Führung im Mittelstand: Ein praxisorientierter Leitfaden 9783486720242, 9783486715996

Der Band schließt eine Lücke in der für KMU relevanten wirtschaftswissenschaftlichen Literatur. Seine Thematik gewinnt z

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German Pages 195 [196] Year 2012

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
2 Führung und Führungskraft
3 Darstellung des Führungsmodells
4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?
5 Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?
6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?
Literatur
Index
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Führung im Mittelstand: Ein praxisorientierter Leitfaden
 9783486720242, 9783486715996

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Führung im Mittelstand

Ein praxisorientierter Leitfaden von

Prof. Dr. Daniela Lohaus

Hochschule für Technik, Stuttgart

Dr. Wolfgang Habermann H&L Karriereberatung

Oldenbourg Verlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Christiane Engel-Haas, M.A. Herstellung: Constanze Müller Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik & Druck GmbH, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-71599-6 eISBN 978-3-486-72024-2

Vorwort Seit rund 100 Jahren wird systematisch zum Thema Führung geforscht. Während sich die Anfänge darauf richteten, die (gemeinsamen) Merkmale von als Führern bezeichneten Personen wie Napoleon, Martin Luther King oder Mahatma Gandhi zu identifizieren, liegt der Fokus heute auf Konzepten wie „authentische Führung“, „Komplexitätsführung“, „geteilte Führung“ etc. In diesen Konzepten wird die Bedeutung sehr vieler Faktoren berücksichtigt; bei den o.g. Ansätzen z.B. die emotionale Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/Team und die Führung in komplexen Situationen, in denen viele Akteure in nicht vorhersehbarer Weise miteinander interagieren. Hierzu gehören auch Führungsaktivitäten durch die Teammitglieder. Sogar die Beobachtung von Tieren wird propagiert, um Erkenntnisse über Führungsverhalten zu gewinnen (z.B. Nagel, 2009). Kaum ein Ansatz hat bislang uneingeschränkte Bestätigung durch Forschungsergebnisse gefunden. Der Ansatz der transformationalen und charismatischen Führung, der den Fokus auf die Person der Führungskraft in ihrer Interaktion mit den Mitarbeitern richtet, hat die intensivste Forschung stimuliert und bisher die stärkste Anerkennung gefunden. In den letzten Jahren hat auch das Konzept der ethischen Führung stark an Bedeutung gewonnen (z.B. Eisenbeiß/Giessner, 2012; Kalshoven/Boon, 2012). Insgesamt ist unbestritten, dass gutes Führungsverhalten zu hoher Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeiter beiträgt. Dazu gehören die klassischen Praktiken wie Mitarbeiterorientierung, Führen mit Zielen, kontinuierliches Feedback, angemessene Belohnungen und Bestrafungen sowie die Mitarbeiter für Ziele und Aufgaben zu begeistern und sich bzgl. der Wege zur Erreichung komplexer Ziele abzusprechen. Zwar sind monetäre Anreizsysteme nicht notwendigerweise Führungsinstrumente, doch können auch sie – wie Führung – zu Leistungssteigerungen und Zufriedenheit beitragen und Führungsverhalten unterstützen.

VI

Vorwort

Anstatt eine Übersicht über alle Führungsansätze und Forschungsergebnisse zu bieten, die von der Zielgruppe des Buches möglicherweise als ermüdend denn als bereichernd wahrgenommen würde, haben wir uns darauf konzentriert, genau die theoretischen Ansätze darzustellen, die für die Führungspraxis kleiner und mittelständischer Unternehmen von besonderer Relevanz sind. Sie beschreiben Führungsverhalten gut verständlich und gehen von der Prämisse aus, dass Führungsverhalten erlernbar ist. Der Fokus des Buches liegt entsprechend darauf, ein Grundverständnis von Führung zu vermitteln und vor allem konkrete Anleitungen für Führungsverhalten in der Praxis zu bieten. Dies ist insbesondere für mittelständische Unternehmen von Bedeutung, da diese im Gegensatz zu Großunternehmen meist nicht über systematisch entwickelte und für das gesamte Unternehmen gültige Führungsgrundsätze sowie standardisierte Auswahl- und Entwicklungsprogramme für Führungskräfte verfügen. Lautertal, August 2012

Daniela Lohaus und Wolfgang Habermann

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

1

Einführung

1

1.1

Abgrenzung „Führung“ und „Unternehmensführung“

1

1.2

Das didaktische Konzept

2

1.3

Das Beispielunternehmen: Software GmbH

2

1.4

Wiederholungsfragen zum Kapitel

4

2

Führung und Führungskraft

5

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3

Das Wirken der Führungskraft Aufgaben der Führungskraft Führungsbereiche Machtgrundlagen von Führungskräften

5 5 7 18

2.2

Kriterien für den Erfolg von Führungskräften

24

2.3 2.3.1

27

2.3.2

Erfolg von Führung im engeren Sinne Abgrenzung Erfolg von Unternehmensführung und Führungserfolg Bestimmung des Schadens schlechter Führung

27 30

2.4

Bedeutung guter Führung für KMU

37

2.5

Wiederholungsfragen zum Kapitel

39

3

Darstellung des Führungsmodells

41

3.1

Führungsmodell

41

3.2

Wiederholungsfragen zum Kapitel

42

VIII

Inhaltsverzeichnis

4

Indirekte Führung: Wie wird geführt?

43

4.1

Überblick Führungstheorien

43

4.2

Führungsstile

44

4.3

Führen nach Reife der Mitarbeiter

50

4.4

Führen durch Vorbild

55

4.5

Substitution von Führung

59

4.6

Wiederholungsfragen zum Kapitel

63

5

Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?

65

5.1

Motivierung als Führungsaufgabe

65

5.2

Motivierung durch die Berücksichtigung erlernter Bedürfnisse

67

5.3

Motivation durch die Erfüllung von Erwartungen

72

5.4

Wiederholungsfragen zum Kapitel

76

6

Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

77

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5

Entscheiden Grundsätzliches Strategische und operative Entscheidungen Rationale und intuitive Entscheidungen Grad der Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungen Methoden der Entscheidungsfindung

77 77 78 80 84 85

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4

Ressourcen sichern Aufgaben der Ressourcensicherung im Überblick Ressourcen-Sicherung mit Sachbezug Ressourcen-Sicherung mit Personalbezug Ressourcen-Sicherung durch Koordinierung

92 92 93 97 101

6.3 6.3.1 6.3.2

Informieren Abgrenzung kommunizieren und informieren Informationsrollen von Führungskräften

105 105 108

Inhaltsverzeichnis

IX

6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4

Leistung managen Führen mit Zielen Aufgaben übertragen/Delegieren Leistung kontrollieren Leistung beurteilen und fördern

114 114 128 137 139

6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3

159 159 160

6.5.4

Repräsentieren Was ist unter Repräsentieren zu verstehen? Wer kann repräsentieren? In welchen Situationsbereichen repräsentieren KMUFührungskräfte? Wie wird vorteilhaft repräsentiert?

160 165

6.6

Wiederholungsfragen zum Kapitel

170

Literatur

173

Index

181

1

Einführung

1.1

Abgrenzung „Führung“ und „Unternehmensführung“

Es wird sich zeigen, dass die Unterscheidung von Führung in Unternehmen und Unternehmensführung gerade in mittelständischen Unternehmen nicht immer eindeutig möglich ist. Der Vorteil, der aus dem Verständnis von Führung und der Nutzung der in ihm liegenden Möglichkeiten gezogen werden kann, macht diese Unterscheidung trotzdem sinnvoll. Es gibt eine große Zahl von Definitionen zu Führung, die sich hinsichtlich ihrer Akzentuierung unterscheiden. Eine Auswahl findet sich z.B. bei Neuberger (2002, S. 12ff.). Unser Verständnis von Führung lässt sich von der Unterscheidung zu Unternehmensführung leiten. Wir schlagen vor, unter Führung zu verstehen: Die Beeinflussung anderer Menschen, ein allgemeines Verhalten zu zeigen, das vom Führenden gewünscht wird. Die Allgemeinheit des Verhaltens besteht darin, dass es sich nicht auf sachliche Teilbereiche (Funktionen) oder sachliche Prozesse in einem Unternehmen bezieht, sondern unabhängig von einem speziellen sachlichen Teilbereich oder einem speziellen sachlichen Prozess (z.B. Einkauf oder Qualitätssicherung) gezeigt werden kann und soll. Dieses Verhalten soll plausibler Weise einen Beitrag zum monetären Unternehmenserfolg leisten. Unternehmensführung ist dagegen die Steuerung des Unternehmens oder von Teilen des Unternehmens zur Erreichung vorgegebener Unternehmensziele. Sie sucht die Optimierung von Teilbereichen bzw. Prozessen und deren bestes Zusammenwirken unabhängig von den handelnden Personen (vgl. z.B. Felfe, 2009, S. 2 f.). Einen guten Überblick zur Unternehmensführung geben Hauer/Ultsch (2009).

2

1.2

1 Einführung

Das didaktische Konzept

Unser didaktisches Konzept besteht darin, ein gedachtes mittelständisches Unternehmen vorzustellen und zu beschreiben, wie die Führungskräfte dieses Unternehmens Führungsaufgaben angehen. Die zu lösenden Führungsaufgaben ergeben sich aus unserem Führungsmodell, das sowohl den wissenschaftlichen Rahmen für Führung bereitstellt als auch die Strukturierung des Buches vorgibt. Dieses Führungsmodell konzentriert sich auf die wesentlichen Führungselemente und wurde auch unter dem Gesichtspunkt entwickelt, die Anwendbarkeit in mittelständischen Unternehmen nicht durch Theorien mit eingeschränktem praktischen Nutzen für KMU zu beeinträchtigen. Bei den präsentierten Führungsaufgaben wird unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse sowohl vorteilhaftes als auch nachteiliges Handeln auf verschiedenen Führungsebenen mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen vorgestellt. Die Realität von Führung wird häufig dazwischen liegen. Es bleibt dem Leser überlassen, die eigene Position und die von ihm vorgezogenen Entscheidungen in diesem Rahmen zu bedenken.

1.3

Das Beispielunternehmen: Software GmbH

Das von uns zu Demonstrationszwecken gewählte mittelständische Unternehmen, die rein fiktive Software GmbH, gehört zu den IT-Dienstleistern und hat demzufolge im Produktionsbereich eine Projektstruktur. Diese Wahl hat keinen Einfluss auf die Darstellung der Führungsproblematik, trägt aber der in allen Branchen zunehmenden Projektorganisation Rechnung. Die sich aus letzterer ergebende Führungsproblematik besteht zu einem wesentlichen Teil darin, dass fachliche und disziplinarische Weisungsbefugnis auseinander fallen. Erstere bezieht sich auf das Recht, Aufgaben zuzuweisen, die zweite gibt die Macht, Maßregelungen auszusprechen und Arbeitsbedingungen festzulegen. Das Unternehmen ist eine GmbH und wird von zwei gleichberechtigten Geschäftsführern, die zugleich die einzigen Gesellschafter der GmbH sind, geleitet. Es bietet insbesondere Finanzdienstleistern im Inland überwiegend selbst entwickelte Software an, mit der an deren Prog-

1.3 Das Beispielunternehmen: Software GmbH

3

rammen Ergänzungen vorgenommen werden können. Es nutzt Nischen, die von den großen Software-Anbietern nicht ausgefüllt werden. Das Unternehmen hat einschließlich der beiden Geschäftsführer 23 Mitarbeiter, von denen zwei Auszubildende sind. Die Aufteilung der Verantwortung zwischen den beiden Geschäftsführern und die Struktur des Unternehmens, die als Matrix-Organisation dargestellt werden kann, ergibt sich aus dem nachstehenden Organigramm (siehe Abb. 1.1). Die darin auf drei festgelegte Zahl der Projekte ist selbstverständlich aber variabel. Geschäftsführer Technik

Produktion

Personal

Geschäftsführer Administration

Vertrieb

Verwaltung + Controlling

Leiter Projekt 1 Leiter Projekt 2 Leiter Projekt 3

Abb. 1.1:

Organigramm der Software GmbH (strukturelle Darstellung)

Zur besseren Verfolgung der im Text beschriebenen und an dem Demonstrationsunternehmen aufgezeigten Führungsproblematik werden nachstehend die Führungskräfte des Unternehmens mit Funktion, Namen, Alter, und Ausbildung beschrieben. Es handelt sich dabei um die beiden Geschäftsführer und die Projektleiter, insgesamt also fünf Personen (siehe Abb. 1.2). Nur des besseren Unternehmensverständnisses wegen werden an dieser Stelle auch die Mitarbeiter des Vertriebs und der Verwaltung in gleicher Weise vorgestellt. Soweit die Behandlung der Führungsproblematik die nähere Kennzeichnung anderer Mitarbeiter erfordert, wird diese an den entsprechenden Stellen vorgenommen.

4

1 Einführung

Geschäftsführer Technik Anton A, 42 J. Dipl.-Informatiker Produktion

Geschäftsführer Administration Berthold B, 47 J. Dipl.-Kaufmann

Personal

Vertrieb

Projekt 1 Carlo C, 55. J. Dipl.-Biologe

Projekt 2 Daniel D, 30 J. Fachinformatiker

Projekt 3 Edgar E, 25 J. B.Sc. Business Information Management

Norbert N

Rita R (auch

Qurin Q

Otto O

Siegfried S

Peter P Rita R (auch P2)

Siegfried S (auch P2)

P1) (auch P1)

Volker V Walter W

Tina T

Verwaltung + Controlling

Fabiola F, 30 J. Marketingreferentin

Ina I, 40 J. Buchhaltung

Gaby G, 20 J. Empfang + Telefon

Jonas J, 25 J. Auftragsabwicklung

Hanna H, 22 J. Sekretariat

Uwe U Ludwig L

(Teilzeit)

Karel K, 25 J. Beschaffung, Logistik, Personal- u. allg. Verwaltung

(Azubi 3. LJ.)

Martin M (Azubi, 1. LJ.)

Abb. 1.2:

Organigramm der Software GmbH (personelle Darstellung)

1.4

Wiederholungsfragen zum Kapitel

1. Welchen Schwerpunkt sollten Führungstheorien für KMU haben? 2. Wie lassen sich Führung und Unternehmensführung voneinander abgrenzen? 3. Welche Problematik ergibt sich aus einer Projektorganisation für Führung? 4. Was ist der Unterschied zwischen fachlicher und disziplinarischer Weisungsbefugnis?

2

Führung und Führungskraft

2.1

Das Wirken der Führungskraft

2.1.1

Aufgaben der Führungskraft

Führung als zielorientierte Beeinflussung von Mitarbeitern bzw. einer Gruppe zur Erfüllung gemeinsamer und meist vorgegebener Aufgaben geschieht in oder mit einer strukturierten Situation (vgl. Neuberger, 2002). In dieser Definition wird Führung als ein Prozess verstanden, der sich in der Interaktion der Führungskraft mit den Geführten ausdrückt. Zum Führen gehören demnach neben der Führungskraft immer auch Menschen, die geführt werden und die ihrerseits Einfluss auf die Führungskraft nehmen. Führung ist damit nicht ein Merkmal oder gar eine Persönlichkeitseigenschaft der Führungskraft, sondern entsteht im Zusammenspiel mit anderen Menschen. Der Erfolg von Führung bezieht sich dann darauf, inwiefern es der Führungskraft gelingt, gewünschtes und zielführendes Verhalten bei den Mitarbeitern zu bewirken. Normalerweise sind Führungskräfte für eine Gruppe von Mitarbeitern zuständig. Sie interagieren zwar auch oft mit Einzelpersonen, aber ihr Umgang mit Einzelnen hat Auswirkungen auf die gesamte Gruppe. Dessen sollte sich die Führungskraft bewusst sein. Wenn sie Erfolg haben will, muss sie sich konsistent gegenüber den verschiedenen Mitarbeitern verhalten und gleiche Maßstäbe bei der Bewertung von Verhalten und Leistungen anlegen. Es ist Aufgabe der Führungskraft, das Verhalten der Teammitglieder auf das gemeinsame Ziel hin zu orientieren. Typischerweise hat die Führungskraft ihrerseits Zielvorgaben und koordiniert den Einsatz der Gruppe so, dass deren Beiträge der Erreichung der Ziele der Führungskraft dienen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Mitar-

6

2 Führung und Führungskraft

beiter ihrerseits individuelle (private) Ziele haben, die nicht mit den Zielen der Führungskraft bzw. der Unternehmensleitung übereinstimmen müssen. Aufgabe der Führungskraft ist es, die Unternehmensziele unter Berücksichtigung individueller Ziele zu erreichen. Implizit sind in dieser Definition weitere wichtige Aspekte enthalten: Damit die Gruppe die vorgegebenen Ziele erreicht, muss die Führungskraft die Aktivitäten der Einzelnen ggf. organisieren und auf jeden Fall koordinieren, zur kooperativen Haltung der Teammitglieder beitragen und sie zu hoher Arbeitsleistung motivieren. Soweit betrifft die Beschreibung die Innenorientierung, d.h. die Ausrichtung auf die Arbeitsgruppe. Allerdings gehört auch die Außenorientierung zur Führungsrolle dazu. Es ist Aufgabe der Führungskraft, die Unterstützung und Kooperation von Personen außerhalb der Gruppe, wie beispielsweise der eigenen Vorgesetzten, relevanter Ansprechpartner in anderen Bereichen des Unternehmens (etwa des Controllings oder der Personalabteilung) und von Kunden und Lieferanten zu gewinnen. Die verschiedenen Ansprechpartner von Führungskräften, die unterschiedlichen Ansprüche, die damit verbunden sind und aus denen sich die Rollenvielfalt einer Führungskraft ergibt, sind in Abbildung 2.1 dargestellt. Bei dieser Darstellung sind lediglich die beruflichen Beziehungen erfasst. Nicht berücksichtigt sind dabei Rollen, die sich für jede Führungskraft zusätzlich außerhalb des beruflichen Bereichs ergeben können (z.B. als Partner, Freund, Elternteil etc.; vgl. Streich, 2003). Eigene/r Vorgesetzte/r

Interne Ansprechpartner

Arbeitnehmervertretung Führungskraft

Externe, wie Kunden/ Lieferanten

Abb. 2.1:

MitarbeiterInnen

Ansprechpartner von Führungskräften

2.1 Das Wirken der Führungskraft

2.1.2

7

Führungsbereiche

Führung in der Linie und Führung im Projekt Bei näherer Betrachtung der oben genannten Definition von Führung fällt die Formulierung „in oder mit einer strukturierten Situation“ auf. Was ist damit gemeint? Strukturierte Situation bedeutet, dass Führung im Rahmen vorgegebener oder zu schaffender mehr oder weniger umfangreicher Regelungen stattfindet. Dabei kann die Führungskraft die Situation entweder bereits strukturiert vorfinden oder muss erst selbst eine Struktur schaffen. Ersteres ist typischerweise bei Führungsfunktionen in der Linie gegeben. Sofern das Unternehmen bereits eine gewisse Zeit besteht, wenn eine Führungskraft die Leitung einer Unternehmenseinheit übernimmt, so gilt für diese Einheit die im Organigramm festgelegte Struktur mit den bestehenden Beziehungen für die Zusammenarbeit. Anders sieht es aus, wenn die Führungskraft eine erst neu zu schaffende Abteilung oder den Aufbau eines Projektteams übernehmen soll. Dann muss sie zunächst eine Struktur für die Mitarbeiter des Teams und für die Zusammenarbeit entwerfen und gestalten. Was in der Linienstruktur eher die Ausnahme ist, gilt für eine Projektstruktur als Regel. Ein weiterer Unterschied zwischen Führung in der Linie im Vergleich zum Projekt liegt im Verantwortungsumfang. Während Linienführungskräfte typischerweise sowohl die fachliche als auch die disziplinarische Verantwortung für die zugeordneten Mitarbeiter haben, ist das bei Projektleitern häufig nicht der Fall. Mit der Projektleitung ist zwar üblicherweise die fachliche Weisungsbefugnis verbunden, die disziplinarische liegt allerdings meist weiterhin bei der für die Mitarbeiter zuständigen Linienführungskraft. Das gilt speziell dann, wenn die Projektmitarbeiter einem Projekt nur vorübergehend zugeordnet worden sind und ansonsten in einer Linienfunktion arbeiten. In diesen Fällen besitzt der Projektleiter die Befugnis, Weisungen bzgl. der Tätigkeiten im Projekt zu geben, hat aber nicht die Möglichkeit, weitergehende disziplinarische (z.B. Abmahnung) und verwaltungstechnische Entscheidungen (z.B. Gehaltsanpassung, Versetzung, Beförderung) bzgl. des Mitarbeiters zu treffen. Diese Befugnis bleibt bei der Linienführungskraft. Für einen Projektleiter ergibt sich daraus unter Umständen ein Akzeptanzproblem von Seiten der Projektmitarbeiter, weil diese im Zweifel

8

2 Führung und Führungskraft

Verhaltensweisen, die den Anweisungen des Projektleiters widersprechen, mit Verweis auf die Autorität und Zuständigkeit ihrer Linienführungskraft rechtfertigen. Auf der untersten Managementebene des Unternehmens ist die Arbeit von Führungskräften durch eine umfangreiche Beteiligung an der Erledigung der Arbeitsaufgaben des Teams gekennzeichnet. Außerdem sind sie für die Steuerung der Arbeitsgruppe zuständig und geben die dafür notwendigen Anordnungen. Sie fällen in begrenztem Umfang dispositive Entscheidungen, die im Wesentlichen operativer Natur sind. Je weiter oben innerhalb des Managements sich eine Führungskraft befindet, desto stärker verschieben sich die Anteile in Richtung strategischer Entscheidungen (siehe Abb. 2.2). Oberste Leitung

Strategische Entscheidungen

Mittlere Leitung

Dispositive Entscheidungen

Untere Leitung

Anordnungen

Realisation

Anteil der Arbeitszeit Abb. 2.2:

Aufgabenaufteilung von Führungskräften in Abhängigkeit von der Managementebene (nach Grochla, 1980)

Führung/Leadership im Vergleich zu Management Vielfach wird Führung auch als „Leadership“ bezeichnet und von „Managen“ abgegrenzt (vgl. Northouse, 2012). Führen und Managen ist gemeinsam, dass es bei beidem darum geht, Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, so zu beeinflussen, dass durch ihr Handeln gemeinsame Ziele der Gruppe erreicht werden. Management wird dabei als Bezeichnung für ein sachlich unemotionales Vorgehen verwendet, bei dem die Führungskraft einseitig Anordnungen an die Mitarbeiter gibt (siehe Abb. 2.3). Der Manager stützt sein Handeln auf generelle Regelungen und greift lediglich aktiv ein,

2.1 Das Wirken der Führungskraft

9

wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Er kontrolliert stark und achtet darauf, dass die Aufgaben korrekt durchgeführt werden. Seine Anordnungen werden von den Mitarbeitern eher als einengend und ihren Handlungsspielraum durch exakte Vorgaben begrenzend wahrgenommen. Im Gegensatz zum Manager gelten Führerpersönlichkeiten (Leader) als emotional an den Zielen beteiligt. Sie gestalten die Arbeitssituation aktiv und stehen in ständigem Austausch mit ihren Mitarbeitern und sind offen für deren Ansichten und Ideen. Die strategischen Ziele haben sie permanent im Blick und versuchen, ihre Mitarbeiter dafür zu begeistern. Sie entwickeln eine Vision der anzustrebenden Zukunft und inspirieren ihre Mitarbeiter, ihnen auf dem Weg dorthin zu folgen (vgl. z.B. Griffin/Parker/Mason, 2010). Ihr Verhalten wird von den Mitarbeitern als fördernd und Freiraum eröffnend empfunden.

Manager • machen die Dinge richtig (do things right) • geben Weisungen und sind nicht an den Ansichten der Mitarbeiter interessiert • reagieren • begrenzen Wahlmöglichkeiten der Mitarbeiter • sind emotional unbeteiligt Abb. 2.3.:

Leader • machen die richtigen Dinge (do the right things) • beeinflussen Mitarbeiter und sind für deren Anregungen offen • agieren • erweitern den Handlungsspielraum ihrer Mitarbeiter • sind emotional beteiligt

Unterschiede im Handeln von Managern und Führern

Während traditionelle Führungstheorien, wie die transaktionale Führung, sich eher an der Sichtweise von Führungskräften als Manager orientiert haben (vgl. Bass, 2000), konzentrieren sich neuere Ansätze, wie die transformationalen und charismatischen Führungstheorien, auf Führungskräfte als Führer bzw. Leader. Im Vergleich zu Managern wirken Leader sehr stark durch ihre Persönlichkeit (vgl. z.B. Felfe, 2006; Judge/Woolf/Hurst/Livingston, 2006).

10

2 Führung und Führungskraft

Fallbeispiel: Charismatische Führung Anton A, der Gründer des Unternehmens, hatte einige Jahre nach Aufnahme des Geschäftsbetriebs einen sich auch finanziell beteiligenden Vertriebsverantwortlichen für sein Unternehmen gesucht. Er hatte gemerkt, dass er Kunden zwar fachlich gut beraten kann, es sich aber als schwerer als erwartet herausstellt, neue Kunden zu gewinnen und zu binden. Mit Hilfe eines Personalberaters ist es ihm gelungen, Berthold B zu finden, der dann auch als Teilhaber und gleichberechtigter Geschäftsführer in die Software GmbH eingetreten ist. Berthold B übernahm den Vertrieb einschließlich des Marketings und den administrativen Bereich mit Verwaltung und Controlling. Bis zu diesem Zeitpunkt war Berthold B Vertriebsleiter einer Fachhandelskette für Hard- und Software. In den Beteiligungsverhandlungen und im Hinblick auf die Verteilung der Geschäftsbereiche hatte Berthold B die Gründe für seinen Unternehmenswechsel dargelegt. Neben seinem Wunsch nach Selbständigkeit kam auch das Führungsverhalten seines damaligen Chefs, dem Eigentümer der Handelskette, zur Sprache. Er schilderte seinen Chef als einen von seinem Erfolg in fast unrealistische Sphären getragenen Unternehmer. Er war so von einer internationalen Perspektive seiner Firma besessen und unablässig mit darauf bezogenen neuen strategischen Überlegungen beschäftigt, dass er aus der Sicht seiner Mitarbeiter die Bodenhaftung zu verlieren schien. Er hatte sich fast vollkommen aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und begnügte sich weitgehend damit, vor seinen Führungskräften seine Strategiepläne zu entwickeln und seine Abteilungsleiter mit seiner Begeisterung von seinen Vorstellungen anzustecken und anzuspornen; ohne allerdings ihren Rat in Strategieangelegenheiten zu suchen. Dem Zweck anzufeuern und zu motivieren dienten auch seine mehr oder weniger regelmäßigen Ansprachen an die Belegschaft in der Zentrale und den anderen Standorten. Berthold B räumte ein, dass es ihm auch tatsächlich gelang zu motivieren. Er überließ seinen Führungskräften, zu denen auch Berthold B gehörte, die ungeteilte Verantwortung für ihr operatives Geschäft und animierte sie dazu, ihren individuellen Weg zum Erfolg zu suchen. Damit akzeptierte der Firmenchef auch, dass diese ihre jeweils eigenen Führungsstile gegenüber ihren Mitarbeitern entwickelten. Sosehr die gewährten geschäftli-

2.1 Das Wirken der Führungskraft

11

chen Freiheiten begrüßt wurden und in den Abteilungen Innovationen begünstigten, brachten sie andererseits auch mit sich, dass die Abteilungsleiter immer seltener gut abgestimmt miteinander agierten und manchmal sogar gegeneinander arbeiteten. Über die dem Firmenchef von den einzelnen Abteilungsleitern vorgetragenen Klagen und Wünsche wurde selten eindeutig entschieden. Solange die Geschäftsergebnissein den Rahmen von dessen Erwartungen fielen, was tatsächlich lange Zeit der Fall war, wurden die Abteilungsleiter nur mit einer optimistischen Perspektive, einem Appell an ihre Führungsverantwortung und dem Auftrag verabschiedet, in Zukunft vertrauensvoller zusammenzuarbeiten. Der Mangel an Abstimmung zwischen den Führungskräften beeinträchtigte natürlich auch die Zusammenarbeit der zugehörigen Mitarbeiter. In der letzten Zeit hatten sich Umstrukturierungen bei bedeutenden Wettbewerbern auch in verlangsamtem Wachstum, sinkenden Margen und abnehmender Profitabilität des Unternehmens bemerkbar gemacht. Da außerdem die internen Reibungsverluste zunahmen und sich die Rivalitäten zwischen den Abteilungsleitern um die Rangordnung nach dem Firmenchef ausweiteten, entschloss sich Berthold B, einen Unternehmenswechsel ins Auge zu fassen. Er war bereit, für die Chance der Beteiligung an der Unternehmensleitung auch eine kleinere Organisation zu akzeptieren und finanzielle Zugeständnisse beim regelmäßigen Entgelt in Kauf zu nehmen. Fast noch wichtiger war ihm, in einer Organisation wirken zu können, in der nicht gegeneinander, sondern miteinander gearbeitet werden kann. Anton A war von Berthold Bs Begründungen überzeugt; und da auch dessen vertriebliche Leistungen eindeutig positiv waren, machte er ihm ein Angebot.

12

2 Führung und Führungskraft

Kommentar: Der von Berthold B gegenüber Anton A geschilderte Unternehmenschef erscheint als Prototyp einer charismatischen Führungskraft. Er konzentriert sich auf das Wesentliche, nämlich die Strategien zur Realisierung seiner Vision. Eine Vision gehört heute anscheinend unabdingbar zum strategischen Instrumentarium und zur Selbstdarstellung eines Unternehmens. Dass er die Zielführungskraft seiner Strategien nur an der Entwicklung der tatsächlichen Geschäftsergebnisse maß und nicht an den voraussichtlichen Ergebnissen alternativer Pläne, musste ihn angesichts positiver Geschäftsverläufe nicht in Verlegenheit bringen. Erst durch die zunehmenden Erfolge der Wettbewerber wurde spürbar, dass zumindest auf lange Sicht eine gezielte Fokussierung der Abteilungsziele auf das Unternehmensziel hin unverzichtbar ist. Optimierungen innerhalb der einzelnen Abteilungen müssen keineswegs zur bestmöglichen Entwicklung der gesamten Organisation führen. Motivation und Freiheit haben die grobe Richtung der Abteilungen bestimmt, aber die Resultante ihrer Entwicklungspfade ist nicht notwendig der kürzeste Weg zum Erfolg. Es ist schwer vorstellbar, dass die Kraft von Begeisterung und Motivation ausreicht, um auf den Nutzen traditioneller betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse verzichten zu können. Formelle und informelle Führung In weiten Bereichen der Führungsliteratur wird zwischen formellen und informellen Führungspersonen unterschieden. Die formelle Führungskraft ist durch ihre hierarchische Position im Unternehmen und durch die disziplinarische Zuständigkeit für Mitarbeiter erkennbar. Beispiele hierfür sind Gruppenleiter, Abteilungsleiter, Bereichsleiter, Direktor, Niederlassungsleiter. Viele Leser werden allerdings auch schon die Situation erlebt haben, dass die formelle Führungskraft nicht die wahre Führungsperson ist, sondern dass eine andere Person faktisch „den Ton angibt“. In diesem Fall sprechen wir von informeller Führung. Das bedeutet, eine Person, die nicht formell Führungskraft ist, wird von anderen Teammitgliedern als einflussreichste Person für das Verhalten der Teammitglieder angesehen. Eine solche informelle Führungsrolle existiert typischerweise nicht von Beginn an, sondern entwickelt sich über die Zeit der Zusammenarbeit im Team. Es wird

2.1 Das Wirken der Führungskraft

13

angenommen, dass Personen, die von den anderen als Prototyp dessen angesehen werden, wofür die Gruppe steht, mit hoher Wahrscheinlichkeit informelle Führer werden können. Wenn die Gruppe beispielsweise das Selbstbild oder den Anspruch hat, besonders kreativ und unkonventionell zu sein, und sich dadurch von anderen Unternehmenseinheiten unterscheiden möchte, dann hat das kreativste Gruppenmitglied, das gleichzeitig unkonventionelle Haltungen vertritt, die besten Chancen, die informelle Führungsperson zu werden. Informelle Führer sind häufig intelligent, in ihrem Auftreten oft dominant und trauen sich zu, etwas zu bewirken (vgl. Northouse, 2012). Sie vertreten ihre Ansichten nachdrücklich, sind gut über die Vorgänge im Unternehmen informiert, kommunizieren intensiv mit anderen und hören sich deren Meinung an. Kernmerkmal der informellen Führungskraft ist, dass sie von anderen in der Führungsrolle akzeptiert wird. Fallbeispiel: formelle und informelle Führung Daniel D ist Projektleiter und in dieser Funktion gegenüber seinen Teamkollegen fachlich weisungsbefugt. Seine Weisungsbefugnis umfasst nicht nur die ressourcen- und zeitbezogene Planung einschließlich der Mitarbeiterdisposition, sondern schließt auch die Genehmigung von Arbeitsergebnissen ein. Er kann aber weder Entgeltzusagen machen noch direkt disziplinarische Maßnahmen veranlassen. Der disziplinarische Vorgesetzte seines Teams ist Geschäftsführer Anton A. Diese Aufteilung der Führungsmacht mit der Trennung von fachlicher und disziplinarischer Kompetenz macht es Daniel D – wie auch generell vielen anderen Projektleitern – nicht leicht, uneingeschränkt als Leiter akzeptiert zu werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil er noch relativ jung ist und in kleineren Unternehmen der Weg zum disziplinarischen Vorgesetzten recht kurz ist. Daniel D kommt aber bisher mit dieser Kompetenzaufteilung gut zurecht. Dies liegt auch daran, dass von seinen Anweisungen abweichende Vorstellungen der Teammitglieder von Volker V, einem fachlich sehr versierten und erfahrenen Mitarbeiter des Unternehmens, in geschickter Weise an ihn herangetragen werden. Dieser bringt Probleme aus dem Projekt zwar offen zur Sprache, argumentiert aber nie schuldzuweisend oder verteidigend. Persönliche Wünsche der Projektmitarbeiter werden von ihm gebündelt und in ratsuchende Form gekleidet vorgebracht. Volker V erweckt zu kei-

14

2 Führung und Führungskraft

ner Zeit den Eindruck, er stelle Daniel Ds Kompetenz und Leitungsfunktion in Frage. Er bringt ihm aber von den Kollegen präferierte Lösungen bzw. Entscheidungen so nahe, dass dieser sie, soweit sie auch aus seiner Sicht sachlich angemessen sind, übernimmt.

Kommentar: Volker V hat mit seinem geschickten Auftreten gegenüber seinem Projektleiter Daniel D nicht nur das Vertrauen seiner Kollegen im Team gewonnen, sondern diesen auch bewiesen, dass er ihre gemeinsamen Interessen klug und erfolgreich vertreten kann. Da außerdem seine berufliche Kompetenz außer Frage steht, ist er fast automatisch in die Rolle des informellen Führers geschlüpft. Er nutzt seine Fähigkeiten aber nicht, um Daniel D „schlecht aussehen“ zu lassen bzw. sich als eigentlichen Projektleiter zu etablieren. Würde er sich so verhalten, entstände eine offene Konkurrenz zu seinem Vorgesetzten im Projekt, die mit beträchtlichen Reibungsverlusten im Projektablauf verbunden wäre. Daniel D müsste eher ungewollt durch Kontrollen und Anweisungen, die seine Autorität stützen sollen, in die Projektarbeit eingreifen. Darüber hinaus würden sich auch das Arbeitsklima und die Motivation der Mitarbeiter verschlechtern; abgesehen davon, dass es für Daniel D schwieriger würde, seine Projekte für andere Kollegen attraktiv erscheinen zu lassen. Die in diesem Fallbeispiel dargestellte positive Situation darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Realität häufig zu ernsten Konflikten zwischen formellem und informellem Führer kommt. Dilemmata von Führungskräften Jede Führungskraft sieht sich einander widersprechenden Ansprüchen und Anforderungen ausgesetzt, denen sie gerecht werden muss (vgl. Neuberger, 2002). Abbildung 2.4 zeigt die Dilemmata im Überblick, die im Folgenden erläutert werden. Die Dilemmata oder Konflikte ergeben sich aus der Rollenvielfalt von Führungskräften (siehe Abb. 2.4). Diese resultieren mehrheitlich aus den Funktionen, die eine Führungskraft aus der Sicht der Teammitglieder zu erfüllen hat, und weniger aus der Aufgabe, die Gruppe nach außen hin zu vertreten.

2.1 Das Wirken der Führungskraft

Abb. 2.4:

15

Dilemmata von Führungskräften

So wird von einer Führungskraft erwartet, dass sie alle ihre Mitarbeiter gleich behandelt, keinen den anderen vorzieht und einen einheitlichen Maßstab für die Beurteilung von Verhalten und Leistungen der Gruppenmitglieder anlegt. Gleichzeitig erwartet jeder einzelne Mitarbeiter, dass die Führungskraft auf ihn persönlich eingeht und auf seine Wünsche oder mögliche Einschränkungen Rücksicht nimmt. Ähnliches drückt sich im Gegensatz von Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung aus: Die Führungskraft soll die Präferenzen der Mitarbeiter beachten, sich für sie persönlich interessieren und um ihr Wohlbefinden besorgt sein. Zur selben Zeit soll sie die Ziele der Gruppe vor Augen haben und konsequent verfolgen, um so mit der Gruppe hohe Leistungen und die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Weiterhin wird von der Führungskraft eine hohe Außenorientierung erwartet, d.h., dass sie die Gruppe nach außen hin vertritt, z.B. Ressourcen für die Gruppe beschafft, ihre Leistungen positiv darstellt und für gute Beziehungen zu Interaktionspartnern sorgt, die die Akzeptanz der Gruppe und ihrer Beiträge sichern sollen. Dennoch wünschen sich die Mitarbeiter auch eine hohe Innenorientierung, d.h. die häufige Anwesenheit der Führungskraft im Team, um bei Fragen und Problemen als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und die Leistungen der Gruppenmitglieder wahrzunehmen und zu würdigen. Auf der einen Seite wird von der Führungskraft verlangt, dass sie die Verantwortung übernimmt und Entscheidungen trifft. Diesem Anspruch auf Fremdbestimmung steht die Forderung nach Selbstbestimmung gegenüber: Natürlich wollen die Mitarbeiter gleichzeitig möglichst viel Entscheidungsund Handlungsspielraum haben und Inhalte und Vorgehensweisen im Arbeitsgebiet selbständig festlegen. Nicht zuletzt erwarten Mitarbeiter von

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2 Führung und Führungskraft

ihren Führungskräften in der Regel eine gewisse Nähe und Vertraulichkeit. Sie ist in ihren Augen Ausdruck von Wertschätzung. In vielen Fällen hat sie sich auch über Jahre bisheriger Zusammenarbeit entwickelt, wenn jemand, der bis dahin Kollege war, in die Vorgesetztenposition aufrückt. Zeitgleich muss die Führungskraft aber eine gewisse Distanz zu den ihr unterstellten Mitarbeitern wahren, weil sie nicht alle ihr zur Verfügung stehende Information weitergeben darf und sie durch die gebotene Distanz unter Umständen eher erreichen kann, als Autorität anerkannt zu werden und sich durchzusetzen. Fallbeispiel: Führungsdilemma Rita R ist aktuell zur Hälfte ihrer Arbeitszeit in Carlo Cs Projekt 1 und zur anderen Hälfte in Daniel Ds Projekt 2 eingesetzt. Sie hatte mit Carlo C, in dessen Projekt sie zunächst im vollen Umfang ihrer Arbeitszeit beschäftigt war, vereinbart, zwei Tage in der Woche im Homeoffice arbeiten zu können. Diese Regelung ermöglichte ihr, sich besser um ihre pflegebedürftige Mutter zu kümmern. Nach ihrer Teilzeitdelegation in Daniel Ds Projekt wollte sie mit diesem vereinbaren, einen Tag in der Woche im Homeoffice zu arbeiten. Im zweiten Homeoffice-Tag würde sie Aufgaben in Carlo Cs Projekt erledigen. Daniel D, dessen Projekt besondere Priorität genießt und deshalb verstärkt wurde, ist von ihrem Ansinnen aus zwei Gründen nicht begeistert. Zum einen erfordert die Projektarbeit eine besonders enge Kooperation mit Kollegen auf der Kundenseite und damit eine regelmäßige Anwesenheit beim Kunden. Zweitens hat er vor einiger Zeit seinem Teammitglied Walter W aus dem genannten Grund den Wunsch abgeschlagen, einen Tag im Homeoffice zu arbeiten. Walter W wollte in dieser Zeit seinen kleinen Sohn betreuen, der noch keinen Kindergartenplatz hat, und seiner selbstständig berufstätigen Frau die Wahrnehmung auswärtiger Termine zu ermöglichen. Daniel D sieht sich gewissermaßen in dem Trilemma, die geschäftliche Anforderung, das Projekt fristgerecht abzuliefern, mit der Berücksichtigung verständlicher persönlicher Wünsche und zusätzlich dem Gleichbehandlungsprinzip in Einklang zu bringen. Wenn er dem Geschäftlichen Vorrang einräumt, darf er nicht auf persönliche Belange eingehen. Genehmigt er Rita Rs Homeoffice-Wunsch, zieht er ihren Antrag dem seines

2.1 Das Wirken der Führungskraft

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Teamkollegen Walter W vor. Letzterer würde dies vermutlich als ungerecht empfinden. Daniel D will Anton As Rat suchen, aber vorher sein Problem mit Carlo C besprechen. Carlo C schlägt vor, Rita Rs Wunsch zu entsprechen, da sie vor ihrer Delegation in Daniel Ds Projekt mit den zwei Homeoffice-Tagen rechnen konnte. Außerdem habe Walter W den abschlägigen Bescheid seines Wunsches nach einem Homeoffice-Tag verkraftet und im Übrigen offensichtlich eine anderweitige Betreuung für seinen Sohn gefunden. Daniel D ist von der Argumentation nicht vollständig überzeugt und spricht wie geplant noch mit Anton A. Dieser hebt die große Bedeutung seines Projekts für das Unternehmen hervor und würde Rita Rs Antrag nicht genehmigen. Er überlässt aber die Entscheidung Daniel D. Letzterer wägt ab und kommt zu dem Schluss, dass er Rita Rs Antrag ablehnen sollte. Er kann damit wenigstens zwei der drei Ziele erreichen: Kundenzufriedenheit und Gleichbehandlung. Dabei geht er davon aus, dass es Rita Rs Loyalität nicht zulässt, beim Kunden nachlässiger zu arbeiten. Würde er Rita Rs Wunsch entsprechen, wären wahrscheinlich zwei der Ziele gefährdet: pünktliche Projektablieferung und Gleichbehandlung.

Kommentar: Es ist offensichtlich, dass Daniel D dem Dilemma aus Gefährdung der Kundenzufriedenheit und Berücksichtigung von Mitarbeiterinteressen nicht entkommen kann. Auch wenn Walter W für sein Problem eine andere Lösung gefunden hat, würde er vermutlich die Genehmigung von Rita Rs Antrag als Ungleichbehandlung wahrnehmen. Daran würde wahrscheinlich auch das nachträgliche Einverständnis mit seinem Homeoffice-Tag nichts ändern. Ganz abgesehen davon, dass die dann offensichtliche Gefährdung des Projektziels für alle negative Konsequenzen hätte. Gleichwohl muss Daniel D damit rechnen, dass sich Rita R ungerecht behandelt fühlt, weil sie dadurch einen zuvor zugesagten Home-Office-Tage pro Woche verliert.

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2 Führung und Führungskraft

2.1.3

Machtgrundlagen von Führungskräften

Formen der Macht Führung ist immer auch mit Macht assoziiert. Macht wird verstanden als Ausmaß, in dem eine Person A eine Person B dazu bringen kann, das zu tun, was A möchte und was B sonst nicht getan hätte (Neuberger, 2006). Macht wird wirksam durch die Fähigkeit, die Überzeugungen, Haltungen und Verhaltensweisen anderer – auch gegen deren Willen – zu beeinflussen. Aus dieser Definition wird bereits die begriffliche Nähe zur Führung deutlich, bei der es auch darum geht, das Verhalten anderer zu steuern. Einfluss wird nach Blickle/Solga (2007) als gezielte Realisierung von Macht bezeichnet, d.h. wenn Machtbasen tatsächlich genutzt werden, um Ziele zu erreichen. Führungskräfte können sich auf verschiedene Formen von Macht stützen, die auch individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. In Unternehmen werden zwei wesentliche Formen von Macht unterschieden (vgl. Abb. 2.5).

Machtgrundlagen von Führungskräften Positionsmacht Legitime Macht Abb. 2.5:

Belohnungsmacht

Bestrafungsmacht

Persönliche Macht Referenzmacht

Expertenmacht

Machtgrundlagen von Führungskräften

Formale oder Positionsmacht ergibt sich aus der Tatsache, dass eine Person eine formale hierarchische Position innehat. Dieser Stelleninhaber wird von den anderen Organisationsmitgliedern als berechtigt angesehen, die organisatorisch dieser Stelle zugeordneten Personen zu führen und ihnen Weisungen zu erteilen. Seine Berechtigung besteht darin, von Vorgesetzten oberhalb der eigenen Position dafür eingesetzt worden zu sein. Die Anerkennung dieser Position durch die Mitarbeiter (legitime Macht) basiert auf sozialen Normen, Notwendigkeit oder verinnerlichten Werten (vgl. Klutmann, 2003).

2.1 Das Wirken der Führungskraft

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Der Jobinhaber hat damit auch die Macht, die zugeordneten Mitarbeiter zu belohnen (z.B. durch die Zuweisung interessanter Aufgaben, durch die Erhöhung des Entgelts) und zu bestrafen (z.B. Einschränkung von unternehmens- bzw. tätigkeitsbezogenen Freiheiten, Zuweisung unattraktiver Sonderaufgaben, enge Verhaltenskontrolle). Die Steuerung von Verhalten kann durch Einsatz dieser drei Machtformen der Positionsmacht erfolgen. Die zweite Machtbasis stellt die sog. persönliche Macht dar. Sie schließt die Referenzmacht ein, die sich aus der Identifikation mit der Führungsperson und der Sympathie für sie speist. Andere Personen sehen sie als Vorbild, wollen auch so sein wie die Führungsperson und haben gern Kontakt mit ihr. Zur persönlichen Macht ist ferner die Expertenmacht zu zählen, die sich aus der fachlichen Expertise der Führungsperson ergibt. Die Geführten vertrauen auf die Fachkompetenz und das Einschätzungsvermögen der Führungskraft. Während formelle Führungskräfte mindestens über Positionsmacht verfügen und im günstigen Fall auch persönliche Macht haben, sind informelle Führer nicht mit Positionsmacht, aber auf jeden Fall mit persönlicher Macht ausgestattet. Letztere ist die Grundlage dafür, dass sie sich zu informellen Führungspersonen entwickeln können. Forschung hat gezeigt, dass die persönlichen Machtgrundlagen effektiver sind als die formalen (vgl. Robbins/Judge, 2009). Wie stark eine Führungskraft ihre Macht ausnutzt, um ihre eigenen Ziele auf Kosten anderer zu erreichen, hängt nach Wisse/Rus (2012) davon ab, wie sehr sie sich als unabhängiges Individuum wahrnimmt und nicht als stark mit anderen Menschen verbunden und interagierend. Fallbeispiel: Persönliche Macht Carlo C leitet ein Projekt, in dem fünf Programmierer zusammenarbeiten. Zwei davon sind aber auch noch im Projekt von Daniel D eingesetzt. Carlo C wurde von Anton A gebeten, auf Kundenwunsch und aus sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Erwägungen heraus einen Kollegen in das Team von Daniel D abzugeben. Carlo C will dem zustimmen, wenn sich daraus keine negativen finanziellen Konsequenzen für ihn und seine Kol-

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2 Führung und Führungskraft

legen ergeben. Er sagt Anton A zu, dass sich unter diesen Bedingungen auch sein Team zu den neuen Zielen committen wird. Carlo C ist mit seiner Zusage weit gegangen, denn er weiß, dass die Neuausrichtung seines Teams trotz der versprochenen Bonusneutralität zu Verärgerung bei den Mitarbeitern führen wird. Die Abgabe eines Kollegen in ein anderes Team bedeutet nämlich, dass Urlaube nicht wie geplant genommen werden können, sondern teilweise ins nächste Jahr verschoben werden müssen. Außerdem werden trotz der von Geschäftsführer Anton A genehmigten Terminanpassungen außergewöhnliche Überstunden nicht zu vermeiden sein. Letztere sollten aber nach Carlo Cs Vorstellungen grundsätzlich eine Ausnahme bleiben. Wie konnte Carlo C in Kenntnis dieser Situation trotzdem sein Team und sich zu der neuen Situation committen? Carlo C ist bei allen Mitarbeitern des Unternehmens als Projektleiter bekannt, der darauf achtet, dass die Geschäftsführung von seinen jeweiligen Teamkollegen nichts Unzumutbares verlangt. Er sorgt immer für eine faire finanzielle Beteiligung der Projektmitarbeiter und hat stets auch ein Auge darauf, dass ihre Privatsphäre nicht zu sehr von geschäftlichen Anforderungen beeinträchtigt wird. Seine Kollegen bekommen mit, dass er sich trotz seines prinzipiell hohen Engagements für die Software GmbH und seiner im Allgemeinen verbindlichen Art gegen von ihm als überzogen eingeschätzte Anforderungen der Geschäftsführung durchsetzen kann. Carlo C erläutert seinen Teamkollegen die neue Situation mit allen Konsequenzen und nimmt auch mit Ernst ihre vorauszusehenden Einwände entgegen. Er legt Wert darauf, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Projekt-Neuausrichtung allen klar ist und verspricht, dass die dafür notwendigen persönlichen Einschränkungen im nächsten Jahr durch entsprechende Erleichterungen kompensiert werden. Carlo C kann dieses Versprechen nicht in rechtsverbindlicher Form abgeben. Er muss es auch nicht, weil seine Kollegen aus Erfahrung wissen, dass ihr Projektleiter nur dann Ungewöhnliches von ihnen erbittet, nicht fordert, wenn es auch in nicht zu ferner Zukunft in ihrem Interesse ist. Sie akzeptieren Urlaubsverzicht und Überstunden und werden auch im weiteren Projektverlauf keine Unzufriedenheit zur Schau tragen.

2.1 Das Wirken der Führungskraft

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Kommentar: Carlo C hat nicht die Position, Projektmitarbeiter zu Zugeständnissen zu zwingen, die diese nicht freiwillig einräumen wollen. Auch die Geschäftsführung kann Urlaubsübertragungen und Überstunden nur bedingt anordnen. Dass sich Carlo C der letztlichen Zustimmung seiner Teamkollegen sicher sein konnte, liegt an seiner persönlichen Macht. Diese hat ihre Basis in seiner Persönlichkeit. Er wird von seinen Kollegen nicht nur als fähiger Projektleiter und diesbezüglich Vorgesetzter wahrgenommen, sondern auch als vertrauenswürdiger Vertreter ihrer Interessen. Sie geben ihm unausgesprochen die Vollmacht, die Macht, sie zu verpflichten, wenn er das für verantwortbar hält. Neben den unterschiedlichen Machtbasen spielen auch Einflusstaktiken eine große Rolle, um Projekte zu realisieren und Interessen durchzusetzen (vgl. Blickle, 2004). Forschung hat gezeigt, dass rationale Taktiken, wie Tauschangebote machen und rational zu argumentieren, in Kombination mit weichen Taktiken, wie Schmeicheln und um Rat und Unterstützung bitten, wirksamer sind als harte Taktiken, die sich auf Legitimation berufen und sich auf höhere Instanzen beziehen. Das gilt tendenziell auch für die „Führung nach oben“, d.h. für den Umgang von Führungskräften mit ihren eigenen Vorgesetzten (vgl. Blickle, 2003). Übereinstimmung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung Für die Gestaltung von Führungspositionen in Unternehmen gilt der Grundsatz der Kongruenz von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung. Mit der Aufgabe sind Tätigkeitsinhalt und -umfang gemeint. Diese müssen mit deckungsgleicher Entscheidungskompetenz ausgestattet sein, d.h. der Stelleninhaber muss die Entscheidungen treffen dürfen, die mit seinen Jobinhalten in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Verantwortung bezieht sich darauf, dass der Jobinhaber sich für Handlungen und Entscheidungen im eigenen Aufgabengebiet rechtfertigen muss. Zwei Abweichungen von diesem Grundsatz sind bedeutsam (vgl. Abb. 2.6). Erstens kann der Fall gegeben sein, dass die Kompetenz, d.h. die Entscheidungsbefugnis, kleiner (weniger umfangreich) ist als die Aufgabe und die Verantwortung. Man spricht in diesem Fall vom „Wasserträger“; womit gemeint ist, dass jemand Hilfsdienste für andere leistet. Das bedeutet, der Stelleninhaber kann Ent-

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2 Führung und Führungskraft

scheidungen im eigenen Tätigkeitsbereich nicht selbst treffen, sondern setzt die von anderen Personen festgelegten Entscheidungen um. Gleichzeitig wird er aber für die Konsequenzen aus der Entscheidungsumsetzung verantwortlich gemacht. Der Jobinhaber wird eine solche Situation als ungerecht und als stressig empfinden. Ein Beispiel für einen solchen Fall ist die Übertragung der Führungsfunktion für ein Team ohne gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, auch Sanktionen aussprechen zu können, wenn die zugeordneten Mitarbeiter den Anweisungen der Führungskraft nicht Folge leisten. Dieses Ungleichgewicht ist bei der Gestaltung von Stellen und bei Delegationen zu vermeiden. Der zweite problematische Fall ist der des „Sündenbocks“. In diesem Fall ist die Verantwortung größer als die Aufgabe und die Kompetenz. Konkret bedeutet das, der Stelleninhaber wird für Ergebnisse zur Rechenschaft gezogen, die nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallen und für die er keine Entscheidungsbefugnis besitzt. Eine solche Situation entsteht häufig, wenn Vorgesetzte nicht bereit sind, Schwachstellen bei anderen Personen (den eigentlichen Verursachern) zu adressieren, und sich lieber an jemanden halten, der aus ihrer Sicht leichter angreifbar ist. Auch diese Situation wird von betroffenen Stelleninhabern als stressig empfunden und führt zu Demotivation. Sie sollte deshalb vermieden werden. Kompetente Führungskraft

Aufgabe Kompetenz Verantwortung Abb. 2.6:

Wasserträger

Aufgabe Kompetenz Verantwortung

Sündenbock

Aufgabe Kompetenz Verantwortung

Deckungsgrad von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung

Fallbeispiel: „Wasserträger“ Walter W ist im Projekt von Daniel D eingesetzt, das die Anpassung von bereits vorhandener Kundensoftware an neue interne Wünsche und externe Erfordernisse zum Ziel hat. Im Rahmen dieses Projekts arbeitet er mit

2.1 Das Wirken der Führungskraft

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einem Fachinformatiker des Kunden zusammen, der in seinen Augen fachlich sehr fähig ist. Beide haben das gleiche Problemverständnis und kooperieren reibungslos. Trotzdem ergeben sich Schwierigkeiten, die den Projektfortschritt hemmen. Der Auftraggeber überlegt schon, zusätzliche Manpower von Seiten der Firma Walter Ws anzufordern. Walter W hat natürlich seinem Projektleiter Daniel D vom „Sand im Getriebe“, wie er es nennt, berichtet, damit rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Nach seiner Meinung entstehe Mehrarbeit dadurch, dass sich sein Ansprechpartner beim Kunden so gut wie jeden Anpassungsschritt von seinem Vorgesetzten genehmigen lassen müsse. Letzter sei Diplom-Informatiker und gehe offensichtlich davon aus, dass er allein den erforderlichen Überblick habe, die Vorteilhaftigkeit einer Anpassungsvariante beurteilen zu können. Gleichzeitig erwarte er aber von seinem Mitarbeiter, dass dieser aus seiner Detailkenntnis heraus eine effektive und preiswerte Programmierung im Rahmen seines Teilprojekts gewährleisten könne. Dafür mache er ihn auch verantwortlich. In dieser Situation zögere der Kundenmitarbeiter immer öfter, einen Vorschlag von Walter W zu testen, bevor er nicht das OK seines Vorgesetzten dafür habe. Walter W bittet Daniel D, mit dem Vorgesetzten seines Gegenüber beim Kunden zu sprechen, damit weitere Mehrarbeit und eine noch stärkere Projektverzögerung vermieden werden.

Kommentar: Der Kunde hat seinem Mitarbeiter die Aufgabe übertragen, die mit der Software GmbH vereinbarte Programmanpassung im Rahmen seines Teilprojekts zu steuern. Mit der Aufgabe hat der Mitarbeiter auch die Verantwortung für ihre erfolgreiche Bewältigung übernommen. Der Kunde, im Detail sein Vorgesetzter, gesteht ihm aber nicht die Kompetenz zu, die von Walter W vorgeschlagenen Maßnahmen zu beurteilen und darüber zu entscheiden. Offensichtlich bürdet der Kunde diesem Mitarbeiter mehr Verantwortung auf, als er ihm an Kompetenz zugesteht. Das Ergebnis des Auseinanderfallens von Aufgabe und Verantwortung einerseits und der zu diesen passenden Kompetenz andererseits kann nur suboptimale Aufgabenerledigung sein.

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2.2

2 Führung und Führungskraft

Kriterien für den Erfolg von Führungskräften

Im Allgemeinen wird Führungserfolg am Erfolg der Führungskraft gemessen. Da Führung und Unternehmensführung nur schwer zu trennen sind, setzt sich der Erfolg einer Führungskraft aus dem Ergebnis ihrer Unternehmensführung und ihrer Führungswirkung zusammen. Man kann nur versuchen, die beiden Komponenten analytisch zu trennen. Es gibt keine einheitliche und verbindliche Auffassung darüber, woran der Erfolg einer Führungskraft gemessen wird. Steiger (2008) weist darauf hin, dass in Wissenschaft und Praxis über 1.000 Kriterien für Führungserfolg zu finden sind. Er klassifiziert die Kriterien für Führungserfolg danach, ob sie an den geführten Mitarbeitern oder an der Person der Führungskraft ansetzen. Muck (2007) unterscheidet zusätzlich nach der Gruppen- und der Organisationsebene als Ansatzpunkte für Erfolgskriterien. Merkmale für Erfolg können monetäre Ergebnisse sein, wie der (mit dem Team) erzielte Umsatz, die Kosten oder die Kapitalverzinsung für den von der Führungskraft verantworteten Bereich. Sie können sich ebenso am Output, z.B. gemessen an der Leistung der unterstellten Mitarbeiter oder den produzierten Mengen, orientieren. Weiterhin können auf die Befindlichkeit der Mitarbeiter bezogene Merkmale, wie die Arbeitszufriedenheit, das Betriebsklima oder die Identifikation mit dem Unternehmen herangezogen werden. Weitere Erfolgsmerkmale können das Qualifikationsniveau der Mitarbeiter oder die Anzahl und Qualität der von ihnen eingereichten Verbesserungsvorschläge sein. Gelegentlich werden auch Personaldaten, wie die Fluktuation, die Anzahl der Beschwerden oder Absentismus als Maß für Führungserfolg genutzt. Auf der Seite der Führungskraft können weiterhin formale Charakteristika herangezogen werden, wie die erreichte hierarchische Position, die Führungsspanne (d.h. die Anzahl direkt geführter Personen, siehe Abb. 2.7), das zu verantwortende Budget oder die Gehaltsentwicklung der Führungskraft. Zu den weichen Erfolgsmaßen zählt der Führungsstil (vgl. auch Antonakis/Cianciolo/Sternberg 2004).

2.2 Kriterien für den Erfolg von Führungskräften



Top Management Obere Instanzen Middle Management Mittlere Instanzen Lower Management Untere Instanzen

Ausführungsebene

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     

Führungstiefe

         Führungsspanne

Abb. 2.7: Managementebenen, Führungstiefe und Führungspanne

Aus Sicht verschiedener Interessentengruppen, wie Kapitalgeber, Eigentümer, Management, Belegschaft und Öffentlichkeit kann Führungserfolg sehr Unterschiedliches bedeuten (vgl. Neuberger, 2003). Die jeweils geltenden Kriterien sind das Ergebnis der Unternehmenspolitik und von verschiedenen Faktoren, wie der Unternehmenskultur, den beteiligten Personen und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, abhängig. So wird in einem stark strukturierten Unternehmen mit vielen Hierarchieebenen die erreichte Hierarchiestufe eher als Erfolgsmaß zählen als in einem Unternehmen mit einer flachen Hierarchie. In einem sehr bürokratischen Unternehmen werden ggf. Personaldaten als passender Indikator gesehen, während in einem Start-up stärker die Leistung der geführten Mitarbeiter und die Ausweitung des Geschäfts zählen dürften. Eine umfassende Übersicht von Effizienzvariablen der Führung findet sich bei von Rosenstiel (2006). Zu Kriterien und Verfahren der Leistungsbeurteilung wird auf Lohaus (2009) verwiesen.

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2 Führung und Führungskraft

Fallbeispiel: Änderungen in den Anforderungen an Führungskräfte Anton A erinnert sich an die Zeit im Unternehmen, in dem er vor Gründung seiner eigenen Firma angestellt war: Während bis zum Jahr 2000 der Bedarf an IT-Beratern sehr hoch war und Führungskräfte daran gemessen wurden, wie mitarbeiterorientiert sie führten, um die Berater an das eigene Unternehmen zu binden, änderte sich das Bild nach der Jahrtausendwende dramatisch. Nachdem die technische Umstellung geglückt war, gab es einen drastischen Auftragseinbruch für IT-Beratungsunternehmen und es war schwierig, für alle angestellten Berater Kundenaufträge zu akquirieren. Während vor 2000 auch Mitarbeiter eingestellt wurden, die nur über geringe IT-Kompetenzen verfügten, waren die Mitarbeiter mit eingeschränkten Kompetenzen plötzlich kaum noch vermittelbar. Für Führungskräfte entstand die neue Anforderung, aufgabenorientiert zu führen, Ziele zu setzen und Leistungskontrollen durchzuführen, um genügend hohe Leistung bei den schwächeren Mitarbeitern zu erreichen. Das Leistungsmanagement war in den Jahren zuvor weniger relevant gewesen und die Führungskräfte waren nicht nach ihrer diesbezüglichen Kompetenz ausgewählt worden. Für viele von ihnen entstanden durch die neue Situation Verhaltensanforderungen, auf die sie nicht vorbereitet waren. Unternehmensseitig musste das neue Verhaltensprofil durch Trainingsmaßnahmen, Platzierungsentscheidungen und ein daran angepasstes Leistungsbeurteilungssystem unterstützt werden.

Kommentar: Das Fallbeispiel zeigt deutlich, dass sich Kriterien für Führungserfolg (bis 2000 die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen, nach 2000 die Steuerung der Mitarbeiter zur Sicherstellung hoher Leistungen) in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation verändern können. Ganz allgemein ist die bis zum Jahr 2000 zu optimistische Perspektive für IT-Berater einer reduzierten Einschätzung der zu erwartenden Entwicklung gewichen. Bei Neueinstellungen wird heute viel stärker darauf geachtet, welches Potenzial Bewerber aufweisen und wie alternative Verwendungsmöglichkeiten im Unternehmen aussehen könnten. Die Personalabteilungen bzw. für Personalentscheidungen Zuständigen spüren eine deutlich gewachsene Verantwortung und einen hohen Erwartungsdruck.

2.3 Erfolg von Führung im engeren Sinne

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Unterschiede in der Bewertung von Führungserfolg haben speziell bei Jobwechseln zu neuen Unternehmen Konsequenzen. Für jemanden, der neu in ein Unternehmen eintritt, bedeutet dies, herauszufinden, an welchen Kriterien Erfolg gemessen wird, und sich daran zu orientieren. Meist sind diese Faktoren nirgendwo schriftlich fixiert, sondern müssen beobachtet bzw. (indirekt) erfragt werden.

2.3

Erfolg von Führung im engeren Sinne

2.3.1

Abgrenzung Erfolg von Unternehmensführung und Führungserfolg

Wenn nachstehend von guter und schlechter Führung die Rede ist, beziehen sich unsere Ausführungen auf Führung in Abgrenzung zu Unternehmensführung. Dabei sollte bedacht werden, dass eine Führungskraft in diesem Sinne nicht nicht führen kann. Was als Kommunikationsaxiom anerkannt ist (vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson, 2011), gilt auch für Führung. Wenn eine Person, der die Aufgaben einer Führungskraft übertragen wurden, meint, auf Führung verzichten zu können, führt sie trotzdem. Das geschieht freilich auf eine unbeabsichtigte Weise und vielleicht mit nicht vorhergesehenen Folgen. Dass der Nutzen guter Führung sich im Unternehmenserfolg zeigen sollte, wird sicherlich nicht bezweifelt, wenngleich Befunde dazu uneinheitlich sind (vgl. Avery, 2004, p. 12ff). Man wird auch unterstellen dürfen, dass der Schaden schlechter Führung ein maximal mögliches Unternehmensergebnis wenigstens verhindert. Es ist aber schwer, den Unternehmenserfolg direkt auf die Anteile von Führung und Unternehmensführung betragsmäßig aufzuspalten. Für diese Trennung gibt es auch keinen Anreiz, weil für die maßgebenden Interessenten an einem Unternehmen (Stakeholder) im Allgemeinen nur der monetäre Unternehmenserfolg für sich genommen zählt. Es bleibt dabei als in unserem Zusammenhang nicht wesentlich außer Acht, ob es sich um kurz- oder langfristige Betrachtungen handelt.

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2 Führung und Führungskraft

Es kann aber als plausibel angenommen werden, dass ein hoher Gewinn, der mit schlechter Führung, aber guter Unternehmensführung erreicht wurde, einem niedrigen Gewinn mit guter Führung vorgezogen wird. Dies meint auch Felfe, wenn er zu Führungserfolg bemerkt: „Solange die Ergebnisse stimmen, ist die Frage, wie diese Ergebnisse erzielt werden, oft zweitrangig“ (Felfe, 2009, S. 12). Wir müssen also nach einer indirekten Möglichkeit suchen, die Wirkungen von Führung und Unternehmensführung zu unterscheiden. Dazu kann man Indikatoren heranziehen, die – zumindest weitgehend – unabhängig von der Optimierung von Teilbereichen bzw. Prozessen im Unternehmen und deren Koordination sind. Die Ausprägung dieser Indikatoren würde dann den Nutzen bzw. den Schaden schlechter Führung messen. Im günstigsten Fall bekämen wir auch monetäre Werte. Die Auflistung der Definitionen für Führung von Neuberger (2002, S. 12 ff.) legt nahe, mindestens Motivation und Identifikation der Mitarbeiter als Indikatoren zu verwenden. Aber auch die Berücksichtigung dieser Indikatoren liefert keine eindeutige Aufspaltung der Effekte. Wenn schlechte Führung z.B. mit als weitgehend ungerecht empfundenen Lohndifferenzierungen innerhalb des Unternehmens einhergeht, ist nicht leicht zu entscheiden, inwieweit für einen damit verbundenen Motivationsrückgang die schlechte Führung oder die Unternehmensführungs-Entscheidung zur Lohnstruktur verantwortlich ist. Mitarbeiter, die in einem Unternehmen dem Prinzip „hire and fire“ ausgesetzt sind, aber deutlich über Branchendurchschnitt verdienen, werden vielleicht auch bei als schlecht wahrgenommener Führung leistungsmotiviert sein, wenn sie ihren Arbeitsplatz nicht gefährden wollen. Ursache der Motivation ist in diesem Fall nicht Führung, sondern die UnternehmensführungsEntscheidung, höhere Produktivität mit hohen Gehältern und Kündigungsdrohung „einzukaufen“. Die Identifizierung mit einem Unternehmen kann auf ähnlichen Motiven beruhen. Das Sozialprestige, das eine Beschäftigung z.B. bei Porsche vermittelt, könnte vielleicht auch schlechte Führung ohne Beeinträchtigung der Bindung an das Unternehmen verkraften. Staatsbedienstete würden möglicherweise ihre Tätigkeit auch dann mit der Notwendigkeit und Wirksamkeit ihrer Institution rechtfertigen, wenn sie mit der

2.3 Erfolg von Führung im engeren Sinne

29

Führung in ihrer Behörde nicht einverstanden wären. Ein hohes Maß an Motivation und Identifikation kann also auch durch andere Faktoren als Führung beeinflusst werden.

Monetärer Unternehmenserfolg

Auch wo die führungsbedingten Ausprägungen der genannten Indikatoren im konkreten Fall durch geeignete Befragungen festgestellt werden könnten, bliebe es schwierig, ihren Einfluss im Hinblick auf den Unternehmenserfolg betragsmäßig zu bestimmen. Man begnügt sich bei der Auswertung entsprechender Befragungen eher damit, wie die Ausprägung der Indikatoren mit der Zufriedenheit mit der Führungskraft korreliert (vgl. Felfe, 2009, S. 15 ff.). Da wir hier den allgemeinen Fall, also kein reales Unternehmen, behandeln, bleiben uns nur Plausibilitätsannahmen, deren Zutreffen und Effekt für ein spezielles Unternehmen dort festgestellt werden müssen (vgl. auch Abb. 2.8).

Abb. 2.8:

möglicher Erfolg bei besserer Führung

tatsächlicher Erfolg

möglicher Erfolg bei schlechterer Führung

Zeit Schematische Darstellung der Effekte guter und schlechter Führung auf den monetären Unternehmenserfolg

30

2.3.2

2 Führung und Führungskraft

Bestimmung des Schadens schlechter Führung

Plausibilitätsannahmen können sowohl für den positiven Fall guter Führung als auch für den negativen Fall schlechter Führung gemacht werden. Da der Nutzen guter Führung mit dem Vermeiden des Schadens schlechter Führung gleichgesetzt werden kann, schlagen wir vor, uns bezüglich der Plausibilitätsannahmen auf den Schaden schlechter Führung zu konzentrieren. Dies lässt sich auch damit rechtfertigen, dass Kostenschätzungen in der Betriebswirtschaftslehre im Allgemeinen als realer angesehen werden als die Schätzung von Erfolgsbeiträgen. Man denke in diesem Zusammenhang z.B. an die Bewertungsregeln für Bilanzen. Bei den Plausibilitätsannahmen unterscheiden wir zwischen den auslösenden Faktoren und dem durch sie verursachten Schaden. Wir berücksichtigen folgende Faktoren: a) Von Mitarbeitern ausgelöste Fluktuation b) Erkrankung von Mitarbeitern c) Demotivierung bei den Mitarbeitern d) Reibungsverluste durch inkonsistente Entscheidungen e) Leistungsverluste durch schlechtes Beispiel Von Mitarbeitern ausgelöste Fluktuation Natürlich kann von Mitarbeitern ausgehende Fluktuation auch Gründe haben, die nicht in der Führung durch Vorgesetzte liegen. Wenn es z.B. in einem größeren Unternehmen bessere Aufstiegschancen gibt, wenn in einem am Wohnsitz ansässigen Unternehmen eine vergleichbare Stelle eingenommen werden kann, wenn der Partner bzw. die Partnerin an einem entfernten Ort eine attraktive Position angeboten bekommen hat, wenn eine VollzeitWeiterbildung aufgenommen wird oder wenn vorzeitiger Ruhestand das Ziel ist, hat diese Fluktuation nichts mit schlechter Führung zu tun. Anders sieht es aus, wenn die Kündigung durch Mitarbeiter im Verhalten des Führenden begründet ist. Dafür kommen folgende Aspekte in Frage.

2.3 Erfolg von Führung im engeren Sinne

31

Als mehr oder weniger regelmäßig sachlich unangemessen empfundenes Verhalten des Vorgesetzten Eine nicht situationsbedingte mehr oder weniger regelmäßige ungerechte Behandlung durch den Vorgesetzten kann Kündigungen seitens des Mitarbeiters auslösen. Wenn ein Mitarbeiter sich häufig durch Entscheidungen benachteiligt fühlt, weil er sie nicht auf im Unternehmen allgemein geltende Richtlinien, sondern die subjektive Haltung des Vorgesetzten ihm gegenüber zurückführt, löst seine damit verbundene Unzufriedenheit bei einer sich bietenden Beschäftigungsalternative vielleicht seine Kündigung aus. Wir lassen hier natürlich die Fälle außer Betracht, in denen eine als ungerecht wahrgenommene Entscheidung nicht objektiv auf das Verhalten des Vorgesetzten zurückgeführt werden kann, sondern diese Wahrnehmung in der Persönlichkeit des Mitarbeiters zu suchen ist. Als mehr oder weniger regelmäßig persönlich verletzend empfundenes Verhalten des Vorgesetzten Die gleiche Reaktion kann eintreten, wenn der Vorgesetzte häufig in aktuellen Situationen Verhaltensweisen zeigt, die vom Mitarbeiter als verletzend oder degradierend empfunden werden, und der Vorsetzte sich nicht wenigstens nachträglich korrigiert. In diese Kategorie gehören z.B. Aufbrausen, Über-den-Mund-fahren, Vor-anderen-Personen-lächerlich-machen und Persönlichkeitskritik statt Verhaltenskritik. Selbstverständlich wird solches Vorgesetztenverhalten von Mitarbeitern unterschiedlich toleriert, doch muss mit der beschriebenen Reaktion zumindest gerechnet werden. Die Kosten der Fluktuation pro so verursachter Kündigung werden zwar im konkreten Fall von Unternehmen zu Unternehmen verschieden sein, doch gibt es einige plausible Annahmen zu dem damit entstehenden Schaden, der sich auch in Kosten ausdrücken lässt. Zu deren Berechnung lassen sich gut Annahmen in Lohaus/Habermann (2002) heranziehen. Diese gehen davon aus, dass von den (ursprünglich) hoch motivierten Mitarbeitern bei Unzufriedenheit jene mit hohen und mittleren Fähigkeiten am ehesten einen Wechsel ins Auge fassen. Diese Kündigungsbereitschaft nehmen sie auch für mittel motivierte Mitarbeiter mit hohen Fähigkeiten an. Zu den Kosten für die Ersatzbeschaffung von ausscheidenden Mitarbeitern müssen die Leistungsverluste addiert werden, die sich dadurch ergeben, dass es nur schwer

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2 Führung und Führungskraft

gelingen wird, Personen mit gleich hoher ursprünglicher Motivation und vergleichbaren Fähigkeiten zu rekrutieren. Ein Grund dafür liegt beispielsweise darin, dass das Unternehmen zu seinen bisherigen Konditionen nur solche Bewerber anziehen kann, die sich durch den Wechsel einen beruflichen Aufstieg im Vergleich zu ihrer bisherigen Position erwarten. Ihre Kompetenzen wurden also vom vorherigen Arbeitgeber als niedriger eingeschätzt oder nicht entsprechend bezahlt. Das Unternehmen wird demzufolge Abstriche an der Leistung oder Zugeständnisse beim Gehalt machen müssen. Im Einzelnen kann folgende Rechnung aufgemacht werden:   





Kosten der reinen Ersatzbeschaffung eines Mitarbeiters: 5.000 Euro. Anreizbedingtes höheres Gehalt und/oder Wechselbonus: schwer generalisierbar. Generelles Leistungsdefizit eines neu rekrutierten Mitarbeiters wegen normalerweise nicht vollkommen adäquater Wiederbesetzung: Nach den Annahmen von Lohaus/Habermann beträgt die Leistung eines eingestellten neuen Mitarbeiters nur etwa 83% eines so begründet ausscheidenden Mitarbeiters. Temporäre Minderleistung des Neuen in der Einarbeitungsphase: Erfahrungsgemäß beträgt das Leistungsniveau bei erforderlicher dreimonatiger Einarbeitung in dieser Zeit etwa 60% der gehaltsadäquaten Leistung. Reibungsverluste durch Anpassungsprobleme: Zusätzlich zur Minderleistung durch fehlende Vertrautheit mit den Prozessen im Unternehmen kommen zumindest temporär, ggf. aber auch längerfristig Minderleistungen, die sich aus unternehmenskulturellen Unterschieden oder persönlichkeitsbedingten Anpassungsschwierigkeiten an den Arbeits- und Kommunikationsstil der Kollegen und Vorgesetzten ergeben.

Erkrankung von Mitarbeitern Natürlich muss hier wieder angenommen werden, dass die Krankmeldung eines Mitarbeiters auf Führungsdefizite zurückzuführen ist. Zwei Ausprägungen der Erkrankung sind prinzipiell möglich: Entweder KurzzeitKrankmeldungen, die mehr oder weniger regelmäßig nach als herabsetzend empfundenen Begegnungen mit dem Vorgesetzten registriert werden können, oder durch dessen Verhalten ausgelöste längerfristige Ausfälle. Auch wenn die Kosten dieser schlechten Führung zunächst nicht direkt in Er-

2.3 Erfolg von Führung im engeren Sinne

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scheinung treten, weil Kollegen die ausfallbedingte Mehrarbeit ohne Überstunden bzw. Überstundenvergütung übernehmen, werden sie sich doch längerfristig bemerkbar machen. Durch Unzufriedenheit bedingter Motivationsrückgang und Leistungszurückhaltung bei den von so verursachter Mehrarbeit betroffen Kollegen wird deren Produktivität senken; abgesehen davon, dass diese wohl in keinem Fall die Aufgaben des Erkrankten in vollem Umfang zusätzlich übernehmen können. Wenn dem Rechnung getragen werden soll, ohne dass sich das Führungsverhalten des Vorgesetzten ändert, muss eine Ersatzeinstellung vorgenommen werden. Damit verbunden sind die Personalkosten für den neuen Mitarbeiter einschließlich der schon unter „Von Mitarbeitern ausgelöste Fluktuation“ erwähnten damit zusammenhängenden Kosten. Diese entstehen zusätzlich zu den bisherigen Personalkosten oder wenigstens zu den Kosten der Trennung von dem wegen Krankheit ausfallenden Mitarbeiter. Da sich eine Krankmeldung bzw. Erkrankung aber nicht bei jedem Ereignis einwandfrei auf das Führungsverhalten des Vorgesetzten zurückführen lässt, ist die betragsmäßige Bestimmung der mit ihr insgesamt verbundenen Kosten nur sehr schwer möglich. Grundlage für eine Ursachenzuordnung könnte dagegen ein Vergleich der branchentypischen bzw. kammerbezirksüblichen Krankenquote mit der entsprechenden betrieblichen Quote sein. Fallbeispiel: Schlechte Führung In einem Gespräch mit ihrem Chef Berthold B, in dem dieser sich nach ihrer Zufriedenheit mit ihrer Arbeit im Unternehmen erkundigte, berichtete Inge I von ihren Erfahrungen mit einer grundsätzlich sehr fleißigen Kollegin bei ihrem früheren Arbeitgeber. Diese wurde auch bei kleinen Fehlern bzw. Unachtsamkeiten von ihrem Vorgesetzten harsch kritisiert. So hatte sie einmal eines Morgens sein Zimmer nicht vor seinem Eintreffen lüften können, weil sie wegen einer Verletzung ihres Sohnes erst eine halbe Stunde später als gewöhnlich zur Arbeit kam. Er warf ihr fehlendes Engagement und einen Mangel an Verantwortung vor, da er doch gleich wichtigen Besuch erwarte. Ein anderes Mal habe sie bei dem Kuvertieren von Serienbriefen unter großem Zeitdruck einen Brief verkehrtherum in den Umschlag gesteckt, sodass hinter dem Umschlagfenster keine Adresse erkennbar war. Der Brief kam zurück und wurde von ihrem Chef zum An-

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2 Führung und Führungskraft

lass genommen, ihr Unfähigkeit vorzuwerfen. Die Häufung dieser jedes Mal als herabsetzend und demütigend empfundenen Anschuldigungen führte bei ihr dazu, dass sie vor manchen Bürotagen von Angstzuständen geplagt wurde, die sich nach ihren Aussagen auch in Panikattacken, unkontrolliertem Zittern, Herzrasen und Magenproblemen äußerten. Aus Angst, so im Büro zu erscheinen, meldete sie sich für den Tag krank. Da dies dann häufiger vorkam und auch ihre Kolleginnen, die ihr Tagesgeschäft mit übernehmen mussten, immer offener ihren Unmut darüber äußerten, ließ sie sich in der Folge öfters längere Zeit krankschreiben. Ärztliche Einwände dagegen gab es nicht, da die erwähnten Symptome ja tatsächlich vorhanden waren. Das Unternehmen überbrückte ihre längeren krankheitsbedingten Abwesenheiten mit Zeitarbeitskräften. Die Vorwürfe ihres Chefs wurden nun noch massiver, und mit dem Argument, dass weder die Kolleginnen noch das Unternehmen ihre Unzuverlässigkeit weiter hinnehmen könnten, wurde ihr gekündigt. Die Atmosphäre im Unternehmen war ihr inzwischen so unerträglich geworden, dass sie mit einer Abfindung und einem freiwilligen Austritt einverstanden war. Ihre Stelle wurde nach einem halben Jahr wieder besetzt; allerdings kündigte die Nachfolgerin innerhalb der Probezeit. Wie es weitergegangen sei, wisse sie, Ina I, nicht, da sie inzwischen ja selbst das Unternehmen verlassen hatte.

Kommentar: Neben der Abfindung und den direkten Kosten für die Zeitarbeitskräfte und die Suche nach einer Nachfolgerin sind dem Unternehmen indirekte Kosten entstanden, die wahrscheinlich noch stärker ins Gewicht fallen. Die Kolleginnen der beschriebenen Mitarbeiterin konnten ihre vertretungsbedingte Mehrbelastung vermutlich nur mit geringerem Engagement bei der Erledigung ihrer eigentlichen Aufgaben kompensieren. Diese Kompensation musste die Produktivität im Verantwortungsbereich des Vorgesetzten sowohl direkt als auch indirekt über die Verschlechterung der Arbeitsatmosphäre negativ beeinflussen. In die gleiche Richtung wirkte die einarbeitungsbedingte zumindest temporäre Minderleistung der ersatzweise beschäftigten Zeitarbeitskräfte und der Nachfolgerin in der Probezeit. Die zu berücksichtigenden Kosten werden von Fall zu Fall

2.3 Erfolg von Führung im engeren Sinne

35

und von Unternehmen zu Unternehmen natürlich unterschiedlich sein, ließen sich aber in vielen Fällen durch von vornherein gute Führung vermeiden. Unbeachtet bleiben allerdings auch die volkswirtschaftlichen Kosten so beschriebener Führung, die darin bestehen, dass Aufwendungen für die Wiederherstellung der Gesundheit der Kollegin und den Ausgleich einer aus ihren Erfahrungen eventuell resultierenden Erwerbsminderung entstehen. Demotivation bei den Mitarbeitern Im Verhalten des Vorgesetzten begründete Demotivation der Mitarbeiter muss selbstverständlich nicht regelmäßig zur Kündigung führen oder sich in Krankmeldungen niederschlagen. Sie kann sich auch in verringerter Leistung bei Anwesenheit bemerkbar machen. Leistung ist unter der Annahme, dass die Tätigkeit bzw. der Arbeitsplatz keine Beschränkungen darstellen, immer die multiplikative Verknüpfung von Fähigkeit und Motivation (vgl. Vroom, 1964): Leistung = Fähigkeit × Motivation Aus dieser Funktion ergibt sich, dass jeder Motivationsrückgang eine Verringerung der erbrachten Leistung bewirkt (Lohaus/Habermann, 2002). Das nachstehende Beispiel möge die wirtschaftliche Bedeutung des Motivationsrückgangs deutlich machen. Wenn wir der Fähigkeit eines durchschnittlichen Mitarbeiters den Index-Wert 100 geben und seiner (bisherigen) Motivation auch den Index-Wert 100, ist im einfachsten Fall (die Funktion hat keine Parameter) der Index-Wert der Leistung 10.000. Ein aktuell demotivierter Mitarbeiter möge als Folge seiner Frustration bei einem 8-Stunden-Tag und einer 40-Stunden-Woche vormittags 12 Minuten und nachmittags 12 Minuten, insgesamt also täglich 24 Minuten zusätzliche Verteilzeit „einbauen“. Diese „Pausen“ bedeuten eine Motivationsverringerung um 5% und damit eine Leistungsreduzierung um ebenfalls 5%: 9.500 = 100 × 95. Wenn es sich bei dem hypothetischen Mitarbeiter um einen besonders fähigen handelt mit dem Fähigkeits-Index-Wert 120, beträgt der Leistungsrückgang bei diesem Mitarbeiter zwar relativ auch 5%, ist aber absolut höher.

36

2 Führung und Führungskraft

Entsprach die Leistung bei einem durchschnittlich befähigten Mitarbeiter vor seiner Demotivierung einem Wert von 10.000 Euro, wirkt sich diese Demotivierung bei einem Rückgang um 5% mit 500 Euro aus (siehe Formel). Handelt es sich um einen überdurchschnittlich befähigten Mitarbeiter, dessen Leistung vor seiner Demotivierung bei analoger Berechnung einen Wert von 12.000 Euro hatte, muss entsprechend mit einem Leistungsverlust in Höhe von 600 Euro gerechnet werden (vgl. Abb. 2.9).

Wert der Jahresleistung in €

80.000 70.000 60.000 verringerter Leistungswert

50.000 40.000

einkommensadäquater Leistungswert

30.000 20.000 20.000

Abb. 2.9:

30.000 40.000 50.000 60.000 Jahreseinkommen in €

70.000

80.000

Abweichung der Leistung vom Einkommen bei Motivationsrückgang

Reibungsverluste durch inkonsistente Entscheidungen Mit inkonsistenten Entscheidungen sind nicht sachlich falsche Entscheidungen bezüglich der Unternehmensführung gemeint, dass etwa in Einkauf oder Vertrieb die schlechteren Alternativen gewählt würden. Hier wird vielmehr angenommen, dass der gleiche Sachverhalt gegenüber verschiedenen Personen unterschiedlich bzw. entgegengesetzt entschieden wird. In diese Kategorie gehört der Fall eines Geschäftsführers, der aus einer Stimmung heraus seinem Einkaufsleiter Budgetüberschreitungen erlaubt, aber seinem Produktionschef strikt untersagt. Als Beispiel kann auch dienen, wenn einer Abteilung die Genehmigung zu Überstunden erteilt, einer anderen aber versagt wird. Das gleiche gilt, wenn bei den Sonderurlaubsanträgen

2.4 Bedeutung guter Führung für KMU

37

von zwei im Prinzip gleich wertvollen Mitarbeitern in vergleichbaren aktuellen Situationen stimmungsabhängig der eine Antrag positiv und der andere ablehnend behandelt wird. Der Schaden, der durch inkonsistente Entscheidungen entsteht, lässt sich nur sehr schwer quantifizieren, kann aber durchaus spürbar werden. In den Beispielen Budgetüberschreitung und Genehmigung von Überstunden könnten die Folgen in einer stärker formellen und weniger produktiven Zusammenarbeit der Abteilungen bestehen. Die unterschiedliche Behandlung der Sonderurlaubsanträge dürfte nicht nur die Stimmung und das Engagement des Abgelehnten dämpfen, sie könnte sich auch negativ auf die Zusammenarbeit der beiden Antragsteller auswirken. Leistungsverluste durch schlechtes Beispiel Hier sind Verhaltensweisen des Führenden gemeint, die bewusst oder unbewusst von den Geführten übernommen werden und dem Unternehmen wirtschaftlichen Schaden verursachen können. Man stelle sich einen Vorgesetzten vor, der – obwohl ein guter Geschäftsführer – mit Büromaterial verschwenderisch umgeht und erkennbarer Weise regelmäßig längere Privatgespräche mit dem Diensttelefon führt sowie sich häufig eine neue Büroausstattung leistet. In diesem Zusammenhang ist auch an das Nichteinhalten von Terminen mit Mitarbeitern oder sogar externen Stellen zu denken bzw. an nachlässigen Umgang mit Dokumenten. Es wird unterstellt werden dürfen, dass ein solches Verhalten von den Mitarbeitern bemerkt werden kann und in mehr oder weniger großem Umfang in deren eigenes Verhaltensrepertoire Eingang findet, z.B. in Form von Materialverschwendung, Unpünktlichkeit und Absentismus (vgl. Kapitel 4.4). Die genannten schlechten Beispiele können sich auf alle Ebenen der Unternehmenshierarchie ausbreiten und zu einem insgesamt durchaus spürbaren ökonomischen Schaden für das Unternehmen führen.

2.4

Bedeutung guter Führung für KMU

Die Behandlung des Schadens schlechter Führung sollte deutlich gemacht haben, dass durchaus nicht unerhebliche Produktivitätseinbußen bzw. Kosten mit schlechter Führung verbunden sein können. Führung in dem hier

38

2 Führung und Führungskraft

verstandenen Sinn ist das individuelle Verhalten einer einzelnen Führungskraft. In großen Unternehmen gibt es im Allgemeinen immer eine Vielzahl von Führungskräften auf jeder Ebene, die sich in ihrem Führungsstil, d.h. der Art und Weise, wie sie führen, unterscheiden. Dies schließt natürlich nicht aus, dass sie sich alle den gleichen Prinzipien verpflichtet fühlen, die aber üblicherweise doch eher abstrakt sind. Bei einer unterstellten Vielzahl von Führungskräften wird es wahrscheinlich immer einige geben, die besser führen, und andere, die schlechter führen. Die besser führen, leisten – durch Führung – einen positiven Unternehmensbeitrag, möglicherweise sogar bei schlechterer Unternehmensführung. Die schlechter führen leisten – durch Führung – einen negativen Unternehmensbeitrag bei vielleicht sogar guter Unternehmensführung. Wenn man davon ausgeht, dass sich – statistisch gesehen – die Anzahl der guten und schlechten Führungskräfte die Waage hält, werden die Effekte schlechter Führung zumindest nicht so stark in Erscheinung treten. Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes vom August 2008 machen KMU 99,3% aller deutschen Unternehmen aus. 78% aller deutschen Unternehmen haben nur bis zu neun Beschäftigte (Destatis, 2008). Insbesondere im Hinblick auf letztere darf jeweils nur von einer oder höchstens wenigen Führungskräften ausgegangen werden. Wenn in diesen Unternehmen an irgendeiner Stelle schlecht geführt wird, gibt es wahrscheinlich niemand, der durch gute Führung zumindest ausgleichend wirken könnte. Fehler wiegen also schwer. Dies gilt insbesondere dann, wenn in diesen Kleinstunternehmen der Eigentümer zugleich der Geschäftsführer und in dieser Funktion häufig die einzige Führungskraft ist. Er dürfte dafür traditioneller Weise nur in wenigen Fällen formal qualifiziert worden sein und ein entsprechendes Training weder für notwendig halten noch anstreben, wenn er sein Unternehmen erfolgreich leitet. Die Sicherstellung guter Führung für KMU mag einen für die Führungskraft überraschenden positiven Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.

2.5 Wiederholungsfragen zum Kapitel

2.5

39

Wiederholungsfragen zum Kapitel

1. Welche Komponenten gehören zur Definition von Führung? 2. Worin liegt der Unterschied, wenn von Führung in bzw. mit einer strukturierten Situation gesprochen wird? 3. Wie unterscheidet sich Führung in der Linie von Führung im Projekt? 4. Welche Schwierigkeiten können sich für eine formelle Führungskraft ergeben, wenn es neben ihr noch eine informelle Führung gibt? 5. Was sind typische Dilemmata, mit denen eine Führungskraft konfrontiert wird? 6. Was unterscheidet Leadership und Management? 7. Welche Machtbasen von Führungskräften werden unterschieden? 8. Wie kann eine Führungskraft Referenzmacht entwickeln? 9. Welche Einflusstaktiken werden unterschieden und wie sind sie in ihrer Wirksamkeit einzuschätzen? 10. Was sind die Konsequenzen, wenn Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung nicht kongruent sind? 11. Was sind gängige Kriterien für Führungserfolg? 12. Wie können Sie im Unternehmen erkennen, anhand welcher Kriterien Führungserfolg gemessen wird? 13. Inwiefern spiegeln Kriterien für Führungserfolg die Unternehmenskultur wider? 14. Welche beiden wesentlichen Faktoren bestimmen die Leistung von Mitarbeitern? 15. Was bedeutet die multiplikative Verknüpfung der beiden Faktoren? 16. Mit welchen Konsequenzen muss bei demotivierten Mitarbeitern gerechnet werden? 17. Wie kann sich gute und schlechte Führung auf den Unternehmenserfolg auswirken? 18. Warum sind die Wirkungen schlechter Führung in KMU eher schwerwiegender als bei Großunternehmen?

3

Darstellung des Führungsmodells

3.1

Führungsmodell

Das Buch Führung im Mittelstand folgt der Struktur eines durchgängigen und praxisorientierten Führungsmodells (siehe Abb. 3.1). Die Abbildung zeigt alle Bestandteile unseres Führungsmodells.

Indirektes Führen

Führung durch Vorbild, Führungsstil Motivierung

Wie es die Führungskraft macht

Passung! Direktes Führen

Entscheiden Ressourcen sichern

Ziele vereinbaren Delegieren

Was die Führungskraft macht

Informieren Kontrollieren

Leistung managen Repräsentieren

Abb. 3.1:

Leistung beurteilen und fördern

Führungsmodell

Es unterscheidet schwerpunktmäßig indirekte und direkte Führung. Die indirekte Führung umfasst den Prozess der Führung, d.h. die Beschreibung dessen, wie eine Führungskraft sich verhält, wenn sie Mitarbeiter steuert, und wie sie dadurch auf Mitarbeiter wirkt. Komponenten des indirekten Führens sind die Vorbildfunktion von Führungskräften, ihre grundsätzli-

42

3 Darstellung des Führungsmodells

chen Verhaltensstile gegenüber Mitarbeitern und die Motivationsgrundsätze, die sie im Umgang mit ihren Mitarbeitern anwenden. Die direkte Führung bezieht sich darauf, was die Führungskraft macht, um das Verhalten ihrer Mitarbeiter zu steuern. Sie umfasst die wesentlichen Aufgaben, die eine Führungsrolle in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern, mit anderen Unternehmensangehörigen und gegenüber Externen beinhaltet. Wie in Kapital 2 dargestellt, steht dabei Führung in Abgrenzung zu Unternehmensführung im Vordergrund. Direkte und indirekte Führung sind sich ergänzende Aspekte des Führungsverhaltens. Um erfolgreich führen zu können, ist es wichtig, eine möglichst gute Passung zwischen direkter und indirekter Führung zu erzielen. In den folgenden Kapiteln werden die Komponenten des Modells im Detail dargestellt. Die Kapitel 4 und 5 befassen sich mit dem Prozess der Führung, d.h. der indirekten Führung. Es werden zunächst Führungsansätze dargestellt, an denen Führungskräfte ihr Verhalten grundsätzlich orientieren können (Kapitel 4). Außerdem wird in Kapitel 5 erläutert, wie Mitarbeiter motiviert werden können und worin sich motivierendes Führungsverhalten ausdrückt. In Kapitel 6 werden die Aufgaben ausführlich beschrieben, die eine Führungskraft in ihrer Verantwortung für und in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern zu bewältigen hat.

3.2

Wiederholungsfragen zum Kapitel

1. Was ist der Unterschied zwischen direkter und indirekter Führung? 2. Wie hängen indirekte und direkte Führung mit dem Prozess und dem Inhalt von Führung zusammen? 3. Warum ist es wichtig, dass das indirekte und direkte Führungsverhalten übereinstimmen? 4. Welche Komponenten gehören zum indirekten Führungsverhalten? 5. Welche Aufgaben zum direkten Führungsverhalten?

4

Indirekte Führung: Wie wird geführt?

4.1

Überblick Führungstheorien

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Führungstheorien (für einen Überblick siehe z.B. Neuberger, 2002; Weinert 2004), deren Darstellung den Umfang dieses Buches sprengen würde. Die Ansätze zur Führung unterscheiden sich darin, worauf der Fokus gerichtet wird. Das kann zum einen die Führungskraft selbst sein mit ihren Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen. In anderen Fällen stehen die geführten Personen im Mittelpunkt bzw. die Interaktion zwischen Führungskraft und Geführten. Wieder andere Theorien rücken die Situation, in der Führung stattfindet, in den Mittelpunkt (siehe Abb. 4.1). Für die Praxis sind alle drei Betrachtungsweisen relevant.

Geführte

Eigenschaften, Verhalten, Werte/ Einstellungen

Führungskontext/ Merkmale der Situation, in der geführt wird

Führungskraft Situation

Abb. 4.1:

Relevante Komponenten der Führungssituation

44

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

Von den im Folgenden dargestellten Führungsansätzen beziehen sich zwei auf die Führungskraft, einer auf die Merkmale der Geführten und einer auf die Situation, insbesondere, darauf, wie Führungsverhalten durch Regelungen ersetzt werden kann. Für unsere Auswahl war die Praxisrelevanz und die Umsetzbarkeit durch Führungskräfte in kleinen und mittleren Unternehmen maßgeblich.

4.2

Führungsstile

Die Führungsstilansätze gehen von der Überlegung aus, dass sich Führung im konkreten Verhalten von Führungskräften ausdrückt und nicht in Persönlichkeitseigenschaften oder bestimmten Fähigkeiten (vgl. Daft, 2008). Frühe Forschung zu diesem Ansatz hat zwei grundlegende Führungsstile identifiziert: aufgabenorientiertes Verhalten und beziehungsorientiertes Verhalten (siehe Abb. 4.2). Mitarbeiterorientierung: Mitarbeitern Wertschätzung und Wärme sowie praktische Besorgtheit entgegenbringen Ziele: Zufriedenheit, geringe Fluktuation/Abwesenheit

Aufgabenorientierung: Aufgaben initiieren und strukturieren sowie Aktivitäten auf das Ziel ausgerichtet lenken Ziel: Leistung Abb. 4.2:

Grundlegende Dimensionen des Führungsverhaltens

4.2 Führungsstile

45

Aufgabenorientiertes Verhalten zielt darauf ab, die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, dass sie ihre Aufgaben erledigen und ihre Arbeitsziele erreichen. Für die Führungskraft bedeutet das, Aufgaben zu planen, zu strukturieren und zuzuweisen, inhaltliche und zeitliche Vorgaben zu machen, die Mitarbeiter anzuhalten, sich anzustrengen, und Leistung zu kontrollieren. Das aufgabenorientierte Verhalten dient dazu, die von der Gruppe erwartete Leistung zu erzielen. Beziehungs- oder mitarbeiterorientiertes Verhalten ist durch die Besorgtheit der Führungskraft um das Wohl der Mitarbeiter gekennzeichnet. Die Führungskraft kümmert sich darum, dass sich die Mitarbeiter in ihrer Arbeitssituation wohlfühlen und mit den Kollegen zufrieden sind. Dazu gehört auch, die Mitarbeiter zu respektieren, ihre Meinungen und Ideen zu erfragen und sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen. Durch diese Verhaltensweisen wird ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Beziehungsorientiertes Verhalten zielt darauf ab, dass die Mitarbeiter gern im Unternehmen arbeiten, immer anwesend sind und sich an das Unternehmen gebunden fühlen. Die zentrale Frage ist, wie Führungskräfte die beiden Verhaltensstile kombinieren, um ihre Mitarbeiter zu beeinflussen und die Ziele zu erreichen. Beide Stile können unabhängig voneinander gezeigt werden, d.h., eine Führungskraft kann sich ausschließlich mitarbeiter- oder aufgabenorientiert verhalten oder beide Verhaltensstile in hohem oder geringem Ausmaß praktizieren. Nach dem Modell ist eine hohe Ausprägung in beiden Stilen sinnvoll, um beide angestrebten Ziele, die Aufgabenerfüllung und die Zufriedenheit der Mitarbeiter, zu erreichen. Eine hohe Ausprägung beider Verhaltensdimensionen wird oft als Team Management oder als partizipative Führung bezeichnet. Die Führungskraft macht klare Vorgaben und steuert die Aufgabenerledigung. Sie beachtet aber dabei die Ansichten der Mitarbeiter und sorgt für eine gute Zusammenarbeit. Eine sehr geringe Ausprägung beider Stile wird mit dem früher häufig verwendeten Ausdruck Laissez-faire in Verbindung gebracht, d.h., die Führungskraft steuert nicht und interessiert sich nicht für die Belange ihrer Mitarbeiter. Die Mitarbeiter sind dadurch sich selbst überlassen. Eine hohe Aufgabenorientierung bei gleichzeitig ge-

46

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

ringer Beziehungsorientierung wird von Mitarbeitern als autokratisch oder autoritär wahrgenommen. Das Gegenstück, geringe Aufgabenorientierung bei hoher Beziehungsorientierung, wird auch demokratischer Führungsstil genannt. Bei ihm wird die Steuerung den Mitarbeitern überlassen, und die Führungskraft orientiert ihr Handeln ausschließlich an deren Bedürfnissen und Vorstellungen. Fallbeispiel: Edgar Es aufgabenorientierter Führungsstil Edgar E ist seit zwei Jahren in der Software GmbH und mit 25 Jahren ein relativ junger Projektleiter. In seinem Wirtschaftsinformatik-Studium hat er zwar Veranstaltungen zu Projektmanagement gehabt, in diesen aber hauptsächlich die technisch-organisatorischen Aspekte des Projektmanagements kennen gelernt. Anton A und Berthold B haben ihn eingestellt, weil sie hofften, mit ihm neuen wissenschaftlichen Input für ihr Unternehmen zu bekommen. Diesbezüglich hat sie Edgar E auch nicht enttäuscht. Er ist voller Ideen, mit welchen neuen Instrumenten Projekte bearbeitet werden sollten und wie sie gesteuert werden müssten. Er unterstellt dabei, dass seine Vorstellungen von allen schnell und richtig verstanden werden und dass Informatiker ohne große Unterstützung selbstständig arbeiten können und wollen. Darüber hinaus will er zeigen, dass er auch mit Komplikationen fertig wird und sich durchsetzen kann. Geschäftsführer Technik Anton A kennt die zwölf in Projekten einsetzbaren Informatiker seines Unternehmens am besten. Er hat drei erfahrene und langjährige Mitarbeiter in Edgar Es Projekt delegiert, um den Mangel an praktischer Erfahrung, den Edgar E in einigen Phasen seines ersten Projekts erkennen ließ, zu kompensieren. Er verspricht sich aber von Edgar Es Ehrgeiz mehr Schwung bei den „Alten“ und einen zweiseitigen Wissenstransfer. Zur Verstärkung des eher zu schwach besetzten Teams hat er ihm den Auszubildenden im zweiten Lehrjahr, Ludwig L, zugeteilt, der auch von Edgar Es Ideen profitieren soll. Edgar E hat schnell erkannt, dass ihm Anton A mit dem Projekt einen großen Vertrauensvorschuss gewährt hat, aber auch einen hohen persönlichen Einsatz zumutet. Er muss – und will – viele Projektbestandteile selbst bearbeiten und darüber hinaus den planungsgemäßen Fortschritt des Projekts sicherstellen. Er hat manchmal den Eindruck, dass ihn seine älteren

4.2 Führungsstile

47

Kollegen absichtlich missverstehen. Die Doppelbelastung von Projektbearbeitung und Projektkontrolle hat dazu geführt, dass er häufig nicht ansprechbar ist und bei Problemen seiner Teammitarbeiter mit seinen Ideen unbeherrscht reagiert. Bei sich abzeichnenden Schwierigkeiten intensiviert er seine Kontrollen, aber nicht nur systematisch, sondern auch zufällig. Es gelingt ihm mit Unterstützung von Anton A, der mehrmals motivierend auf das Team Einfluss nimmt, das Projekt voranzutreiben und unter höchstem persönlichem Einsatz die noch tolerierbare Verzögerung einzuhalten.

Kommentar: In der Realität kommen aufgabenorientiertes und mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten wahrscheinlich nur selten in gewissermaßen reiner Form vor. Im Fall von Edgar E darf unterstellt werden, dass er in seinem Wirtschaftsinformatik-Studium von Führungsstilen gehört hat. Die Unternehmenswirklichkeit mit ihren Erfolgsansprüchen und Karrierechancen überlagert aber häufig – wie auch in dem vorliegenden Fallbeispiel – die Einsicht in theoretische Zusammenhänge und veranlasst den Führenden zu einem Verhalten, für das er unvorhergesehene Situationen verantwortlich macht. Edgar E führt in dem beschriebenen Fall – gezwungener Maßen, wie er vielleicht argumentieren würde – stark aufgabenorientiert und vernachlässigt den Aufbau einer guten Beziehung zu seinen Projektkollegen, die ihm in späteren Projekten seine Aufgabe erleichtern könnte. Fallbeispiel: Anton As mitarbeiterorientierter Führungsstil Im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines Projektes wird Anton A von einem langjährigen Projektmitarbeiter vertraulich daraufhin angesprochen, dass sein Projektleiter Carlo C in den Projekt-Meetings öfter einen abwesenden Eindruck mache und sich nur bedingt in die Qualitätskontrolle des Projekts einschalte. Die Routine der Projektkollegen werde zwar gewährleisten, dass das Projekt irgendwie pünktlich abgeliefert werden könne, aber es bleibe eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich des erreichten Standards. Außerdem mache man sich Gedanken, was mit Carlo C los sei. Anton A hat in den regelmäßigen Zusammenkünften mit seinen Projektleitern davon nichts mitbekommen und bezüglich des Projekts von Carlo C

48

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

nur von planmäßigen Fortschritten gehört. Auch sein Kollege Berthold B hat von Kundenseite keine kritischen Signale bekommen. Anton A möchte Carlo C zunächst nicht direkt auf die ihm vorgetragenen Bedenken ansprechen, weil er befürchtet, dass Carlo C die Hinweise des Projektmitarbeiters als Vertrauensbruch auslegen könnte und weil er annimmt, dass eine unvermittelte Ansprache eher Widerstand bzw. Rückzug auslösen würde. Er lädt stattdessen unter ausdrücklichem Hinweis auf die lange Unternehmenszughörigkeit von Carlo C diesen zu einem Gespräch ein, indem er ihn um seine Meinung zu Maßnahmen der Mitarbeiterbindung bittet. In dessen Verlauf betont Anton A seine große Zufriedenheit mit seiner „Mannschaft“ und erläutert seine Vorstellung, auch außerdienstliche Belastungen zu berücksichtigen. Er fragt Carlo C, welche Kategorien er sich diesbezüglich denken könne und ob und wie er sich selbst dabei sehe. Im Verlauf dieses Gesprächs ist Carlo C bereit, einzuräumen, dass er sich ausgebrannt fühle und er manchmal meine, mit den neuesten Entwicklungen nicht Schritt halten zu können. Nur noch dank seiner großen praktischen Erfahrung könne er viele Klippen umschiffen. Anton A weiß im Vorhinein, wie eng Carlo C dem Unternehmen verbunden ist. Er macht deutlich, dass er Carlo C nicht nur als Mitarbeiter schätzt, der viel zum Aufbau des Unternehmens beigetragen hat, sondern ihn auch mit seiner Erfahrung unbedingt in der Software GmbH halten möchte. Anton A fragt ihn, was das Unternehmen tun könne, um die eingeräumten Probleme gemeinsam mit ihm zu lösen. Die zur Sprache kommenden Alternativen werden in Bezug auf mögliche Leistungen des Unternehmens und im Hinblick auf den notwendigen Beitrag des Mitarbeiters diskutiert. Am Ende des Gesprächs hat Carlo C den Eindruck, dass – mehr noch als die auf dem Tisch liegenden Maßnahmen – ihm die Zuversicht helfen wird, offene und von Verständnis und Zutrauen geprägte Gespräche mit seinem Vorgesetzten führen zu können.

4.2 Führungsstile

49

Kommentar: Anton As Vorgehensweise entspricht klassischem mitarbeiterorientierten Verhalten. Er hat damit Carlo Cs Bindung an das Unternehmen noch enger gemacht, als sie ohnehin schon war. Wenn man einem Mitarbeiter klar zu erkennen gibt, dass man seine Situation verstehen kann und ihm helfen möchte, erhält man von diesem im Allgemeinen mehr Zugeständnisse bzw. erreicht einen höheren Eigenbeitrag als bei einem Rückzug auf formale Ansprüche bzw. Positionen. Diese psychologisch gestützte Einsicht schließt aber leider nicht aus, dass es auch Ausnahmen gibt, in denen die Bereitschaft, Verständnis zu zeigen, nicht belohnt wird. In der Praxis verwenden die wenigsten Führungskräfte nur einen der beiden Stile. Allerdings fällt es den meisten auch schwer, beide ausgewogen anzuwenden. Fragt man Mitarbeiter, welche Kombination der beiden Stile sie wünschen, so erhält man mehrheitlich die Antwort, hohe Mitarbeiterorientierung und mittlere Aufgabenorientierung. Das ist nachvollziehbar, denn eine hohe Mitarbeiterorientierung bedeutet, dass ihre Ansichten und Wünsche umfangreiche Beachtung finden. Eine mittlere Aufgabenorientierung sorgt dafür, dass die Mitarbeiter wissen, was zu tun ist, aber nicht unter Druck gesetzt werden. Der Führungsstilansatz mit der Beschränkung auf zwei wesentliche Stile bietet eine gute Orientierung für das Verhalten einer Führungskraft. Allerdings werden in der generellen Empfehlung, beide Stile in hoher Ausprägung anzuwenden, die Eigenheiten der Mitarbeiter zu wenig berücksichtigt. Normalerweise ist ein Team nicht aus Mitarbeitern zusammengesetzt, die hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit homogen sind. Viel häufiger finden wir in Teams unterschiedlich erfahrene und motivierte Mitarbeiter. Dieser Beobachtung trägt der nachfolgend dargestellte Ansatz, das Führen nach dem Reifegrad der Mitarbeiter, Rechnung.

50

4.3

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

Führen nach Reife der Mitarbeiter

Der für Führungskräftetrainings am häufigsten verwendete Ansatz ist das Führen nach dem Reifegrad der Mitarbeiter (vgl. Northouse, 2012). Alternativ kann man den Reifegrad auch als Entwicklungsstand der Mitarbeiter bezeichnen. Das Modell wurde von Hersey/Blanchard entwickelt. Es baut auf dem zuvor dargestellten Modell der Führungsstile auf. Während aus dem Führungsstilmodell die generelle Empfehlung, beide Stile zu kombinieren, ableitbar ist, gibt dieses Modell Hinweise darauf, wie die Stile in Abhängigkeit von den Merkmalen der zu führenden Mitarbeiter kombiniert werden sollten. Dabei gilt nicht eine bestimmte Kombination von beiden Führungsstilen als die erfolgreichste, sondern die Führungskraft muss in der Lage sein, ihren Führungsstil an die Mitarbeiter anzupassen. Die Merkmale der Mitarbeiter, die betrachtet werden, sind zum einen die fachlichen Fähigkeiten sowie die Erfahrung der Mitarbeiter. Sie werden als Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter verstanden. Die Motivation der Mitarbeiter, ihr Zutrauen, Arbeitsaufgaben angemessen erfüllen zu können, und ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, kennzeichnen zum anderen die Leistungswilligkeit der Mitarbeiter. Um zu entscheiden, welche Kombination von Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung eine Führungskraft anwenden sollte, muss sie die Leistungsfähigkeit und -willigkeit des jeweiligen Mitarbeiters mit Bezugnahme auf die konkret zu stellende Aufgabe einschätzen. Das Modell bietet einerseits eine Anleitung, wie die beiden Führungsstile in Abhängigkeit von der Reife der Mitarbeiter anzuwenden sind. Außerdem leistet der systematische Einsatz beider Führungsstiele einen Beitrag zur Entwicklung der Reife der Mitarbeiter. So wird generell davon ausgegangen, dass der aufgabenorientierte Anteil am Führungsstil geeignet ist, die Leistungsfähigkeit zu steigern, der mitarbeiterorientierte Anteil hingegen die Leistungsbereitschaft fördert (vgl. Weinert, 2004). Nach dem Modell werden vier unterschiedliche Niveaus im Entwicklungsstand der Mitarbeiter unterschieden (siehe Abb. 4.3).

4.3 Führen nach Reife der Mitarbeiter

Mitarbeiterorientierung

hoch

51

Viel Zuwendung und wenig Steuerung

Viel Zuwendung und viel Steuerung

Wenig Zuwendung und wenig Steuerung

niedrig niedrig

hohe Reife

Wenig Zuwendung und viel Steuerung

hoch

Aufgabenorientierung mäßige bis hohe Reife

geringe bis mäßige Reife

geringe Reife

Entwicklungsstand der Mitarbeiter

Abb. 4.3:

Empfohlenes Führungsverhalten in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand der einzelnen Teammitglieder

Die niedrigste Stufe wird als geringe Reife bezeichnet. Mitarbeiter dieser Stufe sind noch unerfahren und haben beschränkte fachliche Kompetenzen. Ihre Leistungsbereitschaft ist ebenfalls gering ausgeprägt. Es handelt sich meist um Berufsanfänger, die noch unsicher sind, und geringes Einschätzungsvermögen bezüglich der Angemessenheit und Richtigkeit der Aufgabenerledigung haben. Sie sind daher noch nicht in der Lage, Verantwortung für die Aufgabenerfüllung zu übernehmen. Dazu zählen außerdem Mitarbeiter, die nicht den Beruf bzw. die Tätigkeit ihrer Wahl ausüben oder sich in der Berufswahl geirrt haben. Für diese Mitarbeitergruppe wird der Führungsstil „Unterweisen“ empfohlen. Er ist durch spezifische Anweisungen bzgl. des „was“, „wie“ und „wann“ sowie eine enge Führung mit genauer Steuerung gekennzeichnet. Im Vordergrund steht für sie die Anforderung, Fertigkeiten und Erfahrung zu gewinnen und Selbstvertrauen in der Ausführung der Aufgaben zu erwerben. Durch die enge Führung lernen sie die korrekte Aufgabenerfüllung und entwickeln auf diese Weise Sicherheit. Die Wünsche der Mitarbeiter, d.h. ihre Vorstellungen dazu, wie die Aufgabe sinnvoller Weise bearbeitet werden könnte, spielen dabei eine geringe Rolle.

52

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

Die zweite Stufe entspricht geringer bis mäßiger Reife der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter verfügen über begrenzte fachliche Kompetenzen und Erfahrung. Sie haben einen Teil des Tätigkeitsgebiets kennen gelernt, sind aber noch weit davon entfernt, Routine in der Aufgabenerledigung entwickelt zu haben. Gleichzeitig sind sie oft sehr leistungsbereit und möchten die Aufgabe selbständig und gut erfüllen. Ihnen fehlt allerdings typischerweise die Einsicht darin, wie begrenzt ihr Wissen und Können noch sind. Diese Mitarbeiter sollten durch den Stil „Verkaufen“ geführt werden. Damit ist gemeint, dass die Führungskraft zwar Anweisungen gibt, aber auch ihre Entscheidungen überzeugend erklärt und dem Mitarbeiter Rücksprache- und Klärungsmöglichkeiten bietet. Auf diese Weise können die Mitarbeiter ihre Vorstellungen mit den Vorgaben der Führungskraft abgleichen, sie begreifen Hintergründe und Zusammenhänge der Tätigkeiten und gewinnen so ein besseres Einschätzungsvermögen bezüglich der Aufgaben. Mitarbeiter auf Stufe drei sind durch mäßige bis hohe Reife charakterisiert. Sie verfügen über fachliche Kompetenzen und ausreichend Erfahrung, kennen sich im Aufgabengebiet gut aus und verfügen über Routine in der Bearbeitung der üblicherweise anfallenden Tätigkeiten. Ihnen dürfte es nicht mehr an Zutrauen in ihre Fähigkeiten mangeln, die Aufgaben korrekt zu erledigen. Trotz dieser hohen Leistungsfähigkeit sind sie aber nicht sehr leistungsmotiviert. Sie sind entweder nicht Willens, Verantwortung zu übernehmen, z.B. weil sie es als anstrengend und aufwändig empfinden, oder sie trauen sich die Übernahme der Verantwortung nicht zu, weil sie Angst vor den Konsequenzen fehlerhafter Entscheidungen haben. Für sie ist der Führungsstil „Beteiligen“ zu empfehlen. Die Führungskraft entwickelt hierbei die Mitarbeiter, indem sie sie aktiv einbindet und Vorschläge zur Vorgehensweise machen lässt. Sie unterstützt sie dann bei der Entscheidungsfindung und steht ihnen mit Rat zur Seite, ohne ihnen die Entscheidung ganz abzunehmen. Auf diese Weise kann bei Mitarbeitern, denen es an Zutrauen fehlt, die Übernahme von Verantwortung aufgebaut werden. Mitarbeiter, die lediglich zu bequem sind, Verantwortung zu übernehmen, muss die Führungskraft vermutlich dauerhaft auf diese Weise steuern. Die vierte Stufe entspricht hoher Reife der Mitarbeiter. Sie sind fachlich hoch qualifiziert, kompetent und sehr erfahren. Sie kennen das Aufgabengebiet bezüglich der routinemäßig anfallenden Tätigkeiten sehr gut. Sie haben au-

4.3 Führen nach Reife der Mitarbeiter

53

ßerdem genügend Erfahrung mit Sonderfällen, um auch bei neu auftretenden Situationen geeignete Lösungsmöglichkeiten entwickeln zu können. Sie sind sich ihrer Fähigkeiten bewusst und bereit, eigenständig zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen. Im Grunde benötigen sie keine Führung, weil sie selbst wissen, was wann und wie zu tun ist. Sie können und wollen sich selbst steuern. Entsprechend sollten diese Mitarbeiter durch den Stil „Delegieren“ geführt werden. Die Aufgabe der Führungskraft besteht lediglich darin, die Ziele zu klären und die notwendigen Kompetenzen bzw. die Befugnisse zu übertragen, die die Mitarbeiter benötigen, um die Aufgabe erfolgreich ausführen zu können. Allerdings ist es wichtig, dass die Führungskraft auf geeignete Weise die selbständige Aufgabenerledigung anerkennt. Da kann beispielsweise durch die Benennung als Vertretung der Führungskraft geschehen und durch das Hinzuziehen zu wichtigen Entscheidungen oder die regelmäßige Beratung bzw. Diskussion übergreifender Themen. Bei dieser Mitarbeitergruppe besteht sonst die Gefahr, dass sich ein von ihnen wahrgenommener Mangel an Zuwendung und Wertschätzung in Verlust der Bindung an das Unternehmen auswirkt. Die Beschreibung des Führungsmodells macht deutlich, dass erfolgreich Führen nicht bedeutet, alle Mitarbeiter gleich zu behandeln. Unterschiede im Umgang mit einzelnen Mitarbeitern sind nicht nur gerechtfertigt, sondern auch notwendig, um eine optimale Führung und damit eine erfolgreiche Aufgabenerledigung zu erreichen. Fallbeispiel: Reifekategorien der Mitarbeiter Anton A hat in seinem Informatik-Studium natürlich auch ProjektManagement gehabt, aber Führungstheorien nur sehr rudimentär kennengelernt. Der Erfahrungsaustausch mit seinem Geschäftsführerkollegen Berthold B und die im Tagesgeschäft spürbare Verantwortung für das Personal des Unternehmens, insbesondere die Projektmitarbeiter, haben ihn veranlasst, an einem einwöchigen Führungsseminar bei einem renommierten privaten Bildungsträger teilzunehmen. Nach seiner Rückkehr hat er seine Eindrücke mit Berthold B besprochen und als Konsequenz aus dem im Seminar Gelernten vorgeschlagen, die Mitarbeiter nach ihrer Reife ein-

54

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

zuschätzen und durch die Zuordnung eines Maßes von Mitarbeiter- bzw. Aufgabenorientierung für jeden den theoretisch richtigen Führungsstil festzulegen. Berthold B findet die Idee gut und sie vereinbaren, eine entsprechende Matrix aufzustellen. Sie sind dabei nicht rein schematisch nach der Theorie vorgegangen, was bedeutet hätte, zunächst die Reife der Mitarbeiter einzuschätzen und sie dann einem der vier Quadranten zuzuordnen. Entsprechend ihrer starken Entwicklungsorientierung sehen sie es als sinnvoll an, den Stil des Unterweisens, der für ganz unreife Mitarbeiter postuliert wird, durch ein höheres als theoretisch vorgesehenes Ausmaß an Mitarbeiterorientierung abzuschwächen. Die Matrix ist für die Projektleiter und die Mitarbeiter des Verwaltungsbereichs, d.h. die Personen, die die beiden Geschäftsführen direkt führen, in nachstehender Abbildung (siehe Abb. 4.4) wiedergegeben.

Mitarbeiterorientierung

hoch

E G F J

C

niedrig niedrig

Abb. 4.4:

K

D

H

I Aufgabenorientierung

hoch

Theoretisch optimale Führungsstile für die Projektleiter und die Mitarbeiter des Verwaltungsbereichs der Software GmbH (Der Reifegrad ist durch die Grauschattierung dargestellt: je dunkler der Kreis, desto größer die Reife)

4.4 Führen durch Vorbild

55

Kommentar: Die schwache Besetzung des rechten unteren Quadranten zeigt, dass Anton A und Berthold B der Mitarbeiterorientierung und Förderung große Bedeutung beimessen. Wenn es (noch) an fachlicher Kompetenz fehlt, soll durch Mitarbeiterorientierung bei gleichzeitig hoher Aufgabenorientierung die Chance geboten werden, rasch und dem Potenzial entsprechend Fachwissen und Erfahrung zu erwerben.

4.4

Führen durch Vorbild

Menschen sind sehr begabt, durch Beobachtungen zu lernen. Sie brauchen nicht jede Erfahrung selbst zu machen, um aus deren Konsequenzen zu lernen, sondern sind unter Umständen allein schon nach der Beobachtung anderer in der Lage, deren Verhalten zu imitieren (Bandura, 1977; 1986). Verantwortlich dafür sind die in letzter Zeit berühmt gewordenen Spiegelneurone in unserem Gehirn (z.B. Bauer, 2006), die reagieren, wenn wir etwas selbst ausführen oder jemand anderen bei der Ausführung beobachten. Damit Lernen bzw. Nachahmung stattfinden, sind folgende vier Bedingungen notwendig: Das Modell, d.h. die das Verhalten vormachende Person, wird bei der Ausführung einer Tätigkeit aufmerksam beobachtet und das Gesehene wird im Gedächtnis behalten. Es kann außerdem vom Beobachtenden nachgeahmt werden. Weiterhin muss hinzukommen, dass der Beobachter motiviert ist, das gesehene Verhalten auszuführen. Forschung hat vielfach bestätigt, dass nicht nur positive, sondern auch negative Vorbilder wirksam sind. Eine wichtige Voraussetzung für die Wirkung von Vorbildern ist, dass ihr Verhalten mit dem übereinstimmt, was sie sagen. Wenn das Gesagte und das Verhalten auseinanderklaffen, verliert die Führungskraft an Glaubwürdigkeit (vgl. Comelli/v. Rosenstiel, 2009). Wenn sie beispielsweise von ihren Mitarbeitern erwartet, dass diese pünktlich zur Arbeit erscheinen, aber selbst unpünktlich ist, wird sich die geforderte Disziplin nicht durchsetzen. Es sei denn, sie entspräche den Werten der Mitarbeiter oder die Führungskraft

56

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

würde Macht ausüben, was aber eine dauernde Kontrolle erforderte. Es werden speziell Menschen nachgeahmt, die uns ähnlich sind, und die wir für bewunderungswürdig oder erfolgreich halten (vgl. Myers, 2008). Zumindest letzteres kann für jede Führungskraft angenommen werden, da sie immerhin eine Hierarchiestufe über ihren Teammitgliedern steht. Es ist demnach zu erwarten, dass von ihr eine starke Vorbildfunktion ausgeht (vgl. auch Kapitel 3: die geforderte Passung zwischen indirekter und direkter Führung im Führungsmodell). Yaffe und Kark (2011) fanden in einer Studie mit 67 Arbeitsgruppen, dass Führungskräfte sogar auf Gruppenebene als Rollenmodelle wirken konnten. Durch ihr Vorbildverhalten überzeugten sie die Gruppenmitglieder, dass auch unternehmensförderliches Verhalten, das nicht direkt Bestandteil der eigentlichen Arbeitsaufgabe ist (organizational citizenship behavior), lohnend sein kann. Außerdem wurde das Verhalten auch direkt nachgeahmt, wenn die Führungskraft von den Mitarbeitern als gutes Vorbild eingeschätzt wurde. Eckloff/Quaquebeke (2008) zeigen mit ihren Studien, dass Mitarbeiter dann besonders offen sind für den Einfluss von Führungskräften, wenn sie sich mit ihnen identifizieren können. Wie stark sie sich beeinflussen lassen, hängt auch davon ab, in welchem Maß die Führungskraft dem Idealbild des Mitarbeiters von einer Führungskraft entspricht. Fallbeispiel: Ein positives Vorbild Ina I, die für die Buchhaltung des Unternehmens verantwortlich ist, gilt bei vielen in der Software GmbH, insbesondere bei den Projektmitarbeitern, als absolut integer und vertrauenswürdig. Sie wird als sehr fleißig und in allen ihren Äußerungen als authentisch wahrgenommen. Bei aller Bescheidenheit tritt sie im Allgemeinen souverän auf. Jonas J, der im Gegensatz zu Ina I erst relativ kurze Zeit zum Unternehmen gehört, wirkt aufstiegsorientiert und im Zusammenhang damit geltungssüchtig. Ihm wird nachgesagt, für eigene Nachlässigkeit eher andere verantwortlich zu machen. Manche meinen, er sehe Ina I als Konkurrentin um die Gunst des gemeinsamen Vorgesetzten Berthold B. Jonas J erfährt von seiner Freundin Hanna H, dass sich Ina I bei Berthold B in einer nicht ganz offensichtlichen Angelegenheit für Karel K eingesetzt

4.4 Führen durch Vorbild

57

hat. Er ist in gewisser Weise beeindruckt, weil Karel K – wie er selbst – Ina I gegenüber reserviert ist. Einige Zeit später ereignet sich Nachstehendes: Als Folge des Sachverhalts, dass Jonas J einen Auftrag zu flüchtig abwickelt und es dabei zu Kundenbeschwerden kommt, wird er zu einem Gespräch mit Berthold B gerufen, an dem auch Ina I teilnimmt. Er versucht zwar, sich in abwälzender Weise zu rechtfertigen, kann aber Berthold B zunächst nicht von der Korrektheit seines Verhaltens überzeugen. In dieser Situation räumt Ina I ein, sie hätte ja auch an die nicht beachteten Klauseln denken und diese rechtzeitig berücksichtigen können. Außerdem gibt sie zu bedenken, dass ein besonders kompliziertes Projekt abzuwickeln war und einige Zurechnungen tatsächlich ungewöhnlich waren. Jonas J werde so etwas sicherlich nicht noch einmal passieren. Berthold B kann die Bedeutung von Ina Is Einlassungen richtig einschätzen und verzichtet darauf, Jonas J in ihrer Gegenwart zu maßregeln. Er schlägt stattdessen vor, dass sich die beiden bei unübersichtlichen Projektabwicklungen zukünftig gegenseitig konsultieren.

Kommentar: Ina I erfüllt eine wichtige Vorbildfunktion dadurch, dass ihr konkretes Verhalten in den geschilderten Situationen mit dem von ihr vorherrschenden Eindruck übereinstimmt. Sie stellt Jonas J trotz seiner abwälzenden Rechtfertigung nicht als für den Fehler Verantwortlichen bloß, sondern sucht Argumente, ihn wenigstens teilweise zu entschuldigen. Damit führt sie ein Verhalten vor, das ihm angesichts des generellen Ansehens, das Ina I in der Firma genießt, eigentlich als nachahmenswert erscheinen muss und dazu führen kann, dass er selbstkritischer wird. Es zeigt ihm einen Weg, die erhoffte Geltung zu gewinnen. Das Beispiel macht außerdem deutlich, dass natürlich auch Kollegen, nicht nur Vorgesetzte, als Vorbild wirken können. In selteneren Fällen kann das von Ina I gegenüber Jonas J gezeigte Verständnis allerdings auch dazu führen, dass sich der Beschämte als nicht ernst genommen fühlt und seine Ressentiments weiter ausbaut. Dann muss ihm auf andere Weise geholfen werden, seine Fehler zu korrigieren bzw. Nachlässigkeit zu vermeiden. Auch ist denkbar, dass der Mitarbeiter das Ausbleiben einer Sanktion als Bestätigung für seine Strategie sieht, Fehler auf andere abzuwälzen.

58

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

Fallbeispiel: Ein negatives Vorbild Projektleiter Edgar E ist aufgrund seiner akademischen Ausbildung theoretisch versiert und geschickt im Umgang mit seinen Gesprächspartnern beim Kunden. Im Umgang mit seinen Teammitgliedern zeigt er sich aber häufig unbeherrscht und gilt sowohl hinsichtlich seiner technischen Anweisungen als auch in Bezug auf interne Verabredungen, z.B. Meetings und Gesprächsvereinbarungen, als wenig kalkulierbar und verlässlich. Er ist in seiner Aufgabe sehr engagiert und möchte gegenüber seinem Vorgesetzten, dem Geschäftsführer Anton A, immer einen positiven Eindruck machen. Letzterer schätzt ihn wegen seiner Projektzuverlässigkeit und hat ihn diesbezüglich schon mehrmals öffentlich gelobt. In der Gruppe von Edgar E wird seit acht Monaten der Lehrling Ludwig L ausgebildet. Er ist im zweiten Ausbildungsjahr, wird aber auf Anweisung von Edgar E schon mit durchaus anspruchsvollen Aufgaben betraut. Die ersten drei Monate seiner Ausbildung hatte Ludwig L im Programmierunterricht eines Weiterbildungsanbieters und die folgenden vier im Team von Carlo C verbracht. In dessen Team hatte er sich nicht besonders wohlgefühlt, weil er dort überwiegend mit – wie er meinte – Hilfsarbeiten beschäftigt wurde. Ludwig L wird in seiner aktuellen Station mehrfach Zeuge unbeherrschter Auftritte von Edgar E und musste sich daran gewöhnen, dass anberaumte Meetings kurzfristig abgesagt wurden und vereinbarte Gespräche mit Edgar E nicht stattfinden konnten, weil letzterer abwesend war. Dazu gab es selten von diesem vage Begründungen, höchstens vage, und fast nie eine Entschuldigung. Die drei ausgelernten Teammitglieder haben sich anscheinend an Edgar Es Verhalten gewöhnt und kritisieren es nicht gegenüber anderen. Ludwig L bekommt aber auch mit, dass Edgar E bei Anton A sehr gut angesehen ist. Außer ihm gibt es noch einen weiteren Auszubildenden, Martin M, der einen Teil seines ersten Ausbildungsjahres gerade im Team von Daniel D absolviert. Ludwig L hat von Anton A den Auftrag erhalten, seinem Kollegen im 1. Ausbildungsjahr, Martin M, internen Unterricht zum Stoff der Berufsschule zu geben, weil letzterer wegen Krankheit und Freistellungen für das Projekt einiges versäumt hat. Ludwig L hat diese Aufgabe nicht gern übernommen, weil er sich lieber als Projektmitarbeiter hervorgetan

4.5 Substitution von Führung

59

hätte. In den Stunden, in denen er Martin M gewissermaßen Nachhilfe gibt, zeigt er sich ungeduldig und macht deutlich, dass er eigentlich Wichtigeres zu tun habe. Den Zeitplan für seinen Unterricht hat er so gestaltet, dass er sehr gut in seine Aufgabenerledigung passt. Wünsche von Martin M konnte er wegen seiner eigenen Überlastung „leider“ nicht berücksichtigen. Außerdem ist er selbst einige Male ohne vorherige Ankündigung nicht zu geplanten Terminen erschienen. Im Übrigen haben einige Unternehmensangehörige mitbekommen, dass Ludwig L bei der Erledigung ihn betreffender Formalitäten gegenüber der Sekretärin Hanna H und der Buchhalterin Ina I recht überheblich aufgetreten ist. Ludwig L hat in Gesprächen mit den anderen Teammitgliedern deutlich gemacht, dass er spätestens nach Abschluss seiner Ausbildung Wirtschaftsinformatik studieren wird, um möglichst schnell an Führungsaufgaben heranzukommen.

Kommentar: Ludwig L macht erst seit zwölf Monaten Erfahrungen in einem Unternehmen. In dieser Zeit wurde er ganz überwiegend von Edgar E geprägt. Er hat verständlicher Weise das unbeherrschte und wenig kooperative Verhalten von Edgar E wie auch dessen akademische Ausbildung mit seinem Ansehen bei Anton A in Verbindung gebracht. Diese Zurechnung wird dadurch gestützt, dass Ludwig L keine offene Kritik mitbekommt. Dass Edgar E ihm anspruchsvollere Aufgaben übertragen hat als vorher Carlo C, führt er eher auf vermeintliche Gemeinsamkeiten mit ersterem als auf seine sich mit der Zeit zeigenden Lernfortschritte zurück. Es muss damit gerechnet werden, dass Ludwig L sein Verhalten als zielführend wahrnimmt und sich dieses verfestigt. Wenn er so geprägt später einmal auf selbstbewusste eigene Mitarbeiter trifft, könnte sein sich abzeichnendes Defizit an Führungsqualität problematisch werden.

4.5

Substitution von Führung

Als Führungssubstitute werden situative Faktoren bezeichnet, die Führungsverhalten erleichtern, neutralisieren oder sogar vollständig ersetzen können (Avolio/Walumbwa/Weber, 2009). Der Führungseinfluss wird durch

60

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

etwas anderes ersetzt, wie z.B. durch Fachwissen der Mitarbeiter oder feststehende Regeln zum Umgang mit Routineaufgaben (vgl. Neuberger, 2002) oder sehr gut zusammenarbeitende Teams, in denen sich die Mitglieder gegenseitig unterstützen (vgl. Avery, 2004, S. 115). Ein wichtiges Führungssubstitut ist auch die Unternehmenskultur (Schein, 2010). Die durch sie vermittelten Werte, Leitbilder und informellen Normen wirken im Zweifelsfall als Leitlinie für das Handeln der Mitarbeiter. Wenn beispielsweise die Unternehmenskultur durch intensive Kooperation und hohe Kundenorientierung geprägt ist, werden sich die Mitarbeiter auch ohne konkrete Anweisungen einer Führungskraft anders verhalten, als wenn sie durch hohe Wettbewerbs- und Gewinnorientierung gekennzeichnet ist. Eine Unternehmenskultur kann so stark und dominant sein, dass die Führungskraft Schwierigkeiten bekommen kann, wenn sie Verhalten von ihren Mitarbeitern erwartet, das der Unternehmenskultur entgegensteht. Wenn es allerdings im Bereich der Führungskraft eine mit deren Prinzipien und Verhaltensweisen übereinstimmende Subkultur gibt, so kann das Verhalten der ihr zugeordneten Mitarbeiter stärker durch die in der Subkultur geltenden Werte und Normen geprägt sein als durch die Kultur des Unternehmens. Die ursprünglich von Kerr und Jermier (1978) formulierte Theorie der Substitution von Führung hat zwar viel Forschung stimuliert, aber ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Führungssubstituten und Leistungen konnte nicht nachgewiesen werden. Gleichwohl soll für praktische Zwecke deutlich gemacht werden, dass die Führungskraft Regelungen treffen kann, die ihre Steuerung in konkreten Einzelsituationen überflüssig machen. In diesem Fall ist Substitution als zeitliche Verschiebung der aktiven Steuerung zu verstehen. In der Organisationslehre werden solche Vorgehensweisen auch als Führung über Programme bezeichnet. Diese sorgt dafür, dass für bestimmte Vorgänge generelle Regelungen festgelegt werden, wie mit der jeweiligen Situation umzugehen ist. Es werden Routineprogramme und Zweckprogramme unterschieden.

4.5 Substitution von Führung

61

Routineprogramme werden für wiederkehrende und gleich zu behandelnde Vorfälle nach dem Schema „wenn ein Ereignis vom Typ A eintritt, ist eine Handlung B auszuführen“ festgelegt. Beispielsweise gibt der Teamleiter in der Buchhaltung beim Vorgang Rechnungsprüfung nicht bei jeder eingehenden Rechnung separat die Anweisung, diese zunächst in Bezug auf Bestellnummer, -menge, Preis, Lieferkonditionen etc. zu prüfen, bevor sie zur Bezahlung freigegeben wird. Die gewünschte Vorgehensweise wird einmal (schriftlich) festgelegt und danach wissen alle betroffenen Mitarbeiter, wie mit einer Rechnung, die keine außergewöhnlichen Merkmale aufweist, umzugehen ist. Die Rechnungsprüfung kann auf dieser Grundlage selbständig erledigt werden, und die Führungskraft wird nur kontaktiert, wenn ein Sonderfall eintritt. Diese Vorgehensweise reduziert den Führungsaufwand für die Führungskraft, vermittelt den Mitarbeitern eine gewisse Unabhängigkeit von der Anwesenheit der Führungskraft, gewährt ihnen aber keinen echten Handlungsspielraum. Bei Zweckprogrammen ist nur das Ziel der Bearbeitung von Geschäftsvorfällen festgelegt; der Weg zu seiner Erreichung ist den Mitarbeitern freigestellt. Davon wäre beispielsweise zu sprechen, wenn die Vorgabe lediglich lautet, dass nur berechtigte Forderungen bedient werden dürfen, es aber dem Mitarbeiter überlassen ist, festzulegen, welche Aspekte die Berechtigung ausmachen. Der Einsatz von Zweckprogrammen ist sehr motivierend für die Mitarbeiter, setzt aber voraus, dass sie ihre Tätigkeit so gut beherrschen, dass sie keine detaillierte Steuerung benötigen (vgl. Kapitel 4.3). Ansonsten ist das Risiko für Fehler sehr hoch. Fallbeispiel: Substitution von Führung Der Geschäftsführer Administration Berthold B ist aufgrund seiner Verantwortung für den Vertrieb oft außer Haus und in seiner knappen Bürozeit sehr beschäftigt. Er hat mit Gaby G, die für Empfang und Telefon zuständig ist, vereinbart, dass sie nur für ihn wichtige Anrufe zu ihm durchstellt und andere direkt an die Zuständigen weiterleitet. Beim Empfang von Besuchern solle sie bezüglich der Behandlung der Gäste Fingerspitzengefühl walten lassen. Berthold B ist im Haus und allein in seinem Büro, als ein Kunde in offensichtlich schlechter Laune anruft und ihn zu sprechen wünscht. Gaby G

62

4 Indirekte Führung: Wie wird geführt?

vermutet, dass es sich um eine Beschwerde handelt und bedauert, dass sie ihn nicht durchstellen könne, da sich ihr Chef gerade in einer Dienstbesprechung befinde. Diese würde jedoch sicherlich nicht mehr lange dauern, da ein Anschlusstermin warte. Sie werde aber auf jeden Fall Berthold B unmittelbar nach der Dienstbesprechung von dem Anruf des Kunden informieren und den Wunsch nach Rücksprache übermitteln. Gaby G informiert unmittelbar nach Beendigung des Telefonats ihren Chef, dem sie mit ihrer Antwort Zeit gewonnen hat, sich bei dem Projektleiter über den Stand des Kundenprojekts zu informieren und sein Verhalten auf die voraussichtlichen Kundenargumente einzustellen. Gaby G wurde von Anton A informiert, dass er einen Bewerber auf eine Programmiererstelle zu einem Vorstellungsgespräch erwartet. Eine halbe Stunde vor der ihr genannten Zeit erscheint ein junger Mann, der zwar keinen besonders höflichen Eindruck macht, aber zielstrebig wirkt. Gaby G weiß zwar, dass Anton A auch zu diesem Zeitpunkt schon verfügbar ist, meldet den Besucher aber noch nicht bei ihm an. Sie bietet ihm Getränke an und schlägt ihm vor, bis zum verabredeten Termin mit Anton A einen der im Haus anwesenden Projektleiter zur Begrüßung zu bitten, wenn einer frei sei. Gaby G informiert Anton A von der Ankunft des Besuchers und bittet Carlo C, der im Büro ist, um ein unverbindliches Gespräch von 15 Minuten mit dem Bewerber. Ihre Reaktion signalisiert dem Bewerber Wertschätzung und bietet gleichzeitig Gelegenheit, schon früh einen zusätzlichen Eindruck von diesem zu bekommen.

Kommentar: Gaby G hat weder bezüglich des Kundenanrufs noch zum vorzeitigen Erscheinen des Bewerbers Verhaltensanweisungen bekommen. Sie hat durch ihre umsichtige Reaktion bei ersterem eine zusätzliche Verärgerung des Kunden vermieden und gleichzeitig ihrem Chef Gelegenheit geschaffen, beim Rückruf sofort Stellung nehmen zu können, was der Kunde sicherlich zu schätzen wissen wird. Gaby G hat die Bedeutung, die sich der Bewerber mit seinem vorzeitigen Eintreten gegeben hat, nicht nur negativ gewertet, sondern auch an den allgemeinen Mangel an Bewerbern und den Vorteil zusätzlicher Information über einen Bewerber gedacht. Hier liegt zwar eine formale Substitution von Führung im Sinne eines

4.6 Wiederholungsfragen zum Kapitel

63

Zweckprogramms vor, doch drückt sich in der schnellen Reaktion von Gaby G auch das Vertrauen ihres Chefs in ihre Entscheidungen aus. Ihr Verhalten ist daher nicht nur Folge guter Auffassungsgabe, sondern auch richtiger Führung.

4.6 1. 2. 3. 4.

5.

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Wiederholungsfragen zum Kapitel

Auf welche Merkmale beziehen sich Führungstheorien? Wodurch sind ein mitarbeiterorientierter und ein aufgabenorientierter Führungsstil charakterisiert? Welche Ziele sollen durch einen mitarbeiterorientierten bzw. einen aufgabenorientierten Führungsstil erreicht werden? In welchen Anteilen sollte eine Führungskraft Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung in der Praxis anwenden? Begründen Sie Ihre Einschätzung. Wie lassen sich klassische Führungsstilbezeichnungen wie autoritärer, patriarchalischer, demokratischer Führungsstil und Laissez-Faire in dem zweidimensionalen Rahmen von mitarbeiter- und aufgabenorientierter Führung abbilden? Welche Faktoren für den Reifegrad von Mitarbeitern gehen in das Führungsmodell von Hersey und Blanchard ein? Welche vier Führungsstile postulieren Hersey/Blanchard in Abhängigkeit vom Reifegrad der Mitarbeiter? Wie kann das Zutrauen der Mitarbeiter in ihre Fähigkeiten gefördert werden? Wie wirkt das Vorbild? Was sind Routineprogramme? Nennen Sie Beispiele. Welche Vor- und Nachteile sind mit der Etablierung/Anwendung von Routineprogrammen verbunden? Zu welchen Mitarbeitern passen Zweckprogramme? Welche Nachteile können sich aus Zweckprogrammen ergeben?

5

Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?

5.1

Motivierung als Führungsaufgabe

„Motivierung bedeutet, Menschen auf Handlungsziele auszurichten und die Bedingungen ihres Handelns so zu gestalten, dass sie diese Ziele erreichen können.“ (Nerdinger, 2007, S. 379). Motivierung ist nicht nur Aufgabe und Möglichkeit der Führungskräfte, sondern sie hängt von weiteren Faktoren ab. Unternehmensmerkmale, -prozesse und -strukturen, die meist nicht unmittelbar durch die Führungskraft beeinflussbar sind, können sehr viel zu Motivierung bzw. Demotivierung von Mitarbeitern beitragen. Beispiele hierfür sind unternehmenspolitische Grundsätze, die Anreizpolitik und das Entgeltsystem, durch die Struktur und die Aufgaben des Unternehmens vorgegebene bzw. beschränkte Entwicklungsmöglichkeiten, die Unternehmenskultur und die interne und externe Unternehmenskommunikation. So trägt beispielsweise ein angemessenes monetäres Anreizsystem zu Leistungssteigerungen und Zufriedenheit bei (vgl. Wegge et al., 2010). Diese unternehmensspezifischen Bedingungen bilden darüber hinaus den Rahmen für die Handlungsmöglichkeiten von Führungskräften. Beispielsweise kann sie ihre Mitarbeiter nicht durch überproportionale Gehaltszuwächse motivieren, wenn ihr Entscheidungsspielraum durch die Verwendung von Gehaltsbändern für die verschiedenen Tätigkeitsarten begrenzt ist. Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens ist eine der wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft, bei ihren Mitarbeitern Motivation zu hohen Leistungen zu erzeugen (vgl. Nerdinger, 2006). Motivation ist die „aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzu-

66

5 Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?

stand“ (Rheinberg, 2004, S. 13). Etwas einfacher ausgedrückt ist damit gemeint, Motivation macht sich dadurch bemerkbar, dass jemand gezielt etwas tut, um etwas Bestimmtes zu erreichen, das ihm viel bedeutet. Welche Motivation in einer konkreten Situation eintritt, hängt von den dauerhaften Motiven der Mitarbeiter (vgl. Abschnitt 5.2) sowie den Anreizen bzw. anregenden Merkmalen der Situation ab (siehe Abb. 5.1). Während die Motive der Mitarbeiter stabil sind und kaum von der Führungskraft beeinflusst werden können, ist letztere dafür verantwortlich, Anreize zu schaffen, die auf die Mitarbeiter anregend wirken (vgl. Nolting/Paulus, 2009). Motivierung ist demnach die Aktivität der Führungskraft, um das Ergebnis Motivation beim Mitarbeiter zu erzeugen. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Anreize auf alle Menschen gleich wirken (v. Rosenstiel, 2001). Schaper (2007) stellt die zentrale Bedeutung des Wunschs, Leistungen zu erbringen, sowie des Antriebs, Kontakte zu anderen Menschen zu pflegen, für Arbeitsmotivation heraus.

Motiv

Abb. 5.1:

Anreiz

Motivation

Die aktuelle Motivation hängt vom dauerhaften Streben einer Person und den Anreizen der jeweiligen Situation ab

Allerdings ist die Motivierung, d.h. die Aktivierung der Motive der Mitarbeiter, keine abgrenzbare Handlung der Führungskraft, sondern sie ist in der Art und Weise enthalten, in der die in Kapitel 6 dargestellten Führungsmittel angewendet werden. In diesem Kapitel werden zwei theoretische Ansätze dargestellt, die die Prinzipien verdeutlichen, die motivierendem Verhalten von Führungskräften zugrunde liegen. Der zuerst dargestellte Ansatz bezieht sich darauf, zu erkennen, welche Bedürfnisse die eigenen Mitarbeiter haben, um angemessen auf sie eingehen zu können. Der anschließend dargestellte Ansatz beschreibt, wie Menschen generell motiviert werden, und überträgt dies Verständnis darauf, wie Mitarbeiter motiviert werden können. Beide Ansätze bilden in Kombination miteinander eine gute Grundlage für Führungskräfte, um ihre Mitarbeiter wirksam zu motivieren.

5.2 Motivierung durch die Berücksichtigung erlernter Bedürfnisse

5.2

67

Motivierung durch die Berücksichtigung erlernter Bedürfnisse

Die Theorie der gelernten Bedürfnisse (McClelland, 1985) geht davon aus, dass Menschen während ihrer Kindheit und Jugend aufgrund ihrer Sozialisierung in der Familie und im kulturellen Umfeld Bedürfnisse erlernen bzw. entwickeln, die auch im Berufsleben relevant sind. McClelland nahm an, dass drei grundlegende Bedürfnisse in der Auseinandersetzung mit der Umwelt ausgebildet werden. Das sind das Bedürfnis nach Leistung, das Bedürfnis Macht auszuüben und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu anderen Menschen. Für jeden Menschen ergibt sich durch seine individuellen Erfahrungen von Verhalten und Belohnungen eine spezifische Bedürfniskonfiguration. Vereinfacht gesagt heißt das, dass die Bedürfnisse, die auch im beruflichen Umfeld eine Rolle spielen, bei den verschiedenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Sein Ansatz wurde von Yukl (1990) um zwei Bedürfnisse erweitert (das Bedürfnis nach Sicherheit und das Bedürfnis nach Status), so dass heute von insgesamt fünf für Arbeitsverhalten relevanten Schlüsselbedürfnissen ausgegangen wird (vgl. Weinert, 2004; siehe Abb. 5.2): 



Leistungsbedürfnis: Menschen mit einer hohen diesbezüglichen Ausprägung streben danach, anspruchsvolle und herausfordernde Aufgaben zu bewältigen. Sie sind durch die Auseinandersetzung mit der Aufgabe motiviert, wollen komplexe Probleme mit optimierten Methoden lösen und ihre Leistungen ständig verbessern. Dabei möchten sie andere mit ihren Erfolgen übertreffen. Machtbedürfnis: Menschen mit starkem Machtbedürfnis wollen Einfluss ausüben. Sie streben danach, andere nach ihren Vorstellungen zu lenken und zu kontrollieren. Verantwortung und Zuständigkeit für Menschen, aber auch die Kontrolle über Informationen und Ressourcen sind ihnen wichtig.

68







5 Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?

Zugehörigkeitsbedürfnis: Das Zugehörigkeitsbedürfnis steht für den Wunsch, enge persönliche Bindungen aufzubauen, von anderen gemocht zu werden und Teil einer Gruppe zu sein. Dazu gehören der kommunikative Austausch mit anderen und die Vermeidung von Konflikten. Sicherheitsbedürfnis: Für Menschen mit einer hohen Ausprägung dieses Motivs ist es wichtig, materiell, physisch und psychisch geschützt zu sein. Sie streben einen sicheren Arbeitsplatz und ein festes Einkommen an. Sie vermeiden Risiken bzgl. ihrer Gesundheit. Sie schätzen berechenbare Aufgaben, bei denen das Risiko eines Misserfolgs gering ist. Statusbedürfnis: Ein hohes Statusbedürfnis bedeutet, dass Menschen sich für andere sichtbare Indikatoren dafür wünschen, dass sie von Seiten des Unternehmens geschätzt werden und eine geachtete Position bekleiden. Diese Indikatoren umfassen Privilegien, wie einen zugesicherten oder gar persönlich zugewiesenen Parkplatz und eine bessere Beförderungsklasse bei Dienstreisen. Es gehören auch klassische Statussymbole dazu, wie ein Dienstwagen, die technische Ausstattung mit Mobiltelefon und Computer, die Größe, Lage und Ausstattung ihres Büros, die Sitzposition bei Meetings etc. Statusbedürfnis zeigt sich auch im Privaten in der Wahl des Fahrzeugs, der Wohngegend, der Kleidung, der Zugehörigkeit zu angesehenen Vereinen usw.

Leistung Status

Macht Beruflich relevante Schlüsselbedürfnisse

Sicherheit

Abb. 5.2:

Zugehörigkeit

Für den beruflichen Kontext relevante Bedürfnisse von Mitarbeitern nach dem Modell der gelernten Bedürfnisse (McClelland, 1985; Yukl, 1990)

5.2 Motivierung durch die Berücksichtigung erlernter Bedürfnisse

69

Ein wichtiges Merkmal dieses Ansatzes ist, dass kein Motiv als besser oder schlechter als andere gilt, sondern dass sie alle mit bestimmten Merkmalen bzgl. des Arbeitsverhaltens einhergehen. Für Führungskräfte ist es wichtig, diese Merkmale zu kennen, denn sie müssen die individuellen Bedürfnisprofile ihrer Mitarbeiter korrekt einschätzen, um sie wirksam motivieren zu können. Die Bedürfnisse sind aus Sicht des Arbeitgebers von Bedeutung: So sind Mitarbeiter mit einem hohen Leistungsbedürfnis wichtig, wenn Innovationen anstehen und die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsprozesse entscheidend ist. Sie sind typischerweise sehr zuverlässig, weil sie ihre Leistungsfähigkeit gut einschätzen können und große Risiken vermeiden. Sie benötigen daher wenig Kontrolle und Steuerung durch Führungskräfte. Mitarbeiter mit hohem Zugehörigkeitsbedürfnis engagieren sich innerhalb der Arbeitsgruppe und sorgen für ein gutes Teamklima. Sie unterstützen andere und fördern den Zusammenhalt der Teammitglieder. Cornelis/van Hiel/De Cremer (2012) konnten zeigen, dass ein starkes Zugehörigkeitsbedürfnis der Mitarbeiter die Führungskraft stimuliert, bei der Verteilung von Belohnungen und Bestrafungen fair mit den Mitarbeitern umzugehen. Ein starkes Machtbedürfnis ist nützlich, wenn es darum geht, andere zu überzeugen und wenn wettbewerbsorientiertes Verhalten erfolgversprechend ist. Führungskräfte haben verschiedene Möglichkeiten, das Bedürfnisprofil ihrer Mitarbeiter zu ermitteln. Eine direkte und gut akzeptable Option ist es, im regelmäßigen Mitarbeitergespräch die Mitarbeiter zu fragen, was sie motiviert. In dieser Gesprächssituation, die auch der Mitarbeiter gut vorbereitet hat, ist er sich seiner Motive besonders bewusst und kann zuverlässige Aussagen treffen. Durch die explizite Frage nach Wünschen und Bedürfnissen fühlt sich der Mitarbeiter von seiner Führungskraft ernst genommen. Werden zu viele oder unspezifische Themen geäußert, können sie durch Nachfragen präzisiert werden. Für die Einordnung der vom Mitarbeiter geäußerten Motive durch die Führungskraft kann es hilfreich sein, die fünf o.g. Bedürfniskategorien anzuwenden. Ein anderer Weg besteht darin, die Mitarbeiter in der Alltagsarbeit in ihrem Verhalten und im Hinblick auf ihre Arbeitsergebnisse zu beobachten und

70

5 Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?

daraus Schlüsse zu ziehen. Häufig lassen sich auch Eindrücke aus Gelegenheitsgesprächen in der Kaffeepause nutzen, die sich nicht unbedingt auf die Arbeitstätigkeit beziehen müssen, sondern Freizeitaktivitäten betreffen können. Je besser eine Führungskraft die Bedürfniskonfiguration ihrer Mitarbeiter kennt, desto gezielter können Arbeitsbedingungen gestaltet und Anreize eingesetzt werden. Für die Führungskraft gibt es zwei mögliche Herangehensweisen: Sie kann einerseits überlegen, wie das Bedürfnisprofil ihrer Mitarbeiter aussieht und dann dazu passende Anreize bieten. Weiß eine Führungskraft beispielsweise, dass ein Mitarbeiter sehr zugehörigkeitsbedürftig ist, kann sie dafür sorgen, dass dieser Mitarbeiter möglichst im Team, und nicht abgeschottet im Einzelbüro arbeitet. Ein machtorientierter Mitarbeiter lässt sich beispielsweise durch die Übertragung einer Teilprojektleitung motivieren. Die Führungskraft kann anderseits die zur Verfügung stehenden Anreize so kommunizieren, wie es am besten zum jeweiligen Bedürfnisprofil ihrer Mitarbeiter passt. Auf diese Weise kann sie auch bei vorgegebenen Anreizen bedürfnisadäquat motivieren. Wie das funktioniert, soll beispielhaft am Anreiz „Weiterbildungsmaßnahme“ gezeigt werden: Die Weiterbildungsmaßnahme kann gegenüber einem stark leistungsorientierten Mitarbeiter als Möglichkeit dargestellt werden, neue Leistungsbereiche zu erschließen, und bei Gewährung an einen machtorientierten Mitarbeiter als Voraussetzung, um eine Aufgabe wahrzunehmen, die dem Mitarbeiter stärkere Einflussnahme auf Personen oder Ressourcen erlaubt. Die Weiterbildung selbst bietet auch die Chance, das Zugehörigkeitsbedürfnis zu befriedigen, indem während der Veranstaltung Kontakte geknüpft und Austausch gesucht werden kann. Auch der spätere Bericht zur Weiterbildung oder die Weitergabe des Wissens an die Kollegen kann diesem Bedürfnis dienen. Die Tatsache der Gewährung signalisiert dem Mitarbeiter außerdem, dass er als wichtiger Bestandteil des Unternehmens bzw. Teams gesehen wird. Ferner kann die Gewährung der Weiterbildung sicherheitsbedürftigen Mitarbeitern einen Hinweis darauf geben, dass der Arbeitgeber nicht plant, sie zu entlassen und dass ihre Employability gefördert wird. Je nach Institution, die die Weiterbildung anbietet, oder durch die Tatsache, für

5.2 Motivierung durch die Berücksichtigung erlernter Bedürfnisse

71

eine Weiterbildung ausgewählt worden zu sein, kann mit der Teilnahme auch ein Statusgewinn verbunden sein. Es ist zu beachten, dass die Führungskraft nicht völlig frei in der Wahl der Anreize ist. Zwar stehen immaterielle Anreize, wie Lob, uneingeschränkt zur Verfügung, aber andere sind typischerweise von Unternehmensgrundsätzen bzw. der Personalpolitik abhängig. So kann eine Führungskraft z.B. kein Firmenfahrzeug oder einen zinsgünstigen Unternehmenskredit anbieten, wenn das nach dem Anreizsystem des Unternehmens nicht vorgesehen ist und Ausnahmen nicht möglich sind. Stehen motivspezifische Anreize und Belohnungen nicht zur Verfügung oder kennt die Führungskraft die Bedürfnisprofile ihrer Mitarbeiter nicht gut genug, wird sie – soweit von der Entgeltpolitik des Unternehmens gedeckt – häufig zum universellen Anreiz Geld greifen. Die Zuweisung von Geld gilt deshalb als universell wirksam, weil es die Befriedigung sehr unterschiedlicher Bedürfnisse ermöglicht. Vergessen werden darf hierbei allerdings nicht, dass Menschen, die in ihrer persönlichen Wahrnehmung über ausreichend Geld verfügen, durch zusätzliches Geld typischerweise nicht mehr weiter motiviert werden können. So kann ein Sonderbonus beispielsweise für eine gewünschte Weiterbildung (Leistungsbedürfnis), die gezielte Einflussnahme (z.B. als an eine Auflage gebundene Sponsorleistung, Machtbedürfnis) als Vereinsbeitrag (Zugehörigkeitsbedürfnis), den Kauf eines Statussymbols (Statusbedürfnis) oder zur Absicherung des Lebensabends (Sicherheitsbedürfnis) genutzt werden. Fallbeispiel: Motivierungsversuch ohne Bezug zu Bedürfnissen Anton A berichtet seinem Kollegen Berthold B im Rahmen eines Gesprächs über die Entgeltstruktur in ihrem Unternehmen von einem interessanten Fall in dem Unternehmen, für das er vor seiner Selbständigkeit gearbeitet hat: Der Geschäftsführer wollte einen Kollegen von Anton A davon überzeugen, für ein wichtiges Projekt einen eineinhalb- bis zweijährigen Arbeitsplatzwechsel in Kauf zu nehmen. Die Tätigkeit beim Kunden wäre 600 km

72

5 Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?

vom Wohnort des Seniorberaters entfernt gewesen. Der Mitarbeiter lehnte das Projekt ab. Um ihn zu überreden, bot der Geschäftsführer ihm mehrfach ein Firmenfahrzeug einer gehobenen Klasse an. Der Mitarbeiter ließ sich nicht darauf ein. Als er ein Jahr später das Unternehmen verließ, erzählte er Anton A, ein Firmenfahrzeug sei für ihn unattraktiv gewesen, da er sich nicht auf diese Weise an ein Unternehmen binden wollte und ihm ein großes und schnelles Auto nichts bedeute. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn man ihm eine Projektleitung mit der Verantwortung für ein größeres Projektteam und ein umfangreiches Budget angeboten hätte. Diese Chance würde er jetzt im neuen Unternehmen geboten bekommen. Das Unternehmen verlor mit diesem Seniorberater nicht nur einen erfahrenen Mitarbeiter, sondern auch die fachliche Expertise in einem wichtigen technischen Gebiet.

Kommentar: Das Beispiel macht deutlich, dass Versuche nicht funktionieren, Mitarbeiter mit Anreizen zu motivieren, die nicht ihrem Bedürfnisprofil entsprechen. Hätte sich der Geschäftsführer die Mühe gemacht, in einem Gespräch mit dem Mitarbeiter herauszufinden, was diesen besonders motiviert, hätte er ihn im Unternehmen halten können.

5.3

Motivation durch die Erfüllung von Erwartungen

Grundgedanke der sog. Erwartungstheorie der Motivation (Vroom, 1964) ist die Annahme, dass die Anstrengung von Menschen davon abhängt, welche Belohnung sie als Gegenleistung für ihren Einsatz erwarten. Die Theorie geht von einem rational und ökonomisch denkenden Menschen aus, der Aufwand und Ertrag in ein für ihn möglichst gutes Verhältnis zueinander bringen will. Er wird sich dann anstrengen, wenn er erstens glaubt, dass diese Anstrengung zu einer hohen Leistung führt, die Leistung zweitens belohnt wird und die Belohnung drittens für ihn attraktiv ist, weil sie ihm erlaubt, seine persönlichen Ziele zu erreichen. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 5.3 vereinfacht dargestellt. Von Rosenstiel (2003, S. 205) fasst den

5.3 Motivation durch die Erfüllung von Erwartungen

73

Ansatz ebenfalls vereinfachend so zusammen: „Welches Ziel ist mir wichtig, mit welcher Wahrscheinlichkeit erreiche ich es?“

Anstrengung

1

Hohe Leistung

2

Belohnung

3

Erfüllung individueller Bedürfnisse oder Erreichen individueller Ziele

(1) Erwartung, dass Anstrenung hohe Leistung bewirkt (2) Erwartung, dass hohe Leistung Belohung bewirkt (3) Erwartung, dass Belohnung individuelle Ziele/Bedürfnisse befriedigt

Abb. 5.3:

Gedanklicher Prozess der Motivation nach der Erwartungstheorie

Für Führungskräfte bedeutet dieser Zusammenhang, dass alle drei Komponenten gegeben sein müssen, damit Motivation stattfindet. Konkret heißt das, ein Mitarbeiter wird sich nicht anstrengen, wenn er nicht glaubt, dadurch die geforderte Leistung erbringen zu können, und/oder er bezweifelt, für eine hohe Leistung entsprechend belohnt zu werden, und/oder wenn ihm die zu erwartende Belohnung nicht ausreichend wichtig ist. Um den Zusammenhang umgekehrt, das heißt positiv, zu beeinflussen, muss die Führungskraft die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter korrekt einschätzen und ihnen Aufgaben übertragen, die sie auch erfüllen können (Bedingung 1). Sie muss außerdem sicher stellen, dass hohe Leistung angemessen belohnt wird (Bedingung 2). Zusätzlich muss sie Kenntnis davon besitzen, in welchem Ausmaß die Belohnung von den Mitarbeitern geschätzt wird (Bedingung 3).

74

5 Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?

Der Wert der Belohnung (z.B. Lob, zukünftig Übertragung anspruchsvollerer Aufgaben, Gewährung einer Weiterbildung, Sonderurlaub, Übertragung von Budgetverantwortung, Übertragung personeller Verantwortung, monetäre Belohnungen wie Prämie oder Gehaltserhöhung) ist nicht für alle Mitarbeiter einheitlich. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Führungskraft die Erwartungstheorie in Kombination mit der Theorie der gelernten Bedürfnisse anwenden sollte, um zu dem jeweiligen Mitarbeiter passende Belohnungen zu vergeben. Konkret bedeutet das: Wenn sie das Bedürfnisprofil ihrer Mitarbeiter kennt, kann sie den Erwartungsansatz der Motivierung unter Einsatz einer für den jeweiligen Mitarbeiter attraktiven Belohnung anwenden. Schwächen des Ansatzes der Erwartungstheorie liegen darin, dass u.U. nicht jeder Mitarbeiter eine so rationale Abwägung der Komponenten und Zusammenhänge vornimmt und er mit seiner Einschätzung seiner Leistungsfähigkeit und des Zusammenhangs zwischen Leistung und Belohnung nicht unbedingt richtig liegt. Außerdem muss beachtet werden, dass Führungskräften nicht immer alle Belohnungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die einen hohen Wert für die Mitarbeiter besitzen. Fallbeispiel: Erfüllung von Erwartungen Carlo C müsste im Interesse der rechtzeitigen Projektablieferung einen Kollegen aus seinem Team für ein viertel Jahr direkt bei dem Kunden in 300 km Entfernung vom eigenen Firmenstandort einsetzen. Eine solche Delegation war bisher firmenunüblich. Siegfried S und Rita R kommen dafür nicht in Frage, weil sie gleichzeitig auch im Projekt von Daniel D arbeiten, das sowieso vorgezogen werden soll. Er überlegt, welchen Programmierer er dafür gewinnen kann, ohne mit einem gewissen Maß an Druck arbeiten zu müssen und ohne Frustration und Demotivierung auszulösen. Um zu einer Entscheidung zu kommen, führt er sich die in Frage kommenden Kollegen mit ihrer persönlichen Situation und ihren Vorlieben vor Augen. Zu der Aufgabe würde fachlich Peter P am besten passen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in einer stabilen Bezie-

5.3 Motivation durch die Erfüllung von Erwartungen

75

hung. Peter P beschäftigt sich auch in seiner Freizeit mit der Lösung kniffliger IT-Probleme, insbesondere im Rahmen seiner Aktivitäten in einem Geocaching-Verein. Norbert N ist programmiertechnisch nicht ganz so versiert wie Peter P. Er hat nach einer schweren Enttäuschung seit kurzem wieder eine Freundin, mit der er viel Zeit verbringt. Er gilt unter seinen Kollegen als Autonarr. Otto O hat etwa Peter Ps Qualifikation. Er ist verheiratet, aber noch ohne Kinder. Otto O baut gerade ein geerbtes Haus mit viel Eigenleistung um und achtet deshalb besonders auf sein Geld. Carlo C macht sich anschließend Gedanken, welche Belohnung von den jeweiligen Kollegen als ausreichende Kompensation bzw. als Incentive für eine Delegation akzeptiert würde. Die Kosten für das Unternehmen müssen sich aber im Rahmen des Üblichen halten, um nicht die gesamte Entgeltstruktur in Frage zu stellen. Er kann sich vorstellen, dass Otto O einen zinslosen Unternehmenskredit schätzen und als Ausgleich für die Einschränkung, nur am Wochenende zuhause sein zu können, akzeptieren würde. Bei Norbert N könnte ein von der Firma gemieteter und ihm für die Wochenenden zur Verfügung gestellter Sportwagen das Gewünschte bewirken. Womit er Peter P gewinnen könnte, fällt ihm nicht gleich ein. Aber am Ende hat er doch eine Idee: Das Unternehmen könnte nach Beendigung von Peter Ps Delegation mit ihm und für ihn eine regionale Tagung für Geocacher ausrichten. Eine solche Veranstaltung böte auch dem Unternehmen Gelegenheit, sich als Anbieter und Arbeitgeber zu präsentieren. Der Vorteil dieser Belohnung läge darin, dass sie nicht offensichtlich als Entgeltbestandteil erscheinen muss, wie das bei den Varianten Sportwagen und zinsloser Kredit wahrscheinlich wäre. Mit diesen Überlegungen geht Carlo C zu Anton A, der ja der disziplinarische Vorgesetzte der drei Mitarbeiter ist. Anton A ist mit Carlo Cs Vorschlägen prinzipiell einverstanden und lässt ihm freie Hand, die beste Lösung zu finden. Carlo C will zuerst mit Peter P sprechen und ihn überzeugen, zum Kunden zu gehen. Er kann diese Reihenfolge rechtfertigen, weil die beiden anderen in seinen Augen größere Hindernisse für ihr Einverständnis überwinden müssten. Peter P erbittet sich zwar Bedenkzeit, um die Angelegenheit mit seiner Familie zu besprechen, stimmt aber dann zu. Neben der ihm wichtigen Tagung, die seinen Vereinsaktivitäten zusätzlichen Glanz verleihen wird, hat seine von

76

5 Indirekte Führung: Wie motiviert eine Führungskraft?

Carlo C hervorgehobene besondere Qualifikation den Entschluss begünstigt.

Kommentar: Carlo C und Anton A haben eine Lösung gefunden, die die Entgeltstrukturen des Unternehmens am wenigsten tangiert und trotzdem den gewünschten Erfolg sicherstellt. Mit ihr erübrigt sich auch ein Rückzug auf Delegationsanweisungen, die nach den Arbeitsverträgen durchaus möglich wären. Peter P wird signalisiert, dass sein Projektleiter und die Geschäftsführung anerkennen und belohnen, dass er zu besonderem Engagement bereit ist. Dies entspricht nicht nur seinem Gerechtigkeitsempfinden, sondern stärkt auch seine Bindung an das Unternehmen.

5.4 1. 2. 3. 4. 5.

Wiederholungsfragen zum Kapitel

Aus welchen Komponenten setzt sich Motivation zusammen? Was sind Bedingungen für motivierendes Führungsverhalten? Warum haben Mitarbeiter unterschiedliche Motive? Welche Motive sind für das Berufsleben relevant? Wie funktioniert Motivierung durch die Berücksichtigung erlernter Bedürfnisse? 6. Wie funktioniert Motivierung nach der Erwartungstheorie? 7. Wie kann eine Führungskraft herausfinden, was ihre Mitarbeiter motiviert? 8. Inwiefern ist Geld ein universeller Anreiz? 9. Was ist bei der Motivierung mit Geld zu beachten? 10. Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur im Hinblick auf Motivationsabsichten? 11. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Motivstruktur von Vorgesetzten und ihren Motivierungsversuchen?

6

Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

6.1

Entscheiden

6.1.1

Grundsätzliches

Entscheidungen treffen gilt als eine der zentralen Aufgaben von Führungskräften. Es wird häufig sogar gleichgesetzt mit Führen. Von einer Entscheidung wird dann gesprochen, wenn eine Alternative aus mindestens zwei, meistens mehr möglichen Alternativen ausgewählt wird, nachdem diese bewertet wurden. Die Alternativen beziehen sich meist auf Handlungen, Personen oder Gegenstände (vgl. Brocke/Holling, 2007). Dabei wird auch der Entschluss, nichts zu unternehmen und so weiterzumachen wie bisher als Entscheidung gewertet. Wichtig ist, auch das NichtEntscheiden als bewusste Festlegung wahrzunehmen. Im Alltag unterliegen viele Führungskräfte der Versuchung, abzuwarten, bis sie in einer unsicheren Situation mehr Informationen haben, auf die sie ihre Entscheidung stützen könnten. Meist sind aber keine verlässlicheren Informationen zu gewinnen, die die Unsicherheit reduzieren könnten. Führungskräfte benötigen deshalb die Fähigkeit, mit Unsicherheit leben zu können. Sie sollen rasche Ermessensentscheide treffen und dürfen sich im Fall des Irrtums nicht damit aufhalten, sich zu rechtfertigen, sondern müssen Korrekturen vornehmen. Bei jeder Entscheidung muss klar sein, dass es aus einer anderen Perspektive immer auch andere Handlungsempfehlungen geben könnte (vgl. Doppler, 2006). Die Tragweite von Entscheidungen kann sehr unterschiedlich sein. In vielen Fällen handelt es sich eher um relativ einfache Entscheidungen wie die, Mit-

78

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

arbeitern ihren Urlaub zur von ihnen gewünschten Zeit zu genehmigen oder einen alternativen Termin anzubieten. Entscheidungen fallen dann leichter, wenn es sich um grundsätzlich positive Alternativen handelt, zwischen denen zu wählen ist. Aber natürlich sind auch oft weitreichende und vor allem unpopuläre Entscheidungen zu treffen, bei denen die Alternativen zumindest nicht von allen Betroffenen als vorteilhaft wahrgenommen werden. Sie fallen der Führungskraft im Allgemeinen deutlich schwerer. Das könnte beispielweise die Entscheidung bezüglich der Weiterbeschäftigung oder der Entlassung eines inkompetenten Mitarbeiters während der Probezeit sein oder wie die Verteilung des Budgets für Gehaltsanpassungen auf die Teammitglieder erfolgen soll. In der Praxis ist es wichtig, zwischen den beiden Phasen von Entscheidungen, der Entscheidungsvorbereitung und dem Urteil, zu differenzieren. Die Entscheidungsvorbereitung umfasst das Sammeln von Handlungsalternativen, ihre Analyse sowie ihre Bewertung. Mit dem Urteil ist die Auswahl einer Handlungsoption, d.h. der eigentliche Entschluss, gemeint (siehe Abb. 6.1). Diese Unterscheidung ist speziell dann sinnvoll, wenn es sich um komplexe Fragestellungen handelt, bei denen die Entscheidung Teil eines umfassenden Problemlöseprozesses ist (vgl. Chies/Vetter, 2008).

Entscheidungsvorbereitung

Urteil

Entscheidung

Abb. 6.1:

Die Komponenten von Entscheidungen

6.1.2

Strategische und operative Entscheidungen

Entscheidungen von Führungskräften beziehen sich typischerweise auf Personal, auf Ressourcen und/oder Prozesse. Sie können operativer oder strategischer Art sein. Bei operativen Entscheidungen handelt es sich um solche, die das Tagesgeschäft betreffen (vgl. Abb. 6.2). Sie haben eine bekannte Grundlage, d.h. bei ihnen ist meist die Situation gegeben, dass Rahmendaten und Bedingungen relativ klar sind. Führungskräfte fühlen sich bei dieser Art von

6.1 Entscheiden

79

Entscheidungen sicher und können sie daher im Normalfall leicht und rasch fällen. Aufgrund ihres Bezugs zum Alltagsgeschäft werden sie auch als dringend wahrgenommen und binden die Aufmerksamkeit und Arbeitszeit der Führungskräfte. Im Vergleich zu strategischen Entscheidungen sind sie aber meist weniger wichtig. Strategische Entscheidungen betreffen im Gegensatz zu den operativen nicht das Alltagsgeschäft, sondern haben eine zukunftsgerichtete und grundsätzliche Ausrichtung. Sie sind von größerer Tragweite als operative Entscheidungen, indem sie die Weichen für zukünftige Entwicklungen stellen. Obwohl sie deutlich wichtiger sind als operative Entscheidungen, werden sie aufgrund ihrer weniger sicheren Grundlage und der geringeren Bekanntheit des Grads der Einflussfaktoren und ihrer vermeintlich niedrigeren Dringlichkeit häufig zurückgestellt. Mit strategischen Entscheidungen ist aufgrund ihrer Tragweite und Komplexität typischerweise ein aufwändiger Problemlöse- und Entscheidungsprozess verbunden. Sie benötigen mehr Zeit in der Vorbereitung. Bei ihnen ist auch wichtiger als bei operativen Entscheidungen, dass sie von den Betroffenen akzeptiert und mitgetragen werden.

Operative Entscheidungen

Strategische Entscheidungen

• • • • •

• • • • •

dringend relativ sichere Grundlage geringe Tragweite gegenwartsorientiert kurze Vorbereitungsphase

Abb. 6.2:

wichtig relativ unsichere Einflussfaktoren große Tragweite zukunftsorientiert lange Vorbereitungsphase

Merkmale operativer und strategischer Entscheidungen

Zwar werden in KMU die strategischen Entscheidungen im Allgemeinen von den Eigentümern bzw. der Geschäftsleitung getroffen, doch sind diese in vielen Fällen auch die einzigen Führungskräfte. Als Problematik könnte sich erweisen, dass diesen Führungskräften durch ihre enge Einbindung in das Tagesgeschäft die Trennung von strategischen und operativen Ent-

80

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

scheidungen schwer fällt und sie dadurch den strategischen Entscheidungen vielleicht nicht den angemessenen Aufwand widmen.

6.1.3

Rationale und intuitive Entscheidungen

Rationale Entscheidungen gelten als verstandes- bzw. vernunftgeleitet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass in der Vorbereitungsphase Daten und Fakten zu den Alternativen gesammelt werden. Diese werden anschließend anhand von nachvollziehbaren und für alle Alternativen gleichen Kriterien bewertet. Häufig werden dabei die Urteile bzgl. der Kriterien quantifiziert, so dass der Eindruck von Objektivität entsteht. Die auf diese Weise vorgenommene Strukturierung dient dazu, das Problem zu zerlegen und zu versachlichen. Rationale Entscheidungen sind dann sinnvoll, wenn ausreichend Zeit für die Phase der Vorbereitung zur Verfügung steht und wenn genügend Informationen zur Bewertung der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten vorliegen. Rationale Entscheidungen gelten im Vergleich zu intuitiven im Allgemeinen als die vorzuziehenden. Sie lassen sich anderen Betroffenen deutlich leichter vermitteln, weil sie anhand von Fakten und Beurteilungen begründet werden können und so für diese nachvollziehbar sind. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die herangezogenen Fakten angesichts einer ungewissen Zukunft häufig nur auf Annahmen basieren, die sich im Nachhinein natürlich auch als fehlerhaft oder sogar falsch erweisen können. Intuitive Entscheidungen werden häufig als „Bauchentscheidungen“ bezeichnet. Sie werden als Gegensatz zu rationalen Entscheidungen wahrgenommen, weil bei ihnen vermeintlich der bewusste Verstand nicht genutzt wird und sie eher als eine spontane Eingebung empfunden werden. Es wird davon ausgegangen, dass bei einer Intuition die einer Entscheidung zugrunde liegenden Zusammenhänge nicht bekannt sind bzw. nicht verstanden werden. Manchmal steht die Intuition sogar im direkten Widerspruch zum bewussten Denken. „Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt“, sagt Blaise Pascal dazu (zitiert nach Gigerenzer, 2008). Es findet im Vergleich zu rationalen Entscheidungen keine Zerlegung in Teilaspekte statt, sondern es wird eine ganzheitliche Einschätzung vorgenommen.

6.1 Entscheiden

81

Forschungsergebnisse haben inzwischen deutlich gemacht, dass es sich bei Intuition allerdings nicht um unbegründete Einschätzungen handelt (vgl. Gigerenzer, 2008). Vielmehr ist es so, dass sie sich auf Erfahrungen bezieht, die der Person nicht notwendigerweise gegenwärtig sind. Es gilt, dass Intuition besser ist, je mehr und vielfältigere Erfahrungen jemand mit einem Gegenstand besitzt. Grundlage dafür, dass Intuition in manchen Fällen sogar bessere Ergebnisse liefert als rationale Entscheidungen, ist die Verarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns. Die Entwicklung der IT stellt uns prinzipiell immer mehr Informationen zur Verfügung, als wir in akzeptabler Zeit ordnen und bewerten können. Jede vermeintlich bewusste Auswahl bleibt eine Auswahl, die unbeabsichtigt etwas außer Betracht lässt. Hinzu kommt, dass wir mit der wachsenden Zahl von Informationen auch mehr einander widersprechende Sachverhalte bekommen und verarbeiten müssen. Der Verarbeitungsversuch kann zu Blockierung und Konfusion führen, wie wir es – um ein Bild zu gebrauchen – vom „Aufhängen“ eines Computers kennen. Die Intuition vermeidet den problematischen Versuch, alle grundsätzlich verfügbaren Daten zu einer Entscheidungssituation verarbeiten zu wollen. Sie holt sich – unbewusst und schnell – die erfahrungsgemäß wichtigsten Informationen aus unserem Erfahrungsschatz und bündelt diese zu einem Entscheidungsvorschlag, dem wir entweder vertrauen oder den wir verwerfen. Wie wir uns intuitiv entscheiden hängt davon ab, welche Erfahrungen wir in der Vergangenheit mit intuitiven Entscheidungen gemacht haben. Selbstverständlich müssen intuitive Entscheidungen nicht besser sein als rationale. Sie können aber vorteilhaftere Ergebnisse liefern. Intuition dient dazu, die Komplexität von Entscheidungssituationen zu reduzieren. Es finden nur die wesentlichen Faktoren Beachtung, während andere Aspekte ausgeblendet werden. Die Anwendung der Intuition ist dann besonders empfehlenswert, wenn es keine konkreten Erfahrungswerte zur Problemstellung gibt, Zeitdruck herrscht, wenige Informationen vorliegen und das Problem komplex ist.

82

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Fallbeispiel: Intuitives versus rationales Entscheiden Die beiden Geschäftsführer Anton A und Berthold B treffen sich, um einen möglichen Auftrag, den Berthold B gewinnen kann, zu beraten. Berthold B hat über seine sportlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten in seinem Golfklub den Geschäftsführer der regionalen Niederlassung einer relativ unbekannten afrikanischen Bank kennen gelernt und Gelegenheit gehabt, die Leistungsfähigkeit der Software GmbH in einem günstigen Licht darzustellen. Da er auch mit Referenzen aufwarten konnte, hat ihm sein Klubkollege vorgeschlagen, doch ein Angebot für einen größeren Auftrag seiner Bank abzugeben. Dieser Auftrag besteht aus zwei Teilen, die aber nur gemeinsam angenommen werden können. Der erste Teil umfasst die Anpassung vorhandener Software an neue Berichtserfordernisse, der zweite Teil verlangt die parallele Entwicklung eines entsprechenden Programms in einer neuen, sehr leistungsfähigen Software. Der Auftragsumfang ist verlockend groß und verspricht ein gutes Geschäft zu werden, wenn die Software GmbH den Zuschlag erhält. Günstig ist auch, dass sich der Geschäftssitz der Bank in der Nähe der Software GmbH befindet. Da Berthold B eine fast freundschaftliche Beziehung zu dem Geschäftsführer der Niederlassung entwickelt hat, rechnet er sich sehr gute Chancen aus, den Auftrag zu bekommen, wenn er ihn wirklich will. Das Problematische an dem Auftrag besteht darin, dass zusätzliches qualifiziertes IT-Personal benötigt wird und der Auftrag trotzdem zeitlich sehr knapp ausgelegt ist. Der Auftraggeber will sich außerdem unbedingt ein kurzfristiges Kündigungsrecht vorbehalten und unabdingbar hohe Pönalen vereinbaren. Dem steht allerdings die Aussage des Geschäftsführers gegenüber, dass man aus diesem Grund auch bereit ist, höhere Honorare zu bezahlen. Berthold B hat zusammen mit dem Projektleiter Edgar E, der sich mit der gewünschten neuen Software auskennt, schon umfangreiche Vorarbeit geleistet, um ein Angebot zu kalkulieren. Er unterbreitet Anton A seine bisherigen Berechnungen und bittet ihn, die Kalkulation aus seiner Erfahrung heraus zu überprüfen. Anton A geht die technischen und personellen Erfordernisse des Auftrags durch und rechnet sie mit Berthold Bs Kostenanschlägen nach. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Auftrag ein wirklich gutes Geschäft für ihr Unternehmen werden kann, wenn nicht unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten. Das wäre der Fall, wenn

6.1 Entscheiden

83

Schlüsselmitarbeiter mitten im Projekt in ein anderes Unternehmen wechselten, wenn der Auftraggeber aus unvorhersehbaren Gründen von seinem kurzfristigen Kündigungsrecht Gebrauch machte und wenn es wegen Terminüberschreitungen zu den vertraglich vereinbarten hohen Strafzahlungen käme. Anton A legt seinem Kollegen Berthold B drei Szenarien vor: ein bestes, ein Szenario mit einem mittleren Ausmaß an nicht vorhersehbaren Schwierigkeiten und ein schlechtestes. Der dazugehörige monetäre Erfolg reicht von außerordentlich positiv, über überdurchschnittlich positiv bis zu beträchtlichem Verlust. Nicht beziffern konnte Anton A, wie sich ein Scheitern des Projekts auf das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber der Software GmbH auswirken würde. Auch den Einfluss auf das Image des Unternehmens wollte er sowohl für den positiven Fall als auch bei negativem Ausgang nicht finanziell bewerten. Berthold B schlug vor, sie beide sollten für die drei Szenarien Wahrscheinlichkeiten annehmen. Da die Summe der von ihnen geschätzten Wahrscheinlichkeiten für den besten Fall und den Fall mit einem mittleren Ausmaß an nicht vorhersehbaren Schwierigkeiten deutlich über der – natürlich ebenfalls nur angenommenen – Wahrscheinlichkeit für den schlechtesten Fall lag, schien die Entscheidung für die Annahme des Auftrags zu sprechen. Sie vereinbarten, sich zur definitiven Entscheidung am nächsten Tag zu treffen. Während Berthold B nach wie vor von der Vorteilhaftigkeit einer Auftragsannahme überzeugt war, hatte Anton A „Bauchschmerzen“ bekommen. Er erinnerte sich an Projekte bei seinem früheren Arbeitgeber, die wider alles Erwarten schief gegangen waren. Man hatte dem Auftraggeber vertraut, obwohl man keine eigenen Erfahrungen hatte und auch nicht auf die Erfahrungen anderer Unternehmen der Branche zurückgreifen konnte. Außerdem waren damals alle überrascht, wie die Mitarbeiter mit Kündigung und Motivationsverlust auf das schlechte Geschäft reagiert hatten. Anton A bittet Berthold B um Verständnis, dass er einer Angebotsabgabe nicht zustimmen möchte, auch wenn er diese Meinung nicht mit Zahlen stützen könne.

84

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Kommentar: Es gibt in diesem Fallbeispiel keine richtige oder falsche Entscheidung. Berthold B und Anton A haben eine Entscheidung gut vorbereitet, sie insbesondere auch mit Zahlen untermauert. Aber es bleiben Unwägbarkeiten, die nur nach Maßgabe der Risikobereitschaft der beiden Geschäftsführer und Eigentümer für oder gegen eine Angebotsabgabe sprechen. Anton As „Bauchschmerzen“ belegen eine aus Erfahrung gespeiste geringere Risikobereitschaft als die Berthold Bs.

6.1.4

Grad der Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungen

Meist ziehen weniger die Inhalte von Entscheidungen Kritik nach sich als vielmehr die Art, wie sie getroffen und kommuniziert werden. Deshalb beschäftigt sich dieser Abschnitt mit der Beteiligung von Mitarbeitern an Entscheidungen. Das Thema Kommunikation wird in Kapitel 6.3 behandelt. Anforderungen an Entscheidungen bestehen nicht nur darin, dass sie das jeweilige Problem möglichst gut lösen und rasch getroffen werden, sondern auch darin, dass sie akzeptabel sind. Die Akzeptanz von Entscheidungen kann durch die Beteiligung der Betroffenen (d.h. bei Führungskräften der Mitarbeiter) günstig beeinflusst werden. Diese Erkenntnis spricht dafür, die Mitarbeiter stark einzubeziehen. Gleichzeitig kostet Beteiligung aber Zeit, was vielleicht der Forderung nach einer raschen Entscheidung entgegensteht. Insofern muss die Führungskraft abwägen, welches Kriterium (Beteiligung vs. rasche Entscheidungsfindung) in der jeweiligen Situation vorrangig ist. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass Beteiligung (z.B. bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen) mit Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeiter zusammenhängt (vgl. Antoni, 2007). Beteiligung erhöht das Verständnis für Aufgaben und Entscheidungen und fördert motivationale Aspekte wie Vertrauen, Gruppenzusammenhalt und Identifikation mit dem Unternehmen. Je stärker die Mitarbeiter beteiligt werden, desto eher nehmen sie den Führungsstil der vorgesetzten Person als kooperativ im Gegensatz zu autoritär wahr (vgl. Chies/Vetter, 2008; siehe Abb. 6.3). Wie stark die Führungskraft ihre Mitarbeiter einbindet, wird außerdem von der Reife der Mitarbeiter abhängen (vgl. Kap. 4.3).

6.1 Entscheiden

Die Führungskraft trifft die Entscheidung und gibt sie bekannt

Grad der Beteiligung der Mitarbeiter

Die Führungskraft trifft die Entscheidung und erläutert sie den Mitarbeitern

hoch

Die Führungskraft präsentiert Ideen und lässt Fragen dazu stellen; sie entscheidet anschließend Die Führungskraft stellt die zu erwartende Entscheidung vor und akzeptiert Änderungsvorschläge/Modifikationen Die Führungskraft stellt das Problem dar, sammelt Lösungsvorschläge der Mitarbeiter und entscheidet dann Die Führungskraft definiert Rahmenbedingungen zum Problem und lässt die Arbeitsgruppe eine Entscheidung erarbeiten Die Mitarbeiter treffen im von der Führungskraft vorgegebenen Rahmen die sie betreffende Entscheidung selbst

autoritär

Von Mitarbeitern wahrgenommener Führungsstil

gering

85

kooperativ

Abb. 6.3:

Von Mitarbeitern wahrgenommener Führungsstil in Abhängigkeit von der Partizipation der Mitarbeiter bei Entscheidungen (in Anlehnung an Chies/Vetter, 2008, S. 196)

6.1.5

Methoden der Entscheidungsfindung

Vor- und Nachteile abwägen Eine Möglichkeit, die beste Handlungsalternative zu finden, besteht darin, zu jeder Handlungsalternative Argumente zu sammeln und anschließend festzulegen, ob es sich um einen Vorteil oder einen Nachteil handelt. Danach wird ausgezählt, ob die Vorteile oder die Nachteile überwiegen. In diesem Fall wird jedes Argument gleich gewichtet. Wenn man der Meinung ist, dass die einzelnen Argumente unterschiedlich bedeutsam sind, sollten sie mit Gewichten versehen werden (positive für Vorteile, negative für Nachteile). Deren Summe drückt dann das Maß der Vorteilhaftigkeit der Handlungsalternative aus (siehe Abb. 6.4).

86

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Handlungsalternative A: Prinzip: One face to the customer Argument

Gewicht Vor-/ (0-10) Nachteil

Bewertung (Vorteil = +, Nachteil = -)

Kunde hat nur einen Ansprechpartner

6

V

+6

Vertretung ist schwieriger, weil Vertreter den Kunden und seine Situation nicht kennt

5

N

-5

Mitarbeiter kennt die Situation beim Kunden genau und kann daher optimal beraten

8

V

+8

Jeder muss alle Arbeitsinhalte beherrschen

4

V/N

+4 / -4



Gesamtwert für die Alternative Abb. 6.4:

+9

Beispiel für eine gewichtete Bewertung der Vor- und Nachteile einer Handlungsalternative

Die Führungskraft kann ihre Mitarbeiter dabei auf folgende Weise beteiligen: Argumente können von allen zusammen in Form eines Brainstorming gelistet werden. Ob es sich dabei um Vor- oder Nachteile handelt kann ebenso gemeinsam ausdiskutiert werden wie die Gewichte, mit denen ein Argument versehen wird. Die Handlungsalternative mit dem höchsten Gesamtwert gilt als die beste. Eine andere Möglichkeit der Beteiligung besteht darin, die Argumente zu allen Handlungsalternativen bei diesen nur gemeinsam aufzulisten und jedem Beteiligten die Entscheidung zu überlassen, welche Alternative er vorzieht. In diesem Fall würden die Listen der Vor- und Nachteile aller Alternativen nebeneinander stehen und nach einer offenen Diskussion könnte jeder Mitarbeiter seine Stimme für eine der Alternativen abgeben (z.B. indem ein Punkt für die präferierte Handlungsalternative vergeben wird). Die Alternative mit den meisten Stimmen gilt dann als gewählt (siehe Abb. 6.5).

6.1 Entscheiden

87

Alternative A

Alternative B

Pro

Contra

Pro

Contra

1. Argument

1. Argument

1. Argument

1. Argument

2. Argument

2. Argument

2. Argument

2. Argument

3. Argument

3. Argument

3. Argument

3. Argument



4. Argument

4. Argument

4. Argument



5. Argument

5. Argument





Ich stimme für folgende Alternative: Alternative A

Alternative B

4 zu 6 Stimmen  Alternative B ist gewählt Abb. 6.5:

Beispiel für eine ungewichtete Sammlung der Vor- und Nachteile zu zwei Handlungsalternativen, über die die Mitarbeiter dann abstimmen

Präferenzenmatrix Eine Methode, um Handlungsalternativen oder Ziele in Bezug auf ihre Bedeutung zu ordnen, bietet die Präferenzenmatrix. Dabei werden zunächst alle Ziele gesammelt und dann jeweils paarweise in ihrer Wichtigkeit oder Vorteilhaftigkeit miteinander verglichen. Das bedeutsamere Ziel wird notiert. Nach Durchführung aller Paarvergleiche wird ausgezählt, wie oft ein Ziel im direkten Vergleich mit einem anderen vorgezogen wurde. Die Priorisierung der Ziele ergibt sich aus den relativen Häufigkeiten. (siehe Abb. 6.6). Eine Beteiligung der Mitarbeiter kann bei dieser Methode bei der Sammlung der Ziele sowie beim paarweisen Vergleich erfolgen.

88

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Optimierung der Arbeitsaufgabe: Ergebnis der Paarvergleiche Ziele

A

B

C

D

E

A

Reduzierung der Bearbeitungszeit

B

Verbesserung der Kommunikation der Teammitglieder

A

C

Reduzierung der Fehlerrate

C

C

D

Höhere Transparenz für den Kunden

A

D

C

E

Nachvollziehbare Dokumentation

A

E

C

D

Ziel

A

B

C

D

E



Häufigkeit der Priorisierung

3

0

4

2

1

10

30%

0%

2

5

Gewicht des Ziels (relative Häufigkeiten) Rangreihe der Ziele

Abb. 6.6:

40% 20% 10% 1

3

100

4

Beispiel einer Präferenzenmatrix für die Ziele bei der Optimierung einer Arbeitsaufgabe (Darstellung in Anlehnung an Vahs, 2009, S. 510)

Nutzwertanalyse / Scoring-Modell Die Nutzwertanalyse (auch Scoring-Modell genannt) beschränkt sich nicht auf die einfache Listung von Vor- und Nachteilen. Das Verfahren wird eingesetzt, wenn gleichzeitig verschiedene Zielsetzungen vorliegen. Die Ziele werden zunächst gewichtet. Bedeutsamere Ziele gehen mit einer höheren Gewichtung in die Analyse ein als Ziele mit geringerer Wichtigkeit. Dieses Verfahren ist sinnvoll, wenn zu Handlungsalternativen genügend Informationen bzgl. der Ausprägung der Zielkriterien vorliegen. Dabei können quantitative Aspekte (z.B. Kosten, Anzahl verfügbarer Arbeitskräfte) mit qualitativen (z.B. Qualifikation verfügbarer Arbeitskräfte) innerhalb einer Analyse miteinander kombiniert werden. Die Einschätzung der Gewichte sowie des Ausprägungsgrades der Zielkriterien ist natürlich zumindest zum Teil Ergebnis subjektiver Bewertungen (vgl. z.B. Vahs/Schäfer-Kunz, 2007). Für die Bewertung der Wichtigkeit der Ziele kann die zuvor beschriebene Präferenzmatrix verwendet werden. Abbildung 6.7 zeigt ein Beispiel für eine Nutzwertanalyse, bei der vier verschiedene Standorte (A-D) hinsichtlich vier relevanter Faktoren in ihrer Vorteilhaftigkeit subjektiv bewertet werden. Ergebnis der Bewertung in Bezug

6.1 Entscheiden

89

auf einen relevanten Faktor ist der Zielwert. Der Zielwert multipliziert mit dem für den Faktor festgelegten Gewicht (Zielgewicht) ergibt den Nutzwert einer Alternative hinsichtlich eines Faktors. Die Summe der Nutzwerte einer Alternative über alle Faktoren bildet die Vorteilhaftigkeit dieser Alternative (Gesamtnutzwert) ab. In diesem Beispiel wäre Alternative C (höchster Gesamtnutzwert) zu wählen. Die Mitarbeiter können sowohl bei der Ermittlung der Zielwerte als auch bei der Festlegung der Zielgewichte beteiligt werden.

Standort

Infra- Verfügbarkeit Arbeits- Entfernung Gesamtstruktur Gebäude markt zum Kunden Nutzwert

Zielgewichte

2,5

1,5

2,5

3,5

10

A

8*

3

5

6

58

B

4

3

4

5

42

C

5

7

8

7

67,5

D

3

9

2

6

47

* Zielwerte der Vorteilhaftigkeit: 1 (gering) bis 10 (hoch)

Abb. 6.7:

Beispiel für die Bewertung von Standorten mit dem Verfahren der Nutzwertanalyse

SWOT-Analyse Die ursprünglich aus dem Englischen kommende Bezeichnung SWOTAnalyse ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der zu analysierenden Faktoren. Dabei steht S für strengths (Stärken), W für weaknesses (Schwächen), O für opportunities (Chancen) und T für threats (Risiken). Das Verfahren wird eingesetzt, um einen strukturierten Überblick über Stärken und Schwächen eines Unternehmens bzw. eines betrachteten Geschäftsbereichs (interne Aspekte) sowie seine Chancen und Bedrohungen (externe Aspekte) zu bekommen. Aufgrund des Umfangs der betrachteten Faktoren wird diese Methode üblicherweise nur eingesetzt, wenn es um strategische Entscheidungen geht. Das Schema der Analyse ist in Abbildung 6.8 dargestellt.

90

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Art der Wirkung

unternehmensinterne Faktoren

positiv

negativ

Stärken

Schwächen

Chancen

Risiken

Perspektive unternehmensexterne Faktoren

Abb. 6.8:

Schema der SWOT-Analyse

Nach der Identifizierung und Detaillierung der internen und externen Faktoren können die Stärken und Schwächen mit den Chancen und Bedrohungen in Beziehung gesetzt werden. Konkret bedeutet das, zu überlegen, wie die Stärken zur Nutzung von Gelegenheiten (Chancen) und zur Abwehr der Risiken genutzt werden können. Außerdem wird analysiert, wie die Chancen zur Überwindung der derzeitigen Schwächen genutzt und wie die Schwächen durch Vermeidung von Risiken verringert werden können. Mitarbeiter können an beiden Phasen der SWOT-Analyse beteiligt werden, d.h. einerseits bei der Ermittlung und Beschreibung von Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken sowie andererseits bei der Ableitung der sich aus der Konstellation ergebenden Konsequenzen und Maßnahmenvorschlägen. Kraftfeldanalyse Die Kraftfeldanalyse ist ein weiteres Instrument zur Vorbereitung einer Entscheidung bzgl. einer Veränderung. Ausgangspunkt der Analyse bildet eine problematische Situation, die verändert werden soll. Es wird zunächst die aktuelle Situation beschrieben und erläutert, warum die Veränderung notwendig ist. Anschließend wird ein klares und umfassendes Bild der angestrebten Zielsituation gezeichnet. Im dritten Schritt werden die auf die aktuelle Situation wirkenden Kräfte identifiziert und im Hinblick darauf bewertet, ob sie für (fördernde Kräfte) oder gegen (hemmende Kräfte) die gewünschte Veränderung wirken. Weiterhin wird das Ausmaß ihres Einflusses geschätzt

6.1 Entscheiden

91

(1 = gering bis z.B. 6 = stark) und bestimmt, ob sie unter Kontrolle des Unternehmens bzw. der Führungskraft und der Mitarbeiter stehen (++ für starke Einfluss,  für ohne Einfluss). Auf dieser Grundlage werden Strategien entwickelt, um die aktuelle Situation in Richtung des angestrebten Zustands zu lenken. Nach Auswahl der besten Strategie wird ein konkreter Plan zur Erreichung der Ziele implementiert und es werden Maßnahmen zur Stabilisierung der dann erreichten Sachlage vereinbart (siehe Abb. 6.9). Die Führungskraft kann ihre Mitarbeiter an allen Phasen der Kraftfeldanalyse beteiligen. Sie können Probleme und das angestrebte Ziel aus ihrer Sicht beschreiben, fördernde und hemmende Kräfte identifizieren und das Ausmaß von deren Einfluss einschätzen. Sie können Strategien zur Veränderung entwickeln und angeben, welche Maßnahmen von wem durchgeführt werden könnten.

Ziel: ………… Förderliche Kräfte Ausmaß

1—2—3—4—5—6

Hemmende Kräfte 6—5—4—3—2—1

Ausmaß

Einfluss

Einfluss

+

Argument

Argument

++

++

Argument

Argument



+

Argument

Argument

+



Argument

Argument

+

++

Argument

Vereinbarte Maßnahmen: 1. Maßnahme bis Termin x, verantwortlich: y 2. Maßnahme bis Termin x, verantwortlich: y …

Abb. 6.9:

Schema der Bearbeitung und Dokumentation der Kraftfeldanalyse

92

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

6.2

Ressourcen sichern

6.2.1

Aufgaben der Ressourcensicherung im Überblick

Bei der Führungsaufgabe „Ressourcen sichern“ geht es nicht darum, dass für den Geschäftsbetrieb notwendige Aktivitäten anstatt von den fachlich zuständigen Mitarbeitern von den Führungskräften selbst übernommen werden. Unter dieser Bezeichnung wird vielmehr die Unterstützung behandelt, die Führungskräfte Mitarbeitern bei der erfolgreichen Abwicklung von Projekten bzw. bei der Erledigung von übertragenen Aufgaben gewähren. Diese Unterstützung bezieht sich auf die Bereitstellung solcher Ressourcen, deren Beschaffung nicht Teil der Aufgabenerledigung bzw. Projektabwicklung ist bzw. die darüber hinausgeht. Die mit der Ressourcen-Sicherung verbundenen Aufgaben lassen sich in die drei Kategorien Sachbezug, Personalbezug und Koordinierungsbezug einteilen (siehe Abb. 6.10).

Sachbezug

Personalbezug

Koordinierungsbezug

Abb. 6.10:

Ressourcensicherung lässt sich in drei verschiedene Kategorien einteilen

6.2 Ressourcen sichern

6.2.2

93

Ressourcen-Sicherung mit Sachbezug

Wenn die Führungskraft erkennt, dass Aufgaben suboptimal erledigt werden, ohne dass dies an den Fähigkeiten und dem Willen der mit ihnen beauftragten Mitarbeiter liegt, besteht für sie Handlungsbedarf. Das Ausmaß, in dem Anpassungsbedarf bzw. Anpassungsmöglichkeiten erkannt werden, hängt zu einem guten Teil von der Kreativität der Führungskräfte ab (vgl. z.B. Dubrin, 2010). Die Ursache kann in organisatorischen oder prozessualen Defiziten liegen. Wenn Kompetenzen nicht eindeutig zugeordnet sind und Mitarbeiter einander widersprechende Weisungen erhalten können, wird der Geschäftsablauf mindestens verzögert, wenn nicht mit Fehlern belastet. Typisch ist der Fall, dass bei der Beschaffung von Material und Investitionsgütern sowohl der Bedarfsträger, d.h. die nutzende Abteilung, als auch die Einkaufsabteilung mitzureden haben. Während der Bedarfsträger vermutlich in erster Linie bekannte und bewährte Produkte bzw. zuverlässige Lieferanten wünscht, hat die Einkaufsabteilung im Allgemeinen die Aufgabe, möglichst preiswert einzukaufen. Wenn sich letztere durchsetzt, kann das zu objektiv schlechterer Produktion führen oder dazu, dass die Qualität der eingekauften Güter für Fehler in der Leistungserstellung verantwortlich gemacht wird, ohne dass dies die wahre Ursache ist. In KMU kann diese Problematik z.B. entstehen, wenn der Geschäftsführer aus finanziellen Gründen oder zur Stärkung oder Aufrechterhaltung seines Netzwerks andere Materialien bestellt, als seine Bauleiter bzw. Vorarbeiter gewohnt sind zu verarbeiten. Zu den prozessual relevanten Defiziten gehören z.B. die nicht optimale Positionierung der Qualitätskontrolle oder eine unvorteilhafte Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Wenn Programmteile das erste Mal nach Zusammenfügen zum Gesamtprogramm des Auftrags getestet werden, geht wertvolle Zeit verloren, sollten sie nicht wie geplant funktionieren. Wenn Zahlungen schon vor der Qualitätskontrolle erfolgen, um Skonti zu nutzen, können ungerechtfertigte Geldabflüsse entstehen. Sobald Führungskräfte von solchen organisatorischen oder prozessualen Defiziten Kenntnis erlangen oder sich ihrer bewusst werden, sollten sie korrigierend eingreifen.

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

In vielen Fällen sind Organisation und Prozesse durchaus gut gestaltet, aber die Leistungen im Unternehmen könnten noch besser sein, wenn bei Anlagegegenständen oder Verbrauchsgütern in manchen Fällen auch Eigenschaften genehmigt würden, die über den Unternehmensstandard hinausgehen. Man stelle sich z.B. vor, dass mit den in der Marketingabteilung vorhandenen Standard-PCs und Standard-Druckern aktuelle Prospekte nur in bescheidener Qualität und unter unverhältnismäßig großem Zeitaufwand hergestellt werden könnten. Das gleiche gilt, wenn Vorlagen für Aufträge, die an Druckereien vergeben werden, nur in ungenügender Qualität zu produzieren sind und teure Nacharbeiten erfordern. Im Labor würde sich die Ausstattung der Analysegeräte, die eine Mitarbeiterin bedient, mit einem ihrem Sehvermögen besser angepassten Display rechtfertigen lassen und vermutlich auch „auszahlen“. Für den handwerklichen Bereich könnte als Beispiel dienen, den Mannschaftswagen eines regelmäßig mit Erdarbeiten beschäftigten Bautrupps ausnahmsweise mit einer speziellen Heizung zur Trocknung von Kleidungsstücken auszurüsten. Damit könnte Erkältungskrankheiten und in deren Folge dem Ausfall von Arbeitskräften vorgebeugt werden. Ähnlich gelagert sind die Fälle, wenn es sich als vorteilhaft erweisen würde, generell zusätzliche, bisher nicht eingeführte Ausstattung bzw. Geräte anzuschaffen. In vielen Fällen wird der Bedarfsträger nicht die Vollmacht haben, Anlagen bzw. Geräte mit höherer Produktivität anzuschaffen. Vielleicht kann er auch gar nicht überblicken, welche wirtschaftlichen Vorteile sich aus dem Kauf neuer Materialien bzw. neuer Investitionsgüter ergeben könnten. Erkennt z.B. eine Führungskraft in einem Bauunternehmen, dass das von ihren Monteuren verwendete Material durch preiswerteres bzw. effektiveres ersetzt werden kann, sollte sie dessen Anschaffung in die Wege leiten bzw. anregen. Wo bisher handgeführte pressluftgetriebene Bohr- und Schneideanlagen als ausreichend erachtet wurden, könnten durch selbstfahrende und selbstgesteuerte Geräte Produktivitätsvorteile in Form von Arbeitserleichterung, kürzeren Einsatzzeiten und eventuell Personaleinsparungen realisiert werden. Um solche wirtschaftlichen Chancen und ihren Nutzen für das Unternehmen zu erkennen, ist eine entsprechende Marktübersicht unabdingbar. Das sorgfältige Studium von Angeboten und regelmäßige Messebesuche

6.2 Ressourcen sichern

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sollten deshalb zu den unverzichtbaren Aufgaben aller Führungskräfte gehören. Fallbeispiel: Anschaffung von Hard- und Software Die in der Software GmbH Hardware ist so ausgelegt, dass mit für Kundenaufträge benötigter Software im Allgemeinen problemlos gearbeitet werden kann. Projektleiter Edgar E ist mit seinem Team schon in einer frühen Phase hinter dem Zeitplan zurückgeblieben und möchte die Verzögerung gern wettmachen. Er hat schon sein letztes Projekt ohne eigenes Verschulden nicht fristgerecht beenden können und will deshalb diesmal auf jeden Fall die Zeitvorgabe einhalten. Da er nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer Technik, Anton A, nicht mit personeller Verstärkung rechnen kann, hat er sich eine technische Lösung seines Problems überlegt. Er hat auf der letzten Messe Geräte kennengelernt, die Daten bedeutend schneller als die im Unternehmen üblichen Computer und anders als diese auch noch simultan verarbeiten können. Zur vollen Nutzung dieses Vorteils wird ein spezielles Programm angeboten. Edgar E hat den Eindruck, dass er durch die Nutzung dieser Hard- und Software verlorene Zeit wieder gutmachen kann. Er musste allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass es mit dieser neuen Generation von Technik bezüglich ihres Handlings und ihrer Zuverlässigkeit bisher kaum Projekterfahrung gibt. Um nicht durch erneute Terminüberschreitung sein Standing im Unternehmen zu gefährden, entschließt sich Edgar E trotzdem, diese Hard- und Software für sein Projekt anschaffen zu lassen. Edgar E wendet sich mit einem Anschaffungsauftrag organisationsgemäß an Karel K, der für Beschaffungen zuständig ist. Ihm ist bewusst, dass er mit dieser Anschaffung sein Projektbudget überschreitet. Karel K macht ihn auch sofort darauf aufmerksam und weigert sich, den Anschaffungsauftrag auszuführen. Er erwähnt auch, dass er weiß, die in Frage stehenden Objekte seien noch relativ unerprobt. Edgar E ist mit dem Bescheid von Karel K unzufrieden und beschließt, sich die Anschaffungsgenehmigung von seinem Vorgesetzten, dem Technik-Geschäftsführer Anton A, zu besorgen. Anton A war von Karel K bereits über den Fall informiert worden, als er sich mit Edgar E trifft. Da er in Edgar E viel Potenzial sieht, aber nicht zu-

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

letzt auch, weil er ihm sympathisch ist, ist Anton A gewillt, den Anschaffungswunsch zu genehmigen. Er lässt sich die durch die Kosten der Anschaffung entstehende Budgetüberschreitung von Edgar E beziffern und meint, sie vor sich mit dem erwarteten Projektprofit rechtfertigen zu können. Er gibt Edgar E die Zusicherung, die Anschaffung anzuweisen, ermahnt ihn aber auch zugleich, den Abschlusstermin dann auf jeden Fall einzuhalten. Karel K bestellt nach Anweisung die in Frage stehende Hardund Software. Aufgrund einer Lieferverzögerung und kurz von dem geplanten Abschluss des Projekts erforderlichen Serviceleistungen des Lieferanten, die mit Arbeitsunterbrechungen verbunden sind, kann trotz jetzt prinzipiell leistungsfähigerer Ausstattung der Abschlusstermin nicht eingehalten werden. Der Kunde ist nicht – wie früher – zufrieden, weil er erst sehr spät von der Fristüberschreitung informiert wurde.

Kommentar: Der Geschäftsführer Anton A hat die zusätzlichen Kosten akzeptiert in der Hoffnung, den mit dem Kunden vereinbarten Termin einhalten zu können. Dabei hat er offensichtlich erwartet, dass seine Ermahnung an Edgar E, dann aber auch die Fristeinhaltung zu gewährleisten, die auch ihm bekannten Startprobleme mit der auf dessen Wunsch angeschafften Hard- und Software kompensieren würde. Diese Einschätzung war problematisch, weil Edgar E ja schon mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die am Anfang entstandene Verzögerung nicht verhindern konnte. Anton A hat auch nicht bedacht, dass er einen Präzedenzfall geschaffen hat, auf den sich andere Projektleiter in ähnlichen Situationen wahrscheinlich berufen werden. Schließlich hat er unbeabsichtigter Weise dazu beigetragen, Edgar E, den er ja schätzt und dem er viel zutraut, als unzuverlässig erscheinen zu lassen. Besser wäre gewesen, die absehbare Terminüberschreitung sehr frühzeitig mit dem Kunden zu besprechen und eine risikoärmere Lösung zu vereinbaren.

6.2 Ressourcen sichern

6.2.3

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Ressourcen-Sicherung mit Personalbezug

Es ist Sache der Personalabteilung, auf Personalanforderungen der Unternehmenseinheiten im Rahmen der Vorgaben der Geschäftsleitung zu reagieren. Wenn ein Einstellungsstopp angeordnet wurde, müssen entsprechende Wünsche also abschlägig beschieden werden. Günstig wäre es natürlich, wenn die Personalabteilung eine adäquate interne Lösung für den Personalengpass anbieten könnte. Es kann aber Situationen geben, in denen Ausnahme-Entscheidungen angezeigt bzw. notwendig sind. Wenn ein terminlich eingeschränkter Auftrag abgelehnt werden müsste, weil ein zur Abarbeitung unverzichtbarer Mitarbeiter längerfristig erkrankt ist, kann eine Neueinstellung sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar sein. Das gilt gleichermaßen, wenn über Zeitarbeitsunternehmen zeitlich befristeter adäquater Ersatz nicht zu bekommen ist. Auch in einer Phase des Personalabbaus können sich Neueinstellungen rechnen. Es ist durchaus gängige Praxis, eine angestrebte Personalverringerung um 10% durch eine Reduzierung um mehr als 10% bei gleichzeitiger Rekrutierung besser qualifizierter oder motivierter Mitarbeiter zu realisieren. In jedem Fall muss die Führungskraft sich über die Konsequenzen solcher Ausnahme-Entscheidungen im Klaren sein. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass entsprechende Maßnahmen zu Unzufriedenheit in der verbleibenden Belegschaft und zu Motivationsverlusten bei ihr führen (vgl. Weiss, 2005). Wegen der hohen Transparenz in kleineren Unternehmen kann die Genehmigung von Weiterbildungsmaßnahmen zu Konflikten führen. Insbesondere, wenn trotz klarer Regelungen für Wichtigkeit, Durchführung und Finanzierung von Weiterbildungen Ausnahme-Entscheidungen von der Führungskraft getroffen werden. Eine solche Situation mag dadurch entstehen, dass von mehreren gleich qualifizierten Mitarbeitern unter Bedarfs- und Kostengesichtspunkten nur einer in eine teure, aber für die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens sinnvolle Schulung delegiert werden kann. Man kann sich auch vorstellen, dass ein Vorgesetzter in Zeiten geringer Entgeltanpassungen ausgewählte Mitarbeiter mit Weiterbildungsangeboten motivieren und halten möchte (vgl. Kapitel 5.2). In jedem dieser Fälle muss der Führungskraft bewusst sein, dass es sich um Ausnahmen handelt, die sie sich und den übrigen Mitarbeitern gegenüber nur mit nachvollziehbaren

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Argumenten und in diesem Rahmen mit ihrer umfassenderen Einsicht in die wirtschaftlichen Notwendigkeiten rechtfertigen kann. Jenseits von tarifvertraglich oder betriebsvereinbarungsgemäß oder rein betrieblich geregelten Arbeitsbedingungen kann es für das Unternehmen vorteilhaft sein, Individualregelungen zu treffen. Wenn eine Beschäftigte um einen deutlich späteren Arbeitsbeginn bittet, als im Unternehmen üblich, weil sie anders die Betreuung eines Kindes nicht sicherstellen kann, muss die Führungskraft abwägen, ob das Unternehmensinteresse bei dieser Mitarbeiterin einen organisatorischen Einschnitt und in der Folge ähnliche gelagerte Diskussionen mit anderen Beschäftigten rechtfertigt. Unvorhergesehene Verzögerungen in der Projektabwicklung können es zumindest wünschenswert machen, wenn Mitarbeiter – auch entgegen anders lautender Bestimmungen – auf einen Jahresurlaub verzichten und ihn in den Folgejahren teilweise zusätzlich nehmen. Wo besondere Anstrengungen der Mitarbeiter nachträglich zu belohnen sind oder diese zu außergewöhnlichen Leistungen angespornt werden sollen, muss die Führungskraft über Boni und Incentives entscheiden. Sie wird dabei zu bedenken haben, welche zukünftigen Erwartungen sie damit auslöst und welche finanziellen Konsequenzen daraus erwachsen können. Fallbeispiel: Weiterbildung Für die Software GmbH gilt der Grundsatz, dass Weiterbildungsmaßnahmen innerhalb der Arbeitszeit nur genehmigt werden, wenn sie Voraussetzung dafür sind, dass ein Stelleninhaber seine Aufgaben zur Kundenzufriedenheit erledigen kann. Dazu gehören alle Maßnahmen, sich mit geschäfts- und projektnotwendigter Hard- und Software vertraut zu machen, von Kunden geforderte Herstellerzertifikate zu erwerben bzw. zu erneuern und firmeninterne Standards zu erfüllen. Da diese Maßnahmen auch der Employability (Anstellungssicherung) dienen, wird erwartet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür auch einen Anteil an Freizeit einbringen. Die finanziellen Kosten solcher Weiterbildung trägt das Unternehmen. Maßnahmen, die das Ziel haben, einen höheren Berufsabschluss zu erreichen, oder die im anderweitigen individuellen Interesse von Beschäftigten liegen, werden vom Unternehmen weder genehmigt noch gefördert,

6.2 Ressourcen sichern

99

wenn sie die Arbeitszeit tangieren bzw. die Projektdurchführung beeinträchtigen. Die dreißigjährige Fabiola F ist in der Software GmbH als MarketingReferentin in Vollzeit beschäftigt. Sie hatte nach dem Abitur einige Jahre als Stewardess bei einer Fluglinie und anschließend in einem TouristikUnternehmen im Marketing gearbeitet. Sie gehört dem Unternehmen seit vier Jahren an und gilt als sehr engagierte, zuverlässige und selbständige Mitarbeiterin des Geschäftsführers Administration. Fabiola F möchte nicht bis zum Ende ihrer Berufstätigkeit nur ausführend tätig sein, sondern in absehbarer Zeit auch Führungsverantwortung übernehmen. Sie will dazu ein Studium mit dem Abschluss Bachelor of Business Administration aufnehmen. Da sie auf ein Arbeitseinkommen angewiesen ist, würde sie das Studium gern berufsbegleitend durchführen. Eine private Hochschule in der Nähe bietet einen entsprechenden Studiengang an, dessen Präsenzveranstaltungen an einem Nachmittag in der Woche und samstags vormittags stattfinden. Allerdings sind die Studiengebühren beträchtlich. Sie vereinbart mit ihrem Vorgesetzten einen Termin, um mit ihm über die erforderliche Freistellung an einem Nachmittag in der Woche zu sprechen und um eine Beteiligung der Software GmbH an den Studiengebühren zu bitten. In dem Gespräch argumentiert Berthold B mit den unternehmensinternen Richtlinien, die eine Freistellung und eine Kostenbeteiligung im vorliegenden Fall ausschlössen, da diese Weiterbildung nicht im Interesse der Software GmbH liege. Er bringt auch zur Sprache, dass der erforderliche Lernaufwand in der Freizeit ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen könnte. Schließlich verweist er darauf, dass seine Zustimmung einen Präzedenzfall schüfe, auf den sich auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berufen würden und der deshalb sowohl organisatorisch als auch in Bezug auf das Betriebsklima schwer vorherzusehende Folgen zeitigen könnte. Um seine Mitarbeiterin aber nicht nur abzuweisen, schlägt er vor, die Entscheidung dem für Personal formal zuständigen Geschäftsführer Technik, Anton A, zu überlassen, mit dem Fabiola F einen Gesprächstermin vereinbaren solle. Anton A steht vor der Entscheidung, seinen eigenen Personalrichtlinien zu folgen und eine Mitarbeiterin möglicherweise zu demotivieren und in der nächsten Zeit zu verlieren oder eine Lösung zu finden, die die Interessen

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

des Unternehmens wahrt und gleichzeitig die Mitarbeiterin bindet. Da er von seinem Kollegen Berthold B vorab von dem Anliegen Fabiola Fs informiert wurde, hatte er Zeit, gemeinsam mit diesem einen Kompromiss vorzubereiten. Sie haben sich vergewissert, dass sie beide von den Qualitäten Fabiola Fs überzeugt sind und dass eine Konzentration von Berthold B auf den Vertrieb wirtschaftlich vorteilhaft und möglich sei, wenn Fabiola F mit den Kenntnissen einer Bachelor of Business Administration sowohl das Marketing verantworten würde als auch die interne Leitung der gesamten Verwaltungsgruppe übernähme. Vor diesem Hintergrund läge die Förderung des Studiums im Interesse des Unternehmens. Anton A erläutert Fabiola F diese Perspektive und schlägt ihr vor, sie ohne Gehaltsverzicht an einem Nachmittag in der Woche freizustellen und ihr die Hälfte der Studiengebühren als Vorschuss auf ihr späteres höheres Gehalt zu finanzieren. Sollte sie das Unternehmen vor der vollständigen Tilgung des Firmenbeitrags verlassen, würde der offene Rest sofort fällig. Fabiola F nimmt diesen Vorschlag gern und mit dem Gefühl der Dankbarkeit an. Anton A wird die Vereinbarung mit Fabiola F auf der nächsten Betriebsversammlung erläutern.

Kommentar: Der Beschluss der beiden Geschäftsführer, von den firmeninternen Richtlinien abzuweichen, ist keine personelle Routine-Entscheidung, die vom Vorgesetzten bzw. dem Personalverantwortlichen getroffen werden konnte. Sie muss vielmehr als strategische Maßnahme gewertet werden, der eine Unternehmensperspektive zugrunde lag. Sie ist zugleich praktizierte Führung, weil sie bei Fabiola F Demotivierung verhindert und Bindung erzeugt hat. Wären Anton A und Berthold B nicht vom Leistungspotenzial Fabiola Fs überzeugt gewesen, hätten sie vermutlich deren Anliegen mit Bezug auf die firmeninternen Richtlinien abgewiesen. Die von ihnen gemachte Ausnahme ließ sich gegenüber dem Gerechtigkeitsempfinden der Belegschaft aber nur rechtfertigen, wenn sie nicht als solche, sondern als strategische Entscheidung begründet wurde. Daraus erwuchs die ergänzende, aber genauso wichtige Führungsaufgabe gegenüber allen anderen Mitarbeitern, die Maßnahme für diese transparent zu

6.2 Ressourcen sichern

101

machen. Das konnte für die Software GmbH am besten in einer Betriebsversammlung geschehen.

6.2.4

Ressourcen-Sicherung durch Koordinierung

In der IT-Branche kommt es öfter vor, dass Mitarbeiter gleichzeitig in mehr als einem Projekt eingesetzt sind bzw. Projektleiter um personelle Ressourcen konkurrieren. Manchmal muss auch bei parallel laufenden Projekten und einem Zurückbleiben hinter dem Zeitplan entschieden werden, welches Projekt durch zusätzliche Ressourcen bzw. den Abzug von Personal aus einem anderen Projekt priorisiert werden soll. Eine vergleichbare Problematik ergibt sich, wenn bei Bauprojekten durch die Verteilung von Handwerkern der Fertigstellungszeitpunkt und damit vielleicht der Start der nächsten Bauphase festgelegt wird. Die gleiche Problematik liegt vor, wenn für verschiedene Produktionsaufträge identische Maschinen zeitgleich benötigt werden. Dann muss koordiniert werden, in welcher Abfolge und mit welchen zeitlichen Anteilen die Maschinen für die Abarbeitung der verschiedenen Aufträge eingesetzt werden. Selbst wenn es grundsätzliche Regeln für die Behandlung von Aufträgen gibt (z.B. Reihenfolge der Auftragseingänge, Wichtigkeit der Kunden, Gewinnmarge der Aufträge) muss immer damit gerechnet werden, dass aus der aktuellen Situation heraus Priorisierungen vorgenommen werden müssen. Dass solche häufig nicht reibungsfrei verlaufen, ergibt sich aus den unterschiedlichen Interessen der Projekt- bzw. Bauleiter und gegebenenfalls auch aus den mehr oder weniger verbindlichen Versprechungen gegenüber den respektiven Kunden. Die nicht leichte Aufgabe der Führungskraft besteht darin, mit Argumenten, die möglichst alle Betroffenen überzeugen, die für das Unternehmen wirtschaftlich beste Lösung zu finden. Diese kann durchaus darauf hinauslaufen, der Zufriedenheit und dem Stolz eines Schlüsselmitarbeiters den Vorrang einzuräumen vor der Vermeidung kurzfristiger finanzieller Nachteile. Auch wo es eine eigene Vertriebsabteilung mit Außendienst-Mitarbeitern gibt, engagieren sich Führungskräfte – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – in der Akquirierung von Kunden. Man hat sich hier z.B. einen

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Geschäftsführer vorzustellen, der seine Kontakte in einem Arbeitskreis oder einem Sportklub nutzt, Geschäftsbeziehungen anzubahnen. Die Ausgestaltung eines eventuellen Auftrags ist dann wieder Sache der Fachabteilung. Der Einsatz von Führungskräften kann auch dann von Vorteil sein, wenn es darum geht, „Türen zu öffnen“. Wo es für den fachlich kompetenten, aber im Kundenunternehmen hierarchisch nicht kompatiblen Mitarbeiter schwierig wird, einen Präsentationstermin zu bekommen, kann sein Vorgesetzter den Zugang erleichtern. Wenn bei der Abarbeitung von Aufträgen Terminschwierigkeiten auftreten und die Gefahr besteht, den Kundenvorstellungen nicht entsprechen zu können, sollte es sich die Führungskraft angelegen sein lassen, mit dem Kunden Terminanpassungen zu verhandeln. Indem er diese Aufgabe selbst übernimmt, vermeidet er, dass seine direkt involvierten Mitarbeiter mit Entschuldigungen argumentieren, die zwar sie selbst entlasten, aber das Unternehmen in einem weniger vorteilhaften Licht erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit der Akquisition von Aufträgen bei behördlichen Kunden, z.B. Ministerien, und Verhandlungen mit diesen ist auf eine Besonderheit aufmerksam zu machen. Es mag zwar vorteilhaft erscheinen, sich gleich an „Schmidt“ statt an „Schmidtchen“ zu wenden, aber die dort weisungsbefugten, jedoch fachlich verständlicher Weise nicht umfassend versierten Repräsentanten werden sich häufig auf ihre Referenten verlassen, weil sie sich nicht dem – politischen – Vorwurf der Begünstigung aussetzen wollen. Was für Außenkontakte gilt, trifft – in Abhängigkeit von Größe und Struktur des Unternehmens – auch auf interne Kontakte zu. Wenn z.B. Projekte nicht termingerecht ihre Meilensteine erreichen, ist es Sache des Vorgesetzten, eventuell auch der nächst höheren Führungskraft, die Terminüberschreitung zu vertreten. Unabhängig davon, ob die Gründe dafür vom Projektteam zu verantworten sind oder nicht, müssen Änderungen des Terminrahmens vereinbart werden. Vom Verhandlungsgeschick der Führungskraft hängt es – zumindest auch – ab, welche Konsequenzen sich daraus für das Projektteam ergeben. Um Ressourcen-Sicherung durch Koordinierung handelt es sich auch, wenn Vorgesetzte z.B. durch geeignete informelle Veranstaltungen oder räumliche

6.2 Ressourcen sichern

103

Anordnungen erreichen können, dass ein schnellerer und reicherer Informationsfluss stattfindet. Sie tragen damit zu einer besseren Arbeitsatmosphäre, zu größerer Zufriedenheit und damit zur Produktivitätssteigerung bei. Fallbeispiel Organisationseingriff Der Geschäftsführer Administration, Berthold B, bittet seinen Kollegen Anton A, Geschäftsführer Technik und für die Projekte des Unternehmens zuständig, das Projekt eines bestimmten Kunden auf dessen dringende Bitte hin zu beschleunigen. Berthold B weiß, dass sich dadurch die Ablieferung der beiden anderen aktuellen Projekte des Unternehmens verzögern muss, sieht aber keine Schwierigkeit, deren Auftraggeber zu beruhigen. Anton A kann den wirtschaftlichen Hintergrund und die finanziellen Konsequenzen dieses Appells nachvollziehen, ist sich aber bewusst, diesem Wunsch seines Kollegen nur entsprechen zu können, wenn er eine personelle Umbesetzung vornimmt. Sein Dilemma besteht darin, dass sein gesamtes technisches Personal in den drei derzeit laufenden Projekten eingesetzt ist und alle drei Projektleiter im Hinblick auf die Zielvorgaben über eine ungenügende Personalausstattung klagen. Prinzipiell geeignete Mitarbeiter gäbe es in den beiden anderen Projektgruppen. Eine Lösung im Sinne seines Geschäftsführerkollegen wird zusätzlich dadurch erschwert, dass der erfolgsabhängige Gehaltsanteil aller Projektmitarbeiter von ihrer Zielerreichung abhängt. Berthold B hat die geschätzten unmittelbaren und langfristigen Konsequenzen einer Beschleunigung des Projekts von Daniel D den voraussichtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Fristüberschreitung bei einem anderen Projekt oder bei beiden anderen Projekten gegenübergestellt. Auch wenn er sich dabei im Bereich von Unsicherheit bewegt, kommt er zu dem Ergebnis, dass sich die Bevorzugung des Projekts von Daniel D „rechnen“ würde. Sich so zu entscheiden wäre also im Hinblick auf die Unternehmensführung richtig. Das gilt allerdings nur, wenn nicht auch mit den Folgen „schlechter“ Führung gerechnet werden müsste. „Schlechte“ Führung der Projektleiter zu vermeiden ist Anton As Aufgabe. Dieser muss bedenken, wie die Projektleiter Carlo C und Edgar E und deren Mitarbeiter auf einen Eingriff in ihre Teams reagieren werden. Während Carlo C aufgrund seines Alters sicherlich nicht mehr an einen Unterneh-

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

menswechsel denkt, könnte Edgar E, der eine akademische Ausbildung absolviert hat und auf dem neuesten Stand der Technik ist, sich aus Verärgerung nach einem anderen Arbeitgeber umsehen. Anton A unterhält sich zunächst mit Daniel D, um zu erfahren, wie dieser auf die Neuausrichtung seines Projekts reagiert. Daniel D würde diese Herausforderung – wie zu erwarten war – gern annehmen und hat auch gleich vorgeschlagen, wen er am liebsten zusätzlich in seinem Team hätte. Anschließend spricht Anton A zunächst mit Carlo C und dann mit Edgar E. Er erläutert zunächst Carlo C die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Verstärkung des Teams von Daniel D zu Lasten seiner eigenen Projektgruppe und kann darauf verweisen, dass zwei der aktuellen Projektmitarbeiter von Carlo C ja auch schon im Projekt von Daniel D beschäftigt sind. Nachdem Anton A zugesichert hat, dass die Zielvereinbarung mit Carlo C und auch die Zielvereinbarungen der Projektmitarbeiter an die neue Situation angepasst würden, sieht Carlo C keine Probleme, sich und sein Team bei Bedarf zu committen. Edgar E wird von Anton A ausführlich informiert und erfährt auch, dass sein Kollege Carlo C zur gewünschten Unterstützung bereit sei. Anton A bittet ihn zu überlegen, ob auch er eine Teamverkleinerung akzeptieren könne, ohne in zu großen Rückstand zu geraten oder das Projekt überhaupt zu gefährden. Es sei ihm bewusst, dass er das kleinste Team führe und außerdem noch einen Auszubildenden anleiten solle. Edgar E hätte gern gezeigt, dass er auch unter erschwerten Bedingungen Ziele erreichen kann. Er räumt aber ein, dass es unter den gegebenen Umständen besser wäre, wenn ein Mitarbeiter von Carlo C in das Projektteam von Daniel D wechsele. Anton A akzeptiert gern den Einwand von Edgar E und kündigt an, Carlo C um Delegation eines Mitarbeiters in das Team von Daniel D zu bitten.

Kommentar: Anton A hat eine Entscheidung getroffen, die sowohl unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensführung wie auch in Bezug auf „gute“ Führung richtig ist. Im Hinblick auf letztere hat er nicht sofort die offensichtlich einfachere Lösung gewählt, mit Zustimmung von Carlo C einen Mitarbeiter aus dessen Team in die Gruppe von Daniel D zu delegie-

6.3 Informieren

105

ren. Er hat vor seiner Festlegung auch Edgar E die Möglichkeit eingeräumt, einen Mitarbeitertransfer anzubieten. Letzterer hat sich dadurch in die Entscheidung einbezogen gefühlt und Vertrauen gespürt. Dies hat es ihm leicht gemacht, die naheliegendere Lösung des Wechsels eines Mitarbeiters von Carlo Cs Projekt in das von Daniel D ohne Reputationsverlust zu akzeptieren. Carlo C konnte dem Transfer zustimmen, weil er ohne finanzielle und achtungsbezogene Konsequenzen für ihn und sein Team durchgeführt werden kann.

6.3

Informieren

6.3.1

Abgrenzung kommunizieren und informieren

Kommunikation wird verstanden als der Austausch von Informationen mit Hilfe von Zeichen. Zeichen können beispielsweise gesprochene Worte, Laute, körpersprachliche Signale und Symbole wie Buchstaben oder Piktogramme sein. Das einfachste Kommunikationsmodell beschreibt diesen Austausch so, dass ein Sender die Information, die er weitergeben will, in eine geeignete Form überträgt (z.B. eine Geste) und sie dem Empfänger auf diese Weise übermittelt. Dieser Vorgang wird Verschlüsselung genannt. Der Empfänger muss der Nachricht, d.h. in diesem Fall der Geste, entnehmen, was sie bedeutet. Dieser Vorgang wird als Entschlüsselung bezeichnet (vgl. Abb. 6.11). Indem der Empfänger auf die Nachricht reagiert und antwortet, z.B. indem er seinerseits gestikuliert, wird er zum Sender und der ursprüngliche Sender für diese neue Nachricht zum Empfänger. Missverständnisse entstehen, wenn der Empfänger die Nachricht anders versteht, als sie der Sender gemeint hat. Deshalb sollte der Sender immer darauf achten, seine Nachricht möglichst eindeutig zu verschlüsseln oder zu formulieren und zu überprüfen, wie der Empfänger die Nachricht verstanden hat. Missverständnisse können am leichtesten im direkten Gespräch vermieden werden, weil man dabei viele sprachliche und körpersprachliche Mittel einsetzen kann.

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

verschlüsselt

Nachricht

Sender

Empfänger

wird zum

wird zum

Empfänger entschlüsselt

Abb. 6.11:

entschlüsselt

Sender Nachricht

verschlüsselt

Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation

Ohne das Thema Kommunikation hier ausführlich behandeln zu wollen, soll auf zwei Aspekte hingewiesen werden, die für Führungskräfte besonders relevant sind. Erstens kann man nicht nicht kommunizieren (Watzlawick/Beavin/Jackson, 2011). Wenn die Führungskraft sich entschließt, nichts zu sagen, wird ihr Schweigen von ihren Mitarbeitern dennoch als Kommunikationsverhalten wahrgenommen und interpretiert. Ob die Deutung dann beispielsweise eher „Er sagt uns nichts, weil er nichts weiß.“ lautet oder „Er sagt uns nichts, weil er seinen Informationsvorsprung nicht aufgeben will.“, wird von der konkreten Situation abhängen und der Beziehung, die Führungskraft und Mitarbeiter zueinander haben. Zweitens haben Watzlawick und seine Kollegen gefunden, dass eine Nachricht nicht nur den Inhalt umfasst, das heißt der rein wörtliche Informationsgehalt bzw. die semantische Bedeutung der Aussage, sondern immer auch eine zweite Ebene, die Beziehungsebene (vgl. Abb. 6.12). Während das Inhaltliche sich gewissermaßen an den Verstand wendet, drückt die Beziehungsebene aus, wie der Sender im Moment zum Empfänger steht. In der gesprochenen Sprache wird diese typischerweise über die Betonung vermittelt, aber auch durch andere Elemente der Körpersprache wie Mimik, Gestik und Körperhaltung. Die Beziehungsebene gibt uns eine Art Interpretationshilfe, wie das wörtlich Gesagte zu verstehen sei. Wenn die Führungskraft in anerkennendem Ton zum Mitarbeiter sagt: „Das haben Sie großartig gemacht.“, wird die Aussage wahrscheinlich als Lob aufgefasst. Ist der Tonfall hingegeben ironisch, merken die meisten, dass die wörtliche Aussage genau

6.3 Informieren

107

gegenteilig verstanden werden soll. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Beziehungsebene festlegt, wie der wörtliche Inhalt zu verstehen ist. Das heißt, wenn Inhalts- und Beziehungsebene nicht deckungsgleich sind, verstehen wir eine Aussage so, wie es die Beziehungsebene nahe legt.

Inhalt +

Beziehung

Inhalt +

Abb. 6.12:

Beziehung

Jede Nachricht hat eine Inhaltsebene (wörtliche Bedeutung) und eine Beziehungsebene (Hinweis, wie die Nachricht zu verstehen ist)

Eine Führungskraft muss sich dieser Gesetzmäßigkeiten der Kommunikation bewusst sein, um ihre Aufgaben effektiv erfüllen zu können, denn nach verschiedenen Studien verbringen Führungskräfte zirka zwei Drittel ihrer Arbeitszeit mit Kommunikation in mündlicher oder schriftlicher Form (vgl. v. Rosenstiel, 2006). Außerdem ist der Zusammenhang von offener Kommunikation und Arbeitszufriedenheit gut belegt (vgl. Gelleri/Kanning, 2007). Das Informieren gehört zur Kommunikation. In der Klassifikation der kommunikativen Führungsaufgaben von Luthans/Rosenkrantz (1995) gehört das Informieren zur Routinekommunikation. Obwohl es nur um einen Teil des Kommunikationsverhaltens darstellt, handelt es sich dabei um eine zentrale Führungsaufgabe. Die Weitergabe von Informationen ist Voraussetzung für das Funktionieren des Arbeitsprozesses. Darüber hinaus offenbart sich in der Art und Weise des Informierens das Führungsverständnis des Vorgesetzten (vgl. Alter, 2008).

108

6.3.2

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Informationsrollen von Führungskräften

In der Führungstypologie nach Mintzberg werden zehn Führungsrollen unterschieden. Drei davon werden als Informationsrollen bezeichnet, die übrigen als interpersonelle und Entscheidungsrollen. Demnach haben Führungskräfte die Rolle als Informationssammler, Informationsverteiler und Sprecher (siehe Abb. 6.13).

Abb. 6.13:

Die drei Informationsrollen von Führungskräften nach Mintzberg

Während die Rolle des Sprechers in den in diesem Kapitel beschriebenen Führungsaufgaben „Ressourcen sichern“ (Kap. 6.2) und „Repräsentieren“ (Kap. 6.5) abgebildet ist und dort umfassend behandelt wird, ist die Rolle, Informationen zu sammeln, in allen Führungsaufgaben enthalten. So nimmt jede Führungskraft interne und externe Informationen, z.B. von der Unternehmensleitung, von Kollegen und Mitarbeitern, von Kunden und Wettbewerbern sowie aus den Medien auf. Informationen sammeln wird u.a. für die Planung und Koordination der eigenen Arbeit sowie als Grundlage für Entscheidungen genutzt. Diese Rolle wird hier nicht separat dargestellt. Speziell gegenüber ihren Mitarbeitern hat die Führungskraft allerdings die ganz ausdrückliche Aufgabe, Information zu verteilen. Um diese Rolle geht es im folgenden Abschnitt. Alter (2008) unterscheidet Informationen, die an Mitarbeiter gegeben werden, danach, ob sie betriebsnotwendig sind oder nicht, und danach, welche

6.3 Informieren

109

Bedürfnisse sie für Mitarbeiter erfüllen. Betriebsnotwendige Information ist solche, die die Mitarbeiter benötigen, um in Bezug auf ihre Arbeitstätigkeit mitdenken und Initiative zeigen zu können. Sie ermöglicht es ihnen, vorausschauend, zielorientiert und verantwortlich zu handeln. Die betriebsnotwendige Information trägt auch dazu bei, dass sich die Mitarbeiter mit ihrer Aufgabe identifizieren. Darüber hinaus trägt die Führungskraft zur Zufriedenheit der Mitarbeiter bei, wenn sie sie darüber informiert, was sich im Unternehmen ereignet. Diese Information ist im Gegensatz zur betriebsnotwendigen Information, nicht direkt für die Aufgabenerledigung notwendig, sondern geht darüber hinaus. Sie erfüllt für die Mitarbeiter gleich drei Bedürfnisse. Erstens befriedigt sie die Neugier und das Interesse an dem, was im relevanten Umfeld passiert. Die Information bildet damit auch die Grundlage, eigenes Verhalten an das neue Wissen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse anzupassen. Zweitens gibt sie Sicherheit und Orientierung. So bietet beispielsweise die Information über die Unternehmensstrategie, die finanzielle Situation des Unternehmens, die geschäftliche Entwicklung sowie geplante Investitionen die Möglichkeit, Änderungen zu antizipieren und sich emotional auf sie einzustellen. Im Fall von aus der Sicht von Mitarbeitern oft negativ wahrgenommenen Entwicklungen (z.B. eine Übernahme durch ein anderes Unternehmen, Personalabbau, Umstrukturierungen und Einsatz neuer Technologien) sind Enttäuschungen und Verletzungen bei Eintritt der Ereignisse schwächer. Im Fall positiver Entwicklungen ermöglicht das Wissen darum eine Teilhabe in dem Sinn, sich darüber freuen zu können und stolz zu sein, dazu beigetragen zu haben. Nicht zuletzt erfüllt diese Art der Information das Gefühl, dazuzugehören, mit anderen in Austausch zu stehen sowie von der Führungskraft geachtet und ernst genommen zu werden. Da die Führungskraft normalerweise wenig Zeit hat, drückt sie Interesse und Wertschätzung gegenüber ihren Mitarbeitern aus, wenn sie dafür verwendet, sich mit ihnen zu unterhalten und sie zu informieren. Die Information zu unternehmensbezogenen Entwicklungen signalisiert Mitarbeitern auch, dass ihre Führungskraft Vertrauen in sie hat. Gemäß dem Modell der erlernten Bedürfnisse (vgl. Kapitel 5.2) ist betriebsnotwendige Information dazu geeignet, das Leistungsmotiv zu befriedigen. Nicht betriebsnotwendige Information kann dazu dienen, die Motive nach Macht, Zugehörigkeit, Sicherheit und Status zufrieden zu stellen.

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Fallbeispiel: Zusätzlicher Besprechungsraum Fabiola F und Hanna H arbeiten im selben Büro. Ina I, Jonas J und Karel K teilen sich ebenfalls einen Raum, der allerdings deutlich größer ist. Beide Gruppen sind mit dieser Aufteilung bisher durchaus zufrieden. Berthold B möchte von dem größeren Büro gern ein kleines Besprechungszimmer abtrennen und will Ina I zu Fabiola F und Hanna H setzen. Erstere ist nur halbtags anwesend und er meint, bei Fabiola F und Hanna H gebe es noch genügend Platz. In einer der Routinebesprechungen mit seiner Verwaltungsgruppe informiert er seine Mitarbeiter von den bevorstehenden Veränderungen. Alle Betroffenen sind überrascht. Sie hören zum ersten Mal von solchen Plänen. Auf ihre Nachfrage, wie konkret seine Vorstellungen schon seien, erklärt er ihnen, dass Anton A und er dies beschlossen hätten, weil die geschäftliche Entwicklung ein zweites Besprechungszimmer dringend erforderlich mache. Selbstverständlich hätten sie auch Alternativen geprüft, aber keine sinnvolle gefunden. Die Kolleginnen und Kollegen äußern sich in der Sitzung zu diesem Punkt weder zustimmend noch ablehnend. Außerdem sind noch etliche andere Themen zu behandeln. Nach der Sitzung stehen sie allerdings in Grüppchen zusammen und diskutieren die neue Situation. Auch hier halten sich alle mit einer definitiven Meinung zu Berthold Bs Plan zurück. Fabiola F und Hanna H sind von dem Zusammenrücken mit Ina I nicht begeistert. Es wird in Zukunft enger werden und beide sind sich nicht sicher, wie sich die neue Einteilung auf die Arbeitsatmosphäre auswirken wird. Ina I sieht die bevorstehende Veränderung gelassener, kann aber Fabiola Fs und Hanna Hs Zurückhaltung verstehen. Ihr leuchtet zwar Berthold Bs Plan ein; sie ist aber mit seiner Vorgehensweise nicht einverstanden und bittet ihn deshalb um ein Gespräch. In den nächsten Tagen ist die Neuaufteilung der Räume immer wieder Hauptthema in Gesprächen der Mitarbeiter untereinander. Berthold B hat in seinem Informationsverhalten keine Probleme gesehen und ist deshalb von Ina Is Vorhaltungen überrascht. Diese äußert Verständnis für die Einrichtung eines zweiten Besprechungszimmers, nennt aber seine Vorgehensweise unglücklich und in gewisser Weise demotivierend. Sie hätte es besser gefunden, er hätte sich vor einer Festlegung mit

6.3 Informieren

111

den Betroffenen einzeln unterhalten und sie um ihre Meinung gefragt. Sie hätten wahrscheinlich alle seinen Plan nachvollziehen können und sich außerdem beteiligt, ernst genommen und wertgeschätzt gefühlt. So aber sei der Eindruck entstanden, sie würden wie Schachfiguren gezogen und es käme nicht auf ihre Meinung an. Wenn er diesen Eindruck korrigieren wolle, solle er bald auch mit den anderen betroffenen Kolleginnen reden und versuchen, sie wenigstens nachträglich zu gewinnen. Berthold B ist Ina I für ihre offenen Worte dankbar und will diese Gespräche in den nächsten Tagen führen.

Kommentar: Berthold B hat über einen einfachen Sachverhalt schnell nach der Entscheidung mit seinem Geschäftsführerkollegen alle Betroffenen informiert. Er hat die Entscheidung nachvollziehbar begründet und sie sicherlich verständlich erläutert. Er hat allerdings die „psychologisch und existentiell begründeten individuellen Bedürfnisse“ nach Information der Betroffenen nicht ausreichend berücksichtigt. Man möchte wenigstens gefragt werden, wenn an den eigenen Arbeitsbedingungen Veränderungen vorgenommen werden sollen. Wenn dies nicht geschieht, wird dem existentiellen Bedürfnis nach Sicherheit vor fremden Eingriffen nicht die notwendige Beachtung zuteil. Die Folge könnte sein, sich stärker als bisher ausgeliefert zu fühlen und die Identifikation mit dem Unternehmen aufzugeben. Die Praxis zeigt allerdings, dass Führungskräfte eher zu wenig informieren. Das könnte daran liegen, dass sie ihrerseits vom höheren Management nicht umfassend genug informiert werden oder dass sie Befürchtungen hegen, durch die Weitergabe von Informationen an Informationsvorsprung und damit an Macht einzubüßen. Möglicherweise sind das Gründe dafür, dass eher informelle Informationen, Spekulationen und Gerüchte beachtet werden als offizielle und schriftlich vorliegende Informationen und dass auch Führungskräfte ihrerseits auf erstere zurückgreifen (vgl. Neuberger, 2006). Mitarbeiterbefragungen zeigen regelmäßig den Befund, dass sich Mitarbeiter zu wenig informiert fühlen (Regnet, 2003). Als Konsequenz daraus können Führungskräfte den Schluss ziehen, dass sie kaum zu viel informieren

112

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

können. Für die Art des Informierens gilt prinzipiell, dass sie offen, wahr, rechtzeitig, für alle Betroffenen zugänglich und verständlich sein soll (vgl. auch Alter, 2008). Diese Grundregeln zum Informationsverhalten von Führungskräften sind in Abbildung 6.14 zusammenfassend dargestellt.

Regeln für gutes Informieren 1. Alle relevanten Informationen weitergeben, um verantwortungsbewusstes und zielgerichtetes Handeln zu ermöglichen 2. Mitarbeiter/Betroffene direkt informieren, Informationsweitergabe über „Flurfunk“ vermeiden 3. Proaktiv informieren und nicht nur auf Nachfrage 4. Nicht nur über relevante Entscheidungen informieren, sondern auch über Absichten, Pläne, Entwicklungen 5. Über Hintergründe von Entscheidungen aufklären Abb. 6.14:

Regeln für gutes Informationsverhalten von Führungskräften

Fallbeispiel: Information zum neuen Bonussystem Anton A und Berthold B überlegen, ein neues Bonussystem einzuführen, das die Entgelte der Mitarbeiter in größerem Umfang an der Wirtschaftslage des Unternehmens orientiert und auch die individuelle Leistung stärker berücksichtigt. Sie haben noch keine konkreten Vorstellungen, wollen aber alle Mitarbeiter möglichst frühzeitig über ihre Pläne informieren. Auf der nächsten Betriebsversammlung berichtet Anton A, dass Berthold B und er an einem neuen Bonussystem arbeiten, dass er aber noch keine Einzelheiten berichten kann. Es sei auch noch nicht sicher, ob auch die Verwaltungsmitarbeiter einbezogen würden. Die überraschten Mitarbeiter stellen Fragen nach dem Grund der Neuordnung und – trotz Anton As Hinweis – auch nach der Ausgestaltung des Systems. Die Geschäftsführer können ihre Flexibilisierungsabsichten bezüglich der Entgelte gut mit der Notwendigkeit erklären, sich an sich verändernde wirtschaftliche Gegebenheiten anpassen zu müssen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können.

6.3 Informieren

113

Sie verweisen auf die entsprechenden Entgeltstrukturen bei Wettbewerbern. Näheres stellen sie für die nächste Zeit in Aussicht. In den Tagen nach der Betriebsversammlung ist die Ankündigung der Geschäftsführer Thema in den Büros und bei der Arbeit an den Kundenprojekten. Da niemand Genaues weiß, malen sich die Mitarbeiter das neue Bonussystem nach ihrer Phantasie aus. Sie fragen auch Freunde und Bekannte, die sie in vergleichbaren Unternehmen haben, nach den dortigen Gepflogenheiten. Ein Kollege berichtet von einem Unternehmen, in dem vor etwas mehr als einem Jahr eine „Relative Leistungsbeurteilung“ (vgl. Kapitel 6.4) eingeführt worden sei, die bei der kürzlichen daran orientierten Bonussausschüttung heftigste Kritik und Unzufriedenheit bei den Beschäftigten ausgelöst habe. Die Diskussion von vermeintlich wahrscheinlichen Varianten mit ihren Konsequenzen bindet einen guten Teil der Energie, die besser in die Abwicklung der Projekte bzw. die Erledigung des Tagesgeschäfts gesteckt würde. Das nach einigen Wochen von der Geschäftsführung im Detail vorgestellte Modell besänftigt aber schnell die Gemüter, weil es im Vergleich zum bisherigen zwar die angekündigte stärkere Flexibilisierung bedeutet, aber insgesamt als fair wahrgenommen wird.

Kommentar: Anton A und Berthold B wollten so früh wie möglich über ihre Pläne zur Veränderung des bestehenden Bonussystems informieren, um die Mitarbeiter nicht zu überraschen. Sie hatten die Absicht, sich bezüglich der Einzelheiten noch mit den Projektleitern abzustimmen, die nach ihren Plänen am stärksten betroffen sein würden, wollten aber allen Mitarbeitern Gelegenheit geben, sich damit vertraut zu machen, dass es Veränderungen bezüglich des variablen Teils ihres Entgelts geben würde. Dieses löbliche Vorhaben war aber mit dem Nachteil verbunden, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Ankündigung nichts Konkretes sagen konnten und jeder einzelne Mitarbeiter seine Interessen durch Spekulationen gefährdet sehen konnte. Der mit dieser Selbstbeschäftigung verbundene Energieverlust hätte vermutlich vermieden werden können, wenn ein abgestimmtes und möglichst konkretes System vorgestellt worden wäre. Die Mitarbeiter hätten sich andererseits aber auch „überfahren“ fühlen können.

114

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

6.4

Leistung managen

6.4.1

Führen mit Zielen

Was ist Führen mit Zielen? In der Definition von Führung in Kapitel 2.1.1 wurde deutlich, dass die Führungskraft dafür verantwortlich ist, mit den ihr zugeordneten Mitarbeitern (mindestens) ein gemeinsames und meist vorgegebenes Ziel im Betrachtungszeitraum zu erreichen. Ihre Aufgabe ist es, die Mitarbeiter entsprechend zu steuern. Das Führen mit Zielen gilt als wirksame Methode zur Förderung von Leistung und Motivation (vgl. Schuler/Marcus, 2004). Es hat sich unter der Bezeichnung Management by Objectives (vgl. z.B. Schreyögg, 2008) in den letzten Jahren speziell für den Managementbereich durchgesetzt und wird zunehmend auch für andere Hierarchieebenen angewendet. Es wird typischerweise mit leistungsbezogener Vergütung kombiniert (vgl. Knebel, 2008). Das Führen mit Zielen hat den Vorteil, das Streben von Menschen nach der Erreichung von Zielen zu nutzen, dabei aber dem Mitarbeiter die Wahl zu lassen, welchen Weg er zur Erreichung des Ziels verfolgt (Locke/Latham, 1990). Diese Vorgehensweise stärkt die Selbstverantwortung des Mitarbeiters und erhöht sein Gefühl, Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu besitzen. Ziele dienen der Führungskraft als Steuerungs- und Kontrollinstrument. Sie werden zu Beginn einer Periode abgesprochen und am Ende der Periode als Vergleichsmaßstab für das Erreichte und zur Beurteilung der Leistung des Mitarbeiters genutzt. Da die Führungskraft bei diesem Verfahren weitgehend auf zwischenzeitliche Leistungskontrollen verzichtet, ist es entscheidend, dass sich die Mitarbeiter mit ihren Aufgaben und dem Unternehmen identifizieren und sich diesen verpflichtet fühlen (van Dick, 2004).

6.4 Leistung managen

115

Wie wirken Ziele auf Verhalten und Leistung? Die umfangreiche Forschung zum Thema hat gezeigt, unter welchen Bedingungen sich Ziele leistungsfördernd auswirken (vgl. Kleinbeck, 2004; Latham/Locke/Fassina, 2002). Der Wirkmechanismus ist vereinfacht in Abbildung 6.15 dargestellt. Herausfordernde Ziele Verhalten

Hohe Leistung

Belohnung

Zufriedenheit

Leistungsbereitschaft

Zutrauen Einflussfaktoren

Abb. 6.15:

Wirkung von Zielen zur Erreichung hoher Leistung (in Anlehnung an Latham et al., 2002)

Ein relevanter Faktor sind die Anforderungen: Sie drücken sich in Zielen und Aufgaben aus. Hohe Ziele, die spezifisch und konkret formuliert sind, können die Leistung fördern. Dabei ist wichtig, dass sich die Ziele auf Aufgaben beziehen, die von den Mitarbeitern als herausfordernd angesehen werden. Das ist beispielsweise gegeben, wenn die Mitarbeiter selbständig und ohne Rücksprache arbeiten und Verantwortung übernehmen können oder wenn die Aufgaben wichtig und interessant sind. Außer passenden Zielen und Aufgaben ist das Zutrauen der Person in ihre Fähigkeiten, die Aufgaben erfüllen zu können, die zweite Voraussetzung für hohe Leistung. Sind angemessene Ziele und Zutrauen gegeben, richten die Mitarbeiter ihr Verhalten auf die Ziele aus und suchen nach Strategien, die für die Zielerreichung nützlich sind. So formulierte Ziele und großes Zutrauen bewirken eine höhere Anstrengung und Ausdauer als niedrige und unklar formulierte Ziele und geringes Zutrauen. Die resultierende Leistung wird durch weitere Faktoren beeinflusst. Der Mitarbeiter muss die notwendigen Fähigkeiten besitzen, um die Aufgaben zu erfüllen. Leistungsfähigkeit allein reicht allerdings nicht aus. Es muss

116

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

auch der Leistungswille bestehen, d.h. der Mitarbeiter muss in sich eine Verpflichtung spüren (im Englischen: Commitment), das Ziel zu erreichen. Er benötigt außerdem konstruktives Feedback bzgl. der Zielerreichung sowie günstige Rahmenbedingungen. Darunter sind beispielsweise ausreichend Zeit und notwendige Arbeitsmittel zu verstehen. Gute Leistungen, die angemessen anerkannt werden (z.B. durch positives Feedback, finanzielle Anreize), führen zu hoher Arbeitszufriedenheit. Die Folge ist eine stärkere Bindung an das Unternehmen und eine hohe Leistungsbereitschaft. Im Sinne des Reifegradmodells (vgl. Kapitel 4.3) ist Führen mit Zielen für sehr erfahrene Mitarbeiter sehr gut geeignet. Für weniger routinierte kann das Problem entstehen, dass sie nicht wissen, auf welchem Weg das Ziel erreicht werden könnte. Bei ihnen sind daher Verhaltensziele geeigneter als Ergebnisziele (siehe Abb. 6.17). Wie sollen Ziele sein? Aus dem gerade beschriebenen Wirkmechanismus und umfangreichen Forschungsergebnissen lassen sich wichtige Hinweise zur Gestaltung von Zielen gewinnen. In der Praxis hat sich die SMART-Formel für die Formulierung von Zielen etabliert (vgl. Abb. 6.16). Der Begriff SMART leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der fünf Anforderungen an wohlformulierte Ziele ab. Sie sind aus der Zielsetzungstheorie abgeleitet und dienen als gute Orientierungshilfe für das Führen mit Zielen (vgl. Schmidt/Kleinbeck, 2006). Demnach sollen Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern genau absprechen, welche Leistung am Ende des Beurteilungszeitraums erreicht sein soll (S). Dafür ist es günstig, die Ziele schriftlich zu formulieren. Wichtig ist, dass Mitarbeiter und Führungskraft dasselbe Verständnis haben, damit der Mitarbeiter zielorientiert und selbständig arbeiten kann und nicht später unterschiedliche Auslegungen den Grund für Konflikte bilden. Trotz der Forderung nach einer hohen Spezifität soll darauf geachtet werden, dass Ziele umfangreich genug sind, um eine selbständige und ganzheitliche Bearbeitung zu erlauben. Bei weniger erfahrenen Mitarbeitern können Zwischenziele vereinbart werden. Erfahrene Mitarbeiter werden sich ihre Zwischenziele selbst setzen, um über sie die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung besser abschätzen zu können.

6.4 Leistung managen

Spezifisch Messbar

Abb. 6.16:

117

Präzise Beschreibung des gewünschten Zielzustands

Zielerreichung muss überprüfbar sein

Aktiv beeinflussbar

Ziele müssen von den Mitarbeitern ohne Abhängigkeit von anderen erreicht werden können

Relevant

Ziele müssen aus den Unternehmenszielen ableitbar sein

Terminiert

Für die Zielerreichung muss ein verbindlicher Termin verabredet werden

Kriterien für die Formulierung von Zielen

Ein Ziel ist nur dann nützlich, wenn festgestellt werden kann, ob und wann es erreicht worden ist (M). Das gilt sowohl für Vorgesetze als auch für Mitarbeiter. Die Indikatoren zur Messung der Zielerreichung können quantitativ oder qualitativ sein. Kleinbeck (2004) weist darauf hin, dabei das Abhängigkeitsverhältnis von Menge und Güte der Leistung zu beachten. Werden Ziele aufgrund der leichteren Messbarkeit nur quantitativ formuliert, besteht das Risiko von Qualitätsmängeln. Diese Mängel müssen dann ggf. später kostenintensiv nachgearbeitet werden. Die Ziele sollen anspruchsvoll, d.h. hoch, aber erreichbar sein (A). Das bedeutet einerseits, dass es ungünstig ist, wenn unrealistische Ergebnisse erwartet werden oder wenn die Bearbeitung der Aufgabe und damit die Erreichung der Ziele nicht oder nicht ausreichend unter der Kontrolle der Mitarbeiter steht. Nicht beeinflussbare Faktoren können beispielsweise konjunkturelle Schwankungen oder Lieferengpässe sein. Zur Erreichbarkeit gehört auch, eine angemessene Anzahl von Zielen zu vereinbaren. Sind es zu viele oder haben sie zu wenig Überlappung mit der eigentlichen Arbeitsaufgabe und beziehen sich nur auf Sonderprojekte, wird das Risiko eingegangen, dass die eigentliche Arbeitsaufgabe vernachlässigt wird. Außerdem kann

118

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

eine Demotivierung auf Seiten des Mitarbeiters entstehen, weil er erkennt, dass die Ziele neben der Alltagsarbeit nicht erreichbar sind. Die Ziele der Mitarbeiter sollen aus den Unternehmenszielen abgeleitet und von der jeweils höheren auf die jeweils nachfolgende Hierarchieebene heruntergebrochen werden (R). Es ist darauf zu achten, dass sich die Ziele nicht widersprechen, d.h. miteinander und mit den Unternehmenszielen kompatibel sind. Die Forderung nach relevanten Zielen beinhaltet auch, dass sie aktuell sind und dass nicht alte, inzwischen überholte Ziele weiterverfolgt werden, deren Verfolgung Kapazität bindet und keinen Nutzen für das Unternehmen stiftet. Eine letzte Forderung, die sich aus der SMART-Formel ergibt, ist die nach der Terminierung der Ziele (T). Dem Mitarbeiter muss klar sein, bis wann ein jeweiliges Ziel erreicht sein soll. Nur auf diese Weise können die Schritte zur Zielerreichung sinnvoll geplant werden. Häufig ist der Zieltermin deckungsgleich mit der Beurteilungsperiode (z.B. ein Kalenderjahr oder das Projektende), aber es können auch davon abweichende Absprachen getroffen werden. Welche Arten von Zielen sind unter welchen Umständen sinnvoll? In der Praxis werden am häufigsten Ergebnisziele vereinbart. Das ist sinnvoll, da sie am besten die Ziele der Unternehmensleitung abbilden und so der Erfolgssteigerung auf Unternehmensebene dienen (Lohaus/Schuler, in Druck). Sie orientieren sich häufig an monetären Unternehmenskennzahlen und beziehen sich beispielsweise auf den Umsatz, den Gewinn, die Rendite oder die Kosten (vgl. Eyer/Haussmann, 2005), können aber auch im Sinne der Balanced Scorecard auf Prozesse, Kunden oder Mitarbeiter bezogene Ziele sein (Kaplan/Norton, 1997). Sie sind allerdings nicht für alle Mitarbeiter geeignet. Wenn der Zweck der Motivations- und Verhaltenssteuerung im Vordergrund steht, sind nach Erkenntnissen der Zielsetzungsforschung an Verhalten orientierte Ziele günstiger (vgl. Marcus/Schuler, 2006). Sie sind außerdem dann sinnvoll, wenn die Mitarbeiter noch nicht über ausreichend Kompetenz verfügen, einen angemessenen Weg zur Erreichung eines Ergebnisziels selbständig wählen zu können. Beispiele für Ergebnis- und Verhaltensziele sind in Abbildung 6.17 aufgeführt.

6.4 Leistung managen

119

Ergebnisziele

Verhaltensziele

Steigerung des Umsatzes im Beratungsthema X um y T€

Bearbeitung von Preisanfragen innerhalb eines Arbeitstags

Entwicklung eines einführungsreifen Arbeitszeitmodells

Abgabe der Stundenzettel jeweils am Monatsletzen im Personalbüro

Gewinnung eines Neukunden im Segment A

Regelmäßiges Einpflegen der Kundenanforderungen in die Datenbank

Abb. 6.17:

Beispiele für Ziele, die sich auf Ergebnisse und Verhalten beziehen

Wie unterscheiden sich Zielsetzung und Zielvereinbarung? In der Praxis wird Führung mit Zielen entweder in der Weise praktiziert, dass die Ziele von Vorgesetzten einseitig vorgegeben werden (Zielsetzung, autokratische Variante), oder sie werden im partnerschaftlichen Gespräch gemeinsam festgelegt (Zielvereinbarung, partizipative Variante; vgl. Putz/Lehner, 2002). Die Vorgehensweisen sind mit verschiedenen Vor- und Nachteilen verbunden. Gibt die Führungskraft die Ziele einseitig vor, kann sie sicher stellen, dass die Ziele aus den Unternehmenszielen stringent abgeleitet sind und der Mitarbeiter durch seine Zielerreichung den notwendigen Beitrag zur Zielerreichung der Führungskraft selbst leistet. Da Unternehmensziele in der Mehrzahl sehr ehrgeizig sind und da die Sichtweise des Mitarbeiters nicht berücksichtigt wird, kann davon ausgegangen werden, dass die festgelegten Ziele sehr hoch sind. Hat der Mitarbeiter in einem Zielvereinbarungsprozess Einfluss auf die Zielformulierung, wird er vermutlich versuchen, weniger hohe Ziele zu vereinbaren, um dadurch die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, die Ziele auch erreichen zu können. Allerdings liegt ein Vorteil der gegenseitigen Zielabsprache eindeutig darin, dass sich der Mitarbeiter durch seine Teilhabe an der Absprache verpflichtet fühlt, die vereinbarten Ziele auch zu erreichen. Er wird sich besonders ans-

120

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

trengen, die Ziele zu erreichen, da seine Glaubwürdigkeit und Reputation im Fall des Nicht-Erreichens auf dem Spiel stehen. Forschung hat gezeigt, dass Commitment zu den Zielen die Leistung erhöht (vgl. Latham et al., 2002). Dieses Commitment wird durch die Teilhabe am Zielfindungsprozess gefördert (vgl. Muck/Sonntag, 2007). Im Fall einer einseitigen Zielvorgabe fühlt sich der Mitarbeiter nicht einbezogen und daher auch nicht notwendigerweise an sie gebunden. Dieses Manko der Zielsetzung kann allerdings dadurch ausgeglichen werden, dass die Zielerreichung in starkem Maße mit monetären Konsequenzen verbunden wird. Hängt ein großer variabler Gehaltsanteil von der Zielerreichung ab, so wird sich der Mitarbeiter auch dann sehr anstrengen, wenn er nicht in die Zielfindung eingebunden war und die Ziele für zu hoch, d.h. unerreichbar hält. Er möchte ja keine Einschränkungen im Lebensstandard in Kauf nehmen müssen. Liegt das Ziel nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv außerhalb der Leistungsgrenzen des Mitarbeiters, ist auch ein starkes Anreizsystem unwirksam. Zu hohe Ziele werden dann eher Frustration und eine Verringerung des Selbstvertrauens bewirken, was zumindest mittelfristig zu Leistungseinbußen und ggf. Fluktuation führen kann. In welchem Fall die Leistung letztlich höher sein wird, hängt von allen genannten Faktoren ab, d.h. von den tatsächlich vereinbarten Zielen, dem Commitment des Mitarbeiters und den gewählten Anreizen für die Zielerreichung. Im Sinne eines guten Arbeitsklimas und der Mitarbeiterbindung ist der Prozess der Zielvereinbarung auf jeden Fall dem der Zielsetzung vorzuziehen. Deshalb wird im Folgenden ausschließlich der Begriff Zielvereinbarung verwendet. Wie wird ein Zielvereinbarungsgespräch vorbereitet und durchgeführt? Ein Zielvereinbarungsgespräch sollte ca. zwei Wochen vor Durchführung terminiert werden, um den Gesprächspartnern eine gründliche Vorbereitung zu ermöglichen. Hierfür können Leitfragen und/oder das Protokoll des vorherigen Gesprächs verwendet werden. Für das Gespräch sind ein bis zwei Stunden einzuplanen. In der Praxis werden häufig die Analyse bzgl. der

6.4 Leistung managen

121

Erreichung der Ziele für die vergangene Betrachtungsperiode und die Zielvereinbarung für den zukünftigen Beurteilungszeitraum innerhalb eines Gesprächs durchgeführt. Wenn sie zeitlich getrennt stattfinden, sollte erst das Zielerreichungs- und dann das Zielvereinbarungsgespräch durchgeführt werden, um Erkenntnisse aus ersterem im letztgenannten aufgreifen zu können. Der Ablauf eines kombinierten Zielerreichungs- und Zielvereinbarungsgesprächs ist in Abbildung 6.18 schematisch dargestellt. Das Gespräch sollte in jedem Fall protokolliert werden. Das in Abbildung 6.19 befindliche Formular ist nach diesem Ablaufschema aufgebaut. Begrüßung und Einleitung

Maßnahmen

Feedback

Abb. 6.18:

Gesprächsabschluss und Verabschiedung

Ziele (Soll) neu

alt

Leistung (Ist)

Soll-IstVergleich

Schematischer Ablauf des Zielvereinbarungsgesprächs (in Anlehnung an Lohaus, 2009, S. 120)

Nach der Begrüßung werden Dauer und Rahmenbedingungen des Gesprächs erläutert und die aktuelle Arbeitssituation des Mitarbeiters geklärt, damit eine einheitliche Gesprächsbasis sicher gestellt ist. Etwaige Besonderheiten, wie vorrübergehende Projekte und Sonderaufgaben, werden vermerkt. Ausgehend von den für die vergangene Betrachtungsperiode vereinbarten Zielen (Soll) werden die tatsächlich erreichten Leistungen (Ist) dokumentiert. Etwaige Abweichungen (Soll-Ist-Vergleich) werden thematisiert und Gründe dafür analysiert. Unabhängig davon, ob es sich um positive oder negative Abweichungen handelt, d.h. die Ziele übertroffen oder unter-

122

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

schritten wurden, ist es im Hinblick auf das Feedback und die nachfolgende Maßnahmenplanung wichtig, explizit zu klären, wo Verantwortlichkeiten für Ergebnisse liegen. In der Praxis werden die beiden Schritte Soll-Ist-Vergleich und Feedback üblicherweise direkt miteinander verbunden. Aufgrund der Wichtigkeit des Feedbacks für die Motivierung von Mitarbeitern (vgl. Nerdinger, 2006) ist das Feedback als eigenständige Komponente in den Gesprächskreislauf aufgenommen worden. Gerade wenn ein Mitarbeiter eine Zielunterschreitung nicht zu verantworten hat, dienen die Analyse und das Feedback dazu, ihn der korrekten Wahrnehmung der Ursachen zu versichern und so sein Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten. Eine Unterschreitung kann ja beispielsweise auch in einer veränderten Markt- oder Produktionssituation begründet sein. Liegt der Grund der Unterschreitung im Verhalten des Mitarbeiters, muss überprüft werden, ob es sich um Mängel in der Leistungsfähigkeit oder im Leistungswillen handelt. Konsequenzen der Analyse und des Feedbacks werden dann im nächsten Schritt, der Maßnahmenplanung, relevant. Einer zu geringen Leistungsfähigkeit kann ggf. durch Training, ansonsten durch die Übertragung weniger anspruchsvoller Aufgaben begegnet werden. Auch Defizite in der Motivation sollten analysiert werden. Liegen sie in der Tätigkeit selbst oder deren Rahmenbedingungen begründet, hat die Führungskraft diesbezüglich Handlungsmöglichkeiten. Wenn zur Analyse passende Maßnahmen vereinbart wurden, besteht der letzte inhaltliche Schritt des Gesprächs darin, die neuen Ziele für die zukünftige Betrachtungsperiode zu vereinbaren. Dabei sind die zuvor aufgeführten Hinweise zum Prozess der Zielvereinbarung und zu den Kriterien für wohlformulierte Zielfindung zu berücksichtigen. Den Gesprächsabschluss bildet der Ausblick auf die weitere Zusammenarbeit und das weitere Vorgehen bzgl. der Gesprächsergebnisse und -unterlagen.

6.4 Leistung managen

Abb. 6.19:

Formular zur Dokumentation des Zielvereinbarungsgesprächs (entnommen aus Lohaus/Habermann, 2011, S. 115)

123

124

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Für eine intensive Behandlung speziell des Mitarbeitergesprächs sei auf Hossiep/Bittner/Berndt (2008), Muck/Schuler (2004) sowie Neuberger (2004) verwiesen. Fallbeispiel: Zielvereinbarung Die Geschäftsführer Anton A und Berthold B hatten beschlossen, mit ihren Projektleitern Zielvereinbarungen abzuschließen. Damit wollten sie diese zu den Unternehmenszielen committen und gleichzeitig ein Instrument haben, ihre Leistungen ihrer Funktion entsprechend angemessen beurteilen zu können. Darüber hinaus sollten nach dem Grad der Zielerreichung die variablen Entgeltbestandteile berechnet und Incentives abgeleitet werden. Die Zielvereinbarungen sollten für jeweils ein Geschäftsjahr, das dem Kalenderjahr entsprach, abgeschlossen werden. Sie waren sich einig, dass die Zielvereinbarungen mit ihren Projektleitern Carlo C, Daniel D und Edgar E folgende Abschnitte enthalten sollten: - Für alle geltende Ziele - Individuelle Ziele - Regeln zu unterschiedlichen Auffassungen über die Zielerreichung - Regeln zur Ableitung von finanziellen Konsequenzen Anton A und Berthold B entwickelten gemeinsam die nachstehend wiedergegebene Zielvereinbarungsvorlage für das kommende Geschäftsjahr: A) Für alle geltende Ziele - Die mit Zustimmung des Projektleiters den Kunden mitgeteilten Fertigstellungstermine werden eingehalten. Soweit für den Zielvereinbarungszeitraum keine Fertigstellungstermine vorgesehen sind, wird das Erreichen der Meilenstein-Termine als Ziel vereinbart. - Die mit Zustimmung des Projektleiters verabschiedeten Projektbudgets werden eingehalten. Soweit Projekte noch nicht abgeschlossen sind, wird das Einhalten von verabschiedeten Phasenbudgets als Ziel vereinbart. - Die Kunden sind mit der Qualität der Projektergebnisse zufrieden. - Cross-Selling bei den Auftraggebern ist erfolgreich.

6.4 Leistung managen

125

B) Individuelle Ziele für Edgar E - Gewährleisten, dass der Auszubildende Ludwig L das nach seinem Wissensstand in den Projekten Lernbare auch vermittelt bekommt. - Gewährleisten, dass die Projektmitarbeiter Quirin Q, Tina T und Uwe U die mit Geschäftsführer Anton A vereinbarten Weiterbildungen absolvieren. - Durch die Teilnahme an Weiterbildungen oder adäquaten Veranstaltungen die mit Anton A vereinbarten Kompetenzen erwerben. C) Regeln zu unterschiedlichen Auffassungen über die Zielerreichung - Wenn Geschäftsführer und Projektleiter unterschiedlicher Auffassung über die Zielerreichung sind und ihre Meinungen im Gespräch nicht annähern können, wird aus den beiden Auffassungen ein mittlerer Zielerreichungsgrad gebildet. - Im Falle der Nichtannäherung macht der Projektleiter einen Vorschlag, mit welchen Formulierungen für die nächste Zielvereinbarungsperiode sichergestellt werden kann, dass der Zielerreichungsgrad nicht mehr kontrovers ist. D) Regeln zur Ableitung finanzieller Konsequenzen - Der Grad der Zielerreichung ist entweder „übertroffen“ oder „erreicht“ oder „nicht erreicht“. - Bei „übertroffen“ erhält der Projektleiter einen auf die Zielvereinbarungsperiode bezogenen Bonus von 25% seines auf diese Periode entfallenden Grundgehalts. Bei „erreicht“ erhält er einen entsprechenden Bonus von 10%. Bei „nicht erreicht“ wird kein Bonus gezahlt. Zusätzliche Incentives werden nur bei „übertroffen“ gewährt. Ihre Art liegt in der Entscheidung der Geschäftsführung. - Von den in Absatz 2 genannten Prozentsätzen der Boni kann die Geschäftsführung abweichen, wenn die wirtschaftliche Situation des Unternehmens niedrigere Sätze nahelegt oder höhere Anteile erlaubt. Der von Anton A und Berthold B ihren Projektleitern vorgelegte Entwurf mit der Individualisierung für Edgar E, der damit einverstanden war, wurde in einer gemeinsamen Sitzung der Geschäftsführer mit ihren Führungskräften diskutiert. Edgar E wies zwar darauf hin, dass der Terminus „wirtschaftliche Lage“ recht unbestimmt sei, meinte aber auch, dass man

126

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

sich in Anbetracht des vorhandenen Vertrauens zu den Geschäftsführern damit einverstanden erklären könne. Außerdem könnten sich eventuell ergebende Probleme mit den Zielvereinbarungen nach dem vorliegenden Entwurf ja bei den nächsten ausgeräumt werden. Am Ende wurde das Formblatt von allen so akzeptiert.

Kommentar: Die von Anton A und Berthold B entwickelten Zielvereinbarungen entsprechend weitgehend den Kriterien, die von Organisationspsychologie für Zielvereinbarungen gefordert werden. Sie sind relevant für Unternehmensziele, in diesem Fall ein projektorientiert arbeitendes ITUnternehmen. Die von den Projektleitern akzeptierten für alle geltenden Ziele sind spezifisch für Projekte und entsprechen dem Verantwortungsumfang der Projektleiter. Auch die individuellen für Edgar formulierten Ziele genügen dem Relevanzkriterium bzw. dem Anspruch, spezifisch zu sein. Sie sind sowohl anspruchsvoll, was jeder bestätigen wird, der Projektarbeit kennt, als auch grundsätzlich erreichbar, also realistisch. Sie erscheinen überprüfbar, weil die Fakten, um die es geht, eindeutig formuliert sind, z.B. Fertigstellungs- bzw. Meilenstein-Termine, Qualitätsaussagen der Kunden und Budgetbeträge. Die Ziele sind auch zeitlich spezifiziert, da sie sich auf ein Kalenderjahr beziehen. Das Kriterium, die Zielerreichung eindeutig messen zu können, wird allerdings nicht erfüllt; was aber gerade im Hinblick auf die beabsichtigte Entgeltflexibilisierung wichtig wäre. Es bleibt z.B. offen, ab welcher Zielausprägung die Kategorien „übererfüllt“ bzw. „nicht erfüllt“ zutreffen. Unbestimmt ist auch, wie die Kundenmeinungen zur Projektqualität erhoben und in die drei Kategorien übersetzt werden sollen. Bei den für Edgar E formulierten individuellen Zielen wird keine Methode angegeben, wie Ludwig Ls Lernfortschritte im Projekt zu messen und zu kategorisieren sind. Als besonders problematisch könnte sich herausstellen, dass die einzelnen Ziele nicht gewichtet sind. Hat ein „übertroffen“ bei allen Zielen den gleichen Wert oder zählt ein „übertroffen“ z.B. bei den für alle geltenden Zielen mehr als bei den individuellen Zielen? Wie wird der Gesamt-

6.4 Leistung managen

127

zielerreichungsgrad bestimmt? Welche Zielerreichungskombinationen führen zu „übertroffen“ bzw. „erreicht“ und „nicht erreicht“? Positiv ist anzumerken, dass bei voneinander abweichenden Meinungen über die Zielerreichung der Ausweg in Form eines eindeutig formulierten Kompromisses vorgegeben ist: Die Auffassung des Projektleiters hat das gleiche Gewicht wie die Meinung des Geschäftsführers. Allerdings ergeben sich Schwierigkeiten, wenn die Zielerreichungsgrade nur um eine Stufe voneinander abweichen. Welcher Bonussatz ist denn zu wählen? Die aufgezählten Probleme, die bei der vorliegenden Zielvereinbarung auftreten können, lassen sich durch Präzisierungen vermeiden. Dieser erste Entwurf zeigt den Projektleitern darüber hinaus aber auch und vor allem, dass ihnen bei der Feststellung der Zielerreichung die gleiche Bedeutung zugestanden wird wie ihren Geschäftsführern. Damit nutzt das Unternehmen einen kaum zu überschätzenden Motivationsfaktor. Prinzipiell könnten Zielvereinbarungen der beschriebenen Art auch von den Projektleitern mit ihren Teammitgliedern und von Berthold B mit seinen Verwaltungsangestellten vorgenommen werden. Bezüglich der Zielvereinbarungen mit Projektmitarbeitern wäre allerdings zu beachten, dass terminliche Lage und Dauer der einzelnen Projekte nicht mit dem Geschäftsjahr übereinstimmen müssen. Man müsste entweder den Zielvereinbarungszeitraum auf die Projektdauer beziehen oder in Kauf nehmen, dass Mitarbeiter u.U. mit mindestens zwei Projektleitern Zielvereinbarungen abschließen. Unabhängig von solchen eher „technischen“ Problemen sollte auch bedacht werden, ob Zielvereinbarungen mit den im Vergleich zu den Projektleitern nicht weisungsbefugten Mitarbeitern immer vorteilhaft sind. Natürlich trägt auch deren Arbeit zum Unternehmensergebnis bei; allerding nicht in der direkten Form, wie dies bei Projektleitern der Fall ist. Wenn man sich bei ersteren nicht auf ein Ziel, also den gesamten Verantwortungsreich, beziehen will, läuft man Gefahr, dass die für eine Zielvereinbarung ausgewählten Bereiche des jeweiligen Tätigkeitsspektrums bevorzugt bearbeitet und andere dafür vernachlässigt werden. Es gibt trotzdem Unternehmen, die auf allen Ebenen Zielvereinbarungen abschließen lassen, um z.B. aus den einzelnen Gesamt-Zielerreichungsgraden ein Ranking der Mitarbeiter für die Zuweisung von Boni abzuleiten.

128

6.4.2

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Aufgaben übertragen/Delegieren

Eine der wichtigen aufgabenorientierten Tätigkeiten von Führungskräften ist das Übertragen von Aufgaben. Es beinhaltet neben der dauerhaften Übertragung von Tätigkeitsbereichen (der eigentlichen Delegation) auch die kurzfristige Planung von Arbeiten mit der Übertragung einzelner Aufträge (Auftragserteilung oder fallweise Delegation). Mit der Übertragung von Aufgaben ist immer auch die Klärung von Rollen und Zielen verbunden. Warum werden Aufgaben übertragen? Für Führungskräfte ist es notwendig, geeignete Aufgaben an ihre Mitarbeiter zu delegieren. Die Führungskraft gewinnt dadurch Zeit, sich mit den für sie vorrangigen Verpflichtungen zu beschäftigen. Hinzu kommt, dass viele Führungskräfte aufgrund ihrer Leitungsfunktion nicht mehr so stark in das Tagesgeschäft eingebunden sind und keinen vollständigen Einblick in die Details der Aufgaben haben. Sie sind nicht für alle vom Team zu erledigenden Aufgaben Spezialisten und würden bei manchen Aufgaben zu schlechteren Ergebnissen gelangen als ihre Mitarbeiter. Sie tun daher gut daran, die im Team vorhandenen Kompetenzen präzise einzuschätzen und Aufgaben den jeweiligen Spezialisten zu übertragen. Auf diese Weise stellen sie die Erreichung guter Ergebnisse sicher. Ein Nutzen der Delegation liegt demnach darin, das Leistungspotenzial aller Mitarbeiter optimal zur Erreichung der gemeinsamen Ziele einzusetzen. Ein weiterer Vorteil der Übertragung von Aufgaben besteht darin, dass Mitarbeiter in ihrer Leistungsfähigkeit gefördert werden können. Ausgehend von ihrem aktuellen Wissens- und Fähigkeitstand können an sie Aufgaben delegiert werden, die leicht über ihrem derzeitigen Niveau liegen. Sie müssen sich ggf. einarbeiten und anstrengen, um die neu übertragenen Aufgaben angemessen bewältigen zu können. Dabei entwickeln sie aber ihre Fähigkeiten weiter und sind später in der Lage, die zunächst neuen Aufgaben routinemäßig zu übernehmen. Mit der Delegation von Aufgaben signalisiert die Führungskraft ihren Mitarbeitern, dass sie Zutrauen in deren Fähigkeiten hat, die Aufgaben adäquat zu erfüllen. Die so vermittelte Anerkennung löst Befriedigung bei den Mitarbeitern aus und bietet ihnen zusätzlich die Möglichkeit, Zufriedenheit aus der erfolgreichen Bewältigung einer neuen Aufgabe zu gewinnen (siehe Abb. 6.20). Der mit der Übertragung einer neuartigen Aufgabe von der Führungs-

6.4 Leistung managen

129

kraft gewährte Vertrauensvorschuss setzt auf die Chance, dass die Mitarbeiter dieses Vertrauen nach der Regel der Gegenseitigkeit erwidern (vgl. Bierhoff/Herner, 2007) und sich durch gute Aufgabenerledigung dieses Vertrauens würdig zeigen wollen. • Zutrauen der Mitarbeiter in ihre Leistungsfähigkeit ausbauen • Zufriedenheit der Mitarbeiter fördern

Vertrauen schaffen

Zeit für Anderes gewinnen

Mitarbeiter entwickeln

Potenziale nutzen

• Leistung und Leistungsfähigkeit fördern • Basis für die zukünftige Erledigung anspruchsvollerer Aufgaben schaffen

Abb. 6.20:

für: • Strategische Planung • Konzeptionelles Arbeiten • Entscheiden • Repräsentationsaufgaben

• Spezialisten-Know-how gezielt nutzen • Optimale Arbeitsergebnisse erzielen

Ziele der Übertragung von Aufgaben auf die Mitarbeiter

Es gibt verschiedene Gründe, warum Führungskräfte Aufgaben nicht delegieren (vgl. z.B. Boneberg, 2008, S. 169):         

Gewohnheit Mangel an Geduld Mangel an Selbstdisziplin Angst, die Kontrolle und die Übersicht zu verlieren Unfähigkeit, die Arbeit so zu organisieren, dass sie delegationsfähig ist Zeitnot und der Eindruck, es in derselben Zeit, die für die Delegation benötigt wird, selbst erledigen zu können Angst, durch Preisgabe von Daten und Fakten diesen Informationsvorsprung und damit Autorität und Macht zu verlieren Eindruck, die Aufgabe selbst am besten erledigen zu können Angst davor, dass Mitarbeiter die Aufgabe besser erledigen als die Führungskraft und dass das auffällt

130



6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Kontrollbedürfnis und Streben danach, über alles im Detail Bescheid zu wissen

Welche Aufgaben können übertragen werden und welche nicht? Wer nach einer Daumenregel sucht, ist gut beraten, sich folgende drei Kriterien zu merken: Grundsätzlich sollte eine Führungskraft alle Routineaufgaben, alle Spezialistentätigkeiten sowie alle Aufgaben mit wenig Abstimmungsbedarf an Mitarbeiter abgeben. Routineaufgaben, die regelmäßig und in gleichbleibender Weise zu erledigen sind, können von Mitarbeitern erlernt und zukünftig ohne weitere Unterstützung durch die Führungskraft ausgeführt werden. Die Führungskraft spart dann die Zeit für deren Erledigung und kann bei wiederholt erfolgreicher Ausführung sogar den Kontrollaufwand reduzieren. Der Nutzen der Delegation von Spezialistentätigkeiten wurde bereits im vorausgehenden Abschnitt erläutert. Die Rolle der Führungskraft beinhaltet aber auch Verpflichtungen, die nicht an Teammitglieder übertragen werden sollten. Die Führungskraft ist für die Erreichung der Teamziele im Ganzen verantwortlich und benötigt daher den Überblick über die verschiedenen Teilaufgaben, deren Zusammenhang und deren relative Bedeutung. Sie kann sich nicht um jeden Teilaspekt von Aufgaben kümmern, sondern muss sich in Einzelheiten auf ihre Mitarbeiter verlassen können. Sie benötigt allerdings die Fähigkeit, den Erledigungsstatus von Aufgaben und die Güte von Arbeitsergebnissen angemessen beurteilen zu können. Zu den nicht delegierbaren Aufgaben gehört außerdem, Strategien für den Verantwortungsbereich in Übereinstimmung mit den Unternehmens- oder Bereichszielen zu erarbeiten. Dafür ist meist auch konzeptionelle Arbeit notwendig, die ebenfalls selbst erledigt werden sollte. Eine der Hauptaufgaben von Führungskräften ist es weiterhin, bereichsrelevante Entscheidungen zu treffen, da sie die Verantwortung für den Bereich trägt (vgl. Kap. 6.1). Ferner gehören zu den nicht-delegierbaren Aufgaben, Ressourcen zu sichern (vgl. Kap. 6.2) und – je nach Hierarchieebene – das Team mit seinen Ergebnissen, die Abteilung oder das Unternehmen gegenüber Dritten zu repräsentieren (vgl. Kap. 6.5). Für diese Aufgaben ist die mit der

6.4 Leistung managen

131

hierarchischen Position der Führungskraft verbundene Autorität im Prinzip unerlässlich, mindestens jedoch förderlich. Eine Delegation an Teammitglieder könnte, in Bezug auf die Repräsentation bei den Interaktionspartnern als Mangel an Wertschätzung und Respekt wahrgenommen werden. Sie könnte Konsequenzen bewirken, die keine sachlichen, sondern persönliche Ursachen haben und aus Sicht der Führungskraft in jeden Fall nicht wünschenswert sind. Ratgeber zu Arbeitstechniken empfehlen, bei der Überlegung, welche Aufgaben an Mitarbeiter delegiert werden können, das Eisenhower-Prinzip anzuwenden (vgl. Abb. 6.21). Nach diesem Prinzip werden Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit in hoch und niedrig ausgeprägt eingeteilt. Aufgaben, die wichtig und dringlich sind, sollte die Führungskraft auf jeden Fall sofort und selbst erledigen. Wichtige Aufgaben, die nicht dringlich sind, sollten zur Erledigung für einen späteren Zeitpunkt fest eingeplant werden. Für den Fall, dass zu diesem späteren Zeitpunkt wichtigere und dringlichere Aufgaben anstehen (Priorität A), sollten diese Aufgaben mit Priorität B delegiert werden. Aufgaben mit der Priorität C, die zwar dringlich sind, aber nicht wichtig, sollten immer delegiert werden. Aufgaben, die weder wichtig noch dringlich sind, würde man am besten gar nicht bearbeiten.

Wichtigkeit

hoch

niedrig

Priorität B: abwarten, ggf. später delegieren

Keine Priorität: weder selbst erledigen noch delegieren niedrig

Priorität A: sofort und in der Regel selbst erledigen

Priorität C: rechtzeitig delegieren

hoch

Dringlichkeit

Abb. 6.21:

Eisenhower-Prinzip – Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit priorisieren

132

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

In der Praxis ist selten das Problem zu beobachten, dass zu viel delegiert wird. Im Allgemeinen delegieren Führungskräfte zu wenig (vgl. Doppler, 2006), weil sie befürchten, dadurch an Informationsvorsprung und Einfluss zu verlieren. Wie werden Aufgaben übertragen? Bevor es überhaupt zur Übertragung einer Aufgabe kommt, muss die Führungskraft abschätzen, ob der zu beauftragende Mitarbeiter über die notwendigen Kompetenzen für die Erledigung verfügt bzw. ob ggf. Unterstützung durch weitere Personen sinnvoll ist. Die Delegation von Aufgaben soll dem Mitarbeiter möglichst eine Entwicklung erlauben und nicht nur der Entlastung der Führungskraft dienen. Dazu ist es sinnvoll, ihm auch Aufgaben zu übertragen, die neue Anteile enthalten. Da für diese neuen Anteile im Vorhinein nicht klar ist, wie gut er sie erledigen kann, muss die Führungskraft das Vertrauen signalisieren, dass der Mitarbeiter die Aufgabe bewältigen kann. Sie muss außerdem bereit sein, Lösungswege des Mitarbeiters zu akzeptieren, die ggf. von der eigenen Herangehensweise abweichen. Auch ist natürlich damit zu rechnen, dass die Erledigung beim ersten Mal nicht reibungslos und fehlerfrei läuft. In diesem Fall liegt es an der Führungskraft, dem Mitarbeiter wohlwollendes Feedback zu geben und alternative Herangehensweisen zu diskutieren. Außerdem muss die Führungskraft dafür sorgen, dass dem Mitarbeiter ein angemessener Teil seiner Arbeitszeit für die Aufgabenbearbeitung zur Verfügung steht. Bei der fallweisen wie auch der dauerhaften Delegation sollten Führungskräfte sechs Schritte berücksichtigen (vgl. Boneberg, 2008, Abb. 6.22): 



Im ersten Schritt geht es darum, dem Mitarbeiter die Ausgangslage zu schildern und dabei deutlich zu machen, wie die Aufgabe organisatorisch in den Betriebsablauf einzuordnen und wie groß ihre Bedeutung ist. Damit der Mitarbeiter den Auftrag richtig versteht, soll die Führungskraft vollständig und eindeutig informieren. Anschließend erläutert die Führungskraft die Zielsetzung der Aufgabe und die damit verbundenen Erwartungen an den Mitarbeiter. Für das Ziel gelten die gleichen Anforderungen wie im Kapitel „Führen mit Zie-

6.4 Leistung managen









133

len“ (6.4.1) beschrieben. Es ist wichtig, dass der Mitarbeiter auch selbst erkennen kann, wann das Ziel und in welcher Qualität erreicht ist. Aus den Erläuterungen soll für den Mitarbeiter erkennbar sein, warum die Aufgabe notwendig und sinnvoll ist. Besonders günstig ist es, wenn der Mitarbeiter zusätzlich einen Nutzen für sich persönlich, z.B. in Form der Entwicklung seiner Kompetenzen oder durch Einblick in die Unternehmenszusammenhänge, erkennen kann. Wenn die Aufgabe dann konkret beschrieben wird, sind der Inhalt, Termine, Verantwortlichkeiten und Rahmenbedingungen präzise zu benennen. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, den Gesamtauftrag in Teile zu zergliedern und deren Reihenfolge mit Zeitrahmen festzulegen. Für die Erledigung der Aufgaben muss die Führungskraft die notwendigen Ressourcen bereitstellen. Das umfasst die Arbeitsmittel, aber auch weitere Informationen und ggf. die Unterstützung durch andere Personen. Schließlich wird vereinbart, in welcher Form und welchen zeitlichen Abständen die Aufgabenerledigung kontrolliert werden soll. Es ist sinnvoll, bereits zu diesem Zeitpunkt Qualitätskriterien für die Erfüllung der Aufgabe zu benennen, damit der Mitarbeiter sein Verhalten gezielt darauf ausrichten kann.

Abb. 6.22:

1.

• Erläuterung der Ausgangssituation

2.

• Zielsetzung klären

3.

• Auftrag begründen

4.

• Auftrag formulieren

5.

• Mittel bereitstellen

6.

• Kontrolle vereinbaren

Schritte der Führungskraft bei der Übertragung von Aufgaben

134

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Fallbeispiel: Delegieren Gaby G hat bereits mehrmals durch Geistesgegenwart und Umsicht bewiesen, dass sie eine rasche Auffassungsgabe besitzt und schnell erkennt, worauf es ankommt. Wenn sie den Eindruck hat, nicht voll ausgelastet zu sein, bietet sie ihre Mitarbeit im Sekretariat oder dem Verwaltungsbereich von Karel K an. Berthold B hat dies unmittelbar mitbekommen und überlegt, wie man Gaby Gs Talent für das Unternehmen besser nutzen und ihr gleichzeitig Entwicklungsmöglichkeiten bieten kann. Dabei kommt ihm gelegen, dass Anton A und er ihrer Marketing-Kollegin Fabiola F ein berufsbegleitendes Studium mit verkürzter Arbeitszeit genehmigt und ihr die Leitung des gesamten Verwaltungsbereichs einschließlich Marketing unter Berthold B in Aussicht gestellt haben. Berthold B möchte Gaby G zusätzliche Aufgaben übertragen und denkt in dieser Situation natürlich an das Marketing. Bevor er mit Gaby G darüber spricht, verständigt er sich entsprechend mit Anton A und fragt dann Fabiola F, was sie davon hielte, wenn Gaby G ihr während ihres Studiums einige Aufgaben abnähme. Da letzteres ja erst in einem halben Jahr beginne, hätte sie auf jeden Fall Gelegenheit, Gaby G entsprechend einzuarbeiten. Funktioniere das wie geplant, könne diese anschließend vielleicht sogar einen größeren Teil der Marketing-Aktivitäten selbständig durchführen und sie, Fabiola F, damit während ihres Studiums spürbar entlasten. Wenn dann einmal Fabiola F die in Aussicht gestellte Leitung des gesamten Verwaltungsbereichs bekäme, erwüchse für Gaby G die Chance, als Referentin ganz in das Marketing zu wechseln. Fabiola F ist mit Berthold Bs Vorschlag sehr einverstanden, aber nicht sicher, ob sich Gaby G diese Aufgabe zutraut. Berthold B bittet daraufhin Gaby G zu einem Gespräch, in dem er ihr diese Perspektive vorschlägt. Gaby G ist sehr erfreut darüber, was man ihr zutraut, aber zugleich auch etwas ängstlich, ob sie dieser Herausforderung gewachsen sei. Berthold B macht ihr deutlich, dass er ihr nach seinen bisherigen Erfahrungen mit ihr viel zutraue und sie sowohl das Potenzial als auch die Energie besitze, anspruchsvollere Aufgaben zu bewältigen. Außerdem werde sie von Fabiola F umfassend in den neuen Aufgabenbereich und dessen Ziele sowie Erfolgskriterien eingewiesen und von dieser bei Problemen auch unterstützt. Selbstverständlich erhalte sie nach einer an-

6.4 Leistung managen

135

gemessenen Zeit eine Rückmeldung von ihm darüber, wie sie die neuen Aufgaben erledige. Da er sie auch mit den finanziellen Perspektiven überzeugt, sind am Ende beide der Meinung, das Berthold Bs Vorschlag für sie persönlich und für das Unternehmen eine gute Lösung sei.

Kommentar: Die Gaby G skizzierte Entwicklung enthält alle Komponenten einer gelungenen Delegation. Ihr wird ihr Potenzial vor Augen gehalten und Zutrauen signalisiert, dass sie dessen Ausschöpfung erfolgreich bewerkstelligen kann. Sie wird alle notwendigen Informationen, auch über die Erfolgskriterien, erhalten und Feedback bekommen. Das Angebot des Unternehmens ist auch eine Fördermaßnahme, die dem Unternehmen mehr zukünftige Leistung verspricht. Schließlich ergibt sich aus der geplanten Entwicklung mehr Führungszeit für Fabiola F und daraus resultierend auch für Berthold B. Fallbeispiel: Aufgabenübertragung an einen Auszubildenden In Daniel Ds Projekt herrscht großer Arbeitsdruck, weil es durch Akzeptieren eines entsprechenden Kundenwunsches priorisiert wurde. Daran hat auch die Delegation eines zusätzlichen Mitarbeiters aus einem anderen Team nichts geändert. Martin M lernt den Beruf Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung und ist Auszubildender im ersten Ausbildungsjahr. Daniel D ist sein förmlicher Ausbilder und es gibt in seinem Projekt niemand, der außer diesem selbst für Martin Ms Lernfortschritte verantwortlich ist. Arbeitsaufgaben bekommt er von allen anderen Teammitgliedern in Abhängigkeit von seiner Präsenz in den Praxisblöcken seines Ausbildungsplans und deren zeitlichen Möglichkeiten und Bereitschaft, sich um ihn zu kümmern. Volker V, der Martin M sympathisch findet, hat es sich ohne besonderen Auftrag zur Aufgabe gemacht, Martin M im Rahmen der geschilderten Umstände anzuleiten. Um den Zeitplan des Projekts nicht zu gefährden, weist er ihn aber nicht in zeitkritische Projektarbeiten ein, die in seinen Aufgaben- und Verantwortungsbereich fallen. Stattdessen überträgt er ihm die Aufgabe, ein kleines Teilprogramm des Projekts zu Übungszwecken zu

136

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

schreiben, um es später mit dem entsprechenden für die Anwendung beim Kunden bestimmten Teilprogramm vergleichen zu können. Da Martin M lieber an „echten“ Aufgaben mitarbeitet, unterbricht er seine Arbeit an Volker Vs Auftrag gern, wenn ihm ein anderes Teammitglied irgendeinen unmittelbar mit dem Projekt zusammenhängenden Auftrag gibt. Er versteht zwar in vielen Fällen nicht genau, warum er etwas wie machen soll, fühlt sich dabei aber trotzdem ernst genommen und wichtig. Volker V, der sich regelmäßig mit Martin M über dessen Fortschritte an dem Übungsprogramm unterhält, ist enttäuscht, dass Martin M ohne besonderes Engagement daran arbeitet und langsamer als erwartet vorankommt. Er diskutiert die Situation nicht mit Martin M, aber sein Interesse an dessen Lernergebnissen erlahmt.

Kommentar: Martin M die Aufgabe zu stellen, parallel zu dem für den Kundeneinsatz bestimmten Teilprogramm ein entsprechendes Übungsprogramm zu entwickeln, war inhaltlich sinnvoll. Dieser konnte ohne Projektdruck arbeiten und durch den späteren Vergleich mit der „Ernstversion“ selbst erkennen, wo er Fehler gemacht oder – umgekehrt – vielleicht sogar einen besseren Lösungsweg gefunden hatte. Obwohl lernförderlich, war der Auftrag nicht in gleichem Maße pädagogisch wertvoll. Martin M wurde nicht produktiv in die Ernstsituation der Arbeit für den Kunden einbezogen. Damit konnte er auch nicht das Gefühl bekommen, für das Unternehmen wichtig zu sein, was immer motiviert und Befriedigung schafft. Seine „Flucht“ in die Kleinstaufträge mit Ernstcharakter sind vor diesem Hintergrund verständlich. Dieser Gegensatz von inhaltlich sinnvollen, aber wenig motivierenden Aufgaben mit dem erlahmenden Engagement von Volker V für Martin M wäre vermutlich zu vermeiden gewesen. Daniel D hätte Martin M vor dessen Einsatz in seinem Projekt folgendes erläutern sollen: Was sind die Ziele von Martin Ms Einsatz in seinem Projekt? Welche Inhalte soll er mit welchen Methoden vermittelt bekommen? Wie wird er Martin Ms Lernfortschritte und seinen Beitrag für das Projekt messen?

6.4 Leistung managen

6.4.3

137

Leistung kontrollieren

Warum wird Leistung kontrolliert? Leistungskontrolle bildet die schließende Klammer zur öffnenden von Zielvereinbarung oder Delegation. Das bedeutet, wann immer Mitarbeiter ein Ziel gesetzt oder eine Aufgabe übertragen bekommen haben, ist es die Aufgabe der Führungskraft, den Erfolg oder das Verhalten des Mitarbeiters zu kontrollieren. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Erstens ist die Führungskraft verantwortlich für die Ergebnisse ihrer Mitarbeiter. Sie hat typischerweise selbst von der Geschäftsleitung Ziele erhalten, die sie gemeinsam mit ihrem Team erfüllen muss. Daher liegt es in ihrer Verantwortung zu überprüfen, ob und inwieweit die Ziele durch die Mitarbeiter erreicht werden. Zweitens ist die Kontrolle von Leistungen eine Voraussetzung, um den Mitarbeitern angemessenes Feedback zu ihrem Verhalten und ihren Ergebnissen geben und ihre Leistung adäquat beurteilen und fördern zu können. Wer Aufgaben lediglich überträgt, sich dann aber nicht mehr um die Aufgabenerfüllung kümmert, überlässt es seinen Mitarbeitern zu entscheiden, ob und in welcher Qualität und Quantität diese die Aufgaben bearbeiten. Das ist keine effektive Steuerung. Außerdem entsteht bei den Mitarbeitern das Gefühl, die Führungskraft interessiere sich nicht für ihre Tätigkeiten. Diese Empfindung führt bei vielen Mitarbeitern zur Demotivation, zu geringerer Leistungsbereitschaft und Anstrengung. Der dritte Grund ist mit dem zweiten eng verbunden bzw. stellt eine direkte Folge dar. Die Leistungskontrolle als Voraussetzung für Leistungsbeurteilung ist auch eine notwendige Bedingung dafür, dass der Beitrag, den ein Mitarbeiter zur Erreichung der Ziele des Unternehmens leistet, deutlich wird. Die Führungskraft ist also nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen der Mitarbeiter zu kontrollieren, um ein bestmögliches Ergebnis sicher zu stellen. Sie ist auch gegenüber den Mitarbeitern verpflichtet, deren Leistungspotenzial auszuschöpfen und ihre Leistung für das Unternehmen transparent zu machen. Denn die Kenntnis des Beitrags eines Mitarbeiters ist in den meisten Unternehmen die Basis für Entscheidungen in Bezug auf Gehaltsanpassung, Beförderung, Weiterbildung etc.

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Wie wird Leistung kontrolliert? Einer Leistungskontrolle geht grundsätzlich entweder eine Zielvereinbarung bzw. Zielsetzung oder eine Delegation voraus. Die Leistungskontrolle erfolgt regelmäßig und in einer von zwei möglichen Varianten: entweder zu festgelegten Zeitpunkten oder zu bestimmten Bearbeitungszuständen. Im ersten Fall wird auch oft von jour-fixe-Meeting gesprochen. Meist treffen sich die Führungskraft und einzelne Mitarbeiter oder die Führungskraft mit allen Teammitgliedern einem fest vereinbarten, regelmäßig wiederkehrenden Termin, typischerweise immer demselben Wochentag bei gleichbleibender Uhrzeit (und Dauer) zu einer Besprechung (z.B. jeden Montag von 8.00 bis 9.30 Uhr oder jeden zweiten Montag im Monat von 9.00 bis 11.00 Uhr). Das regelmäßige Treffen mit einzelnen Mitarbeitern kann unabhängig von deren beruflicher Reife sinnvoll sein. Bei erfahrenen Mitarbeitern dient es dazu, Aufgaben abzusprechen, Änderungen im Auftragsplan bekanntzugeben oder aktuelle Schwierigkeiten zu diskutieren. Bei unerfahrenen Mitarbeitern reichen Treffen im wöchentlichen Abstand nicht aus. Sie benötigen eine engere Leistungskontrolle und Möglichkeiten der Rücksprache, die zumindest täglich stattfinden sollten; es sei denn, sie sind einem erfahrenen Mitarbeiter zugeordnet, der diese Funktion übernimmt. Die Durchführung der Besprechungen im Team ist speziell bei projektbezogenen Aufgaben sinnvoll, weil dann alle Mitarbeiter den gleichen Informationsstand haben und aufeinander bezogene Tätigkeiten, wie sie in Projekten üblich sind, gut koordiniert werden können. Die zweite Variante der Leistungskontrolle sind sogenannte Meilensteinkontrollen. Sie sind ebenfalls speziell bei Projekttätigkeiten üblich. Meilensteinkontrollen sind dadurch gekennzeichnet, dass bei Vereinbarung des Ziels oder Übergabe der Aufgabe bereits Bearbeitungszustände festgelegt werden, zu denen die Führungskraft Rückmeldung bzgl. des Zielerreichungsgrades haben will. Es handelt sich hierbei um klar identifizierbare Zwischenergebnisse bezogen auf das Gesamtprojekt. Meist haben sie eine herausgehobene Bedeutung für das Gelingen des Gesamtprojekts. Häufig werden gleichzeitig Termine für das Erreichen der Meilensteine festgelegt. Wenn der Termin für einen angestrebten Bearbeitungszustand nicht eingehalten werden konnte, entsteht Handlungsbedarf für die Führungskraft. Sie muss durch geeignete

6.4 Leistung managen

139

Maßnahmen sicher stellen, dass durch die Verzögerung das Gesamtprojekt nicht gefährdet wird. In jedem Fall ist bei der Leistungskontrolle wichtig, Mitarbeitern die Zielsetzung der Kontrolle wie oben beschrieben zu vermitteln. Wenn die Führungskraft dabei autoritär und überlegen auftritt, wird der Mitarbeiter die Kontrolle als negativ und den eigenen Handlungs- und Entscheidungsspielraum beschränkend wahrnehmen. Erfolgt die Überprüfung auf respektvolle Weise und werden dabei Feedbacktechniken angewandt, wie sie im folgenden Abschnitt beschrieben werden, so wird sie der Mitarbeiter als bereichernd wahrnehmen.

6.4.4

Leistung beurteilen und fördern

Grundsätzliches Die Beurteilung der Leistungen von Mitarbeitern dient dazu, deren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu messen. Das ist aus Arbeitgebersicht wichtig, weil verschiedene Entscheidungen von den wahrgenommenen Leistungen der Mitarbeiter abhängen. Leistungsbeurteilungen bilden beispielsweise die Grundlage für Entscheidungen über Entgeltzuweisung, Beförderungen und Weiterbildung (vgl. Cleveland/Murphy/Williams, 1989). So ist bekannt, dass marktgerechte Gehälter mit höherer Produktivität des Unternehmens, seinem finanziellem Erfolg und der Zufriedenheit seiner Kunden einhergehen (vgl. Subramony/Krause/Norton/Burns, 2008). Leistungsbeurteilung kann demnach dazu beitragen, den Erfolg des Unternehmens zu sichern. Sie spielt aber auch für die Mitarbeiter eine Rolle, um ihre Leistungen einschätzen zu können, eine Vorstellung von ihrem Marktwert zu erhalten und ihr Einkommen zu steigern. Der Vorgang der Leistungsbeurteilung ruft allerdings häufig Bewertungsängste bei Mitarbeitern hervor. Deshalb sind Fairness und Transparenz des Beurteilungsprozesses ebenso wichtig wie seine finanziellen Konsequenzen und seine Auswirkung auf die Entwicklung der Mitarbeiter.

140

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Entstehungsbedingungen von Leistung Für die Beurteilung von Leistungen, unabhängig davon, in welcher Form sie erfolgt, ist es sinnvoll, sich die Entstehungsbedingungen von Leistungen klar zu machen. Leistung wird als Multiplikation von überdauernden Fähigkeiten einer Person und ihrer Motivation gesehen (vgl. Vroom, 1964). Zusätzlich müssen situative Bedingungen, d.h. die Gelegenheit zur Leistung, berücksichtigt werden (vgl. z.B. Cascio & Aguinis, 2011). Diese drei Komponenten (siehe Abb. 6.23) werden als die Treiber der Leistung bezeichnet. Veränderungen bzw. Schwankungen in der Leistung können vorübergehend sein (z.B. aufgrund von Krankheit, Müdigkeit, Maschinenschaden) oder dauerhaft (z.B. durch Routine oder neue Technologien). Sie können durch Änderungen der Fähigkeits-, Motivations- und Situationskomponente bedingt sein.

Leistung = Berufliche Leistung im Unternehmen

Abb. 6.23:

Fähigkeit

x

• Eignung (Intellekt, Persönlichkeit etc.) • Ausbildung • Erfahrung

Motivation • • • • •

Bedürfnisse Werte Ziele Emotionen Interessen

x

Situation Bedingungen wie z.B. • Gelegenheit • Normen • Regelungen

Entstehungsbedingungen von Leistung (Darstellung in Anlehnung an Lohaus, 2009)

Feedback Leistungsbezogenes Feedback stellt einen Kernaspekt der Verhaltenssteuerung durch Führungskräfte dar. Nach Neuberger (2004) umfasst es vier Facetten: 

Information: Feedback kann ohne jegliche Wertung gegeben werden. Es ist dann meist auf Arbeitsbedingungen und die Klärung von Aufgaben und Anforderungen bezogen. Der Mitarbeiter erfährt so, was von ihm erwartet wird, und kann sein Verhalten an diesen Erwartungen ausrichten.

6.4 Leistung managen







141

Lernen: Meist wird Feedback nicht neutral gegeben, sondern als wertende Stellungnahme, d.h. als Lob oder Tadel. Mit Lob will die Führungskraft erreichen, dass das positiv bewertete Verhalten zukünftig wiederholt oder sogar häufiger gezeigt wird. Forschungsergebnisse belegen, dass Tätigkeiten, die häufiger anerkannt werden, künftig mit mehr Engagement und Freude ausgeführt werden (vgl. Comelli/v. Rosenstiel, 2009). Die Autoren weisen darauf hin, dass dennoch in unterschiedlichen Unternehmensbereichen verschieden häufig gelobt wird. Sie berichten von mehr Anerkennung im Vertrieb und in der Entwicklung, während in der Verwaltung und der Produktion mehr getadelt würde. Mit Tadel will die Führungskraft sicher stellen, dass unerwünschtes Verhalten in Zukunft abgeschwächt oder im besten Fall gar nicht mehr vorkommt. Damit stattdessen gewünschtes Verhalten auftritt, ist es wichtig, dass die Kritik konstruktiv geäußert wird, d.h., dass Verhaltensalternativen benannt oder am besten gemeinsam erarbeitet werden. Motivation: Leistungsbezogenes Feedback nimmt Einfluss auf den menschlichen Handlungsantrieb. Sportliche Wettkämpfe zeigen sehr deutlich, dass Anfeuerung durch die Zuschauer leistungssteigernd wirkt. Anerkennung motiviert. Speziell durch positives Feedback kann eine stärkere Anstrengung hervorgerufen werden. Negatives Feedback kann auch motivieren. Es signalisiert im Gegensatz zum Verzicht auf Feedback Interesse an den Leistungen des Mitarbeiters. Im Vergleich zu positivem Feedback ist allerdings mehr Vorsicht geboten, denn speziell wenn es in Anwesenheit Dritter geäußert wird, kann es gefühlsmäßige Irritationen und ein geringeres Leistungszutrauen zur Folge haben. Selbsteinschätzung: Leistungsbezogenes Feedback hat Auswirkungen auf das Selbstbild des Mitarbeiters. Während Lob bestätigend wirkt und das Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit stärkt, kann Tadel das Selbstvertrauen destabilisieren und Resignation auslösen. Kritik muss daher immer dosiert erfolgen und mit Begründungen für kritische Einschätzung einhergehen. Unabhängig davon, ob die Führungskraft Anerkennung oder Kritik äußert, sollte sie sich nicht auf stabile Eigenschaften des Mitarbeiters beziehen, sondern immer auf konkrete Verhaltensweisen oder Ergebnisse von Verhalten. Wenn Verhalten kritisiert wird, kann

142

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

über angemessene Darstellung der Stärken des Mitarbeiters Zuversicht vermittelt werden, die gewünschte Verhaltensänderung herbeiführen zu können. Im Übrigen sollte der Mitarbeiter immer Gelegenheit haben, seine Sichtweise darzustellen. Wirkungen von Feedback Dennoch verzichten Führungskräfte häufig darauf, Feedback zu geben. Das liegt einerseits daran, dass sie um angemessenes Feedback geben zu können, das Verhalten und die Leistung des Mitarbeiters gut beobachten müssten. Das bedeutet Aufwand (vgl. Hug, 2008). Außerdem müssten sie – besonders bei negativem Feedback – eindeutig Stellung beziehen und einen Konflikt mit dem Mitarbeiter riskieren. Wenn eine Führungskraft Feedback gibt, ist das für die Mitarbeiter eine entscheidende Situation. Mitarbeiter sind grundsätzlich an Rückmeldung interessiert, weil sie wissen wollen, wo sie stehen. Sie bekommen verhaltens- und leistungsbezogene Informationen über sich selbst aus der Sicht der für die eigene Entwicklung im Unternehmen derzeit wichtigsten Person. Daher ist mit einer hohen Aufmerksamkeit, aber auch einer hohen Empfindlichkeit in Bezug auf den vermittelten Eindruck zu rechnen. Ganz generell bietet Feedback dem Empfänger die große Chance, etwas über sich zu erfahren, was ihm bisher nicht bewusst war. Um die Akzeptanz des Mitarbeiters für das Feedback zu erhöhen, muss deutlich werden, dass Kritik nicht um ihrer selbst willen geübt wird, sondern dass es um die Chance zur Erhöhung der Selbsterkenntnis geht. Es darf dabei nicht der Eindruck entstehen, die Führungskraft könne den Mitarbeiter objektiv beurteilen und der Mitarbeiter selbst habe nur begrenzten Einblick in sein Verhalten und seine Leistung. Faktoren, die die Wirkung von Feedback beeinflussen, sind in Abbildung 6.24 dargestellt:

6.4 Leistung managen

143

Faktoren, die die Wirkung von Feedback beeinflussen • • • • •

Persönlichkeit des Mitarbeiters Art des Feedbacks (Lob versus Tadel) Glaubwürdigkeit der Führungskraft als Feedbackgeber Deckungsgrad des Feedbacks mit der Einschätzung des Mitarbeiters Zeitliche Nähe des Feedbacks zum zugrundeliegenden Verhalten

Abb. 6.24:

Faktoren, die die Wirkung von Feedback beeinflussen

Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf Feedback, unabhängig davon, ob es sich um Anerkennung oder Kritik handelt (vgl. Fletcher, 2002). Die Bandbreite der Empfindungen reicht von Hoffnung, Freude und Stolz bis zu Bedrohung, Angst, Bedauern, Wut und Verzweiflung. Wie das Feedback aufgenommen wird, hängt stark vom Zutrauen des Mitarbeiters zu sich selbst ab, gute Arbeit leisten zu können. Silver/Mitchell/Gist (1996) fanden, dass die Rückmeldung negativer Leistung von Personen mit hohem Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten so interpretiert wird, dass ihr Zutrauen erhalten bleibt. Sie lassen sich durch Kritik nicht entmutigen. Personen mit geringem Zutrauen in ihre Leistungsfähigkeit hingegen lassen sich durch die Rückmeldung schlechter Leistung eher einschüchtern und trauen sich zukünftig noch weniger zu. Wird die Führungskraft für glaubwürdig gehalten, überlegt der Mitarbeiter, welche Ursachen die eigene Leistung hat. Dabei unterscheidet er, ob er die Kontrolle über das Arbeitsergebnis hatte. In diesem Fall läge die Verantwortung für die Leistung bei ihm selbst. Außerdem überlegt er, ob das Arbeitsergebnis stabil ist oder nicht, d.h. welche Leistungen er bei gleicher Aufgabenstellung zukünftig erwarten kann. Feedback regt beim Mitarbeiter Überlegungen an, warum die Führungskraft das Feedback gibt. Hält er die Führungskraft für glaubwürdig, wird er darüber nachdenken, inwieweit er für das Leistungsergebnis verantwortlich ist. Sieht er sich nicht als verantwortlich, z.B. weil nach seiner Ansicht die Aufgabe prinzipiell nicht besser zu lösen war oder weil aufgrund einmaliger

144

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

äußerer Umstände keine bessere Leistungserbringung möglich war, wird er sich durch einen Tadel ungerecht behandelt fühlen. Von der Führungskraft sollte Feedback bei Erkennen der Nicht-Verantwortlichkeit des Mitarbeiters nur in dem Sinn gegeben werden, dass der Mitarbeiter versteht, dass er nicht verantwortlich gemacht wird. Auf diese Weise kann dem Mitarbeiter die Sorge vor negativen Konsequenzen genommen werden. Wenn der Mitarbeiter die Verantwortung bei sich sieht, wird er die Gründe analysieren. Schreibt er sie seiner mangelnden Anstrengung zu, wird er sich zukünftig stärker anstrengen, also z.B. mehr Arbeitszeit für die Erledigung einer Aufgabe aufwenden oder eine andere Strategie bei der Bearbeitung wählen. Erkennt die Führungskraft als Ursache einen Mangel an Fähigkeit, muss sie abwägen, ob der Mitarbeiter die Fähigkeit kurzfristig beeinflussen kann, z.B. durch eine geeignete Weiterbildung. Wenn nicht, wäre die nahe liegende Konsequenz, dass der Mitarbeiter nicht mehr mit dieser Art von Aufgaben betraut werden sollte. Ob und welche Verhaltensanpassungen ein Mitarbeiter vornimmt, hängt außerdem von der Übereinstimmung der Rückmeldung mit seiner Selbsteinschätzung sowie vom zeitlichen Abstand zwischen Leistung und Rückmeldung ab. Je größer die Übereinstimmung zwischen Vorgesetzten- und Selbsteinschätzung und je unmittelbarer die Rückmeldung erfolgt, desto ernster wird sie genommen. Anerkennung Von Rosenstiel (2003) hat einige einfache Regeln für die Äußerung von Anerkennung formuliert (vgl. Abb. 6.25). Da nahezu jeder Mensch gern ein Lob hört, kann man es spontan aussprechen und ohne intensive Planung. Es wird besonders geschätzt, wenn es vom direkten Vorgesetzten kommt oder wenn dieser eine Anerkennung von höheren Hierarchieebenen weiterleitet. Wichtig ist dabei, dass nicht die Person, sondern ihre Tätigkeiten oder Leistungsergebnisse gelobt werden. So sieht der Mitarbeiter, dass sich die Führungskraft für seine Aufgaben interessiert und sein Verhalten einschätzen kann. Auch sollte die Führungskraft darauf achten, nicht nur besondere Leistungen, die herausragen, anzuerkennen. Viele Mitarbeiter arbeiten kontinuierlich auf gutem Niveau, und das sollte honoriert werden. Nur wenn

6.4 Leistung managen

145

sich die Anerkennung auf eine Arbeitsgruppe bezieht, ist es zu empfehlen, das Lob im Team auszusprechen. Bezieht es sich auf eine einzelne Personen, sollte es unter vier Augen gegeben werden. Das vermeidet ein peinliches Gefühl beim Mitarbeiter sowie Neid und die Enttäuschung der Kollegen, die den Eindruck gewinnen könnten, bei einer ähnlichen Leistung nicht gelobt worden zu sein. Eine Anerkennung sollte so geäußert werden, dass sie der Leistung entspricht und nicht übertrieben wirkt. Eine gute Leistung sollte nicht als herausragend dargestellt werden, um keine unangemessene Selbsteinschätzung zu bewirken. Die Aussage: „Ich habe gesehen, dass Sie sich angestrengt haben, um eine für den Kunden passende Lösung zu finden. Ich finde, dass Sie das gut geschafft haben.“ drückt Zufriedenheit mit einer guten Leistung beispielhaft aus. Das Lob wirkt am besten, wenn es möglichst unmittelbar auf die Leistung folgt, und sollte nicht bis zum Jahresende oder Mitarbeitergespräch aufgeschoben werden. Der Mitarbeiter erkennt dann, wofür er die Anerkennung erhält, und kann sich selbst an die Umstände der Leistungserbringung gut erinnern. Eine sehr späte Rückmeldung wie die: „Sie haben bei dem xy-Projekt letztes Jahr durch Ihre Umsicht verhindert, dass eine spätere Nacharbeit fällig wurde.“ würde von den meisten Menschen nicht mehr als positiv und motivierend erlebt.

Wer?

Die Person, die das Verhalten/die Arbeitsergebnisse am besten einschätzen kann, i.d.R. die Führungskraft

Was?

Verhalten und dessen Ergebnisse, keine Eigenschaften; auch kontinuierliche Leistungen, nicht nur herausragende

Wie?

Ausdrücklich, in angemessenen Worten

Wo?

Unter vier Augen bei Leistungen einer Person, bei Gruppenleistungen in der Gruppe Möglichst unmittelbar, nachdem das anzuerkennende

Wann? Verhalten gezeigt wurde Abb. 6.25:

Grundsätze für die Äußerung von Anerkennung (nach v. Rosenstiel, 2003)

146

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Kritik Es ist schwieriger, Kritik in angemessener Weise auszusprechen als Anerkennung. Kritik dient dazu, das Verhalten eines Mitarbeiters zu korrigieren, zukünftig bessere Leistung zu erreichen und dabei seine Leistungsbereitschaft zu erhalten. Während ein Lob stets willkommen ist, hören die wenigstens Menschen gern einen Tadel. Er löst bei vielen eine Verteidigungshaltung aus. Deshalb sind Wortwahl und Tonfall viel entscheidender als bei der Äußerung von Anerkennung. So reagieren beispielsweise sehr gewissenhafte Mitarbeiter speziell mit Anspannung auf negative Rückmeldungen, wenn sie ergebnisbezogene Ziele (im Vergleich zu Lernzielen) nicht erreicht haben. Ihre Leistung nimmt danach eher ab (vgl. Cianci/Klein/Seijts, 2010). Kritikgespräche benötigen daher mehr Zeit als Anerkennungsgespräche und sie müssen besser vorbereitet sein. Nach von Rosenstiel (2003) sollten deshalb verschiedene Grundsätze beachtet werden (siehe Abb. 6.26). Bei Kritik ist es besonders wichtig, dass die Führungskraft sie äußert und diese Aufgabe nicht an andere delegiert. Eine günstige Voraussetzung dafür ist, wenn die Führungskraft das zu kritisierende Verhalten selbst erlebt bzw. beobachtet hat. Wenn es sich nur um Gerüchte handelt, ist die Situation schwieriger. Bei weniger gewichtigen Kritikpunkten empfehlen Comelli/von Rosenstiel (2009), sie nicht beachten. Sind sie jedoch bedeutsamer, raten sie dazu, den Mitarbeiter darauf anzusprechen, das Gerücht gehört zu haben, und zu fragen, ob der Mitarbeiter dazu Stellung nehmen möchte. In jedem Fall ist es noch wichtiger als bei Anerkennung, dass mit der Kritik nicht die ganze Person bzw. eine Charaktereigenschaft angesprochen wird. Dadurch würde beim Mitarbeiter zum einen eine stärkere Verletzung hervorgerufen, zum anderen würde der Eindruck vermittelt, dass das von den Erwartungen abweichende Verhalten nicht veränderbar ist (denn Eigenschaften sind per se stabile Merkmale von Menschen). Die Bezugnahme auf Verhaltensweisen oder Ergebnisse ist daher günstiger. Kritik sollte immer nur unter vier Augen geäußert werden, damit die getadelte Person nicht ihr Ansehen verliert. Wenn sie sich vor anderen Personen bloßgestellt fühlt, werden die Gefühle noch negativer sein, als sie

6.4 Leistung managen

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durch die Tatsache des Tadels in jedem Fall schon sind. Mit Kritik sollte nicht zu lange gewartet werden. Bei kleineren Anlässen ist es günstig, sie direkt und am Arbeitsplatz des Mitarbeiters anzusprechen, bei problematischeren Situationen kann es sinnvoll sein, den nächsten Arbeitstag abzuwarten. Auf jeden Fall ist aber davon abzuraten, länger zu warten oder gar verschiedene Kritikpunkte zu sammeln und den Mitarbeiter dann mit einer Liste von Kritikpunkten zu konfrontieren.

Wer?

Die Führungskraft, denn Kritik sollte nicht delegiert werden

Was?

Verhalten und dessen Ergebnisse, auf keinen Fall Eigenschaften; möglichst selbst beobachtetes Verhalten

Wie?

Ausdrücklich, in angemessenen Worten; Kooperation erhalten und Resignation verhindern

Wo?

Nur unter vier Augen Möglichst unmittelbar nachdem das zu kritisierende

Wann? Verhalten gezeigt wurde Abb. 6.26:

Grundsätze für die Äußerung von Kritik (nach v. Rosenstiel, 2003)

Bei einem Kritikgespräch ist es wichtiger als bei einer Anerkennung, das Vorgehen und seine Konsequenzen zu bedenken. Die Kritik muss deutlich ausgesprochen und begründet werden. Außerdem ist klarzustellen, welches Verhalten bzw. welche Ergebnisse stattdessen erwartet werden. Der Mitarbeiter soll auf jeden Fall die Gelegenheit bekommen, sein Verhalten zu erklären. Das kann auch genutzt werden, um Ursachen für die Abweichung vom gewünschten Ziel zu identifizieren und zu analysieren und zu überlegen, wie eine Verhaltensänderung erreicht werden kann. Wenn dazu eine praktikable Lösung gefunden wurde, ist diese als Vereinbarung mit einer Terminierung festzuhalten. Ferner sollte die Führungskraft deutlich machen, dass sie die Einhaltung dieser Ver-

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

einbarung kontrollieren wird. Tritt die gewünschte Verhaltensänderung wie vereinbart ein, sollte das explizit anerkannt und die Beobachtung beendet werden. Tritt sie nicht ein, muss die Führungskraft sofort das nächste Kritikgespräch führen. Wenn sie darauf verzichtet, wird sie vom Mitarbeiter nicht mehr ernst genommen. Fallbeispiel: Ungeschickt vermittelte Kritik demotiviert Projektleiter Edgar E ist sehr stark eingespannt und erscheint auch zu festgesetzten Terminen und Routine-Meetings seines Teams nicht immer pünktlich. Sein Teammitglied Quirin Q hat den Test eines Programmteils nicht sorgfältig genug durchgeführt und auch die Dokumentation dazu nur unvollständig vorgenommen. Eine solche Nachlässigkeit ist nicht typisch für Quirin Q und wahrscheinlich auf seine aktuelle Inanspruchnahme durch persönliche Probleme zurückzuführen. Sie hat aber zu einer Verzögerung in der Programmentwicklung geführt und wurde deshalb von dem Projektleiter des Kunden gegenüber Edgar E kritisch angemerkt. Edgar E möchte keinen extra Gesprächstermin mit Quirin Q vereinbaren, um die ärgerliche Angelegenheit anzusprechen und diesem sein Missfallen darüber auszudrücken. Er beschließt vielmehr, den nächsten Routinetermin zu nutzen, den Fehler mit seinen Konsequenzen darzustellen und damit gleich allen Teammitgliedern klarzumachen, dass so etwas nicht vorkommen darf. Edgar E beginnt die Sitzung damit, seiner Verärgerung Ausdruck zu verleihen, dass ein dummer Fehler zu einer Projektverzögerung führt, für die er verantwortlich gemacht werden wird. Er beschreibt Quirin Qs Nachlässigkeit und erklärt, dass er von diesem persönlich enttäuscht sei. Über Konsequenzen werde er mit dem Geschäftsführer Anton A reden müssen. Edgar E nutzt die Gelegenheit, alle Teammitglieder zu größter Sorgfalt zu ermahnen und kündigt an, sich in Zukunft noch intensiver um die einzelnen Teilprojekte kümmern zu wollen. Quirin Q ist von dieser öffentlichen Kritik tief betroffen und drückt sein Bedauern aus. Außerdem entschuldigt er sich bei seinen Teamkollegen. Edgar E führt die Sitzung fort, da er aber einen Anschlusstermin hat, beendet er die Sitzung, ohne dass alle Punkte auf der Agenda behandelt werden konnten. Nachdem er den Bespre-

6.4 Leistung managen

149

chungsraum verlassen hat, versuchen die Kollegen, Quirin Q zu beruhigen, da dieser innerlich aufgewühlt wirkt, und zeigen Verständnis für seine Situation.

Kommentar: Edgar E hat zumindest zwei Prinzipien eines guten Kritikgesprächs nicht beachtet. Er hat Quirin Q in der Öffentlichkeit getadelt, auch wenn es sich „nur“ um seine Teamkollegen handelte, und er hat, indem er seine Enttäuschung ausdrückte, dessen Persönlichkeit kritisiert. Beides dürfte Quirin Q als Herabsetzung bzw. Demütigung empfinden, genauso wie die von ihm empfundene Verpflichtung, sich bei seinen Teamkollegen für die durch ihn ausgelöste an alle gerichtete Ermahnung ihres Projektleiters zu entschuldigen. Wahrscheinlich wird Quirin Q in Zukunft stärker auf korrektes Arbeiten achten, aber man muss auch damit rechnen, dass Edgar Es Verhalten seine Motivation und sein Engagement beeinträchtigt. Außerdem hat Edgar E das ganze Team gewissermaßen vorsorglich ermahnt und diesem mit verstärkter Kontrolle Maßnahmen angekündigt, die es als kollektive „Bestrafung“ empfinden muss. Auch diese Handlung Edgar Es wird sich wahrscheinlich nachteilig auf die Motivation seines Teams auswirken. Die Reaktion der Teamkollegen in Bezug auf Quirin Q signalisiert aber andererseits, dass Verständnis und Zusammenarbeit der Kollegen gut sind. Fallbeispiel: Geschickt vermittelte Kritik Hanna H ist für Sekretariatsarbeiten sowohl für die Geschäftsführer als auch die Projektleiter zuständig. Sie sieht sich aber gern als persönliche Sekretärin der Geschäftsführer und erledigt Aufträge der Projektleiter nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit und dem gleichen Engagement wie Aufgaben, die sie von Anton A oder Berthold B bekommt. Darüber hinaus macht sie – zumindest manchmal – auch noch Unterschiede zwischen den Projektleitern. Während der forsche Edgar E sich meistens mit seinen Wünschen durchsetzen kann, müssen Carlo C und Daniel D relativ oft auf die Bearbeitung ihrer Aufträge warten.

150

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Carlo C bittet sie um Erledigung dringender terminlich fixierter Aufstellungen und nimmt anschließend einige Tage Urlaub. Er geht davon aus, dass sein Auftrag bis zu seiner Rückkehr erledigt ist, und will sofort danach die Aufstellungen dem Kunden mit einem mündlichen Kommentar persönlich übergeben. Nach Wiederantritt seines Dienstes findet er die benötigten Aufstellungen nicht auf seinem Schreibtisch und fragt sofort bei Hanna H nach. Diese sagt ihm, ein dringender und umfangreicher Auftrag von Anton A habe es ihr unmöglich gemacht, seine Aufstellungen wie gewünscht fertigzustellen. Sie werde sich aber gleich darum kümmern. Carlo C ist enttäuscht und verärgert, weil er seinen Kunden jetzt um Terminverschiebung bitten muss und ihm die Zurückstellung seiner Arbeiten langsam unerträglich wird. Er nutzt ein Meeting der Projektleiter mit Anton A, um die nachlässige Behandlung seiner Aufträge durch Hanna H vorzubringen, und bittet Anton A um sein Eingreifen. Daniel D unterstützt sein Anliegen. Anton A beobachtet schon seit längerem die ungleiche Behandlung von Geschäftsführern und Projektleitern. Er ist entsetzt, dass Hanna H ihn nicht von den terminlich fixierten Aufstellungen für Carlo C informiert hat und stattdessen seinen nicht so dringenden Auftrag, einen Satz von Präsentationsfolien zu erstellen, vorgezogen hat. Am nächsten Tag bittet Anton A Hanna H zur Besprechung eines Serienbriefs zu sich. Nach Erläuterung seines Anliegens behält er sie da und spricht mit ihr über die Unzufriedenheit seiner Projektleiter. Er leitet diesen Teil des Gesprächs damit ein, ihr zu sagen, dass er mit der Qualität ihrer Arbeit für sich sehr zufrieden sei. Berthold B habe ihn gebeten, ihr das Gleiche in Bezug auf sich mitzuteilen. Ihr Mitdenken und ihre korrekte Arbeitsweise werde von beiden sehr geschätzt. Hanna H freut sich über dieses Lob. Er berichtet dann aber von Carlo Cs Enttäuschung, wie er es nennt, und erwähnt, dass auch ihm selbst, Anton A, eine gewisse Ungleichbehandlung von Geschäftsführung und Projektleitern aufgefallen sei. Er bittet sie, sich zu äußern, ob sie Carlo Cs Enttäuschung verstehen und ob sie seinen eigenen Eindruck bestätigen könne. Jede Angelegenheit habe ja mindestens zwei Perspektiven. Hanna H räumt ein, dass ihr die Dringlichkeit von Carlo Cs Auftrag nicht so bewusst gewesen sei und dass sie schon die Aufträge der Geschäftsfüh-

6.4 Leistung managen

151

rer für die generell wichtigeren halte. Anton A räumt ein, diese Priorisierung nachvollziehen zu können. Er macht dann aber deutlich, dass er und Berthold B wüssten, dass die Projektleiter in Bezug auf den Geschäftsverlauf und die Kundenzufriedenheit die wichtigsten Personen in ihrem Unternehmen seien. Ihre Anliegen sollten deshalb eigentlich Vorrang vor Aufträgen der Geschäftsführung haben, es sei denn, diese hätten ihr, Hanna H, eine andere Rangfolge signalisiert. Er vergisst auch nicht, auf eine gewisse Empfindlichkeit von vermeintlich Ranghöheren hinzuweisen, die man besser mit gelassener Freundlichkeit und souveränem Entgegenkommen kuriere als mit formalen Argumenten. Anton A verzichtet in diesem ersten Kritikgespräch mit Hanna H darauf, irgendwelche Kontrollen oder Sanktionen zu erwähnen, sondern verabschiedet sie mit der Einschätzung, es werde in Zukunft sicher zur Zufriedenheit aller laufen.

Kommentar: Anton A hält sich an die Prinzipien eines guten Kritikgesprächs. Er spricht mit Hanna H unter vier Augen, und zwar unverzüglich, nachdem er von einer konkreten Beschwerde erfahren hat. Er kritisiert nicht die Persönlichkeit Hanna Hs, sondern ihr Verhalten in bestimmten Situationen. Um dies deutlich zu machen, lobt er, auch im Namen seines Geschäftsführerkollegen, erst andere Aspekte ihrer Arbeit, bevor er auf den zu kritisierenden Sachverhalt zu sprechen kommt. Sie erhält Gelegenheit, die Problematik aus ihrer Sicht darzustellen. Anton A erläutert ihr, warum sie sich in den beanstandeten Situationen anders verhalten sollte, und gibt ihr Hinweise, wie es ihr leichter fallen könnte, dieses gewünschte Verhalten zu zeigen. In dem beschriebenen Fall wäre eine konkrete Kontrollvereinbarung nicht sinnvoll. Hanna H weiß, worauf es ankommt, und eine Kontrollgelegenheit ergibt sich automatisch bei den nächsten Arbeitsaufträgen der Projektleiter. Leistungsbeurteilung Die systematische Beurteilung von Mitarbeitern gehört zu den zentralen Aufgaben einer Führungskraft. In der Unternehmenspraxis werden drei Ebenen der Beurteilung unterschieden (vgl. Schuler, 2004 und Tab. 6.1). Bei

152

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

KMU werden die Leistungen der Mitarbeiter normalerweise ausschließlich durch die direkte Führungskraft beurteilt. Tab. 6.1:

Drei Ebenen der Beurteilung (nach Schuler, 2004b)

Ebene 1. Day-to-dayFeedback

Funktionen Verhaltenssteuerung, Lernen

2.

Regelbeurteilung

Leistungseinschätzung, Zielsetzung

3.

Potenzialbeurteilung

Fähigkeitseinschätzung, Karriereplanung

Vorgehen Leistungsbezogene Rückmeldung und Unterstützung in der täglichen Zusammenarbeit Systematische Beurteilung der Leistung in der vergangenen Beurteilungsperiode anhand eines Urteilsinstruments und Rückmeldung im Mitarbeitergespräch Abschätzung der maximalen Leistungsfähigkeit bei zukünftigen Tätigkeiten

Day-to-day-Feedback Day-do-day-Feedback ist eine Form leistungsbezogener Rückmeldung, die Vorgesetzte in der täglichen Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern geben. Das heißt, das Verhalten der Mitarbeiter, die Art ihrer Aufgabenbearbeitung und/oder ihrer Arbeitsergebnisse werden zeitnah in anerkennender, kritischer oder neutral-informativer Form von der Führungskraft kommentiert (vgl. Schuler/Klingner, 2005). Kennzeichnend ist, dass sie unsystematisch im Rahmen eines kurzen, informellen Gesprächs stattfinden. Außerdem beschränken sie sich auf den Aspekt der Leistung, der in der aktuellen Situation relevant ist. Ziele dieses Feedbacks sind neben Verhaltenssteuerung und Lernen auch die Motivation der Mitarbeiter. Sie werden nicht dokumentiert. Regelbeurteilung Bei der Regelbeurteilung geht es darum, die Leistung im Sinne des Beitrags einer Person zur Erreichung der Ziele des Arbeitgebers angemessen zu beschreiben. Grundlage ist die Leistung, die die Mitarbeiter im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit gegen Entgelt erbringen. Die übliche Betrachtungseinheit ist der Arbeitsplatz bzw. eine Position, die eine Person innehat. Die Verhaltens- und Leistungsanforderungen für die Stelle ergeben sich aus den zu erfüllenden Aufgaben bzw. den vereinbarten Zielen. Regelbeurteilungen

6.4 Leistung managen

153

beziehen sich auf in der Vergangenheit erbrachte Leistung. Sie werden im Rahmen von Mitarbeitergesprächen rückgemeldet (vgl. Kap. 6.4.1). Von Leistungsbeurteilung wird typischerweise gesprochen, wenn - Leistungen von Mitarbeitern regelmäßig bewertet werden - die Bewertung sich auf die vergangene Arbeitsleistung von Mitarbeitern bezieht - eine standardisierte Methode dazu verwendet wird - die Bewertungen dokumentiert und aufbewahrt werden, um sie für Entscheidungen, z.B. bzgl. der Zuweisung von Arbeitsplätzen und Aufgaben, des Entgelts und Weiterbildungsmaßnahmen, zu nutzen. In der Praxis werden vier Formen der Beurteilung unterschieden, die im Folgenden erläutert werden:    

Freie Eindrucksschilderung An Kriterien orientierte Beurteilung An Normen orientierte Beurteilung An Zielen orientierte Beurteilung

Freie Eindrucksschilderung Die sog. freie Eindrucksschilderung sieht keine Vorschriften bzgl. der Form der Bewertung vor und stellt dem Beurteiler frei, in welchem Umfang und mit welchen Worten die Leistung beschrieben wird. Sie wird vor allem in kleinen Unternehmen eingesetzt. Ein Grund für diese Vorgehensweise – im Vergleich zu den nachfolgend beschriebenen – liegt darin, dass keine Notwendigkeit besteht, die Leistungen der Mitarbeiter systematisch miteinander zu vergleichen. Auch gibt es manchmal Befürchtungen, mit einer stärker formalisierten Beurteilung Widerstände bei den Mitarbeitern hervorzurufen. Gerade bei kleineren Unternehmen, in denen Vorgesetzte und Mitarbeiter tagtäglich sehr eng zusammenarbeiten, wird häufig der Aufwand für die Entwicklung und Durchführung systematischer Beurteilung als unvertretbar hoch angesehen.

154

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Fallbeispiel: Probezeitbeurteilung Martin M ist seit drei Monaten Auszubildender in Daniel Ds Projektteam. Die erste Woche hat er dort mitgemacht, die anschließenden sechs Wochen war er Vollzeit in Programmierkursen eines privaten Bildungsanbieters. Nach weiteren fünf Wochen im Projektteam ist seine Probezeit beendet und Daniel D muss eine Probezeitbeurteilung abgeben, von der abhängt, ob Martin M seine Ausbildung im Unternehmen fortsetzen darf. Daniel D hatte sich einen halben Tag mit Martin M beschäftigt und ihm das Unternehmen, seine Ziele und sein Umfeld erklärt. Danach wurde er allen Teammitgliedern vorgestellt. Er erhielt den Auftrag, in der ersten Woche mit jedem im Team über seine Aufgaben zu sprechen und sich außerdem auch in der Verwaltung mit den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt zu machen. Nach seinem anschließenden Programmierunterricht sollte er dann in der Lage sein, kleinere Aufgaben für Volker V zu übernehmen. Nach Abschluss seiner Programmierkurse legte Martin M Daniel D unaufgefordert seine erworbenen Zertifikate vor. Diese bescheinigten ihm, die Unterrichtsziele mit gutem Erfolg erreicht zu haben. Vierzehn Tage vor Ablauf der Probezeit, also nach drei Wochen Mitarbeit im Projektteam, bittet Daniel D Volker V um eine Einschätzung, ob Martin M ein brauchbarer Mitarbeiter werden und in die Software GmbH passen würde. Volker V betreut zum ersten Mal einen Auszubildenden und überlegt, nach welchen Kriterien er Martin M beurteilen soll. Er entschließt sich, formale und inhaltliche Aspekte zu berücksichtigen. Martin M war immer pünktlich, zu allen Kolleginnen und Kollegen höflich und bot ein ansprechendes Erscheinungsbild. Er wirkt sehr engagiert und hatte schon mehrmals ohne Aufforderung Überstunden absolviert. Außerdem waren seine Noten im Programmierunterricht gut. Bezüglich der formalen Kriterien hatte Volker V keine Bedenken, die Fortsetzung seiner Ausbildung zu empfehlen. Was die Ausbildungsinhalte anging, fiel es Volker V schon schwerer, zu einem Urteil zu gelangen. Martin M konnte in den drei bisherigen Wochen im Team zwar einiges von dem im Programmierunterricht Gelernten einsetzen, aber Volker V hatte ihn doch noch nicht mit kleinen echten Teilprogrammen beschäftigen wollen. Er lässt ihn vielmehr ein Programmteil ent-

6.4 Leistung managen

155

wickeln, das er später mit dem echten Programmteil vergleichen kann. Da Martin M die Arbeit an diesem Programmteil öfter unterbricht, um dringende Erledigungen für das Team zu übernehmen, kann Volker V seine Programmierleistungen nur schwer einschätzen. Um sich weiter abzusichern, schaut er bei Karel K in Martin Ms Personalakte und überzeugt sich, dass dieser ein gutes bis sehr gutes Abiturzeugnis eines renommierten Gymnasiums vorgelegt hat. Er empfiehlt die Fortsetzung der Ausbildung und stützt sich dabei vor allem auf das Engagement, das Martin M bisher gezeigt hat, auf das Abiturzeugnis und auf die Noten im Programmierunterricht des privaten Bildungsanbieters.

Kommentar: Volker V bezieht seine Einschätzung auf zwei vermutlich dauerhafte Grundlagen. Er schließt von dem beobachteten positiven Verhalten Martin Ms auf dessen Persönlichkeit und geht davon aus, dass diese im Wesentlichen unverändert bleibt. Forschungsergebnisse bestätigen, dass die Persönlichkeit relativ stabil ist. Bezüglich seiner intellektuellen Leistung nimmt er die Schulnoten und die Noten des privaten Bildungsanbieters als Maßstab, von denen er mitbekommen hat, dass sie nicht verschenkt werden und erstere gut wiedergeben. Da Volker V weiß, dass die Eignungsforschung herausgefunden hat, dass die Abiturnote den Ausbildungserfolg sehr gut vorhersagt, fühlt er sich mit seiner Empfehlung auf der sicheren Seite. An Kriterien orientierte Beurteilung Bei kriterienorientierter Beurteilung wird die Leistung eines Mitarbeiters im Vergleich zu einem festen und zuvor bekannten Maßstab bewertet und damit unabhängig von der aktuellen Leistung anderer Mitarbeiter. Dieser Maßstab ergibt sich aus den Aufgaben und Anforderungen der Tätigkeit und der Normalleistung eines Stelleninhabers und ist aus der Stellenbeschreibung ersichtlich oder durch Vereinbarung festgelegt. Die Mehrzahl der in der Praxis verwendeten an Kriterien orientierten Beurteilungsverfahren sind so aufgebaut, dass Eigenschaften der Mitarbeiter, ihr Verhalten oder Ergebnisse ihrer Tätigkeit auf einer vorgegeben Skala bewertet werden (ein Beispiel findet sich in Abb. 6.28). Diese Form der Bewertung hat den

156

Abb. 6.27:

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Beispiel für einen Leistungsbeurteilungsbogen, bei dem die Leistung der Mitarbeiter an Kriterien orientiert bewertet wird (aus Lohaus/Habermann, 2011, S. 111)

6.4 Leistung managen

157

Nachteil, dass die Beurteilungen oft sehr milde ausfallen, weil die Führungskräfte einen Konflikt mit dem beurteilten Mitarbeiter oder seine Enttäuschung vermeiden wollen. An Normen orientierte Beurteilung Die an Normen orientierte wird auch relative Leistungsbeurteilung genannt. Bei diesem Verfahren werden die Leistungen der Mitarbeiter direkt miteinander verglichen. Das bedeutet, der Maßstab für die Bewertung ist nicht die Stellenbeschreibung, sondern die aktuelle Leistung anderer. Dadurch ist der Beurteilungsmaßstab nicht fix und den Mitarbeitern auch nicht im Vorhinein bekannt, sondern er steht erst am Ende der Beurteilungsperiode fest, wenn die Leistungen aller Mitarbeiter der zum Vergleich herangezogenen Gruppe bekannt sind. An Normen orientierte Beurteilungen werden in der Praxis meist so umgesetzt, dass die Führungskräfte ihre Mitarbeiter bzgl. ihrer Gesamtleistung in eine Rangfolge bringen. Bei größeren Arbeitsgruppen kann auch eine Quote vorgegeben werden (vgl. Abb. 6.29). Ausgehend von der Annahme, dass Leistung über die Mitarbeiter hinweg normalverteilt ist, muss dann ein jeweils vorgegebener Prozentsatz der Mitarbeiter bzgl. ihrer Leistung in die ebenfalls vorgegebenen Leistungskategorien eingeteilt werden.

50% 40% 30% 20% 10% 0% Weit unterhalb

Abb. 6.28:

Unterhalb

Im Durchschnitt

Oberhalb

Weit oberhalb

Beispiel für eine Quotenvorgabe zur Einschätzung der relativen Leistungen von Mitarbeitern

158

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Das Ziel dieser Vorgehensweise ist typischerweise die Stärkung des Wettbewerbs unter den Mitarbeitern, um dadurch insgesamt höhere Leistungen für das Unternehmen zu erzielen (Schuler, 2004a). Die Motivationsfunktion ist besonders stark, wenn der Rangplatz für die Gehaltsanpassung oder den Verbleib im Unternehmen entscheidend ist. Aufgrund ihrer starken Wettbewerbsorientierung, die zu weniger Kooperation im Team führt, werden solche Beurteilungsverfahren von vielen Mitarbeitern und Führungskräften abgelehnt. An Zielen orientierte Beurteilung Obgleich das Führen mit Zielen bzw. das Management by Objectives ursprünglich als eine Methode zur Motivierung und Leistungsförderung entwickelt wurde, wird das Verfahren inzwischen häufig für die Beurteilung der Leistungen von Mitarbeitern verwendet. Aufgrund seiner inzwischen herausragenden Bedeutung als Führungsinstrument wird es in einem separaten Abschnitt (vgl. Kapitel 6.4.1) ausführlich behandelt. Potenzialbeurteilung Bei der Beurteilung des Potenzials von Mitarbeitern geht es um die Ermittlung der fachlichen und sozialen Eignung für die Erledigung von Aufgabenkomplexen (Lang-von Wins/Rosenstiel, 1998). Im Gegensatz zur Leistungsbeurteilung, die sich auf die Leistung bezieht, die in der Vergangenheit erbracht wurde, macht die Potenzialanalyse eine Aussage darüber, welche Leistungen von einer Person in Zukunft erwartet werden können (vgl. Lohaus/Kleinmann, 2002). Während bei der Leistungsbeurteilung eher die typische Leistung erfasst wird, die sich aus Fähigkeit, Motivation und Situationsbedingungen ergibt, bezieht die Potenzialeinschätzung keine situativen Faktoren ein, sondern beschränkt sich auf die durch die Person bedingten Faktoren. Die Kenntnis des Potenzials ermöglicht dem Arbeitgeber eine Einschätzung der Tätigkeiten, die ein Mitarbeiter zukünftig wahrnehmen kann, z.B., wenn sich die Tätigkeit, für die jemand ursprünglich eingestellt wurde, verändert oder wenn eine Beförderung oder Umstrukturierung andere Tätigkeitsinhalte nach sich zieht. Potenzialbeurteilungen werden in KMU typischerweise nicht systematisch und regelmäßig durchgeführt.

6.5 Repräsentieren

6.5

Repräsentieren

6.5.1

Was ist unter Repräsentieren zu verstehen?

159

In dem zugrunde gelegten Führungsmodell (vgl. Kapitel 3) wurde Repräsentieren als eigene Führungsfunktion dargestellt, weil von der Repräsentierung durch Führungskräfte direkte Geschäftserfolge erwartet werden und sie indirekt wirtschaftliche Ergebnisse durch Bestätigung oder Irritation bei den Mitarbeitern beeinflussen kann. In der Systematik der Rollen von Führungskräften nach Mintzberg entspricht das Repräsentieren der Informationsrolle als Sprecher einer Gruppe (vgl. Kapitel 6.3.2). Unter Repräsentieren versteht man „etwas vorstellen“, „auftreten“, „darstellen“, ohne dass damit das Vokabular mit gleicher Bedeutung schon erschöpft wäre. Damit ist gemeint, dass irgendetwas für etwas anderes steht. Der modernistische und riesige Büroturm einer Bank soll vermutlich die zukunftsgerichtete Einstellung des Unternehmens und seine wirtschaftliche Bedeutung symbolisieren, d.h. in einem bildhaften Zeichen darstellen. Die klassizistische Fassade einer großen Anwaltskanzlei vermittelt dagegen eher den Eindruck von Solidität und Wertetradition. Insoweit repräsentieren auch Gebäude bzw. Bauwerke ein Unternehmen. In die Kategorie der symbolisierten Bedeutung eines Unternehmens fällt auch die Wahl des Dienstwagens seiner Führungskräfte. Der üblichen Wahl von Mercedes-, BMW- und Audi-Modellen der Oberklasse steht nicht entgegen, dass es sich auch ein Milliardär „leisten kann“, sich in einem VW-Käfer vorfahren zu lassen (Baron August von Finck, siehe z.B. den Artikel von Sören Jensen im Manager Magazin vom 20.11.2011). Natürlich und bekannter Weise gibt es dieses symbolhafte Repräsentieren in Form eines Autos auch im privaten Bereich. Mit diesen Statussymbolen wird einerseits das Unternehmen repräsentiert. Gleichzeitig können die Symbole für die Führungskräfte die Befriedigung von Statusbedürfnissen bedeuten (vgl. Kapitel 5.2, McClelland, 1985). In diesem Buch wird allerdings nicht auf solche Formen des Repräsentierens eingegangen, sondern es beschränkt sich auf das Erscheinen und die Verhaltensweisen von Unternehmensangehörigen, die von anderen Perso-

160

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

nen innerhalb und außerhalb ihres Unternehmens mit ihrem Unternehmen als Ganzes oder mit Teilen des Unternehmens bzw. mit Belegschaftsgruppen in Verbindung gebracht werden. Repräsentieren hat den Zweck, die Einschätzung anderer gegenüber dem Repräsentierten positiv zu beeinflussen und auf diesem Wege dessen geschäftliche Zwecke zu fördern.

6.5.2

Wer kann repräsentieren?

In diesem Sinn kann jeder einzelne Unternehmensangehörige sein Unternehmen oder einen Teil des Unternehmens oder eine Gruppe von Mitarbeitern gegenüber Unternehmensfremden oder anderen Personen im Unternehmen darstellen. Repräsentieren bei einer Gelegenheit mehrere Unternehmensangehörige die gleiche Sache, ergibt sich der erzielte Gesamteindruck als ein irgendwie gewogener Durchschnitt der Einzeleindrücke. Man sollte dabei im Auge behalten, dass man nicht nicht repräsentieren kann, d.h., auch wenn gegenüber Anderen nicht beabsichtigt ist zu repräsentieren, muss man mit Auswirkungen rechnen. Das ergibt sich aus dem metakommunikativen Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick/Beavin/Jackson, 2011, S. 50–53). Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf dem Repräsentieren der Führungskräfte des Unternehmens, weil dies nach dem zugrunde gelegten Führungsmodell eine ihrer wesentlichen Aufgaben ist und von ihrer Fähigkeit zu repräsentieren die stärksten wirtschaftlichen Auswirkungen zu erwarten sind.

6.5.3

In welchen Situationsbereichen repräsentieren KMUFührungskräfte?

Die wichtigsten Situationsbereiche, in denen Führung durch Repräsentieren erfolgt, sind (vgl. Abb. 6.30):   

Auftreten in der Öffentlichkeit Auftreten gegenüber Mitarbeitern Auftreten gegenüber Vorgesetzten bzw. Kunden

6.5 Repräsentieren

161

Die Formen des Repräsentierens variieren in Abhängigkeit von der Zielgruppe.

Öffentlichkeit

Kunden/ Lieferanten Vorgesetzte Mitarbeiter

Zielgruppen Abb. 6.29:

Zielgruppenbezogene Formen des Repräsentierens

Auftreten in der Öffentlichkeit Das Repräsentieren des Unternehmens auf Messen, bei Verbänden oder der zuständigen Industrie- und Handelskammer bzw. Handwerkskammer sind Anlässe, von denen häufig Geschäftsverbindungen erwartet werden. Sie haben aber unter Umständen auch Auswirkungen auf die Belegschaft, wenn sie deren Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ihr Verhalten beeinflussen. Selbst wo kein offensichtlicher (direkter) wirtschaftlicher Erfolg angestrebt wird, etwa bei caritativen Einrichtungen, Sportvereinen oder politischen Gremien und gesellschaftlichen Empfängen, kann gelungene Repräsentierung des Unternehmens durch Führungskräfte das gesellschaftliche Umfeld für die langfristige Entwicklung des Unternehmens erschließen und bei entsprechender Aufmerksamkeit der Mitarbeiter auch bei diesen zu Konsequenzen führen.

162

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

In Bezug auf solche Veranstaltungen darf unterstellt werden, dass es sich um eher weniger häufige Ereignisse handelt. Bei diesen Gelegenheiten schließen zumindest die externen Zuschauer – natürlich individuell unterschiedlich – von ihrer Wahrnehmung des Repräsentierenden auf seine Persönlichkeit bzw. seinen Status und von diesen auf das von ihm vertretene Unternehmen bzw. die repräsentierte Gruppe. Sie achten nicht nur auf die Inhalte seiner Präsentation, sondern nehmen mehr oder weniger bewusst auch eine Bewertung von Temperament, Seriosität (Ernsthaftigkeit), Integrität (Redlichkeit), und Authentizität (Echtheit), vielleicht auch eine Einschätzung seines Gerechtigkeitsempfindens, seiner Klugheit und seines Wohlstands vor. Diese Aufzählung beansprucht nicht, schon vollständig zu sein. Hier spielt der Wirkungsmechanismus des ersten Eindrucks mit prägenden Bewertungen in den oft zitierten ersten drei Sekunden der Begegnung eine große Rolle. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es nicht nur zu solchen Schlüssen kommt, sondern dass die Schlüsse der Beobachter allein vom äußeren Erscheinungsbild eines ihnen bisher nicht bekannten Vortragenden auf dessen Persönlichkeit auch erstaunlich zutreffend sind (vgl. Naumann/Vazire/Rentfrow/Gosling, 2009). In Versuchen konnte gezeigt werden, dass negative Stimmung, Gewissenhaftigkeit und Intelligenz schon nach fünf Sekunden relativ richtig eingeschätzt werden. Die korrekte Bewertung von positiver Stimmung, Offenheit, Freundlichkeit und Unausgeglichenheit braucht dagegen länger (vgl. Carney/Colvin/Hall, 2007). Aus der Einschätzung der Zuschauer können und sollen sich in vielen Fällen auch Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen mit der Führungskraft direkt bzw. mit ihrem Unternehmen ergeben. Offensichtlich hängt bei Veranstaltungen die Wirkung der Repräsentierung nicht unwesentlich davon ab, ob die Kenntnis nehmenden Personen direkte Beobachter sind oder durch ein Medium (Fernsehen, Rundfunk, überregionale Tageszeitung, Regionalblatt) darüber informiert werden. Insbesondere bei der Berichterstattung in Zeitungen muss man berücksichtigen, dass die Sichtweise des Redakteurs in die Information eingeflossen ist. Dies schließt auch die Auswahl eines eventuellen Bildes ein. Aber auch bei Ausschnitten im Fernsehen oder im Rundfunk kann von den redaktionellen Schnitten ein die Wahrnehmung steuernder Einfluss ausgehen.

6.5 Repräsentieren

163

Auftreten gegenüber Mitarbeitern Die Führungskraft wird sowohl gegenüber einzelnen eigenen Mitarbeitern als auch im Verhältnis zur Gruppe der zugeordneten Belegschaftsmitglieder immer mehr oder weniger als Repräsentant des Unternehmens wahrgenommen werden. Die Gelegenheiten zur Begegnung mit einzelnen Mitarbeitern sind neben den regelmäßigen Arbeitskontakten z.B. Zielvereinbarungsund Personalentwicklungsgespräche, Mitteilung über Gehaltsanpassungen und Erläuterung von Leistungsbeurteilungen. Natürlich kann es auch zu informellen Begegnungen, z.B. in der Kantine oder bei gemeinsamem Sport, kommen. Auch im Zusammentreffen mit Mitarbeitern anderer Unternehmenseinheiten und Kollegen wird bewusst oder unbewusst repräsentiert. Als Anlässe für Repräsentieren im Angesicht der gesamten Belegschaft oder von Gruppen von Mitarbeitern kommen Geburtstage und Jubiläen der Mitarbeiter, Weihnachts- bzw. Jahresabschlussfeiern und besondere Ereignisse, wie die Einweihung eines neuen Gebäudes bzw. einer neuen Anlage oder die Verantwortungsübergabe an einem Nachfolger, in Frage. Bei Veranstaltungen im unmittelbaren Verantwortungsbereich der Führungskraft spielt zwar auch der erste Eindruck eine Rolle, aber die regelmäßige Zusammenarbeit von Führungskraft mit Mitarbeitern lässt letzteren mehr Gelegenheiten, ihren ersten Eindruck zu korrigieren, auch wenn sich der erste Eindruck als relativ widerstandsfähig gegen gegenläufige Wahrnehmungen erweist. Bei den Mitarbeitern führt ihr Eindruck von der Führungskraft zu folgenden Schlüssen: 

Sie vergleichen das aktuell Wahrgenommene mit ihren diesbezüglichen bisherigen Erfahrungen.  Sie schließen von ihrer Wahrnehmung der Führungskraft in der aktuellen Situation auf sein zu erwartendes zukünftiges Verhalten.  Sie bewerten nach ihren Eindrücken die Führungskraft im Hinblick auf die im vorhergehenden Absatz aufgeführten Merkmale (z.B. Seriosität, Integrität) gegebenenfalls neu.  Sie nehmen die bekannte oder eine veränderte emotionale Nähe zur Führungskraft (Sympathie, Antipathie) mit. Wenn das aktuell Wahrgenommene mit bisherigen Erfahrungen nicht übereinstimmt, kann das zu Misstrauen in Bezug auf die Intentionen der Füh-

164

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

rungskraft und/oder zu Unsicherheit bezüglich der Richtigkeit des eigenen Verhaltens führen. Stellt sich die auf der Basis der aktuellen Wahrnehmung vorgenommene Einschätzung vom zukünftigen Verhalten des Vorgesetzten im Nachhinein als Irrtum heraus, hat ein anpassendes Verhalten des Mitarbeiters möglicher Weise zu falschen geschäftlichen Entscheidungen geführt. Wenn eine Neubewertung von Persönlichkeitsmerkmalen der Führungskraft mit negativer Tendenz vorgenommen wird, sind ein weniger aufgeschlossenes Verhalten des Mitarbeiters, weniger Respekt und abnehmendes Vertrauen nicht auszuschließen. Ein geringeres Sympathieempfinden kann dazu führen, dass der Mitarbeiter ein bisher trotz Bedenken oder mit Nachteilen für sich gezeigtes Engagement einstellt. Die gerade aufgezeigten Konsequenzen bedeuten eine Verschlechterung der Zusammenarbeit von Führungskraft und Mitarbeiter. Natürlich sind aber auch gegenläufige Wirkungen möglich und von der Führungskraft wahrscheinlich immer auch beabsichtigt. Bei über die Zeit konsistenten Eindrücken aus dem repräsentativen Verhalten des Vorgesetzten wird zumindest die Verhaltenssicherheit beim Mitarbeiter bezüglich der Richtigkeit der eigenen Entscheidungen gefestigt. Wenn sich die aus der aktuellen Wahrnehmung ergebende Einschätzung des zukünftigen Vorgesetztenverhaltens bzw. der zukünftigen Erwartungen des Vorgesetzten im Laufe der Zeit bestätigen, kann eine auf Verlässlichkeit gegründete reibungsarme Zusammenarbeit entstehen. Das Gleiche darf angenommen werden, wenn die Persönlichkeitsmerkmale der Führungskraft in den Augen des Mitarbeiters konstant bleiben. Wenn der Mitarbeiter im Laufe mehrerer Präsentationen einen positiveren, d.h. natürlich seinem eigenen Idealbild besser entsprechenden, Eindruck von diesen Persönlichkeitsmerkmalen gewinnt, kann sich das in verstärktem Engagement auswirken. Gelingt es dem Vorgesetzten, durch sein repräsentierendes Verhalten dem Mitarbeiter sympathischer zu erscheinen, wird er möglicherweise bei diesem einen Motivationsschub auslösen. Auftreten gegenüber Vorgesetzten und Kunden Führungskräfte haben in den meisten Fällen auch selbst eigene Vorgesetzte. Soweit sie nicht in eindeutig eigenen (persönlichen) Angelegenheiten handeln, repräsentieren sie die von ihnen geführten Mitarbeiter. Mit ihrem Ein-

6.5 Repräsentieren

165

druck beim Vorgesetzten finden sie Zustimmung oder Ablehnung der von ihnen vorgelegten Ergebnisse der Arbeitsgruppe. Außerdem beeinflussen sie dessen Einstellung und Verhalten gegenüber der Gruppe der vertretenen Mitarbeiter. Letztere werden dies in irgendeiner Form zu spüren bekommen. Das beim Vorgesetzten der Führungskraft Erreichte wird von den Mitarbeitern zumindest teilweise auch ihrer Führungskraft selbst zugeschrieben und hat je nach Ergebnis unterschiedliche Auswirkungen auf ihr Verhalten. Analoges gilt für das Repräsentieren der Führungskraft bei Kunden. Hier ist mit dem bewertenden Schließen des Kunden von der Repräsentation auf die vertretene Unternehmenseinheit bzw. das Unternehmen als Ganzes zu rechnen. Davon wieder hängt der wirtschaftliche Erfolg der Repräsentierung ab, den auch die Mitarbeiter zu spüren bekommen.

6.5.4

Wie wird vorteilhaft repräsentiert?

Mit vorteilhaft repräsentieren ist hier ein Repräsentieren gemeint, das zumindest von einer Mehrheit der Adressierten positiv bewertet wird. Dabei können die in Abbildung 6.31 gezeigten Aspekte unterschieden werden:

Körperliche Erscheinung Unpersönliche Attribute

Kleidung

Repräsentieren Kommunikationsverhalten

Ansprache Inhalte

Abb. 6.30:

Aspekte des Repräsentierens

Die körperliche Erscheinung umfasst Haarschnitt, Rasur, Sauberkeit, Körperhaltung und Bewegung. Es kann (leider) nicht ausgeschlossen werden, dass auch unveränderliche Merkmale (z.B. Größe, Ebenmäßigkeit der Ge-

166

6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

sichtszüge) für die Tendenz der Bewertung von Bedeutung sind. Bei Kleidung kommt es darauf an, ob sie formell oder leger wirken soll, ob Eleganz oder Nachlässigkeit angestrebt wird. Die Ansprache kann mehr oder weniger förmlich sein. Inhalte können sachlich oder emotional akzentuiert werden, sie können wirklich Neues oder auch nur Bekanntes enthalten. Abhängig vom Kommunikationsverhalten der Führungskraft kann es zu einem echten Dialog mit dem Auditorium bzw. den Gesprächspartnern kommen oder es gibt nur die Einbahnstraße der Informationsvermittlung vom Repräsentierenden zu den Angesprochenen bzw. den Zuschauern. Zu den unpersönlichen Attributen zählen z.B. das Auto, in dem die Führungskraft vorfährt, sowie Uhr und Schmuck. Jeder Geschäftsführer bzw. jede Führungskraft in KMU wird sich vor einer repräsentierenden Veranstaltung überlegen, wie er diese Merkmale ausgestaltet, um am besten seinen Zweck zu erreichen. Er sollte sich diesen Zusammenhang aber auch im Hinblick auf seine alltäglichen Kontakte bewusst machen, da durch deren Häufigkeit und Intensität die Wirkungen wahrscheinlich gravierender sind. Zwecke können z.B. sein, jovial zu wirken, um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, oder durch Statussymbole so zu beeindrucken, dass im Auditorium oder bei den Teilnehmern bzw. den Mitarbeitern Respekt und Bewunderung ausgelöst werden. Absicht kann auch sein, eine schlechte Geschäftsentwicklung und etwaige Konsequenzen glaubwürdig zu vermitteln und Akzeptanz dafür zu gewinnen. Bei guten Geschäften kann Ziel sein, den Mitarbeitern das Gefühl einer angemessenen Beteiligung zu geben oder Externen Vertrauen in die zukünftige Entwicklung des Unternehmens zu vermitteln. Schließlich kann über Repräsentieren auch beispielhaft vorgeführt werden, wie alle Unternehmensangehörigen in der Öffentlichkeit auftreten sollten. Dabei muss keineswegs immer eine – im Allgemeinen auch kaum zu erreichende – einheitliche Reaktion der Belegschaft beabsichtigt sein. In vielen Fällen ist es wichtiger, die Meinungsbildner unter den Mitarbeitern entsprechend zu stimmen. Diese werden in der alltäglichen Kommunikation mit ihren Kollegen – wahrscheinlich ohne dies bewusst anzustreben – dafür sorgen, dass die Führungskraft ihre Absicht erreicht. Die Bedeutung von Meinungsbildnern ist natürlich auch in Bezug auf externe Veranstaltungen zu bedenken und zu berücksichtigen.

6.5 Repräsentieren

167

Es liegt auf der Hand, dass es keine allgemein geltenden konkreten Anweisungen für die Ausgestaltung der aufgeführten Merkmale geben kann, sondern dass diese von den jeweiligen Umständen im speziellen Unternehmen abhängen und vom Zweck her zu bestimmen sind. Die Führungskräfte in KMU kennen ihre Mitarbeiter, Geschäftspartner bzw. Adressatengruppen und werden einschätzen können, wie diese auf körperliche Erscheinung, Kleidung, Ansprache, Inhalte, Kommunikationsverhalten und unpersönliche Attribute reagieren. Dementsprechend werden sie sich bezüglich dieser Aspekte vorbereiten. Nachstehend wird das Ausgeführte in folgenden drei Fallbeispielen illustriert:

1. Technik-Geschäftsführer Anton A spricht in einer Belegschaftsversammlung 2. Projektleiter Carlo C hält in der Industrie- und Handelskammer einen Fachvortrag 3. Administrations-Geschäftsführer Berthold B gibt einem regionalen Rundfunksender ein Interview Fallbeispiel: Belegschaftsversammlung Der wirtschaftliche Hintergrund für die Belegschaftsversammlung einen Monat vor Ablauf des Geschäftsjahres ist die Entscheidung der Geschäftsführer, aufgrund der wegen außerordentlicher Umstände im laufenden Jahr unbefriedigenden Geschäftslage alle erwarteten Bonuszahlungen zu halbieren. Die Mitarbeiter wurden per Email für eine Versammlung im Anschluss an die Dienstzeit eingeladen. Die Einladung, zwei Tage vor dem Termin verschickt, enthielt den Hinweis, dass notwendige wirtschaftliche Maßnahmen erläutert werden sollen. Anton A kommt pünktlich in gewohnter äußerlicher Erscheinung und seinem in der Software GmbH üblichen Outfit. Er begrüßt seine Mitarbeiter in einem kollegialen Ton und bittet als erstes um Entschuldigung, dass sein Mit-Geschäftsführer Berthold B aus gesundheitlichen Gründen nicht ebenfalls anwesend ist und dass die Einladung so kurzfristig erging. Er begründet den so knapp vor Ende des Geschäftsjahres liegenden Termin und die Kurzfristigkeit der Einladung mit seinen Bemühungen und denen seines Kollegen Berthold B, noch bis vor drei Tagen einen Bankkredit zur

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

Überbrückung des bekannten außergewöhnlichen finanziellen Engpasses zu erhalten. Wären sie erfolgreich gewesen, hätte die Bonuszahlung in erwarteter Höhe erfolgen können. Das Geschäftsjahr werde auf jeden Fall ohne Gewinn abgeschlossen werden. Anton A erklärt sich dann bereit, auf Fragen zu den Ursachen der außergewöhnlichen Umstände offen zu antworten. Nach einer nicht sehr langen Diskussion schließt er die Versammlung mit der Bitte, die Entscheidung als im Interesse aller Beschäftigten im Unternehmen zu verstehen, und mit der Prognose, das kommende Geschäftsjahr werde wieder gewohnt positiv verlaufen.

Kommentar: Anton A hat das Bestmögliche unternommen. Es darf mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass er bei den Mitarbeitern Verständnis für die Entscheidung gefunden hat und dass es ihm gelungen ist, das Vertrauen in die Geschäftsführung zu erhalten. Fallbeispiel: Fachvortrag Carlo C soll vor Bankenvertretern die Anforderungen an die üblichen ITSysteme erläutern, die sich aus neuen Berichtsverpflichtungen ergeben. Sein Auditorium wird aus Abteilungsleitern und Projektmanagern bestehen. Carlo C ist nicht der Experte im Unternehmen für diese Problematik. Da aber der fachlich versierte Kollege Edgar E urlaubsbedingt verhindert ist und Geschäftsführer Berthold B diese Präsentationsmöglichkeit für das Unternehmen unbedingt nutzen möchte, übernimmt Carlo C – nicht sehr glücklich darüber – diese Aufgabe. Carlo C kommt mit Folien, die zum Teil von seinem Kollegen Edgar E stammen, im Anzug mit offenem Hemd. Nach der Begrüßung beginnt er damit, sich für mögliche Ungenauigkeiten zu entschuldigen. Er sei ja nicht der Experte für dieses Thema. Da er als Programmierer sorgfältiges Arbeiten gelernt hat, stellt er jede Folie detailgenau vor und lässt sich auch nicht dadurch davon abbringen, dass er manche Einzelheit nicht erklären kann. Er hatte gebeten, Fragen erst nach seinem Vortrag zu stellen, und geht auf trotzdem vorgebrachte Einwürfe nur ausweichend ein. Nachdem er auch

6.5 Repräsentieren

169

die wenigen Fragen, die nach Abschluss seiner Präsentation noch gestellt wurden, so gut er konnte beantwortet hatte, weist er vor seinem Dank für die Aufmerksamkeit noch auf die Expertise der Software GmbH in diesem Themenbereich hin.

Kommentar: Die Wahl des Outfits war nicht einfach, weil Carlo C mit Projektleitern rechnen musste, die sich gewöhnlich wie er kleiden. Da er aber auch Abteilungsleiter von Banken vor sich haben würde und nicht nur fachliche, sondern auch geschäftliche Kompetenz abgestrahlt werden sollte, wären Anzug und Krawatte dazu besser geeignet gewesen. Seinen Vortrag mit einer Entschuldigung zu beginnen, in diesem Thema keine Expertise zu besitzen, ist eindeutig kontraproduktiv. Sowohl Folien seines Kollegen als auch eigene zu verwenden, legt eine Grundlage für Unsicherheit. Diese wurde in der Bitte, auf Zwischenfragen zu verzichten, und dem nicht zu vermeidenden Ausweichen offensichtlich. Der abschließende Hinweis auf die Expertise seines Unternehmens musste unter den beschriebenen Umständen eher den gegenteiligen Eindruck erzeugen. Es wäre verständlich, wenn eventuell anwesende wohlwollende Geschäftsfreunde des Unternehmens dessen Geschäftsführer auf entsprechenden Weiterbildungsbedarf bei Carlo C hinweisen würden. Fallbeispiel: Interview Berthold B gibt einem regionalen Rundfunksender ein Interview in seinem Büro. Er wird um eine Stellungnahme zur Praxis mancher IT-Berater gebeten, bei Geschäftsrückgängen Mitarbeiter zu entlassen und sie anschließend zu schlechteren Bedingungen wieder einzustellen. Der Moderator erläutert zu Beginn des Interviews die Problematik und stellt dann Berthold B in seiner Funktion als Geschäftsführer vor. Anschließend formuliert er die erste Frage. Berthold B antwortet nicht gleich auf die Frage, sondern stellt zunächst sein Unternehmen vor mit dem Hinweis, dass man dann seine Antworten besser einschätzen könne. Mit seinen Antworten macht er deutlich, dass branchenüblich kurzfristig eintretende Veränderungen der Geschäftslage Anpassungen der Entgelte und

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6 Direkte Führung: Was sind die Aufgaben der Führungskraft?

der Arbeitsbedingungen im Interesse des Wohls aller Beschäftigten einerseits notwendig, andererseits aber auch möglich machten. Er erwähnt in diesem Zusammenhang, dass die Software GmbH in einer Phase längerfristiger profitabler Aufträge Boni über die vertraglichen Regelungen hinaus gezahlt habe und auch Ausbildungsverträge abgeschlossen sowie großzügig Weiterbildungen finanziert habe. Als der Moderator insistiert, ob sein Unternehmen in bestimmten Situationen auch zu der in Frage stehenden Praxis greifen würde, verneint er dies nicht rundweg, sondern betont die offene Diskussion der Konsequenzen schlechter Geschäftslagen mit seinen Mitarbeitern.

Kommentar: Berthold B nutzt die Gelegenheit, die Software GmbH bekannt zu machen, auch wenn die voraussichtlichen Zuhörer nur bedingt zur Zielgruppe des Unternehmens gehören. Er zeichnet kein geschöntes Bild seines Unternehmens und lässt es nicht als unglaubwürdige Ausnahme erscheinen. Zugleich hebt er aber auch positive und verantwortungsbewusste Verhaltensweisen in seinem Unternehmen hervor. Berthold B kann mit dem von ihm erzielten Eindruck bei seinen Zuhörern und wahrscheinlich auch bei dem Moderator zufrieden sein.

6.6 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Wiederholungsfragen zum Kapitel

Unter welchen Bedingungen sollte eine Führungskraft ihre Mitarbeiter in Entscheidungen einbeziehen? Wie wirkt die Beteiligung der Mitarbeiter auf den von ihnen wahrgenommenen Führungsstil der Führungskraft? Welche Methoden der Entscheidungsfindung für Führungskräfte kennen Sie? Mit welchen Vor- und Nachteilen sind sie verbunden? Wie sichert die Führungskraft Ressourcen? Welche Probleme können bei der Sicherung von Ressourcen durch Führungskräfte auftreten? Welche Informationsrollen nehmen Führungskräfte wahr? Worauf ist beim Informieren zu achten?

6.6 Wiederholungsfragen zum Kapitel

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.

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Was ist der Nutzen des Führens mit Zielen? Wie unterscheidet sich Zielsetzung von Zielvereinbarung? Welche Kriterien gelten für die Formulierung von Zielen? In welchen Fällen sind Verhaltens-, in welchen Ergebnisziele sinnvoll? Welche Aufgaben sollte eine Führungskraft delegieren und welche nicht? Welche sechs Elemente sind bei der Delegation von Aufgaben zu beachten? Wie kann Leistung kontrolliert werden? Unter welchen Bedingungen ist Feedback besonders wirksam? Warum ist Kritik schwieriger zu äußern als Anerkennung? Welche Prinzipien sollten bei Kritikgesprächen beachtet werden? Welche Formen von Beurteilungen finden in Unternehmen statt? Warum sind Mitarbeiter an Beurteilungen und generell an Feedback interessiert? Welche Beurteilungsverfahren werden eingesetzt? Was wird mit relativen oder normorientierten Beurteilungen angestrebt? Welche Zwecke können mit Repräsentationen verfolgt werden? Wodurch wird repräsentiert?

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Index A Absentismus 24, 37 Abstimmungsbedarf 130 Abteilungsleiter 11, 168 Anerkennung V, 18, 128, 141, 143, 144, 145, 175, 178 Anordnungen 8, 103 Anreiz 70, 71 Anreize 66, 72, 120 Anreizsystem V, 71, 120 Anreizpolitik 65 Ansprüche 6, 14, 49 Anstrengung 72, 115, 141 Arbeitsaufgabe 56 Arbeitsklima 120 Arbeitszeit 16, 79, 98, 107, 132, 134 Arbeitszufriedenheit 24, 107, 116 Aufgabe 5, 6, 14, 21, 22, 50, 52, 53, 65, 93, 101, 102, 168 Außenorientierung 6, 15 Autorität 8, 16 Axiom 160 B Bachelor of Business Administration 99, 100 Balanced Scorecard 118 Bedürfnis 46, 66, 67, 69, 71, 74 Leistungsbedürfnis 67, 69 Machtbedürfnis 67, 69 Sicherheitsbedürfnis 68 Statusbedürfnis 68 Zugehörigkeitsbedürfnis 68, 69

Bedürfnisprofil 69, 70, 72 Beförderung 7, 137, 158 Beförderungen 139 Belegschaft 97, 161, 163, 166 belohnen 19, 98 Belohnung V, 67, 69, 71, 72, 73, 74, 75 Berufswahl 51 bestrafen 19 Bestrafung V, 69 Beteiligung 8, 11, 20, 84, 99, 166 Betriebsklima 24, 99 Betriebsversammlung 100, 101 Beurteilungsmaßstab 157 Beurteilungsprozess 139 Bindung 26, 29, 49, 76, 100, 116 Budget 24, 72 Budgetüberschreitung 36 C Commitment 116, 120 Controlling 6, 10 Cross-Selling 124 D Day-do-day-Feedback 152 Delegation 17, 74, 75, 104, 128, 129, 130, 131, 132, 135, 137, 138, 171, 173 delegieren 105, 128 Demotivation 22, 35, 137 Demotivierung 30, 36, 65, 74, 100, 118 Dienstwagen 68, 71, 72, 159 Dienstzeit 167

182 Dilemma 14, 15, 103 Distanz 16 dringend 79 Dringlichkeit 79, 131 E Eignung 158 Einfluss 2, 5, 18, 29, 47, 56, 67, 119, 132, 162, 173 Einflusstaktiken 21 Einstellungsstopp 97 Eisenhower-Prinzip 131 Employability 70, 98 Entgelt 7, 97, 99, 139, 169 Bonus 98, 113, 125, 127, 167, 168, 170 Bonussystem 112, 113 erfolgsabhängiger Gehaltsanteil 103 Gehaltsanpassung 78, 137, 158, 163 Gehaltsentwicklung 24 Lohndifferenzierungen 28 Prämie 74 Sonderbonus 71 variabler Gehaltsanteil 120 Vergütung 114, 174 Wechselbonus 32 Entscheidungen dispositive Entscheidung 8 intuitive 80 operative 78, 79 rationale 80 strategische Entscheidung 8 Entscheidungsbefugnis 21 Erfolg 5, 24, 27, 161, 165 Erkrankung 30, 32, 33 Erscheinungsbild 162, 165, 167 Ersten Eindruck 162 F Fachkompetenz 19 Fähigkeit 18, 35, 77, 130, 144, 158, 160

Index Fallbeispiel 10, 13, 14, 16, 19, 22, 26, 33, 46, 47, 53, 56, 58, 61, 71, 74, 82, 95, 98, 103, 124, 134, 135, 167, 168, 169 Feedback 116, 122, 176 Flexibilisierung 113 Fluktuation 24, 30, 31, 120 Fremdbestimmung 15 Führen mit Zielen V, 114, 116 Ergebnisziele 171 Management by Objectives 114 SMART-Formel 116, 118 Zielerreichung 117, 118, 119, 120, 124, 125, 127 Zielvereinbarung 121, 124, 127, 137, 138, 171 Zielvorgaben 103 Führerpersönlichkeit 9 Führung authentische V ethische V geteilte V Komplexitäts- V transformationale und charismatische V Führungsansatz VI Führungserfolg 24, 27, 28, 39 Führungsgrundsätze VI Führungsmodell 2, 41, 63, 159, 160 Führungsspanne 24 Führungsstil 24, 38, 46, 47, 50, 51, 52, 54, 63, 84, 85 Aufgabenorientierung 15, 45, 46, 49, 50, 63 autokratisch 46 autoritär 46 Beziehungsorientierung 46 Laissez-faire 45 Mitarbeiterorientierung 45 partizipativ 45 Führungsstile 10, 44, 50 Führungssubstitut 59 Führungstheorien 9, 43

Index Führungsverhalten V, 33, 42, 51, 59, 76, 164 G Geführte 5, 19, 37 Geschäftsbereiche 10 Geschäftsführer 3, 10, 20, 37, 38, 46, 58, 61, 71, 72, 93, 95, 96, 99, 100, 102, 103, 124, 125, 166, 167, 168, 169 Gesellschafter 2 Gleichbehandlung 17 H Handlungsspielraum 9, 15, 61 Handwerkskammer 161 Herstellerzertifikate 98 Hierarchie 25, 37, 56 I Identifikation 19, 24, 28, 29 Identifizierung 28 Incentive 75 Incentives 98, 124, 125 Industrie- und Handelskammer 161, 167 Informationsrollen 108 Innenorientierung 6, 15 Innovationen 11, 69 Instanz 21 Intuition 80, 81, 175 J jour-fixe 138 Jubiläen 163 K Kleidung 68, 166, 167 KMU 2, 37, 38, 79, 93, 152, 158, 160, 166, 167

183 Kommunikation 84, 105, 106, 107, 166, 173, 178 Beziehungsebene 106, 107 Körpersprache 106 Missverständnisse 105 Kommunikationsverhalten 166, 167 Kompetenz 21, 22, 26, 52, 169 Kontrolle 56, 67, 69, 130 Meilenstein 124, 126 Kritik 59, 84, 141, 142, 143, 146, 147, 175, 178 Kunden 6, 10, 16, 58, 62, 71, 96, 98, 101, 102, 103, 118, 124, 126, 160, 164, 165 Kundenzufriedenheit 17, 98 Kündigung 30, 31, 35 L Leadership 8, 39, 173, 174, 177 Leistung 24, 26, 32, 35, 36, 45, 72, 73, 114, 137 Leistungsbeurteilung 25, 139, 152, 153, 155, 157, 158, 163, 176, 177, 178 relative 113 Leistungsbeurteilungen 137, 139 Leistungsbeurteilungssystem 26 Leistungseinbußen 120 Leistungsfähigkeit 49, 50, 69, 73, 99, 115, 122, 128 Leistungsförderung 158 Leistungskontrolle 26, 114, 138 Leistungspotenzial 100, 128, 137 Leistungsschwankungen 117, 140 Leistungswilligkeit 49, 50 Leistungszurückhaltung 33 Lieferanten 6, 93, 96 Linienführungskraft 7 Linienfunktion 7

184 M Macht 18, 19, 56 Expertenmacht 19 legitime Macht 18 persönliche Macht 19 Positionsmacht 18, 19 Referenzmacht 19, 39 Managementebene 8 Matrix-Organisation 3 Mehrarbeit 23, 33 Meinungsbildner 166 Messen 161 Mikropolitik 177 Mitarbeiterbindung 120 Mitarbeitergespräch 69, 153, 175, 177 Mitarbeiterorientierung V, 49 Motivation 28, 32, 35, 50, 72, 73, 164, 176 Motivationsheorien Theorie der gelernten Bedürfnisse 67 Motivationsrückgang 28, 33, 35 Motivationstheorien Erwartungstheorie 72, 73, 74, 76 Motivationsverlust 97 Motive 69, 76 Motivierung 67 N Nachahmung 55 Nacharbeit 94 Nähe 16, 18, 99, 163 Netzwerk 93 Neueinstellung 97 Normen 18, 60 Nutzen 2, 12, 27, 28, 30, 94, 118, 128, 130 Nutzwertanalyse 88, 89

Index O Öffentlichkeit 25, 160, 161, 166 Organigramm 3, 7 organizational citizenship behavior 56 Ouote Krankenquote 33 Outfit 167 Output 24 P Personalabbau 97 Personalabteilung 6, 97 Personaldaten 24, 25 Personaleinsparungen 94 Personalpolitik 71 Personalrichtlinien 99 Persönlichkeit 31, 162 Persönlichkeitsmerkmal 164 Pönalen 82 Position 2, 12, 16, 18, 24, 30, 32, 68 Potenzialanalyse 158 Präferenzenmatrix 87 Probezeit 34, 78, 154 Produktivität 28, 33, 34, 94, 139 Produktivitätssteigerung 103 Programme Routineprogramm 60, 61, 63 Zweckprogramm 61 Projektleiter 3, 7, 20, 21, 46, 47, 58, 62, 95, 96, 101, 103, 125, 126, 167 Projektorganisation 2 Projektstruktur 2, 7 Q Qualifikationsniveau 24 Qualität 24, 93, 94, 124 Qualitätskontrolle 47, 93 Qualitätsmängel 117

Index

185

Qualitätssicherung 1 Quote 33, 157

Theorie 2, 43 Trilemma 16

R Reife 50, 51, 52, 53, 84 Reifegrad 49, 50, 63 repräsentieren 130, 159, 160, 164, 165 Ressourcen 15, 67, 92, 93, 97, 101, 102, 130 Rolle 6, 14 Routineaufgaben 60, 130 Ruhestand 30

U Überstunden 20, 21, 33, 36, 37, 154 Unternehmenserfolg 1, 27, 29, 38, 139 Unternehmensführung 1, 24, 27, 28, 36, 38, 175 Unternehmenskommunikation 65 Unternehmenskredit 71, 75 Unternehmenskultur 25, 39, 60, 65 Unternehmensziele 1, 6, 119, 174 Urlaubsantrag 36

S Scoring-Modell 88 Selbstbestimmung 15 Selbstdarstellung 12 Selbsteinschätzung 141, 144, 145 Selbstverantwortung 114 Skala 155 Spezialistentätigkeiten 130 Spiegelneurone 55 Stakeholder 27 Start-up 25 Statussymbole 68, 166 Stellenbeschreibung 155, 157 Sündenbock 22 SWOT-Analyse 89, 90 symbolisieren 159 Sympathie 19, 163 T Tagesgeschäft 10, 34, 53, 128 Taktiken 21 Legitimation 18, 21 Rat 10, 17, 21, 52 Schmeicheln 21 Tauschangebote 21 Tätigkeitsinhalt 21 Teilhaber 10

V Verantwortung 3, 7, 10, 15, 21, 22, 23, 27, 33, 39, 42, 50, 52, 53, 61, 67, 72, 74, 115, 130, 143, 144 Verantwortungsbereich 163 Verbände 161 Verbesserungsvorschläge 24 Verhaltenssteuerung 118, 152 Verteilzeit 35 Vertrauen 63, 105, 129, 164, 166, 168, 173, 175 Vertriebsabteilung 101 Verwaltung 3, 10 Vision 9, 12, 175 Vorbild 19, 55, 56, 63 W Wachstum 11 Wahrnehmung 31, 71, 122, 162, 163, 164 Wasserträger 21 Weisung 18, 93 Weisungsbefugnis 2, 7 Weiterbildung 26, 30, 70, 71, 74, 97, 98, 99, 137, 139, 144, 153, 170, 176 Werte 18, 28, 60

186 Wertschätzung 16, 62, 131 Wettbewerber 11, 12 Widerstände 153 Wiederholungsfragen 4, 39, 63, 76, 170 Z Zeitarbeitskräfte 34 Ziele Ergebnisziele 118 Verhaltensziele 118

Index Zielerreichung 103, 115, 116 Zielfindung 120, 122 Zielsetzung 119, 120, 176 Zielvereinbarung 104, 119, 120, 122, 124, 126, 127, 174, 177 Zielvorgabe 120 Zielvorgaben 5 Zufriedenheit V, 29, 33, 45, 48, 65, 84, 101, 103, 128, 139