses juges80 dans le premier livre du De oratore.81 Pour démontrer le fait que le modèle socratique n’est pas opératoire dans le cadre judiciaire, il use d’un détour par le recours à un autre personnage, Rutilius Rufus,82 accusé injustement de concussion en 92 av. J.C., qui refusa d’apitoyer ses juges pour privilégier l’expression de la simple vérité et fut alors condamné à l’exil. En comparant directement le discours de Rutilius Rufus, le « Socrate romain »,83 à celui du Socrate platonicien face à ses juges, le personnage d’Antoine, de manière habile, renvoie dos à dos ces deux figures : la narration des deux procès et des deux attitudes des condamnés s’enchaînent, comme s’il s’agissait du même événement. Par la suite, au discours de Rutilius, que nous n’entendrons pas, se substitue celui de Socrate, dans une délégation de la parole, traçant une forme d’équivalence entre eux dans la pratique d’un discours relevant d’un philosophorum mos.84 Ainsi, à travers le filtre que constitue le personnage de Rutilius, Cicéron peut se permettre de redéfinir les contours du personnage de Socrate : même s’il le reconnaît comme le plus sage des hommes, force est de constater que le philosophe athénien ne peut être un modèle rhétorique applicable à la société romaine. Ce caractère incompatible entre l’attitude de Socrate au cours de son procès et le fonctionnement de la justice à Rome est mis en lumière par le traitement sur le mode parodique de l’actio du discours de défense de Rutilius, où les Stoïciens, d’une certaine manière, se substituent aux juges véritables. Ce qui importe en effet, ce n’est pas de remporter le procès, mais de ne pas déplaire aux membres du Portique : se révèle alors une sorte de chaos où les philosophes prennent la place des juges, et où les valeurs de la philosophie remplacent les comportements attendus dans le cadre d’une rhétorique judiciaire. De même, Socrate et Rutilius ne sont plus des accusés, supplices, mais des maîtres de sagesse : les domaines privé et public de l’éloquence sont mélangés, tout comme ceux de l’otium et de la res publica. En ce sens, la réécriture de la mort de Socrate – un des moments fondateurs dans la définition du personnage – est orientée dans la seule perspective de l’éloquence, puisque l’éventualité selon laquelle le philosophe athénien a pu, de volonté délibérée, choisir d’accorder sa vie à ses idées n’est pas évoquée. C’est alors un personnage maladroit, incapable de se défendre, même lorsque sa vie est en jeu qui nous est donné à voir et la figure « sacrificielle » de Socrate est alors détournée au profit de l’efficacité de la persuasion qu’apporte l’éloquence. Par ce 80 81 82 83
Cf. Lucciano (2014) 14–17. Cic. de orat. 1,227–233 ; cf. Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 141–142 ; 148–154. Cf. Alesse (2012) 1818–1819. Quint. inst. 11,1,11 : P. Rutilius […] cum illo paene Socratico genere defensionis est usus. – « Publius Rutilius a usé d’un type de défense de genre socratique. » 84 Pour une analyse du style dit philosophique dans les discours, et particulièrement des Stoïciens, qualifiés de duriores et oratione et moribus, malgré la relative sympathie que Cicéron exprime à leur encontre, cf. Leeman (1963) 198–216.
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biais, le personnage de Socrate est renvoyé au genre qui semble toujours être définitoire de son essence, le dialogue ou plutôt, à Rome, le sermo. Il est alors intéressant de noter que, lorsque Cicéron aborde de nouveau, au premier livre des Tusculanes,85 le thème du philosophe athénien face à ses juges, la parole socratique se trouve fortement modifiée par rapport au traitement qu’en donne l’Arpinate dans le De oratore. Comment expliquer cet écart, cette évolution du personnage du Socrate cicéronien ? Nous pouvons tout d’abord évoquer la modification qu’effectue Cicéron dans l’ordre des dialogues platoniciens. En effet, si l’on suit la diégèse proposée par Platon, on devrait lire le procès de Socrate dans l’Apologie de Socrate, son emprisonnement dans le Criton et sa mort dans le Phédon. Or, dans les Tusculanes, c’est bien la réécriture du Phédon, et avec ce texte, l’argument de l’immortalité de l’âme, qui intervient en premier ; la réécriture de l’Apologie ne se comprend plus alors comme un discours d’éloquence judiciaire, mais comme un argument supplémentaire pour soutenir la thèse de l’immortalité de l’âme, l’attitude de Socrate face à ses juges se concevant alors comme une justification pratique des théories précédemment énoncées. Ainsi, puisque l’âme est immortelle, la mort n’est pas un mal et Socrate peut aller à la mort l’esprit tranquille, même sans l’intervention de son daimôn, absent du texte latin. Cette évolution de la finalité du discours de Socrate à ses juges se double alors d’une modification dans la modalité discursive : avec les Tusculanes, Socrate comme personnage de dialogue cicéronien quitte le domaine du sermo pour celui de la disputatio, où les caractéristiques du dialogue philosophique sont rebattues, dans une forme de synthèse entre philosophie et éloquence. Pour conclure, il apparaît bien que la figure de Socrate, à Rome, est encore définie par son usage de la parole ; le philosophe athénien peut, au théâtre, se réduire à cette dernière, être un masque pour le seruus callidus dont il incarne alors l’apparente habileté oratoire, qui n’est néanmoins pas suivie d’effet. C’est ce même critère d’inefficacité qui caractérise dans la satire lucilienne les propos des Socratici, signant l’échec de l’échange par un discours multiplié par autant d’épigones de Socrate, mais qui tourne sur lui-même, incapable d’atteindre le réel des affres de la passion humaine. C’est donc bien dans le sermo ou dans la disputatio que Socrate prend, sous la plume de Cicéron, la pleine ampleur de son statut de personnage de dialogue à Rome : ce dialogue philosophique, dans son adaptation latine, le philosophe athénien l’incarne et permet d’en définir les limites stylistiques, génériques, voire thématiques. Toutefois, il convient de noter que, dès le témoignage de Cicéron, s’amorce une évolution significative du traitement de la parole socratique : à l’échange du dialogue et au discours plus long de la disputatio in utramque partem se substitue peu à peu la formule frappante, la chrie – dont sera particulièrement friand Sénèque – laquelle joue alors un rôle assez proche de celui de la mise en aporie de l’interlocuteur. S’ouvre ainsi un nouveau rôle pour le personnage Socrate. 85 Cic. Tusc. 1,71–75.
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FACERE INTER SE DISPUTANTES (CIC. ATT. 13,19) Cicéron, l’auteur et ses personnages Jean-Pierre De Giorgio Contrairement à ce que l’on a pu dire à propos de Platon, Cicéron est, pour ses dialogues, tout sauf un « auteur anonyme ».1 La construction de la « fonction auteur »2 est même particulièrement élaborée chez le restaurateur du dialogue romain, à travers un dispositif qui lui permet d’organiser l’espace de réception d’un genre encore très jeune à Rome. La présence de Cicéron comme personnage dans nombre de dialogues, les préfaces, qui définissent un projet d’écriture pour le lecteur anonyme et la correspondance, adressée à un premier cercle de lecteurs, constituent cet espace, qu’il se situe à l’intérieur de la fiction ou qu’il soit paratextuel. En développant des lieux d’expression de la parole auctoriale, Cicéron, conscient de la nouveauté de son projet d’écriture, peut ainsi guider la réception de son travail philosophique en langue latine. Parmi les stratégies adoptées pour s’instituer comme auteur d’une œuvre répondant à un projet (introduire la philosophie à Rome et donner à ces nouveaux textes écrits en latin une cohérence esthétique), deux retiennent particulièrement l’attention. En effet, la mise en place, chez Cicéron, de cette « fonction auteur » se manifeste particulièrement, dans son dispositif paratextuel, lorsqu’il montre comment et en vertu de quels critères les personnages sont choisis et, d’autre part, lorsqu’il justifie sa présence comme personnage dans la fiction. Le problème est posé clairement dans la lettre Att. 13,19. Cicéron y explique à Atticus qu’il a pu remanier ses Académiques en intégrant le personnage de Varron, qu’Atticus lui a avait préalablement proposé de mettre en scène. Cicéron, un temps réticent, finit par consentir et explique même pourquoi Varron est le meilleur choix pour incarner les théories d’Antiochus d’Ascalon. Il ajoute qu’il 1 2
Nous renvoyons ici à l’étude Lacks (2004). L’auteur rappelle en particulier que le terme d’anonymat est devenu traditionnel dans les études platoniciennes depuis un article d’Edelstein (1961) 22. Lacks (2004) 101, note 5 précise qu’il s’agit d’un véritable oxymore. Nous avons ici recours à une célèbre formule de Foucault (1969), Dits et écrits, Tome 1, texte n° 69. M. Foucault insiste notamment sur le fait que l’auteur, avant d’être un individu, est une construction, voire une reconstruction opérée soit du vivant de l’auteur soit par ceux qui reçoivent l’œuvre et cherchent à identifier un principe unificateur. De ce point de vue, le travail de Cicéron pour organiser un espace de réception de son travail philosophique apparaît bien comme une tentative pour construire une « fonction auteur » qu’il convient d’interroger.
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prend lui-même la parole dans son dialogue en tant que personnage, à la manière, dit-il, d’Aristote (Aristoteleion morem) et cherche à expliquer pourquoi il est légitime que ce soit lui, l’auteur, qui soit l’interlocuteur de Varron et non Cotta, qui figurait pourtant dans deux autres dialogues, le De oratore, et le De natura deorum. Bien que le fond du problème semble être relationnel – comment ménager la dignitas des personnalités engagées dans un dialogue ? –, les arguments avancés par Cicéron nous permettent d’entrevoir ce qui pourrait être une ébauche de théorie du dialogue (non sans être teintée d’une certaine désinvolture). L’épistolier développe de fait une théorie du personnage comme rôle adapté à la défense d’une thèse philosophique et cherche à dégager les grands principes de la présence d’un auteur dans une œuvre,3 notamment en tant que personnage – un procédé qui le distingue radicalement du dialogue platonicien.4 1. DU PROBLÈME RELATIONNEL AUX JUSTIFICATIONS THÉORIQUES Dans la lettre qui nous occupe, Cicéron justifie la pratique sociale consistant, dans son nouveau projet où les Académiques passeraient à quatre livres,5 à intégrer Varron, à faire d’Atticus un personnage et à se mettre soi-même en scène, alors qu’une première version du dialogue, ce que nous appelons les Academica pri 3
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Ce phénomène a été étudié en détail par Schofield (2008), qui rappelle qu’il s’agit là d’une différence fondamentale avec Platon ou avec Hume. Cette pratique, en particulier dans les dialogues que M. Schofield appelle les « dialogues académiques », implique de la part de Cicéron une prise de risque : « Cicero puts himself into his dialogues, and thereby gives dialogue an existential dimension of engagement and self-exposure that anonymity and the urbanities of Platonic and Humean dialogue can’t reach » (p. 64). Cette présence de l’auteur comme personnage n’affecte nullement le caractère ouvert du dialogue, laissant au lecteur toute sa place pour juger à son tour. M. Scofield ajoute par ailleurs que la présence auctoriale dans les préfaces n’a pas non plus vocation à fermer le sens du dialogue mais à permettre au contraire d’ouvrir sur les questions. Hamon (1972) 95 parle dans ce cas de personnage embrayeur. Ph. Hamon distingue en effet la catégorie des personnages référentiels : c’est le cas chez Cicéron des personnages « historiques » ou, pour les personnages moins en vue des types (par exemple les jeunes gens). Dans ce cas, les personnages « renvoient à un sens plein et fixe, immobilisé par une culture, et leur lisibilité dépend directement du degré de participation du lecteur à cette culture ». La catégorie des personnages embrayeurs concerne « les marques de la présence en texte de l’auteur, du lecteur ou de leurs délégués ». C’est dans cette catégorie que le personnage de Cicéron doit être classé. Mais cette mise en scène de l’auteur en personnage dans sa propre fiction n’est pas sans lien non plus avec la notion trouble d’autofiction. Les définitions, depuis S. Doubrovsky divergent : G. Genette, V. Colonna, P. Gasparini entre autres, proposent diverses approches pour légitimer cette jeune catégorie. Le site autofiction.org propose une chronologie permettant de retracer l’émergence de la notion. La relation entre la fiction des personnages et le discours auctorial dans le dialogue romain pourrait peut-être apporter des éléments à ce débat très contemporain. On les appelle Academica posteriora ou Libri Academici, dont seul le premier nous est parvenu.
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ora,6 avait été écrite en deux livres, avec d’autres personnages appartenant à la génération précédente : Catulus, Hortensius et Lucullus.7 Dans ce passage, Cicéron répond aux demandes d’Atticus, qui relèvent d’abord des exigences de la sociabilité : Varron est ombrageux et pourrait se vexer de ne pas être intégré aux dialogues de Cicéron. C’est pourquoi, dans une lettre reçue le 23 juin, Atticus a recommandé à Cicéron d’en faire l’un de ses personnages. Ce dernier semble s’être montré initialement réticent à l’idée de représenter Varron, d’autant qu’il attendait de lui qu’il lui dédicace l’un de ses ouvrages, ce qu’il tardait à faire. Comme le remarque C. Lévy, « tout cela montre que le contenu de l’œuvre est délaissé dans cette correspondance au profit de l’enjeu relationnel ».8 La relation entre les deux hommes semble n’avoir pas été simple. Cicéron hésite à plusieurs reprises en effet à intégrer Varron à son dispositif littéraire. Or il est possible d’interpréter ces hésitations de la part de Cicéron, non seulement comme une réticence à intégrer une personnalité avec laquelle il ne s’entend guère, mais aussi comme une crainte que cette intégration dans un dispositif littéraire ne plaise pas au personnage réel de Varron, dont Cicéron redoute la personnalité : il s’agit, au fond, de ne pas porter atteinte à la dignitas du personnage représenté. Ce problème est à Rome, dans le domaine de la création littéraire, aussi important que celui de la conformité à la réalité. Dans la lettre qui nous occupe, tout semble se passer comme si Cicéron recherchait la caution d’Atticus pour faire de Varron un personnage. Plus encore, C. Lévy9 suggère qu’il n’y a pas de raison pour douter de la sincérité de Cicéron dans cette entreprise et plus précisément dans son souhait de donner un rôle à Varron, au-delà des convenances amicales : le regard de Cicéron sur Varron n’est pas nécessairement (ou pas seulement) négatif. Dans un climat d’hostilité politique, Varron était après tout un compagnon de malheur et un modèle possible.10 Il y a de toutes façons entre les deux hommes une communauté de destin politique et une communauté philosophique. En choisissant après la guerre civile une vie consacrée aux études, Varron pouvait finalement apparaître à Cicéron comme un exemple de sagesse.11 Mais l’aspect le plus frappant de cette lettre est que Cicéron n’insiste ici pas tellement, contrairement à ce qu’on observe dans d’autres lettres, sur l’officium amicitiae ou sur les questions de psychologie, en tout cas pas en apparence. Il préfère donner une armature théorique à ses choix, en utilisant un vocabulaire qui nous permet de mieux connaître la terminologie propre à la « critique littéraire » 6 7
Nous n’avons gardé que le second livre des Academica priora, aussi appelé le Lucullus. Comme le rappelle C. Lévy (2008) 25, ce qui explique la réécriture des Académiques avec d’autres personnages, c’est que « Cicéron s’aperçut que l’œuvre souffrait d’une invraisemblance majeure, à savoir que les deux personnages éponymes n’avaient eu que des connaissances philosophiques très générales et que l’on pouvait difficilement les imaginer discutant de problèmes gnoséologiques très pointus ». 8 Lévy (2008) 26. 9 Lévy (1992) 133. 10 Lévy (1992) 134. 11 Lévy (1992) 135–136.
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tardo-républicaine. Il met en particulier en évidence un aspect que Robortello, à la Renaissance, dans son Commentaire à la Poétique d’Aristote, avait déjà fort bien perçu :12 c’est à partir du choix de ses personnages que l’on perçoit le mieux chez Cicéron le regard théorique qu’il porte sur son propre travail d’écriture, que l’on identifie le mieux l’artiste en plein travail d’élaboration d’un texte littéraire.13 Cette attention aux personnages (qui permet notamment de poser le problème de la vraisemblance et de l’aptum) est également liée à une attention, récurrente chez Cicéron, à la position de l’auteur et sa visibilité. 2. CICÉRON RELECTEUR DE SON PROPRE CORPUS : LE PERSONNAGE ET LES TYPES DE DIALOGUES 2.1. L’invention du personnage contemporain L’épistolier explique, à propos des Académiques, qu’il a transgressé une loi qu’il appliquait jusque-là : ne jamais donner la parole dans ses dialogues à des personnages encore en vie. S’agit-il là d’un principe de précaution ou de la recherche d’un effet de distance « historique » permettant de mieux entrer dans la « fiction » ? Cicéron indique en tout cas qu’il a transgressé cette règle pour des raisons sociales mais qu’il l’a fait avec un soin particulier : la dimension esthétique semble venir soutenir l’entreprise au-delà des considérations d’ordre simplement relationnelles. Comme on va le voir plus en détail, il rappelle par ailleurs que l’attribution des idées d’Antiochus d’Ascalon à Varron était plus adaptée à la convenance, plus cohérente, plus vraisemblable, autre critère esthétique fondamental dans le dialogue cicéronien :14 In Varrone ista causa me non moueret ne uiderer philendoxos (sic enim constitueram neminem includere in dialogos eorum qui uiuerent) ; sed quia et desiderari a Varrone et magni illum aestimare, eos confeci et absolui nescio quam bene, sed ita accurate ut nihil posset supra, academicam omnem quaestionem libris quattuor. in eis quae erant contra akatalêpsian praeclare conlecta ab Antiocho, Varroni dedi. ad ea ipse respondeo ; tu es tertius in sermone nostro. Dans le cas de Varron, ton argument selon lequel je pourrais passer pour un ‹ lèche-bottes › ne me ferait ni chaud ni froid : de fait, je m’étais fixé comme principe de n’introduire aucun personnage vivant dans mes dialogues, mais tu m’as écrit que Varron le désirait et y attachait un grand prix ; du coup j’ai achevé cet ouvrage et fait un exposé complet, en quatre livres, de l’ensemble du problème de l’Académie, je ne sais avec quel succès, mais avec un soin insurpassable. Dans ces livres, j’ai prêté à Varron les arguments admirablement rassemblés par
12 Nous renvoyons sur ce point à Müller (2020). 13 Robortello, comme Sigonio plus tard (De dialogo liber, 1562), utilisent le dispositif paratextuel de premier ordre que constituent les préfaces et la correspondance pour mettre en évidence le caractère « poétique », c’est-à-dire imitatif du genre du dialogue. 14 Att. 13,19,3sq. Trad. CUF modifiée.
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Antiochus contre la négation de la ‘compréhension’. Je leur réponds moi-même ; tu es le troisième dans notre entretien.
2.2. Statut du personnage, degré de présence de l’auteur : pour une typologie provisoire du dialogue romain Après avoir présenté le « casting », la suite du passage consiste à justifier le fait que Cicéron se soit lui-même mis en scène dans le dialogue. Cette justification lui permet de revisiter le corpus des dialogues qu’il avait écrit précédemment en leur donnant des modèles. C’est par la nature des personnages (morts ou non) et par la présence de l’auteur comme personnage qu’une typologie est effectuée :15 Si Cottam et Varronem fecissem inter se disputantis, a te proximis litteris admoneor, meum κωφὸν πρόσωπον esset. [4] hoc in antiquis personis suauiter fit, ut et Heraclides in multis et nos VI ‹ de re publica › libris fecimus. sunt etiam ‹ de oratore › nostri tres mihi uehementer probati. in eis quoque eae personae sunt ut mihi tacendum fuerit. Crassus enim loquitur, Antonius, Catulus senex, C. Iulius frater Catuli, Cotta, Sulpicius. puero me hic sermo inducitur, ut nullae esse possent partes meae. quae autem his temporibus scripsi Aristoteleion morem habent in quo ita sermo inducitur ceterorum ut penes ipsum sit principatus. ita confeci quinque libros περὶ τελῶν ut Epicurea L. Torquato, Stoica M. Catoni, περιπατητικὰ M. Pisoni darem. ἀζηλοτύμητον id fore putaram quod omnes illi decesserant. haec ‹ academica ›, ut scis, cum Catulo, Lucullo, Hortensio contuleram. sane in personas non cadebant ; erant enim λογικώτερα quam ut illi de iis somniasse umquam uiderentur. Pour Cotta et Varron, si j’avais fait opposer leur point de vue entre eux (inter se disputantes), comme tu me le suggères dans ta dernière lettre, je ne jouerais qu’un ‹ rôle muet › (kôphon prosôpon). Ceci se révèle plein de charme avec des personnages du passé (in antiquis personis); Héraclide l’a fait dans de nombreux ouvrages et moi-même dans les six livres Sur la République ; il y a aussi mes trois livres Sur l’orateur , que je trouve très réussis (uehementer probati). Là encore, le choix des personnages (in eis quoque eae personae) m’a obligé à me taire (tacere), puisque les interlocuteurs sont Crassus, Antonius, Catulus l’Ancien, son frère C. Julius, Cotta et Sulpicius. Cette conversation (sermo) a lieu quand j’étais petit : du coup, je ne pouvais y jouer aucun rôle (ut nullae esse possent partes meae). En revanche, mes écrits tout récents imitent la manière aristotélicienne (aristoteleion), dans laquelle l’intervention (sermo) des autres interlocuteurs ménage à l’auteur le rôle principal. C’est de cette façon que j’ai composé mes cinq livres Sur les termes extrêmes, en confiant la thèse épicurienne à L. Torquatus, la thèse stoïcienne à M. Caton, la thèse péripatéticienne à M. Pison ; j’avais cru que la disparition de tous ces personnages exclurait la ‹ jalousie ›. Quant à ces entretiens Académiques, comme tu le sais, j’y avais pris part avec Catulus, Lucullus et Hortensius. À vrai dire, ils ne convenaient pas aux personnages : il y avait des ‹ raisonnements trop subtils › pour qu’on puisse admettre qu’ils en aient jamais rêvé.
Trois types de dialogues apparaissent ainsi dans la relecture cicéronienne de son propre corpus de dialogue :
15 Att. 13,19,3–4. Trad. CUF modifiée.
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(type 1) ceux où l’auteur n’était pas présent comme personnage principal, à la manière d’Héraclide du Pont, avec des personnages du passé (De oratore et De re publica). Cicéron emploie le verbe tacere : il n’est pas « absent » et encore moins « caché », mais silencieux ; (type 2) ceux où, en adoptant l’« usage aristotélicien », Cicéron-personnage a le rôle de premier plan16 et converse avec des personnages décédés au moment de la rédaction (De finibus et des Academica priora), mais qu’il a connus (ce qui peut renforcer l’impression de vraisemblance) ; (type 3) ceux où Cicéron-personnage converserait avec des contemporains encore vivants (Academica posteriora). Aucun modèle grec n’est cité en référence – est-ce parce qu’au fond, cette entreprise nouvelle a un objectif spécifiquement romain, en permettant à Cicéron d’associer ses contemporains à l’essor de la philosophie latine, comme l’avait bien remarqué R. Hirzel ?17 L’argumentation du passage est la suivante : si Cicéron avait introduit Cotta dans son dialogue, ses nouvelles Académiques, on se retrouverait dans un cas où l’auteur ne peut avoir qu’un rôle muet, ce qui suppose qu’il se taise (tacere) (type 1). Ce procédé constituerait, sous-entend-il, une régression par rapport aux Academica priora, où Cicéron parlait avec des personnages qui ne sont plus vivants au moment de la rédaction. Le type 1 se caractérise par le silence de l’auteur-personnage, présent sous une forme de « degré zéro », sur laquelle il faudra revenir,18 et l’exemple le plus caractéristique est celui des dialogues « historiques », comme en faisait Héraclide du Pont, disciple de Platon qui situait ses dialogues en dehors des cercles socratiques à Athènes.19 Autrement dit, ce qui caractérise les dialogues de type 1 est le silence de l’auteur, que le dialogue mette en scène des contemporains ou des personnages historiques (les plus charmants). Cicéron poursuit en indiquant que sa présence comme personnage principal (dia 16 Dans une lettre à son frère (Q. fr. 3,5,1), pour désigner l’intervention de l’auteur au sein d’un dialogue, il emploie l’expression ipse loqui, qui s’oppose au tacere des dialogues du type 1. On remarquera que, dans ce cas, avec l’emploi du pronom ipse, toute frontière semble abolie entre Cicéron-auteur et Cicéron-personnage. 17 Hirzel (1895) 1,520. 18 Cette terminologie est bien entendue empruntée au domaine de la linguistique qui, dans le cadre de la caractérisation morphologique, s’intéresse à l’opposition de phonèmes et notamment à l’alternance vocalique. F. Saussure avait montré, par exemple, dans son Mémoire sur le système primitif des voyelles (Leipzig 1879) que c’était là un principe de base de la morphologie indo-européenne. Les éléments radicaux, thématiques, flexionnels sont en effet caractérisés par l’alternance entre le degré plein et le degré zéro et, à l’intérieur du degré plein, entre le timbre e et le timbre o. 19 Strab. 2,4 évoque par exemple un dialogue d’Héraclide où il fait parler un mage, à la cour de Gélon. De manière plus générale, Diogène Laërce (5,89 : Vie d’Héraclide) note qu’Héraclide fait parler des philosophes, des capitaines et des citoyens : ses personnages ne se limitent pas à des cercles appartenant à une école philosophique ou au milieu socratique mais aborde plusieurs figures (intellectuelles, militaires ou politiques) de la société grecque. Sur cette question, voir la synthèse de Hirzel (1895) 321–323.
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logue de type 2) ne posait aucun problème dans le De finibus (puisque les interlocuteurs n’étaient plus en vie au moment de la rédaction) et suivait une tradition aristotélicienne. Mais les Academica priora ont montré la limite de ce système : les personnages mis en scène n’avaient pas toujours le savoir technique nécessaire pour soutenir les thèses qu’ils défendaient. La création d’un troisième type de dialogue s’impose, avec d’une part l’auteur comme personnage principal et d’autre part des contemporains experts sur les questions traitées. Cette typologie du dialogue cicéronien par Cicéron lui-même se laisserait ainsi résumer dans un tableau à double entrée tel que celui-ci.20 PRESENCE AUCTORIALE SOUS FORME DE PERSONNAGE
Degré zéro (kôphon prosôpon) : l’auteur en tant que personnage est « présent » mais muet
Degré plein : L’auteur prend la parole (et a le premier rôle)
Type 1 : « A la manière d’Héraclide »
Type 2 : morem
De oratore (l’auteur est « présent » mais sans être un interlocuteur) De re publica Type potentiellement envisageable
Academia priora De finibus (Cicéron insiste sur la mort des personnages)21 Type 3 : pas de modèle
Academia posteriora (si Cotta avait eu le rôle principal)
Academia posteriora
STATUT DES PERSONNAGES
Personnages morts
Personnages contemporains
Aristoteleion
Pour Cicéron, les dialogues se perçoivent à partir d’une double entrée : chaque type se définit par le statut des personnages et par la place qu’y occupe l’auteur en tant que personnage. La colonne « degré zéro », où l’auteur est un kôphon prosôpon est la plus intéressante : dans le De oratore, le kôphon prosôpon apparaît comme un cas-limite, puisque Cicéron n’était pas présent dans la fiction. On peut aussi s’interroger sur le cas virtuel des Academica posteriora dans l’hypothèse suggérée par Atticus où Cotta serait l’interlocuteur de Varron. Cicéron serait-il présent comme personnage, ou aurait-il le même statut que dans le De oratore ? Et dans ce cas, comme dans celui du De oratore, comment interpréter cette présence de l’auteur qui n’en est pas vraiment une au niveau de la 20 Ce tableau est comparé, par exemple, à celui de Steel (2013) 223–224. C. Steel fait le catalogue des dialogues où les personnages sont morts et ceux où ils sont vivants, mais elle ne croise pas cette donnée avec la question de la présence de l’auteur sur la scène des échanges et son degré de participation. 21 Steel (2013) rappelle néanmoins que certains personnages du De finibus sont encore vivants au moment de la rédaction.
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diégèse ? La colonne « degré plein », quant à elle, mériterait des nuances : Cicéron n’a pas forcément le rôle principal (comme chez Aristote, apparemment), et ses degrés de présence dans la prise de parole peuvent varier : la présence de Cicéron dans le De natura deorum est très différente de ce qu’on observe dans les Tusculanes, bien entendu. Cette typologie n’a cependant pas, aux yeux de Cicéron, pour fonction de proposer une théorie immarcescible du dialogue, mais vise simplement à justifier un état de fait : Cicéron souhaite mettre en scène une disputatio entre Varron lui. Tout cet appareil théorique sert à justifier sa présence en tant que personnage qu’il présente, au regard de son œuvre antérieure, comme parfaitement naturelle, puisqu’au fond, dans tout dialogue, l’auteur est présent, au moins comme personnage muet. L’auteur chez Cicéron n’est ni absent, ni caché, ni anonyme. Il n’y a pas, entre les anciens dialogues et les nouveaux, une différence de nature, mais de degré. 2.3. Relectures métaleptiques du corpus des dialogues historiques : l’auteur est-il un personnage comme les autres ? En revisitant son corpus de dialogues pour justifier la nouvelle version des Académiques, Cicéron cherche ainsi à mettre en évidence une continuité de la présence auctoriale. La relecture qu’il fait de ses propres dialogues suggère que, dans son œuvre, l’auteur comme personnage auprès des autres personnages doit être considéré comme ayant toujours été là, y compris dans les dialogues où on ne l’y voyait pas. C’est à partir du concept de « personnage muet » que Cicéron théorise la présence de l’auteur, même lorsqu’il semble absent de la diégèse. L’auteur est muet – non pas absent –, « degré zéro » de la présence. Dans la lettre qui nous occupe, l’expression kôphon prosôpon est clairement applicable au cas du De oratore. Or quel genre de personnage muet pouvait être Cicéron, alors qu’il reconnaît dans sa lettre qu’il n’était qu’un enfant l’année du débat et qu’il n’a pu se trouver parmi les participants ? Cicéron n’est pas présent en tant que personnage dans la scène représentée, ni comme participant, ni comme témoin silencieux. Pourquoi dire alors qu’il a été obligé de se taire (tacere) – pour le lecteur d’aujourd’hui, il est tout simplement absent –, si ce n’est pour insister auprès de son lecteur sur la visibilité de l’auteur dans le texte, y compris dans les dialogues historiques ? L’expression kôphon prosôpon (« masque / rôle / personnage muet ») n’est pas attestée dans les textes avant Cicéron, même si, au théâtre, la fonction de figurant est reconnue depuis longtemps.22 On peut en déduire, s’il s’agit bien d’une 22 Dans les Grenouilles d’Aristophane (907–913), Euripide critique l’introduction par Eschyle de personnages ne parlant pas. L’adjectif kôphon, au sens de « muet » pour un personnage de théâtre, apparaît chez Plutarque dans ses Moralia (2,5 : Sur la fortune ou la vertu d’Alexandre, et 15 : Si un vieillard doit prendre part au gouvernement) mais dans
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référence au théâtre, que Cicéron, dans sa lettre à Atticus, projette rétrospectivement sur la « scène » des conversations du De oratore sa propre image, présence muette laissant sa propre voix s’effacer derrière celle des personnages. Comme le formule M. Fox, « Cicero is simply borrowing the notion of the kôphon prosôpon and imagining himself like a walk-on character in a tragedy ».23 Pour notre part, nous y verrions volontiers un cas particulier de la catégorie bien identifiée des « métalepses de l’auteur »,24 celui-ci profitant d’un commentaire paratextuel pour se projeter rétrospectivement, sur la même scène que ses personnages, comme s’il n’y avait pas de différence de niveau entre ses personnages fictifs et lui,25 comme l’expression doruphorêma kôphon, « garde muet ». L’expression kôphon prosôpon est attestée chez Lucien (Tox. 9,25, par exemple) : elle n’y a cependant pas le sens de « personnage muet », comme chez Cicéron, mais de « masque muet », c’est-à-dire incapable de parler, puisqu’il ne s’agit que d’un masque. On trouve enfin, toujours dans le domaine grec, kôphon prosôpeion chez Philon d’Alexandrie (In Flacc. 20) avec, cette fois, une référence explicite aux arts de la scène. Dans la littérature latine, l’expression apparaît (en grec) chez Martial (6,6,2), dans un contexte très clairement associé au théâtre également. Chez Diomède (G.L. 1,491), on trouve la traduction latine persona muta. Diomède pense en effet qu’une scène ne doit pas faire parler plus de trois personnages en même temps : persona quarta semper muta. Voir De Giorgio (2015). 23 Fox (2009) 59. 24 Voir par exemple Bokobza Kahan (2009). L’auteur rappelle que l’articulation du monde réel auquel appartient l’auteur sur le monde fictionnel qu’il invente est problématique. La notion de métalepse permet de décrire ces phénomènes de perméabilité : « La métalepse déclenche un mécanisme narratif qui transforme l’espace discursif en un lieu d’accueil privilégié de l’‹ auteur réel ›, que je mets ici entre guillemets pour rappeler la complexité de la notion en littérature. Parce qu’elle consiste à produire un effet de réel dans la fiction par l’intrusion d’instances extradiégétiques dans l’univers intradiégétique et/ou par l’intervention de personnages intradiégétiques au niveau extradiégétique, la métalepse déstabilise la fonction ludique inhérente au roman en brouillant les frontières qui séparent les instances narratives de part et d’autre du dispositif énonciatif. Dès lors que les instances énonciatives qui se situent en dehors de l’espace narratif fictif (auteur, lecteur) se mêlent aux instances narratives fictives, ou que des narrateurs extradiégétiques censés rapporter le discours de narrateurs seconds s’introduisent dans des histoires auxquelles ils n’appartiennent pas, ou encore que des personnages de la fiction sortent de leur cadre pour envahir l’univers du narrateur, la transition d’un niveau narratif à un autre apparaît comme transgressive (Genette 1972) ». De fait, la métalepse souligne dans le récit la spécificité de la relation causale qui « unit » l’auteur à son œuvre, le producteur d’une représentation à cette représentation elle-même. Le travail paratextuel de Cicéron avec ses dialogues relève en ce sens d’un procédé métaleptique. 25 Mais, au-delà de la figure, il s’agit peut-être aussi d’une remarque philologique rappelant que l’auteur est toujours d’une certaine façon présent dans son œuvre, proche de ses personnages et presque visible ; il est comparable à ces peintres de la Renaissance qui apparaissent discrètement dans la scène qu’ils viennent de peindre. Le choix de cette expression peut enfin faire référence à une terminologie propre à la critique alexandrine et dont on trouve sans doute la trace chez les scholiastes des périodes ultérieures. De fait, il se trouve que prosôpon relève clairement de la terminologie du commentaire philologique dans la période impériale. Comme l’a mis en évidence R. Nünlist (2009) prosôpon, dans le jargon des scholiastes d’Homère, n’est pas seulement employé pour désigner les personnages, il peut aussi renvoyer au poète lorsqu’il assume son propre discours. Ainsi, l’expression ex tou idiou prosôpou per
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s’il s’agissait d’une signature rétrospective. On peut en tout cas y voir l’un des éléments de la stratégie cicéronienne pour construire, à propos de ses textes, une fonction auteur, en rendant a posteriori visible sous la forme de personnage muet, la présence de l’auteur dans des textes où il n’apparaît pourtant pas. En l’absence de la notion même de narrateur ou d’énonciateur, l’image du personnage muet, partageant le même espace que ses personnages, permet de formuler métaphoriquement un aspect essentiel de la fonction auteur : celui qui fait parler ses personnages est avec eux. 3. PORTRAIT DE L’AUTEUR AU TRAVAIL : LE DISCOURS SUR LE CHOIX DES PERSONNAGES OU LA CONSTRUCTION DE LA FONCTION AUTEUR La correspondance de Cicéron et les préfaces utilisent d’autres moyens pour souligner la présence de l’auteur dans son œuvre. L’instauration de la « fonction auteur » passe notamment par la mise en évidence de la « fabrique » des personnages et des critères qui prévalent au choix de ceux-ci. En énonçant ces critères, Cicéron se désigne comme celui qui donne de la cohérence et de la valeur esthétique à son œuvre. 3.1. L’aptum Dans la lettre qui nous occupe principalement, parmi les critères qui permettent à Cicéron de justifier qu’aucun autre personnage que Varron n’était plus adéquat, il y a celui de la convenance : Robortello puis Sigonio26 avaient bien noté ce point, en utilisant la terminologie grecque (prepon).27 Chez Cicéron, c’est l’adjectif aptus qui est employé de préférence, l’épistolier renvoyant implicitement à la doc met de désigner le poète lorsqu’il parle en son propre nom. L’expression lusis tou prosôpou est employée chez Porphyrion et renvoie à un principe interprétatif qui tient compte de qui est l’énonciateur, quand il faut distinguer la parole du poète de celle de personnages. Il n’est pas impossible que Cicéron ait en tête cette terminologie, ce qui permet d’envisager que l’épistolier cherche à exprimer, à travers l’expression kôphon prosôpon, son rôle d’archiénonciateur, présence muette qui se donne pour fonction fictive d’être le transcripteur de conversations dont il n’aurait entendu que le récit. Voir De Giorgio (2015). 26 Robortello, Aristotelis de arte poetica explicationes, Florence 1548. Sigonio, De Dialogo Liber, Venise 1562. 27 Lévy (2003) rappelle que si Cicéron utilise les termes aptum et surtout decorum pour traduire le terme grec prepon, ce passage d’une langue à l’autre n’est pas sans poser problème : « Nous rappellerons simplement que la traduction cicéronienne ne correspond pas au sens premier du terme grec, puisque le prepon, c’est ce qui attire le regard, ce que l’on remarque immédiatement, tandis que le decorum latin, tout comme l’honestum, qui désigne le souverain bien, correspond beaucoup plus à une adéquation sociale. »
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trine rhétorique de l’aptum.28 Varron est le mieux placé pour défendre la philosophie d’Antiochus :29 Itaque ut legi tuas de Varrone, tamquam ἕρμαιον adripui. aptius esse nihil potuit ad id philosophiae genus quo ille maxime mihi delectari uidetur, easque partis ut non sim consecutus ut superior mea causa uideatur. sunt enim uehementer πιθανὰ Antiochia; quae diligenter a me expressa acumen habent Antiochi, nitorem orationis nostrum si modo is est aliquis in nobis. sed tu dandosne putes hos libros Varroni atque etiam uidebis. mihi quaedam occurrunt; sed ea coram. Aussi, dès la lecture de la lettre où tu me parlais de Varron, me suis-je emparé de cette idée comme si ça venait d’Hermès : on ne pouvait trouver personnage mieux approprié à un genre de philosophie dont il se délecte, me semble-t-il, tout spécialement et à un rôle si positif que je n’ai pas réussi à donner l’avantage à la cause que je défends. De fait, les arguments d’Antiochus sont plus convaincants (pithana) : ils ont la pénétration d’Antiochus (acumen Antiochi) et mon élégance de style (nitor orationis), si tant est que j’en sois pourvu. Mais crois-tu qu’il faille donner ces livres à Varron ? Continue, s’il te plaît, d’y réfléchir. Certaines objections me viennent ; mais nous en reparlerons de vive voix.
« Faire parler un personnage » suppose donc avant tout qu’on le choisisse correctement, en suivant le critère de l’aptum, c’est à-dire la convenance dans le domaine rhétorique30 et, au-delà, dans le domaine éthique et esthétique. Cicéron signale ainsi que ses premières Académiques n’étaient pas écrites avec les bons personnages (in personas non cadebant), qui n’étaient pas assez experts : l’aptum est ici un critère littéraire, dans la mesure où il implique un souci de vraisemblance et de cohérence. 3.2. Les personnages « défenseurs experts » de « leur » école Les personnages cités dans la lettre qui nous occupe sont directement et complètement associés à une école philosophique, comme on le voit pour le De finibus : chaque personnage est lié uniquement à la secte philosophique qu’il représente. Le personnage offre un facteur de cohérence dans la discussion et dans l’organisation textuelle dont l’auteur est le garant. Mais son lien avec l’école qu’il représente est motivé. 28 Sur cette notion, voir infra. 29 Cic. Att. 13,19,5. Trad. CUF modifiée. 30 Leroux (2012) propose une synthèse éclairante de la notion de convenance (to prepon), qui est depuis Théophraste une des quatre qualités du style et à qui Aristote consacre le chapitre 7 du troisième livre de la rhétorique. Chez Cicéron, la convenance est la principale qualité de l’orateur, tandis que dans le De officiis, le decorum, clé de voûte de l’éthique, est inséparable de l’honestum. La convenance, c’est l’art d’adapter (un style à un argument, un discours à un destinataire etc.). La convenance implique un choix et un jugement et son caractère est relatif. Bernard (1998) rappelle que Cicéron, qui a d’abord préféré le terme d’aptum à celui de decorum, voyait dans cette notion un principe d’adaptation technique et psychologique dans le domaine rhétorique mais aussi un principe d’adaptation éthique, esthétique et socio-politique.
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3.2.1. Aptum : le personnage adapté à la défense de son école Le personnage choisi par Cicéron est le plus souvent un fin connaisseur des idées qu’il défend. Dans le De finibus, Torquatus, qui défend la position épicurienne sur le plaisir, est d’emblée présenté comme étant d’un très haut niveau d’instruction (homine omni doctrina erudito, 1,5,13). Le débat entre Cicéron et lui sur la question de savoir si l’histoire de sa famille confirme ou infirme les théories de l’épicurisme sur la volupté montre comment Cicéron cherche à lier de manière cohérente le personnage à sa thèse. C’est d’ailleurs ce qui se passe dans le dialogue : Cicéron-personnage demande à Torquatus si les théories d’Épicure permettent de comprendre les exploits de ses ancêtres. La réponse de Torquatus est sans nuance : oui, on peut lire les exploits des ancêtres à travers le prisme des théories d’Épicure sur la volupté : Hanc ego cum teneam sententiam, quid est cur uerear, ne ad eam non possim accommodare Torquatos nostros ? – « En m’attachant à cette pensée, ai-je lieu craindre de ne pouvoir y ajuster la conduite de nos Torquatus ? » (fin., 1,34).31 Dans le même ouvrage, on se souvient du fameux passage où Caton dévore des livres stoïciens (auiditas legendi) comme s’il les incorporait, dans la bibliothèque où Cicéron le rencontre pour débattre des positions du stoïcisme (fin. 3,2,8). Les personnages sont appelés à jouer le rôle d’avocat des écoles qu’ils connaissent particulièrement bien, en défendant leur position sur tel problème doxographique. Cela est particulièrement vrai dans les Académiques, le De natura deorum ou le De finibus, plus proches des « dialogues de thèses », si l’on reprend l’expression d’Anne Balansard32 (c’est-à-dire quand les personnages se réfèrent aux idées développées par un autre), plutôt que « dialogues d’auteurs » (quand les personnages ne défendent pas les positions d’une école philosophique mais un avis acquis, par exemple, par leur expérience).33 Dans ces dialogues, les personnages sont avant tout de bons avocats pour « leur école », choisis pour la qualité de leurs connaissances et de leur lien avec cette école. La relation entre les personnages et leur cause est au fond comparable à celle du patronus avec son cliens. Varron prête sa voix, son autorité, sa persona et son expertise aux arguments d’Antiochus, qu’il connaît et soutient, tandis que 31 Sur le lien entre le personnage et les idées épicuriennes, voir Auvray-Assayas (2006). 32 A. Balansard explique que, dans le Théétète, « Platon met Socrate, Théétète et Théodore en situation d’être les interprètes de thèses qui ne sont pas vraiment les leurs » (Balansard [2015] 61). L’auteur ajoute plus loin (p. 62) qu’il pourrait être intéressant de « comprendre l’évolution de la forme dialogue à l’aune du choix des personnages et de ses conséquences, y compris méthodologiques : le personnage est-il l’auteur, l’interprète, le porte-parole, voire l’adversaire de la thèse qu’il avance ? » Cette question vaut particulièrement, nous semble-t-il, dans le cas de plusieurs dialogues de Cicéron où les personnages ne sont pas les auteurs des thèses qu’ils avancent, mais les avocats d’une position de leur école : ils ont un rôle (partes) et défendent une cause (causa). 33 D’autres dialogues, à commencer par le De oratore montrent au contraire des personnages qui ne se fondent pas sur des théories préexistantes, mais sur leur expérience personnelle : ils sont alors les auteurs de leur théorie.
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Cicéron reconnaît que les positions défendues par son propre personnage et auxquelles il adhère pourraient s’avérer moins convaincantes (moins pithana) que celles de Varron-Antiochus. Il y a peut-être dans cette affirmation une part d’humour, de mise à distance (le pithanon n’est pas exactement le probabile tel que le définit Cicéron) ou de fausse modestie.34 Sincère ou non, Cicéron cherche en tout cas à dire qu’il n’a pas réservé le mauvais rôle à Varron : une position philosophique se défend, comme une cause au tribunal. Il précise d’ailleurs sa pensée dans la lettre Att. 13,25,3 : mihi saepe occurrit uultus eius quaerentis fortasse uel hoc, meas partis in iis libris copiosius defensas esse quam suas, quod mehercule non esse intelleges – « il me vient souvent à l’esprit son visage me demandant si par hasard mon rôle n’a pas été défendu avec plus d’abondance dans ces livres que le sien – ce qui est faux, bon sang, tu le sais ! ». On ne peut qu’être sensible au choix du vocabulaire : partes, qui relève du vocabulaire du théâtre (ou de la justice), se comprend comme le rôle qu’il faut jouer (meae partes, suae partes) et les individus réels jouent un rôle dans un dialogue littéraire, comme un orateur dans un procès (defensas esse). La copia (copiosius defensas esse), quant à elle, fait référence à l’abondance oratoire, à l’éloquence dont l’auteur sait faire preuve à travers ses personnages. 3.2.2. L’auteur patronus pour ses personnages L’auteur sait-il répartir de manière équitable cette « abondance » entre les divers personnages ? C’est la question que Cicéron prête à Varron. Ces craintes de Cicéron soulignent avec finesse que le personnage a un rôle à jouer, une partition. L’auteur soutient son personnage, non pour lui donner raison mais pour lui laisser toutes les chances de défendre sa cause avec succès. Ainsi, ce qui rend convaincant le rôle de Varron, ce n’est pas seulement la force de la thèse d’Antiochus, c’est le style de Cicéron, son éloquence (nitorem orationis nostrum – « l’éclat de notre style »). Lorsque Varron parle, on entrevoit les arguments d’Antiochus et on lit ou l’on entend encore l’éloquence de Cicéron. L’auteur est lui-même le « défenseur » ou le garant, auctor,35 des différents personnages, ne serait-ce qu’en donnant de l’éclat à ce qu’ils disent.
34 Cependant Lévy (1992) suggère qu’il ne s’agit peut-être pas de fausse modestie (p. 133) : « Le fait que l’Arpinate ait continué à soutenir la Nouvelle Académie tout en estimant sa théorie de la connaissance moins vraisemblable que celle d’Antiochus nous confirme le pourquoi de son orientation philosophique qui doit être recherchée ailleurs que dans un scepticisme gnoséologique ». Dans ce cas, il faudrait prendre au sérieux les nuances de Cicéron et ne pas y voir une forme d’autosatisfaction déguisée. 35 Il est celui qui confère une auctoritas à ses personnages. Voir sur la relation entre auteur et auctoritas Dupont (2004).
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4. UNE DOUBLE PERFORMANCE : DONNER À VOIR LE PERSONNAGE QUI PARLE ET L’AUTEUR QUI LE FAIT PARLER Le dialogue se définit dès lors suivant un projet double. D’un côté, le personnage, lorsqu’il est choisi convenablement et répond au critère de l’aptum et du vraisemblable, doit donner au lecteur l’illusion que c’est bien lui qui parle et qu’il est assez expert sur les idées qu’il défend. D’un autre côté, Cicéron ne cesse de rappeler à un public averti le caractère visible de l’auteur, à divers niveaux. Ces considérations relèvent d’une stratégie d’orientation de la réception des dialogues, en indiquant où l’auteur est perceptible et sous quelle forme. 4.1. Des personnages qui parlent comme Cicéron Contrairement à ce que nous pourrions peut-être attendre aujourd’hui de la création d’un personnage, Cicéron, en tant qu’auteur, ne cherche pas à créer des personnages parfaitement « ressemblants » à la réalité : il ne crée pas, par exemple, de manières de parler qui individualiseraient les personnages, un langage spécifique pour chacun. Il revendique au contraire hautement, on l’a vu, qu’il prête à ses personnages sa langue et l’éclat de son style. Le Caton de Cicéron a ainsi un tour plus cultivé que le Caton réel36 dans le De senectute (3) et l’auteur le justifie par la biographie de Caton (il a étudié les lettres grecques sur ses vieux jours). Mais Cicéron sait aussi qu’Atticus, à qui le livre est dédié, n’est pas dupe : quand Caton parle, c’est Cicéron qui écrit. L’éloquence de l’auteur est au service de ses personnages : dans le De oratore (3,4,15), Cicéron rappelle que, lorsqu’on lit Platon, toute l’éloquence de l’auteur sert à mettre en valeur le personnage (dont l’auteur était par ailleurs le disciple). Lorsqu’on lit un dialogue de Platon, on voit donc tout à la fois l’auteur par son style et le personnage principal qui occupe toute l’attention.37 L’un n’éclipse pas l’autre mais chacun, l’auteur-disciple et le maître-personnage, est mutuellement mis en valeur. Quand Cicéron lit Platon, l’auteur n’est pas absent, même s’il reste au second plan, malgré tout son talent, par rapport à son personnage. 36 Qui si eruditius uidebitur disputare quam consueuit ipse in suis libris, attribuito litteris graecis, quarum constat eum perstudiosum fuisse in senectute. – « S’il te donne l’impression d’avoir un tour plus cultivé dans la discussion qu’il n’en avait l’habitude dans ses propres ouvrages, tu l’attribueras à la littérature grecque qu’il a fréquentée très assidument sur les vieux jours ». Sur l’idéalisation de Caton par Cicéron, dans un dessein d’abord politique, voir Hermand Schebat (2011). 37 Cic. de orat. 3,4,15 : Neque enim quisquam nostrum, cum libros Platonis mirabiliter scriptos legit, in quibus omnibus fere Socrates exprimitur, non, quamquam illa scripta sunt diuinitus, tamen maius quiddam de illo, de quo scripta sunt, suspicatur. – « Lorsque nous lisons ces admirables dialogues de Platon où, presque toujours, nous est présentée la figure de Socrate, qui de nous, malgré le talent divin avec lequel ils sont écrits, ne se fait pourtant du maître, auquel sont consacrées ces pages, une idée plus haute encore ? »
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4.2. Oublier que c’est l’auteur qui parle ? Dans le même temps, les effets d’« évidence » ne manquent pas : certains dialogues donnent à voir des personnages prenant la parole de manière presque autonome. Dans le De amicitia (1,4), Cicéron explique par exemple qu’en relisant son propre De senectute, ce n’est pas lui, mais bien Caton qu’il a entendu : itaque ipse mea legens sic afficior interdum ut Catonem, non me loqui existimem – « c’est pourquoi, en lisant mon texte, j’ai parfois l’impression que c’est Caton qui parle, pas moi ». L’auteur se représente en situation de lire son propre texte dont il définit la qualité essentielle : le dialogue donne l’impression que c’est le personnage qui parle de manière autonome. L’auteur, certain pourtant d’avoir écrit le texte (mea legens), raconte qu’il est devenu auditeur de son personnage, nouveau commentaire métaleptique. C’est la même logique qui prévaut lorsqu’il demande à Atticus (1,5) de l’oublier (a me animum auertas) pour n’entendre que Lélius dans le De amicitia. L’injonction est double et presque contradictoire : il est souhaitable de lire le dialogue comme si le personnage parlait (presque) de manière autonome et dans le même temps, il est nécessaire de demander au lecteur de bien vouloir oublier l’auteur derrière le personnage, comme si, toutefois, cela n’était pas si simple. Dans les dialogues « historiques », Cicéron n’apparaît pas comme personnage, mais explique qu’il y figure tout de même comme personnage muet. 4.3. Les lieux de la manifestation de la présence auctoriale En cherchant à maîtriser la réception de son œuvre philosophique, Cicéron distille à différents cercles de lecteurs et au sein même de la fiction divers marqueurs destinés à manifester sa présence en tant qu’auteur, à activer sa visibilité. Les niveaux auxquels se situent les marqueurs de cette fonction auteur sont variables et sont toujours liés à la notion de personnage. Le dispositif paratextuel38 et interne à la fiction fait ainsi apparaître : que Cicéron explicite la fonction auteur telle qu’il la conçoit en montrant notamment comment il fait parler ses personnages et suivant quels critères (aptum, vraisemblable, cohérence) ; que c’est bien son éloquence qui se perçoit dans la bouche des personnages ; que l’auteur est finalement toujours visible dans la fiction39 et que la notion de personnage lui est applicable, qu’il soit effectivement dans la fiction ou non : 38 Sur la notion de paratexte, voir bien entendu G. Genette, Seuils, Paris 1987. Le paratexte est cet « ensemble hétéroclite de pratiques et de discours », englobant titres, sous-titre, préfaces, dédicaces et correspondances, et dont la fonction est essentiellement d’entourer le texte, de l’annoncer, de le rendre présent au monde (voire de le vendre…). 39 Sur la question de la fiction, notamment dans les dialogues historiques, voir en particulier Gildenhard (2013). L’auteur insiste sur le fait que les dialogues de Cicéron s’appuient constamment sur une fiction du non fictif : « The basic fiction that sustains Cicero’s dialogues is
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il est à la fois à l’intérieur et à l’extérieur de l’espace de la diégèse. C’est pourquoi dans les Lois, les personnages demandent à Cicéron-personnage (et déjà auteur d’un poème sur Marius) de devenir auteur d’un ouvrage historique – ce sont ici les personnages qui « fabriquent » l’auteur. C’est pourquoi, dans la lettre Att. 9,19,3, à propos du De oratore, Cicéron épistolier s’autorise à se projeter rétrospectivement sur la scène des débats auxquels il n’a pas assisté avec le statut quasi métaphorique de personnage muet ; dans la préface du Laelius, il écrit avoir fait une expérience de lecture du De senectute qui lui a permis de devenir auditeur de Caton, comme si c’était Caton qui parlait de lui-même et non lui, Cicéron, qui avait écrit son texte ; que l’auteur (auctor) veille sur ses personnages en leur donnant éventuellement le beau rôle (c’est ce qui est affirmé à propos de Varron) et, d’un point de vue social, assure le rayonnement de ceux qui figurent dans son œuvre, tandis que l’inverse est vrai aussi : les personnages peuvent « garantir » les propos de Cicéron – c’est en tout cas ce qui est revendiqué par Cicéron lui-même pour justifier son retour à des dialogues « historiques » tels que le De amicitia et le De senectute : l’auctoritas des personnages donne davantage de poids à la parole philosophique que Cicéron souhaite promouvoir.40 Le personnage ne cache pas l’auteur, il parle pour lui.41
that they are not fictions, but the record of historical events » (p. 253). Cicéron s’est imposé un régime de vraisemblance historique, même s’il s’est peu employé à donner de la vraisemblance psychologique ou culturelle à ses personnages. Tout le travail consiste à associer de la manière la plus fine possible le travail d’imagination des situations et la mémoire collective (p. 255). De manière générale, l’usage de la fiction lui permet de mettre en scène une vision de l’histoire de Rome qui met en valeur une République agonisante sur le plan politique mais en plein essor du point de vue culturel et philosophique (p. 259). Le rôle des personnages sur le point de mourir (Crassus) ou déjà morts (Scipion, dans le Laelius, Hortensius dans le Brutus) permet de créer une atmosphère pessimiste et mélancolique, en même temps qu’elle donne un sentiment d’urgence. Par ailleurs, dans un article consacré au De senectute, Hermand Schebat (2011) 103–115 propose une lecture fine du vocabulaire employé par Cicéron lorsqu’il parle de sa création littéraire : il évoque en effet l’arbitraire de la création littéraire (arbitratu meo, Laelius 3), emploie le verbe inducere (Catonem induxi), qui exprime une métaphore théâtrale proche de la mise en scène, même si la notion n’apparaît qu’au XIXe siècle (Laelius 4), emploie ce même verbe en même temps que le verbe fingere dans la cinquième Tusculane (Tiresiam quem sapientem fingunt poetae, numquam inducunt deplorantem caecitatem suam – « Tirésias, à qui les poètes prêtent la sagesse, n’est jemais représenté comme se plaignant de sa cécité », Tusc. 5,115), ou encore le verbe facere, équivalent du verbe grec poiein, qui désigne la création littéraire : Laelium et Scipionem facimus admirantes –« nous plaçons Lélius et Scipion ; ceux-ci l’admirent » (Cato 3). 40 Ainsi Caton énonce ce que pense Cicéron : Iam enim ipsius Catonis sermo explicabit nostram omnem de senectute senteniam – « Caton lui-même va t’exposer par ses propos tout ce que nous pensons de la vieillesse » (Cato 3). 41 Une expression préférable à celle de « porte-parole » : ce n’est pas l’auteur qui se cache derrière son personnage, c’est le personnage qui parle pour lui.
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Ces divers niveaux de présence auctoriale énoncés dans le dispositif paratextuel des dialogues ont essentiellement pour but le renforcement de la fonction auteur : ils concernent essentiellement la logique de l’organisation fictionnelle, l’identité stylistique et rhétorique des œuvres et la question de la présence de l’auteur, audible ou muet au cœur de son dispositif fictionnel. À chaque fois, la construction de cette fonction auteur a pour objet la relation de l’auteur à ses personnages. On voit à quel point il n’est pas question pour Cicéron de théoriser l’absence ou l’anonymat de l’auteur ou, pire, de définir le dialogue en tant que « discours sans sujet »,42 puisque, d’une certaine manière, l’auteur considère qu’il est toujours présent (voire visible), même dans les dialogues historiques, même quand les morts parlent. Les théoriciens du genre du dialogue à la Renaissance ont surtout insisté sur la question de l’auteur comme organisateur de la fiction pour associer le dialogue romain à la notion de mimèsis aristotélicienne. Nous sommes aujourd’hui plus intrigués par ces figures auctoriales métaleptiques qui se promènent dans les jardins avec leurs personnages, parlent avec eux ou les écoutent, personnages muets. À la fois à l’intérieur de l’œuvre et à l’extérieur (puisqu’il peut s’identifier à une figure de lecteur), l’auteur de dialogue se définit non seulement comme celui qui fait parler ses personnages, mais aussi comme celui qui parle pour eux et leur prête son éloquence comme l’avocat avec son client. 5. CONCLUSION La critique contemporaine distingue fermement – et avec raison – les personnages de la fiction et leurs modèles dans la réalité, l’auteur « réel » ou du moins « implicite » (l’instance qui oriente le sens et les enjeux du texte) et ses relais dans la fiction (personnage ou narrateur). Le discours de Cicéron autour de son œuvre philosophique opère des va-et-vient vertigineux entre réalité et fiction qui lui permettent de contrôler la réception de son texte, d’expliquer comment être lu. Ses recherches philosophiques ont besoin d’un auteur, qui les légitime et leur donne une cohérence sociale, rationnelle et esthétique. La construction de cette fonction auteur passe précisément par une série de commentaires paratextuels à travers lesquels Cicéron montre comment il modèle ses personnages, mais aussi comment il travaille à devenir lui-même personnage dans ses propres fictions. L’enjeu n’est pas, de toute évidence, d’imposer son point de vue d’auteur par la bouche de son propre personnage dans les débats. Mais en apparaissant de plus en plus nettement dans ses propres dialogues, il cherche à donner, avec ses amici docti représentés eux aussi, toute l’autorité et la dignité nécessaires au débat philosophique dans l’espace romain, à revendiquer hautement le fait que désormais le sujet du dis 42 Ubersfeld (1977) 264 : « Le discours théâtral est un discours sans sujet. La fonction du scripteur est d’organiser les conditions d’émission de la parole dont il nie en même temps être responsable ».
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cours philosophique peut être un sujet romain. La perspective est sans doute personnelle (elle traduit la place que Cicéron donne à la philosophie dans son existence), elle est sociale (le dialogue est une célébration de la citoyenneté supérieure que Cicéron partage avec une frange éclairée de l’élite), et assurément politique et culturelle : l’énonciation du discours philosophique est l’objet d’un transfert vers Rome43 dont les personnages choisis par Cicéron, les lieux investis pour l’échange et la présence grandissante du personnage de Cicéron lui-même dans ses dialogues sont la figuration. BIBLIOGRAPHIE Sources antiques et traductions Henri Borneque et Edmond Courbaud : Cicéron. De l’Orateur, Livre troisième, Texte établi par Henri Borneque et traduit par Edmond Courbaud et Henri Bornecque, Paris 1961 (Les Belles Lettres). George Fohlen et Jules Humbert : Cicéron. Tusculanes, Tome II (III–V). Texte établi par George Fohlen et traduit par Jules Humbert, Paris 1968 (Les Belles Lettres). Jules Martha : Cicéron. Des termes extrêmes des biens et des maux, Tome I, Livres I–II. Texte établi et traduit par Jules Martha, Paris 1955 (Les Belles Lettres). Pierre Wuilleumier : Cicéron. Caton l’ancien (De la vieillesse). Texte établi et traduit par Pierre Wuilleumier, Paris 1969 (Les Belles Lettres).
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ATTICUS IN DE LEGIBUS AND BRUTUS Malcolm Schofield 1. INTRODUCTION: DE LEGIBUS AND BRUTUS Atticus is a significant participant in and only in the conversations represented in just two Ciceronian dialogues: De Legibus (probably 53–51 BC), and Brutus (usually dated to 46 BC).1 And his intriguing roles in those dialogues is the theme I shall be exploring in this essay. But they are not the only dialogues in which he appears. Early in July 45 BC, Cicero begins a letter to Atticus (Att. 13,22,1) by commenting first on his having troubled the latter with his own anxieties about making Varro a principal speaker in a revised version of his Academica. Then he declares his satisfaction that Atticus himself is content to be included in it (something evidently indicated in the letter to which he is now responding). Cicero had already put Atticus into the fifth and final book of De Finibus, at the date of the letter his most recently completed philosophical dialogue (also dating from 45 BC). There he purports to recollect a discussion held in Athens back in 79 BC, in which the two of them had participated, along with Quintus Cicero, their young cousin Lucius, and (given the major role) Marcus Piso. Atticus is however given hardly anything to say on that occasion, other than to flag up his Epicurean allegiance (fin. 5,3), and significantly (see below) to speak the dialogue’s final words, admiring the aptness with which Cicero has achieved what he thought to be impossible: the apt and lucid expression in Latin of ideas formulated by Greeks (fin. 5,96). In what little survives of the revised version of the Academica, Atticus also plays a minor role, with Varro and Cicero himself taking the lead parts. His first intervention occurs very early on, when in characteristically Epicurean quietist mode he diverts the conversation away from politics to literary composition (ac. 1,2): something that will gain in significance when we come to look at De Legibus and Brutus. His few subsequent remarks in the Academica mostly relate to the linguistic resources for philosophy possessed by Latin in comparison with Greek (ac. 1,14: 18; 25; 41). One might conjecture that this was something in which Atticus did in fact take a particular interest. 1
The dating of the composition of De Legibus ought to be broadly uncontroversial, in light of the arguments of Schmidt (1969), Rawson (1991) 125–129, Dyck (2004) 5–12. On the dramatic date of Brutus (as the spring of 46 BC), see Douglas (1966) ix–x, Gowing (2000) 62– 64; its composition is usually thought to have occurred shortly after that, and Cicero’s listing of it in his catalogue of theoretical compositions (div. 2,4), mostly listed in chronological order, before Orator (finished by September 46: fam. 12,17,2) supports that dating (contra Fox [2007] 201 n. 23).
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In commenting on his decision to weave Atticus into the dialogue of the Academica (twice referred to in matter of fact tones in letters of a few days before: Att. 13,14/15,1, 13,19,3), Cicero had gone on to say: “For from your last letter, I learned for the first time that you are not averse to this.”2 Commentators have sometimes wondered whether Cicero’s wording suggests that Atticus had objected to his appearance in the earlier Brutus. Peter Schmidt rejected that line of interpretation, and concluded that Atticus must have agreed, albeit perhaps somewhat hesitatingly, to his inclusion in both De Legibus and Brutus.3 Elizabeth Rawson argued for her part that while Atticus’s Epicureanism would have presented problems for his inclusion in “strictly philosophical” dialogues, in which Cicero is usually delivering Epicureans “hard knocks”, there was not the same difficulty for what she characterises as a “political” dialogue such as Brutus, a history of oratory.4 Against that idea is the fact that in Academica the debate is mostly between Academic scepticism and Antiochus’s version of Stoic epistemology, with Atticus’s interventions in Book 1 as third and minor speaker deftly handled, and his Epicurean stance not brought into play after that initial remark of his. Despite Cicero’s indication that he will weave Atticus into his dialogues more frequently in future (Att. 13,22,1), there were in fact no further appearances, at any rate in the still surviving majority of those dialogues subsequent to Academica. His heyday in Ciceronian dialogue was to be his inclusion in De Legibus and Brutus, although as I shall be suggesting, for De Legibus heyday is probably on a number of counts not really the right word. The gap in years between the composings of these two works may not have been that great. But they belong, of course, to two quite separate periods in Cicero’s literary activity. Brutus and Orator, followed by the encyclopedic philosophical series beginning with Hortensius and Academica, initiated a sequence written mostly in the years of Caesar’s dictatorship, when Cicero engaged very little in public life. Then after Caesar’s assassination there came a few last works including De Gloria (lost, like Hortensius) and finally De Officiis. It was before the civil war, on the other hand, that Cicero had written De Oratore, De Re Publica, and (we infer from internal evidence) De Legibus, when on his own account public business left him little leisure for writing.5 Of that trio of dialogues, De Oratore and De Re Publica share features significantly different from the two works that I shall be considering. In neither of the first pair, composed respectively in 55 and 54–51 BC, is Cicero himself a participant. In their prefaces, he addresses his brother Quintus (De Oratore: certainly; De re publica: probably – its opening pages are lost). He narrates conversations represented as having occurred many decades before: De Oratore in 91 BC, when he was in his teens, De Re Publica in 129 BC. While in each there are two main 2 3 4 5
Cic. Att. 13,22,1. Schmidt (1969) 66–67. Rawson (1991) 127–128. On his professedly unleisured modus vivendi in the late 50s BC, see for example Steel (2005) 80–82, Gildenhard (2007) 51 n. 184.
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speakers, they are members of a larger group (De Oratore seven, De Re Publica nine), some of whom are given quite substantial roles. As Cicero was engaged in the writing of De Re Publica, however, he wrote in autumn 54 to his brother Quintus commenting on its progress, in response to a query on the matter. By then he had composed two books in what at that time was envisaged as a work in nine books. These had been read out in the presence of a friend of his called Sallustius, who raised an objection to the format. The treatment of res publica would carry much greater authority, Sallustius suggested, if Cicero himself was the speaker: Cicero was an experienced and distinguished statesman; attributing his ideas to figures like Scipio and Laelius would look like a fiction; and after all Aristotle had made himself speaker in his writings on the res publica (the reference is apparently to Aristotle’s lost dialogues). Cicero took the criticism to heart. He told Quintus that he would now rewrite the material as a conversation between himself and Quintus (Q. fr. 3,5,1–2). That evidently never happened.6 But it does appear to have prompted a radical shift of authorial strategy in subsequent writings, notably in the next two dialogues Cicero was to compose: De Legibus (to repeat, apparently being written somewhere between 53 and 51 BC), and Brutus (the first, as noted, of his later sequence, composed after the civil war in 46 BC). Both are given settings roughly contemporary with presumed date of composition. In both there is reference to the contemporary political world of Rome and of its recent history, something which in his letter to Quintus Cicero expresses regret that the format of De Re Publica had prevented. Each dialogue has a smaller cast of characters: just three in each case – Cicero himself, his closest friend Atticus, and in De Legibus Quintus, in Brutus Brutus. Above all, Cicero is both times the speaker who will expound at length an elaborate account of the subject of the dialogue. On each occasion, he represents himself as doing so because pressed by his interlocutors, Atticus each time taking the lead, and in each of the conversations playing a continuing major role. Andrew Dyck goes so far as to describe him as the “catalyst and motor” of De Legibus, and for Matthew Fox he is a crucial inspiration and foil to Cicero himself in the construction and developing argument of Brutus.7 In De Legibus what is initially requested by Atticus is a history of Rome (leg. 1,5–7), with Quintus commenting that when he has discussed such a project with Cicero his brother has wanted to focus on contemporary history, and events in which he has himself been involved (leg. 1,8). But that request for a history is declined for want of sufficient sustained leisure (leg. 1,9). Instead, what we get in De Legibus is an account of the fundamental nature of law, followed by an exposition of laws, albeit incorporating a good deal of historic material, for the ideal of a res publica presented in De Re Publica (only the books on religion and magistrates survive). In Brutus Atticus again asks for a history. He mentions that he himself was inspired by De Re Publica to write an account of the Roman magistracies (the book standardly now referred to as the Liber Annalis), no longer ex 6 7
Dyck (2004) 7–10. Dyck (2004) 23–25, Fox (2007) 185–203.
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tant, which is thought to have contained as its basic ingredient a year by year listing of magistrates). He would like a book from Cicero, too, but only when he is able: perhaps a Roman history of the sort demanded at the start of De Legibus. But for the present he will settle for a conversation on a topic that he has heard Cicero talking on quite recently: a history of oratory. Cicero at once agrees to this (Brut. 18–21). History, therefore, is another preoccupation shared by the speakers in these two dialogues: desiderated in De Legibus, actually delivered comprehensively in Brutus, where it is represented as a response to Atticus and especially to his particular intellectual interests, on which he has already been made to delate at length and in detail in De Legibus (1,5–7).8 No other surviving dialogues in the Ciceronian corpus exhibit this constellation of compositional features shared by De Legibus and Brutus. Indeed, very few exhibit any of them. Otherwise only the revised version of Academica and the first conversation of De Finibus – the discussion of Epicureanism in the first two books – have just three participants. But in neither of these does the third speaker, respectively Atticus and Triarius, play a part comparable with either Atticus and Quintus in De Legibus, or Atticus and Brutus in Brutus. Only Book 2 of De Re Publica – presumably the part of the work that stimulated Atticus to write his Liber Annalis – makes any sustained attempt at political history, albeit selectively for the purpose in hand.9 In most of the dialogues of the later sequence, however, with De Senectute and De Amicitia the most notable exceptions, Cicero continues to elect for settings that are either contemporary or belong to a very recent past, and to take the dominant or at least a major part himself. He steps back a bit only in Book 5 of De Finibus and still more in De Natura Deorum, both set in the early 70s BC, where he does participate in the philosophical discussion, but gives others the main speaking roles. De Legibus and Brutus therefore constitute a unique pair. There is one very obvious difference between them. Like De Oratore and De Re Publica, Brutus takes the form of narrated dialogue, with one of Cicero’s most striking and memorable prefaces, not without affinity with the reflections on the death of Lucius Crassus in the opening pages of Book 3 of De Oratore (de orat. 3,1–15): a sort of prose elegy on the death of the orator Hortensius, that mutates into lament on the condition of a Rome in which public discourse has been stifled (Brut. 1–9). De Legibus – unusually for Cicero – is a scripted dialogue, lacking any authorial preface. He was here taking as model Plato’s Laws, a similarly scripted dialogue, whose cast of three speakers and similar physical setting are explicitly recalled and imitated in the opening passage of Book 1 (leg. 1,15). Cicero assumes for himself the role played in the Laws by the Athenian visitor, in De Legibus simply presupposed to be none other than Plato himself. It is perhaps a pity that he did not adopt this dialogue form more generally. James Zetzel comments that it presents “a far more vivid and realistic conversation” than do De 8 9
On the engagement with history in Cicero’s dialogues, see more generally Fox (2007), and in Brutus Steel (2003). That selectivity is well discussed in Cornell (2001).
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Oratore and De Re Publica – and (one might add) than does the Laws.10 That said, in Brutus there is also more intermittently a good deal of lively interchange between Cicero and the other two speakers.11 It may be important in thinking about the two dialogues in conjunction that whereas Cicero seems to have put Brutus into circulation in the usual way, that apparently never happened with De Legibus. There are three main pieces of evidence for its non-publication. First, Atticus complains in the opening conversational exchanges of the Brutus that since Cicero brought out De Re Publica he has published nothing (Brut. 19) – even though references to political affairs in De Legibus indicate that it must have been being composed in 53–51 BC. Second, in De Divinatione’s pretty extensive retrospective catalogue of Cicero’s writings De Re Publica and the major works on oratory are among those listed (div. 2,1–4). But there is no mention of De Legibus. Third, there is no reference to De Legibus in Cicero’s correspondence either, although admittedly letters to Atticus from 53 and 52 and the earlier part of 51 BC, which might have been the likeliest candidates, do not survive. In fact, there is no evidence that any contemporary, other than Cicero himself and his amanuenses, knew of the existence of a manuscript of De Legibus during his lifetime. Cicero seems to have written a great deal of the work (Macrobius preserves a fragment of the fifth book, which talks of finishing ‘what remains’ to be discussed: Macr. Sat. 6,4,8). But it is often doubted whether it was ever actually completed. Commentators point to roughness in its construction, such as reversals in line of argument even within the space of a single page, as well as the difficulty of understanding how the specific legislative provisions of Books 2 and 3 could plausibly be construed as applications of the concept of natural law explicated in Book 1.12 2. ATTICUS IN DE LEGIBUS One infelicity that so far as I am aware has not been much remarked upon relates to the role given to Atticus in the dialogue. Although both he and Quintus make substantial contributions to its discussions, Atticus seems to be treated as Cicero’s leading interlocutor. He initiates the conversation with Quintus that launches the whole dialogue (leg. 1,1–3), and is the main discussant throughout Book 1. A short exchange between him and Cicero concludes the book (leg. 1,62–63). It is Atticus who gets the talk going again, or rather simply continuing, in Book 2, in dialogue with Cicero (leg. 2,1–6), until Cicero involves Quintus for a long stretch 10 Zetzel (1999) xxi; cf. Rawson (1991) 127: “particularly lively“, Dyck (2004) 25: “natural and unforced”. 11 Narducci (2002) 419 speaks of “those ‘natural’ passages of conversation that are frequent in our dialogue”. 12 Dyck (2004) 10–12; but the coherence of Books 2 and 3 with the theory of natural law in Book 1 is defended in Annas (2013).
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(leg. 2,7–23). The transition to Book 3 is again effected in exchanges between Atticus and Cicero. Atticus remains the main interlocutor until Quintus intervenes when tribunes – evidently one of his special preoccupations – are mentioned (leg. 3,17). Quintus will have quite a bit to say in the protracted treatment of the topic that follows shortly (leg. 3,19–26), as also one of his other special subjects: secret ballots (leg. 3,33–39). Cicero is allowed to run through the remainder of his provisions on magistrates without further interruptions, but it is once again an exchange between Atticus and Cicero that appears to be bringing Book 3 to its conclusion at the point where the manuscript breaks off. But was the decision to accord such prominence to Atticus unproblematic? Dyck expressed a qualm: “One wonders how the cautious man would have reacted to playing a rôle in this political dialogue and indeed to having quite decided political views attributed to him (3,26 and 37).” It is certainly striking that, as later in Academica (ac. 1,2), already in Brutus, admittedly in political circumstances different from the years preceding the civil war, Atticus is marked out from the very outset as averse to any discussion of public affairs (Brut. 11; he is made to reiterate that stance: Brut. 157). Andrew Dyck also noted Nepos’s testimony, however, that Atticus “was involved in public affairs, in such a way that he was and was thought to be involved in the optimate party” (Nep. Att. 6,1).13 And Yasmin Benferhat has argued persuasively that Atticus was not in the least unpolitical, but rather someone who had elected for the “quiet life” of “honourable otium”, eschewing a political career (Att. 1,17,5), as emerges if one consults the full passage in which Nepos’s statement occurs (Nep. Att. 4–6).14 The conversation that De Legibus purports to record was, of course, envisaged as a private discussion (cf. div. 2,28) on Cicero’s ancestral estate a good distance from Rome itself. Dyck did not however make much of a more palpable trickiness in the role Atticus is made to perform in De Legibus: the potential obstacle posed by his Epicureanism. The main body of Book 1 is devoted to statement and elaboration of a theory of natural law as right reason shared by men and gods – ultimately an expression of the divine reason that rules the entire universe (leg. 1,18–19; 22–23). That theory is what Stoicism taught (nat. deor. 2,16–22; 154). Now Atticus was a committed Epicurean in philosophy. Epicureans held to a radically positivist view of law and justice (Diog. Laert. 10,150–153; cf. fin. 1,50–53). And in the Epicurean conception of the divine, cosmic reason had no place (nat. deor. 1,18–24). But if the conversation were to do a good consensual job of establishing the natural law thesis, Cicero’s interlocutors would need to be represented as finding it convincing or at least potentially congenial. Perhaps Cicero thought he could model Atticus and Quintus here on Cleinias and Megillus in Plato’s Laws, who needed similarly to be persuaded far enough out of their Dorian mindset to accept (for example) a totally different conception of virtue and the proper goal of legislation and a political system (Plato leg. 1,626b–633a). If so, that model may not have been quite the right paradigm. Atticus could not be made to shift from his Epicu 13 Dyck (2004) 23 and n. 82. 14 Benferhat (2005) 98–172.
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reanism at all. As Seth Benardete put it: “‘Atticus’ goodwill lets Cicero win a case which Atticus cannot even be a party to.”15 There was therefore potential awkwardness in making the Epicurean Atticus the lead discussant here. The solution attempted was to bring the difficulty into the open, primarily in the exchange that follows a question from Cicero as to whether Atticus accepts that all nature is ruled by divine reason (leg. 1,21–22). Atticus has agreed that taking nature as guide is the right procedure – but that was an Epicurean stance as well as a Stoic (leg. 1,20). Now he is asked to grant that “all nature is ruled by the might, nature, reason, power, mind, will of the immortal gods – or whatever other word I can use to indicate more plainly what I am getting at, as what all nature is ruled by”:16 Marcus: Nam si hoc non probas, ab eo nobis causa ordienda est potissimum. Atticus: Do sane, si postulas; etenim propter hunc concentum avium strepitumque fluminum non vereor condiscipulorum ne quis exaudiat. Marcus: Atqui cavendum est; solent enim, id quod virorum bonorum est, admodum irasci, nec vero ferent si audierint te primum caput viri optimi prodidisse, in quo scripsit nihil curare deum nec sui nec alieni. Marcus: If you don’t accept this, then I will have to make it the starting point of my case. Atticus: I grant it of course, if you ask for it. The singing of the birds and the noise of the river give me reason not to fear that any of my fellow students will hear me. Marcus: But you need to be careful: they can become very angry, as good men do, and they will not take it lightly if they hear that you have betrayed the opening passage of the book where the best of men has written that god is not troubled either on his own account or on that of others.
Atticus simply asks him to continue. So far, he has made it clear enough that he grants the point only for the sake of argument, and now he wants to know the relevance of what he has conceded.17 Then, after Cicero is through with his main exposition, and Atticus has declared Quintus and himself satisfied (leg. 1,32), consequences are drawn briefly for justice too – which as Cicero makes clear in the sequel (leg. 1,36) he views as a separate though connected topic. Quintus declares himself satisfied that justice arises from nature (leg. 1,35), referring also to Atticus’s reaction. Unfortunately, the text at that point is very likely corrupt. Jona 15 Benardete (1987) 297. 16 The Translation is taken from Zetzel (1999). The reference is to the first of Epicurus’ Principal Doctrines: Diog. Laert. 10,139, quoted and translated by Cicero at nat. deor. 1,45. 17 Sauer (2013) 177 thinks (to my mind debatably) that one would have expected a fuller treatment of divine reason’s rule over nature, if it is to be fundamental for all that follows. But Atticus does not press for that. What subsequently transpires is that he is interested only in the pay-off for human society – and he can agree to the consequences for that without committing himself to their exclusive dependence on the premise (leg. 1,35). It is no doubt significant that when Cicero returns to the topic in Book 2, the discussant is now Quintus, who is in more wholehearted agreement, at any rate to the extent of affirming a conviction that what is right and true is also eternal (leg. 2,11; “also eternal” translates a generally accepted supplement to the text, based on a similar passage a little earlier: leg. 2,8).
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than Powell in the OCT accepts a popular emendation: “even if Atticus doesn’t think so”. The terms in which Atticus then does sign up to what has been argued – not merely as what he concedes, but as the truth – are certainly interestingly generic (leg. 1,35). Although they recapitulate the different phases of Marcus’ exposition (respectively leg. 1,22–27; 28–32; 33–34), they do so without necessarily committing Atticus for the most part to any very strongly Stoic positions:18 Atticus: An mihi aliter videri possit, cum haec iam perfecta sint: primum quasi muneribus deorum nos esse instructos et ornatos, secundo autem loco unam esse hominum inter ipsos vivendi parem communemque rationem, deinde omnes inter se naturali quadam indulgentia et benevolentia, tum etiam societate iuris contineri? Quae cum vera esse recte, ut arbitror, concesserimus, qui iam licet nobis a natura leges et iura seiungere? Atticus: Could I think otherwise, since the following has now been achieved: first, that we have been equipped and adorned as if by gifts of the gods; second, that there is an equal shared rationale for humans to live with each other; and finally, that they are all held together by a sort of natural goodwill and benevolence as well as by partnership in justice? Since we have admitted, rightly I think, that these things are true, how could we have any scope to separate laws and rights from nature?
In articulating the first point (as Dyck points out), Atticus inserts a non-committal “as if” (quasi) into the claim about humans’ natural endowment, and (I would add) leaves unspecified what that endowment consists in, whereas Cicero had spoken of a “divine gift of minds”19 without qualification (leg. 1,24). As to the second point, Epicureans accepted for their part that all humans had a common interest in making contracts to refrain from mutual harm (Diog. Laert. 10,150– 151). The third element in the summary is perhaps not so readily accommodated within an Epicurean framework. However, Hermarchus, Epicurus’s successor, had apparently suggested that “a certain natural affinity” between humans inhibited them from resorting readily to mutual destruction,20 as well as what he took to be the main reason for that – their supposing it to lack utility considering their way of life as a whole (Porph. abst. 1,7,1–2). Finally, Atticus’s closing rhetorical question is again capable of an Epicurean interpretation, since Epicurus had taught that the “justice” that is sanctioned by nature is an expression employed to signify (symbolon) advantage relating to refraining from mutual harm, something associated by Hermarchus with the origin of law (Diog. Laert. 10,150, Porph. abst. 18 The translation is mine. 19 animorum (masculine; cf. animum shortly afterwards) is generally rendered “souls” by the translators, with Niall Rudd in the Oxford World Classics series, who has “minds”, making an honourable exception. Since the same passage (leg. 1,24) assures us that this divine gift is what sets us apart from every other animal, “soul” cannot capture that – unless we suppose that Cicero is here meaning to restrict souls to those souls that are vehicles of mind (mens, leg. 1,23) and reason (ratio, ibid.). For he has just claimed that humans are out of all the species and natures of living things the only ones who have a share in reason and thought (leg. 1,22). 20 Long and Sedley (1987) 137 ad loc. claim – to my mind arbitrarily – that this suggestion “reads like Porphyry’s insertion or embellishment”.
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1,11,1), and evidently thereby with justice (Porph. abst. 1,12,5).21 Quite how far away that might be from what Cicero had said about justice in the third section of his argument is hard to guess. The manuscript text breaks off just after he has pronounced Socrates correct in cursing the person “who first disjoined utility from justice” (leg. 1,33). In any event, it is perhaps not surprising that Cicero launches into a separate discussion of the thesis that justice has its basis in nature, despite assurances from Quintus and Atticus that they are already convinced of that (leg. 1,34–35). The extended argument he then develops (leg. 1,37–52), on which neither Atticus nor Quintus is made to comment at any point, might be read as calculated to insist that only a Stoic rationale for the claims Atticus lists at leg. 1,35 will suffice. He explicitly and contemptuously dismisses Epicureanism early on, as having nothing to offer towards the establishment of “well considered and thoroughly investigated principles” for social and political order (leg. 1,39). Shortly thereafter there is a lacuna in the manuscript text. But when it resumes, Cicero is clearly attacking the Epicurean view of justice in some detail (leg. 1,40–41),22 before moving on to deal with cultural relativist versions of legal positivism (leg. 1,42–44). Although he has represented himself as aligned in Antiochean fashion with a broad tradition of thought, to which the Old Academy, the Peripatetics, and the Stoics all belong (leg. 1,38), his conclusion is in effect that there is no legitimate alternative to the Stoic position: “there is only one justice, which constitutes the bond among humans, and which has been constituted by the one law, which is right reason in commands and prohibitions” (leg. 1,42). Justice is not to be judged by what any particular community or nation or prince or legislator considers advantageous, but is everywhere and without qualification the same, inherent in the nature of things and of human relationships themselves (leg. 1,42–48). For some of the time Cicero negotiates quite deftly the task of making Atticus a not uncritical recipient – in a quizzical spirit perhaps reminiscent of Academic scepticism – of a basically Stoic account of law and justice, as in the caution and wit with which he is represented as responding to Ciceronian arguments and positions (leg. 1,20: 21–22; 35). Indeed, when Cicero implies that in proposing to devote a separate and more technical discussion to arguing that justice is based in nature he will be proceeding in Stoic fashion (paradoxically the argument he actually develops is much more rhetorical than the preceding argumentation at leg. 1,22–34),23 Atticus might be seen as affecting to exercise something much closer to Academic freedom of judgment than the Cicero whom he now accuses of abandoning that freedom (leg. 1,36).24 But to the dismissive treatment of Epicureanism and similar positions in the latter part of Book 1 (leg. 1,37–52), Cicero seems unsurprisingly to have been able to devise no credible response on Atticus’s part other than silence. Neither Atticus nor Quintus is made to offer any 21 22 23 24
Schofield (1999) 748–756 (on relevant Epicurean texts). Dyck (2004) 178 and 181 cites particular parallels in accounts of Epicurean positions. Cf. Dyck (2004) 165. Cf. Görler (1995) 103, Atkins (2013) 176–85.
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comment when it is concluded. The best Cicero can do is to restore urbanity to the proceedings as soon as he can thereafter. Atticus’s next intervention is a sardonic anecdote about the whole enterprise of philosophy, which was told him – he says – by Phaedrus: significantly enough, an Epicurean, like himself (leg. 1,53). Then after further exchange between the two of them, Atticus is represented as actually himself introducing the name of Antiochus into the discussion, and as acknowledging his persuasiveness, with the remark that he “nearly plucked me out of the Garden [i. e. away from Epicureanism] and brought me almost into the Academy” (leg. 1,54: […] qui me ex nostris paene convellit hortulis, deduxitque in Academiam perpauculis passibus; my translation). One wonders what Atticus would have made of all this. In Book 1 he is got to appear as the natural leading partner for hearing a Ciceronian defence of a Stoicising account of law and justice that he never seriously questions, although his own Epicureanism is more than once flagged up, and Epicureanism itself is subjected to attack without reply. It is hard to think that he would have been wholeheartedly content with the role that Cicero had given him, or that Cicero himself would not sooner or later have had qualms on that score (we know he was wary of giving offence through including living persons in his writings: Q. fr. 3,5,2).25 I am led to doubt that Cicero ever mentioned De Legibus to Atticus, or that Atticus had any awareness of its existence. To be sure, there were presumably more basic reasons why the dialogue was never published and probably never finished. Cicero’s appointment to the governorship of Cilicia, and then the outbreak of civil war with all its consequential upheavals, would presumably have made literary activity and the appetite for it very difficult. The constitutional proposals of Book 3 assume a res publica functioning as such, not a Caesarian state: what was presumably designed, with its cast of still living agents, as a work in which he could therefore ‘touch upon the greatest upheavals of our community’ in his own lifetime (Q. fr. 3,5,2), had lost its relevance.26 But the not altogether comfortable fit of Atticus with the function he is accorded in its pages was conceivably another such reason. 3. ATTICUS IN BRUTUS Cicero’s questionable judgment in selecting Atticus as interlocutor for De Legibus prompts me to turn now to Brutus. Brutus, the first work he did publish after De Re Publica, can be seen inter alia as an attempt to make some of the essentials of the same compositional strategy that he had adopted in De Legibus work more effectively, particularly if embedded within his favourite narrated dialogue form. Could he make a real success of a conversation with a contemporary setting and with contemporary political references, shared between just three living participants, with Atticus again given a significant role, but primarily undertaken to ena 25 Cf. Dyck (2004) 9 and n.40. 26 Dyck (2004) 10–11.
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ble Cicero himself to talk authoritatively at length on a subject – the history of oratory – for which he was supremely well equipped? Brutus is in truth a rather puzzling composition. Despite what he described as its “atmosphere of regret and foreboding”, “brilliantly depicted and sustained”,27 Alan Douglas saw the dialogue as ultimately urging Brutus to refuse to “acquiesce in a situation which meant the effective end of Roman oratory”.28 Catherine Steel went further. For her “Brutus is Cicero’s suicide note as a politician”, and at the same time “an attempt to write oratory out of politics and into history” – virtually all the oratory surveyed in this long work is forensic, not political, and “content is all but eliminated from the judgment of oratory”, even though most of the practitioners listed were politicians (so much, one might say, for the vision of the statesman orator of De Oratore).29 Yet in the end “the suicide note is unsigned; the history of Cicero the orator cannot yet be completed”.30 Matthew Fox for his part comes to the conclusion (in Cicero’s Philosophy of History) that the Brutus as a whole is a “strange, and at points, frantic piece of writing”, which “fails to tell a coherent story” – above all on account of the unresolved tension between its “attempt to provide a genealogy for the career of Cicero” and “the evident failure of that genealogy”.31 So far as its treatment of Cicero’s two interlocutors is concerned, success is mixed. There is a general consensus among scholars that the presentation of Brutus is distinctly unconvincing. Alan Douglas summed it up succinctly:32 “He figures as Cicero’s modest and admiring pupil, and is made to share Cicero’s political discontents as well as his oratorical ideals. It is arguable that in all these respects Cicero has distorted the truth.” The handling of Atticus seems altogether more straightforward, and not obviously inconsistent with what else we know about him. As Brutus progresses, he emerges as a sharply etched figure, a forthright critic who is made to put his finger on the weakness of the whole dialogue’s apparent enterprise – on which Fox was commenting. Cicero’s first main move in the conversation is to declare his appreciation for compositions sent him both by Brutus – believed to be the treatise De Virtute – and by Atticus: Liber Annalis (Brut. 11–16). The dialogue carries Brutus’s name, and Cicero evidently wanted to do as much as he could to cultivate friendship with him. It was Atticus who had advised him to do so during the year just before the civil war broke out, when he was governing Cilicia (Att. 6,1,3). By the time that Brutus was conceived and composed, Cicero was mounting a full-scale charm 27 The tone is set by the opening laudatio funebris for Hortensius, which is at the same time an epitaph for the Roman Republic (Brut. 1–9), and continued in periodic reminders of the agreement that topics that remind them of communium miseriarum will be avoided (Brut. 21– 2, 157, 251, 266, 329). 28 Douglas (1966) xxiii, xi; so also Dugan (2013) 36–37. 29 Steel (2003) 195, 200. 30 Steel (2003) 211. 31 Fox (2007) 206, 177. 32 Douglas (1966) xviii.
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offensive in Brutus’s direction,33 even if during their early acquaintance at least he often found his aristocratic hauteur hard to bear (Att. 6,1,7; 6,3,7). Brutus is treated at the outset, and more fulsomely near its climax, as a speaker with the makings of brilliance if he works hard at his oratory: someone who could exceptionally combine eloquence with philosophy and virtue (Brut. 21–22, 331–332). But he wrote and told Cicero that he did not agree with his views on the “best species among orators” (Att. 14,20,3), and at the end of the Orator Cicero allows that they may just have to agree to differ on the question (orat. 237–238). Posterity recorded the verdict that Brutus was in fact an indifferent orator (Quint. inst. 10,1,123, Tac. dial. 21,5), noted principally for gravitas (Quint. inst. 12,10,11, Tac. dial. 25,4). When later in 46 BC, at Brutus’s instance, Cicero composed and in due course circulated a eulogy of Cato (following his suicide after military defeat), he anticipated Caesar’s displeasure (Att. 12,4,2; 12,40,1; 13,27,1; div. 2,3). Accordingly, he followed the eulogy in Orator, probably his next work (also written at Brutus’s insistence, and as a letter, like the latter’s De Virtute: Orat. 1–3), with a clumsy attempt to implicate Brutus in the blame – for an enterprise he claims he had undertaken reluctantly (Orat. 35; cf. fam. 6,7,4). Brutus must presumably have liked the Brutus well enough to ask Cicero to write both these subsequent compositions, even if the Cato eulogy when it materialized so displeased him that he sat down and wrote one himself. What he produced annoyed Cicero in its turn (Att. 12,21,1; 13,46,2). As for Brutus’s role in the dialogue, he is and takes himself to be Cicero’s primary addressee in the dialogue. Many of the fairly frequent remarks put in his mouth are appreciative comments (Brut. 52, 75, 123, 190, 254–255, 266), questions focused on information Cicero has been providing (Brut. 91, 162, 170–172, 219, 260, 280, 300), interested observations (Brut. 118, 125, 133, 147, 152–153, 161, 163, 204, 211–213, 262, 279, 284, 292, 328), or more extended comments invested with political or other edge (Brut. 156–157, 231–233, 248–251). Otherwise political comment is mostly confined to the authorial preface (Brut. 1–10) and to the return to its lament over the relatively recent death of the great orator Hortensius in the concluding pages of the dialogue (Brut. 328–33).34 Here Cicero gives full vent to his depression at the demise also of the res publica, and with that of any scope at all for the oratory that made the public sphere a living reality. Significantly, tributes to enemies of Caesar such as Cato, Servius Sulpicius, Metellus Scipio, and finally at rather greater length Marcellus are placed in the mouth of Brutus, now a leading player on the political scene, close to Caesar despite his strong republican sympathies and personal history (Brut. 118, 156–157, 212, 249–250). One tricky issue in fact confronting Cicero was whether or how to deal with orators still alive, as well as with those of the past, whether recent or more remote 33 Subsequently to Brutus, he would dedicate Paradoxa Stoicorum, Orator, De Finibus, Tusculanae Disputationes, and De Natura Deorum to Brutus. 34 But see also the passages listed at p. 119 n. 27.
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– and including above all, of course, himself (Brut. 232). He states it as his “fixed purpose in this discussion to name none of those still living” (Brut. 231). Brutus challenges this policy (Brut. 231–232), and subsequently renews attempts – unsuccessful – to get Cicero to relent (Brut. 248–249, 251). Cicero the author, however, has an agenda different from Cicero the interlocutor. He puts laudatory references to the living in the mouths of Brutus and Atticus. Brutus’s contributions have just been listed. But the one really extended tribute to a contemporary who demonstrates oratorical prowess is the treatment of Julius Caesar as orator then undertaken by Atticus (Brut. 252–253, 258–261): at once Cicero’s olive branch to the dictator, tempered by equivocal remarks of his own inserted at this point (Brut. 255–257), and a recognition perhaps of Atticus’ quiet but persistent advocacy of a more conciliatory approach to him. The correspondence of the following year (little of it survives from 46 BC itself) gives a flavour of that (Att. 12,40,2; 12,51,2; 12,52,2; 13,1,3; 13,27,1; 13,28,2–3; 13,31,3). While it is Brutus who is treated by Cicero as his main interlocutor, it is however Atticus who once again (as in De Legibus) takes the lead in pressing Cicero at the outset into expounding an important subject. Consistently with his Epicurean preference for the “quiet” life he couples the request with expression of a wish to avoid talk of the res publica (Brut. 11). Cicero then expresses a wish to repay Atticus for composing and apparently dedicating to him a book (it is believed the history of Roman magistrates constituting Liber Annalis: Nep. Att. 18,1–2) to which he ascribes his “salvation” – by awakening in him afresh a desire to write something again himself (Brut. 11–17). Atticus responds by asking Cicero to do just that, but in the meantime to give him and Brutus an account of a topic on which they have heard him talk recently: a history of oratory, or rather of orators, and have in fact called on him for that very purpose on the present occasion (Brut. 18–20). In agreeing to comply (Brut. 21), Cicero the author and Cicero the speaker in his dialogue give us an interesting example of their effective conflation: what follows is both fictive oral exposition and literary composition. Atticus’s contributions to the conversation, albeit less frequent than Brutus’s, are mostly weightier and more critical than his. To begin with, it is his historical learning that he puts on display. The first instance is the historian’s correction (by dint of recourse to Thucydides) of Cicero’s remarks on the death of Themistocles (Brut. 42–43); Cicero himself subsequently refers to Atticus’s correction of an earlier and grossly incorrect dating of the playwright Livius Andronicus’s Roman period (Brut. 72), in a particularly digressive digression, blamed upon Atticus’s influence (Brut. 75).35 A second example is his learned querying of Cicero’s ascription of a speech against Tiberius Gracchus by one Gaius Fannius (Brut. 99). His question is clearly designed to enable Cicero, in rejecting the query on circumstantial grounds, to make an extended display of his own historical scholarship (Brut. 100–102). Catherine Steel draws attention to a significant intervention by Atticus further on in the dialogue, when he challenges an apparent implication in what Cicero has 35 Cf. Steel (2003) 197.
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just said to the effect that the judgment of a speech by the public and the judgment of an expert will be likely to coincide. Atticus goes on to express his expectation that it would be the opinion of those properly qualified to judge, rather than general approbation, that will weigh with Cicero (Brut. 183–184). Cicero then develops a sophisticated account of why general approbation is important in this context, and why in the end it will coincide with expert opinion (Brut. 184–200). As Steel argues, the account is not in itself unproblematical, and as she notes, Cicero himself will recognise exceptions.36 A case in point is the oratory of his own cousin C. Visellius Varro, where his own high estimation found no echo in its popular reception (Brut. 264) – although here one suspects he is more concerned to express esteem for a family member than seriously to shift overall viewpoint at all. But the initial introduction by Atticus of the general topic of the criteria by which oratory should be judged moves discussion to a more reflective theoretical plane, something that never happens when Brutus intervenes. A little before he raises this issue, Atticus offers a sardonic observation (Brut. 176), rather in the manner of some of his remarks in Book 1 of De Legibus, which will in due course be developed into a full-scale major critique – when it will call in question the entire project of the dialogue. Cicero has concluded a stretch of his account by saying: “But let me turn back to orators from those who belonged only among the numbers of speakers, not of orators.” – “That has my vote”, says Atticus. “I thought you wanted to collect the eloquent, not the diligent”(Sed ab eis, qui tantum in dicentium numero, non in oratorum fuerunt, iam ad oratores revertamur. – Censeo, inquit Atticus; eloquentis enim videbare, non sedulos velle conquirere; my translation). Many pages later, as Cicero proposes finally to return to Hortensius (Brut. 291; discussion promised: Brut. 229, 279), Atticus pursues the point further. He would like to have intervened at several earlier junctures, he says. But he has now spotted an opportunity to do so. He approaches somewhat crabwise his objection (whose main thrust he has in fact anticipated, in previous more outspokenly sardonic comments, including an accusation of draining the “dregs”: Brut. 244, 269), ironically suggesting that Cicero’s whole account of earlier orators has been itself heavily ironical.37 There follows a long tirade suggesting that, in a variety of ways, Cicero’s claims that the speakers he has surveyed were real or significant orators are in many cases quite implausible, if taken as meant in earnest. Cicero makes a brief and doubtless ironical demurral, pleading lack of time for a proper response. When Atticus repeats his disbelief in Cicero’s telling the story he has told, Brutus requests more discussion of earlier examples of oratory. Cicero insists on bringing his narrative to a close (Brut. 292–300). That is not the end of the dialogue. Atticus and Brutus say no more, but as he had promised, Cicero discusses first the trajectories of Hortensius’s oratorical career and of his own (Brut. 301–30), before turning finally (Brut. 331–333) to Brutus’ prospects as an orator, and to some final reflections (truncated by the loss of the last page or so of the manuscript text). We have clearly reached a grand finale, 36 Steel (2003) 201–203; cf. Douglas (1966) xvi and n. 1. 37 Cf. Fox (2007) 192–203.
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with Roman oratory finding its rueful culmination in Cicero himself.38 Irony and scepticism do not have the last word. Nonetheless Atticus’s contributions to debate have posed searching questions about the enterprise undertaken in Brutus. One thing one might take him to be asking in effect: what is the point of telling a history of Roman oratory such as Cicero is giving him and Brutus – if it turns out that most of the figures he has discussed were not really orators at all, and that the merits and significance of those who were have been exaggerated? Perhaps appreciation of Hortensius’s and above all of Cicero’s own eminence is thereby emphasised, but at what might seem at needless length, and without the importance of oratory being established. However, Atticus is made to claim that he is not in the end particularly concerned (despite his earlier explosions on the subject: Brut. 176, 229, 279) over the treatment of all the “day-labourers” who have figured in Cicero’s account. As Fox has observed: “Atticus main argument is to attack the presence of irony in history.”39 Such a charge makes for a more interesting reading of the dialogue, which does something to call in question Elizabeth Rawson’s estimate of Cicero’s “historical seriousness”, particularly as evidenced in Brutus.40 Cicero will then indeed emerge here as a writer at least half playing at doing history, with his tongue frequently in his cheek (as – it is suggested – was Scipio Africanus also: Brut. 299), and with ingrained rhetorical habits distorting truth. Now Atticus was – and is here presented as – a serious historian. I would suggest that, in making him put this objection, Cicero as author is both tacitly acknowledging its force and at the same time indicating to his closest friend that he knows he is taking liberties that Atticus cannot approve of. Brutus may be the dialogue’s title. But Cicero’s intellectual engagement with Atticus is where its self-reflection is to be found. Perhaps it might have been better named Atticus.41 4. CONCLUSION De Legibus and Brutus are two of Cicero’s most attractively written dialogues. Each however has its compositional problems. I have argued that in De Legibus the role assigned to Atticus in Book 1 is one of these. Despite Cicero’s crafting of a somewhat quizzical stance for his interventions in the conversation, making an Epicurean the recipient of an essentially Stoic argument, in one stretch vehemently anti-Epicurean, was always going to present an awkwardness. In Brutus, by contrast, Cicero can exploit to brilliant effect Atticus’s critical acumen, historical appetite and learning, and his resistance to irony in the writing of history. That charge of irony highlights a serious problem in Cicero’s whole account of Roman 38 39 40 41
Cf. Steel (2003) 209–211. Fox (2007) 199. Cf. Cic. Brut. 292, 299. Rawson (1991) 71, 73. Martin (2014) 217.
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NEMO DUBITAT ACADEMICUM PRAELATUM IRI Der Einfluss des Ideals akademischen Philosophierens auf die Figurengestaltung in den Spätdialogen Ciceros Johannes Sedlmeyr 1. EINLEITUNG In meinem Beitrag möchte ich auf eine nur wenig beachtete, m. E. jedoch sehr aufschlussreiche Arbeit von Karl August Neuhausen eingehen, die vor dreißig Jahren in der Fachzeitschrift Mnemosyne erschienen ist. Der im Oktober 2017 verstorbene Altphilologe stellte darin das Konzept eines Academicus sapiens heraus, welches Augustinus wohl in Anlehnung an das nicht erhaltene zweite Buch der Academici libri posteriores paraphrasierte. Des Weiteren machte er deutlich, wie der sich schon im jungen Alter zur Neuen Akademie Philons bekennende Cicero dieses Konzept bereits in der Rede Pro Murena anwandte, um den offen als Stoiker auftretenden Ankläger M. Porcius Cato zu attackieren.1 Der vorliegende Beitrag widmet sich ausgehend von Neuhausens Befund der Frage, inwiefern die Figurengestaltung in den ciceronischen Spätdialogen von einer so beschaffenen Idealgestalt oder einer durch diese zum Ausdruck gebrachten akademischen Grundhaltung inspiriert ist. Hieran schließt die Frage an, inwiefern eine akademische Ausgestaltung der Gesprächsszenerie der dezidierten Autorintention einer Akkulturation griechischer Philosophie nutzen konnte.2 Der Aufsatz erhebt dabei nicht den Anspruch einer umfassenden Klärung dieser Fragen, sondern will durch seine bewusste Offenheit zu einer weiterführenden Diskussion des Themenkomplexes anregen. Mein Vorgehen gliedert sich dabei in drei Schritte: In einem ersten einführenden Schritt soll die Konzeption des Academicus sapiens, die Neuhausen in seinem Aufsatz erarbeitet hat, vorgestellt und einer Kritik unterzogen werden. In einem zweiten Schritt soll kurz auf die Eigenheiten des ciceronischen Dialogs als performativen Raums hingewiesen werden, ehe in einem dritten Schritt ein exemplarischer Blick auf die Dialogfigur Cicero in De finibus I–II und III–IV geworfen 1 2
Zu Ciceros Bekenntnis zur skeptischen Akademie s. v. a. Lévy (1992), Görler (1997), Haltenhoff (2000) 232; zum Schulstreit und seiner Behandlung in den Academici libri s. etwa Lefèvre (1988) 111f., Schäublin/Graeser (1995) XXIII–XXVI. Diese Intention einer „philosophy acculturated to Roman society“ wird, wie Gorman nachgewiesen hat, auch in Ciceros Adaption der sokratischen Methode deutlich; Gorman (2005) bes. 124.
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wird. Im Vorfeld der Zusammenfassung erfolgt ein in Form eines Exkurses gehaltener Ausblick auf den Dialog De natura deorum, der aufgrund seiner Gesprächskonstellation einen adäquaten Rahmen zur Überprüfung der zuvor geschilderten Beobachtungen bieten und eine Einordnung derselben erleichtern soll. 2. DIE FIGUR DES ACADEMICUS SAPIENS Im dritten Buch seines Frühdialogs Contra Academicos setzt sich Augustinus kritisch mit den zentralen Lehrsätzen der erkenntniskritischen Akademie auseinander. Dabei greift er zu Beginn seiner Gegenrede auf eine Textstelle aus Ciceros philosophischem Werk zurück, die vermutlich aus dem verlorenen zweiten Buch der Academici libri posteriores – bzw. dem Catulus der ersten Fassung3 – stammte, um das Bild des akademischen Weisen in Abgrenzung von den sapientes der Stoa und des Kepos zu beschreiben:4 Sed primo illud videamus quale sit, unde amatores Academicorum gloriari nimium solent. Nam est in libris Ciceronis, quos in huius causae patrocinium scripsit, locus quidam, ut mihi videtur, mira urbanitate conditus, ut nonnullis autem, etiam firmitate roboratus. Difficile est prorsus, ut quemquam non moveat, quod ibi dictum est: Academico sapienti ab omnibus caeterarum sectarum qui sibi sapientes videntur, secundas partes dari, cum primas sibi quemque vindicare necesse sit. Ex quo posse probabiliter confici, eum recte primum esse iudicio suo, qui omnium ceterorum iudicio sit secundus. Doch lasst uns zuerst prüfen, worauf sich die Freunde der Akademiker gewöhnlich viel einbilden. Es findet sich nämlich in der Schrift Ciceros, die er in Verteidigung dieser Sache schrieb, eine Stelle, die, wie ich meine, den Reiz wunderbarer Anmut besitzt, nach Meinung anderer dagegen auch von kraftvoller Stärke ist. Und wirklich ist es schwierig, sich nicht von dem beeindrucken zu lassen, was dort gesagt ist. Dem akademischen Weisen werde von allen Angehörigen der übrigen Schulen, die sich als Weise ansehen, der zweite Rang zuerkannt, während den ersten natürlicherweise jeder für sich selbst in Anspruch nehme. Daraus lasse sich als annehmbar der Schluss ziehen, dass nach eigenem Urteil zu Recht der erste sei, der nach dem Urteil aller anderen der zweite sei.
Von Anfang an wird auf die höhere Wertschätzung des Academicus sapiens hingewiesen, die dieser im direkten Vergleich mit den sapientes der konkurrierenden Schulen erfahre. Im Rückgriff auf das sich anschließende Kapitel 16, das offensichtlich eine Paraphrase eines ciceronischen Passus darstellt, skizzierte Neuhausen vier zentrale und die Idealfigur kennzeichnende Stufen, die in einer Gesprächssituation zwischen den Weisen der drei Schulen auftreten würden:5
3 4 5
Zum Inhalt des verlorenen Catulus s. etwa Reid (1885) 39–46; zur Zuordnung der folgenden Passage zum verlorenen zweiten Buch s. Reid (1885) 167, Plasberg (1922) 22–24. Aug. c. acad. 3,15 = fr. 34 Reid. Die Übersetzungen aus Augustinus’ Contra Academicos sind der Ausgabe von Voss u. a. (1972) entnommen. Aug. c. acad. 3,16; Neuhausen (1987) 362.
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1. Der akademische Weise wird in einer Diskussion mit einem Epikureer und einem Stoiker zunächst beide anhören (utrosque audiet), ehe er selbst referiert (in utramque partem disserere). 2. Der epikureische und der stoische Weise, welche sich beide im Alleinbesitz der Wahrheit wähnen, werden jeweils versuchen, den Akademiker auf ihre Seite zu ziehen (trahentes se ad suas partes). 3. Würde der akademische Weise der einen Partei zustimmen, würde er von der anderen als insanus, imperitus oder temerarius beschimpft werden. 4. Der akademische Weise zieht daraus den Schluss, dass er sich davor hüten wird, seine Ansicht sogleich mitzuteilen, da er sich sonst unweigerlich Feindschaft zuzieht. Er beteuert stattdessen, dass er noch im Zweifel sei (dubitare). Die Gestalt des akademischen Weisen, die mit Arkesilaos oder auch Karneades personifiziert wird, würde letztlich auch von den Weisen der konkurrierenden Schulen (Kepos, Stoa) stets den zweiten Rang zugewiesen bekommen:6 Roga nunc Stoicum, qui sit melior; Epicurusne qui delirare illum clamat, an Academicus qui sibi adhuc de re tanta deliberandum esse pronuntiat. Nemo dubitat Academicum praelatum iri. Rursus te ad illum converte, et quaere quem magis amet; Zenonem, a quo bestia nominatur; an Archesilam, a quo audit: Tu fortasse verum dicis, sed requiram diligentius. Nonne apertum est totam illam porticum insanam, Academicos autem prae illis modestos cautosque homines videri Epicuro? Ita peraeque prope de omnibus sectis copiosissime Cicero iucundissimum legentibus quasi spectaculum praebet, velut ostendens nullum illorum esse qui non cum sibi primas partes dederit, quod necesse est, secundas ei dicat dare, quem non repugnare, sed dubitare conspexerit. Frage nun den Stoiker, wer besser ist: Epikur, der laut verkündet, er sei verrückt, oder der Akademiker, der erklärt, bei einer so bedeutenden Sache müsse er noch überlegen; keiner zweifelt, dass der Akademiker vorgezogen wird. Wende dich umgekehrt zu Epikur und frage, wen er lieber hat, Zenon, der ihn als Tier bezeichnet, oder Arkesilaos, von dem er hört: „Du hast vielleicht recht, doch ich möchte noch genauer nachforschen.“ Ist es nicht klar, dass er die ganze Halle als verrückt, die Akademiker dagegen im Vergleich zu ihnen als bescheidene, behutsame Menschen ansieht? So bietet Cicero in ganz ähnlicher Weise von fast allen Schulen in ausführlichster Form den Lesern gleichsam ein überaus angenehmes Schauspiel und zeigt gewissermaßen, dass es keinen unter ihnen gibt, der nicht, während er sich selbst den ersten Rang zuweist, was sich von selbst versteht, den zweiten seinen Worten nach dem zugesteht, den er nicht widerstreiten, sondern nur zweifeln sieht.
Der epikureische Weise würde auf die Frage, ob er Zenon oder Arkesilaos mehr schätze, letzteren wählen, da dieser zumindest die Möglichkeit, dass Epikur recht haben könnte, nicht ausschließen würde, während ihn Zenon beschimpfen würde.7 Daraus folgt, dass in einer hypothetischen Diskussion zwischen Stoa, Kepos und Akademie dem Vertreter der letzteren Schule stets eine mittlere Position zukommt, während das bloße Aufeinandertreffen eines Stoikers und eines Epikure6
7
Aug. c. acad. 3,16; anders als Plasberg scheute Reid eine Zuordnung des zitierten Passus zu einem ciceronischen Fragment, wofür er stilistische Gründe geltend machte („it has so few genuin traces of Cicero’s style that I do not think it worth while to give it“): Reid (1885) 167, Anm. 34. Vgl. Neuhausen (1987) 364f.
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ers zu einer erhöhten Spannung führen muss und ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial beinhaltet. In einem weiteren Schritt zeigte Neuhausen, wie sich Cicero der Konzeption dieses akademischen Weisen in seiner Verteidigungsrede für den designierten Konsul des Jahres 62, L. Licinius Murena, bediente.8 In einem Prozess um die Rechtmäßigkeit der Bewerbung unterstützte der amtierende Konsul Cicero diesen gemeinsam mit Crassus und Hortensius gegen unter anderem von M. Porcius Cato vertretene Ankläger.9 Nicht zuletzt deswegen, weil er den designierten Volkstribun Cato nicht über das Maß persönlich attackieren wollte, greift Cicero während der Rede zu einem humorvollen Exkurs, in dem er die Wirklichkeitsferne der stoischen Philosophie persifliert (paulo asperior et durior quam aut veritas aut natura patitur)10 und diese von der Person des Anklägers trennt.11 In einem ersten Schritt entwirft Cicero unter Rückgriff auf Sentenzen Zenons das Zerrbild eines stoischen sapiens: Dieser lasse sich nicht von Nachsicht bewegen (gratia numquam moveri), würde niemals verzeihen (numquam […] ignoscere) und kein Mitleid kennen, da dies nur den Dummen und Leichtfertigen auszeichne (neminem misericordem esse nisi stultum).12 Ferner würden die stoischen Weisen nie Vermutungen anstellen (nihil opinari), nichts bereuen (nullius rei paenitere) und sich weder irren noch ihre Meinung ändern (nulla in re falli, sententiam mutare numquam), was in einem zweiten Schritt unter anderem an der Vorgeschichte des Prozesses exemplifiziert wird.13 Diesem Bild eines realitätsfernen stoischen Ideals stellt Cicero daraufhin das eines Weisen seiner eigenen Philosophie gegenüber:14 Nostri autem illi – fatebor enim, Cato, me quoque in adulescentia diffisum ingenio meo quaesisse adiumenta doctrinae – nostri, inquam, illi a Platone et Aristotele, moderati homines et temperati, aiunt apud sapientem valere aliquando gratiam; viri boni esse misereri; […] esse apud hominem constantem ignoscendi locum; ipsum sapientem saepe aliquid opinari quod nesciat, irasci non numquam, exorari eundem et placari, quod dixerit interdum, si ita rectius sit, mutare, de sententia decedere aliquando; omnis virtutes mediocritate quadam esse moderatas. Doch unsere Gewährsleute (ich will nämlich zugeben, Cato, dass auch ich mich in meiner Jugend nach Hilfe bei der Philosophie umgetan habe, weil ich meiner Veranlagung nicht sicher 8 9 10 11
12 13 14
Cic. Mur. 60–66; s. Neuhausen (1987) 370–388. Zum historischen Kontext der Rede Pro Murena vgl. Adamietz (1989) 1–4; Bringmann (2010) 94f.; Fantham (2013) 5f. Cic. Mur. 60; die zitierten Textpassagen aus Pro Murena folgen dem textkritischen Kommentar von Fantham (2013), die Übersetzungen folgen der Gesamtausgabe von Fuhrmann (1970). Cic. Mur. 61: In M. Catone, iudices, haec bona quae videmus divina et egregia ipsius scitote esse propria; quae non numquam requirimus, ea sunt omnia non a natura verum a magistro – „Diese göttlichen und überragenden Vorzüge, die wir an M. Cato bemerken: seid euch bewusst, ihr Richter, dass sie seinem eigenen Wesen entspringen; was wir bisweilen an ihm vermissen, das ist alles nicht durch seinen Charakter, sondern durch seine Lehrmeister bedingt.“ Cic. Mur. 61. Cic. Mur. 62. Cic. Mur. 63.
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war), unsere Lehrer sage ich, die Nachfolger des Platon und Aristoteles, gemäßigte und vernünftige Männer, erklären, auch beim Weisen gebe einmal Nachsicht den Ausschlag; es zeige einen guten Charakter, Mitleid zu haben; […] auch der Beständige gebe der Verzeihung Raum; sogar der Weise müsse oft vermuten, was er nicht wisse, er zürne mitunter, er lasse sich durch Bitten bestimmen und beschwichtigen, er nehme bisweilen eine Behauptung zurück, wenn es so richtiger sei; er weiche auch einmal von seiner Meinung ab; alle guten Eigenschaften seien durch ein bestimmtes Mittelmaß bedingt.
Cicero evoziert nicht nur das sich auf die platonische und aristotelische Tradition stützende Bild eines Weisen, der unschwer als eine wirklichkeitsnähere Alternative zum stoischen erkannt werden konnte. Im letzten Abschnitt seines Exkurses führt er darüber hinaus eine Reihe römischer maiores als Beispiele an, die einen moralisch einwandfreien Lebenswandel mit den von der Stoa kritisierten Charakterzügen verbunden haben.15 Scipio sei durch Panaitios nicht strenger (asperior) geworden, sondern stets überaus mild (lenissimus) gewesen, niemand sei liebenswürdiger, charakterfester und weiser als Laelius gewesen (comior […] iucundior […] gravior […] sapientior). Nach Philus und Gallus erreicht die Beispielfolge mit Catos berühmtem Urgroßvater als Beispiel für einen freundlichen, umgänglichen, schonenden und menschlich rücksichtsvollen Charakter (Quemquamne […] commodiorem, communiorem, moderatiorem fuisse ad omnem rationem humanitatis?) ihren Höhepunkt. Der Exkurs, so lässt sich festhalten, zeigt dahingehend nicht nur die Realitätsferne der Idealgestalt stoischer Prägung, sondern liefert mit dem sapiens der Akademie auch einen Gegenentwurf, der durch seine menschlichen Charaktereigenschaften – misericordia, lenitas, comitas, facilitas, opinari – mehr Ähnlichkeit zu den römischen maiores aufweist als der Stoicus sapiens. Auf diese Weise deutet Cicero im Jahre 63 – sieben Jahre vor Beginn seiner ersten großen philosophischen Schaffensperiode (De oratore, De re publica und De legibus) – die Stärke und die Kompatibilität der eigenen philosophischen Tradition mit dem mos maiorum an. Ehe jedoch auf die in diesem Aufsatz aufgeworfene Fragestellung genauer eingegangen werden kann, ist es unerlässlich, nochmals auf die These Neuhausens zurückzukommen, der im Academicus sapiens eine in der bisherigen Forschung nicht hinreichend beachtete philosophische Konzeption vermutete. Eine erste, heuristische Problematik ergibt sich bereits daraus, dass wir hinsichtlich der Geschichte der Akademie im zweiten und ersten vorchristlichen Jahrhundert vor allem auf die Zeugnisse des Arpinaten selbst angewiesen sind. Cicero hat sowohl Philon von Larissa als auch Antiochos von Askalon persönlich getroffen. Da er sich selbst als Anhänger des ersteren zu erkennen gibt, ist die Objektivität seiner Aussagen über die beiden zweifelhaft. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass die Konzeption eines akademischen sapiens zunächst selbst verwundert, da die Neue Akademie in der Auseinandersetzung mit der Stoa bekanntlich die Unmöglichkeit sicherer Erkenntnis (perceptio, κατάληψις) behauptete.16 Die Figur des akademischen sapiens kann demnach nicht durch ein 15 Cic. Mur. 66. 16 Zur erkenntnistheoretischen Auseinandersetzung der Neuen Akademie mit der Stoa bzw. der Akademie unter Antiochos vgl. Schäublin (1992) 42f.
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gesichertes Wissen, sondern lediglich über seine Haltung gegenüber der allgemeinen Unmöglichkeit sicherer Erkenntnisse definiert sein. Es stellt sich dahingehend die Frage, ob Cicero sich nur aus rein argumentativ-rhetorischen Erwägungen einer Konzeption des akademischen sapiens bedient, um das stoische Ideal ad absurdum zu führen. Hierfür spricht auch, dass es in der Praxis neuakademischer Argumentation nicht unüblich war, philosophische Prämissen der dogmatischen Schulen solange zu adaptieren, bis die eigene Annahme einer Unmöglichkeit von Erkenntnis verifiziert werden kann.17 Es muss also offen bleiben, ob die Gedankenfigur des Academicus sapiens als Gegenmodell zum sapiens anderer Schulen einen integralen Bestandteil akademischen Philosophierens darstellte oder, was wahrscheinlicher sein dürfte, vor allem im situativen Kontext antidogmatischer Argumentationsstrategien gesehen werden muss. Mit Blick auf Neuhausens Beobachtung lässt sich mit Haltenhoff die Frage stellen, ob der akademische Weise an dieser Stelle tatsächlich „als Inbegriff der von Cicero vertretenen philosophischen Haltung und Methode die einzige Alternative zu dogmatischem Schulzwang und Autoritätsgläubigkeit“ darstellen sollte.18 Ein Indiz dafür, dass der akademische Weise vor allem aus rhetorischen und argumentationsstrategischen Gründen gebraucht wird, kann nicht zuletzt auch in der Rede Pro Murena selbst gesehen werden, in der dieser eindeutig als Gegenentwurf zum stoischen Weisen konstruiert wird, um die Person des sich offen zur Stoa bekennenden Anklägers zu unterminieren.19 Auch wenn dem Academicus sapiens damit nicht, wie Neuhausen vermutete, eine von der Akademie vertretene eigenständige Konzeption zugrunde lag, ist die Verbindung des Exkurses in der Konsulatsrede mit dem vermutlich aus dem Catulus stammenden Fragment interessant, da Cicero hierin nicht nur seine eigene philosophische Tradition der stoischen gegenüberstellt, sondern darüber hinaus auch andeutet, dass die akademische Philosophie der römischen Lebenswirklichkeit mehr Rechnung trägt als die von Cato präferierte Stoa. Der im Gedankenmodell entworfene akademische Weise, der nicht durch den Besitz einer individuellen Eudaimonie oder einer sicheren Erkenntnis der Wahrheit definiert ist, fungiert durch seinen grundsätzlichen Erkenntnisdrang, seine undogmatische Offenheit und sein humanes Erscheinungsbild als Vertreter einer philosophischen Praxis, welche sich für Ciceros Projekt des Transfers der Philosophie in die Lebenswelt der römischen res publica besser eignen musste als die sapientes der von Cicero als dogmatisch kritisierten Schulen der Stoa und des Kepos.
17 Zur argumentativen Methodik der Neuen Akademie s. Striker (1981) 155f. 18 Haltenhoff (1998) 75. Zu einer vergleichbaren Annahme kam bereits Fuhrer, welche die Konzeption des Academicus sapiens als Antwort auf das stoische Ideal und nicht als zentralen Aspekt der akademischen Lehre einstufte: Fuhrer (1992) 267, Anm. 1; Schäublin (1992) 49f., Anm. 32. 19 Vgl. Schäublin (1992) 49f., Anm. 32.
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3. DIE LITERARISCHE WELT DES CICERONISCHEN DIALOGS ALS PERFORMATIVER RAUM Bevor die Dialoge auf einen potenziellen Einfluss der vorgestellten Idealfigur untersucht werden können, müssen einige grundsätzliche Überlegungen zum ciceronischen Dialog angestellt werden, der einen funktionalen performativen Raum bildet.20 Augustinus beschreibt eine Streitsituation dreier verschiedener sapientes, während Ciceros Dialoge Gespräche unter römischen Aristokraten wiedergeben, die sich um einen gepflegten römischen Umgangston bemühen.21 Gegenseitige Beschimpfungen der Gesprächspartner, wie sie sich beim Aufeinandertreffen stoischer und epikureischer Philosophen beobachten ließen, fehlen dagegen im ciceronischen Dialoggespräch, das als ungezwungener sermo einen deutlichen Kontrast zur als verschult empfundenen disputatio darstellt.22 Insgesamt lässt sich attestieren, dass Cicero Konfliktsituationen dieser Art sowohl in seinen frühen als auch in seinen späten Dialogen bereits durch die Anlage der Gesprächssituation zu vermeiden suchte. Einzig De natura deorum verfügt über eine Gesprächssituation, in der mit Velleius und Balbus jeweils ein Vertreter von Kepos und Stoa zu Wort kommt und ihre stark divergierenden Schulmeinungen zur Disposition stellt.23 Die Frage nach dem angemessenen Gesprächston wird etwa in De finibus I innerhalb des Gesprächs durch die Figur des Autors reflektiert:24 Quam ob rem dissentientium inter se reprehensiones non sunt vituperandae, maledicta, contumeliae, tum iracundiae, contentiones concertationesque in disputando pertinaces indignae philosophia mihi videri solent. Darum sind bei Vertretern unterschiedlicher Standpunkte kritische Einwände nicht zu tadeln, doch Schmähungen oder Beschimpfungen und erst recht Wutausbrüche, Streitereien und hitzige Wortgefechte bei einer Diskussion, die passen, wie mir scheint, nicht zur Würde der Philosophie.
Das sich hier abzeichnende von Cicero präferierte Modell eines philosophischen Austauschs zielt dahingehend insbesondere auf die Generierung eines urbanen Gesprächsklimas, in dem das Vorbringen von Kritik (reprehensiones) zwar er20 Allgemein zur funktionalen Performativität von Dialogen am Beispiel des RenaissanceDialogs s. Hempfer u. a. (2001); zum Dialog Ciceros in der neueren Dialogforschung s. Müller (2015) 275f., Anm. 2. 21 Zum römisch-aristokratischen Milieu in Ciceros Dialogen s. grundlegend Hirzel (1895) 430f.; Becker (1938) 12–25; nach Steel besteht ein Zweck der im Dialog beschriebenen Gemeinschaften nicht zuletzt darin, für den homo novus Cicero eine intellektuelle Ahnenreihe zu erschaffen: Steel (2005) 106–114 und (2013) 228. 22 Zoll (1962) 112. 23 Darüber hinaus kommt es nur noch in De finibus I und II zu einer Situation, in der mit Torquatus und Triarius sowohl Kepos als auch Stoa durch eine Dialogfigur vertreten sind, doch nimmt der Vertreter der Stoa nicht selbst aktiv an der Kontroverse teil, sondern er fungiert eher als ein stummer Beobachter des Gesprächs. 24 Cic. fin. 1,27; die zitierten Textpassagen aus De finibus orientieren sich an der Edition von Schiche (1915), die Übersetzungen folgen der Ausgabe von Gigon/Straume-Zimmermann (1988).
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laubt ist, die persönliche Herabsetzung des Gegenübers und eine übersteigerte Emotionalität in der Debatte jedoch keinen Platz haben dürfen.25 Durch die Aussage erfolgt implizit eine Abgrenzung des in De finibus dargestellten Gesprächsraums zu philosophierenden Gemeinschaften, die sich durch ein aggressives Gesprächsklima als dem philosophischen Austausch unangemessen erweisen würden.26 Die performative Ausgestaltung eines solchen idealen Gesprächskreises findet folglich in der Welt des Dialogs selbst statt und wird bereits an der Wahl der Figuren ersichtlich: Anstatt verfeindeter griechischer Lehrmeister treffen befreundete römische nobiles aufeinander, die untereinander als pares agieren. Während jedoch in den Vergangenheitsdialogen De re publica, De oratore, Cato maior und Laelius keine grundsätzlichen Meinungsunterschiede unter den Gesprächspartnern bestehen, ändert sich dies in den Dialogen des Spätwerks (Hortensius, Academici libri, De finibus, De natura deorum, De divinatione): In diesen muss der Dissens der verschiedenen Schulen über die einzelnen Sprecher zur Geltung kommen. Der zitierte Passus zeigt, dass Cicero auch in diesen Dialogen die in De oratore und De re publica bereits vorgezeichnete Gesprächskultur transferieren möchte. Der angenommene Einfluss der Konzeption des Academicus sapiens auf die Gesprächs- und Figurengestaltung in Ciceros Dialogwerk stellt jedoch nur einen Teilaspekt dar, durch den sich die literarische Technik des Arpinaten artikuliert und der artifizielle Charakter der Dialoge deutlicher wird. 4. DIE CICERO-FIGUR IM PHILOSOPHISCHEN SPÄTWERK Lässt man den protreptischen Dialog Hortensius außer Acht, in dem Cicero eher als Verteidiger der Philosophie in ihrer Gesamtheit statt als Vertreter einer einzelnen Schulmeinung auftritt, bleiben vier Dialogwerke, in denen die Dialogfigur des Autors aktiv die Sache der Akademie vertritt: Academici libri, De finibus, De divinatione, De fato. Da die akademischen Abhandlungen einen innerschulischen Streit behandeln und ebenso wie De fato keine Vertreter von Kepos beziehungsweise Stoa als Gesprächspartner beinhalten, fokussiert sich die folgende Untersuchung vor allem auf De finibus I–IV. 4.1 De finibus I und II: Torquatus und Cicero In dem ersten der drei Teilgespräche von De finibus befindet sich die Figur des Autors in einem Gespräch mit Torquatus, dem Vertreter Epikurs, und Triarius, der die Rolle des jungen und gebildeten Zuhörers (in primis gravis et doctus adolescens) einnimmt.27 Beide erscheinen als Gäste in Ciceros Cumanum, wo sie 25 Vgl. Becker (1938) 19–22. 26 Dies erinnert an die bereits von der Crassus-Figur in De oratore kritisierte diskursive Praxis der „Graeculi“: Cic. de orat. 1,102; vgl. Müller (2011) 42–43. 27 Cic. fin. 1,13; zur Szenerie des Dialoges s. MacKendrick (1989) 131.
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das Alter Ego des Autors unbeschäftigt (otiosum) antreffen.28 Nach einem angedeuteten Gespräch über literarische Themen (pauca primo inter nos de litteris) erfolgt die Überleitung zum philosophischen Gespräch durch die TorquatusFigur:29 Deinde Torquatus: „Quoniam nacti te“, inquit, „sumus aliquando otiosum, certe audiam, quid sit, quod Epicurum nostrum non tu quidem oderis, ut fere faciunt, qui eo dissentiunt, sed certe non probes, eum quem ego arbitror unum vidisse verum maximisque erroribus animos hominum liberavisse et omnia tradidisse, quae pertinerent ad bene beateque vivendum. sed existimo te, sicut nostrum Triarium, minus ab eo delectari, quod ista Platonis, Aristoteli, Theophrasti orationis ornamenta neglexerit. nam illud quidem adduci vix possum, ut ea, quae senserit ille, tibi non vera videantur.“ Darauf meinte Torquatus: „Da wir dich einmal unbeschäftigt angetroffen haben, darf ich doch gewiss erfahren, woran es liegt, dass du unseren Epikur zwar nicht verabscheust, wie es die gewöhnlich tun, die anderer Meinung sind als er, aber doch jedenfalls nicht anerkennst? Dabei hat er nach meiner Meinung als einziger die Wahrheit gesehen, die Menschen von den schlimmsten Irrtümern befreit und alles gelehrt, was für ein gutes, glückliches Leben wichtig ist. Ich glaube aber, dass du, so wie unser Triarius weniger Gefallen an ihm findest, weil er auf solche stilistischen Glanzlichter wie bei Platon, Aristoteles und Theophrast verzichtet hat. Denn zu der Meinung lasse ich mich kaum bewegen, dass dir das, was er dachte, nicht wahr scheint.“
Gleich zu Beginn des Dialogs positioniert sich die Torquatus-Figur als überzeugter Anhänger Epikurs. Durch die nicht unprovokante Behauptung, Cicero lehne Epikur nur aus stilistischen Erwägungen ab, halte aber dessen Theorie für wahr, versucht Torquatus zunächst, Cicero zu einer Rede gegen Epikur herauszufordern. Dieser erkennt offensichtlich seine Absicht und greift nach einer knappen Richtigstellung, dass ihn sehr wohl der Inhalt störe,30 zu einer kurzen Polemik gegen die epikureische Philosophie.31 Ziel dieser Eröffnung ist es, wie der Cicero-Erzähler selbst anmerkt, die Figur des Torquatus zum Sprechen zu bewegen und sich selbst noch zurückzuhalten (magis ut illum provocarem quam ut ipse loquerer).32 Das Auftreten der Cicero-Figur folgt somit der oben beschriebenen Zurückhaltung des akademischen Weisen gegenüber den sapientes der anderen Philosophenschulen, indem diese Torquatus den Vortritt lässt, ehe sie im zweiten Buch selbst einen ausführlichen Vortrag gegen die epikureische Moralphilosophie hält. Nachdem Torquatus seinen Vortrag, mit dem er Ciceros iudicium erfahren möchte (sententiam meam […] tuum iudicium ut cognoscerem)33 abgeschlossen hat, zeigt sich die comitas der Cicero-Figur, indem sie zunächst erklärt, dessen Vortrag sogar genossen zu haben (admodum delectatus sum eius oratione perpetua), obwohl sie selbst ein Vorgehen bevorzuge, das sich auf einzelne 28 29 30 31 32 33
Cic. fin. 1,14. Ebd. Cic. fin. 1,15. Cic. fin. 1,17–26. Cic. fin. 1,26. Cic. fin. 1,72.
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Fragen konzentriert.34 Der von ihr eingeschlagene Weg eines sokratischen Wechselgesprächs wird jedoch von Torquatus jäh beendet:35 Tum ille: „Finem“, inquit „interrogandi, si videtur, quod quidem ego a principio ita me malle dixeram hoc ipsum providens, dialecticas captiones.“ Da meinte er: „Schluss mit den Fragen, wenn du einverstanden bist! Ich hatte ja schon zu Beginn erklärt, dass ich es so vorziehe; denn gerade das, die dialektischen Spitzfindigkeiten, sah ich kommen.“
Erst Torquatus’ entschiedener Einspruch führt zum Abbruch der von ihm und den Epikureern als dialecticae captiones geschmähten Vorgehensweise im zweiten Buch.36 Die Dialogsituation erweckt dabei den Eindruck, dass Cicero seinem Gesprächspartner zuliebe auf diese Verfahrensweise verzichtet. Das rhetorische Vorgehen in Form der oratio perpetua erfährt somit durch den Dialog seine Rechtfertigung, während gleichzeitig das akademische Profil der Cicero-Figur deutlich wird. In Anbetracht der oben beschriebenen Dialogsituation verwundert es nicht, dass die Epikur vertretende Torquatus-Figur bei ihrer Überzeugung bleibt und sich von der Argumentation Ciceros nicht umstimmen lässt. So wie Torquatus das Gespräch provoziert hat, so führt er auch dessen Ende herbei:37 „Habeo“ inquit Torquatus „ad quos ista referam, et, quamquam aliquid ipse poteram, tamen invenire malo paratiores.“ […] „Age sane“ inquam. „sed erat aequius Triarium aliquid de dissensione nostra iudicare.“ „Eiuro“ inquit adridens „iniquum, hac quidem de re; tu enim ista lenius, hic Stoicorum more nos vexat.“ „Ich habe Leute“, sagte Torquatus, „denen ich deine Argumente berichten kann; ich hätte zwar selbst etwas darauf sagen können, doch ich will lieber Leute ausfindig machen, die besser dafür gerüstet sind.“ […] „Wohlan denn“, sagte ich; „es wäre aber eher ein Urteil des Triarius über unsere Meinungsverschiedenheiten am Platz gewesen.“ „Da protestiere ich“, antwortete Torquatus lachend; „das wäre deplatziert, jedenfalls in dieser Frage. Du gehst ja eher sanft (lenius) vor, während er uns nach Art der Stoiker zusetzt.“
Die Rede Ciceros, die keine eigene, fest umrissene moralphilosophische Konzeption beinhaltet, sondern die des Torquatus attackiert, wird von diesem als „eher sanft“ (lenius) im Vergleich zu einem dritten möglichen Vortrag nach „Art der Stoiker“ (Stoicorum more) eingestuft. Es verwundert nicht, dass der mit einer Affinität zur Stoa gekennzeichnete Triarius im Anschluss zufrieden aus dem Gespräch herausgeht, indem er bekundet, in Zukunft noch mutiger (posthac quidem […] audacius) aufzutreten, da er sich an dem gerade Gehörten bedienen könne (nam haec ipsa mihi erunt in promptu, quae modo audivi).38
34 Cic. fin. 2,3. 35 Cic. fin. 2,17. 36 Zum Abbruch der von Cicero eingeschlagenen „sokratischen“ Vorgehensweise s. auch Gorman (2005) 56–58. 37 Cic. fin. 2,119. 38 Ebd.
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4.2 De finibus III und IV: Cato und Cicero Das Dialoggespräch in De finibus III und IV kommt – anders als das von De finibus I und II – zufällig zustande: Cicero, der sich gerade auf seinem Tusculanum aufhält, trifft M. Porcius Cato unerwartet in der Bibliothek des jungen Lucullus, für den beide eine erzieherische Rolle einnehmen.39 Als Cicero erklärt, dass er in der Bibliothek nach Aufzeichnungen des Aristoteles suche, wird durch eine Klage Catos zum philosophischen Gespräch übergeleitet:40 „Quam vellem“, inquit, „te ad Stoicos inclinavisses! erat enim, si cuiusquam, certe tuum nihil praeter virtutem in bonis ducere.“ „Wie wünschte ich“, rief er, „dass deine Neigung den Stoikern gegolten hätte! Es hätte doch, wenn überhaupt jemand, ganz gewiss zu dir gepasst, nichts als die Tugend für ein Gut zu halten.“
Hierauf entgegnet die Cicero-Figur (mit Blick auf die Erziehung des Lucullus):41 „Vide, ne magis“, inquam „tuum fuerit, cum re idem tibi, quod mihi, videretur, non nova te rebus nomina imponere. ratio enim nostra consentit, pugnat oratio.“ „Sieh zu“, erwiderte ich, „dass es nicht eher deine Aufgabe gewesen wäre, da du doch in der Sache meine Meinung teilst, den Dingen keine neuen Namen zu geben. Im Denken stimmen wir ja überein, nur in der Ausdrucksweise gibt es einen Gegensatz.“
Durch den Einwurf der für den Vertreter der Stoa provokanten These einer inhaltlichen Übereinstimmung von Stoa und Peripatos lockt Cicero diesen zum philosophischen Meinungsaustausch der Bücher III und IV, wobei er erneut erst im Anschluss an den Vortrag des Vertreters der konkurrierenden Philosophenschule das Wort ergreift. Hierbei passt er sich der argumentativen Methodik der Gegenseite erneut an, indem auf eine Vorgehensweise im Stil sokratischer Fragen zugunsten zusammenhängender Vorträge verzichtet wird.42 Darüber hinaus zeigt sich die comitas der Cicero-Figur im Vorfeld von Catos oratio, indem sie erklärt, diesem bei vielleicht auftretenden Übersetzungsschwierigkeiten stoischer Begriffe beizustehen (sedulo […] faciam).43 Vor Beginn der eigenen Rede lobt die Cicero-Figur wie zuvor bereits im zweiten Buch den Vortrag des Gesprächspartners, indem sie ihm attestiert, mit „große Gedächtniskraft“ (memoriter) und „einleuchtender Klarheit“ (dilucide) referiert zu haben.44 Trotz der Kritik, die Cicero gegen die Lehre der Stoa hervorbringt, bleibt Cato, wie zuvor Torquatus in De finibus II, seiner philosophischen Überzeugung treu, wie das Gesprächsende zeigt:45
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Cic. fin. 3,7–8. Cic. fin. 3,10. Ebd. Cic. fin. 3,14. Cic. fin. 3,16. Cic. fin. 4,1. Cic. fin. 4,80.
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Johannes Sedlmeyr „Nos vero“, inquit ille; „nam quid possumus facere melius? et hanc quidem primam exigam a te operam, ut audias me quae a te dicta sunt refellentem. sed memento te, quae nos sentiamus, omnia probare, nisi quod verbis aliter utamur, mihi autem vestrorum nihil probari.“ „Scrupulum“, inquam, „abeunti; sed videbimus.“ „O ja“, erwiderte er; „was könnten wir denn Besseres tun? Und den Gefallen will ich jedenfalls als ersten von dir fordern, dass du mir zuhörst, wenn ich das widerlege, was du gesagt hast. Doch denke daran, dass du alle meine Auffassungen, abgesehen von meiner anderen Ausdrucksweise, billigst, während mir an eurer Lehre nichts einleuchtet.“ „Das gibt mir zum Abschied noch einen Stich“, erwiderte ich; „doch wir werden sehen.“
Anders als Torquatus, der zwar ebenfalls nicht auf Ciceros Seite übertritt, jedoch eine gewisse Unsicherheit zu erkennen gibt,46 zeigt sich Cato fast schon „penetrant selbstsicher“.47 Es lässt sich somit konstatieren, dass die Gesprächsenden in De finibus II und IV der unter 1. beschriebenen Mustersituation dahingehend entsprechen, dass die jeweiligen Vertreter von Kepos und Stoa nicht von ihrem ursprünglichem Standpunkt weichen. Zwar wird Cato nicht als eine dezidiert raue oder übermäßig strenge (asper, severus) Persönlichkeit gezeigt, doch tritt er ernster auf als sein epikureischer Gegenspieler Torquatus im ersten Buch. Die Ciceros Namen tragende Figur kontrastiert sich zu denen beider Gesprächspartner, indem sie diesen den Vortritt lässt und sich methodisch an deren Diskursvorstellungen anpasst. Nachdem er mittels seiner Figur die Positionen von Kepos und Stoa argumentativ ins Wanken gebracht hat, präsentiert sich dem Leser nur der erkenntniskritische Standpunkt der von ihm verkörperten Akademie als die der Wahrheit am nächsten kommende Option. 4.3 Ausblick: De natura deorum Ein weiterer Vergleichspunkt zeigt sich in der Dialogsituation von De natura deorum, in der die Rolle des Vertreters der Akademie auf Cotta fällt.48 Dabei lässt sich feststellen, dass auch Cotta zuerst die Vertreter von Kepos und Stoa (I. Velleius, II. Balbus) ihre Position darlegen lässt, ehe er sich selbst zur philosophischen Frage äußert und sich der Widerlegung der vorgetragenen Standpunkte widmet. Auf seine Gegenrede zu Velleius erfährt Cotta die Zustimmung von Balbus,49 auf seine Gegenrede zu Balbus die des Velleius (Velleio Cottae disputatio verior).50 Ein direktes Aufeinandertreffen einer stoischen und einer epikureischen Dialogfigur wird jedoch durch die Präsenz der zentralen Gesprächsfigur Cotta vermieden, auf dessen Landgut die Konversation stattfindet. Die Dialogfigur ist nicht nur als Vertreter der Akademie gezeichnet, sondern verfügt darüber hinaus auch über ein dezidiert römisches Profil, welches etwa zur Geltung kommt, wenn Balbus Cotta an seine hohe gesellschaftliche Stellung erinnert (teque et principem 46 47 48 49 50
Cic. fin. 2,119. Gigon/Straume-Zimmermann (1988) 537. Zur Szenerie von De natura deorum s. MacKendrick (1989) 169. Cic. nat. deor. 2,2–3. Cic. nat. deor. 3,95.
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civem et pontificem)51 oder er den Meinungen römischer Vorfahren (opiniones, quas a maioribus accepimus) wie Laelius in Fragen zur Religion eine Priorität gegenüber den (stoischen) Philosophen Zenon, Kleanthes und Chrysipp einräumt.52 Anders als im Fall der politisch eher unbedeutenden Römer Velleius und Balbus53 lässt Cicero mit ihm eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens die Positionen der Akademie vertreten, wodurch indirekt impliziert wird, dass die aus dieser philosophischen Tradition erwachsende Grundhaltung die für den römischen nobilis angemessenere darstellt, worin sich der bereits in Pro Murena eingeschlagene Grundtenor wiederspiegelt. Auch zeigt sich in der Cotta-Figur ein dezidiert humaner Charakter: So wird bereits seine freundliche Vortragsweise (comiter, ut solebat) jener der demonstrativ selbstbewusst auftretenden VelleiusFigur (fidenter sane, ut solent isti) positiv gegenübergestellt.54 Darüber hinaus lobt er selbst die Darstellung des epikureischen Mitdiskutanten ausdrücklich55 und meidet eine zu harsche Kritik an den beiden Standesgenossen.56 5. FAZIT Insgesamt lassen sich deutliche Parallelen zwischen der fingierten Gesprächssituation um den akademischen Weisen, die in Augustinus’ Paraphrase herausgestellt wurde, und den angeführten Gesprächssituationen in Ciceros Dialogen erkennen. Die verschiedenen Dialogfiguren fungieren zwar nicht selbst als Personifikationen der sapientes der von ihnen vertretenen philosophischen Lehrmeinungen, doch lassen sich vor allem mit Blick auf die akademischen Sprecher markante Parallelen beobachten: So gewähren Cicero und Cotta den Vertretern von Stoa und Kepos stets den Vortritt und sie äußern ihre Kritik an den Lehrmeinungen im Anschluss an die ausführlichen Darlegungen ihrer Gesprächspartner, welche ihrer ursprünglichen Meinung stets treu bleiben. Die akademischen Gesprächsfiguren verbinden dabei gebotene römische humanitas mit einem dezidiert zurückhaltenden Auftreten, das weder die eigene dignitas noch die des Vertreters der Gegenposition mindert.
51 Cic. nat. deor. 2,168; zur Charakterisierung von Cotta als Akademiker und Priester vgl. Süß (1971) 169. 52 Cic. nat. deor. 3,5. 53 Trotz einer diffizilen Quellensituation lässt sich folgern, dass weder Balbus noch Velleius ein höheres Amt als die Quästur erreicht haben. S. hierzu Münzer (1927); Ziegler (1955); Gruen (1974) 574. 54 Cic. nat. deor. 1,18 und 57. 55 Cic. nat. deor. 1,59. 56 Es lässt sich natürlich nicht gänzlich ausschließen, dass durch das im Dialog vorgetragene Lob nicht auch ein Eigenlob des Autors mittels Selbsttranszendierung desselben zum Ausdruck gebracht werden soll, wie dies Hösle an vergleichbaren Stellen in De re publica erkennt; Hösle (2004) 159f. und allgemeiner zur Beziehung zwischen dialoginternem und -externem Lob Hösle (2006) 70.
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Die Gestaltung der Figuren in den Dialogen Ciceros scheint dahingehend – zumindest was die akademischen Gesprächspartner angeht – nicht nur von römisch-aristokratischen Wertvorstellungen inspiriert worden zu sein, sondern auch in einer akademischen Argumentationskultur, in der ein Academicus sapiens den sapientes anderer Schulen gegenübergestellt wurde. Cicero dürfte selbst erkannt haben, dass es sich bei dieser Idealfigur nicht um einen Idealtypus handelte, wie er in Stoa und Kepos den jeweiligen Anhängern gelehrt wurde, sondern ihr primärer Zweck in der Argumentation gegen diese lag. Während jedoch der epikureische Weise aufgrund der aus Epikurs Moralphilosophie erwachsenden Implikationen gegenüber einem römisch-aristokratischen Publikum einen schweren Stand hatte, scheiterte der stoische Weise aufgrund seiner Wirklichkeitsferne und der als inhuman empfundenen Rigorosität. Im Academicus sapiens fand Cicero nicht nur einen Repräsentanten der von ihm präferierten philosophischen Tradition, sondern auch ein Modell, das sich mit dem mos maiorum am ehesten verbinden ließ und sich dadurch günstig auf sein Ziel auswirkte, die Philosophie in Rom einzubürgern. Den nach diesem Modell inszenierten Figuren (Cicero, Cotta) kommt dahingehend in zweierlei Hinsicht eine tragende Rolle zu, indem sie den Vertretern des Kepos (Torquatus, Velleius) und der Stoa (Cato, Balbus) nicht nur eine akademische, sondern auch eine römische Sichtweise entgegenstellen. LITERATURVERZEICHNIS Primärliteratur Plasberg (1922): M. Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia, fasc. 42, Academicorum reliquiae cum Lucullo, ed. Otto Plasberg, Leipzig, Nachdr. Stuttgart 1980. Plasberg (1961): M. Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia, fasc. 45, De natura deorum, ed. Otto Plasberg, Stuttgart. Schiche (1915): M. Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia, fasc. 43, De finibus bonorum et malorum, ed. Theodor Schiche, Stuttgart/Leipzig, Nachdr. 1993.
Kommentare und Übersetzungen Adamietz (1989): Marcus Tullius Cicero, Pro Murena, komm. von Joachim Adamietz, Darmstadt (Texte zur Forschung 55). Fantham (2013): Cicero’s Pro L. Murena oratio, eingeleitet und komm. von Elaine Fantham, Oxford. Fuhrmann (1970): Marcus Tullius Cicero, Sämtliche Reden, Bd. 2, eingeleitet, übers. und erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich. Gigon/Straume-Zimmermann (1988): Marcus Tullius Cicero, Über die Ziele des menschlichen Handelns. De finibus bonorum et malorum, hrsg., übers. und komm. von Olof Gigon und Laila Straume-Zimmermann, München/Zürich. Reid (1885): M. Tulli Ciceronis Academica, ed. u. komm. von James S. Reid, London, Nachdr. Hildesheim/New York/Zürich 1984.
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Schäublin/Graeser (1995): Marcus Tullius Cicero, Akademische Abhandlungen. Lucullus. Lateinisch-Deutsch, ed. und übers. von Christoph Schäublin, Einleitung von Andreas Graeser und Christoph Schäublin, Anmerkungen von Andreas Bächli und Andreas Graeser, Hamburg (Philosophische Bibliothek 479). Voss u. a. (1972): Augustinus, Philosophische Frühdialoge. Gegen die Akademiker. Über das Glück. Über die Ordnung, eingeleitet, übers. und erläutert von Bernd Reiner Voss, Ingeborg Schwarz-Kirchenbauer und Ekkehard Mühlenberg, Zürich/München.
Sekundärliteratur Becker (1938): Ernst Becker, Technik und Szenerie des ciceronischen Dialogs, Osnabrück. Bringmann (2010): Klaus Bringmann, Cicero, Darmstadt. Fuhrer (1992): Therese Fuhrer, „Das Kriterium der Wahrheit in Augustinus Contra Academicos“, Vigiliae Christianae 46, 257–275. Görler (1997): Woldemar Görler, „Cicero’s Philosophical Stance in the Lucullus“, in: Brad Inwood und Jaap Mansfeld (Hgg.), Assent and Argument: Studies in Cicero’s Academic Books, Köln/Leiden/New York (Philosophia antiqua 76), 36–57. Gorman (2005): Robert Gorman, The Socratic Method in the Dialogues of Cicero, Stuttgart (Palingenesia 86). Gruen (1974): Erich S. Gruen, The Last Generation of the Roman Republic, Berkley/London/Los Angeles. Haltenhoff (1998): Andreas Haltenhoff, Kritik der akademischen Skepsis: Ein Kommentar zu Cicero, Lucullus 1–62, Frankfurt am Main u. a. (Studien zur klassischen Philologie 113). Haltenhoff (2000): Andreas Haltenhoff, „Cicero und die Philosophie“, in: Andreas Haltenhoff und Fritz-Heiner Mutschler (Hgg.), Hortus litterarum antiquarum. Festschrift für Hans Armin Gärtner zum 70. Geburtstag, Heidelberg (Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften 109), 219–233. Hempfer u. a. (2001): Klaus W. Hempfer u. a., „Performativität und episteme. Die Dialogisierung des theoretischen Diskurses in der Renaissance-Literatur“, in: Erika Fischer-Lichte und Christoph Wulf (Hgg.), Theorien des Performativen, Berlin (Paragrana 10,1), 65–90. Hirzel (1895): Rudolf Hirzel, Der Dialog. Ein literaturhistorischer Versuch, Leipzig. Hösle (2004): Vittorio Hösle, „Eine Form der Selbsttranszendierung. Philosophische Dialoge bei Cicero und Platon und ihre Bedeutung für die Philologie“, Hermes 132, 152–166. Hösle (2006): Vittorio Hösle, Der philosophische Dialog. Eine Poetik und Hermeneutik, München. Lefèvre (1988): Eckard Lefèvre, „Cicero als skeptischer Akademiker. Eine Einführung in die Schrift Academici libri“, in: Hans W. Schmidt und Peter Wülfing (Hgg.), Antikes Denken – Moderne Schule. Beiträge zu den antiken Grundlagen unseres Denkens, Heidelberg (Gymnasium Beihefte 9), 108–132. Lévy (1992): Carlos Lévy, Cicero Academicus. Recherches sur les Académiques et sur la philosophie cicéronienne, Paris (Collection de l’École française de Rome 162). MacKendrick (1989): Paul MacKendrick, The Philosophical Books of Cicero, London. Müller (2011): Gernot Michael Müller, „Warum zögert Crassus? Aspekte der Dialoghandlung in Ciceros De oratore“, Antike und Abendland 57, 39–55. Müller (2015): Gernot Michael Müller, „Transfer und Überbietung im Gespräch. Zur Konstruktion einer römischen Philosophie in den Dialogen Ciceros“, Gymnasium 122, 275–301. Münzer (1927): Friedrich Münzer, s.v. Lucilius, 20. Q. Lucilius Balbus, RE XIII 2, Sp. 1640. Neuhausen (1987): Karl August Neuhausen, „Academicus sapiens. Zum Bild des Weisen in der Neuen Akademie“, Mnemosyne 40, 353–390. Schäublin (1992): Christoph Schäublin, „Kritisches und Exegetisches zu Ciceros Lucullus“, Museum Helveticum 49, 41–52.
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Steel (2005): Catherine Steel, Reading Cicero. Genre and Performance in Late Republican Rome, London. Steel (2013): Catherine Steel, „Structure, Meaning and Authority in Cicero’s Dialogues“, in: Sabine Föllinger und Gernot Michael Müller (Hgg.), Der Dialog in der Antike. Formen und Funktionen einer literarischen Gattung zwischen Philosophie, Wissensvermittlung und dramatischer Inszenierung, Berlin/Boston (Beiträge zur Altertumskunde 315), 221–234. Striker (1981): Gisela Striker, „Über den Unterschied zwischen den Pyrrhoneern und den Akademikern“, Phronesis 26, 153–171. Süß (1971): Wilhelm Süß, „Die dramatische Kunst in den philosophischen Dialogen Ciceros“, in: Karl Büchner (Hg.), Das neue Cicerobild, Darmstadt (Wege der Forschung 27), 155–178 (erstmals erschienen in: Hermes 80, 1952, 419–436). Ziegler (1955): Konrad Ziegler, s.v. Velleius, 1. C. Velleius, RE VIII A 1, Sp. 637. Zoll (1962): Gallus Zoll, Cicero Platonis aemulus. Untersuchung über die Form von Ciceros Dialogen, besonders von De oratore, Zürich.
QUINTE FRATER, SI MEMORIA TENES Ciceros Familienporträt im Paratext (Cic. de orat. 2,1–3) Sabine Retsch 1. EINLEITUNG1 In dem als Dialog angelegten und im Jahre 55 v. Chr. fertiggestellten2 Werk De oratore lässt M. Tullius Cicero die beiden Redner L. Licinius Crassus und M. Antonius3 über die Kunst der Beredsamkeit sowie die Prämissen, unter denen ein Redner zum orator perfectus zu avancieren vermag, diskutieren. In gänzlich römischem Setting4 findet das Gespräch im Jahre 91 v. Chr. an den Tagen der ludi Romani5 auf dem Landgut des Crassus in Tusculum unter Beteiligung fünf weiterer Personen (Q. Mucius Scaevola, C. Aurelius Cotta, P. Sulpicius Rufus, Q. Lutatius Catulus und C. Iulius Caesar Strabo)6 verschiedenen Alters, die allesamt der Nobilität angehören,7 statt. Strukturell werden die drei Bücher bzw. Einzelgespräche8 des Werkes in aristotelischer Tradition9 durch je ein Proömium10 eingeleitet, wobei Cicero in
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Für hilfreiche Anregungen im Rahmen der Diskussion zu meinem auf der Tagung, die dem Sammelband vorausging, gehaltenen Vortrag in Eichstätt möchte ich Peter von Möllendorff sowie Gernot Michael Müller an dieser Stelle herzlich danken. Zum Zeitpunkt der Publikation s. Att. 4,13,2; s. zudem Wilkins (1892) 3; zum historischen Hintergrund der Entstehung des Werkes s. Zarecki (2014) 62–68. Zum Leben der historischen Persönlichkeiten Crassus und Antonius sowie ihrer Figurengestaltung im Dialog s. Wilkins (1892) 8–17; Meyer (1970) 24–135; E. Rawson (1971) v. a. 82–85; Fantham (2004) 26–48; G. M. Müller (2011). S. dazu Hirzel (1895) 491–492; Becker (1938) 11–25; Steidle (1952); Zoll (1962) 98–99; von Albrecht (2003) 222; Fantham (2004); Connolly (2007) 98–99. Informationen zum Hintergrund der Diskussion, die sich tatsächlich ereignet haben soll, gibt Cicero explizit in de orat. 1,24–29, de orat. 2,12 und de orat. 3,17 und nennt als Gewährsmann den an der Gesprächsrunde teilnehmenden C. Aurelius Cotta, so etwa in de orat. 1,26: […] Cotta […] narrabat […] (der lateinische Text von De oratore folgt der OCT-Ausgabe von Wilkins [1902]). Zur Technik des Personenwechsels Scaevola-Catulus/Caesar nach dem ersten Gespräch s. Becker (1938) 28 mit Verweis auf Att. 4,16,3. Vgl. Meyer (1970) 21. Zur Aufteilung des Dialogs in einzelne Gespräche mit fortlaufendem Thema s. Becker (1938) 5–7; zur Definition des Dialogs als „Erörterung in Gesprächsform“ s. Hirzel (1895) 7; Görgemanns (1997a) 517.
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ihnen zwei weitere literarische Figuren anlegt: die seines eigenen (Autor-)Ichs sowie die seines jüngeren Bruders Quintus. Was die Gesprächsinteraktion zwischen diesen, abseits der Dialogszenerie verorteten Figuren angeht, so erfolgt sie in Abhängigkeit der Maxime des schriftlichen Kommunikationsmediums Brief,11 da die drei Proömien durch mehrfache direkte Anreden an Quintus12 formal als Widmungsbriefe13 markiert werden. Die Gesprächsführung unterliegt daher dem Adressanten, d. h. der Schreiberfigur Cicero, während die Quintusfigur aufgrund der briefspezifischen Kommunikationssituation als abwesendes Gegenüber – anders als die Interaktionsfiguren in der eigentlichen Dialogszenerie – zu keiner unmittelbaren Reaktion befähigt ist und als stummer Rezipient der Widmung respektive als Widmungsträger wirkt, wobei er zugleich zum Stellvertreter der Leserschaft des Werkes avanciert.14 Für den historischen Quintus15 mag seine literarische Präsenz in den drei Widmungsbriefen von De oratore als Ausdruck von Ciceros Verbundenheit,16 Wertschätzung oder sogar Ehrerbietung ihm gegenüber zu werten gewesen sein. Gleichwohl belegt die brüderliche Briefkorrespondenz Epistulae ad Quintum fratrem für Quintus kein tiefergehendes Interesse an der Theorie der Redekunst, denn Rhetorik spielt in den 27 erhaltenen Schreiben des Zeitraums 60/59–54 v. Chr. thematisch nur eine marginale Rolle: Es werden lediglich vereinzelt Reflexe der praktischen Seite der Beredsamkeit aus Ciceros Alltag als Redner vor Gericht greifbar.17 Obwohl Quintus demnach zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes 9
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Fam. 1,9,23: […] scripsi igitur Aristotelio more, quem ad modum quidem volui, tris libros in disputatione ac dialogo ‚de oratore‘ […] (der lateinische Text der Epistulae ad familiares folgt der OCT-Ausgabe von Watt [1982]); s. hierzu Schofield (2008) 76, der darauf hinweist, dass die Bemerkung zum Aristotelius mos vor allem auf die Präsenz des Autors in den Proömien abziele; zu Ciceros Anlehnung an Platon und Aristoteles s. in Bezug auf die Gesprächsführung seiner Dialoge Becker (1938) 31–43 und umfassender Zoll (1962) 12–124, v. a. 73–124. Erläuterungen zur Terminologie prooemium (respektive praefatio), Reflexionen zur Gattungszugehörigkeit und eine systematische Übersicht zur Entwicklung der praefatio bis zum spätantiken Autor Claudian werden vorgelegt in Felgentreu (1999) 13–57; zur Charakteristik prosaischer Proömien s. Janson (1964) v. a. 158–161. Zum antiken Brief s. die einschlägige Forschungsliteratur: Dziatzko (1897); Peter (1901); Sykutris (1931); Kytzler (1965); Schmidt (1967); Thraede (1970); W. Müller (1994); Görgemanns (1997b); Görgemanns/Zelzer (1997); Schmidt (1997); zur ciceronischen Briefkorrespondenz s. Hutchinson (1998); White (2010). Frater (de orat. 1,4); Quinte frater (de orat. 1,1; de orat. 2,1; de orat. 3,1; de orat. 3,13); mi frater (de orat. 1,23); carissime frater atque optime (de orat. 2,10). Vgl. Zoll (1962) 89. Vgl. Ruch (1958) 186; Culpepper Stroup (2013) 135; zur Funktion eines Widmungsträgers sowie dem Zusammenhang zwischen ihm und der Leserschaft des Werkes s. Baraz (2012) 150–186 (speziell zu Cicero); Genette (2014) 128–132, v. a. 131–132 (allgemein). Zum historischen Quintus s. Drumann (1844); Wiemer (1930); Münzer (1948); McDermott (1971). Vgl. Zoll (1962) 93. Cicero berichtet seinem Bruder beispielsweise in Q. fr. 2,3 und Q. fr. 2,4 vom Prozess gegen P. Sestius, der dank seiner Verteidigung freigesprochen worden sei.
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De oratore selbst über keine nennenswerten Kompetenzen auf dem Gebiet der Redekunst zu verfügen scheint,18 ist Ciceros Kompositionsverfahren, ihn nicht als aktiven Gesprächsteilnehmer innerhalb der Dialogszenerie einzusetzen, keinesfalls als Diskreditierung seiner Person zu werten. Vielmehr liegt dies angesichts der Tatsache, dass der Dialog in der Vergangenheit angesiedelt ist19 und eine Diskussionsbeteiligung des erwachsenen Bruders einen gänzlich unerfreulichen, da die Illusion der Historizität20 zerstörenden und daher zu vermeidenden Anachronismus erzeugt hätte, auf der Hand.21 Da die Cicero-Brüder im Jahre 91 v. Chr., in dem das Gespräch über die Redekunst Ciceros Angaben zufolge stattgefunden haben soll, mit etwa 15 bzw. 11 Jahren22 noch viel zu jung dafür waren, um im Kreise der äußerst angesehenen Redner Crassus und Antonius (de orat. 1,23: nostrorum hominum eloquentissimorum […]. […] eorum, quibus summa dicendi laus a nostris hominibus concessa est) mitdiskutieren zu können, konnte Cicero sich selbst wie auch Quintus als literarische Konstrukte nur außerhalb der Dialogszenerie in den die drei Bücher rahmenden Proömien (bzw. Widmungsbriefen) – in Genette’scher Terminologie den sogenannten Paratexten23 des Werkes – positionieren. Dies brachte durchaus Vorteile mit sich, denn Genettes Paratexttheo18
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Vielmehr wolle Quintus, so Ciceros Worte, von ihm lernen, de orat. 2,11: […] qui prudentiam rationemque dicendi per te ipsum, usum autem per nos percipere voluisti. – „[…] der du die Wissenschaft und Theorie der Redekunst von dir selbst aus, die Praxis aber von mir erlernen wolltest.“ Die deutsche Übersetzung der Passagen aus De oratore stammt aus Merklin (2006), mit orthographischen Anpassungen. Zur Gesprächszeit und dem memoria-Motiv als Mittel zur „Platonisierung des Aristoteles“ (78) s. Zoll (1962) 75–82. Zu Fiktion und Historizität in Ciceros De oratore s. Meyer (1970) 7–10; zum Bestreben des antiken Dialogs, die Leserschaft von der Historizität des Geschehens zu überzeugen, als Gattungsmerkmal s. Bardy/Herrmann (1957) 939. Mit Blick auf das zweite Proömium vertreten Leeman/Pinkster/Nelson (1985) die Ansicht, „jeder Leser gewesen, dass Cic. im wesentlichen eigene Überzeugungen vortrug“ (186–187); zur Problematik von Ciceros Proömieneinfügung angesichts der intendierten Illusionserzeugung platonischer Dialoge s. Zoll (1962) 88. S. hierzu Becker (1938) 2. Dass Cicero seinen Bruder in den späteren Werken De legibus (55 v. Chr.) und De divinatione (44 v. Chr.) als tatsächlich interagierende Gesprächsfigur in Szene setzt, ist als Indiz dafür zu werten, dass er auf funktionaler Ebene durchaus ein gewisses Potenzial in ihm sieht, etwa in De divinatione als Vertreter der stoischen Position hinsichtlich der Weissagung. Im Falle von De legibus hält er ihn dagegen dafür geeignet, „einen eher konservativ gezeichneten, philosophiedistanten Leser“ (179) zu verkörpern, so Sauer (2013) v. a. 174–179. Bei Annahme der Geburtsjahre 106 v. Chr. (Cicero) bzw. 102 v. Chr. (Quintus) wären die Brüder im Jahre 91 v. Chr. 15 (Cicero) bzw. 11 Jahre (Quintus) alt gewesen; zur Rekonstruktion von Quintus’ nicht überliefertem Geburtsjahr s. Wiemer (1930) 3. Nach Genette (2014) v. a. 9–21 fungieren „verbale[r] oder auch nicht-verbale[r] Produktionen“ (9) wie etwa Autornamen, Buchtitel, Widmungen bzw. Zueignungen, Zwischentitel, Anmerkungen, Illustrationen oder auch biographische Fakten (diese jedoch jenseits der textuellen Ebene) als Paratext eines Werkes, d. h. als „Beiwerk, durch das ein Text zum Buch“ (10) werde. Zur Anwendung der Paratexttheorie auf römische Texte s. den von Jansen (2014) vorgelegten Sammelband (v. a. die Einleitung, 1–18).
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rie zufolge schafft ein Paratextelement gemeinhin „[…] nicht bloß eine Zone des Übergangs, sondern der Transaktion: den geeigneten Schauplatz für eine Pragmatik und eine Strategie, ein Einwirken auf die Öffentlichkeit im gut oder schlecht verstandenen oder geleisteten Dienst einer besseren Rezeption des Textes oder einer relevanteren Lektüre – relevanter, versteht sich, in den Augen des Autors und seiner Verbündeten“24 – was bedeutet, dass Cicero gerade an diesem für die Lenkung der Rezeptionshaltung des Lesers prädestinierten Ort mittels der literarischen Inszenierung seiner eigenen Person über die zwischengeschaltete Adressatenfigur Quintus besonders deutlich in Kommunikation mit seiner Leserschaft, dem Adressaten auf zweiter Ebene, treten kann.25 Quintus ist indes nicht das einzige Familienmitglied Ciceros, das Eingang in die paratextuelle Rahmung des Dialogs De oratore fand. Zu Beginn des zweiten Proömiums (de orat. 2,1–3) rekurriert Cicero in einer Rückblende in die Vergangenheit, die sich auf die eigene schulische Ausbildung fokussiert, neben seinem Bruder auf weitere, mit einer Ausnahme männliche Personen aus dem näheren familiären Umfeld: seinen eigenen Vater (pater noster), seinen Onkel väterlicherseits (L. Cicero patruus), seine Tante mütterlicherseits (nostra matertera) und deren Ehemann (C. Aculeo propinquus noster) sowie eine nicht näher bezifferte Anzahl an Cousins (consobrini nostri). In keinem anderen Dialog Ciceros oder den diesen vorausgeschalteten Proömien findet sich eine vergleichbare Verwandtenschau und auch die biographisch anmutende, persönliche Atmosphäre, die der vermeintlich unverstellte Blick in die Kindheit bzw. Jugend des Autors in diesem Passus zu evozieren scheint, hat im ciceronischen Œuvre keine Parallele. Diese Singularität soll im Folgenden unter der Fragestellung des Sammelbandes näher beleuchtet werden und zugleich in einen Kontext mit dem Umstand, dass Cicero mit Quintus gerade ein weiteres Familienmitglied als Widmungsträger des Werkes wählte, gebracht werden. Ausgehend von einer umfassenden Analyse des im Passus de orat. 2,1–3 verorteten Personengefüges und des Funktionsspektrums der einzelnen Familienmitglieder Ciceros, werde ich die funktionale Gestaltung der literarischen Quintusfigur in den Fokus rücken und aufzeigen, inwiefern Cicero seiner Leserschaft26 mittels der Figur seines Bruders im Kontext der Stellungnahme zu einem vormaligen Gerücht betreffs des Bildungsgrades von Crassus und Antonius eine Antwort auf seinen eigenen familiären (Bildungs-)Hintergrund zu geben vermag.
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Genette (2014) 10. Zur Instanz des auktorialen Vorworts und ihrer Funktion s. Genette (2014) 157–227, v. a. 191; zu den ciceronischen Proömien als Ort der „Geleitworte des Autors an den Leser“ (8) s. Becker (1938) 7–10. 26 Zur intendierten Leserschaft ciceronischer Werke s. Murphy (1998).
Ciceros Familienporträt im Paratext (Cic. de orat. 2,1–3)
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2. CICERO, DE ORAT. 2,1–3 Zu Beginn des zweiten Proömiums des Dialogs De oratore wendet Cicero sich direkt an seinen Bruder Quintus und ruft ein Gerücht (magna […] opinio) in Erinnerung, das in ihrer Kindheit27 (nobis pueris) bezüglich der Redner Crassus und Antonius kursiert sei:28 Magna nobis pueris, Quinte frater, si memoria tenes, opinio fuit L. Crassum non plus attigisse doctrinae, quam quantum prima illa puerili institutione potuisset; M. autem Antonium omnino omnis eruditionis expertem atque ignarum fuisse; erantque multi qui, quamquam non ita se rem habere arbitrarentur, tamen, quo facilius nos incensos studio discendi a doctrina deterrerent, libenter id, quod dixi, de illis oratoribus praedicarent, ut, si homines non eruditi summam essent prudentiam atque incredibilem eloquentiam consecuti, inanis omnis noster esse labor et stultum in nobis erudiendis patris nostri, optimi ac prudentissimi viri, studium videretur. Als wir noch Kinder waren, mein Bruder Quintus – du erinnerst dich vielleicht –, glaubte man weithin, L. Crassus habe sich mit theoretischer Bildung nicht mehr befasst, als es damals am Anfang des Schulunterrichts möglich gewesen sei, M. Antonius aber habe überhaupt keinerlei Unterricht erhalten und gekannt. Zwar glaubten viele keineswegs, dass es sich so verhielt, doch rühmten sie das, was ich sagte, gern an jenen Rednern, um uns desto leichter in unserem Lerneifer von einer wissenschaftlichen Ausbildung abzuschrecken: Wenn Leute ohne theoretische Ausbildung zu so souveräner Einsicht und unglaublicher Beredsamkeit gekommen seien, sollten alle unsere Anstrengungen sinnlos und unseres Vaters, dieses trefflichen und klugen Mannes, Eifer für unsere Ausbildung töricht scheinen.
Mit dem Einschub si memoria tenes deutet Cicero an, dass er nicht sicher sei, ob Quintus sich noch an die einstige Begebenheit erinnere, und rechtfertigt damit die Auffrischung an folgende Begebenheit:29 Man30 habe damals geglaubt, Crassus und Antonius hätten nur wenig oder sogar überhaupt keinen theoretischen Unterricht (doctrina) genossen,31 und man habe darüber hinaus in der Folge versucht, gerade mit dem Argument, dass die beiden dennoch zu größter Klugheit (summam 27 Zu römischen Alterskonzepten in der Antike s. Timmer (2008) 134–149. 28 Cic. de orat. 2,1. 29 Wer das Gerücht freilich noch nicht kennt, ist der Adressat auf zweiter Ebene, d. h. die Leserschaft des Werkes. 30 Laut Meyer (1970) handelt es sich dabei um „aristokratische(n) Standesdünkel“ (36). 31 Den Grundstein für das Gerücht legten Crassus und Antonius im Übrigen selbst, so de orat. 2,4: Sed fuit hoc in utroque eorum, ut Crassus non tam existimari vellet non didicisse, quam illa despicere et nostrorum hominum in omni genere prudentiam Graecis anteferre; Antonius autem probabiliorem hoc populo orationem fore censebat suam, si omnino didicisse numquam putaretur; atque ita se uterque graviorem fore, si alter contemnere, alter ne nosse quidem Graecos videretur. – „Aber dies lag im Wesen der beiden: Crassus wollte weniger den Eindruck erwecken, er habe nicht studiert, als vielmehr, er schätze jene Studien gering, und ziehe das Wissen unserer Landsleute auf jedem Gebiet dem der Griechen vor; Antonius aber war der Meinung, auf unser Volk werde seine Rede überzeugender wirken, wenn man von ihm glaube, er habe überhaupt niemals Unterricht erhalten. Und so meinten beide, sie würden eine nachdrücklichere Wirkung erzielen, der eine, wenn er die Griechen zu verachten, der andere, wenn er sie nicht einmal zu kennen scheine.“ S. hierzu Meyer (1970) 36.
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[…] prudentiam)32 und unglaublicher Eloquenz (incredibilem eloquentiam) gelangt seien, Cicero und Quintus,33 die von ihrem Vater in Ausbildungsbelangen umsichtig gefördert worden seien, vom Lernen abzuhalten, da dies einer Sinnhaftigkeit entbehre (inanis omnis noster esse labor et stultum in nobis erudiendis patris nostri […] studium videretur). Zunächst scheint diese Passage primär den Anspruch zu erheben, sich mit dem Bildungsgrad der beiden Hauptredner des Dialogs auseinanderzusetzen und auf eine eingehendere Charakterisierung aus historisch-biographischer Perspektive abzuzielen.34 Indem Cicero jedoch referiert, dass Crassus und Antonius ihm selbst und Quintus in Kindheitstagen als lebende Beispiele für die (vermeintliche!) Nutzlosigkeit ihres eigenen Lerneifers vor Augen geführt worden seien, schafft er strukturell eine erste, noch indirekte Verbindung zwischen sich selbst, seinem Bruder und den beiden Hauptpersonen der Dialogszenerie, ohne dass aus seinen Worten hervorgeht, ob sie sich damals auch persönlich kannten. Er verknüpft das Proömium an dieser Stelle nicht nur auf figuraler, sondern auch auf inhaltlicher Ebene mit dem eigentlichen Dialoggeschehen, da die Frage nach der Bildung eines Redners essenzieller Bestandteil der dort stattfindenden Diskussion ist.35 Auf den zweiten Blick wird indes deutlich, dass Cicero in diesem paratextuellen Passus nicht nur einen zum Dialog auffallend passenden Aspekt aufgreift, sondern vielmehr auch geschickt sich selbst, seinen Bruder, ihren gemeinsamen Vater sowie vor allem das sie verbindende Bemühen um eine fundierte Ausbildung in jungen Jahren in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Dass die von ihm skizzierten früheren negativen Einflüsse von außen in ihrem und besonders in seinem eigenen Fall fruchtlos geblieben waren, muss Cicero nicht explizit erwähnen, denn er kann seitens der Leserschaft mit dem biographischen (Vor-)Wissen um seine eigene Person, das als außerliterarischer Paratext36 zum Tragen kommt, rechnen: Die zurückliegenden Jahre hatten bewiesen, dass Ciceros hier beschriebener einstiger kindlicher Eifer von besonderem Erfolg gezeichnet war, da er seine Beschäftigung mit Themen der Bildung stetig fortsetzte,37 im Laufe der Zeit 32 Nach Leeman/Pinkster/Nelson (1985) gründet prudentia im Gegensatz zur eruditio auf „praktischer Erfahrung“ (190). 33 Vermutlich waren nicht nur die jungen Cicero-Brüder das Ziel des Appells, sondern darüber hinaus noch ein weiterer, aber hier nicht näher definierter Kreis, vgl. Meyer (1970) 36. 34 Zur Interpretation des zweiten Proömiums als Würdigung der beiden Redner Crassus und Antonius s. Becker (1938) 8; zur Auslegung als „literarische(s) Spiel“ (187) s. Leeman/ Pinkster/Nelson (1985) 186–189; s. zudem Ruchs (1958) 191 Einordnung des Proömiums als adhortatio an den Leser, sich der doctrina zu widmen. 35 Zur Verknüpfung von Proömien (bzw. Rahmengesprächen) und Dialoggesprächen in De oratore s. Zoll (1962) 87–93; Leeman (1975); Hall (1994) 211–216; Fox (2007) 133. 36 Zu biographischen Fakten als Paratext s. Genette (2014) 15. 37 Etwa auf seiner Griechenlandreise (79–77 v. Chr.), auf die ihn nach fin. 5,1 unter anderem auch sein Bruder Quintus begleitet haben soll: Cum audissem Antiochum […] in eo gymnasio quod Ptolomaeum vocatur unaque nobiscum Q. frater […] (der lateinische Text von De finibus bonorum et malorum folgt der OCT-Ausgabe von Reynolds [1998]).
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exzellente Kenntnisse auf dem Gebiet der Rhetorik zu erwerben vermochte38 und zuletzt – auch aufgrund seiner Bildung – als Höhepunkt seiner politischen Laufbahn in Rom das Konsulat (63 v. Chr.) erlangte.39 Dass er sich, wie er dem Leser in der oben zitierten Passage suggeriert, bereits als Schuljunge nicht von unqualifizierten Einmischungen seitens Dritter vom Lernen habe abhalten lassen, lässt auf einen hohen Grad an Willensstärke in jungen Jahren schließen und zeichnet ein positives Bild des heranwachsenden Cicero. Den scheinbar so unverstellten und privaten Einblick in das Frühstadium seiner wissenschaftlichen Ausbildung verknüpft Cicero mit einer impliziten, postumen40 Hommage an seinen namensgleichen Vater, den Kopf der Cicero-Familie (pater familias):41 Dieser, den er als optimus ac prudentissimus vir preist, habe große Sorgfalt auf die schulische Ausbildung42 seiner Söhne verwendet, was im Rückschluss bedeutet, er habe mit seinem vorausschauenden väterlichen Fördereifer die ersten Weichen für spätere Erfolge gestellt, und des Weiteren nahelegt,43 dass Cicero nun seine diesbezügliche Dankbarkeit zum Ausdruck bringt, somit den gängigen Wertvorstellungen seiner Zeit entspricht und sich als vorbildlichen, in pietas mit dem Vater über dessen Tod hinaus verbundenen Sohn präsentiert.44 Mit Bettinis stereotyper Grundannahme, gemäß der „in der frühen römischen Gesellschaft die Vater-Sohn-Beziehungen von Strenge und Härte geprägt“45 gewesen seien, ist das hier freilich nur schlaglichtartig in den Fokus gerückte Vater-SohnVerhältnis nicht in Einklang zu bringen.46 Entfaltet das dem Proömium eingelegte äußerst positive Vater-Sohn-Porträt seine Wirkung vorerst nur als Randbemerkung, so wird bereits im darauffolgenden Abschnitt deutlich, dass Cicero dieses sukzessive zu einem größeren Fami-
38 Zu Ciceros Wahrnehmung seiner Außenwirkung als Redner (nach dem Exil) vgl. Q. fr. 2,5,4: In iudiciis ii sumus qui fuimus (der lateinische Text der Epistulae ad Quintum fratrem folgt der OCT-Ausgabe von Watt [1958]). Eben die Tatsache, dass Cicero selbst zum Meister der Rhetorik („the uncontested master of oratory in Rome“ 36) wurde, verleihe ihm die Autorität, in seinem Werk De oratore auf eine Rechtfertigung der Redekunst an sich zu verzichten, so Janson (1964) 36. 39 Zum Zusammenhang zwischen Ciceros rhetorischer Kompetenz und seiner politischen Laufbahn s. Zarecki (2014) 62. 40 Ciceros Vater war bereits am 23. November 68 v. Chr. und damit 13 Jahre vor der Abfassung des Dialogs De oratore verstorben, so Att. 1,6,2: Pater nobis decessit a.d. VIII Kal. Dec. (der lateinische Text der Epistulae ad Atticum folgt der OCT-Ausgabe von Watt [1965]). 41 Zum Machtanspruch und den Pflichten eines pater familias s. Deißmann-Merten (1998) 413– 415. 42 Zu Unterricht und (Aus-)Bildung im antiken Rom s. B. Rawson (1986) 38–42; Fantham (1998) 21–30; Timmer (2008) 219–231. 43 Cicero stellt seinen Vater auf diese Weise in eine Reihe mit dem Vater Scipios, dessen Sorgfalt in Fragen der Ausbildung in rep. 1,36 dokumentiert ist, vgl. Önnerfors (1974) 72. 44 Zum Zusammenhang von Familie und Öffentlichkeit s. Deißmann-Merten (1998) 415. 45 Bettini (1992) 17. 46 Zur Vater-Sohn-Beziehung in der Antike s. Eyben (1991).
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lienporträt ausbaut und das zur Sprache gebrachte Gerücht um die Hauptredner als Aufhänger dafür nutzt, sein eigenes familiäres Milieu zu beleuchten:47 Quos tum, ut pueri, refutare domesticis testibus patre et C. Aculeone propinquo nostro et L. Cicerone patruo solebamus, quod de Crasso pater et Aculeo, quocum erat nostra matertera, quem Crassus dilexit ex omnibus plurimum, et patruus, qui cum Antonio in Ciliciam profectus una decesserat, multa nobis de eius studio et doctrina saepe narravit; cumque nos cum consobrinis nostris, Aculeonis filiis, et ea disceremus, quae Crasso placerent, et ab eis doctoribus, quibus ille uteretur, erudiremur, etiam illud saepe intelleximus, cum essemus eius domi, quod vel pueri sentire poteramus, illum et Graece sic loqui, nullam ut nosse aliam linguam videretur, et doctoribus nostris ea ponere in percontando eaque ipsum omni in sermone tractare, ut nihil esse ei novum, nihil inauditum videretur. Solche Behauptungen versuchten wir damals nach Kinderart gewöhnlich durch das Zeugnis unserer Familienangehörigen zu widerlegen, des Vaters, unseres Verwandten C. Aculeo und unseres Onkels L. Cicero; denn über Crassus unterrichteten uns unser Vater und Aculeo – unsere Tante mütterlicherseits war seine Frau, und Crassus schätzte unter allen ihn am meisten – und unser Onkel, der Antonius nach Kilikien begleitet hatte und mit ihm von dort zurückgekehrt war, schilderte uns oft ausgiebig dessen Eifer für die Wissenschaft. Da wir zugleich mit unseren Vettern, den Söhnen des Aculeo, das lernten, was Crassus für richtig hielt, und von den Lehrern, mit denen er verkehrte, unterrichtet wurden, bemerkten wir oft etwas, das wir, weil wir ja in seinem Hause lebten, sogar als Kinder merken konnten: Er sprach so fließend Griechisch, dass es schien, als kenne er sonst keine Sprache, und unseren Lehrern legte er als Themen Fragen vor, die er selbst in jeder Stilart behandelte, so dass es nichts zu geben schien, was für ihn neu und unerhört gewesen wäre.
Dass das besagte Gerücht keinesfalls der Wahrheit entsprochen haben könne, sondern beide Persönlichkeiten hochgebildet waren, hätten die Cicero-Brüder bereits als Kinder erkannt,48 so der Tenor der Passage, und es sei ihnen ein Anliegen gewesen, diese „falsche[n] memoria der anderen“49 immer wieder zu widerlegen (refutare […] solebamus), wobei sie sich in ihrer Argumentation auf das Zeugnis mehrerer erwachsener Familienmitglieder50 (domesticis testibus) berufen konnten (bzw. aufgrund ihres jungen Alters auch mussten).51 Was ihre Motivation, als Verteidiger auftreten zu wollen, angeht, so resultierte diese offenbar aus dem Umstand, dass sie, wie der Leser nun erfährt, Crassus und Antonius damals bereits persönlich kannten. Die zuvor angedeutete indirekte Verbindung wird somit zu einer direkteren und persönlicheren Bindung umgewandelt, wobei das dichte Personengefüge, das Cicero in diesem Kontext anführt, Aufschluss über das Verhältnis zwischen den Cicero-Brüdern und den beiden Rednern, aber auch Letzteren und weiteren Mitgliedern aus Ciceros familiärem 47 Cic. de orat. 2,2. 48 Und neben ihnen auch viele andere, wie Cicero im vorausgehenden Abschnitt zu verstehen gibt, vgl. de orat. 2,1: erantque multi qui, quamquam non ita se rem habere arbitrarentur […]. 49 Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 186. 50 Zur römischen Familienstruktur s. B. Rawson (1986); Bettini (1992); Deißmann-Merten (1998); Timmer (2008) 167–182. 51 Vgl. in diesem Kontext Wilkins (1892) 226.
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Netzwerk gibt.52 Es umfasst insgesamt über zehn Personen,53 die sich in vier Gruppen einteilen lassen, und zwar 1. in die Gruppe der Redner (Crassus und Antonius), 2. in die Gruppe der erwachsenen Familienmitglieder Ciceros (Vater, Onkel väterlicherseits namens L. Cicero,54 Tante mütterlicherseits55 und deren Ehemann C. Visellius Aculeo), 3. in die Gruppe der nicht namentlich genannten Lehrer (doctores) und 4. in die Gruppe der Schüler (Cicero, Quintus und ihre consobrini,56 d. h. die Söhne des Aculeo). Zunächst fokussiert sich Cicero auf den Redner Crassus (als Person der ersten Gruppe) und stellt einen Bezug zwischen diesem und Personen der zweiten und vierten Gruppe her: Als Kinder seien er (d. h. Cicero) und Quintus von ihrem Vater sowie ihrem Verwandten Aculeo über Crassus unterrichtet worden, wobei offen bleibt, was genau diese ihnen im Zuge dessen erzählt haben sollen. Die Kurzcharakteristik Aculeos, gemäß derer er derjenige gewesen sei, den Crassus von allen am meisten geschätzt habe (quem Crassus dilexit ex omnibus plurimum),57 lässt darauf schließen, dass das, was er berichtete, auf seinen persönlichen Eindrücken bezüglich Crassus beruht habe. Demnach hätten die jungen Cicerones wertvolle Informationen aus erster Hand erhalten, die gerade aufgrund dessen, dass sie aus dem Munde einer Person, der Crassus wohlgesonnen gewesen sein soll, wahrscheinlich wohlwollend formuliert waren, vor allem aber präsumtiv der Wahrheit entsprochen hatten.58 Dagegen konkretisiert Cicero nicht, in welchem Verhältnis sein eigener Vater zu Crassus gestanden und wie sich ihr persönlicher Umgang miteinander gestaltet haben mag, was darauf hindeutet, dass zwischen ihnen gerade keine engere oder gar freundschaftliche Bindung wie im Falle Crassus–Aculeo bestanden hatte. Dass die Cicero-Brüder im Hause des Crassus gelebt hätten und dort unterrichtet worden seien, legt zwar nahe, dass ihr Vater in Kontakt zu Crassus gestanden haben musste und dass es zwischen ihnen diesbezügliche Absprachen, etwa finanzieller 52 Zur Verbindung zwischen Ciceros Familie und den Rednern Crassus und Antonius s. Dugan (2005) 94–96. 53 S. die graphische Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse in Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 189. 54 Er war der jüngere Bruder des Vaters, so Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 191. 55 Ciceros Tante hieß (wie seine Mutter) Helvia, vgl. Wilkins (1892) 226; Leeman/Pinkster/ Nelson (1985) 189. 56 Zur lateinischen Cousin-Terminologie s. Bettini (1992) 179–193. 57 Die Charakteristik bleibt auf zweifache Weise ungenau: Zum einen erläutert Cicero nicht, ob er sich mit omnes nur auf seine eigenen Familienmitglieder bezieht oder einen größeren Personenkreis im Blick hat, und zum anderen geht aus ihr nicht hervor, wie nahe Crassus und Aculeo sich tatsächlich standen, d. h. ob ihr Verhältnis zueinander gemäß der römischen Vorstellung von amicitia von zweckgebundenem Charakter war oder ob es womöglich mit der engen Freundschaft zwischen Cicero und Atticus, welche die Epistulae ad Atticum dokumentieren, vergleichbar war; s. jedoch E. Rawson (1971), die klar konstatiert, es habe eine enge Verbindung zwischen Ciceros Familie und Crassus gegeben: „But the family connection was close“ (83). 58 Zum Zusammenhang zwischen Zeugenschaft, vor allem aus erster Hand, und Plausibilität des Gesagten s. Kenty (2017) 361.
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Art, gegeben haben wird, und wäre zumindest ein Indiz dafür, dass sie einander persönlich kannten. Da ihren Cousins jedoch offenbar die gleiche schulische Ausbildung im Hause des Crassus zuteil wurde und ihr Vater, wie Cicero zuvor betont, eine besondere Wertschätzung seitens Crassus erfahren habe, ist denkbar, dass dessen Rolle bei etwaigen Vereinbarungen nicht unerheblich gewesen sein dürfte.59 Mag die Figur des Vaters von Cicero und seine Rolle als Konnex zwischen Crassus und seinen eigenen Söhnen im vorliegenden Fall auch schemenhaft bleiben, so hatte Cicero ihn jedoch kurz zuvor in de orat. 2,1 bereits als optimus ac prudentissimus vir gepriesen und seine Charakterisierung, die ihm offenbar ausreichend aussagekräftig zu sein schien, vorweggenommen. Im Anschluss verknüpft Cicero den Redner Crassus mit den Personen der dritten Gruppe, den Lehrern: Obgleich Crassus die Lerninhalte der jungen Schüler, d. h. den Personen der vierten Gruppe, selbst bestimmt habe, habe er den Unterricht nicht selbst erteilt, sondern sie von anderen Lehrern unterrichten lassen, mit denen er Umgang pflegte (doctoribus, quibus ille uteretur)60 und denen er Themen in Form von Fragen vorlegte, die er selbst treffsicher in jeder Stilart (omni in sermone) zu behandeln wusste.61 Da die Kinder in seinem Hause unterrichtet wurden, sei ihnen nicht verborgen geblieben, dass er fließend Griechisch sprach (cum essemus eius domi, quod vel pueri sentire poteramus, illum et Graece sic loqui, nullam ut nosse aliam linguam videretur). Inwiefern und in welchem Umfang er unter seinem Dach aber auch direkt mit der Schülergeneration zu kommunizieren und interagieren pflegte, geht aus dem Passus nicht hervor und evoziert den Eindruck, als sei ihr persönlicher Kontakt nicht allzu eng gewesen.62 Dass sowohl die Lehrer (doctores) als auch die Cousins (consobrini)63 der CiceroBrüder in diesem Kontext weder namentlich genannt werden noch ihre Anzahl konkretisiert wird, lässt darauf schließen, dass sie als Figuren für Ciceros kommunikative Absichten eine rein funktionale Rolle einnehmen und es ihm gerade nicht darauf ankommt, ihren historischen Vorbildern ein literarisches Ehrendenkmal zu setzen.64 Denkbar ist zudem, dass ihr Bekanntheitsgrad im Jahre 55 v. Chr. 59 Vgl. hierzu Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 191. 60 Zur Frage, ob es sich bei den doctores um Griechen, ehemalige Lehrer des Crassus oder mit ihm befreundete Personen handelt, s. exemplarisch Meyer (1970) 38 und Wilkins (1892) 227 (Freunde); Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 191 (Griechen); Dugan (2005) 94 (ehemalige Lehrer). 61 Mit dem Beispiel der Frage-Antwort-Konversation, die an die sokratische Gesprächsführung erinnert, zielt Cicero darauf ab, Crassus’ umfassende Kompetenz offenzulegen. 62 Vgl. hierzu E. Rawson (1971) 83; s. zudem Meyer (1970) 11, v. a. Anm. 3. 63 Da sie gemeinsam mit den Cicero-Brüdern unterrichtet wurden, liegt es nahe, dass sie etwa gleich alt waren. 64 Anders verfährt Cicero hingegen im fünften Buch von De finibus bonorum et malorum, in dem er einen weiteren Cousin (Lucius Cicero, den Sohn des patruus L. Cicero) als Gesprächsperson auftreten lässt, ihm dadurch ein literarisches Denkmal setzt und ihn in diesem Kontext sogar als germanus, d. h. als leiblichen Bruder, bezeichnet, fin 5,1: […] L.que Cicero, frater noster cognatione patruelis, amore germanus […]. Wie seine Bestürzung über dessen Tod im November 68 v. Chr. zeigt (Att. 1,5,1: Quantum dolorem acceperim et quanto
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nicht (mehr) hoch genug war, als dass ihre namentliche Nennung bei Ciceros Leserschaft Assoziationen zu wecken vermochte oder zu einem besseren Verständnis des Passus beigetragen hätte. So fungieren die kaum näher charakterisierten, aber doch als kompetent erscheinenden65 Lehrer vor allem als Verbindungslinie und Mittler zwischen Crassus und dem Kreis der Schüler. Die hier namenlosen Cousins machen hingegen in ihrer Rolle als Söhne des von Crassus wertgeschätzten Aculeo zum einen plausibel, warum die Cicero-Brüder im Hause des Crassus unterrichtet wurden und verleihen zum anderen den subjektiven Eindrücken, die Cicero gemeinsam mit Quintus dort hinsichtlich Crassus bekommen haben will, zusätzliches Gewicht. Beide Figurengruppen tragen letztlich dazu bei, die einstige Lernatmosphäre abzubilden.66 Insgesamt lässt sich für die Crassusfigur somit konstatieren, dass Cicero sie mit jeder der drei anderen Personengruppen verknüpft und als Zeugen für seine eigene Argumentation nicht nur zwei Erwachsene aus seinem familiären Kollektiv anführt, sondern auch die gesamte Gruppe der Schüler, sich selbst eingeschlossen, nennt. Für die Leserschaft bedeutet dies, dass der Autor ihr zwar ein Zeugnis aus erster Hand – sein eigenes – anbietet, er es – da es sich um dasjenige eines Kindes handelte – jedoch noch um weitere Zeugnisse (d. h. aus Perspektive der Leserschaft um Zeugnisse aus zweiter Hand) ergänzt. Nachdem Cicero in de orat. 2,2 bereits vorbereitend erwähnt hatte, dass L. Cicero, der Onkel väterlicherseits, einst Antonius nach Kilikien begleitet habe (patruus, qui cum Antonio in Ciliciam profectus) – diesen also persönlich kannte67 – und seinen Neffen ausführlich von dessen wissenschaftlichem Eifer berichtet habe (multa nobis de eius studio et doctrina saepe narravit), wendet er sich im dritten Abschnitt des Proömiums schließlich der Person des Antonius zu und verknüpft sie mit zwei Einzelpersonen aus der zweiten bzw. vierten Gruppe, und zwar mit L. Cicero sowie sich selbst, d. h. der Autorfigur Cicero:68 De Antonio vero, quamquam saepe ex humanissimo homine patruo nostro acceperamus, quem ad modum ille vel Athenis vel Rhodi se doctissimorum hominum sermonibus dedisset, tamen ipse adulescentulus, quantum illius ineuntis aetatis meae patiebatur pudor, multa ex eo saepe quaesivi. Non erit profecto tibi, quod scribo, hoc novum; nam iam tum ex me audiebas mihi illum ex multis variisque sermonibus nullius rei, quae quidem esset in eis artibus, de quibus aliquid existimare possem, rudem aut ignarum esse visum.
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fructu sim privatus et forensi et domestico Luci fratris nostri morte in primis pro nostra consuetudine tu existimare potes), scheint er in einem engen Verhältnis zu diesem gestanden zu haben. S. hierzu van der Blom (2010) 30: „Cicero and Quintus […] were taught by excellent teachers.“ Laut Fox (2007) ist die Passage eine Rekonstruktion der „intellectual world of his childhood, discussing even relatively obscure teachers of rhetoric or philosophy in some detail“ (133); zu Ciceros Ausbildung im Allgemeinen s. den Überblick in van der Blom (2010) 29–34. Indem Cicero betont, sein Onkel sei gemeinsam mit Antonius aus Kilikien zurückgekehrt (de orat. 2,2: una decesserat), deutet er an, dass dieser sich auch im dazwischenliegenden Zeitraum bei ihm in Kilikien aufgehalten habe und ihn demnach gut gekannt haben musste. Cic. de orat. 2,3.
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Sabine Retsch Doch was Antonius angeht, hatten wir zwar oft von unserem Onkel, einer hochgebildeten Persönlichkeit, gehört, wie groß sein Interesse für die Diskussionen der führenden Gelehrten in Athen und Rhodos war, aber ich wollte trotzdem selbst als junger Bursche, soweit es meine jugendliche Scheu erlaubte, oft noch viele Dinge von ihm wissen. Gewiss ist das, was ich da schreibe, für dich keine Neuigkeit; du hörtest ja schon damals von mir, dass ich aus zahlreichen, verschiedenartigen Gesprächen den Eindruck gewonnen hatte, er sei in keinem Punkte, jedenfalls auf den Gebieten, über die ich mir ein Urteil bilden konnte, unerfahren oder ahnungslos gewesen.
Ihr Onkel habe ihnen, so erinnert Cicero seinen Bruder, damals oft von Antonius’ großem Interesse für wissenschaftliche Unterredungen gelehrter Persönlichkeiten in Athen und Rhodos berichtet (ille vel Athenis vel Rhodi se doctissimorum hominum sermonibus dedisset).69 Indem Cicero den Onkel in diesem Kontext als humanissimus bezeichnet, ergänzt er das Vaterporträt aus de orat. 2,1 (optimus ac prudentissimus vir) um ein positives Onkelporträt, wobei er für die Charakterisierung seiner Angehörigen aus sprachlicher Sicht offenbar nur Superlative für angemessen hält. Dass Cicero zweimal70 in kurzer Abfolge nacheinander betont, der Onkel habe oft (saepe) mit seinen Neffen über Antonius’ Bildungsgrad gesprochen, zeigt auf, dass zwischen ihnen ein gutes verwandtschaftliches Verhältnis bestanden habe, 71 so dass hier genau genommen nicht nur ein Onkel-, sondern (wie im Falle des Vater-SohnPorträts) vielmehr ein Onkel-Neffen-Porträt konstruiert wird. Sowohl der Vater als auch der Onkel erfüllen innerhalb des zweiten Proömiums eine ähnliche Funktion, da sie als Zeugen für die Gelehrtheit des Antonius bzw. Crassus herangezogen werden, wobei für Letzteren zusätzlich auch Aculeo als Zeuge zum Einsatz gebracht wird. Dabei fällt auf, dass Cicero von den drei angeführten männlichen Erwachsenen (pater, L. Cicero patruus, C. Aculeo propinquus) nur seinen Vater und dessen Bruder hinsichtlich ihrer vorbildhaften Persönlichkeit bzw. ihres Intellekts charakterisiert, während ein derartiger Lobpreis für Aculeo, der erst durch seine Heirat mit Ciceros Tante mütterlicherseits (matertera) zum Teil der Cicero-Familie geworden war, fehlt und er aus dem immer deutlichere Konturen annehmenden literarischen Familienporträt beinahe ausgeklammert oder zumindest nur am Rande
69 Der Leser weiß bereits vom hier erwähnten Aufenthalt in Kilikien, da Cicero Antonius im ersten Buch selbst davon erzählen lässt, de orat. 1,82: […] cum pro consule in Ciliciam proficiscens venissem Athenas, compluris tum ibi dies sum propter navigandi difficultatem commoratus; sed, cum cotidie mecum haberem homines doctissimos […]. – „[…] hielt [ich] mich dennoch mehrere Tage in Athen auf, als ich in der Zeit meines Prokonsulats auf dem Wege nach Kilikien dorthin gekommen war, weil ich wegen schlechter Witterung nicht weiterfahren konnte; jeden Tag hatte ich die gelehrtesten Männer um mich […]. Vgl. hierzu Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 191. 70 Vgl. die oben zitierte Textpassage de orat. 2,2: multa nobis de eius studio et doctrina saepe narravit. 71 Cicero deutet damit an, dass der Onkel generell (d. h. nicht nur über Antonius) häufig mit seinen Neffen zu kommunizieren gepflegt habe.
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verortet wird.72 Für Cicero gründete die funktionale Leistung Aculeos offenbar aus kompositorischer Sicht vor allem auf dessen gutem Verhältnis zu Crassus, das ihn zum glaubwürdigen Zeugen avancieren lässt, während er im Falle der ihm vorausgehenden, direkt verwandten Generation73 (pater, patruus) auch den Menschen an sich im Blick hatte und ihr historisches Vorbild jeweils in aller Deutlichkeit zu würdigen wusste. Dass Ciceros eigene Mutter Helvia dabei gänzlich außen vor bleibt, dürfte meines Erachtens dem in seiner Zeit gängigen Frauenbild geschuldet sein.74 Jenseits dieses aus antiker Perspektive keinesfalls als Fauxpas zu bezeichnenden Sachverhalts wird das Familienporträt im Paratext indes erst komplett, wenn auch die jüngere Generation (d. h. das Brüderpaar Cicero–Quintus) hinsichtlich der eigenen Persönlichkeit miteinbezogen wird75 – und dem entspricht Cicero dezidiert, obgleich er, als ein von sich selbst überzeugter Autor,76 den Fokus natürlich deutlich mehr auf seine eigene Person als auf die des Bruders legt. Während die Porträts des Vaters und des Onkels statisch-synchron anmuten und nur den Zeitraum von Ciceros und Quintus’ Kindheit abzubilden scheinen, verfügt das Porträt der Cicero-Brüder zusätzlich über eine dynamisch-diachrone Komponente. Denn Cicero bezeichnet sich und seinen Bruder in de orat. 2,1–2 zunächst wiederholt als pueri und lässt sich und ihn trotz des Altersunterschieds stets als brüderliche Einheit erscheinen: Um die schulische Ausbildung beider Brüder hätte sich ihr Vater sorgsam gekümmert und sie seien gemeinsam unterrichtet worden. Beide hätten das Gerücht um Crassus und Antonius zu widerlegen versucht, beide seien von ihren Verwandten über deren Gelehrtheit unterrichtet worden und beide (und darüber hinaus auch ihre Cousins) hätten schließlich erkannt, dass Crassus fließend Griechisch sprach, was ihnen dessen hohen Bildungsgrad bewiesen habe. Einsetzend mit der Formulierung tamen ipse adulescentulus verlässt Cicero in de orat. 2,3 jedoch die zeitliche Schiene der Kindheit und bezieht sich auf einen etwas später gelegenen Zeitpunkt, obgleich die Diminutivform andeutet, dass dieser nicht allzu weit von der vorausgehenden pueritia entfernt gewesen sein dürfte. Dass Cicero den Begriff adulescentulus keineswegs
72 Gleiches gilt für Aculeos Söhne (vgl. die obigen Ausführungen zu ihrem Funktionsbereich) und Aculeos Ehefrau, deren Präsenz nur dazu dient, das Verhältnis, in dem ihr Ehemann zu Cicero und Quintus stand, zu erläutern. 73 D. h. die Kernfamilie, der er selbst entstammte; vgl. hierzu Goodys Aussage (2002) 16, gemäß der „in der Geschichte der Menschheit buchstäblich keine Gesellschaft bekannt , in der die Kernfamilie […] nicht eine wichtige Rolle gespielt hätte“. Zur Abgrenzung der Kernfamilie von der gängigen römischen Auffassung von familia, gemäß der auch im selben Haushalt wohnende Sklaven und Freigelassene zur Familie zählten, s. B. Rawson (1986) 7. 74 Sie wird von Cicero im Übrigen auch in keinem anderen seiner Werke erwähnt, vgl. van der Blom (2010) 29–30. 75 D. h. nicht nur im Kontext des Umgangs zwischen Vater und Söhnen (v. a. Cicero) bzw. Onkel (L. Cicero) und Neffen (Cicero und Quintus). 76 Zur Selbstauffassung und Selbstinszenierung Ciceros s. Graff (1963); Kurczyk (2006).
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synonym zum vorher verwendeten puer einsetzt,77 wird auf inhaltlicher Ebene deutlich: Er ruft seinem Bruder in Erinnerung, dass er selbst,78 sofern er sich denn traute, in jener Zeit häufig das persönliche Gespräch mit Antonius gesucht habe (ipse adulescentulus, quantum illius ineuntis aetatis meae patiebatur pudor, multa ex eo saepe quaesivi) und dieser ihm auf jede gestellte Frage eine stichhaltige und zufriedenstellende Antwort gegeben habe (mihi illum […] nullius rei […] rudem aut ignarum esse visum), zumindest, soweit er dies damals habe beurteilen können (in eis artibus,79 de quibus aliquid existimare possem). Der Einschub, dass er Quintus eben diesen Eindruck bereits damals kommuniziert habe (nam iam tum ex me audiebas), verdeutlicht, dass die Brüder zwar über Ciceros Unterredungen mit Antonius gesprochen haben sollen, Quintus an ihnen jedoch selbst nicht teilgenommen habe. Da Cicero keinen Grund für Quintus’ Nichtteilnahme angibt80 und die besagten Gespräche mit Antonius zeitlich in seiner frühen Jugend, aber darüber hinaus nicht exakter verortet werden, ist kaum zu sagen, ob der bisher außen vor gelassene Altersunterschied zwischen den Brüdern in diesem Fall womöglich eine Rolle dafür gespielt haben könnte, dass der Ältere von ihnen (bereits) derartige Gespräche zu führen pflegte und der Jüngere (noch) nicht. Deutlich wird vielmehr, dass Cicero mit dem Passus auf eine positive Selbstdarstellung abzielt, gibt er doch zu verstehen, dass er in seiner frühen Jugend eine sehr aktive81 Rolle einzunehmen und selbst die Initiative, seinen Wissensstand zu erweitern, zu ergreifen gepflegt habe. So entsteht letztlich der Eindruck, Cicero habe sich aus eigenem Antrieb heraus auf dem Gebiet der Rhetorik immer weiterentwickelt, während dies auf Quintus nicht zugetroffen habe – was auch die fehlende Kompetenz, die die Epistulae ad Quintum fratrem82 dokumentieren, erklären könnte. Zwar stellten Cicero und Quintus auch dann – d. h. ab der frühen Jugend – noch eine brüderliche Gemeinschaft dar, hätten sich aber dem obigen Passus zufolge bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich auseinanderentwickelt und zumindest auf diesem Wissensfeld nicht mehr auf demselben Niveau befunden. So unterscheidet sich die Zeugenschaft hinsichtlich der Gelehrtheit des Antonius in einem entscheidenden Punkt von derjenigen, die Cicero zuvor im Fall des
77 Zu Ciceros Differenzierung zwischen den Altersstufen pueritia und adulescentia vgl. Cato 20,76; s. zudem Wilkins (1892) 227; Timmer (2008) 135–136. 78 Aus sprachlicher Sicht wird dies am Wechsel vom Plural (acceperamus) in den Singular (quaesivi) deutlich. 79 Laut Wilkins (1892) 228 bezieht Cicero sich an dieser Stelle auf die Fachgebiete Rhetorik und Grammatik. 80 Leeman/Pinkster/Nelson (1985) vermuten, Quintus habe schlichtweg „andere Interessen“ (192) gehabt. 81 Dies zeigt sich an den konträren Verben accipere und quaerere (vgl. hierzu die Anmerkung 78 dieses Beitrags), da der hier kommunizierten Haltung der Cicero-Brüder in ihrer Kindheit (acceperamus) eine passive Komponente unterlegt ist. Das auf Cicero bezogene Verb (quaesivi) zeigt dagegen eine aktive Handlung seitens des Subjekts an. Überspitzt ausgedrückt bleibt Quintus im Gegensatz zu Cicero einer kindlichen Passivität verhaftet. 82 S. dazu noch einmal die Einleitung dieses Beitrags.
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Crassus angibt:83 Für den Zeitraum der Kindheit führt er bezüglich Antonius neben sich selbst zwar ebenso noch ein erwachsenes Familienmitglied (L. Cicero) an,84 für die beginnende Jugendzeit fungiert er, Cicero, jedoch bereits als alleiniger Zeuge. Quintus soll seine Kenntnisse hinsichtlich des Bildungsgrades zu dieser Zeit demnach nur aus zweiter Hand, nämlich von ihm selbst, erhalten haben, weswegen er von ihm nun auch nicht mehr als unmittelbarer Zeuge herangezogen wird. Ungeachtet ihrer beschränkten rhetorischen Kompetenz kommt der Quintusfigur, die in den besprochenen Passagen in Ciceros Kindheit wie frühen Jugend an dessen Seite auftritt und durch die Technik der brieflichen Einkleidung des Werkes zugleich als abwesendes Gegenüber des Autors präsentiert wird, ein größeres Funktionsspektrum85 als jeder der anderen im zweiten Proömium genannten Personen aus Ciceros familiärem Umfeld zu. Quintus ist nicht nur Widmungsträger des Werkes und repräsentiert als zwischengeschalteter Adressat die Leserschaft, sondern fungiert darüber hinaus auch als wichtigster Zeuge der Vergangenheit,86 wobei zu dekodieren ist, was genau er bezeugen konnte und sollte: Anders als die Zeugenschaft, die den anderen Personen (d. h. dem Vater, dem Onkel L. Cicero, Aculeo und den Cousins) eingegeben und stets singulär auf Crassus oder Antonius fixiert ist, kommt dem literarischen Quintus eine umfassendere Zeugenschaft zu, denn er bürgt durch sein in der Gegenwart des Autors tatsächlich (noch) lebendes Vorbild,87 den historischen Quintus, für den Wahrheitsgehalt der gesamten Anekdote. Quintus ist im Hier und Jetzt der Leserschaft zum Zeitpunkt der Publikation des Werkes genauso vorhanden, wie er es in der dargestellten Vergangenheit gewesen sein soll. Vor allem aber fungiert Quintus als Bindeglied zu Ciceros anderen Familienmitgliedern und kann das, was den innersten Kreis der CiceroFamilie vor Jahrzehnten ausgemacht haben soll, glaubwürdig aus erster Hand bestätigen. Während Cicero im zweiten Proömium des Dialogs De legibus, der wie De oratore in seiner ersten literarischen Schaffensphase entstand, im Rahmen der Definition des Heimatbegriffs (patria iuris vs. patria loci)88 seinen Heimatort Arpinum89 und damit den familiären Hintergrund aus geographischer Perspektive 83 Für Crassus’ hohen Bildungsgrad nennt Cicero, wie oben dargelegt, zwei erwachsene (pater, C. Aculeo propinquus) und mehrere der Schülergeneration zugehörige Zeugen (Cicero, Quintus, consobrini). 84 Vgl. Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 192. 85 Nach Leeman/Pinkster/Nelson (1985) kommt Quintus im zweiten Proömium eine „viel persönlichere Rolle“ (188) als im ersten Proömium des Dialogs zu. 86 „Quintus erscheint hier als Kronzeuge für die ‚Historizität‘ des Gesprächs – oder als Komplize für dessen Fiktionalität“ (188), so Leeman/Pinkster/Nelson (1985). 87 Die spätrepublikanische Leserschaft des Werkes hätte die Historizität der Anekdote im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit Quintus bis zu dessen Tod (43 v. Chr.) theoretisch überprüfen können. 88 Leg. 2,3–5. 89 Zum „konservative[n] Milieu“ (19), in dem Cicero in Arpinum aufwuchs, s. Önnerfors (1974) 19–20; zur Wahl Arpinums als Ort des Dialoggeschehens von De legibus s. Becker (1938) 29; zur Funktion des zweiten Proömiums von De legibus s. Connolly (2007) 89–91.
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beschreibt, geht es ihm im vorliegenden Passus um die familiäre Interaktion und die Familienmitglieder selbst. Obgleich seine Familie in Rom gesellschaftlich nicht der Nobilität, sondern dem Ritterstand angehörte90 und erst er selbst – „ein einfacher Sohn des [sic] Arpinum“91 – als erster der Familie das Konsulat erreichen sollte, habe, so der Tenor der Passage, ein Großteil der männlichen Familienmitglieder einen scheinbar vollkommen selbstverständlichen Umgang mit Personen der römischen Bildungselite gepflegt.92 Es hätten nicht nur persönliche Bindungen zwischen seiner eigenen Familie und hochgebildeten Personen des römischen Lebens wie Crassus und Antonius bestanden,93 nein, im Hause Cicero habe man auf hohem wissenschaftlichen Niveau94 – eben wie die Bildungselite selbst – nicht nur einmal, sondern oft95 über Themen der höheren Bildung gesprochen. Mangels bedeutender bzw. einflussreicher Verwandter96 inszeniert der homo novus97 seine eigene Familie als Bildungsgemeinschaft und konstruiert sich auf literarischem Wege im Rahmen eines paratextuellen Identitätsetablierungsbestrebens mittels der unmittelbar vorausgehenden Generation eine kleine gelehrte Ahnengalerie. Die Inszenierung erfolgt gewiss nicht zufällig in Ciceros allererstem, in Dialogform verfassten Werk: Er stellt der Leserschaft seine eigene Familie vor98 und kann unter Umständen in künftigen Werken mit diesem Vorwissen rechnen. Bei seiner Vorgehensweise, der Leserschaft einzelne Familienmitglieder zu präsentieren, hatte Cicero einen berühmten Vorgänger: Bereits Platon setzte seinen Brüdern Glaukon und Adeimantos in der Politeia und dem Parmenides ein literarisches Denkmal und verewigte darüber hinaus auch seinen Onkel Charmides und seinen Verwandten Kritias in den Dialogen Charmides, Kritias und Timaios für die Nachwelt.99 Obgleich Platons Familienmitglieder mangels einleitender Proömien in den Dialogen nicht als Widmungsträger fungierten, sondern zum Dialog90 Zu Cicero und seinem Verhältnis zum Ritterstand s. Bleicken (1995). 91 Önnerfors (1974) 19. 92 Zu Crassus’ Verbindung mit Ciceros Familie bzw. Personen seines näheren Umfelds s. Meyer (1970) 11–12; Fantham (2004) 27 und 79. 93 Dugan (2005) 95 konstatiert, Cicero und Quintus seien gerade durch Kontakte wie den zu Crassus selbst zu Mitgliedern der römischen Elite avanciert. 94 Dies geht aus der Charakterisierung des Onkels (de orat. 2,3: humanissimus) hervor; zur Konstruktion einer an die griechische Diskurspraxis anknüpfenden römischen Gesprächsgemeinschaft in der Dialogszenerie selbst s. G. M. Müller (2011). 95 Vgl. hierzu die Anmerkung 70 dieses Beitrags. 96 Den Mangel an einflussreichen Verwandten beklagt Cicero in seinen nach dem Exil entstandenen Reden, p. red. in sen. 37: Pro me non ut pro P. Popilio, nobilissimo homine, adulescentes filii, non propinquorum multitudo populum Romanum est deprecata […]; p. red. ad Quir. 7: At me nudum a propinquis, nulla cognatione munitum […] (der lateinische Text beider Reden folgt der OCT-Ausgabe von Peterson [1911]). 97 Zum Terminus homo novus s. van der Blom (2010) 35–59; zu Ciceros Vorfahren (maiores) s. Roloff (1938) v. a. 5–10. 98 Durch die briefliche Einkleidung des Proömiums spricht Cicero beinahe wie in einer face-toface-Kommunikation zum Leser. 99 Zu Platons Familie s. Erler (2006) 15–17.
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personal oder zumindest zum Gesprächsobjekt erhoben wurden, tritt Cicero mit dem Einknüpfen seines Bruders und weiterer Verwandter in das allererste Produkt seiner ersten literarischen Schaffensphase dennoch in Platons Fußstapfen und setzte ihnen ebenfalls ein literarisches Ehrenmal, das seine eigene Zeit überdauern sollte: ein Bestreben, das offenbar von Erfolg gezeichnet war. Mindestens ebenso erfolgreich zog Cicero auch alle Register, um das Gerücht um Crassus und Antonius zu entkräften und diese mittels des im Paratext (und vor allem im Dialoggeschehen selbst) konstruierten „noble monument“100 in die Nachwelt eingehen zu lassen101 – und sie als Schöpfer des literarischen Werkes dorthin zu geleiten. 3. ZUSAMMENFASSUNG Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Cicero mit der in Briefform eingekleideten paratextuellen Rahmung des zweiten Buches des Dialogs De oratore mehrere Intentionen verfolgt: Einerseits stellt er den Rednern Crassus und Antonius mittels diverser familiärer Zeugnisse eine positive Referenz hinsichtlich ihres hohen Bildungsgrades aus, wodurch er die historischen Persönlichkeiten würdigt und zugleich eine in dieser Art in seinem literarischen Œuvre singuläre innere Abstimmung zwischen Proömium und eigentlichem Dialoggeschehen vornimmt. Andererseits nutzt er das zur Sprache gebrachte, die Hauptredner des Dialogs betreffende Gerücht dazu, der Leserschaft nicht nur sich selbst und den Widmungsträger Quintus, sondern auch weitere Familienmitglieder vorzustellen und dabei in einem positiven Licht zu präsentieren. Die Analyse des komplexen Personengefüges des Passus de orat. 2,1–3 erbrachte das Ergebnis, dass sowohl die erwachsenen Familienmitglieder als auch die Cicero-Brüder (und ihre etwa gleichaltrigen Cousins) in Ciceros Kindheit bzw. früher Jugend Umgang mit Crassus und Antonius gepflegt haben sollen, wobei sich der Grad ihrer Vertrautheit jeweils unterschied. Während einige der angeführten Personen (matertera, consobrini, doctores und weitgehend auch Aculeo) nur eine funktionale Rolle übernehmen, indem sie das konstruierte Beziehungsgeflecht aufschlüsseln, stellt Cicero seine eigene Autorfigur ebenso wie Quintus, seinen Vater und den Onkel Lucius in den Fokus und setzt den historischen Vorbildern der Figuren ein würdevolles literarisches Ehrenmal. Im Rahmen der Figurengestaltung zeigt er nicht nur die wechselseitigen Beziehungen zwischen seinen Verwandten, sich selbst und den Rednern Crassus und Antonius auf, sondern gibt der Leserschaft auch Hinweise auf den Charakter und die Persönlichkeit der historischen Vorbilder seiner familiären Zeugen. Aus dem anfangs beinahe zu übersehenden Vater-Sohn-Porträt wird über ein Onkel-Neffen-Porträt und weitere Momente der ciceronischen Selbstpräsentation sukzessive ein Familienporträt konstruiert, das gemäß antiker 100 E. Rawson (1971) 85. 101 Vgl. Leeman/Pinkster/Nelson (1985) 186.
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(Gender-)Rollenvorstellungen auf die männlichen Mitglieder des Familienkollektivs begrenzt ist. Gerade aufgrund der spezifischen Funktionsweise paratextueller Elemente und ihrer Verbindung mit dem Medium Brief vermag Cicero es, über die zwischengeschaltete Adressatenfigur Quintus direkt mit der Leserschaft, dem Adressaten auf zweiter Ebene, in Kommunikation zu treten. Die Rolle des jüngeren Bruders ist multifunktional, da er nicht nur als Widmungsträger des Werkes, Stellvertreter der Leserschaft und Zeuge der gemeinsamen Vergangenheit fungiert, sondern vor allem als glaubwürdiges Bindeglied zu Ciceros Familie eingesetzt wird. Indem Cicero sich, den homo novus, als Teil einer sich gesellschaftlich nicht an oberster Position angesiedelten, aber gebildeten familiären Gemeinschaft inszeniert, informiert er die Leserschaft in der paratextuellen Rahmung des Dialogs auf geschickte Weise über seine eigene Biographie und zielt mit der Verknüpfung seines literarischen (Autor-)Ichs und den Hauptrednern der Dialogszenerie, in welcher der orator perfectus verhandelt werden soll, darauf ab, den Leser des Werkes von seiner umfassenden Kompetenz als Autor zu überzeugen sowie dessen Rezeptionshaltung dezidiert zu beeinflussen und in aus seiner Sicht positivwohlwollende Bahnen zu lenken. LITERATURVERZEICHNIS Primärliteratur Peterson (1911): M. Tulli Ciceronis orationes, vol. V: Cum senatui gratias egit, Cum populo gratias egit, De domo sua, De haruspicum responso, Pro Sestio, In Vatinium, De provinciis consularibus, Pro Balbo recognovit brevique adnotatione critica instruxit G. Peterson, Oxford, Reprint Oxford 1978 (Oxford Classical Texts). Reynolds (1998): M. Tulli Ciceronis De finibus bonorum et malorum: libri quinque recognovit brevique adnotatione critica instruxit L. D. Reynolds, Oxford (Oxford Classical Texts). Watt (1958): M. Tulli Ciceronis Epistulae, vol. III: Epistulae ad Quintum fratrem, Epistulae ad M. Brutum, Fragmenta epistularum accedunt Commentariolum petitionis et Pseudo-Ciceronis epistula ad Octavianum, recognovit et brevi adnotatione critica instruxit W. S. Watt, Oxford, Reprint Oxford 2007 (Oxford Classical Texts). Watt (1965): M. Tulli Ciceronis Epistulae, vol. II: Epistulae ad Atticum pars prior libri I–VIII recognovit brevique adnotatione critica instruxit W. S. Watt, Oxford, Reprint Oxford 2007 (Oxford Classical Texts). Watt (1982): M. Tulli Ciceronis Epistulae, vol. I: Epistulae ad familiares recognovit brevique adnotatione critica instruxit W. S. Watt, Oxford (Oxford Classical Texts). Wilkins (1902): M. Tulli Ciceronis Rhetorica, vol. I: Libros de oratore tres continens recognovit brevique adnotatione critica instruxit A. S. Wilkins, Oxford, Reprint Oxford 1951 (Oxford Classical Texts).
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POURQUOI DONNER UN NOM AUX PERSONNAGES DE DIALOGUES ? Réflexion théorique et mise en œuvre pratique dans les dialogues de Dion de Pruse Anne-Marie Favreau-Linder Dion Chrysostome est plus connu pour l’éloquence de ses discours politiques que pour les dialogues qu’il a composés. Pourtant, dans le corpus de quatre-vingts œuvres parvenues sous son nom, on recense une vingtaine de dialogues de nature assez différente : ces dialogues peuvent être directs ou rapportés par un narrateur ; leur longueur est également très variable.1 Quelques-uns mettent en scène des figures historiques ou mythiques, ainsi le philosophe Diogène interlocuteur d’Alexandre le grand dans le second discours Sur la Royauté, ou le jeune Achille dans un bref dialogue où il se querelle avec son maître Chiron. Mais le plus souvent, l’un des interlocuteurs voire les deux sont anonymes. Cette variation entre des personnages de dialogue dotés d’un nom propre, historique ou fictif, et des interlocuteurs qui restent anonymes même s’ils ne sont pas dénués d’une caractérisation minimale, pose question, et ce d’autant plus que l’on trouve également chez Dion quelques éléments d’une réflexion théorique sur le rôle des personnages dans le dialogue. Je partirai de cette réflexion théorique que Dion esquisse à propos des dialogues socratiques et des poèmes homériques dans l’opuscule LV, pour interroger en regard sa propre pratique d’écrivain de dialogues. 1. SUR HOMÈRE ET SOCRATE (OR. LV) : DEUX MODÈLES POUR THÉORISER LES PERSONNAGES DE DIALOGUE Dans l’or. LV, intitulée Sur Homère et Socrate, Dion défend l’idée paradoxale que Socrate est un disciple d’Homère. Cette affirmation est évidemment polémique au regard de la condamnation par Platon de la poésie homérique, et tout 1
Cette étude ne retient pas des séquences dialoguées au sein d’un discours mais porte uniquement sur les dialogues qui constituent une œuvre autonome, que ceux-ci soient rapportés et précédés d’une introduction narrative, ou directs. La majorité d’entre eux sont très brefs, quelques-uns à l’inverse s’étendent plus amplement comme les dialogues narratifs des discours Sur la royauté II et IV. Je parlerai également de « dialogues dramatiques » pour les dialogues directs, en référence au modèle du dialogue de théâtre et de « dialogues narratifs » pour ceux qui sont rapportés.
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particulièrement de sa valeur éducative.2 Au livre IX de la République, Platon refuse à Homère le titre d’éducateur (606e), en avançant notamment la raison suivante : Homère n’a pas eu de disciples, qui auraient, à l’instar des sectateurs de Pythagore, adopté un mode de vie particulier (600a–b). Platon fonde son observation sur les silences de la tradition biographique à ce sujet. On n’a en effet, ajoutet-il, aucun témoignage qui prouverait qu’Homère a éduqué et rendu meilleurs des hommes qui l’auraient fréquenté (600c). Dion prend le contre-pied de cette critique en donnant à Homère un disciple en sagesse, à savoir ce même Socrate qui, chez Platon, prônait le bannissement du poète. Dion s’appuie à son tour sur certains aspects de la vie et de la postérité d’Homère et de Socrate pour montrer les convergences entre les deux hommes et les traits de caractère communs qu’elles révèlent : le philosophe comme le poète se distinguent par leur modestie et leur désintéressement (or. LV, 7–9). Tous deux partagent les mêmes préoccupations morales et philosophiques qu’ils expriment l’un en vers, l’autre en prose et notamment leur réflexion sur la vertu et le vice (§9). Enfin, Socrate prend pour modèle Homère jusque dans son expression et ses procédés de composition littéraire. Le philosophe athénien comme le poète usent de manière remarquable de la comparaison et Socrate a emprunté au poète son emploi des personnages :3 οὐ τοίνυν οὐδὲ τοὺς περὶ Γοργίαν ἢ Πῶλον ἢ Θρασύμαχον ἢ Πρόδικον ἢ Μένωνα ἢ Εὐθύφρονα ἢ Ἄνυτον ἢ Ἀλκιβιάδην ἢ Λάχητα μάτην ἐποίει λέγοντας, ἐξὸν ἀφελεῖν τὰ ὀνόματα· ἀλλὰ ᾔδει τούτῳ καὶ μάλιστα ὀνήσων τοὺς ἀκούοντας, εἴ πως ξυνεῖεν· ἀπὸ γὰρ τῶν λόγων τοὺς ἀνθρώπους καὶ ἀπὸ τῶν ἀνθρώπων τοὺς λόγους ξυνορᾶν οὐ ῥᾴδιον ἄλλοις ἢ τοῖς φιλοσόφοις καὶ τοῖς πεπαιδευμένοις. οἱ δὲ πολλοὶ μάτην οἴονται τὰ τοιαῦτα λέγεσθαι καὶ ὄχλον ἄλλως καὶ φλυαρίαν ἡγοῦνται. 13. Σωκράτης δὲ ἐνόμιζεν, ὁσάκις μὲν ἀλαζόνα ἄνθρωπον εἰσάγει, περὶ ἀλαζονείας λέγειν· ὁπότε δὲ ἀναίσχυντον καὶ βδελυρόν, περὶ ἀναιδείας καὶ βδελυρίας· ὁπότε δὲ ἀγνώμονα καὶ ὀργίλον, ἀγνωμοσύνης καὶ ὀργῆς ἀποτρέπειν. καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ὁμοίως τὰ πάθη καὶ τὰ νοσήματα ἐπ' αὐτῶν τῶν ἀνθρώπων τῶν ἐχομένων τοῖς πάθεσιν ἢ τοῖς νοσήμασι σαφέστερον ἐδείκνυεν ὁποῖά ἐστιν ἢ εἰ τοὺς λόγους ψιλοὺς ἔλεγε. δοκεῖ δέ μοι καὶ τοῦτο παρ' Ὁμήρου λαβεῖν. De plus, ce n’est pas non plus sans raison qu’il (Socrate) représentait en train de parler les Gorgias, Polos, Thrasymaque, Prodicos, Ménon, Euthyphron, Anytos, Alcibiade ou Lachès alors qu’il pouvait supprimer leurs noms. Mais il savait qu’il serait utile aux auditeurs surtout par ce procédé, à supposer qu’ils aient de quelque façon compris. Car il n’est pas aisé pour d’autres que des philosophes ou des gens instruits d’avoir une vision générale des hommes à partir de leurs discours et inversement des discours à partir des hommes. La majorité des gens pense que de tels propos sont tenus sans raison et les considèrent comme ennuyeux et vains. 13. Mais Socrate considérait que chaque fois qu’il introduisait sur scène un homme vantard, il parlait de la vantardise, un homme effronté et impudent de l’effronterie et de l’impudence, et chaque fois qu’il introduisait un homme déraisonnable et colérique, il cherchait à détourner de la déraison et de la colère. Et de la même manière pour les autres cas, il montrait plus clairement quelle était la nature des passions et des maladies au moyen des hommes en per-
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Sur la tentative de conciliation des deux autorités, Homère et Platon, dans l’œuvre de Dion, voir Gangloff (2006) 153–171. Sur l’histoire de l’exégèse poétique chez les philosophes, en particulier chez Antisthène qui a pu influencer Dion, voir Campos Daroca (2003) 71–113. Toutes les traductions des œuvres de Dion de Pruse citées dans cet article sont personelles. Or. LV,12–13 : édition Amato (2009).
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sonne qui étaient touchés par ces passions et ces maladies, que s’il avait tenu de simples discours. Et ce procédé, il l’a également emprunté, me semble-t-il, à Homère.
Il faut d’abord noter la fusion entre Socrate et Platon (ou un autre auteur de dialogues socratiques). Socrate est en effet présenté à la fois comme l’écrivain ou le dramaturge qui fait parler les interlocuteurs (ἐποίει λέγοντας), voire les introduit sur scène (ὁσάκις μὲν ἀλαζόνα ἄνθρωπον εἰσάγει), et comme le protagoniste de ces dialogues :4 μὴ οὖν ὑμῖν εἰκῇ δοκεῖ Ὅμηρος ὁτιοῦν λέγειν; οὐ τοίνυν οὐδὲ Σωκράτης ἄλλως ἐχρῆτο τοῖς λόγοις οὐδὲ τοῖς παραδείγμασιν, ἀλλ' Ἀνύτῳ μὲν διαλεγόμενος βυρσέων ἐμέμνητο καὶ σκυτοτόμων, εἰ δὲ Λυσικλεῖ διαλέγοιτο, προβάτων καὶ καπήλων, Λύκωνι δὲ δικῶν καὶ συκοφαντημάτων, 5, ἀμνίων καὶ κωδίων· Μένωνι δὲ τῷ Θετταλῷ περὶ ἐραστῶν καὶ ἐρωμένων. οὐ μέντοι ἀλλὰ καὶ ἄλλων ἐνίοτε παραδειγμάτων εὐπόρει, φίλους μὲν ὀνομάζων καὶ φιλίαν, ὅτε πρὸς Λῦσιν διαλέγοιτο, περὶ σωφροσύνης δὲ Χαρμίδῃ διαλεγόμενος. Homère ne vous semble donc pas dire quoi que ce soit au hasard, n’est-ce pas ? Or il n’en va pas non plus différemment pour Socrate, quand il recourait à des discours ou à des exemples. Au contraire, quand il dialoguait avec Anytos, il faisait référence aux tanneurs et aux cordonniers, et s’il dialoguait avec Lysiclès, aux troupeaux et aux marchands, avec Lycon, aux procès et aux délations de sycophante, avec Telaugès aux vases et aux toisons, avec Ménon le Thessalien aux amants et aux aimés. Non assurément, il usait même avec facilité parfois d’autres exemples encore différents selon chaque cas, désignant les amis et l’amitié lorsqu’il dialoguait avec Lysis, et évoquant la modération quand il dialoguait avec Charmide.
Cette superposition est d’autant plus étonnante que Dion a rappelé précédemment que Socrate n’avait laissé aucun écrit et que ses paroles avaient été transmises par d’autres (§8). Plusieurs raisons peuvent expliquer cette substitution de la figure de Socrate à l’auteur de dialogues socratiques. D’abord, dans le cadre de la polémique avec Platon, attribuer à Socrate des techniques littéraires empruntées à Homère, c’est refuser l’opposition entre poésie et philosophie ; en second lieu, faire de Socrate l’auteur des dialogues, c’est peut-être également renvoyer à une autre tradition de dialogues socratiques, non platoniciens.6 Il n’en reste pas moins que cette fusion entre le personnage et l’auteur présente d’emblée ces dialogues comme des œuvres littéraires, composées à dessein et non simple reflet de conversations réelles. Dion se livre en effet à une analyse des interlocuteurs des dialogues socratiques qui présuppose de la part de Socrateauteur une construction réfléchie et délibérée du système des personnages. La 4 5
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Or. LV,22 (fin de l’opuscule, après un exposé sur Homère). Plusieurs corrections ont été proposées par les éditeurs successifs pour ce passage, qui sont résumées par Amato dans son édition de l’opuscule (2009) 134, note 112. Ce dernier suggère à son tour d’ajouter le nom propre Telaugès, personnage éponyme d’un dialogue attribué à Eschine le socratique (cf. Athénée V, 220a–b=SSR VI A84 Giannantoni), au vu des allusions probables à d’autres dialogues de cet auteur dans le passage de Dion. Si la première série de noms propres (Gorgias, Polos, Thrasymaque, etc), au §12, évoque des interlocuteurs familiers des dialogues platoniciens, la deuxième série au §22 est plus problématique. Il est probable, comme le suggère Brancacci (2000) 248, que plusieurs de ces noms fassent référence à des dialogues composés par d’autres Socratiques.
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caractéristique principale que Dion relève chez ces personnages est d’abord leur identité : chacun est doté d’un nom propre, semble-t-il préexistant, puisque Socrate aurait pu faire le choix de les en dépouiller (ἐξὸν ἀφελεῖν τὰ ὀνόματα). De fait, dans le cas du dialogue socratique de manière générale, tous les interlocuteurs ou presque (et les exemples cités par Dion le rappellent implicitement) correspondent à des figures historiques contemporaines, et leur identité accroît le caractère réaliste de la discussion ainsi que ses enjeux polémiques.7 La remarque – quelque peu étrange – de Dion questionne l’intérêt que peut présenter la suppression du nom d’un personnage de dialogue. Elle apparaît d’autant plus paradoxale que le cadre discursif dans lequel elle est formulée se présente comme un entretien entre deux interlocuteurs anonymes. Von Arnim voit dans ce dialogue, comme dans ceux de même facture, la transcription écrite d’entretiens ou de leçons donnés par Dion et non un dialogue littéraire.8 Cette hypothèse ne me paraît pas recevable dans le cas de l’or. LV, où les interlocuteurs, dont l’un peut être considéré comme une persona du philosophe Dion, ne sont pas dénués d’un minimum de traits qui esquissent une personnalité et jouent avec la tradition du dialogue socratique. Je ne développe pas davantage ici cette question du cadre dialogique de l’or. LV, que j’ai traitée par ailleurs.9 De manière générale, faire disparaître les noms des personnages pourrait affranchir la discussion d’un cadre historique trop précis pour lui conférer une valeur plus universelle. Dion ne s’arrête pas cependant sur la dimension historique ou historiographique de ces interlocuteurs de dialogues socratiques. L’anonymat pourrait aussi permettre de déplacer l’accent des personnages vers les seules idées échangées en gommant l’identité de celui qui les profère. En réalité, Dion n’explicite pas les avantages d’un dialogue avec des interlocuteurs anonymes mais semble au contraire pointer implicitement ses inconvénients : un tel dialogue serait sans doute trop abstrait et peu accessible au public, puisque Dion justifie, à l’inverse, la nécessité de donner ou de conserver le nom du personnage par l’utilité d’un tel procédé pour l’auditoire (ἀλλὰ ᾔδει τούτῳ καὶ μάλιστα ὀνήσων τοὺς ἀκούοντας, εἴ πως ξυνεῖεν). Les personnages dotés d’un nom propre possèdent une identité et une caractérisation qui sont déjà existantes et reçues, 7
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Quelques personnages anonymes se rencontrent dans les dialogues de Platon, identifiés cependant par une origine géographique (l’Athénien des Lois) ou un statut social minimal (jeune esclave dans le Ménon, ami d’Apollodore dans la discussion précédant le récit du Banquet). von Arnim (1898) 282–284. Les dialogues de Dion dont un interlocuteur ou les deux sont anonymes ne constituent pas, à mon avis, un corpus homogène et on ne peut donc donner de réponse générale à l’anonymat des personnages. Favreau-Linder (2016) 288–293 : alors que le locuteur principal, porte-parole de Dion, est doté de traits socratiques, son interlocuteur évoque plutôt la figure d’un sophiste. L’anonymat des deux interlocuteurs pourrait faciliter une réactualisation des polémiques sur les notions de sophia et de paideia, qui opposent dans les dialogues de Platon Socrate aux sophistes. L’interlocuteur de l’or. LV n’intervient pas dans l’exposé sur les personnages et n’a pas d’incidence directe sur l’analyse qui y est développée. Il est clair que ce dialogue, avec ses interlocuteurs anonymes, ne rentre pas dans la catégorie de dialogues développée dans l’exposé, et ne sert pas les mêmes objectifs ni ne vise sans doute le même public.
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quand il s’agit de figures historiques ou mythiques bien connues, ou latentes, quand il s’agit de personnages fictifs créés par l’auteur. Cependant, de tels personnages ne facilitent pas tant l’incarnation d’idées ou de thèses qu’ils donnent à voir un trait de caractère ou une passion. Ainsi, pour la vantardise (ἀλαζονεία) : Σωκράτης δὲ ἐνόμιζεν, ὁσάκις μὲν ἀλαζόνα ἄνθρωπον εἰσάγει, περὶ ἀλαζονείας λέγειν. Le procédé, comme l’explicite Dion, est sur le plan rhétorique celui de l’éthopée (ἀπὸ γὰρ τῶν λόγων τοὺς ἀνθρώπους καὶ ἀπὸ τῶν ἀνθρώπων τοὺς λόγους ξυνορᾶν), exercice qui exige de l’auteur qu’il prête à son personnage un langage en consonance avec sa personnalité et qui par là-même révèle à l’auditeur les sentiments et l’ethos de ce dernier. À l’inverse, si la personnalité est déjà connue du lecteur, ses discours peuvent aussi s’en trouver éclairés lorsqu’on les rapporte à celui qui les prononce.10 Un tel procédé est au service de l’éducation morale de l’auditeur et participe même d’une thérapeutique des passions, où le philosophe, selon une vision traditionnelle, est un médecin de l’âme. Les personnages du dialogue sont des exemples (παραδείγματα), ou des contre-exemples, puisqu’il s’agit de détourner l’auditoire de ces passions (ὁπότε δὲ ἀγνώμονα καὶ ὀργίλον, ἀγνωμοσύνης καὶ ὀργῆς ἀποτρέπειν).11 Pour autant, Dion ne donne pas d’illustration claire de la corrélation qui unit un interlocuteur socratique à un vice ou une vertu, même s’il en expose la théorie.12 Au §12, les figures d’interlocuteurs énumérées ne sont pas associées aux défauts évoqués ensuite, tandis qu’au §22, une adéquation entre le sujet abordé par Socrate dans la discussion et l’identité de son interlocuteur est bien suggérée, mais ce sujet n’est pas nécessairement d’ordre moral.13 C’est en réalité chez 10 On rencontre une idée similaire chez Plutarque, De aud. poet. 18E–F : ἀλλὰ τοὐναντίον ἡ πρὸς τὸ πρόσωπον ὑποψία διαβάλλει καὶ τὸ πρᾶγμα καὶ τὸν λόγον, ὡς φαῦλον ὑπὸ φαύλου καὶ λεγόμενον καὶ πραττόμενον – « au contraire, la défiance qu’on éprouve à l’égard du personnage discrédite aussi ses actes et ses paroles : l’homme étant vil, on tient pour vils ce qu’il dit et ce qu’il fait. » Texte et traduction Philippon (1987). Voir infra pour d’autres rapprochements. 11 Donner à voir une figure historique dont la conduite est immorale pour en condamner la dépravation et en détourner le spectateur est une méthode jugée utile et revendiquée par Plutarque dans ses Vies, cf. Vie de Démétrios, 1 : οὕτως μοι δοκοῦμεν ἡμεῖς προθυμότεροι τῶν βελτιόνων ἔσεσθαι καὶ θεαταὶ καὶ μιμηταὶ βίων, εἰ μηδὲ τῶν φαύλων καὶ ψεγομένων ἀνιστορήτως ἔχοιμεν – « De la même manière, je crois que nous serons des spectateurs et des imitateurs plus ardents des vies les meilleures si nous n’ignorons pas non plus celles qui sont viles et décriées. » Traduction Flacelière (1977) légèrement modifiée. Cependant, Plutarque ne l’envisage pas comme une grille de lecture (ou de composition) pour des dialogues philosophiques de type socratique. 12 Brancacci (1992) 3312 relève l’originalité de cette interprétation des interlocuteurs des dialogues socratiques et voit dans le passage de Dion l’écho d’un débat exégétique antique non attesté par ailleurs. Peut-être cette interprétation pourrait-elle s’inscrire dans le débat entre Platoniciens et Stoïciens (Zénon de Citium) sur l’enseignement de règles de conduite par un discours purement théorique (traités stoïciens) ou par l’exemple de personnages qui incarnent ces préceptes dans les dialogues, notamment dans leurs proèmes (dialogues platoniciens), cf. Sedley (1999) 128–152. Je remercie Malcolm Schofield pour cette référence. 13 Ce sont les activités économiques dans lesquelles ces figures historiques étaient engagées qui sont évoquées pour Anytos, Lysiclès et Télaugès. A minima, on pourrait comprendre que Di
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Homère, le maître de l’éthopée selon les rhéteurs antiques,14 que Dion va sélectionner quelques exemples et développer une brève exégèse de chacun.15 Ainsi, alors que Dion ne cite aucun interlocuteur socratique pour illustrer le type de l’alazon (§13), il convoque les figures du Troyen Asios et du prétendant Antinoos, qu’il interprète comme des incarnations de ce vice, inclues à dessein par Homère dans son poème.16 Cette exégèse homérique s’inscrit bien évidemment contre l’exégèse platonicienne : Platon dénie à Homère une connaissance réelle de la vertu ou du vice (600 e4–601a) et surtout il dénonce le danger inhérent à la poésie imitative, car la représentation des passions – plus particulièrement quand le personnage qui y est soumis suscite la sympathie de l’auditeur ou du spectateur dans le cas du théâtre – exerce une influence néfaste ; elle excite la partie non rationnelle de l’âme et encourage ses passions au lieu de les réfréner, et désarme la vigilance de la partie rationnelle (605a–606d).17 Au contraire, Dion reconnaît à Homère une forme de savoir sur les passions et considère que la représentation de personnages cédant à de mauvais penchants, bien loin d’inciter à la même conduite, sert à en détourner l’auditeur.18 Le choix des exemples homériques retenus par Dion dans cet opuscule exclut, il est vrai, des personnages aussi ambigus qu’Achille : les figures de Dolon, Pandaros, Asios ou Antinoos sont peu susceptibles d’entraîner la sympathie et donc l’adhésion à leur conduite. Toutefois une autre raison, me semble-t-il, peut faire échapper les exemples homériques aux périls de la poésie imitative mis en évidence par Platon, et justifier par là-même que Dion ait privilégié le modèle d’Homère à celui des poètes
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on considère simplement que le nom de l’interlocuteur principal suffit à renseigner l’auditeur sur le sujet global du dialogue. Cependant, le développement du §12 et l’interprétation des passages homériques qui suit impliquent une corrélation d’ordre moral. Évidemment, Dion est très elliptique dans les correspondances qu’il mentionne, sans doute parce que ces dialogues étaient bien connus de son auditoire ; malheureusement, le peu d’informations ou de fragments dont on dispose pour les dialogues socratiques non platoniciens ne permet guère d’appréhender de manière très précise le thème de ces dialogues et leur facture littéraire. Théon, Progymnasmata 60,28 Spengel [p. 3 Patillon]. Toutefois l’exégèse de Dion n’est nullement rhétorique mais bien philosophique. Dion traite six exemples tirés de l’Iliade, les trois premiers personnages incarnent un défaut (Dolon, Pandaros, et Asios), et sont opposés aux trois suivants qui, à l’inverse, illustrent une qualité (Polydamas, Nestor, et Ulysse). Un dernier exemple négatif, celui d’Antinoos, est tiré de l’Odyssée. Or. LV,17 (Asios) et 20 (Antinoos). Platon envisage une thérapie des passions par la partie rationnelle de l’âme (604c) : ἀλλ' ἀεὶ ἐθίζειν τὴν ψυχὴν ὅτι τάχιστα γίγνεσθαι πρὸς τὸ ἰᾶσθαί τε καὶ ἐπανορθοῦν τὸ πεσόν τε καὶ νοσῆσαν, ἰατρικῇ θρηνῳδίαν ἀφανίζοντα. – « Il faut au contraire constamment habituer son âme à se hâter de venir guérir et rétablir ce qui est tombé, et qui souffre, et à substituer aux lamentations l’art de la guérison. » Traduction Leroux (2002). Or. LXI,1 (Chryséis) : Dion loue son interlocutrice qui sait percevoir chez Homère cette qualité, à savoir son expérience des passions humaines (τὴν περὶ τὰ πάθη τῶν ἀνθρώπων ἐμπειρίαν).
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tragiques.19 Contrairement à la poésie purement dramatique, qui donne à voir sans médiation d’une voix narrative les conduites des personnages qu’elle met en scène, la poésie épique procède d’un mélange entre narration et dialogue direct. En effet, lorsque Dion traite du premier exemple homérique, celui de Dolon aux §§14–15, il emploie le verbe διηγῆται pour désigner la modalité expressive choisie par Homère dans cet épisode, qui mêle dialogues (entre Dolon et ses interlocuteurs, Ulysse ou Diomède) et narration : καὶ γὰρ ἐκεῖνος, ὅταν μὲν διηγῆται περὶ Δόλωνος, ὅπως μὲν ἐπεθύμησε τῶν ἵππων τῶν Ἀχιλλέως ὅπως δὲ τοὺς πολεμίους ἀποφεύγειν δυνάμενος ἔστη τοῦ δόρατος ἐγγὺς παγέντος καὶ οὐδὲν αὐτὸν ὤνησε τὸ τάχος, ὅπως δὲ ἐβάμβαινεν ὑπὸ τοῦ δέους καὶ συνεκρότει τοὺς ὀδόντας, ὅπως δὲ ἔλεγε τοῖς πολεμίοις, οὐ μόνον εἴ τι ἐρωτῷεν, ἀλλὰ καὶ ὑπὲρ ὧν μηδεὶς ἐπυνθάνετο (καὶ γὰρ τοὺς ἵππους ἐμήνυσε τοὺς Θρᾳκικοὺς καὶ τὸν Ῥῆσον, ὃν οὐδεὶς ᾔδει ἀφιγμένον)· ταῦτα δὲ λέγων οὕτω σφόδρα ἐναργῶς οὐ περὶ δειλίας ὑμῖν καὶ φιλοδοξίας δοκεῖ διαλέγεσθαι; Et celui-ci, quand il raconte à propos de Dolon comment il a convoité les chevaux d’Achille, comment alors qu’il pouvait échapper aux ennemis, il s’arrêta, parce que la lance (de Diomède) s’était fichée en terre à côté de lui – et sa vélocité ne lui fut d’aucun secours –, comment la peur le fait trembler et claquer des dents, comment il parlait aux ennemis, non seulement quand ils l’interrogeaient mais aussi sur des points que personne ne lui avait demandés (en effet, il a fait des révélations sur les chevaux thraces et sur Rhésos, dont personne ne savait qu’il était arrivé). En disant cela avec un si grand relief, ne vous paraît-il pas discuter sur la lâcheté et le désir de vaine gloire ?
Du fait de cette modalité – mixte plutôt que purement diégétique, selon la terminologie platonicienne20 –, le caractère de Dolon n’est pas révélé par les seules paroles qu’il prononce mais également par l’intervention du narrateur. En effet, la lâcheté de Dolon, qui apparaît à Dion comme l’un des défauts saillants du personnage, est signalée par les nombreuses annotations du poète décrivant les manifestations de la peur chez le Troyen. Dion se fait d’ailleurs l’écho d’un vers homérique, lorsqu’il emploie le verbe ἐβάμβαινεν.21 Cette modalité de la lexis homérique permet au poète d’engager, d’une certaine manière, une forme de dialogue avec l’auditeur sur ces sujets éthiques (οὐ περὶ δειλίας ὑμῖν καὶ φιλοδοξίας δοκεῖ διαλέγεσθαι) qui vaut bien une discussion philosophique ;22 mais cette discussion doit son efficacité d’abord à la puissance visuelle de la représentation du personnage (οὕτω σφόδρα ἐναργῶς). La réhabilitation de la valeur éducative de la poésie homérique est menée d’une manière assez comparable par Plutarque, à peu près à la même période, 19 Cf. Campos Daroca (2003) 77, 86–87 et 95, qui émet une interprétation voisine pour expliquer la différence du jugement porté par Antisthène sur la poésie homérique et la tragédie. 20 République III,392d–394d et 397d5 : ἡδύς γε καὶ ὁ κεκραμένος πολὺ δὲ ἥδιστος παισί τε καὶ παιδαγωγοῖς ὁ ἐναντίος οὗ σὺ αἱρῇ καὶ τῷ πλείστῳ ὄχλῳ – « Le mode mixte aussi est bien agréable et même, ce genre, à l’opposé de celui que tu as choisi, est le plus agréable pour les enfants, leurs pédagogues et pour le plus grand nombre. » Traduction personelle. 21 Iliade X,374–376, et en particulier v. 375 : βαμβαίνων. Dion paraphrase également la fin du vers : ἄραβος δὲ διὰ στόμα γίγνετ’ ὀδόντων – « Ses dents claquaient dans sa bouche ». Traduction Brunet (2010). 22 Cf. Gangloff (2006) 168, note 255.
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dans son traité, Comment un jeune homme doit-il écouter les poèmes. Sans méconnaître les erreurs et les dangers de la poésie,23 Plutarque, infléchissant le concept de mimesis, distingue entre l’admiration que l’on peut accorder à l’art mimétique en vertu du critère de la ressemblance entre la représentation et l’objet imité et le jugement moral que requiert la conduite représentée.24 Or, le poète luimême peut formuler un tel jugement lorsqu’il exprime sa désapprobation à l’égard des propos ou des actes de son personnage : 25 εὖ δὲ καὶ ταῖς ἐπιρρήσεσι χρῆται, καθάπερ τινὰ ψῆφον ἰδίαν ἐπιφέρων τοῖς πραττομένοις ἢ λεγομένοις, ἐπὶ μὲν τῆς μοιχείας τοῦ Ἄρεος τοὺς θεοὺς ποιῶν λέγοντας οὐκ ἀρετᾷ κακὰ ἔργα· κιχάνει τοι βραδὺς ὠκύν, (Od. VIII,329) ἐπὶ δὲ τῆς τοῦ Ἕκτορος ὑπερφροσύνης καὶ μεγαλαυχίας ὣς ἔφατ' εὐχόμενος, νεμέσησε δὲ πότνια Ἥρη, (Il. VIII,198) ἐπὶ δὲ τῆς Πανδάρου τοξείας ὣς φάτ' Ἀθηναίη, τῷ δὲ φρένας ἄφρονι πεῖθεν. (Il. IV,104) αὗται μὲν οὖν αἱ τῶν λόγων ἀποφάσεις καὶ δόξαι παντός εἰσι κατιδεῖν τοῦ προσέχοντος Il sait employer aussi les commentaires dépréciatifs, sorte de blâmes personnels infligés aux actes et aux paroles. À propos des amours adultères d’Arès, il représente les dieux disant : On ne gagne rien à mal agir ; le marcheur lent rattrappe le coureur rapide. à propos de l’arrogance et de l’orgueil d’Hector : Ainsi parlait-il avec présomption, et l’auguste Héra s’en irrita. à propos de la flèche que lance Pandaros : Ainsi parlait Athéna, et l’esprit du pauvre sot se laissait persuader. Les indications et les opinions ainsi formulées dans le texte, tout lecteur attentif peut les remarquer.
Il faut savoir repérer les indices de la voix discordante du poète, qui se fait entendre soit indirectement à travers les paroles d’un autre personnage dans le cas de l’adultère entre Arès et Aphrodite (τοὺς θεοὺς ποιῶν λέγοντας), soit directement dans ses commentaires, comme dans la remarque du poète à propos de Pandaros (τῷ δὲ φρένας ἄφρονι πεῖθεν). Homère excelle en effet aux deux procédés.26 Le texte de Plutarque permet d’éclairer l’exposé de Dion qui ne distingue pas aussi explicitement les modalités d’expression du jugement du poète. Ainsi, à propos du même Pandaros, Dion passe en revue les actions successives du héros – qui sont autant d’erreurs, et voit dans celles-ci des exempla par lesquels Homère tient un discours sur différents vices : « En donnant ces détails avec tant de soin, paraît-il parler d’un autre sujet que de vénalité, d’impiété, et de manière générale de sottise (ἀφροσύνης)? ».27 À la différence de Plutarque, Dion ne cite pas l’adjectif ἄφρονι qui manifeste le jugement du poète, même si le substantif ἀφροσύνης est sans doute une allusion implicite à ce vers ; en revanche, en réunissant les différents moments de la geste de Pandaros – du trait porté contre Ménélas à sa mort sous la 23 24 25 26 27
De aud. poet., 16D–17E. De aud. poet., 17F et 18B, 18D ; cf. Bréchet (1999) 216–218. De aud. poet. 19D. De aud. poet. 19A. Or. LV,15 : ταῦτα διεξιὼν οὕτως ἐπιμελῶς ὑπὲρ ἄλλου του δοκεῖ λέγειν ἢ δωροδοκίας καὶ ἀσεβείας καὶ τὸ ξύμπαν ἀφροσύνης;
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pique de Diomède – Dion prête à Homère le dessein d’avoir d’emblée conçu et orienté l’histoire du héros pour illustrer un propos moral, jusqu’à voir dans la manière dont il périt une forme de châtiment.28 Percevoir l’intention du poète et repérer les indices de son jugement nécessitent pour le moins d’être un lecteur attentif (παντός τοῦ προσέχοντος), comme le remarque Plutarque, voire un lecteur averti et même un philosophe, selon Dion (οὐ ῥᾴδιον ἄλλοις ἢ τοῖς φιλοσόφοις καὶ τοῖς πεπαιδευμένοις).29 L’exégèse homérique développée par Dion n’est pas isolée mais s’inscrit – la comparaison avec Plutarque le montre – dans un large courant de réconciliation de la philosophie avec la poésie. L’originalité de Dion réside dans deux points : tout d’abord son analyse ne se limite pas à la poésie homérique mais il transfère au dialogue socratique le principe de l’éthopée homérique, analyse dont il est toutefois difficile d’apprécier la pertinence au vu du corpus socratique conservé ; ensuite, sa perspective n’est pas uniquement celle de la réception de textes classiques d’un point de vue moral et éducatif ; Dion adopte en effet le point de vue de l’auteur et réfléchit aux différents moyens littéraires à sa disposition pour faciliter la communication d’un message moral et philosophique. Sa perspective est donc aussi celle de la production de telles œuvres et invite à confronter sa pratique du dialogue à ces éléments de réflexion théorique. 2. LA PRATIQUE DE DION Peu de dialogues de Dion, paradoxalement, mettent en scène des personnages identifiés par un nom et ils sont encore moins nombreux quand ces interlocuteurs sont des figures historiques ou mythiques.30 Socrate, souvent mentionné par Dion, n’est cependant mis en scène dans une situation dialogique que dans le Discours Sur la Royauté III. Toutefois l’identité de son interlocuteur est assez énigmatique, et il ne paraît ni incarner un vice particulier ni entretenir de lien étroit avec le sujet traité.31 Ce dialogue socratique rapporté par Dion n’offre donc pas lui-même les 28 Or. LV,21. Sur ce point cf. Gangloff (2006) 168–169. 29 Or. LV,12, voir supra. 30 Pour les dialogues directs autonomes, la seule exception est le Charidemos (or. XXX), où le locuteur principal qu’on suppose être Dion s’adresse au père et au frère de Charidémos ; seul le père, dénommé Timarque, lui répond. Le Philoctète (or. LIX) est un dialogue théâtral qui apparaît comme la réécriture du prologue du Philoctète. Pour les dialogues rapportés, outre ceux mentionnés dans le texte de cet article, on relève : l’or. LVIII, Achille, très bref échange entre le jeune Achille et son maître le centaure Chiron. Deux discours de Dion se présentent comme des récits autobiographiques comprenant des séquences dialoguées : l’or. XXXVI (Borysthénique), les dialogues entre Dion et notamment deux Borysthéniens, Callistratos et Hiéroséon ; l’or. VII (Euboïque), les conversations de Dion avec un paysan d’Eubée et sa famille, mais les interlocuteurs demeurent anonymes. 31 Deux échanges socratiques sont rapportés dans l’or. III : le premier avec un interlocuteur anonyme qui interroge Socrate sur le roi de Perse au §1, puis lui pose deux autres questions aux §§29–41 ; le second avec le sophiste Hippias aux §§26–27. L’identité des modèles de dialogues socratiques sous-jacents est débattue : Trapp (2000) 234 renvoie au Gorgias de Pla
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caractéristiques exposées par le philosophe dans l’or. LV. Le cynique Diogène, quant à lui, est la figure récurrente de trois dialogues narratifs, les or. VIII, IX, X, mais son interlocuteur y est anonyme ;32 il est aussi l’interlocuteur d’Alexandre le grand dans le discours Sur la Royauté IV. La figure d’Alexandre reparaît également dans le discours Sur la Royauté II, qui rapporte une conversation entre Philippe de Macédoine et son fils sur les poèmes d’Homère et l’utilité d’une telle lecture pour un roi. Je n’ai retenu pour cette étude que l’or. IV, car elle me paraît offrir avec le personnage d’Alexandre un exemple rare d’interlocuteur qui incarne, comme le préconise Dion dans l’or. LV, une passion néfaste.33 Le discours IV se présente comme la relation de la célèbre entrevue entre Alexandre et Diogène à Corinthe, juste avant son départ en campagne contre la Perse. La conversation entre le cynique et le roi, qui pour sa majeure partie va porter sur les qualités qui permettent de reconnaître le roi véritable, est rapportée après un préambule narratif (§§1–13), et ne couvre pas la totalité du discours. En effet, à partir du §79, Diogène entame une description de trois genres de vie correspondant à trois daimones – le voluptueux, l’avide de richesse et l’avide de gloire – qui s’adresse toujours à Alexandre (§82), mais sans plus aucune intervention de ce dernier jusqu’au terme de l’exposé qui coïncide avec la fin du discours. La datation de ce discours, son destinataire et les circonstances de sa prononciation font débat. La plupart des commentateurs s’accordent pour voir en l’empereur Trajan le destinataire, même si certains jugent improbable que le discours ait été réellement prononcé en sa présence, en raison de la dimension critique du propos.34 Le choix des personnages du dialogue se prête en effet aisément à la mise en abyme de la relation entre Dion et Trajan, dispositif dont le philosophe est par ailleurs familier.35 Le
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ton et aux Mémorables de Xénophon ; Brancacci (1992) 3318–3331, et notamment 3327, note 57 propose l’Archélaos d’Antisthène et suggère que l’interlocuteur anonyme de Socrate était Gorgias chez Antisthène. Dans l’or. VI, Dion relate des propos de Diogène et un discours sur le grand roi mais sans préciser les conditions d’énonciation ni mentionner d’interlocuteur. L’ambition est également un trait d’Alexandre dans l’or. II (§§15, 16, 18), mais d’une part, Alexandre est encore un jeune prince et non un roi sur le point d’entreprendre ses conquêtes, d’autre part, elle est orientée vers un ensemble de vertus royales, modelées sur l’imitatio dei, prônée par Dion (§26). Desideri (1978) 288–289 et 337, note 8a pense à une rédaction en deux temps, une composition entreprise d’abord pendant l’exil et visant Domitien, puis retravaillée au début du règne de Trajan. Jones (1978) 121, Gangloff (2006) 271 voient dans Trajan le destinataire du discours mais rejettent l’hypothèse d’une performance en sa présence. Cette possibilité est en revanche défendue par Moles (1983), voir déjà von Arnim (1898) 399–405. Cf. Or. I,1–5. Dion suggère lui-même une parallèle entre la situation de la rencontre entre Diogène et Alexandre et le propre cadre énonciatif de son discours : tout comme Diogène dispose du loisir du philosophe cynique qui vit en marge de la société §1 (πολλὴν ἄγοντι σχολήν), loisir qui est également la condition préalable et nécessaire à la conversation philosophique dans le dialogue socratique, Dion jouit de ce loisir qui lui permet de rapporter à son tour la rencontre entre Diogène et le roi de Macédoine (ἐπειδὴ καὶ τυγχάνομεν σχολὴν ἄγοντες, §3). De même, Trajan a sans doute aussi peu de loisir qu’Alexandre, cf. Moles (1983) 254 et 262.
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cynique Diogène apparaît comme un masque possible du philosophe, éloigné du flatteur de cour, qui adresse ses conseils à un roi. La figure d’Alexandre le grand est séduisante : le succès de ses conquêtes en font un modèle ouvertement admiré par les empereurs romains et notamment par Trajan.36 Je retiens donc l’hypothèse que Trajan est le destinataire premier de ce discours, même s’il n’est pas exclu que Dion ait pu reprendre ce discours en d’autres occasions et devant un autre auditoire, plus large.37 Le choix d’Alexandre plutôt que d’une autre figure royale s’est certainement d’abord imposé à Dion du fait de son adéquation particulière avec son destinataire imperial,38 mais outre ses qualités politiques, un trait moral me paraît motiver la présence du roi de Macédoine dans l’or. IV, sa passion pour la gloire et la renommée :39 ἦν μὲν γάρ, ὥς φασιν, ὁ Ἀλέξανδρος ἀνθρώπων φιλοτιμότατος καὶ μάλιστα δόξης ἐραστὴς καὶ τοῦ καταλιπεῖν ὡς μέγιστον αὑτοῦ ὄνομα ἐν πᾶσιν Ἕλλησι καὶ βαρβάροις Alexandre, à ce qu’on dit, était le plus ambitieux des hommes et par dessus tout épris de gloire et désireux de laisser le renom le plus grand qui soit parmi l’ensemble des Grecs et des Barbares.
L’ambition du futur conquérant et son ardent désir de gloire sont des caractéristiques du portrait d’Alexandre de Macédoine, transmises par la tradition à son sujet (ὥς φασιν). Dion reprend donc pour composer le portrait de son personnage des données qui appartiennent à une tradition historiographique et morale partagée,40 qu’il suffit de rappeler en préambule pour que la figure d’Alexandre se cristallise plus particulièrement autour de cette notion morale. Toutefois, cette passion n’était pas nécessairement jugée de manière négative par la société, comme le rappelle Dion dans un autre opuscule sur le même thème.41 Elle pouvait au contraire ajouter à l’attrait d’une telle figure auprès de Trajan, lui-même connu pour son ambition.42 Or, l’or. IV développe très clairement une condamnation de cette 36 Dion Cassius LVIII,29,1 et 30,1 ; Histoire Auguste, Hadrien, 4,9. Cf. pour la bibliographie afférente Moles (1983) 253, note 9, et Gangloff (2006) 256, note 1. 37 Cette pratique est attestée pour d’autres discours de Dion. La référence à un mythe lybien au §74 a conduit von Arnim (1898) 412–415 à supposer que l’or. V qui relate un tel mythe avait pu constituer une variante à la fin du discours (l’exposé sur les démons, §79–139), hypothèse qui confirmerait une reprise de l’or. IV en d’autres circonstances, voir infra. 38 Alexandre, interlocuteur principal de l’or. II, est également présent dans l’exorde de l’or. I, où Dion s’adresse à l’empereur. Gangloff (2006) 256 note qu’en dehors des discours Sur la royauté, la figure d’Alexandre n’est guère récurrente dans le corpus des œuvres de Dion. 39 Or. IV,4. Texte grec Vagnone (2012) ; traduction personnelle. 40 Voir Plutarque, Vie d’Alexandre 5 et Fortune d’Alexandre 342F. Pour d’autres parallèles voir Visona (2016) 224. 41 Or. LXVI,1–2 : τοὺς δὲ φιλοτίμους καὶ φιλοδόξους τοὐναντίον ἐπαινοῦσιν, ὡς λαμπρούς […] τῶν γὰρ πολλῶν ἕκαστος εὐφημεῖ τὴν τοιαύτην νόσον, λυσιτελεῖν ἡγούμενος αὑτῷ – « En revanche, les hommes avides d’honneur et de gloire, ils en font tout au contraire l’éloge, comme de gens brillants […] En effet, la plupart des gens parlent tous, en bons termes, de cette maladie, dans la pensée qu’elle leur est profitable. » 42 Dion Cassius LXVIII,17,1 ; Pline, epist. 10,50,1 et 5 ; cf. Moles (1983) 264.
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passion et Dion cherche manifestement à inciter l’empereur à modérer ses ambitions, notamment dans le domaine des conquêtes militaires.43 Mon propos n’est pas de revenir sur les enjeux politiques de ce discours et la conception de la royauté qui s’y trouve développée, déjà fort bien analysés.44 Je souhaite, en revanche, examiner dans quelle mesure et de quelle manière Dion met en œuvre la poétique qu’il a esquissée sur les personnages dans l’or. LV. Dans l’or. LV, deux modèles sont mentionnés pour illustrer l’emploi de personnages choisis afin d’incarner une passion, le dialogue socratique et l’épopée homérique. Cependant les exemples commentés sont homériques et de ce fait, le dispositif dialogique décrit est celui du dialogue rapporté et non du dialogue direct. Les deux dispositifs peuvent se rencontrer dans les dialogues socratiques comme dans les dialogues de Dion, mais il n’est pas fortuit que Dion choisisse le dialogue narratif dans le cas de l’entretien entre Diogène et Alexandre, car ce mode permet, comme Dion le montrait dans les poèmes homériques, de multiplier les moyens de caractériser le personnage et d’apporter un jugement sur ce dernier qui guide la réception par l’auditeur. C’est un dispositif plus pédagogique que celui du dialogue dramatique. L’auditeur est d’abord averti par une série de notations préliminaires au dialogue que le roi de Macédoine incarne une figure de l’ambitieux. Ainsi, c’est la propre gloire de Diogène, qui attire Alexandre, jaloux de la renommée du cynique (§7): πολλάκις δὲ ἐθαύμαζε καὶ ἐζηλοτύπει τῆς τε ἀνδρείας τοῦτον καὶ τῆς καρτερίας, καὶ μάλιστα τῆς δόξης, ὅτι τοιοῦτος ὢν πᾶσι τοῖς Ἕλλησι γιγνώσκοιτο καὶ θαυμάζοιτο, καὶ οὐδεὶς ἠδύνατο τῶν ἄλλων οἷος ἐκεῖνος γενέσθαι τῇ φιλοτιμίᾳ. Il lui arrivait souvent d’admirer et d’envier Diogène pour sa bravoure, son endurance et surtout pour sa gloire : tel qu’il était, tous les Grecs le connaissaient et l’admiraient et personne d’autre ne pouvait l’égaler par son ambition.
Le choix de la narration permet d’introduire les deux interlocuteurs, de mettre en relief quelques facettes de leur ethos en soulignant d’emblée le contraste entre la fragilité et la vanité de la gloire que recherche Alexandre et les vertus qui fondent celle de Diogène (§§8–10). Le préambule prépare l’auditeur à la conversation qui va suivre et à la virulente leçon du cynique. La répartie de Diogène à Alexandre lors de cette rencontre à Corinthe était fameuse comme exemple de l’indifférence et même de la superbe du philosophe à l’égard des plus puissants, et lui avait valu l’admiration du roi de Macédoine.45 Même si Dion se contente de la rapporter au style indirect, elle est, pour l’auditeur, un marqueur de la tonalité de l’échange qui va suivre. 43 Gangloff (2006) 265–273. 44 Gangloff ibid. et 337–338 ; 342–348 (rôle du philosophe auprès du roi) et ead. (2009) 3–38. 45 Plutarque, Vie d’Alexandre 14 ; Diogène Laërce VI,38 ; Cicéron, Tusculanes V,32,92. Dion, or. IV,14–15 : καὶ ἐκέλευσεν ἀποστῆναι σμικρόν· ἐτύγχανε γὰρ ἀλεαινόμενος πρὸς τὸν ἥλιον – « Il lui ordonna de s’écarter un peu, car il se trouve qu’il se chauffait au soleil. » Dion rapporte également la réaction ravie d’Alexandre.
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La philodoxia du Macédonien transparaît également dans ses paroles, conformément au principe de l’éthopée, mais ce sont souvent les répliques de Diogène qui, par leur caractère décalé, ambigu et provocateur, font apparaître la vanité de cet orgueil. Le début du dialogue en donne un exemple caractéristique. Comme Diogène a interrogé Alexandre sur son identité et les raisons de sa venue, le Macédonien, surpris, répond de la sorte.46 Τί δέ, ἔφη, οὐκ οἶσθα Ἀλέξανδρον τὸν βασιλέα; Τό γε ὄνομα, εἶπεν, ἀκούω πολλῶν λεγόντων, ὡς κολοιῶν περιπετομένων, αὐτὸν δὲ οὐ γινώσκω· οὐ γάρ εἰμι ἔμπειρος αὐτοῦ τῆς διανοίας. Ἀλλὰ νῦν, ἔφη, γνώσῃ καὶ τὴν διάνοιαν· ἥκω γὰρ ἐπ' αὐτὸ τοῦτο, ἐμαυτόν τε παρέξων σοι καταμαθεῖν καὶ σὲ ὀψόμενος. Ἀλλὰ χαλεπῶς, ἔφη, με ἂν ἴδοις, ὥσπερ τὸ φῶς οἱ τὰ ὄμματα ἀσθενεῖς. τόδε δέ μοι εἰπέ, σὺ ἐκεῖνος εἶ Ἀλέξανδρος, ὃν λέγουσιν ὑποβολιμαῖον; – Quoi donc, dit-il, tu ne connais pas Alexandre le roi ? – J’ai entendu bien des gens prononcer son nom, répondit-il, comme des geais voletant tout autour, mais lui, je ne le connais pas, car je n’ai pas l’expérience de sa manière de pensée. – Eh bien à présent, dit-il, tu connaîtras aussi sa manière de pensée. Je suis venu, en effet, dans ce but précis : me livrer à toi afin que tu me comprennes, et pour te voir. – Mais il te sera difficile, dit-il, de me voir, tout comme ce l’est de voir la lumière pour des hommes à la vue faible. Toutefois, réponds-moi sur ce point : es-tu le fameux Alexandre qu’on appelle le bâtard ?
La formulation interrogative de la réponse et l’énoncé de son titre de roi, comme un élément identitaire – tel un patronyme ou un toponyme – manifestent à la fois l’orgueil et l’indignation d’Alexandre, surpris et vexé de ce que Diogène puisse ignorer son identité, ce qui montre le souci qu’il a de sa renommée.47 Diogène, en usant à son tour de la troisième personne pour parler d’Alexandre, avec l’emploi de l’anaphorique αὐτὸν, semble moquer la vanité de son interlocuteur tout en prolongeant le quiproquo, puisqu’il donne l’impression qu’il ne l’a toujours pas reconnu. Plus sérieusement, la réponse de Diogène en distinguant entre le renom et le caractère véritable de la personne elle-même,48 met en cause la valeur de la renommée (doxa), qui est fondée non sur une réelle connaissance mais sur l’opinion (doxa) nécessairement fluctuante de la foule, laquelle est dévalorisée par la comparaison avec des geais. Cette comparaison sonne comme un écho ironique 46 Or. IV,17–18. 47 Cette réaction d’Alexandre est plus aisément perceptible par l’auditeur après le préambule narratif (§4) où Dion lui a rappelé le désir ardent d’Alexandre de laisser son nom (ὄνομα) parmi les Grecs et les Barbares, cf. citation supra. 48 Cette réponse de Diogène fait écho à celles que donne Socrate dans le Gorgias 470e6, à propos d’Archélaos, et dans le discours Sur la Royauté III,1, à propos du roi de Perse : οὐκ ἔφη δὲ αὐτὸς εἰδέναι διὰ τὸ μὴ συγγενέσθαι αὐτῷ μηδὲ γιγνώσκειν ὁποῖός ἐστι τὴν διάνοιαν – « Lui-même n’en savait rien, disait-il, étant donné qu’il ne l’avait pas fréquenté et qu’il ignorait quelle était sa manière de pensée ».
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aux oiseaux mentionnés par Dion pour décrire la démesure du désir de gloire d’Alexandre dans le préambule narratif (§4) : καὶ ἐπεθύμει γε τιμᾶσθαι σχεδὸν οὐχ ὑπὸ τῶν ἀνθρώπων μόνον πανταχοῦ, ἀλλ' εἴ πως δυνατὸν ἦν, ὑπό τε τῶν ὀρνίθων καὶ τῶν ἐν τοῖς ὄρεσι θηρίων. Il désirait recevoir les honneurs, pour ainsi dire, non seulement des hommes de la terre entière, mais – si cela avait été possible de quelque manière –, de la part des oiseaux et des bêtes sauvages dans les montagnes.
L’auditeur attentif peut relever ce jeu de références croisées qui viennent conforter la dénonciation de la philotimia du roi macédonien et la vanité d’un renom qui ne dit rien de la valeur intrinsèque de l’homme. La deuxième répartie de Diogène à Alexandre, quand il lui expose les raisons de sa venue, participe aussi à rabattre l’orgueil du Macédonien, en affichant une supériorité qui paraît méprisante : Diogène est plus éblouissant que le roi de Macédoine qui, de ce fait, ne saurait le voir. Diogène joue sur le sens du mot « voir » qu’avait employé Alexandre, et file la métaphore de la vue pour suggérer que le jeune roi ne se distingue pas du commun des mortels, incapables de comprendre réellement le philosophe. Enfin, la question provocante du cynique sur les origines d’Alexandre achève de déstabiliser ce dernier. L’intervention de Dion en narrateur omniscient complète la caractérisation d’Alexandre en décrivant non seulement sa réaction, telle une didascalie, mais aussi ses sentiments et notamment les fluctuations de ses jugements, indices d’un homme esclave de l’opinion des autres :49 καὶ ὃς ἀκούσας ἠρυθρίασε μὲν καὶ ὠργίσθη, κατέσχε δ' ἑαυτόν· μετενόει δέ, ὅτι εἰς λόγους ἠξίωσεν ἐλθεῖν ἀνδρὶ σκαιῷ τε καὶ ἀλαζόνι, ὡς αὐτὸς ἐνόμιζεν. Et lui, à ces mots, se mit à rougir et fut pris de rage mais il se retint. Il regrettait cependant d’avoir jugé bon d’engager la discussion avec un homme grossier et vantard, à ce que luimême croyait.
L’appréciation extrêmement négative que le Macédonien émet sur Diogène contraste avec le jugement admiratif qu’il a porté sur le cynique précédemment et qu’il portera à nouveau, après que Diogène aura corrigé en compliment le qualificatif de bâtard, en évoquant l’origine divine d’Alexandre. 50 Le verbe μετενόει exprime cette versatilité qui caractérise dans d’autres textes l’homme avide de gloire.51 Dion livre également les pensées de Diogène et les intentions qui motivent ses propos :52 ὁ οὖν Διογένης καταμαθὼν αὐτὸν τεταραγμένον, ἐβουλήθη μεταβαλεῖν αὐτοῦ τὴν ψυχήν, ὥσπερ οἱ παῖδες τοὺς ἀστραγάλους.
49 Or. IV,18. 50 Or. IV,15 et 20. 51 La versatilité du philodoxos va généralement de paire avec la variabilité incessante de l’opinion publique sur sa personne, voir or. LXVII,6, cf. Visona (2016) 221. 52 Or. IV,19.
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Diogène, donc, comprit l’agitation d’Alexandre et voulut retourner son âme comme les enfants font avec les dés.
Avant même qu’Alexandre ait répondu, Diogène a su voir dans son apparence les manifestations de son irritation. La capacité cognitive du philosophe contraste avec l’aveuglement des opinions du Macédonien à son sujet : la reprise dans le commentaire narratif du verbe καταμαθεῖν, employé par Alexandre quand il déclare à Diogène qu’il est justement venu à lui pour que le cynique puisse le connaître et le comprendre, vient insister auprès de l’auditeur de ce dialogue sur la clairvoyance du philosophe à l’égard de la nature humaine et de ses passions. L’expression liminaire d’Alexandre (νῦν, ἔφη, γνώσῃ καὶ τὴν διάνοιαν) revêt une résonnance programmatique et quasi métalittéraire, puisque l’entrevue et l’entretien entre Alexandre et Diogène, tels que les relate Dion, permettent précisément de donner à voir et à comprendre un caractère à travers sa conduite et ses paroles, comme le permettent les dialogues socratiques, selon l’analyse livrée dans l’or. LV,12 (ἀπὸ γὰρ τῶν λόγων τοὺς ἀνθρώπους καὶ ἀπὸ τῶν ἀνθρώπων τοὺς λόγους ξυνορᾶν). Les commentaires de Dion narrateur soutiennent cette compréhension, qui n’est pas toujours immédiatement accessible à un lecteur non averti (οὐ ῥᾴδιον ἄλλοις ἢ τοῖς φιλοσόφοις καὶ τοῖς πεπαιδευμένοις).53 De telles insertions narratives sur les réactions d’Alexandre et leur interprétation émaillent le dialogue.54 Dion peut y ajouter, comme dans cet exemple, des informations sur Diogène, non pour éclairer son caractère mais pour expliciter la stratégie discursive qu’il déploie envers son interlocuteur. Ainsi, l’emploi du verbe μεταβαλεῖν, en écho au verbe μετενόει, souligne l’habileté de Diogène à jouer de la versatilité d’Alexandre, et oriente la réception des paroles suivantes du cynique, qui pourraient passer pour une pure flatterie, en contradiction avec la parrhèsia iconoclaste des propos précédents.55 Les paroles du philosophe ne relèvent pas d’une provocation gratuite mais visent à transformer son interlocuteur. Diogène n’est pas simplement le censeur des désirs puérils d’honneur et de renommée d’Alexandre. L’entretien entre le cynique et le roi macédonien non seulement donne à voir à l’auditeur une représentation de l’ambition politique, en la condamnant par l’expression de jugements attribués au personnage de Diogène ou formulés par Dion narrateur, mais il montre également la possibilité d’une réforme morale à travers le dialogue avec le philosophe.56 53 Or. LV,12, voir supra. 54 Par exemple, §§20, 23, 26, 49, 52, 60, 65, 71, 76, 77–78. 55 C’est d’ailleurs comme un compliment qu’Alexandre reçoit l’explication de Diogène sur sa possible ascendance divine (§20), mais elle sert également à introduire la théorie de Diogène sur le rapport entre royauté humaine et royauté divine, cf. Gangloff (2006) 266. 56 Dans l’exégèse des exemples homériques de l’or. LV, Dion voit dans le sort funeste que rencontre le personnage un procédé narratif sciemment employé par Homère pour apporter une sanction morale à la mauvaise conduite de ce héros, lequel réalise trop tard son erreur. Le dialogue philosophique, même narratif, saisit un instant et rarement un dénouement et cherche à faire progresser l’interlocuteur, en provoquant une prise de conscience de ses erreurs ou de ses illusions.
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Diogène revêt la fonction d’un médecin de l’âme et de ses passions,57 dont les paroles cherchent à opérer une action thérapeutique, comme le montre un autre extrait :58 κατιδὼν οὖν αὐτὸν ὁ Διογένης τεθορυβημένον καὶ σφόδρα τῇ ψυχῇ μετέωρον, προσέπαιζε καὶ περιεῖλκεν, εἴ πως δύναιτο κινηθεὶς ἀπὸ τοῦ τύφου καὶ τῆς δόξης μικρόν τι ἀνανῆψαι. καὶ γὰρ δὴ ᾐσθάνετο αὐτὸν νῦν μὲν ἡδόμενον, νῦν δὲ λυπούμενον ἐν τῷ αὐτῷ καὶ τὴν ψυχὴν αὐτοῦ ἄκριτον οὖσαν, ὥσπερ τὸν ἀέρα ἐν ταῖς τροπαῖς, ὅταν ἐκ τοῦ αὐτοῦ νέφους ὕῃ τε καὶ λάμπῃ ὁ ἥλιος. Diogène comme il s’était aperçu qu’Alexandre était bouleversé et qu’il avait l’âme en suspend, se jouait de lui et le tiraillait pour le cas où, débarrassé de son aveuglement et de la gloire, il pourrait en quelque façon retrouver un tant soit peu de sobriété. En effet, il le voyait tantôt réjoui, tantôt affligé à la même occasion et il voyait son âme aussi brouillée que l’air au solstice, quand du même nuage il pleut tout en faisant soleil.
L’observation attentive (κατιδὼν, ᾐσθάνετο) de son interlocuteur permet à Diogène de poser un diagnostic : l’instabilité de son humeur – dépeinte par l’épithète imagée μετέωρον, elle-même développée par la comparaison météorologique59 – est un symptôme qui traduit la confusion de l’âme d’Alexandre, provoquée par sa recherche effrénée de la gloire.60 Ce diagnostic conduit Diogène à tenter une forme de cure pour restaurer un état d’équilibre et de lucidité chez son interlocuteur, loin de l’ivresse factice de ses rêves de gloire (ἀνανῆψαι). La méthode thérapeutique appliquée procède du même principe que celui exposé précédemment au §19. Il s’agit pour Diogène de « jouer » (προσέπαιζε)61 avec la psuchè de son interlocuteur et d’une certaine manière d’accentuer l’instabilité de celle-ci, tantôt par des paroles désobligeantes et des critiques virulentes, tantôt par des propos plus plaisants, qui viennent la tirailler en tout sens (περιεῖλκεν), la mettre sens dessus dessous en la retournant complètement (μεταβαλεῖν, §19). Alexandre ne peut qu’hésiter sur le jugement de Diogène à son égard, entre mépris ou estime, et douter du sérieux de ses propos qui mettent en cause les opinions reçues. Ce jeu sérieux vise, en effet, à déloger l’âme du Macédonien de ses certitudes et à ébran 57 La comparaison entre Diogène et un médecin revient à plusieurs reprises dans les Diogéniques VIII,5 et X,2. 58 Or. IV,77–78. 59 Terme et comparaison voisine dans la description du démon de l’ambition, §§118–119. L’adjectif μετέωρος vient également qualifier l’ambitieux dans les deux autres opuscules dédiés à la doxa, or. LXVI,8 ; or. LXVII,6. 60 La philodoxia est une maladie, qualifiée de μανία au §84 consacré au portrait du daimon de l’homme philotimos et philodoxos. La description de ce daimon reprend les traits symptomatiques de cette passion : trouble de l’âme (τὴν ταραχὴν, en écho au participe τεταραγμένον qui qualifie Alexandre, §19) et aveuglement sur la nature réelle de la gloire que le philodoxos poursuit (ἐξαπατῶν αὑτόν, ὡς καλοῦ δή τινος ἐραστήν), ce que traduit également le terme τῦφος, terme emblématique des Cyniques (cf. Diogène Laërce VI,7, 26, 83, 85, 86 et Goulet-Cazé (1999) 750, note 1. 61 Le verbe fait écho d’une part à la comparaison des enfants qui jouent aux dés (§19), mais aussi à la réflexion d’Alexandre qui, dérouté par les propos de Diogène, lui demande s’il « joue », se méprenant sur le sérieux de son message (§51).
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ler son assurance en la légitimité de sa quête de gloire.62 Les reproches directs viennent « châtier » la vanité du Macédonien en lui déniant la qualité de roi,63 mais vont de paire avec un discours constructif sur la royauté véritable. Les remarques narratives, en explicitant les intentions de Diogène, justifient la rudesse de ses propos et leur légitimité.64 Plus globalement, ce dispositif d’accompagnement narratif du dialogue instaure une forme de distance par rapport aux personnages, notamment par rapport à Alexandre. L’auditeur est placé en position d’exégète plus que de spectateur et invité à partager l’analyse du caractère de l’ambitieux et le jugement porté sur lui. Dion disparaît le plus souvent derrière la voix quelque peu impersonnelle du narrateur, dont les interventions sont plus descriptives qu’évaluatives.65 Dion n’intervient à la première personne qu’une seule fois,66 pour souligner avec humour les excès de l’ambition d’Alexandre, en revisitant l’alternative homérique énoncée par Achille dans l’Hadès :67 ὁ δὲ Ἀλέξανδρος δοκεῖ μοι ἑλέσθαι ἂν καὶ τοῦ τρίτου μέρους τῶν νεκρῶν ἄρχειν ἀποθανὼν ἢ ζῆν τὸν ἅπαντα χρόνον θεὸς γενόμενος μόνον, εἰ μὴ βασιλεὺς γένοιτο τῶν ἄλλων θεῶν. […] ὅθεν καὶ ἐκόλαζεν αὐτὸν ὁ Διογένης πάντα τρόπον. Alexandre, à mon avis, aurait préféré, mort, régner sur un tiers des morts plutôt que de vivre éternellement, en étant simplement un dieu, à moins qu’il ne fût devenu le roi des autres dieux. Et c’est pourquoi Diogène cherchait à le corriger par tous les moyens.
L’humour accentue la distance par rapport au personnage et engage une connivence avec l’auditoire ou l’auditeur auquel Dion s’adresse, qui ne peut que rire de cette surenchère.68 Le dialogue narratif, au-delà de sa fonction pédagogique, permet également à Dion de creuser l’écart entre la situation relatée et celle de l’énonciation, c’est-à-dire son adresse à Trajan. Il n’y a pas de coïncidence exacte entre Alexandre et Trajan ni entre Diogène et Dion, même si ce dernier adhère au jugement porté sur Alexandre et à la démarche philosophique du cynique.69 Cet effet de distanciation permet de ne pas condamner ouvertement l’ambition de Tra 62 Sur la valeur pédagogique du rire et de la provocation chez Diogène, voir Goulet-Cazé (1993) 310–312. Voir également Laurand (2009) 316–317, pour la dimension thérapeutique de la parole de Diogène. 63 Or. IV,53 : οὐδὲ τῷ ὄντι βασιλεύσεις ἀφ’ ἧς ἔχεις ταύτης διανοίας – « Avec cet état d’esprit qui est le tien, tu ne seras pas véritablement roi ». 64 Ainsi, l’insertion narrative au §52 non seulement insiste sur la capacité du philosophe à voir dans les propos d’Alexandre la manifestation de son ambition, mais justifie également la dureté de la réponse que va apporter le cynique. 65 Les jugements sur Alexandre sont attribués dans leur très grande majorité à Diogène. 66 Après l’indication initiale qu’il va entreprendre le récit de la rencontre entre Alexandre et Diogène (§3). Certes la superposition de la voix de l’orateur avec celle du narrateur lors de la prononciation du discours doit amener à nuancer la valeur de cette distinction entre les deux instances pour l’auditeur. 67 Or. IV,50–51. Cette remarque de Dion intervient en clôture d’un commentaire narratif où précisément transparaît un jugement sur la mégalomanie d’Alexandre. 68 Cf. Moles (1983) 274–275, plus généralement sur le rôle du spoudaiogeloion cynique dans la perception par Trajan de l’échange entre Diogène et Alexandre. 69 Moles (1983) développe l’idée d’un jeu subtil de ressemblances mais aussi de différences entre Alexandre et Trajan, Dion et Diogène, voir 263–264, 267, 274.
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jan mais de l’engager à se détourner d’un modèle ou d’une certaine représentation d’Alexandre pour le tourner vers un Alexandre qu’aurait corrigé le cynisme de Diogène.70 Toutefois, on peut douter du succès de Diogène à guérir Alexandre par la vertu de l’échange dialogique.71 L’exposé de la méthode du cynique intervient en effet au terme de la partie dialoguée et répète le même constat sur l’aveuglement et la philodoxia d’Alexandre.72 Dion indique d’ailleurs que Diogène a conscience que son interlocuteur n’est peut-être pas pleinement réceptif à ses paroles, et c’est pourquoi il adopte une autre forme discursive, plus rhétorique.73 Alexandre, toutefois, a revu son jugement sur son interlocuteur et reconnu en lui un sage et peut-être même un guide, dont il attend les paroles et sollicite les conseils.74 À défaut d’avoir délivré Alexandre de sa philodoxia, le dialogue avec Diogène a révélé au Macédonien son ignorance et sa fragilité, et d’une certaine manière peutêtre a préparé son âme pour qu’elle soit plus réceptive au discours sur les démons qui va suivre. Cette description use de ressources visuelles d’un autre ordre en substituant le tableau muet de ses allégories au théâtre de la confrontation entre l’ambitieux Alexandre et le sage Diogène.75 Dans une démarche inverse à celle des physiognomonistes, le philosophe cherche à modeler une forme qui corresponde à un caractère et puisse le rendre visible:76 οἱ μὲν γὰρ ἀπὸ τῆς μορφῆς καὶ τοῦ εἴδους τὸ ἦθος γιγνώσκουσι καὶ ἀπαγγέλλουσιν, ἡμεῖς δὲ ἀπὸ τῶν ἠθῶν καὶ τῶν ἔργων χαρακτῆρα καὶ μορφὴν ἀξίαν ἐκείνων σπάσωμεν, εἰ ἄρα μᾶλλον ἅψασθαι δυνησόμεθα τῶν πολλῶν καὶ φαυλοτέρων·
70 Les propos de Diogène n’ont pas qu’une valeur corrective mais également protreptique (§65). 71 Peu de commentateurs notent ce relatif échec de Diogène au terme du dialogue, voir par exemple l’analyse de Laurand (2009) 316 sur les limites de la parrhèsia cynique. 72 Or. IV,77–78, cité supra. 73 Or. IV,79 : συνίει δὲ ὅτι καὶ τοῦ τρόπου κατεφρόνει, ἐν ᾧ διελέγετο πρὸς αὐτόν, ἅτε οὐδέποτε ἀκηκοὼς δεινοῦ λέγειν ἀνδρός, ἀλλὰ τοὺς τῶν σοφιστῶν θαυμάζων λόγους, ὡς ὑψηλούς τε καὶ μεγαλοπρεπεῖς – « Il avait conscience également qu’Alexandre méprisait la manière dont il discutait avec lui, du fait qu’il n’avait jamais entendu un homme habile à parler mais qu’il admirait les discours des sophistes pour leur élévation et leur magnificence. » Ce passage à un discours plus ample est justifié, au sein de la fiction du dialogue, par la nécessité, pour toucher le Macédonien, de recourir à des figures qui incarnent l’intempérance parce qu’Alexandre ne comprend pas le sens exact des paroles de Diogène, tout comme finalement les auditeurs auxquels manquent une éducation philosophique dans l’or. LV (§12, supra). 74 Or. IV,76. Comme l’ont relevé notamment Moles (1983) 266, 267, 271, Berardi (1998) 49 et Gangloff (2006) 268, Alexandre est doté de certaines qualités (7, 15, 38) et ses défauts sont attribués pour partie à sa jeunesse et à une mauvaise éducation (§6), ils peuvent donc être corrigés. 75 Sur la recherche par Dion d’une éloquence visuelle cf. Desideri (1991) 3941–3948 ; sur la récurrence de ces figures muettes dans les œuvres de Dion, cf. Berardi (1998) 41 et note 14. 76 Or. IV,88. Je comprends comme Desideri (1991) 3944 que l’expression τῶν πολλῶν καὶ φαυλοτέρων renvoie à un auditoire élargi.
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Eux, en effet, tirent de la forme d’un corps et de son apparence leur connaissance d’un caractère et le révèlent, eh bien nous, extrayons de leur caractère et de leurs actes des traits et une forme corporelle qui leur correspondent, si vraiment nous pouvons toucher davantage le commun des mortels.
Cet exposé de la fabrique d’images littéraires pour représenter les caractères que le philosophe veut dénoncer relève d’un discours théorique, attribué à Diogène mais qui fait entendre la réflexion de Dion, et comparable à celui de l’or. LV sur les personnages de dialogue. Par des moyens différents, il s’agit dans les deux cas d’incarner un discours philosophique trop abstrait, avec un même souci pédagogique et une même visée morale : détourner l’auditoire des passions mauvaises pour le mener vers la vertu.77 La représentation des trois daimones qui correspondent à trois genres de vie est inspirée, comme l’ont signalé plusieurs commentateurs, de la République et notamment du choix d’un daimon dans le Mythe d’Er (617d sq.).78 Même si la perspective de Dion n’est pas directement eschatologique, le dispositif littéraire qui consiste à placer au terme d’un dialogue un mythe ou un tableau plus allégorique, qui expose aux yeux de l’interlocuteur le bon et le mauvais choix de vie, rappelle un procédé de composition assez courant dans les dialogues de Platon. Le dialogue entre Diogène et Alexandre n’est pourtant pas à proprement parler un dialogue socratique ; et pourtant, plusieurs modèles socratiques ont été proposés qui auraient pu l’inspirer, dont le Premier Alcibiade.79 Au regard de la théorie exposée par Dion dans l’or. LV, la figure d’Alcibiade est évidemment intéressante, parce que l’Athénien était bien connu pour son ambition et sa carrière politiques. Son nom figure d’ailleurs dans la liste des interlocuteurs de dialogues socratiques mentionnés par Dion (§12), sans toutefois que Dion y associe un caractère moral. Dans le Premier Alcibiade, cet aspect de la personnalité du jeune Athénien est rappelé par Socrate au seuil du dialogue (105a5–c). Ainsi dépeint-il non sans une pointe d’exagération humoristique son ambition effrénée :80 77 Or. IV,89 : σπεύδειν πανταχόθεν εἰκόνας καὶ παραδείγματα πορίζοντας, ἄν πως ἰσχύσωμεν ἀποτρέψαι κακίας καὶ ἀπάτης καὶ πονηρῶν ἐπιθυμιῶν, εἰς ἀρετῆς δὲ φιλίαν προαγαγεῖν καὶ ἔρωτα [καὶ] ζωῆς ἀμείνονος – « s’empresser de procurer des images et des exemples, en les prenant dans tous les domaines, pour le cas où nous pourrons de quelque manière détourner du vice, de la tromperie et des désirs mauvais (les hommes) pour les conduire vers l’amour de la vertu et le désir d’une vie meilleure. » 78 Moles (1983) 256–258. Berardi (1998) 43 et Trapp (2000) 225 soulignent surtout le parallèle avec la description des trois parties de l’âme (République, IX,580d–583). Ces références platoniciennes ne contredisent pas le souci pédagogique de recourir à un langage imagé pour toucher l’auditoire (souci lui-même présent chez Platon). 79 Ainsi Brancacci (2000) relève des éléments de doctrine antisthénienne aux §§24–25 et suggère que Dion a pu s’inspirer de l’Archélaos, qu’il aurait par ailleurs imité dans l’or. III. Trapp (2000) 226–227 propose de son côté une influence du Premier Alcibiade. La mise en scène d’un philosophe face à une figure historique de l’ambition politique dans l’Alcibiade me paraît fournir un modèle plus direct de la situation dialogique dans le discours de Dion que ne le ferait l’Archélaos d’Antisthène, qui donnerait pour interlocuteurs à Socrate, selon Brancacci (1992) 3327, note 57, Hippias et Gorgias. 80 Traduction Pradeau et Marbœuf (2008).
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Anne-Marie Favreau-Linder καὶ εἰ αὖ σοι εἴποι ὁ αὐτὸς οὗτος θεὸς ὅτι αὐτοῦ σε δεῖ δυναστεύειν ἐν τῇ Εὐρώπῃ, διαβῆναι δὲ εἰς τὴν Ἀσίαν οὐκ ἐξέσται σοι οὐδὲ ἐπιθέσθαι τοῖς ἐκεῖ πράγμασιν, οὐκ ἂν αὖ μοι δοκεῖς ἐθέλειν οὐδ' ἐπὶ τούτοις μόνοις ζῆν, εἰ μὴ ἐμπλήσεις τοῦ σοῦ ὀνόματος καὶ τῆς σῆς δυνάμεως πάντας ὡς ἔπος εἰπεῖν ἀνθρώπους· Et si le même dieu te disait ensuite que tu dois exercer ta domination ici, en Europe, mais qu’il ne te sera pas donné de passer en Asie ni de t’immiscer dans les affaires de cette région, j’imagine qu’à ces conditions-là même tu ne voudrais pas vivre, ne pouvant remplir toute la terre de ton nom et de ta puissance.
Dion paraît faire écho à ce propos de Socrate quand il commente à propos d’Alexandre (§49) : « Alexandre, en effet, ne voulait pas même vivre s’il n’était roi d’Europe, d’Asie, de Libye et de quelque île qui put se trouver dans l’Océan. » Toutefois, même si le dialogue entre Diogène et Alexandre rejoint sur bien des points l’entretien entre Socrate et Alcibiade –notamment sur la nécessité de se « connaître soi-même » avant d’entreprendre de diriger les autres,81 une différence majeure les sépare, car Socrate ne condamne pas explicitement l’ambition d’Alcibiade mais semble plutôt jouer de celle-ci pour convaincre le jeune homme qu’il a besoin de lui pour le guider et l’aider à réaliser ses projets de carrière politique.82 Le dialogue socratique n’a pas pour enjeu de détourner Alcibiade d’une telle passion.83 Le discours Sur la royauté IV est un discours adressé : il ne traite pas du pouvoir de commandement ni de la royauté d’un point de vue purement théorique mais il est orienté par le contexte politique contemporain et le statut de son destinataire. L’accent donné par Dion à la passion de la gloire dans ce dialogue est donc lié, c’est certain, à la personnalité de son destinataire premier, Trajan. L’or. IV s’inscrit également dans une réflexion plus large sur la philodoxia que Dion a menée dans d’autres œuvres. La comparaison avec les deux opuscules consacrés à la doxa (or. LXVI et LXVII) montre la diversité des formes discursives utilisées par Dion pour traiter d’un même thème éthique, même si ce dernier est abordé avec des différences d’accent et d’angle d’approche.84 Le discours LXVI est un discours assez court qui dénonce le désir de popularité et la vanité des honneurs en montrant la ruine qu’entraîne une telle passion pour le malheureux qui y cède. L’oratio LXVII se présente, pour sa part, comme un très bref dialogue entre deux interlocuteurs anonymes, dont l’un est considéré comme un philosophe. La discussion s’ouvre sur les caractères distinctifs du philosophe et c’est l’indifférence à la doxa – c’est-à-dire à l’opinion des autres mais aussi au désir de popularité – qui est donnée comme le trait singulier du philosophe. À l’inverse, le philodoxos est dépeint au moyen d’une comparaison avec un homme dont l’humeur et le bonheur 81 Pour un relevé détaillé de ces points de convergence, cf. Trapp (2000). 82 Naturellement, bien d’autres différences peuvent être soulignées, ne serait-ce que la différence entre la méthode dialectique de Socrate et celle du cynique, même si la figure de Diogène, chez Dion, est dans une certaine mesure « socratisée », cf. Brancacci (2000) 257–258. 83 On sait que plusieurs Socratiques avaient composé un dialogue éponyme du flamboyant Athénien ; on ne peut préjuger de la caractérisation d’Alcibiade dans ces œuvres. 84 L’or. LXVIII, comme l’or. LXVI et LXVII porte le titre περὶ δόξης, mais elle traite de la doxa au sens d’opinion et l’oppose à la connaissance, et non de la recherche de la renommée.
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seraient soumis aux variations de la taille de son ombre. Ces deux opuscules répondent peut-être à ces λόγοι ψιλοί,85 ces « discours dépouillés » évoqués par Dion dans l’or. LV, par contraste avec des discours incarnés dans des personnages bien identifiés. Ils ne sont pas pour autant purement théoriques dans la mesure où Dion recourt à d’autres formes de procédés pédagogiques et littéraires pour conférer à son propos plus d’efficacité et de persuasion. Ainsi, la comparaison de l’homme obnubilé par son ombre dans l’or. LXVII est particulièrement saisissante et adéquate, et la discussion offre un embryon de dialogue socratique. L’or. LXVI, pour sa part, relève plus de l’exhortation morale que de la démonstration philosophique : elle procède par accumulation d’exemples, multiplie les analogies, et s’adresse parfois à un « tu » fictif. Le propos moral et les traits stylistiques de ce discours l’apparentent à ce qu’on pourrait dénommer un discours diatribique. Aucune de ces deux œuvres n’a toutefois la vivacité et le relief que la mise en scène des figures de Diogène et Alexandre confèrent à l’or. IV. La variété des modalités discursives est liée, peut-on penser, à la diversité des auditoires auxquels Dion s’adresse et à ses efforts pour adapter son mode de communication. L’hétérogénéité des paradigmes passés en revue dans l’or. LXVI pour couvrir tous les champs où peut se manifester la recherche de la renommée fait supposer un public lui-même hétéroclite, appartenant à toutes les catégories sociales, et que Dion réunit ponctuellement dans sa commune et fragile humanité en employant le pronom « nous ».86 En revanche, le dialogue LXVII, en opposant d’emblée en termes génériques la figure du philosophe à celle du philodoxos, paraît s’adresser à un auditoire, représenté par l’interlocuteur, déjà convaincu que le mode de vie philosophique peut être un modèle et déjà familier de certaines idées philosophiques. L’interlocuteur anonyme n’est pas défini par un statut social particulier et, loin de laisser transparaître quelque désir de popularité, il collabore à l’examen de la question d’un point de vue théorique et distancé ; le cadre énonciatif évoque donc plutôt celui d’un enseignement philosophique. Si ces trois œuvres condamnent la passion de la renommée et exhortent les hommes à s’en détourner, seule l’or. IV vise de manière immédiate à exercer une influence et un changement chez un destinataire précis. Par ailleurs, tandis que les conséquences de la philodoxia, dans les or. LXVI et LXVII, sont envisagées avant tout à titre privé et affectent seulement celui qui est atteint d’une telle passion (même si l’or. LXVI évoque également des personnages publics), l’or. IV s’adresse à un empereur et met en garde contre les répercussions de cette ambition pour l’exercice de la royauté. 85 L’expression sert souvent à opposer la prose à la poésie, au sens où la prose n’est pas accompagnée du mètre, voire du chant. Dans le contexte de l’or. LV, je comprends que les propos ne sont pas accompagnés de tous les éléments annexes que peut apporter leur attribution à un personnage bien connu. 86 Or. XLXVI,12 : après l’énumération de catégories sociales qu’un talent ou un avantage socioéconomique distinguent et rendent populaires, Dion évoque l’individu privé, anonyme parce que sans renom, mais non moins soumis au même désir de popularité. Pour l’emploi de la première personne du pluriel, voir §22.
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Faut-il en conclure que le dialogue entre deux figures historiques ou éventuellement mythiques, dont l’une incarne un tempérament passionné, est un dispositif qui ne peut toucher qu’un destinataire précis, pour lequel les points communs partagés avec le personnage introduisent un effet de miroir plus spécifique ? Si la mise en scène de l’entretien entre Alexandre et Diogène a d’abord été conçue par Dion en pensant à Trajan, il n’est pas exclu que l’or. IV ait rencontré un public plus large.87 En effet, le dispositif dialogique aboutit à la description par Diogène des trois démons, qui se présente comme un exposé plus général sur la nature humaine.88 Des trois démons décrits, Alexandre est exempt des deux premiers, et même si une lecture politique est possible, elle est sous-jacente au propos moral sur la cupidité et la concupiscence.89 De plus, l’ambition qu’incarne le troisième démon ne se déploie plus dans le domaine militaire et touche un éventail de catégories sociales plus varié.90 Ces remarques ne visent pas à dénier la dimension politique de cette dernière partie ni à exclure qu’elle s’adresse également à Trajan, mais plutôt à montrer que le discours de Dion est suffisamment riche pour admettre plusieurs niveaux de réception et peut-être plusieurs destinataires. La possibilité d’une autre fin au discours, celle du mythe lybien, invite également à envisager différentes circonstances de prononciation. Enfin, la présence dans l’œuvre de Dion d’une prolalie, l’or. LVII Nestor, qui évoque la reprise devant un autre auditoire d’un discours adressé à l’empereur conforte la vraisemblance de cette hypothèse.91 Si tel est le cas, cela montrerait que le dispositif du dialogue entre un philosophe et un interlocuteur défini, incarnant l’ambition et la gloire, pouvait à l’occasion, aux yeux de Dion, exercer non seulement sur un empereur ses vertus apotropaïques mais aussi sur les citoyens de l’empire qui partageaient ces valeurs sociales communes.
87 De fait, plusieurs commentateurs ont considéré qu’un tel discours n’avait pas pu être prononcé directement devant l’empereur même s’il était visé par le propos tenu sur l’ambition. 88 Or. IV,81–83. 89 Or. IV,6 : mépris d’Alexandre pour les plaisirs du luxe et le goût du profit. Trajan est également indemne de ces vices. Moles (1983) 276, Jones (1978) 120 y voient une manière pour Dion d’adoucir la critique directe de l’ambition d’Alexandre et de Trajan. Pour Berardi (1998) 45–48, les démons philochrèmatos et philhèdonos représenteraient deux figures du tyran en opposition au modèle du bon roi. 90 Berardi (1998) 51–55. 91 Pour une analyse de cette prolalie, voir Gangloff (2006) 136–142. Au vu de la similitude de certains motifs entre l’or. IV et l’or. LVII, l’hypothèse d’une corrélation entre ces deux discours vaudrait la peine d’être examinée de près.
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DER UMGANG MIT NEGATIVEN FIGUREN IN DEN DIALOGEN PLUTARCHS Anna Ginestí Rosell 1. EINLEITUNG – AUS FEHLERN LERNEN τὸ περὶ τὰς κατακλίσεις φαινόμενον ἄτοπον πλείονα λόγον παρέσχεν ἐν ταῖς ὑποδοχαῖς, ἃς ἐποιεῖτο τῶν φίλων ἕκαστος ἑστιῶν ἡμᾶς ἥκοντας ἀπὸ τῆς Ἀλεξανδρείας: ἐκαλοῦντο γὰρ ἀεὶ πολλοὶ τῶν ὁπωσοῦν προσήκειν δοκούντων, καὶ τὰ συμπόσια θορυβώδεις εἶχε τὰς συμπεριφορὰς καὶ τὰς διαλύσεις ταχείας. Der offensichtliche Platzmangel beim Mahl veranlasste viele Gespräche während der Empfänge, die jeder Freund zu unserer Ehre nach meiner Rückkehr aus Alexandria veranstaltete. Denn es wurden immer viele Leute eingeladen, die mit mir auch nur irgendwie in Beziehung zu stehen schienen, so dass die Symposien zu lärmenden Veranstaltungen wurden und sich schnell auflösten.
Mit diesen Worten1 leitet Plutarch die fünfte Frage des fünften Buches der Quaestiones Convivales ein, die sich mit der adäquaten Anzahl der Gäste eines Symposions befassen wird. In Plutarchs Bericht entsteht aus dieser schlechten Erfahrung in Symposien die Notwendigkeit, über die Situation zu reflektieren und nach einer Handlungsnorm zu suchen, die solche Missstände in Zukunft vermeidet. Diese Suche findet im gemeinsamen Dialog statt; in diesem legt der Kreis der Symposiasten das Wesentliche im Symposion fest: Die Qualität der Gespräche und nicht die Anzahl der Gäste sei für den Erfolg eines Symposions entscheidend. Anschließend wird eine Norm formuliert, die besagt, man solle die Gäste nach dem jeweiligen Gewinn für das Gespräch auswählen. Durch die mimetische Ebene wird hier gezeigt, dass aus einer schlechten Erfahrung Wissensgewinn bzw. Wissensaktualisierung erreicht werden kann. Damit schlechte Erfahrungen zu einem besseren Handeln führen, ist aber eine kritische Betrachtung und eine anschließende Selbstreflexion notwendig. Genau dieser Prozess wird von Plutarch im Traktat De audiendo empfohlen, der sich mit dem Hören sowohl bei Vorträgen wie auch im Dialog beschäftigt und deswegen als Beschreibung eines idealen Lesers von Plutarch aufgefasst werden kann.2 Plutarch 1 2
Q. C. V 5 (678C). Diese und alle weiteren Übersetzungen aus den Quaestiones convivales stammen von der Autorin. Für das in diesem Aufsatz behandelte Thema s. insbesondere aud. 40B–E. Die Konstruktion des Lesers Plutarchs als „resisting listener“ wird von D. Konstan speziell in Bezug auf De audiendis poetis präzise analysiert (Konstan [2004]). Ebenfalls relevant für die Dialogkonzeption Plutarchs ist der Traktat De garrulitate (s. dafür die Analyse bei Hoof [2010] 151– 175). Für die Parallelviten wird längst ein intendierter kritischer Leser vorausgesetzt, der sei-
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bietet seinem Leser also Figuren und Situationen an, die er als Material für die Selbstreflexion benutzen soll. Damit wird die mimetische Ebene der plutarchischen Dialoge zum Komplement seines theoretischen Diskurses. Und genauso wie die negativen Bilder in der Kunst gerade durch die Auslassung auf das Wesentliche aufmerksam machen, entwirft Plutarch in dieser mimetischen Ebene negative Figuren, die dazu beitragen sollen, das richtige Handeln hervorzuheben.3 In der vorliegenden Analyse sollen negative Figuren aus drei Dialogen Plutarchs betrachtet werden: De E apud Delphos, Amatorius und Quaestiones Convivales. Die negativen Figuren sind Dialogteilnehmer, die entweder die freundliche Atmosphäre des Gesprächs bedrohen, die offene philosophische Ausrichtung der Fragen boykottieren oder die Entwicklung des Gesprächs so gründlich stören, dass dieses nicht fortgeführt werden kann. Im Prinzip hat die Gesprächsgemeinschaft zwei Möglichkeiten, auf solche Figuren zu reagieren: Entweder werden sie aus dem fehlerhaften in das korrekte Handeln überführt und damit in die Gesprächsrunde integriert oder sie werden aus der Gesprächsrunde ausgeschlossen. In beiden Fällen ist eine Zusammenarbeit der Gruppe nötig; um dies zu verdeutlichen, stellt Plutarch immer wieder Strategien der Verständigung und der gegenseitigen Absicherung dar. 2. DE E APUD DELPHOS In diesem Dialog berichtet Plutarch von einem Gespräch aus seiner Jugendzeit, bei dem es um die Bedeutung eines Epsilons ging, das als Weihung an Apollo in Delphi aufgestellt worden war. Sechs Antworten auf diese Frage werden wiedergegeben, unter anderem von Plutarch, der selbst als Figur in dem Dialog auftritt, sowie von seinem Lehrer Ammonios. Die Interpretation des Dialogs bleibt in der Frage kontrovers, ob die verschiedenen Beiträge als eine Art intellektuelles Crescendo und deswegen die letzte Äußerung von Ammonios als die bevorzugte Erklärung zu verstehen sind,4 oder ob allen Meinungen ein vergleichbarer Wert zugesprochen werden soll, so dass es insgesamt um die kaleidoskopische Darstellung philosophischen Argumentierens und nicht um die tatsächliche Beantwortung der Frage geht.5 Gemeinsam ist aber bei allen Autoren die Identifikation zweier Figuren als Störfaktoren des Gesprächs: ein anonymer Gesprächsteilnehmer und ein gewisser Nikandros, Priester im delphischen Heiligtum. Beide treten
3 4 5
ne moralischen Ansichten für die Beurteilung des Handelns der Figuren einsetzt und sie immer wieder durch diesen Reflexionsweg korrigiert (grundlegende Arbeiten bei Pelling [1988] 10–18; Duff [1999] 68f.). Die Abfassung einer Biographie für eine moralisch verwerfliche Person begründet Plutarch in Demetr. 1,5f. mit der Aussage, man solle auch über negative Figuren berichten, denn der Kontrast zwischen diesen und den positiven exempla helfe dem Leser, das Gute zu erkennen. Brenk (2016) 89–100. Thum (2013); ferner auch Obsieger (2013), der im Gesamtgespräch eher ein gelehrtes Divertimento als ein ernstes philosophisches Unternehmen sieht.
Der Umgang mit negativen Figuren in den Dialogen Plutarchs
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nach dem ersten Beitrag von Lamprias auf und prägen jeweils die Kapitel 4 und 5 des Dialogs. 2.1. Der anonyme Gesprächsteilnehmer In der Regel tragen die Figuren aus den Dialogen Plutarchs einen Namen und sind sogar historisch identifizierbar. Manchmal finden sich aber anonyme Gesprächspartner, die zudem recht spärlich beschrieben werden. In diesem Fall ist die Vorstellung des anonymen Teilnehmers möglichst knapp, er wird lediglich als ‚einer der Anwesenden‘ vorgestellt.6 Die Präsenz anonymer Gesprächspartner im plutarchischen Dialog zeigt zwei gegenteilige Strategien. Einerseits kann durch die Entpersonalisierung eine Aussage verallgemeinert werden. Denn steht keine konkrete Person hinter einer Aussage, wird dahinter die gesamte Gruppe vermutet.7 Es kann jedoch das Gegenteilige bewirken, dass eine Aussage abgelehnt wird, wenn sie von einer Person ausgesprochen wird, die sich offensichtlich außerhalb der Gruppe positioniert.8 In diesem Fall wird die Figur mit klaren negativen Eigenschaften versehen. Eine genaue Beschreibung des anonymen Gesprächsteilnehmers in De E apud Delphos bekommt der Leser, wie eben erwähnt, nicht. Dennoch zeigt die Analyse seiner Aussage deutlich, dass die Figur eine negative Rolle einnimmt. In seinem ersten Satz bezeichnet er die Antwort Lamprias’ auf die gestellte Frage abwertend als „Geschwätz“ (ἐφλυάρει). Zudem bietet er keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, lediglich eine abschätzige Kritik. Eine alternative Erklärung zur geäußerten Meinung von Lamprias, wie es in einem philosophischen Gespräch zu erwarten wäre, fehlt gänzlich. Mit seiner rüden, abfälligen Sprache agiert er nur diskreditierend und boykottiert damit eine konstruktive Entwicklung des Gesprächs. 9 Eine solche Haltung ist im plutarchischen Dialog nicht akzeptabel und dies zeigt sich in der darauffolgenden Reaktion der Gruppe. Denn der Beitrag des anonymen Gesprächsteilnehmers wird schlicht ignoriert und hat keine Konsequenz für die Weiterentwicklung des Gesprächs.10 Der anonyme Gesprächsteilnehmer 6
De E 386A: ἕτερος δέ τις ἔφη τῶν παρόντων, ὡς ὅμοια ταῦτ᾽ ἐστὶν οἷς πρῴην ὁ Χαλδαῖος ἐφλυάρει ξένος („Ein anderer der Anwesenden sagte, dies gleiche ja dem, was vor einiger Zeit ein chaldäischer Fremder dahergeschwätzt habe“). Diese und die folgenden Übersetzungen aus De E apud Delphos stammen von der Autorin. 7 Z. B. wird in Q. C. VIII 6 (726A) von einem unbekannten Teilnehmer (τις ἔιπε τῶν πρεσβυτέρων) die Diskussion eingeführt. Zur Methode, durch Entpersonalisierung das Kollektive in den Gesprächen herauszustellen, s. König (2011). 8 S. dazu Teodorsson (1989–1996) Bd. III, 101; Egelhaaf-Gaiser (2013) 316; Ginestí (2013). 9 Tobias Thum redet von der „ausgesprochenen Destruktivität des anonymen Gesprächsteilnehmers“ (Thum [2013] 110). 10 Dies zeigt sich im auktorialen Kommentar von Plutarch, bei dem Bezug auf die vorherige Aussage Lamprias’ und den folgenden Beitrag des Nikandros genommen wird, als ob dazwischen nichts gewesen wäre: De E 386Β: Ὁ δὲ Λαμπρἰας ἔλαθεν, ὡς ἔοικε, τοὺς ἀφ᾽ἱεροῦ κινήσας ἐπὶ τὸν αὑτοῦ λόγον („Lamprias hatte aber, wie es schien, unbemerkt die Leute des
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wird somit aus der Gesprächsgemeinschaft ausgeschlossen; hier findet kein Versuch statt, seine Haltung zu korrigieren und ihn in die Gruppe zu integrieren. 2.2. Nikandros, der Priester Die zweite negative Figur im Dialog spielt eine komplexere Rolle. Es handelt sich um einen gewissen Nikandros, Priester aus dem delphischen Heiligtum,11 eine Figur folglich, die von Amts wegen eine gewisse Autorität genießt. Sein Beitrag zeigt Auswirkungen auf die Dialoggestaltung, denn er stellt sich in kritischen Bezug zu der vorausgegangenen Rede von Lamprias und provoziert die darauffolgende Reaktion von Theon. Inhaltlich trägt er anders als der anonyme Sprecher zum Gespräch bei und erfüllt damit prinzipiell die Aufgabe eines Teilnehmers an einem philosophischen Dialog. Allerdings offenbart die Figur sowohl in der Beschreibung wie auch in ihrem Auftreten klare negative Züge.12 In der Einführung der Figur ins Gespräch macht Plutarch deutlich, dass er eine in Delphi allgemein akzeptierte Meinung vertritt, die als „offizielle Fremdenführererklärung“ bezeichnet wird.13 Die Begründungen Nikandros’ für diese Erklärung des E enthalten jedoch einige Inkonsistenzen, die ihn als ungeeigneten Gesprächspartner erscheinen lassen.14 Seine Inszenierung von Bildung erweist sich dabei als fehlgeschlagen. Denn durch Einfügen von Zitaten antiker Autoren versucht er sich als literaturkundigen Menschen zu präsentieren, erreicht allerdings das Gegenteil. Ein Zitat von Archilochos wird ohne Berücksichtigung des ursprünglichen Kontexts verwendet, so dass er sich als ungeeignet für die angestrebte Argumentation herausstellt.15 Ebenfalls wird versucht, eine grammatikalische Aussage mit Zitaten von Sophron und Homer zu belegen, die jedoch nichts 11 12 13
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Heiligtums zu einer Äußerung gegen seine Deutung gereizt“). Eine ähnliche Reaktion auf einen störenden Teilnehmer findet sich auch in Q. C. VII 8 (dazu Ginestí [2013]). H. Obsieger sieht darin eine historische Figur (Obsieger [2013] 131), T. Thum dagegen einen typischen Vertreter der delphischen Gesellschaft (Thum [2013] 125–129). Die folgende Darstellung basiert im Wesentlichen auf der ausführlichen Analyse der Figur bei Thum (2013) 113–142. De E 386Β–C: Ὁ δὲ Λαμπρίας ἔλαθεν, ὡς ἔοικε, τοὺς ἀφ᾽ἱεροῦ κινήσας ἐπὶ τὸν αὑτοῦ λόγον. ἃ μὲν γὰρ ἐκεῖνος εἶπεν, οὐδεὶς ἐγίνωσκε Δελφῶν. τὴν δὲ κοινὴν καὶ περιηγητικὴν δόξαν εἰς τὸ μέσον προῆγον, οὔτε τὴν ὄψιν ἀξιοῦντες οὔτε τὸν φθόγγον ἀλλὰ τοὔνομα μόνον τοῦ γράμματος ἔχειν τι σύμβολον. ᾽ἔστι γάρ᾽, ὡς ὑπολαμβάνουσι Δελφοὶ καὶ τότε προηγορῶν ἔλεγε Νίκανδρος ὁ ἱερεύς, ῾σχῆμα καὶ μορφὴ τῆς πρὸς τὸν θεὸν ἐντεύξεως […] („Lamprias hatte aber, wie es schien, unbemerkt die Leute des Heiligtums zu einer Äußerung gegen seine Deutung gereizt. Denn was er gesagt hatte, davon wusste keiner etwas in Delphi, und so führten sie denn die landläufige, von den Fremdenführern vorgetragene Deutung ins Feld, wonach weder die Form noch der Klang, sondern allein die Wortbedeutung des Buchstabens einen Symbolgehalt habe. ‚Es ist nämlich‘, wie die Delpher glauben und damals der Priester Nikandros als Wortführer sagte, ‚das E die Form und Fassung der Anrede an Gott […]‘“). Auf die Inkonsistenzen verweist Obsieger (2013) 120–121. T. Thum spricht sogar von einem karikaturistischen Bild der delphischen Priesterschaft (Thum [2013] 125–129). Thum (2013) 129–135.
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zum behaupteten sprachlichen Phänomen beitragen.16 Noch bedeutender für die Gestaltung des Gesprächs ist seine unscharfe Kritik der stoischen Dialektik.17 Sein Seitenhieb auf die Dialektik ist unnötig in Bezug auf die Erklärung der Bedeutung des delphischen Epsilon. Da Nikandros aber damit den nächsten Sprecher Theon zu einer Replik zwingt, erfüllt er doch eine wichtige Funktion im Aufbau des Dialogs. Zudem ermöglicht dieses negative Verhalten, erneut auf die Grundsätze eines philosophischen Dialogs aufmerksam zu machen. Das darauffolgende kurze Gespräch zwischen Theon und Ammonios bekräftigt einerseits, dass keine philosophische Schule per se auszuschließen ist;18 andererseits dient es dazu, die Identifikationsgruppe zu präzisieren, aus der Nikandros offensichtlich ausgeschlossen wird:19 Ταῦτα τοῦ Νικάνδρου διελθόντος (οἶσθα γὰρ δὴ Θέωνα τὸν έταῖρον) ἤρετο τὸν Ἀμμώνιον, εἰ διαλεκτικῇ παρρησίας μέτεστιν οὕτω περιυβρισμένῃ ‹καὶ κακῶς› ἀκηκουίᾳ. τοῦ δ᾽Ἀμμωνίου λέγειν παρακελευομένου καὶ βοηθεῖν […]. Nach dieser Erklärung des Nikandros richtete unser Freund Theon, du kennst ihn ja, an Ammonios die Frage, ob die so übel angegriffene und schlecht gemachte Dialektik auch ein offenes Wort reden dürfe. Ammonios animierte ihn zu reden und zu Hilfe zu kommen […].
Durch diese Frage an Ammonios als Autoritätsperson im Dialog sucht Theon seine Zustimmung und stellvertretend die Zustimmung der gesamten Gruppe für seine darauffolgende Widerrede an Nikandros und die Verteidigung der stoischen Lehre. Die direkte Ansprache Plutarchs an den Adressat (οἶσθα) und die philosophische Verbindung zwischen Adressat und Redner20 verweisen darauf, dass diese Identifikationsgruppe die mimetische Ebene überwindet, und die extradiegetische Ebene und sogar die Rezeptionsebene des Lesers zu umschließen versucht. Die Entstehung einer Gesprächsgemeinschaft, die alle Ebenen des Dialogs verbindet, macht umso deutlicher, dass die Verteidigung der stoischen Lehre in Theons Rede nur eine vordergründige Lektüre ist, denn es geht bei seinem Beitrag um die Verteidigung einer philosophischen Gesprächssituation überhaupt. Ammonios bestä 16 Obsieger (2013) 121. 17 De E 386C: τοῖς δὲ διαλεκτικοῖς χαίρειν ἔλεγε σοφὸς ὢν ὁ θεὸς οὐδὲν οἰομένοις ἐκ τοῦ εἰ μορίου καὶ τοῦ μετ᾽ αὔτ᾽ἀξιώματος πρᾶγμα γίγνεσθαι, πάσας τὰς ἐρωτήσεις ὑποτεταγμένας τούτῳ καὶ νοῶν ὡς πράγματα καὶ προσιέμενος („Den Dialektikern aber hat der Gott, weise wie er ist, eine Absage erteilt, die da meinen, dass mit der Partikel ‚ob‘ und dem mit ihr konstruierten Satz noch nichts geschafft werde, weil er alle durch sie eingeleitete Fragen sowohl als etwas Konkretes versteht wie auch akzeptiert“). Ausführliche Diskussion über den Inhalt dieser Kritik bei Thum (2013) 135–138; Obsieger (2013) 136–137. Laut Thum inszeniere sich Nikandros als einziger autorisierter Vermittler zwischen Mensch und Gott (Apollo in dem Fall) und missbrauche dadurch seine Stellung als Priester, um eine bestimmte philosophische Ansicht aus dem Gespräch auszuschließen. 18 Erwähnt wird die notwendige παρρησία für einen offenen Dialog, sowie das Fehlverhalten (περιυβρισμένῃ), das eine Einschränkung dieser παρρησία mit sich bringen würde. S. eine ähnliche Reaktion eines Gesprächspartners, ebenfalls eines Stoikers, in Q. C. VII 8 (711D). 19 De E 386D. 20 Der Adressat des Werkes, Sarapion, ist ebenfalls ein Vertreter der stoischen Schule (Puech [1992] 4874–4878).
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tigt in seiner Antwort, dass die Handlung Theons gewünscht ist, weil sie dem Gespräch zu Hilfe kommt.21 Die Platzierung dieser zwei negativen Figuren als zweiter und dritter Beitrag im Dialogaufbau folgt einer methodologischen Intention.22 Mit ihrem Fehlverhalten und der darauffolgenden Reaktion der Gruppe wird der Leser an die Aussage Ammonios’ in den einleitenden Worten zum Dialog erinnert: die Suche nach der Bedeutung des E ist eine Einladung Apollons, sich philosophisch zu betätigen.23 Da es nicht darum geht, eine Antwort zu finden, sondern die Frage als Anlass für eine philosophische Übung zu nutzen, widerspricht die Handlung der zwei Figuren (bestimmte Erklärungen ungeprüft abzulehnen, philosophische Ansichten aus dem Gespräch auszuschließen oder Gesprächsteilnehmer zu kränken) der idealen philosophischen Betätigung und hat in einer solchen Gesprächsgemeinschaft keinen Platz. 3. AMATORIUS Die Rahmenhandlung des Dialogs Über die Liebe liest sich mit ihren Wendungen und Überraschungen wie ein Liebesroman.24 Der Plot entwickelt sich parallel zum eigentlichen Dialog und nimmt immer wieder Einfluss auf seinen Aufbau und auf die Figurenkonstellation. Mit diesem Hintergrund soll hier die Figur des Peisias nach seinen negativen Eigenschaften als Dialogteilnehmer untersucht werden. Peisias ist zusammen mit Anthemion der Initiator des Dialogs, denn beide tragen ihren Disput in die philosophische Runde weiter. Bereits die Einführung der Figuren macht auf die fehlerhaften Charaktereigenschaften als Dialogteilnehmer aufmerksam. Denn da sie im Streit stehen, haben beide beschlossen, Plutarch und seine Freunde als Schiedsrichter aufzusuchen, um „sich nicht gegenseitig immer 21 In Ammonios’ Antwort klingt das platonische βοηθεῖν τῷ λόγῳ durch. 22 Einen ähnlichen metadialogischen Einstieg erkennt A. Müller in den zwei weiteren pythischen Dialogen Plutarchs, nur dass dieser in der Darstellung positiver Beispiele von Dialogteilnehmern mündet (Müller [2013] 65–86). 23 De E 385C: ‚ἐπεὶ δὲ τοῦ φιλοσοφεῖν‘ ἔφη ‚τὸ ζητεῖν ἀρχή, τοῦ δὲ ζητεῖν τὸ θαυμάζειν καὶ ἀπορεῖν, εἰκότως τὰ πολλὰ τῶν περὶ τὸν θεὸν ἔοικεν αἰνίγμασι κατακεκρύφθαι [καὶ] λόγον τινὰ ποθοῦντα διὰ τί καὶ διδασκαλίαν τῆς αἰτίας‘ („‚Da nun‘, fuhr Ammonios fort, ‚der Anfang des Philosophierens das Suchen, der Anfang des Suchens aber das sich Verwundern und Fragen ist, so scheint begreiflicherweise das meiste, was den Gott betrifft, in Rätsel eingehüllt und verlangt eine Antwort auf die Frage, warum, und eine Belehrung über die Ursache‘“). 24 Die Rahmenhandlung ist folgende: Eine Witwe aus Thespiai, Ismenodora, hat sich in einen jungen Knaben, Backhon, verliebt und will ihn trotz sozialer Hindernisse heiraten. Der Knabe ist nicht abgeneigt, gleichzeitig ist er sich bei dieser ungewöhnlichen Ehe unsicher und sucht Rat bei seinen zwei älteren Verehrern, Anthemion und Peisias. Jene sind jedoch unterschiedlicher Meinung und suchen ihrerseits deswegen Rat in der philosophischen Gesprächsrunde um Plutarch, was zum eigentlichen Dialog über die Liebe führt. Im Laufe des Gesprächs spitzt sich der Konflikt in Thespiai zu, denn Ismenodora lässt Backhon entführen und die Hochzeit vorbereiten, was auf die Ablehnung der Stadtbewohner stößt. Nach einer Versöhnung aller Parteien findet die Hochzeit schließlich statt.
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weiter (zu) reizen und nach und nach in Zorn hinein(zu)steigern.“25 Sie sind also nicht in der Lage, eine Diskussion rational zu führen, sondern lassen sich vom Zorn leiten und benötigen eine Kontrollinstanz von außen. Diese Einführung weckt beim Leser die Erwartung, dass es zu einem Konflikt kommt, und diese Erwartung wird nicht enttäuscht. Schließt die Beschreibung als zornig zunächst einmal beide Figuren ein, wird im Laufe des Dialogs klar, dass eigentlich nur auf Peisias diese Beschreibung zutrifft. Dies zeigt sich in dem auktorialen Kommentar zu einer ersten Diskussion über Vor- und Nachteile der Knabenliebe:26 Λεγομένων τούτων ὁ Πεισίας ἦν δῆλος ἀγανακτῶν καὶ παροξυνόμενος ἐπὶ τὸν Δαφναῖον. μικρὸν δ᾽αὐτοῦ καταλιπόντος „ὦ Ἡράκλεις“, ἔφη, „τῆς εὐχερείας καὶ θρασύτητος, […].“ Schon während Daphnaios sprach, merkte man, dass Peisias sich über ihn ärgerte und immer gereizter wurde; und als er eine kleine Pause machte, sagte er: „Beim Herakles, welche Rücksichtslosigkeit und Frechheit!“
Peisias wird als eine Person dargestellt, die sich schwer unter Kontrolle hat. Seine Aufregung kann er nicht verbergen und sie bringt ihn dazu, den Redner zu unterbrechen,27 eine unwürdige Handlung in einem philosophischen Gespräch.28 Die darauffolgende Äußerung, in der er den Sprecher persönlich und nicht seine Argumente attackiert,29 charakterisiert ihn als jemanden, der vom Zorn getrieben agiert. Peisias wird damit zu einer Gefahr für die offene Atmosphäre des Gesprächs. In diesem Punkt übernimmt Plutarch als Schiedsrichter das Gespräch, er verteidigt den attackierten Daphnaios und macht Peisias klar, dass er gegen die Regeln verstößt.30 In seiner Aussage macht Plutarch deutlich, dass Peisias das Maß verloren hat (οὐ μετριάζων), er wendet aber für diese Kritik eine ähnliche Strategie wie Theon in De E apud Delphos an. Denn seine Worte werden nicht an Peisias direkt gerichtet, um eine mögliche neue persönliche Konfrontation zu umgehen; dafür spricht Plutarch Protogenes an, der davor im Sinne Peisias’ die Kna 25 Amat. 750A: ἵν᾽οὖν μὴ παροξύνοντες ἀλλήλους κατὰ μικρὸν εἰς ὀργήν προαγάγοιεν. Ihre Unfähigkeit liegt daran, dass sie alleine nicht herausfinden können, was das Beste für den jungen Mann ist (749CD): τρόπον τινὰ δι᾽εὔνοιαν ἀμφότεροι τῆν ἐκείνου διαφερόμενοι πρὸς ἀλλήλους („Sie lagen sozusagen deshalb in Streit miteinander, weil sie beide das Beste für ihn wollten“). Die Übersetzungen aus Amatorius stammen alle aus Görgemanns u. a. (2011). 26 Amat. 752BC. 27 Die Formulierung μικρὸν δ᾽αὐτοῦ καταλιπόντος deutet auf eine kurze Pause, um weiterreden zu wollen, nicht auf das Ende der Aussage. 28 S. dazu aud. 45A–E. 29 Amat. 752BC: ἀνθρώπους ὁμολογοῦντας ὥσπερ οἱ κύνες ἐκ τῶν μορίων συνηρτῆσθαι πρὸς τὸ θῆλυ („Leute, die zugeben, dass sie mit ihren Genitalien am weiblichen Geschlecht kleben wie die Hunde“). 30 Amat. 752CD: Ἐνταῦθα μέντοι καὶ ὁ πατὴρ ἔφη τοῦ Πρωτογένους ἐπιλαβέσθαι καὶ εἰπεῖν· ‚τόδ᾽ἐξοπλίζει τοὔπος Ἀργεῖον λεών, καὶ νὴ Δία Δαφναίῳ συνδίκους ἡμᾶς προστίθησιν οὐ μετριάζων ὁ Πεισίας‘ („An dieser Stelle nahm nun endlich auch mein Vater [Plutarch], wie er mir berichtete, das Wort und wendete sich gegen Protogenes: ‚Dies Wort bringt jetzt in Waffen das Argivervolk! Beim Zeus, Peisias zwingt mich, als Anwalt die Partei des Daphnaios zu ergreifen, denn er überschreitet alles Maß‘“).
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benliebe verteidigt hatte. Es geht folglich nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern um die richtige Haltung im Dialog. Die Kollektivierung dieses Konflikts entschärft ihn gleichzeitig und ermöglicht Peisias, einen Ausweg aus der Situation zu finden. Dass er seine Situation verstanden hat, zeigt sich in der Tatsache, dass nicht der angesprochene Protogenes, sondern Peisias selbst auf die Kritik Plutarchs antwortet. Er hat die Gefahr erkannt, sich aus dem Dialogkreis auszuschließen, und entschuldigt sich, indem er zugibt, seine Äußerungen seien nicht sachlich gewesen. Eine Besinnung auf den Austausch von Argumenten wird von der gesamten Gruppe beschworen.31 Mit der erneuten Eingliederung des Peisias in die Gesprächsrunde kann der Dialog auch mit ihm weitergehen. Dennoch hatte seine Haltung weitere Folgen für die Entwicklung des Dialogs, die jedoch erst sichtbar werden, als Peisias die Runde als Reaktion auf die berichteten Ereignisse in der Stadt verlässt.32 Anschließend nimmt Pemptides, der bis dahin still geblieben war, an der Diskussion mit folgenden Worten teil:33 ἄρτι μὲν οὖν ἥσυχίαν ἦγον. ἐν γὰρ ἰδίοις μᾶλλον ἢ κοινοῖς ἑώρων τὴν ἀμφισβήτησιν οὖσαν. νυνὶ δ᾽ἀπηλλαγμένος Πεισίου ἡδέως ἂν ὑμῶν ἀκούσαιμι, πρὸς τί βλέψαντες ἀπεφήναντο τὸν Ἔρωτα θεὸν οἱ πρῶτοι τοῦτο λέξαντες. Ich habe mich vorhin zurückgehalten, weil ich sah, dass die Debatte sich mehr um private Dinge als um Allgemeines drehte; aber jetzt, wo Peisias mir nicht mehr im Wege ist, würde ich gerne von euch hören, was eigentlich die ersten Menschen, die Eros zu einem Gott erklärten, sich dabei gedacht haben.
Der Grund für die Zurückhaltung Pemptides’ lag an der Anwesenheit des streitlustigen Peisias; mit ihm sah er keine Möglichkeit, das Gespräch aus einer privaten in eine allgemein philosophische Ebene zu heben. Die Zusammensetzung der Gruppe hat folglich einen Einfluss auf die Gestaltung des Gesprächs, auch wenn alle dazu gebracht werden, die Regeln zu respektieren. Durch die Veränderung der Konstellation und das Ausscheiden von Figuren, die eine Störung des Gesprächs provozieren können, hat der Autor eine weitere Möglichkeit geschaffen, die in-
31 Amat. 752DE: καὶ ὁ Πεισίας „ἐμοὶ μέν“, εἶπεν, „ὀλίγον μέλει τοῦ λόγου […]. ἀλλ᾽ὁρῶ“, εἶπε, „γινόμενον ὅπερ ἂν μάλιστα σπουδάσειεν Ἀνθεμίων, προσκρούοντα τοῖς δικασταῖς καὶ ἐμαυτόν, ὥστε παύομαι.“ καὶ ὁ Ἀνθεμίων „ὤνησας“, εἶπειν, „ὡς ἔδει γ᾽ἀπ᾽ἀρχῆς λέγειν τι πρὸς τὴν ὑπόθεσιν“ („Peisias darauf: ‚Mir liegt wenig an den Argumenten […]. Aber ich merke, dass jetzt etwas droht, was Anthemion sich wohl am meisten wünscht: dass ich auch noch selber unsere Schiedsrichter verärgere; und darum mache ich Schluß.‘ Und Anthemion: ‚Da tust du recht; man hätte von Anfang an zu der Sache reden müssen, um die es geht‘“). Eine ähnliche Reaktion eines Dialogteilnehmers in Q. C. VII 8 (711D). 32 Amat. 754E–755C: Eine Nachricht aus der Stadt erreicht die Runde: Ismenodora hat Bakchon entführt und bereitet alles für die Hochzeit. Daraufhin haben sich empörte Bürger vor Ismenodoras Haus versammelt. Auf diese Nachricht verlassen Peisias und Protogenes die Runde und kehren in die Stadt zurück. 33 Amat. 756A.
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haltliche Diskussion voran zu treiben.34 Gleichzeitig erlaubt es ihm, durch die Interaktion der Figuren Methodisches zu vermitteln.35 4. QUAESTIONES CONVIVALES Die Quaestiones Convivales wurden als „Handbuch der Konvivialethik“ beschrieben,36 denn ihre pädagogische Intention ist sehr deutlich. Sie bieten dem Leser eine theoretische Ebene über die Gesprächskunst und allgemein über das richtige Handeln im Symposion, die sich auf die Prologe und die metasymposiastischen Diskussionen verteilt; dazu kommen zahlreiche Beispiele, in denen diese Theorie in die Praxis umgesetzt wird. In den gesammelten Gesprächen präsentiert sich demnach eine ideale, doch keine idealisierte Gesellschaft. Konflikte entstehen und werden von den Teilnehmern gelöst.37 Die negativen Figuren, die Plutarch dafür entwirft, bieten dem Leser die Möglichkeit, Signale des Fehlverhaltens zu identifizieren und den passenden Umgang mit ihnen zu lernen. Eine solche negative Figur ist der anonyme Sophist aus den Fragen Q. C. VII 7 und 8. Wie die anderen anonymen Figuren aus den Dialogen Plutarchs wird er nur knapp charakterisiert; der Leser erfährt lediglich, dass er ein Stoiker mit einem langen Bart ist.38 Der lange Bart erscheint neben der Anonymität der Figur als Signal für den Leser, dem Sophisten mit Vorsicht zu begegnen. Denn nicht nur bei Plutarch, sondern auch bei anderen zeitgenössischen Autoren ist ein langer Bart ein typisches Element für einen Möchtegern-Philosophen, der mehr aufs Äußere als aufs Innere achtet.39 Seine Handlung im Laufe des Gesprächs erfüllt solche Erwartungen: Er unterbricht andere Teilnehmer, beleidigt sie und ist nicht in der Lage, inhaltlich Wertvolles beizutragen. Die gesamte Gruppe in den Personen
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Eine ähnliche Strategie in anderen Dialogen Plutarchs bei Van der Stockt (2000) 109. Weitere Beispiele bei Müller (2013). Egelhaaf-Gaiser (unpublizierte Habilitationsschrift). Klotz/Oikonomopoulou (2011) 14. Q. C. 710B: καὶ πράγματ᾽ εἴχομεν ἀμυνόμενοι βαθυπώγωνα σοφιστὴν ἀπὸ τῆς Στοᾶς („Und wir hatten Schwierigkeiten, uns gegen einen langbärtigen Sophisten aus der Stoa zu verteidigen“). Die Zugehörigkeit zur stoischen Schule ist im Prinzip auch bei Plutarch nicht von vorneherein negativ zu bewerten, denn im selben Gespräch tritt Philippos aus Prusias auf, ein Freund Plutarchs und ebenfalls ein Anhänger der stoischen Schule, der sich wie ein Mustersymposiast benimmt. 39 Andere Stellen bei Plutarch, bei denen ein Bart mit oberflächlichem philosophischem Habitus assoziiert wird, sind z.B. Adulat. 52C, Prof. virt. 81BC. Ähnliches Bild bei anderen Autoren wie Plin. epist. I 10,6; Luc. symp. 28 und 43; Luc. peregr. 15; Luc. DMort. 10; Mart. 9,47. Zur Funktion der Behaarung in der Konstruktion von Männlichkeit, insbesondere in der stoischen Philosophie s. Gleason (1995) 67–79. Ebenfalls zu einer Person, die aufs Äußere mehr Wert legt als aufs Innere und deswegen aus der Gesprächsgemeinschaft ausscheidet, s. Q. C. I 2 (615D).
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von Diogenianos, Philippos und Plutarch positioniert sich ihm gegenüber und weist ihn Stück für Stück aus dem Gesprächskreis heraus.40 In den Quaestiones Convivales geht es immer wieder um die Gestaltung einer funktionierenden Gesprächsgemeinschaft, und dies wird als Aufgabe der gesamten Identifikationsgruppe vermittelt. Teilnehmer, die sich inadäquat benehmen, helfen dem Leser, die Grenzen eines angemessenen Verhaltens zu erkennen. Dieser Prozess um die Konstruktion einer Gemeinschaft ist im 9. Buch der Quaestiones Convivales zentral. Das 9. Buch nimmt eine Sonderstellung im Gesamtwerk ein, denn es ist nicht nur das letzte Buch, sondern auch das einzige, das anstelle von zehn losen Gesprächen ein durcherzähltes Symposion mit 15 zusammenhängenden Gesprächen abbildet. Zudem wird es als das beste angekündigt. 41 Das Symposion verläuft allerdings nicht ohne Störungen, so dass seine Qualität nicht im Sinne eines idealen Symposions, sondern als eine besondere Leistung der teilnehmenden Symposiasten zu lesen ist. Der Gastgeber dieses Symposions ist Ammonios, Lehrer Plutarchs, der auch in De E apud Delphos den alter Socrates verkörpert.42 Er hat die schwierige Aufgabe, in einer kniffligen Situation eine symposiastische Gesprächsgemeinschaft entstehen zu lassen,43 und wird dabei auf die Unterstützung anderer Gesprächsteilnehmer zugreifen können. Nach den ersten Maßnahmen zur Beruhigung der angespannten Atmosphäre greift Ammonios in die Gesprächsgestaltung deutlich ein, indem er definiert, wer wem eine Frage stellen soll.44 Sein Ziel ist, dass die 40 Eine genauere Analyse dieser Sequenz bei Ginestí (2013). S. auch die gemeinsame Zurückweisung eines Störers in Q. C. V 3 (676F–677B) (dazu Egelhaaf-Gaiser [2013] 318–319). 41 S. den Prolog zum 9. Buch (736BC), insbesondere die Bezeichnung πλείονα καὶ καλλίονα für alles, was die Musen verdienen. 42 Vgl. Thum (2013) 95–96. 43 Ammonios hatte zu sich in Athen ziemlich unterschiedliche Gäste eingeladen: Lehrer, die aus einem Schülerwettbewerb erfolgreich hervorgegangen waren, dazu eine Reihe von Gelehrten, Freunden und Verwandten. Aus dieser schwierigen Zusammenstellung ist am Anfang offensichtlich noch keine Gemeinschaft entstanden, denn die Gäste befinden sich bereits im eigentlichen Symposion, d. h. beim Wein, aber die Rivalität unter ihnen überwiegt, so dass die Gespräche extrem chaotisch verlaufen. Q. C. IX 1 (736E): τῷ δ᾽ Ἀμμωνίῳ συνέβαινε τοὐναντίον, ἀκμὴν γὰρ ἡ τῶν διδασκάλων ἅμιλλα καὶ φιλονεικία σφοδροτέραν ἔλαβεν ἐν ταῖς κύλιξι γενομένων: ἤδη δὲ καὶ προτάσεις καὶ προκλήσεις ἦσαν ἄκριτοι καὶ ἄτακτοι. διὸ πρῶτον μὲν ἐκέλευσεν ᾆσαι τὸν Ἐράτωνα πρὸς τὴν λύραν: ᾀσαντος δὲ τὰ πρῶτα τῶν Ἔργων „οὐκ ἄρα μοῦνον ἔην ἐρίδων γένος […]“ („Ammonios widerfuhr aber das Gegenteil, denn der Wettkampf und die Streitsucht unter den Lehrern erreichte ihren Höhepunkt beim Trinkgelage: Da verliefen die Fragen und Aufforderungen unreflektiert und chaotisch. Deshalb bat er als erstes Eraton, etwas auf der Lyra zu singen. Als er den Anfang der ‚Werke‘ sang: ‚Es gab eben nicht nur ein Geschlecht der Eris […]‘“). Die erste Maßnahme Ammonios’ dient der Beruhigung und der Wiedererlangung der Kontrolle über die Situation, und so bittet er einen Aöden, etwas zu rezitieren. Diese Handlung setzt eine in Q. C. VII 8 (713F) formulierte Empfehlung in die Praxis um. Nach der Rezitation schließt Ammonios eine Frage an, die eine erste gemeinsame Konversation ermöglicht. Die Ruhe wird wiederhergestellt, aber eine Gesprächsgemeinschaft ist noch nicht entstanden. 44 Q. C. IX 2 (737DE): ἔθους δ᾽ ὄντος ἐν τοῖς Μουσείοις κλήρους περιφέρεσθαι καὶ τοὺς συλλαχόντας ἀλλήλοις προτείνειν φιλόλογα ζητήματα, φοβούμενος ὁ Ἀμμώνιος μὴ τῶν
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Inhalte der Gespräche für alle nachvollziehbar werden, damit alle daran teilnehmen können. Ab diesem Zeitpunkt ist nicht mehr nur Ammonios als Symposiarch zuständig, sondern alle Teilnehmer sind für die weitere Entwicklung des Gesprächs verantwortlich. Welche Rolle negative Figuren bei einer solchen Gesprächsgestaltung spielen, soll am Beispiel von zwei Teilnehmern gezeigt werden. 4.1. Zopyrion γραμματιστής Der Grammatiker Zopyrion ist nur aus dieser Szene in den Quaestiones Convivales bekannt. Eine Beschreibung von ihm über seine Tätigkeit hinaus fehlt vollkommen, nur durch seine Handlung wird er in dem Bericht präsent. Seine ersten Taten diskreditieren ihn gleich als einen inadäquaten Gesprächsteilnehmer. Während einer Rede von einem gewissen Hermeias lässt Zopyrion seine Missbilligung spüren, indem er lacht und dazwischenredet.45 Die Grundregeln des Zuhörens werden von ihm bereits in seinem ersten Auftritt missachtet.46 Sein darauffolgender Beitrag bestätigt die Fehlhandlung der Figur, denn er interveniert mit einer rüden Kritik, die eine ähnliche Unsachlichkeit transportiert wie der anonyme Sprecher bei De E apud Delphos. Alles Gesagte sei nur „Geschwätz“ (φλυαρίαν), meint Zopyrion. Eine inhaltliche kritische Auseinandersetzung mit der Erklärung Hermeias wird gänzlich vermisst. In dieser heiklen Situation entsteht erneut die Gefahr des persönlichen Streits. Diese Gefahr wird sichtbar, als Hermeias andeutet, eine Rückfrage an Zopyrion stellen zu wollen. Die Gesprächsgemeinschaft reagiert aber sofort darauf und versucht die Harmonie zu bewahren, indem Hermeias zurückgehalten wird.47 Alle ὁμοτέχνων τινὲς ἀλλήλοις συλλάχωσι, προσέταξεν ἄνευ κλήρου γεωμέτρην γραμματικῷ προτεῖναι καὶ ῥητορικῷ μουσικόν, εἶτ᾽ ἔμπαλιν ἀναστρέφειν τὰς ἀνταποδόσεις („Obwohl in den Feierlichkeiten für die Musen üblich war, die Loszeichen durchzureichen, so dass die Zusammengelegten sich gegenseitig gelehrte Fragen stellen, fürchtete Ammonios, Spezialisten aus demselben Gebiet könnten so einander zugeteilt werden. Deshalb legte er fest, dass der der Geometrie Kundige dem Grammatiker und der der Musik Kundige dem Rhetor eine Aufgabe stelle. Danach sollten die Fragen in die Gegenrichtung gehen“). Diese Maßnahme erinnert ebenfalls an eine bereits formulierte Empfehlung von Lamprias aus Q. C. I 2 (617D), durch eine gut überlegte Sitzordnung eine gemischte Gesellschaft zu kreieren. 45 Q. C. IX 3 (738F): ἔτι δ᾽ αὐτοῦ λέγοντος, ὁ γραμματιστὴς Ζωπυρίων δῆλος ἦν καταγελῶν καὶ παρεφθέγγετο („Während dieser redete, machte sich der Grammatiker Zopyrion offensichtlich lustig und redete dazwischen“). 46 Das Zuhören als ein wesentlicher Bestandteil des Dialogs wird im Traktat De audiendo ausführlich behandelt. Passend zu dieser Stelle s. z. B. aud. 39B, 44A und 45A–E. Über diese Eigenschaft des plutarchischen Dialogs s. auch Müller (2013) 71–72. 47 Q. C. IX 4 (739B): μετὰ δὲ ταῦτα τὸν μὲν Ἑρμείαν βουλόμενόν τι προβαλεῖν τῷ Ζωπυρίωνι ἀπεκωλύσαμεν („Danach wollte Hermeias dem Zopyrion eine Frage stellen, wir hielten ihn aber zurück“). In der Pluralform ἀπεκωλύσαμεν steht eine vermutlich intendierte Zweideutigkeit, denn es bleibt unklar, ob das Subjekt der Aktion nur Plutarch oder die ganze Gesprächsgemeinschaft ist. So eine Unklarheit in der Zuordnung von Pluralformen findet sich oft in den Dialogen der Quaestiones Convivales und hat den Effekt, das Individuum hinter dem Kollektiv verschwinden zu lassen (König [2011]).
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darauffolgenden Bestrebungen der Gruppe, Zopyrion in die Gesprächsrunde zu integrieren, schlagen jedoch fehl, so dass die Situation mit seinem Ausschluss aus der Konversation endet. Der erste Schritt in dieser Bestrebung zur Integration ist, eine Frage zu stellen, was als eine formale Einladung aufzufassen ist, an dem Gemeinsamen teilzunehmen. Eine solch einladende Frage zu stellen, folgt ebenfalls den bereits im Buch II formulierten Empfehlungen: Als erstes soll man etwas fragen, was der andere dank seines spezifischen Wissens beantworten kann.48 Folglich stellt ein gewisser Maximus als Vertreter der gesamten Gruppe49 eine Frage zur Interpretation einer homerischen Passage, auf die Zopyrion als γραμματιστής leicht antworten sollte. Er versteht aber die Einladung nicht, verweigert die Antwort und mit einer Gegenfrage zielt er weiter auf eine persönliche Konfrontation, diesmal mit Maximus. Daraufhin wird er nochmals mit Nachdruck auf die Ernsthaftigkeit der Frage und die Notwendigkeit der Teilnahme hingewiesen, Zopyrion bleibt aber daraufhin stumm.50 Mit seinem Schweigen zeigt er eine weitere Schwäche, nämlich die Unfähigkeit, aus seinem gesamten Wissen eine begründete Antwort zu jedem Bereich des Bildungskanons zu geben. Der Fragende darf seine Frage selbst beantworten und besiegelt damit den Ausschluss Zopyrions aus der Gesprächsgruppe. Dieser kommt im Laufe des Symposions nicht mehr zu Wort. 4.2. Hylas γραμματιστής Eine andere Art der Gesprächsstörung wird vom Grammatiker Hylas verkörpert. Er nimmt an dem Gespräch nicht aktiv teil, sondern sitzt schlecht gelaunt und stumm dabei.51 Das Gespräch kann aber nur gelingen, wenn es eine gemeinsame Unterhaltung ist, an der alle teilnehmen.52 Die Nichtteilnahme von Hylas ist folg 48 Q. C. II 1 (630A): πρῶτον ἡδέως ἐρωτᾶσθαί μοι δοκοῦσιν ἃ ῥᾳδίως ἀποκρίνασθαι δύνανται. ταῦτα δ᾽ἐστὶν ὧν ἐμπειρίαν ἔχουσιν („Als erstes meine ich, man wird gerne das gefragt, was man leicht beantworten kann; also in Themen, bei denen man Expertise besitzt“). 49 Dass eine mögliche Frage vom beleidigten Hermeias nicht zugelassen wurde, diejenige von Maximus aber doch, zeigt, welche unterschiedlichen Intentionen den beiden Figuren zugrunde gelegt werden. 50 Q. C. IX 4 (739B): „σὺ δ᾽ ἂν ἀπορεῖν ὁμολογήσῃς, ἕτεροι δείξουσιν ὅπου τὴν τετρωμένην χεῖρα φράζει τοῖς νοῦν ἔχουσιν ὁ ποιητής.“ ἔδοξεν οὖν ἡμῖν ὁ Ζωπυρίων διηπορῆσθαι, καὶ τὸν Μάξιμον, ἐκείνου σιωπῶντος, ἠξιοῦμεν ἐπιδεικνύναι („‚Wenn du zugibst, nicht weiter zu kommen, werden andere zeigen, wo der Dichter dem aufmerksamen Leser die verletzte Hand zu erkennen gibt.‘ Zopyrion schien uns tatsächlich in Verlegenheit zu geraten und, da er schwieg, baten wir Maximos, es uns zu darzulegen“). 51 Q. C. IX 5 (739E): ταῦτα τοὺς ἄλλους ἅπαντας ἡδίους ἐποίησεν, μόνον δὲ τὸν γραμματικὸν Ὕλαν ὁ ῥήτωρ Σῶσπις ὁρῶν ἀποσιωπῶντα καὶ βαρυθυμούμενον (οὐ πάνυ γὰρ εὐημέρησεν ἐν ταῖς ἐπιδείξεσιν) ἀνεφώνησεν […] („Diese Erklärung ergötze alle anderen; als der Rhetor Sospis aber sah, dass nur der Grammatiker Hylas schweigsam und missmutig saß – denn er hatte bei den Prüfungen gar keinen Erfolg gehabt – deklamierte er […]“). 52 Immer wieder hebt Plutarch in seinen Schriften die κοινωνία als eine zentrale Eigenschaft des Dialogs hervor. S. exempli gratia Garr. 514EF; aud. 38D; Q. C. 614E, 697C. Zur κοινωνία als einem immer wiederkehrenden Konzept im gesamten Werk der Quaestiones Convivales,
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lich eine passive Störung des Gesprächs. Erneut unternimmt die Gesprächsgemeinschaft mehrere Versuche, Hylas zu integrieren, und diesmal mit Erfolg. Der erste Versuch kommt von Sospis, der seine Qualitäten als Symposiast darin zeigt, dass er als erster die fehlende Teilnahme Hylas als Problem erkennt und nach einer Lösung sucht. Sospis versucht es mit Humor, einem notwendigen Bestandteil im Symposion.53 Allerdings, wie der Leser bereits durch die Lektüre der ersten Frage im zweiten Buch weiß, birgt diese Strategie einige Gefahren, die in der Reaktion von Hylas sichtbar werden. Denn Hylas ist noch sehr zornig (ὑπ᾽ ὀργῆς) und versteht die Worte von Sospis nicht als symposiastischen Spott, sondern als Beleidigung.54 Auch wenn seine Antwort vom Erzähler als „barsch“ (σκαιῶς) beschrieben wird, schafft es Hylas, mit einem passenden Zitat aus einer Komödie zu kontern und damit zu zeigen, dass er in jeder Situation auf seine gute literarische Bildung zurückgreifen kann.55 Sospis erkennt darin die Qualität eines Symposiasten und meint ebenfalls eine Spur von Humor bei Hylas zu erkennen. Daraufhin setzt er die gleiche Strategie ein, die bereits bei Zopyrion versucht wurde, nämlich eine Frage zu einem Hylas vertrauten Thema zu stellen, um ihn glänzen zu lassen.56 Hylas ist jedoch noch nicht in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen und vermutet in dieser Frage erneut eine beleidigende Bemerkung von Sospis, so dass er die Antwort verweigert und die Frage von einem anderen Teilnehmer beantwortet wird.57 Allerdings genießt Hylas offensichtlich einen besseren Status in der Symposionsgemeinschaft als Zopyrion, so dass das Ziel seiner Integration in der Gruppe noch nicht aufgegeben wird. Denn er hat gezeigt, dass er seine Bildung zur Geltung bringen kann, nur sein Zorn lässt ihn nicht der Situation angemessen agie 53
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s. Frazier/Sirinelli (1996) 179. Das Schweigen als ernstzunehmendes Problem im Symposion wird im dritten Prolog der Quaestiones Convivales ausführlich behandelt. S. dazu die Definition eines sokratischen Symposions von Hermogenes Meth. 36: Συμποσίου Σωκρατικοῦ πλοκὴ σπουδαῖα καὶ γελοῖα καὶ πρόσωπα καὶ πράγματα, ὥσπερ καὶ ἐν τῷ Ξενοφῶντος καὶ ἐν τῷ Πλάτωνος Συμποσίῳ („Ernstes und Lustiges, Charaktere und Szenen bilden die Mischung des sokratischen Symposions, wie in den Symposia sowohl von Xenophon wie von Platon“). Die Übersetzung stammt von der Autorin. Ein guter Symposiast muss sowohl verspotten wie Spott ertragen können (s. Q. C. I 1 613F), vorausgesetzt dieser bleibt innerhalb der Grenzen des integrierenden Humors. Die Gefahr, dass eine spöttische Bemerkung als Beleidigung aufgefasst wird, wurde in 631C–F von Plutarch formuliert. Ebenfalls wird in Q. C. I 4 (621B–622B) auf die Gefahren des Humors im Symposion hingewiesen, als es darum geht, die Rolle des Symposiarchs zu definieren. Q. C. 739F. Q. C. 740A: καὶ ὁ Σῶσπις γελάσας „ἀλλ᾽ ἕως μέλλομεν ἐνδύσθαι τὸ κανθήλιον, εἴ τι κήδει Πλάτωνος, δίδαξον ἡμᾶς ᾧτινι λόγῳ τὴν τοῦ Τελαμωνίου ψυχὴν πεποίηκεν ἀπὸ κλήρου βαδίζουσαν εἰκοστὴν ἐπὶ τὴν αἵρεσιν“ („Und Sospis lachte und sagte: ‚Also bis wir die Haut eines Lastesels anziehen, lehre uns, da dir einiges an Platon liegt, aus welchem Grund er die Seele des Telamoniers durch das Los als zwanzigste zur Wahl kommen ließ‘“). In der Frage liegt ein verstecktes Lob auf Hylas, der als Spezialist für Platon angesprochen wird, von dem alle anderen etwas lernen können. Q. C. 740A: ἀποσκορακίσαντος δὲ τοῦ Ὕλα (χλευάζεσθαι γὰρ ᾤετο δυσημερῶν) […] („Da aber Hylas ihn zum Teufel schickte – er glaubte, er mache sich über sein Unglücklichsein lustig […]).
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ren.58 Ziel der anderen Dialogteilnehmer ist, ihn von diesem Zorn zu befreien, indem sie durch die wiederholten Verweise auf die Figur von Aias an seine literarische Bildung appellieren. Die letzte und endgültig erfolgreiche Bestrebung unternimmt ein weiterer Teilnehmer, ein gewisser Menephylos:59 θορυβησάντων δὲ πάντων, Μενέφυλος ὁ Περιπατητικὸς προσαγορεύσας τὸν Ὕλαν „ὁρᾷς“ εἶπεν „ὡς οὐκ ἦν τὸ ἐρώτημα χλευασμὸς οὐδ᾽ ὕβρις: ἀλλ᾽ ἀφείς, ὦ μακάριε, τὸν δυστράπελον Αἴαντα καὶ δυσώνυμον, ὥς φησι Σοφοκλῆς, γενοῦ μετὰ τοῦ Ποσειδῶνος, ὃν αὐτὸς εἴωθας ἱστορεῖν ἡμῖν ἡττώμενον πολλάκις, ἐνταῦθα μὲν ὑπ᾽ Ἀθηνᾶς ἐν Δελφοῖς δ᾽ ὑπὸ τοῦ Ἀπόλλωνος ἐν Ἄργει δ᾽ ὑπὸ τῆς Ἥρας ἐν Αἰγίνῃ δ᾽ ὑπὸ τοῦ Διὸς ἐν Νάξῳ δ᾽ ὑπὸ τοῦ Διονύσου, πρᾶον δὲ πανταχοῦ καὶ ἀμήνιτον ὄντα περὶ τὰς δυσημερίας.“ Als sich allgemeiner Beifall erhob, sprach der Peripatetiker Menephylos Hylas an: „Siehst du, dass die Frage kein Hohn oder Beleidigung war? Also verwirf, mein Lieber, diesen starrsinnigen und, wie Sophokles sagte, ominösen Aias und halte es mit Poseidon, über den du uns Geschichten über seine häufigen Niederlagen zu erzählen pflegst, hier durch Athene, in Delphi durch Apollon, in Argos durch Hera, auf Aigina durch Zeus, auf Naxos durch Dionysos, und wie er über diese Missgeschicke überaus gütig und ohne Zorn bleibt.“
Der Sprecherwechsel von Sospis auf Menephylos macht deutlich, dass die gesamte Gruppe kooperiert, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Zudem wird Hylas als ein würdiger Teilnehmer dieser ἡμεῖς genannt, auf die Menephylos in seiner Rede Bezug nimmt. Denn er habe in der Vergangenheit mehrmals an ähnlichen gelehrten Diskussionen teilgenommen. Die Zugehörigkeit zur Gruppe wird mit einer erneuten Fragestellung zu einem ihm genehmen Thema besiegelt. Diesmal gelingt die Integration Hylas’ in die Konversation und er steigt befreit vom Zorn in die Diskussion ein. ZUSAMMENFASSUNG Negative Figuren werden von Plutarch deutlich als solche gekennzeichnet. Allerdings bleiben die Beschreibungen knapp und begrenzt auf äußerliche Signale, die eher als Warnung denn als Kritik zu interpretieren sind. Die Anonymität ist eines dieser Signale, ebenfalls äußerliche Elemente wie ein langer Bart oder ein pompöses Auftreten. Die endgültige Interpretation als negative Figuren basiert jedoch auf der Interaktion im Dialog. Solche Teilnehmer unterbrechen, beleidigen, verweigern die Antwort, tragen nichts Inhaltliches zur Diskussion bei. Unwissen und Zorn erscheinen als Eigenschaften, die zu so einem Fehlhandeln führen können. In der Reaktion der restlichen Teilnehmer macht der Autor deutlich, zu welchem Schaden so eine Handlung führen kann. Die Harmonie und folglich die weitere Entwicklung des Gesprächs sind gefährdet. 58 Die sozialen Konsequenzen des Zornes erarbeitet Plutarch in seinem Traktat De cohibenda ira, der sich primär an Mitglieder seines Freundeskreises richtet (van Hoof [2005]). S. dazu auch Garr. 514C. 59 Q. C. IX 6 (741A).
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Das Kollektiv erscheint als ein wesentlicher Aspekt des Umgangs mit Gesprächsstörern, denn es ist die koordinierte Handlung der Gesprächsgemeinschaft, die das Fehlverhalten dieser Figuren deutlich macht und ihm entgegentritt. Die Auseinandersetzung mit dem Störer ist keine individuelle Verantwortung und so verteilt sie sich auf mehrere Gesprächsteilnehmer, die sich ihrerseits immer wieder die Unterstützung der gesamten Gruppe holen. Oft wird nach einer expliziten Genehmigung für einen beabsichtigten Schritt gefragt. Die Harmonie bleibt in den Dialogen Plutarchs schließlich bewahrt. Denn negative Figuren werden durch das Handeln der anderen Teilnehmer entweder in die Konversation wieder integriert oder aus der Gesprächsrunde ausgeschlossen, so dass der Dialog weitergeführt werden kann. In der mimetischen Ebene der Dialoge kann der Leser Plutarchs erfahren, was er in den zahlreichen methodologischen Passagen seiner Werke theoretisch erfasst hat. LITERATURVERZEICHNIS Editionen, Kommentare und Übersetzungen Françoise Frazier und Jean Sirinelli (Hgg.), Plutarque. Œuvres morales IX,3. Propos de Table. Livres VII–IX, Paris 1996. François Fuhrmann (Hg.), Plutarque. Œuvres morales IX,1–2. Propos de Table I–VII, Paris 1972– 1978. Hendrik Obsieger, Plutarch. „De E apud Delphos“ / Über das Epsilon am Apolltempel in Delphi. Einführung, Ausgabe und Kommentar, Stuttgart 2013 (Palingenesia 101). André Philippon (Hg.), Plutarque. Oeuvres morales I,2. Comment Écouter, Paris 1989, 9–62. Plutarch, Dialog über die Liebe. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von Herwig Görgemanns, Barbara Feichtinger, Fritz Graf, Werner G. Jeanrond und Jan Opsomer, Tübingen 2011 (Sapere X). Sven-Tage Teodorsson, A commentary on Plutarch’s Table Talks, Göteborg 1989–1996 (Studia Graeca et Latina Gothoburgensia 51, 53, 62).
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Ginestí (2013): Anna Ginestí Rosell, „Para una poética del diálogo: el buen hablar en las Quaestiones Convivales de Plutarco“, in: Germán Santana Henríquez (Hg.), Plutarco y las artes: Actas del XI Simposio Internacional de la Sociedad Española de Plutarquistas. Las Palmas de Gran Canaria 8–10 de noviembre 2012, Madrid, 45–52. Gleason (1995): Maud W. Gleason, Making men. Sophists and Self-Presentation in Ancient Rome, Princeton. Klotz/Oikonomopoulou (2011): Frieda Klotz und Katerina Oikonomopoulou (Hgg.), The philosopher’s Banquet. Plutarch’s Table Talk in the Intellectual Culture of the Roman Empire, Oxford. König (2011): Jason König, „Self-Promotion and Self-Effacement in Plutarch’s Table Talk“, in: Klotz/Oikonomopoulou (2011) 179–203. Konstan (2004): David Konstan, „‚The Birth of the Reader‘: Plutarch as a Literary Critic“, Sch. Stud. Class. Antiq. 13, 3–27. Müller (2013): Alexander Müller, „Das Orakel und das Dialogische: Zu Plutarchs Schriften De Pythiae oraculis und De defectu oraculorum“, in: Sabine Föllinger und Gernot Michael Müller (Hgg.), Der Dialog in der Antike Formen und Funktionen einer literarischen Gattung zwischen Philosophie, Wissensvermittlung und dramatischer Inszenierung, Berlin/Boston (Beiträge zur Altertumskunde 315), 65–86. Pelling (1988): Christopher Pelling, Plutarch, Life of Antony, Cambridge. Puech (1992): Bernadette Puech, „Prosopographie des Amis de Plutarque“, ANRW II 33,6, 4831– 4893. Thum (2013): Tobias Thum, Plutarchs Dialog De E apud Delphos, Tübingen (Studien und Texte zu Antike und Christentum 80). Van der Stockt (2000): Luc Van der Stockt, „Aspects of the Ethics and Poetics of the Dialogue in the Corpus Plutarcheum“, in: Italo Gallo und Claudio Moreschini (Hgg.), I generi letterari in Plutarco. Atti del VIII Convegno plutarcheo, Pisa 2–4 giunio 1999, Neapel (Collectanea 19), 93–116. Van Hoof (2005): Lieve van Hoof, „The Reader Makes the Text: Model Readers on the Move“, Ploutarchos 3, 141–154. Van Hoof (2010): Lieve van Hoof, Plutarch’s Practical Ethics: The Social Dynamics of Philosophy, Oxford.
FIGURALE ELABORATION Ästhetische Investitionen in dialogische Relevanz Peter von Möllendorff Es ist eine der grundlegenden Erkenntnisse der Dialogtheorie, dass die Propositionalität von Dialogen durch die Intensivierung einer ganzen Reihe von dialogischen Parametern verstärkt und ihre Wirkung erhöht werden kann. Hierzu gehört die dramatische Gestaltung, die soziale Relevanz und die Agonalität getätigter Aussagen, hierzu gehört aber auch die Elaboration der Figuren. In dem vorliegenden Beitrag möchte ich zunächst am Beispiel Lukianischer Dialoge, vor allem seines Symposion, eher intuitiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige kategoriale Bestimmungen treffen, die genauer festlegen, was unter figuraler Elaboration im Einzelnen zu verstehen ist. In einem zweiten Schritt möchte ich die These verfolgen, dass durch eine maximale Elaboration ein ästhetischer Überschuss produziert wird, der erklärungsbedürftig ist, da er sich, im Sinne eines solchen „surplus“, nicht mehr ausschließlich auf die Verstärkung der Proposition als des zentralen Relevanzfaktors eines Dialogs verrechnen lässt, sondern eine spezifische Lebendigkeit des Textes erzeugt, die dem Leser oder Hörer zumindest ein komplementäres Rezeptionsverhalten nahelegt. In einem dritten Schritt möchte ich das an der Figur des Alkibiades in Platons Symposion exemplifizieren. 1. FAKTOREN FIGURALER ELABORATION Angesichts der grundsätzlichen Nähe des Dialogs zum Drama bietet es sich an, Kriterien der dramatischen Figurenanalyse auch hier zur Anwendung zu bringen. Im Falle der beiden hier zu untersuchenden Dialoge hat das zusätzlich den Vorteil, dass ihre intensiv ausgearbeitete Hintergrundhandlung mitsamt der Beschreibung von Szenerie, „Requisiten“ und figuralem Äußeren unbeschadet ihres narrativen Charakters als Mittel der Figurencharakterisierung angesehen und analysiert werden darf.1 Gerade bei personenreichen Dialogen wie den beiden Symposien könnte man überdies aus der Figurenkonstellation und den aus ihr resultierenden quantitativen und qualitativen Kontrast- und Korrespondenzrelationen, ebenso aus den spezifischen Interaktionsformen2 figurale Informationen ableiten. Im Falle 1 2
Vgl. grundsätzlich Pfister (2000) 220–264; zur Figurencharakterisierung ebd. 250–264, v. a. auch 260f. Hierzu Pfister (2000) 226–235.
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des Platonischen Symposions käme angesichts der Historizität seines Personals über die generelle Notwendigkeit, kultur- und geistesgeschichtliche Hintergründe als Informationsgeber einzubeziehen, hinaus noch konkretes biographisches Wissen hinzu. Untersuchungen dieser Art sind notwendigerweise umfangreich, und sie zielen naturgemäß auf eine Verbesserung und Systematisierung historisierender hermeneutischer Zugriffe; für Dialoge als oft explizite und intentionale Ausdrucksformen einer Wissens- und Diskussionskultur gilt das noch mehr als für Dramen, die sich üblicherweise auf ideengeschichtliche Umfelder und auktoriale Positionsnahmen sowohl weniger verrechnen lassen als auch seltener hierauf festgelegt werden.3 Eine solche Untersuchung kann und soll in diesem Beitrag nicht geleistet werden. Die folgenden Ausführungen nehmen daher eine in der historischen Analyse eher vernachlässigte Frage in den Blick, nämlich, ob sich Faktoren dialogischer Figurengestaltung tatsächlich vollständig in den Dienst entweder der Forcierung von benennbarer Signifikation oder der Erzeugung von Welthaftigkeit und Authentizität stellen lassen.4 Weniger die einzelnen Modalitäten figuraler Gestaltung sollen hier also betrachtet werden als vielmehr ihre jeweilige Intensität.5 Man würde spontan erwarten, dass Dialoge mit einer ausgearbeiteten dramatischen Hintergrundhandlung auch über ein entsprechend gestaltetes Sprecherpersonal verfügen. Tatsächlich ist dies aber kein Junktim, wie Dialoge aus Lukianischer Feder leicht zeigen können. So bleiben beispielsweise die zahlreichen Figuren des Piscator als Gestalten recht blass, und dies trotz der lebhaften, der Parodos der Acharner nachgebildeten Eingangsszene, trotz des Ortswechsels auf die Akropolis in der Mitte des Textes und schließlich auch trotz des bewegten Finales, in dem Parrhesiades die Scheinphilosophen mit der Angel auf den Burgberg Athens hinaufzieht.6 Ähnliches gilt für den Bis accusatus: Auch dessen Handlung ist äußerst bewegt: Wir erleben nicht nur zwei Ortswechsel mit (vom Himmel nach Attika, von Attika auf die Akropolis), sondern zudem fünf Gerichtsverfahren lebhaftester Natur, bis schließlich im längsten Prozess der „Syrer“ sich gegen die Klagen der „Rhetorik“ und des „Dialog“ zur Wehr setzen muss. Dieser (dem Werk seinen Titel gebende) Abschnitt umfasst mit elf Kapiteln (25–35) aber gerade nur ein Drittel des gesamten Dialogs, und obwohl der „Syrer“ doch auktoriale Züge zu tragen scheint, bleibt er in den Modalitäten seines Auftretens und in seiner Körperlichkeit undeutlich; schließlich erinnert seine Lebensgeschichte, die von „Rhetorik“ referiert wird, zu sehr etwa an diejenige des Redelehrers im Rhetorum Praeceptor, als dass sie uns die Gestalt des „doppelt Beklagten“ präsenter machen würde.7 Nichtsdestoweniger gewinnt er natürlich stärkere Präsenz und Differenziertheit als die vorangehenden Prozessteilnehmer, die ausschließlich re3 4 5 6 7
Vgl. zur Geschichte der Dialoginterpretation Häsner (2004) v. a. 13–18. Eine Analyse von Dialogfiguren als Repräsentanten einer impliziten Leserschaft liefert exemplarisch Sauer (2013) am Beispiel Ciceros. Zur näheren Bestimmung dieses Konzepts vgl. unten S. 210f. Aufgrund dieser „Dramaturgie“ hat man für den Piscator sogar eine Aufführung im Rahmen eines „dinner-theatre“ erwogen; vgl. Baumbach/von Möllendorff (2017) 222. Vgl. Zweimüller (2008) 428ff.
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präsentativen Charakter besitzen; allein ihre Namen haben bereits so etwas wie Stichwortcharakter, ja, sie sind als Quasi-Personifikationen vollständig durchsichtig auf das von ihnen Vertretene.8 So treten neben der Trunksucht (Μέθη) etwa „die Stoa“, die „Geldwechselbank“ (Ἀργυραμοιβική) und „die Tugend“ (Ἀρετή) auf. Urteilende Instanz ist die allegorische Figur der Dike, deren Präsenz im Vergleich mit der Blässe der Philosophia im Piscator immerhin insofern verstärkt ist, als sie gegenüber ihrer Berufung als Richterin Unsicherheiten und Widerstände erkennen lässt. Gleichwohl geht auch sie in ihrer Funktion, Normen und Werte zu repräsentieren, ganz auf – wie letztlich alle allegorischen Figuren und Personifikationen bei Lukian. Ihnen ist insbesondere eine differenzierte Reaktion auf andere Positionen unmöglich, sie sind entweder affirmativ oder prohibitiv angelegt.9 Dramatische Lebhaftigkeit allein garantiert also noch keine figurale Elaboration, deren Vorhandensein sich daher, umgekehrt, auch nicht in der Erzeugung oder Intensivierung solcher Dramatizität erschöpfen kann, obwohl sie sicherlich hierzu beizutragen vermag. Auch die Historizität einer Figur allein – wie am Beispiel des Diogenes im Bis Accusatus zu sehen – lässt sie noch nicht unbedingt plastischer und lebenswahrer vor unsere Augen treten, und vor allem dann nicht, wenn sie als Stellvertreterin (und damit letzten Endes eigentlich als Personifikation) etwa eines ideologischen oder philosophischen Systems fungiert und agiert, da die „Kanten“ ihrer Individualität dann zu stark auf ideologische Anschlussfähigkeit und Repräsentativität hin „glattgebügelt“ sind. Wenden wir uns nun Lukians Symposion zu, so lassen sich die obigen Beobachtungen erweitern und vertiefen. Bekanntlich handelt es sich bei diesem Text um einen Dialog, der den Bericht vom wüsten Geschehen anlässlich eines Hochzeitsmahls enthält, das der reiche Aristainetos für seine Tochter ausrichtet und zu dem er, um sich als wirklicher pepaideumenos zu geben, die örtlichen Vertreter der großen philosophischen Schulen eingeladen hat. Es kommt zu hochnotpeinlichen Auftritten, zu bildungsfreien Rezitationen, zu Unangemessenheiten jeder Art, und das Ganze mündet schließlich in eine wilde Schlägerei um die aufgetragenen Brathühnchen, ein Tohuwabohu ganz im Geiste der cena Trimalchionis. Referent dieser Geschehnisse ist eine von Lukians Lieblingsfiguren, Lykinos, ein Mann, der sich allein der ideologiefreien Alltagsethik und daher dem sokratisch inspirierten und oft drastischen Widerstand gegen intellektuelle Schaumschlägerei, Pseudo-Bildung und Bigotterie verpflichtet weiß; ihn mit dem Autor Loukianos gleichzusetzen wäre allerdings ein Fehler.10 Diese Fokussierung auf den von Lykinos gegebenen Bericht bringt es mit sich, dass die Unterredner der ersten Stufe, Lykinos und Philon, insgesamt quasi transparent auf die eigentliche Erzählung bleiben. Lykinos’ in anderen Texten – prächtigstes Beispiel: der Hermotimus – sich manifestierende Bissigkeit, Argumentationsstärke, Boshaftigkeit, sein unbarmherziger Witz und seine Aggressivität zeigen sich im Symposion nicht unmittelbar dialogisch, also mithilfe spezifi8 Vgl. Pfister (2000) 244 und 262f. 9 Vgl. Baumbach/von Möllendorff (2017) 128f. 10 Vgl. Baumbach/von Möllendorff (2017) 13–58, v. a. 44–48.
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scher Modi dialogischer Interaktion, sondern über Anlage, Pointierung und Stilisierung seiner Erzählung. Denn Lykinos hat sich, wie wir von ihm erfahren, obwohl er selbst als Gast anwesend war, am Geschehen überhaupt nicht beteiligt, sondern – ganz untypisch für ihn – sich ausschließlich als Beobachter betätigt. Zwar will er heftig geschwitzt haben, weil er sich für seine Mitzecher so schämte, und sich, als es zur Schlacht um die Brathühnchen kam, nur vorsichtig an die Wand gedrückt haben.11 Mehr erfahren wir aber nicht, und so zeigt sich uns das, was Lykinos ist, hier nicht durch figurale Präsenz, sondern in der von ihm erzeugten spezifischen narrativen Perspektivierung und Beleuchtung des Geschehens. Da wir über die Publikation der Werke Lukians kaum etwas wissen,12 lässt sich nicht sagen, inwiefern diese Art der Stilisierung auch auf einen erfahrenen und mit Lukians Texten vertrauten Rezipienten trifft, der schon bei der Erwähnung des Namens Lykinos aufmerkt und weiß, was ihn erwartet. Philon wiederum ist genau ein solcher Rezipient. Er kann Lykinos, der sich erst ziert, von der Hochzeit zu erzählen, damit necken, er wisse genau, dass Lykinos nichts lieber tue als gerade das.13 Philon selbst wiederum gehört zu einer Gruppe Lukianischer Dialogfiguren, die gern über den Namensbestandteil Phil- eingeführt werden und dann, wie auch Philon hier, wenig mehr tun als fasziniert zuzuhören – eben „imaginäre Freunde“.14 Offensichtlich sind sie als dialoginterne Stellvertreter des externen Rezipienten gedacht und daher von vornherein quasi als von ihm zu füllende Leerstellen angelegt. Vergleichbar wenige Markierungen erhalten auch die weiteren Teilnehmer am Symposion. Sie sind allein dadurch ausgewiesen, dass sie einerseits Stellvertreter einer Bildungsdisziplin sind – Medizin, Rhetorik, Grammatik, Philosophie in ihren verschiedenen Observanzen –, andererseits den mit einem Bildungsideal verbundenen professionellen wie auch ethischen Ansprüchen in der Praxis nicht genügen. Darüber hinaus sind sie voneinander nicht zu unterscheiden, und sie werden auch nicht eigentlich zueinander in Beziehung und Vergleichung gestellt: Vielmehr wendet sich Lykinos’ Bericht einem nach dem anderen zu, und alle Kommunikationen zwischen ihnen sind nur verbale Schlagabtausche, die schnell genug in Handgreiflichkeiten übergehen. So bildet der Teil der Hochzeitsgesellschaft, der narrative Beleuchtung erfährt – kontrastiv spricht Lykinos zusammenfassend von den anderen Gästen, den nicht als Gebildete exponierten Privatleuten (ἰδιῶται: symp. 35), die in jeder Hinsicht das Negativ zu den namentlich Auftretenden bilden, aber als reines Kollektiv nicht zu weitergehender Binnendifferenzierung taugen –, eine Gemeinschaft des Ungenügens. Entsprechend kann Lukian das Personal seines Dialogs auch fast zur Gänze als Ensemblekonfiguration15 agieren lassen, mit nur ganz wenigen und dann nie signifikanten Auf- und Abtrit11 12 13 14
Lukian. symp. 28 und 45. Vgl. hierzu Baumbach/von Möllendorff (2017) 217–233. Lukian. symp. 4. Vgl. Nigrinus (ἑταῖρος), Icaromenippus (ἑταῖρος), Philopseudeis (Φιλοκλῆς), Necyomantia (Φίλος), Quomodo Historia conscribenda sit (Φίλων). 15 Vgl. hierzu Pfister (2000) 235.
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ten einzelner Figuren, so dass es eigentlich nie zu signifikanten Begegnungen kommt. Eine Ausnahme hiervon bildet, neben dem Arzt Dionikos,16 der Kyniker Alkidamas, der – dieses Merkmal ist wichtig – zu spät kommt und dann die Sitzreihenfolge durcheinanderbringt, indem er die Gesellschaft permanent umrundet und verspottet:17 Ἅμα οὖν ταῦτα ὁ Κλεόδημος εἰρήκει καὶ ἐπεισέπαισεν ὁ Κυνικὸς Ἀλκιδάμας ἄκλητος, ἐκεῖνο τὸ κοινὸν ἐπιχαριεντισάμενος, “τὸν Μενέλαον αὐτόματον ἥκοντα”. τοῖς μὲν οὖν πολλοῖς ἀναίσχυντα ἐδόκει πεποιηκέναι καὶ ὑπέκρουον τὰ προχειρότατα, ὁ μὲν τὸ “Ἀφραίνεις Μενέλαε,” ὁ δ' „Ἀλλ' οὐκ Ἀτρεΐδῃ Ἀγαμέμνονι ἥνδανε θυμῷ“, καὶ ἄλλα πρὸς τὸν καιρὸν εὔστοχα καὶ χαρίεντα ὑποτονθορύζοντες· ἐς μέντοι τὸ φανερὸν οὐδεὶς ἐτόλμα λέγειν· ἐδεδοίκεσαν γὰρ τὸν Ἀλκιδάμαντα, βοὴν ἀγαθὸν ἀτεχνῶς ὄντα καὶ κρακτικώτατον κυνῶν ἁπάντων, παρ' ὃ καὶ ἀμείνων ἐδόκει καὶ φοβερώτατος ἦν ἅπασιν. Ὁ δὲ Ἀρισταίνετος ἐπαινέσας αὐτὸν ἐκέλευε θρόνον τινὰ λαβόντα καθίζεσθαι παρ' Ἱστιαῖόν τε καὶ Διονυσόδωρον. ὁ δέ, „Ἄπαγε“, φησί, „γυναικεῖον λέγεις καὶ μαλθακὸν ἐπὶ θρόνου καθίζεσθαι ἢ σκίμποδος, ὥσπερ ὑμεῖς ἐπὶ μαλακῆς ταύτης εὐνῆς μικροῦ δεῖν ὕπτιοι κατακείμενοι ἑστιᾶσθε πορφυρίδας ὑποβεβλημένοι· ἐγὼ δὲ κἂν ὀρθοστάδην δειπνήσαιμι ἐμπεριπατῶν ἅμα τῷ συμποσίῳ· εἰ δὲ καὶ κάμοιμι, χαμαὶ τὸν τρίβωνα ὑποβαλόμενος κείσομαι ἐπ' ἀγκῶνος οἷον τὸν Ἡρακλέα γράφουσιν.“ „Οὕτως,“ ἔφη, „γιγνέσθω,“ ὁ Ἀρισταίνετος, „εἴ σοι ἥδιον.“ καὶ τὸ ἀπὸ τούτου περιιὼν ἐν κύκλῳ ὁ Ἀλκιδάμας ἐδείπνει ὥσπερ οἱ Σκύθαι πρὸς τὴν ἀφθονωτέραν νομὴν μετεξανιστάμενος καὶ τοῖς περιφέρουσι τὰ ὄψα συμπερινοστῶν. καὶ μέντοι καὶ σιτούμενος ἐνεργὸς ἦν ἀρετῆς πέρι καὶ κακίας μεταξὺ διεξιὼν καὶ ἐς τὸν χρυσὸν καὶ τὸν ἄργυρον ἀποσκώπτων· ἠρώτα γοῦν τὸν Ἀρισταίνετον, τί βούλονται αὐτῷ αἱ τοσαῦται καὶ τηλικαῦται κύλικες τῶν κεραμεῶν ἴσον δυναμένων. ἀλλ' ἐκεῖνον μὲν ἤδη διενοχλοῦντα ἔπαυσεν ἐς τὸ παρὸν Ἀρισταίνετος τῷ παιδὶ νεύσας εὐμεγέθη σκύφον ἀναδοῦναι αὐτῷ ζωρότερον ἐγχέαντα· καὶ ἐδόκει ἄριστα ἐπινενοηκέναι οὐκ εἰδὼς ὅσων κακῶν ἀρχὴν ὁ σκύφος ἐκεῖνος ἐνεδεδώκει. λαβὼν δὲ ἅμα ὁ Ἀλκιδάμας ἐσίγησε μικρὸν καὶ ἐς τοὔδαφος καταβαλὼν ἑαυτὸν ἔκειτο ἡμίγυμνος, ὥσπερ ἠπειλήκει, πήξας τὸν ἀγκῶνα ὀρθόν, ἔχων ἅμα τὸν σκύφον ἐν τῇ δεξιᾷ, οἷος ὁ παρὰ τῷ Φόλῳ Ἡρακλῆς ὑπὸ τῶν γραφέων δείκνυται. Kaum hatte Kleodemos das gesagt, da platzte uneingeladen der Kyniker Alkidamas herein, jenes bekannte Scherzwort auf den Lippen, wonach „ungerufen erschien Menelaos“. Die meisten fanden das unverschämt und unterbrachen ihn mit naheliegenden Entgegnungen: „Töricht handelst du, Menelaos“, skandierte der eine, der andere: „Nur Agamemnon, dem Sohne des Atreus, behagte das gar nicht“, und brummelten noch weitere zur Situation passende und elegante Bemerkungen in ihre Bärte: Offen zu reden traute sich allerdings keiner, denn sie fürchteten sich vor Alkidamas, der eben wirklich ein „Meister im Schlachtruf“ ist und von allen Hunden der lärmendste Kläffer. Deshalb hielten ihn auch alle für eine bedeutende Persönlichkeit, und er jagte jedermann gewaltige Angst ein. Aristainetos wollte ihn auf einen Sessel neben Histiaios und Dionysodoros komplimentieren, aber er sagte: „Zum Teufel damit! Sessel und Liegen sind was für Weiber und Schlappschwänze wie euch, die ihr euch da auf diesem weichen Lager ausstreckt, ach was: fläzt, und es euch, auf Purpur gebettet, schmecken lasst. Ich hingegen ziehe es vor, im Stehen zu essen und dabei im Speisesaal auf und ab zu gehen. Und sollte ich müde werden, dann lege ich mich auf meinen Mantel und stütze mich auf den Ellbogen, wie Herakles auf den Bildern.“ – „Aber bitte doch“, sagte Aristainetos, „wenn es dir so lieber ist.“ Und so spazierte Alkidamas von nun an während des Essens im Kreis herum und wechselte wie die Skythen stets zur fetteren Weide, immer auf den Spu16 Zu seinem Auftritt und seiner Funktion mit Blick auf die Figurengestaltung s. u. S. 213f. 17 Lukian. symp. 12–14. Zitate aus Lukians Symposion folgen der Ausgabe von Macleod (1972), die Übersetzungen stammen aus von Möllendorff (2006).
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Peter von Möllendorff ren der Speisenträger. Allerdings arbeitete er sogar beim Essen, indem er zwischendrin Überlegungen zu Tugend und Schlechtigkeit anbrachte und sich über die goldenen und silbernen Gedecke mockierte. So fragte er etwa den Aristainetos, was er denn mit so vielen großen Weinkelchen wolle, wo es doch Becher aus Ton ebenso täten. Aristainetos brachte Alkidamas – er wurde allmählich lästig – für den Augenblick zum Schweigen, indem er dem Diener ein Zeichen gab, ihm einen ordentlichen Pokal mit mehr Wein und weniger Wasser zu reichen. Und er war der Meinung, da eine wirklich gute Idee gehabt zu haben, nicht ahnend, was für schlimme Ereignisse dieser Pokal auslösen sollte. Alkidamas packte ihn, hielt für einen kurzen Moment lang den Mund und warf sich dann auf den Boden, wo er liegenblieb, halbentblößt, wie er es angedroht hatte, den Ellbogen aufgestützt, den Pokal in der Rechten, wie die Maler Herakles bei Pholos darstellen.
Zwar geht auch Alkidamas weitgehend in der Funktion der Repräsentation des Bildungszweiges Philosophie auf. Aber er gewinnt doch eine andere Leuchtkraft als seine Kollegen. Allein seine Verspätung hebt ihn hervor, er gerät in aller Blick, also auch in den des Rezipienten, und wenn dieser sich in der ikonischen Tradition auskennt, dann hat er am Ende des zitierten Abschnittes auch eine sehr plastische und farbige Vorstellung von Alkidamas in der Pose des Herakles.18 Hinzu kommt, dass Alkidamas, anders als alle anderen, seine Anwesenheit nicht auf einen ihm zugewiesenen Platz beschränkt, sondern sich durch sein Ambulieren in dem von der Narration erfassten Raum omnipräsent macht; zuletzt erfahren wir, dass alle ihn fürchten. Hören wir überdies am Ende des Textes, dass er, als in der Schlacht die Lichter ausgehen, dabei ertappt wird, wie er die Flötenspielerin vergewaltigt, dann gerät seine ausgestellte Körperlichkeit zu einem bedeutenden und hervorgehobenen Merkmal. Keine der übrigen Figuren des Textes ist derart stark und vielfältig markiert – darauf wird später noch zurückzukommen sein. Dies ist insofern auffällig, als ja weder Alkidamas noch die kynische Philosophie besonders im thematischen Fokus des Werkes stehen. Was resultiert aus diesen Betrachtungen hinsichtlich der Frage nach figuraler Elaboration? Zunächst einmal nicht mehr als ein Katalog skalierbarer Einstellungen, die sich kreuzklassifikatorisch für jede Figur zu einer individuellen Merkmalkonfiguration zusammenstellen lassen und sie als mehr oder weniger ausgearbeitet präsentieren. Sie sind in der nebenstehenden Tabelle zusammengefasst, ohne dass hiermit ein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben würde.19 Je weiter eine Figur auf der „starken“ Seite der Skala anzusiedeln ist, als desto stärker geformt, also ästhetisch ausgestaltet darf sie gelten; und aus dieser Zuweisung ästhetischer „Energie“ lässt sich auch, wie ich im zweiten Abschnitt argumentieren möchte, die vielleicht nicht für jede einzelne Skala selbstevidente Einordnung der Pole auf der schwachen oder starken Seite erklären. Je differenzierter und elaborierter eine Figur erscheint, als desto authentischer und – um die Mühe der Ausgestaltung zu rechtfertigen – relevanter darf sie gelten. Die Frage nach 18 Herakles ist zugleich das mythische Idealbild des stoischen und kynischen Weisen. Sein Aufenthalt beim Kentauren Pholos endete aufgrund der Weinseligkeit der übrigen Kentauren in einem Blutbad (Apollod. bibl. 2,83–87). Auf diese Weise nimmt Lykinos implizit Alkidamas’ Untaten am Ende der Feier vorweg. Auch durch diese Allusion gewinnt Alkidamas noch mehr Profil – der Leser sieht ihn sozusagen als Protagonisten in einem Kampf. 19 Zu Details der Tabellengestaltung s. unten S. 215.
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dem Zweck stärkerer oder schwächerer Beleuchtung einer Figur und nach der Bedeutung dieser Beleuchtung für die dialogische Proposition ist damit allerdings noch nicht beantwortet. starker Pol
schwacher Pol
Einbeziehung eines lebensweltlichen Kontextes und eventueller ‚biographischer‘ Details
kontext- und ‚biographie‘freie Figur
explizierte körperliche Präsenz
bloßes Vorhandensein
dominante Gesprächsanteile
wenig ausgestellte oder wenig affirmative Anteile
Nähe zur vermutbaren auktorialen Proposition
Ferne zur vermutbaren auktorialen Proposition
aggressiv
konsensual
dramatisch aktiv
dramatisch passiv
destruktiv
konstruktiv
ideologisch versatil
ideologisch starr
unvorhersehbares Verhalten
vorhersehbares Verhalten
inhomogener Charakter
homogener Charakter
mehrfache Redebeiträge
einmaliger Redebeitrag
universelle Beiträge
selektive Beiträge
fiktive Figur (evtl. mit bedeutungsvollem Namen)
historische Figur (bloße Nennung)
2. ÄSTHETISCHER ÜBERSCHUSS UND KOMPLEMENTÄRE REZEPTION Wenden wir unsere Aufmerksamkeit noch einmal Lukians Alkidamas zu! Die Lebhaftigkeit und Eindringlichkeit seiner Beschreibung lässt sich entschieden nicht vollständig auf die simple satirische Botschaft verrechnen, dass auch er zu den Scheinphilosophen gehört. Hierfür würden Zuweisungen genügen, wie Lukian sie den übrigen Philosophen zukommen lässt, die sich darüber hinaus durch lange Rheseis selbst entlarven. Hier ist der Rezipient angehalten, quasi zwischen den Zeilen zu lesen und aus den jeweiligen Ausführungen herauszuhören, wes Geistes Kind der jeweilige Sprecher tatsächlich ist; man könnte auch sagen: Es ist seine Aufgabe, den satirischen Code zu knacken, und zwar für jeden Sprecher
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neu, allerdings, wie man sagen muss, mit einem repetitiven Ergebnis. Diese Art der Rezeption resultiert in einem Verstehen, einem Entschlüsseln, einem hermeneutischen Akt. Bei Alkidamas hingegen scheint es um mehr zu gehen. Ich sehe keine hermeneutisch sinnvollen und an Bedeutsamkeit der Ausführlichkeit und Farbigkeit der Schilderung entsprechenden Erklärungen für sein permanentes Umkreisen der Tischrunde, das schließlich darin mündet, dass Alkidamas sich im Zentrum der Gesellschaft, den Blicken aller ausgesetzt, niederlässt, nur um zwei Abschnitte (16) später seine Wanderung wieder aufzunehmen. Er prügelt sich daraufhin mit einem gelotopoios, ebenfalls in der Mitte der Versammlung (20). In (34) uriniert er dort sogar, dann beteiligt er sich natürlich ab (43) an der Schlacht, und schließlich:20 μέγιστον δὲ ἦν ἁπάντων κακῶν ὁ Ἀλκιδάμας, ἐπεὶ ἅπαξ τὸ καθ' αὑτὸν ἐτρέψατο, παίων τὸν προστυχόντα· καὶ πολλοὶ ἄν, εὖ ἴσθι, ἔπεσον εἰ μὴ κατέαξε τὴν βακτηρίαν. […] Τέλος δὲ ὁ Ἀλκιδάμας ἀνατρέψας τὸ λυχνίον σκότος μέγα ἐποίησε, καὶ τὸ πρᾶγμα, ὡς τὸ εἰκός, μακρῷ χαλεπώτερον ἐγεγένητο· καὶ γὰρ οὐ ῥᾳδίως εὐπόρησαν φωτὸς ἄλλου, ἀλλὰ πολλὰ ἐπράχθη καὶ δεινὰ ἐν τῷ σκότῳ. καὶ ἐπεὶ παρῆν τις λύχνον ποτὲ κομίζων, κατελήφθη Ἀλκιδάμας μὲν τὴν αὐλητρίδα ἀπογυμνῶν καὶ πρὸς βίαν συνενεχθῆναι αὐτῇ σπουδάζων […]. Das größte Übel von allen stellte Alkidamas dar, der, nachdem er sich nun einmal zum Herrn des Schlachtfeldes gemacht hatte, auf jeden, der ihm in den Weg kam, eindrosch. Und viele wären zu Boden gegangen, da kannst du sicher sein, wenn er nicht seinen Knüppel zerbrochen hätte. […] Zuletzt kippte Alkidamas die Lampe um und stürzte alles in tiefe Dunkelheit, wodurch die Sache natürlich nur um so schlimmer wurde. Denn so schnell hatten sie kein anderes Licht zur Hand, und viele schreckliche Dinge geschahen in der Dunkelheit. Als endlich jemand kam und Licht brachte, ertappten wir Alkidamas dabei, wie er gerade die Flötenspielerin auszog und vergewaltigen wollte […].
Es ist, zusammengenommen, Alkidamas’ Körperlichkeit, die hier wie auf einer Bühne, wie in einer Arena präsentiert wird. Gerade diese seine Ungeniertheit lässt sich zwar satirisch verrechnen, aber doch nur partiell, denn die Missachtung sozialer Usancen gehört, wenn auch hier vielleicht überzogen, letztlich zum öffentlichen Auftritt eines Kynikers. Entsprechend hatte Aristainetos Alkidamas auch gar nicht erst eingeladen, und nun erntet er die Früchte seiner Inkonsequenz. Denn Alkidamas scheint auf die Versammlung beinahe wie ein Katalysator zu wirken – nicht ohne Grund bezeichnet Lykinos, wie zitiert, Alkidamas’ exzessiven Weingenuss in herodoteischer Manier als ἀρχὴ κακῶν (14). Alkidamas erweist sich damit als eine Art tickende Zeitbombe. In seinem Fall scheint es weniger um satirische Entlarvung des Scheinphilosophen zu gehen als um die Zurschaustellung zunehmender und zunehmend slapstickartiger Gewalt. Was Alkidamas tut, ist wie sein wildes Draufhauen mit dem Knüppel seinem zufälligen Wollen überlassen, und dieses Wollen äußert sich nicht in langen Reden und organisierten Kampfhandlungen, sondern in einzelnen Momenten entgleisender und unkalkulierbarer Aktion. Solche von Spontaneität, Momentaneität, Zufälligkeit und Unkalkulierbarkeit geprägte Figuren entziehen sich, genauso wie jede ganz aus dem Ruder laufende 20 Lukian. symp. 45f.
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Gewalt, sehr weitgehend der rationalen Deutung und scheiden damit für eine eindeutige satirische Botschaft aus, oder anders gesagt: Sie gehen über eine solche Funktionalisierung hinaus, bilden einen „ästhetischen Überschuss“.21 Alkidamas’ Positionierung im Mittelpunkt des fiktionalen Chronotops des Hochzeitsfestes und seine regelmäßige Erwähnung halten das Auge des Lesers auf ihn konzentriert, ohne dass er deshalb das propositionale Zentrum des Dialogs einnähme oder auch nur einzunehmen beanspruchte. Sein mit dem Kreisen um die Tischrunde abwechselnder Aufenthalt in diesem Mittelpunkt macht ihn in der Visualisierung zum Kern und Ausgangspunkt des rauschhaften Gewaltexzesses, in den die Versammlung ab (19) – dann (33), schließlich vollends ab (42) – gerät und der, sofort im Anschluss an seine vorsichtigen Anfänge in (19), in (20) von dem Arzt Dionikos noch durch folgende Erzählung von einem Patienten gestützt wird:22 Ἐνταῦθα Διόνικος ἐπεισῆλθεν ὁ ἰατρὸς οὐ πολὺ κατόπιν τοῦ ἀγῶνος· ἐβεβραδύκει δέ, ὡς ἔφασκε, φρενίτιδι ἑαλωκότα θεραπεύων Πολυπρέποντα τὸν αὐλητήν. καί τι καὶ γελοῖον διηγήσατο· ἔφη μὲν γὰρ εἰσελθεῖν παρ' αὐτὸν οὐκ εἰδὼς ἐχόμενον ἤδη τῷ πάθει, τὸν δὲ ταχέως ἀναστάντα ἐπικλεῖσαί τε τὴν θύραν καὶ ξιφίδιον σπασάμενον ἀναδόντα αὐτῷ τοὺς αὐλοὺς κελεύειν αὐλεῖν· εἶτα ἐπεὶ μὴ δύναιτο, παίειν σκῦτος ἔχοντα ἐς ὑπτίας τὰς χεῖρας. τέλος οὖν ἐν τοσούτῳ κινδύνῳ ἐπινοῆσαι τοιόνδε· ἐς ἀγῶνα γὰρ προκαλέσασθαι αὐτὸν ἐπὶ ῥητῷ πληγῶν ἀριθμῷ, καὶ πρῶτον μὲν αὐτὸς αὐλῆσαι πονηρῶς, μετὰ δὲ παραδοὺς τοὺς αὐλοὺς ἐκείνῳ δέξασθαι παρ' αὐτοῦ τὸ σκῦτος· καὶ τὸ ξιφίδιον ἀπορρῖψαι τάχιστα διὰ τῆς φωταγωγοῦ ἐς τὸ ὕπαιθρον τῆς αὐλῆς, καὶ τὸ ἀπὸ τούτου ἀσφαλέστερος ἤδη προσπαλαίων αὐτῷ ἐπικαλεῖσθαι τοὺς γειτνιῶντας, ὑφ' ὧν ἀνασπασάντων τὸ θύριον σωθῆναι αὐτός. ἐδείκνυε δὲ καὶ σημεῖα τῶν πληγῶν καὶ ἀμυχάς τινας ἐπὶ τοῦ προσώπου. An dieser Stelle kam Dionikos, der Arzt, hinzu, kurz nach dem Kampf [sc. zwischen Alkidamas und dem gelotopoiós]. Er habe sich verspätet, sagte er, weil er noch Polyprepon, den Aulosspieler, habe versorgen müssen, der sich eine Hirnhautentzündung zugezogen hatte. Dazu erzählte er eine lustige Geschichte. Als er nämlich – so sagte er – bei Polyprepon eintrat, ohne zu wissen, daß die Krankheit bereits voll ausgebrochen war, da sprang der auf, schloß die Tür ab, zückte ein Messer, hielt ihm die Auloi hin und befahl ihm, auf ihnen zu spielen. Als er das nicht schaffte, gab ihm Polyprepon mit einer Lederpeitsche eins auf die Handflächen. In dieser gefährlichen Situation sei ihm schließlich folgender Einfall gekommen: Er habe Polyprepon zum Wettkampf um eine festgesetzte Anzahl Schläge herausgefordert, und zuerst habe er selbst ganz jämmerlich geflötet, dann aber habe er Polyprepon die Auloi gegeben und dafür von ihm die Peitsche und das Messer bekommen und beides schleunigst aus dem Fenster in den offenen Hof geworfen. Da habe er sich gleich sicherer gefühlt und, während er mit ihm kämpfte, nach den Nachbarn gerufen; die brachen die Tür auf, und so wurde er gerettet. Er zeigte auch die Schrammen von den Schlägen und einige blaue Flecken im Gesicht. 21 Zum hier verwendeten Begriff des „Ästhetischen“ als eines meist im Augenblick manifesten, nicht vorhersehbaren, nicht zur Gänze funktional und propositional verrechenbaren Formund Gestaltungsüberschusses vgl. Mersch (2014) 28–55; Bohrer (1981); ders. (2003). Die Gegenprobe lässt sich vollziehen, wenn man dem Alkidamas den anderen ἄκλητος des Festes gegenüberstellt, nämlich den Stoiker Hetoimokles, der seiner Verbitterung über die ausgebliebene Einladung durch einen Brief Ausdruck verleiht, der symp. 22–27 vor der Festgesellschaft verlesen wird. Dieser Brief liefert eine vollendete antistoische Satire – vgl. Männlein (2000) 251f. –, aber geht auch zur Gänze darin auf, weil eben Hetoimokles keine eigene figurale Präsenz und Aktion im Text entfaltet, sondern sich ausschließlich verbal manifestiert. Er bleibt daher ästhetisch irrelevant. 22 Lukian. symp. 20f.
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Die zeitliche Nähe dieser Geschichte zu Alkidamas’ Kampf mit dem Spaßmacher legen ebenso wie die Tatsache, dass wie Alkidamas auch Dionikos zu spät, wenn auch nicht ungeladen, zum Fest kommt, es nahe, sie motivisch mit dem Geschehen um Alkidamas zu verknüpfen. Dafür spricht dann auch der Name des verrückten Aulosspielers: Polyprepon, ein Name, der im Plural sehr gut auch von den anwesenden Philosophen gesagt sein könnte. Umgekehrt könnte man zwar zunächst versucht sein, hieraus eine hermeneutische Implikation abzuleiten: Auch von den anwesenden Philosophen wäre dann gesagt, dass sie unheilbar und gefährlich verrückt wären. Das jedoch würde den eigentlichen satirischen Fokus des Textes verlagern. Denn Lukian erhebt zwar durchaus gern einmal den Vorwurf der manía gegen Bildungsträger, jedoch bezieht er ihn darauf, dass sie sich seiner Meinung nach in nutzlose Hirngespinste verstricken,23 während dies im Symposion kaum thematisiert wird, weil es hier um das nicht durch Krankheit entschuldbare praktische Fehlverhalten ethisch geschulter pepaideumenoi geht.24 Dionikos’ Geschichte leistet also hermeneutisch für das Verständnis des satirischen Kontextes kaum etwas, sondern verleiht ihm stattdessen Tiefe, Buntheit und verstärkt die Intensität des Irrationalen, sinnlos Gewalttätigen. 3. FIGURALE ELABORATION IN PLATONS SYMPOSION Es steht natürlich außer Zweifel, dass Lukians Schrift – wie wohl alle antiken Texte dieses Titels – auf Platons Symposion als Architext referiert. Dabei sind im Ganzen die Differenzen und die thematischen und motivischen Neujustierungen womöglich umfangreicher und wesentlicher als die Analogien und Übernahmen. Ich möchte zum Abschluss den Blick auf die Figur des Alkibiades richten. Platons Dialog besitzt zwei figurale Zentren, die einander in ihrer textuellen Dominanz abwechseln, zugleich jedoch wie die beiden Brennpunkte einer Ellipse aufeinander bezogen sind: nämlich zum einen, wie in Platons Dialogen üblich, Sokrates, zum anderen Alkibiades, der unmittelbar nach Sokrates’ Diotima-Rede und seinem Entwurf des Modells vom erotischen Aufstieg zum Seienden und zur Idee des Schönen ungeladen und betrunken in die Versammlung platzt und sie im weiteren Verlauf sprengen wird:25 Εἰπόντος δὲ ταῦτα τοῦ Σωκράτους τοὺς μὲν ἐπαινεῖν, τὸν δὲ Ἀριστοφάνη λέγειν τι ἐπιχειρεῖν, ὅτι ἐμνήσθη αὐτοῦ λέγων ὁ Σωκράτης περὶ τοῦ λόγου· καὶ ἐξαίφνης τὴν αὔλειον θύραν κρουομένην πολὺν ψόφον παρασχεῖν ὡς κωμαστῶν, καὶ αὐλητρίδος φωνὴν ἀκούειν. […] Καὶ οὐ πολὺ ὕστερον Ἀλκιβιάδου τὴν φωνὴν ἀκούειν ἐν τῇ αὐλῇ σφόδρα μεθύοντος καὶ μέγα βοῶντος, ἐρωτῶντος ὅπου Ἀγάθων καὶ κελεύοντος ἄγειν παρ’ Ἀγάθωνα.
23 Vgl. beispielsweise die Schlusspassagen des Hermotimus oder der Philopseudeis. 24 Vgl. Lukian. symp. 34f. 25 Plat. symp. 212c4–d5. Zitate folgen der Ausgabe von Burnet (1986); die Übersetzungen stammen von Rufener (1974) und wurden orthographisch dem heutigen Gebrauch angepasst. Vgl. Cornelli (2015) 281–295, hier 281f.: Aus philosophischer Perspektive hätte der Dialog nach dem Höhepunkt in Sokrates’ Rede zu Ende sein können.
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Als nun Sokrates so gesprochen, hätten ihn die übrigen gelobt; Aristophanes aber habe eben etwas sagen wollen, weil Sokrates in seinen Ausführungen auf ihn wegen seiner Rede angespielt hatte. Doch da wurde plötzlich an die Türe geschlagen, und es gab einen großen Lärm wie von Nachtschwärmern und man hörte die Töne einer Flötenspielerin […] Kurz darauf habe man in der Vorhalle die Stimme des Alkibiades gehört. Der war mächtig betrunken und fragte mit lauter Stimme, wo Agathon sei und verlangte, man solle ihn zu ihm führen.
Beide Figuren sind bedeutend, und vor allem werden sie bei Platon auch entsprechend elaboriert: Die in der obenstehenden Tabelle gegebenen Skalen sind daher samt und sonders bei beiden Figuren auf der „starken“ Position zu justieren.26 Dabei habe ich durch graue Hinterlegung die vier Skalen hervorgehoben, bei deren Merkmalen sie voneinander zumindest leicht abweichen. Betrachtet man diese, so ließe sich m. E. diskutieren, ob nicht Sokrates allein durch seine – gerade in diesem Text beachtliche – „propositionale Nähe zum Autor“ über Alkibiades dominiert, während dieser wiederum in den Aspekten „körperliche Präsenz“, „ideologische Versatilität“ und „Unvorhersehbarkeit des Verhaltens“ stärker ist. Selbst wenn man das hinsichtlich der „ideologischen Versatilität“ bestritte, dann ergäbe sich dennoch aus dieser Betrachtung die für Platons Werk rare Situation, dass der Rezipient mit zwei aufs Ganze gleich starken Figuren konfrontiert ist.27 Vergleicht man dies jetzt mit Lukians Adaption des Themas, so fällt gleich auf, dass er auf diesen Antagonismus in auffälliger Weise verzichtet. Seine stark an Sokrates orientierte Lykinos-Figur,28 die in den zahlreichen anderen Texten ihres Auftretens stets dominiert und ihre Mitunterredner an die Wand spielt, steht, wie bereits zitiert, in diesem Dialog ausnahmsweise selbst an der Wand, wird vom Geschehen beschämt und überrollt, bleibt völlig im Hintergrund, ist bloßer Betrachter.29 Es kommt hinzu, dass man wohl sagen darf, dass es der Platonische Alkibiades ist, der in Lukians Alkidamas wiederkehrt. Nicht nur die schiere Na-
26 Vgl. etwa zur Skala „lebensweltlicher Kontext“ die Ausführungen bei Cornelli (2015). Sowohl Sokrates – hier durch die Erzählungen des Alkibiades – als auch Alkibiades – Anspielungen auf Mysterien- und Hermenfrevel; hierzu Thuk. VI; Plut. Alk. – sind besonders eindringlich in ihre Lebensvollzüge hineingestellt. Vgl. ebd. auch zu der komplexen Aufladung der Figur des Alkibiades mit widersprüchlichen Sexualkonnotationen; insbes. ebd. 292 zu der Verkehrung der Rollen von erómenos und erastés zwischen Sokrates und Alkibiades. 27 Dabei löst m. E. Alkibiades in dieser Rolle Aristophanes ab, was schon daran zu sehen ist, dass dieser der einzige ist, der nach Sokrates’ Rede noch widersprechen möchte, jedoch durch Alkibiades’ Erscheinen daran gehindert wird (s. erneut Plat. symp. 212c4–d5); vgl. hierzu von Möllendorff (2009). 28 Vgl. hierzu grundlegend Dubel (1994). 29 An eine auch hier im Hintergrund stehende allusive Sokrates-Analogie kann gleichwohl die Beobachtung von Männlein (2000) 256f. denken lassen, dass Lykinos „approves of a credible way of life concentrated on moral improvement, and accentuates a purely ethical focus of philosophic concern“ (257); sie schließt allerdings die Orientierung an einem Vorbild explizit aus, während Romeri (2001) 653–655 die Verbindung zwischen den ἰδιῶται Sokrates und Lykinos mit guten Argumenten stark macht. Wollte man die Sokrates-Analogie präzisieren, würde man wohl auch an den Sokrates der Xenophontischen Memorabilia, vielleicht noch mehr als an den der Platonischen Dialoge, denken müssen.
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mensähnlichkeit spricht dafür, obgleich sie entschieden eine Signalwirkung hat.30 Auch das Motiv der uneingeladenen und verspäteten Ankunft teilen die beiden Figuren, ebenso wie ihre Affinität zu erhöhtem Alkoholkonsum: Alkidamas bekommt einen großen Pokal stärker gemischten Weins, und genauso verlangt Alkibiades nach einem ἔκπωμα μέγα (213e11). Lukians expliziter Verzicht darauf, Lykinos wie gewöhnlich als sokratischen Sprecher zu verwenden, ist vor dem Hintergrund von Sokrates’ Bedeutung in Platons Symposion natürlich noch auffälliger und lässt sich wohl einerseits als (makro)propositionale Reduktion, eben aufs Satirische, andererseits als Maßnahme zur stärkeren Akzentuierung der Figur des Alkidamas verstehen. Nach seiner Ankunft bildet Alkibiades gleich das Zentrum des Kreises, er ist für eine neue Themenstellung verantwortlich, und als er Sokrates entdeckt, reagiert er so hochemotional und eifersüchtig, dass Sokrates sich bei Agathon, dem Gastgeber, dagegen verwahrt:31 καὶ ἅμα μεταστρεφόμενον αὐτὸν ὁρᾶν τὸν Σωκράτη, ἰδόντα δὲ ἀναπηδῆσαι καὶ εἰπεῖν Ὦ Ἡράκλεις, τουτὶ τί ἦν; Σωκράτης οὗτος; ἐλλοχῶν αὖ με ἐνταῦθα κατέκεισο, ὥσπερ εἰώθεις ἐξαίφνης ἀναφαίνεσθαι ὅπου ἐγὼ ᾤμην ἥκιστά σε ἔσεσθαι. καὶ νῦν τί ἥκεις; καὶ τί αὖ ἐνταῦθα κατεκλίνης; ὡς οὐ παρὰ Ἀριστοφάνει οὐδὲ εἴ τις ἄλλος γελοῖος ἔστι τε καὶ βούλεται, ἀλλὰ διεμηχανήσω ὅπως παρὰ τῷ καλλίστῳ τῶν ἔνδον κατακείσῃ. Καὶ τὸν Σωκράτη, Ἀγάθων, φάναι, ὅρα εἴ μοι ἐπαμύνεις· ὡς ἐμοὶ ὁ τούτου ἔρως τοῦ ἀνθρώπου οὐ φαῦλον πρᾶγμα γέγονεν. ἀπ' ἐκείνου γὰρ τοῦ χρόνου, ἀφ' οὗ τούτου ἠράσθην, οὐκέτι ἔξεστίν μοι οὔτε προσβλέψαι οὔτε διαλεχθῆναι καλῷ οὐδ' ἑνί, ἢ οὑτοσὶ ζηλοτυπῶν με καὶ φθονῶν θαυμαστὰ ἐργάζεται καὶ λοιδoρεῖταί τε καὶ τὼ χεῖρε μόγις ἀπέχεται. ὅρα οὖν μή τι καὶ νῦν ἐργάσηται, ἀλλὰ διάλλαξον ἡμᾶς, ἢ ἐὰν ἐπιχειρῇ βιάζεσθαι, ἐπάμυνε, ὡς ἐγὼ τὴν τούτου μανίαν τε καὶ φιλεραστίαν πάνυ ὀρρωδῶ. Dabei drehte er sich um und sah nun Sokrates. Als er ihn erkannte, sprang er auf und rief: „Beim Herakles, was ist denn das? Sokrates ist da? Hast du dich wieder einmal nach mir auf die Lauer gelegt, so wie du immer gerade dort aufzutauchen pflegst, wo ich dich am wenigsten vermutete? Warum bist du jetzt wieder da? Und warum hast du dich gerade an diesen Platz gelegt – nicht etwa neben Aristophanes oder sonst neben einen, der ein Spaßmacher ist oder sein will, sondern du hast erreicht, dass du neben den Schönsten von allen, die hier sind, zu liegen kamst.“ Da habe Sokrates gesagt: „Sieh zu, Agathon, dass du mir zu Hilfe kommst. Denn die Liebe dieses Menschen ist mir zu einer lästigen Sache geworden. Seit der Zeit nämlich, da ich mich in ihn verliebte, darf ich keinen einzigen schönen Mann mehr ansehen oder mich mit ihm unterhalten, sonst macht der da, voller Eifersucht und Neid, die wunderlichsten Dinge, bricht in Schimpfworte aus und wird beinahe handgreiflich. Sieh also zu, dass er nicht auch jetzt wieder etwas anstellt, sondern versöhne uns und, wenn er Gewalt anwenden will, so hilf mir, habe ich doch die größte Angst vor seiner Raserei und seiner Verliebtheit.“
Seine Rede auf Sokrates ist die eines von Eros gepeinigten, ja traumatisierten Menschen, und das fiktive Datum des Dialogs (416 v. Chr.) tut ein Übriges, um dem Rezipienten den Eindruck zu vermitteln, dass Alkibiades’ späteres katastrophales politisches Verhalten, sein Landesverrat im Kontext der Sizilischen Expe30 Sie betrifft nicht nur die Identität des ersten Namensbestandteils, sondern auch die semantische Nähe der jeweils folgenden Wortstämme -δαμ bzw. -βια, die auf die physische Überlegenheit des Namensträgers hinweisen; vgl. Wildberger (2005) 91. 31 Plat. symp. 213b7–d6.
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dition, mit den erotischen Demütigungen, die er durch Sokrates erfahren hat, in einem kausalen Zusammenhang steht. In einem früheren Aufsatz habe ich zu zeigen versucht, dass die Motivkette „Alkibiades legt sich zwischen das Paar Agathon und Sokrates“ und „Alkibiades muss den Kopf drehen, um seinen wahren Geliebten zu sehen“ zusammen mit der Tatsache, dass Alkibiades’ Wappen einen Eros mit dem Donnerkeil zeigte, eine Verbindung dieser Passage mit dem aristophanischen Mythos von den archaischen Doppelmenschen (≈ Agathon und Sokrates), ihrer Zerteilung durch Zeus (≈ Alkibiades), ihrer Umsetzung des Kopfes (≈ Alkibiades’ Kopfwendung) und ihrer (in beiden Fällen vergeblichen) Hoffnung auf Heilung durch Eros herstellt.32 Diese Assoziation des scheinbar so dem Irdischen verhafteten Alkibiades mit dem Divinen wird durch sein epiphanieartiges Auftreten noch gestützt, weiterhin dadurch, dass er ebenso plötzlich und ungeplant aus dem Text verschwindet, wie er gekommen ist: Als der Berichterstatter Aristodemos aus seinem zwischenzeitlichen kurzen Schlummer erwacht, befindet sich Alkibiades nicht mehr im Raum (symp. 223b ff.), nachdem es zuvor seinetwegen noch zu einigen Klinenwechseln gekommen ist. Das Umfeld der Figur des Alkibiades beherrschen also der Zufall – das Zusammentreffen mit Sokrates –, die Macht des Augenblicks – das Erblicken des Geliebten –, eine implizite erotische Gewalttätigkeit, das Skandalöse – etwa der Bericht aus dem Schlafgemach – und das Unvorhersehbare und Unplanbare – Ankunft und Weggang des Alkibiades. Partiell lässt sich all dies funktionalisieren, philosophisch wie politisch und sozial, und diese Deutungsmöglichkeiten sind in der Forschung minutiös herausgearbeitet worden. Sind aber die Propositionen der einzelnen Redebeiträge auch präzise zu benennen, so fällt es doch nicht leicht, die Makroproposition des Dialogs als Ganzen auszuformulieren, und daran ist, neben der komplexen Verschachtelung des Berichts vom Gastmahl insgesamt, nämlich der Einziehung mehrerer auch vertikaler Ebenen, vor allem der von Alkibiades dominierte Teil des Werks schuld. Reduktive Wendungen wie „Wesen“ oder „Inkommensurabilität“ des Eros helfen nicht wirklich weiter. Denn mag auch Alkibiades’ Rede eine konkrete Narration aus dem Motivarsenal des „Eros Hybristes“ sein, so verkennt doch nicht nur eine solche Denomination das spezifische Leid des Erzählers, seine Zerrissenheit zwischen Hass und Zuneigung zu Sokrates, sondern verliert auch alle Strahlkraft der Bündelung all dessen im Augenblick der Begegnung zwischen Erastes und Eromenos und ignoriert den Reichtum der Figurenzeichnung, die Vielzahl der motivischen Verbindungslinien innerhalb des Textes, nach außen und über getrennte Erzählebenen hinweg, den mächtigen Eindruck des Numinosen, die Effekte der Plötzlichkeit und des Unkalkulierbaren, die hohe Emotionalität, die latente Gewalt, in der die vernichtende Macht des Erotischen dem metaphysischen Konstrukt der Ideenlehre gegenübertritt. Schließlich vernachlässigt sie auch für die Interpretation die Zufälligkeit der Reihe der Argumente im ersten Teil des Dialogs und ihre Abhängigkeit von Umständen des Körperlichen – man denke etwa an Aristophanes’ Schluckauf! –, die sich zwar interpretatorisch nutzen lassen, aber doch über diesen Nutzen hinausschießen und den dar32 Vgl. oben Anm. 27.
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stellenden Text selbst ergreifen, seine Disposition durcheinanderbringen und ihn in Unordnung versetzen.33 Hiervon vernehmen wir einen kräftigen, ja die Effekte steigernden Nachhall noch bei Lukian. Die Figur des Alkibiades trägt nicht einfach nur zur Ergebnisoffenheit der dialogischen Proposition des Symposions bei,34 sondern verleiht ihr eine Dimension intensiver Anschaulichkeit und übersteigt sie dabei auch. Alkibiades war eine herausragende, für das Athen der Jahre zwischen 420 und 410 an politischer Bedeutung im Guten wie im Schlechten kaum zu überbietende Gestalt. Er hat seine Mitbürger ebenso fasziniert wie verängstigt, sie ebenso vertreten und angeführt wie provoziert und auseinanderdividiert, kurz: Er war eine gänzlich inkommensurable, kaum noch zu berechnende Größe des Athener Lebens dieser Zeit. Es ist offensichtlich ein Anliegen des Symposions, diesem Mann, der auch für die kritische Wahrnehmung des Sokrates durch die athenische Bevölkerung seinen Teil der Verantwortung zu tragen hat, eine Darstellung zukommen zu lassen, die all dem gerecht wird, ihm also eine dieser Inkommensurabilität angemessene Form zu geben. In dieser Hinsicht ist daher das Anliegen des Symposion und das Ziel seiner figuralen Elaborationen ein entschieden ästhetisches. Kehren wir zum Abschluss noch einmal zu Lukian zurück! Wenn auch die Aus- und Einlassungen der einzelnen Philosophen seines Symposion eher als, sit venia verbo, dyspropositional gelten müssen,35 so addieren sie sich doch gerade deshalb zu einer Makroproposition reiner Bildungssatire. Der Komplexitätsgrad dieser Makroproposition ist daher natürlich sehr viel geringer als derjenige des Platonischen Prätextes. Gleichwohl meine ich, dass sich doch einiges der ästhetischen Intensität des Alkibiades auf seinen „Nachfolger“ Alkidamas überträgt. Wie Alkibiades dominiert er die Gesellschaft und das Geschehen vollständig, sein Verhalten ist auch für den Leser nicht zur Gänze vorhersehbar, und während das Benehmen der übrigen Philosophen und professionellen Gebildeten nur peinlich ist und sie schließlich auch alle schwere Verwundungen davontragen, triumphieren Alkidamas’ ungebremste Körperlichkeit, seine Brutalität und sein Trieb vollständig. Gewiss lässt sich das ebenfalls bis zu einem gewissen Grad unter „Philosophensatire“ verbuchen. Aber gerade angesichts dessen, dass Alkidamas die kynische Philosophie vertritt, kann man sich mit einer solchen Einordnung nicht zufriedengeben. Denn die Kyniker, wie oben bereits ausgeführt,36 demonstrieren ihre Indifferenz gegenüber allen körperlichen Bedürfnissen bekanntlich nicht zuletzt dadurch, dass sie deren Befriedigung in der Öffentlichkeit nachgehen. Alkidamas’ Taten während des Gastmahls dürften zwar kaum durch Indifferenz moti33 Vgl. von Möllendorff (2009) 98. 34 Vgl. hierzu Häsner (2004) 31f. 35 Das dem Dialog generisch inhärente Prinzip der Dissimulation durch die Erzeugung von Gegensätzen zwischen theoretischen Positionen, die von den Dialogfiguren vertreten werden, und ihrem tatsächlichen Verhalten innerhalb der fiktiven dialogischen Welt – vgl. Häsner (2004) 39 – wird von Lukian hier also auf die Spitze getrieben, indem nicht nur jenes Verhalten selbst jedwede auch nur denkbare gebildete Proposition annihiliert, sondern jene Diskurse selbst dort, wo sie sich noch gebildet geben, zur Farce ihrer selbst degenerieren. 36 S. S. 212.
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viert sein, aber in seinem Fall fällt eine Schein-Sein-Unterscheidung schwerer, denn letztlich performiert er kynische Maximen nur in maximaler Intensität. Diese Intensität lässt sich nicht ohne weiteres kritisch vereinnahmen, und so wird sie frei, im Rezipienten Faszination, Schrecken und Lachen als ästhetische Reaktionen zu erregen. LITERATURVERZEICHNIS Editionen, Übersetzungen und Kommentare Burnet (1986): Platonis Opera, tom. II, ed. J. Burnet, Oxford (ND von 1901). Macleod (1972): Luciani Opera, tom. I, ed. M. D. Macleod, Oxford. von Möllendorff (2006): Peter von Möllendorff, Lukian. Gegen den ungebildeten Büchernarren, Düsseldorf/Zürich (Bibliothek der Alten Welt). Rufener (1974): Platon, Meisterdialoge. Phaidon, Symposion, Phaidros. Eingeleitet von Olof Gigon, übertragen von Rudolf Rufener, Zürich/München. Wildberger (2005): Jula Wildberger, Lukian. Symposion. Griechisch/Deutsch, Stuttgart. Zweimüller (2008): Serena Zweimüller, Lukian, „Rhetorum praeceptor“. Einleitung, Text und Kommentar, Göttingen (Hypomnemata 176).
Sekundärliteratur Baumbach/von Möllendorff (2017): Manuel Baumbach und Peter von Möllendorff, Ein literarischer Prometheus. Lukian von Samosata und die Zweite Sophistik, Heidelberg (Heidelberger Studienhefte zur Altertumswissenschaft). Bohrer (1981): Karl-Heinz Bohrer, Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, Frankfurt am Main. Bohrer (2003): Karl-Heinz Bohrer, Ekstasen der Zeit. Augenblick, Gegenwart, Erinnerung, München (Edition Akzente). Cornelli (2015): Gabriele Cornelli, „He longs for him, he hates him, and he wants him for himself. The Alcibiades Case between Socrates and Plato“, in: ders. (Hg.), Plato’s Styles and Characters. Between Literature and Philosophy, Berlin/Boston (Beiträge zur Altertumskunde 341), 281–295. Dubel (1994): Sandrine Dubel, „Dialogue et autoportrait: les masques de Lucien“, in: Alain Billault und André Buisson (Hgg.), Lucien de Samosate. Actes du colloque international de Lyon organisé au Centre d’Études Romaines et Gallo-Romaines les 30 septembre–1er octobre 1993, Lyon (Collection du Centre d’Études Romaines et Gallo-Romaines 13), 19–26. Häsner (2004): Bernd Häsner, „Der Dialog. Strukturelemente einer Gattung zwischen Fiktion und Theoriebildung“, in: Klaus W. Hempfer (Hg.), Poetik des Dialogs. Aktuelle Theorie und rinascimentales Selbstverständnis, Stuttgart (Text und Kontext 21), 13–65. Männlein (2000): Irmgard Männlein, „What can go wrong at a dinner-party: The Unmasking of false Philosophers in Lucian’s Symposium or The Lapiths“, in: Karla Pollmann (Hg.), Double Standards in the Ancient and Medieval World, Göttingen (Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 1), 247–262. Mersch (2014): Dieter Mersch, „Nicht-Propositionalität und ästhetisches Denken“, in: Florian Dombois, Mira Fliescher, Dieter Mersch und Julia Rintz (Hgg.), Ästhetisches Denken. NichtPropositionalität, Episteme, Kunst, Zürich, 28–55.
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Peter von Möllendorff
von Möllendorff (2009): Peter von Möllendorff, „Man as Monster: Eros and Hubris in Plato’s Symposium“, in: Thorsten Fögen und Mireille M. Lee (Hgg.), Bodies and Boundaries in Graeco-Roman Antiquity, Berlin/New York, 87–109. Pfister (2000): Manfred Pfister, Das Drama. Theorie und Analyse, 10. Auflage, München. Romeri (2001): Luciana Romeri, „Ἰδιῶται et Φιλόσοφοι à la table de Lucien“, REG 114, 647–655. Sauer (2013): Jochen Sauer, „Dialog, Argument und der implizite Leser in Ciceros staatsphilosophischen Schriften“, in: Sabine Föllinger und Gernot Michael Müller (Hgg.), Der Dialog in der Antike. Formen und Funktionen einer literarischen Gattung zwischen Philosophie, Wissensvermittlung und dramatischer Inszenierung, Berlin/Boston (Beiträge zur Altertumskunde 315), 173–197.
LE TRIPLE STATUT DE MARCUS MINUCIUS FELIX: NARRATEUR, PERSONNAGE ET ARBITRE DE L’OCTAVIUS Un témoignage de foi et d’action du Saint-Esprit (caritas, gaudium et pax) Annick Stoehr-Monjou 1. INTRODUCTION Avec l’Octavius, un « dialogue de controverse »1 datable de la première moitié du IIIe siècle,2 Minucius Felix s’inscrit dans la culture du débat du christianisme primitif.3 Il met en scène trois amis qui se promènent sur la plage d’Ostie (chap. 2–3), le narrateur Marcus Minucius Felix, un avocat,4 par ailleurs chrétien,5 le chrétien Octavius Januarius, lui aussi avocat,6 et le païen Caecilius Natalis, qui est plus jeune qu’eux.7 L’argument en est simple: une conversation sur la religion s’engage à la suite d’un geste de dévotion païenne de Caecilius (chap. 4) où les discours de Caecilius (chap. 5–13) puis d’Octavius (chap. 16–38) s’opposent, avec Minucius pour arbitre. À la fin, Caecilius, convaincu, se convertit à la foi chrétienne (chap. 40). Dans ce trio d’amis, vraisemblablement originaires d’Afrique du Nord,8 le personnage de Minucius semble secondaire. En effet, les deux exposés de Caecilius et Octavius concernent respectivement 9 et 23 chapitres sur les 40 de l’œuvre : Octavius domine donc le dialogue. Il arrive même à provoquer la disputatio par un très bref discours d’un seul paragraphe ! Toutefois, en dehors des 32 chapitres d’exposés, sur les 8 chapitres restants, qui contiennent 35 paragraphes, un paragraphe rapporte un discours d’Octavius, cinq paragraphes des propos de Caecilius et 29 paragraphes des commentaires de Minucius – dont neuf en discours direct 1
2 3 4 5 6 7 8
Schmidt (1977) 175. Il y en a un seul autre dialogue de controverse contre les païens en latin : Altercationes Christianae philosophiae du Ps-Augustin (CPL 360). On connaît par ailleurs des dialogues polémiques entre juifs et chrétiens, et surtout 21 dialogues opposant hérétiques et orthodoxes, cf. Schmidt (1977) 174–177. Schubert (2014) 19–26 pour une mise au point complète. Cameron (2014). On apprend incidemment qu’il est avocat quand il situe la promenade durant des vacances du barreau en raison des vendanges : Min. Fel. 2,3 : ad uindemiam feriae iudiciariam curam relaxauerant. Voir infra. Cf. Min. Fel. 28,3–4. Sa jeunesse et son impétuosité sont mises en avant, cf. Schubert (2014) 16. Beaujeu (1964) XXVI, XXIX; Schubert (2014) 12–13.
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comme personnage. Cela montre clairement combien, en dehors du discours apologétique proprement dit, la figure de Minucius est essentielle et complexe : personnage témoin du débat qu’il se remémore en tant que narrateur. Le tableau cidessous le met en lumière. J’y ai noté en italique les interventions du narrateur, qui rapporte cette promenade dont il fait mémoire et peut la commenter, et celles du narrateur-personnage qui interagit avec Octavius et Caecilius, la dernière colonne indiquant les interventions au discours direct des uns et des autres : Chap. 1 (5§)
2–3 (4+6 §) 4,1–2 4,3–5 4,6 5–13 14,1a 14,1b 14,2–7 à 15,2 16–38 39 (1§) 40,1–2 40,3 40,4
Contenu
Discours direct9 Le narrateur justifie l’écriture de ce texte en hom- – mage à la personnalité exceptionnelle d’Octavius et retient l’événement le plus révélateur, la conversion de Caecilius Le narrateur expose les circonstances de ce sermo : séjour d’Octavius à Rome chez lui et promenade à Ostie avec Caecilius ; Octavius (3,1) critique un geste O: 3,1 de piété païenne de Caecilius Le narrateur-personnage remarque que Caecilius est M: 4,2 mécontent et l’interroge Caecilius répond que la remarque d’Octavius (3,1) l’a C: 4,3–5 contrarié et il engage la discussion sur la religion, avec le narrateur pour arbitre Les promeneurs s’assoient – Exposé de Caecilius contre la foi chrétienne C: 5–13 Le narrateur commente l’attitude de Caecilius – Caecilius insulte Octavius comme descendant de C: 14,1b Plaute Le narrateur-personnage commente le discours de M: 14,2–7 Caecilius (qui proteste) se justifie et passe la parole à C: 15,1 Octavius M: 15,2 Exposé d’Octavius O: 16–38 Le narrateur exprime son admiration pour le discours – d’Octavius Caecilius annonce qu’il est convaincu et se convertit C: 40,1–2 Joie du narrateur-personnage devant l’heureux dé- M: 40,3 nouement Les amis se séparent alors, dans la joie –
Nous verrons donc d’abord comment Minucius, en tant que narrateur, construit sa persona puis comment, en tant que personnage, il interagit avec ses deux compagnons. Nous étudierons alors le narrateur engagé et son rôle d’arbitre. Je vou9
C : Caecilius ; O : Octavius ; M : Minucius.
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drais montrer que la focalisation sur le triple statut de narrateur, personnage et arbitre de Minucius met en lumière une dimension négligée du christianisme de ce dialogue,10 celle du témoignage vivant de foi et de l’action de Dieu, qui complète le débat intellectuel et religieux. 2. LA PERSONA DU NARRATEUR: DU CHAGRIN À LA JOIE Le dialogue s’ouvre par un prooemium qui oriente toute notre lecture: le narrateur explique que c’est la mort d’Octavius qui le pousse à raconter cette promenade (chap. 1). Il veut ainsi rendre hommage à son ami Octavius et à sa victoire sur le paganisme. Le dialogue sera une sorte de De amicitia chrétien. Ce faisant, le narrateur, très présent, y construit sa persona. Dès les premiers mots du texte, Minucius se présente comme un être méditatif et nostalgique, porté à l’introspection :11 Cogitanti mihi et cum animo meo Octaui boni et fidelissimi conturbenalis memoriam recensenti […]. Alors que je réfléchissais et qu’en mon esprit je repassais le souvenir d’Octavius, mon bon et si fidèle camarade […].
En effet, le début de la première phrase (noté en gras) donne de Marcus l’image d’un être porté au souvenir, y compris littéraire, puisque l’ouverture du De oratore est reprise pour commencer ce dialogue :12 Cogitanti mihi saepe numero et memoria uetera repetenti perbeati fuisse, Quinte frater, illi uideri solent […]. Bien souvent, lorsque je réfléchis et que je repasse le souvenir des temps anciens, ils me paraissent vraiment heureux, mon cher Quintus, ces hommes […].
De même l’expression cum animo meo a une couleur cicéronienne.13 Or Marcus Minucius Felix porte justement le même praenomen que Cicéron, « son grand modèle stylistique »,14 par lequel l’apostrophent ses deux amis (Marce).15 Ce goût pour la méditation se confirme à la fin du prologue: cum per uniuersam […] fa-
10 Schubert (2014) 56–62 sur le christianisme de l’Octavius qui ne saurait être remis en cause, même si la christologie présente des failles. Fontaine (1969) 102 parle de style cryptochrétien afin de « présenter aux lettrés retranchés derrière leur culture philosophique et rhétorique une expression intelligible et, d’abord audible, sinon admissible, du message chrétien. » 11 Min. Fel. 1,1. Le texte latin est celui de l’édition Beaujeu (1964). Les traductions sont miennes, inspirées par celles de Beaujeu (1964) et Zarini (2016). Les traductions des autres textes sont miennes, sauf mention contraire. 12 Cic. de orat. 1,1. 13 Schubert (2014) 93 note 15 : Cic. leg. agr. 2,64 : cum animis uestris cogitare; Cluent. 70 : cum animis uestris recordari. 14 Schubert (2014) 14. 15 Min. Fel. 3,1 et 5,1.
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miliaritatis aetatem mea cogitatio uolueretur.16 L’expression cogitatio mea reprend en écho cogitanti mihi, ce qui crée un effet de Ringkomposition,17 et le verbe uoluere introduit une idée de ressassement du passé qui l’amène à choisir l’événement le plus marquant : la promenade d’Ostie au cours de laquelle Octavius convertit Caecilius. Minucius suggère donc que ce dialogue est la commemoratio de l’ami et de son triomphe sur la superstition. Mais il y a plus. La structure globale du dialogue est très révélatrice : le chapitre introductif méditatif sur Octavius est suivi de 39 chapitres consistant en un retour en arrière où le narrateur raconte la promenade et le fameux entretien (1,5 in illo […] sermone) durant lequel Octavius convertit leur ami Caecilius. Ainsi, porté à la nostalgie, il « s’imagine retourner dans le passé, et non [se] le rappeler par la mémoire » : ut […] mihi uiderer in praeterita redire, non […] recordatione reuocare.18 En outre, l’image d’Octavius « gravée en son cœur et presque dans sa conscience intime » (eius contemplatio pectori meo ac paene intimis sensibus inplicata est)19 devient présente par l’écriture. Et dans le cours du dialogue, il revit justement les émotions ressenties, comme par exemple « l’extrême volupté » (eximia uoluptate)20 d’enfoncer ses pieds dans le sable. Il achève aussi son récit par la joie des trois amis quand ils se séparent après la conversion de Caecilius. Ainsi, le dialogue se conclut sur ces mots où la joie est centrale à travers l’hendyadin laeti hilaresque et l’infinitif de narration gaudere :21 Post haec laeti hilaresque discessimus : Caecilius quod crediderit, Octauius gaudere quod uicerit, ego et quod hic crediderit, et hic uicerit. Sur ces paroles, nous nous sommes séparés dans la joie et la gaieté : Caecilius se réjouissait d’avoir cru, Octavius d’avoir vaincu, moi-même de ce que l’un ait cru et l’autre vaincu.
La journée s’achève et les amis se séparent : la formule laeti hilaresque est justement une réminiscence des Lettres à Lucilius, à la fin du 1er livre – place conclusive commune avec Minucius – où Sénèque exprime la bonne attitude à avoir au moment du coucher.22 Mais on peut aussi noter ici une influence structurelle du 16 Min. Fel. 1,5 : « alors que ma réflexion se déroulait en suivant toute notre vie passée dans l’intimité. » 17 Schubert (2014) 90 souligne que le chapitre 1 est construit de manière circulaire. 18 Min. Fel. 1,1. Schubert (2014) 94 souligne à juste titre le tour poétique de l’expression recordatione reuocare avec la répétition du préverbe re-. Freund (2000) 110–111 étudie la réminiscence virgilienne avec le verbe reuocare (Aen. 7,40) emprunté à l’invocation aux Muses. 19 Min. Fel. 1,2. Freund (2000) 111 montre comment le color virgilien (description des dégâts d’Amour sur les sentiments de Didon en Aen. 1,657–660 et de l’attaque d’Allecto dont le serpent s’insinue en Amata en Aen. 7,354–358) sert à la captatio beneuolentiae. Il exprime la force des sentiments. 20 Min. Fel. 2,4. 21 Min. Fel. 40,4 ; Schubert (2014) 709. 22 Schubert (2014) 709 cite Sen. epist. 12,9 : in summum ituri laeti hilaresque dicamus ,uixi et quem dederat cursum fortuna peregi‘ – « et quand nous sommes sur le point d’aller nous coucher, disons avec joie et gaieté: ‚j’ai vécu et parcouru la carrière que la fortune m’a donnée.‘ »
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De natura deorum : la fin du jour marque la fin du dialogue, que les participants comptent reprendre le lendemain.23 Au niveau de la structure globale, le narrateur passe ainsi du deuil (chap. 1) à la joie (chap. 40), ce qui rappelle aussi son cognomen Felix.24 En outre, il laisse le lecteur sur ce sentiment de joie. Or nous verrons que ce n’est pas seulement un mouvement psychologique mais qu’il a aussi une dimension spirituelle. 3. UN PERSONNAGE AMI D’OCTAVIUS ET DE CAECILIUS Minucius commence par se présenter comme un ami intime d’Octavius, puis comme un alter ego. Le bref prooemium du chapitre 1 oriente la vision des personnages : le narrateur Minucius Felix exprime son chagrin d’avoir perdu son ami intime, Octavius Januarius,25 et en fait l’éloge. Le narrateur varie les termes disant son intimité avec Octavius dans les cinq premiers paragraphes (1,1–5), quatre mots sur six contenant le préfixe con- : camarade (contubernalis),26 confident (conscius), compagnon (socius, comitem), vie commune (conuictus), intimité (familiaritatis). Il présente implicitement cette relation selon le modèle cicéronien du De amicitia,27 en particulier à travers la notion centrale de la fides mise en valeur ici par un superlatif: Octaui boni et fidelissimi contubernalis – « Octavius, mon bon et très fidèle compagnon ». Le souvenir suscite d’abord tendresse et affection pour Octavius: tanta dulcedo et adfectio hominis inhaesit,28 le parfait inhaesit soulignant la profondeur et la force des sentiments.29 De fait, lorsqu’Octavius arrive d’Afrique à Rome,30 le narrateur décrit une scène de retrouvailles pleine d’émotion: il « exulte de joie » et éprouve une grande « liesse » (gaudio exultauerim ; laetitiam) ;31 il emploie alors
23 On y lit aussi le verbe discessimus (Cic. nat. deor. 3,95). Van den Berg (2007) 9–12 sur l’influence globale de ce dialogue cicéronien sur l’Octavius. 24 Schubert (2014) 14. 25 Là aussi le lecteur peut songer au Cicéron du Brutus exprimant sa peine devant la mort d’Hortensius : mais alors que ce dernier éprouve le besoin de rétablir la vérité et de montrer qu’ils ont été amis et non pas rivaux, Minucius l’affirme comme un fait incontestable. Cic. Brut. 1,1–2, cf. 2 : uir egregius coniunctissimusque mecum consiliorum omnium societate – « homme de grand mérite et dont toutes les idées s’accordaient complètement avec les miennes. » 26 Min. Fel. 1,1. Le nom contubernalis a une connotation militaire qui prépare à l’idée de camaraderie dans la militia Christi, cf. Schubert (2014) 91. Caecilius entend discuter entre camarades avec Octavius, in contubernalibus (Min. Fel. 4,4). 27 Rizzi (1990) ; Schubert (2014) 92, qui cite aussi Sénèque (tranq. 4,3 : bonum contubernalem, fidelem amicum). 28 Min. Fel. 1,1: « une si grande tendresse et une si grande affection pour cet homme me saisit. » 29 Cf. Schubert (2014) 92–93. 30 Min. Fel. 2,1. 31 Min. Fel. 2,2.
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un deuxième superlatif après fidelissimi pour désigner Octavius comme « son ami si cher » – amicissimi hominis.32 Minucius précise que cette amitié est réciproque puisqu’Octavius, « lui aussi, a toujours brûlé d’un si grand amour pour moi » – ipse tanto nostri semper amore flagrauerit.33 Christoph Schubert remarque que le vocabulaire choisi est élégiaque (flagrauerit, amore) et introduit une image « quasi-érotique ». Mais quelle est l’intention ? Il me semble qu’il cherche à attirer l’attention par des termes très forts exprimant le caractère exceptionnel de cette amitié, quasi mythique. De fait, plus loin quand Octavius arrive chez Minucius, le narrateur parle de « l’avide désir » (auiditatem desiderii)34 qu’ils ont de se retrouver et de parler ensemble. Le narrateur construit l’image d’une amitié idéale et exemplaire. Comme le remarque encore Christoph Schubert, Minucius emploie plus loin amor pour dire la caritas entre frères,35 justement dans le développement où il récuse l’accusation d’inceste entre chrétiens. De fait, dans la prose postérieure, l’emploi d’amor au sens de caritas est devenu usuel. Augustin exprimera l’idée de « brûler d’amour » en associant ce verbe avec l’ablatif caritate.36 Minucius semble donc éviter des termes trop spécifiques car il s’adresse également à un public païen, mais on voit aussi comment le vocabulaire se christianise à travers la notion antique de l’amitié. Cette attention portée à l’auditoire païen se lit ailleurs : quand Minucius affirme avoir trouvé en Octavius son alter ego (eadem uelle uel nolle),37 il s’inspire d’une définition de l’amitié attribuée par Salluste à Catilina (idem uelle atque nolle ea demum firma amicitia est),38 ce qui pourrait être là aussi choquant ; mais elle est devenue proverbiale, et donc immédiatement compréhensible de son auditoire. De même, il déclare qu’un observateur extérieur aurait pu croire qu’il y avait une seule intelligence (unam mentem) divisée en deux entre Octavius et Minucius :39 le lecteur peut y reconnaître une réécriture de différentes définitions de l’amitié.40 Ce prooemium aboutit donc à un éloge vibrant des relations privilégiées des deux amici et donne d’Octavius l’image d’un homme exceptionnel. Le narrateur l’admire pour ses qualités intellectuelles, morales et spirituelles, uir eximius et sanctus.41 La fin du dialogue le confirme. Après le discours d’Octavius, Caecilius et le narrateur restent « muets de stupéfaction et tienn(ent) [leurs]
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Min. Fel. 2,2. Min. Fel. 1,3. Min. Fel. 2,3. Min. Fel. 9,2 : amant mutuo ; 31,8 : mutuo […] amore diligimus ; cf. Vulg. Jn 13,34–35 : mandatum nouum do uobis ut diligatis inuicem sicut dilexi uos – « Je vous donne un commandement nouveau : aimez-vous les uns les autres comme je vous ai aimés. » Aug. in psalm. 1,16. Min. Fel. 1,3. Sal. Cat. 20,4 : « vouloir les mêmes choses, ne pas vouloir les mêmes, voilà l’amitié. » Min. Fel. 1,3 : crederes unam mentem in duobus fuisse diuisam. Schubert (2014) 97 ; Cic. Lael. 15 ; 92 ; 102–104 ; Hor. carm. 1,3,8 : animae dimidium meae à propos de Virgile. Min. Fel. 1,3 : « homme exceptionnel et intègre ». Minucius joue aussi sur le sens chrétien de sanctus.
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visages tournés vers lui » – ad silentium stupefacti intentos uultus tenebamus.42 Or l’expression renvoie à l’attente des auditeurs du récit de la chute de Troie par Énée lors du banquet de Didon : Conticuere omnes intentique ora tenebant.43 La tension ne marque pas l’attente mais l’effet du discours d’Octavius qui en est ainsi rehaussé. La retractatio de Virgile apporte, de manière indirecte, un premier commentaire positif, qui va être complété par Minucius. Il explique que, pour sa part, c’est le signe de son admiration pour l’éloquence de son ami qui permet à la vérité de vaincre.44 Cette précision est habile car il n’impose pas d’interprétation au silence de Caecilius et laisse le lecteur la déduire par lui-même. Octavius apparaît enfin comme un modèle pour le narrateur. Le premier passage qui le suggère est l’évocation de la conversion où Octavius l’a précédé (praecucurrit). Il joue d’une double image :45 ipse socius in erroribus ; et cum discussa caligine de tenebrarum profundo in lucem sapientiae et ueritatis emergerem, non respuit comitem, sed, quod est gloriosius, praecucurrit. Il s’associa à mes errances ; et lorsque, l’obscurité dissipée, j’émergeai des profondeurs des ténèbres à la lumière de la sagesse et de la vérité, il ne dédaigna pas de m’avoir pour compagnon, mais, ce qui est plus glorieux, il me précéda dans la course.
L’image des ténèbres de l’ignorance chassées par la lumière de la sagesse et de la vérité (sapientiae et ueritatis) peut être facilement comprise d’un public païen,46 tout en faisant référence à plusieurs textes bibliques.47 Qu’elle ait été reprise par Cyprien quand il évoque sa propre conversion prouve sa force expressive, susceptible de toucher les contemporains.48 La deuxième image, celle de la course, exprime à plusieurs reprises chez l’apôtre Paul le désir d’aller vers le Christ.49 Elle 42 Min. Fel. 39,1. 43 Verg. Aen. 2,1 : « Tous se turent et ils tenaient leurs visages tournés vers lui. » Cf. Freund (2000) 166. 44 Min. Fel. 39,1 : magnitudine admirationis euanui, quod ea, […] et argumentis et exemplis […] et philosophorum telis retudisset – « je restai interdit, frappé d’une grande admiration, parce qu’il avait su étayer ces opinions avec des arguments, des exemples […] et les armes des philosophes. » 45 Min. Fel. 1,4. 46 Schubert (2014) 99 et note 44 renvoie au mythe de la caverne et à Lucrèce (5,7–12). 47 Je citerai simplement Vulg. Jn 8,12 : ego sum lux mundi qui sequitur me non ambulabit in tenebris sed habebit lucem uitae – « Je suis la lumière du monde; celui qui me suit ne marchera pas dans les ténèbres, mais il aura la lumière de la vie. » Pour d’autres textes, p. ex. les Psaumes, cf. Schubert (2014) 99. 48 Cypr. Donat. 3 : ego cum in tenebris atque in nocte caeca iacerem […] ueritatis ac lucis alienus – « moi, alors que j’étais prostré dans les ténèbres et la nuit sans clarté, étranger à la lumière de la vérité. » Schubert (2014) cite aussi Cypr. ad Demet. 25 et le biographe de Cyprien (Pontius, Vita Cypr. 2,3). 49 Schubert (2014) 98 renvoie à Vulg. 1 Cor 9,24 et 26 : nescitis quod hii qui in stadio currunt omnes quidem currunt sed unus accipit brauium sic currite ut conprehendatis […] ego igitur sic curro non quasi in incertum sic pugno non quasi aerem uerberans – « Ne savez-vous pas que ceux qui courent dans le stade courent tous, mais qu’un seul remporte le prix? Courez de manière à le remporter […] » ; 26 : « Moi donc, je cours, non pas comme à l’aventure; je frappe, non pas comme battant l’air » ; j’ajouterais Phil 3,14 : ad destinatum persequor ad
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est donc parlante en soi pour un lecteur chrétien. Mais Christoph Schubert relève un passage des Évangiles encore plus concluant.50 Au matin de Pâques, MarieMadeleine annonce à Pierre et à un autre disciple que la pierre a été enlevée :51 currebant autem duo simul et ille alius discipulus praecucurrit citius Petro et uenit primus ad monumentum. Tous deux couraient ensemble et l’autre disciple, plus rapide que Pierre, le précéda dans la course et arriva le premier au tombeau.
C’est ce disciple qui, entré dans le tombeau après Pierre, « devant les bandelettes qui gisent, vit et crut ».52 Minucius reprend le même verbe praecucurrit dans une situation analogue (deux amis) : une course impatiente et inquiète vers la vérité, jusqu’à la conversion : c’est bien Octavius qui le premier vit et crut. L’ascendant d’Octavius se lit aussi dans la scène où il critique le silence de Minucius devant le geste païen de Caecilius : il le juge autant coupable que leur ami païen car il connaît la vérité et laisse Caecilius dans l’erreur,53 refusant ainsi de lui offrir la possibilité du salut :54 Non boni uiri est, Marce frater, hominem […] lateri tuo inhaerentem sic in hac inperitiae uulgaris caecitate deserere […] cum scias huius erroris non minorem ad te quam ad ipsum infamiam redundare. Il ne convient pas à un homme de bien, Marcus, mon frère, d’abandonner ainsi un être attaché à tes côtés […] dans cet aveuglement propre à l’ignorance du vulgaire […], quand tu sais que l’infâmie de cette erreur ne rejaillit pas moins sur toi que sur lui.
Le choix de l’expression boni uiri fait écho à l’idéal cicéronien et permet de faire comprendre à un public païen que ce silence trahit ce qui relève de l’officium d’un ami,55 tandis que frater rappelle qu’Octavius s’adresse à un frère dans la foi. Pour Christoph Schubert, frater « atténue la sévérité du propos ».56 Toutefois, il me semble qu’Octavius, en réprimandant ainsi son ami, considère qu’il obéit à un officium christianisé, celui de la correction fraternelle.57 Voyons à présent les relations de Minucius avec Caecilius.
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brauium supernae uocationis Dei in Christo Iesu – « Je cours vers le but, pour remporter le prix de la vocation céleste de Dieu en Jésus Christ » ; Gal 2,2 : ne forte in uacuum currerem aut cucurrissem – « de peur de courir ou d’avoir couru en vain ». Schubert (2014) 98. Vulg. Jn 20,4. Vulg. Jn 20,8 : et ille discipulus qui uenerat primus ad monumentum et uidit et credidit. Il laisse l’aveugle Caecilius dans l’aveuglement : il y a un jeu de mots sur caecus/caecitas. Voir infra p. 232, mais aussi p. 231. Min. Fel. 3,1. Cf. Cic. off. 1,58 cité par Schubert (2014) 116. Schubert (2014) 116. Cf. Vulg. Mt 18,15 : si autem peccauerit in te frater tuus uade et corripe eum inter te et ipsum solum si te audierit lucratus es fratrem tuum – « mais si ton frère a péché contre toi, va et reprends-le seul à seul; s’il t’écoute, tu as gagné un frère. » Paul précise Vulg. Gal 6,1 : fratres et si praeoccupatus fuerit homo in aliquo delicto uos qui spiritales estis huiusmodi in-
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Le narrateur ne dit rien de Caecilius qui est brusquement cité au moment où il a le geste de dévotion païenne qui va provoquer le débat, et qui de fait peut avoir une dimension provocatrice, du païen avec deux chrétiens ;58 or rien ne laissait deviner sa présence. Il y a là une recherche d’effet de réel car c’est Octavius qui, commentant ce geste et le silence de Minucius, nous apprend que Caecilius est lui aussi un proche du narrateur – un adjoint (fori) de l’avocat Minucius59 ou un sectator qui se forme chez un ami aux compétences reconnues :60 hominem domi forisque lateri tuo inhaerentem – « une personne qui chez toi et à l’extérieur est attachée à tes côtés ». Le narrateur apparaît donc comme un intermédiaire entre Octavius et Caecilius: son statut d’arbitre dans la querelle est ainsi préparé. Caecilius apostrophe Minucius, comme déjà Octavius (3,1), d’un Marce frater, qui peut aussi être entendu comme « légèrement ironique ».61 L’expression confirme aussi la relation intime mentionnée par Octavius. Par cette formule, Caecilius affirme sa confiance en Minucius et cherche à créer la captatio beneuolentiae car il va demander à Minucius d’être le juge de ce débat (iudicis). Mais elle a aussi une dimension polémique :62 Tum sic Caecilius exorsus est : « Quamquam tibi, Marce frater, de quo cum maxime quaerimus non sit ambiguum, utpote cum diligenter in utroque uiuendi genere uersatus repudiaris alterum, alterum conprobaris, in praesentiarum tamen ita tibi informandus est animus, ut libram teneas aequissimi iudicis […]. » Alors Caecilius commença ainsi : « Bien qu’il n’y ait pour toi, Marcus mon frère, aucune ambiguïté sur la question précise qui est l’objet de notre enquête, puisque aussi bien, après avoir pratiqué scrupuleusement les deux genres de vie, tu as rejeté l’un et choisi l’autre, tu n’en dois pas moins, dans la présente affaire, te disposer à tenir la balance en juge parfaitement équitable […]. »
Caecilius mentionne leur amitié au moment où, d’une part il rappelle à Minucius que lui aussi fut païen avant de devenir chrétien, et où d’autre part il lui demande, malgré son évident parti-pris, de se montrer un juge parfaitement équitable (aequissimi iudicis) dans la querelle avec Octavius : l’emploi du superlatif en fait une obligation très forte. Or, plus loin, quand Caecilius a fini de parler et pense avoir écrasé Octavius, il se montre si provocateur et méprisant que Minucius intervient (chap. 14). Caecilius lui reproche alors de déroger à cet engagement :63 ‚Decedis‘ inquit Caecilius ‚officio iudicis religiosi‘ – « ,tu t’écartes‘, dit Caecilius, ‚du devoir d’un juge scrupuleux‘ »64 et il remplace l’idée de justice par la formule cicéronienne du iudex religiosus.65 Or, comme le souligne justement Christoph
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struite in spiritu lenitatis considerans te ipsum ne et tu tempteris – « frères, si un être humain est pris en faute, c’est à vous, qui êtes spirituels, de le redresser dans un esprit de douceur. » Schubert (2014) 114. Beaujeu (1964) XXIX. Schubert (2014) 116 avec références bibliographiques. Schubert (2014) 148 suggère d’entendre aussi le sens « mon frère chrétien Marcus ». Min. Fel. 5,1. Decedo peut renvoyer à la désertion, Schubert (2014) 290. Min. Fel. 15,1. Schubert (2014) 289 : Cic. Verr. 2,3,143.
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Schubert, il joue ainsi sur les mots en faisant allusion au problème central du dialogue, la religio.66 Minucius de fait réagit aux reproches de Caecilius : id quod criminaris, inquam, in commune nisi fallor, conpendium protuli – « Ce dont tu me fais grief, dis-je, c’est dans l’intérêt commun, si je ne me trompe, que je l’ai mis en avant. »67 Il se justifie apparemment avec modestie, mais en fait avec une légère ironie par une iunctura cicéronienne, nisi fallor :68 il affirme parler pour le bien commun, ce qui rejoint son statut d’arbitre. Le narrateur-personnage apparaît donc dans une situation quelque peu inconfortable avec deux amis qui ne se privent pas de lui faire des reproches et de le prendre à parti : Octavius lui reproche son silence devant le geste de Caecilius puis, comme en écho, commence son discours (chap. 16) en affirmant que Minucius doit soutenir ses efforts (adnitendum tibi mecum)69 pour rétablir la vérité auprès de Caecilius. Mais comme auparavant, le narrateur-personnage ne réagit pas : il semble adopter une attitude neutre, qui correspond à son rôle d‘arbitre. Nous allons donc voir à présent plus précisément comment le narrateur Minucius oriente notre interprétation des faits. 4. UN NARRATEUR ENGAGÉ Minucius adopte clairement le parti-pris d’Octavius, comme l’annonce le chapitre 1. De même, la formule qui conclut le prooemium introduit un Caecilius sauvé des vaines superstitions (du paganisme) par Octavius qui le convertit à la vraie religion.70 Ainsi, pour dénoncer le paganisme, Minucius emploie les mêmes mots (erroribus,71 superstitiosis) que pour sa propre conversion.72 Une scène est à cet égard intéressante du point de vue de la construction narrative. Quand le narrateur rapporte le geste de Caecilius devant une statue de Sérapis, il dénigre ce geste de piété populaire parce qu’il le ravale au rang d’homme du commun, ut uulgus superstitiosus solet.73 Or si l’on considère l’ordre chronologique des faits, Octavius a justement employé le terme uulgaris en commentant ce même geste pour affirmer qu’il ne fallait pas laisser Caecilius dans 66 67 68 69 70 71 72 73
Schubert (2014) 289. Min. Fel. 15,2. Schubert (2014) 291. Min. Fel. 16,1. L’adjectif verbal d’obligation et le datif d’intérêt juxtaposé à mecum sont révélateurs. Min. Fel. 1,5 : Caecilium superstitiosis uanitatibus etiamnunc inhaerentem […] ad ueram religionem reformauit – « il convertit à la vraie religion Caecilius qui était encore attaché aux vaines superstitions. » Min. Fel. 1,4. Voir p. 227 et n. 45. Une fois vaincu, Caecilius exprimera son adhésion à la foi chrétienne en reprenant le terme erroris : Min. Fel. 40,1 : ego triumphator erroris. Min. Fel. 2,4 : Caecilius, simulacro Serapidis denotato, ut uulgus superstitiosus solet, manum ori admouens osculum labiis pressit – « Caecilius, ayant remarqué une statue de Sérapis, selon l’habitude du vulgaire superstitieux, approcha sa main de sa bouche et y imprima un baiser de ses lèvres. »
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l’aveuglement du vulgaire, uulgaris caecitate.74 Quand le narrateur reconstruit le récit, il cite ce propos d’Octavius après son propre commentaire ; il renforce ainsi la critique du paganisme par la répétition de la critique de la superstition. Minucius apparaît, dans la lignée du prologue, comme un alter ego d’Octavius. Il est aussi très révélateur de voir comment le narrateur met en scène et commente les prises de parole au fil du texte. La parole est d’abord l’apanage d’Octavius. Minucius le présente comme un homme aimant à parler et conter des histoires plaisantes : le narrateur répète d’ailleurs le nom fabulae ;75 Octavius est aussi le premier à prendre la parole au discours direct76 en un bref discours qui va provoquer la colère de Caecilius ;77 ce dernier lui reproche son manque de franchise (dissimulanter) et l’accusation méprisante d’ignorance : ut me dissimulanter grauius argueret inscientiae – « afin de me convaincre indirectement, ce qui est plus grave, d’ignorance ».78 Le narrateur fait aussi remarquer à Caecilius que leur ami Octavius manifeste son impatience (Ianuari nostri iam gestientis)79 à répondre au discours de Cécilius. Par ailleurs, Minucius met en scène la promenade mais aussi sa brutale interruption par Caecilius : residamus ut et requiescere de itinere possimus et intentius disputare.80 Le subjonctif d’ordre marque la prise de pouvoir de ce dernier. Il impose aussi la manière dont ils s’assoient et le rôle d’arbitre de Minucius. L’effet d’écho avec residamus dans et cum dicto eius adsedimus81 (4,6) montre l’emprise de Caecilius à ce moment du dialogue. Si l’on considère le cœur du dialogue (ch. 5–38), Minucius introduit et conclut, comme narrateur, les discours de Caecilius (5,1 : Tum sic Caecilius exorsus est ; 14,1 : Sic Caecilius) et d’Octavius (16,1 : Et Octauius; 39 : Cum Octauius perorasset) d’une manière très brève. Or il se met aussi en scène comme narrateur et personnage dans ce passage central. Tout d’abord il commente l’attitude de Caecilius à la fin de son exposé :82 Sic Caecilius et renidens (nam indignationis eius tumorem effusae orationis impetus relaxauerat). Ainsi parla Caecilius; et, rayonnant car l’impétuosité du discours ainsi débité avait relâché l’indignation qui le gonflait. 74 Min. Fel. 3,1. 75 Min. Fel. 3,4 : Sensim itaque tranquilleque progressi oram curui molliter litoris iter fabulis fallentibus legebamus. Haec fabulae erant Octaui disserentis de nauigatione narratio – « Aussi, avançant insensiblement et tranquillement, nous longions le bord de ce rivage mollement incurvé, trompant par des histoires la longueur du trajet. Ces histoires consistaient en un récit d’Octavius qui nous exposait sa traversée. » 76 Min. Fel. 3,1 : tunc Octauius ait. 77 Min. Fel. 4,3 : me Octaui nostri acriter angit et remordet oratio. Cf. Schubert (2014) 134. 78 Min. Fel. 4,3. 79 Min. Fel. 15,1. 80 Min. Fel. 4,5 : « Asseyons-nous afin de pouvoir nous reposer du trajet et disputer avec plus d’attention. » 81 Min. Fel. 4,6 : « et à ses paroles, nous nous asseyons. » 82 Min. Fel. 14,1.
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Renidens signale la satisfaction de Caecilius qui contraste avec sa mauvaise humeur précédente ; le narrateur insiste sur son éloquence83 associée au tumor de l’indignation en imitant un style boursouflé (effusae orationis impetus). Il développe ensuite ce même motif de l’éloquence pour dévaloriser le discours de Caecilius et opposer éloquence / vérité au chapitre 14. Dans l’Ad Donatum, inspiré de l’Octavius, Cyprien critique également le style impétueux associé au paganisme qu’il oppose à la simplicité du style chrétien.84 Le narrateur-personnage affirme, après les protestations de Caecilius, qu’il est intervenu pour le bien commun (voir supra), « afin de rendre une sentence équilibrée en vertu, non de l’enflure de l’éloquence, mais de la consistance de la matière elle-même » – ut […] nostram sententiam non eloquentiae tumore, sed rerum ipsarum soliditate libremus.85 Or à la fin du discours d’Octavius, il louera justement son éloquence qui a fait triompher la vérité, non par la force (il cite justement le tumor) mais par la qualité des idées.86 Enfin on remarquera que le narrateur met aussi en scène les interventions d’Octavius et Caecilius de manière à ce que leur comportement révèle de lui-même la force de l’un et la faiblesse de l’autre. Par exemple, Caecilius « sape lui-même », dans son impatience, son propre discours en prenant immédiatement la parole et en se moquant de son adversaire, alors qu’Octavius laissera son discours agir sur l’auditoire.87 5. QUEL ARBITRE? Christoph Schubert a bien montré la dimension symbolique des noms des personnages. Elle éclaire aussi les enjeux du dialogue et la place de Minucius. On a ainsi le narrateur en nouveau Cicéron (Marcus), Caecilius qui vit, comme païen, dans l’aveuglement (caecus) plusieurs fois dénoncé dans le dialogue,88 Octavius qui ouvre la porte (ianua) de la vérité (Januarius) au narrateur puis à Caecilius, sur le rivage d’Ostie (ostium : porte).89 Le narrateur Minucius, précédé par Octavius dans la conversion, est moins (minus) qu’Octavius.90 J’ajouterai qu’ainsi il est justement une figure intermédiaire: moins qu’Octavius, encore accessible à Caecilius, il permet au conflit de s’exprimer et de se résoudre.
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Sur la question du style de chaque discours, voir O’Connor (1976) 165–173. Cypr. Donat. 2. Voir Molager (1982) 76–79. Min. Fel. 15,2. Min. Fel. 39. Voir n. 44. Schubert (2014) 275. Uhle (2008) 47–48 souligne l’importance de la métaphore de la lumière de la foi chrétienne dans le dialogue. 89 Uhle (2008) 53 souligne ce jeu sur le nom d’Ostie. Il fait une lecture allégorique de la promenade. 90 Schubert (2014) 14.
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En effet, Minucius se montre un ami attentionné car c’est lui qui remarque l’humeur sombre de Caecilius, inhabituelle chez lui, et il prend soin de l’interroger :91 Cui ego: Quid hoc est rei ? cur non agnosco, Caecili, alacritatem tuam illam et illam oculorum etiam in seriis hilaritatem requiro ? Alors moi je lui dis: qu’y a-t-il donc ? comment se fait-il que je ne reconnais pas, Caecilius, ta fameuse alacrité et que je recherche ta fameuse gaieté du regard, même dans les affaires sérieuses ?
Cette attitude suscite la confiance de Caecilius qui avoue avoir été blessé par le discours d’Octavius.92 C’est l’amicitia (au sens traditionnel) qui désigne Minucius comme juge de cette querelle. De fait, la disposition choisie quand ils s’assoient (il est au milieu) exprime symboliquement son rôle d’arbitre :93 adsedimus, ita ut me ex tribus medium lateris ambitione protegerent; […] ut arbiter et utrisque proximus aures darem et disceptantes duos medius segregarem. Nous nous assîmes de telle sorte qu’ils m’entouraient, moi au milieu de nous trois, eux de chaque côté […] afin que, comme arbitre, je prête l’oreille à chacun d’eux, en étant au plus près, et que je sépare les deux adversaires, en étant au milieu.
Or cette figure de l’arbitre n’est pas cicéronienne comme le rappelle Christoph Schubert94 tandis que Jean Beaujeu insiste surtout sur l’influence d’Aulu-Gelle en raison de nombreux rapprochements avec l’Octavius : les circonstances du dialogue (une promenade sur la plage d’Ostie),95 un trio d’amis96 et la présence d’un arbitre (le rhéteur Favorinus d’Arles)97 pour juger le débat entre un philosophe stoïcien et un péripatéticien ;98 en revanche, ce que J. Beaujeu ne dit pas explicitement, que c’est l’auteur des Nuits Attiques qui rapporte le dialogue y assista.99 Cette différence est fort intéressante : Minucius concentre les statuts d’auteur de l’œuvre, de narrateur, de personnage et d’arbitre alors qu’Aulu-Gelle est auteur et narrateur mais s’efface comme personnage, tandis que l’arbitre est Favorinus. Toutefois que Minucius devienne l’arbitre n’est pas seulement l’effet de la volonté de Caecilius. La manière dont Octavius et Caecilius se parlent, ou plutôt ne se parlent pas, éclaire de manière lumineuse ce statut d’arbitre. Octavius et Caecilius ne dialoguent pas ensemble au sens d’un échange de paroles en interaction 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Min. Fel. 4,2. Min. Fel. 4,3. Min. Fel. 4,6. Schubert (2014) 45 ; Beaujeu (1964) xx rappelle que l’arbitre apparaît chez Plutarque, que Minucius ne semble pas connaître, et en latin chez Tacite (dial. 4,2–5,2). Pour un historique des dialogues comportant un arbitre, cf. Baehrens (1915). Gell. 18,1,2 : cum essemus una omnes Ostiae cum Fauorino ; 18,1,3 : Ambulabamus autem in litore. Gell. 18,1,1 : Familiares Fauorini erant duo quidam incelebres in urbe Roma philosophi. Gell. 18,1,15 : apud arbitrum Fauorinum. Gell. 18,1,1. Beaujeu (1964) xx–xxi. Le thème est la vie heureuse: l’un défend la doctrine stoïcienne, l’autre la doctrine sceptique. Gell. 18,1,2 : His quondam ego […] interfui.
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directe. Quand ils nomment ou mentionnent l’autre, ils le font chaque fois en employant le possessif de la 1ère personne (mon cher, notre cher […]), en parlant de l’autre à la 3ème personne, et en s’adressant à Minucius, ainsi pris à témoin. Caecilius exprime d’abord sa douleur devant l’attitude d’Octavius qu’il juge méprisante :100 Tum ille : ‚Iam dudum me Octaui nostri acriter angit et remordet oratio, qua in te inuectus obiurgauit neglegentiae, ut me dissimulanter grauius argueret inscientiae.‘ Alors lui : ‚Cela fait déjà un moment que le discours de notre ami Octavius me serre et me déchire violemment le cœur, lorsqu’il s’en est pris à toi pour te reprocher ta négligence, afin de me convaincre indirectement, ce qui est plus grave, d’ignorance.‘
Caecilius reproche à Octavius d’avoir critiqué son geste païen sans s’adresser à lui ; or il le lui reproche justement en s’adressant à Minucius, et non à Octavius ! Quant à Octavius, il parle de Caecilius comme de son cher Natalis (16,1 : Natalis mei ; 16,2 : in Natali meo ; 16,5 : meus frater), mais avec une intention polémique : c’est souvent quand il souligne son désaccord avec Caecilius qu’il emploie ces termes. Au contraire, quand Minucius parle de « notre cher Octavius », l’article possessif à la 1ère personne du pluriel (15,2 : Ianuari nostri) inclut implicitement Caecilius dans cette amitié, au lieu de l’en exclure en tant que païen. Or il le fait à un moment clé, quand il est lui-même en conflit avec Caecilius. En effet, lorsque Caecilius a fini son exposé, il parle d’une manière insultante et provocatrice d’Octavius, en refusant encore de s’adresser à lui et en le traitant de « descendant de Plaute, premier des mitrons, mais dernier des philosophes ».101 Minucius intervient alors comme arbitre et calme l’ardeur combative de Caecilius :102 ‚Parce‘ inquam ‚in eum plaudere ; neque enim prius exultare te dignum est concinnitate sermonis quam utrimque plenius fuerit peroratum.‘ ‚Évite‘, dis-je, ‚de triompher à ses dépens car il n’est pas digne de toi d’exulter comme tu le fais pour avoir bien tourné ton propos, avant que, des deux côtés, l’on n’ait pleinement achevé de parler.‘
Mais ensuite, on l’a vu, il va minimiser son propos en mettant en garde contre l’éloquence, comme Favorinus chez Aulu-Gelle103 pour l’opposer à la vérité, ce qui provoque à nouveau un bref débat avec Caecilius et ses protestations. Bref, au cœur du dialogue, il y a une deuxième querelle en miniature dans laquelle Minucius est en même temps un intermédiaire, au sens où il permet d’éviter l’affronte100 Min. Fel. 4,3. 101 Min. Fel. 14,1 : ‚Ecquid ad haec‘ ait ‚audet Octauius, homo Plautinae prosapiae, ut pistorum praecipuus, ita postremus philosophorum?‘ – « ‚A-t-il l’audace‘, dit-il, ‚de redire quelque chose à cela, Octavius, lui qui descend de Plaute et qui, s’il est le premier des mitrons, est le dernier des philosophes‘ ? » Voir Freund (2000) 105–106. 102 Min. Fel. 14,2. 103 Gell. 18,1,12. L’arbitre Favorinus critique les séductions trompeuses des argutiae, cf. Beaujeu (1964) XXI.
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ment direct d’Octavius et Caecilius, et qu’il défend le premier des attaques du second. Caecilius lui reproche de déroger à sa demande d’être un juge équitable comme on l’a déjà vu. La fin du dialogue, qui confirme une différence entre Minucius comme narrateur et comme personnage, montre combien l’auteur joue habilement de ce double statut. Comme personnage, il reste silencieux : Dum istaec igitur apud me tacitus euoluo104 – on retrouve sa propension à la méditation étudiée dans le prologue.105 C’est une manière de souligner la force du discours d’Octavius, mais aussi de respecter son rôle d’arbitre. En revanche, comme narrateur, il nous livre ses pensées et son admiration pour Octavius après son exposé et le silence général qui le suit : il affirme ainsi que son ami a démontré l’erreur païenne (39,1). Puis, après la confession de Caecilius, il reconnaît à haute voix son embarras d’arbitre et son soulagement de ne pas avoir eu à juger : gaudeo […] quod Octauius uicerit cum maxima iudicandi mihi inuidia detracta sit – « je me réjouis de la victoire d’Octavius puisque m’a été retirée l’odieuse tâche de rendre un jugement ».106 Enfin, Minucius conclut le dialogue en évoquant la séparation des trois amis : Post haec laeti hilaresque discessimus, Caecilius quod crediderit, Octavius gaudere quod uicerit, ego et quod hic crediderit et hic uicerit.107 Ce motif de fin de dialogue est topique,108 et on le trouve chez Aulu-Gelle auquel il emprunte le même verbe discessimus, qui concluait, en dernière place du texte, le récit de ce dernier: prosecuti Fauorinum in domum, ad quam deuertebat, discessimus.109 Mais les différences sont flagrantes entre Aulu-Gelle et Minucius Felix. Tout d’abord, ce dialogue a changé Caecilius, ce qui n’est pas le cas chez Aulu-Gelle. De plus, Minucius apparaît comme un ami attentionné aux sentiments de chacun, ce qui justifie son statut d’arbitre : Octavius et Caecilius se réjouissent pour euxmêmes et lui pour chacun d’eux, avec une joie désintéressée. Mais surtout il ajoute, avec redondance, le motif de la joie de chacun, ce qui ne saurait être anodin. 6. UNE AMITIÉ RENOUVELÉE PAR L’ACTION DE L’ESPRIT SAINT Dans la première partie, j’avais montré l’importance de l’évolution du narrateur qui passe du chagrin à la joie. Au-delà de cette structure globale, le motif récur104 105 106 107
Min. Fel. 40,1 : « Pendant que je ressasse donc en silence ces pensées. » Voir supra p. 224 et note 16 (à propos de 1,5 : cum mea cogitatio uolueretur). Min. Fel. 40,3. Min. Fel. 40,4 : « Sur ces paroles, nous nous sommes séparés dans la joie et la bonne humeur : Caecilius se réjouissait d’avoir cru, Octavius d’avoir vaincu, moi-même de ce que l’un ait cru et l’autre vaincu. » 108 Schubert (2014) 709. 109 Gell. 18,1,16 : « après avoir accompagné Favorinus dans la demeure où il logeait, nous nous séparâmes. » Déjà Cicéron évoquait dans le De natura deorum (3,95 : ita discessimus) la séparation des amis avec le verbe discessimus.
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rent de la joie apparaît comme un véritable fil directeur du texte. Or c’est un thème biblique central : joie envers le Créateur, joie du Salut, joie en Christ.110 Paul en particulier affirme que c’est le fruit de l’Esprit dans la Lettre aux Galates :111 Fructus autem Spiritus est caritas gaudium pax longanimitas bonitas benignitas fides modestia continentia. Mais le fruit de l’Esprit, c’est l’amour, la joie, la paix, la patience, la bonté, la bénignité, la fidélité, la douceur, la tempérance.
Le narrateur mentionne trois fois la joie au début du récit, et il la revit à travers la mémoire : à l’arrivée d’Octavius (2,2 : gaudio exultauerim) – son ami et frère dans la foi –, en marchant dans le sable (2,4 : eximia uoluptate) – don de la Création divine – puis devant la contemplation des enfants en train de jouer avec des galets (4,1 : spectaculi uoluptate) – l’intérêt porté à l’enfance étant un trait du christianisme des premiers temps.112 Or, face au spectacle des enfants, seul Caecilius ne se réjouit pas, alors qu’il est caractérisé par l’alacritas et l’hilaritas d’après le narrateur :113 Caecilius nihil intendere neque de contentione ridere, sed tacens anxius segregatus dolere nescio quid uultu fatebatur. Caecilius n’y prêtait nulle attention et la compétition ne le déridait pas ; mais, silencieux, tourmenté et isolé, il confessait par sa mine je ne sais quelle souffrance.
L’énumération en juxtaposition de tacens anxius segregatus exprime bien la mauvaise humeur du personnage, agacé, contrarié et humilié comme il l’explique au narrateur. Et de fait, lorsqu’il a fini son discours et qu’il pense avoir vaincu, il se montre rayonnant et souriant (14,1 : renidens), mais le narrateur omet volontairement le champ lexical de la joie. Mieux, il reproche à Caecilius d’exulter : neque enim […] exultare te dignum est.114 La dernière étape donne la clé : quand Caecilius reconnaît la victoire d’Octavius et de la foi chrétienne, Minucius, en tant que personnage exprime sa joie au
110 Vulg. Ps 29,12 : conuertisti planctum meum in gaudium – « Et tu as changé mes lamentations en allégresse ». Ps 50,14 : redde mihi laetitiam salutaris tui – « Rends-moi la joie de ton salut ». Ps 99,2 : Iubilate Domino omnis terra seruite Domino – « Poussez vers l’Éternel des cris de joie, Vous tous, habitants de la terre! » Jn 15,11 : haec locutus sum uobis ut gaudium meum in uobis sit et gaudium uestrum impleatur – « Je vous ai dit ces choses, afin que ma joie soit en vous, et que votre joie soit parfaite. » Rm 15,13 : Deus autem spei repleat uos omni gaudio et pace in credendo ut abundetis in spe in uirtute Spiritus Sancti – « Que le Dieu de l’espérance vous remplisse de toute joie et de toute paix dans la foi, pour que vous abondiez en espérance, par la puissance du Saint Esprit ! » 111 Vulg. Gal. 5,22. 112 Schubert (2014) 51. D’après Crassus rapportant un témoignage de son beau-père Laelius (Cic. de orat. 2,6,22), ce dernier aimait quitter Rome avec Scipion pour se détendre sur la plage laurentine en jouant comme des enfants à jeter des coquillages ou des petits cailloux. 113 Min. Fel. 4,1. 114 Min. Fel. 14,2 : « il n’est pas digne de toi d’exulter comme tu le fais. »
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discours direct, at ego […] gaudeo quod etiam Octauius uicerit115 puis comme narrateur pour conclure le dialogue : Post haec laeti hilaresque discessimus :116 la joie revient dans ses deux expressions, celle qui, auparavant définissait Caecilius (4,3 : hilaritas) et celle qui caractérisait le sentiment des amis Octavius et Minucius réunis (2,2 : laetitia). Dès lors, l’absence de joie de Caecilius prend une autre signification, non plus psychologique mais spirituelle : elle était un signe de son aveuglement, de son péché et de son éloignement de Dieu – Minucius l’avait qualifié de segregatus. Au contraire, la joie est un fruit de l’Esprit et de sa conversion. En outre, l’équilibre amical est non seulement retrouvé mais renouvelé. Un premier indice le marque: une fois converti, Caecilius ne parle plus avec distance, comme on l’a vu, de « notre Octavius » mais de « mon cher Octavius »: Ego Octauio meo […] gratulor ;117 cette plus grande proximité est marquée stylistiquement par la juxtaposition ego Octauio et le fait que le nom d’Octavius soit entouré par Caecilius (ego […] meo) : à présent Caecilius se sent véritablement l’ami d’Octavius.118 En outre, l’auteur construit la dernière phrase sur un rythme ternaire avec une répétition de verbes qui met chaque personnage à égalité et en concorde dans la foi chrétienne et dans la joie : Post haec laeti hilaresque discessimus, Caecilius quod crediderit, Octauius gaudere quod uicerit, ego et quod hic crediderit, et hic uicerit. Ce qui les opposait les unit à présent, précisément au moment de se séparer.119 De manière très discrète, le narrateur évoque encore ici l’action du Saint Esprit. En effet la joie de Caecilius a pour origine d’avoir cru (quod crediderit).120 Or Paul affirme à différentes reprises que confesser Jésus comme Seigneur ne peut venir que de l’Esprit.121 Certes, ici la confession de foi de Caecilius n’est pas encore de cet ordre mais sa conversion brutale n’est pas le fait du seul Octavius comme l’a précisé Minucius juste avant la phrase conclusive du dialogue (40,3) : Habet dei munus eximium, a quo et inspiratus orauit et obtinuit adiutus – « Il tient de Dieu un don extraordinaire, qui a inspiré son discours et lui a procuré assistance. » Même si ce n’est pas dit explicitement, d’un point de vue biblique, c’est par un don du Saint-Esprit (inspiratus) qu’il a pu toucher et convaincre Caecilius 115 116 117 118
Min. Fel. 40,3. Min. Fel. 40,4. Min. Fel. 40,1. Schubert (2014) 704 : « Je félicite mon cher Octavius. » Zarini va plus loin: « Je te félicite, mon cher Octavius. » 119 Schubert (2014) 709. 120 Sur ce sens de credere, cf. Schubert (2014) 709. 121 Vulg. Jn 6,65 : dixi uobis quia nemo potest uenire ad me nisi fuerit ei datum a Patre meo – « je vous ai dit que nul ne peut venir à moi, si cela ne lui a été donné par mon Père ». Rm 8,16 : ipse Spiritus testimonium reddit spiritui nostro quod sumus filii Dei – « l’Esprit luimême rend témoignage à notre esprit que nous sommes enfants de Dieu ». 1 Cor 12,3 : ideo notum uobis facio quod nemo in Spiritu Dei loquens dicit anathema Iesu et nemo potest dicere Dominus Iesus nisi in Spiritu Sancto – « C’est pourquoi je vous déclare que nul, s’il parle par l’Esprit de Dieu, ne dit : Jésus est anathème ! et que nul ne peut dire : Jésus est le Seigneur ! si ce n’est par le Saint-Esprit ».
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si rapidement. On retrouvera cette idée chez Cyprien de Carthage de manière plus explicite quand il évoque son baptême et le renouvellement de son intelligence par l’Esprit Saint.122 Ainsi le conflit qui a éclaté entre Octavius et Caecilius mais a aussi touché Minucius, est résolu – la paix est là – et l’amitié n’est pas simplement rétablie, mais renouvelée: la caritas est présente. Le passage de la tristesse (de Minucius), de la discorde (entre Caecilius et ses deux amis), de la colère de Caecilius vers l’amour (caritas – ils pensent la même chose, ce qui fait écho au prologue où Minucius définit son amicitia-caritas pour Octavius),123 vers la joie (gaudium) et la paix (pax) correspond aux trois premiers termes du fruit de l’Esprit dans la Lettre aux Galates. Certes, Minucius explicite avant tout la commemoratio de l’amicitia convertie en caritas-agapê, qui est compréhensible d’un public païen ; pour le public chrétien, c’est un témoignage de foi en l’action de Dieu, de l’Esprit de Dieu124 qui inspire paroles et actions, qui apporte amour, joie et paix. CONCLUSION Ainsi, par ce triple statut de narrateur, personnage et arbitre, Minucius amplifie la commemoratio d’Octavius et de sa victoire sur le paganisme, annoncée dans le prooemium, en une commemoratio de l’amicitia renouvelée dans la caritas, la joie et la paix par l’action de Dieu et il offre ce faisant un témoignage de foi en action, qui complète la dimension intellectuelle du dialogue polémique. Minucius est un arbitre engagé, qui ne prétend jamais être neutre, mais qui se montre soucieux de chacun des protagonistes du dialogue, qui fait preuve de charité. Il permet de donner du chrétien une image moins dogmatique et sévère que celle d’Octavius : c’est aussi le sens symbolique de son rôle d’arbitre et de son nom Felix. En situant l’action sur une plage,125 l’auteur offre une mise en scène topique du dialogue littéraire ;126 mais si l’on considère le contexte de conversion, on peut aussi songer à l’importance du rivage dans l’enseignement du Christ, en particu-
122 Cypr. Donat. 4. 123 Min. Fel. 40,2 : consentio […] de toto congruentes, fait écho à 1,3 : eadem uelle et nolle : crederes unam mentem in duobus fuisse diuisam (voir p. 226, notes 37 et 38). 124 Octavius définit Dieu comme mens et ratio et spiritus (Min. Fel. 19,2) : il emploie des concepts philosophiques pour se faire comprendre des païens, cf. Schubert (2014) 361–362. 125 Min. Fel. 2,3 : placuit Ostiam petere ; 2,4 : inambulando litore. Uhle (2008) 49–50 y voit un locus amoenus où interfèrent des éléments négatifs et donne une signification allégorique à la scène de promenade. 126 Minucius est dans la lignée de Cicéron et Aulu-Gelle, cf. Cic. de orat. 2,6,22 ; Gell. 18,1,1 cité en note 96 ; De Giorgio (2014) note 48 (en ligne) : « Crassus introduit l’anecdote situant Scipion et Laelius sur une plage comme s’il s’agissait d’une préface à un dialogue littéraire : ‚J’ai souvent entendu raconter à mon beau-père que Laelius, dont il était le gendre, partait volontiers à la campagne avec Scipion […]‘ » (traduction d’E. Courbaud, CUF).
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lier quand il annonce le Royaume de Dieu aux foules.127 De fait, la conversion d’un païen est un signe de l’avancée du Royaume. Un élément supplémentaire est symbolique: cette promenade, qui avait un objectif médical (2,3 : curatio) pour le narrateur – soulager ses membres par les bains de mer128 – aboutit à guérir Caecilius de l’erreur et à chasser les ténèbres qui l’aveuglaient, à guérir les relations de ces trois amis. L’Octavius est donc à la fois un dialogue apologétique où la dimension intellectuelle domine par l’intermédiaire d’Octavius, mais aussi, à travers la figure complexe de Minucius, un témoignage de foi : le public païen entend parler de la joie de la conversion, d’une autre forme d’amitié, et le public chrétien129 de l’intervention divine qui permet de convertir un individu et de renouveler en vérité des relations amicales, vécues désormais dans la caritas, la joie et la paix. Minucius ne court plus derrière Octavius. BIBLIOGRAPHIE Sources antiques, traductions et commentaires Beaujeu (1964) : Jean Beaujeu, Minucius Felix, « Octavius », texte établi et traduit, Paris (CUF). Fausch (1966) : Walter Fausch, Die Einleitungskapitel zum Octavius des Minucius Felix. Ein Kommentar, Zurich. Molager (1982) : Jean Molager, Cyprien de Carthage, A Donat et La vertu de patience, texte latin avec introduction, traduction et notes, Paris (Sources Chrétiennes 291). Schubert (2014) : Christoph Schubert, Minucius Felix « Octavius »‚ übersetzt und erklärt, Freiburg/Basel/Wien (Kommentare zu frühchristlichen Apologeten 12). Zarini (2016) : Vincent Zarini, Minucius Felix, Octavius. Traduction et notes, Premiers écrits chrétiens, sous la direction de B. Pouderon, J.-M. Salamito et V. Zarini, Paris (Bibliothèque de la Pléiade 617).
127 Enseignement des foules (Mt 13,2–3 : et congregatae sunt ad eum turbae multae ita ut in nauiculam ascendens sederet et omnis turba stabat in litore et locutus est eis multa in parabolis dicens – « et de si grandes foules s’assemblèrent auprès de lui qu’il monta et s’assit dans une petite embarcation ; l’ensemble de la foule se tenait sur le rivage ; il leur parla, disant beaucoup de choses en paraboles » ; Lc 5,3 : ascendens autem in unam nauem quae erat Simonis rogauit eum a terra reducere pusillum et sedens docebat de nauicula turbas – « or, montant dans une barque qui appartenait à Simon, il lui demanda de l’éloigner un peu de la terre ; il s’assit et enseignait les foules depuis la petite embarcation ») et des disciples après la résurrection (Jn 21,4) quand Jésus leur ordonne de jeter leurs filets alors qu’ils n’ont encore rien pris : mane autem iam facto stetit Iesus in litore non tamen cognouerunt discipuli quia Iesus est – « or, le matin venu, Jésus se tint sur le rivage, et pourtant les disciples ne reconnurent pas que c’était Jésus ». 128 Min. Fel. 2,3–4. 129 Schubert (2014) 49–56 montre le lien entre le dialogue apologétique et la double lecture possible du dialogue, par un public chrétien et païen.
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Études secondaires Baehrens (1915) : W. A. Baehrens, « Literarischhistorische Beiträge. III. Zu Minutius Felix », Hermes 50, 456–463. Cameron (2014) : Averil Cameron, Dialog und Debatte in der Spätantike, Stuttgart (SpielRäume der Antike 3). De Giorgio (2014) : Jean-Pierre De Giorgio, « Dire l’interaction et l’écoute: le problème de la définition du dialogue comme genre », Cahiers Forell – Formes et Représentations en Linguistique et Littérature – Dialogue et Théâtralité / Lucien (de Samosate) et nous | Cahiers en ligne (depuis 2013) | Dialogue et théâtralité: interactions, hybridations, réflexivité. De Socrate à Derrida. [En ligne] Publié en ligne le 27 mars 2014. URL: http://09.edel.univpoitiers.fr/lescahiersforell/index.php?id=228 Fontaine (1969) : Jacques Fontaine, Aspects et problèmes de la prose d’art latine au IIIe siècle. La genèse des styles latins chrétiens, Turin. Freund (2000) : Stefan Freund, Vergil im frühen Christentum: Untersuchungen zu den Vergilzitaten bei Tertullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Arnobius, Paderborn. O’Connor (1976) : Joseph F. O’Connor, « The Conflict of Rhetoric in the Octavius of Minucius Félix », Classical Folia 30, 165–173. Rizzi (1990) : Marco Rizzi, « Amicitia e ueritas. Il prologo dell’Octavius di Minucio Felice », Aevum Antiquum 3, 245–268. Schmidt (1977) : Peter Lebrecht Schmidt, « Zur Typologie und Literarisierung des frühchristlichen lateinischen Dialogs », dans: Christianisme et formes littéraires de l’Antiquité tardive en Occident, Genève (Entretiens sur l’Antiquité classique 23), 101–190. Uhle (2008) : Tobias Uhle, « Der Strandspaziergang im Octavius des Minucius Felix als Begegnung mit dem Unverfügbaren. Eine allegorische Deutung von Min. Fel. 2,3/4,5 », JbAC 51, 44–54. Van den Berg (2007) : Christopher van den Berg, « The Imitation of Some Structural Techniques in Cicero, Tacitus, and Minucius Felix », Schedae 2007, prépublication n°1, fasicule n°1, 1– 14.
ADRESSATEN, DIALOGFIGUREN UND DER IMPLIZITE LESER IN AUGUSTINUS’ CASSICIACUM-DIALOGEN Jochen Sauer 1. EINLEITUNG Im Herbst 386 zog sich Augustinus nur wenige Monate nach seinem zentralen Bekehrungserlebnis, das als die ‚Mailänder Gartenszene‘ im achten Buch der Confessiones1 seinen literarischen Niederschlag gefunden hat, mit einigen Schülern und Familienmitgliedern nach Cassiciacum nördlich von Mailand zurück. Mit den sogenannten Cassiciacum-Dialogen Contra Academicos,2 De beata vita, De ordine3 und den Soliloquia stellt Augustinus die Gespräche, die er während dieses Aufenthalts geführt habe, zu einer Sammlung zusammen. Besonders die drei erstgenannten Schriften4 folgen in ihrer Form dem philosophischen Villendialog ciceronischer Prägung und werden Gegenstand dieses Beitrags sein. Während in Ciceros Schriften in der Regel arrivierte Angehörige der römischen Funktionselite sprechen, vergegenwärtigt Augustinus in den Cassiciacum-Dialogen die Diskussionen seiner eigenen ‚Schule‘: die Gespräche zwischen ihm und seinen Schülern, an denen bisweilen auch seine Familienangehörigen, darunter seine Mutter Monnika, teilnehmen. Die Dialoge vermitteln über weite Strecken den Eindruck eines bisweilen mehr, bisweilen weniger stark gelenkten Lehrgangs, den die Dialogfigur Augustinus bald führt, bald moderiert. Die Diskussion nimmt mehrfach Umwege oder gerät in Sackgassen.5 Dieser Umstand und Augustinus’ Hinweis, Stenographen seien bei den meisten Gesprächen anwesend gewesen und hätten mit-
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Aug. conf. 8,12,29. Augustinus bezeichnet den Dialog Contra Academicos in den Retractationes, in denen er auf sein Werk zurückblickt, als De Academicis. Wie in der Augustinus-Forschung üblich, wird in diesem Aufsatz der Dialog durchgängig Contra Academicos genannt. Die einschlägige Textausgabe, die alle drei Dialoge enthält, ist Adam/Fuhrer (2017). Contra Academicos und De ordine sind durch Kommentare bestens erschlossen: zu Aug. acad. 1 Schlapbach (2003), zu acad. 2–3 Fuhrer (1997), zu ord. Trelenberg (2009). Die Zeilenzählung dieser drei Kommentare folgt der Textausgabe von Green (1970). Zu beat. vit. existieren knappe Kommentare von Brown (1944) und Doignon (1986). Die Soliloquia stellen insofern einen Sonderfall dar, als der augustinische Sprecher in einen Dialog mit seiner personifizierten ratio tritt. Da die Schrift somit eher eine Selbstreflexion als ein ‚echter‘ Dialog ist, nennt Fenech (1986) 39 sie konsequenterweise ‚Minor Confessions‘. Dies gilt für Contra Academicos und De ordine, während die Argumentation in De beata vita deutlich stärker zielgerichtet und quasi digressionsfrei ist.
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geschrieben,6 verleiht den Gesprächen in besonderem Maße den Eindruck der Authentizität. Dieser Eindruck darf jedoch nicht darüber täuschen, dass sämtliche Texte sorgfältig stilisiert sind.7 Die in den drei Schriften adressierten Widmungsträger Romanianus, Theodorus und Zenobius sind zwar wie bei Cicero keine unmittelbaren Akteure der Dialoghandlung, doch sind sie ebenso wie die in den Proömien besprochenen Themen mit der Dialoghandlung eng verknüpft. Somit erscheint es zielführend, bei einer Beschäftigung mit der Figurenkonstellation der Cassiciacum-Dialoge auch die Adressaten der Vorreden in den Blick zu nehmen, zumal die Konstellation der Dialogfiguren der drei hier betrachteten Dialoge bereits Gegenstand der einschlägigen Kommentare ist.8 Ein besonderes Augenmerk soll auf der Frage liegen, inwiefern Augustinus mit seiner Wahl der Adressaten und der Ansprache an sie den Leser in seiner Rezeptionshaltung und seiner Leserrolle prägt. In einem ersten Schritt möchte ich dafür argumentieren, dass Augustinus in den Vorreden mit dem jeweiligen Adressaten einen paradigmatischen Rezipienten konstruiert und auf diese Weise eine Rezeptionshaltung bei seiner Leserschaft induziert. In einem zweiten Schritt möchte ich zeigen, dass sich die jeweils induzierten Rezeptionshaltungen in den drei Schriften unterscheiden, Augustinus sich also einen für den jeweiligen Dialog geeigneten Leser modelliert. Da die Dialoge in der Forschung oft als Trilogie verstanden werden,9 möchte ich schließlich Überlegungen anstellen, inwiefern die Dialoge in der überlieferten Reihenfolge über den jeweiligen Adressaten und die Gesprächshandlung der Dialogfiguren einen zunehmend in die Diskussion und den Gesprächsgegenstand involvierten und engagierten Leser imaginieren, der zu steigendem analytischen Scharfsinn geführt wird.
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Eine Übersicht über die Stellen bei Ohlmann (1905), weitere Literatur bei Hübner (1987) 24, Anm. 4. Die Gespräche seien teilweise, so Augustinus als Erzähler, von den Dialogpartnern nachträglich aufgeschrieben worden (so ord. 1,8,26: omnia nostrae lucubrationis opuscula in hanc libelli partem contulimus. – „Alle kleinen Ergebnisse unserer nächtlichen Überlegung trugen wir im ersten Teil unseres Büchleins zusammen.“). An einer Stelle weist Augustinus die Schreiber direkt an, etwas aufzuschreiben (beat. vit. 2,15: Quod cum iuberem, ut scriberetur: Non dixi, inquit exclamans. – Quod item cum annuerem scribi: Dixi, inquit. – „Als ich diese Worte aufschreiben ließ, rief er: ‚Das habe ich nicht gesagt.‘ – Und als ich durch einen Wink veranlasste, dass dies ebenfalls aufgeschrieben wurde, gab er zu: ‚Ich habe es gesagt.‘“). Zur Frage nach der Aufzeichnung des Gesprächs vgl. Fuhrer (1997) 17–19 und Trelenberg (2009) 375–385. Fuhrer (1997) 14–19. Eine redaktionelle Tätigkeit deutet die Dialogfigur Augustinus im ersten Buch von De ordine selbst an: Non enim aliquid in libros translatum est eorum, quae a nobis multa disserta sunt. – „Es ist nämlich noch gar nichts von dem, was wir ausführlich erörtert haben, in die Bücher übertragen worden“ (Aug. ord. 1,10,30). Zu Contra Academicos siehe Fuhrer (1997) 6–14; Schlapbach (2003) 9–13; zu De ordine siehe Hübner (1987) 33–35, Conybeare (2006) sowie Fuhrer (2013a) 87f. Zur Frage, inwiefern sich die drei szenischen Cassiciacum-Dialoge als eine ‚Trilogie‘ verstehen lassen, vgl. Hübner (1987) 25, der darauf hinweist, dass die Dialoge durch Ort, Zeit, Gesprächspartner und Stimmung eng miteinander verbunden sind und dass jeder Dialog mit einer Vorrede beginnt und mit einer oratio perpetua endet.
Adressaten, Dialogfiguren und der implizite Leser in Augustinus’ Cassiciacum-Dialogen 243
Die Betrachtung soll mit De ordine beginnen, da die enge Verbindung zwischen Vorrede und Dialoghandlung in diesem Dialog besonders augenfällig ist, zumal in dieser Schrift der Widmungsträger Zenobius nicht nur als Adressat, sondern gleichzeitig als Teil der Gesprächsgemeinschaft vorgestellt wird. 2. DE ORDINE (ADRESSAT: ZENOBIUS) In De ordine wird der Adressat Zenobius10 nicht nur von dem Prologsprecher, sondern auch von der Dialogfigur Augustinus gegenüber seinen Gesprächspartnern als Adressat des Dialoges benannt. Zenobius stünde mit Augustinus über die Ordnung des Seins im Austausch und habe ihn unlängst mit einem Gedicht zu diesem Thema provoziert, doch habe man über dieses nicht ausführlicher sprechen können. Der unerwartete Aufbruch des an dem Gesprächsgegenstand hochinteressierten Zenobius liefert den Anlass für seine Adressierung, da ihn die Niederschrift über die Diskussion informieren soll. Dies erfährt der Leser an einer Stelle, an der das Gespräch noch nicht weit fortgeschritten ist und an der Augustinus die Gesprächsgemeinschaft ermahnt, sich stärker anzustrengen:11 Non enim grossis auribus eam [scil. disputationem] debeo: nam Zenobius noster multa mecum saepe de rerum ordine contulit, cui alta percontanti numquam satisfacere potui seu propter obscuritatem rerum seu propter temporum angustias. Crebrarum autem ille procrastinationum usque adeo fuit impatiens, ut me, quo diligentius et copiosius respondere cogerer, etiam carmine provocaret, […]. Ich schulde diese [Diskussion] nämlich keinen stumpfen Ohren: Denn unser Zenobius hat sich mit mir über die Ordnung des Seins häufig ausgetauscht, aber ich habe ihm, während er tiefgründig forschte, niemals eine zufriedenstellende Antwort geben können, sei es wegen der Komplexität der Sache, sei es wegen der knappen Zeit. Über die häufigen Vertagungen war er schließlich so aufgebracht, dass er mich sogar durch ein Gedicht provozierte, um mich dadurch zu zwingen, ihm ganz sorgfältig und ausführlich zu antworten, […].
Die Dialogfigur Augustinus tritt hier aus der dialogischen Handlung heraus und bezeichnet den Dialog metadiskursiv als Antwort an Zenobius. Etwas später vergegenwärtigt Augustinus ihn erneut – und zudem seinen eigenen Freundeskreis:12 10 Zu Zenobius zusammenfassend Pietri/Pietri (2000) 2378 und Trelenberg (2009) 128–130, insb. Anm. 152. Neben seiner Präsenz in De ordine ist Zenobius Adressat von Aug. epist. 2. Ob er neben Ambrosius zu den beiden in Augustinus’ Soliloquia erwähnten docti atque prudentes viri (soliloq. 2,14,26) zu rechnen ist, bleibt ungewiss (vgl. hierzu Trelenberg [2009] 129f., Anm. 152). Nicht auszuschließen ist, dass er der Bruder des Dioscorus ist, Augustinus’ Briefpartner von epist. 117f., von dem es heißt, er sei magister memoriae am kaiserlichen Hof gewesen. – Aus De ordine geht hervor, dass es sich bei Zenobius um ein Mitglied der größeren Gruppe von Augustinus’ persönlichen Mailänder Freunden handelt. 11 Aug. ord. 1,7,20. Zitate aus den drei hier behandelten Augustinus-Dialogen entstammen der Ausgabe von Adam/Fuhrer (2017). Die Übersetzungen stammen mit gegebenenfalls leichten Modifikationen von Voss (Contra Academicos), von Schwarz-Kirchenbauer/Schwarz (De beata vita) und von Mühlenberg (De ordine). Versammelt sind diese Übersetzungen in der Ausgabe von Voss (1972). 12 Aug. ord. 1,9,27.
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Jochen Sauer Vellem adessent ceteri, qui nobiscum his negotiis solent interesse; vellem, si fieri posset, non istos tantum sed omnes saltem familiares nostros, quorum semper admiror ingenium, nunc mecum habere – quam vos estis: – intentos, […]. Ich wollte, es wären auch die übrigen da, die sich sonst mit uns zusammen an diesen Bemühungen zu beteiligen pflegen; ich wollte, wenn das möglich wäre, nicht bloß sie, sondern auch alle die von unseren Freunden, deren geistige Fähigkeiten ich immer bewundere, jetzt so aufmerksam, wie ihr es seid, um mich haben, […].
Das Wort intentos wird allein schon von der Wortstellung besonders betont: Diese Aufmerksamkeit, so Augustinus, erhoffe er sich von den intendierten Rezipienten, seinen Freunden, ganz besonders aber von Zenobius, wie Augustinus weiter schreibt:13 […] aut certe ipsum tantum Zenobium, quem de hac re tanta molientem numquam pro eius magnitudine otiosus accepi. […] ganz besonders aber Zenobius; denn er hat sich über die Ordnung so viele Gedanken14 gemacht, aber ich habe ihm niemals genügend Zeit im Verhältnis zur Bedeutung dieses Themas gewidmet.
Augustinus imaginiert mit seinen Freunden und Zenobius ein Publikum, das die Argumentation mit scharfem Verstand verfolgen, sie kritisch prüfen (si quid eos moverit ad contradicendum) und eigene Überlegungen anstellen soll, so dass es scheint, dass in dem Dialog etwa herauszuarbeiten oder zu entdecken sei. Dadurch gewinnt der implizite Leser Konturen. Er wird zum Teil des Kreises um Augustinus, zu dem auch Zenobius gehört,15 und nimmt ebenfalls die Rezeptionshaltung eines aufmerksamen und kritischen ‚Forschers‘ ein, für den paradigmatisch Zenobius stehen mag, der den Diskurs mit Augustinus voller Eifer und Hartnäckigkeit sucht.16
13 Aug. ord. 1,9,27. 14 Zur hier favorisierten Deutung von tanta als Akkusativ Plural und Wiedergabe als ‚so viele Gedanken‘ (Voss) vgl. Trelenberg (2009) 153. 15 Augustinus spricht Zenobius als Angehörigen seines Kreises konsequenterweise deutlich schlichter als seinen Förderer aus Nordafrika Romanianus oder als den arrivierten Neuplatoniker Mallius Theodorus an. Vgl. Trelenberg (2009) 59, der darauf hinweist, dass die Zenobius zugedachte Würdigung (Aug. ord. 1,2,4: Sic enim mihi notum est ingenium tuum und ihre Wiederholung in Aug. ord. 1,9,27) recht nüchtern ausfällt. „Die Anrede an Romanianus […] und Theodorus […], die beide nicht nur im Umfang ausführlicher, sondern auch im Ton wesentlich emotionaler gestaltet sind, geben einen klaren Eindruck davon, was Augustin noch alles hätte schreiben können“ (ebd.). 16 Siehe oben ord. 1,7,20. Es ist Zenobius, der Augustinus’ Aufmerksamkeit erregen möchte, während Augustinus die Diskussion über das Problem der Ordnung mehrfach verschiebt bzw. Zenobius’ Anliegen nicht befriedigt. Das Verhältnis zwischen den beiden erscheine hier, so Trelenberg, als „Beziehung zwischen einem Bittsteller und dessen ‚Gönner‘“ (Trelenberg [2009] 129, Anm. 152). Vermutlich soll hier jedoch allem voran Zenobius’ Hartnäckigkeit porträtiert werden, zumal in Aug. epist. 2 Zenobius als enger Freund adressiert wird (vgl. Trelenberg [2009] 129) und er in den Soliloquia möglicherweise unter die respektvoll bezeichneten docti atque prudentes viri (soliloq. 2,14,26) fällt (zur Diskussion Trelenberg [2009] 129, Anm. 152).
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Man fragt sich, warum Augustinus eine über zwei Bücher verlaufende dialogische Interaktion für nötig erachtet, um Zenobius zu antworten, selbst wenn sich Zenobius ja eine ausführliche Darstellung zu wünschen scheint (diligentius et copiosius respondere [1,7,20]). Eigentlich erschiene hierfür auf den ersten Blick ein straff gegliederter Traktat zielführender als die gerade in De ordine bisweilen mühsam verlaufenden Diskussionen. Aber auf den ersten Blick noch viel erstaunlicher: Das Gespräch von De ordine endet in einem zentralen Thema, dem Theodizee-Problem, in einer Aporie. Eine Lösung wird nicht expliziert. Betrachten wir zunächst die Aporie, die in der Forschung ausführlich analysiert wurde17 und die hier in ihrem Kern wiedergegeben werden soll: Entweder geht man davon aus, dass Gott allmächtig ist, er die Welt erschaffen hat und seine Macht in jeden Winkel der Welt reicht. Da es nun aber scheint, dass das Böse in der Welt existiert, müsste Gott auch das Böse als einen Teil der Ordnung der Welt erschaffen haben – eine Konklusion, welche sofort als gottlos verworfen wird: Denn wenn Gott etwas Böses erschaffen hätte, ließe er sich nicht als gut oder gnädig bezeichnen. Die Alternative besteht in der Annahme, dass das Böse ohne Gottes Zutun entstanden sei. Auch diese Hypothese sieht die Diskussionsgemeinschaft als falsch an, würde sie doch Gottes Macht herabsetzen. Eine Lösung, die Augustinus später in anderen Schriften expliziert, nämlich dass das Böse keine eigene Substanz habe, sondern lediglich die Abwesenheit des Guten sei,18 wird hier zwar noch nicht direkt formuliert.19 Adolf Dyroff20 und Therese Fuhrer21 weisen jedoch darauf hin, dass die Dialoghandlung eine Lösung bereits metaphorisch andeutet. So betrachtet die Gesprächsgemeinschaft etwa in Buch 1 einen Hahnenkampf, den der unterlegene Hahn schwer zugerichtet verlässt. Doch trotz dieser Hässlichkeit finde sich im Kampf der Hähne eine innere Schönheit,22 wie die Dialogpartner erkennen. Und selbst als Licentius einen Psalm singt, sich dabei jedoch auf dem Abort befindet, was Augustinus’ Mutter Monnika sehr entrüstet, sei, so die Dialogfigur Augustinus, Gottes Gegenwart nicht zu leugnen.23 In allen diesen Fällen fügen sich die vermeintlichen mala harmonisch in die Seinsordnung ein. Therese Fuhrer hat dabei überzeugend gezeigt, dass durch die metaphorische Deutung der dialogischen Handlung nicht nur vergegenwärtigt wird, dass der Welt 17 Eine konzise Zusammenfassung der dialektisch strukturierten Argumentation um das Theodizeeproblem in De ordine findet sich bei Uhle (2012) 35–39 und Fuhrer (2013a). 18 Zur Lösung der Aporie in späteren Schriften Fuhrer (2002) und Fuhrer (2004) 89–94; vgl. auch Uhle (2012) 38f. 19 Augustinus deutet eine Lösung an, indem er mit den septem artes liberales einen Weg aufzeigt, mit dem Einsicht in die gesamte Ordnung der Welt erlangt werden könne, in der sich die vermeintlichen Übel nicht als Übel erwiesen (vgl. Trelenberg [2009] 393–396, Uhle [2012] 37f.). 20 Dyroff (1930). 21 Fuhrer (2013b). 22 Aug. ord. 1,8,25. Die Charakterisierung Zenobius’ im Proömium als ‚Liebhaber von Schönem aller Art‘ (pulchritudinis omnimodae amator, Aug. ord. 1,2,4) erhält hier ihren Sinn, da es offensichtlich Aufgabe des intendierten Lesers ist, die Schönheit, die sich auch im Hässlichen, wie etwa im Hahnenkampf zeige, zu erkennen. 23 Aug. ord. 1,8,22f. Weitere Beispiele bei Hübner (1987) und Fuhrer (2013b) 45–49.
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überhaupt eine Ordnung zugrunde liegt, sondern dass diese Ordnung der manichäischen entgegengesetzt ist.24 Da sich zahlreiche Stellen innerhalb des Dialogs finden lassen, die sich in dieser Art metaphorisch deuten lassen, ist die Intention des Autors deutlich erkennbar. 25 Therese Fuhrer konstatiert: „Sowohl der Erzähler als auch der erzählte Augustin leiten mehrfach dazu an, die szenischen Elemente – auch den Abort – als Bedeutungsträger zu verstehen und somit die Umgebung gewissermaßen als Text zu lesen und zu interpretieren.“26 Insbesondere ein neuplatonisch gebildeter Leser dürfte, so Fuhrer weiter, durchaus auf die augustinische Beantwortung des Problems kommen können. Möglicherweise ist der Umstand, dass Zenobius ein in neuplatonischen Kreisen verkehrender Gelehrter war, ein Hinweis darauf, in welche Richtung Augustinus den Leser bei der Lösung denken lassen wollte. Indem der Dialog Zenobius als Ersatz für das geplante Gespräch geschickt werden soll und indem darauf hingewiesen wird, dieser Dialog möge zu weiteren Diskussionen führen, wird suggeriert, dass Zenobius die Diskussion fortführen werde. Daher möchte ich die Hypothese aufstellen, dass Augustinus diesen Zenobius als möglichen Deuter des Dialogs imaginiert, um mittels dieser Figur, die auf einer Lösung des Problems der Ordnung inständig insistiere (vgl. die oben zitierte Stelle ord. 1,9,27), dem Leser die Aufforderung zu geben, sich mit der verhandelten Frage auseinanderzusetzen und mit der metaphorisch ausdeutbaren Dialoghandlung als Grundlage das Problem zu lösen.27 Die immer wieder in die Aporie führende Argumentation zeigt dem Rezipienten dabei die Klippen auf, die es zu meiden gilt. Der Umstand, dass dem Adressaten Zenobius nicht ein Traktat, sondern die Dialoghandlung im Ganzen als Antwort geschickt wird, gibt dem Leser jedenfalls einen Hinweis darauf, dass nicht nur die Betrachtung der Argumente, sondern gerade die eigenständige Deutung der Gesprächssituationen und äußeren Ereignisse28 dazu führt, eine Lösung in der verhandelten Frage zu finden. Der gebildete Zenobius wird somit gemeinsam mit dem in der Dialogfiktion vergegenwärtigten
24 Fuhrer (2013b) insb. 51–54 sowie 57 (Konklusion) legt ausführlich dar, dass Augustinus in De ordine auch mit einem manichäisch geprägten Lesepublikum zu rechnen scheint und „dass er den literarischen Dialog und seine Szenerie deshalb auch manichäisch codiert, dass er aber diese Codes neu semantisiert und die Motiv- und Bildersprache entsprechend der platonisch-christlichen Ontologie und Theologie umcodiert und in eine platonisch-ontologisch begründete Symbolsprache transformiert“ (57). 25 Grundlegend zur metaphorisch ‚inszenierten‘ Ordnung Hübner (1987); dass diese Ordnung explizit anti-manichäisch strukturiert ist, betont Fuhrer (2013b). 26 Fuhrer (2013b) 47. 27 Augustinus spricht in einem Brief, den er an Zenobius richtet (epist. 2), von einer begonnenen Diskussion (inchoata disputatio), ohne dass er deren Umstände näher erläutert. In De ordine (ord. 1,7,20) deutet er diese Situation aus, dass er Zenobius bisher nicht habe Genüge leisten können und ihm daher den Dialog als Antwort senden werde. 28 Zur Bedeutung der äußeren Ereignisse, in denen Augustinus offenbar einen Ausdruck einer verborgenen Ordnung sieht (vgl. Voss [1970] 224), einschlägig Hübner (1987), Fuhrer (2013b).
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Schülerkreis29 zum potentiellen ‚Problemlöser‘, eine Aufgabe, die zu erfüllen nun der Leser eingeladen ist.30 Sollte dann der Leser zu einer Lösung kommen, mag er angesichts von Augustinus’ Schilderung, wie Licentius in sich eine höhere Macht zu spüren glaubte, als er eine Antwort auf die Frage nach dem ungleichmäßigen Fließen des Wassers31 fand, sein ‚Heureka-Erlebnis‘ möglicherweise ebenfalls als eine Art Wirken einer göttlichen Macht erleben.32 Dass Zenobius neben seinem Drang zur Lösung des in De ordine verhandelten Problemkomplexes auch über Gottesfurcht, gute Gesinnung und Weitblick verfügt, wird in Buch 2 quasi im Vorbeigehen vergegenwärtigt.33 Indem die Dialogfigur Augustinus am Ende des zweiten Buchs von De ordine Alypius’ Lob mit dem Hinweis erwidert, dass er sich in besonderem Maße über dessen Geisteshaltung freue,34 wird dem Leser abschließend noch einmal verdeutlicht, dass es insbesondere die Annahme einer Haltung sei, auf welche die ganze Diskussion ziele.35 29 Zu Denkräumen in Mailand zu Augustinus’ Zeit im Allgemeinen vgl. Fuhrer (2012); zum Umstand, dass sich Augustinus’ intellektueller Denkraum jenseits des ‚Raums‘ der nizänischen Kirche befand, Fuhrer (2012) insb. 369–373. Dem entspricht, dass auch in diesem Schülerkreis ein vollständig intelligibles Gottesbild vorausgesetzt wird. 30 Douglass (1996) 42 weist auf den wichtigen Umstand hin, dass gerade Augustinus’ Porträtierung der Schüler, die auf der Suche sind, den Leser dazu ermuntere, ebenfalls aktiv zu suchen. Dieser performative Aspekt ist sicherlich in besonderer Weise bedeutsam für Augustinus’ Wahl der Dialogform. 31 Aug. ord. 1,3,6–1,3,8. 32 Schon bald nach Beginn des Gesprächs formuliert Licentius nach ersten Erkenntniserfolgen den Eindruck, dass eine höhere Macht von ihm Besitz ergreife (Aug. ord. 1,4,10). Trygetius versucht, Licentius zu stoppen, doch wird er von Augustinus zurückgehalten, der ihn darin bestärkt, dieser Macht zu folgen. Korrekt weist Douglass (1996) 41 darauf hin, dass es der Lesererwartung an einen philosophischen Dialog widerspricht, wenn Augustinus beschreibt, dass eine höhere Macht innerhalb der Gesprächsgemeinschaft wirke, und er seine Leserschaft mittels der Ansprache an den Adressaten Zenobius schon auf diesen Umstand vorbereite, wenn er im Prolog schreibt, Zenobius möge selbst Teil der genannten Ordnung werden (ord. 1,2,4). 33 Indirekt wird in Aug. ord. 2,5,15 auf Zenobius verwiesen: […] alios autem pios et bonos atque splendido ingenio praeditos, qui neque nos deseri a summo deo possunt in animum inducere et tamen rerum tanta quasi caligine atque commixtione turbati nullum ordinem vident volentesque sibi nudari abditissimas causas errores suos saepe etiam carminibus conqueruntur, […]. – „Es gibt aber auch andere, die gottesfürchtig, gut und zu großem Weitblick fähig sind; sie können sich nicht dem Glauben anschließen, dass wir von dem höchsten Gott verlassen seien. Trotzdem sehen sie keine Ordnung, weil sie von dem Geschehen verwirrt sind wie von einem undurchdringlichen Dunkel. Da sie sich aber die verborgenen Ursachen aufdecken lassen wollen, klagen sie über ihr Irren, oft auch in Gedichten.“ Vgl. hierzu Trelenberg (2009) 224f. 34 Aug. ord. 2,20,54: Accipio ista, inquam, libenter neque enim me tam verba tua, quae vera non sunt, quam verus in verbis animus delectat et excitat […] – „‚Ich nehme gern entgegen, was du eben gesagt hast‘, erwiderte ich [scil. Augustinus]. ‚Und zwar sind es nicht so sehr deine Worte, über die ich mich freue und die mich anregen – denn sie treffen nicht ganz das Wahre –, als vielmehr die wahre Gesinnung, die aus deinen Worten spricht.‘“ 35 So weist die Dialogfigur Augustinus darauf hin, die Leserschaft werde auch ein falsches Urteil der Schüler verzeihen, da sie die richtige Geisteshaltung, nämlich die eines ‚Liebenden‘,
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Zu der metaphorischen Ausdeutbarkeit der Dialoghandlung passt der Schluss des zweiten Buchs von De ordine, denn die Diskussion endet zum Einbruch der Nacht, als ein nächtliches Licht hereingetragen wird:36 Dieses Bild ist analog zur vorher gebrauchten Symbolsprache metaphorisch ausdeutbar:37 Der Leser wird nach der Aporie mit einem ungelösten Problem entlassen (‚Nacht‘), doch sind ihm durch den Dialog Hinweise zur Lösung (die ‚Laterne‘) gegeben worden. Zu diesem ‚Licht‘ ist ihm aber in De ordine auch ein Rollenmodell nahegelegt worden, nämlich das des engagiert und hartnäckig Forschenden, das ihn dazu veranlassen mag, selbst weiterzusuchen. 3. CONTRA ACADEMICOS (ADRESSAT: ROMANIANUS) Betrachten wir nun den Dialog Contra Academicos, der an erster Stelle der Trilogie steht. Adressat ist Augustinus’ Förderer Romanianus,38 der in Nordafrika sein Studium finanziell unterstützte, nun aber selbst sein wohlhabendes Leben39 unfreiwillig aufgegeben zu haben scheint. Diesem stellt der präfatorische Augustinus gleich zu Beginn des Prologs in Aussicht, Rückkehr zu sich selbst40 und innere
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angenommen hätte. Zudem weist Augustinus darauf hin, dass Zenobius gerne etwas Falsches über ihn annehme und die Schrift eine Gelegenheit sei, ihn hierüber aufzuklären: […] et bene, quod ei mittere statuimus has litteras, qui de nobis solet libenter multa mentiri. Si qui autem alii fortasse legerint, neque hos metuo, ne tibi suscenseant. Quis enim amantis errori in iudicando non benevolentissime ignoscat? – „[…] und gut, dass wir beschlossen haben, unsere Mitschrift jemandem zu schicken, der gern Falsches über uns anzunehmen [Voss: ‚zu verbreiten‘] pflegt. Wenn vielleicht noch andere unser Protokoll lesen, so habe ich bei ihnen keine Befürchtungen, dass sie dir zürnen könnten. Denn wer wäre nicht nachsichtig gegenüber einem Liebenden, der in seinem Urteil irrt?“ (Aug. ord. 2,20,54). Fuhrer (2013b) 57 weist auf die optimistische Stimmung hin, die „durch die Bemerkung unterstrichen [wird], dass das ‚nächtliche Licht‘ hereingetragen wird“ (ord. 2,20,54). Vgl. Fuhrer (2013b) 57: „[…] der Bezug auf die Szene im Schlafgemach am Anfang von De ordine sowie die im Gespräch selbst vorgeschlagene Allegorese derselben (1,23) legen wiederum eine symbolische Deutung nahe: Das ‚nächtliche Licht‘, das nicht in der Nacht ‚gefangen‘ ist, sondern diese erhellt, dokumentiert keine Unheils-Situation, sondern entspricht der frohen und hoffnungsvollen Stimmung, in der sich die Gruppe befindet.“ Zu Romanianus siehe Fuhrer (1997) 4f. Romanianus gehörte zur Oberschicht von Augustinus’ Geburtsstadt Thagaste und förderte dessen Ausbildung finanziell. Mit ihm gemeinsam trat er zum manichäischen Glauben über, später versuchte Augustinus ihn in drei Briefen (epist. 15–17) zum katholischen Glauben zu bewegen. Neben Contra Academicos ist an Romanianus auch die Schrift De vera religione gerichtet. Es ist nicht auszuschließen, dass er der auf einer Inschrift in Thagaste genannte Cornelius Romanianus ist (CIL 8 Suppl. 1 Nr. 17226). Aug. acad. 1,1,2. Schlapbach (2003) 46 weist überzeugend darauf hin, dass es sich bei der Schilderung von Romanianus’ Leben vor dem Schicksalsereignis „um die stilisierte Beschreibung eines Typs, nicht um ein realistisches Porträt“ handelt. Zu dem platonischen Motiv der ‚Rückkehr zu sich selbst‘ Schlapbach (2003) 34f.
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Freiheit41 erlangen zu können. Dies sei das Ziel der Gebete an Gott.42 Der Beitrag der Philosophie43 zur Erlangung dieses Ziels liege darin, eine verborgene Ordnung in der Welt sichtbar zu machen,44 die das Schicksal lenke:45 Quam sententiam [scil. fortunam occulto quodam ordine regi] uberrimarum doctrinarum oraculis editam remotamque longissime ab intellectu profanorum se demonstraturam veris amatoribus suis, ad quam te invito, philosophia pollicetur. Diesen Erkenntnissatz [dass das Schicksal durch eine gewisse verborgene Ordnung gelenkt werde], durch Offenbarungssprüche voll fruchtbarster Lehren verkündet, weit entfernt von der Denkweise der Uneingeweihten, verspricht die Philosophie, für die ich dich gewinnen möchte, ihren wahren Liebhabern zu zeigen.
Wenngleich die Wahl Romanianus’ als Adressat des ersten Dialogs angesichts seiner großzügigen finanziellen Unterstützung von Augustinus’ Karriere nahelag, ist auffällig, dass seine Wohltaten gegenüber Augustinus und der gemeinsame Lebensweg, insbesondere die gemeinsamen Erfahrungen, erst Gegenstand der Vorrede des zweiten Buchs werden. Im Prolog des ersten Buchs wird Romanianus eher als jemand dargestellt, der des Zuspruchs und der Unterstützung bedarf und dem Augustinus als Vorredensprecher Rekreation verspricht.46 Augustinus imaginiert damit einen Leser, der erst noch für die Diskussionen motiviert werden muss,47 indem ihm Zuversicht gegeben wird, mittels philosophischer Reflexion persönliche Rekreation erlangen zu können. Zudem orientiert er den Leser gleichzeitig auf zentrale Themen der drei Dialoge. Damit eröffnet Augustinus das Spannungsfeld, in dem die Schrift als Ganzes steht, nämlich zum einen gegen skeptizistische Auffassungen plausibel zu ma41 Die Bildersprache steht in platonischer Tradition und versinnbildlicht, dass die ‚Befreiung‘ als Loslösung von allem sinnlich Wahrnehmbaren und Hinwendung zum Intellekt zu verstehen ist. Vgl. Schlapbach (2003) 35–37. 42 Aug. acad. 1,1,1: nihil pro te nobis aliud quam vota restant, quibus ab illo, cui haec curae sunt, deo, si possumus, impetremus, ut te tibi reddat – ita enim facile reddet et nobis – sinatque mentem illam tuam, quae respirationem iam diu parturit, aliquando in auras verae libertatis emergere. – „Nichts anderes bleibt uns für dich als nur Gebete zu jenem Gott, der diesen Dingen seine Sorge zuwendet, Gebete, in denen wir, wenn möglich, erwirken möchten, dass er dich dir zurückgibt – denn damit wird er dich ohne Weiteres auch uns zurückgeben – und deinen Geist, der sich seit Langem schon wieder frei zu atmen sehnt, am Ende in die Luft wahrer Freiheit aufsteigen lässt.“ 43 Die Philosophie wird hier, wie Schlapbach (2003) 39 herausstellt, einerseits als „autoritative Wissensquelle“ verstanden, „andererseits […] auch als rationale Durchdringung ihres Gegenstands, die zur Emanzipation von der Autorität führt“ (ebd.). 44 Bereits hier motiviert der Prologsprecher Augustinus den Leser für den Gegenstand des dritten Dialogs De ordine, in welcher die Gesprächsgemeinschaft das Problem der inneren Ordnung der Welt behandelt. 45 Aug. acad. 1,1,1. 46 Im Prolog von Buch 2 werden die Hindernisse, die von Seiten der Skepsis einem zuversichtlichen Streben nach Erkenntnis entgegenstehen, kurz genannt, um dann zu diskutieren, ob diese für Romanianus relevant waren, vgl. Fuhrer (1997) 55f. Zentrales Element des Proömiums des 2./3. Buchs ist jedoch die autobiographisch durchwirkte Danksagung an Romanianus (3– 5). 47 Zur Protreptik des Proömiums (acad. 1,1,1–1,1,4) vgl. Schlapbach (2003) 7–9.
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chen, dass sicheres Wissen möglich ist, und zum anderen ein ethisches Ziel anzustreben, das zu Glück und gelungener Lebensführung führt.48 Wenig später wird dem Adressaten der eigene Sohn Licentius als Beispiel vor Augen gestellt, der im Weiteren als eine der zentralen Figuren der dialogischen Handlung auftreten wird: Er lebe bereits voller Begeisterung in der Philosophie, so der augustinische Prologsprecher zu Romanianus:49 In hac [scil. philosophia] mecum studiosissime vivit noster Licentius, ad eam totus a iuvenalibus illecebris voluptatibusque conversus est ita, ut eum non temere patri audeam imitandum proponere. In ihr [scil. der Philosophie] lebt mit mir voller Eifer unser Licentius. Er hat sich fort von den verlockenden Vergnügungen der Jugend ganz zu ihr gewandt, so sehr, dass ich ihn ohne Bedenken seinem Vater zur Nachahmung hinzustellen wage.
Indem der Prologsprecher Augustinus mit Licentius ein Identifikationsangebot an Romanianus richtet,50 wird die Aufmerksamkeit des Lesers fortan auf diese Figur gelenkt, deren Charaktergestaltung sich beim Lesen des Textes in der Tat als aufwendig und elaboriert erweist. Licentius schwankt in Contra Academicos und in De ordine zwischen dem Verlangen, Gedichte zu schreiben (sein gegenwärtiges Thema ist die Liebesgeschichte von Pyramus und Thisbe), und dem Ernst philosophischer Reflexion. Als Hindernis, sich der Philosophie zu widmen, zeigt sich in Contra Academicos insbesondere Licentius’ Resignation, überhaupt Erkenntnis erlangen zu können, die ihn in die Arme der akademischen Skepsis getrieben habe. Von dieser Resignation gilt es ihn zu befreien.51 Es ist in der Forschung darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Figur des Licentius, die in allen drei Cassiciacum-Dialogen eine wichtige Rolle spielt und deren Wandlung so deutlich wie die keiner anderen Dialogfigur hervortritt, 48 Innerhalb der Forschung wird die Debatte geführt, ob die Schrift eher ein epistemologisches oder ein ethisches Ziel verfolge. Vgl. hierzu im Detail van den Meeren (2007) 86–88, dort auch weitere Literatur. Van den Meeren (2007) 109 weist darauf hin, dass Augustinus’ Argumentation darauf ziele, zwischen zwei Hemmnissen einen Weg frei zu machen. Das eine Hemmnis ist die Verzweiflung an der Zuversicht, die Wahrheit zu erkennen, das andere, zu glauben, man habe sie bereits gefunden. Hierfür liefere Augustinus zwei ‚Heilmittel‘: zum einen davon zu überzeugen, dass Wahrheit möglich ist, zum anderen jede ungesicherte Annahme und jede Voreingenommenheit zu verstoßen. 49 Aug. acad. 1,1,4. 50 Vgl. Kenyon (2018) 123: „Augustine presents the discussion that follows as a model for Romanianus to imitate.“ 51 Diese Gedankenfigur, dass die Widerlegung einer skeptizistischen Haltung zur Überwindung der Resignation führt, in kosmologischen und theologischen Fragen Erkenntnis erlangen zu können und sich dabei dem Christentum anzuvertrauen, liegt auch dem ersten uns überlieferten christlichen Dialog, dem Octavius des Minucius Felix, zugrunde, wobei Minucius Felix die Figur des Skeptikers Caecilius noch künstlich schwach gestaltet hatte. Augustinus rollt die Auseinandersetzung mit der akademischen Skepsis in den drei Büchern Contra Academicos unter Teilnahme seiner Schüler erneut und mit einer ernsthafteren Wiedergabe der Position der akademischen Skepsis auf. Zu Augustinus’ Strategie vgl. Fuhrer (1992). Augustinus sieht, so Uhle (2012) 40f., im Skeptizismus der Akademiker offenbar eine Methode, die „Grundsätze materialistisch geprägter Philosophen […] in Frage zu stellen“ (40). Vgl. auch Anm. 62.
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einzelne Ähnlichkeiten mit Augustinus’ Darstellung seiner selbst in den Confessiones vor seinem Bekehrungserlebnis in den Mailänder Gärten aufweist.52 Daher mag die Figur des Licentius in der Weise gedeutet werden, dass sie gewissermaßen das menschliche Ringen um Erkenntnis und die immer wiederkehrende Resignation, diese erlangen zu können, exemplifiziert, ein Zustand, von dem Augustinus als Dialogfigur seine Gesprächspartner zu befreien beabsichtigt, um sie zu einem zuversichtlichen Streben nach Wissen zu führen: Ein erster Schritt, der vollzogen werden soll, ist die Abwendung von der (akademischen) Skepsis,53 die sich im Ganzen als zweischneidig erweist,54 und der Gewinn an Zuversicht, überhaupt zu irgendeinem Wissen gelangen zu können.55 Ein entscheidender argumentativer Schritt in Contra Academicos liegt darin, dass Augustinus proklamiert, die skeptische Akademie habe ihr Gedankengebäude nur errichtet, weil sie die Wahrheit nicht habe sauber erfassen können und ein Vorgehen benötigt habe, um mit diesem Umstand methodisch korrekt umzugehen. Diesen Gedanken eröffnet der Vorredensprecher Augustinus Romanianus, bevor die Gesprächsgemeinschaft im Dialog mühsam zu dieser Erkenntnis gelangt:56 Nam et ceteri philosophi sapientem suum eam [scil. sapientiam] invenisse putaverunt et Academici sapienti suo summo conatu inveniendam esse professi sunt idque illum agere sedulo; sed quoniam vel lateret obruta vel confusa non emineret, ad agendam vitam id eum sequi, quod probabile ac veri simile occurreret. Alle anderen Philosophen nämlich waren der Ansicht, der Weise habe sie [scil. die Weisheit] gefunden, und selbst die Akademiker erklärten, der Weise habe sich aufs Äußerste anzustrengen, sie zu finden; eben das betreibe er mit Eifer. Doch da sie verschüttet und verborgen sei oder, mit anderen vermengt, nicht deutlich hervortrete, folge er in seiner Lebensführung dem, was ihm als annehmbar und wahrscheinlich begegne.
Der paradigmatische Schüler Licentius, dem Augustinus’ erste Zuwendung gilt, ist Modell für den Adressaten Romanianus, der sich ebenso wie Licentius in einer prekären Situation befinde, nämlich zwischen Resignation und allmählicher Erkenntniszuversicht. Beide stehen vor einer Veränderung der Persönlichkeit, für 52 Parallel zu Licentius’ ‚Psalmodie‘ auf dem Abort ist etwa Augustinus’ Birnendiebstahl in den Confessiones gestaltet; vgl. hierzu Hübner (1987) 36f., dort auch weitere Literatur. 53 Mit der Widerlegung des Skeptizismus in Contra Academicos soll neben dem bloßen Befreiungsakt ein theoretisch abgesichertes Fundament gelegt werden, „von dem der Suchende ausgehen und worauf er seine Zuversicht, die Wahrheit erkennen zu können, gründen kann“ (Hübner [2007] 63). Vgl. zu Augustinus’ Ansatz Fuhrer (1992). 54 Vgl. die Zusammenfassung bei Uhle (2012) 41f.: Der Skeptizismus sei einerseits „ein geeignetes Mittel, um gegen dogmatische ‚Irrtümer‘ vorzugehen, deren Kennzeichen es sei, dass etwas für sicheres Wissen gehalten werde, ohne es zu sein; andererseits müsse er selbst bekämpft werden, da er an der Möglichkeit sicheren Wissens überhaupt und damit an der Möglichkeit, glücklich zu werden, zweifeln lasse.“ 55 Die ersten Schritte zu einer neuen Erkenntnisbasis werden bereits in acad. gelegt. Vgl. hierzu Kenyon (2014) 144: „In each case, debates fail to reach any definite conclusion and by this failure help identify and undermine (un-teach) various false assumptions. But these same debates constitute instances of rational activity, and by reflecting on this activity, characters discover things about themselves as rational agents.“ 56 Aug. acad. 3,1,1.
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die einige Anstrengung nötig ist (acad. 1,1,1). Mit dem Hinweis auf Licentius gibt Augustinus Romanianus (und damit auch dem Leser) den Hinweis, neben der dialogischen Argumentation auch Licentius’ Entwicklung in den Blick zu nehmen. Dass Augustinus Licentius’ Vater als Adressaten wählt, der qua natura mit Licentius eng verbunden ist, intensiviert den Fokus auf diese Dialogfigur und motiviert den Leser, sie schärfer und empathischer wahrzunehmen. Gut zehn Jahre später hat der Autor Elemente dieser Figur in den Confessiones erneut entfaltet, aber in seiner eigenen Person autobiographisch exemplifiziert.57 Licentius bleibt auch im Dialog De ordine eine Figur, der die Fürsorge des Adressaten, hier des Zenobius gilt, wie innerhalb des Gesprächs die Dialogfigur Augustinus gegenüber Licentius betont.58 Hier zeigt sich, dass Zenobius in seiner persönlichen Entwicklung bereits deutlich weiter als Licentius oder Romanianus fortgeschritten ist, zumal er offenbar nicht wie Romanianus erst an die Philosophie herangeführt bzw. wie Licentius ermutigt werden muss, sich von der akademischen Skepsis zu lösen,59 sondern bereits eine engagierte Diskussion komplexer Probleme mit Augustinus führt.60 Somit zeigt sich Zenobius gegenüber Romanianus (und Licentius) als Figuration eines fortgeschrittenen Lesers, den dieser dritte Dialog De ordine einfordert. Bei Zenobius geht es nicht (wie bei Romanianus) primär um das Befreien für die Philosophie, was bereits geschehen ist, oder das Befreien von dem Erkenntnispessimismus der akademischen Skepsis (wie bei Licentius), sondern um den nächsten Schritt, der für den Erkenntnisprozess wesentlich ist: nämlich das Erkennen, was der Mensch ist. Dies gelinge nur, wenn er sich – ganz nach neuplatonischer Vorstellung – in sich selbst zurückziehe.61 Im ersten Dialog Contra Academicos greift Augustinus noch an entscheidender Stelle, nämlich am Ende des ersten Buchs, ein und führt die Argumentation 57 Vgl. hierzu ausführlich Trelenberg (2009) 409–415. 58 Aug. ord. 1,7,20: Nam id relinquere mihi responsuro [scil. Zenobius] statuerat et multa concurrunt, cur ei sermo iste mittatur: Primum est, quia debetur; deinde quia, cuius modi nunc vitam ducamus, etiam sic indicari eius in nos benevolentiae decet; postremo quod in gaudio de spe tua [scil. Licentii] nemini cedit. – „Er [scil. Zenobius] hatte nämlich beschlossen, mir die Beantwortung zu überlassen, und so kommt vielerlei zusammen, warum ihm unser jetziges Gespräch geschickt werden muss. Der erste Grund ist, dass ihm dieses Gespräch geschuldet wird. Der zweite Grund ist, dass es sich angesichts seines Wohlwollens ihm gegenüber ziemt, ihm auf diese Weise anzuzeigen, wie wir unsere Tage verbringen, und drittens, dass er sich genauso wie wir alle über die Hoffnungen freut, die du [scil. Licentius] geweckt hast.“ 59 Im Gegensatz zu Romanianus ist Licentius bereits an die Philosophie herangetreten, favorisiert jedoch noch die akademische Skepsis (vgl. Anm. 54). Dies zeigt sich in seiner Argumentation nicht zuletzt darin, dass er bspw. in acad. 1,3,7 seinen Standpunkt nicht in einem affirmativen Urteil, sondern in einer negativ formulierten indirekten Frage formuliert (Uhle [2012] 46). 60 Auch die Befreiung von äußeren Begierden ist ein wesentlicher Fortschritt, den Zenobius bereits erreicht habe (ord. 1,2,4): Sic enim mihi notum est ingenium tuum [scil. Zenobii] et pulchritudinis omnimodae amator animus sine libidinis immoderatione atque sordibus. – „Denn so gut sind mir deine [scil. Zenobius’] Fähigkeiten bekannt, und so sehr liebt dein Geist jede Art von Schönheit ohne das Unmaß und die Niederträchtigkeit der Begierde!“ 61 Aug. ord. 1,1,3.
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aus der Aporie hinaus zu einem Abschluss. So war das Gespräch zwischen den Schülern im ersten Buch, das die Dialogfigur Augustinus führen ließ und in dem Licentius den Part des skeptischen Akademikers übernahm, während Trygetius dagegen argumentierte, zunächst nicht recht in Gang gekommen und vorerst gescheitert.62 Am Ende des ersten Buchs reflektiert und würdigt Augustinus – hier in seiner Rolle als Lehrer – die vielversprechenden Ansätze der Schüler. Erst mit dem Gespräch zwischen Alypius und Augustinus im zweiten und dritten Buch gelingt eine Lösung.63 Diese Lösung bleibt in De ordine jedoch in einem wichtigen Punkt aus und muss vom Rezipienten gefunden werden. Eine Fortsetzung wird nur angekündigt, der intendierte Rätsellöser mit dem Adressaten Zenobius beziehungsweise Augustinus’ Schülerkreis aber bereits imaginiert. 4. DE BEATA VITA (ADRESSAT: THEODORUS) Im Dialog De beata vita nimmt der Gelehrte und Spitzenbeamte Flavius Mallius Theodorus64 die Rolle des Adressaten ein, der bereits zur Abfassungszeit des Dialogs 386 n. Chr. auf eine beachtliche Karriere zurückblicken konnte,65 die er später im Jahre 399 mit dem Konsulat krönte. Er ist Verfasser philosophischer und astronomischer Schriften.66 Augustinus spricht den christlichen Neuplatoniker,
62 Vgl. Uhle (2012) 42–78, der herausarbeitet, dass die „Funktion des ersten Buchs darin liegt, deutlich zu machen, dass auf der Basis stoischer Prämissen der akademische Standpunkt nicht effektiv attackiert werden kann“ (43). 63 Die Schrift Contra Academicos im Ganzen zielt darauf, „die akademischen Grundthesen, dass nichts sicher erkannt werden könne und dass der Weise infolgedessen zu nichts seine Zustimmung geben dürfe, zu widerlegen“ (Uhle [2012] 45). 64 Zu Flavius Mallius Theodorus (Claudian: Manlius Theodorus) s. zusammenfassend Jones/Martindale/Morris (1971) 900–902 [Theodorus 27] und Pietri/Pietri (2000) 2167f. [Theodorus 3], außerdem Trelenberg (2009) 167. 65 Hauptquelle ist der 343 Verse (ohne Proömium) umfassende Panegyricus Claudians auf Manlius Theodorus (Claud. Pan. dict. Fl. Manlio Theodoro). Aus diesem 399 n. Chr. verfassten Text sind Theodorus’ wichtigste Ämter vor seinem Konsulat zu rekonstruieren, jedoch nicht exakt zu datieren. So war er nach den Datierungsvorschlägen bei Jones/Martindale/Morris (1971) 901, unter Gratian im Jahre 377 (?) Statthalter einer afrikanischen Provinz, 379 (?) Magister memoriae, 383 (?) der Prätorianerpräfekten der gallischen Provinzen Hispanien, Gallien und Britannien. Nach einer längeren Karrierepause wird er unter Stilicho in den Jahren 397–399 Prätorianerpräfekt von Illyricum, Italien und Africa. Möglicherweise liegt der Beginn der Karrierepause vor 386 n. Chr. (383 n. Chr. stirbt Gratian, unter dem Theodorus seine Karriere begonnen hatte). Dann hätte sich Augustinus bei der Wahl des Adressaten für einen Mann entschieden, der sich nach einer beachtlichen Karriere ins Privatleben zurückgezogen hatte. Dass er unter Stilicho seine Ämterlaufbahn fortsetzte, könnte eine Erklärung dafür sein, dass Augustinus seine Wahl als Adressat in den Retractationes (retract. 1,2,1) 426/427 bereut. 66 Claud. Pan. dict. Fl. Manlio Theodoro MGH aa 10, vv. 100–112 (p. 180); 253–255 (p. 185); 332–335 (p. 188). Von Mallius Theodorus überliefert ist uns eine Schrift über Metrik (liber de metris).
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den er als begeisterten Leser Plotins charakterisiert67 und dessen Beredsamkeit, Bildung und Tapferkeit er lobt,68 in der Vorrede deutlich ehrerbietiger als die anderen beiden Adressaten an und betont, dass Theodorus ihn in seinem Wissensstand sogar übertreffe:69 Quare obsecro te per virtutem tuam, per humanitatem, per animarum inter se vinculum atque commercium, ut dexteram porrigas, hoc autem est, ut me ames et a me vicissim te amari credas carumque haberi. Quod si impetravero, ad ipsam beatam vitam, cui te iam haerere praesumo, parvo conatu facillime accedam. Deshalb beschwöre ich dich bei deiner Tugend, bei deiner Güte, bei der Verbundenheit und Gemeinschaft unserer Seelen, dass du mir deine Rechte reichst. Das aber heißt, dass du mich liebst und gewiss sein kannst, auch von mir geliebt und geschätzt zu werden. Ist dies mir erst sicher, dann werde ich mit wenig Mühe, ja mit Leichtigkeit zum Glück selbst gelangen, an dem du, wie ich annehme, schon teilhast.
Hier ist es Augustinus, dem, so er selbst, ein Fortschritt in Aussicht stehe: ad ipsam beatam vitam […] facillime accedam. Voraussetzung sei, dass er die Zuwendung des Erfahreneren erhalte. In der drei Tage umfassenden dialogischen Handlung erarbeitet er sich in Auseinandersetzung mit der stoischen Glückslehre die Voraussetzungen, dass jemand glücklich genannt werden dürfe.70 Die Dialogfigur Augustinus präsentiert die zentralen Thesen, deren Zustimmung er von der Gesprächsgemeinschaft einholt, metaphorisch als Speisen eines Gastmahls, das er für die Gesprächsteilnehmer auftrage. 71 Die Gesprächspartner sind somit bereits durch dieses Bild eher als Rezipienten inszeniert: Augustinus bereite das geistige Gastmahl zu, die anderen seien zum ‚Essen‘ geladen. Anders als in Contra Academicos und De ordine führt 67 Aug. beat. vit. 1,4: Lectis autem Plotini paucissimis libris, cuius te esse studiosissimum accepi, […]. – „Nach der Lektüre von sehr wenigen Plotin-Büchern, hinter denen du, wie ich gehört habe, eifrigst her bist, […].“ 68 Aug. beat. vit. 1,1; 1,5. 69 Aug. beat. vit. 1,5. Der späte Augustinus relativiert in den Retractationes dieses außerordentliche Lob gegenüber Theodorus: Er habe ihm mehr Reverenz erwiesen, als er dies hätte tun müssen (Aug. retract. 1,2,1): Displicet autem illic quod Mallio Theodoro, ad quem librum ipsum scripsi, quamvis docto et christiano viro, plus tribui quam deberem. – „Dort missfällt mir aber, dass ich Mallius Theodorus, dem ich den Brief persönlich gewidmet hatte, obgleich einem gelehrten und frommen Mann, mehr zugestanden habe, als ich hätte tun müssen.“ Zitate aus Augustinus’ Retractationes folgen der Ausgabe von Mutzenbecher (1984). Die Übersetzungen stammen vom Autor dieses Beitrags. 70 Ging es in Contra Academicos um die formale Bedingung des Glücks, so geht es in De beata vita um die inhaltliche Bestimmung, vgl. Uhle (2012) 115. 71 Aug. beat. vit. 2,9: […] arbitror die natali meo, quoniam duo quaedam esse in homine convenit inter nos, id est corpus atque animam, non me prandium paulo lautius corporibus nostris solum, sed animis etiam exhibere debere. Quod autem hoc sit prandium, si esuritis, proferam. […] Omnes se vultu ipso et consentiente voce, quicquid praeparassem, iam sumere ac vorare velle dixerunt. – „[…] meine ich, dass ich an meinem Geburtstag nicht nur unserem Körper, sondern auch unserer Seele ein etwas köstlicheres Frühstück anbieten sollte. Was dies jedoch für ein Frühstück ist, will ich erst vorbringen, wenn euch danach verlangt. […] Alle gaben mir einstimmig durch Blick und Wort zu verstehen, dass sie nehmen und ‚verspeisen‘ wollten, was immer ich zubereitet hatte.“
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die nur ein Buch umfassende Schrift De beata vita effizient und zielstrebig zu einem Ergebnis hin, nämlich dass das Glück nicht in der Hand des Menschen liege,72 wobei den Dialogteilnehmern im Wesentlichen die Aufgabe zukommt, die von Augustinus (und in einigen wichtigen Fällen auch von Augustinus’ Mutter Monnika) aufgestellten Thesen kritisch zu prüfen und nur in wenigen Fällen weiterzuführen. Im ersten Teil wird die stoische Glückslehre ad absurdum geführt, in den Abschlusskapiteln73 schließlich kurz und prägnant ein christlicher Gegenentwurf entfaltet.74 Im Proömium gibt Augustinus die Schrift dem deutlich älteren und erfahreneren Gelehrten Theodorus im Rahmen einer Gelehrtenfreundschaft zur Lektüre.75 Dies ist ein Indiz, dass der Leser die Schrift nicht als protreptisches Übungsgespräch, sondern als begutachtungsfähiges Konzept rezipieren soll. 5. ZUSAMMENFASSUNG Entsprechend dem jeweils gewählten Adressaten und seiner Adressierung durch Augustinus zeigen sich die drei Dialoge funktional verschieden: Contra Academicos erweist sich als protreptisches Propädeutikum (Buch 1) in einem anspruchsvollen epistemologischen Themenkomplex, den die Bücher 2 und 3 entfalten,76 De ordine als anspruchsvolle Erörterung der wichtigen Frage nach der Ordnung in der Welt und der Theodizee, verbunden mit der Aufgabe, den unbefriedigenden Gesprächsstand weiterzuführen, De beata vita schließlich als begutachtungsfähiges Konzept über die Frage nach dem glücklichen Leben. Diese Reihenfolge der Dialoge wäre zunächst naheliegend. Die drei Adressaten bilden eine Reihe von Personen mit zunehmender ‚philosophischer‘ Professionalisierung: Wendet sich Augustinus in den Proömien von Contra Academicos in der Rolle des erfahrenen Freundes an den in Nordafrika gebliebenen Romanianus mit dem Vorhaben, diesen zu einem freieren und erfüllteren Leben zu führen und ihm so seine Dankbarkeit zu erweisen, so ordnet er sich in De ordine gegenüber dem Adressaten Zenobius in das Netzwerk einer ganzen Gruppe von Freunden und Schülern ein, die miteinander in engem Austausch stehen. In De beata vita schließlich wendet er sich für Rat und Expertise an
72 Dies geschieht über die Widerlegung pagan-philosophischer, insbesondere stoischer Prämissen, vgl. Uhle (2012) 149f. 73 Im strengen Sinne stringent ist die Argumentation zumindest an einer Stelle nicht, da in § 35 die (philosophische) Weisheit (sapientia) unvermittelt mit der Weisheit Gottes (dei sapientia) identifiziert und der Argumentation so eine spezifisch christliche Prämisse zugrunde gelegt wird (Uhle [2012] 143f.). 74 Zur Argumentation in De beata vita vgl. Uhle (2012) 115–153. 75 Aug. vit. beat. 1,4. 76 Vgl. hierzu ausführlich Kenyon (2018).
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den etablierten Gelehrten Theodorus, der ein Urteil über seinen Dialog fällen möge.77 Doch werden die Dialoge nicht nur in der anderen Reihenfolge Contra Academicos, De beata vita, De ordine überliefert, sondern strukturelle und motivische Aspekte machen die Mittelstellung von De beata vita zwingend.78 Diese Reihenfolge führt zu einem sinnvollen Ablauf: In Contra Academicos gewinnt der Rezipient Vertrauen in seine Erkenntnisfähigkeit und wird motiviert, durch konzentrierte Überlegung und Argumentation unter Anleitung durch die Dialogfigur Augustinus etwas noch Unentdecktes entdecken zu können. Die jüngeren Schüler Licentius und Trygetius scheitern zunächst, ohne sich jedoch schlecht geschlagen zu haben (Buch 1). Augustinus reflektiert am Ende von Buch 1 die Gründe für ihr Scheitern, im Weiteren ab Buch 2 führt er in der Diskussion mit dem erfahreneren Schüler Alypius das Problem einer Lösung zu und fördert so die Zuversicht, in den weiteren Gesprächen Erfolge zu erzielen. Es folgt mit De beata vita eine Schrift, die souverän durch Augustinus moderiert wird. In ihr wird zunächst zielstrebig und effizient gezeigt, dass die stoische Glückslehre unauflösbare Widersprüche enthält, dass sich diese jedoch in einer christlichen Glückslehre auflösen lassen: Man mag trotz des Gedankensprungs in § 3579 von einer ParadeArgumentation sprechen. Der dritte Dialog De ordine ist dann am Ende für die Rezipientenschaft ein Entlassen in das eigene Suchen und Forschen: Ein Teil der Diskussion endet in der Aporie und die wichtige Frage der Theodizee bleibt ungelöst. Hier wird der Leser am Ende des Durchgangs sich selbst überlassen und muss allein weiterkommen. – Und er kann es, beachtet er die hermeneutischen Fingerzeige. Die Dialoge können in der von Augustinus vorgegebenen Reihenfolge zum curricularen Lehrgang werden, zur Schule von Cassiciacum. Der implizite Leser in Contra Academicos hat zunächst die Konturen eines Anfängers, der für den Gegenstand gewonnen werden muss und der sich in der Figur des Licentius wiederfindet, die darum ringt, sich von einer resignativen Haltung zu befreien, und für die Beschäftigung mit dem philosophischen Gegenstand motiviert wird. In De beata vita ist der Leser aufmerksamer Rezipient einer begutachtungsfähigen ‚Paradeargumentation‘, in der er zügig und effizient zu wichtigen Ergebnissen hinführt wird, in De ordine tritt er als vollwertiger Diskutant in die Argumentation ein, die er selbst weiterführen soll. Die Leseridentifikation wird von Romanianus beziehungsweise Licentius auf den fortgeschrittenen Zenobius gelenkt, kurzum: Der implizite Leser ist von einem Anfänger, figuriert 77 Angesichts der hohen Reverenz, die Augustinus Theodorus erweist, kann es nicht verwundern, dass, insbesondere nachdem Theodorus den weltlichen Lebensweg weiterhin eingeschlagen hatte, Augustinus in den Retractationes zum Ausdruck bringt, ihm zu viel an Lob zugestanden zu haben (Aug. retract. 1,2,1; vgl. Anm. 69). 78 Dass De beata vita die Mittelstellung einnehmen muss, arbeitet Hübner (1987) 25–28 in großer Schärfe heraus. Dass Contra Academicos den Anfang der ‚Trilogie‘ bildet, ist evident, da zu Beginn des ersten Buchs von Contra Academicos der Leser in die Gesprächsgemeinschaft sowie in Ort und Zeit des Gesprächs eingeführt wird. 79 Vgl. zum Argumentationssprung im Übergang von der Ad-absurdum-Führung der stoischen Glückslehre zur christlichen Lösung Anm. 73.
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in Romanianus (beziehungsweise Licentius), zu einem Fortgeschrittenen, Zenobius, geworden. 6. AUSBLICK In seinen Retractationes bricht Augustinus die Reihenfolge der drei Dialoge ein Stück weit auf, indem er eine Entstehungsreihenfolge der Dialoge offenlegt: De beata vita und De ordine seien zwischen den Büchern Contra Academicos abgefasst worden,80 was aufgrund der engen Zusammengehörigkeit von acad. 2 und 3 nur bedeuten kann, dass De beata vita und De ordine zwischen acad. 1 und acad. 2/3 einzuordnen sind. Eine weitere, davon leicht abweichende Reihenfolge ergibt sich, wenn man alle textimmanenten Hinweise auf den zeitlichen Ablauf der Gespräche sorgfältig auswertet.81 Diese soll hier als ‚textlogische Reihenfolge‘ bezeichnet werden. Editorische Reihenfolge
Reihenfolge nach Retract.
Textlogische Reihenfolge
Contra Academicos 1–3 De beata vita De ordine 1–2
Contra Academicos 1 De beata vita De ordine 1–2 Contra Academicos 2–3
Contra Academicos 1 De beata vita De ordine 1 Contra Academicos 2–3 De ordine 2
Augustinus dürfte die ‚textlogische Reihenfolge‘ (rechte Spalte) für den Leser nicht als Rezeptionsreihenfolge vorgesehen haben, da diese nur sehr mühsam aus den Texten rekonstruierbar ist.82 Und die in den Retractationes proklamierte explizite Entstehungsreihenfolge (mittlere Spalte) konnte der primäre Leser, welcher die Texte in den Jahren nach 386 n. Chr. las, nicht kennen. Offenbar wollte der 80 Librum de beata vita non post libros de Academicis, sed inter illos ut scriberem contigit (Aug. retract. 1,2,1). – „Es traf sich, dass ich das Buch De beata vita nicht nach den Büchern De Academicis, sondern zwischen jenen schrieb.“ Per idem tempus inter illos qui de Academicis scripti sunt, duos etiam libros de ordine scripsi (Aug. retract. 1,3,1). – „Zur selben Zeit schrieb ich zwischen jenen Büchern, die über die Akademiker geschrieben wurden, auch die zwei Bücher De ordine.“ 81 Diese ist nach Fuhrer (1997) 15: acad. 1: 10.–12. November 386; beat. vit.: 13.–15. November 386; ord. 1: 16.–17. November 386; acad. 2 und 3: 20.–22. November 386; ord. 2: 23. November 386, nach Trelenberg (2009) 125, Anm. 143 nur leicht anders: acad. 1: 10.–12. November 386; beat. vit.: 13.–15. November 386; ord. 1: 20.–21. November 386; acad. 2 und 3: 22.–24. November 386; ord. 2: 25. November 386 (oder später). 82 Vgl. Fuhrer (1997) 16: „Da jedoch Augustin in [acad.] 2,4,10 (1f.) die Gespräche De beata vita und De ordine (Buch 1) nicht erwähnt, sondern allein von der Vergil-Lektüre spricht, mit der man sich in der siebentägigen Pause beschäftigt habe […], scheint er selbst die Vorstellung einer solchen Abfolge nicht nahelegen zu wollen; d. h. man muss wohl davon ausgehen, dass Augustin die Diskussion aller drei Bücher von Contra Academicos vor den beiden anderen Dialogen ansetzen wollte.“
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frühe Augustinus die drei szenischen Dialoge in der Reihenfolge Contra Academicos, De beata vita, De ordine angeordnet und gelesen wissen. Für einen ‚späten‘ Leser jedoch, der die Retractationes kennt, bietet Augustinus mit der Abfassungsreihenfolge nun eine zweite, leicht veränderte Rezeptionsreihenfolge an.83 Man wundert sich allerdings, dass diese nicht der rekonstruierbaren ‚textlogischen Reihenfolge‘ entspricht, nach der De ordine 2 am Ende stehen muss. Es bleibt Spekulation, ob der späte Augustinus vielleicht Unbehagen darüber empfand, dass er den Leser mit De ordine 2 am Schluss der Lektüre als einen Forschenden und Philosophierenden entließ, der sich dabei dezidiert auf sein Wissen in den enzyklopädischen Künsten stützen sollte.84 Tatsächlich kritisiert der späte Augustinus in den Retractationes, dass er den freien Künsten großen Wert beigemessen habe.85 Diese wiederum stehen im zweiten Buch von De ordine im Zentrum. Stattdessen stellt der Augustinus der Retractationes nun jenes eindrucksvolle Finale am Ende des dritten Buchs von Contra Academicos an den Schluss der Lektüre,86 in dem das Problem des Skeptizismus gelöst zu werden scheint, so dass Alypius vollständig auf seine Gegenrede verzichtet87 und der Leser schließlich in einer Stimmung großer Zuversicht,88 unter Christi Führung89 sichere Erkenntnis und Rekreation erlangen zu können, entlassen wird.
83 Dass Augustinus die Entstehungsreihenfolge seiner Schriften nicht nur aus Gründen chronologischer Exaktheit, sondern auch mit dem Ziel angibt, den Lesern anzuzeigen, welche Fortschritte er gemacht hat, macht er im Prolog der Retractationes explizit (retract. prol. 3): Inveniet enim fortasse quomodo scribendo profecerim, quisquis opuscula mea ordine quo scripta sunt legerit. – „Denn wer auch immer meine kleinen Werke in der Reihenfolge, in der sie geschrieben wurden, gelesen hat, wird vielleicht herausfinden, in welcher Hinsicht ich beim Schreiben Fortschritte erzielt habe.“ 84 Anliegen der Schrift ist es zwar, zu verdeutlichen, dass die Ordnung zu Gott führt, doch „ist dies nicht primär im christlich-eschatologischen Sinne zu verstehen, sondern neuplatonischdiesseitig: Um zu Gott zu gelangen, ist vor allem der ordo disciplinarum einzuhalten […], welcher im zweiten Buche noch ausführlich vorgestellt werden soll“ (Trelenberg [2009] 152). 85 Aug. retract. 1,3,1: Verum et in his libris [scil. De ordine] displicet […] quod multum tribui liberalibus disciplinis, quas multi sancti multum nesciunt; quidam etiam qui sciunt eas sancti non sunt. – „In diesen Büchern aber missfällt mir, […] dass ich den freien Künsten viel zugebilligt habe; viele Heilige kennen sie überhaupt nicht, und einige, die sie kennen, sind keine Heiligen.“ Zur Rolle der freien Künste in De ordine vgl. Steppat (1980) 63–72. 86 Auch die Soliloquia seien, so der späte Augustinus, zwischen den Büchern Contra Academicos verfasst worden (rectract. 1,4,1). 87 Auch bei dieser leichten Änderung der Rezeptionsreihenfolge bleibt die Abfolge der Schriften schlüssig: Denn die erste Diskussion mit der wertschätzenden Rückmeldung Augustinus’ an die jüngeren Schüler Trygetius und Licentius am Ende von acad. 1 bietet bereits eine intensive Protreptik. Nach der Paradeargumentation in De beata vita und nach dem unaufgelösten Problem in De ordine würde dann dem Leser mit acad. 2 und 3 noch einmal die Behandlung eines anspruchsvollen Themas vorgeführt, die in ein zuversichtliches Ende mündet. 88 Zwar endet auch De ordine in einer hoffnungsfrohen Stimmung, doch anders als in Contra Academicos endet die Diskussion um das zentrale Problem, die Theodizeefrage, in der Aporie. In Contra Academicos führt Augustinus das Problem der Erkenntnisfähigkeit des Menschen einer Lösung zu und identifiziert die wirkmächtige Denkrichtung der akademischen Skepsis als bloßen Schutzwall platonischer Philosophen gegen die Angriffe der Stoa.
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89 Aug. acad. 3,20,43: Mihi ergo certum est nusquam prorsus a Christi auctoritate discedere; non enim reperio valentiorem. – „Bei mir nun steht der Entschluss fest, mich wirklich nirgends von der Autorität Christi zu entfernen; denn eine stärkere finde ich nicht.“
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GEMEINSCHAFTSBILDUNG IM GEISTE MARTINS VON TOURS Sulpicius Severus’ Gallus und die Frage, ob Christen in der Lage waren, Dialoge zu verfassen Gernot Michael Müller I. Seit seinem Entstehen im Umkreis der Gefährten und Schüler des Sokrates1 hat sich der literarische Dialog zu einer der produktivsten Gattungen der Philosophie und der Wissensliteratur insgesamt über alle Epochengrenzen der europäischen Geistesgesichte hinweg bis an die Grenzen zur Moderne und selbst darüber hinaus entwickelt.2 Dieser Befund mag zum einen an seiner formalen Flexibilität, zum anderen auch an seinen Möglichkeiten liegen, neben der Darlegung philosophischer oder allgemein gelehrter Sachverhalte über die für ihn charakteristische Figureninteraktion vielfältige weitere Aussageebenen zu integrieren und miteinander zu verschränken.3 Wenngleich dieses beeindruckend kontinuierliche und vielgestaltige gattungsgeschichtliche Panorama seit seiner immer noch nicht ersetzten Gesamtschau von Rudolf Hirzel aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert zumindest in groben Zügen zutage liegt,4 konzentriert sich die ohnehin erst in den letzten Jahrzehnten zu einer gewissen Breite angewachsene Forschung zum literarischen Dialog in eigentümlicher Weise auf bestimmte Epochen seiner Wirkungsgeschichte, mithin sogar auf einzelne Autoren. Dies ist auch für die Antike zu kon 1 2
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Freilich gab es bereits Vorläufer in den altorientalischen Literaturen. Für einen exemplarischen Überblick über Dialoge aus sumerischer und akkadischer Zeit s. van Dijk (1953) 29–85 und Alster (1990). Eine Einführung in die Dialogliteratur im Umkreis der Sokrates-Schüler mit Hinweisen zu deren Entstehungsbedingungen s. u. a. Rossetti (1977), Kahn (1996) und – auch im Hinblick auf die intrikate Frage nach dem historischen Sokrates – Döring (1998). Eine Analyse exemplarischer Dialoge der Antike unter Berücksichtigung neuerer, auch gattungstheoretischer Fragestellungen bieten die Beiträge der Sammelbände von Föllinger/Müller (2013) und Dubel/Goteland (2015). Für einen Überblick über die strukturellen Möglichkeiten des literarischen Dialogs s. die entsprechenden Hinweise in der Einleitung dieses Sammelbandes, bes. S. 9–11. Hirzel (1895); vgl. auch den knapperen Überblick von Guellouz (1992), die Beiträge im Sammelband von Hempfer/Traninger (2010) sowie mit Blick auf den literarischen Dialog in der Philosophie die Beiträge in Cossutta (2004) sowie Hösle (2006).
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statieren, in der das Œuvre Platons immer noch die meiste Aufmerksamkeit der altertumswissenschaftlichen Dialogforschung erhält, und dies nicht zuletzt, weil dieses in gewisser Verallgemeinerung bestimmter Charakteristika seiner Frühphase gerne als Idealbild und infolgedessen als Gradmesser für die weitere Gattungsgeschichte bewertet wurde und teilweise immer noch wird.5 Vor dem Hintergrund eines Verständnisses der platonischen Dialogtechnik, wonach diese auf die kooperative Suche des Sokrates und seiner Gesprächspartner nach Erkenntnis ziele,6 hat sich die Aufmerksamkeit der Forschung auch in der nachantiken Gattungsgeschichte vor allem auf solche Epochen gerichtet, in denen Dialoge vorherrschend sind, die in ähnlicher Weise die ergebnisoffene Überprüfung unterschiedlicher Meinungen inszenieren. In der nachantiken Wirkungsgeschichte sind dies vorrangig Renaissance und Aufklärung.7 Daneben bleiben jene Phasen der Gattungsgeschichte weitgehend unbeachtet, in denen dieser gerne allein als vollgültige Realisierung der Gattung angesehene Dialogtypus keine Verbreitung gefunden hat.8 Für das Altertum ist hier auf die Spätantike zu verweisen, in der parallel zur Transformation der antiken Kultur durch das Christentum jene Dialogvarianten allmählich in den Vordergrund treten, die schon von Hirzel als minderwertige Formen der Gattung angesehen wurden, wie etwa der freilich keinesfalls neue Lehrdialog oder der religiöse Kontroversdialog.9 Aus dieser Bevorzugung vorgeblich undialogischer Varianten des Dialogs 5
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So der Tendenz nach immer noch bei Hösle (2006) etwa 60, 87–90, 431 und passim. Zum Befund, dass Platon bereits in der Antike zur dominierenden Figur der Gattungsgeschichte avancierte und sich antike theoretische Stellungnahmen zum Dialog in der Regel auf sein Dialogœuvre beziehen, s. Dubel (2015) 11–23. Freilich zeigt sie auch auf, dass daraus in der Regel keine explizit normativen Schlüsse gezogen wurden, wie dies in der modernen Dialogtheorie gerne der Fall ist. Für Diogenes Laertios ist Platon freilich der erste und unübertroffene Höhepunkt der Gattung (Diog. Laert. 3,48). Für einen Überblick über das Œuvre Platons auch unter literaturwissenschaftlichen Gesichtspunkten s. Erler (2007); zu seiner Entstehung aus dem Umfeld der λόγοι Σωκρατικοί s. beispielsweise Kahn (1996). Vgl. exemplarisch etwa Hirzel (1895) 6 und Dirlmeier (1960). Zum literarischen Dialog der Renaissancen bzw. des 15. und 16. Jahrhunderts s. u. a. Marsh (1980), Cox (22008) sowie die Beiträge in Hempfer (2002) und (2004); zu jenem der Aufklärung s. exempli gratia Fries (1993). Die Bevorzugung dieser beiden Epochen in transepochalen Zugriffen auf die Gattungsgeschichte geben auch die Beiträge in Cossutta (2004) mit Blick auf den philosophischen Dialog zu erkennen. Für Poetik und Theoriebildung der Gattung erwies sich in den letzten Jahrzehnten insbesondere die Forschung zum literarischen Dialog der Renaissance als Impulsgeberin; vgl. z. B. Hempfer u a. (2001) – für eine epistemologische Begründung der Konjunktur der Gattung in der Renaissance ebd., 65–67 –, Häsner (2002) und (2004). Hierzu zählt nicht zuletzt die umfangreiche Dialogüberlieferung aus dem Mittelalter, deren struktureller Spielraum der vermeintlichen Idealform der Gattung grundsätzlich nicht entspricht; vgl. hierzu die Beiträge in Jacobi (1999) sowie grundlegend Cardelle de Hartmann (2007). Grundsätzlich zum antiken Lehrdialog als über die gesamte Epoche verbreiteter Gattungsvariante s. Föllinger (2006); vgl. in diesem Zusammenhang auch Oikonomopoulou (2013) zur katechetischen Dialogliteratur der Kaiserzeit und der Spätantike sowie zu deren aus der tradi-
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ist erst jüngst von prominenter Seite die markante These in den Raum gestellt worden, dem Christentum habe es grundsätzlich an jeder Befähigung gefehlt, Dialoge zu führen und deswegen auch zu schreiben.10 Der Grund hierfür liege selbstredend in der Annahme, mit dem christlichen Gott über die Wahrheit schlechthin zu verfügen, die nicht zu hinterfragen sei. Konsequenz daraus sei, dass das Christentum keinen Bedarf an diskursiver Wahrheitsfindung habe, welche als epistemologische Voraussetzung für das Entstehen vollgültiger Dialoge zu gelten habe. Übrig blieben infolgedessen Unterweisung und der agonale Nachweis, gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen den überlegenen Standpunkt zu vertreten, mithin also Anlässe für hierarchische Varianten des Dialogs, die den autoritativen und alleingültigen Charakter des Christentums bestätigten. Dieses habe somit allein auf jene Möglichkeiten der Gattung zurückgegriffen, durch die letztlich nur umso deutlicher sichtbar geworden wäre, dass es eines Dialogs recht eigentlich nicht mehr bedürfe.11 Diese Sichtweise widerspricht nicht nur neueren Ansätzen in der literaturwissenschaftlichen Dialogforschung, die die Gattung allein nach formalen Kriterien definiert und diese infolgedessen unter Absehung etwaiger epistemologischer Relationen im Vorliegen einer Wechselrede zwischen zwei oder mehreren Sprecherinstanzen grundgelegt sieht.12 Darüber hinaus steht gegen sie bereits der Überlieferungsbefund. So hat schon vor mehr als vierzig Jahren Peter Lebrecht Schmidt in einem umfangreichen Beitrag auf die Fülle an Dialogen christlicher Autoren in der lateinischen Spätantike hingewiesen und diese in einem Repertorium verzeichnet.13 Jüngst hat ergänzend dazu die britische Byzantinistin Averil Cameron für die griechische und frühbyzantinische Seite auf denselben Sachverhalt aufmerksam gemacht.14 Selbst wenn also christlichen Autoren das ergebnisoffene Ringen um Erkenntnis fremd gewesen sein mag, so legt die intensive Pflege des
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tionellen Forschungsperspektive zum literarischen Dialog nicht zu erwartenden strukturellen Komplexitäten. Für eine Untersuchung eines zentralen Œuvres religiöser Kontroversdialoge im Mittelalter vgl. Friedlein (2004). S. vor allem Goldhill (2008). Für eine substanzielle Kritik an seinen Thesen s. Cameron (2014) v. a. 23–24 und 27–29; vgl. hierzu auch Yuzwa (2014) 100 mit Blick auf den Gallus des Sulpicius Severus und allgemein Müller (2018) 409–410. Für eine umsichtige Korrektur von Goldhills Sichtweise auf den frühchristlichen Dialog s. freilich bereits Lim (2008) im selben Sammelband. Goldhill macht gegen Ende seiner Ausführungen selbst deutlich, dass seine Sicht auf den frühchristlichen Dialog von der Wahrnehmung religiöser Fundamentalismen des 21. Jahrhunderts beeinflusst ist; s. Goldhill (2008) 9–10. Dieser Blick auf die christliche Spätantike liegt neuerdings tendenziell auch Greenblatt (2019) mit einer vergleichbaren Abwertung frühchristlicher Dialoge zugrunde. Vgl. beispielsweise Föllinger/Müller (2013a) und Dubel (2015) 11–12. S. Schmidt (1977) mit einer gattungstheoretisch fundierten Typologie des christlichen Dialogs in lateinischer Sprache; vgl. zuvor schon Hoffmann (1966) und vor allem Voss (1970) mit einem Überblick über griechische und lateinische Dialoge des frühen Christentums. Cameron (2014), insb. 13–20 für eine Vermessung des Forschungsfelds und eine erste Typologie des griechischen Dialogs der Spätantike und des Frühmittelalters.
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Dialogs in der gesamten christlichen Spätantike und darüber hinaus doch nahe, dass diese bei aller Beanspruchung der Wahrheit dennoch in hohem Maße den Dialog als geeignetes literarisches Medium für deren Darlegung und Vermittlung angesehen haben, indem sie offensichtlich auch argumentativ von dieser überzeugen wollten. Mehr noch: Averil Cameron hat daneben andeutungsweise aufzeigen können, dass die Fülle an christlichen Dialogen ihren Ursprung in einer intensiven Debattenkultur des frühen Christentums hat.15 Dieses war somit keinesfalls so monologisch wie gerne angenommen, sondern von vielfältigen Kontroversen und Richtungsstreitigkeiten geprägt.16 Der Blick auf die Dialogliteratur der christlichen Spätantike gibt folglich zu erkennen, dass das Vorherrschen unterschiedlicher Varianten des literarischen Dialogs in epistemologischer Hinsicht nichts über die grundsätzliche Befähigung einer Epoche zum Dialog aussagt, sondern auf unterschiedliche Gesprächskulturen verweist und auf diese Weise zur Klärung von deren Charakteristika beitragen kann.17 Um dem von Ausnahmen abgesehen bislang nur wenig erschlossenen christlichen Dialog der Spätantike jenseits vorschneller epistemologischer Wertungen gerecht zu werden, dürfte sich die Fokussierung auf Figurengestaltung und Gesprächsinteraktion als besonders geeignet erweisen. Denn diese führt von der alleinigen Beurteilung eines Dialogs anhand seiner argumentativen Gestaltung und der damit offensichtlich untrennbaren Frage weg, wie diese gestaltet sein müsse, damit ein Dialog als vollgültige Realisierung seiner Gattung anerkannt werden könne.18 Demgegenüber legt sie den Blick für eine weitere konstitutive Gestaltungsebene des literarischen Dialogs frei, die für dessen charakteristische inhaltliche Komplexität von gleichermaßen zentraler Bedeutung ist.19 Dass auch in der christlichen Spätantike Dialoge möglich waren, die dieses Potenzial zu nutzen wussten, wollen die folgenden Ausführungen an einem prominenten, aber dennoch bislang eher wenig erforschten Beispiel aus dem Gallien an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhunderts vorführen, und zwar an Sulpicius Severus’ Dialog Gallus,20 mit dem der südgallische Autor sein dem Wirken Martins von Tours ge 15 S. ebd., 49–70. 16 Im Übrigen hat bereits Michel Le Guern dargelegt, dass Dialoge auch monologischen Charakter haben können, ohne damit ihren literarischen Status als Dialoge zu verlieren; vgl. Le Guern (1981). 17 Vor diesem Hintergrund betont schon Schmidt (1977) 166 zu Recht, dass eine Gattungsgeschichte des frühchristlichen Dialogs nur als Funktionsgeschichte geschrieben werden kann. Für eine Typologie des frühchristlichen Dialogs in lateinischer Sprache und seine funktionalen Kontexte s. ebd., 109–127 und 148–166. 18 Dass die christliche Spätantike literarisch anspruchsvolle Dialoge hervorzubringen gewusst hat, belegt Schmidt (1977) 130–148 mit einer beispielhaften Darlegung unterschiedlicher Literarisierungsstrategien im christlichen Dialog. 19 Vgl. die entsprechenden Ausführungen in der Einleitung dieses Sammelbandes (S. 11–12). 20 Zur Vita des Sulpicius Severus und seiner Zugehörigkeit zur aquitanischen Oberschicht, die sich vorrangig über ihre Bildung definierte, s. Fontaine (1993) 23–24 und Brunert (1994) 145–146 sowie die ausführlichen, tendenziell aber spekulativen Ausführungen von Ghizzoni
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widmetes Werkkorpus wohl zwischen 402 und 404 n. Chr. abgeschlossen hat.21 Hierzu sollen in einem ersten Schritt ausgehend von einer Skizze seines Inhalts die bisherigen Deutungsansätze rekapituliert werden,22 um deutlich zu machen, dass die spezifische formale Gestaltung des Gallus als Dialog bislang kaum zur Klärung der Frage herangezogen wird, welche Bedeutung dieser chronologisch letzten Schrift im Martin-Œuvre des Sulpicius Severus zukommt. Diesem Desiderat soll daraufhin in drei Kapiteln abgeholfen werden: Das erste gilt der Gesprächsstruktur des Gallus und setzt sich zum Ziel, deren thematische Vielschichtigkeit herauszuarbeiten und diese aus den strukturellen Möglichkeiten der Gattung abzuleiten. Im nächsten Kapitel wird der Fokus sodann auf die zentralen Dialogfiguren gelegt, um kenntlich zu machen, wie deren durchaus differenzierte Gestaltung mit dem zuvor dargelegten Aussagetableau des Dialogs korrespondiert und dieses ergänzt. In einem letzten Abschnitt wird schließlich zusammenfassend angedeutet werden können, dass sich Sulpicius Severus mit seinem Gallus in gekonnter Weise an eine spezifische Verwendungsweise der Gattung zur Inszenierung exklusiver Gemeinschaften anschließt23 und diese für sein Ziel adaptiert, die Verehrung Martins von Tours nachhaltig zu verbreiten und damit die Etablierung der von diesem begründeten monastischen Bewegung innerhalb einer von Konkurrenz, Richtungsstreitigkeiten und Polemik geprägten frühchristlichen Kultur zu befördern.24 Vor diesem Hintergrund wird das Werk schließlich als Beispiel für
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(1983) 55–78; zur Schwierigkeit, Sulpicius Severus’ Persönlichkeit aus den erhaltenen Quellen zu rekonstruieren, s. Stancliffe (1983) 44–47. Zur Datierung des Werks zwischen 397, dem Todesdatum Martins von Tours, und 410 und womöglich um 404 s. Stancliffe (1983) 80–81, Fontaine (1993) 17, Fontaine (2006) 20–22 und Yuzwa (2014) 34–35; der Titel Gallus ist durch Hieronymus (in Ezech. 11,36,1) belegt, wird aber von keiner Handschrift bestätigt; s. Fontaine (2006) 17–18. Die in der Überlieferung verwendete Bezeichnung des Werks als dialogi dürfte auf Gennadius (vir. ill. 19) und Gregor von Tours (Mart. 1,1) zurückgehen. Im vorliegenden Aufsatz wird das Werk in Anschluss an die jüngste Edition des Werks von Jacques Fontaine, nach der im Folgenden auch zitiert wird, mit dem über Hieronymus zu greifenden Titel Gallus bezeichnet. In der älteren Forschung erfuhr der Gallus analog zum spätantiken Dialog insgesamt nicht selten negative Bewertungen wie etwa bei Voss (1970) 308 mit Verweis auf eine Bemerkung der Dialogfigur Gallus in Sulp. Sev. dial. 3,5,6 (s. das Zitat unten in Anm. 81) und 312, weil der Inhalt kein philosophischer sei und vielfach volkstümliche Elemente (in den Reisebeschreibungen) aufweise; vgl. zu einer vergleichbaren Deutung der Stelle auch Stancliffe (1983) 103. Vgl. zu dieser Funktion literarischer Dialoge am Beispiel Ciceros Müller (2011) 45–52. Zur Verurteilung Priscillians und seiner Anhänger und der Sorge, dass den Anhängern Martins dasselbe widerfahren könnte, als Motiv für Sulpicius Severus, sein Martins-Œuvre zu verfassen, s. Vielberg (2006) 34 mit Hinweisen zur hierfür einschlägigen Forschungsliteratur; vgl. hieraus v. a. Stancliffe (1983) 279–283. In der Tat hatte Martin Priscillian und seine Anhänger vergeblich am Kaiserhof in Trier verteidigt (vgl. ebd., 34–35 mit der entsprechenden Darstellung in Sulp. Sev. chron. 2,50,4–6). Für einen historischen Überblick über die von Priscillian angestoßene Bewegung s. van Dam (1985) 88–114 und Prinz (1996) 5–7. Zur negativen Stimmung gegenüber Martin unter seinem Nachfolger im Bischofsamt von Tours s. Vielberg (2006) 38; vgl. hierzu auch unten Anm. 76.
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jenen Teil der spätantiken christlichen Literatur erkennbar werden, der sich als bewusste Transformation klassischer Modelle versteht und dieses Selbstverständnis dem aufmerksamen Rezipienten vor allem über intertextuelle Referenzen auch zu erkennen gibt.25 II. Sulpicius Severus’ Gallus inszeniert ein Gespräch zwischen der dramatis persona des Autors, einem Postumianus sowie einem Gallus, der, wie sich im Laufe des Dialogs herausstellen wird, aus Nordgallien stammt.26 Stattgefunden haben soll es auf Sulpicius Severus’ Gut Primuliacum.27 Die Unterhaltung, die sich über zwei Tage erstreckt, zerfällt inhaltlich in ebenso viele Teile.28 Deren erster besteht aus der Erzählung des Postumianus über seine Reise zu den Eremitenmönchen Oberägyptens, von denen er zu Beginn der Dialoghandlung gerade zurückgekehrt sein will. Der zweite Teil besteht aus der Erzählung des Gallus über herausragende Taten des Martin von Tours. Diese erstreckt sich bis in den folgenden Tag, so dass sich durch die dazwischenliegende Nacht eine Zäsur ergibt, die Gallus’ Ausführungen in zwei Hälften untergliedert.29 Diese Unterbrechung erhält zudem 25 Zum produktiven Verhältnis zwischen frühem Christentum und überlieferter paganer Bildungskultur s. beispielsweise Gemeinhardt (2007). 26 Allgemein zur Figurenkonstellation des Gallus s. etwa Ghizzoni (1983) 138–140 und Fontaine (2006) 38–44; speziell zur Identität der Gallus-Figur ebd., 42–44. Ihr Name könnte einerseits darauf hindeuten, dass sie in generischer Absicht einen beliebigen Gallier repräsentieren soll. Die Häufigkeit des Namens im gesamten römischen Reich sowie die Tatsache, dass sich der Gallus an Setting und Gesprächskonstellation der Dialoge Ciceros anlehnt, deren Figuren in der Regel historisch verifizierbaren Personen nachgebildet sind (s. hierzu unten Kap. V), legen aber nahe, dass er wohl weniger als Typus denn vielmehr wie im Falle des Postumianus als konkrete Person gedacht werden soll (vgl. Fontaine [2006] 39–40). Freilich lässt sich auch der historische Namengeber für diesen nicht greifen, so dass letztlich bei beiden Figuren nicht entschieden werden kann, ob sie Zeitgenossen des Sulpicius Severus nachgebildet sind. Anmerkungen zum Sprachstil des Gallus finden sich bei Fontaine (1993) 25–26. 27 Bei der wohl in der Nähe von Toulouse zu lokalisierenden Villa handelt es sich um einen charakteristischen Landsitz der lokalen Aristokratie, der Sulpicius’ Zugehörigkeit zu dieser bezeugt; vgl. Beaujard (2000) 77–79 und Alciati (2011). Allgemein zu den aristokratischen Landsitzen im Südwesten Galliens in der Spätantike, ihrer Ausstattung und Funktion s. Balmelle (2001). 28 Für einen Überblick über Inhalt und Struktur des Gallus aus unterschiedlicher Perspektive s. knapp Voss (1970) 308–310, Ghizzoni (1983) 146–150 sowie ausführlich Fontaine (2006) 81–86 und Barnes (2010) 217–224. 29 Gennadius und Gregor von Tours sprechen in ihrer Erwähnung des Werks von zwei Büchern (zu den Stellen s. oben Anm. 21). In der karolingischen Überlieferung erscheint sodann erstmals eine Gliederung des Werks in drei Bücher, indem Gallus’ Ausführungen entsprechend ihrer Dauer über zwei Tage auf zwei Bücher aufgeteilt werden. Diese wird von der Mehrzahl der Überlieferungsträger aufgegriffen; s. hierzu Fontaine (2006) 18–20, der in seiner Edition die Dreiteilung des Werks übernimmt.
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dadurch weitere Profilierung, dass sich der Kreis der Gesprächsteilnehmer zunächst am Abend des ersten Tages um den Kleriker Refrigerius und dann am Folgetag um weitere Zuhörer erweitert.30 Aber auch der Bericht des Postumianus weist verschiedene Abschnitte auf, die sich aus den Stationen seiner Reise ergeben, bevor er sein Ziel, die Einsiedeleien der ägyptischen Mönche, erreicht. So habe er zunächst Halt in Nordafrika gemacht und dort den Priester einer in Einfachheit lebenden Christengemeinde in den Syrten kennengelernt, bevor er nach Alexandria gelangt sei.31 Dort habe er die heftigen theologischen Auseinandersetzungen um die Lehren des Origenes mitbekommen.32 Schließlich habe er einen Abstecher nach Bethlehem unternommen, um dort mit Hieronymus zusammenzutreffen, dem er seit seiner letzten Reise in den Orient freundschaftlich verbunden sei.33 Die ältere Forschung hat im Gallus weitgehend eine Ergänzung zur Martinsvita des Sulpicius Severus gelesen, welche einige Jahre vorher entstanden ist.34 Tatsächlich legt die Struktur der Gallus-Rede und ihre Motivation im Gesprächsgeschehen des Dialogs eine solche Funktion auch nahe. So ähnelt sie in ihrer Abfolge exemplarischer Taten Martins von Tours sichtlich dem episodenhaften Aufbau der Vita Sancti Martini.35 Außerdem lässt Sulpicius Severus seine Dialogfigu 30 S. hierzu unten Kap. V. Voss (1970) 310 erkennt in dem Werk eine Zweiteilung, deren Zäsur er durch die Vergrößerung des Auditoriums am zweiten Tag realisiert sieht. 31 Sulp. Sev. dial. 1,3–4; 6. 32 Ebd., 1,6–7; s. grundlegend zum Origenes-Streit im 4. Jh. Clark (1992) 11–193 sowie die Beiträge in Bienert/Kühneweg (1999), bes. jene auf den S. 187–309; vgl. auch Ghizzoni (1983) 168–172 für eine entsprechende Exegese der einschlägigen Kapitel im Gallus. 33 Sulp. Sev. dial. 1,8–9. 34 Für einen Überblick über die ältere Forschung, die es vor allem auf die Rekonstruktion der Biographie des historischen Martin von Tours abgesehen hat (vgl. hierzu etwa Brunert [1994] 145–176), s. Fontaine (2006) 13–16 und Yuzwa (2014) 9–11; zu Möglichkeiten und Grenzen, dieses Ziel über das Martin-Œuvre des Sulpicius Severus, das für dessen Vita und Wirken die Hauptquelle darstellt, zu erreichen, s. Stancliffe (1983) 111–202. Vgl. auch Gonzáles Iglesias (1992) 71 sowie Goodrich (2007) 193, der die Funktion des Gallus darin erkennt, die Martinsvita zu bestätigen und Sulpicius Severus’ Status als Kenner Martins zu verfestigen (vgl. der Tendenz nach auch Ghizzoni [1983] 135–136). Zur Bedeutung der Antoniusvita als Portalschrift für die Herausbildung der Hagiographie als neuer Gattung christlicher Literatur sowie zu Hieronymus’ Vita des Eremiten Paulus als deren erstes lateinisches Beispiel s. Rapp (2010) 119; zu den lateinischen Übersetzungen der Antoniusvita s. Brunert (1994) 17–73, zur Vita Pauli des Hieronymus ebd., 74–96; zu den klassischen Vorbildern der spätantiken Hagiographie s. Rapp (2010) 119–120 mit Verweis auf die hierfür einschlägige Forschung des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. 35 Für die Fortsetzungsthese spricht nicht nur die Ähnlichkeit der Gallus-Rede zur Episodenstruktur der Martins-Vita, sondern sie lässt sich auch aus gattungstheoretischer Perspektive stützen, indem die neuere Forschung zur Hagiographie deren formale Offenheit betont und daher eher von einem hagiographischen Diskurs denn von einer veritablen hagiographischen Gattung sprechen will. Vgl. hierzu Yuzwa (2014) 14–18 zur formalen Offenheit der Hagiographie zumal im 4. Jh. sowie grundlegend van Uytfanghe (1993) 147–179. Für eine gattungstheoretisch fundierte Bestimmung der Hagiographie und ihrer Genese aus einem heterogenen Set von Vorbildern s. Rapp (2010) 120–128 sowie Vielberg (2006) 239 zur Affinität
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ren selbst zu einer solchen Lesart einladen. Denn nachdem Postumianus gegen Ende des ersten Buchs mit seinem Reisebericht zu Ende gekommen ist und seinen Gastgeber mit dem Anliegen konfrontiert, nun von ihm über die Taten Martins zu hören, reagiert dieser mit der verwunderten Frage, ob ihm seine Martinsvita denn nicht ausreiche.36 Darauf entgegnet jener, dass er von einem ägyptischen Eremiten, der diese gelesen habe, gebeten worden sei, auf Sulpicius Severus einzuwirken, noch weitere Beispiele für das Wirken Martins aufzuzeichnen, die er in die Martinsvita nicht aufgenommen habe.37 Tatsächlich hatte dieser in ihrer Praefatio angegeben, nur die wichtigsten Episoden aus Martins Leben zusammengestellt zu haben, und auf diese Weise schon dort suggeriert, dass das Werk auf Fortsetzung angelegt sei.38 Hierauf scheint Gallus zu rekurrieren, wenn er seine Einwilligung auf Sulpicius’ Bitte, er möge Postumianus’ Anliegen statt seiner nachkommen,39 mit dem Hinweis begleitet, er werde aufpassen, dass er nur solche Episoden aus dem Leben Martins berichtet, die Sulpicius Severus in seinem Werk nicht aufgenommen habe.40 Neuere Arbeiten zum Martinsœuvre des Sulpicius Severus legen indes dar, dass seine gattungstypologische Heterogenität keinem Bedürfnis nach formaler Abwechslung geschuldet ist,41 sondern auf bewusster Wahl basiert, und dies mit dem Ziel, die den gewählten Textformen inhärenten formalen und funktionalen Möglichkeiten für das Anliegen einer umfassenden Verbreitung und nachhaltigen Sicherung der Verehrung Martins zu nutzen.42 Der gattungstypologischen Spannbreite des Martinsœuvre liegt folglich eine fundamentale strategische Absicht zugrunde, die seinen Autor als kompetenten Literaten erkennbar werden lässt. Dabei wurde bislang vor allem der Zusammenhang zwischen der Martinsvita und drei im Anschluss daran verfasster Briefe, die an unterschiedliche Adressaten gerichtet sind, in den Blick genommen, während der im Anschluss an diese entstandene
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der Martinsvita zur enkomiastischen Biographie, mit der sich Sulpicius Severus in ihrem Prolog auseinandersetzt, und ebd., 239–244 zu Berührungspunkten mit dem Schema der Kaiserbiographien Suetons und insbesondere mit dessen Augustus-Vita. Sulp. Sev. dial. 1,23,1. Ebd., 1,23,7; vgl. dazu Fontaine (2006) 17. Vgl. Sulp. Sev. Mart. 1,5. Auch dieses Geheiß unterstützt den scheinbar gewollten Eindruck der Ergänzung, indem Sulpicius Severus seine dramatis persona Postumianus’ Anliegen deswegen an Gallus abgeben lässt, weil er selbst bereits die Martinsvita geschrieben habe und damit seiner Pflicht zur Erinnerung an Martin offensichtlich Genüge getan zu haben meint (Sulp. Sev. dial. 1,26,7–8). Ebd., 1,27,7; s. zu diesem Wortwechsel Fontaine (2006) 57–58, der aus diesem die Komplementarität des Gallus zur Vita ableitet, sowie Voss (1970) 310. So etwa Voss (1970) 346, der die Wahl unterschiedlicher Gattungen im Martin-Œuvre mit dem Bemühen um variatio begründet. S. hierzu neben Stancliffe (1983) 86–107 fundamental Vielberg (2006), der ebd., 49–50 in der Verbindung unterschiedlicher Werktypen zu einem hagiographischen Dossier zu Recht auch eine Neuerung Sulpicius Severus’ gegenüber den Viten des Athanasius und des Hieronymus erkennt, und Yuzwa (2014).
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Gallus in der Regel nur randständige Beachtung fand.43 Dies liegt zweifelsohne daran, dass die Briefe in höherem Maße als die Gallus-Rede in jenem auf die konstitutive Offenheit der Martinsvita zu reagieren und deren Abschluss zu markieren scheinen, indem sie in unterschiedlicher Ausrichtung Martins Tod thematisieren und damit den inhaltlichen Abschluss der Vita suggerieren.44 Im Hinblick auf eine abgeschlossene biographische Erzählung von Martins Vita und Wirken45 erscheint der Gallus somit in der Tat als nicht mehr notwendig, woraus sich einmal mehr ableiten lassen könnte, dass seine Funktion vorrangig darin liege, das bis dahin vorliegende Korpus an Beispielen von Martins Wirken nochmals deutlich zu erweitern.46 Indes legt bereits der Überblick über den Inhalt des Gallus zu Beginn des Kapitels nahe, dass auch dieser einem komplexeren Aussageinteresse gehorchen dürfte.47 Mithin dürfte sich die Absicht, die Sulpicius Severus mit ihm verfolgt hat, zumindest nicht darauf beschränken, im Anschluss an die Martinsvita noch einige weitere Beispiele für Martins vorbildliches Verhalten und wundertätiges Wirken nachzureichen. In der Tat hat die Forschung inzwischen weitere, zu den übrigen Schriften des Martinsœuvres komplementäre Intentionen freilegen können.48 So ergibt sich schon aus Postumianus’ umfänglichem Reisebericht zu Beginn des Gallus, dass sein Gegenstand nicht nur einmal mehr das Leben des Martin von Tours sein dürfte, sondern auch dessen Kontextualisierung mit dem Einsiedlertum in Ägypten sowie ausgehend davon die zeitgenössischen Rahmenbedingungen, in denen Sulpicius Severus’ Ziel, nämlich die Erinne 43 Für einen Überblick über Inhalt und Funktion der genannten Briefe s. Taisne (2008), Barnes (2010) 215–216 und Vielberg (2018) 242–243. 44 Die drei Briefe sind an Eusebius, Aurelius und Sulpicius Severus’ Schwiegermutter Bassula adressiert; für einen inhaltlichen Überblick s. Ghizzoni (1983) 177–192 sowie Vielberg (2006) 44–51 mit deren Einbettung in die spätantike Briefkultur. Die Vita kulminiert hingegen in Sulpicius Severus’ Begegnung mit Martin; s. Sulp. Sev. Mart. 25. 45 Zur biographischen Rahmung des episodischen Tatenberichts als Gattungsmerkmal der Hagiographie s. Rapp (2010) 128. 46 Dass der Gallus ähnlich komplementär zur Martinsvita wie Sulpicius Severus’ erster Brief an Eusebius ist, betont Fontaine (2006) 57. 47 Hinzu kommt, dass Sulpicius Severus im Gallus intensiv über sein Schreiben über Martin von Tours reflektiert; vgl. Yuzwa (2014) 3–4, der über die drei Schriften hinweg eine Entwicklung in Sulpicius Severus’ Auseinandersetzung mit dem Wirken Martins erkennt. 48 Im Hinblick auf den offenen Schluss der Martinsvita, die mit Sulpicius’ Begegnung mit Martin endet, folgert Yuzwa (2014) 27–30, dass Sulpicius Severus in seinem Martinsœuvre auch das narrative Problem bzw. die Unmöglichkeit, mit seiner Erzählung über Martin überhaupt zum Schluss zu kommen, thematisiert. Nachdem der Tod Martins im dritten Brief beschrieben und damit dessen Biographie zu Ende geführt wurde, käme dem Gallus, dessen Berichte über Martin in keinen chronologischen Rahmen mehr eingepasst seien, in diesem Zusammenhang die Funktion zu, die Erinnerung an Martin in ein Narrativ ohne Grenzen zu überführen, das immer weiter fortgesetzt werden kann. In der Tat endet der Gallus am Abend des zweiten Tags mit der Bemerkung des Sulpicius, dass im Hinblick auf Martin die Themen nie ausgingen (Sulp. Sev. dial. 3,17,1). Zum Spiel mit der Unabschließbarkeit des MartinNarrativs in den Briefen s. ergänzend Yuzwa (2014) 44.
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rung an den Bischof von Tours wachzuhalten und zu verbreiten, verankert und langfristig gesichert werden soll.49 Zur Umsetzung dieses Anliegens scheint Sulpicius Severus die Gattung des literarischen Dialogs bewusst gewählt zu haben, um mit Hilfe seiner gattungsspezifischen Möglichkeiten die zweifelsohne auch intendierte inhaltliche Ergänzung seiner Martinsvita mit weiteren und dabei komplementären Themen zu verschränken.50 Die inzwischen umfängliche gattungstheoretische Forschung zum literarischen Dialog vermag hierfür die Aufmerksamkeit zu schärfen.51 Vor ihrem Hintergrund gilt es somit, Inhalt, Aufbau und Gesprächsinteraktion des Gallus im Folgenden einer genauen Analyse zu unterziehen. III. Postumianus’ Reisebericht und die gelegentlichen Reaktionen seiner beiden Zuhörer werfen noch vor Gallus’ anschließender Erzählung über Martin von Tours verschiedene Schlaglichter auf Realität und spezifische Ausprägung der in beiden Hälften des römischen Reichs inzwischen hegemonialen christlichen Kultur, die weit darüber hinausgehen, Einblicke in die ägyptische Eremitenbewegung zu gewähren. Dabei nimmt Postumianus jede Station seiner Reise zum Anlass, einen spezifischen Aspekt zeitgenössischen christlichen Lebens herauszustellen.52 So eröffnet ihm die erste Unterbrechung seiner Fahrt, die vorderhand einer Flaute auf See geschuldet ist, die Gelegenheit, in der Wüstenei der Syrten den Presbyter einer christlichen Gemeinde kennenzulernen, der ihn durch Gastfreundschaft und Einfachheit gleichermaßen beeindruckt.53 Im Kontrast hierzu steht die Kontroverse um die Lehren des Origenes in Alexandria, in die er während seines dortigen Aufenthaltes einige Einblicke gewonnen haben will.54 Der Bericht über seinen Abstecher nach Bethlehem zu Hieronymus fokussiert sodann auf dessen Kritik an 49 Vgl. zu dieser Funktion des Werks auch Fontaine (2006) 67–68 mit Hinweis auf die Verurteilung des Priscillian in Spanien als warnendes Beispiel für die Anhänger Martins. Zum Vorwurf, dass die Vita auf erfundenen Geschichten basiere, als Motiv für den Bericht des Gallus über weitere Taten Martins s. Barnes (2010) 219–220 mit Verweis auf Sulp. Sev. dial. 1,26,4. 50 Wie zu zeigen sein wird, gehen diese auch über spätantike Lesarten wie jene des Gennadius hinaus, der den Gallus in vir. ill. 19 als Streitgespräch zwischen Postumianus und Gallus liest, dem Sulpicius’ dramatis persona als Richter vorstehe. 51 S. für einen Überblick die Anmerkungen oben in Kap. I sowie die Einleitung dieses Sammelbandes. 52 Im Folgenden geht es nur um eine knappe Skizzierung des Reiseberichts, um die Gesprächsdynamik zwischen den drei Dialogfiguren des Gallus herauszuarbeiten. Für einen detaillierten Überblick über das Werk s. Fontaine (2006) 81–86, für eine knappe Inhaltsangabe des Reiseberichts s. auch Vielberg (2018) 247–250. 53 Sulp. Sev. dial. 1,4. Vor seinem Ausflug in die nordafrikanische Wüste hat er sich in Karthago aufgehalten und dort das Grab Cyprians besucht (ebd., 1,3,2). 54 Zum Origenistenstreit in Alexandria und dessen Verlauf s. van Andel (1980) 280–282.
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der wenig vorbildlichen Lebensweise des Mönchtums.55 Bevor Postumianus in die Eremitagen Oberägyptens gelangt, hat er somit ein breites Panorama christlicher Kultur im Süden und Osten des römischen Reiches kennengelernt. Hierdurch erhält sein anschließender Bericht über die Lebensweise der ägyptischen Einsiedler, die in ihrer Episodenstruktur auf Gallus’ Bericht über die Taten Martins von Tours vorausweisen, ihre sinnfällige Kontextualisierung.56 Dem einfachen, Einsamkeit und widrige Lebensbedingungen trotzenden und sich gerade deswegen wundertätige Glaubensstärke erarbeitenden Dasein der Mönche, dem in gewisser Weise das einfache Leben des Presbyters am nordafrikanischen Wüstensaum an die Seite gestellt werden kann, steht das von theologischen Streitigkeiten geprägte christliche Leben in der Metropole Alexandria gegenüber. Dazwischen ist ein Hie 55 Sulp. Sev. dial. 1,8,4–6 auf der Grundlage von Hier. epist. 22. Goodrich (2007) 196–202 arbeitet heraus, dass sich Sulpicius Severus hier Hieronymus’ Kritik an den ägyptischen Mönchen bedient, um diese auf die Situation in Gallien zu übertragen. In der Tat weist Gallus in dial. 1,8,5 darauf hin, dass Hieronymus in gleicher Weise auch das orientalische Mönchtum kritisiert habe. Auf diese Weise gelänge es ihm, so Goodrich, Hieronymus als Sprachrohr seiner Kritik am Zustand des christlichen Lebens in seiner Heimat zu verwenden und den damit womöglich verbundenen Groll seiner Rezipienten auf den Gelehrten aus Bethlehem zu lenken. In dieser ambivalenten Instrumentalisierung des Hieronymus erkennt er einen Reflex auf das angespannte Verhältnis der beiden zueinander. Vgl. in diesem Zusammenhang Goodrich (2007) 209–210 mit Hinweis auf Hieronymus’ Kritik an Sulpicius Severus in seinem Ezechiel-Kommentar sowie auf weitere Stellen, die nahelegen, dass Hieronymus Sulpicius Severus’ Martin gegenüber negativ eingestellt war (vgl. auch Stancliffe [1983] 297–301). Freilich darf Hieronymus’ Bedeutung für die Herausbildung einer urbanen Form der Askese im Westen, die auch für aristokratische Kreise attraktiv war, sowie für die Verbindung von Askese und pastoraler Verantwortung im Rahmen der Ausbildung des Klerus dabei nicht außer Acht gelassen werden; s. Rousseau (2010) 143–144. Zu Hieronymus’ Selbstkonstruktion als asketischer Autorität durch seine Schriften s. Goodrich (2007) 189–190, der darin auch die Grundlage dafür erkennt, dass Sulpicius Severus ihn im Gallus zum Sprachrohr seiner Kritik am gallischen Klerus macht. Zur Abgrenzung Martins und seines programmatischen Konzepts einer Askese im Dialog mit der säkularen Welt von Hieronymus s. Vielberg (2006) 252. 56 Yuzwa (2014) 93 nennt die Kommunikationsstrategie des Gallus eine „Rhetorik des Exemplarischen“, eine Charakterisierung, die nicht nur auf die an der Struktur der Martinsvita anknüpfende Rede des Gallus, sondern bereits auf Postumianus’ Bericht zutrifft. Zu den möglichen Quellen des Berichts s. Fontaine (2006) 46–48. Für einen grundsätzlichen Überblick über die Geschichte des ägyptischen Mönchtums und die Entstehung einer asketischen Bewegung im Osten s. Rousseau (2010) 19–76. Dass die Erzählung des Postumianus im Horizont der erst allmählich einsetzenden Rezeption des östlichen Mönchtums im Westen verstanden werden soll, deutet sich darin an, dass die Fragen, mit denen Sulpicius ihn zu seinem Reisebericht auffordert (vgl. das Zitat in Anm. 64), auf zwei Werke des Rufinus anspielen, nämlich auf dessen lateinische Übersetzungen der Basilius-Regel und der Geschichte des ägyptischen Mönchtums. Vor diesem Hintergrund wird Sulpicius Severus’ Interesse indirekt als Reflex auf ein beginnendes Wissen über Entstehung und Ausprägung des ägyptischen Wüstenmönchtums erkennbar, das vertieft werden soll; vgl. Fontaine (2006) 23–24. Allgemein zu den Informationen über das asketische Mönchtum Ägyptens im lateinischen Westen und den Wegen ihrer Vermittlung s. Rousseau (2010) 81–82, zur Existenz asketischer Kreise im Westen bereits vor dem 4. Jh. und damit vor Bekanntwerden des ägyptischen Wüstenmönchtums, welches sich innerhalb städtischer Kontexte ansiedelte, s. ebd., 80–81.
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ronymus anzusiedeln, der in den geschilderten Kontroversen zwar Stellung bezieht und die Lebensweise der geistlichen Eliten scharf kritisiert, aber insgesamt als isoliert erscheint.57 Postumianus’ Bericht bezeugt aber nicht nur dieses Spannungsfeld in den von ihm besuchten Regionen jenseits des Mittelmeers. Er eröffnet beiläufig immer wieder auch vergleichende Perspektiven sowie Verbindungen zwischen dem von ihm Erlebten und seiner gallischen Heimat.58 So gibt beispielsweise sein Hinweis auf die einfache Lebensweise des dennoch gastfreundlichen und mit den Fremden die wenigen ihm zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel teilenden Wüstenpriesters, bei dem Postumianus auf seiner ersten Pause Halt macht, Gelegenheit, mithilfe eines neckenden Seitenhiebs auf Gallus die Neigung der Gallier zur Völlerei zu kritisieren, die auch unter Mönchen verbreitet sei.59 Postumianus’ Bericht über seinen Aufenthalt bei Hieronymus gibt jenem sodann Anlass, dessen grundsätzliche Kritik am gallischen Mönchtum anzudeuten, dies freilich nicht, ohne sich darüber zu mokieren.60 Weitere Seitenblicke auf die gallische Heimat der Gesprächspartner beziehen sich auf den verbreiteten Jähzorn der Gallier, der auch unter Mönchen anzutreffen sei,61 und auf die unter diesen grassierende Eitelkeit.62 Vor diesem Hintergrund avancieren die ägyptischen Einsiedlermönche zumindest indirekt auch zu Gegenbeispielen für eine vielfach kritikwürdige christliche Realität im gallischen Lebensumfeld der Gesprächspartner.63 Postumianus’ Bericht entwickelt in seinem Verlauf somit eine Komplexität, die das von Sulpicius Severus’ ursprünglich formulierte Auskunftsinteresse übersteigt. Sie verdankt sich dabei wesentlich der Gesprächsdynamik zwischen den drei Dialogfiguren. So leitet sich die Ausführlichkeit, mit der Postumianus von seiner Reise berichtet, aus der Offenheit ab, mit der Sulpicius Severus seine dramatis persona ihn darum bitten lässt, über das Leben der Eremiten in den Wüsten Oberägyptens zu berichten. Zwar fokussiert ihre Frage wahrnehmbar auf jenen zentralen Teil seiner Reise, der im Wesentlichen auch ihr Anlass gewesen zu sein scheint, sie formuliert diese aber so allgemein, dass Postumianus sich eingeladen gefühlt haben mag, weiter auszuholen und von allen Stationen seiner Reise zu 57 S. etwa Sulp. Sev. dial. 1,9,4, wo Postumianus im Rahmen eines Lobs auf Hieronymus andeutet, dass sich dieser durch seine fundamentale Kritik bei vielen unbeliebt gemacht habe, sowie ebd., 1,21,5, wo sich andeutet, dass Hieronymus von den Gesprächspartnern des Dialogs vor allem als Kritiker wahrgenommen wird; s. zur Darstellung des Hieronymus im Gallus auch knapp Ghizzoni (1983) 172–174. 58 Fontaine (2006) 81–83 identifiziert fünf solcher „intermèdes gaulois“, die kritische Seitenhiebe auf die Lebensweise der Gallier formulieren. 59 Sulp. Sev. dial. 1,4,5–7. 60 Vgl. für die Stellenangabe oben Anm. 55. 61 Sulp. Sev. dial. 1,12. 62 Ebd., 1,21. 63 Dieser kontrastiven Funktion entspricht, dass Postumianus’ Bericht ein betont skizzenhaftes Bild des ägyptischen Eremitentums zeichnet; vgl. Fontaine (2006) 48–49. Dass dieses dabei idealisierte Züge trägt, betont Yuzwa (2014) 144; für eine Inhaltsangabe seiner Erlebnisse in der ägyptischen Wüste s. Ghizzoni (1983) 150–154.
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erzählen.64 Somit ist es die Figur des Sulpicius Severus, die mit ihrer gewissen Unschärfe der Frage nach den Formen christlichen Lebens im Osten die Vielschichtigkeit des Berichts und seine für den Verlauf des Gesprächs so entscheidende Perspektivierung auf die entsprechenden Einblicke, die Postumianus auf den Stationen seiner Reise gewonnen hat, anregt. Diese erlauben ihm nicht nur, die Lebensweise der Einsiedlermönche Ägyptens in ihr weiteres Umfeld zu situieren und hierdurch ihr außergewöhnliches Profil klarer erkennbar zu machen, sondern sie liefern außerdem den Anlass für die wiederholten kritischen Diskussionen der Dialogfiguren über den Zustand des christlichen Lebens in Gallien, den sie übereinstimmend als beklagenswert wahrnehmen.65 Auch wenn Postumianus die Zusammenkunft mit dem von ihm erbetenen Reisebericht zunächst dominiert, erscheint dessen differenziertes Ergebnis als Gemeinschaftsleistung der Dialogpartner. Ebenso entwickeln sich die anschließenden Ausführungen des Gallus über das Wirken Martins von Tours aus der Dynamik, die Postumianus’ Erzählung unter ihnen entfacht hat. Denn nach ihrem Abschluss von diesem entsprechend aufgefordert,66 liefert Sulpicius Severus’ dramatis persona eine weitere Kontextualisierung des ägyptischen Eremitentums nach, die diesmal zu dessen Ungunsten ausfällt. Denn sie verweist auf Martin von Tours als herausragendes Beispiel an mönchischer Askese in ihren Reihen, der einen Vergleich mit den von Postumianus porträtierten Einsiedlern in Ägypten nicht scheuen müsse.67 Mehr noch: Er sei diesen sogar überlegen, insofern er seine asketische Existenz nicht in der Einöde, sondern inmitten der Gesellschaft lebe.68 Auf diese Weise sei die sich aus seiner Lebensweise herleitende Wundertä 64 Sulp. Sev. dial. 1,2,2: Age ergo, quia et secreti inter nos nec occupati sumus et sermoni tuo uacare debemus, edisseras nobis uelim omnem tuae peregrinationis historiam: qualiter in Oriente fides Christi floreat, quae sit sanctorum quies, quae instituta monachorum, quantisque signis ac uirtutibus in seruis suis Christus operetur. – „Und weil wir nun so ungestört beisammen sind und uns keine Verpflichtungen drängen, als die, auf deine Worte zu lauschen, so erzähl uns doch bitte von deiner ganzen Reise: welchen Aufschwung der Glaube an Christus im Osten nimmt, wie sich das Dasein der Heiligen in Abgeschiedenheit darstellt, nach welchen Regeln die Mönche leben, durch wie viele Zeichen und Wunder Christus in seinen Dienern wirkt.“ Zitate aus dem Gallus folgen der Ausgabe von Fontaine (2006), die Übersetzungen stammen von Bieringer (1872). Sie wurden orthographisch dem heutigen Gebrauch angepasst und bei Bedarf inhaltlich modifiziert. Dabei wurde auch die Übersetzung von Fontaine (2006) zur Kenntnis genommen. 65 Vgl. hierzu den Wortwechsel zwischen Sulpicius Severus’ dramatis persona und Postumianus, bevor dieser mit seinem Bericht beginnt, in Sulp. Sev. dial. 1,2,3–4. 66 Ebd., 1,23,8. 67 Ebd., 1,24,2: Nam, cum excelsa retuleris, quod mihi dixisse liceat pace sanctorum, nihil a te penitus audiui in quo Martinus esset inferior. – „Denn obwohl du von ganz außerordentlichen Dingen erzählt hast, so habe ich doch – was zu sagen die Heiligen mir gütigst erlauben mögen – überhaupt nichts von dir gehört, worin Martinus nachstünde.“ 68 Vgl. die nachgerade programmatische Aussage in ebd., 1,24,2–3: Illi enim, ab omni inpedimento liberi, caelo tantum atque angelis testibus plane admirabilia docentur operari; iste in medio coetu et conuersatione populorum, inter clericos dissidentes, inter episcopos saeuientes, cum fere cotidianis scandalis hinc atque inde premeretur, inexpugnabili tamen aduersus
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tigkeit nicht nur ihm selbst wie den Einsiedlermönchen in Ägypten zugutegekommen, wenn diese etwa zähmende Wirkung auf wilde Tiere hätten, sondern in erster Linie bedürftigen Menschen in seinem Umfeld.69 Gallus’ anschließende Erzählung über exemplarische Taten Martins von Tours, mit der er der Bitte der Sulpicius-Figur nachkommt,70 leitet sich somit als direkte Reaktion aus Postumianus’ Reiseerzählung ab und von ihr erhält sie auch ihre spezifische Bedeutung. Erschienen die ägyptischen Eremiten bis dahin als modellhafte Alternative zu einer von theologischem Streit und klerikalem Luxusstreben geprägten christlichen Kultur, dienen Gallus’ Ausführungen dazu, ihnen mit Martin ein noch überzeugenderes Beispiel asketischer Existenz gegenüberzustellen, das in seiner Verbindung mit mildtätigem Wirken und sogar politischem Engagement gegenüber Leidenden und Bedürftigen die Lebensweise seiner ägyptischen Pendants übertrifft.71 omnia uirtute fundatus stetit, et tanta operatus est quanta ne illi quidem, quos ante audiuimus esse in eremo uel fuisse, fecerunt. – „Denn jene können einen lehren, wirklich wunderbare Taten zu vollbringen; dabei begegnen ihnen aber keine Hindernisse und sie haben nur den Himmel und die Engel als Zeugen; dieser aber [Martin] lebte mitten unter den Menschen und hatte Umgang mit ihnen sowie unter zerstrittenen Priestern und unter fanatischen Bischöfen. Und obwohl ihn fast täglich von allen Seiten Ärgernisse bedrängten, war er durch seine Tugend so unanfechtbar, dass er trotzdem allem gegenüber standhaft blieb und dabei so Großes wirkte, wie es nicht einmal jene, von deren aktuellem oder vergangenen Eremitenleben wir gerade gehört haben, zu wirken in der Lage waren.“ Dass sich das westliche Mönchtum nicht in Abgrenzung zur Gesellschaft, sondern innerhalb von dieser entwickelt, skizziert Stancliffe (1983) 21–22. 69 Vgl. Fontaine (2006) 24–25. Zur starken Betonung von Martins pastoraler Wirksamkeit im Œuvre des Sulpicius Severus s. Rousseau (2010) 164; vgl. auch Fontaine (1976) 116 zu seiner Darstellung Martins als eines aktiven Heiligen sowie ebd., 117–121 zur politischen Dimension der dort beschriebenen Episoden aus Martins Wirken. Dass Martin damit das Aufgabenportfolio kontinuiert, dass der traditionellen römischen Führungselite zukam, bedeutet Vielberg (2006) 171. 70 Sulp. Sev. dial. 1,26,7–8. 71 Vgl. etwa Postumianus’ Reaktion auf das Lob Martins durch Sulpicius Severus’ dramatis persona in Sulp. Sev. dial. 1,26,1: Ego uero, quoadusque uiuam semper et sapiam, Aegypti monachos praedicabo, laudabo anachoretas, mirabor eremitas, Martinum semper excipiam: non illi ego audeo monachorum, certe non episcoporum quempiam conparare. – „Gewiss werde ich, solange ich lebe und Verstand habe, Ägyptens Mönche preisen, seine Anachoreten loben und seine Eremiten bewundern. Aber Martin wird für mich immer eine Ausnahme bleiben. Ihn wage ich nicht mit irgendeinem Mönch und sicherlich auch nicht mit einem Bischof zu vergleichen.“ Zum Überbietungsaspekt des Gallus s. Brunert (1994) 167–170 und Barnes (2010) 218. Zum Bild Martins, der in seinem Bischofsamt Askese, pastorales Bemühen und kirchliche Organisation verbindet und sich dabei die gleiche Autorität erwirbt wie die Wüstenväter, im Œuvre des Sulpicius Severus s. Rousseau (2010) 148–153; vgl. auch Fanger (1987) 35–38 mit dem Hinweis, dass die Martinsvita das Handeln des Heiligen im Horizont sozialer Interaktion ansiedelt, während sich das Ideal des östlichen Mönchtums in der Trennung von der menschlichen Gemeinschaft realisiert habe, sowie für einen Überblick über Gallus’ Bericht Ghizzoni (1983) 154–160.
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Der von Postumianus erbetene Bericht über Martins Wirken erweist sich somit keinesfalls als redundant, wie es Sulpicius Severus seine dramatis persona mit Verweis auf seine Martinsvita zunächst glauben machen will, und dies nicht nur deswegen, weil Gallus ihm zusagt, nur solche Taten Martins zur Kenntnis bringen zu wollen, die in jener noch nicht verzeichnet sind.72 Auf Postumianus’ Erzählung folgend, erhält der gegenüber der Vita ergänzende Blick auf Martins Wirken vielmehr die Funktion des Nachweises, dass dieses auch dem Vergleich mit anderen Formen der Askese standhalten kann. Der von Gallus in die Zusammenkunft eingebrachte Tatenbericht führt dabei die Überlegenheit Martins durch die an die Vita anknüpfende narrative Präsentation eines Sets weiterer Episoden vor dem Hintergrund der vergleichbaren exemplarischen Erinnerung des Postumianus an seine Begegnungen mit den ägyptischen Wüstenmönchen narrativ vor Augen und macht sie seinen Rezipienten unmittelbar nachvollziehbar.73 Postumianus’ Bericht gibt indes noch einen weiteren Verständnishorizont vor, der in der Martinsvita ebenfalls nur im Hintergrund präsent ist. Denn die sukzessive Ausweitung seiner Erzählperspektive auf den vielfach kritikwürdigen Zustand des christlichen Lebens in Gallien und insbesondere der dortigen klerikalen Elite, die über die durch ihn angeregten Wortwechsel mit seinen Zuhörern erzielt wird, eröffnet vorab jenen ergänzenden Hintergrund, vor dem Martin durch sein Wirken auch als positives Gegenmodell zum aristokratischen Amtsverständnis des übrigen gallischen Episkopats erkennbar wird, das regelmäßig durch Anmaßung und eine dem Luxus ergebene Lebensweise geprägt sei.74 Die Gesprächssystematik des ersten Tages weist über den Rekurs auf die ägyptischen Wüstenmönche Askese, die von allen drei Gesprächspartnern übereinstimmend als vornehmste Form christlicher Existenz angesehen wird, zunächst als gottgefälligere Alternati 72 Vgl. für die Stellenangabe oben Anm. 40. 73 Hierin liegt auch der Grund für den Verzicht auf eine biographische Rahmung des Berichts, der für die Martinsvita konstitutiv war. Im Gallus geht es somit vor allem um den systematischen Nachweis der Überlegenheit Martins gegenüber dem ägyptischen Mönchtum. Gallus’ Erzählung greift dabei wie zuvor schon Postumianus’ Bericht Elemente exemplarischen Erzählens in der antiken Historiographie und Biographie auf; vgl. hierzu Yuzwa (2014) 8; 62 und 130–138 sowie ebd., 1–2 zur traditionellen Funktion von exempla zur ethischen Unterweisung in der römischen Kultur und deren Adaptation in der christlichen Literatur. 74 Zur Bezeichnung der Verhaltensweisen im gallischen Episkopat als prava ambitio und der Beschreibung seiner Standesethik und insbesondere seiner Unterwürfigkeit gegenüber dem Kaiser im Rückgriff auf Tacitus’ Kritik am Verhalten des frühkaiserzeitlichen Senatorenstandes, von der sich Martins Autorität unterscheidet, s. Vielberg (2006) 167–168 mit Verweis auf Sulp. Sev. Mart. 20,1–2; vgl. auch Voss (1970) 313. Im Gallus konkretisiert sich die Kritik am gallischen Episkopat in der Person von Martins Nachfolger Brictius, der seinerseits sehr statusbewusst agierte; s. Sulp. Sev. dial. 3,15 mit Vielberg (2006) 246. Zu dessen Ablehnung Martins s. auch van Dam (1993) 16–17 und Prinz (1996) 3–4. Zuvor hatte schon Postumianus mit der moralischen Verkommenheit des gallischen Klerus den Befund begründet, dass Martin überall im Römischen Reich und darüber hinaus verehrt würde, in seiner Heimat aber kaum bekannt sei (Sulp. Sev. dial. 1,26,2–6).
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ve zum Selbstverständnis des gallischen Klerus aus,75 bevor daraufhin Martins Wirken und seine bischöfliche Amtsführung, die asketische Lebensweise und karitatives Wirken einschließt, als über die Eremiten der ägyptischen Wüste hinausweisende Realisationsform christlicher Askese erkennbar wird.76 Die Relevanz dieser mehrstufigen Annäherung an das außergewöhnliche Wesen Martins lässt Sulpicius Severus seine dramatis persona selbst andeuten, indem sie in ihrer Reaktion auf Postumianus’ Bericht durchblicken lässt, dass dieser ihr dazu verhelfe, jenes präziser zu erfassen und zu benennen.77 Die Ausführungen des weitgereisten Freundes verleihen der Gesprächsgemeinschaft somit nicht nur die Sicherheit, dass Martin durch die ihnen erst dadurch detailliert bekannt gewordenen eremitischen Lebensformen in der ägyptischen Wüste keine ernsthafte Konkurrenz erwächst,78 sondern sie ermöglichen ihnen umgekehrt auch zu erkennen, dass es zu ihm keine gleichberechtigte Alternative gibt. Die Gesprächshandlung entwickelt ihr vielschichtiges Aussageprofil somit vor allem durch das Mittel des kontrastierenden Vergleichs, der sich aus den verschiedenen Erfahrungen, die die Dialogfiguren in ihre Unterredung einbringen, speist. Hierdurch erweist sich als zentraler Gegenstand des Gallus weniger die Ergänzung der Martinsvita als vielmehr die Konkurrenz zwischen verschiedenen asketischen Lebensweisen, die im Römischen Reich geographisch unterschiedlich verortet werden können. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich als Gegenentwurf zu einer christlichen Kultur präsentieren, die von theologischem Streit und aristokratischem Selbstverständnis geprägt ist. Die Differenz zwischen ihnen besteht darin, dass sich die eine in gesellschaftlicher Abkehr und monastischer Selbstsorge arti 75 S. Rousseau (2010) 155–156. 76 Vgl. Stancliffe (1983) 83 sowie 283–289. In diesem Horizont fungiert Sulpicius’ MartinsŒuvre auch als Verteidigung Martins gegenüber Anfeindungen aus dem Kreis des gallischen Episkopats. Diese entzündeten sich auch an seiner Verteidigung Priscillians vor dem Kaiser und seiner Kritik an dessen Hinrichtung, woraus im Kreise der Verehrer Martins die Furcht erwuchs, ein ähnliches Schicksal wie die Anhänger Priscillians zu erleiden; vgl. Prinz (1996) 8–13 sowie Vielberg (2006) 58, der ebd., 59–60 auch herausarbeitet, dass in der Verteidigung Priscillians vor dem Kaiser eine Ursache für das postume Bild Martins, der sich zum Schutz Bedrohter defensiv gegen den Machtanspruch der Mächtigen wendet, zu suchen ist. 77 Sulp. Sev. dial. 1,24,1–2. Equidem, Postumiane, inquam, cum te iam dudum de sanctorum uirtutibus intentus audirem, tacitis ad Martinum meum cogitationibus recurrebam, merito perspiciens omnia illa quae singuli diuersa fecissent per unum istum facile conpleta. […] Sed sicut nullius umquam cum illius uiri meritis profiteor conferendam esse uirtutem, ita illud animaduerti decet iniqua illum cum eremitis uel etiam anachoretis condicione conferri. – „Ich erwidere: Da ich dir, Postumianus, schon lange aufmerksam über die Wundertaten der Heiligen zuhöre, kam mir stillschweigend mein Martin wieder in den Sinn und mir wurde klar, dass all die Taten, die die verschiedenen Heiligen je einzeln vollbracht haben, von ihm mühelos allein bewerkstelligt worden sind […] Aber wie ich ganz offen sagen kann, dass die Tugend von niemandem jemals mit der jenes Mannes verglichen werden darf, so muss auch dies anerkannt werden, dass jener in keinster Weise mit den Eremiten und auch nicht mit den Anachoreten verglichen werden kann.“ 78 Tatsächlich werde die Martinsvita nach Ausweis des Postumianus auch in der ägyptischen Wüste gelesen (vgl. Sulp. Sev. dial. 1,23,7).
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kuliert,79 während sich die andere von Martin verkörperte in aktiver Auseinandersetzung mit allen gesellschaftlichen Kräften realisiert und auf diese Weise über ihren Modellcharakter sowohl auf die Transformation der Gesellschaft selbst als auch auf ein neues Leitbild des Episkopats zielt.80 Die Dialogform des Gallus stellt folglich keinesfalls nur ein gefälliges strukturelles Beiwerk dar, wie die ältere Forschung auf der Basis einer vermeintlich in diese Richtung zu deutenden Textstelle verschiedentlich gemeint hat.81 Ihre Funktion geht ebenso darüber hinaus, nach Art eines Rechtsstreits zwei asketische Lebensformen in konkurrierendem Vergleich gegenüberzustellen, wie in der spätantiken Rezeptionsgeschichte geäußert worden ist.82 Vielmehr konstituiert die Gesprächsinteraktion des Werks eine Dynamik, aus der heraus die gegenüber der Martinsvita ergänzende Vergegenwärtigung weiterer Taten des Mönchsbischofs aus Tours und deren aemulative Gegenüberstellung mit den Lebensformen der Einsiedler in der ägyptischen Wüste erst ihr vollständiges Aussageprofil entwi 79 Vgl. Yuzwa (2014) 142, der die Kritik am ägyptischen Mönchtum mit der römischen Auffassung in Verbindung bringt, dass Handeln nur dann zum verbindlichen Modell und exemplum werden kann, wenn es der Gesellschaft nützt. 80 Vgl. van Dam (1985) 122–134; grundsätzlich zum gallischen Episkopat und seiner Herrschaftsform, die Elemente paganer Verwaltungsorganisation und eines daraus erwachsenen Selbstverständnisses kontinuiert, mit ausführlicher Diskussion der älteren Literatur s. Diefenbach (2013); zur Übernahme von traditionellen Formen der Statusrepräsentation und Selbstdarstellung der lokalen Senatsaristokratie durch den gallischen Episkopat sowie zur Konkurrenz zwischen einem (sich durchsetzenden) aristokratischen und einem asketisch-charismatischen Amtsverständnis, das u. a. von Martin von Tours repräsentiert wurde, s. Jussen (1995). Freilich macht Diefenbach (2013) 120–12 zu Recht deutlich, dass das von letzterem verkörperte Selbstverständnis gleichermaßen elitäre Züge aufwies. Vgl. auch Fontaine (2006) 51 und 66, der in den Konflikten mit den gallischen Bischöfen und der von ihnen repräsentierten Hierarchie eine Krise des von Martin ausgehenden Mönchtums erkennen will. Vor diesem Hintergrund arbeitet er ebd., S. 67 eine aggressive Spannung zwischen dem Lob Martins und der Kritik am gallischen Klerus heraus. In diesem Sinne diene Sulpicius Severus’ Interesse am monastischen Leben in Ägypten auch der Weiterentwicklung des beginnenden Mönchtums in Gallien; vgl. ebd., 69. Dass der Gallus für zwei Leserkreise – Verehrer und Kritiker Martins – geschrieben ist, betont Goodrich (2007) 191–192; zur Kritik an Martins früherem Soldatenberuf, die selbst in seinem Umfeld artikuliert wurde, s. Brunert (1994) 146–249. Zu Martins missionarischer Tätigkeit im Horizont eines sich bis dahin noch weitgehend im städtischen Ambiente entwickelnden Christentum und der Rolle seiner Wundertätigkeit dafür s. Rosen (2009). Zur Entwicklung des Martinskults bis in merowingische Zeit s. van Dam (1993) 13–28; zu seiner Bedeutung für die urbanistische Entwicklung Tours’ von der Spätantike bis ins hohe Mittelalter s. Farmer (1991). 81 Sulp. Sev. dial. 3,5,6: Ceterum, etsi dialogi speciem, quo ad leuandum fastidium lectio uariaretur, adsumpsimus, nos pie praestruere profitemur historiae ueritatem. – „Obwohl wir übrigens die Dialogform angewandt haben, damit die Lektüre abwechslungsreicher und die Gefahr des Überdrusses gemindert wird, so erklären wir doch aufrichtig, dass wir der Wahrheit des Berichteten die oberste Priorität eingeräumt haben.“ Zur Deutung dieser Stelle in der älteren Forschung s. oben Anm. 22. 82 S. hierzu oben Anm. 50.
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ckeln.83 Realisiert wird dieses sich allmählich erschließende komplexe Aussagegeflecht nicht nur durch die Gesprächshandlung selbst, sondern wesentlich auch durch eine gekonnt aufeinander abgestimmte Gestaltung der drei Dialogfiguren, die Ausrichtung und Verlauf der Unterredung bedingen. Aus diesem Grund sollen sie im nächsten Kapitel genauer in den Blick genommen werden. Dabei wird sich zeigen, dass Sulpicius Severus sie mit Charakteristika ausgestattet hat, die den Aussagerahmen seines Dialogs über das bereits Herausgearbeitete nochmals erweitern. IV. Obwohl Sulpicius Severus seiner dramatis persona nur wenige Gesprächsanteile zuweist, ist sie für den Gesprächsverlauf von entscheidender Bedeutung. Denn als Gastgeberin kommt ihr jene integrierende Rolle zu, die die vergleichende Gegenüberstellung Martins von Tours mit den Eremiten der ägyptischen Wüste erst möglich macht.84 Dies gelingt ihr, weil nur sie mit beiden Gästen gut vertraut ist, während diese sich nur flüchtig kennen wollen. Dabei vermag sie den unangemeldet eintreffenden Postumianus überzeugend ihrer Freude über seine Rückkehr nach Gallien zu versichern und ihn trotzdem dafür zu gewinnen, den bereits anwesenden Gallus am gemeinsamen Wiedersehen teilhaben zu lassen, obwohl jener zu beanspruchen scheint, allein mit Sulpicius zusammenzutreffen.85 Die Bereitschaft hierzu lässt sich Postumianus abgewinnen, weil er von der Wertschätzung weiß, die Gallus dem auch bei ihm hochangesehenen Martin entgegenbringt.86 Über ihre freundliche Art stiftet sie somit die nähere Bekanntschaft zweier Vertre 83 Mit seinem Bestreben, Martins Überlegenheit gegenüber dem östlichen Mönchtum zu erweisen, schreibt sich Sulpicius Severus in einen grundsätzlichen Zug der frühen lateinischen Hagiographie ein, die seit Hieronymus’ Paulusvita auf die aemulatio des Antonius und der ihm geltenden Vita zielt; s. hierzu Rapp (2010) 119. Zum Verständnis Martins als imitator Christi im Gallus s. Yuzwa (2014) 152, zu seiner Konzipierung als Integrationsfigur aller virtutes, die die ägyptischen Wüstenmönche jeweils nur im Einzelnen verkörpern ebd., 156 (vgl. Sulp. Sev. dial. 1,25,7). 84 Für eine Charakterisierung der Sulpicius-Figur s. Fontaine (2006) 40–41. 85 Sulp. Sev. dial. 1,1,3: Tu modo, propter quem tot maria transnauigauimus, tantum terrae transcucurrimus, conplectendum fruendumque te, remotis omnibus, trade. – „Du nun, um dessentwillen wir so viele Meere durchsegelt und so viele Länder durchwandert haben, lass mich dich jetzt umarmen und dich für mich ganz allein haben.“ 86 Ebd., 1,1,4–5: „Nam huius nostri, ut arbitror, Galli praesentiam non moleste feres, qui hoc aduentu tuo, ut uides, perinde atque ego triumphat gaudio.“ – „Recte plane“, inquit Postumianus, „in societate nostra Gallus iste retinebitur. Qui, etsi mihi parum cognitus est, pro eo tamen quod tibi est carissimus non potest mihi non esse carus, maxime cum ex Martini sit disciplina.“ – „‚Denn die Anwesenheit unseres Gallus wird dir, wie ich meine, nicht unangenehm sein; strahlt er doch, wie du siehst, voll Freude über deine Heimkehr, gerade so wie ich.‘ ‚Ganz einverstanden‘, sagte Postumianus, ‚dieser Gallus soll in unserer Gesellschaft bleiben. Zwar ist er mir nicht besonders bekannt; weil er dir aber so lieb und wert ist, muss er auch mir lieb sein, vor allem aber, weil er durch Martins Schule gegangen ist.“
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ter ihres Freundschaftsnetzwerks, die in ihrer Verehrung des Mönchsbischofs von Tours eine erste Gemeinsamkeit aufweisen,87 und schafft auf diese Weise die Voraussetzung, dass der Augenzeuge der ägyptischen Einsiedlermönche und der Begleiter Martins von Tours ins Gespräch kommen und von ihren jeweiligen Erfahrungen berichten. Sulpicius Severus lässt seine dramatis persona somit als Stifterin eines Netzwerks im Geiste Martins erscheinen, dessen Glieder durch den wechselseitigen Austausch voneinander profitieren.88 Sulpicius Severus’ dramatis persona wird von Postumianus sodann als Autorin der Martinsvita gewürdigt, die, wie dieser während seiner Reise mitbekommen haben will, im Orient bereits breite Rezeption erfahre.89 Er lässt sich im Gallus somit als wirksamer Propagator Martins über das ganze römische Reich hinweg erscheinen. Im Horizont dieser Selbstmodellierung lässt er seine dramatis persona zur wirksamen Anregerin avancieren, die bewirkt, dass auch andere ihre Erfahrungen mit Martin und ihr Wissen über ihn ausformulieren und ihn damit in seinem Bemühen unterstützen, die Erinnerung an ihn zu sichern und weiterzugeben.90 Denn indem sie Postumianus’ Anliegen, von ihr weitere Beispiele von Martins Wirken zu hören, mit Verweis auf seine Martinsvita ablehnt und dieses an Gallus weitergibt, eröffnet sie diesem die Gelegenheit, erstmals selbst von seinen Erfahrungen mit dem Mönchsbischof aus Tours zu berichten und damit ein Potenzial freizusetzen, dass er sich offensichtlich von allein nicht zugetraut hätte.91 Als 87 Postumianus gibt seine Verehrung Martins in Sulp. Sev. dial. 1,26,1 zu erkennen. In ebd., 1,23,2 lässt er durchblicken, dass er die Martinsvita des Sulpicius Severus auf seiner Reise immer dabei hatte. – Zu Recht ordnet Vielberg (2006) 51–52 den Gallus in den Horizont spätantiker Freundschaftskultur ein. Zur egalitären Haltung der Gesprächspartner s. Fontaine (1993) 28 (vgl. auch ebd., 102, Anm. 1 für eine Anspielung auf Cic. Lael. 104) und Cardelle de Hartmann (2012) 60. Zum informellen Ton der Konversation s. Yuzwa (2014) 106–107. 88 Der Umgang der Gesprächspartner untereinander sowie die offensichtliche Attraktivität ihrer Gemeinschaft, die ab dem Abend des ersten Tags zu ihrer Erweiterung durch interessierte Glaubensbrüder führt, reflektieren das Gemeinschaftsgefühl des westlichen Mönchtums, das in dieser Hinsicht im Kontrast zum Eremitentum des Ostens steht; vgl. Vielberg (2006) 57. Freilich weist Vielberg ebd., 170–171 darauf hin, dass sich Martins monastisches Konzept durchaus am östlichen Mönchtum orientiert und daher auch eremitische Züge aufweist, die allerdings durch koinobitische Aspekte ergänzt werden. 89 Sulp. Sev. dial. 1,23,3–7: Die Martinsvita werde laut Postumianus in Rom, Karthago, Alexandria und ganz Ägypten gelesen. Tatsächlich verbreitete sich die Martins-Vita zügig in der mediterranen Welt. Zur Bedeutung des Paulinus von Nola hierfür, der die Vita in Nola vorlesen ließ und für ihre Bekanntmachung in Rom sorgte, s. Goodrich (2007) 193–194. 90 Sulpicius konzipiert seine dramatis persona somit eher nicht als über den Parteien stehenden neutralen Beobachter, wie sie von Vielberg (2006) 57 gesehen wird. 91 Yuzwa (2014) 94 spricht daher davon, dass Gallus durch die Bitte der Sulpicius SeverusFigur ebenfalls zum Hagiographen gemacht werde und auf diese Weise die Rezipienten des Werks anregen solle, selbst zu Erzählern der Taten Martins zu werden. Hierin sieht Yuzwa ebd., 123 die spezifische Funktion des Gallus im funktional ausdifferenzierten MartinsŒuvre des Sulpicius Severus: Während die Vita lehre, Martins Wirken zu lesen, stellten die Briefe dessen exemplarisches Handeln in den Mittelpunkt, bevor der Gallus seinen Rezipienten anleiten wolle, in Nachahmung der in ihm inszenierten Gesprächsgemeinschaft selbst zu
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die Unterredung des ersten Tages zu Ende kommt, weitet Sulpicius Severus diese Funktion seiner dramatis persona sogar noch auf Postumianus aus, indem er ihn beauftragt, bei seiner nächsten Reise weiter an der Bekanntmachung Martins in Italien und im Osten des Reichs mitzuwirken.92 Auf diese Weise konstruiert er im Gallus eine dramatis persona seiner selbst, die die Rolle, die er sich in der Martins-Vita zugewiesen hat, in komplementärer Weise ergänzt. Nachdem er in ihr die Erinnerung an Martin als Modell tätiger Askese entscheidend grundgelegt hat, führt er in der Gesprächshandlung seines Dialogs nun vor, wie er darüber hinaus tatkräftig an deren Verbreitung im regionalen wie auch im weiteren Horizont des gesamten Reichs arbeitet, indem er sich hierzu effektiv seines Freundschaftsnetzwerks bedient. Sulpicius’ Freund Postumianus verfügt nicht nur über den geographisch weitesten Kenntnishorizont der drei im Geiste Martins versammelten Gesprächspartner. Auch seine persönlichen Beziehungen reichen weit in den Osten des Imperiums hinein.93 Prominent erscheint in seinem Bericht seine Bekanntschaft mit Hieronymus, um deren Pflege er vor seiner Reise in die Eremitagen Oberägyptens auch den Umweg über Bethlehem auf sich genommen haben will.94 Zudem bezeugt sein kompetenter Bericht über den während seines Aufenthaltes in Alexandria ausgefochtenen Streit um die Lehren des Origenes, dass er auch ansonsten bemüht ist, auf den Etappen seiner Reise in Kontakt und Austausch mit den einschlägigen Akteuren christlicher Kultur zu treten.95 Seine Offenheit gegenüber den Menschen, denen er begegnet, manifestiert sich nicht zuletzt schon in der ersten Unterbrechung seiner Reise in der nordafrikanischen Wüste, wo er die Gastfreundschaft des Priesters, auf den er dort zufällig trifft, zur intensiven Begegnung mit ihm nutzt und auf diese Weise Einblick in dessen Lebensweise erhält.96 Postumianus erscheint somit als aufmerksame und vielfach interessierte Persönlichkeit, die ihre Reise zur umfänglichen Wissensakkumulation über Bedingungen und Charakteristika der von ihm besuchten Gegenden und ihrer Einwohner zu verwenden weiß.97 Hieraus resultiert ein Bildungshorizont, der über seine
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Hagiographen zu werden. Vgl. auch ebd., 147 für ein Verständnis der Gallus-Figur als eines exemplarischen Rezipienten der Taten Martins. Vgl. hierzu Vielberg (2006) 50, der auf die strategische Durchdachtheit des Auftrags hinweist, indem Paulinus die Werbung für Martin in Italien und Postumianus im Osten überantwortet wird. Bei letzterer Region sei es auch um die Konkurrenz mit dortigen Modellfiguren wie Cyprian in Karthago gegangen. Zur Charakterisierung des Postumianus als weithin vernetzte und gebildete Persönlichkeit s. Fontaine (2006) 41–42. Sulp. Sev. dial. 1,8. Ebd., 1,7,1. Ebd., 1,4,1–4; 5,2–5,6. So habe er sich in Alexandria selbst ausführlich mit den zur Debatte stehenden Schriften des Origenes beschäftigt, um sich selbst eine Meinung zu bilden (ebd., 1,6,4–5). Dass Sulpicius erst zwischen der Abfassung der Martinsvita und des Gallus Einblick in die Positionen des Streits gewonnen haben dürfte, die er Postumianus skizzieren lässt, arbeitet van Andel (1980) 284–285 heraus. Dass Postumianus die Lehre des Origenes in dial. 1,7 als Irrtum bewertet,
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Kenntnis der theologischen Diskussionen seiner Zeit hinausreicht. Dieser speist sich nicht zuletzt aus dem Beobachtungsrepertoire der antiken ethnographischen Tradition, auf das er insbesondere bei der Schilderung seiner Begegnung mit dem Wüstenpriester und bei der Beschreibung von Wohnort und Lebensweise der ägyptischen Einsiedlermönche zurückgreift.98 Infolgedessen vermittelt er seinen Zuhörern vielfältige Informationen über Topographie und Lebensbedingungen der von ihm besuchten Gegenden sowie über siedlungsgeographische Details. Auch liefert er detaillierte Beschreibungen von Verhalten und kulturell bedingten Gewohnheiten der von ihm aufgesuchten Menschen.99 Wiederholte intertextuelle Referenzen – beispielsweise in seiner Beschreibung des Wüstensaums in Nordafrika auf die ethno- und kulturgeographischen Abschnitte in Sallusts Bellum Iugurthinum in Bezug auf die zeltartigen Behausungen in der Gegend100 – verstärken dabei das Anliegen, seine Ausführungen dezidiert in die Nachfolge entsprechender literarisch überlieferter Beschreibungsmodelle zu stellen. Mit Postumianus hat sich folglich ein Christ auf eine dreijährige Pilgerreise begeben, der über die Wahrnehmungs- und Beschreibungstraditionen antiker Bildung verfügt und diese gewinnbringend in seine christliche Identität integriert. Folge ist, dass er die Gesprächsgemeinschaft mit einem Wissenshorizont versorgt, der den beiden anderen Dialogfiguren ohne ihn nicht verfügbar wäre, der im weiteren Verlauf der Zusammenkunft aber entscheidend sein wird, um die Einmaligkeit von Martins Wirken im Horizont konkurrierender Formen christlichen Lebens identifizierbar zu machen. Gleichzeitig weist Postumianus’ vielschichtiger Bericht in gewisser Weise auf das charakteristische Lebenskonzept Martins von Tours voraus. Denn beide begegnen sich im wachen Interesse für ihre Umwelt, welches bei jenem die Voraussetzung dafür ist, dass er seine Askese nicht in der Abgeschiedenheit lebt, sondern diese mit dem diakonischen Blick für die Bedürfnisse der Gesellschaft, in der er lebt, verbindet. Der gleichermaßen asketischen wie tätigen Modellexistenz, die Martin verkörpert, stellt der Gallus in Form des Postumianus somit ein Bildungsverständnis gegenüber, dem eine korrespondierende Wahrnehmungsfähigkeit für die Umwelt eignet, die es erst ermöglicht, das begründet van Andel in diesem Zusammenhang damit, dass Sulpicius Severus hierdurch eine Stelle in der Vita habe korrigieren wollen (Mart. 22), aus der eine positive Haltung ihr gegenüber hätte abgeleitet werden können (van Andel [1980] 278–280). 98 Zu Affinitäten von Postumianus’ Erzählung zur antiken Tradition der peregrinatio s. Vielberg (2006) 58; vgl. aber auch Stancliffe (1983) 104 und Fontaine (2006) 29–31, die auf den Hintergrund des christlichen Reiseberichts in das Hl. Land und nach Ägypten im 4. Jh. verweisen. 99 Dies betrifft gleichermaßen die Lebensweise des Wüstenpriesters in den Syrten wie jene der ägyptischen Eremiten. Vgl. auch, dass Postumianus in seinem Bericht über seinen Ausflug in die nordafrikanische Wüste darauf hinweist, dass sich im Bürgerkrieg Cato d. J. auf der Flucht vor Caesar in dieser Gegend zurückgezogen habe (Sulp. Sev. dial. 1,3,6). 100 Vgl. z. B. Sulp. Sev. dial. 1,3,3 mit Sall. Iug. 18,5; s. Fontaine (2006) 61. Zur sprachlichen Anlehnung der Dialogi an Sallust s. Voss (1970) 313 und Fontaine (1993) 31; zu Sallust als Vorbild für die Vita s. Vielberg (2006) 42–43. Zu komischen Elementen in Postumianus’ Bericht über die ägyptischen Eremiten, die an die Komödie erinnern, s. Fontaine (2006) 61–62.
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Wirken des Mönchsbischofs von Tours zu kontextualisieren und damit kompetent seine Unvergleichbarkeit zu erweisen. Mit der Figur des Postumianus arbeitet Sulpicius Severus nicht weniger als die fundamentale Bedeutung traditioneller Bildung in reichsweiter Perspektive heraus, um seinem Ziel, das Andenken Martins zu bewahren und zu verbreiten, gerecht zu werden.101 Im Vergleich zum weltgewandten und breit gebildeten Postumianus präsentiert sich Gallus zunächst als der Gesprächspartner mit dem geringsten Horizont.102 Allerdings wird er als Schüler Martins von Tours vorgestellt, der auf diese Weise nicht nur auf persönliche Begegnungen mit ihm zurückblicken kann wie Sulpicius Severus selbst, sondern anders als dieser auch auf eine längere Phase des Zusammenlebens mit ihm.103 Auch er bringt somit eine exklusive Erfahrung in die Zusammenkunft mit ein. In seinem Falle bedarf es jedoch einiger Anstrengung, bis er seine Gesprächspartner daran Anteil haben lässt. Während der eloquente Postumianus der Aufforderung von Sulpicius Severus’ dramatis persona sofort und ausführlicher als gewünscht willfährt, muss sie Gallus stattdessen intensiver dazu drängen, Postumianus’ Anliegen, von weiteren Taten Martins Kenntnis zu erhalten, statt ihrer zu entsprechen. Gallus’ Erzählung offenbart dann allerdings umgehend, dass sein entschuldigender Verweis auf seine mangelnde sprachliche Befähigung nicht gerechtfertigt war. Nicht nur, dass sie in Strukturiertheit und narrativer Dynamik Sulpicius Severus’ Martins-Vita nicht nachsteht. Darüber hinaus lässt sie über zumindest einige intertextuelle Anspielungen auf die pagane literarische Tradition einen durchaus soliden Bildungshintergrund ihres Erzählers durchblicken.104 In diese Richtung weist schließlich auch, dass Gallus mit Sulpicius Severus’ Martins-Vita gut vertraut zu sein scheint, wenn er zu Beginn seiner Ausführungen ankündigt, nur von solchen Taten Martins berichten zu wollen, von denen in jener noch nicht zu lesen ist.105 Er stellt sich somit explizit in die Nachfolge der Vita, deren Poetik er offensichtlich so genau nachvollzogen hat, dass er in der Lage ist, diese in seinem 101 Zu Sulpicius Severus’ Bildung s. Fontaine (1993) 23; zum selbstbewussten Verweis seiner dramatis persona auf ihre Bildung s. dial. 1,9,3; 1,27,5; 3,10,4; vgl. Voss (1970) 313 mit Anm. 28. 102 Indem sich Gallus von seinen beiden Gesprächspartnern, die er als Aquitanier bezeichnet, abgrenzt, und damit seine geringere Sprachkompetenz ableitet (Sulp. Sev. dial. 1,27,1–2), sieht Fontaine (1993) 28 in ihm das Bildungsgefälle zwischen Aquitanien und Nordgallien widergespiegelt. Freilich lässt Sulpicius Severus ihn seine Ausführungen des zweiten Tages mit einem Statius-Zitat beginnen (vgl. dial. 3,10,4 mit Stat. Theb. 8,751) und damit zeitversetzt durchaus als gebildete Person erscheinen. Schon in dial. 1,8,4 ließ er sodann durchblicken, dass er mit den Schriften des Hieronymus vertraut ist. Fontaine (1993) 30 deutet die Figur vor diesem Hintergrund als ambivalente Persönlichkeit, die Bildung, Askese und die Haltung einfacher Leute integriert. Vgl. Yuzwa (2013) 128 und (2014) 123 zur Korrespondenz von Gallus’ einfachem Stil und Martins entsprechender Lebensweise. 103 Vgl. nochmals Sulp. Sev. dial. 1,1,5 oder 1,26,8 und 1,27,3. 104 S. exemplarisch Anm. 102 sowie den Stellenkommentar in Fontaine (2006) passim. 105 Sulp. Sev. dial. 1,27,7.
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Bericht souverän zu repetieren.106 Seine offensichtliche Kompetenz artikuliert sich nicht zuletzt in der Wirkung, die sein Bericht auf seine Umgebung ausübt. So findet dieser allein durch ein äußeres Ereignis ein Ende, nämlich durch das Eintreffen des befreundeten Klerikers Refrigerius auf Sulpicius Severus’ Landgut.107 Außerdem scheint sich sein Ruf umgehend im weiteren Umkreis der Villa zu verbreiten, so dass am nächsten Tag, auf den unten noch weiter einzugehen sein wird, eine Reihe weiterer Kleriker und anderer Interessierter eintreffen und Einlass erbitten, um Gallus’ weiteren Ausführungen lauschen zu dürfen.108 Seine anfängliche Sorge, dem Anliegen des Postumianus sprachlich nicht gewachsen zu sein, erweist sich aus der Perspektive seiner nachfolgenden Erzählung somit lediglich als Ausdruck monastischer Bescheidenheit. Denn dank des Drängens von Sulpicius Severus’ dramatis persona avanciert Gallus zum souveränen Fortsetzer der Martinsvita, der er auch darin nacheifert, dass sich seine Ausführungen umgehend eine größere Reichweite erschließen. Vor diesem Hintergrund präsentiert er sich als die dynamischste Figur des Dialogs. Zum einen wird sie erst mithilfe ihres Gastgebers ihrer Befähigung gewahr, ebenfalls zum Berichterstatter über die Taten Martins zu werden. Gleichzeitig führt sie vor Augen, welches Potenzial durch das bescheidene Verbergen einer entsprechenden Kompetenz verloren gehen kann. Gallus legt auf diese Weise einmal mehr die Bedeutung von Bildung für die memoria Martins und deren Verbreitung offen, indem er die negativen Folgen einer falsch verstandenen Bildungsverweigerung durch den Erfolg seines Berichts indirekt erkennbar werden lässt. Die Gesprächsfiguren des Gallus bleiben bei genauer Betrachtung folglich nicht blass, wie in der Forschung behauptet wurde,109 sondern sie weisen eine durchaus beachtliche Vielschichtigkeit auf. Diese erschließt sich komplementär zur inhaltlichen Dynamik über das Gesprächsgeschehen des Dialogs, dessen grundlegende Funktion als gleichsam performative Realisationsebene eines umfänglichen Thementableaus sich hierdurch einmal mehr zu erkennen gibt. Dabei ist die Figurencharakterisierung gekonnt auf die oben herausgearbeitete Argumentationsstruktur abgestimmt. Außerdem ergänzt sie diese durch weitere komplementäre Aussagefelder, die die Komplexität des Werks steigern. Dies betrifft vor allem die dramatis persona des Sulpicius Severus, die konsequent dem self-fashioning ihres Autors und seines Selbstverständnisses als Propagator Martins von Tours zuarbeitet. Hierzu zählt, dass sie von beiden Gästen als Autor der Martinsvita gewürdigt wird, dem hierdurch die entscheidende Rolle für 106 Zur Parallelität der paradigmatischen Szenenstruktur der Erzählung über Martins Wirken im Gallus und in der Vita und deren didaktischer Funktion s. Fontaine (2006) 49–50. Für eine narratologische Analyse der Martins-Episoden im Gallus s. Gonzáles Iglesias (1992). 107 Sulp. Sev. dial. 2,14,5–8. 108 Ebd., 3,1,4–8. 109 So Fontaine (2006) 38 mit letztlich insgesamt negativer Sicht auf den Gallus, wenn dieser ebd., 37 den Gallus mit Blick auf Sulp. Sev. dial. 3,5,6 (s. das Zitat in Anm. 81) als Scheindialog bezeichnet. Als reine Fassade bewertet auch Brunert (1994) 159 die Dialoggestaltung des Gallus.
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die Verbreitung von dessen Ruf zugewiesen wird. Dabei ist es vor allem der weitgereiste Postumianus, der auf die Verbreitung der Schrift bis in die Eremitagen Ägyptens hinweist und damit ihre außerordentliche Wirksamkeit im Bemühen, Martin und sein Wirken im gesamten Römischen Reich bekannt zu machen, offenlegt.110 Ergänzend dazu lässt sich auch die anfängliche Weigerung des Gallus, den durch Postumianus von Sulpicius Severus’ dramatis persona geforderten Bericht über weitere Taten Martins zu übernehmen, als indirekter Hinweis verstehen, dass die entscheidende Autorität für die memoria des Mönchsbischofs von Tours der Martinsvita und ihrem Autor zukomme. Die für den Dialog charakteristische Gesprächsinteraktion ermöglicht es Sulpicius Severus, sich diese Rolle über seine dramatis persona von außen zuschreiben zu lassen. Dabei wird diese nicht einfach nur als Behauptung der beiden anderen Figuren in den Raum gestellt, sondern über ihr Verhalten und ihre Gesprächsbeiträge gleichsam bestätigt. Vor allen Dingen erlaubt ihm die Dialogstruktur aber, seine dramatis persona als gewandte Stifterin einer Gemeinschaft mit zwei selbst bis dahin noch nicht enger vertrauten Bekannten zu inszenieren, durch die die weitere Verbreitung von Wesen und Wirken Martins eine neue Dimension erhält. Grundlage hierfür ist, dass jeder von ihnen über spezifische Erfahrungen verfügt, die Sulpicius Severus und damit auch seiner dramatis persona selbst nicht oder nur unzureichend zueigen sind. So versorgt ihn Postumianus mit wichtigen Informationen über Aspekte der christlichen Kultur im Osten und vor allem über die Lebensweise der ägyptischen Eremitenmönche, die im Westteil des Reichs erst allmählich bekannt wurden.111 Mit ihm lässt er seine dramatis persona über einen vertrauenswürdigen Augenzeugen und somit über eine Quelle aus erster Hand verfügen, deren Bericht insgesamt darauf angelegt ist, die Vertrauenswürdigkeit seiner Ausführungen zu untermauern.112 Durch die Freundschaft mit Postumianus ist seine Dialogfigur somit nicht auf die sich im Umlauf befindlichen Schriften angewiesen, um sich Kenntnisse über die Eremitenbewegung in Ägypten zu verschaffen. Gallus hat Sulpicius Severus und seiner dramatis persona demgegenüber voraus, dass er der klösterlichen Lebensgemeinschaft Martins angehörte und auf diese Weise dessen regelmäßiger Begleiter war. Der Autor des Gallus versieht ihn folglich mit einem weit höheren Grad an Augenzeugenschaft, als er selbst für sich beanspruchen kann, und lässt ihn hierdurch ein Defizit in seiner eigenen Vertrautheit mit dem Gegenstand seines schriftstellerischen Wirkens kompensieren. Indem Gallus verbal und durch sein Verhalten die Autorität der Martinsvita bestätigt und anerkennt, arbeitet sein Erfahrungsschatz der Glaubwürdigkeit seines Autors zu und er unterstützt auf diese Weise die auf diesen bezogenen Aussageintentio-
110 S. oben Anm. 89. 111 S. hierzu oben Anm. 56. 112 Die Augenzeugenschaft des Berichteten betont Gallus in Sulp. Sev. dial. 1,27,8.
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nen des Dialogs.113 Sulpicius Severus lässt sich einmal die Bedeutung seiner Rolle als Vermittler von Martins Wirken durch seine Vita bestätigen, auf der anderen Seite wird diese aber auch in komplementärer Weise erweitert, indem er seine dramatis persona als Zentrum eines Freundschaftsnetzwerks präsentiert, das ihn mit einer erweiterten Wissensbasis versorgt, um die Einzigartigkeit Martins im reichsweiten Vergleich zu präzisieren und den Zeugnischarakter seines Wirkens zu vertiefen.114 Umgekehrt lässt er seine Dialogfigur auch Einfluss auf seine Gäste nehmen. Wie gesehen, ist sie es, die Gallus dazu anregt, über seine Erfahrungen mit Martin zu berichten und damit gleichsam zum ergänzenden Vermittler seines Wirkens zu werden. Hierdurch drängt sie aber auch den gebildeten, weit gereisten und vielfach vernetzten Postumianus zu bestätigen, dass der Mönchsbischof aus seiner Heimat eine Lebensweise verkörpert, die all jenen während seiner langen Reise angetroffenen überlegen ist, weil sie deren jeweiligen positive Aspekte allesamt zu integrieren weiß.115 Somit entwickelt auch er sich vom Kenner zum Propagator Martins, der seine zukünftigen Reisen dazu nutzen wird, die durch Sulpicius Severus’ Martinsvita offensichtlich bereits punktuell grundgelegte Kenntnis Martins über das ganze Reich hinweg weiter zu verbreiten.116 Sulpicius Severus lässt seine dramatis persona somit in doppelter Weise von der Gesprächsgemeinschaft profitieren, die diese in Primuliacum gestiftet hat: zum einen, indem sie ihr Wissen über Martins Wirken und dessen Einschätzung schärft, und zum anderen, indem sie sie in je eigener Weise für sein Anliegen, die Kenntnis des Mönchsbischofs von Tours zu verbreiten, in Dienst nimmt. Die Zusammenkunft dreier gekonnt aufeinander abgestimmter Charaktere auf Sulpicius Severus’ Landgut erweist sich somit als die zentrale Verknüpfungsebene für das komplexe Aussagetableau des Gallus, das sich in ergänzender Weise aus der Gesprächsinteraktion der Dialogfiguren und deren Kompetenz- und Erfahrungsprofil speist. Vor diesem Hintergrund deutet sich an, dass Gemeinschaftsbildung im Geiste Martins und die daraus erwachsenden Möglichkeiten, die Verbreitung seines Rufs zu präzisieren und zu intensivieren, auch Teil seines umfänglichen Themenrepertoires sind. Offenkundig wird dies im dritten Buch, das nicht nur die Fortsetzung von Gallus’ Bericht am zweiten Tag der Zusammenkunft enthält, sondern auch von der Ausweitung der daran teilnehmenden Gäste geprägt ist. Der Buchwechsel bzw. auf der Ebene der Dialoghandlung die dazwischenliegende Nacht markieren somit keine inhaltliche Zäsur, sondern eine Veränderung in der 113 Sulpicius- und Gallus-Figur unterscheiden sich somit wesentlich voneinander, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass beide austauschbar sind, wie dies Schmidt (1977) 152 behauptet. Sulpicius Severus hatte Martin 393 oder 394 in Tours kennengelernt, sich allerdings nicht seiner monastischen Bewegung angeschlossen; vgl. Stancliffe (1983) 6 und Brunert (1994) 145. 114 Die Betonung wechselseitiger Zeugenschaft dient der Beglaubigung des Berichteten innerhalb des fiktiven Dialoggeschehens; vgl. Schmidt (1977) 153–154. 115 Sulp. Sev. dial. 1,26,1. 116 Vgl. ebd., 3,17.
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Zusammensetzung der Gesprächsgemeinschaft, welche auf diese Weise bereits vorab als bedeutsame Wendung des Dialoggeschehens erkennbar gemacht wird. Sie soll Gegenstand des folgenden letzten Kapitels sein, wobei sich in diesem Zusammenhang auch die Modelle erschließen werden, denen Sulpicius Severus bei der Abfassung seines Gallus gefolgt ist. Dies wird Gelegenheit geben, das Aussageprofil des Werks ein letztes Mal zu präzisieren und die eingangs problematisierte Frage nach der Befähigung christlicher Autoren, Dialoge zu verfassen, für Sulpicius Severus positiv zu beantworten. V. Gegen Ende des zweiten Buchs wird Gallus’ Vortrag durch das Eintreffen des Priesters Refrigerius unterbrochen. Da dieser als Freund aller Anwesenden bezeichnet wird, ist es nicht verwunderlich, dass sie sich sogleich umfänglich dem neuen Gast widmen und die Vergegenwärtigung der Taten Martins bis zum Abschluss des Tages aus dem Blick verlieren.117 Die Fortsetzung von Gallus’ Bericht am darauffolgenden Tag steht im Zeichen einer erneuten Ausweitung der Gäste. Denn offensichtlich hat die Nachricht in der näheren Umgebung über Nacht die Runde gemacht, dass auf dem Landgut des Sulpicius Severus vom Wirken Martins erzählt werde, weshalb am nächsten Morgen eine ganze Reihe weiterer Personen nach Primuliacum gelangen und um Einlass ersuchen.118 Als weitere Menschen eintreffen und Einlass verlangen, reagiert die inzwischen angewachsene Gemeinschaft allerdings differenziert. Während sie zwei Verwaltungsbeamten, die ihnen ebenfalls bekannt sind, Einlass gewähren, weisen sie die restlichen An 117 Ebd., 2,14,5–8. 118 Ebd., 3,1,4–5: Haec me loquente, Gallo iam ad narrandum parato, inruit turba monachorum: Euagrius presbyter, Aper, Sabbatius, Agricola; et post paululum ingreditur presbyter Aetherius cum Calupione diacono et Amatore subdiacono; postremus Aurelius presbyter, dulcissimus meus, longiore uia ueniens, anhelus occurrit. „Quid uos“, inquam, „tam subito et insperati tam ex diuersis regionibus tam mane concurritis?“ – „Nos“, inquiunt, „hesterno cognouimus Gallum istum per totum diem Martini narrasse uirtutes, et reliqua in hodiernum diem, quia nox oppresserat, distulisse. Propterea maturauimus frequens auditorium facere de tanta materia locuturo.“ – „Als ich so redete und Gallus schon zum Erzählen bereit war, stürzte eine Schar Mönche herein: der Priester Evagrius, Aper, Sabbatius und Agricola; kurz darauf tritt der Priester Aetherius mit dem Diakon Calupion und dem Subdiakon Amator ein; den Schluss macht der mir besonders liebe Priester Aurelius, der ganz außer Atem eintrifft, weil er einen besonders weiten Weg hinter sich hat. ‚Weshalb‘, sag ich, ‚kommt ihr so plötzlich und unerwartet und dann schon so früh aus ganz unterschiedlichen Richtungen bei mir zusammen?‘ ‚Wir haben gestern erfahren‘, ist die Antwort, ‚dass Gallus den ganzen Tag von Martins Wundertaten erzählt und den übrigen Teil seiner Erzählung auf den heutigen Tag verschoben habe, weil die Nacht dazwischengekommen ist; deshalb haben wir uns beeilt, damit er seinen Bericht über ein so bedeutendes Thema vor zahlreichem Publikum vortragen könne.“ Der genannte Priester Aurelius wird mit dem Adressaten des zweiten Briefs, der die Martinsvita ergänzt, identifiziert; vgl. Vielberg (2018) 243.
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kömmlinge ab, weil sie diesen lediglich Neugier und kein aufrichtiges Interesse an Gallus’ Ausführungen unterstellen.119 Die Veränderung am Übergang vom zweiten zum dritten Buch liegt somit in einer bewusst austarierten Ausweitung des Auditoriums, die der Fortsetzung von Gallus’ Bericht ihr neuartiges Gepräge verleiht. Ihre Bedeutung im Dialogganzen liegt folglich nicht nur darin, weitere Episoden aus Martins Wirken auszuformulieren, sondern in deren erweiterter Wirkung, die zentrale Aussagen der Gesprächshandlung des ersten und zweiten Buchs zu ergänzen und zu präzisieren. Denn sie führt einmal mehr das grundsätzliche Interesse vor Augen, auf das die Weitergabe der Taten Martins stößt, nachdem bereits Postumianus’ Hinweis auf die Verbreitung der Martinsvita bis in die Einöden der ägyptischen Wüste einen entsprechenden Fingerzeig gegeben hat. Darüber hinaus belegt sie, dass sich Gallus mit seinem Bericht in der Lage zeigt, diese so attraktiv zu präsentieren, dass dieses Interesse in seiner Umgebung weiter angefacht wird.120 Indem er sich dabei an der Struktur orientiert, die Sulpicius Severus in seiner Vita angewandt hat, weist auch dieser Effekt indirekt wieder auf den Gastgeber der im Gallus inszenierten Zusammenkunft und seine offensichtliche Befähigung zurück, eine wirksame literarische Form für die Vermittlung von Martins Wirken geschaffen zu haben.121 Mehr noch: Die beachtliche Anzahl an Personen, die sich am Morgen des zweiten Tages nach Primuliacum aufgemacht haben, um Gallus anzuhören, führt vor Augen, dass es Sulpicius Severus’ dramatis persona mit ihrer Weigerung, selbst Postumianus’ Aufforderung nachzukommen, gelungen ist, Gallus entgegen seiner ursprünglichen Selbsteinschätzung zum weiteren Propagator der Taten Martins werden zu lassen, und dies durch die gekonnte Adaptation der in seiner Martinsvita grundgelegten Erzählstruktur. Das Persönlichkeitsprofil der neu hinzugekommenen Zuhörer gibt dabei einen Hinweis, dass er sich damit auch vor den Ansprüchen gebildeter und gesellschaftlich arrivierter Rezipienten zu bewähren vermag.122 Während Sulpicius Severus’ dramatis persona mit Postumianus 119 Sulp. Sev. dial. 3,1,6–7: Interea nuntiatur multos saecularium stare pro foribus, nec ingredi audentes, sed ut admitterentur rogantes. Tum Aper: „Nequaquam“, inquit, „istos nobis admisceri conuenit, quia ad audiendum curiositate potius quam religione uenerunt.“ Confusus ego illorum uice quos non admittendos esse censebat, aegre tandem obtinui ut Eucherium ex uicariis et Celsum admitterent consularem; ceteri sunt repulsi. – „In der Zwischenzeit wird gemeldet, dass viele Laien vor der Tür stünden und nicht einzutreten wagten, aber um Einlass bäten. Da entgegnete Aper: ‚Solche Leute dürfen sich auf keinen Fall zu uns gesellen, weil sie mehr aus Neugierde als aus religiösem Motiv zum Zuhören gekommen sind.‘ Ich war über seine Meinung bestürzt, dass jenen kein Einlass gewährt werden dürfe, setzte aber schließlich mühevoll durch, dass man den Vikar Eucherius und den Konsular Celsus teilnehmen ließ.“ Zum Status der beiden zugelassenen Beamten s. Fontaine (2006) 291 ad loc. 120 In der Tat verweisen die Ankömmlinge explizit darauf, dass sie gehört hätten, Gallus berichte von den Taten Martins (s. hierzu das Zitat in Anm. 116). 121 Vgl. oben Anm. 106. 122 Der soziale Stand der zugelassenen Ankömmlinge reflektiert die Tatsache, dass sich Konversen in Gallien häufig aus der Oberschicht rekrutierten; vgl. Fontaine (1993) 27.
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einen Agenten für sich gewinnt, der die Verbreitung von Martins Wirken auf reichsweiter Ebene weiter vorantreiben wird, bildet er sich mit Gallus einen weiteren Unterstützer heran, der auf der Grundlage seines Zusammenlebens mit Martin für die Vermittlung seiner Taten und Lebensweise in der Region sorgt. Dies führt zudem dazu, dass die schriftliche Verbreitung der Taten Martins, die durch die Vita realisiert wird, ihre mündliche Ergänzung erhält.123 Am Ende der Zusammenkunft hat Sulpicius Severus’ dramatis persona nicht nur ihren Horizont und damit ihre Befähigung erweitert, die Einmaligkeit Martins im Horizont ähnlicher Lebensentwürfe noch präziser zu erfassen, hat sie weiterhin nicht nur angeregt, der Erinnerung an seine Taten weitere Episoden folgen zu lassen, sondern sie hat sich auch zwei in je eigener Weise hilfreiche Unterstützer für ihr Anliegen erworben, die Erinnerung an Martins Wirken zu sichern und zu verbreiten. Auf diese Weise führt Sulpicius Severus im Gallus die Wirksamkeit seines Verständnisses von Nachfolge Martins von Tours vor und profiliert seine Befähigung zur Gemeinschaftsbildung Gleichgesinnter als Voraussetzung dafür. Gegenstand des Werks ist folglich auch die Stiftung einer Gesprächsgemeinschaft um Sulpicius Severus, die sein Anliegen befördert, mithilfe seiner MartinsVita und über diese hinaus die Kenntnis des Mönchsbischofs von Tours und seiner Lebensweise zu verbreiten und zu deren Nachahmung anzuregen.124 Dabei dient das dritte Buch dazu, die Effizienz dieser Gemeinschaft vorzuführen, indem sie sich umgehend um zusätzliche Zuhörer und damit um potenziell weitere Propagatoren Martins erweitert. Damit steht nur scheinbar im Widerspruch, dass die Gemeinschaft der Zusammenkunft zu Beginn des zweiten Tages bei der Zulassung neuer Gäste äußerst selektiv verfährt. Denn über die abgewiesenen Neuankömmlinge wird ausdrücklich vermerkt, dass sie allein der Neugier wegen nach Primuliacum gekommen seien.125 Grund für ihre Ablehnung ist folglich die Mut 123 Dass der Gallus auf die memoria Martins von Tours innerhalb einer oralen Kultur zielt und dabei die Bedeutung einer mündlichen Bezeugung seines Wirkens für die Verbreitung seines postumen Rufs hervorhebt, legt Rousseau (2010) 145 dar. Daneben sollte der Gallus natürlich selbst auch die mit der Vita bezweckte überregionale Bekanntmachung Martins fortsetzen; vgl. Goodrich (2007) 195 mit Verweis auf Sulpicius Severus’ Aufforderung an Postumianus, bei seiner nächsten Reise ein Exemplar an Paulinus von Nola zu übergeben (Sulp. Sev. dial. 3,17,2); vgl. hierzu auch Vielberg (2006) 56 und Fontaine (2006) 42, der die Funktion des Gallus-Berichts auch darin sieht, Postumianus für seine von Sulpicius Severus erbetene Werbung für Martin bei seiner nächsten Reise nach Italien und in den Osten mit weiteren Informationen über den gallischen Heiligen zu versehen. In diesem Horizont nennt er die neue Reise des Postumianus, zu der er aufgefordert wird, eine „Propaganda“-Reise. 124 Vgl. Yuzwa (2013) 124 zur Konstruktion eines exemplarischen Publikums im Dialog. Damit inszeniert der Gallus in seinem dritten Buch den ersten Schritt einer wiederholbaren Serie von sozialer Reproduktion der Erinnerung an die Taten Martins. Vor diesem Hintergrund erscheinen die neu hinzugekommen Zuhörer als Lernende, die von Gallus vorgeführt bekommen, wie man über die Kenntnis der Taten Martins zu seinem Hagiographen werden kann. Sie fungieren dabei auch als Stellvertreter und Modell für die Leser des Werks, die durch sie gleichsam in das Gespräch auf Sulpicius’ Landgut integriert werden; vgl. Yuzwa (2014) 61. 125 Vgl. das Zitat in Anm. 117.
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maßung, sie sähen in Gallus’ Bericht über Martins Wirken nur eine kurzweilige Erzählung und damit eine Möglichkeit, sich zu zerstreuen. Sie offenbaren eine Haltung, die den Erwartungen, die Sulpicius Severus in ihn setzt, widerspricht und also würde sich ihre Anwesenheit als überflüssig oder sogar störend erweisen. Als Voraussetzung für eine angemessene Rezeption von Gallus’ Ausführungen scheint demgegenüber aufrichtiges Interesse und eine entsprechende Haltung gefordert zu sein, die in diesen keine literarische Zerstreuung, sondern das Porträt einer modellhaften Lebensweise erkennt, das einen engagierten Nachvollzug und mithin die Bereitschaft zur eigenen Neuausrichtung in seinem Sinne einfordert. Mit der Restriktion des Zuhörerkreises gibt Sulpicius Severus somit implizit auch eine Anleitung, wie er seine Texte über Martin von Tours grundsätzlich rezipiert wissen will.126 Die Gemeinschaft, die Sulpicius Severus seine dramatis persona von Primuliacum aus stiften lässt und deren Konstitution und erste Ausweitung der Gallus über seine Dialoghandlung vorführt, steht folglich nicht allen offen. Denn sie gründet auf freundschaftlicher Verbundenheit, die sich aus der übereinstimmenden Verehrung Martins von Tours speist, und hieraus kontingentiert sich auch der Zugang zu ihr.127 Die eigentümlich restriktive Ausweitung der Zuhörerschaft im dritten Buch offenbart somit auch ihren tendenziell elitären Charakter.128 Mit diesem Spezifikum erschließt sich auch das Modell, an dem sich Sulpicius Severus bei der Konzipierung seiner Gesprächsgemeinschaft orientiert hat. So hat die Forschung längst dargelegt, dass die Figurenkonstellation und die Dynamik ihrer Zusammensetzung zu Beginn des dritten Buchs ihr Vorbild im Auftakt des zweiten Buchs von Ciceros erstem Dialog De oratore hat, eine Beziehung, die durch intertextuelle Verweise auch markiert wird.129 Denn dort wird ebenfalls von 126 Vgl. Fontaine (1993) 19. Auf diese Weise wird das Buch zur neuen Quelle, um die Autorität des Heiligen bei jenen zu konstituieren, die ihn nicht kennengelernt haben und durch seine Lektüre trotzdem zu seinen Schülern werden können; vgl. Rousseau (2010) 146. Dass es der Hagiographie grundsätzlich nicht um die Begründung eines Kultes, sondern um die Ausdehnung einer didaktischen Relation über den Tod des Heiligen hinaus geht, legt Rapp (2010) 129–130 dar. 127 Die am zweiten Tag hinzukommenden Zuhörer werden von Gallus mehrfach als Zeugen seines Berichts angerufen (vgl. Sulp. Sev. dial. 3,2,8; 3,1,1; 3,3,6; 3,7,5; 3,8,7; 3,9,1; 3,9,3); vgl. Voss (1970) 309. Somit zeichnen auch sie sich durch Vertrautheit mit Martin aus. 128 Vgl. Diefenbach (2013) 105–106. Sulpicius Severus porträtiert vor allem im dritten Buch seines Gallus somit eine Elite, die sich durch die Orientierung an Martin auszeichnet und zu der nur durch Glauben Zugang besteht. Dass er primär eine geistliche Leserschaft im Blick hatte, betont Schmidt (1977) 156. In der Tat werden von den Einlass fordernden Laien nur die gebildeten Beamten Eucherius und Celsus zugelassen; vgl. Fontaine (2006) 26. Komplementär dazu kreiert Sulpicius in seinen Texten über Martin von Tours ein Bild von diesem, das einer gebildeten Leserschaft vermittelbar war; vgl. Rousseau (2010) 147. Dass die Hagiographie vor allem auf die Bildung ihrer Rezipienten zielt, betont Rapp (2010) 130. 129 Zur Vorbildlichkeit des ciceronianischen Dialogs für den Gallus des Sulpicius Severus s. Voss (1970) 311–312 mit Anm. 23 für eine Liste von wörtlichen Anspielungen auf Ciceros Dialogœuvre; Schmidt (1977) 122; Ghizzoni (1983) 140–144; Fontaine (2006) 18; Cardelle de Hartmann (2012) und Yuzwa (2014) 107–108 und 111 mit Verweis auf das Strukturele
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einer Ausweitung der Gesprächsgemeinschaft durch die Figuren Caesar und Catulus berichtet, nachdem diese noch am Abend zuvor davon erfahren hätten, dass der Hauptredner des Dialogs Crassus auf seinem Landgut in Tusculum von seinen Gästen zu einem Vortrag über die Theorie der Redekunst bewegt worden sei, den dieser bislang immer verweigert hätte.130 Diese motivische Bezugnahme auf einen Dialog Ciceros markiert im Gallus keinen Einzelfall. Bereits die Einleitung der Gesprächshandlung zu Beginn seines ersten Buchs mit dem entspannten Spaziergang der drei Dialogfiguren im Garten des Landguts stellt eine solche dar, die diesmal der Rahmung des ersten Buchs der Academici libri nachgebildet ist.131 Schließlich wird in der Forschung zu Recht angeführt, dass sich die Betitelung des Werks nach einer ihrer Hauptfiguren, wie sie in zeitgenössischen Quellen überliefert wird,132 zumindest auf einige Dialoge in Ciceros Spätwerk zurückführen lässt, die ähnlich verfahren, wie etwa Brutus, Laelius de amicitia und Cato maior de senectute. Indes bezeichnen die genannten Werke Ciceros nicht nur Vorlagen oder Motivgeber, durch die sich das Vorurteil bestätigen ließe, Sulpicius Severus präsentiere sich mit seinem Gallus als unselbständiger Epigone, der zur eigenständigen Konzipierung eines veritablen Dialogs nicht in der Lage gewesen sei. Vielmehr bilden sie den Rahmen einer weiterreichenden produktiven Adaptation der in Ciceros Dialogen realisierten Gesprächshandlungen und Figurenkonstellationen samt der mit ihnen verbundenen Intentionen. Diese artikulieren sich grundlegend in Konstitution und Etablierung eines Ideals philosophischer Praxis in Rom als entsprechende Adaptation des traditionellen aristokratischen otium auf dem Land.133 Innerhalb dieses Rahmens inszeniert sich Cicero in seinen späten Dialogen regelmäßig als Zentrum und Fluchtpunkt jener in seinem Frühwerk idealtypisch konstituierten philosophischen Diskussionsgemeinschaften.134 Von ihren Gesprächspartnern lässt er seine dramatis persona dabei uneingeschränkt als führende philosophische Autorität anerkennen. Nichtsdestoweniger stellt Cicero diese nicht außerhalb des Lernprozesses, den er sein Dialogpersonal mit dem Ziel, eine römischen Sozialnormen entsprechende philosophische Diskurspraxis zu begrün
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ment der oratio perpetua, das den Gallus mit den Dialogen Ciceros verbindet; Fontaine (1993) 28 zieht ergänzend dazu auch Parallelen zu den Cassiciacum-Dialogen des Augustinus, die ihr Vorbild freilich ihrerseits in Cicero haben; zu weiteren Modellen des Gallus s. auch Yuzwa (2014) 2. Cic. de orat. 2,12–14. Vgl. Auch die Parallelen zwischen dem Ende des Gesprächs am ersten Tag durch die Ankunft des Refrigerius und dem Abschluss von De oratore in 3,209. Vgl. Sulp. Sev. dial. 1,1,1 mit Cic. ac. 1,1,1; s. hierzu Yuzwa (2014) 95 und 109–110. Vgl. des Weiteren Sulp. Sev. dial. 1,1,2 mit Cic. de orat. 1,28. S. oben Anm. 21. Vgl. Fontaine (1993) 27–28; Fontaine (2006) 23 und Yuzwa (2014) 110 zur Verbindung einer Atmosphäre der amicitia mit dem otium der Villa suburbana und 113–114 zur übereinstimmenden Idealität der in den Dialogen Ciceros und im Gallus inszenierten Gesprächsgemeinschaften; zur angedeuteten Intention von Ciceros Dialogen s. Zetzel (2003) 120–123, Steel (2005) 106–114, Müller (2011) 45–48 und Müller (2020) 87–92. Müller (2011) 48–51.
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den, regelmäßig durchlaufen lässt. Denn nachdem er die Dialogfiguren seines Frühwerks die grundsätzliche Bereitschaft hierzu hat entwickeln lassen, setzt er diesen Prozess in seinem Spätwerk gerade durch seine eigene dramatis persona fort, die sich im kritischen Austausch mit ihrem jeweiligen Gegenüber eine spezifisch römische Variante philosophischer Erörterung erschließt.135 Schließlich versteht Cicero seine Dialoge als Angebote an seine Rezipienten, die Evolution seiner Dialogfiguren nachzuahmen und ihrerseits die Beschäftigung mit Philosophie analog zu jenen in ihr aristokratisches Lebenskonzept zu integrieren.136 Natürlich lässt sich die hier nur angedeutete thematische Komplexität, die Cicero über ein umfängliches Œuvre hinweg entwickelt hat, nicht vollständig auf einen einzelnen Dialog herunterformatieren. Dennoch weisen die oben herausgearbeiteten Charakteristika in Gesprächsinszenierung und Figureninteraktion des Gallus sichtliche Bezüge auf die zentralen Aspekte des ciceronianischen Dialoguniversums auf, wenn sich Sulpicius Severus im Gallus als Mittelpunkt eines durch ihn begründeten Freundschaftsnetzwerks im Geiste Martins von Tours darstellt, der durch seine Vita den grundlegenden Text für dessen postume memoria verfasst und hierdurch von seinen Gästen als maßgebliche Instanz für jene anerkannt wird. In ähnlicher Weise wie Cicero vollzieht er diese Selbstinszenierung innerhalb eines Gesprächsgeschehens, das die Dialogpartner zu einer sich wechselseitig befruchtenden Lerngemeinschaft werden lässt: Sulpicius Severus’ dramatis persona, indem sie durch Postumianus’ Bericht die Einzigartigkeit Martins nun präziser zu fassen vermag, dieser, indem er erkennt, dass die Weitung seines Horizonts, die er durch seine Reise erfahren hat, die Unvergleichbarkeit des Mönchsbischofs von Tours nur umso eindrücklicher erkennbar werden lässt, und schließlich Gallus, indem er durch das Drängen seines Gastgebers den Mut fasst, zum weiteren Berichterstatter von Martins Wirken neben diesem zu werden. Über diesen Prozess konstituiert auch der Gallus eine ideale Gesprächsgemeinschaft, deren Zusammengehörigkeit sich durch die Vergegenwärtigung der Taten Martins und dem Bemühen, die Kenntnis davon regional und bis an die Grenzen des römischen Reichs zu verbreiten, begründet und die darin ihre spezifische Nachfolge des verehrten Mönchsbischof realisiert sieht.137 Schließlich verbindet Sulpicius Severus auch mit seinem Dialog den impliziten Auftrag an seine Leser, im Nachvollzug der Zusammenkunft auf seinem Landgut selbst zum Mitglied dieser Wer 135 Vgl. Müller (2020) 92–94. 136 S. Müller (2011) 48; grundsätzlich zu dieser als funktionale Performativität bezeichneten Funktion von Dialogen s. Hempfer u. a. (2001) 70–79 und Häsner (2004). 137 Vgl. Rousseau (2010) 145–146 zu Sulpicius Severus’ Konzipierung eines neuen Schülerideals, das sich weniger in einem längeren Zusammenleben mit dem Meister als in der postumen Vermittlung von dessen Tugenden und Wirken realisiert; zur konstitutiven Bedeutung von Lehrer-Schüler-Beziehungen innerhalb der asketischen Kultur des Ostens s. ebd., 19–32. Yuzwa (2014) 4–5 sieht in Sulpicius Severus’ Œuvre und insbesondere im Gallus eine Form literarischer Ethik realisiert, in der religiöse und asketische Praxis in die Produktion und Rezeption von Literatur über vorbildliche Gestalten wie Martin von Tours überführt wird; vgl. auch Yuzwa (2013) 123.
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te- und Werbegemeinschaft zu werden, so dass die das dritte Buch prägende Ausweitung um weitere für die memoria Martins engagierte Rezipienten auch jenseits des Textes seine möglichst kontinuierliche Fortsetzung finden möge.138 Sulpicius Severus nutzt in seinem Gallus die Möglichkeiten des Dialogs somit nicht nur dazu, sein Landgut in Primuliacum als von ihm organisiertes Zentrum der Verehrung eines regionalen Heiligen, der in der gesamten christlichen Welt des Römischen Reichs seinesgleichen nicht hat, und komplementär dazu als Ausgangspunkt für die Verbreitung seines Rufs zu inszenieren, sondern auch, um die daraus resultierende Gemeinschaftsbildung über ihre produktive Anreicherung mit wesentlichen Kernelementen des Aussageprofils von Ciceros Dialogen als bewusste Adaptation der in diesen entworfenen idealen Bildungsgemeinschaften unter christlichen Vorzeichen erscheinen zu lassen.139 Und aus dieser Kontinuität bezieht das Zusammentreffen auf Sulpicius Severus’ Landgut nicht weniger als jene Aspekte, die als ihre Alleinstellungsmerkmale innerhalb einer von Konkurrenz der Lebensformen geprägten christlichen Kultur verstanden werden wollen. Denn wie sich Martin nach dem Dafürhalten der Dialogpartner dadurch von allen anderen abhebt, dass er sein Asketentum nicht durch den vollständigen Rückzug aus der Gesellschaft, sondern in Verbindung mit dem Dienst an ihr realisiert und auf diese Weise darauf hinarbeitet, das am römischen Amtsadel ausgerichtete Selbstverständnis des zeitgenössischen gallischen Episkopats zu transformieren, so entwickelt Sulpicius Severus Ciceros Entwurf eines aristokratischen Ideals gelehrter Gemeinschaften, deren Mitglieder die Beschäftigung mit Philosophie als Komplement politischer Tätigkeit entdecken, zu einem Kreis von Freunden weiter, die lernen, ihre Bildung und ihren jeweiligen Erfahrungshorizont so füreinander nutzbar zu machen, dass die Erinnerung an Wesen und Taten Martins von Tours und seiner modellbildenden Verbindung von christlicher Askese und einem römischen Wertehorizont, der auch auf gesellschaftliche Wirksamkeit zielt, in die engagierte regionale wie reichsweite Verbreitung seines Rufs mündet. In 138 Vgl. Yuzwa (2014) 126, der darauf hinweist, dass Sulpicius im Gallus wie in den anderen Werken seines Martinsœuvres mit Martin ein exemplarisches Modell für ethisches Handeln im christlichen Sinne konstruieren will, dessen Lektüre seine Umsetzung im Leben der Rezipienten hervorrufen soll. Vor diesem Hintergrund soll Lektüre zu einem Teil asketischer Praxis avancieren; vgl. ebd., 130. 139 Zur Bedeutung des Senatorenstandes für die Herausbildung monastischer Lebensformen im Westen und die damit verbundene Adaptation der aristokratischen Praxis secessus in villam auf diese s. Cardelle de Hartmann (2012) 60. Dass die Gesprächspartner des Gallus eine gelehrte Gemeinschaft widerspiegeln, die in einem gewissen Widerspruch zum Bildungsstand Martins steht, betont Fontaine (1993) 20. Dass Sulpicius sein gesamtes Martins-Œuvre in den Kontext der spätantiken Adelskultur einordnen möchte, legt Vielberg (2006) 51 mit Blick auf den Widmungsbrief der Vita und die drei sie ergänzenden Briefe dar. In der Tat kommt dem Austausch von Briefen grundsätzliche Bedeutung für die spätantike Adelskultur und ihrer Gemeinschaftsbildung zu; s. ebd., 50. Die hier konstruierte Gesprächsgemeinschaft, die durch weitere ernsthafte Anhänger Martins prinzipiell grenzenlos erweitert werden kann, konstituiert den idealen Realisationsort, in dem Martins Taten immer weitererzählt werden können, um seinen Tod gleichsam narrativ aufzuheben; vgl. Yuzwa (2014) 48–49.
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dieser spezifischen Neukonfiguration eines ciceronianischen Konzepts intellektueller Gemeinschaftsbildung erscheint Sulpicius Severus nicht mehr nur als Autor, der mit seiner Vita zur schriftlichen Verbreitung der Taten Martins beiträgt, sondern als Stifter eines Netzwerks, das mit Hilfe der Vita und komplementär zu ihr das mit ihr verbundene Anliegen befördert und auf weitere Schultern zu verteilen versteht. Im Rückgriff auf die implizite Aufforderung, die Ciceros Dialogen in Richtung auf ihre Rezipienten eingeschrieben ist, will der Gallus dabei nicht nur im Sinne einer Ergänzung der Vita die Kenntnis Martins und seines Wirkens über sein unmittelbares Wirkungsumfeld hinaus weiter befördern, sondern die in ihm entworfene Gemeinschaft selbst als Modell empfehlen, das wie jenes selbst zur Nachahmung anregen soll. Dem vorbildlichen Handeln Martins wird im Gallus somit eine Gemeinschaft gegenübergestellt, die in ihrem Bestreben, seine Propagierung zu organisieren und zu befördern und dabei über sich hinauszuwachsen, ebenso zum Vorbild avanciert. Neben das Postulat der Nachfolge Martins tritt das gemeinschaftliche Bemühen um seine Verbreitung als dazu komplementäre und damit letztlich gleichberechtigte Variante, seinem Modellcharakter gerecht zu werden. Mithin tritt dem Ziel, überall im Reich zur imitatio Martins anzuregen, in Sulpicius Severus’ Dialog die Intention an die Seite, Werbeträger für ihn zu erschließen, die sich als Teil jener in ihm entworfenen Gemeinschaft verstehen dürfen. Der Gallus inszeniert folglich die von Sulpicius Severus angestoßene Gründung einer zweiten Gemeinschaftsform neben dem von Martin gestifteten Mönchtum als Realisationsrahmen für die Nachfolge seiner Lebensweise.140 Diese überschneidet sich mit jenem personell und sieht, als lockerer Freundschaftsbund konzipiert, ihre Aufgabe darin, das Wirken Martins überall im römischen Reich bekannt zu machen und damit zur Ausbreitung seines Verständnisses von diakonisch tätiger Askese beizutragen. Dem Stifter einer monastischen Bewegung Martin stellt sich Sulpicius Severus im Gallus somit selbstbewusst als komplementäre Gründerfigur einer Kommunikationsgemeinschaft gegenüber, die für sich den Anspruch erhebt, für dessen Ausbreitung unerlässlich zu sein.141 In ihrem Rückgriff auf Ciceros ideale Konzeption einer spezifisch römischen Variante philosophischer Diskurspraxis präsentiert sich Sulpicius Severus’ Initiative dabei als spezifisch westliche Ausprägung für ihr Anliegen, die wie Martins 140 Zu Martins Bedeutung als Portalfigur des westlichen Mönchtums s. Prinz (21988) 19–22, zu den historischen Bedingungen der Ausbreitung seines Kultes im 5. Jh. ebd., 22–29. Dass sich Sulpicius Severus bei der Gründung seiner asketischen Gemeinschaft in Primuliacum an Martins Kloster Marmoutier orientiert hat, bedeutet Alciati (2011) 92; für einen Versuch, das Leben der Gemeinschaft von Primuliacum zu greifen mit freilich zu starker Tendenz, diese als veritable Mönchsgemeinschaft zu verstehen, s. Ghizzoni (1983) 63–74; vgl. auch Stancliffe (1983) 36–37 mit Hinweis auf den fiktionalen Charakter der Darstellung im Gallus. 141 Vor diesem Hintergrund folgert Yuzwa (2014) 6, dass Sulpicius Severus’ Ziel, das er bei seinen Rezipienten verfolgt, nicht nur die Assimilation an den Gegenstand seiner Schriften, sondern auch an ihn als Autor ist. Dies bezieht sich im Gallus nicht nur auf seine Verehrung und imitatio Martins, sondern auch auf die Sorge um die Verbreitung der Taten Martins.
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Lebensform selbst vergleichbare östliche Initiativen zu überbieten vermag. Wie jener den ägyptischen Eremiten durch seine Verbindung von Askese und gesellschaftlichem Engagement überlegen ist,142 so auch Sulpicius Severus im Vergleich zu den Biographen der Wüstenväter, indem er die Verbreitung von Martins Wirken mit der Bildung eines in dessen Verehrung verbundenen Netzwerks verknüpft und damit die Gemeinschaftsbildung im Geiste des Mönchsbischofs von Tours unterstützt. Auf diese Weise greift Sulpicius Severus in seinem Gallus sogar den in Ciceros Dialogen realisierten aemulatio-Diskurs auf, wonach das in diesen inszenierte Ideal philosophischer Diskussionsgemeinschaften als Überbietung der griechischen Philosophie in ihrer zeitgenössischen Ausprägung verstanden werden soll, weil jene den Raum für eine dort vermisste wechselseitige Befruchtung von praktischer politischer Betätigung und philosophischer Reflexion eröffnen.143 Der intertextuelle Anschluss an das Dialoguniversum Ciceros erlaubt es Sulpicius Severus somit auch, sich im Kreis jener zeitgenössischen Literaten, die sich der Vermittlung monastischer Lebensweisen verschrieben haben, an vorderster Stelle zu positionieren. Die Konkurrenz unterschiedlicher asketischer Lebensformen, die der Gallus thematisiert und zugunsten Martins entscheidet, findet ihre Parallele somit in einem dazu komplementären Wettbewerb christlicher Schriftsteller, die Sulpicius Severus nicht allein wegen seines Gegenstands für sich zu entscheiden vermag. Überdies erschließt er sich hierfür die Möglichkeiten eines Dialogmodells, in dem er die Konstruktion einer idealen Gesprächsgemeinschaft als Realisationsraum für die Überbietung einer aus dem Osten rezipierten kulturellen Praxis vorgeprägt fand. In dieser diachronen Beziehungsstiftung kulminiert schließlich ein komplexes Funktionsspektrum, das die Martinsvita und die auf sie folgenden Briefe um vielfältige Aussagefelder ergänzt, und dies, weil Sulpicius Severus für seinen Gallus nicht nur die bloße Form des Dialogs aufgegriffen hat, sondern auch souverän mit dessen überliefertem Möglichkeitsrepertoire umzugehen wusste. War Sulpicius Severus in der Lage, einen Dialog zu verfassen? Im Licht der soeben angestrengten Analyse dürfte sich die Frage mit guten Gründen positiv beantworten lassen. Mehr noch: Das vielschichtige Aussageprofil des Gallus liefert weitere Argumente dafür, dass sich in ihrer Verneinung eine unpräzise Perspektive auf die Gattung und ihre antike Geschichte niederschlägt, die schon deswegen ihrer Fortentwicklung in der christlichen Literatur nicht gerecht werden kann. Es bedarf also keinesfalls eines Rückgriffs auf die grundlegende Ebene eines literaturwissenschaftlichen Gattungsverständnisses, wonach ein Dialog rein formal und inhaltlich gänzlich neutral als Wechselrede zweier oder mehrerer Sprecherinstanzen zu bestimmen sei, um seine christlichen Realisationsweisen für 142 Dass sich Martins Vorzüge gegenüber den ägyptischen Mönchen durch christliche Adaptation des römischen virtus-Ideals herleiten, betont zu Recht Fontaine (2006) 53–55. 143 Vgl. hierzu Gildenhard (2007) 77 und passim sowie Müller (2015).
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den Kreis der veritablen Fälle der Gattung zu retten.144 Vielmehr ist der Gallus aussagekräftiges Beispiel dafür, dass der Dialog im Laufe seiner antiken Gattungsgeschichte ein Möglichkeitsspektrum herausgebildet hat, in dem die Inszenierung eines ergebnisoffenen Meinungsaustauschs nur eine Variante unter mehreren darstellt, über die das der Gattung inhärente inhaltliche Komplexitätspotenzial aktiviert werden kann.145 Denn der Gallus markiert ein profiliertes Beispiel für den in der philosophiegeschichtlichen Literatur gelegentlich immer noch als Dekadenzphänomen beschriebenen Konversationsdialog,146 der in der antiken Gattungsgeschichte prominent durch das Dialogœuvre Ciceros vertreten ist. Gegen eine solche Beurteilung spricht nicht nur seine in der Forschung inzwischen mehrfach herausgearbeitete Aussagevielfalt, die das diesbezügliche Evolutionsvermögen der Gattung eindrücklich unter Beweis stellt,147 sondern nicht zuletzt auch seine immense Wirkungsgeschichte über die Antike hinaus bis in die Frühe Neuzeit und seine damit verbundene kulturgeschichtliche Wirkungsmächtigkeit als ideale Entwürfe intellektueller Gemeinschaftsbildung in ihrer jeweiligen epochentypischen Ausprägung.148 Ergebnis des vorliegenden Beitrags ist somit auch, dass Sulpicius Severus’ Gallus in dieser Gattungslinie, in die er sich durch seine produktiven Bezugnahmen auf Ciceros Dialogœuvre einschreibt, einen wichtigen Platz beanspruchen darf, und dies, weil er durch die kreative Adaptation wesentlicher für sie charakteristischer Aspekte selbst ein Beispiel für ihre potenzielle Komplexität abgibt. Vor diesem Hintergrund zeigt das close reading des Gallus auf, dass der Ausgangspunkt für den Gestaltungsspielraum, der die spezifische Signatur des literarischen Dialogs ausmacht, in der Gesprächsinteraktion und einer dazu komplementären Figurengestaltung zu suchen ist, deren charakteristische Variabilität vielfältige Möglichkeiten ihrer anspruchsvollen Realisierung bereitstellt, die sich deswegen auch nicht kurzerhand im Sinne einer angemesseneren oder weniger angemessenen Gattungszugehörigkeit hierarchisieren lassen. Dabei wurde in den vorliegenden Ausführungen auch deutlich, dass die formale Ausgestaltung eines Dialogs in enger Beziehung zu den Intentionen steht, die sein Autor mit ihm verfolgt. Der Gallus erweist sich somit auch dahingehend als aussagekräftiges Beispiel, dass sich die Attraktivität der Gattung auch aus der Fülle ihres funktionalen Potenzials speist, das in ihren formalen Möglichkeiten grundgelegt ist. Eine Gattungsgeschichte des literarischen Dialogs, die seinem gesamten formalen Spektrum ohne vorschnelle Wertungen gerecht werden will, bedarf folglich der ergän 144 145 146 147
S. hierzu knapp Föllinger/Müller (2013a) 2–3. Ebd., 2–7. Hösle (2006) 50–56, zu Ciceros Dialogen als Konversationsdialoge ebd., 99–100. Zum Dialog Ciceros und seinem gestalterischen Spielraum s. z. B. Schofield (2008); allgemein zur Bedeutung des Konversationsdialogs in der antiken Gattungsgeschichte, insbesondere in Form des Symposiondialogs in der Kaiserzeit, und seiner sozialen Funktion s. Lim (2008) 153–155, zu Cicero und der lateinischen Tradition ebd., 155–156. 148 S. mit Blick auf die Renaissance die Arbeiten von Marsh (1980) und Cox (22008).
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zenden Aufmerksamkeit für seine Funktionsgeschichte.149 Dass das antike Christentum im Rahmen einer solchen keinen weißen Fleck markiert, und dies gerade wegen der formalen Vielschichtigkeit des literarischen Dialogs und seiner sich daraus ergebenden gestalterischen Flexibilität, die auch christliche Autoren für ihre Zwecke zu nutzen wussten,150 davon gibt Sulpicius Severus mit seinem Gallus ein sicherlich besonders eindrückliches, in seinem wachen Blick für das Möglichkeitspotenzial der Gattung zweifelsohne aber auch generalisierbares Zeugnis. LITERATURVERZEICHNIS Editionen, Kommentare, Übersetzungen Bieringer (1872): Sulpicius Severus, Ausgewählte Schriften, eingeleitet, aus dem Urtexte übersetzt und erläutert von Aloys Bieringer, Kempten (Bibliothek der Kirchenväter 23). Fontaine (2006): Sulpice Sévère, Gallus. Dialogues sur les „vertus“ de Saint Martin. Introduction, texte critique, traduction et notes par Jacques Fontaine avec la collaboration de Nicole Dupré, Paris (Sources chrétiennes 510). Halm (1866): Sulpicius Severus, „Vita S. Martini, Epistulae, Dialogi“, in: ders., Opera, hg. von Karl Halm, Wien (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 1), 107–216.
Sekundärliteratur Alciati (2011): Roberto Alciati, „And the villa became a monastery: Sulpicius Severus’ community of Primuliacum“, in: Hendrik Dey und Elizabeth Fentress (Hgg.), Western monasticism ante litteram. The spaces of monastic observance in Late Antiquity and the Early Middle Ages, Turnhout (Disciplina monastica 7), 85–98. Alster (1990): Bendt Alster: „Sumerian Literary Dialogues and Debates and their Place in Ancient Near Eastern Literature“, in: E. Keck u. a. (Hgg.): Living Waters. Scandinavian orientalistic studies presented to Professor Dr. Frede Løkkegaard on his seventy-fifth birthday, January 27th 1990, Kopenhagen, 1–16. Balmelle (2001): Catherine Balmelle, Les demeures aristocratiques d’Aquitaine. Société et culture de l’Antiquité tardive dans le Sud-Ouest de la Gaule, Bordeaux/Paris (Aquitania, Supplément 10). Barnes (2010): Timothy D. Barnes, Early Christian Hagiography and Roman History, Tübingen (Tria Corda 5). Beaujard (2000): Brigitte Beaujard, Le culte des saints en Gaule. Les premiers temps. D’Hilaire de Poitiers à la fin du VIe siècle, Paris (Histoire religieuse de la France 15). Bienert/Kühneweg (1999): W. A. Bienert und U. Kühneweg (Hgg.), Origeniana Septima. Origenes in den Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts, Löwen (Bibliotheca ephemeridum theologicarum Lovaniensium 137).
149 Vgl. hierzu nochmals Anm. 17. 150 Speziell zur Bedeutung des Dialogs im Kontext monastischer Literatur, der prinzipiell auch der Gallus zuzuordnen ist, s. Cardelle de Hartmann (2012) 55; allgemein zum Verhältnis von Dialog und spätantiker Kommunikationskultur s. Cooper/Dal Santo (2008) 175–178.
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ORTS- UND NAMENREGISTER Die Registereinträge erscheinen hier zunächst grundsätzlich in ihrer deutschen Variante. Sofern diese auf die englisch- oder französischsprachigen Aufsätze des Bandes verweisen, folgen deren entsprechende Äquivalente in Klammern. Achill (Achille) 165, 171, 173, 181 Adeimantos 158 Afrika (Afrique) 221, 225, 226, 267, 281 Agathon 215–217 Ägypten 266, 269, 271–274, 277, 279–281, 284 Aischines (Eschine) 79, 80 Aischylos (Eschyle) 96 Alexander d. G. (Alexandre) 17, 174–186 Alexandria 267, 270f., 279f. Alkibiades 18, 23, 57, 61, 79, 166, 183f., 205, 214–218 Alkinoos (Alcinoos) 76 Alypius 247, 253, 256, 258 Ammonios 61, 190, 193f., 198f. Amphipolis 34 Antinoos 170 Antiochus 89, 92f., 99–101, 110, 118, 132 Antisthenes (Antisthène) 166, 171, 174, 183 Antonius (Wüstenvater) 278 Antonius, M. 16f., 93, 143, 145–148, 150f., 153–159 Aquitanien 282 Archilochos 192 Aristodemos 217 Ariston 59 Aristophanes (Aristophane) 73, 96, 215– 217 Aristoteles (Aristote) 22, 34, 57–62, 96, 99, 112, 135, 138, 144f. Arkesilaos 129 Arpinum 157f. Asios 170 Aspasia (Aspasie) 58, 79 Athanasius 268 Athen (Athènes) 33–36, 39–41, 62–64, 94, 110, 154, 198, 202, 206, 218 Atticus, T. Pomponius 15f., 22, 82, 89–91, 95, 97, 102f., 110–124, 151 Attika 33, 206
Augustinus, Aurelius 16, 19, 24, 127, 140, 241–259, 290 Aulus Gellius (Aulu-Gelle) 233, 235 Aurelius 269, 286 Balbus, Q. Lucilius 139 Bassula 269 Bethlehem 267, 270f., 280 Brictius 275 Brutus, M. Iunius 15f., 120–123 Caecilius Natalis 221–239 Caesar Strabo, C. Iulius 143 Caesar, C. Iulius 111, 121, 281, 290 Cassiciacum 241f., 250, 256 Catilina, L. Sergius 226 Cato d. Ä 59, 62, 131 Cato d. J. 93, 100, 102–104, 120, 127, 130– 133, 137–139, 281 Catulus, C. Iulius 93 Celsus 287, 289 Charmides 158 Chrysipp 139 Cicero, L. Tullius (Cousin von M. Cicero) 109, 112, 152 Cicero, L. Tullius (Onkel von M. Cicero) 146, 150f., 153–157 Cicero, M. Tullius (Cicéron) 12, 14–17, 20– 24, 59f., 62, 69–73, 78–85, 89–106, 110–124, 127–140, 143–160, 223–225, 228–230, 232, 238, 241f., 265f., 289– 295 Cicero, Q. Tullius 16f., 110–118, 144–151, 153, 155–160 Claudianus, Claudius 144 Cotta, L. Aurelius 90, 93–95, 139f., 143 Crassus, L. Licinius 16f., 93, 104, 113, 130, 143, 145–148, 150–155, 157–159, 290 Cyprian von Karthago (Cyprien) 227, 232, 237, 280
302
Orts- und Namenregister
Delion 34 Delphi 190, 192, 202 Demetrios von Phaleron 60 Diogenes Laertios (Diogène) 17, 61, 76, 94, 207, 262 Diogenes von Sinope 165, 174–186 Diomedes (Diomède) 97 Dion von Prusa (Dion de Pruse) 17, 23, 165–186 Dolon 170f. Echekrates 33 Epikur (Épicure) 93, 100, 130, 136f. Eucherius 287, 289 Eukleides 33 Eupolis 73 Euripides (Euripide) 96 Eusebius 269 Fannius, C. 122 Favorinus 233–235 Gallien 264, 271, 273, 275, 277f., 287 Gelon 94 Gennadius 266 Glaukon 158 Gorgias 83, 166f., 173f., 177, 183 Gracchus, Tib. Sempronius 122 Gregor von Tours 266 Griechenland 15, 148 Helvia (Mutter von M. Cicero) 155 Helvia (Tante von M. Cicero) 151 Herakleides von Pontos (Heraclides) 15, 93 Herakles 209f., 216 Hermarchos von Mytilene 116 Hermes (Hermès) 99 Hesiod 56 Hieronymus 265, 267f., 270–272, 278 Hippias 173, 183 Homer (Homère) 17, 56f., 97, 165–167, 170–173, 179, 192 Horaz 72 Hortensius Hortalus, Q. 91, 93, 104, 113, 119, 121, 123, 130, 235 Hume, David 90 Ischomachos 62–65 Italien 280, 288 Jesus Christus 225, 227, 235, 237f.
Kallikles 44 Karneades 129 Karthago 270, 279f. Kilikien 150, 153f. Kleanthes 139 Knossos 36 Korinth (Corinthe) 174, 176 Kratinos (Cratinus) 73 Kreta 33, 39, 41, 49 Kritias 158 Kritobulos 62–64 Kriton 63 Laelius, C. 104, 111, 139, 236, 238 Lamprias 191f., 198 Licentius 245, 247, 250–253, 256f. Livius Andronicus, L. 121 Lucilius 14, 69, 72f., 76f. Lucullus, L. Licinius 91, 93, 137f. Lukian von Samosata (Lucien) 18, 23, 97, 207, 208, 209, 211, 214, 215, 216, 218 Lutatius Catulus, Q. 143 Lysias 57 Macrobius, Ambrosius Theodosius 114 Magnesia 39, 51 Mailand 241, 247 Marcellus, M. Claudius 121 Marius, C. 104 Marmoutier 293 Martial 97 Martin von Tours 19f., 261, 264–268–271, 276‒289, 291‒294 Metellus, Q. Caecilius 121 Minucius Felix, M. 18, 23, 221–239 Monnika 241, 245, 255 Murena, L. Licinius 130 Nepos, C. 115 Nestor 170 Nikias 64 Octavius 221–239 Odysseus (Ulysse) 76, 170f. Olympiodor 61 Origenes 267, 270, 280 Ostia (Ostie) 221f., 224, 232f., 238 Panaitios von Rhodos (Panétius) 71 Paulinus von Nola 279f., 288 Paulus (Eremit) 267 Paulus 227, 236f.
Orts- und Namenregister Peloponnes 33 Phaedrus 118 Phaidon 33 Philon von Larissa 127, 132 Philon von Alexandria (Philon d’Alexandrie) 97 Phleius 33 Piso Frugi Calpurnianus, M. Pupius 93, 109 Platon 10, 12–14, 18, 21, 23, 31, 33–35, 40, 51, 58, 62f., 71–73, 76, 79–83, 85, 89f., 94, 100, 102, 113, 115, 135, 144, 158, 165–168, 170, 183, 262 Plautus (Plaute) 14, 69, 72f., 75f., 234 Plinius d. J. (Pline le Jeune) 72 Plotin 254 Plutarch (Plutarque) 12, 17f., 23f., 96, 189– 203 Porphyrion 98 Potidaia 34 Primuliacum 266, 285–289, 292f. Priscillian 265, 270 Properz (Properce) 72 Protagoras 34, 41, 44 Pyramus 250 Rhodos 154 Robortello, Francesco 92, 98 Rom (Rome) 14f., 21, 89, 91, 104, 112, 149, 158, 221f., 225, 279, 290 Romanianus 242, 244, 248–252, 255–257 Rutilius Rufus, P. 15, 84 Sallustius, Cn. 111, 281 Sarapion 193 Scaevola, Q. Mucius 143 Scipio Aemilianus Africanus, P. Cornelius (d. J.) (Scipion) 104, 112, 124, 149, 236, 238 Seneca, L. Annaeus 224 Sestius, P. 144 Sigonio, Carlo 92, 98 Sokrates (Socrate) 10, 12, 14f., 17, 21, 32– 34, 37, 40, 44, 55, 58, 61–66, 69–85, 100, 102, 117, 165–169, 173f., 177, 183f., 214–218, 261f.
303
Sophron 192 Sparta 35, 41, 50 Statius, P. 282 Strabon 94 Sueton 268 Sulpicius Rufus, P. 93, 121, 143 Sulpicius Severus 19f., 24, 261–296 Tacitus, P. Cornelius 275 Terpsion 33 Theaitetos (Théétète) 100 Themistokles (Themistocles) 122 Theodorus, Mallius 242, 244, 253–256 Theophrast 135 Thespiai 194 Thisbe 250 Thrasymachos 44 Thukydides (Thucydides) 56f., 122 Torquatus, L. 93, 100, 135–139 Toulouse 266 Tours 270, 277, 279, 282, 284f., 288, 291, 294 Trajan 174f., 181, 184, 186 Triarius, C. Valerius 113, 135, 137 Trier 265 Trygetius 247, 253, 256, 258 Tusculum 143, 290 Varro, M. Terentius 12, 15, 59, 89–93, 95f., 98–101, 104, 110 Velleius, C. 81, 139f. Viselius Aculeo, C. 146, 151 Visellius Varro, C. 122 Xanthippe 79 Xenophon 14, 21, 55, 59, 61–66, 72, 79–81 Zenobius 242–248, 252f., 255–257 Zenon 37, 44, 129f., 139 Zeus 33, 35, 43 Zopyros (Zopyre) 78
STELLENREGISTER ALKINOOS Didask. VI, H 158
76
ALTES TESTAMENT Ps 29,12 236 99,2 236 AMMONIOS in Arist. Cat. CAG IV 4,25–7,4 61 ANONYMUS prol. 10,25,6–8
31
APOLLODOROS bibliotheke 2,83–87 210 ARISTOTELES fr. 4 Ross (fr. 73 Rose) 59 poet. 1,1447b9–13 9,1451b4–7 9,1451b15–19
59 57 57
pol. II 3 1264b26–27 31 II 3 1265a10 34 3,7 99 rhet. II 13 1389b12–1390a24 35 III 16 1417a17–21 60 AUGUSTINUS conf. 8,12,29 241
c. acad. 1,1 1,1,1–4 1,1,1 1,1,2 1,1,4 2–3 3–5 3,1,1 3,15 3,16 3,20,43
257 249 249, 252 248 250 257 257 251 128 129f. 259
beat. vit. 1,1 1,4 1,5 2,15
254 254 254 242
epist. 2 15–17 117f.
243f., 246 248 243
in psalm. 1,16
226
ord. 1,1,3 1,10,30 1,2,4 1,3,6–1,3,8 1,4,10 1,7,20 1,8,26 1,9,27 2,5,15 2,20,54
252 242 244f., 247, 252 247 247 243–246, 252 242 243f., 246 247 247f.
retract. 1,2,1 1,3,1 prol. 3
253f., 256, 257 257f. 258
306 soliloq. 2,14,26
Stellenregister 15,1
110
Brut. 1,1–2 1–9 1–10 11 11–16 11–17 18–20 18–21 21 21–22 42–43 52 72 75 91 99 100–102 118 123 125 133 147 152–153 156–157 157 161 162 163 170–172 176 183–184 184–200 190 204 211–213 212 219 229 231 231–232 231–233 232 244 248–249 248–251
225 112, 119 120 114, 121 119 121 121 112 121 119f. 121 120 121 120f. 120 121 121 120 120 120 120 120 120 120 114, 119 120 120 120 120 122f. 122 122 120 120 120 120 120 122f. 121 121 120 121 122 121 120
243f.
CASSIUS DIO LVIII,29,1 175 LVIII,30,1 175 CICERO ac. 1,1,1 1,2 1,13 1,14 1,15–18 1,18 1,25 1,41 1,44–46 2,14–15 2,74 2,129–131
290 109, 114 72 109 79 109 109 109 79 79 79 79
Att. 1,5,1 1,6,2 4,13,2 4,16,3 6,1,3 6,1,7 6,3,7 9,19,3 12,4,2 12,21,1 12,40,1 12,40,2 12,51,2 12,52,2 13,1,3 13,14 13,19 13,19,3 13,19,3–4 13,19,5 13,22,1 13,25,3 13,27,1 13,28,2–3 13,31,3 13,46,2 14,20,3
152 149 143 79, 81, 143 119 120 120 104 120 120 120 121 121 121 121 110 89, 92 110 93 99 109f. 101 120f. 121 121 120 120
307
Stellenregister 249–250 251 252–253 254–255 255–257 258–261 260 262 264 266 269 279 280 284 291 292 292–300 299 300 301–330 328 328–33 329 331–332 331–333
120 119, 121 121 120 121 121 120 120 122 119f. 123 122f. 120 120 122 79f., 120, 123 122 123 120 122 120 120 119 120 122
Catil. 59
79
Cato 1,3 3 20 76
59 104 156 156
Cluent. 70
223
de orat. 1,1 1,4 1,23 1,24–29 1,26 1,28 1,28–29 1,29 1,47 1,102 1,227–233
144, 223 144 144f. 143 143 82, 290 79 79 83 134 79, 84
1,82 2,1 2,2 2,3 2,1–2 2,1–3 2,4 2,10 2,11 2,12 2,12–14 2,6,22 2,58 2,270 3,1–15 3,1 3,13 3,4,15 3,15 3,17 3,62 3,62–68 3,67–68 3,129 3,139 3,209
154 144, 147, 150, 152, 154 150, 153f. 153, 155, 158 155 146f., 159 147 144 145 143 290 236, 238 79 70 112 144 144 102 79 143 79 72 70 79, 83 72, 79 290
div. 1,52–53 1,60–62 1,122 1,122–124 2,1–4 2,3 2,4 2,28
79 79 72 79 113 120 109 114
fam. 1,9,23 6,7,4 9,8,1 9,22,1–5 12,17,2
144 120 59 79 109
fat. 10–11
78f.
fin. 1,13 1,5,13 1,14 1,15
134 100 135 135
308
Stellenregister
1,17–26 1,26 1,27 1,34 1,50–53 1,72 2,1–2 2,3 2,17 2,119 3,2,8 3,7–8 3,10 3,16 4,1 4,80 5 5,1 5,3 5,84 5,87–88 5,96
135 135 133 100 114 135 79 136 136 136, 138 100 137 137 137 137 137 109 148 109 79 79 109
Hort. 42a
79
inv. 1,31,51–53
79
Lael. 1,4 1,5 3 4 15 92 102–104 104
103 100 104 104 226 226 226 279
leg. 1,1–3 1,5–7 1,8 1,9 1,15 1,18–19 1,20 1,21–22 1,22–23 1,22–27 1,22–34
113 111f. 111 111 112 114 115 115, 117 114 116 117
1,23 1,24 1,28–32 1,32 1,33 1,33–34 1,34–35 1,35 1,36 1,37–52 1,38 1,39 1,40–41 1,42 1,42–44 1,42–48 1,53 1,54 1,62–63 2,1–6 2,3–5 2,6 2,7–23 2,8 2,11 3,17 3,19–26 3,26 3,33–39 3,37
116 116 116 115 117 116 117 115–117 115, 117 117 117 117 117 117 117 117 118 118 113 113 157 79 114 115 115 114 114 114 114 114
leg. agr. 2,64
223
Luc. (= ac. 2) Mur. 60–66 60 61 62 63 66
130 130 130 130 130 131
nat. deor. 1,18 1,18–24 1,31 1,45 1,57
139 114 79f. 115 139
309
Stellenregister 1,59 1,93 2,2–3 2,16–22 2,18 2,154 2,168 3,27 3,82 3,95
139 79 138 114 79f. 114 139 79f. 79 138, 225, 235
off. 1,2 1,3 1,104 1,108 1,132 1,134 2,87
79 69 72 70 69 69, 72 79
opt. gen. 17
79
orat. 1–3 14–16 35 41–42 237–238
120 79 120 79 120
p. red. ad Quir. 7 158 37 158 parad. 1,6
72
Pro Gallio 2
73
Q. fr. 2,3 2,4 2,5,4 3,5,1 3,5,1–2 3,5,2
144 147 149 94 111 118
rep. 1,16 1,36 2,3
79 149 79f.
2,21–22 2,51
79f. 79
Scaur. 3,3–6
79
Tusc. 1,53–55 1,57–58 1,71–75 1,97–100 1,102–103 2,8 2,62 3,31 3,36–37 3,43 3,77–78 4,80 4,119–120 5,10–11 5,30 5,32,92 5,34–36 5,115
79 79 79, 85 79 79 79 79 79 79 72, 79 79 78 79 79 79 176 79 104
CLAUDIAN Pan. dict. Fl. Manlio Theodoro (MGH aa 10) 100–112 (p. 180) 253 253–255 (p. 185) 253 332–335 (p. 188) 253 CYPRIAN Demetr. 25
227
Donat. 2 3 4
232 227 238
Gell. 18,1,1–3 18,1,12 18,1,15 18,1,16
233, 238 234 233 235
DEMETRIOS VON PHALERON Eloc. 227 60 298 60
310 DIOGENES LAERTIOS 3,37 31 3,48 61, 76, 262 5,89 94 6,38 176 6,7 180 6,26 180 6,83 180 6,85 180 6,86 180 10,150 116 10,150–151 116 10,150–153 114 DIOMEDES GRAMMATICUS 1,491 97 DION V. PRUSA or. I,1–5 174 II,15 174 II,16 174 II,18 174 III,1 177 III,29–41 173 IV 174f., 184–186, IV,1–13 174 IV,3 174 IV,4 175, 178 IV,6 186 IV,14–15 176 IV,15 178 IV,17–18 177 IV,18 178 IV,19 178 IV,20 178 IV,50–51 181 IV,53 181 IV,76 182 IV,77–78 180, 182 IV,79 182 IV,81–83 186 IV,82 174 IV,88 182 IV,89 183 VIII,5 180 X,2 180 XLXVI,12 185 LV,7–9 166 LV,9 166 LV,12 173, 179, 182 LV,12–13 166
Stellenregister LV,14–15 LV,15 LV,17 LV,20 LV,21 LV,22 LXI,1 LXVI,1–2 LXVI,8 LXVII,6
171 172 170 170 173 167 170 175 180 178
EPIKTET Ench. 17
71
GENNADIUS vir.ill. 19
265, 270
GREGOR VON TOURS Mart. 1,1 265 HIERONYMUS epist. 22 271 52,8 73 in Ezech. 11,36,1
265
HERMOGENES Meth. 36 201 HISTORIA AUGUSTA Hadrian 4,9 175 HOMER Il. 1,106–244 10,74–376
57 171
HORAZ ars 310 310–311
72 77
carm. 1,3,8 3,21
226 72
311
Stellenregister sat. 1,4
73
LUCILIUS XXVII,22 Charpin = 709–710 Marx 72, 77 1039–1040 (Marx) = 30, 85 (Charpin) 73 1015 (Marx) = 30, 22 (Charpin) 73 1122–1123 (Marx) = H 31 (Charpin) 73 830–831; 832–833 (Marx) = 29, 65, 66 (Charpin) 73 709–710 (Marx) = 37,22 (Charpin) 77 LUKIAN bis acc. 25–35
206
dial. mort. 10
197
Peregr. 15
197
symp. 14 12–14 16 19 20 20f. 22–27 28 33 34 34f. 35 42 43 45f.
212 209 212 213 212, 213 213 213 197 213 212 214 208 213 197, 212 212
Tox. 9,25
97
LUKREZ 4,1153–1154
77
MACROBIUS Sat. 6,4,8
113
MARTIAL 6,6,2 9,47
97 197
MINUCIUS FELIX 1–40 221f. 1,1–5 225 1,1 223–225 1,3 225–226 1,4 227, 230 1,5 223f., 230 2,1–2 225 2,2 236 2,3–4 239 2,3 221, 226, 238: 2,4 224, 230, 236, 238 3,1 222f., 228, 230f. 3,4 231 4,1 236 4,2 222, 232f. 4,3–5 222 4,3 231, 233f., 236 4,4 225 4,5 231 4,6 231, 233 5–13 222 5,1 223, 229 9,2 226 14,1 222, 231, 234, 236 14,2–7 222 14,2 234, 236 15,1 222 15,2 222, 229, 232, 234 16,1–5 234 16,1 230, 234 19,2 238 31,8 226 39 232 39,1 226f. 40,1 230, 235–237 40,3 222, 235–237 40,4 224, 234, 237 NEPOS Att. 4–6 6,1 18,1–2
114 114 121
312
Stellenregister
NEUES TESTAMENT Gal 2,2 227 5,22 236 6,1 228 Joh 6,65 8,12 13,34–35 15,11 20,4 20,8 21,4
237 238 226 236 228 228 238
1 Kor 9,24 9,26 12,3
227 227 237
Lk 5,3
238
Mt 13,2–3 18,15
238 228
Phil 3,14
227
Röm 8,16 15,13
237 236
OLYMPIODOR prol. XII 1,11,14f. 61 PHILON VON ALEXANDRIA Flacc. 20 97 PLATON Alk. 1 105a–c
183
apol. 29c–30a 37e–38a
71 71
Euthyd. 306D5
63
Gorg. 470e6 486e6–487a3
177 42
Krit. 44a–b 51c–52c
79 40
leg. 624a1–6 624a–b 625b6–628e5 626b5 626b–633a 626d5–6 629b–e 630a–d 634b1–c2 634c5–d2 634d4–e6 634e7–635a2 636e4–637a2 638c–640e 639d5–e4 642b2–d2 642d1–2 642d3–4 642d4–643a1 643a2–4 658a4–b5 673b 680b–c 680c6–d1 683c 693d2–7 702a2–d5 702b4–c8 712c8–9 720a–e 721e4–722a2 769b4–5 804b5–6 806c8–9 811c6–812a1 821a–b 835c–842a 835c1–8 835d1–2 836b4–8 837d2–e8 838c8–d2 842a4–6
35 36 36 36 114 36 36 36 35 42 42 36 35 36 36 35 35 36 36 44 36 37 36 36 35 40 38 36 33 45 35 36 35 35 51 81 32, 48–52 49 49 49 49 50 51
313
Stellenregister 857c–e 857a–864d 858a–859c 858a3–b6 859c–860c 859c6–860a11 860c–861a 861a–864c 861e–863a 863a–864d 886–898 886–900 886a6–b5 886b4–5 891c7–e5 892d7 892d–893a 900c1–7 953c3–d7 969c4–d3
45 32, 44–48 45 48 45 46 45 45 45 45 44 42 42 43 43 33 43 43 39 37
Men. 75d
70
Phaid. 115c–e
79
polit. 262c2–4
42
rep. 327b1–328b3 392d–394d5 435e6–436a1 605a–606d 600e4–601a
37 171 40 170 170
soph. 216a1–b6 symp. 212c4–d5 213b7–d6 213e11 223b ff. PLAUTUS Pseud. 459–471 479–480 481–484
37 214 216 216 217
74 75 75
PLINIUS D. JÜNGERE epist. 1,10,6 197 3,12,1 72 PLUTARCH Adulat. 52C
197
Alex. 5 14
175 176
am. 749CD 752BC 752CD 752DE 754E–755C 756A
195 195 195 196 196 196
aud. poet. 16D–17E 17F 18B 18D 18E–F 19A 19D 38D 39B 40B–E 44A 45A–E
172 172 172 172 169 172 172 200 199 189 199 199
de Alex. fort. 342F
175
Demetr. 1 1,5–6
169 190
de prof. virt. 81BC
197
de E 385C 386A 386B–C 386B 386C 386D
194 191 192 191 193 193
314
Stellenregister
de garr. 514EF 514C
200 201
SALLUST Cat. 20,4
226
Is. 40.370F
31
Iug. 18,5
281
mor. 2,5 15
96 96
SENECA epist. 12,9
224
symp. (Q. C.) 613F 614E 615D 617D 621B–622B 630A 631C–F 676F–677B 678C 697C 710B 711D 713F 726A 736BC 736E 737DE 738F 739B 739E 739F 740A 741A
201 200 197 198 201 200 201 197 189 200 197 193, 196 198 191 198 198 198 199 199f. 200 201 201 202
dial. 9,4,3
225
STATIUS Theb. 8,751
282
STRABON 2,4
94
PORPHYRIOS abst. 1,7,1–2 116 1,11,1 116f. 1,12,5 117 PROPERZ 2,34
72
QUINTILIAN inst. 10,1,123 10,1,93–95 11,1,11 12,10,11
120 73 84 120
SULPICIUS SEVERUS chron. 2,50,4–6 265 dial. 1,1,1 1,1,2 1,1,3 1,1,4–5 1,1,5 1,2,2 1,2,3–4 1,3–4 1,3,2 1,3,3 1,3,6 1,4 1,4,1–4 1,4,5–7 1,6–7 1,6,4–5 1,7 1,7,1 1,8 1,8–9 1,8,4 1,8,4–6 1,8,5 1,9,3 1,9,4 1,12
290 290 278 278 282 273 273 267 270 281 281 270 280 272 267 280 280 280 280 267 282 271 271 282 272 272
315
Stellenregister 1,21 1,21,5 1,23,1 1,23,2 1,23,3–7 1,23,7 1,23,8 1,24,1–2 1,24,2 1,24,2–3 1,25,7 1,26,1 1,26,2–6 1,26,4 1,26,7–8 1,26,8 1,27,1–2 1,27,3 1,27,5 1,27,7 1,27,8 2,14,5–8 3,1,1 3,1,4–5 3,1,4–8 3,1,6–7 3,2,8 3,3,6 3,5,6 3,7,5 3,8,7 3,9,1 3,9,3 3,10,4 3,15 3,17 3,17,1 3,17,2
272 272 268 279 279 268, 276 273 276 273 273 278 274, 279, 287 275 270 268, 274 282 282 282 282 268, 282 284 283, 286 289 287 283 287 289 289 265, 277, 283 289 289 289 289 282 275 285 269 288
Mart. 1,1 1,5 20,1–2 22 25
265 268 275 281 269
TACITUS dial. 4,2–5,2 21,5 25,4
233 120 120
THUKYDIDES 1,20f. 56 6 215 6,89–92 57 XENOPHON mem. 1,3,8–10 2,6,15 4,3,13–14
63 63 81
oec. 1–6 1,1 7–21 11,3 11,4–7 20,26–29
62 63 62 64 64 65
symp. 2,6,15
63
VERGIL Aen. 1,657–660 2,1 7,354–358
224 226f. 224
PA L I NG E N E S I A Schriftenreihe für Klassische Altertumswissenschaft
Begründet von Rudolf Stark, herausgegeben von Christoph Schubert.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0552–9638
36. Carl Werner Müller / Kurt Sier / Jürgen Werner (Hg.) Zum Umgang mit fremden Sprachen in der griechisch-römischen Antike Kolloquium der Fachrichtungen Klassische Philologie der Universitäten Leipzig und Saarbrücken vom 21.–22. November 1989 in Saarbrücken 1992. VIII, 252 S., kt. ISBN 978-3-515-05852-0 37. Ivor Ludlam Hippias Major: An Interpretation 1991. 189 S., kt. ISBN 978-3-515-05802-5 38. Claudia Bergemann Politik und Religion im spätrepublikanischen Rom 1992. VIII, 166 S., kt. ISBN 978-3-515-06105-6 39. Peter Cordes Iatros Das Bild des Arztes in der griechischen Literatur von Homer bis Aristoteles 1993. 209 S., kt. ISBN 978-3-515-06189-9 40. Ricarda Müller Ein Frauenbuch des frühen Humanismus Untersuchungen zu Boccaccios De mulieribus claris 1992. 190 S. und 1 Taf., kt. ISBN 978-3-515-06028-8 41. Cornelia M. Hintermeier Die Briefpaare in Ovids Heroides Tradition und Innovation 1992. XIII, 218 S. mit 7 Abb., kt. ISBN 978-3-515-06224-4 42. Philipp Stefan Freber Das Illyricum und der hellenistische Osten 1993. IX, 226 S., kt. ISBN 978-3-515-06255-8 43. Paul Dräger Argo Pasimelousa Der Argonautenmythos in der griechischen und römischen Literatur. Teil I: Theos Aitios
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1995. X, 278 S., kt. ISBN 978-3-515-06639-6 Paul Dräger Stilistische Untersuchungen zu Pherekydes von Athen Ein Beitrag zur ältesten ionischen Prosa 1995. VII, 98 S., kt. ISBN 978-3-515-06676-1 Georg Wöhrle Hypnos, der Allbezwinger Eine Studie zum literarischen Bild des Schlafes in der griechischen Antike 1995. 123 S., kt ISBN 978-3-515-06738-6 Poulheria Kyriakou Homeric hapax legomena in the Argonautica of Apollonius Rhodius A Literary Study 1995. X, 276 S., kt. ISBN 978-3-515-06596-2 Michaela Kostial Kriegerisches Rom? Zur Frage von Unvermeidbarkeit und Normalität militärischer Konflikte in der römischen Politik 1995. 192 S., kt. ISBN 978-3-515-06775-1 Friedhelm L. Müller Eutropii Breviarium ab urbe condita / Eutropius, Kurze Geschichte Roms seit Gründung (753 v. Chr. – 364 n. Chr.) Einleitung, Text und Übersetzung, Anmerkungen, Index nominum 1995. IX, 336 S., kt. ISBN 978-3-515-06828-4 Rigobert W. Fortuin Der Sport im augusteischen Rom 1996. VIII, 440 S., kt. ISBN 978-3-515-06850-5 Theokritos Kouremenos Aristotle on Mathematical Infinity 1995. 131 S., kt. ISBN 978-3-515-06851-2 Bruno Vancamp Platon Hippias Maior – Hippias Minor 1996. 131 S., kt. ISBN 978-3-515-06877-2 Karsten Thiel Aietes der Krieger – Jason der Sieger Zum Heldenbild im hellenistischen Epos 1996. XI, 100 S., kt. ISBN 978-3-515-06955-7
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70. Georgios Tsomis Zusammenschau der frühgriechischen monodischen Melik (Alkaios, Sappho, Anakreon) 2001. 306 S., geb. ISBN 978-3-515-07668-5 71. Alessandro Cristofori / Carla Salvaterra / Ulrich Schmitzer (Hg.) La rete di Arachne – Arachnes Netz Beiträge zu Antike, EDV und Internet im Rahmen des Projekts „Telemachos“ 2000. 281 S., geb. ISBN 978-3-515-07821-4 72. Hans Bernsdorff Hirten in der nicht-bukolischen Dichtung des Hellenismus 2001. 222 S., geb. ISBN 978-3-515-07822-1 73. Sibylle Ihm Ps.-Maximus Confessor Erste kritische Edition einer Redaktion des sacro-profanen Florilegiums Loci communes, nebst einer vollständigen Kollation einer zweiten Redaktion und weiterem Material 2001. 12*, CVIII, 1153 S., geb. ISBN 978-3-515-07758-3 74. Roderich Kirchner Sentenzen im Werk des Tacitus 2001. 206 S. mit 4 Tab., geb. ISBN 978-3-515-07802-3 75. Medard Haffner Das Florilegium des Orion Mit einer Einleitung herausgegeben, übersetzt und kommentiert 2001. VII, 267 S., geb. ISBN 978-3-515-07949-5 76. Theokritos Kouremenos The proportions in Aristotle’s Phys. 7.5 2002. 132 S., geb. ISBN 978-3-515-08178-8 77. Christian Schöffel Martial, Buch 8 Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar 2002. 723 S., geb. ISBN 978-3-515-08213-6 78. Argyri G. Karanasiou Die Rezeption der lyrischen Partien der attischen Tragödie in der griechischen Literatur Von der ausgehenden klassischen Periode bis zur Spätantike 2002. 354 S., geb. ISBN 978-3-515-08227-3
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2016. 601 S. mit 1 Abb. und 8 Tab., geb. ISBN 978-3-515-11596-4 Stefan Weise (Hg.) HELLENISTI! Altgriechisch als Literatursprache im neuzeitlichen Europa 2017. 389 S. mit 5 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11622-0 Armin Eich / Stefan Freund / Meike Rühl / Christoph Schubert (Hg.) Das dritte Jahrhundert Kontinuitäten, Brüche, Übergänge 2017. 286 S. mit 30 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11841-5 Antje Junghanß Zur Bedeutung von Wohltaten für das Gedeihen von Gemeinschaft Cicero, Seneca und Laktanz über beneficia 2017. 277 S., geb. ISBN 978-3-515-11857-6 Georgios P. Tsomis Quintus Smyrnaeus Kommentar zum siebten Buch der Posthomerica 2018. 456 S., geb. ISBN 978-3-515-11882-8 Silvio Bär Herakles im griechischen Epos Studien zur Narrativität und Poetizität eines Helden 2018. 184 S., geb. ISBN 978-3-515-12206-1 Christian Rivoletti / Stefan Seeber (Hg.) Heliodorus redivivus Vernetzung und interkultureller Kontext in der europäischen Aithiopika-Rezeption 2018. 229 S., geb. ISBN 978-3-515-12222-1 Friedrich Meins Paradigmatische Geschichte Wahrheit, Theorie und Methode in den Antiquitates Romanae des Dionysios von Halikarnassos 2019. 169 S., geb. ISBN 978-3-515-12250-4 Katharina Pohl Dracontius: De raptu Helenae Einleitung, Edition, Übersetzung und Kommentar 2019. 571 S. mit 14 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12216-0 Gregor Bitto / Anna Ginestí Rosell (Hg.) Philologie auf zweiter Stufe Literarische Rezeptionen und Inszenierungen hellenistischer
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Gelehrsamkeit 2019. 280 S. mit 2 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12357-0 Antje Junghanß / Bernhard Kaiser / Dennis Pausch (Hg.) Zeitmontagen Formen und Funktionen gezielter Anachronismen 2019. 235 S. mit 3 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12366-2 Stefan Weise Der Arion des Lorenz Rhodoman Ein altgriechisches Epyllion der Renaissance 2019. 321 S., geb. ISBN 978-3-515-12412-6 Katharina Pohl Dichtung zwischen Römern und Vandalen Tradition, Transformation und Innovation in den Werken des Dracontius 2019. 302 S., geb. ISBN 978-3-515-12089-0 Bernd Bader Josephus Latinus: De Bello Iudaico Buch 1 Edition und Kommentar 2019. 256 S., geb. ISBN 978-3-515-12430-0 Marco Palone Le Etiopiche di Eliodoro Approcci narratologici e nuove prospettive 2020. 240 S., geb. ISBN 978-3-515-12612-0 Klaus Meister Studien zur griechischen Geschichtsschreibung Von der Klassik bis zur Spätantike 2020. 346 S., geb. ISBN 978-3-515-12591-8 Anne-Elisabeth Beron / Stefan Weise (Hg.) Hyblaea avena Theokrit in römischer Kaiserzeit und Früher Neuzeit 2020. 216 S., geb. ISBN 978-3-515-12708-0 Donato De Gianni Iuvencus: Evangeliorum Liber Quartus Introduzione, testo criticamente riveduto, traduzione e commento 2020. 509 S., geb. ISBN 978-3-515-12844-5 in Vorbereitung in Vorbereitung
Trotz seiner Bedeutung für die antike Wissensliteratur findet der literarische Dialog in seiner strukturellen und funk tionalen Komplexität erst in jüngerer Zeit die gebotene Aufmerksamkeit der altertumswissenschaftlichen Forschung. Dabei finden bislang vor allem seine ar gumentativen Möglichkeiten Beachtung. Der Gestaltungsspielraum der Dialog figuren, die die charakteristische Ge sprächsinteraktion im literarischen Dia log bedingen, wurde bisher jedoch kaum erforscht – und dies, obwohl ihre Konzeption Art und Verlauf der insze nierten Gesprächshandlung wesentlich bestimmt. Außerdem können sie je nach Gestaltungsgrad weitere Aussageebenen
ISBN 978-3-515-12906-0
9 783515 129060
generieren, die sich aus Aspekten wie Charakterzeichnung, persönlicher Le bensrealität oder dem spezifischen Um gang miteinander ergeben. Hier setzen die Autorinnen und Autoren des Bandes an und untersuchen anhand einzelner Fallstudien die Figurengestaltung und Gesprächsinteraktion in ausgewählten Dialogen und Dialogœuvres von Platon bis in die christliche Spätantike. Auf diese Weise bieten sie erstmals ein um fassendes diachrones Panorama dieser zentralen Elemente des antiken Dialogs und liefern gleichzeitig die einschlägi gen Koordinaten für ihre Systematisie rung.
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