Öffentliche Transaktionskosten und Effizienz des staatlichen Einnahmesystems [1 ed.] 9783428482481, 9783428082483


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German Pages 428 Year 1995

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Öffentliche Transaktionskosten und Effizienz des staatlichen Einnahmesystems [1 ed.]
 9783428482481, 9783428082483

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UDO H. RAAB ÖlTentliehe Transaktionskosten und Effizienz des staatlichen Einnahmesystems

Abhandlungen zur Nationalökonomie Herausgegeben von Professor Dr. Karl-Dieter Grüske in Zusammenarbeit mit den Professoren Dr. Wolfgang Harbrecht, Dr. Joachim Klaus, Dr. Werner Lachmann, Dr. Manfred Neumann

Band 1

Öffentliche Transaktionskosten und Effizienz des staatlichen Einnahmesystems Von

Udo H. Raab

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Raab, Udo H.: Öffentliche Transaktionskosten und Effizienz des staatlichen Einnahmesystems I von Udo H. Raab. Berlin: Duncker und Humblot, 1995 (Abhandlungen zur Nationalökonomie ; Bd. I) Zug!.: Erlangen-Nürnberg, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08248-6 NE:GT

n2 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-4595 ISBN 3-428-08248-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Einführung des Herausgebers

Die Schriftenreihe Abhandlungen zur Nationalökonomie wurde von den Vertretern des Volkswirtschaftlichen Instituts an der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg gegründet, um wichtige Ergebnisse wirtschaftswissenschaftlicher Forschung in angemessener Form zu präsentieren und das weite Spektrum der Nürnberger Ökonomie vorzustellen. In erster Linie sollen deshalb herausragende Dissertationen, Habilitationen, Monographien und Sammelbände publiziert werden, die an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät in Nürnberg entstanden. Neben Nürnberger Forschungsbeiträgen können in Ausnahmefällen auch Werke auswärtiger Forschung aufgenommen werden, sofern sie inhaltlich in das Nürnberger volkswirtschaftliche Rahmenprogramm passen. Die Reihe stellt damit ein Forum dar, auf dem sich wirtschaftstheoretische, wirtschaftspolitische und finanzwissenschaftliche Abhandlungen einer wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit zur Diskussion stellen können. Die Reihe wird mit dem vorliegenden Band I von Udo Raab eröffnet. Die Arbeit entstand als Dissertation an meinem Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft. Sie beschäftigt sich mit der Effizienz des öffentlichen Einnahmesystems - einem der zentralen Anliegen der Theorie und Politik der öffentlichen Wirtschaft, seit Adam Smith seine Grundsätze zur Erhebung der Steuern formuliert hat. Während man sich lange Zeit fast ausschließlich mit der Steuertechnik und zentralen Steuerwirkungen auseinandergesetzt hat, etablierte sich erst seit etwa zwei Jahrzehnten im Zuge der modelltheoretischen, mikroökonomisch-neoklassischen Ausrichtung der Finanzwissenschaft mit der Theorie der optimalen Besteuerung ein neuer Forschungsschwerpunkt. Im Mittelpunkt stehen die Wirkungen der Steuern auf die effiziente Allokation einer Ökonomie. Die abgeleiteten (z.T. widersprüchlichen) Ergebnisse der optimalen Steuertheorie vernachlässigen allerdings fast durchweg, daß mit Steuern und den übrigen öffentlichen Einnahmen weitere Ressourceneinbußen verbunden sind, die mit dem Konzept der excess burden nicht erfaßt werden können. Damit

6

Einfilhrung des Herausgebers

fehlt bisher aber eine umfassende effizienzorientierte Analyse des staatlichen Einnahmesystems, die alle Kosten (in einem weiten Sinne) einbezieht und damit weniger auf ein (unrealistisches) optimales Steuersystem als vielmehr auf ein (realistisches) effizientes Einnahmesystem abzielt. Vor diesem wissenschaftlichen Hintergrund ist das Anliegen der Dissertation einzuordnen. Udo Raab will in einem umfassenden und erweiterten Konzept der Transaktionskosten alle Aspekte der Effizienz des öffentlichen Einnahmesystems unter alternativen institutionellen Regeln analytisch erfassen, in einer Synthese zusammenfUhren und Reformvorschläge ableiten. Dazu überträgt er den für den Markt entwickelten Ansatz der Transaktionskosten auf den öffentlichen Sektor und kann mit diesem neuartigen Ansatz herkömmliche Übersichten der Steuerwirkungen umfassend ergänzen. Durch die explizite Trennung in Primär- und Sekundärprozesse gelingt es ihm zunächst, die Transaktionskosten öffentlichen Handeins in Markt und Staat über kurz- und langfristige Prozesse in einem Gesamtsystem zu integrieren. Aus drei alternativen "Staatstheorien", die sich hinsichtlich der Annahmen über das Verhalten der Akteure im politischen Entscheidungsprozeß unterscheiden, leitet der Verfasser relevante Effizienzbegriffe ab. Er entwickelt aus den jeweils charakteristischen Arten von Transaktionskosten Indikatoren für Wirtschaftlichkeit des Einnahmesystems in repräsentativen Demokratien, mit denen im zweiten Teil der umfangreichen Studie öffentliche Transaktionskosten von Einnahmesystemen in Abhängigkeit vom institutionellen Rahmen fundiert und kritisch untersucht werden. Mit Hilfe von Interessenfunktionen kann im zentralen fünften Kapitel ein einheitliches Erklärungssystem für die Verhaltensweisen von Bürgern, Interessengruppen und Politikern abgeleitet werden, das es schließlich auch ermöglicht, die Dynamik von Steuerausweichung, Folge- und Erhebungskosten zu integrieren. Schließlich leitet der Verfasser in einer Synthese aus den komplexen normativen und positiven Erkenntnissen Ansätze zur Verringerung einnahmebedingter Effizienzeinbußen ab. Die Analyse kommt zu eigenständigen theoretischen und empirischen Ergebnissen auf hohem wissenschaftlichen Niveau. Sie führt auf zahlreichen Teilgebieten, wie auch in der Gesamtsicht, deutlich über den bisherigen Stand der finanzwissenschaftliehen Forschung hinaus. Nürnberg, im Oktober 1994

Karl-Dieter Graske (Geschäftsführender Herausgeber)

Vorwort

Die vorliegende Studie entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, angeregt noch von meinem- viel zu früh verstorbenen- sehr verehrten Lehrer, Professor Horst Claus Recktenwald. Die Analyse setzt einen Teil des Forschungsprogramms des Lehrstuhls fort, das die Effizienz im öffentlichen Sektor zum Gegenstand hat. Sie beschäftigt sich im Rahmen der Frage nach der effizienten Gestaltung eines Systems öffentlicher Einnahmen mit den verschiedenen Arten von öffentlichen Transaktionskosten, die unter alternativen institutionellen Arrangements im öffentlichen Sektor entstehen können. Die Studie will in erster Linie dazu beitragen, über die einseitigen Lösungen von - manchmal gar zu technokratisch wirkenden - rationalen oder optimalen Theorien hinaus zu analysieren, mit welchen Ansätzen man den vielfältigen potentiellen Effizienzverlusten der Einnahmeerzielung jeweils ursachengerecht begegnen kann. Mein Dank gilt vornehmlich Professor Karl-Dieter Grüske, der mir unmittelbar nach dem Tode Recktenwaids die weitere Betreuung der Dissertation angeboten hat. Nach seinem Ruf auf den Nürnberger Lehrstuhl trugen viele kritische Diskussionen mit ihm ebenso wie die inspirierende Atmosphäre an seinem Institut wesentlich zum Gelingen der Arbeit bei. Zahlreiche Gespräche mit allen Kollegen und Doktoranden am Lehrstuhl haben die Inhalte essentiell angeregt. In tiefer Schuld stehe ich insbesondere bei Klaus Müller, Alexander Ring und Dr. Heike Stengel für kritische Anmerkungen und wertvolle Hinweise auf Schwächen und Inkonsistenzen in meinen Entwürfen. Wichtigstes Anliegen ist es mir, vor allem meiner Familie zu danken - an erster Stelle meiner Frau Dorothea. Ohne ihre selbstlose Unterstützung hätte meine Arbeit niemals entstehen können. Ihr widme ich dieses Buch. Nürnberg, im Oktober 1994

UdoH Raab

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen ..........................................................................................

21

1

Methodisches Vorgehen .............................................................................

22

II. Ziele und Aufbau der Analyse ........... ........ ....... ............ .. ........ ........ . .. ........

25

1. Teil

Transaktionskosten in Markt und Staat eine kritische Gegenüberstellung

1. Kapitel

Transaktionskosten im privaten Sektor - ein Überblick 1

Zur Natur von Transaktionskosten und ihren Folgen ..................... ..........

30

A. Ausgangspunkt: Das Ergebnis der Walrasianischen Gleichgewichtstheorie .....

30

B. Transaktionskosten ........ ........... ..................................... ....... ...... ... ..........

31

C. Abweichungen von den Annalunen des neoklassischen Gleichgewichtsmodells ...................................................................................................

32

1. Vollständige Konkurrenz ....................................................................

33

2. Zur Problematik der unterstellten Produktionsfunktion .......................

35

3. Treffen die Maximierungshypothesen zu? ................................ ...........

37

II. Transaktionskosten und die Theorie der X-Ineffizienz .............................

39

A. Überblick über die Theorie der X-fueffizienz ...........................................

39

10

Inhaltsverzeichnis B. Kritische Würdigung des Konzepts ..........................................................

41

1. Empirische Problematik ...... .. ...... ... ... ... ..... ... ...... ... ...... .. .......... .. ..........

41

2. Theoretische Unschärfe ........... .. ................... .. ........... .. ...... ....... ... ... .....

42

C. Transaktionskosten, X-Ineffizienz und Wettbewerb .................................

45

Transaktionskosten und Eigentumsrechte - Folgen in dynamischer Sicht.................................................................................................. ... .......

46

IV. Zusammenfassung .. ...... ..............................................................................

47

m

2. Kapitel

Übertragung des Transaktionskosten-Konzeptes auf den öffentlichen Sektor L

Generelles zur Vergleichbarkeit von privatem und öffentlichem Sektor .

49

ll. Das wirtschafts-und finanzpolitische Zielsystem des Staates und die

Forderung nach effizienter Zielerreichung ...... ..................... .......... .. ........

56

ill. Wirkungen staatlieber Instrumente im Überblick ....................................

58

A. Grundlegende Wirkungen .. .. .. .. .. .............................. .... .. .... ...... .. .. .. .. .. .... ..

59

B. Folgen filr die vorgegebenen Ziele ...........................................................

61

C. Zu den Wirkungen auf abgeleitete Ziele: Zusätzliche Wohlfahrtsverluste von Einnahmen und Ausgaben des Staates .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

63

I. Grundlegendes zur Anpassung an Steueränderungen in kurz- und längerfristiger Sicht .... . ....... .. .. .. ... .. ................. .......................... . ...... .. . .....

63

2. Verzögerungen im Anpassungsprozeß an veränderte staatliche Aktivitäten: Ressourcenverzehr durch Information, Koordination und Kontrolle im öffentlichen und privaten Sektor .. .. .. .. .... .. .... .. .... .. .. .... ...... .. .. .... .. ....

66

3. Die Folgen von Substitutionsreaktionen in kurzfristiger Perspektive....

67

4. Längerfristige Anpassungsreaktionen ..................................................

74

a) Sekundäre Substitutions- und Einkommenseffekte .........................

75

b) Grundlegendes zu Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung als Formen der Steuerausweichung .. .... .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. ........ .... .. .. ..

77

D. Zusammenfassende Übersicht .. .. .. .... .. .......... .... .. .. .. .. ...... ... .. .....................

80

Inhaltsverzeichnis

11

3. Kapitel

Alternative "Staatstheorien" Grundmodelle und relevante Effizienzmaßstäbe I.

Wer fungiert als Träger der Finanzpolitik?- "Staatstheorien" zum Verhalten der Entscheidungsträger ........ ... .. ......... ... ................... ... ... ... ... .. ... .. .

83

A. Die Sicht der wohlfahrtsökonomischen Theorie: Wohlwollender allwissender Diktator . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . .. .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

84

1. Zur Struktur des Grundmodells ... .............. .... ... ... ......... .. ...... . .... ... . ... ...

85

2. Die implizierte Trägerproblematik . .. .. . .. . . .. . .. .. . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . ... . . .. . . . . ... .. .

86

B. Das Modell eines Leviathanstaates aus Sicht der Constitutional Economics . . ..

87

1. Annahmen und Grundstruktur des Leviathan-Modells .. ... ...... ... . ..... .. ...

88

2. Politische Entscheidungsträger im Leviathanstaat .. . ... .. . . . ... ... . . . . . . .. . .. . ..

89

C. Repräsentative Demokratie und ihr politischer Prozeß als realistische Alternative . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. . .. .. . . ... .. . .. ...... .. . . . . .. . . . . . . ............ .... ... . . .. . .... ... ..

90

I. Vorüberlegungen zur Entwicklung eines positiven Modells .... .............

91

2. Ziele und Restriktionen der Beteiligten am politischen Prozeß -kritische Diskussion einfacher Ansätze der Neuen Politischen Ökonomie . . . . . .. . ..

95

a) Wähler als Individuen sowie in Parteien und Interessengruppen .....

96

b) Politiker und Regierungsmitglieder als Repräsentanten der Wähler

101

c) Mögliche Einflußnahme durch Bürokratie und Kontrollinstanzen ...

105

3. Die Struktur des Entscheidungsprozesses im Überblick .......................

112

D . Übersicht über die drei Staatstheorien .... .. .. . .. ... . . . . . . . .. . . ... . . . . . . .... .. . . . . ... .... .. 113

ll. Unterschiedliche Referenzmaßstäbe für Effizienz und Transaktions-

kosten im Rahmen der drei Staatstheorien ............................................... 116 A. Zur Relevanz von Erhebungseffizienz und allokativer Effizienz in den drei Staatstheorien .......................................................................................... 116 I. Problematik wohlfahrtsökonomisch fundierter Effizienzkonzepte ........

116

2. Relevante Arten öffentlicher Transaktionskosten aus Sicht von Erhebungs- und allokativer Effizienz .............. ............................................

122

3. Zwischenergebnis ...................................... .............................. ........... 123 B. "Konstitutionelle Effizienz" bei eige!Ulützigen despotischen Regierungen

127

1. "Konstitutionelle Transaktionskosten": Allokative Verluste als Folge konstitutioneller Beschränkungen des Leviathan . .......... ......... .. . ... .. . . . .. 127 2. Zum Problem eines Indikators filr konstitutionelle Effizienz . . . . .. . . . . . . . ...

131

12

Inhaltsverzeichnis a) Die Überlegungen von Buchanan und Lee zur Laffer-Kurve ........... 132 b) Zur Bestinunung der konstitutionellen EffiZienz ............................. 136 C. "Politisch-demokratische Effizienz" ......................................................... 137 1. Vorüberlegungen: Politische Institutionen und EffiZienz ...................... 138

2. Potentielle Transaktionskosten in der repräsentativen Demokratie als Indikatoren filr "politisch-demokratische Ineffizienz" ..................................... 140 3. Das politische und ökonomische Verbundprinzip als Handlungsanweisung zur Annäherung an die "politisch-demokratische Effizienz" ....................... 142 D. Zwischenresümee: Staatstheorien und EffiZienzkonzepte ......................... 145

2. Teil Zur Effizienz von Einnahmesystemen

4. Kapitel

Allokative und konstitutionelle Effizienz von Einnahmesystemen 1

Optimalsteuertheorie und allokative Effizienz im Modell des weisen Diktaton .. ........................ .. . ..... .. ... ...... ............... ........................... ... ........... 148 A. Zur Irrelevanz von First-Best-Lösungen ................................................... 148

B. Ableitung der Struktur eines allokativ effiZienten Einnahmesystems: Second-Best-Regeln der Optimalsteuertheorie ......................................... 151 1. Beschränkung auf Verbrauchsteuern ................................................... 151

a) Sind einheitliche Steuersätze optimal? ........................................... 151 b) Modellanalytische Herleitung von Besteuerungsregeln ................... 153 2. Optimale direkte Steuern .................................................................... 158 a) Besteuerung von Lohneinkommen .................................................. 158 b) Intertemporale Besteuerung und dynamische Besteuerungstheorie .. 161 3. Relevanz von nichtsteuerliehen Einnahmearten im Modell des weisen Planers ............................................................................................... 168 a) Äquivalenzabgaben ........................................................................ 169 b) Staatsverschuldung ........................................................................ 170 4. Zwischenergebnisse ........ ........................... ......... ... ............................. 173

Inhaltsverzeichnis

n

13

Die Leviathan-Theorie der Besteuerung: Konstitutionelle venus allokative EffiZienz ............................................................................................... 174 A. Aufkommensmaximierung des Leviathan ...... .. .... .. .. .. ............ ...... .... .. ...... . 175 B. Konstitutionelle Steuerregeln ftlr den Leviathan .. .. .... ...... .. ........ .... .. ...... .. 178

1. Konstitutionelle Regeln der Verbrauchsbesteuerung ............................ 178 a) Welche Güter darf ein Leviathan besteuern? .................................. 178 b) Diskriminierende oder einheitliche Steuersätze? .. .. .... .. .. .. .... .... .. .. .. 179 c) Tarifliche Diskriminierung bezüglich der Gütermengen .................. 181 2. Beschränkungen bei direkter Besteuerung und Verschuldung.... .......... 182 a) Geeignete Bemessungsgrundlagen ........................................ .......... 182 b) Struktur einer Lohneinkommensteuer .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 183 c) Intertemporale Aspekte der Leviathan-Besteuerung ........................ 185 d) Einkommen- oder Ausgabensteuer? ................................................ 188 e) Staatsverschuldung ............... ... .. ... . ..... .. ..... ... .. .. .. . ..... .. .. .. ..... ..... . ... . 191 3. Die Bedeutung des Äquivalenzprinzips im Leviathanstaat ................... 192 a) Zweckbindung von Einnahmen ...................................................... 192 b) Föderale Struktur und Finanzverfassung ......................................... 195 4. Zwischenergebnisse .... .......... ............ ......... ... .. ..... ........... ... ...... ..... ...... 198

m

Allokative und konstitv.tionelle Effizienz in repräsentativen Demokratien ............................................................................................................. 199 A. Allokative Effizienz .... ... .. ..... .. ... ..... ... ... ..... ... .. . ... ......... .. .... .......... ..... .... .. . 199 1. Empirische Schätzungen allokativer Wohlfahrtsverluste von Einnahmesystemen auf Basis allgemeiner Gleichgewichtsmodelle .... ... ....... .... ......... 200 a) Zur Problematik der Vergehensweise ............................................. 200 b) Ergebnisse ftlr die USA und die Bundesrepublik ............................ 203 2. Wohlfahrtsverluste durch Folgekosten ................................................. 207 3. Zur Umsetzung von Normen der allokativen Effizienz im politischen Prozeß ................................................................................................ 214 4. Kritische Würdigung der Optimalsteuertheorie: Regeln filr Demokratien ... 217 B. Konstitutionelle Effizienz von Einnahmesystemen in der Demokratie .. ... ........ 219

1. Empirische Erkenntnisse zur Einnahmemaximierung von Regierungen .. .. .. 219 a) Zur Problematik empirischer Untersuchungen ................................ 220 b) Zu den Ergebnissen ausgewählter empirischer Studien................... 222 aa) Relevanz der Laffer-Kurve in den USA ................................... 222 bb) Weitere Untersuchungen ftlr Großbritannien und Schweden .... 228

14

Inhaltsveneichnis c) Abschließende Bemerkungen zur empirischen Evidenz filr aufkommensmaximierendes Verhalten ...................................................... 232 2. Zur Umsetzung von Normen der konstitutionellen Effizienz im politischen Prozeß ..................................................................................... .. 233 3. Zusammenfassende Beurteilung der konstitutionellen Steuertheorie als Grundlage eines effizienten Einnahmesystems in der Demokratie .. ..... 236

5. Kapitel Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz von Einnahmesystemen: Abweichungen von normativen Regeln in der repräsentativen Demokratie I.

Indizien für politisch-demokratische Ineffizienz .................................... ... 241 A. Reaktionen der Bürger auf die Belastungen durch öffentliche Einnahmen

241

1. Individuelle Entscheidungen filr ein Ausweichverhalten ...................... 242 a) Legales Ausweichen ............................ .. .......................... .... ........... 242 b) Ausweichen in die Schattenwirtschaft ... ..................... .. ....... ..... ..... . 243 aa) Determinanten schattenwirtschaftlicher Betätigung ................. 243 bb) Schätzungen zum Ausmaß der Schattenwirtschaft ....... ... ......... 248 c) Steuerhinteniehung als Alternative ................................................ 252 aa) Empirische Erkenntnisse über das Ausmaß der Steuerhinterziehung ..... . .. .... .. .. ...................... .... ... ................................ ... ... 252 bb) Determinanten fur Steuerhinteniehung ...................... ... ... ....... 254 d) Steuermoral, Ausweichverhalten und öffentliche Transaktionskosten .... 256 2. Kollektive Reaktionen von Bürgern: Transaktionskosten als Folge von Rent Seeking durch Interessengruppen ....... ..................... .. ... .... ..... .. .... 260 a) Zur Organisierbarkeit von Interessengruppen ................................. 260 b) Potentielle Transaktionskosten des Rent Seeking-Verhaltens in Interessengruppen ..... ............................... ..................... .. ........ ... ... .... 262 c) Wettbewerb von Interessengruppen und Effizienz.... ....................... 264 d) Wohlfahrtsverluste durch Rent Seeking als Negativsummenspiel ... 270 e) Ansätze zur Dynamik des "Spieles um Renten" .......................... .... 273 B. Strategien von Politikern im politischen Prozeß ......... ................. .. .... ....... 275

1. Symptome filr strategisches Verhalten der Regierungspolitiker .............. 275 a) Strategisches Ausnutzen unvollständiger Information der Wähler ... 276

Inhaltsverzeichnis

15

aa) "Fiskalillusion" .......................................................... ............. 277 bb) Politische Konjunkturzyklen ...... .... ...... ... ...... .. .. ......... ... ...... ... . 283 b) Zur Bedeutung von Ideologien ftlr das Politikerverhalten ...... ... ... .... 286 c) Zwischenergebnis: Analogie zur marktliehen Principal-Agent-Problematik .. .. ...... ... . ..................... ......... ... . .. ... ... ................... ... . .. ....... 289 2. Interessenfunktionen zur Modellierung des Politikerverhaltens ........... 291 a) Ein einfaches Gnmdmodell filr staatliche Einnahmen und Ausgaben. .... 291 b) Differenziertere Betrachtung ............ .. ... ............... ... .......... . .. ........ .. aa) Zum Modellaufbau ..................... ... ............................ ............. bb) Gruppen und ihre Reaktionen auf die Einnahmepolitik ............ cc) Bedingungen für ein Maximum der Interessenfunktion .. ...... .... dd) Komparativ-statische Analyse ... .. .... ........ ...... ... .... .... .. ... .... .. .... ee) Mögliche Hypothesen und Indikatoren ftir eine empirische Überprüfung . ......................... ... ..... ............... .. ......... ..... .... .. ....

299 299 303 307 310 315

C. Eine knappe Zwischenbilanz ............ ... ......... ... ..... ... ... ..... . .. ......... .. ... ... .... 317

R

Aspekte der Erhebungseftlzienz in repräsentativen Demokratien: Zum Verhältnis von Erhebungskosten und Struktur des Einnahmesystems .... ... ......... 318 A. Empirische Erkenntnisse zu administrativen Erhebungskosten: Symptome

ftlr IneffiZienz .................. ............................. . .. ... .............. .. ......... . ....... .. .. 319 1. Vorüberlegungen ................................................................................ 319 2. Ergebnisse und ihre Interpretation ... ........ ... ............... ... ........ ...... .. ... ... . 322 3. Folgerungen, Einschränkungen und mögliche Erweiterungen .............. 328 B. Zum Einfluß von administrativen Kosten und politischen Faktoren auf die Struktur von Einnahmesystemen in der Demokratie ....... . .. ..... ... . .. .. ....... ... 333

I. Aspekte der strukturellen Entwicklung von Einnahmesystemen . .... .. .... 334 2. Mögliche politisch-institutionelle Determinanten für Steuerstrukturen

335

3. Administrative Erhebungskosten im politischen Kalkül und ihre Bedeutung ftlr die Steuerstruktur ............................................................. 342 a) Grundmodell zur Steuerstruktur ............................................ ......... 343 b) Modellerweiterungen ............... .. ... ....... .. ............... .. ...... ... ... .. ......... 344 c) Zur Interpretation der Modellergebnisse ............................... .......... 349 C. Öffentliche Transaktionskosten und strukturelle Änderungen des Einnahmesystems: Dynamische Sicht von Steuerreformen ...... .. ......... .. .... .... ....... 352

m.

Einnahmepolitik in der Demokratie - Erkenntnisse im "Überblick .. ......... 360 A. Öffentliche Transaktionskosten in der Demokratie ....... ... .... . ... ...... .. ......... 360

B. Indizien ftlr die Relevanz des aufgelösten Verbundes im Staat ................. 362

16

Inhaltsverzeichnis

3. Teil Staatseinnahmen in der Demokratie: Synthese normativer und positiver Erkenntnisse

6. Kapitel

Ansätze zur Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme L

Allgemeine Voraussetzungen für Reformen ..... ......................................... 367 A. Zur Wahrscheinlichkeit von Refonnen wohlfalutsstaatlicher Institutionen .. ..... 367

B. fufonnation als notwendige Bedingung .......... . ............. .................. ...... .. .. 372

n

Grundlegende Gestaltung des öffentlichen Sektors nach dem Verbundprinzip ... ... .. ... ..... .. .............. ............................... .................................... .. ... 374 A. Personaler Verbund als Leitgedanke ............... .......... ............... .. ... .......... . 374

B. Regionaler, sachlicher und temporaler Verbund als Sirnutationen des Marktmechanismus .. ....... .................. ............ . .... ......... .................. ........ .. 379

ill. Zusätzliche Aspekte zur Erhöhung von konstitutioneller, allokativer und ErhebungseffiZienz ...... .... .... .. ... ........... ... ... . ............. ... .. ............. .......... 385 IV. Entwurf einnahmepolitischer Reformen ................................................... 391

Öffentliche Transaktionskosten und Effizienz des staatlichen Einnahmesystems - Ein Resümee .................................................................... 393

Literaturverzeichnis ....... .. ... .. . .... .............................. ............ .............. .. ............. 397

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Charakteristika der drei Staatstheorien ... ......... ... ................ .. .. ..... ...... 115 Tabelle 2: Öffentliche Transaktionskosten in den drei Staatstheorien .. ..... .... ...... 127 Tabelle 3: Effizienzkonzepte und Staatstheorien-Übersicht zum weiteren Vorgehen ................................................................................................ 146 Tabelle 4: Steuerauflcommen und Konsum öffentlicher und privater Güter ......... 190 Tabelle 5: Folgekosten des britischen Einnahmesystems 1986/87 ....................... 209 Tabelle 6: Folgekosten in der Bundesrepublik Deutschland 1984 ....................... 210 Tabelle 7: Ergebnisse einer Simulation für das Steuerauflcommen in den USA ... 224 Tabelle 8: "Kritische" c-Werte bei alternativen Paaren von Kapital- und Arbeitsangebotselastizitäten .. ........ ............... ... . ... ... ............. ............ .. ............ 226 Tabelle 9: Alternative Schätzungen des aufkommensmaximierenden Durchschnittssteuersatzes für Großbritannien 1979 . ... .... ....... ... .. .... .......... ... 229 Tabelle 10: Alternative Schätzungen des aufkommensmaximierenden Durchschnittssteuersatzes für Schweden 1979 ... . .. ................. .. ......... .. ......... 231 Tabelle 11: Parameterwerte alternativer Szenarien und Ergebnisse der Simulation Stuarts für den auflcommensmaximierenden Steuersatz in Schweden .. 232 Tabelle 12: Schätzergebnisse für die Größe der Schattenwirtschaft im Überblick . 251 Tabelle 13: Administrative Erhebungskosten im Vereinigten Königreich 1986/87

322

Tabelle 14: Administrative Erhebungskosten in der Bundesrepublik 1984 ............ 323 Tabelle 15: Ergebnisse der komparativ-statischen Analyse im Grundmodell ......... 355 Tabelle 16: Ergebnisse der komparativ-statischen Analyse filr das Jahr der Steuerreform ....................... ............... .......... ............................................... 357

2 Raab

Abbildungsverzeichnis

Abb.

I: Aufbau der Analyse ... .................. ... ... ........ ....................... ....... ..........

28

Abb.

2: Al Iokative und X-fueffizienz ............................. .. ........................ .......

40

Abb.

3: (Erweitertes) Zielsystem der öffentlichen Finanzwirtschaft ................

57

Abb.

4: Neue Analytik der Steuerwirkungen ..................................................

60

Abb.

5: Folgen einer verzerrenden Gü~erbesteuerung .....................................

69

Abb. 6 a: Zahllast, Zusatzlast und Substitutionsverlust einer Mengensteuer ......

72

Abb. 6b: Zahllast, Zusatzlast und Substitutionsverlust einer Wertsteuer ...........

72

Abb.

7: Die optimale Steuerhinterziehung aus Sicht eines fudividuums ..........

79

Abb.

8: Steuerwirkungen und öffentliche Transaktionskosten ................ .........

81

Abb.

9: Modell von Migue und Belanger zum Verhalten von Bürokraten........ 107

Abb.

10: Politischer Entscheidungsprozeß im Modell der repräsentativen Demokratie ......... ........ ... ........... ... .. ............... ........... ............... .. ..... .. .. .... 112

Abb.

11: Zusammenhang von Produktions- und allokativer fueffizienz beim öffentlichen Monopol ............................... .................................... ..... 120

Abb.

12: Mengensteuer bei Leviathan und weisem Diktator im Vergleich ........ 128

Abb.

13: Dem Leviathan zugestandenes Steueraufkommen .............................. 130

Abb.

14: Steuersatz, "Nachfrage" nach der Bemessungsgrundlage und Steueraufkommen in kurz- und langfristiger Sicht........................................ 133

Abb.

15: Politisches Gleichgewicht bei Einfilhrung einer Nutzenfunktion ftlr Politiker ................................................... ......................................... 134

Abb.

16: lmplikationen alternativer Gerechtigkeitskriterien ............................. 159

Abb.

17: Wirkung einer Zinssteuer bei Sofortabschreibung und Schuldzinsenabzug

Abb.

18: Diskriminierung des Leviathan zwischen Gütermengen ..................... 181

167

Abb.

19: Proportionaler oder progressiver Lolmeink:ommensteuertarif? . .... ....... 184

Abb.

20: Kapitaleinkommensbesteuerung im Leviathanmodell ......................... 185

Abb.

21 : Besteuerung von Arbeit und Kapital im Leviathanmodell ........ .... .. ..... 188

Abbildungsverzeichnis

19

Abb.

22: Zweckbindung des Leviathan-Autkommens ............................ ........... 193

Abb.

23: Laffer-Kurven bei verschiedenen Arbeitsangebotselastizitäten ........... 225

Abb.

24: "Kritische" Arbeits- und Kapitalangebotselastizitäten bei verschiedenen c-Werten ................................ ..................................................... 227

Abb.

25: Laffer-Kurven filr Großbritannien ...................................................... 229

Abb.

26: Relevante Elemente des politischen Prozesses fllr die Analyse von politisch-demokratischer und Erhebungseffizienz . .. .......... ....... .. . .. ..... . 240

Abb.

27: Steuermoral, Steuerausweichung und öffentliche Transaktionskosten . 257

Abb. 28 a: Struktur staatlicher Einnahmen in der Bundesrepublik Deutschland ... 281 Abb. 28 b: Struktur der Steuern in der Bundesrepublik Deutschland ..... ... ...... .. ... 282 Abb.

29: Schema des politisch-ökonomischen Modells ............ ......................... 284

Abb.

30: "Optimale" politisch-institutionelle Beschränkungen fllr politisches Handeln............................................................................................. 290

Abb.

31: Beispiel filr den Verlauf einer Interessenfunktion I(t) .............. .......... 302

Abb.

32: Erhebungskosten, Folgekosten und Steuerausweichung- Determinanten und Interdependenzen ...................... ...... ... .. ........... ........ .... ..... ... .. 321

Abb.

33: Die politisch optimale Zusammenfassung in Steuerklassen ................ 346

Abb.

34: Ausnahmeregelungen bei mehreren Steuerzahlern mit unterschiedlichen steuerbaren Aktivitäten .............. ....... ....................... ....... . .. ..... . .. 348

Vorbemerkungen Öffentliche Transaktionskosten und Effizienz des staatlichen Einnahmesystems - diese Formulierung deutet auf eine bisher kaum übliche Kombination von Untersuchungsgegenständen hin. Effizienz des staatlichen Einnahmesystems - damit betrachten wir ein seit jeher zentrales Anliegen der Finanzwissenschaft. Trotz oder vielleicht gerade wegen der intensiven wissenschaftlichen Diskussion gehen mit einnahmepolitischen Entscheidungen immer wieder heftige Debatten auch über deren allokative (neben distributiven und stabilisierenden) Folgen einher. Dabei trifft man - selbst in wissenschaftlichen Stellungnahmen - häufig auf völlig unterschiedliche Einschätzungen einer Maßnahme, gerade wenn neben der "Effizienz" noch weitere Ziele beurteilt werden oder wenn von vomherein schon nicht klar ist, worauf die "Effizienzbeurteilung" beruht. Offenbar gibt es also mehrere Alternativen, den genauen Inhalt des Effizienzbegriffes für den Staat ganz generell und für das Einnahmesystem im besonderen zu definieren. 1 Öffentliche Transaktionskosten - hierunter verstehen wir Transaktionskosten,2 die als Folge staatlichen Handeins auftreten, unabhängig davon, ob sie im Staat selbst oder am Markt entstehen; insofern erfassen wir somit nicht nur Input-, sondern auch Output-Aspekte der Effizienz. Der TransaktionskostenBegriff ist aus der Vertrags- und Organisationstheorie eher für den privaten Sektor vertraut, wird aber allgemein zur Beurteilung von Allokationsmechanismen eingesetzt. 3 Wir werden auf diesem Ansatz aufbauen und ihn auf den öffentlichen Sektor anwenden. Indem wir alle Einnahmearten als (freiwillige Siehe zu einer Übersicht über sieben Effizienzstufen zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im öffentlichen Sektor etwa Grüske (1985), S. 200. 2 Zu den Ursprüngen siehe Coase (1937) und Coase (1994). Einen Überblick über den heutigen Stand der Forschungen und dieneuere Literatur geben etwa Niehans (1987) oder Picot (1992). Recktenwald (1990), S. 593, versteht unter Transaktionskosten "... den AufWand ftlr Verträge und deren Durchsetzung. Transport-, Zahlungs-, Wartezeit- und Verfilgbarkeitskosten", die "beim Übergang eines materiellen oder immateriellen Gutes [entstehen), unabhängig davon, ob es sich um einen Tausch oder Kauf oder einen einseitigen Transfer zwischen privaten und! oder ö(ffentlichen] Einrichtungen handelt." Wir werden diese Definition im I. Kapitel präzisieren. 3 So Blümel (1983), S. 21 ff, oder Grossekettler (1982), S. 241 f, der von "Koordinationsleistungen und Koordinationskosten" spricht und auf diesen Elementen eine Beurteilung der Effizienz von Koordinationsmethoden mit Hilfe von vier Effizienzmaßen vorschlägt (ebd., S. 243-257).

22

Vorbemerkungen

oder erzwungene) Übertragung von Verfiigungsrechten von Privaten auf den Staat einbeziehen, können wir die Folgen solcher Transaktionen fiir die Effizienz innerhalb des Staates, auf dem Markt und in den Beziehungen zwischen beiden Sektoren diskutieren. Damit bilden Transaktionskosten ein Kriterium fiir die Effizienz des öffentlichen Allokationsmechanismus, d.h. des Angebotes von Leistungen durch den Staat und der Finanzierung dieses Leistungsangebotes durch das öffentliche Einnahmesystem. Damit ist bereits der implizite Zusammenhang dieser beiden Elemente "Angebot" und "Finanzierung" öffentlicher Leistungen angedeutet; aufgrund des in der Themenstellung abgegrenzten Untersuchungsgegenstands konzentrieren wir uns - soweit eine Trennung möglich und sinnvoll ist - auf die Finanzierung des staatlichen Leistungsangebotes und deren Implikationen für eine wie auch immer definierte - Effizienz. 4 Innerhalb der Finanzierung öffentlicher Leistungen liegt der Schwerpunkt unserer Analyse - entsprechend der Bedeutung für die Realität5 - auf den Steuern. Wo immer es möglich oder notwendig erscheint, werden wir jedoch mit Äquivalenzabgaben und mit der Staatsverschuldung andere Einnahmearten ebenfalls berücksichtigen.

I. Methodisches Vorgehen Ergebnisse wissenschaftlicher Analysen können niemals unabhängig von der gewählten Methode und deren impliziten Werturteilen sein; die bestmögliche Annäherung an ein Postulat der Werturteilsfreiheit besteht unserer Ansicht nach darin, das methodische Vorgehen und die damit verbundenen Grundpositionen offenzulegen. Wenn wir also die Effizienz des öffentlichen Einnahmesystems untersuchen, so geschieht dies auf der Grundlage folgender Annahmen, Hypothesen und Standpunkte: 6

4 Ähnlich könnte man öffentliche Transaktionskosten auch fiir Staatsausgaben oder Regulierungen untersuchen; soweit wir im Ersten Teil noch allgemeinere Phänomene diskutieren, werden wir auf entsprechende Effekte hinweisen. 5 So machten fllr die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1989 die Steuern und steuerähnlichen Abgaben mit 892,9 Mrd. DM 85,9 %der öffentlichen Einnahmen aus, gefolgt erst mit weitem Abstand von den Gebühren und sonstigen Entgelten mit 6,0 %. Die Nettokreditaufnahme deckte mit knapp 29 Mrd. DM in diesem letzten Jahr vor der deutschen Wiedervereinigung erst 2,75% der öffentlichen Ausgaben ab. Vgl. hierzu St.JB (1992), S. 519. 6 Vgl. zu Punkt 1. insbesondere Dürr (1967), S. 151, oder auch Popper (1969), S. 41; demnach muß eine Theorie logisch richtig sein und prinzipiell falsifizierbare oder verifizierbare Hypothesen generieren. Zu den Punkten 2. bis 4. siehe etwaFrey (1980).

I. Methodisches Vorgehen

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1. Eine Theorie will die Realität abbilden - wenn auch in pointiert vereinfa-

chender Form; sie muß daher grundsätzlich empirisch überprüfbar sein.

Obwohl der Schwerpunkt unserer Untersuchung auf der theoretischen Deduktion liegt und keine eigenen empirischen Analysen vorgenommen werden, soll - wo immer dies erforderlich scheint - wenigstens auf bisherige empirische Ergebnisse oder auf mögliche Ansätze für eine empirische Überprüfung hingewiesen werden. 2. Das Individuum mit seinen Interessen ist Maßstab und Triebkraft des Wirtschaftens. Diese Position des methodologischen Individualismus steht im krassen Gegensatz zu kollektivistischen "organischen" Staatsauffassungen, in denen eine Institution als Einheit handelt. Entsprechend sehen wir keinen Fall, in dem ein "übergeordnetes öffentliches Interesse" als Rechtfertigung für staatliches Handeln dienen könnte, zumal der Staat als (noch dazu eine von Individuen geschaffene) Institution keine Bedürfnisse oder Interessen haben kann. 3. Individuen sind immer ausschließlich eigennützig orientiert. Mit dieser Eigennutz-Annahme müssen sich die Bestrebungen von Indivi· duen nicht nur auf materielle Vorteile richten; auch altruistisches Verhalten, Böswilligkeit oder Neid lassen sich (ausschließlich) auf einen individuell empfundenen Nutzen zurückführen. Diese Annahme werden wir für Verhaltensweisen am Markt wie auch im Staat, also in öffentlichen Ämtern, als einziges Handlungsmotiv unterstellen. 4. Ein exogener Datenkranz beschränkt das individuelle Optimierungskalkül. Maximierendes oder minimierendes Verhalten erfolgt in einer konkreten Entscheidungssituation stets unter gegebenen Nebenbedingungen in einem gegebenen institutionellen Rahmen. Nur längerfristig ist dieser "Datenkranz" variabel und bestimmt so das Verhalten bei gegebenen, weitgehend unveränderlichen individuellen Präferenzen. 5. Individuen verhalten sich immer rational. Individuen treffen ihre Entscheidungenaufgrund von Nutzen-Kosten-Kalkülen, d.h. sie maximieren oder minimieren eine Zielvariable unter Nebenbedingungen. Sie gehen also nach dem ökonomischen Prinzip vor, d.h. sie wollen mit gegebenem Input einen maximalen Output erzeugen oder

24

Vorbemerkungen ein gegebenes Ziel mit minimalem Mitteleinsatz erreichen. 7 Dies impliziert auch, daß den Individuen Alternativen offenstehen, unter denen sie auswählen können. Mit der Annahme des Rationalverhaltens (ex ante!) vernachlässigen wir "psychologische Einflüsse" ebenso wie sprunghaftes Verhalten aufgrund inkonsistenter Präferenzordnungen. Rationalität liegt insbesondere auch dem individuellen Informationsverhalten zugrunde, von dem letztlich eine ex-post-Beurteilung der Rationalität abhängen würde, d.h. ein rational informiertes Individuum wäre nur dann vollständig informiert, wenn Information kostenlos wäre. Generell wird sich ein Individuum nur bis zu dem Grad informieren, an dem der erwartete Nutzen zusätzlicher Information genau den Grenzkosten der Erlangung dieser Information entspricht.

Diese :fiinf Annahmen unterscheiden unsere Analyse sowohl von einer traditionellen, "organisch" ausgerichteten Finanzwissenschaft als auch von einer ausschließlich wohlfahrtsökonomisch ausgerichteten Finanzwissenschaft, wie sie heute häufig postuliert wird.8 Charakteristisch ist die Position eines wohlmeinenden Beraters :fiir einen "weisen Diktator", von dem angenommen wird, er würde finanzpolitische Instrumente so einsetzen, daß eine exogen gegebene Zielfunktion unter Nebenbedingungen (etwa Budgetausgleich, bekannte Reaktionen der Besteuerten, o.ä.) ma."--c Pm1 .......... II Pm2 · ·················· ····· 111

D

Menge

Abb. 2: Allokative und X-Ineffizienz QueUe: Eigene Darstellwla, nach Leibenstein ( 1966), S. 39S, Frantz ( 198S), S. 42.

Zum Beleg führt Leibenstein mehrere Studien an, die von Fällen berichten, in denen der Output erhöht werden konnte, ohne daß sich die Faktoreinsalzmengen geändert hätten. 33 Er interpretiert dies als Ausdruck seiner Annahme, weder Individuen noch Firmen würden ihre Produktionsmöglichkeiten voll ausschöpfen. Aus vier Gründen sieht er keine feste Relation zwischen Inputs und Produktionsergebnis: "(a) contracts for Iabor are incomplete, (b) not all factors ofproduction are marketed, (c) the production function is not completely specified or known, and (d) interdependence and uncertainty Iead competing firms to cooperate tacitly with each other in some respects, and to imitate each other with respect to technique, to some degree." 34

Damit bewegen sich Firmen und Volkswirtschaften nicht auf ihrer äußersten Grenze der Produktionsmöglichkeiten, sondern - abhängig von den jeweils wirksamen internen und externen Faktoren - auf eigenen "Transformationskurven" (Leibenstein bezeichnet diese als "production surface that is weil within an outer-hound production possibility frontier"). Wohlfahrtserhöhende

33 Siehe Leibenstein (1966), S. 398 ff, und die dort zitierte Literatur. 34 Leibenstein (1966), S. 407.

ll. Transaktionskosten und die Theorie der X-Ineffizienz

41

Wirkungen gehen dann sowohl von Bewegungen auf diesen Kurven (traditionelle allokative Effizienz) als auch von Bewegungen in Richtung jener "äußeren Grenze" aus; letzteren mißt er in der Realität größere Bedeutung zu.

B. Kritische Würdigung des Konzepts

Leibenstein greift einige der Kritikpunkte an der neoklassischen Theorie auf, die wir in Punkt I. aus Sicht von Property Rights-Theorie und Transaktionskosteu-Ökonomie erläutert haben. Er muß sich jedoch sowohl den problematischen Nachweis von X-Ineffizienz als auch die Ungenauigkeit seiner Theorie vorwerfen lassen. Wir werden die Argumente - soweit möglich auch anhand unserer Abb. 2 - kritisch würdigen. 1. Empirische Problematik

Infolge der Abhängigkeit von der "selective rationality" ist das Konzept der X-Ineffizienz prinzipiell nicht widerlegbar. Jede nicht-rationale Entscheidung läßt sich damit begründen, ohne daß klar würde, in welchen Situationen ein Individuum rational entscheidet oder wann es sich nicht-rational verhält. Leibensteins Beispiel zum Gesundheitsverhalten zeigt die Ambivalenz: "A great many individuals are aware that they are overweight, that they shouldn't smoke, andl orthat they exercise infrequently or inadequately.... To a great many people health is exceedingly important, and the behavior modifications required to maintain health involve relatively small economic costs compared to people's interest in health maintenance. This is a ... case under which the maximization of health maintenance frequently does not take place. ... Just as people choose less than maximum health maintenance, so in a similar manner we will argue that in many contexts people choose different degrees of less than fi.Jll rationality.'135

Er unterstellt den Individuen also, sie würden sich nur "selektiv" rational verhalten und nimmt an, die Kosten einer Verhaltensänderung wären gering im Vergleich zum resultierenden Nutzen. Dieselbe Beobachtung könnte aber mindestens ebensogut den Schluß zulassen, diese Menschen würden völlig rational handeln und ihren Nutzen maximieren, da sie mögliche gesundheitliche Risiken, gewichtet mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit, geringer schätzen als die - subjektiv bewerteten - (auch intangiblen) Kosten einer Verhaltensänderung. 35 Leibenstein (1978 c), S. 22.

42

1. Kapitel: Transaktionskosten im privaten Sektor

Hinzu kommt ein weiteres Problem der Messung von X-Ineffizienz: Urteile über die Effizienz setzen einen Referenzmaßstab voraus. Bei Leibenstein wird indes nicht völlig klar, worauf er seine X-Ineffizienz bezieht: So vergleicht er implizit reale Kennzahlen von Anbietern - Kosten, Erlöse, Einfuhrung von Innovationen, u.ä.- mit hypothetischen Werten, die aufgrunddes neoklassischen Optimums zu erwarten wären, andererseits aber weist er auf LängsschnittAnalysen einzelner Firmen und Vergleiche von Betrieben hin, um seine These zu belegen. 36 Fast alle diese "Belege" für X-Ineffizienz vernachlässigen indes die Frage nach dem Einfluß von Transaktionskosten und Property Rights. So können sie ebensowenig wie Leibensteins Theorie schlüssig erklären, warum das allokative Optimum verfehlt wird, oder gar vorhersagen, unter welchen Bedingungen Effizienzverluste auftreten werden. Damit fehlt aber eine empirische Überprüfung von Leibensteins Hypothesen, und X-Ineffizienz bekommt den Charakter eines Schlagwortes, mit dem jegliche - auf unbekannten Variablen beruhenden - Abweichungen vom idealisierten neoklassischen Gleichgewicht bezeichnet werden. In dieser Hinsicht differenzieren Siegfried und Wheeler37 noch stärker und fuhren beobachtete Ineffizienzen von Monopolisten im Vergleich zu Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, prinzipiell auf vier Ursachen zurück: zu geringe oder überhöhte Kapazitäten, die Suche nach Renten und eben X-Ineffizienz. Sie räumen allerdings selbst ein, daß es äußerst schwierig sei, deren Ausmaß zu bestimmen, weil man sie zunächst von den Folgen suboptimaler Kapazitäten unterscheiden können muß. Wenn Leibenstein die verschiedensten Studien zitiert, drängt sich der Schluß auf, der Großteil der beobachteten Ineffizienzen ließe sich durch einfache Änderungen der Organisations- und Überwachungsstrukturen, durch rationale Nutzung der vorhandenen Informationen und "optimale" Kombination der Produktionsfaktoren verhindern, ohne daß dies allerdings konkretisiert würde.

2. Theoretische Unschärfe Unabhängig von den empirischen Problemen wird der X-Ineffizienz-Theorie vorgeworfen, sie sei "an amalgam of some of the axioms and some of the implications of generalized neoclassical theory" 38 . Zur Diskussion dieser These 36 Vgl. Leibenstein (1966), und die dort zitierte Literatur; siehe auch de Alessi (1983), S. 74 ff. 37 Siehe hierzu ausfilhrl_icher Siegf"ried/ Wheeler (1981). 38 De Alessi (1983), S. 76. Unter "generalized neoclassical theory" versteht de Alessi eine Einbe-

ziehung von Transaktionskosten und Property Rights in die Walrasianische Gleichgewichtstheorie.

li. Transaktionskosten und die Theorie der X-Ineffizienz

43

analysieren wir die oben angedeuteten Aspekte in ihrer Beziehung zu Leibensteins Theorie: die Suche nach Renten (rent seeking), Management-Verhalten bei Wettbewerb, Freizeit als Output und die Theorie der Property Rights. - Rent-Seeking-Verhalten Wie Leibenstein meint auch Tullock, 39 das Dreieck ABC in Abb. 2 würde die Wohlfahrtsverluste von Monopolen (oder von Regulierungen) unterschätzen. Das Feld BCPmPc stellt nur bei der angenommenen Gleichheit der Kosten im Monopol- und Konkurrenzfall einen Einkommenstransfer dar. Für den Fall eines privaten Monopoles40 kann man indes nicht mehr unterstellen, daß Durchschnitts- und Grenzkosten mit denen im Konkurrenzfall übereinstimmen, sobald man die Kosten einbezieht, die ein (potentieller) Monopolist aufwendet, um Marktmacht zu sichern (oder zu erreichen). Aus seiner Sicht handelt es sich dabei um (rationale) Investitionen, die allerdings zu gesellschaftlichen Wohlfahrtsverlusten fuhren, die dann bis zu ACPmPc erreichen können; BCPmPc wäre die Höhe der Investitionen in Rentensuche. Crain und Zardhooki sehen darüberhinaus die Möglichkeit von "reiner" XIneffizienz (Feld IV) und eine Grauzone, in Abb. 2 dargestellt durch Feld III, in der Monopolisten entweder zusätzliche Inputs fur die Rentensuche oder fur die "Produktion" von X-Ineffizienz aufwenden können.41 Demnach kann X-Ineffizienz auch nur auf Kosten einer anderen Form gesellschaftlicher Ineffizienz reduziert werden, und die Wohlfahrtsverluste des Monopols bestehen aus allokativer Ineffizienz (ABC), X-Ineffizienz (Feld IV+ ein Teil von Feld III) und "rent-seeking"-Investitionen (der andere Teil von Feld III plus ein Betrag bis maximal zur Höhe der Felder II und I). Dies bedeutet aber, daß nach Leibenstein die gesellschaftliche Netto-Wohlfahrt nicht erhöht werden kann. - Management-Verhalten bei funktionierendem Kapitalmarkt Daneben sieht DiLorenzo42 - für Unternehmen im Wettbewerb wie auch fur Monopolisten - den Kapitalmarkt als Regulativ. Werden Manager nämlich entsprechend dem Wert ihres Unternehmens bezahlt, so hätten sie nach DiLorenzo keinen Anreiz, das "ruhige Leben" zu suchen, weil jede Form von X-Ineffizienz den Unternehmenswert reduziert. Damit drohe die Gefahr einer

39 Zum folgenden Tullock (1967). 40 Mehr zu Tullocks Argumentation f'Ur den öffentlichen Monopolisten im folgenden Kapitel. 41 Hierzu Crainl Zardhooki (1980), S. 786 f; ihre empirische Überplilfung der These ebd., S. 787 ff. 42 Vgl. DiLorenzo (1981) undDiLorenzo (1984).

44

1. Kapitel: Transaktionskosten im privaten Sektor

Übernahme der Firma und einer Entlassung des Managements durch die neuen Eigentümer. Als Folge von Wettbewerb unter Managern und Nutzenmaximierung der Kapitalanleger ist demnach zwar jegliche Form von X-Ineffizienz möglich, würde aber auf Null reduziert. Entsprechend schrumpfen die Flächen IV und III in Abb. 2- zumindest längerfristig43 - auf Null. - Freizeit als Output Wir haben bereits diskutiert, warum man Freizeit (in weiter Interpretation) durchaus als Gut ansehen kann, das von einem Betrieb produziert wird. Stiglers Auseinandersetzung mit Leibensteins Theorie betont diesen Punkt: "Even the single proprietor ... seeks to maximize utility, and surely other products including Ieisure and health as weH as corn enter into his utility function. When more of one goal is achieved at the cost of less of another goal, the increase in output due to ... increased effort is not an increase in 'efficiency'; it is a change in output. "44

Als Konsequenz sieht Stigler keine Verschwendung von Ressourcen, sondern lediglich einen Transfer; demnach ist die Ineffizienz allokativer Natur, oder es handelt sich um (ex post festgestellte) Kosten eines Irrtums, oder sie entsteht, weil Entscheidungsträger nicht ihren Nutzen maximieren. 45 - Property Rights als Bestandteil einer erweiterten neoklassischen Theorie Sowohl die Theorie der X-Ineffizienz als auch der Eigentumsrechte wollen Abweichungen vom neoklassischen Optimum erklären. Während indes Leibenstein auf eine "Theorie der Nicht-Maximierung" angewiesen ist,46 weitet die Property Rights-Theorie das Maximierungsverhalten auf alle Wahlhandlungen von Individuen aus. Ihre Thesen zur Nutzenmaximierung lassen sich durch Beobachtung tatsächlichen individuellen Verhaltens verifizieren, während Leibenstein theoretische Konstrukte wie die "selektive Rationalität" und die "inert areas" benötigt, die sich nicht ohne weiteres beobachten lassen. Leibensteins Ergebnisse lassen sich - auch ohne Rückgriff auf X-Ineffizienz ebenso mit Hilfe von Eigentumsrechten und Transaktionskosten erklären und als - empirisch widerlegbare - These ausdrücken: Individuen reagieren nur dann auf Änderungen des Datenkranzes, der ihre Handlungen beschränkt,

43 Siehe zur Effizienz von KapitalmArkten ausfilhrlich LeRoy (1989). In der Realität reagiert nur der Kapitalmarkt kurzfristig, wAhrend Artpassungen in Finnen nicht sofort erfolgen köMen. 44 Stigler(1976), S. 213. 45 So Stigler (1976), S. 216. Die letztgenaMte Möglichkeit will Stigler indes nicht als nützliches theoretisches Konzept anerkennen, solange keine "Theorie des Irrtums" existiert. 46 So ein weiterer Kritikpunkt Stiglers; vgl. Stigler (1976), S. 215.

Il. Transaktionskosten und die Theorie der X-Ineffizienz

45

wenn der Gegenwartswert des erwarteten Nutzens die (Transaktions-) Kosten einer Anpassung übersteigt. Als Konsequenz dieser These sind, wie oben bereits angedeutet, alle Gleichgewichtslösungen einer Maximierung unter Nebenbedingungen als subjektiv effizient anzusehen. Im Ergebnis bleibt nur die allokative Ineffizienz in der Abb. 2, das Feld IV existiert nicht; "Zusatzleistungen" wie "Freizeit während der Arbeit", Annehmlichkeiten am Arbeitsplatz, usw. werden nicht zu ihren vollen Kosten bewertet, weil Eigentumsrechte nicht klar spezifiziert sind oder weil positive Transaktionskosten oder Unsicherheit existieren. Sie führen so zu einer zwar eingeschränkten Nutzenmaximierung, nicht aber zu X-Ineffizienz. Höhere Löhne und Gehälter (Feld II) oder Monopolgewinne (Feld I) sind als Transfer. nicht als Wohlfahrtsverluste zu beurteilen.

C. Transaktionskosten, X-Ineffizienz und Wettbewerb

Die dargelegte Kritik hat gezeigt, daß wesentliche Argumente Leibensteins mit der um Transaktionskosten erweiterten neoklassischen Theorie übereinstimmen; einzige Ausnahme bildet die Diskussion um Maximierungsverhalten oder "selektive Rationalität", von der allerdings abhängt, ob man das Konstrukt der X-Ineffizienz akzeptiert oder ablehnt. Um Leibensteins These, im Wettbewerb stehende Unternehmen würden im Durchschnitt ein niedrigeres Kostenniveau aufweisen als Monopolisten, würdigen zu können, fassen wir unabhängig vom Ergebnis dieser Diskussion - die Bedeutung des Wettbewerbs in der verallgemeinerten neoklassischen Theorie noch einmal zusammen. Die "Neue Institutionenökonomie" zeigt,47 daß durch Wettbewerb unter den Firmen auf einem Markt und durch potentiellen Marktzutritt von Ionovatoren "Drückebergerei" behindert wird; die Opportunitätskosten der Produktion von nicht am Markt gehandelten Outputs wie Freizeit sind bei vollständiger Konkurrenz höher als im Monopolfall, weil das Ausscheiden aus dem Markt droht. Niedrigere Transaktionskosten der Wettbewerbs-Anbieter resultieren auch aus deren Rolle als "Preis-Nehmer", verglichen mit dem "preis-suchenden" Monopolisten. Wettbewerb am Arbeitsmarkt um Manager- und TeammitarbeiterPositionen wirkt tendenziell einer "Drückebergerei" entgegen, Wettbewerb am Kapitalmarkt läßt Eigentum und Kontrolle über die Angestellten in die Hände

47 Siehe zu den folgenden zusanunenfassenden Thesen auch de Alessi (1983), S. 74.

1. Kapitel: Transaktionskosten im privaten Sektor

46

des besser geeigneten Unternehmers übergehen.48 All diese Mechanismen berücksichtigt Leibensteins Theorie der X-Ineffizienz nicht explizit, so daß ihr Erklärungsgehalt geringer ist als der der erweiterten neoklassischen Theorie.

Iß. Transaktionskosten und Eigentumsrechte Folgen in dynamischer Sicht Aufgrund der aufgezeigten Folgen des Wettbewerbs können wir nun fragen, ob Mechanismen existieren, die zu einer endogenen Verringerung der Wohlfahrtsverluste führen, seien sie nun allokativer Natur oder aufNicht-Maximierungsverhalten zurückzuführen. Hayek hat die Funktion des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren klar hervorgehoben: "... es sind jeweils die vorläufigen Ergebnisse des Marktprozesses, die den einzelnen sagen, wonach zu suchen es sich lohnt. "49 Schumpeter hat die These aufgestellt, daß in dynamischer Sicht Innovationen am ehesten durch Monopolrenten finanziert werden könnten; die sich durchsetzenden Innovationen verleihen dann wiederum Marktmacht in einem neuen Bereich, locken aber auch Imitatoren auf den Markt. 50 Andererseits fehlen dem Monopolisten möglicherweise die Anreize, um intensiv nach neuen Produkten oder Faktorkombinationen zu streben. Zudem kann man Neuerungen auch als Ergebnis des Zufalls ansehen; es gibt keinen vorbestimmten Weg, sie zu erkennen und nutzbar zu machen. Daher ist zumindest die Wahrscheinlichkeit für ein neues Produktionsverfahren höher, wenn dazu mehrere Konkurrenten in einem umkämpften Markt alternative Wege beschreiten, als wenn der Suchprozess in einem einzigen Unternehmen mit Marktmacht in Gang gesetzt wird. Empirisch wurde inzwischen mehrfach bestätigt, daß Marktmacht in einer Branche Innovationen negativ beeinflußt. 51 So betont Dürr die positiven Effekte sowohl von Wettbewerbsintensität als auch von "dynamischen Unternehmern" für das Wirtschaftswachstum.52

48 Die Kontrolle kann bereits in geringerem Ausmaß durchgefilhrt werden, wenn das Unternehmen einer Gewinnbeschränkung unterliegt, etwa bei öffentlichem Eigentum oder staatlicher Marktregulierung, weil der Anreiz filr kostensparende und nachfrageerhöhende Innovationen geringer ist. Siehe hierzu de Alessi (1983), S. 73 f, AverchlJohnson (1962) und Baumoll Klevorick (1970).

49

Hayek (1969), S. 253. So Schumpeter (1912). Siehe zur Diskussion der Thesen SchumpetersDarr (1977), S. 100 ff. Siehe zu Argumentation und empirischen Ergebnissen Neumann ( 1990), S. 151 f. 52 Vgl. zur Rolle der Wettbewerbsintensität Dilrr (1977), S. 121 ff, und die dort zitierten Studien. Mehr zur Wettbewerbspolitik ebd., S. 259 ff. Siehe zur Verknüpfung von Schumpeters Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung mit der Wettbewerbstheorie und -politik auch Darr (1964), S. 537 ff. 50 51

IV. Zusammenfassung

47

Unsere obigen Ausführungen haben bereits andeuten können, daß Transaktionskosten korrekterweise in die Produktionsfunktion integriert werden müßten. Damit sind sie aber auch Gegenstand des Gewinnmaximierungskalküls von Unternehmen, soweit diese sie beeinflussen können. Die bestehenden Property-Rights-Konstellationen geben den (momentanen) Rahmen vor, in dem Transaktionskosten veränderlich sind. 53 Damit erstreckt sich der Wettbewerb prinzipiell auf alle diese Kosten verursachenden "Formen und Verfahren der menschlichen Kooperation und Arbeitsteilung": "Es ist mit ein Beitrag der Property-Rights-Theorie, das Verständnis dafilr geweckt zu haben, daß Wettbewerb ja nicht nur zwischen Personen oder Unternehmen stattfindet, sondern auch zwischen Produktionsverfahren, Standorten, Vertriebsformen, Vertragstypen usw. Diese mehr abstrakte Form des Wettbewerbs fUhrt dann in der Regel zu den überlegenen Formen und Verfahren, in denen sich der Produktionsprozeß abspielt. "54

Wenn Marktmacht den Wettbewerb auch in dieser Entdeckungs-Funktion einschränkt, kommt es in dynamischer Sicht zu weiteren Wohlfahrtsverlusten, die wir in Abb. 2 nicht erfassen können, weil die Graphik sich nur auf einen Zeitpunkt bezieht. Das Ausmaß der jeweiligen Wohlfahrtsverluste hängt von der Größe des Spielraumes ab, den die Property-Rights- und Transaktionskosten-Struktur in eben diesem Zeitpunkt eröffnet. 55 IV. Zusammenfassung

Wir halten die Ergebnisse des 1. Kapitels thesenartig fest: 1. Die neoklassische Gleichgewichtstheorie weist ausgeprägten Modellcharakter auf und abstrahiert notwendigerweise stark von der Realität. Die Beschränkung auf die rein allokative Sicht ist für unseren Zweck zu eng und methodisch nicht unproblematisch (allwissender Beobachter). 2. Transaktionskosten als (Opportunitäts-) Kosten von (mangelhafter) Koordination werden aus der neoklassischen Betrachtung ausgeschlossen. Ihre Integration zwingt zu Modifikationen wohlfahrtsökonomischer Aussagen. 53 Später werden wir auch fragen, warum, mit welchen Mitteln und unter welchen Bedingungen dieser (vom Staat gesetzte) Rahmen Änderungsbestrebungen ausgesetzt ist. 54 Von Weizsacker (1984), S. 143 f(beide Zitate). Belege filr diese These und deren Folgen findet man ebd., S. 146 ff (Mitbestimmung in Unternehmen), daneben etwa bei Schmidtchen (1989), S. 173 ff(Heroinangebot) und S. 176 ff (Makler, Testzeitschriften, beratende Berufe, Ak.tienmirkte). 55 Eine empirische Messung dieser Wohlfahrtsverluste erscheint indes noch schwieriger als bei allokativer Ineffizienz, da man - wie häufig in der Ökonomie - niemals gleiche Rahmenbedingungen filr den Vergleich alternativer Property-Rights-Strukturen heranziehen kann.

48

1. Kapitel: Transaktionskosten im privaten Sektor

3. Von den Konzepten, die geeignet sind, Mängel der neoklassischen Wohlfahrtsökonomik für umfassende Effizienzbetrachtungen zu beheben, ist die Property Rights-Theorie mit ihrer Integration von Transaktionskosten dem Konzept der X-Ineffizienz vorzuziehen. Sie bewegt sich prinzipiell im neoklassischen Rahmen der Nutzenmaximierung unter Nebenbedingungen und liefert empirisch überprüfbare Hypothesen, unter welchen Bedingungen Abweichungen vom Pareta-Optimum zu erwarten sind. Dagegen setzt Leibenstein nicht notwendigerweise ein Maximierungsverhalten voraus und verläßt damit den neoklassischen Rahmen. Wir werden daher für den öffentlichen Sektor nicht näher auf den X-Ineffizienz-Ansatz eingehen und stattdessen mit (öffentlichen) Transaktionskosten argumentieren. 4. Im Ergebnis sieht Leibenstein neben allokativer Ineffizienz weitere Wohlfahrtsverluste, die indes von der (um Property Rights und Transaktionskosten) erweiterten neoklassischen Theorie als Transfers interpretiert werden. 5. Sowohl X-Ineffizienz als auch allokative Wohlfahrtsverluste werden durch Marktmacht begünstigt. Unabhängig davon läßt Marktmacht weitergehende Wohlfahrtsverluste entstehen, wenn sie in dynamischer Sicht die "Entdeckungs-Funktion" des Wettbewerbs einschränkt.

I. Vergleichbarkeit von öffentlichem und privatem Sektor

49

2. Kapitel

Übertragung des Transaktionskosteu-Konzeptes auf den öffentlichen Sektor Im l. Kapitel haben wir die Bedeutung von Transaktionskosten im privaten Sektor betont und deren Folgen fiir die Effizienz von Produktion und Tausch diskutiert. Nun übertragen wir - soweit möglich - diese Ergebnisse auf den Staat. Ziel des 2. Kapitels ist es, durch diese Übertragung Gemeinsamkeiten in der Art der Transaktionskosten im privaten und im öffentlichen Sektor aufzuzeigen und Unterschiede herauszuarbeiten, die sich aufgrund der spezifischen institutionellen Besonderheiten des staatlichen Leistungsangebotes ergeben. Dazu zählen auch dessen rechtliche Rahmenbedingungen: absolute Monopolstellung und kollektives Eigentum. Danach werden wir die potentiellen Folgen von Zielen und Instrumenten des Staates fiir die öffentlichen Transaktionskosten analysieren.

I. Generelles zur Vergleichbarkeit von privatem und öffentlichem Sektor Die Bedingungen, die erfiillt sein müssen, damit es am Markt zu einem Pareto-Optimum kommen kann, 1 liegen beim öffentlichen Angebot grundsätzlich nicht vor. Für eine Gegenüberstellung der jeweils auftretenden Transaktionskosten sind spezifische Merkmale öffentlichen Handeins zu berücksichtigen. - Abweichendes Maximierungsziel: Kennzeichnend ist zunächst ein abweichendes Maximierungsziel: Während private Anbieter ihre Gewinne, bzw. - weiter gefaßt - ihren Nutzen maximieren, erwarten die Bürger vom Staat die Erfiillung einer Reihe von Zielen, die nicht notwendig miteinander harmonieren müssen. Das mehrdimensionale "gesamtwirtschaftliche Zielsystem" bedarf daher einer weitergehenden Erörterung (vgl. nächster Punkt). Als Instrumente zur Erreichung dieser Ziele stehen dem Staat öffentliche Ausgaben und Einnahmen sowie das Erlassen von gesetzlichen Regeln im Rahmen der Verfassung zur Verfiigung. Sie haben in der Regel spezifische Wirkungen auf mindestens ein "gesamtwirtschaftliches Ziel"; auch diese Wirkungen werden weiter unten eingehender diskutiert.

Vgl. S. 29; vor allem die Annahme vollständiger Konkurrenz ist per definitionem nicht erfilllt. 4 Raab

50

2. Kapitel: Übertragung des Transalctionskosten-Konzepts

- Eigenschaften öffentlicher Güter und tatsächliches Leistungsangebot: Zunächst wollen wir uns darauf beschränken, grundlegende Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Transaktionskosten beim Angebot von privaten und öffentlichen Gütern herauszuarbeiten. Dazu gehen wir vorläufig noch nicht näher auf die Frage ein, welche Güter der Staat anbieten sollte. 2 Stattdessen unterstellen wir, daß staatlich angebotene Leistungen mehr oder weniger stark ausgeprägt typische Eigenschaften öffentlicher Güter aufweisen - also als Folge der Unteilbarkeit im Angebot insbesondere den Nicht-Ausschluß von der Nutzung sowie die Nicht-Rivalität im Konsum und die in der Regel resultierenden externen Effekte. Auf dieser Basis betrachten wir spezifische Probleme, die aufgrund dieser Eigenschaften im Vergleich mit dem privaten Sektor berücksichtigt werden müssen. Ein optimales Angebot ergibt sich in partialanalytischer Sicht (im Unterschied zur Regel Preis = Grenzkosten bei vollständiger Konkurrenz am Markt) im öffentlichen Sektor genau dann, wenn die Summe der Zahlungsbereitschaften den Grenzkosten der jeweiligen Leistung entspricht. 3 Der allgemeine Gleichgewichtsansatz von Samuelson hat das analoge Ergebnis: die Summe der individuellen Grenzraten der Substitution zwischen dem privaten und dem öffentlichen Gut muß gleich der Grenzrate der Transformation sein.4 Jedoch sind die Präferenzen der Bürger nicht bekannt; der partialanalytische Ansatz geht lediglich von Pseudo-Nachfragekurven aus, weil für potentielle Nutzer kein Anreiz besteht, die Zahlungsbereitschaften zu offenbaren. Der allgemeine Gleichgewichts-Ansatz kann nur unendlich viele Pareto-Optima ableiten, es sei denn, ein "weiser Diktator" könnte eine genau spezifizierte "gesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion" zugrundelegen. In der finanzpolitischen Praxis scheitert dies indes vor allem daran, daß die notwendigen interpersonellen Nutzenvergleiche undurchführbar sind. 5 Daher müssen in der Realität Umfang und Struktur des öffentlichen Angebotes durch institutionelle Arrangements bestimmt werden, die geeignet sind, Informationen über die Präferenzen der Bürger zu gewinnen und diese Präferenzen zu aggregieren. 6 Hierfür fallen Kosten (etwa der Informationsgewinnung) an, die nicht mehr unmittelbar zur Finanzierung der öffentlichen Lei2

Hierzu mehr im 6. Kapitel; siehe dort auch die Diskussion zu Merkmalen öffentlicher Güter. Vgl. etwa Musgravel Musgravel Kullmer (1990), S. 58 ff. 4 Das Modell von Samuelson ( 1955) diskutieren etwa Rose! Wenzell Wiegard ( 1981 ), S. I 5 ff. 5 Zu den Problemen des Modells ebd., S. 19 f; ähnlich die Kritik bei Recktenwald (1983), S. 535 f; vgl. auch unsere Ausfllhrungen im 3. Kapitel zur allokativen Effizienz. 6 Hierzu ausfllhrlicher Pommerehne (1987). 3

I. Vergleichbarkeit von öffentlichem und privatem Sektor

51

stung bereitstehen. Sofern die Eruierung und Aggregation individueller Präferenzen für öffentliche Güter durch den politischen Prozeß erfolgt, hängt es darüber hinaus von dessen Ausgestaltung - konkret von der Wahl der kollektiven Entscheidungsregeln - ab, ob durch das Angebot öffentlicher Leistungen eine Pareta-Verbesserung erreicht werden kann und welches der unendlich vielen denkbaren Pareta-Optima dann erreicht wird. Hier können verteilungspolitische Interessen die allokativen Ergebnisse beeinflussen. 7 Zu beachten ist insbesondere, daß sich die Nachfrager auch im politischen Prozeß strategisch verhalten können, um ihren Nettonutzen aus öffentlichen Leistungen zu maximieren, d.h. die oben erwähnten privaten Rent SeekingAktivitäten richten sich auf den politischen Prozeß und dessen Regeln. 8 Hierin liegt ein entscheidender Unterschied zum privaten Angebot, auf dessen Regeln (Grenzkosten =Preis bei Vollständiger Konkurrenz bzw. im Monopolfall Grenzkosten = Grenzerlös) die Nachfrager keinen Einfluß nehmen können. Beim Angebot öffentlicher Güter hängen die Einflußmöglichkeiten potentieller Nutzer dagegen davon ab, welche institutionelle Gestaltung zugrundeliegt. 9 - Absolutes Monopol und kollektives Eigentum an Produktionsmitteln: Die potentiellen Wohlfahrtsverluste von Monopolmacht im privaten Sektor haben wir im 1. Kapitel analysiert. Grundsätzlich können die gleichen Effizienzeinbußen auch bei öffentlichen Monopolen auftreten, 10 doch müssen im öffentlichen Sektor zwei weitere Aspekte beachtet werden. Erstens befinden sich die Produktionsmittel in öffentlichem Eigentum, 11 und zweitens hat der Staat in der Regel besondere Privilegien, die zu verzerrten Wettbewerbsergebnissen führen; dazu zählt neben möglichen Steuerprivilegien und fehlenden oder eingeschränkten Publizitätspflichten insbesondere die absolute Monopolmacht im Angebot öffentlicher Leistungen durch gesetzliche Marktein-

7

Vgl. etwa Blankart (1991), S. 86 ff. Vgl. auch unsere Ausfilhrungen und Literaturhinweise im 5. Kapitel. 9 Eine erste grundlegende Betrachtung dieser institutionellen Struktur in drei alternativen Staatstheorien erfolgt im anschließenden 3. Kapitel. 10 In diesem Zusammenhang spielt es noch keine Rolle, ob das Leistungsangebot durch eine Behörde oder ein öffentliches Unternehmen erfolgt. Weitere Wohlfahrtsverluste sieht Grüske (1985), S. 270, auch in der fehlenden Kontrolle öffentlicher Monopole und der garantierten Deckung von Defiziten; so entsteht auch seitens der "Anteilseigner" kein Zwang zu Innovationen. 11 So sieht Dzlrr (1991), S. 19 f, Privateigentum an den Produktionsmitteln als Bedingung fiir die Funktionsfähigkeit von Sozialen Marktwirtschaften und betont die negativen Folgen von defizitären Staatsbetrieben filr Kapitalallokation, private Investitionen und Preisniveaustabilität 4*

52

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosten-Konzepts

trittssperren fiir potentielle {private oder öffentliche) Wettbewerber. 12 Ohne auf mögliche Rechtfertigungen fiir derartige institutionelle Besonderheiten eingehen zu wollen, 13 vergleichen wir aus wohlfahrtstheoretischer Sicht das öffentliche mit dem privaten Monopol. 14 Sowohl durch Steuerprivilegien als auch durch gesetzliche Markteintrittsbarrieren wird es dem Monopolisten ermöglicht, zu höheren als Minimalkosten zu produzieren, ohne daß dadurch potentielle Konkurrenten angezogen werden. Die Ursache dafiir liegt in der Tatsache, daß bei potentiellem Marktzutritt eines Konkurrenten die Opportunitätskosten fiir die "nicht-marktbewerteten Outputs" wie Bequemlichkeit der Arbeit, Unkündbarkeit, vorgezeichneter Aufstieg o.ä. wachsen. In nicht wettbewerbsfähigen Märkten dagegen werden diese "Nebenprodukte" systematisch zu geringeren als ihren tatsächlichen Kosten bewertet, so daß dafiir ein überhöhter Ressourceneinsatz erfolgt. Anreize zu Innovationen oder organisatorischen Verbesserungen, im Sinne von Hayeks Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, fehlen völlig, wenn sich der öffentliche Monopolist über seine absolute Machtstellung sicher sein kann. 15 Darüber hinaus gehen auch von der Nachfrageseite keine korrigierenden Wirkungen aus, da hier zum einen ein Informationsmangel hinsichtlich der möglichen Minimalkostenkombination herrscht, zum anderen ein Ausweichen entweder unmöglich ist oder mit - häufig von vomeherein prohibitiv hohen Transaktionskosten verbunden ist. 16 Unterstützt wird das Informationsdefizit auch dann, wenn öffentliche Monopolisten ihren Jahresabschluß nicht publizieren müssen und nicht einer Prüfung nach privatwirtschaftlichen, sondern lediglich nach formal-juristischen Maßstäben unterliegen. 17 Dies ist zugleich unmittelbare Folge des kameralistischen Rechnungswesens, das als Grundlage fiir Wirtschaftlichkeitsanalysen im öffentlichen Sektor ungeeignet 12 Hinzu kommt häufig eine stärkere Machtposition von öffentlichen Monopolisten, ausgedrilckt durch das Lernersehen Maß filr Monopolmacht: (p-c)/p = 1/E mit E als Preiselastizität der Nachfragevgl. hierzu Neumann (1982), S. 169 ff. Die Marktmacht ist also umso höher, je geringer die Preiselastizität der Nachfrage nach den von ihnen angebotenen Leistungen ist. Obige These gilt also dann, wenn öffentliche Monopolisten eher lebensnotwendige Güter anbieten, private Monopolisten dagegen eher leichter substituierbare Leistungen. 13 Vergleiche filr den Verkehrsbereich die kritischen Positionen hierzu etwa von Wiechers (1988), S. 103 ff, oder van Suntum (1986), S. 62 ff, 83 ff. 14 Vgl. zu Wohlfahrtsverlusten von privaten Monopolen und öffentlicher Regulierung Posner (1975). 15 Vgl. Graske (1985), S. 270. 16 Transaktionskosten können filr die Information Ober alternative Angebote, filr notwendige Anpassungen (etwa Fahrtkosten, im Extremfall Umzugskosten) sowie filr die daraus entstehenden Änderungen der Produktions- oder Konsumgewohnheiten (excess burden, vgl. weiter unten) entstehen. l7 Vgl. hierzuRosenschon (1980), S. 101.

I. Vergleichbarkeit von öffentlichem und privatem Sektor

53

ist. Sofern sich die staatliche Leistungserstellung lediglich auf das einseitige Prinzip der Kostendeckung stützt, fehlt jegliche Information über den NettoNutzen des Angebotes, bewertet durch die Nutzer via Marktpreis. Je starrer indes die Nachfrage ist, desto leichter lassen sich überhöhte Kosten vom Produzenten auf die Nachfrager abwälzen. Da häufig gerade öffentliche Monopolisten lebensnotwendige Leistungen anbieten oder der Konsum ihres Angebotes (im Falle meritorischer Güter) Pflicht ist, kann man davon ausgehen, daß eine Verteuerung ihrer Leistungen aufgrund überhöhter Kosten zu geringeren Absatzeinbußen führen wird, als es bei privaten Monopolisten der Fall wäre, die sich höheren Nachfrageelastizitäten gegenübersehen. 18 Eine gewisse Kontrolle der Wirtschaftlichkeit ist im privaten Monopol auch durch Privateigentum an den Firmenanteilen gewährleistet. Insbesondere die Transparenz wächst durch Verfiigungsmacht, die klar auf Individuen zugeteilt ist, im Vergleich zu Kollektiveigentum, denn wenn Verfügungsmacht nicht auf Individuen zugeteilt wäre, könnten Anteile nicht gehandelt werden. Handel wiederum zwingt zu laufender Bewertung von Vermögen und Ertragserwartungen von Unternehmen an den Finanzmärkten. Damit entstehen Indikatoren für die Leistung des Unternehmens, die auch brancheninterne wie branchenübergreifende Vergleiche zulassen - auch für Dienstleistungsbetriebe, bei denen eine Produktivitätsmessung gegenüber Industrie- oder Handelsbetrieben oft erschwert ist. Gerade in öffentlichen Monopolen, insbesondere in Behörden, fehlen häufig (aufgrund des ungenügenden Rechnungswesen) objektive Leistungskennzahlen oder sonstige Indikatoren für die Produktivität (meist auch aufgrund des Dienstleistungscharakters). 19 Mit dem Eigentum an Unternehmensanteilen ist auch das Recht auf Gewinnbeteiligung verbunden. Damit kann der individuelle Eigentümer von Anteilen an einer Firma mit überhöhten Kosten bestraft, der eines Betriebes mit innovatorischem Potential belohnt werden. Da diese Anreizmechanismen bei kollektivem Eigentum weitestgehend fehlen, kommt die Dynamik des Marktes nicht zum Tragen. Die Beschäftigten in öffentlichen Monopolen mit Kollektiveigentum sehen sich also einem geringeren Druck durch Ertragserwartungen der Anteilseigner ausgesetzt als Angestellte in privaten Monopolen, die durch die Eigentümer sanktioniert oder gefördert werden können. 20

18 Die Argumentation zur KostenOberwälzung ähnelt insofern der mikroökonomischen Partialanalyse einer Steuerüberwälzung; vgl. hierzu etwa Musgravel Musgravel Kullmer (1985), S. 77. Siehe zur Anwendung aufdie X-Ineffizienz Rosenschon (1980), S. 162 f. 19 Vgl. zu Oberhöhten Kosten und zum Informationsbedarf Recktenwald (1978), S. 160 ff. 20 Zu den Funktionen des Gewinns und der Ertragserwartung Rosenschon ( 1980), S. 58 ff, 151 ff.

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskasten-Konzepts

54

Wenn aber schon bei privatem Eigentum eine Principal-Agent-Problematik entstehen kann, so gilt dies für öffentliche Monopolisten in Kollektiveigentum umso mehr, und zwar gleich in einer mehrstufigen Weise. - Mehrstufige Principal-Agent-Problematik: "Der Staat" als Eigentümer eines Unternehmens (oder einer Behörde) umfaßt alle Staatsbürger. Die Kontrollfunktion des Eigentums üben aber nicht sie, sondern (in Demokratien mit Mehrheit gewählte) Politiker aus, die indes für die Dauer der Legislaturperiode "nur ih~em Gewissen unterworfen" 21 sind. Damit entsteht eine erste Stufe der Principal-Agent-Problematik zwischen Staatsbürgern und Politikern. Selbst im "günstigsten Fall", bei Wahlentscheidungen, sind manche Staatsbürger ausgeschlossen (Bsp. Minderjährige); dazu kommen in den Fällen von nicht einstimmigen Entscheidungen, von NichtWählern und von Wählern der Parteien, die an einer Sperrklausel scheitern, weitere Bevölkerungsgruppen, die sich von dem gewählten Politiker nicht vertreten lassen wollten. Bei privatem Eigentum an dem entsprechenden Unternehmen hätte jeder Anteilseigner zumindest die Möglichkeit, entweder an der Hauptversammlung teilzunehmen und dort seine Interessen zu vertreten oder seine Anteile zu verkaufen. Zwei weitere Stufen der Principal-Agent-Problematik im öffentlichen Sektor unterscheiden sich dagegen grundsätzlich nicht von entsprechenden Zielkonflikten im privaten Sektor. Akzeptiert man Politiker als Vertreter der (kollektiven) Eigentümer, so haben sie ähnliche Funktionen wie private Eigentümer: Sie setzen Ziele, erlassen Regeln (Gesetze, Durchfiihrungsverordnungen), geben Weisungen an "Chef-Bürokraten" -wir verstehen hierunter Bürokraten mit Einfluß auf den Umfang ihres Behörden-Budgets - und kontrollieren sie. Die "Chef-Bürokraten", vergleichbar mit Vorstandsmitgliedern oder Direktoren eines Unternehmens in Privatbesitz, sind im Rahmen von bürokratischen Organisationen weisungsbefugt gegenüber ihren Untergebenen, den "einfachen Bürokraten", die mit der Leistungserstellung beauftragt sind vergleichbar den nicht-leitenden Angestellten und Arbeitern in privaten Firmen. Da in einem solchen System die Individuen auf allen Stufen eigene Zielsetzungen verfolgen, können grundsätzlich Wohlfahrtsverluste in Form von nicht-kostenminimaler Produktion sowie Kosten für die Koordinations- und

21

GG, Art. 38 (1).

I. Vergleichbarkeit von öffentlichem und privatem Sektor

55

Kontrollmechanismen anfallen. 22 Die folgenden Kostenarten fallen also nicht nur im privaten, sondern in ähnlicher Form auch im öffentlichen Sektor an: - Kosten der Informationsgewinnung, - Kosten der Organisation der staatlichen Leistungserstellung, - Kosten in Form von Verlusten an allokativer Effizienz aufgrund der Monopolmacht des öffentlichen Anbieters, - Kostenaufgrund von Principal-Agent-Verhältnissen zwischen Staatsbürgern als (Kollektiv-) Eigentümern und Politikern, Politikern und Bürokraten sowie innerhalb von öffentlichen Unternehmen und Behörden, d.h. Abweichungen von der Minimalkostenkombination. Die Transaktionskosten öffentlicher Monopole im Kollektiveigentum können indes im Vergleich zu privaten Monopolen höher liegen, 23 wie wir theoretisch mit Hilfe des Property Rights-Ansatzes begründet haben. 24 Weitergehende öffentliche Transaktionskosten resultieren aus institutionellen Arrangements, die das Allokationsverfahren im öffentlichen Sektor von dem am Markt unterscheiden. Bisher haben wir folgende Bereiche nur angedeutet, die wir im weiteren Verlauf des 2. und im 3. Kapitel eingehender analysieren werden: - das mehrdimensionale "gesamtwirtschaftliche Zielsystem", - die Instrumente, die dem Staat zur Verfügung stehen, sowie - den politischen Prozeß und die daran Beteiligten mit ihren jeweiligen individuellen Zielfunktionen.

22 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Rosenschon (1980), S. 53. Indes meint sie, die Wohlfahrtsverluste von öffentlichen und privaten Monopolen müßten sich grundsätzlich nicht voneinander unterscheiden und nimmt damit insofern eine Gegenposition zu unsere Sicht ein, als wir betonen, daß die institutionellen Rahmenbedingungen Höhe und Art der entstehenden Kosten entscheidend beeinflussen. Daher werden wir später näher auf die möglichen individuellen Zielsetzungen der "Agents", also der Politiker und der "Bürokraten" im öffentlichen Sektor und ihre Folgen filr öffentliche Transaktionskosten eingehen. 23 Effizienzvergleiche zwischen öffentlichen und vergleichbaren privaten Anbietern tinden sich häutig in der Literatur: siehe z.B. fiir den deutschsprachigen Raum insbesondere die Untersuchungen vonPommerehne (1976), Pommerehnel Frey (1977), Boreherdingi Pommerehnel Schneider (1982) und Schneider/ Bartel (1989) oder- filr einen internationalen Überblick - Pommerehne (1990), S. 34 ff. Die stärkere Neigung der öffentlichen Alternative zu Ineffizienz wird dabei eindeutig empirisch belegt, wenn auch - wie oben bereits angedeutet - nicht immer alle relevanten Kostenarten filr den EffiZienzvergleich Berilcksichtigung finden. 24 Zu anderen Ansätzen, die sich auf die Entscheidungsträger beziehen, werden wir später kommen. Vgl. etwa Schneider (1991), S. 8 f, der mit Gewerkschaftsmacht in öffentlichen Unternehmen, der ökonomischen Theorie der Bürokratie und der ökonomischen Theorie der Politik neben dem Property Rights-Ansatz weitere Ursachen fiir das Versagen der Eigentümerkontrolle anfUhrt.

56

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosteu-Konzepts

II. Das wirtschafts- und finanzpolitische Zielsystem des Staates und die Forderung nach effizienter Zielerreichung Auf die Frage, warum ein öffentlichen Sektor überhaupt bestehen muß, geben die oben erwähnten Eigenschaften öffentlicher Güter nur eine Teil-Antwort, zumal Unteilbarkeit, Nichtrivalität und Nichtausschluß nicht in jedem Falle staatlichen Angebotes uneingeschränkt vorliegen. Vielmehr steht hinter jedem staatlichen Zusammenschluß der Gedanke, ein - wie auch immer definiertes - Gemeinwohl könne durch staatliche Politik erhöht werden. Damit das Handeln dieser öffentlichen Instanz überhaupt unter Effizienzaspekten beurteilt werden kann, muß klar sein, was in einer gegebenen Situation überhaupt wünschenswert ist. "Insofern kann man die Ziele definieren als Vorstellungen über die politisch erwünschte Lage." 25 Somit muß sich aber das Gemeinwohl auf die Lage in den unterschiedlichsten Bereichen beziehen, also die nichtoperationalisierbaren "gesellschaftspolitischen Ziele" Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit und Friede umfassen. 26 Wirtschafts- und finanzpolitische Ziele können als Instrumente zur Erreichung aller übergeordneten Ziele aufgefaßt werden, doch ergibt sich selbst dann "... die Schwierigkeit, daß es im eigentlichen Bereich der Wirtschaft gar kein Endziel gibt. "27 Die Versuche, Ziele der Wirtschaftspolitik aus in Zeit und Raum wandelbaren Leitbildern und ethischen Werten abzuleiten, haben zu hierarchisch aufgebauten "Zielpyramiden" oder zu heterogenen "Katalogen" gefiihrt.28 Dabei kann - wie in unserer Abb. 3 - zwischen vorgegebenen und abgeleiteten Zielen unterschieden werden. Die abgeleiteten Ziele hätten bei isolierter Betrachtung keinen spezifischen Zweck; sie dienen lediglich dazu, die vorgegebenen Ziele wirtschaftlich erreichen zu können.29 Aus diesem Grund erweitern wir das Schema in unserer Abbildung durch die Zielvorgabe "Minimierung des Ressourcenverzehrs staatlicher Aktivitäten in Markt und Staat", die auch ein 25

26

Tuchtfeldt (1988 [1982)), S. 182. Vgl. hierzu die Erläuterungen der Schaubilder bei Tuchtfeldt (1988 [1982)), S. 183 oder bei

Recktenwald(1980), S. 12. 27 Tuchtfeldt (1988 [1982)), S. 182.

28 Siehe neben den oben genannten Schaubildern auch die Erörterungen von Albers (1977), S. 129 ff, Musgravel Musgravel Kullmer (1990), S. S ff, Wirtmann (1977), S. 21 ff oder Zimmermann! Henke (1990), S. 2 ff. Während Musgrave nur Allokations-, Distributions- und Stabilisierungsfunktion sieht, diskutiert Wittmann zehn Ziele der Finanzpolitik. 29 So Zimmermann! Henke (1990), S. 4 ff. Fraglich bleibt in diesem Zusanunenhang insbesondere das dort genannte Ziel der "Sparsamkeit bei der Mittelverwendung", das nichts anderes als eine Seite des ökonomischen Prinzips darstellt, in dieser Einseitigkeit jedoch niemals Wirtschaftlichkeit gewährleisten kann. Aus diesem Grund haben wir es in Abb. 3 ersetzt durch das Ziel der "Realisierung des · ökonomischen Prinzips".

li. Zielsystem und Forderung nach effizienter Zielerreichung

57

Postulat nach gerlogstmöglicher Veränderung relativer Preise impliziert (soweit diese nicht bewußt zur Realisierung einer verbesserten Allokation am Markt erforderlich ist). Mit dieser Zielsetzung wird also auch die Minimierung der Zusatzlasten30 staatlichen Handeins postuliert, ohne daß allerdings allokationsverbessernde Maßnahmen, wie etwa die Internalisierung externer Effekte o.ä., eingeschränkt werden sollen. .--1 - I. Der Finanzmrtschaft vorgegebene Ziele A. Konjunkturziele

C. Distrib\tionsziele D. Allokationsziele

1. Global

2. Preisniveau-

2. Strukturell 2. Vonnögens(sektoral/regioral) verteilung

2.Arti.WidU~

3. Vermeiden von Umweltschäden

3. Struktur öffentlicher Goter

stabilität 3. Außenwirtschaftliebes Gleichgewicht

.._

B. Wach>tumsziele

l. Vollbeschäftigung

1. Einkommensverteih~

1. Verbesserung der marktwirtschaftlichen Alloleation

öffentlicher Güter

1-- li. Abgeleitete Ziele der Finanz\\-irtschaft A. Realisierung des ökonomischen Prinzips 1. Minimierung öfferflicher Transaktionskosten. etwa vm: a. So.ilstitutionsverlusten b. Zusatzlasten c. Folgekosten d Erhebqskosten e. Opportulitätskosten tatscher Politik

B. Fiskalisches Ziel (Finanzi"""l! öffentlicher Güter)

2. "Staatsinteme" Effizienz: Effiziente Organisation der öffentlichen Finanzwirtschaft a. bei der Zuorkörperschaften b. innerhalb der einzelnen Träger der öffentlichen Finanzwirtschaft

Abb. 3: (Erweitertes) Zielsystem der öffentlichen Finanzwirtschaft Quelle: Eigene Darstellung. nach nmmermann; Henke ( 1990), S. 5, und Tuchtfeldt (I 988 (1982)), S. 183.

Sobald in der Praxis ein Instrument auf mehr als ein Ziel wirkt, besteht eine Beziehung zwischen diesen beiden Zielen z, und Z2.31 Bei einem Zielkonflikt 30 Zur Erklärung siehe unten Punkt III. Die Erweiterung nehmen wir vor, um insbesondere der Bedeutung der Zusatzlasten in der neueren normativen finanzwissenschaftliehen Literatur Rechnung zu tragen. 31 Abgesehen von den trivialen Beziehungen der Identität und der WidersprOchlichkeit erkennt man die möglichen Beziehungen am Vorzeichen der Grenzaustauschrate der Zielerfilllung dZ 1 / dZz

58

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosteu-Konzepts

stellen somit die entgangenen Nutzen aus dem beeinträchtigten Ziel (unvermeidbare) Transaktionskosten im Sinne unserer Definition dar. 32 Im privaten Sektor entstehen derartige Transaktionskosten indes nicht, weil Gewinnmaximierung als oberstes Ziel gelten kann, das weiter in Teilziele aufspaltbar ist. 33 Ein weiteres Problem entsteht im Zusammenhang mit der Zielformulierung im öffentlichen Sektor. Generell können Ziele qualitativ oder quantitativ formuliert sein. Nur die quantitative Formulierung ist empirisch gehaltvoll, so daß sich ein Grad der Zielerreichung bestimmen bzw. ein Soll-Ist-Vergleich durchfUhren läßt. Fehlen diese Möglichkeiten der Erfolgskontrolle und der Abweichungsanalyse, entstehen Transaktionskosten (in Form von Opportunitätskosten mangelhafter Koordination), weil ein "Lernprozeß" überhaupt nicht angeregt wird oder möglichenveise effektivere Alternativen nicht diskutiert werden. Auch diese Art von Transaktionskosten entsteht infolge des mehrdimensionalen Zielsystems im öffentlichen Sektor, denn die Wahrscheinlichkeit, "... daß die finanzpolitischen Entscheidungsträger überhaupt keine A-priori-Vorstellungen über konkrete Zielwerte besitzen ... , steigt in dem Maße, wie die Anzahl der Zielvariablen zunimmt. "34

m. Wirkungen staatlicher Instrumente im Überblick Im nächsten Schritt erörtern wir nun, welche Arten von Transaktionskosten entstehen, wenn der Staat seine Ziele mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten realisiert. Dabei beschränken wir uns auf die Mittel, die ihren Nie(mit Z1 und Z2 als zwei quantifizierbare Ziele bei infinitesimaler Variierbarkeit der Zielerfilllungsgrade): bei dZ1 I dZ2 > 0 herrscht Harmonie, bei dZ1 I dZ2 = 0 Neutralität, und bei dZ1 I dZ2 < 0 besteht ein Zielkonflikt Ausfiihrlicher hierzu Gäfgen (1963). 32 Methodisch ähnlich werden im öffentlichen Sektor alle Wirkungen von Maßnahmen auf die vielflUtigen Ziele im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsanalysen erfaßt, bewertet und u.U. gewichtet. Die hierbei entstehenden Transaktionskosten der Projektauswahl sind übrigens dem Wesen nach vergleichbar mit den Kosten privatwirtschaftlicher Investitionsrechnungen und dürfen daher nicht mit den öffentlichen Transaktionskosten bei Zielkonflikten verwechselt werden. 33 So das Fazit vonMeyer (1990), S. 150. Für den privaten Sektor nennt Meyer konkret das Ziel, die Rentabilität als Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital zu maximieren (ebd., S. 148}, doch wäre dies bei exogen gegebener Kapitalstruktur völlig äquivalent zur Gewinnmaximierung. Eine ausfiihr1ichere Diskussion der Folgen von Zielspaltung und Zielfusion filr Wirtschaftlichkeitsanalysen ebd., S. 147-157. 34 Rose/ WenzeV Wiegard (1981), S. 10. Dabei stellt sich natürlich auch die Frage, ob Entscheidungsträger sich dieser Kontrolle überhaupt stellen wollen bzw. ob sie eine klar spezifizierte Zielpräferenzfunktion mit Zielgewichten im Falle von Zielkonflikten formulieren wollen. Kritisch zu den Problemen der Zielformulierung etwa Tuchtfeldt (1988 [1982]), S. 185, sowie- speziell filr redistributive Zielsetzungen- Graske (1985), S. 208 f Siehe hierzu auch unsere Erörterungen zu den Entscheidungsträgem weiter unten.

ill. Wirkungen staatlicher Instrumente im Überblick

59

derschlag im staatlichen Budget finden, 35 und analysieren Wirkungen auf vorgegebene und abgeleitete Ziele (vgl. Abb. 3). Schon durch diese einfache Unterscheidung lassen sich potentielle Transaktionskosten von Staatsausgaben ebenso wie von Staatseinnahmen identifizieren und kategorisieren. 36

A. Grundlegende Wirkungen

Die traditionelle Finanzwissenschaft hat sich schon früh etwa mit mikround makroökonomischen Wirkungen von Steuern auf Preise, Einkommen und Verteilung beschäftigt. 37 Ähnlich wie bei Staatseinnahmen lassen sich Substitutions-, Einkommens- und Preiseffekte sowie Wirkungen auf makroökonomische Größen bei Staatsausgaben nachweisen, wenn auch die Ziele der betroffenen Individuen hier tendenziell entgegengesetzt gerichtet sind: Im Fall von Steuern versuchen sie, diesen auszuweichen (Substitutionseffekt) oder sie zu überwälzen oder (durch vermehrten Einsatz) einzuholen (Einkommenseffekt). Dagegen sind sie im Falle von Staatsausgaben bestrebt, sich den gesetzlichen Auflagen bzw. den Tatbestandsmerkmalen so anzupassen ("Substitution"), daß ihnen diese in Form von Transfers, Subventionen bzw. Sach- oder Dienstleistungen zugute kommen, ohne daß ihnen ein anderer diesen Vorteil wegnimmt ("Überwälzung"); dabei kann es in Analogie zum Einkommenseffekt der Besteuerung zu einem Einholeffekt dergestalt kommen, daß ein Individuum seinen Ressourceneinsatz verringert, weil es sich mit dem infolge staatlicher Leistungen erhöhten Nutzenniveau zufrieden gibt. Diese traditionelle Systematik von Wirkungen kann - sowohl für Staatseinnahmen als auch für öffentliche Ausgaben38 - erweitert werden um zusätzliche Wohlfahrtsverluste wie etwa Substitutionsverluste39, Zusatzlasten, Folgeko35 Ähnlich die Vorgehensweise bei Musgravel Musgravel Kullmer (1990), S. 5. Zu einer weitergehenden Systematisierung aller wirtschaftspolitischen Instrumente siehe etwa Streit (1983), S. 164. Insbesondere sind neben Einnahmen und Ausgaben des Staates Regulierungen zu beachten; siehe hierzu etwa den grundlegenden Beitrag von Stigler ( 1971) sowie filr Einzelfragen der Regulierung die Aufsätze in Bailyl Winston (1989). 36 Wir diskutieren die jeweiligen Wirkungen am Beispiel der Einnahmen und verweisen auf die analogen Effekte bei Ausgaben. 37 Vgl. Smith (1986 [1776]), Ricardo (1988 (1817]), Musgrave (1959), Recktenwald (1971). 38 Vgl. hierzu Grüske (1994). 39 Die folgende Abb. 4 spricht von Ausweichlasten; wir präferieren die Bezeichnung "Substitutionsverluste", um derartige Aufkommensverluste filr den Staat aufgrund von Substitutionsreaktionen deutlicher gegenOber etwa den Kosten abzugrenzen, die Zensiten aufwenden, um der Belastung auszuweichen. Wir gehen im Rahmen unserer detaillierten Betrachtung der Steuerwirkungen ausfilhrlicher auf die einzelnen Arten öffentlicher Transaktionskosten ein.

60

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosten-Konzepts

sten, Erhebungskosten oder Opportunitätskosten falscher Einnahmepolitik Die Zusammenhänge werden in der folgenden Abb. 4 zunächst überblicksartig veranschaulicht. 40 Nwe Analytik der SteueiWidrungen (=Ressourcenver210hr oder Nutzeneinbuße) (b) zusätzliche Wohlfahrtsverluste

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Abb. 4: Neue Analytik der Steuerwirkungen QueUe: Nach Recktenwald (1984}, S. 395; eigene DanteUWlg.

Im linken Teil der Abb. 4 werden die Beziehungen zwischen individuellen Reaktionen, also Verhaltensweisen auf mikroökonomischer Ebene, und Wirkungen auf aggregierte Angebots- und Nachfragefunktionen auf Güter- und Faktormärkten angedeutet, aus denen sich die effektive Inzidenz staatlicher Einnahmen oder Ausgaben sowie die makroökonomischen Folgen für die vorgegebenen Ziele Konjunktur, Wachstum und Verteilung ergeben. 41 Nur am Rande werden dagegen abgeleitete Ziele, speziell die Folgen für die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt, in das Phasenschema integriert. So kommt in der Literatur dem zeitlichen Ablauf von Anpassungsreaktionen und der Wirkungskette hin zu den Folgen für die Wohlfahrt bisher kaum Bedeutung zu. Die wenigen existierenden Systematiken haben zudem eher den Charakter von Aufzählungen, in denen die analytische Trennung etwa zwischen mikroökonomischem Substitutionseffekt sowie Anreizwirkungen auf Arbeits- und Kapitalangebot sowie zwischen Substitutionsverlusten und den zugleich immer entstehenden Zusatzlasten für unsere Zwecke nicht scharf genug ausgeprägt ist. 40 Wir werden uns weiter unten mit den Folgen von Einkommens- und Substitutionseffekt filr die öffentlichen Transaktionskosten näher beschäftigen. 41 Diese ZusammenhAnge betrachten wir nicht näher, da hieraus keine unmittelbaren Einsichten zur Effizienz von Eirmalunesystemen resultieren; vgl. ausfiihrlichRecktenwald (1971).

ID. Wirkungen staatlicher Instrumente im Überblick

61

Aus diesen Gründen werden wir in den nächsten Punkten zunächst die Folgen für die vorgegebenen Ziele am Beispiel der Steuern knapp diskutieren, um anschließend ausführlicher zu analysieren, (1) welche Phänomene zu einem über die Traglast hinausgehenden Ressourcenverzehr führen - d.h. welche öffentlichen Transaktionskosten generell entstehen können - und (2) welche auch zeitlichen - Beziehungen zwischen diesen Kostenarten bestehen. Dabei wird durch die Trennung in eine kurzfristige und eine längerfristige Reaktionsphase sowie durch die Analyse des zwischengeschalteten Prozesses, in dessen Verlauf Rigiditäten am Markt und im Staat erst überwunden werden müssen, ein detaillierteres Bild der Zusammenhänge entstehen.

B. Folgen für die vorgegebenen Ziele

Aus den mikroökonomischen Grundreaktionen Überwälzen, Substituieren und Einholen bzw. ihren Pendants auf der Ausgabenseite ergeben sich Änderungen makroökonomischer Größen wie Konsum, Sparen, Investieren und damit Folgen für Höhe, Verteilung und Struktur des Volkseinkommens. 42 Nachdem man sich bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorwiegend mit Fragen des Wirtschaftswachstums und der Verteilung der Einkommen (auf Produktionsfaktorenoder Haushalte) beschäftigt hatte, rückten mit der Akzeptanz der keynesianischen Theorie als Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen neben den Fragen der Gerechtigkeit zunehmend auch die konjunkturellen Wirkungen von Staatseinnahmen und -ausgaben in den Mittelpunkt der Forschungen. 43 In allen Fällen beschränkte man sich jedoch weitgehend auf die Eignung einnahme- oder ausgabepolitischer Instrumente des Staates, die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Diese Eignung hängt von der konkreten Ausgestaltung einer Maßnahme ab: Grundsätzlich kann der Einsatz aller staatlichen Instrumente administrativen Charakter haben, also mit hoheitlichem Zwang verbunden sein, oder auf die Kooperation der Individuen durch ein - mehr oder weniger - marktähnliches Vorgehen abzielen (etwa durch das Setzen von Anreizen zu Verhaltensänderungen). Dabei können Einnahmen wie Ausgaben prinzipiell eine direkte oder eine indirekte Zielwirkung besitzen; in letzterem Fall dient die Reaktion der 42 Siehe etwa Dürr (1976), S. 127 ff, zur Finanzpolitik als Mittel der Wachstumspolitik; generell scheinen indes ordnungspolitische Instrumente wie etwa die Wettbewerbspolitik fiir dieses Ziel besser geeignet als prozeßpolitische; vgl. ebd., S. 138. 43 So etwa bei Haller (1972), S. 152 ff, oder bei Neumark (1970), S. 282 ff- wenn auch bei letzterem bereits Fragen der Erhebungskosten "Subsidiäre[n] Charakter" besitzen (vgl. ebd., S. 368 ff).

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2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosteu-Konzepts

Individuen nur als Zwischenziel, d.h. man will gezielt das Verhalten der Individuen ändern, um ein bestimmtes wirtschaftspolitisches Ziel zu erreichen. Anband dieser einfachen Systematisierung wird die Verknüpfung zwischen staatlichen Instrumenten, den individuellen Verhaltensweisen, deren Folgen für makroökonomische Größen und damit die Wirkung auf das System staatlicher Ziele deutlich. So lassen sich aus den Mittel-Ziel-Beziehungen Kriterien für einen wirtschafts- und finanzpolitischen Instrumenteneinsatz ableiten: 44 Immer wenn eine Abweichung von einem als gewünscht eingeschätzten Zustand diagnostiziert wird, müssen die Ursachen hierfür erforscht, geeignete Mittel ausgewählt und bewertet sowie in richtiger sachlicher und zeitlicher Dosierung eingesetzt werden. Theoretisch kann also eine optimale Finanzpolitik abgeleitet werden, die es erlauben würde, die vorgegebenen Ziele in Abb. 3 zu erreichen. "Unter optimaler Finanzpolitik werden Entscheidungsregeln für finanzwirtschaftliche Staatsaktivitäten verstanden, die aus gesamtwirtschaftlichen Modellen über die Maximierung bzw. Minimierung einer Zielfunktion unter Nebenbedingungen abgeleitet werden. Die Zielfunktion ist der quantifizierte Ausdruck der auf bestimmte Variablen bezogenen Präferenzen einer finanzpolitischen Entscheidungsinstanz. .. . Die Zielsetzung der optimalen Finanzpolitik ist darauf gerichtet, die Werte der Zielvariablen im gesamtwirtschaftlichen Optimum zu ermitteln (Zielidentifizierungsproblem) und Realisierungsvorschriften fllr den Einsatz der finanzwirtschaftliehen Instrumente zu entwickeln (Zielrealisiemngsproblem), so daß sich hierüber die Optimalwerte der Zielvariablen verwirklichen lassen. "45

Wenn also eine "Gesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion" festgelegt und wenn sichergestellt wäre, daß "Präferenzen einer finanzpolitischen Entscheidungsinstanz" mit der Optimierung dieser Zielfunktion übereinstimmen,46 könnten die vorgegebenen Ziele auch bei ggf. auftretenden Zielkonflikten durch eine rationale Instrumentenwahl erreicht werden. 47

44 Eine Übersicht enthält Streit (1983 a), S. 187. 45 Rose/ Wenzell Wiegard (1981 ), S. 1.

46 Die Diskussion dieser Problematik wird im nächsten Punkt dieses Kapitels eröffnet und im Lauf des zweiten Teils eine entscheidende Rolle spielen. 47 Die optimistische Sicht von Rose/ Wenzell Wiegard (1981) wurde übrigens von Diamond und Mirlees, zwei frühen Vertretern der normativen Optimalsteuertheorie, keineswegs geteilt: "As economists have been aware, the omitted constraints ... Iimit the direct applicability ofthe implications oftbis theory to policy problems ... " (Diamondl Mirrlees (1971 b), S. 276.]

ill. Wirkungen staatlicher Instrumente im Überblick

63

C. Zu den Wirkungen auf abgeleitete Ziele: Zusätzliche Wohlfahrtsverluste von Einnahmen und Ausgaben des Staates

Während die vorgegebenen Ziele im Idealfall durch Lösen einer bloßen Maximierungsaufgabe unter Nebenbedingungen erfiillt werden, könnten abgeleitete Ziele, speziell die Forderung nach Minimierung des Ressourcenverzehrs staatlicher Aktivitäten in Markt und Staat, verletzt werden, sofern sie nicht explizit in der Zielfunktion berücksichtigt sind. Um - hier exemplarisch für die Wirkungen von Steuern - die Frage zu klären, inwiefern eine Modeliierung als Optimierung einer Zielfunktion unter Nebenbedingungen überhaupt operationalisierbar ist, müssen wir die Arten potentieller Wohlfahrtsverluste sowie ihre Beziehungen untereinander und zu den vorgegebenen Zielen aufzeigen. 1. Grundlegendes zur Anpassung an Steueränderungen in kurz- und längerfristiger Sicht

In der herkömmlichen Literatur zu Steuerwirkungen geht man in der Regelähnlich dem traditionellen neoklassischen Marktmodell - von unendlich flexiblen Reaktionen der Individuen aus. 48 In anderen Bereichen der ökonomischen Wissenschaft zählt indes die Analyse von verschiedenartigen Verzögerungen explizit zum Untersuchungsgegenstand - etwa bei der Diskussion von "lags" in der Geldpolitik. 49 Diese bekannten Arten von Verzögerungen kann man auch in der Steuerpolitik sowohl bei Individuen als auch in staatlichen Instanzen beobachten. so Eine Reaktion der Individuen auf veränderte staatliche Maßnahmen (oder schon deren Ankündigung) setzt zunächst deren Erfassung voraus, die unter anderem von der Merklichkeil einer finanzpolitischen Aktion abhängt. Das Individuum muß zunächst relevante Informationen sammeln, die es ihm erlauben, seine eigene veränderte Situation zu analysieren, d.h. die Wirkung der Maßnahme für den Status quo zu diagnostizieren. Auf dieser Basis kann versucht werden, zukünftige Verhaltensalternativen zu planen und sich rational für die beste Alternative zu entscheiden; dies kann zusätzliche Informatio48 Ausgenommen hieJVon sind spezifische Fragestellungen, die sich mit langfristigen Reaktionsketten beschäftigen, etwa Analysen der dynamischen makroökonomischen Inzidenz von Steuern. 49 Vergleiche etwa die Diskussion einer entsprechenden Wirkungskette bei Dürr (1970), S. 132 ff, wo differenziert time lags bei der Erkennung, innerhalb der durchflihrenden lostanz und bei der Wirkung einer geldpolitischen Maßnahme aufgefiihrt werden. 50 Vgl. auch die ähnlichen Thesen von Lee (1987), S. 298 ff.

64

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosten-Konzepts

nen erfordern, so daß hier ein erneuter Rückkoppelungsprozeß in Gang kommen kann. 5 1 Weitere Verzögerungen ergeben sich, nachdem die Entscheidung erfolgt ist, bei der Durchführung der Anpassungsmaßnahmen - das können prinzipiell Substitutions-, Überwälzungs- oder Einholreaktionen sein - in der Zeit, bis deren Wirkung eintritt sowie bei der Erfolgskontrolle. Gegebenenfalls kann diese eine erneute Rückkoppelung zur Beschaffung von Information veranlassen und den Prozeß neu starten. Die dabei auftretenden Verzögerungen dürfen keinesfalls unterschätzt werden; ebenso wird das Individuum in seiner Strategiewahl sowohl kurzfristige als auch längerfristige Verhaltensanpas$ungen durchführen. Grundsätzlich sehen wir die kurzfristige oder primäre Reaktionsphase als dadurch gekennzeichnet an, daß sich Individuen auf ihrer gegebenen Nachfragekurve nach dem besteuerten Gut bewegen. Als längerfristig bezeichnen wir Anpassungen dann, wenn in einer sekundären Reaktionsphase eine Verschiebung dieser Nachfragekurve resultiert. Für die Wahl zwischen besteuerten und unbesteuerten Gütern reagieren Individuen in der primären Phase nur aufgrund der Änderung relativer Preise durch eine Anpassung entlang ihrer Nachfragekurve. Längerfristig können sich die Konsumgewohnheiten etwa infolge eines höheren Einkommens nach einem veränderten Verhalten zur Einkommenserzielung wandeln. Für die Wahl zwischen Einkommen und Freizeit wird in der Realität nur in Ausnahmefallen eine primäre Reaktionsphase zu beobachten sein, da dies insbesondere eine völlig flexibel gestaltbare Arbeitszeit voraussetzen würde. 52 Veranschaulichen kann man sich den Unterschied zwischen kurzfristigen oder primären und längerfristigen oder sekundären Reaktionen am Beispiel einer Erhöhung der Mineralölsteuer, von der etwa Dieselkraftstoff ausgenommen wird. Der Besitzer eines Fahrzeugs mit Benzinmotor könnte etwa kurzfristig nur durch eine Einschränkung seiner Fahrleistung reagieren. Längerfristig dagegen stellen sich ihm mehrere Alternativen, von der Anschaffung eines Dieselfahrzeugs über den Kauf eines Wagens mit geringerem Benzinverbrauch bis hin zur vollständigen Substitution des Privatautos durch öffentli-

51 Vgl. zum Verhalten der Individuen bei der Beschaffung von Informationen sowie zu den Folgen fiir die "Merklichk:eit" von Staatseinnalunen unsere Ausfilhrungen im 3. und 5. Kapitel. 52 Theoretisch denkbar wäre eine unmittelbare Änderung des Arbeitsangebots als Folge veränderter relativer Preise von Arbeits- und Freizeit bestenfalls filr Selbständige bzw. Freiberufler, wenn diese vollständig Ober den Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Arbeitseinsatz und dem Arbeitseinkommen sowie Ober die relevanten Grenzsteuersätze informiert wären. Trotz der Dominanz der sekundären Anpassungen k.ann unser Konzept wegen der theoretischen Möglichkeit einer primären Reaktionsphase noch als allgemeingOitig und konsistent gelten.

III. Wirkungen staatlicher Instrumente im Überblick

65

ehe Verkehrsmittel. Ähnliche Beispiele könnte man :fiir Ertragsteuern mit breiter Bemessungsgrundlage wie der Einkommensteuer konstruieren. In diesem Fall ist damit zu rechnen, daß sich der Entscheidungsprozeß komplexer und damit zeit-und kostenaufwendiger gestaltet als bei einer Verbrauchsteuer. Ein analoges Schema potentieller Verzögerungen läßt sich :fiir den Staat begründen: Zunächst muß ein Finanzbedarf festgestellt werden; daran schließt sich die lnformationsbeschaffung, etwa über Aufkommenselastizitäten, an. Nach einer Diagnose der Alternativen werden Planungsentwürfe erstellt, aufgrund derer der politische Entscheidungsträger eine Lösung beschließt. Diese wird von der Verwaltung umgesetzt, woran sich eine Erfolgskontrolle sowie ggf. korrigierende Maßnahmen anschließen. Generell kann man damit also bei beiden Transaktionspartnern nicht mehr von den Verzögerungen abstrahieren, die sich in der Realität immer ergeben, weil weder staatliche Instanzen noch Individuen vollständig informiert und allwissend sind. Im beschriebenen Prozeß stellen Informations-, Koordinations- und Kontrollvorgänge die Maßnahmen dar, die zur Überwindung der Rigiditäten notwendig sind. Sie :fiihren direkt zu einem Ressourcenverzehr tangibler oder intangibler Natur, der im Staat immer auftritt, bei Individuen zumindest immer dann, wenn man sich nicht nur auf eine extrem kurzfristige Sicht, also auf den sich immer ergebenden Effekt des Einkommensentzuges sowie auf die "spontanen" Reaktionen "Vermeiden des besteuerten Objekts" und/ oder "unmittelbare Überwälzung der Steuer" beschränkt. Wir werden die Analyse nicht mit dieser Momentaufnahme abbrechen, sondern im Anschluß an die Diskussion jener prozeßbedingten Transaktionskosten zunächst die "primäre" und danach eine "sekundäre Reaktionsphase" betrachten, in der längerfristige Anpassungsprozesse möglich werden. In beiden Phasen kommt es auch zu Überwälzungsvorgängen, längerfristig auch zur Steuerkapitalisierung. Da hierbei jedoch distributive Aspekte, speziell Fragen der personalen Inzidenz, berührt sind, soll darauf nicht näher eingegangen werden. 53

53 Siehe ausfilhrlich etwa Recktenwald (1971) oder Grüske (1978), eine Studie der personalen Budgetinzidenz; ebd., S. 29 ff, wird deutlich, daß sich Inzidenzfragen nicht nach Einnahme- und Ausgabeseile des Budgets trennen lassen. 5 Raab

66

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosten-Konzepts

2. Verzögerungen im Anpassungsprozeß an vertinderte staatliche Aktivittiten: Ressourcenverzehr durch Information, Koordination und Kontrolle im öffentlichen und privaten Sektor

Aufgrund des oben beschriebenen Schemas potentieller Verzögerungen mit den Schritten Planung - Entscheidung - Durchführung - Kontrolle - Planung... entstehen also im Zusammenhang mit allen Instrumenten, die direkt auf die vorgegebenen Ziele wirken, immer auch Transaktionskosten im Sinne eines Ressourcenverzehrs durch Information, Koordination und Kontrolle. Unter diesem Oberbegriff lassen sich (1) als Ressourcenverzehr im öffentlichen Sektor die Kategorien (a) Erhebungskosten von Staatseinnahmen, 54 (b) Kosten der Gesetzgebung und Venvaltung sowie (c) Folgekosten im öffentlichen Sektor subsumieren. Ebenso kann es (2) am Markt zu Effizienzverlusten - im Sinne von Opportunitätskosten der eingesetzten Mittel - kommen, wenn sich die Instrumente infolge von Diagnose-, Prognose- oder Koordinierungsfehlern als ungeeignet erweisen, das angestrebte Ziel zu erreichen. 55 Dabei entsteht - wie bereits bei Entscheidungsträgem im privaten Sektor gezeigt - eine trade-off-Situation, in der Kosten zusätzlicher Information mit dem Grenznutzen aus Einsparungen im Kontollbereich und geringerer Wahrscheinlichkeit der Fehlentscheidung abgewogen werden müssen. Als kennzeichnend fiir Entscheidungen im öffentIichen Sektor könnte man einen im Vergleich zu privatwirtschaftliehen Fragen erhöhten Informationsbedarf ansehen, der sich aus den oben diskutierten komplexeren Wirkungsgerngen auf das mehrdimensionale Zielsystem ergibt. Zur Erfiillung von Informations- und Kontrollaufgaben kann der Staat auch private Haushalte und Unternehmen heranziehen, indem er sie (unter Androhung von Strafe oder durch Aussicht auf einen Nutzen) zur Mitwirkung an einnahme- oder ausgabepolitischen Maßnahmen verpflichtet. Damit verbunden entstehen den Betroffenen (3) tangible und intangible Folgekosten direkter, indirekter oder psychischer Natur. In einem weiteren Sinn entstehen diese 54 Diese Art von Ressourcenverzehr wurde in der Literatur bisher kaum analysiert. Vereinzelt findet man Ansätze, administrative Kosten in die Theorie der optimalen Besteuerung zu integrieren, so etwa bei Heller/ Shell (1974), Yitzhaki (1979), Stern (1982) oder Polinsky/ Shavell (1982), dabei fehlt indes regelmäßig der Versuch, deren Höhe endogen zu erklären. Zu ersten empirischen Ergebnissen vgl. Bauer (1988) sowie Sandford/Godwinl Hardwick (1989); hierzu unten mehr. 55 Hierzu etwa Recktenwald (1984), S. 400; er spricht von "steuerlicher Mittelinefflzienz", "Fehlplanung, Fehlprognose, Fehlentscheidung und Fehldurchfilhrung". Das Problem der Diagnose- und Prognosefehler ist in der wirtschaftspolitischen Literatur, gerade im Zusammenhang mit der Stabilisierungspolitik, durchaus bekannt, wurde bisher jedoch noch nicht umfassend analysiert; vgl. etwa Schneider (1988 (1977]), S. 484 ffund 49l ff.

ßl. Wirkungen staatlicher Instrumente im Überblick

67

nicht nur bei Privaten, sondern -wie unter (lc) erwähnt- auch in den betroffenen und fremden Behörden sowie in öffentlichen Unternehmen. Als Folgekosten darf man ferner nicht nur die durch gesetzliche Verpflichtung entstehenden Kosten ansehen, sondern auch alle monetären und nicht-monetären Lasten, denen sich Individuen ("freiwillig") aussetzen, um sich in dem oben beschriebenen Anpassungsprozeß den veränderten Rahmenbedingungen aus ihrer Sicht optimal anzupassen. 56 3. Die Folgen von Substitutionsreaktionen in kurzfristiger Perspektive

Neben dem Ressourcenverzehr im öffentlichen Sektor, Effizienzverlusten durch falsche Einnahmen- und Ausgabenpolitik und Folgekosten verursacht die Grundreaktion "Substitution" in einer Volkswirtschaft schon in der kurzfristigen Perspektive weitergehende Wohlfahrtsverluste in Form von (unmittelbaren) Substitutionsverlusten und Zusatzlasten (excess burden). Wenn Individuen der Besteuerung kurzfristig ausweichen, also ohne daß die eben erörterten Transaktionskosten der Information, Koordination und Kontrolle entstehen, kommt es im Vergleich zu einer hypothetischen Situation ohne diese Ausweichreaktionen für den Staat zu einem Ausfall an Steueraufkommen, den wir als Substitutionsverlust bezeichnen.57 Wenn Individuen aufgrund der steuerlich veränderten relativen Preise gezwungen werden, ihre Produktionsund Konsumgewohnheiten zu ändern, entsteht ihnen eine Zusatzlast, die unmittelbar mit den Substitutionsverlusten für den Staat verbunden ist. Allgemein kann ein Individuum einer Steuer sachlich, zeitlich, räumlich oder persönlich ausweichen; in einem weiteren Sinne muß man hierzu auch die (illegalen) Alternativen der Steuerhinterziehung oder der Verlagerung von Aktivitäten in die Schattenwirtschaft58 rechnen. Für die kurzfristige Sicht kommt bei Änderungen in der Verbrauchsbesteuerung fast ausschließlich der sachlichen Substitution größere Bedeutung zu; sie schlägt sich insbesondere in kurzfristigen Umschichtungen innerhalb des Warenkorbes von Individuen 56 Typische Beispiele filr Folgekosten sind im Bereich der Staatseinnahmen die Einkommensteuererklärung (Pflicht) oder die Inanspruchnahme eines Steuerberaters (freiwillig), filr Staatsausgaben etwa Anträge, die Private oder Unternehmen stellen mOssen, wollen sie in den Genuß einer Transferleistung kommen (freiwillig). Analog entstehen auch Folgekosten aufgrund von Gesetzen bzw. Regulierungen, etwa direkt als Lolmnebenkosten oder als Zahlungen an Zwangsgemeinschaften, indirekt als Kosten der hierfilr notwendigen Organisation (Bsp. Personalabteilung, EDV, u.ä.) und des zeitlichen AufWandes sowie psychisch (Bsp. Angst vor Betriebsprüfungen). V gl. hierzu ausfilhrlicher Tiebel (1986}, S. 39, undHarders (1988), S. 57 ff. 57 Später mehr zur Diskussion dieser begrifflichen Abgrenzung. 58 Siehe zum Begriff der Schattenwirtschaft die Diskussion weiter unten.

s•

68

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosten-Konzepts

nieder. Dazu können in geringem Ausmaß zeitliche Verlagerungen, also vorgezogene (Vorrats-) Käufe, und- etwa in grenznahen Gebieten -eine räumliche Verlagerung der Einkaufsstätten kommen. In diesen Fällen entstehen indes bereits erste Kosten der Anpassung in Form von Zinsverlusten oder Wegekosten, so daß strenggenommen schon hier nicht mehr alleine die Substitutionsreaktion betrachtet werden dürfte. Wie bereits im Rahmen der begrifflichen Abgrenzung zwischen der primären und der sekundären Reaktionen diskutiert, kann die primäre Phase weitgehend vernachlässigt werden, sofern sich Änderungen in der Besteuerung von Einkommen oder Vermögensbeständen ergeben. Die hierbei möglichen Anpassungsmaßnahmen setzen in der Regel den oben beschriebenen zeit- und kostenintensiven Prozeß voraus und lassen sich dann erst in einer sekundären Reaktionsphase beobachten. Aus diesem Grund gehen wir für die folgende Analyse der kurzfristigen Folgen von Substitutionsreaktionen davon aus, daß eine Änderung in der Verbrauchsbesteuerung eingetreten ist, vernachlässigen also zunächst Entscheidungen, die sich auf die Wahl zwischen Arbeit und Freizeit sowie zwischen Konsum in der Gegenwart und zukünftigem Konsum, also Sparen, erstrecken. Grundlage für die Analyse ist eine Veränderung relativer Preise infolge der verzerrenden Besteuerung, wie sie mit Ausnahme von Kopfsteuern regelmäßig auftritt. Generell werden dabei die Preisrelationen von Gütern im Vergleich zu einer Situation ohne Steuern verzerrt. Damit entstehen für das Individuum Anreizwirkungen, 59 die es veranlassen, das besteuerte Gut in geringerem oder auch in vermehrtem Umfang nachzufragen. Verantwortlich hierfür sind die aus der mikroökonomischen Theorie bekannten Einkommens- und Substitutionseffekte, die üblicherweise mit Hilfe von Indifferenzkurvenbetrachtungen in Zwei-Güter-Modellen dargestellt werden. 60 Wir greifen in Abb. 5 auf das Konzept der äquivalenten Kompensation zurück, um diese Effekte sowie die Zusatzlast einer verzerrenden Besteuerung sichtbar zu machen.

59 Unter Anreizwirkungen sollen sowohl positive ("incentives") wie negative ("disincentives") Anstöße verstanden werden. Man beobachtet also Entscheidungen, die ohne die Steuerpflicht anders ausgefallen wären. 60 Sic:he ausfilhrlicher, insbesondere zur algebraischen Formulierung des Problems, etwa Neumann (1987), S. 101 ff, speziell die Graphik S. 112.

III. Wirkungen staatlicher Instrumente im Überblick

X

1

X

2

X

0

69

Gut X

Abb. 5: Folgen einer verzerrenden Güterbesteuerung Quelle: Mann (1987), S. 233.

Im Ausgangspunkt fragt ein Individuum die Güterkombination (x0 ; y 0 ) nach. Dann kommt es durch die Einfiihrung einer Steuer auf eines der beiden betrachteten Güter (oder Güterbündel), hier auf Gut X, die sich in der Drehung der Budgetgerade von LL' auf KL' ausdrückt, einerseits zu einer Umschichtung des Konsums von diesem relativ verteuerten Gut X hin zu dem unbesteuerten, also relativ verbilligten Gut. Zum anderen führt die Besteuerung zu einer Kaufkraftverringerung des betroffenen Individuums, die im Normalfall den Konsum beider Güter - abhängig vom Verlauf der Indifferenzkurven sinken läßt.61 Diesen Einkommenseffekt kann man graphisch darstellen, indem man hypothetisch fragt, welche Güterkombination das Individuum nach61 Zur Ausnahme der sogenannten inferioren Güter und des Giffen-Falles siehe Neumann (1987), S. 110 und S. 123.

70

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskosten-Konzepts

gefragt hätte, wenn die Steuer das relative Preisverhältnis nicht verändert hätte; dies drückt sich in Abb. 5 durch die Parallelverschiebung der Budgetgeraden von LL' nach MM' aus, die zur Kombination (x2; y 2) fuhrt. Tatsächlich beobachtet man aber nach der Besteuerung eine Kombination (x 1; y 1); dieser Gesamteffekt entsteht durch das Zusammenwirken des Einkommenseffekts und eines Substitutionseffekts, der sich folglich in der Bewegung von (x2; y 2) nach (x 1; y 1) niederschlägt. Generell müssen aber Substitutions- und Einkommenseffekt nicht (wie in Abb. 5 fiir Gut X) in die gleiche Richtung wirken; dann hängt der Gesamteffekt davon ab, welcher der beiden Einflüsse dominiert.62 In jedem Fall, in dem ein Individuum gezwungen wird, seine Faktorangebots-, Produktions- oder Verbrauchsgewohnheiten infolge einer Verzerrung relativer Preise durch staatliche Einnahmen (oder Transferzahlungen63) zu ändern, entsteht weiterhin eine Zusatzlast (excess burden). Diese Form öffentlicher Transaktionskosten stellt einen Wohlfahrtsverlust dar, weil die betroffenen Individuen im Vergleich zu einer nicht-verzerrenden aufkommensgleichen Abgabe (oder empfangenen Leistung) schlechter gestellt werden. Dazu wird in Abb. 5 die ursprüngliche Budgetgerade LL' genau solange parallel verschoben, bis sie die nach verzerrender Besteuerung resultierende Budgetgerade in dem Punkt schneidet, in dem die Güterkombination (x1; y 1) nachgefragt wird. Hier wäre eine nicht-verzerrende Besteuerung also aufkommensgleich mit der verzerrenden Steuer auf Gut X, aber das Individuum könnte ein höheres Nutzenniveau erreichen, als es die Indifferenzkurve u 1 ausdrückt. Diese Nutzeneinbuße im Vergleich zur nicht-verzerrenden Besteuerung stellt die Zusatzlast (excess burden) dar; sie kann in der ordinalen Darstellung als Abstand zwischen den beiden Budgetgeraden MM' und NN' gemessen werden. Aus der ordinalen Darstellung lassen sich leicht auch die entsprechenden kardinalen Preis-Mengen-Diagramme ableiten, wie wir es hier fiir Gut X vorgenommen haben. Dabei ist die normale Nachfragekurve D0 durch die Punkte A und B gegeben, in denen sich die Preise64 p 0 bzw. p 1 ausdrücken, die vor 62 Die getroffenen Aussagen gelten vice versa fiir eine Verbilligung eines Gutes durch Subventionierung. also eine relative Preisänderung mit Hilfe von "öffentlichen Ausgaben". 63 Unter Transferzahlungen sollen sowohl Transferleistungen i.e.S. an Personen als auch direkte Subventionen an Unternehmen und Preissubventionen fiir Güter verstanden werden. Vgl. zu dieser begrifflichen Abgrenzung auch Zimmermann! Henke (1990), S. 433. In älmlicher Weise fiihren so natürlich auch immaterielle Instrumente des Staates, also Regulierungen, zu Wohlfahrtsverlusten; siehe hierzu etwa Peltzman (1989), S. 13, oder, bezogen auf die Regulierung von Monopolen, das Modell bei Posner (1975). 64 Eigentlich handelt es sich um Preisverhältnisse, doch kann man den Preis des unbesteuerten Gutes als Eins ansetzen.

ill. Wirkungen staatlicher Instrumente im Überblick

71

bzw. nach Besteuerung, also bei verschiedenen Nutzenniveaus u0 und u1 vorherrschen. Die kompensierte Nachfragekurve D(u 1) dagegen kann unter der Voraussetzung eines konstanten Nutzenniveaus u1 (nach Besteuerung) abgeleitet werden; entsprechend verläuft sie durch die Punkte B und C, deren zugehörige Güterkombinationen (x1; y 1) und (x2 ; y 2 ) liegen auf einer Indifferenzkurve. 65 Folglich drückt sich in Abb. 5 der Verlust an Konsumentenrente durch die Besteuerung (als Maß für die Zusatzlast) in dem Dreieck BCD aus. Generell zählen im Sinne unserer Definition nicht nur diese Wohlfahrtsverluste zu Transaktionskosten, sondern auch alle diejenigen Einnahmen, die dem Staat entgangen sind, weil sich die Individuen an den staatlichen Eingriff anpassen. Demnach muß man das Aufkommen einer Steuer (bzw. die tatsächliche Höhe von Transferleistungen) mit dem Betrag vergleichen, der sich ohne Substitutionsreaktionen ergeben würde. Damit entsteht indes die Gefahr, Doppelzählungen vorzunehmen: Wir unterstellen dem Staat nämlich implizit, daß er bei der Erwartungsbildung über sein Steueraufkommen immer davon ausgeht, es würde keine Substitution stattfinden. Andererseits haben wir unter 2. festgestellt, daß einem rational handelnden Staat, der ein gewisses Maß an Informationen über die Reaktionen der Individuen einholt, bereits eben dafür Transaktionskosten entstehen. Mit anderen Worten, in der Realität werden im Staat nicht beide Arten von öffentlichen Transaktionskosten unabhängig voneinander auftreten, denn je mehr Ressourcen er für Informationsgewinnung einsetzt, desto realistischer wird er seine Erwartungen bezüglich der Ausweichreaktionen bilden und von desto geringeren tatsächlichen Substitutionsverlusten (im Vergleich zu den erwarteten) wird er "überrascht". Aus Gründen . der analytischen Trennung der verschiedenen Arten von Transaktionskosten im öffentlichen Sektor werden wir hier dennoch unterstellen, der Staat erwarte keine Anpassungsreaktionen. Die folgenden Abb. 6 a und 6 b (Zahllast, Zusatzlast und Substitutionsverlust bei einer Mengen- bzw. Wertsteuer) verdeutlichen (kardinal) unter dieser Annahme die mikroökonomischen Zusammenhänge zwischen Zahllast, Zusatzlast und Substitutionsverlusten in partialanalytischer Sicht. 66

65 Vergleiche- fllr den analogen Fall einer relativen Verbilligung eines Gutes durch ein öffentliches Projekt - zur Äquivalenzvariation sowie zur - indes mit dem Problem der pfadabhängigkeit behafteten - Kompensationsvariation Hanusch (1987), S. 36 ff und S. 43 ff Vgl. zu den theoretischen Grundlagen und der Ableitung mit Hilfe der Ausgabenfunktion insbes. Mann (1987), S. 232 ff. 66 Wir betrachten vereinfachend die Fälle von Mengen- und Wertsteuern auf dem Gütermarkt bei vollkommener Konkurrenz. Die so analysierten grundlegenden Zusammenhänge können analog auf Faktormärkte oder auf die Entscheidung zwischen Konsum und Sparen übertragen werden.

2. Kapitel: Übertragung des Transaktionskasten-Konzepts

72 Preis

Zahllast

T := txt

Zusatzlast

W := (t/2)(Xo-Xt)

Substitutionsverlust V := t(xo-xt)=2W

tL .

P,

G

D

0

x,

Gut X

Abb. 6 a: Zahllast, Zusatzlast und Substitutionsverlust einer Mengensteuer Quelle: Eigene DanteUWlg; nach Musgrave; Musgrave; Kullmer (1985), S. 68.

Aufkommensgeiehe Wertsteuer (vergichen mit der Mengensteuer in Abb. 6 a): [Tatsachlich resU!iert irtolge der Steuer eine net.e Argebotskuve B Y12 = -Yil- YB

Y21 + Y22 + Y23 = 0

=> Y22 = ·Y21 - Y23

Setzt man diese Elastizitäten in (13) ein, so erhält man: ( 14)

-~~-=~ 1+tl

1+t2

--rl3 --r23

Da die direkten Preiselastizitäten y11 und y22 negativ definiert sind, folgt aus (14), daß t 1 < t2 ist, wenn y13 > y23 ist. Einfacher ausgedrückt, das Gut 2 mit der geringeren Kreuzpreiselastizität der kompensierten Nachfrage nach Freizeit y23 muß höher als Gut 1 besteuert werden. Generell ist ein Gut komplementär (bzw. nur schwach substitutiv) zur Freizeit, wenn es eine negative (bzw. nur geringe positive) Kreuzpreiselastizität aufweist, während bei einer hohen positiven Kreuzpreiselastizität starke Substitutionsbeziehungen vorliegen.19 Also sollten nicht lebensnotwendige Güter am höchsten besteuert werden, sondern diejenigen mit den höchsten Komplementaritätsbeziehungen zur Freizeit. 20 Dies ist wieder unmittelbar einleuchtend, wenn man unser anfängliches vereinfachtes Modell mit den Gleichungen (1) bis (2') betrachtet: Bleibt hier die "Zeitverwendungsart Freizeit" unbesteuert, entstehen Verzerrungen infolge einer Substitution anderer "Zeitverwendungen" durch die unbesteuerte Freizeit. Diese Verzerrungen werden verringert, wenn es gelingt, die Substitution einzudämmen, d.h. diejenigen Zeitverwendungen geringer zu belasten, die nur schwer durch Freizeit zu ersetzen sind. Damit wären die schwer akzeptablen Folgen fiir die Einkommensverteilung etwas abgemildert. Auf Basis der Corlett-Hague-Regel kann man - unter Annahme eines repräsentativen Individuums- die gestellte Frage nach der Vorteilhaftigkeit einheitlicher Verbrauchsteuersätze verallgemeinern: Sie sind dann optimal, wenn (1) die Grenzrate der Substitution von zwei Konsumgütern (gleicher Katego-

rie) unabhängig von einer Veränderung der Arbeitszeit ist (d.h. wenn die Nutzenfunktion schwach separabel zwischen Freizeit und den Konsumgütern ist),

und wenn

19 20

Substitutions- und Komplementaritätsbeziehungen definiert Neumann (1987), S. 128. EinschrAnkend machen jedoch etwa Richter/ Wiegard (1992), S. 47, auf die strenge Gültigkeit dieser Regel filr nur drei Güter aufinerksam.

I. Allokative EffiZienz im Modell des weisen Diktators

157

(2) die Nutzenfunktion in den Konsumgütern homothetisch ist (d.h. wenn die Einkommenselastizitäten der Konsumgüter übereinstimmen, was zu linearen Engel-Kurven durch den Koordinatenursprung führt). 21 Auch für indirekte Steuern kann dem verteilungspolitischen Einwand alternativ durch Erweiterung auf ein Mehr-Personen-Modell und Integration des sozialen Grenznutzens der Einkommen, also exogener Gerechtigkeitskriterien, Rechnung getragen werden. 22 Dazu wird eine utilitaristische Wohlfahrtsfunktion definiert, in der die volkswirtschaftliche Wohlfahrt Wals positive Funktion von i =I, ... , n individuellen Nutzen U; aufgefaßt wird, also W= W(U~> ... , Un). Dabei stellen die ersten partiellen Ableitungen dieser Funktion W nach den individuellen Nutzen U;, also die "sozialen Grenznutzen einer Erhöhung individueller Bedürfnisbefriedigungsniveaus", die Verteilungsgewichte w; dar, die den einzelnen Individuen beigemessen werden. Die Maximierung des Staates bezieht sich dann auf diese Wohlfahrtsfunktion unter der Nebenbedingung eines gegebenen Steueraufkommens. Damit kann man etwa zu einer Verallgemeinerung der Inverse-Elastizitäts-Regel gelangen, indem man die Grundaussage ergänzt und fordert, daß c.p. der Steuersatz eines Gutes im Vergleich zu den Steuersätzen auf andere Güter umso höher sein muß, je mehr dieses Gut im Vergleich zu den anderen Gütern vom Haushalt mit dem geringsten Verteilungsgewicht nachgefragt wird. Ordnet man etwa Haushalten mit unterdurchschnittlichem Einkommen ein hohes Verteilungsgewicht zu, so kann man die unerwünschten distributiven Folgen einer hohen Besteuerung lebensnotwendiger Güter abmildern oder gar umkehren. 23 Letztlich führt dies zu einer unterschiedlichen Besteuerung jeder einzelnen Transaktion, abhängig davon, welches Individuum welches Gut erwirbt. 24

21 Vg). zu dieser Regel Sandmo (1974), S. 705, und Sadka (1977), S. 387 ff; siehe ausfilhrlicher zu den Bedingungen filr die Optimalität einheitlicher Steuersätze auch Kaiser (1990), S. 39 ff. 22 Vg). Diamond (1975) oder Feldstein (1972 a und b), die von der Annahme nur eines repräsentativen Individuums abstrahieren. Problematisch wird dann aber der Aussagegehalt dieser erweiterten Regeln: "Was man damit anfangen kann oder soll, ist nicht so ganz klar. Ein gewisser Erkenntniswert mag darin liegen, daß man ziemlich genau sieht, wie sich veränderte Annahmen systematisch in veränderten Ergebnissen niederschlagen" (Richter! Wiegard (1992), S. 47). 23 Ausfilhrlicher Krause-Junk/von Oehsen (1988 (1982]), S. 717 f, oder Kaiser (1990), S. 47 ff. 24 Weitere Differenzierungen können sich darauf richten, nicht mehr ein exogen fixiertes, sondern ein variables Steueraufkommen zu erzielen. Dabei wird die Nutzenfunktion der Individuen um ein öffentliches Gut g erweitert, das aus einem endogen zu ermittelnden Steueraufkommen (abhängig von den Präferenzen der Haushalte fllr dieses Gut) finanziert wird. Diese Variante geht zurOck auf Stiglitzl Dasgupta (1971 ), S. 15 1-174. Hieraufwollen wir jedoch hier ebensowenig näher eingehen wie auf die Problematik der effizienten Produktion sowie der optimalen Preissetzung öffentlicher Unternehmen. Zwar werden diese Themenbereiche hllufig im Zusammenhang mit Fragen der optimalen Verbrauchs-

158

4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

2. Optimale direkte Steuern

Während man optimale indirekte Steuern auch allein unter allokativen Gesichtspunkten betrachten kann, werden bei optimalen direkten Steuern in der Regel allokative und distributive Folgen simultan analysiert. Entsprechend unserem Ziel, uns insbesondere auf die Effizienz zu konzentrieren, werden wir die optimale direkte Besteuerung von (Lohn-) Einkommen nur knapp diskutieren, ebenso wie wohlfahrtsökonomische Überlegungen zur Kapitaleinkommensbesteuerung, mit denen intertemporale Fragen verbunden sind. a) Besteuerung von Lohneinkommen Modelle zur Ableitung von Regeln zur (allokations-und verteilungsoptimalen) Arbeitseinkommensbesteuerung müssen von unendlich vielen Individuen ausgehen, die sich allein bezüglich ihrer Fähigkeiten zur Einkommenserzielung unterscheiden und diese auch über ihre Arbeitseinkommen signalisieren, d.h. der Nutzen muß positiv mit den Fähigkeiten korrelieren. Daneben müssen Annahmen über die Arbeitsangebotsreaktionen, die ebenfalls durch die Nutzenfunktion spezifiziert sind, sowie durch entsprechende Verteilungsgewichte in der sozialen Wohlfahrtsfunktion über die "Ungleichheitsaversion" des weisen Diktators gesetzt werden. 25 Schränkt man die zulässigen Tariftypen der (Lohn-) Einkommensteuer nicht ein, so kann man "... mit beträchtlichem Aufwand ... die folgenden mageren Ergebnisse fiir den optimalen Steuertarif ableiten: Die Grenzsteuersätze liegen zwischen 0 und 100 %, wobei sie Null Prozent fiir den Pflichtigen mit dem höchsten und den mit dem niedrigsten Einkommen betragen (vorausgesetzt, das Arbeitsangebot des letzteren ist dann positiv). "26 Beschränkt man den zulässigen Tarif auf eine lineare Einkommensteuer, so werden die Ergebnisse wieder unmittelbar einsichtig: Der optimale Grenzsteuersatz einer solchen besteuerung behandelt, so etwa bei Diamondl Mirrlees (1971 a), doch stehen sie nicht im Mittelpunkt unserer Fragestellungen. 25 Das Modell geht zuJilck auf den Ansatz von Mirrlees ( 1971 ). Vgl. zu den oben genannten Annahmen, zur Modellstruktur und den Ergebnissen Kaiser (1990), S. 56 ff; ebd., S. 70 ff, mehr zu den Ergebnissen numerischer Simulationen. 26 Richter! Wiegard (1992), S. 50; ebd. auch eine Diskussion dieser Ergebnisse. Vgl. zur theoretischen Begründung des KonzeptsRamser (1981), S. 4 ff, oder Kaiser (1990), S. 62 ff. So erklären sich die Steuersätze von 0 % fllr das Individuum mit dem niedrigsten und fllr das Individuum mit dem höchsten Einkonunen aus aufrechtzuerhaltenden Anreizen fllr Mehrarbeit. Die Beschränkung des Grenzsteuersatzes auf maximal 100 % ergibt sich rein logisch, weil bei höheren Sätzen fllr eine zusätzlich geleistete Arbeitsstunde ein negativer Netto-Studenlohn resultieren wOrde. "... no one would choose to work where the marginaltaxrate exceeds unity" [Stern ( 1984), S. 356).

I. Allokative Effizienz im Modell des weisen Diktators

159

linearen Einkommensteuer muß erstens c.p. umso höher sein, je niedriger die gewichteten einkommenskompensierten Elastizitäten des Arbeitsangebots bezüglich des Lohnsatzes sind; zum zweiten muß er c.p. umso höher sein, je größer die Ungleichheitsaversion des weisen Diktators ist, d.h. je mehr an Volkseinkommen er für eine gleichmäßigere (Lohn-) Einkommensverteilung aufzugeben gewillt ist. 27 Beispielhaft kann dieser Konflikt zwischen Effizienz und Verteilung anband der folgenden Abb. 16 graphisch verdeutlicht werden. Darin stellt die Linie NPN'BRE eine willkürlich angenommene Nutzengrenze für die beiden Individuen 1 und 2 dar, deren Nutzen an Abszisse und Ordinate abgetragen werden. Die Nutzenverteilung auf die Individuen wird durch die Lage der gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion und die darin ausgedrückte Ungleichheitsaversion determiniert. Nutzen des A p

Nutzen des B

Abb. 16: Implikationen alternativer Gerechtigkeitskriterien Quelle: Eigene Darmllwog; nach Atlcinson; Stiglitz (1980). S. 338.

27 Ähnlich Richter! Wiegard (1992), S. 51, oder Kaiser (1990), S. 70 ff, der sich aufdie Ergebnisse vonMirrlees (1971) bezieht. Läßt man neben der linearen Einkommensteuer auch optimale indirekte Steuern zu, so kann mit der Einkommensteuer allein das Effizienzziel verfolgt werden, während die Verbrauchsteuern allein das distributive Ziel realisieren sollen. Vgl. hierzu die ausfiihrliche Diskussion bei Atkinsonl Stiglitz (1980), S. 428 ff.

160

4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle EffiZienz

So kommt etwa in Punkt R das Rawls'sche Maxirnin-Postulat zum Ausdruck, wonach der Nutzen des arn schlechtesten gestellten Individuums maximiert wird (rechtwinklige L-forrnige Wohlfahrtsfunktion mit Zentrum in der 45°-Egalitätslinie), oder in Punkt B die Bentharn'sche Forderung nach Maximierung der Summe der individuellen Nutzen (Wohlfahrtsfunktion mit konstanter Steigung von -1). 28 Verwendet man etwa fiir die Wohlfahrtsfunktion W

- tw wäre auch E(t) bei einer positiven Wahrscheinlichkeit eines Leviathan größer als tw. so daß das Verhalten in jedem Fall allokative Wohlfahrtsverluste, also öffentliche Transaktionskosten, mit sich bringt.

4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

188

laubt eine 100 %ige Steuer auf den Kapitalstock (oder- äquivalent dazu- eine entsprechend höhere Kapitalertragssteuer) ein Ausweichen nur bezüglich der Neubildung von Kapital, nicht aber bezüglich des bereits vorhandenen Kapitalstocks, der aus dem kumulierten Sparen der Vorperioden entstanden ist. 113 d) Einkommen- oder Ausgabensteuer? Im Rahmen unseres einfachen Zwei-Perioden-Modells kann nun auch die Frage diskutiert werden, ob der Leviathan eine Ausgaben-, eine Lohneinkommen- oder eine allgemeine Einkommensteuer (mit Lohn- und Zinsbesteuerung) wählt. Dazu verknüpfen wir in der folgenden Abb. 21 eine- zur Vereinfachung als aufkommensmaximierend angenommene - Arbeitseinkommensbesteuerung in Periode 1 mit dem Zwei-Perioden-Kalkül eines Individuums. Gegenwartskonswn A

B

B'

Zul«mftskonswn

Abb. 21: Besteuenmg von Arbeit und Kapital im Leviathanmodell QueUe: Brennan; Buchanan (1988 [1980]), S. 119.

Im Modell sollen alle Steuersätze proportional und im voraus angekündigt sein, so daß das (repräsentative) Individuum, das nur in der ersten Periode Arbeitseinkommen in Höhe von OA erzielt, seinen Nutzen über zwei Perioden 113 Zur Diskussion des probabilistischen Leviathan Brennanl Buchanan (1988 [1980]), S. 115 ff.

II. Leviathan-Theorie: Konstitutionelle versus allokative Effizienz

189

maximieren kann. Nach der Lohneinkommensbesteuerung verbleibt dem Individuum maximal OA' = OQ fiir Gegenwartskonsum oder, bei einem Zinsertrag von QB', maximal OB' fiir Zukunftskonsum. Die "Preis-Konsum-Kurve" zeigt wiederum alle Optimalpunkte eines Individuums in Abhängigkeit vom NachSteuer-"Preisverhältnis" zwischen Gegenwarts- und Zukunftskonsum. Auf dieser Grundlage können die drei oben genannten Besteuerungsalternativen diskutiert werden. 114 Sowohl bei (l) einer Steuer nur auf Arbeitseinkommen als auch (2) einer Ausgabensteuer rechnet das Zinseinkommen nicht zur Bemessungsgrundlage; daher bildet A'B' die relevante Nebenbedingung, und das Individuum maximiert seinen Nutzen in E. Im Fall (1) fallen die gesamten Einnahmen des Staates, AA', in der ersten Periode an. Obwohl im Fall (2) in Periode 1 nur der Gegenwartskonsum OP und erst in der zweiten Periode der Zukunftskonsum OF besteuert wird, resultiert ein gleicher Gegenwartswert. Beide Steuern bewirken keine Verzerrungen zwischen Konsum und Sparen. Wird dagegen (3) eine Einkommensteuer auf Arbeits- und Kapitaleinkommen mit einem proportionalen Steuersatz A'A/OA = RB'/QB' erhoben, so wird A'R zur relevanten Nebenbedingung, und das Individuum maximiert seinen Nutzen in Punkt E' bei einem Gegenwartskonsum von P' und einem Zukunftskonsum von F'. Das Aufkommen des Staates in Periode 1 beträgt dann AA', in Periode 2 wird darüberhinaus der Betrag F'F fallig. Dabei entsteht eine Verzerrung zwischen Konsum und Sparen, die in der Abb. 21 durch die Drehung der Budgetgeraden angedeutet wird, sich hier aber nicht quantifizieren läßt. Würde der Leviathan die Möglichkeit besitzen, zu Beginn der Periode 2 die Steuersätze neu festzulegen, so könnte er im vorliegenden Modell den Satz der Kapitaleinkommensteuer auf 100 % erhöhen. Dann würde ein Gleichgewicht in M resultieren, und das Aufkommen in der zweiten Periode würde auf MM' anwachsen. Fraglich bleibt, ob es einer Vorschrift bedürfte, die eine intertemporale Einheitlichkeit der Einkommensteuersätze fordert. 115 Insbesondere wenn man eine Mehr-Personen-Gesellschaft (evtl. auch mit überlappenden Generationen) betrachtet, fiihrt das plötzliche Erhöhen der Kapitaleinkommensteuer langfristig zu einem Rückzug der Individuen auf das Gleichgewicht in A', in dem keine Ersparnisse mehr gebildet werden. Andererseits kann bei einem probabilistischem Leviathan einer solchen Regel durchaus eine Schutzfunktion zukommen.

114 Vgl. zum Modell und zur folgenden DiskussionBrennan/ Buchanan (1988 [1980]), S. 117 ff. 115 DieseForderungerhebenBrennan/Buchanan(1988 [1980]), 8.120.

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4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

Wesentlichstes Ergebnis dieser Überlegungen ist indes die eindeutige Präferenz des Leviathan wegen der aufkommensmäßigen Überlegenheit für eine Einkommensteuer auf Lohn- und Kapitaleinkünfte. 116 Spiegelbildlich hierzu würden die Individuen konstitutionell eine solche ausschließen. Betrachtet man nur das Aufkommen, so wären sie darüber hinaus zwischen den beiden anderen Alternativen indifferent. Eine Entscheidung könnte sich unter Umständen aus einer Präferenz für eine bestimmte zeitliche Verteilung des Einnahmestromes bzw. aus der korrespondierenden Abfolge im Konsum öffentlicher Leistungen ergeben.117 Wie oben nehmen wir an, ein konstanter Anteil (1-S) des Aufkommens werde vom Leviathan in jeder Periode für öffentliche Ausgaben verwendet. Tabelle 4

Steueraufkommen und Konsum öffentlicher und privater Güter Zulässige Steuer

ESt auf Arbeits- und Kapitaleinkünfte *

EStnurauf Ausgabensteuer Arbeitseinkünfte

Einnahmen Periode 1

A'A

Einnahmen Periode 2

E'E"

--

OF

Gegenwartswert

Al

A'A

A'A

Private Güter Periode 1

OP'

OP

OP

Öffentl. Güter Periode 1

(1-S)(A'A)

(1-S)(A'A)

(1-S)(OP)

Private Güter Periode 2

OF'

OF

OF

Öffentl. Güter Periode 2

(1-S )(E'E")

--

(1-S)(OF)

A'A

OP

* Alle Strecken beziehen sich auf unsere Abb. 21. Quelle: Nach Brennan; Buchanan (1988 [1980D, S. 124,129; eigene Darstellung.

Tabelle 4 führt die entsprechenden Beträge und deren zeitliche Abfolge im Überblick für unsere drei Alternativen auf. Insbesondere die letzten vier Zeilen der Tabelle zeigen, daß nur bei der Ausgabensteuer die öffentlichen Leistun116 Das Ergebnis wird noch eindeutiger, wenn der Leviathan Arbeits- und Kapitaleinkonunensteuer getrennt, d.h. mit voneinander unabhängigen Tarifen erheben könnte. Dann wOrde das Modell in unserer Abb. 20 zur (reinen) Kapitaleinkonunensbesteuerung gelten, wobei sich die Budgetrestriktion nach einer aufkonunensmaximierenden Lohneinkonunensteuer gemäß unserer Abb. 19 ergeben wOrde; vgl. hierzuBrennanlBuchanan (1988 [1980]), S. 121 ff. 117 Wir vernachlässigen hier die Frage, ob auch der Leviathan eine "Zeitpräferenzrate" besitzt, bzw. ob diese über dem Zinssatz liegt, auf dem die Berechnung des Gegenwartswertes beruht; vgl. hierzu BrennanlBuchanan (1988 [1980)), S. 123 ff.

II. Leviathan-Theorie: Konstitutionelle versus allokative Effizienz

191

gen in einem solchen Verhältnis auf die zwei Perioden verteilt sind, wie es die Individuen bei privaten Gütern für optimal befinden. Würde dieses gewünschte zeitliche Konsummuster auch fur öffentliche Leistungen gelten, dann würde zumindest in dem einfachen Zwei-Perioden-Modell - die Ausgabensteuer einer Lohneinkommensbesteuerung vorgezogen. Die zeitlich gleichmäßige Verteilung der öffentlichen Einnahmen entsteht natürlich auch in einem Modell mit unbeschränktem Zeithorizont und mit vielen Personen. 118 Wollen wir indes nicht ausschließen, daß ein Leviathan auftreten kann, der seine letzte Amtszeit vorhersehen kann, dann behält das Modell seine Aussagekraft. Umgekehrt würde aus konstitutioneller Sicht eine Steuer auf Arbeitseinkommen nur dann präferiert, wenn man sich auf eine Zwei-Perioden-Betrachtung beschränkt und wenn die öffentlichen Leistungen in beiden Perioden einen Nutzen stiften. Da diese Bedingungen äußerst restriktiv scheinen, kann man - gerade bei einem probabilistischen Leviathan - von einer konstitutionellen Entscheidung zugunsten der Ausgabensteuer und gegen jede Form der Einkommensbesteuerung ausgehen. 119 e) Staatsverschuldung Unter dem Aspekt des ewigen oder des probabilistischen Leviathan kann man schließlich auch die Staatsverschuldung als Sonderform der Kapitaleinkommensbesteuerung diskutieren. Wenn ein Leviathan einen unendlichen Zeithorizont besitzt, dann gewährt ihm die Gewalt zur Emission von Staatsschuldtiteln prinzipiell keine zusätzlichen Einnahmepotentiale, denn er kann sich damit nur den kapitalisierten Wert aller zukünftigen Einnahmeströme bereits in der Gegenwart aneignen. Wie schon beim weisen Diktator gäbe es dann auch für den eigennützigen Diktator prinzipiell keine überzeugende Rechtfertigung, zu dieser Einnahmeart zu greifen, es sei denn, der Leviathan hätte keine Möglichkeit, seine Renten zu horten, d.h. in zukünftige Perioden zu übertragen,120 oder er wollte einen einmaligen, außerordentlich hohen öffentlichen Ausgabenbedarf-etwa zur Kriegsfinanzierung- decken. 121

118 Vgl. auch BrennanlBuchanan {1988 [1980]), S. 130. 119 Selbstverständlich gelten die in der Ein-Perioden-Betrachtung abgeleiteten Regeln der direkten Besteuerung völlig analog bei einer persönlichen allgemeinen Ausgabensteuer. 120 Vgl. zur Diskussion dieses Falles Brennanl Buchanan {1988 [1980]), S. 127. Hier wird zur Berechtigung dieser Annahme filr die Realität insbesondere auf die Jährlichkeit des Budgets mit Verfall der nicht abgerufenen Mittel am Jahresende verwiesen. 121 Vgl. BrennanlBuchanan (1988 [1980]), S. 132.

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4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

Dagegen würde ein probabilistischer Leviathan von der Möglichkeit uneingeschränkter Kreditaufnahme klar profitieren, indem sie ihm sofort gestattet, sich alle zukünftigen Steuereinnahmen anzueignen, auch wenn er selbst durch eine wohlwollende Regierung abgelöst wird. Können ausländische Anleger die Schuldtitel des Leviathan erwerben, wird er nicht einmal durch die maximal mögliche inländische Kapitalbildung begrenzt. 122 3. Die Bedeutung des Äquivalenzprinzips im Leviathanstaat

Generell fordert das Äquivalenzprinzip der Besteuerung die Verknüpfung von Last (als Abgabe an den Staat) und Leistung (als Angebot öffentlicher Güter und Dienste). Ohne auf die Problematik von nutzen- und kostenmäßiger Äquivalenz eingehen zu wollen, werden wir die Möglichkeiten einer Zweckbindung von bestimmten Abgaben fiir bestimmte öffentliche Leistungen sowie die Einfiihrung einer fiskalischen Äquivalenz in regionaler Sicht durch föderale Strukturen des Leviathanstaats diskutieren. Während im Staat des weisen Diktators Äquivalenzabgaben aufgrund der Modellkonstruktion bedeutungslos waren, können sie im Modell des Leviathan zusätzliche Beschränkungen darstellen. Dazu müssen wir zwei Annahmen aufgeben, die der bisherigen Analyse zugrundelagen, wenn nun die Bedeutung von Äquivalenzabgaben im Leviathanstaat zu würdigen ist. Zum einen gingen wir davon aus, daß der Staat immer einen bestimmten Anteil (1-S) seines Aufkommens fiir das Angebot öffentlicher Leistungen verwendet. Zum anderen sind wir von einem monolithischen Leviathan ausgegangen, d.h. von einer Zentralregierung eines einheitlichen Raumes, der von Bürgern mit identischen Präferenzen fiir öffentliche Leistungen bewohnt wird. a) Zweckbindung von Einnahmen Wenn wir (1-S) nicht mehr als exogen gegebene Quote sehen, dann kann sich der Leviathan unabhängig von der Maximierung des Steueraufkommens dieses vollständig aneignen, wenn er das entsprechende öffentliche Gut überhaupt nicht anbietet. Für die Bürger stellt sich damit die Frage, ob sie durch geeignete Beschränkungen sicherstellen können, daß der Staat wenigstens eine gewisse Menge des öffentlichen Gutes anbietet. Dies kann nur geschehen,

122 Zur Diskussion möglicher Grenzen der Verschuldungsmacht eines Leviathan siehe ausfilhrlicher Brennanl Buchanan (1988 [1980)), S. 132 tf.

TI. Leviathan-Theorie: Konstitutionelle versus allokative Effizienz

193

wenn der Leviathan selbst sein Ziel, sich einen Teil des Aufkommens fiir eigene Zwecke anzueignen, besser erreichen kann, wenn er einen anderen Teil zur Finanzierung des öffentlichen Gutes verwendet. Konkret hängt das Aufkommen neben dem Tarif von der Bemessungsgrundlage einer Abgabe ab. Daher muß der besteuerte Tatbestand einerseits komplementär zu dem öffentlichen Gut und zum zweiten variabel in Abhängigkeit von der Reaktion der potentiellen Nutznießer sein. 123 Wenn man einen proportionalen Tarif auf die Nutzung eines Gutes B (Bemessungsgrundlage) und eine Komplementaritätsbeziehung zwischen diesem und dem angebotenen öffentlichen Gut G unterstellt, kann man eine geeignete Zweckbindung des Aufkommens aus B für G mit Hilfe der Abb. 22 ableiten. 124 Ausgaben fiir und Steuereinnahmen aus B

z - --r-- - - T"'

Q"' - - - - T"

QM'

G'G Q*

G*

M

Ausgaben filr G

Abb. 22: Zweckbindung des Leviathan-Aufkommens QueUe: Eigene o...te1Jw18; nach BrertiWI; Buchanan (1988 [1980D, S. 177, 181.

Hier zeigt die Kurve QQ die Verhaltensanpassungen der Individuen bezüglich der Bemessungsgrundlage B, wenn diese mit einem aufkommensmaximierenden Steuersatz t* belastet wird. Die Kurve QT gibt die Höhe des Steueraufkommens an; zugleich erhält man aus dem vertikalen Abstand zwischen QT und QQ die Nettoausgaben nach Steuer für das Gut B. Die 45°-Linie OZ aus 123 Vgl. hierzuBrennanlBuchanan (1988 [1980]), S. 174 ff. 124 Zur Erläuterung und Diskussion auchBrennanlBuchanan (1988 [1980]), S. 176 ff. 13 Raab

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4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

dem Ursprung markiert die Punkte, bei denen alle Einnahmen aus der Steuer auf B ftir das Angebot von G benötigt werden. Dann sind sowohl Punkte links von M' als auch Punkte rechts von M nicht zulässig, denn in diesen Bereichen reicht das Maximalaufkommen aus der Besteuerung von B nicht aus, um das öffentliche Gut G zu finanzieren. Nur im Bereich zwischen M' und M entsteht fiir den Leviathan eine Rente, die in E ihr Maximum erreicht. Hier nämlich (bei einer Steigung der QT-Kurve von Eins) stimmen die "Grenzkosten" der Erzeugung eines höheren G mit den "Grenzeinnahmen" aus dem Angebot dieser Menge G überein. Der Leviathan wendet den Anteil OG = GC seiner Gesamteinnahmen in Höhe von GE ftir das Angebot der öffentlichen Leistung G auf, und die "Schwundquote" S beträgt CE/GE. Generell hängt die Höhe der Rente und das dabei realisierte öffentliche Angebot G von der genauen Lage und der Steigung der QT-Kurve ab: So kommt es mit einer Kurve QT' zu einem geringeren Angebot G' und einer verminderten Leviathan-Rente C'E'. Diese Rente schrumpft bei der Kurve Q*T* sogar auf Null zusammen, doch kommt es wegen des Tangentialpunktes in E* eben noch zu einem öffentlichen Angebot von G*. Sofern dies genau das von den Bürgern konstitutionell als wünschenswert angesehene Niveau ist und eine Bemessungsgrundlage mit genau diesen Eigenschaften gefunden werden kann, wäre dies eine optimale Lösung. Die Schwierigkeit, geeignete Bemessungsgrundlagen ftir eine Zweckbindung zu finden, zeigt sich indes an den Kurven Q*T" und Q"'T"'. Im Fall Q*T" kann sich der Leviathan keine Rente aneignen, weil erst nach einem gewissen Ausgangsniveau Q* ein allerdings nicht ausreichend starker positiver Zusammenhang zwischen B und G entsteht, so daß unabhängig vom öffentlichen Angebot das Aufkommen aus B nicht ausreicht, die Kosten ftir G zu decken. Der Fall Q"'T"' dagegen zeichnet sich aufgrund der zu geringen Steigung (in allen Bereichen kleiner als 1) dadurch aus, daß die möglichen Renten mit zunehmender Höhe der öffentlichen Leistung abnehmen. Folglich wird sich der Leviathan das gesamte Aufkommen aus der Besteuerung dieser Bemessungsgrundlage aneignen, ohne G überhaupt anzubieten. 125 125 Vgl. hierzu Brennanl Buchanan (1988 [1980]), S. 178 ff; ebd., S. 181 ff, fmdet sich auch eine mathematische Diskussion des Problems. Für die oben beschriebenen Fälle kann man leicht Beispiele aus der steuerpolitischen Praxis anfilhren. So kann man davon ausgehen, daß man bei einer Verfassungsregel, die vorsieht, das Straßennetz ausschließlich durch Steuern auf die Nutzung von Automobilen (z.B. K1ZSt, MinSt) zu finanzieren, eine Kurve Ahnlieh QT finden wird. Würde man versuchen, den Bau und Unterhah von Straßen durch eine Steuer aufKlimaanJagen in Automobilen zu finanzieren, so müßte man wohl aufgrund der Ausweichreaktionen eher mit einer Kurve wie Q*T" rechnen. Eine Beziehung wie Q""r wlre dagegen zu erwarten, wenn man etwa fordern wOrde, das Aufkommen einer Kapitalbesteuerung filr staatliche Grundlagenforschung zweckzubinden, weil durch technischen Fort-

II. Leviathan-Theorie: Konstitutionelle versus allokative Effizienz

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In der bisherigen Diskussion haben wir implizit unterstellt, daß der Leviathan selbst keinen Nutzen aus dem öffentlichen Angebot hat. Das Modell ist durch seine Analogie zu dem aus der Bürokratietheorie bekannten Verhalten der Spielraummaximierung gekennzeichnet. Gibt man diese Annahme auf und versteht die Höhe der möglichen Rente als Transformationskurve fiir den Leviathan, so kann bei fallenden Indifferenzkurven fiir die Wahl zwischen Rente und Höhe des Angebots von G ein Punkt rechts von E bzw. eine Menge zwischen G und M in unserer Abb. 22 realisiert werden. 126 b) Föderale Struktur und Finanzverfassung Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur konstitutionellen Verankerung einer regionalen Äquivalenz ist eine Abkehr von der Annahme eines monolithischen Leviathans. Stattdessen unterstellen wir nun zunächst eine idealisierte Tiebout-Welt, 127 in der konkurrierende staatliche Einheiten - allesamt mit Leviathan-Eigenschaften - ihren jeweiligen Bürgern öffentliche Leistungen anbieten, die nur innerhalb des jeweiligen Staatsgebietes Nutzen stiften. 128 Die Bürger sind rein ökonomisch orientiert und haben keine Wanderungskosten, d.h. sie können auch über bestehende Grenzen hinaus Güter und Faktoren uneingeschränkt transferieren. Da in diesem externen Modell ohne Transaktionskosten und ohne Präferenzen fiir einen bestimmten Standort keine Lagerenten entstehen, wird jeder Leviathanstaat durch Freihandel und Freizügigkeit dazu gezwungen, öffentliche Güter im gewünschten Ausmaß anzubieten und effizient zu finanzieren. 129 Als Grenzfall können wir dieses Modell als Grundlage fiir einen föderal gegliederten Staat ansehen, in dem es so viele föderale Ebenen gibt wie öffentliche Güter mit unterschiedlichen Reich-

schritt die Produktivität des Kapitaleinsatzes erhöht werden kann. Hier würde wohl auch ohne jegliche staatliche Grundlagenforschung bereits Kapital gebildet (im Beispiel in Höhe von Q'"), und die Komplementaritätsbeziehung dürfte so schwach sein, daß der Leviathan sich das gesamte Aufkommen aneignen und auf Grundlagenforschung verzichten würde. Ohne explizite Darstellung in Abb. 22 kann man auch steuersystematische Fehlkonstruktionen daran erkennen, daß die Zweckbindung an substitutiven Gütern ansetzt. So würde etwa bei einer Zweckbindung von Einnahmen aus der Besteuerung der Automobilnutzung filr den öffentlichen Personennah- und -femverkehr das Interesse des Leviathan genau darin bestehen, das Angebot an öffentlichen Massentransportmitteln zu senken, weil dadurch die Bürger verstärkt das Automobil nutzen wOrden und sich so die Einnahmen zur eigenen Verwendung sogar noch erhöhen ließen. 126 Vgl. hierzuBrennanlBuchanan (1988 [1980]), S. 186 ff. 127 Vgl. den grundlegenden Beitrag von Tiebout (1956).

128 FOr weise Diktatoren würde dieses Modell keinen Sinn machen, weil sie- regional verteilt- jeweils die Nutzen ihrer Bevölkerung kennen und ihre Politik daran ausrichten würden. 129 Vgl. auchBrennanl Buchanan (1988 [1980}), S. 217. 13•

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4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

weiten, während die Zahl der Gebietskörperschaften auf einer Ebene von der Reichweite der öffentlichen Leistungen abhängt. 130 Indes kann sich ein Individuum in einem Leviathanstaat nicht darauf verlassen, daß diese Struktur tatsächlich realisiert wird: Zur Machterhöhung könnte der Staat bestrebt sein, mit dem Hinweis auf Skalenerträge einer Zentralisierung Aufgaben und Finanzmittel auf einer zentralen Ebene zu bündeln. Die Individuen, die ein bestimmtes öffentliches Gut mit nationaler Reichweite wünschen, könnten zur Machtbegrenzung entweder unsere oben begründeten Beschränkungen fiir Bemessungsgrundlagen und Tarifstrukturen anwenden oder das Angebot dieses gewünschten Gutes nicht dem Zentralstaat, sondern einer untergeordneten föderalen Ebene zuweisen. Im ersten Fall kann der Leviathan möglicherweise nicht vollständig begrenzt werden, so daß zwar das Gut angeboten würde, damit aber Effizienzverluste allokativer und konstitutioneller Natur verbunden wären. Im zweiten Fall würde jeder Versuch einer untergeordneten Gebietskörperschaft, das Gut anzubieten und die notwendigen Einnahmen zu erheben, sofort zu einer Auswanderung der Bürger fiihren. Weil auch Bürger aus benachbarten Gebietskörperschaften bei fehlender Ausschlußmöglichkeit das Gut kostenlos nutzen könnten, wäre der Finanzierungsanteil der Einwohner in der anbietenden Einheit zu hoch. Folglich wird das Gut zwar nicht angeboten, doch entstehen dann keine Effizienzverluste der oben beschriebenen Natur. 131 Festzuhalten bleibt aber, daß im Leviathanstaat ex ante nicht entschieden werden kann, ob der Verlust an entgangenem Nutzen größer oder kleiner als der Effizienzverlust bei zentraler Zuweisung wäre doch genügt dies fiir unsere Zwecke schon, um das bei einem weisen Diktator geforderte zentrale Angebot fiir alternative institutionelle Rahmenbedingungen aufgrund potentieller öffentlicher Transaktionskosten in Frage zu stellen. Eindeutig zugunsten der föderalen Zuweisung fällt die konstitutionelle Entscheidung aus, wenn ein Ausschluß möglich ist. Dann besteht fiir die Bürger kein Anreiz auszuwandern, wenn ihnen die Steuern im eigenen Gemeinwesen eine größere Rente lassen als die Abgaben in einem konkurrierenden. Letztlich würden sich alle Bürger des Gesamtstaates in genau der Körperschaft niederlassen, die die Leistung jeweils am effizientesten anbietet und finanziert. Im langfristigen Gleichgewicht resultieren dann Lindahl-Steuerpreise, bei denen alle Steuern der relativen Bewertung durch die Bürger entsprechen. Folglich erweist sich die föderale Zuweisung wegen des Effizienzverlustes von Null der zentralen als eindeutig überlegen, d.h. sie kann unter den Annahmen 130 Siehe dazu Wust(l981), S. 31. 131 Nach unserer Definition könnten Transaktionskosten aus einem Gefangenendilemma vorliegen.

TI. Leviathan-Theorie: Konstitutionelle versus allokative Effizienz

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dieses Modells sogar konstitutionelle Beschränkungen von Bemessungsgrundlagen und Steuertarifen ersetzen. Das Gleichgewicht ändert sich bei Betrachtung "lokaler" statt "nationaler" Güter insofern, als nicht eine einzige Gebietskörperschaft als Anbieter auftritt, sondern alle. Die Effizienz bleibt indes wegen der Wettbewerbssituation bei drohender Abwanderung erhalten. 132 Natürlich sind diese Aussagen nur im idealisierten Modell ohne Standortwerte bzw. Lagerenten und Mobilitätskosten möglich. Sofern räumliche Präferenzen vorliegen oder die Mobilität gehemmt ist, kann sich ein Leviathan die entstehenden Renten aneignen, so daß nach wie vor Beschränkungen von Bemessungsgrundlagen und Steuertarifen erforderlich sind. Dennoch spricht :fiir eine möglichst weitgehende dezentrale Struktur, daß einerseits Mobilitätskosten mit wachsender räumlicher Distanz zwischen den föderalen Gebietskörperschaften steigen, und zum anderen -wiederum in Analogie zur Wettbewerbstheorie - die Aussichten auf eine erfolgreiche Kollusion mit zunehmender Zahl der beteiligten Einheiten sinken. Andererseits wird auch eine unter Leviathan-Bedingungen "optimale" föderale Struktur zentrale Elemente enthalten, weil - abgesehen von distributiven Zielsetzungen - Skalenerträge in der Produktion der öffentlichen Leistungen und in der Verwaltung eines zentralen Einnahmesystems mit Finanzzuweisungen an die untergeordneten Ebenen genutzt werden können. Treten zudem externe Effekte auf, so könnten Verhandlungen über entsprechende Ausgleichszahlungen ebenfalls auf der zentraleren Ebene koordiniert werden. Dennoch bleibt eine Aufteilung von Einnahmehoheiten wichtigstes Element eines Leviathan-begrenzenden Föderalismus. Auf konstitutioneller Ebene wählen die Bürger daher eine Kombination von föderalen Strukturen und fiskalischen Beschränkungen. Da auf den untersten föderalen Ebenen der Wettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften wegen der geringsten Mobilitätskosten am besten funktioniert, können hier Steuern mit geringer Zusatzlast noch am ehesten zugestanden werden. Je weniger man auf höheren Ebenen mit Wettbewerb zwischen staatlichen Einheiten rechnen kann, desto stärker müssen die Bürger diese Ebenen hinsichtlich des Aufkommenspotentials der zugebilligten Steuern beschränken. Konkret könnten demnach einer Gemeinde etwa Kopfsteuern oder Grundsteuern gestattet werden, der zentralstaatlichen Ebene sollten jedoch nur Instrumente wie etwa .spezielle Verbrauchsteuern zugebilligt werden, auf keinen Fall aber die Möglichkeit zu einer umfassenden Arbeits- oder Kapitalbesteuerung. 133

132 Vgl. zu diesen Überlegungen auchBrennuni Buchanan (1988 [1980]), S. 223 ff.

133 So auch die Folgerungen vonBrennanl Buchanan (1988 [1980]), S. 231 ff.

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4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

4. Zwischenergebnisse

Die Veränderung der zentralen Annahme bezüglich des staatlichen Verhaltens bewirkt für das Leviathan-Modell Ergebnisse, die - unter dem Aspekt potentieller öffentlicher Transaktionskosten und damit der konstitutionellen Effizienz des Einnahmesystems im Leviathanstaat betrachtet - den wohlfahrtsökonomischen Besteuerungsregeln fast konträr gegenüberstehen. Eigennützige einnahmemaximierende Regierungen müssen durch eine verfassungsgebende Instanz beschränkt werden. Schranken für staatliche Einnahmen beziehen sich - grob kategorisiert - auf Bemessungsgrundlagen und Tarife134 sowie auf den institutionellen Rahmen bzw. prozedurale Regeln für staatliches Handeln. 135 Zu den Regeln filr Bemessungsgrundlagen und Tarife von Abgaben gehören: - das Verbot von Kopfsteuem, - das Verbot der Diskriminierung von Personen (Gebot der Allgemeinheit) bei indirekter und direkter Besteuerung, - das Verbot von regressiven Tarifen direkter Steuern, - ein Verbot der Kapitalbesteuerung und der Staatsverschuldung (oder mindestens eine Beschränkung aufkonstitutionell klar definierte Ausnahmen), - gegebenfalls eine abschließende Auflistung möglicher Bemessungsgrundlagen für die indirekte Besteuerung. Als verfahrensmäßige Regeln haben wir abgeleitet: - eine Zweckbindung staatlicher Einnahmen, wo immer möglich, sowie - das Gebot einer föderalen Struktur des Staates mit weitgehender Dezentralisierung von Aufgabenzuweisungen und Einnahmehoheiten. Weitere Regeln, sei es ergebnisbezogene oder prozedurale, 136 können unsere Auswahl verfeinem oder vervollständigen, ohne daß jedoch die wesentlichen Ergebnisse dieses Abschnitts in Frage gestellt würden: Der Begriff der allokativen Effizienz ist zu eng; damit sind für eigennützige Regierungen die wohl-

134 Dabei haben wir bewußt auf die Diskussion von numerischen Begrenzungen fUr Steuersätze verzichtet; siehe hierzu BrennanlBuchanan (1988 [1980]), S. 247 ff. Erstens ist dieses Instrument bei vollständiger Information der verfassungsgebenden Individuen über potentielle Bemessungsgrundlagen, jeweiliges Maximalaufkommen und Ausgabenbedarf des Staates zur Modelldiskussion nicht notwendig. Zweitens dtlrften starre Obergrenzen - auch als Quoten - in der post-konstitutionellen Siebt immer umstritten sein, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis (Bsp. Krisen, Kriege, deutsche Einheit, u.ll.) eintritt. Da in solchen Ausnahmesituationen die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß diese unflexiblen Quoten abgeschafft werden, schaffen sie nur scheinbaren Schutz vor staatlichen Übergriffen. 135 Analog könnte man auch filr Staatsausgaben Verfassungsgrenzen diskutieren. Andererseits genilgt es bei.EinfUhrung einer strengen Budgetausgleichsregel, sich auf die Einnahmen zu beschrAnken. 136 Siebe etwa die Vorschläge in BdSt (1992), S. 60 ff, oder die umfassende Klassifikation und Diskussion alternativer Instrumente inFolkers (1983), S. 27 ff, oder inFolkers (1984), S. 503 f.

ill. Allokative und konstitutionelle Etftzienz in Demokratien

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fahrtsökonomischen Regeln nicht nur irrelevant, sondern müssen aus konstitutioneller Perspektive im Konfliktfall sogar hinter die vor Übergriffen schützenden Regeln der Machtbeschränkung zurücktreten. Dies gilt selbst dann, wenn Leviathan-Verhalten nur als denkbare Möglichkeit erscheint oder wenn Regierungen nicht ausschließlich eigennützig sind, sondern sich zu einem gewissen Grad oder in vielen Entscheidungen am Gemeinwohl orientieren.

ll. Allokative und konstitutionelle Effizienz in repräsentativen Demokratien Ehe wir im 5. Kapitel die institutionell bedingten Verhaltensweisen von Bürgern und Politikern in der Demokratie modellhaft den beiden eben diskutierten "E:\.'tremtypen" gegenüberstellen, gilt es zunächst zu prüfen, inwieweit die wohlfahrtsökonomische und die Leviathan-Theorie ftir die repräsentative Demokratie relevante Probleme darstellen. Auf dieser Basis können wir kritisch diskutieren, ob die normativen Regeln, die sich aus den "extremen" Annahmen ableiten ließen, ihre Gültigkeit behalten, wenn man das positive Modell mit seinen realitätsnäheren institutionellen Bedingungen zugrundelegt. Dabei geht es primär nicht darum, den Realitätsgehalt der Annahmen normativer Modelle zu beurteilen oder die in den beiden ersten Abschnitten abgeleiteten Regeln durch das Setzen weiterer, vielleicht realitätsnäherer Annahmen zu verfeinern. Vielmehr soll ohne die Absicht einer Wertung festgestellt werden, inwiefern sich in realen, (d.h. nicht nur modellhaft skizzierten) repräsentativen Demokratien allokativ und konstitutionell bedingte öffentliche Transaktionskosten nachweisen lassen. Auf dieser Grundlage werden wir beurteilen, inwiefern wohlfahrtsökonomische und Leviathan-Regeln bereits realisiert sind oder sich als Anhaltspunkte ftir Steuerreformen in der Demokratie eignen.

A. Allokative Effizienz

Im 1. Teil haben wir Zusatzlasten, Folgekosten und Effizienzverluste durch falsche Einnahmepolitik als diejenigen Arten von Transaktionskosten identifiziert, die eine Veränderung relativer Preise im privaten Sektor bewirken und so unter der Kategorie der allokativen Effizienz betrachtet werden müssen.

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4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

Soweit hierzu empirische Untersuchungen existieren, 137 werden wir ausgewählte Ergebnisse kurz zusammenfassen. 138 1. Empirische Schätzungen al/okativer Wohlfahrtsverluste von Einnahmesystemen aufBasis allgemeiner Gleichgewichtsmodelle

Generell kann man mit Hilfe empirischer allgemeiner Gleichgewichtsmodelle eine Wirtschaft und ihr Steuersystem in disaggregierter Weise abbilden und aufkommensgleiche steuerliche Alternativen hinsichtlich ihrer Effizienzwirkungen in Gleichgewichtssituationen diskutieren. 139 a) Zur Problematik der Vorgehensweise Das bisher bedeutendste Modell für die US-amerikanische Wirtschaft enthält zwölf (hinsichtlich der Ausstattung und Präferenzen unterschiedliche) Gruppen von Konsumenten, neunzehn Herstellergruppen mit verschiedener Produktionstechnologie; ferner werden ein Auslands- und ein Regierungssektor 137 Grundlegende Ansätze zur Quantifizierung der Zusatzlast im partiellen und allgemeinen Gleichgewicht stammen von Harberger (1964 a), Harberger (1964 b) und Harberger (1966); erbestimmt die Zusatzlast als Differenz zwischen der Konsumentenrente, gemessen mit Hilfe der äquivalenten Kompensation, und dem Aufkommen einer Steuer. Da hierbei nur infmitesimal kleine Steueränderungen und jeweils nur eine Verzerrung betrachtet werden können und damit Anpassungsreaktionen auf anderen partialen MArkten nicht ausreichend integriert werden können, greifen wir hier ausschließlich auf Ergebnisse zurQck, die mit Hilfe von empirischen allgemeinen Gleichgewichtsansätzen erzielt wurden. Das grundlegende Modell hierzu wird in Ballardl Ful/ertonl Shovenl Whalley ( 198S) dargestellt und diskutiert. Während empirische Erkenntnisse zu den EffiZienzverlusten falscher Steuerpolitik unseres Wissens nicht existieren, wurden Untersuchungen zu Folgekosten von Steuern fllr die Bundesrepublik Deutschland von Täuber (1984) und Tiebel (1986) durchgefllhrt, die sich auf die indirekten (monet!ren und zeitlichen) Kosten von Betrieben und Haushalten konzentrierten; Ergebnisse dieser beiden Analysen sind in der kritischen Zusammenfassung und Würdigung mehrerer im Ralunen eines melujihrigen Forschungsprojektes durchgefllhrter Studien von Grllske (1991 a) enthalten. Daneben existieren neuere Analysen von Hamer (1979), Klein-Blenkersl Mortsiferl Reske (1980), BdSt (1982), Harders (1988) und Kitterer ( 1989), die indes die Folgekosten von Gesetzen fllr Betriebe untersuchen. 1m angelslchsischen Sprachraum existieren Untersuchungen, die sich auf "Tax Compliance Costs" beziehen, durch die Einbeziehung von Erhebungskosten aber unterschiedliche Begriffsinhalte erfassen. Vgl. Sandford (1980), S. 1SO, zu unterschiedlichen Möglichkeiten, "Compliance Costs" zu defmieren. Da Sandford den Begriff inhaltlich Obereinstimmend mit unserem Folgekosten-Begriff verwendet, werden wir uns fllr internationale Vergleichszahlen auf Ergebnisse in Sandford/ Godwinl Hardwick (1989) beziehen. 138 Dabei hatten wir auf die Problematik von Ausweichlasten hingewiesen: Nach unserer Defmition erfassen sie Aufkommenseinbußen, verglichen mit der unterstellten Situation, in der die Individuen nicht auf die Steuer reagieren. Somit besteht ein direkter Zusammenhang zwischen (legaler und illegaler) Steuervermeidung und den entstehenden Zusatzlasten. 139 Einen Überblick Ober die Methodik, Ober erste ausgewählte Anwendungen und Ober mögliche Einwände gegen das Konzept gibt Wiegard (1985/86).

ill. Allokative und konstitutionelle EffiZienz in Demokratien

201

sowie eine Vielzahl direkter und indirekter Steuern modelliert. Auf Basis von Daten aus dem Jahr 1973 werden in einem Grundmodell (gleichgewichtige) Wachstumsraten der Güter- und Faktorausstattung sowie Verhaltensannahmen fiir Konsumenten, Produzenten, Regierung und Ausland und die entsprechenden Nutzen- und Produktionsfunktionen spezifiziert. Danach werden die Daten angepaßt, um den Bedingungen eines allgemeinen Gleichgewichts zu genügen, einige wichtige Parameter wie etwa Elastizitäten des Sparens, des Arbeitsangebotes und der Güter- und Faktorsubstitution festgelegt; schließlich werden mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen bei Nutzenmaximierung bzw. Kostenminimierung die restlichen Parameter so angepaßt, daß eine Folge von Gleichgewichten entsteht, die den empirischen Ausgangsgrößen möglichst genau entsprechen (Kalibrierung). Mit den gleichen Parametern werden dann Sirnutationen fiir verschiedene Steuersatz- oder Steuerstrukturänderungen durchgefiihrt und die Ergebnisse mit dem Basis-Fall verglichen. 140 Prinzipiell die gleiche Struktur weist ein Modell derselben Gruppe von Wissenschaftlern fiir Großbritannien auf. 141 Auch die erst in jüngster Zeit fiir die Bundesrepublik durchgefiihrten empirischen Studien orientieren sich an dem Modell fiir die USA; entsprechend der Konzentration etwa auf die Effizienzwirkungen der Umsatzsteuer142 bzw. auf die Diskussion um direkte versus indirekte Besteuerung143 liegt bei geringerer Disaggregation auf Haushalts- und Produzentenebene144 der Schwerpunkt eher auf der differenzierteren Analyse der jeweiligen steuerpolitischen Instrumente in den genannten Bereichen. Ehe wir auf die Ergebnisse der angesprochenen Studien fiir die USA und der Untersuchung von Stöß fiir die Bundesrepublik eingehen, sei auf die methodischen Probleme hingewiesen, die dem Ansatz immanent sind. Neben der natürlich aus Gründen der Rechenbarkeil und der Verfiigbarkeit von empirischen Daten gebotenen Vereinfachung der Realität steht insbesondere die notwendige Anpassung der Daten und die Kalibrierung in der Kritik. Die Anpassung der Daten dient dazu, daß diese den Gleichgewichtsbedingungen genügen, weil annahmegemäß die Wirtschaft des betrachteten Landes 140 Vgl. zur Vorgehensweise Shovenl Whalley (1984), S. 1016-1022, oder Ballard/ Fullertonl Shovenl Whalley (1985), S. 2 f, sowie insbesondere die Diskussionen der Anpassungen von Daten und der Festlegung von Parametern ebd., S. 113 ff. 141 Vgl. die Studie von Piggottl Whalley (1985), in der eine weitere Verfeinerung durch die Betrachtung von 33 Gütern und 100 Haushaltsgruppen erfolgte. 142 So Gottfried (1992). 143 Hierzu die Studie von Stöß (1991 ). 144 Hier verwendet St6ß (1991) 15 Güter (einschließlich der Freizeit) und acht Haushaltsgruppen; Gottfried (1992) Obernimmt die 15 GOter, analysiert aber nur einen repräsentativen Haushalt.

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4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

im Basisjahr im Gleichgewicht sein rnnß. So müssen auf allen Güter- und Faktormärkten Angebot und Nachfrage übereinstimmen, die Ausgaben der Regierung müssen ihren Einnahmen entsprechen, und in keiner Branche darf ein Gewinn entstehen. 145 Mit der Kalibrierung werden Parameterwerte der Modellgleichungen so bestimmt, daß sich für das Basisjahr genau die angepaßten Datenwerte als Gleichgewichtslösung ergeben. Als Alternative hierzu käme zwar theoretisch eine ökonometrische Schätzung aller Parameter in Frage, doch hätte dies in der Praxis einen erheblichen Mehrbedarf an Daten und Rechenaufwand zur Folge, so daß ein Modell ab einer gewissen Größenordnung nicht mehr rechenbar wäre; zudem besteht die Gefahr, daß die Gleichgewichtslösung dann nicht mehr die angepaßten Daten erzeugen würde.146 Problematisch an der Kalibrierung ist insbesondere die Tatsache, daß die Parameter aufgrund einer einzigen Beobachtung ermittelt werden. Dabei bestimmen nur diejenigen Einflußfaktoren die endogenen Variablen, die im Modell explizit aufgeführt sind, ohne daß durch eine stochastische Störgröße - wie in ökonornetrischen Modellen üblich - unsystematische Einflußgrößen berücksichtigt werden könnten. 147 Obwohl damit auch die Güte der Schätzung nicht mehr überprüft werden kann, werden wir ausgewählte Ergebnisse für die USA und die Bundesrepublik darstellen, um die Größenordnung der steuerlich bedingten allokativen Wohlfahrtsverluste in Demokratien zu veranschaulichen. 148 Angesichts der methodischen Problematik von empirischen allgemeinen Gleichgewichtsanalysen soll damit weniger eine absolute Aussage über die konkrete Höhe der potentiellen Effizienzgewinne - und damit der öffentlichen Transaktionskosten im Sinne von Opportunitätskosten mangelhafter Ausrichtung des Einnahmesystems an Postulaten der allokativen Effizienz - getroffen werden. Vielmehr soll damit die Relevanz der wohlfahrtsökonomischen Besteuerungsregeln auch für repräsentative Demokratien verdeutlicht werden, zurnal numerische Sirnutationen durch das Einsetzen unterschiedlichster Elastizitätswerte ein breites Spektrum an Ergebnissen erzeugen, so daß ein Realitätsbezug keinesfalls abgestritten werden kann.

145 Vgl. Ballardl Fullertonl Shovenl Whalley (1985), S. 113. 146 Ausfllhrlicher hierzu der Beitrag vonMansurl Whalley (1984). 147 Zu dieser Kritik auch SttJß (1991), S. 141, und Gottfried (1992), S. 141. 148 Die Ergebnisse stOtzen sich auf die Studien von Ballardl Shovenl Whalley (198S a), Ballardl Shovenl Whalley (198S b) [zum Vergleich hierzu dienen die Ergebnisse von Harberger (1966) und Stuart (1984 b)) sowie· fllr die Bundesrepublik • insbesondere auf die Analyse von SttJß (1991).

ill. Allokative und konstitutionelle EffiZienz in Demokratien

203

b) Ergebnisse fiir die USA und die Bundesrepublik Für die Vereinigten Staaten werden die gesamten allokativen Wohlfahrtsverluste auf 1,862 bis 3,357 Billionen Dollar geschätzt; dies impliziert einen jährlichen Wohlfahrtsgewinn von 13 bis 24 Prozent des gesamten Steueraufkommens, wenn alle bestehenden Steuern durch ein System von Pauschsteuern ersetzt würden. 149 Dieser Bereich ergibt sich als Unter- bzw. Obergrenze bei (unkompensierten) Elastizitäten des Arbeitsangebotes und des Sparen von jeweils Null bzw. von 0,15 und 0,4 150 - eine Spannweite, die den verschiedensten empirischen Schätzungen gut gerecht wird. 151 Die stärksten Verzerrungen resultieren - unabhängig von den Elastizitäts-Parametern - aus der Einkommensteuer (948,3 Mrd. $) sowie den Kapitalsteuern fiir die Produzenten (558,5 Mrd. $). 152 Da die Einfiihrung von Pauschsteuern natürlich keinen realistischen Vergleichsmaßstab darstellt, wurde ermittelt, welche Wohlfahrtsgewinne zu erzielen wären, wenn das ganze existierende Steuersystem durch bestimmte Einzelsteuern ersetzt würde. Erbrächte etwa eine Mehrwertsteuer (Konsum-Typ) das gleiche Aufkommen, so wären damit Wohlfahrtsgewinne von immer noch 1,581 bis 1,835 Billionen Dollar (in Preisen von 1973) zu erwarten. Die zudem vorliegenden intersektoralen Verzerrungen infolge unter-

149 Bei der Größenordnung der zitierten absoluten Zahlen ist eine gewisse Vorsicht geboten, da es sich um Gegenwartswerte handelt, ausgedlilckt in Preisen von 1973: "If all distortionary taxes were replaced with a set of lump-sum levies, the present value of the welfare gain is in the range of $ 1.86 trillion to $ 3.36 trillion, in 1973 dollars ..." (Ballardl Shovenl Whalley (1985 a), S. 125). Für die Ermittlung der Gegenwartswerte wurde eine Folge von 21 Gleichgewichten in Fünf-Jahres-Abständen (also beginnend in 1973 bis zum Jahr 2073) berechnet; anschließend wurden die Gegenwartswerte der Nutzen, die die zwölf Konsumenten-Gruppen insgesamt aus einem Übergang vom Steuersystem 1973 zu einem System von Pauschsteuem hätten (gemessen an den erforderlichen Kompensationszahlungen im Sinne der Hicks'schen äquivalenten Variation), Ober diesen Zeitraum von 100 Jahren aufsummiert. Zu weiteren Einzelheiten der Berechnung dieses "present value", etwa über den verwendeten Diskontsatz, fmdet man indes keine Hinweise. Aus der Angabe "The annual value of these efficiency costs is from 13 to 24 percent ofrevenues raised" [ebd., S. 125) und Aufkommensstatistiken in OECD (1984), S. 154 ffund OECD (1989), S. 15 l ff, würde sich der Wohlfahrtsverlust im Basisjahr 1973 der Studie bei einem Gesamtsteueraufkommen von 365,466 Mrd. $ auf etwa 47,5 bis 87,7 Mrd. $belaufen, im Erscheinungsjahr des Artikels 1985 (unveränderte Gültigkeit der Relationen von 1973 vorausgesetzt) bei einem Gesamtsteueraufkommen von 1134,118 Mrd. $ auf etwa 147,4 bis 272,2 Mrd. $. Dieses caveat betrifft alle filr die USA zitierten absoluten Werte und läßt (auch) daher eine Vergleichbarkeit mit der Studie von Stöß (1991) filr die Bundesrepublik nicht zu. 150 Vgi.Ballard/Shoven!Whalley(198S a), S. 133. 151 Vgl. zur Zinselastizität des Sparens den Überblick bei Boskin (1978), S. 7 f, sowie sein eigenes Ergebnis ebd., S. 16; siehe dazu auch Wendisch.(1984), S. 90. Untersuchungen zum Arbeitsangebot zeigen, daß hier generell Ergebnisse nahe Null dominieren und lediglich filr bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen, etwa Zweitverdiener in der Familie, mit einer Erhöhung zu rechnen ist, wenn der Nettolohn steigt; vgl. die neueren Studien hierzu etwa von Leuthold (1979), S. 147 ff, Hausman (1981), S. 48 ff, Hausman (1984), S. 224 f, oder filr die BundesrepublikKoch (1984), S. 287 ff. 152 Siehe die Übersicht bei Ballardl Shovenl Whalley (1985 a), S. 135.

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4. Kapitel: Allokative tmd konstitutionelle Efftzienz

schiedlicher Steuersätze könnten bei einer Vereinheitlichung aller Steuern einen allokativen Gewinn von 1,139 bis zu 1,281 Billionen Dollar bringen. 153 Mit dem gleichen Modell ermittelten Ballard, Shoven und Whalley auch die Zusatzlast pro Dollar an zusätzlichem Steueraufkommen, wenn die Grenzsteuersätze um ein Prozent erhöht werden ("marginal excess burden", MEB). Obwohl hier die Ergebnisse ebenfalls stark von den modellierten Grenzsteuersätzen und den verwendeten Parametern fiir die Elastizitäten des Arbeitsangebotes und des Sparens abhängen, ergeben die gleichen Wertepaare wie oben als Untergrenze einen MEB von 17 Cents und als Obergrenze einen MEB von 33,2 Cents pro Dollar. 154 Die entsprechenden Werte des MEB fiir Einzelsteuern betragen etwa bei Kapitalsteuern fiir Produzenten 18,1 bis 46,3 Cents und bei der Einkommensteuer 16,3 bis 31,4 Cents pro Dollar an zusätzlichem Aufkommen. 155, 156 Für die Bundesrepublik Deutschland wurden in vergleichsweise weniger komplexen Modellen von verschiedenen Autoren jeweils nur Reformen von bestimmten "Teilen" des Einnahmesystems analysiert. 157 Wir konzentrieren uns im folgenden auf Ergebnisse von Stöß, der die Frage diskutiert, ob eine stärkere Gewichtung indirekter Steuern zu Effizienzverbesserungen fUhren kann. 158 Im Rahmen seines allgemeinen Gleichgewichtsmodells simulierte er 153 Vgl. ausfilhrlicher Ballardl Shovenl Whalley (1985 a), S. 136 ff. 154 Vgl. Ballardl Shovenl Whalley (1985 b), S. 135. Bei einer Arbeitsangebotselastizität von 0,3 und einer Kapitalangebotselastizität von 0,8 würde der MEB sogar auf 55,9 Cents pro Dollar an zusätzlichem Aufkommen steigen. 155 Diese Werte und die filr andere Steuern nennenBallardl Shovenl Whalley (1985 b), S. 136.

156 Mit einem etwas einfacher strukturierten allgemeinen Gleichgewichtsmodell auf Basis des Jahres 1976 errechnete Stuart den MEB mit 20,7 bis 24,4 Cents pro Dollar zusätzlichen Aufkommens bei Grenzsteuersätzen auf Arbeitseinkommen von 42,7 bzw. 46 Prozent; vgl. Stuart (1984 b), S. 356. Die Grenzsteuersätze beziehen sich nur auf das Arbeitseinkommen und ergeben sich als gewogene Durchschnittswerte aus verschiedenen direkten und indirekten Abgabenarten; vgl. hierzu ebd., S. 3 55 f. Vergleicht man dies mit den Ergebnissen von Ballard, Shoven und Whalley, so scheint Stuarts Berechnung eher an deren Obergrenze zu liegen, zumal sein Modell den verzerrenden Einfluß auf das Sparen nicht benleksichtigen kann; so auch seine Anmerkung ebd., S. 353. AuchBrowning (1987) bestätigt mit seinem Modell im wesentlichen die Ergebnisse des empirischen allgemeinen Gleichgewichtsmodell; er kommt in seiner plausibelsten Schätzung auf einen marginalen Wohlfahrtsverlust von 31,8 bis 46,9 Prozent; vgl. ebd., S. 21. 157 Siehe etwa Simulationsergebnisse von Rose (1988) ebenfalls filr die Einkommensteuer, von Kahn (1988) fllr einen Subventionsabbau, die Erhöhung spezieller Verbrauchsteuern und der Umsatzsteuer sowie Gotrfried ( 1992) fllr die Umsatzsteuer. Unsere Auswahl zugunsten von Stöß ( 1991) ist daraufzurückzufilhren, daß etwa Gotrfried (1991) in seinem "Standardmodell" filr Reformalternativen der Umsatzsteuer mögliche Wohlfahrtsverbesserungen von maximal 3,415 Mrd. DM errechnet, die zudem zu einem großen Teil aufTerrns-of-Trade-Effekten beruhen; vgl. ebd., S. 192. Von den zitierten Untersuchungen wird bei Stöß (1991) die Vorgehensweise am ausfilhrlichsten dokumentiert und kritisch hinterfragt. 158 Siehe zu dieser Diskussion auch Rose (1988).

ill. Allokative und konstitutionelle Effizienz in Demokratien

205

sieben Refonnalternativen in Anlehnung an die verschiedenen Aspekte der Einkommensteuerrefonn 1986/90, nämlich die Senkung des Spitzengrenzsteuersatzes, den Übergang von verzögerter zu linearer Progression, die Senkung des Eingangssatzes und die Erhöhung des Grundfreibetrages fiir untere Einkommensgruppen sowie Kombinationen dieser Elemente159 -jeweils unter der Annahme aufkommenskompensierender indirekter Besteuerung. Da in den drei unteren und in der obersten der insgesamt acht Einkommensklassen die Kapitaleinkommen eine größere Bedeutung haben als in den vier "Mittelstandsgruppen", 160 bewirken hier die simulierten Entlastungen entsprechend weniger spürbare Reaktionen des Arbeitsangebotes. Das Modell weist daher auch die größten Effizienzgewinne mit jährlich 6,60 bzw. 6,97 Mrd. DM (gemessen an der Hicks'schen äquivalenten Kompensation161 ) fiir die Reformalternativen aus, in denen entweder nur der Mittelstand durch den Übergang auf die lineare Progression oder sowohl Mittelstand als auch Spitzenverdiener entlastet werden. Allerdings bewirkt allein die Senkung der Spitzensteuersätze nur sehr geringe Effizienzgewinne. Effizienzverluste dominieren dagegen bei den Alternativen, die Grenzsteuersätze fiir Geringverdiener reduzieren und/ oder den Grundfreibetrag erhöhen; dies gilt im "Standardfall" (bei plausibelsten Parameterwerten fiir die Elastizitätendes Arbeitsangebots) selbst fiir eine Refonn, die alle Grenzsteuersätze um drei Prozentpunkte senkt. Hier wird ein Konflikt zwischen allokativem und distributivem Ziel deutlich. 162 Erst wenn einkommensabhängige Transfers integriert werden und damit eine effektive die tarifliche Grenzbelastung ersetzt, wirken die vorher knapp negativen Alternativen leicht positiv. Die entsprechenden höchsten Wohlfahrtsgewinne weisen mit 9,38 bzw. 9,79 Mrd. DM erneut die beiden Alternativen auf, in denen die unteren Einkommensgruppen nicht entlastet werden. Gemessen am (angepaßten) Einkommensteueraufkommen im Ausgangsgleichgewicht in Höhe von 264,15 Mrd. DM entspricht diese Reduzierung öffentlicher Transaktionskosten der jeweils günstigsten Refonnalternativen in den beiden Standardfällen etwa 2,6 bzw. 3,7 %.1 63

159 Siehe zu den Refonnahemativen SttJß (1991), S. 237 f. 160 Die Besetzung der acht Haushaltsgruppen (in %) folgt filr das Jahr 1983 der Verteilung (9,8; 9,1; 10,0; 22,2; 18,0; 13,0; 16,0; 1,0]; die in jeder Gruppe identisch angenommenen Haushalte haben die Grenzsteuersätzc: [22,0; 23,5; 25,8; 29,8; 35,2; 38,1; 46,0; 52,0]; vgl. hierzu SttJß (1991), S. 234. 161 Vgl. zur Messung SttJß (1991), S. 101 ffund 116 ff. 162 Im Gegensatz zu den amerikanischen Studien handelt es sich bei den absoluten Zahlen nicht um Gegenwartswertc, sondern um jAhrliehe Wohlfahrtsverluste. 163 Zu den Ergebnissen desjeweiligen "Standardfalles" und ihrer Interpretation siehe SttJß (1991), S. 239 ff und 248 f. Auch in den jeweils folgenden Sensitivitätsanalysen mit Variationen der Elastizi-

206

4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

Die nicht fiir alle Reformalternativen vorteilhaften Ergebnisse überraschen nur auf den ersten Blick: Aufgrund der aufkommenskompensierenden Erhöhung indirekter Steuern und der nur geringen Arbeitsangebotsreaktionen gerade der untersten und obersten Klassen dominieren hier die Effizienzverluste infolge höherer Verbrauchsteuersätze die nur geringen Effizienzgewinne aus der Entlastung bei den direkten Steuern. Zudem gilt es zu bedenken, daß nur die einkommensteuerlich bedingten Verzerrungen zwischen Arbeit und Freizeit betrachtet werden, intertemporale Verzerrungen dagegen im Modell keine Berücksichtigung finden. Da Stöß zudem die für repräsentative Demokratien eher hypothetische Finanzierung mit aufkommensgleichen Pauschsteuern nicht als Maßstab wählt, muß man bei den Größenordnungen weitere Abstriche in Kauf nehmen. Trotz der eigentlich nicht gegebenen Vergleichbarkeit der amerikanischen mit den deutschen Ergebnissen erhält man doch ein relativ konsistentes Bild über die allokative Ineffizienz in Demokratien. Einen großen Anteil an den Verzerrungen dürften die direkten Steuern, also insbesondere die Einkommensteuer ausmachen. Für die USA haben unter den direkten Steuern wiederum eher die intertemporalen Effekte, also Verzerrungen zwischen Konsum und Sparen infolge der Einkommen- und Körperschaftsteuer gegenüber den Verzerrungen zwischen Arbeit und Freizeit dominiert. Da aber in der Bundesrepublik seit 1977 bei der Körperschaftsteuer im Gegensatz zum klassischen amerikanischen System ein Vollanrechnungsverfahren für ausgeschüttete Gewinne beim Anteilseigner besteht, dürfte hier die Dominanz der intertemporalen Verzerrungen zumindest nicht so eindeutig ausfallen wie in den USA. Somit können wir die von Stöß für die Einkommensteuer ermittelten Zusatzlasten wohl aus mehreren Gründen als absolute Untergrenze fiir die Zusatzlasten eines Einnahmesystems ansehen: (1) Entsprechend der demokratischen Durchsetzbarkeil ist sein Referenzpunkt nicht ein System von Pauschsteuern, sondern eine aufkommensneutrale Erhöhung indirekter Steuern, (2) die Verzerrungen zwischen Konsum und Sparen sind nicht enthalten, und (3) der "excess burden" von speziellen Verbrauchsteuern, von öffentlichen Ausgaben oder Regulierungen könnte zusätzliche allokative Wohlfahrtsverluste infolge demokratischer Regierungspolitik begründen. 164

täts-Pararneter des Arbeitsangebotes erweisen sich die Ergebnisse als stabil: Mit den höchsten Elastizitätswerten und dem Übergang vom verzögert- auf den linear-progressiven Tarif in der Progressionszone als einzigem Reformelement ergibt sich der höchste berechnete Effizienzgewinn mit 16,02 Mrd. DM oder knapp Ober 6 %des ursprünglichen Aufkommens; vgl. ebd., S. 250. 164 Bekannterweise darf man Zusatzlasten nicht einfach aufsummieren, um die gesamten Wohlfahrtsverluste zu ermitteln; vgl. Schlieper ( 1988 [ 1982)), S. 488, und sein Beispiel, ebd., S. 489 f.

ill. Allokative und konstitutionelle EffiZienz in Demokratien

207

2. Wohlfahrtsverluste durch Folgekosten

Neben Zusatzlasten rücken zunehmend auch (indirekte) Folgekosten des Einnahmesystems als weitere Art allokativer Wohlfahrtsverlusten in den Mittelpunkt des Interesses. 165 Empirische Studien hierzu sind nicht mit ökonometrischen Methoden oder mit Hilfe allgemeiner Gleichgewichtsmodelle möglich, sondern werden mit üblichen sozialwissenschaftliehen Methoden wie Fragebögen, Interviews, Zeitstudien, Archivsichtung, u.ä. durchgeführt. 166 Eine Diskussion dieser Vorgehensweise erübrigt sich hier, zumal die Analysen der Folgekosten für das Vereinigte Königreich und die Bundesrepublik Deutschland jeweils die Ergebnisse von Fragebögen bzw. strukturierten Befragungen nochmals einer Kontrolle unterzogen. 167 Wir präsentieren die wichtigsten Ergebnisse von Sandford u.a. und Grüske. Trotz der gleichen begrifflichen Abgrenzung von Folgekosten kann kein echter Vergleich durchgeführt werden, weil die erfaßten Einnahmearten nicht identisch sind, die Studien sich aufunterschiedliche Jahre beziehen und- je nach konkreter Ausgestaltung von einzelnen Abgaben- eine Bürokratieverlagerung (d.h. die "Überwälzung" von administrativen Kosten im öffentlichen Sektor auf Private; damit sind Folgeund Erhebungskosten nicht mehr unabhängig voneinander) möglich ist. Für das britische Einnahmesystem wurden, getrennt nach einzelnen Abgabenarten, verschiedene Untersuchungen über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren durchgeführt. Die untersuchten Abgabenarten umfassen etwa 99 % des

165 Zur Abgrenzung von Folgekosten siehe unser 2. Kapitel; wir werden im folgenden nicht mehr gesondert betonen, daß sich alle empirischen Ergebnisse nur auf die indirekten Folgekosten beziehen. Die direkten Folgekosten von Gesetzen spiegeln sich in den entsprechenden Zahllasten, die psychischen Folgekosten entziehen sich weitestgehend einer QuantifiZierung. Obwohl insbesondere von Wissenschaftlern um J. Slemrod mehrere Studien filr die USA durchgefilhrt wurden [vgl. Slemrodl Sorum (1984), Slemrod (1989) und Blumenthall Slemrod (1992)], konzentrieren wir uns hier auf die ausfiihrliche Dokumentation mehrerer britischer Untersuchungen zu den Erhebungs- und Folgekosten bestimmter Steuerarten von Sandford!Godwinl Hardwick (1989), die zwischen 1978 und 1987 an der University ofßath durchgefiihrt wurden, sowie aufeinen Beitrag von Grüske (1991 a), in dem Ergebnisse eines mehljährigen Forschungsprojekts Ober die Erhebungs- und Folgekosten des gesamten deutschen Steuersystems an der Universität Erlangen-NOmberg [vgl. die Studien von Tauber (1984), Tiebel (1986), Harders (1988) und Bauer (1988) aufgearbeitet, fiir ein Jahr (1984) hochgerechnet und diskutiert werden. Die Ergebnisse zu den Erhebungskosten werden im Rahmen unseres S. Kapitels, wenn wir die Erhebungseffizienz diskutieren, gesondert dargestellt. 166 Vgl. Sandfordl Godwin! Hardwick ( 1989), S. S2. 167 Dies gilt fllr die Bundesrepublik nur fllr die Folgekosten in Unternehmen, nicht jedoch in privaten Haushalten; hier wurden 2000 Haushalte in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft fiir Konsum- und Absatzforschung in NOmberg in einer Mehrthemen-Untersuchung befragt; vgl. zum methodischen Vorgehen Grüske (1991 a), S. 53 f. Zur Methodologie der britischen Studie und ihrer Diskussion ausfiihrlicher Sandfordl Godwinl Hardwick (1989), S. S2 1f.

208

4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle Effizienz

zentralstaatlich erhobenen Aufkommens; 168 hier sind Beiträge an die National Insurance, vergleichbar den deutschen Sozialversicherungsbeiträgen, eingeschlossen. Eine Zusammenstellung dieser Ergebnisse, bezogen auf 1986/87, ergab auf der zentralstaatlichen Ebene Folgekosten in Höhe von 3,409 Mrd. f. bei einem Aufkommen der dabei erfaßten Abgabenarten von 122,3 Mrd. f.; dies entspricht einem Anteil der Folgekosten am Aufkommen von 2,79 %. Gerade die drei aufkommensstärksten Abgabenarten weisen - absolut und am Aufkommen relativiert -die höchsten Folgekosten auf: 1) Die Gruppe der direkt belastenden Abgaben (lncome Tax, Capital Gains Tax und National Insurance Contributions werden in dieser Gruppe zusammengefaßt), die mit 65,1 Mrd. f. über 53 %des Aufkommens einbringen, ziehen Folgekosten von 2,212 Mrd. f. nach sich, also fast 65% der gesamten Folgekosten. 2) Die Corporation Tax, ebenfalls eine direkte Steuer, die den Unternehmen auferlegt wird, verursacht knapp unterdurchschnittliche Folgekosten: Mit 300 Mio. DM oder 2,22 % ihres Aufkommens liegt der Koeffizient von relativem Folgekosten- zu relativem Aufkommensanteil bei 0,8. 3) Die Mehrwertsteuer (VAT) mit einem Aufkommensanteil von 17,5% verursacht mit 0,791 Mrd DM oder 3,69% ihres Aufkommens über 23% der insgesamt erfaßten Folgekosten. Fast unbedeutend sind dagegen die anderen untersuchten indirekten Abgaben - sowohl aufkommensmäßig als auch im Hinblick auf die Folgekosten, die sie nach sich ziehen. Das gleiche gilt auch für die Petroleum Revenue Tax, eine direkte Steuer, die als Bemessungsgrundlage die Gewinne jedes einzelnen Nordsee-Ölfeldes individuell besteuert. 169 Einen Überblick über die mit verschiedenen Abgabenarten verbundenen Folgekosten in Großbritannien gibt die folgende Tabelle 5.

168 Vgl. hierzu und zu kurzen Konunentaren über die nicht enthaltenen Abgabenarten Sandfordl Godwinl Hardwick (1989), S. 60 1f. Auf lokaler Ebene werden in Großbritannien und Nordirland daneben "Local Rates" erhoben; diese erbringen 1986/87 zwar 1S,S Mrd. L an Aufkonunen, doch wurden Folge- und Erhebungskosten nur grob geschätzt; aufgrund ihrer Ausgestaltung ist zudem nur mit sehr geringen Folgekosten zu rechnen; vgl. ebd., S. 61 und S. 184-188. 169 Vgl. Sandfordl Godwinl HardWick (1989), S. 149. Da also ein Öltorder-Konzern die verschieden hohen Gewinne bzw. Verluste aus verschiedenen Ölfeldern in einer Art "Mischkalkulation" dem Fiskus präsentieren kann, werden mit der Petroleum Revenue Tax ökonomische Renten abgeschöpft, was auch die Erschließung von nur gerade noch gewinnträchtigen Feldern erleichtern soll.

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Tabelle 5

Folgekosten des britischen Einnahmesystems 1986/87

Abgabenart oder Gruppe von Steuern

Auf· kommen

Anteilam Gesamtauflcommen

Folgekosten

Anteil der Folgekosten am Steuerauflcommen

Anteil an dengcsamtenFolgekosten

Koeffizient der Folge· kostenintensitAt

(I), [Mio. !J

(2).[%1

(3), [Mio. !J

(4)=(3Y( t), [%J

(5), W•l

(6)=(5Y(2)

Income Tax, Capital Gains Tax, National lnsw"ancc Contributions

65.100

53,23

2.212

3,40

64,89

1,22

Corporation Tax

13.500

11,04

300

2,22

8,80

0,80

Petroleum Revenue Tax

1.200

0,98

5

0,42

0,15

0,15

[Direkte Abgaben)

79.800

65,25

2.517

3,15

73,83

1,13

Value Added Tax

21.400

17,50

791

3,70

23,20

1,33

Spez. Verbrauchsteuern (bydrocarbon oils. to· bacco, alcoholic drinks)

16.500

13,49

33

0,20

0,97

0,07

Sonstige (stamp duty, inheritancc tax, c:ar, betting and gaming)

4.600

3,76

68

1,48

1,99

0,53

[Indirekte AbpbcnJ

42.500

34,75

892

2, 10

26, 17

0,75

Gesamt

111.300

100

3.409

1,79

100

1

Quelle: Nach Sandfordl Godwin/ Hardwick (1989), S. 192; eigene Berechnungen.

Für die Bundesrepublik existieren mittlerweile zwar ebenfalls eine Reihe von Studien zu den Folgekosten staatlichen Handelns, doch beschränken sie sich nicht nur auf Staatseinnahmen und gliedern nur in den wenigsten Fällen nach einzelnen Steuerarten auf. 170 So umstritten eine solche Zuordnung auch sein mag - handelt es sich doch bei den meisten in Betrieben entstehenden Kosten um Gemeinkosten und bei den monetären Kosten für Berater um ein Entgelt für Leistungen, die sich über mehrere Steuerarten erstrecken -, so könnte doch sie allein stichhaltige Aussagen bezüglich der Effizienz eines Einnahmesystems zulassen. Trotz der inhärenten Willkür in der Aufteilung von Beratungs- und Sonstigen Kosten stellt unsere folgende Tabelle 6 daher einen ersten Versuch dar, Unterschiede der wichtigsten Steuerarten bezüglich ihrer Folgekosten offenzulegen.

170 Unter den oben zitierten Schriften findet man nur bei Täuber (1984), S. 131, und (1991 a), S. SS, eine Aufteilung der Vollzugskosten auf einzelne Steuerarten.

14 Raab

Grüske

4. Kapitel: Allokative und konstitutionelle EffiZienz

210

Tabelle 6

Folgekosten in der Bundesrepublik Deutschland 1984

Abgabenart oder Gruppe von Steuern

Aufkommena)

Anteil am Gesamtaufkommen

Vollzugskosten•)

(1), [Mrd. DM)

(2), [%)

(3), [Mrd. DM)

Sonstige Kosten b)

Beratungskosten c)

(4), [Mrd. DM) (S), [Mrd. DM)

Folgekosten in Unternehmen zusammen (6)=(3} ~- ;= :L:LA.ktrkis;, k ; 1- T W(l- r) 1< -1

;

1

;o= :L:LA.ktrkisi2 ~ -;=-:L:LA.ktrkisi2 . G 6Gk; k i

Für eine weitere Vereinfachung der resultierenden Gleichungen muß man den Summenausdruck, der &; 1 enthält, mit Hilfe der Beziehung &; 1 + &;2 = 1 in einen Summenterm transformieren, der stattdessen &;2 enthält. Benutzt man die in (7 a) und (7 b) bereits eingeführte Definition von 8 und berücksichtigt 4

4

4 4

die beiden Beziehungen L 1rki = 1 und LÄ.k = 1 ~ LLAktrki = 1, so gilt: i=l k=l k=li=l 4 4

4

4

4

LLAk1rki&il = (1-&,2) LAk 1l"kt + (1- &22) LÄ.k1rk2 + (1- 832) LÄ.k1rk3 + k=li=l k=l k=l k=l 4 +(l-s42)LA.ktrk4

k=l

4 4

4 4

k=li=l

k=li=l

= :LL:A.ktrki -:L:LA.ktrkisi2 = 1-8.

Dann folgt aus (9 a') und (9 b'): (10)

1-8 W(1-r) 1- 8 = _!_ oder --=-;......_~ W(l- r) 6G 8 6G

sowohl eine schiOssige Erklärung filr die relativ einfach scheinenden Gleichgewichtsbedingungen liefern als auch die Struktur dieses relativ neuartigen Modelltyps auf bekannte Elemente zurOckfilhren und damit leichter zugänglich machen.

296

5. Kapitel: Politisch-demokratische Efflzienz und Erhebungseffizienz

Wegen (9 c), also G = rW/8, gilt weiterhin: 1- c:5 = W(1- r) oder l- c:5 = 1- r und damit: c:5 c:5 r 8 ( rW) 8 (7 a, q.e.d.)

r= c:5

(7 b, q.e.d.)

G = &/8

Somit wäre wegen (7 a) der Steuersatz davon abhängig, wie stark eine Gruppe relativ zu den anderen durch die Regierung eingeschätzt wird, mit welchem Gewicht die Gruppen ihre jeweiligen Interessen (für öffentliche Leistungen und damit implizit fiir Nach-Steuer-Einkommen) vertreten und wie hoch die Übergangswahrscheinlichkeiten sind. Diese Hypothese kann man sich vergegenwärtigen, wenn man etwa fiir die Übergangswahrscheinlichkeiten .1rki = 1 fiir i = k und .1rki = 0 fiir alle anderen annimmt, d.h. wenn jedes Individuum erwartet, in seiner Gruppe zu bleiben. Unterstellt man als - wenn auch unrealistische - Extremannahme weiter, daß eine Gruppe, etwa die der Regierungsangestellten, die Regierungspolitik völlig beherrscht (21 = 1, ~ = ~ = ~ = 0), dann wäre der Steuersatz gleich der Präferenz eines repräsentativen Regierungsangestellten fiir öffentliche Güter, also r= hh 166 Eine empirische Überprüfung des theoretischen Modells wird möglich, wenn man t als Steuerquote ansieht, also t :=TI W definiert, wobei T das Gesamtsteueraufkommen und W das Bruttosozialprodukt, vermindert um Transfers, darstellen. Die Einflußgewichte A.h die fiir die relative Stärke stehen, mit der die Interessen einer Gruppe k durch die Regierung gerordert werden, kann man zunächst grob abschätzen, wenn man der Gruppe 4 der Nicht-Beschäftigten überhaupt keinen Einfluß zubilligt und allen anderen Gruppen genau den Einfluß, der ihrer relativen zahlenmäßigen Stärke entspricht. 167 Dann wäre: 3 E 3 2 4 = 0; LAk = 1; A.k = - 3-k- mit LEk= E als Zahl der Erwerbstätigen k=1 LEk k=1 k=1

Sofern dieses Vorgehen bezüglich der Einflußgewichte in einer ökonornetrisehen Analyse nicht zu befriedigenden Ergebnissen fiihrt, könnte man versuchen, andere Indikatoren als die rein numerische Stärke zu finden und damit eine Verbesserung der Schätzung zu erreichen. 168 Denkbar wären etwa der 166 So auch das Beispiel inRenaudlvan Winden (1987), S. 356. 167 Siehe zu dieser Vereinfachung auchRenaudlvan Winden (1987), S. 357 f. 168 Für die Niederlande genügte offensichtlich dieser einfache Indikator, wie die Ergebnisse von Renaudlvan Winden (1987), S. 361, insbesondere der hohe Korrelationskoeffizient, belegen.

I. Indizien für politisch-demokratische Ineffizienz

297

Anteil der Abgeordneten aus den jeweiligen Gruppen, der Anteil der akkreditierten Interessenverbände aus den Gruppen, ferner - insbesondere wenn man finanzielle Einflüsse auf den politischen Prozeß vermutet - die Primärverteilung der Einkommen nach gesellschaftlichen Gruppen oder auch ein MischIndikator, in den mehrere Hilfsgrößen gewichtet einfließen könnten. Für eine empirische Überprüfung könnten ferner die Übergangswahrscheinlichkeiten, die die Mobilität zwischen sozialen Gruppen kennzeichnen, durch Beschäftigungswahrscheinlichkeiten ausgedrückt werden. Damit konzentriert man sich auf die Mobilität von Erwerbstätigen in die Erwerbslosigkeit und vernachlässigt die Möglichkeit, daß ein Erwerbsloser wieder eine Beschäftigung findet; entsprechend gilt ;r44 = 1. Immerhin löst dieses vereinfachende Vorgehen das ansonsten gegebene Datenproblem, weil man dann tr;k = nk für k = i (i,k = 1,2,3,4), nk4 = 1-nk für k -:t: 4 und (als Annäherung) nk = ak (1-u) setzen kann. Dabei wäre u die Arbeitslosenquote, und entsprechend würde bei U als Zahl der Erwerbslosen gelten: (1-u) = EI(E+U). Somit wäre für die ersten drei Gruppen die Beschäftigungswahrscheinlichkeit bzw. die Wahrscheinlichkeiten, in ihrer Gruppe zu verbleiben, jeweils proportional zur Beschäftigungsquote. 169 Dann kann man den Steuersatz gemäß der Bedingung (7 a) und wegen

3

L A.k = 1 durch die folgende Gleichung ausdrücken:

k=l

-r-=&42 +[(&12 -c42)a1-(&22 -&42)a2][.-tl(l-u)]+

[(&32 -&42)a3 -(&22 -&42)a2)[.-t3(1-u))+[(c22 -&42)a2][(1-u)].

Dabei werden [A-1 (1-u)], [A-3 (1-u)) und [(1-u)) als exogen angesehen. Diese Gleichung erweiterten und transformierten Renaud und van Winden für ihre empirische Überprüfung des theoretischen Modells (mit fünfzig Beobachtungswerten aus den Niederlanden von 1921-1938 und 1952-1985) zu der Form:

•= Po+ P1• _ 1 + P2 (2 1(1- u) ]+ p3 (2 3(1- u) ]+ p4 [D(l- u)] + p5 [o -D)(l- u)].

In dieser Schätzgleichung für den Steuersatz als abhängige Variable wurden neben den drei oben enthaltenen unabhängigen Variablen der Steuersatz der Vorperiode -r-_ 1 sowie eine Dummy-Variable D eingefügt, die dem unerwarteten und starken Anstieg der niederländischen Arbeitslosenquote und den im Gefolge wachsenden öffentlichen Defiziten seit 1981 Rechnung trägt; entsprechend gilt D = 1 für die Jahre bis 1980 und D = 0 für 1981 bis 1985. Ferner wurden verzögerte Anpassungen der Politik an veränderte relative Gruppenstärken oder veränderte Mobilitätswerte durch einen Anpassungsparameter r

169 Die beschriebene Vorgehensweise geht zurück aufRenaudl van Winden (1987), S. 359.

298

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

berücksichtigt, so daß etwa gilt: implizit definiert.

Po=

ye42, usw.; demnach sind die ß.-Werte

In einer ersten Schätzung von Renaud und van Winden waren die Werte von nicht signifikant von Null verschieden, was auf Multikollinearität hindeutete, zumal die Korrelation zwischen den entsprechenden Variablen, [A-1 (1-u)] und [~ (1-u)], wegen des gemeinsamen Elements (1-u) bereits 0,95 betrug. 170 Dagegen ergaben sich in zwei weiteren Schätzungen signifikante Werte für jeweils einen dieser Koeffizienten, wenn jeweils der andere nicht in der Schätzgleichung enthalten war. Dann resultierte die-aufgrundder Erfahrung zu erwartende - Beziehung, daß der Steuersatz umso niedriger war, je größer die relative Stärke der Selbständigen ausfiel und vice versa umso höher, je relativ stärker die Regierungsangestellten waren. In diesem Zusammenhang ergaben sich Verzögerungen von durchschnittlich zwei bis zweieinhalb Jahren, bis sich veränderte numerische Stärken in einem veränderten politischen Einfluß niederschlugen.

fh. und ßJ

In zwei zusätzlichen Schätzungen konnten zudem zwei Hypothesen zurückgewiesen werden: zum einen, daß die Steuerquote nur eine Trendvariable sei, die (etwa aufgrund eines progressiv wirkenden Einnahmesystems) mit dem Konjunkturzyklus schwankt, und zum zweiten, daß sie bei "linken" Regierungen höher sei als bei "rechten". Entsprechend konstruierte Schätzgleichungen ergaben Koeffizienten, die nicht signifikant von Null verschieden waren. I7I So kann insgesamt die empirische Überprüfung von Renaud und van Winden für die Niederlande das theoretische Modell gut bestätigen, auch wenn einige aufgefiihrte Vereinfachungen keine Berücksichtigung fanden. Gerade wenn man die von uns diskutierten ideologischen Ziele von Regierungspolitikem, aber auch charakteristische Elemente des politischen Prozesses wie die Fiskalillusion bzw. die "politische Vergessensrate" der Wähler oder verfestigte institutionelle Kanäle der Einflußnahme von Interessengruppen in manchen Staaten bedenkt, dann scheinen einige Vereinfachungen bei Renaud und van Winden als zu stark. Insbesondere problematisch könnte auch der implizit modellierte Zusammenhang zwischen dem Steuersatz und den Präferenzen der Gruppen fiir öffentliche Güter sein, wenn - wie etwa in der Bundesrepublik durch das Non-A:ffektationsprinzip Nutzen und Lasten von öffentlichen Leistungen getrennt sind. 170 Vgl. die Spalte (a) in der Tabelle 1 bei Renaudl van Winden (1987), S. 361, sowie die entsprechenden Erläuterungen ebd.• S. 360 ff. 171 Siehe die Ergebnisse in der Tabelle 2 bei Renaudl van Winden (1987), S. 363; ausfilhrlicher zu den durchgefilhrten Schätzungen ebd., S. 362 ff.

I. fudizien fiir politisch-demokratische fuefftzienz

299

Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, nicht nur das Modell von Renaud und van Winden auch fiir andere Staaten zu überprüfen, sondern auch einen theoretischen Rahmen zu entwickeln, der den politischen Entscheidungsprozeß über öffentliche Einnahmen differenzierter modelliert und auf die - durch die Möglichkeit zur Staatsverschuldung häufig nur rein formal bestehende - Restriktion eines Budgetausgleichs ganz verzichtet. Schließlich könnte man ein derart erweitertes Modell ebenfalls ökonometrisch testen und die Ergebnisse den Thesen von Renaud und van Winden gegenüberstellen. b) Differenziertere Betrachtung Im Rahmen dieser Arbeit können wir von den genannten Aufgaben nur die erste vom Ansatz her angehen; eine ökonometrische Überprüfung unseres Modells bzw. daraus abzuleitender Thesen würde sich fiir vertiefende Forschungen zur Struktur und Effizienz von demokratischen Einnahmesystemen anbieten. Immerhin werden wir mit der Formulierung eines theoretischen Rahmens zu überprüfbaren Hypothesen fiir das Politikerverhalten gelangen und geeignete Indikatoren fiir Parameter der Interessenfunktion diskutieren. aa) Zum Modellaufbau

Ziel unseres Modells ist es, das Verhalten des Regierungspolitikers modetlendogen darzustellen, wenn dieser nicht immer ausschließlich seine Popularität oder allein ideologische Aspekte öder nur die Unterstützung durch Interessengruppen im Auge hat. Vielmehr hat der Politiker in unserem Modell eine - nicht einmal unbedingt genau spezifizierte - Vorstellung davon, welche Unterstützung ihm aus der Bevölkerung zukommt, wenn er bestimmte einnahmepolitische Aktivitäten entwickelt. Als "Unterstützung" sehen wir daher alle Elemente an, die irgendein Ziel des Politikers fördern können: von Wahlstimmen und ideologischer Befriedigung über das Bereitstellen von Informationen, finanziellen Hilfen fiir politische oder private Zwecke bis hin zu "Werbemaßnahmen" wie etwa Auftritte in Medien oder auch nur das Verschaffen von Kontakten zu Personen, die dem Politiker helfen können. Man könnte nun - etwa in neoklassischer Tradition - diese Unterstützung als nutzenstiftend ansehen und zur verhaltenstheoretischen Fundierung ein (mehrdimensionales) Nutzenkalkül entwickeln, in dem allen Komponenten ein bestimmtes Zielgewicht zugeordnet ist, so daß der Regierungspolitiker seinen Nutzen unter verschiedenen Nebenbedingungen wie etwa disponiblen Spiel-

300

5. Kapitel: Politisch-demokratische EffiZienz und ErhebungseffiZienz

räumen im Budget und funktionalen Zusammenhängen zwischen steuerlichen Begünstigungen für bestimmte Gruppen und Unterstützung durch diese Gruppen maximiert. Mit einer derartigen Modeliierung wäre es grundsätzlich möglich, "trade-offs" zwischen den Zielen zu ermitteln. Indes würde sich die Frage stellen, welcher Erklärungswert einem solchen Modell zukäme, zumal sich wie oben erörtert - die Bedeutung der einzelnen Ziele für den Politiker je nach momentaner Situation (Wahlnähe, Popularität, finanzielle Ausstattung, usw.) unterschiedlich darstellen kann. Ferner müßte hierin mindestens die Festlegung von Zielgewichten exogen vorgenommen werden, so daß das einnahmepolitische Verhalten schon von dieser Seite nicht mehr endogen erklärbar wäre; zudem würde eine empirische Überprüfung der unterstellten Nutzenfunktionen und der funktionalen Zusammenhänge zwischen Gruppenbegünstigung und politischer Unterstützung auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen. Stattdessen greifen wir auch hier auf einen etwas modifizierten Interessenfunktions-Ansatz zurück. Prinzipiell besitzt unser Ansatz die allgemeine Form I(t) = f(x)"L, viEi - g(y) L, vßi . 112 Hier steht t für die steuerpolitische Aki

j

tivität des Regierungspolitikers, die wir als sein Instrument zur Maximierung der Interessenfunktion auffassen. Man könnte t als eine Art Steuersatz auffassen, wie dies im Modell von Renaud und van Winden für -r der Fall war. Dabei entsteht jedoch das Problem, diesen "Steuersatz" in der Realität zu messen, wenn man nicht nur- wie Renaud und van Winden in ihrer empirischen Überprüfung - auf eine Steuerquote zurückgreifen will, die wegen der fehlenden Staatskredite und Sozialversicherungsausgaben oder auch der nicht enthaltenen allokativen Wohlfahrtsverluste oder anderer Schwächen173 - nicht unbedingt die tatsächliche oder subjektiv empfundene Belastung der Bürger ausdrücken muß. Alternativ könnte man für empirische Analysen t lediglich als Zahl aller einnahmepolitischen Maßnahmen verstehen. Hier würde der instrumentale Cha-

172 Ähnliche Strukturen der Interessenfunktion findet man etwa in der Modeliierung der Umweltpolitik durch Horbach (1992), S. 86 ff, der sich wiederum stark. am Ansatz von Borooah/ van der Ploeg (1983), S. 112 ff, orientiert. Wir werden jedoch insofern deutlich von diese beiden Versionen abweichen, als wir ( 1) unsere Struktur grundlegend auf das Modell von Downs zurQckfilhren werden, das wir im 3. Kapitel kurz vorgestellt haben, (2) als Zielsetzungen des Politikers jedoch deutlich mehr Alternativen als Downs zulassen werden und (3) die oben diskutierten Charakteristika der Einnahmepolitik integrieren, die in repräsentativen Demokratien aus dem eigennOtzigen Verhalten von Regierungspolitikern resultieren. 173 So wird zum Beispiel ein Staat mit der Verpflichtung zu Naturalleistungen wie etwa der Wehrpflicht c.p. eine niedrigere Steuerquote aufWeisen als ein Staat, der seine (als gleich "wirksam" unterstellte) Berufsarmee mit Steuern fmanziert.

I. Indizien filr politisch-demokratische Ineffizienz

301

rakter des Einnahmesystems besonders deutlich: Eine Maßnahme dient dem Regierungspolitiker primär dazu, eigene Ziele zu erreichen. In einem solchen Fall kann das Modell nicht mehr dazu dienen, etwa das Wachstum staatlicher Aktivitäten oder einen Zusammenhang der Steuerquote mit der Konjunktur zu untersuchen, doch bliebe der Erklärungsgehalt bezüglich der Frage bestehen, welche Determinanten für das einnahmepolitische Verhalten in repräsentativen Demokratien signifikant sind. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, daß ein Politiker Einnahmegesetze umso häufiger ändert, je stärker er an kurzfristigen eigenen Zielen - sei es der Popularität oder der besseren Zusammenarbeit mit bestimmten Interessengruppen - orientiert ist statt an den Zielen der öffentlichen Finanzwirtschaft (vgl. Abb. 3), die sich grundsätzlich besser durch eine längfristig konstante, häufig eher ordnungs- als prozeßpolitische Gesetzgebung erreichen lassen. Zudem handelt es sich bei der Zahl der einnahmepolitischen Maßnahmen um eine Größe, die relativ leicht ermittelt werden kann, indem man alle Gesetze und Verordnungen (auf einer föderalen Ebene, etwa dem Bund) berücksichtigt, durch die bestehende steuerliche Regelungen geändert oder neue Regelungen eingeführt werden. Unabhängig davon, ob man t als "Belastungsquote" oder als Zahl einnahmepolitischer Maßnahmen auffaßt, gehen von t neben den fiskalischen immer auch allokative und distributive Wirkungen aus, die unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen verschieden stark betreffen; implizit beeinflußt t zudem die Ausgabenseite des Budgets, die wiederum gruppenspezifische allokative und distributive Effekte mit sich bringt. Somit gibt es für jede einnahmepolitische Entscheidung i gesellschaftliche Gruppen, deren Mitglieder meinen, sie würden von einer Maßnahme "netto" profitieren undj gesellschaftliche Gruppen, in denen die Ansicht vorherrscht, die Entscheidung würde die Gruppenmitglieder belasten; entsprechend erhält der verantwortliche Regierungspolitiker Unterstützung aus den Reihen der Gewinnergruppen und verliert bei den Benachteiligten an Unterstützung. Diese Einteilung in Gewinner- und Verlierergruppen ist keineswegs starr; vielmehr kann sie für jede einzelne Entscheidung i undj variieren. Ebenso kommt es für unser Modell nicht auf die objektive Höhe von Begünstigung oder Belastung an, sondern auf den subjektiven Eindruck der Gruppenmitglieder, da letztlich nur diese subjektiven Empfindungen die Interessenlage der Individuen in einer Gruppe charakterisieren. In die oben definierte Interessenfunktion J(t) gehen aus Sicht des Politikers die Reaktionen E; von i "Gewinnergruppen" sowie die Reaktionen Ei von j "Verlierergruppen" jeweils mit einem Gewicht v; bzw. ')· ein. Hiermit wollen wir der ideologischen Haltung des Politikers Rechung tragen, denn abhängig von seiner Ideologie schätzt ein Politiker die Bedeutung einer gesellschaftli-

302

5. Kapitel: Politisch-demokratische Efflzienz und Erhebungsefflzienz

eben Gruppe unterschiedlich ein. Die Summanden in J(t) werden ferner jeweils mit Lagefunktionen fix) bzw. g(y) multipliziert; dabei sind x und y exogene Faktoren, die Art und Stärke der Betroffenheit einer Gruppe und damit auch ihre Reaktionen auf einnahmepolitische Entscheidungen bestimmen. Dazu könnte man etwa gruppenspezifische Überwälzungsmöglichk:eiten, die Folgekosten, Möglichkeiten und Neigungen zu Ausweichverhalten, die "Steuermoral" bzw. Einstellung gegenüber dem Staat u.ä. zählen, die die Individuen in einer Gruppe und damit auch ihre Reaktionen gegenüber dem Politiker jeweils unterschiedlich betreffen, ohne daß wir diese Zusammenhänge modellendogen erklären wollen. Als Grundstruktur der Interessenfunktion J(t) ergibt sich eine parabelförmige Kurve, die genau dann ein Maximum aufweist, wenn an einer Stelle t*, an der fiir die erste Ableitung F(t*) = 0 gilt, die zweite Ableitung negativ, also F'(t*) < 0 ist. Unterstellt man nur eine Gewinnergruppe (1) und eine Verlierer..

!JE

cJ E

!JE

cJ E

1 >0; 1 2 gruppe (2), so konnten - 2- < 0 und - - > 0 ; ----:f > 0 grundiJt iJt iJt iJt sätzlich hinreichend fiir die Existenz eines Maximums sein. Dem würde eine Form des Maximierungsproblems entsprechen, wie sie Abb. 31 ausdrückt.

Ez(t)

0

t• I (t)

Abb. 31: Beispiel filr den Verlauf einer Interessenfunktion I (t) Quelle: Eigene Darstellung.

I. Indizien für politisch-demokratische Ineffizienz

303

Die Annahmen bezüglich der zweiten Ableitungen der Reaktionsfunktionen E1 und E2 scheinen dabei sowohl für t als Steuersatz als auch für talsZahl der einnahmepolitischen Maßnahmen völlig plausibel: Die Reaktionen auf einen Vorteil, der den Individuen in Gruppe 1 entweder aus wachsenden Steuersätzen oder aus zunehmenden Maßnahmen entsteht, dürften aus "Sättigungsgründen" nur mit abnehmender Rate wachsen, während (in beiden Interpretationen von t) die Nachteile bei den Belasteten wohl überproportional steigende Reaktionen zur Folge haben. Für diesen unterstellten Verlauf wäre folglich eine Maximierung auch ohne explizit einbezogene Nebenbedingungen möglich. 174 Damit positive Werte für I (t) resultieren, müssen sich die beiden Reaktionsfunktionen zudem mindestens einmal schneiden. bb) Gruppen und ihre Reaktionen auf die Einnahmepolitik

Für unser Modell werden wir im folgenden t als Zahl einnahmepolitischer Maßnahmen auffassen und vier Gruppen unterscheiden: (1) Die Gruppe der Kapitaleigner innerhalb von "Bereichen", die von einer zunehmenden Zahl von Maßnahmen zu profitieren glauben. Die "Bereiche" kann man sich als wechselnd vorstellen; damit können etwa Sektoren, Branchen, Regionen, aber auch mittelständische oder Großunternehmen oder auch Firmen in einer bestimmten Rechtsform gemeint sein. So wäre beispielsweise denkbar, daß horizontal integrierte Großunternehmen meinen, mit zunehmender Zahl etwa von Ausnahmetatbeständen im Steuerrecht steige die Wahrscheinlichkeit, daß sie dadurch steuerlich entlastet werden. (2) Analog fassen wir in unserer zweiten Gruppe die Kapitaleigner in "Bereichen" zusammen, die von einer wachsenden Anzahl von Regelungen eher Nachteile erwarten, etwa weil sie glauben, infolge der wachsenden Zahl und der damit verringerten Transparenz nicht mehr alle potentiellen Vorteile für sich ausschöpfen zu können oder die Last über erhöhte allgemeine Steuern tragen zu müssen. (3) Abhängig Beschäftigte sowie Nicht-Erwerbstätige, die meinen, von einer vermehrten einnahmepolitischen Aktivität des Staates zu profitieren, bilden die dritte Gruppe. Dabei könnten insbesondere Nicht-Erwerbstätige meinen, durch mehr steuerliche Regelungen würde der Staat von Erwerbstätigen und Kapitaleignern auch ein erhöhtes Aufkommen erzielen, das ihnen indirekt 174 Implizit stellen also (im Zwei-Gruppen-Fall) bei Begünstigung einer Gruppe die Reaktionen der belasteten zweiten Gruppe die Nebenbedingung fiir die Maximierung der Interessenfunktion dar.

304

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

etwa über höhere Transferleistungen - zugutekommt Das gleiche Interesse könnte aber auch für die Arbeitnehmer gelten, die entweder in einem der in (1) genannten "Bereiche" beschäftigt sind und eine steigende Arbeitsplatzsicherheit vermuten oder die etwa glauben, von einer steigenden Zahl einnahmepolitischer Aktivitäten wären weniger sie betroffen, sondern vielmehr die "Reicheren", und die daraus einen Nutzengewinn für sich selbst ableiten (Neid-Motiv175). Sofern man die Hypothese vertritt, Staatsbedienstete würden bei zunehmender Regelungsintensität mehr Einfluß gewinnen, kann man auch diese bei Renaud und van Winden noch eigenständige Gruppe in unsere dritte Kategorie einteilen. (4) Abhängig Beschäftigte sowie Nicht-Erwerbstätige, die der Ansicht sind, mehr einnahmepolitische Regelungen des Staates würden sie belasten. Diese Gruppe sieht etwa einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Regelungen und ihrer individuellen Belastung, aber auch Werthaltungen, etwa gegen einen wachsenden Einfluß des Staates, könnten eine Rolle spielen. Im nächsten Schritt können wir die Reaktionsfunktionen dieser vier Gruppen näher analysieren. Die "Einflußeinheiten" Eh (als Maß fiir den "Nutzen") als Folge der Reaktionen der Individuen in einer Gruppe können fiir den Regierungspolitiker in Form von Wählerstimmen Wh bei der nächsten Wahl oder in Form von - wie immer gearteter - Unterstützung aus Verbänden Vh stammen. Demnach erhalten wir Eh := Wh + Vh mit h = i,j; dabei nimmt i fiir unseren Fall die Werte 1 oder 3 undj die Werte 2 oder 4 an. Sowohl Wh als auch Vh hängen dabei jeweils in spezifischer Weise von den empfundenen Begünstigungen oder Belastungen Bh (t) durch die staatliche Einnahmepolitik ab, so daß wir als Funktionen Wh= Wh [Bh (t), x] und Vh = Vh [Bh (t), y] erhalten. Die Vektoren x und y stehen fiir eine Reihe anderer Faktoren in der Funktion der Einflußeinheiten, die wir weiter spezifizieren können; wir erhalten dann: (1)

Eh=~+ V" = ötthwhah[ Bh(t)] + Ph {ph[ Bh(t,nh,ch)]}; h =i,j; i =1,3 ; j = 2,4.

Die zusätzlich eingefUgten Parameter dienen dazu, unsere oben diskutierten Einflußgrößen bei Steuerzahlern bzw. Wählern einerseits und bei Verbänden andererseits in das Modell zu integrieren. Im einzelnen haben sie folgende Bedeutungen:

175 Vgl. zu negativen wie auch positiven (Altruismus) Nutzeninterdependenzen Grüske (1985), S. 137 ff, aus nonnativer Sicht Ober Neid und progressive BesteuerungBös/Tillmann (1983).

I. Indizien ftlr politisch-demokratische IneffiZienz

305

t5 ist ein Parameter zur Erfassung der politischen "Vergessensrate" bei den Wählern. Umgekehrt formuliert, stellt (1-b) eine Diskontrate fiir den Politiker dar, d.h. die Interessen einer Wählergruppe treten mit zunelunendem Abstand T zum nächsten Wahltermin in den Hintergrund. Wollte man ~litische Konjunkturzyklen nachweisen, so wäre dieser Parameter in gleicher Weise zu berücksichtigen. Es gilt: 0 ~ t5 ~ 1 und ot5(T)/ bT < 0. f..lh ist ein Parameter :fiir die Merklichkeil von einnahmepolitischen Entschei-

dungen bei den Wählern. Wie oben diskutiert, dürfte eine Unterschätzung der Abgabenlast wie auch der Zahl einnahmepolitischer Entscheidungen die Regel sein, so daß 0 ~ f.Jh ~ 1 gilt. In dem Term whah gibt wh die Zahl der Wähler in Gruppe h an; :fiir ah muß man die explizite Unterscheidung in begünstigte und benachteiligte Gruppen treffen. So legt a; den Anteil der Wähler in Gruppe i fest, die den Regierungspolitiker durch ihre Stimme unterstützen (0 ~ a; ~ 1); a; stellt gewissermaßen die "unverzerrte" Reaktionsfunktion dar, die direkt von B; (t) abhängt. Analoges gilt umgekehrt :fiir a1, wobei wir aufgrund unserer Konstruktion der Interessenfunktion a1 als Stimmenanteil definieren müssen, der aus den Reihen der Gruppe j direkt gegen den Regierungspolitiker, also :fiir die Opposition, abgegeben wird. Entsprechend müssen wir - was :fiir die Realität problematisch scheint- auch unterstellen, daß die Stimmabgabe "rational" und ausschließlich aufgrund der Einnahmepolitik erfolgt, d.h. in den Begünstigten-Gruppen stimmt niemand :fiir die Opposition, und aus den Belasteten-Gruppen erhält der Regierungspolitiker keine Wähler. Diese Annahme kann man indes unter der Voraussetzung unserer für jede Entscheidung neu erfolgende Gruppenbildung vertreten, da man dann jede einzelne Maßnalune als Grundlage :fiir eine "thematisch begrenzte Abstimmung" auffassen kann, in der (1-ah) in den vier Gruppen jeweils die Anteile der Wähler angibt, die dieser Abstimmung fernbleiben und damit den Regierungspolitiker bzw. die Opposition in der jeweiligen "Ein-Punkt-Agenda" nicht unterstützen. Die beiden Parameter Ph und ßh charakterisieren den zweiten Term der Funktion Eh nämlich Vh, die Unterstützung für den Regierungspolitiker bzw. für die Opposition aus Verbänden, die von Individuen der Gruppen i und j gebildet werden. Ph ist darin ein Parameter für institutionell gegebene Einflußmöglichkeiten der Interessenverbände. Stellen wir uns diese institutionellen Kanäle als "Filter" für die Unterstützung durch organisierte Interessen vor und legen einen Wertebereich zwischen Null und Eins fest, so kann Ph umso näher an Eins liegen, je höher etwa die Zahl der Regierungsmitglieder oder der Abgeordneten 20 Raab

306

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

ist, die dem Anliegen dieses organisierten Interesses positiv gestimmt sind. Ebenso wird man hohe Werte für Ph dann erwarten, wenn sich etwa ein eigenes Ministerium mit dem Themenkreis dieser Verbände aus Gruppe h befaßt (Bsp. Landwirtschaft) oder wenn doch eigene Abteilungen mit festen Ansprechpartnern bestehen. Gute institutionelle Einflußmöglichkeiten kann man ferner unterstellen, wenn in Bevölkerung oder Medien das Anliegen eines Verbandes als wichtig und der entsprechende Verband als kompetent erscheint.

ßh stellt (analog zu ah) eine "unverzerrte" Reaktionsfunktion dar, die für die Transformation von Begünstigungen bzw. Belastungen in Unterstützung für Regierungspolitiker bzw. Opposition verantwortlich ist. So kann man ßh als die Verhandlungs-, Finanz- und Informationsmacht von Verbänden in Gruppe h auffassen, wobei der Wertebereich für ßh zwischen Null und Eins liegen soll; damit kann man darauf verzichten, bei der Existenz von mehreren Interessenverbänden in einer der von uns definierten Gruppen deren jeweilige Widerstände oder Unterstützungen explizit aufzusummieren. 176 Stattdessen kann man sich die Verbände durch eine Art Index zusammengefaßt vorstellen, der in ßh seinen Ausdruck findet und als Funktion für den gesamten Verbandseinfluß aus einer Gruppe dient. ßh hängt dann (positiv, d.h. 8ßh I 8Bh > 0) von der Höhe der Begünstigungen bzw. Belastungen durch die einnahmepolitischen Maßnahmen einerseits und andererseits von verbandsspezifischen Merkmalen wie den Organisationskosten pro Mitglied eh (negativ, d.h. 8ßh I 8ch < 0) und der Mitgliederzahl nh ab. Wenn man für Interessengruppen einen überproportionalen Zusammenhang zwischen Gruppengröße und Organisationskosten pro Mitglied unterstellt, also 8chl 8nh > 0; il-ch/ 8n~ > 0 gilt (wie dies etwa bei Olson der Fall ist), dann wäre der Einfluß der Mitgliederzahl von Verbänden ambivalent. Zwar dürfte mit steigender Mitgliederzahl die Verhandlungs- und Finanzmacht (auch infolge wachsender Beiträge) zunehmen, doch dürfte insbesondere die Informationsmacht unabhängig von der Mitgliederzahl sein. Somit könnte man unter Vernachlässigung der Organisationskosten einen zwar positiven, aber mit abnehmender Rate wachsenden Verbandseinfluß bei steigender Mitgliederzahl unterstellen. Geht man davon aus, daß es eine "optimale" Gruppengröße gibt, die von den längere Zeit schon bestehenden Interessenverbänden in einer Gesellschaft bereits erreicht ist, dann kann man schließen, daß insgesamt wohl eher der negative Einfluß zusätzlicher Mitglieder dominiert, der sich aufgrund überproportional steigender Organisationskosten er-

176 Vgl. zu diesem Vorgehenflorbach (1992), S. 90 f.

307

I. Indizien filr politisch-demokratische IneffiZienz

gibt; insgesamt gilt also: 8Ph/8nh l'J" gelten würde, also dem Regierungspolitiker die durch seine Politik begünstigten Gruppen ideologisch näher stünden als die belasteten. Auch wenn man davon u.U. nicht bei allen einnahmepolitischen Maßnahmen ausgehen kann, so dürfte im Regelfall dieses Verhalten doch dominieren. Eindeutig wäre die Lösung im ersten Fall, wenn nämlich die zweiten Ableitungen der Eh-Funktionen für h = j positiv wären. Dies wäre für B/' plausibel, wenn man davon ausgeht, daß mit zusätzlichen einnahmepolitischen Maßnahmen überproportional steigende Zusatzlasten verbunden sind. Die Funktionen lX.!" sowie ß/' wären dann positiv, wenn man von überproportional steigenden Widerstands-Reaktionen der Belasteten ausgehen könnte. Auch diese Annahme kann durchaus gerechtfertigt sein, bedenkt man, daß diejenigen, die durch zunehmende einnahmepolitische Tätigkeit des Regierungspolitikers belastet werden, ihrem Widerstand in immer massiverer Form Ausdruck verleihen. Insgesamt scheinen die Annahmen, die erforderlich sind, damit auch die hinreichende Bedingung erfüllt ist, keineswegs unrealistisch. Somit unterstellen wir für unser weiteres Vorgehen die Existenz eines Maximums der Interessenfunktion, welches aus der Sicht des Regierungspolitikers ein Optimum bezüglich seines einnahmepolitischen Verhaltens darstellt. Dieses politisch optimale Vorgehen könnte indes höchstens rein zufallig mit einer allokativ optimalen Einnahmepolitik oder gar mit einem konstitutionell effizienten Zustand übereinstimmen. Wir haben unser Modell bewußt so aufgebaut, daß als Grenzfall eine "unverzerrte" Downs'sche Stimmenmaximierung resultieren könnte, die - wie im 3. Kapitel erörtert - unter bestimmten Bedingungen zu genau identischen Parteiprogrammen und zu einer Pareto-optimalen Allokation führen könnte. Somit drücken sich in den Abweichungen unseres Modells von einem "unverzerrten" Downs-Modell öffentliche Transaktionskosten. der Einnahmepolitik von eigennutzorientierten demokratischen Entscheidungsträgem aus.

310

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

dd) Komparativ-statische Analyse

Mit Hilfe der komparativ-statischen Analyse können wir nun Hypothesen über das "optimale" eigennützige Politikerverhalten aufstellen, wenn sich Parameter oder Funktionen, die die "optimale" Einnahmepolitik t* bestimmen, in der Umgebung des Maximums ändern. Zur Vereinfachung der Schreibweise verzichten wir auf den Stern, der die Eigenschaft von I (t*) als Maximum kennzeichnet, und definieren weiter: Z : = 81I 8t; die zweite Ableitung sei oZI Ot :=z < 0 . Mit Hilfe des Satzes über implizite Funktionen kann man die komparativ-statische Analyse durchführen, ohne die explizite Funktion für die politisch optimale Einnahmepolitik t* zu kennen. 178 Wir diskutieren nun, wie sich diese optimale Einnahmepolitik verändern muß, wenn sich (1) die ideologische Einstellung des Politikers gegenüber begünstigten und belasteten Gruppen vh, (2) die Zeit bis zur nächsten Wahl, ausgedrückt in (3) die Wählerzahl in einer Gruppe wh, (4) die Merklichkeil Jih und (5) die institutionellen Einflußmöglichkeiten einer Gruppe Ph ändern, wobei wir zusätzlich berücksichtigen wollen, daß sich mit einer Änderung von Ph die Merklichkeil einnahmepolitischer Maßnahmen verändern kann.

o,

Zu (1), Änderung der ideologischen Einstellung des Regierungspolitikers: Für die Haltung gegenüber begünstigten Gruppen i gilt:

Ot = [ (-1/z)./E;') =(-1/z)f"' ' ' ' für i = 1,3 . (6a) ov L.ß;(OJ.l;W;a;+P;ß;)>O I

I

Wenn also ein Regierungspolitiker einer Gruppe, die von zunehmenden einnahmepolitischen Aktivitäten profitiert, etwa ideologisch bedingt größere Bedeutung beimißt, dann muß er die Zahl der einnahmepolitischen Maßnahmen erhöhen (und umgekehrt), um wieder ein Maximum an "Unterstützungseinheiten" zu realisieren. Analog gilt für die Haltung gegenüber belasteten Gruppen}: (6 b)

Ot . =(-1/z)(-g)L.Bj(opjwjaj+Pßj) 0 fiir i,k = 1,3; 8pk i=k i=k 8pk I 8t ' ' ' ' OJ.i j . . (lOb)-= (-1/z)(-g)(L vßß1 + L v1& 1aß1 - ) ,:)'B,.h B (1 ) C/. ij

+ Eij

L

tih

h~j

---a;-

. 8BiJ tiJ . . mit &iJ:=----; 1 = l, ... ,N; h,J = l, ... ,J. 8tiJ BiJ

ij

Der Summenterm im Nenner erklärt, wie sich andere Aktivitäten h des Steuerzahlers verändern, wenn Aktivitätj besteuert wird. Dies ist die Verallgemeinerung von (4), d.h. die politischen Kosten müssen an der Grenze- also je zusätzliche Einheit an Steueraufkommen - für alle steuerpflichtigen Aktivitäten jedes Individuums und über alle Individuen für jede Aktivität übereinstimmen. Damit ist die Steuerstruktur auch von der Wirtschaftsstruktur und dem Strukturwandel abhängig: Wenn Individuen ihre Aktivitäten ändern, muß sich auch die politisch optimale Steuerstruktur ändern. Die Optimums-Bedingung (4') erklärt auch, warum Steuersysteme komplex sind: Würden Politiker die Belastungen aus individuellen Steuerzahlungen und Zusatzlasten nicht über alle Aktivitäten und alle Individuen anzugleichen versuchen, so würde die Opposition wachsen. Deinnach würde man also in der ersten Erweiterung des Modells bei N Steuerzahlern mit J Aktivitäten im Optimum N x J verschiedene Steuersätze erhalten. In der Tat beobachtet man indes genau dies nicht. Vielmehr werden in der Realität sowohl Gruppen von Individuen als auch ähnliche Aktivitäten jeweils zusammengefaßt. Daraus kann man schließen, daß eine andere Art von Kosten den aus dieser Zusammenfassung folgenden Anstieg der politischen Kosten, also den Unterstützungsverlust, mindestens kompensieren muß, nämlich die administrativen Kosten der Erhebung dieser Steuern mit N x J verschiedenen Steuersätzen. Sie könnten so große Anteile des Steueraufkommens in Anspruch nehmen, daß die Zusammenfassungtrotz erhöhten politischen Widerstandes insgesamt lohnend werden kann, weil mehr öffentliche Mittel für ein höheres Angebot an öffentlichen Leistungen zur Verfügung stehen würden. Betrachten wir zunächst das Problem der Zusammenfassung von Steuerpflichtigen in Steuerklassen; diesen Zusammenhang zeigt Abb. 33 auf:

346

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

Grenzgewinn oder -vertust an erwarteter

B

A

Unlen!OI:zung

AA Kwve der steuerlichen Diskriminierung

BB Kwve der steuer-

lichen Administration

B

A K*

Abb. 33: Die politisch optimale Zusammenfassung in Steuerklassen QueUe: Hettich/ Winer (1988), S. 707.

Wenn ganz allgemein N Individuen in K Steuerklassen eingeteilt werden, dann ist diese Zusammenfassung genau dann politisch optimal (führt also zu den geringsten Verlusten an Unterstützung), wenn die Variation der politisch optimal diskriminierenden Steuersätze innerhalb einer Klasse minimal wäre. In der Abb. 33 zeigt die Kurve AA die jeweiligen Minderungen des Verlusts an politischer Unterstützung, wenn die Klassenzahl um eine erhöht wird. Die Kurve BB gibt entsprechend an, wie der Verlust an politischer Unterstützung wächst, wenn die Klassenzahl um eine erhöht wird. In K* sind diese Grenzverluste gleich, d.h. der Politiker wird hier die optimale Klassenzahl errichten. Eine allgemeine Lösung für dieses Problem enthält, wenn jeder Steuerzahler in allen Aktivitäten J besteuert wird, vier Elemente, die jeweils von der Klassenzahl ~· abhängen: - 8Sf8k1 zeigt die Verminderung des Verlusts an Unterstützung, wenn die Klassenzahl erhöht wird; - 8Af 8k1 mißt die Erhöhung der administrativen Kosten bei Erhöhung der Klassenzahl k1; - 8Rf 8k1 gibt die Änderung des Aufkommens bei Erhöhung der Klassenzahl ki an; - A. = 8b; f 8G stellt die zusätzliche Unterstützung dar, die dem Politiker zufällt, wenn er eine Einheit mehr für öffentliche Leistungen ausgeben kann. Im Gleichgewicht muß dann gelten: (5)

-A. =

(8Sf8k1 ) (8Af8k1 ) -(8Rj8k1 )

j

=1,2, ...,J.

II. Erhebungsefiizienz: Erhebungskosten und Struktur des Einnalunesystems 347

Diese Bedingung (5) besagt, daß die Grenzreduktion an politischer Unterstützung pro Einheit "Netto-Administrationskosten" über alle Aktivitäten gleich sein muß. Man erhält sie aus der Minimierung der Zielfunktion (2 a")

U=

N

L[bi (G*) -bi (G) ]+S(kt>··· · k 1 ;t*) i=l

unter der Nebenbedingung R(k1 , ••• ,k1 )

=G +A(kl>···•kJ ).

Dabei ist 8Sf 8k1 < 0, und (G*;t *) repräsentieren das optimale Niveau öffentlicher Leistungen sowie den Vektor der N x J optimalen Steuersätze, die sich ohne Kosten der Administration ergeben. Erst die Nebenbedingung ist um diese Kosten enveitert, d.h. das Steueraufkommen R wird vollständig fiir öffentliche Leistungen G und Erhebungskosten A ausgegeben. Der erste Term der Zielfunktion beschreibt den Verlust an Unterstützung, der sich ergibt, weil aufgrund der Klassenbildung ein - verglichen mit der optimalen Lösung (G*;t*) -vermindertes Aufkommen fiir öffentliche Leistungen zur VerfUgung steht. Der zweite Term der Zielfunktion beschreibt den wachsenden Widerstand gegen die Besteuerung, der - verglichen wiederum mit der optimalen Lösung individueller Steuersätze - infolge der Einteilung der Zensiten in Steuerklassen resultiert. 249 Wenden wir uns in einem zweiten Schritt nun der Zahl der steuerbaren Aktivitäten zu: Die Frage der Klassenbildung (etwa nach Einkommen) kann man nicht nur auf Individuen anwenden, sondern ähnlich auch auf die Zahl der Bemessungsgrundlagen fiir jedes Individuum. Dann werden unterschiedliche, aber eng venvandte Tätigkeiten zu K gemeinsamen Bemessungsgrundlagen zusammengefaßt. Hier stellt sich aufgrund der Beobachtungen in der Realität darüber hinaus vor allem die Frage nach der Begründung fiir Ausnahmeregelungen, d.h. Tatbestände, die nicht zur Bemessungsgrundlage rechnen. Zur Veranschaulichung der folgenden Argumentation dient die Abb. 34: 249 Ein minimaler Verlust aus der Klassenbildung ergibt sich aus der folgenden Überlegung: Ohne Klassenbildung lautet die notwendige Bedingung:a;k + mt;k= g;k- ht;k bzw., umgeformt: t;k* = (g;k- O;k) I (m + h); i = l, ... ,nk: k = l, ...,K. Die linke Seite, a;k + mt;k, druckt die politischen Grenzkosten der Besteuerung von Person i in Gruppe k aus, die rechte Seite, g;k - ht;k, den Grenznutzen aus einem (durch höhere Steuersitze ermöglichten) erhöhten öffentlichen Leistungsangebot Wenn K < N Steuerklassen existieren und ein Steuersatz t;k auferlegt wird, der vom politisch optimalen Steuersatz t;k * abweicht, so filhrt dies zu einem Verlust an Unterstützung jedes einzelnen Steuerzahlers. Dieser ist gleich dem Integral aus der Differenz zwischen politischen Grenzkosten und Grenznutzen über das Intervall von t1k • bis t;k. Dieses errrechnet sich aus obiger Gleichung als v (t;k- t;k*)', wobei v = (m + h) 12 ist. Der Gesamtverlust einer einheitlichen Besteuerung kann so gering wie möglich gehalten werden, wenn Steuerzahler so auf Klassen aufgeteilt werden, daß die Abweichung der Steuersitze vom politisch optimalen in jeder einzelnen Klasse minimiert wird.

348

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und ErhebungseffiZienz

Aktivität

Steuer~---+---zahl er

Bemessungsgrundlage 1 mit Ausnahmetatbestand

Bemessungs· grundJage 2

Abb. 34: Ausnahmeregelungen bei mehreren Steuerzahlern mit unterschiedlichen steuerbaren Aktivitäten QueUe: Hellicht Winer (1988), S. 708.

Hier werden zwei Steuerzahler betrachtet, die jeweils vier verschiedene potentiell steuerbare Aktivitäten ausführen. Würden keine administrativen Kosten anfallen, so sei angenommen, der Politiker würde bei Steuerzahler 1 die Tätigkeiten 1 und 2 zur ersten Bemessungsgrundlage zusammenfassen und die Aktivitäten 3 und 4 zur zweiten; diese beiden Bemessungsgrundlagen würden dann jeweils eigenen Steuertarifen unterliegen. Für den Steuerzahler 2 wäre eine politisch optimale Besteuerung dann gegeben, wenn die ersten drei Aktivitäten zusammengefaßt und mit einem Steuertarif belastet würden und wenn nur die Tätigkeit 4 als separate Bemessungsgrundlage betrachtet und gesondert besteuert würde. Wenn indes diese individuelle Zusammenfassung von Aktivitäten zu Bemessungsgrundlagen und deren individuelle Besteuerung mit administrativen Kosten verbunden ist, dann kann der Regierungspolitiker erwägen, für beide Zensiten jeweils die ersten drei Aktivitäten zur Bemessungsgrundlage 1 zusammenzufassen und diese sowie Aktivität 4 als zweite Bemessungsgrundlage jeweils einheitlich zu besteuern. Abhängig von den Kosten könnte er weiterhin eine Regelung vorsehen, die es dem Steuerzahler 1 erlaubt, für Tätigkeit 3 einen Abzugsbetrag anzusetzen oder eine Steuerbefreiung zu erwirken. Anders ausgedrückt: Die allgemeine Lösung in Gleichung (5) würde eine differenzierte Steuerstruktur für jede Tätigkeit fordern. Da dies administrativ zu aufwendig wäre, kann es politisch lohnend sein, zwar mehrere Tätigkeiten in einer

Il. Erhebungsefftzienz: Erhebungskosten und Struktur des Einnahmesystems 349

Bemessungsgrundlage zusammenzufassen, dabei aber fiir bestimmte Aktivitäten Sonderregelungen vorzusehen. 250 c) Zur Interpretation der Modellergebnisse Die wesentlichen Elemente einer Steuerstruktur wurden endogen erklärt: Steuertarife, Bemessungsgrundlagen und Ausnahmeregelungen; diese Elemente sind interdependent und können nur gemeinsam bestimmt werden. Ihre Kombination hängt aus Sicht politischer Entscheidungsträger von drei Faktorgruppen ab: (1) von ökonomischen Reaktionen der Individuen auf die Besteuerung, d.h. von kurz- und langfristigen Substitutionsreaktionen; (2) von politischen Reaktionen der Individuen (auf individueller und kollektiver Ebene) und (3) von den Kosten der Administration des Steuersystems. Veränderungen innerhalb dieser drei Gruppen von exogenen Faktoren bestimmen auch die Richtung der Evolution von Steuersystemen. Zu den exogenen Größen des Modells kann man dabei zum einen "traditionelle" Determinanten wie etwa den Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft einschließlich ihrer demographischen, räumlichen und sektoralen Strukturen rechnen, die insbesondere die Möglichkeiten der Besteuerung bzw. die Wahl von Bemessungsgrundlagen beeinflussen. Ferner zählen zu den exogenen Faktoren auch "klassische" mikroökonomische bzw. finanzwissenschaftliche Tatbestände wie Überwälzungsmöglichkeiten und Substitutionselastizitäten zwischen besteuerten und unbesteuerten Gütern, daneben aber auch "modernere" Einflußfaktoren wie etwa das Wahlverhalten und die Stärke der Opposition, die Bedeutung von Interessengruppen in bestimmten Wirtschaftssektoren oder die bürokratische Organisation, speziell in der Finanzverwaltung. Insofern kann dieses Modell nicht nur die weiter oben diskutierten Faktoren nach Alt (1983) oder nach Rettich! Winer (1984) integrieren,251 sondern auch als Grundlage fiir empirische Untersuchungen des gesamten Einnahmesystems dienen. 252• 253 250 Vgl. zu diesem Problembereich Heffich/ Winer (1988), S. 708 f. 251 Siehe unsere obige Diskussion sowieAlt (1983), S. 181 f, undHeffichl Winer (1984), S. 71 ff. 252 Mit Hilfe einer etwas modifizierten Form dieses Modells prüften Winerl Heffich (1991) die

Entwicklung von Zollaufkommen, Einnahmen aus speziellen Verbrauchsteuern (die indes weitgehend konstant blieben) und Staatsverschuldung in Kanada zwischen 1871 und 1913. Obwohl die gewllhlten Indikatoren :fllr administrative Kosten die Entwicklung nur in geringem Maße erklären konnten, ließ sich ein Einfluß politischer und ökonomischer Faktoren gut nachweisen; siehe zu den Ergebnissen der Schätzungen detaillierter Winerl Heffich (1991), S. 231 ff. In Zusammenhang mit der Staatsverschuldung sei auch auf das Modell von Green (1993), S. 31 ff, zur Dynamik der Schuldenquote (defmiert als Schuldenstand I nominalem Volkseinkommen) und der damit einhergehenden Entwicklung vom Steuerstaat zum Schuldenstaat hingewiesen.

350

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

Der integrative Charakter des Modells erlaubt es, zwei weitere Aspekte zu diskutieren, die geeignet scheinen, unsere Aufspaltung des Effizienzbegriffes nach den zugrundeliegenden Modell-Annahmen über die Träger der Einnahmepolitik zu rechtfertigen, zugleich aber auch Verbindungen zwischen den Modellen aufzuzeigen: (1) die Möglichkeit einesOperierensauf dem fallenden Ast einer langfristigen Laffer-Kurve und (2) die Folgen des politisch-demokratischen Optimierungsverhaltens für die Effizienz im Vergleich zu den Ergebnissen der normativen Optimalsteuer- und Leviathantheorie. 254 ad (1): Relevanz von Laffer-Kurven bei politisch-demokratischer Optimierung In unseren Ausführungen zur konstitutionellen Effizienz hatten wir uns insbesondere auf Laffer-Kurven gestützt, um Abweichungen von einem konstitutionellen Optimum nachzuweisen. Angesichts der Annahmen des LeviathanModells war dies zwar ein durchaus nützliches Vorgehen, doch deuteten wir bei der empirischen Überprüfung der Hypothese, Industriestaaten würden sich auf dem fallenden Ast der Laffer-Kurve befinden, bereits die Probleme einer Übertragung auf Demokratien an. Entsprechend konnte diese Hypothese (mit Ausnahme vielleicht von Schweden) relativ klar abgelehnt werden. Ein besseres Verständnis für diese Ergebnisse können wir durch das Grundmodell von Rettich und Winer gewinnen, weil hier nämlich politisches Optimierungsverhalten eine Position auf dem fallenden Ast eindeutig ausschließt, wenn erstens die politische Opposition mit wachsenden Steuersätzen kontinuierlich steigt und zweitens ein wachsendes Aufkommen mit entsprechend erhöhten öffentlichen Leistungen einhergeht, die einem Politiker noch eine zusätzliche (positive) Unterstützung verschaffen können. Für die erste dieser beiden Voraussetzungen müssen beide Terme im Zähler der notwendigen Bedingung (4) größer Null sein, wovon man in der Regel ausgehen kann. Wenn ferner B; und .A., also die marginale individuelle Unterstützung in Abhängigkeit vom Leistungsangebot G, größer Null sind, dann muß auch (1 + tj) im Nenner von (4) größer Null bzw. bi > -1 sein. Würde bei einem bestimmten (individuellen) Steuersatz ein Individuum auf den fallenden Ast "seiner" Laffer-Kurve gelangen, dann würde sich die Regierung der Opposition durch dieses Individuum ausgesetzt sehen und sich dazu Steuereinnahmen entgehen lassen, mit denen sie sich zusätzliche Unterstützung durch ein vermehrtes

253 Vgl. ferner die Untersuchung von Feenbergl Rosen ( 1987), die indes keinen Einfluß der Steuerstruktur, insbesondere der Einkommenselastizität als ökonomischem Faktor, auf das Wachstum des öffentlichen Sektors nachweisen konnten; ausfiihrlicher die Schätzergebnisse ebd., S. 21 ff. 254 Vgl. zu diesen Aspekten ansatzweise auch Hettichl Winer (1988), S. 709 ff.

II. Erhebungsetflzienz: Erhebungskosten und Struktur des Einnahmesystems 351

Angebot an öffentlichen Leistungen sichern könnte. Erst wenn man das Grundmodell erweitert und heterogene Steuerzahler aufgrund administrativer Erwägungen in Klassen einteilt, könnte es für einige wenige Individuen aufgrund der Gruppierung dazu kommen, daß sie ab einem gewissen KlassenSteuersatz auf den fallenden Ast ihrer jeweiligen "individuellen" Laffer-Kurve gelangen. 255 ad (2): Folgen hinsichtlich der Effizienz von Einnahmesystemen Mit den Überlegungen zur Relevanz von Laffer-Kurven sind zugleich die wesentlichen Unterschiede zwischen der politischen Maximierung von Unterstützung und der bloßen Aufkommensmaximierung des Leviathan angedeutet. Da dieser die politischen Beschränkungen nicht betiicksichtigen muß, wird seine Einnahmestruktur im wesentlichen von ökonomischen Faktoren geprägt, also insbesondere von der maximalen Ergiebigkeit der konstitutionell zugebilligten Einnahmequellen. Würden dem Leviathan administrative Kosten entstehen, läge es auch in seinem Interesse, Individuen in Klassen einzuteilen. Dabei müßte er indes im Gegensatz zum demokratischen Regierungspolitiker keine Rücksicht auf die Frage nehmen, wie sich in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Einkommensverluste durch die Besteuerung in politischem Widerstand niederschlagen, sondern könnte die Zensilen allein aufgrund ihrer unterschiedlichen Möglichkeiten zur Steuerausweichung klassifizieren. Eine Beurteilung der Ergebnisse politisch-demokratischer Maximierung am Maßstab unserer konstitutionellen Effizienz würde also allein deshalb zu Abweichungen von einem "konstitutionell optimalen" (d.h. von einem innerhalb gegebener verfassungsrechtlicher Schranken einnahmemaximierenden) Regierungsverhalten führen, weil der demokratische Politiker dem Widerstand von "politisch mächtig" eingeschätzten Gruppen mehr Gewicht zubilligen muß als der Opposition von "politisch unbedeutenden" Bevölkerungsklassen. 256 Zum zweiten normativen Ansatz, der Optimalsteuertheorie, besteht eine gewisse formale Ähnlichkeit insofern, als in der Wohlfahrtsfunktion, die unter der Nebenbedingung eines gegebenen zu erzielenden Steueraufkommens maximiert wird, den individuellen Nutzen (exogene) Verteilungsgewichte zuge-

255 Vgl. Hettichl Winer (1988), S. 709. 256 Entsprechend müßten filr empirische Untersuchungen insbesondere geeignete Indikatoren fiir administrative Faktoren sowie fiir die politischen WiderstAnde unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen gefunden werden. Vgl. Hettichl Winer (1988), S. 710, sowie Winerl Henich (1991), S. 227 ff und S. 230 f, fiir eine ausfUhrliehe Erörterung zu geeigneten Größen; siehe ferner unsere Diskussion weiter oben im Anschluß an unseren lnteressenfunktions-Ansatz.

352

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

ordnet werden. 257 Eine effiziente gleichgewichtige Lösung entsteht in diesem neoklassischen Modellrahmen, wenn eine zusätzliche Einheit an Steueraufkommen aus allen verfügbaren Steuerarten die gesellschaftliche Wohlfahrt in gleicher Höhe ändern würde. Im Gegensatz dazu fordert die Bedingung erster Ordnung (4) im polit-ökonomischen Modell, daß die Änderung der erwarteten politischen Unterstützung aus einer zusätzlichen Einheit an (Netto-) Aufkommen über alle Einnahmearten gleich ist, damit ein politisch optimaler Zustand erreicht wird. Allokativ effizient im Sinne der paretianischen Wohlfahrtsökonomik wäre dieses politische Optimum also nur fur den - höchstens rein zufällig möglichen - Fall, daß fur jedes Individuum die Verteilungsgewichte des "weisen Dikatators" mit den politischen Einflußgewichten des unterstützungsmaximierenden demokratischen Politikers übereinstimmten. Rettich und Winer schätzen ein im Demokratiemodell allgemein resultierendes "politisches Optimum" hinsichtlich der "Effizienz" daher treffend ein: "If we interpret tax structure as the long-run equilibrium of a competitive political system in which political opposition depends on the loss in full income, no political party can offer an alternative tax system generating the same political support with a lower welfare loss for any individual. In this sense tax structure is efficient for the existing set of political institutions (Hervorhebung vom Verfasser). This does not mean that an alternative set of institutions could not yield a better tax system. The argument does, however, direct debate on tax reform toward the redesign of political institutions. "258

C. Öffentliche Transaktionskosten und strukturelle Änderungen des Einnahmesystems: Dynamische Sicht von Steuerreformen

Als letzten Aspekt dieses Kapitels werden wir - ähnlich wie fur Transaktionskosten im privaten Sektor - die dynamischen Folgen von öffentlichen Transaktionskosten fur das Einnahmesystem kurz aufzeigen. Hierzu greifen wir auf einen Interessenfunktions-Ansatz zurück, der das Zustandekommen von (selbst mit Änderungskosten verbundenen) Steuerreformen unter anderem als Folge von Steuerausweichung bzw. -hinterziehung, Folge- und Erhebungskosten erklärt. 259 257 Indes werden in der wohlfahrtsökonomischen Besteuerungstheorie die Bemessungsgrundlagen als exogen angesehen, und Aspelcte der Steuerstrulctur konzentrieren sich lediglich auf die Frage nach der Vorteilhaftigkeit direlcter oder indirelcter Steuern aus Effizienz- und Verteilungsgesichtspunlcten; vgl. hierzu auchHettich/Winer (1988), S. 710, sowie unsere Analyse im 4. Kapitel. 258 Hettich/ Winer (1988), S. 711. 259 Basis filr die folgenden Überlegungen ist der Artikel von van Velthovenl van Winden (1991).

Il. Erhebungseffizienz: Erhebungskosten und Struktur des Einnalunesystems 353

Unterstellt sei dabei ein Steuersystem mit einem einheitlichen Steuersatz auf Arbeitseinkommen, der im politischen Prozeß festgelegt wird und in den die Präferenzen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen bezüglich privater und öffentlicher Güter gewichtet eingehen. Ein Individuum k habe dann die folgende log-lineare Nutzenfunktion bezüglich privaten Gütern x, Freizeit z und öffentlichen Gütern G: (1)

Dabei unterliegt das Individuum einer Budgetbeschränkung der Form: (2)

pxk =ydk =[1-f(l-rceJ-rc-1))-rccJ-rc-IJ]wk.

Hier stellen p das Preisniveau ftir Marktgüter, Ydk das verlUgbare Einkommen und wk den Bruttolohn dar. Letzterer ergibt sich als wk = h (a-zk), wobei h ftir den Lohnsatz pro Stunde, a ftir die maximal mögliche Arbeitszeit und zk ftir die Freizeit von k stehen. Ferner steht -r ftir den Steuersatz auf Lohneinkommen, so daß sich das verlUgbare Einkommen ohne öffentliche Transaktionskosten als y dk = wk - nvk ergeben würde. Indes fuhren die beständigen Bestrebungen von Individuen, der Besteuerung legal oder illegal auszuweichen, im Lauf der Zeit zu einer "Erosion der Bemessungsgrundlage";260 dem wird bei Annahme einer zeitlichen Verzögerung um eine Periode durch den Term i'ceJ'T(.J) Rechnung getragen, d.h. das Individuum versteuert nicht nvk> sondern nur nvk[l-J'(eJ'T(.J)1· Dazu entstehen ihnen Folgekosten und Transaktionskosten der Information, Durchftihrung und Kontrolle fiir Maßnahmen zur längerfristigen Steuerausweichung, die das verfiigbare Einkommen weiter um den Term Wki'(c)'T(-l) verringern; erneut liegt die Annahme einer einperiodigen Verzögerung zugrunde.261 Daneben resultieren infolge der steuervermeidenden Aktionen Zusatzlasten, die in Wki'(c)'T(-l) ebenfalls enthalten sind; so kann man insgesamt von einer mit wachsendem marginalen Steuersatz steigenden Rate öffentlicher Transaktionskosten ausgehen.262

260 Vgl. hierzuAlt (1983), S. 210 ff, oderden internationalen Vergleich in OECD (1990), S. 33 ff und insbesondere ebd., S. 43 ff, fiir ausgewählte Ergebnisse zu deren Entwicklung im Zeitablauf 261 Beide Terme, Y(e)'t(-1) und Y(c)'t(-1 ), werden hier als Anteile des Bruttoeinkommens verstanden. 262 Das individuelle Erfiillungs- bzw. Ausweichverhalten wird hier nicht näher untersucht Alm/ BahVMurray (1990), S. 604 f, entwickelten hierzu ein Modell, in dem die Grenzbelastung durch Steuern, Beiträge zur Sozialversicherung und auch die Vorteile hieraus neben der Entdeckungswahrscheinlichkeit und der Strafe filr Hinterziehung eine Rolle spielten. Interessanterweise stellten sie in einer empirischen Untersuchung filr Jamaica ebd., S. 610 ff, gerade filr die letzten beiden Faktoren das Erfilllungsverhalten eher negativ, während Anreize über die Grenzbelastung die Befolgung der Steuergesetze verbessern konnten. 23 Raab

354

5. Kapitel: Politisch-demokratische Eflizienz und ErhebungseffiZienz

Da das Individuum die Menge an öffentlichen Gütern G und den Steuersatz

t als gegeben ansieht, erhält man die optimale Anzahl an Arbeitsstunden als a [&k1 I (&k1+st-2)]; damit sind Freizeit und Bruttolohn also unabhängig von der

politischen Entscheidung über Steuersätze und öffentliches Leistungsangebot Faßt man mit Ak diese und alle weiteren vom politischen Prozeß unabhängigen Variablen zusammen und verwendet die obigen Gleichungen, so kann man (1) umschreiben in:

(3) wobei Pk dann nur noch eine Funktion von -rund G ist, die man als Interessenfunktion eines repräsentativen Individuums k auffassen kann. 263 Im politischen Prozeß verfolgt ein Regierungspolitiker ebenfalls ein Maximierungsziel; seine Interessenfunktion lautet:

(4)

~

=Ay/ G 1

02 ;

o1 ,o2 ~0,01 +02 =1.

In (4) stellen ~ und 0;. relative Präferenzgewichte der Interessen im politischen Prozeß dar; fiir unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen k mit einem politischen Einfluß von A.k erhält man sie als 1 = LAk&k1 ; 2 = LAk&k3 •

o

k

o

k

Das durchschnittliche verfügbare Einkommen Yd ergibt sich analog (2), wenn man w als durchschnittlichen Bruttolohn einsetzt, als: (5)

Yd =[1--r(1-r(e)-r(-1))-Y(e)-r(-1)]w.

Die Regierung maximiert also ihre Interessenfunktion (4) unter der Nebenbedingung (5) sowie der Budgetrestriktion, die sich bei n Steuerzahlern wie folgt ergibt:

(6)

-r(l-r(e)-r(-J))wn =G+r(a)m>n.

Hier zeigt die linke Seite die Staatseinnahmen, die vom gesamten Bruttoeinkommen wn, vom Steuersatz -r sowie vom Grad der Erosion der Bemessungsgrundlage ~e)-r(. 1 ) abhängen. Diesen Einnahmen stehen Ausgaben fiir G sowie fiir die zur Erzielung des Aufkommens in der laufenden Periode erforderlichen administrativen Kosten ~a)-r gegenüber. Aus der Maximierung von (4) bezüglich -r und G erhält man die beiden "politisch optimalen" Bedingungen erster Ordnung:

263 Der Verweis auf ein (filr eine Bevölkerungsgruppe) repräsentatives Individuum wird sinnvoll, wenn man akzeptiert, daß rein individuelle Interessen im politischen Prozeß keine BerQcksichtigung finden; vgl. van Velthovenlvan Winden (1991), S. 71.

II. ErhebungseffiZienz: Erhebungskosten und Struktur des Einnahmesystems 355 -r=

(7)

t52 ( 1- Y(c) 1"(-1)); 1- Y(e)-r(-1)

(8)

G=t52 (1-rcc)-r(-l))(l

Y(a)

1- Y(e)-r(-1)

)

wn.

Mit Hilfe von (7) und (8), eingesetzt in (4), kann man die komparativ-statische Analyse durchführen und dabei jeweils den partiellen Einfluß von Y(c)• Y{e)• Y{a)• ~und -rc. 1>auf die gleichgewichtigen Optimalwerte für -rund G sowie für Yd und Ps zu einem bestimmten Zeitpunkt t angeben. Tabelle 15 zeigt die Ergebnisse der komparativ-statischen Analyse in übersichtlicher Form. Tabelle 15

Ergebnisse der komparativ-statischen Analyse im Grundmodell G

Yd

P.

-

-

-

1(e)

+

-

0

1(iz)

0

-

0

-

bi

+

+

1{-t)

±

-

\auf ... Einfluß von ... 1(c)

T

-

±

-

QueUe: Van Velthoven/ van Wutden (1991), S. 73.

Auffaltig hieran ist insbesondere der negative Einfluß aller drei Arten von öffentlichen Transaktionskosten auf das Angebot öffentlicher Güter G und den Wert des politischen Nutzens Ps. Demgegenüber variiert das Verhältnis zum gleichgewichtigen Steuersatz: Nimmt die Erosion der Bemessungsgrundlagen zu, so muß er steigen, während erhöhte "compliance costs" 264 zu einem niedrigeren Wert von -r im neuen Gleichgewicht führen würden. Unmittelbar einsichtig ist auch, daß sich veränderte administrative Kosten nicht in der Steuerbelastung niederschlagen, sondern den Regierungspolitiker zwingen, die öffentlichen Ausgaben zu senken. 265

264 "Compliance costs" sind Kosten der Information Ober und Durchfilhrung von steuerlichen Strategien, die man im Deutschen besser als Erfiillungskosten im weiteren Sinne bezeichnen sollte. 265 Im einzelnen sind diese Ergebnisse so plausibel, daß hier auf eine ausfilhrlichere Diskussion verzichtet werden kann. Siehe hierzu auch van Velthovenl van Winden (1991), S. 73 f. 23*

356

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

Interessante dynamische Aspekte ergeben sich insbesondere aus Gleichung (7) für den Steuersatz. Dieser könnte ohne "compliance costs" und ohne Erosion der Bemessungsgrundlage genau ~entsprechen, also dem relativen effektiven Interesse an kollektiven Leistungen. Gilt indes }1c) < }1e)• dann muß erstens r gößer als ~ sein, und zweitens ist genau dann auch 8-rfihc-t) > 0. Mit anderen Worten, wenn die Steuerausweichung größer als die "compliance costs" wäre, müßte der Steuertarif einer monoton steigenden Entwicklung folgen, die ihrerseits zu einem monotonen Sinken des maximalen Wertes fiir Ps fiihrt. Geht man ferner von einen Erfahrungsgewinn der Zensiten im Umgang mit steuerlichen Strategien aus, so kann man durchaus von einem im Zeitablauf sinkenden Verhältnis von Jtc) I }1e) auch auf Werte kleiner als Eins ausgehen; damit scheint die beschriebene dynamische Entwicklung als nicht unwahrscheinlich. Daher erscheint es sinnvoll, nun eine Steuerreform als Alternative zu betrachten, die dem Politiker die Möglichkeit eröffnen kann, sich dem sinkenden Trend seines Nutzens zu entziehen, wenn die Reform geeignet ist, die Erosion der Bemessungsgrundlagen und die "compliance costs" zu reduzieren. Zur Vereinfachung sei unterstellt, der Politiker könne eine Steuerreform durchfUhren, die sowohl }1c) als auch }1e) auf Null reduziert, aber einmalig in der Reformperiode im Staat zu Refomkosten von C und bei den n Individuen jeweils zu Anpassungskosten von c führt; die administrativen Kosten sollen von der Reform nicht beeinflußt werden. Für das Jahr der potentiellen Reform müßte man C auf der rechten Seite der staatlichen Budgetrestriktion (6) addieren und c bei jedem Individuum von der rechten Seite der individuellen Budgetrestriktion, also der Gleichung (5) fiir das verfiigbare Einkommen, subtrahieren. Dann entstehen neue Optimalbedingungen fiir rund G (in den folgenden Gleichungen zur Unterscheidung mit einem "*" gekennzeichnet), die im Reformjahr an die Stelle von (7) und (8) treten: (9)

c

(10)

Erneut kann auf Basis der Optimalbedingungen (9) und (10), eingesetzt in (4), die komparativ-statische Analyse durchgeführt werden. Tabelle 16 zeigt jeweils den partiellen Einfluß von }1a)• c, C und ~ auf die gleichgewichtigen Optimalwerte fiir r* und G* sowie fiir Yd* und Ps *im Reformjahr.

li. Erhebungseffizienz: Erhebungskosten und Struktur des Einnahmesystems 357 Tabelle 16

Ergebnisse der komparativ-statischen Analyse für das Jahr der Steuerreform

\auf ...

f*

G*

+

-

Einthili von ... 1(a)

c

-

c

+

-

~

+

+

Ytl*

-

-

P* 6

-

±

Quelle: Van Velthoven/van Winden(J991), S. 16.

Auch hier leuchten die Ergebnisse unmittelbar ein: Da eine Reform Kosten im Staat und für die Individuen verursacht, muß der Reformpolitiker mit einer umso stärkeren Verminderung seines Nutzens rechnen, je höher diese ausfallen, zumal das verfügbare Einkommen der Individuen für alle drei Kostenarten sinkt. Am interessantesten scheint die erste Spalte von Tabelle 16 für den Steuersatz im neuen Gleichgewicht. Er kann vom Politiker umso höher festgesetzt werden, je höher die laufenden administrativen Kosten 1i:a) und die einmaligen staatlichen Anpassungskosten C sind; dies deutet auf eine Art von "politischer Überwälzbarkeit" dieser Kostenarten hin. Durch das Einsetzten von (9) und (10) in (4) erkennt man zugleich, ob es sich für den Politiker überhaupt lohnt, die Steuerreform durchzuführen. Dies träfe zu, wenn die maximale politische Unterstützung bei Durchführung der Reform trotz der insgesamt anfallenden Reformkosten C und nc höher wäre als die maximale politische Unterstützung ohne Steuerreform, also mit Erosion der Bemessungsgrundlagen und Erfüllungskosten i.w.S. Diese Bedingung, Ps * > Ps, ist genau dann erfüllt, wenn (in expliziter Form) gilt:

(ll)

w-c-

C

(1- Y(a) )n

(1- Y(c)'f(- l))w

~~- 1>

Yca) ] Y(e) "C-1)

61

1- Y(a)

Mit Hilfe dieser Beziehung kann der Einfluß der verschiedenen Parameter auf die Wahrscheinlichkeit einer Steuerreform diskutiert werden, wobei wir am Ende auch die Annahme aufgeben können, daß eine Reform 1(c) und 1'i:e)

358

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

aufNull reduziert. 266 Die rechte Seite der Ungleichung (11) nimmt genau den Wert Eins an, wenn Y{a) = 0 und/ oder wenn Y{e)T(-I) = 0 gilt; andernfalls wird sie kleiner als Eins. 267 Für den Fall administrativer Kosten von Null besteht dann immer ein Anreiz für Reformen, solange die einmaligen Reformkosten C + cn kleiner als C + cn < wnY(c)T(.J), also die gesamten Erfüllungskosten i.w.S. wären. Für administrative Kosten größer Null ist dagegen keine eindeutige Aussage möglich, da sich mit zunehmenden administrativen Kosten sowohl die Werte von Ps als auch von Ps • verringern würden. Einfach abzulesen sind die Einflüsse von Y(e) und T(.J) auf die Wahrscheinlichkeit einer Reform: Je höher das Niveau der Besteuerung und die "Erosion der Bemessungsgrundlage" bereits sind, desto wahrscheinlicher wird die Steuerreform, auch wenn Y{a) > 0 gilt. Dies ist unmittelbar einsichtig, da beides die politische Unterstützung für eine Regierung in zunehmendem Maße verringert, wie bereits oben diskutiert. Das gleiche gilt auch für Y{c)' die Rate der Erfüllungskosten i.w.S.: Je höher sie liegt, desto wahrscheinlicher wird eine Reform, denn mit wachsendem Y(c) wird der Wert des Terms auf der linken Seite der Ungleichung (11) größer. Sofern (realistischerweise) 0 < ~ 0 und/ oder Y{e) > 0 wären; die Ungleichung wäre dann immer erfüllt. Je größer diese Einführungs- und Anpassungskosten der Steuerreform sind, desto weniger wahrscheinlich wird indes die Reform. Die Bedeutung von C und c ist dabei noch in gewissem Maße unterschiedlich, da C direkt in die staatliche Budgetbeschränkung eingeht, damit auch G beeinflußt und so für den Reformpolitiker auch direkt zu einer Einbuße an Unterstützung führt. Die individuellen Anpassungskosten c reduzieren das verfügbare Einkommen der Individuen, doch entscheidend für die Höhe des Res-

266 Vgl. zur ausfilhrlichen Diskussion auch van Velthovenl van Winden (1991), S. 78 ff. 267 Sie könnte auch filr 52 = 0 Eins werden, doch macht dies wenig Sinn, da die Individuen dann

überhaupt keinen Wert aufkollektive Leistungen legen würden; vgl. auch van Velthovenl van Winden (1991), S. 78 und die Fußnote S. 84.

II. Erhebungseffizienz: Erhebungskosten und Struktur des Einnahmesystems 359

sourcentransfers in den öffentlichen Sektor sind dann weiterhin die administrativen Kosten, denn je höher sie sind, desto geringer wird der Wert des Tennes auf der linken Seite der Ungleichung ( 11 ). Wenn zudem die Reform nicht geeignet wäre, l' und l{e) auf Null zu reduzieren, sondern wenn man damit rechnen müßte, daß dieErfiillungskosten bzw. die "Erosion der Bemessungsgrundlage" nach der Reform noch X(c) bzw. X(e) betragen würden, dann hätte die Bedingung (11) die folgende Form:

(1 1 ')

w-c- X(c)w-

(1- X(e) )C (1- X(e) - Y(a) )n

(1-rcc)T(-l))w

>

[ 1-

Y(a)

]

62

1- Y(e) T(-1)

1 _~ 1- X(e)

Entsprechend wird die Steuerreform mit höheren erwarteten Werten für X(c) und Xce> immer unwahrscheinlicher; rechnet man gar mit überhaupt keiner Änderung von Erfiillungskosten i.w.S. und "Erosion der Bemessungsgrundlage", so würde bei positiven Reformkosten niemals eine Steuerreform erfolgen. Obwohl das vorgestellte Modell wesentliche Vereinfachungen vornimmt, insbesondere in der Modeliierung des privaten Sektors, und die Art einer angestrebten Steuerreform keineswegs erklären oder empfehlen kann, enthält es gegenüber den statischen Überlegungen von Heuich und Winer zu einer gleichgewichtigen Steuerstruktur doch einen wesentlichen Vorteil: die dynamische Sicht, die ein - keineswegs regelmäßiges oder notwendigerweise erfolgendes - Auftreten von Änderungen dieser Steuerstruktur in Demokratien aus einem politischen Maximierungskalkül heraus möglich werden läßt. Dabei liefern die öffentlichen Transaktionskosten den entscheidenden Impetus für die Änderung des gleichgewichtigen strukturellen Arrangements und denkt man in den Modellkategorien weiter und führt etwa einen "Schumpeter'schen dynamischen politischen Unternehmer" ein, der neue Kombinationen von "politischen Ressourcen" verwirklichen kann268 - letztendlich auch für die auch von HeUich und Winer angedeutete Umstrukturierung politischer Institutionen. Die implizite These würde lauten: Öffentliche Transaktionskosten, also Kosten infolge staatlicher Einnahmepolitik, führen im demokratischen Staat zunächst zur geringfügigen Umstrukturierung, zu

268 So enthAlt das vorgestellte Modell lediglich eine Lohneinkommensteuer als Einnahmequelle; die Erschließung neuer Bemessungsgrundlagen oder das Ausdehnen des - im Modell nicht näher spezifiZierten - Angebotes an öffentlichen Leistungen könnte als neue Kombination von "politischen Ressourcen" aufgefaßt werden.

360

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungseffizienz

schrittweisen Änderungen des gegebenen Einnahmesystems, schließlich aber als Folge ausreichend hoher politisch-demokratischer Ineffizienzen, zu einer umfassenden Reform des Einnahmesystems.

m. Einnahmepolitik in der Demokratie - Erkenntnisse im Überblick Wir konnten im bisherigen Verlauf dieses Kapitels die wesentlichsten Verhaltensweisen von Bürgern und ihren Regierungspolitikern aufzeigen, die mit der Erzielung von Staatseinnahmen in repräsentativen Demokratien verbunden sind. Sie verfolgen hierbei unterschiedliche Ziele: Allgemein formuliert, wollen die Bürger ihre individuelle Belastung durch staatliche Einnahmen minimieren, während die Politiker in ihnen ein Instrument sehen, mit dessen Hilfe sie ihren eigenen politischen Interessen bestmöglich nachgehen können. Aufgrund dieser individuellen Zielsetzungen der Beteiligten resultiert weder eine allokativ optimale Einnahmepolitik noch eine Aufkommensmaximierung.

A. Öffentliche Transaktionskosten in der Demokratie

Wir konnten unterschiedliche Arten öffentlicher Transaktionskosten als Ergebnis der individuellen Optimierungskalküle begründen und analysieren: (1) Wenn die Bürger eine individuelle Strategie verfolgen und legal ausweichen, sich schattenwirtschaftlich betätigen oder Abgaben hinterziehen, so entstehen - neben den in der Realität allgegenwärtigen privaten und öffentlichen Informations-, Durchfiihrungs- und Kontrollkosten - insbesondere primäre und sekundäre Substitutionsverluste und Zusatzlasten. Zentral fiir deren Höhe ist der Grad der "tax compliance", also der Erfiillung steuerlicher Normen als Ergebnis der nicht direkt beobachtbaren Variablen "Steuermoral", die ihrerseits von institutionellen Besonderheiten des Einnahmesystems und des staatlichen Organisationsrahmens abhängt. (2) Verfolgen die Bürger kollektive Strategien zur Reduzierung ihrer Belastung durch das staatliche Einnahmesystem- wir hatten uns auf die Aktivität von Interessengruppen konzentriert -, so werden Ressourcen fiir unproduktives Rent Seeking eingesetzt, die - spieltheoretisch modelliert den Wettbewerb um Renten möglicherweise nicht zu einem effizienten Gleichgewicht hin tendieren lassen, sondern zu einem Negativsummenspiet Im Verlauf mehrerer Spielrunden können sich Wohlfahrtsverluste

ill. Einnahmepolitik in der Demokratie- Erkenntnisse im Überblick

361

von Spielrunde zu Spielrunde immer weiter kumulieren, während kurzfristig mögliche Verteilungsvorteile den Begünstigtenaufgrund von Kapitalisierungseffekten nicht in vollem Umfang erhalten bleiben; hierin liegt zugleich ein Anreiz für Interessengruppen und Politiker, das "Spiel" um neue spezifische Begünstigungen fortzuführen. (3) Eigennütziges Politikerverhalten kann selbst suboptimale Zustände hervorrufen, wie etwa durch das Generieren von "politischen Konjunkturzyklen", die auf unvollständiger Information bzw. einer "politischen Vergessensrate" der Wähler basieren. Eine ähnliche Informationsproblematik liegt der "Fiskalillusion" der Wähler zugrunde. Sie ermöglicht es Politikern auch, Ideologien anstelle von Wählerwünschen zu verfolgen; insofern kann man hier von Wohlfahrtsverlusten aufgrund mangelhaft spezifizierter Principal-Agent-Verhältnisse sprechen. Zugleich muß man aber dieser "gesellschaftlichen Kostenart" die Koordinations- und Kontrollkosten eines perfekt spezifizierten institutionellen Arrangements gegenüberstellen, die eine vollkommene Umsetzung der Wähler-Präferenzen im politischen Prozeß garantieren würden. (4) Ferner liefert das strategische Verhalten von (Regierungs-) Politikern den Rahmen für alle transaktionskosten-verursachenden Strategien von Bürgern und Interessengruppen im politischen Prozeß: Die Begünstigungen und Belastungen für einzelne Haushalte oder für gesellschaftliche Gruppen können (auch) als "Gegenleistung für Nutzen" angesehen werden, die sich der Politiker von diesen erwartet - sei es in Form von Wählerstimmen, ideologischer Befriedigung oder materieller und/ oder immaterieller Unterstützung seiner politischen Arbeit. Die Struktur der Staatseinnahmen, die - neben öffentlichen Leistungen und nicht-budgetwirksamen Politikbereichen - Instrumentalcharakter besitzen, resultiert aufgrund mehrerer Aspekte im Kalkül des Politikers: Die angesprochene "Fiskalillusion" der Wähler bzw., genauer ausgedrückt, deren (rational) unvollständige Information, erlaubt ihm eine Strategie der "concentrated benefits - diffused costs", nach der kleine, klar identifizierbare Gruppen spürbare Vorteile erhalten, deren möglichst "unmerklich" gestaltete Lasten von allen Bürgern oder wenigstens von relativ großen, schlecht organisierbaren Gruppen zu tragen sind.269 Dazu kommen Über269 Zum gleichen Schluß gelangt übrigens auch Franke (1993), S. 411 ff, der neben der "Fiskalillusion" als Voraussetzung und der politischen Strategie der "concentrated benefits - di1fused costs" das Interesse der Bürokratie an einer lautlosen Finanzierung anfilhrt: "Die Verwaltung ist aus fiskalischen Gründen an der möglichst geräuschlosen Belastung nicht durchsetzungsflihiger großer Gruppen über automatische Budgetmultiplikatoren interessiert." (ebd., S. 412.)

362

5. Kapitel: Politisch-demokratische Effizienz und Erhebungsetf1Zienz

legungen bezüglich der administrativen Kosten alternativer Einnahmestrukturen, aus denen heraus (neben ökonomischen und den oben genannten politischen Einflußgrößen) institutionelle Besonderheiten von Einnahmesystemen und einzelnen Steuerarten wie Ausnahmetatbestände oder Freibeträge, die Einteilung in Steuerklassen oder auch die Bestimmung des Steuerschuldners (Bürokratie-Überwälzung) erklärbar werden. Diese administrativen Kosten ebenso wie die kurz- und langfristigen Folgen von Substitutionsreaktionen der Besteuerten sowie die erwarteten privaten und öffentlichen Kosten von Steuerreformen ließen Aussagen über die Wahrscheinlichkeit von strukturellen Veränderungen zu, wodurch schließlich auch dynamische Aspekte des Einnahmesystems in Demokratien ansatzweise erkennbar wurden.

B. Indizien für die Relevanz des aufgelösten Verbundes im Staat

Gerade bei unseren Ausführungen zu den Determinanten von Einnahmestrukturen - bei denen wir uns auf die politisch-institutionellen beschränkten - wurden Analogien zu Ansätzen deutlich, die eine strukturelle Entwicklung bzw. ein absolutes und relatives Wachstum von Staatsausgaben in säkularer Sicht erklären. Hier wie bereits in der Diskussion von "Steuermoral" und Erfüllungsverhalten der Zensiten haben wir in unserer Analyse ableiten können, daß eine bestimmte Einnahmestruktur und damit auch ihre "politsch-demokratische Effizienz" immer von den herrschenden institutionellen Rahmenbedingungen abhängt. Einen integrativen Ansatz zu diesen Rahmenbedingungen, auf den die genannten Phänomene zurückgeführt werden können, liefert das politische und ökonomische Verbundprinzip. Die personale, regionale, temporale oder sachliche Entkoppelung insbesondere von Nutzern, Zahlern und Entscheidungsträgern270 in repräsentativen Demokratien liegt den diskutierten Arten von öffentlichen Transaktionskosten zugrunde. Wir haben in den einzelnen Abschnitten auf Aspekte hingewiesen, die als Indizien für den grundlegenden Einfluß des aufgelösten Verbundes auf das Verhalten der Beteiligten sprechen:

270 Entsprechend der Zielsetzung unserer Analyse können wir die Bilrokratie als unmittelbaren Anbieter von Leistungen und Empfllnger von Abgaben vernachlässigen, auch wenn ihr Verhalten bei den institutionellen Rahmenbedingungen im öffentlichen Sektor als wesentlich filr einen Teil der öffentlichen Transaktionskosten angesehen werden kann.

III. Einnahmepolitik in der Demokratie - Erkenntnisse im Überblick

363

(1) So stellten sich in empirischen Untersuchungen zu Schattenwirtschaft und

Steuerhinterziehung Determinanten als signifikant heraus, die in ähnlicher Weise auch die Entwicklung von Staatseinnahmen beeinflussen: die Art und Höhe der bestehenden verschiedenartigen Einnahme- und Ausgabenkategorien in öffentlichen Budgets, die sich auch in verschiedenen Staatsquoten manifestiert, die Kenntnis der Bürger über ihre jeweiligen Begünstigungen und Belastungen durch diese Budgetpositionen, die Integration direktdemokratischer Elemente in den politischen Prozeß oder die Existenz dezentraler (finanz-) föderaler Elemente im Staatsaufbau. Die genannten Einflußgrößen fiir eine nur schwer zu beobachtende oder empirisch nachzuweisende Einstellung gegenüber dem Staat oder fiir eine häufig nur als "Mentalitätsfrage"271 untersuchte - "Steuermoral" werden indes durch das politische und ökonomische Verbundprinzip angesprochen. Da offensichtlich die Bürger nicht nur am Markt, sondern auch in ihrem Verhältnis zum Staat Leistungen und Gegenleistungen - wenn auch unter unvollkommener Information - kritisch vergleichen, bestimmen derartige institutionelle Determinanten auch die relative Effizienz von Transaktionen zwischen privatem und öffentlichem Sektor, also etwa eines Einnahmesystems.

(2) Als wesentlichen Faktor fiir Wachstumseinbußen infolge von Rent Seeking hatten wir die Abschreibungsrate fiir Rent Seeking-Kapital identifiziert, die über derjenigen fiir Sachkapital liegt. Hierin spiegelt sich die kurzfristige Ausrichtung sowohl der auf kurzfristige Vorteile gerichteten Verbandsaktivitäten als auch des politischen Kalküls, in dem Wohlfahrtsverluste fiir spätere Generationen kaum eine Rolle spielen; der temporale Verbund ist weitgehend aufgelöst. Dies gilt ebenso, wenn nicht mehr ausgeschlossen ist, daß redistributiv motivierte Transfers teilweise auch durch Staatsverschuldung finanziert werden können. Dann haben im Wettbewerb von Interessengruppen nicht mehr - wie im Modell von Becker - effizienzsteigemde Politiken größere Realisierungschancen als effizienzvermindemde; vielmehr haben Vorschläge umso bessere Aussichten, je stärker sie c.p. zukünftige Generationen belasten, da von diesen "Netto-Verlierern" der geringste Widerstand möglich ist.

271 Vgl. etwa Treffer (1974), der bereits im Vorwort mit der These einer "unterschiedliche[n] Mentalität der Völker" die individualistische Ebene der Argumentation verläßt. Eine modernere Sicht bezOglich der "Steuermoral" nehmen dagegen Pommerehne/ Frey ( 1992) oder Schneider ( 1993) ein.

364

5. Kapitel: Politisch-demokratische Efflzienz und Erhebungsefflzienz

(3) Das Ausnutzen unvollständig infonnierter Wähler durch Regierungspolitiker konnten wir auf die institutionelle Organisation des Entscheidungsprozesses zurückfuhren: Ähnlich wie im Zusammenhang mit "Steuennoral" und illegaler Steuerausweichung veranlassen starke fooeralistische und direktdemokratische Elemente die Individuen dazu, sich vennehrt zu infonnieren. Beides erscheint auch aus theoretischer Sicht logisch, weil der potentielle Nutzen von Infonnation c.p. umso höher ist, je größer die Bürger die Chance einschätzen, durch ihre Stimmabgabe eine Wahl zu beeinflussen. Diese Wahrscheinlichkeit ist sowohl bei relativ häufigen, jeweils eindimensionalen Entscheidungen (etwa Volksabstimmungen) als auch in "kleinen" föderalen Einheiten höher als in den verhältnismäßig seltenen Abstimmungen über Parteiprogramme in repräsentativen Demokratien. Hierin kommt zum Ausdruck, in welchem Ausmaß insbesondere der regionale, aber auch-infolge der engeren Verknüpfung von Angebot und Finanzierung öffentlicher Leistungen in Volksabstimmungen - der sachliche bzw. personale Verbund aufgelöst ist. (4) Allein die Existenz von anderen als nur demographischen und ökonomischen Detenninanten für die Struktur von Einnahmesystemen bzw. die Steuerstruktur beweist, daß das marktliehe Prinzip von Leistung und Gegenleistung für die Finanzierung des öffentlichen Angebotes gelockert bzw. - gerade infolge des Non-Affektationsprinzips -völlig aufgehoben ist. Somit entscheiden nicht die potentiellen Nutzer via "Nachfrage" oder "Zahlungsbereitschaft" über die Struktur des Einnahmesystems, sondern die zu einem gewissen Teil nur rein fiskalischen Überlegungen von eigennützigen Regierungspolitikern. Auch der Einnahmestruktur liegt also ein gelockerter personaler bzw. sachlicher Verbund zugrunde. Damit können wir auch hier die beiden zentralen Probleme identifizieren, die wir bereits im 3. Kapitel angesprochen haben: die unvollständige Infonnation der Beiteiligten an der Entscheidung über öffentliche Leistungen und deren Finanzierung sowie deren institutionelle Trennung im Entscheidungsprozeß. In unserem Schlußkapitel konzentrieren wir uns daher auf Ansätze zur Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme, die sich grundlegend am Infonnationsverhalten sowie an der personalen, sachlichen, regionalen und temporalen Verknüpfung von Nutzern, Zahlern und Entscheidungsträgern im öffentlichen Sektor orientieren. Diese Leitlinien ergänzen wir um Aspekte, die sich in der Diskussion von allokativer und konstitutioneller Effizienz als geeignet herausgestellt haben, auch in der Realität öffentliche Transaktionskosten verringern zu können.

3. Teil

Staatseinnahmen in der Demokratie: Synthese normativer und positiver Erkenntnisse Eine Analyse der Effizienz von Einnahmesystemen wäre unvollständig, würde sie sich nur auf normative und positive Fragestellungen konzentrieren und nicht - wenigstens knapp - auch präskriptiv die Ansätze aufzeigen und diskutieren, die für eine Erhöhung der Effizienz geeignet sein könnten. In den beiden ersten Teilen haben wir begriindet, inwiefern sich öffentliche Transaktionskosten als Kriterium eignen, an dem bestehende Ineffizienzen im öffentlichen Einnahmesystem von Demokratien sichtbar werden. Zugleich wurden die Grenzen deutlich, die entstehen, wenn man über die normativen Modelle des wohlwollenden oder des eigennützigen Diktators hinaus in positiven Analysen eine Vielzahl von interdependenten Transaktionskostenarten zuläßt. In diesem Zusammenhang haben wir mehrfach begründet, daß für die Realität nur ein heuristisches Vorgehen geeignet scheint, institutionelle Arrangements zu finden, durch die die Summe aller öffentlichen Transaktionskosten (nicht notwendigerweise bis zu einem unbekannten Minimum) verringert werden kann. Das hieraus abgeleitete Ziel unseres 3. Teiles ist es, entsprechend den im 3. Kapitel abgeleiteten Suchvorschriften (verbesserte Information sowie Reduktion der institutionellen Trennung im politischen Entscheidungsprozeß) derartige transaktionskostensenkende Rahmenbedingungen zu identifizieren. Aufgrund des heuristischen Charakters wird also schon vorweg eine Vielzahl von Reformalternativen nicht betrachtet. Die Diskussion wird eher grundsätzl_ichen Charakter aufweisen als sich in der Beurteilung von (in unserem Sinne unsystematischen) aktuellen oder auch nur hypothetischen Reformvorschlägen von Teil-Aspekten des öffentlichen Einnahmesystems zu verlieren. Dennoch dürfen auch unsere generellen Vorschläge nicht von vorneherein Unmögliches vom politischen Entscheidungsprozeß verlangen: Nicht nur die Wünschbarkeit, sondern auch die Realisierbarkeil ist zu beachten. So werden wir im 6. Kapitel zunächst auf die Problematik von Reformprozessen in Demokratien eingehen, ehe wir präskriptiv einen institutionellen Rahmen skiz-

366

6. Kapitel: Erhöhnng der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

zieren, der aufgrundunserer Erkenntnisse im 5. Kapitel vornehmlich auf dem politischen und ökonomischen Verbundprinzip basiert und durch systemkonforme Elemente aus den normativen Modellen des 4. Kapitels ergänzt wird. Ein resümierender Abschnitt im Anschluß an das 6. Kapitel wird unsere Analyse der Effizienz staatlicher Einnahmesysteme abschließen.

6. Kapitel

Ansätze zur Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme Konkreter institutioneller Hintergrund dieses Kapitels bleibt (ähnlich wie im 5. Kapitel) ein positives Modell westlicher Demokratien. In der Realität können derartige Demokratien durch die Wirtschaftsordnung "Soziale Marktwirtschaft" charakterisiert werden. Sie weisen - in durchaus unterschiedlichem Ausmaß- wohlfahrtsstaatliche Elemente auf. Am Ende des 5. Kapitels haben wir mit dem Modell von van Velthoven und van Winden bereits eine Möglichkeit vorgestellt, wie innerhalb eines solchen positiven Modellrahmens endogen Reformen im Sinne einer Verringerung von öffentlichen Transaktionskosten resultieren können. Wir gehen nun einen Schritt weiter und fragen, welche Änderungen von institutionellen Rahmenbedingungen gezielt anzustreben wären, damit eine derartige Reduzierung von öffentlichen Transaktionskosten via Rückwirkungen der Institutionen des Einnahmesystems auf Angebot und Nachfrage nach öffentlichen Leistungen 1 einen dauerhafteren Charakter bekäme. 2

So unterscheidet Folkers (1986), S. 12, innerhalb der positiven Theorie der Besteuerung nach den "Wirkungen gegebener politischer Institutionen auf steuerliche Entscheidungen" (hierauf konzentriert sich das Modell von van Velthoven und van Winden) und "Wirkungen gegebener Steuerinstitutionen auf öffentliche Entscheidungen" über Nachfrage nach und Angebot an öffentlichen Leistungen; letzteres wird Gegenstand des vorliegenden 6. Kapitels. 2 So weisen Doernbergl McChesney (1987) seit den siebziger Jahren eine wachsende Zahl steuerlicher Reformmaßnahmen fiir die Vereinigten Staaten nach. Sie sind nicht nur auf exogene Faktoren wie Ölkrisen oder wirtschaftlichen Strukturwandel zurückzufiihren, sondern vorrangig mit eigennützigem Politikerverhalten zu erklären. Da Reformmaßnahmen teils auch frühere Reformen korrigierten, war zugleich eine sinkende Dauerhaftigkeit zu konstatieren. Problematisch hieran ist insbesondere der resultierende Attentismus im privaten Sektor zu sehen, da private Investitionen aufgrund steuerlich bedingter Unsicherheit aufgeschoben werden; vgl. hierzu ebd., S. 960 f. In diesem Attentismus und seinen Folgen filr Investitionen und Wachstum kommt eine weitere Kategorie öffentlicher Transaktionskosten zum Ausdruck, die wir in Abb. 8 unter Effizienzverluste falscher Politik einordnen können.

I. Allgemeine Voraussetzungen ft1r Reformen

367

LAllgemeine Voraussetzungen für Reformen Grundsätzlich können wir vor dem Hintergrund einer bestehenden Sozialen Marktwirtschaft also nicht - wie das Rawls'sche Konstrukt verfassungsgebender Individuen vor einem "Schleier der Unwissenheit", das auch Brennan und Buchanan der konstitutionellen Steuertheorie zugrundelegen - von weitgehend unbegrenzten Gestaltungsalternativen ausgehen. 3 Vielmehr müssen wir mehrere reale Gegebenheiten berücksichtigen: (a) Individuen kennen ihre Fähigkeiten zur Erzielung von Markteinkommen und können so auch ihre relative Position in der Gesellschaft grob einschätzen; (b) in jedem Zeitpunkt, in dem eine Reform angestrebt wird, existieren bereits staatliche Eingriffe in den Markt, die- unabhängig von ihrer ursprünglichen Zielsetzung- die Verteilung der Einkommen und Vermögen beeinflußt haben; (c) angestrebte Reformen müssen den Regeln eines verfassungsmäßig festgelegten Entscheidungsprozesses genügen, d.h. eine vorab definierte Mehrheit einer legislativen Instanz muß den Reformvorschlägen zustimmen. 4

A Zur Wahrscheinlichkeit von Reformen wohlfahrtsstaatlicher Institutionen

Aus ähnlichen (wenn auch nicht explizit genannten) institutionellen Voraussetzungen leitet Streit fünf Bedingungen ab, denen erfolgversprechende Reformen wohlfahrtsstaatlicher Institutionen5 genügen müssen: Sie "... dürften eher realisierbar sein, wenn (1) Vorurteile ausgeräumt, (2) die Reform und ihre Erträge transparent gemacht, (3) Vorleistungen einzelner Gruppen mög-

3 Eine solche Haltung kennzeiclmet generell viele normative Beiträge, die sich alleine auf das "Wünschenswerte" konzentrieren, wenn auch in der Theorie der optimalen Besteuerung zunehmend die Theorie wohlfahrtsverbessernder Steuerreformen in den Mittelpunkt von Analysen rückt; vgl. hierzu etwa grundlegende Beiträge von Feldstein (1976), Guesnerie (1977) oder Stern (1987) sowie die empirische Analyse einer "wohlfahrtsoptimalen Verbrauchsteuerreform" bei Kaiser (1990), S. 214 ff. Indes wird auch hier nicht die Frage nach dem politisch-demokratisch Realisierbaren gestelh: "Danach wird auch die Richtung für eine wohlfahrtsverbessernde Steuerreform durch die staatliche Ungleichheitsaversion bestimmt" (ebd., S. 216). 4 Unter ähnlichen institutionellen Annahmen sieht Mann (1987), S. 184 ff, im laufenden politischen Prozeß keine Lösung für die Implementierung von effizienzerhöhenden Regeln; im folgenden begründet er dann Vorteile von (weitgehend konsensflihig scheinenden) Vorschlägen zur Änderung oder Neuaufuahme von Verfassungsnormen, äußert sich indes nicht dazu, welche politischen oder ökonomischen Phänomene den Anstoß filr deren Realisierung im demokratischen Entscheidungsprozeß geben könnten. 5 Wie oben definiert, fassen wir den Begriff der "Institution" sehr weit und ordnen darunter etwa Verfassungen, einnahmepolitische Regelungen oder einnahmeerhebende Stellen im Staat ein.

368

6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

liehst vermieden, (4) wohlerworbene Rechte geschützt und (5) unumgängliche Anpassungen erleichtert werden." 6 Die beiden ersten Punkte sehen wir nicht als unabhängig voneinander an, können sie jedoch insofern unterstützen, als sie im wesentlichen unsere heuristische Suchvorschrift der verbesserten Information bestätigen. Insbesondere der dritte Punkt Streits deutet auf die Problematik des Gefangenendilemmas hin, das wir im 5. Kapitel beim "Wettbewerb der Interessengruppen" identifizieren konnten. Mit (3) soll sichergestellt werden, daß mögliche Reformkosten nicht einseitig belasten dürfen, sondern möglichst breit auf viele gesellschaftliche Gruppen verteilt werden sollten; dann dürfte auch der zu erwartende Widerstandaufgrund der c.p. geringeren potentiellen Nutzen (in Form vermiedener Belastungen) geringer ausfallen. Ergänzend zu (3) stellt (4) auf die Problematik der Kapitalisierung von einmal gewährten Vergünstigungen ab. Vor allem Punkt (5) berücksichtigt, daß eine Reform auch fur "politische Unternehmer" nur dann erstrebenswert ist, wenn ihnen die Unterstützung relativ breiter Wählerschichten sicher scheint. Gerade die letztgenannten Punkte bergen die Gefahr in sich, die Reform zu konterkarieren und neue gruppenspezifische Begünstigungen zu implementieren; zugleich würde ein möglicherweise verteilungspolitisch unerwünschter Status quo, der sich bei unvollständiger Information vergangener Regierungen unter Umständen sogar nur zufällig ergeben hat, durch eine vollständige Kompensation von Verlierergruppen der Reform aufrechterhalten. Diese Gefahren fur eine Reform entstehen grundsätzlich aus den gleichen Gründen wie die Transaktionskosten, die durch die Reform verringert werden sollen: Streit nennt explizit die Kompetenzfulle des Parlaments bei dessen gleichzeitigem Machtverlust an Interessengruppen,7 bezieht sich aber implizit auf die Parlamentsmehrheit und deutet damit den gleichen Zusammenhang an, den wir als Vermischung legislativer und exekutiver Funktionen bezeichnet hatten. Damit müssen wir bereits Abstriche vom Konzept der Realisierbarkeif von Reformen machen und konkret die - prinzipiell veränderliche - reale Gegebenheit (c), nämlich den verfassungsmäßig festgelegten Entscheidungsprozeß, als Schlüsselgröße fiir die Wahrscheinlichkeit von weitergehenden Reformen ansehen. Folglich stellt sich zunächst die Frage, welche Besonderheiten im politischen Entscheidungsprozeß die Reform wohlfahrtsstaatlicher Institutionen wie etwa des öffentlichen Einnahmesystems begünstigen werden. Erst in

6 7

Streit ( 1983 b), S. 26 f. Vgl. Streit (1983 b), S. 23.

I. Allgemeine Voraussetzungen ft1r Refonnen

369

einem zweiten Schritt können wir untersuchen, welche weiteren Faktoren die Einführung derartiger Besonderheiten und die Veränderung konkreter Einrichtungen des Wohlfahrtsstaates begünstigen würden. So könnte man also die Gefahr einer institutionellen Verkrustung und damit einer Reformunfahigkeit von Demokratien verringern, indem man etwa der beklagten Kompetenzanhäufung von Parlamenten entweder durch eine (verfassungsmäßige) Kompetenzbeschränkung oder durch eine Kompetenzaufteilung auf mehrere Institutionen begegnen würde. Dem ersten Aspekt trägt die konstitutionelle Steuertheorie nach Brennan und Buchanan mit ihren Vorschlägen von prozeduralen und ergebnisbezogenen Verfassungsbeschränkungen Rechnung, dem zweiten Aspekt widmet sich etwa Hayeks Vorschlag einer Zwei-Kammer-Gesetzgebung, in der eine grundsätzliche, eher ordnungspolitisch geprägte "Richtlinien-Gesetzgebung" von der laufenden Gesetzgebungsund Kontrollfunktion "herkömmlicher Parlamente" getrennt wäre. 8 Dann müßte auch die Chance :fiir derartige Reformen der politischen Rahmenbedingungen analysiert werden. Aus der historischen Erfahrung spricht vieles da:fiir, daß exogene gesellschaftspolitische Ereignisse die Wahrscheinlichkeit von Reformen im Staatsaufbau oder der Verfassung erhöhen können. 9 Betrachtet man den Prozeß der Europäischen Integration, so könnte man etwa die Kommission mit der Exekutivfunktion betrauen und die legislative Funktion auf das Parlament als Gesetzgebungskammer :fiir "laufende Sachfragen" und den Ministerrat als "zweite Kammer" (mit Zustimmungspflicht) aufteilen. 10 Während den Vorschlägen von Brennan und Buchanan eher eine konstruktivistische Sicht innewohnt, nach der entsprechend selten überhaupt die Gelegenheit zu fundamentalen Reformen entstehen kann, würde eine "RiebtVgl. zur Diskussion dieses Vorschlags von von Hayek (1919) insbesondere Rupp (1979). Demnach mOßte eine "Richtlinienkammer" als Verfassungsorgan nach einem gesonderten demokratischen Verfahren gewählt werden, das eine Unabhängigkeit der Kammermitglieder sichern wOrde; die Entscheidungen wOrden vorrangig gOitige Rahmenbedingungen filr das herkömmliche Parlament setzen. Dann könnte das Verfassungsgericht sich darauf beschränken, die Kompetenzaufteilung zwischen den beiden Kammern zu OberprOfen; dies wOrde der in Deutschland gerade in jüngerer Zeit häufiger zu beobachtenden Tendenz entgegenwirken, daß das Parlament zunehmend politische Entscheidungen (etwa Ober die Teilnahme der Bundeswehr an internationalen Einsätzen) an das Verfassungsgericht verweist und so das Prinzip der Gewaltenteilung umgeht. 9 So konnte man nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa auch die Aufspaltung von Staaten, etwa der ehemaligen UdSSR oder der alten CSSR bzw. CSFR beobachten. Diese Prozesse filhrten stets auch zu einer grundlegenden Änderung institutioneller Rahmenbedingungen. Durch die Entscheidung der Länder der ehemaligen DDR filr einen Beitritt zur Bundesrepublik nach Art. 23 GG (motiviert möglicherweise durch Hoffuungen auf eine schnellere wirtschaftliche Erholung) ließ man dagegen diese historische Gelegenheit zu institutionellen Reformen in Deutschland ungenutzt verstreichen. 10 Vgl. den entsprechenden Vorschlag bei Schneider (1993 a), S. 31 f. 24 Raab

370

6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

Iinien-Gesetzgebung" nach Hayek eher einem evolutionären Selektionsprozeß unterliegen, in dem sich langfristig nur diejenigen abstrakten Regeln behaupten, die die geeignetsten institutionellen Rahmenbedingungen für den Fortbestand einer Gesellschaft liefern. 11 Wir wollen uns für unseren präskriptiven Teil weder allein auf die konstruktivistische noch auf die evolutionäre Sicht beschränken, zumal diese nicht unabhängig voneinander sein müssen. So wäre denkbar, daß allein die Existenz einer "Richtlinien-Kammer" bereits die Diskussion konstruktivistischer Vorschläge fördern und - bei entsprechender Gestaltung einer solchen Kammer als politisch unabhängiges Verfassungsorganauch die Einführung sowie ggf. die Rücknahme von längerfristigen Richtlinien zum öffentlichen Einnahmesystem erleichtern könnte. Eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Reformen des politischen Entscheidungsprozesses wie auch von wohlfahrtsstaatliehen Institutionen kann sich aus einem geeigneten "Timing" ergeben: Die oben in Punkt (5) angesprochene Erleichterung von Anpassungen könnte eher in Zeiten relativ reichlich vorhandener Einnahmen vorgenommen werden, während dagegen das Auftreten von "politischen Unternehmern", die sich für einen Reformprozeß einsetzen, gerade dann am wahrscheinlichsten ist, wenn - ähnlich wie im Modell von van Velthoven und van Winden - finanzpolitische Engpässe und Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit einer gegebenen politischen und/ oder wirtschaftlichen Situation vorherrschen. 12 Der damit bezüglich des geeigneten Reformzeitpunktes scheinbar implizierte Konflikt löst sich teilweise auf, wenn man berücksichtigt, daß Staatseinnahmen erst mit einer gewissen Verzögerung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung folgen. Dementsprechend wären die Chancen für grundlegende institutionelle Reformen zu einem frühen Zeitpunkt eines wirtschaftlichen Aufschwunges nach einer vorhergehenden langanhaltenden Depression am größten. Ferner wird die Verknüpfung zwischen Realisierungschancen und Information sichtbar: Eine möglichst objektive Aufklärung der Bevölkerung über die komplexen wirtschafts- und einnahmepolitischen Zusammenhänge könnte ebenfalls als Aufgabe einer unabhängigen staatlichen Instanz angesehen werden, wenn man derartige Informationen als öffentliche Güter betrachten will. 11 Eine ähnliche Funktion könnte der Integration direktdemokratischer Elemente in repräsentativen Demokratien zukommen; diese Diskussion werden wir im folgenden Punkt li vertiefen. 12 Eine Ahnliehe These vertrittFolkers (1986), S. 32. Diese These scheint aus historischen Erfahrungen heraus belegbar: So beschreiben etwa Ben-Porathl Bruno (1977), S. 301 ff, aus Sicht der Neuen Politischen Ökonomie die politische und wirtschaftliche Situation, die in Israel 1975 eine grundlegende Reform der Einkommensteuer erlaubte. In einem ähnlichen Licht könnte man auch die vonJangling (1991), S. 169 ff, angefiihrten Reformen in der Weimarer Republik sehen.

I. Allgemeine Voraussetzungen tur Reformen

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Dies setzt natürlich voraus, daß eine solche Instanz selbst bereit wäre, Transaktionskosten der Beschaffung und Vermittlung von Information zu tragen. 13 Würde durch ein kostenloses staatliches Informationsangebot also die individuelle Informationsbeschaffung verbilligt, so wären etwa die in unserem 2. Teil analysierten Strategien der Erzeugung von politischen Konjunkturzyklen oder von "Fiskalillusion" von vorneherein erschwert. Unsere zweite Suchvorschrift, die institutionelle Verknüpfung von Nutzen, Finanzierung und Entscheidung über öffentliche Leistungen, kann zudem öffentliche Transaktionskosten umso wirksamer reduzieren, je besser die Individuen informiert sind. Bereits nach dieser knappen Diskussion der Realisierbarkeil von Reformen müssen wir also einräumen, daß unsere nun folgenden Vorschläge zur Umsetzung der gewählten heuristischen Suchvorschriften daran scheitern könnten, daß es einer Gesellschaft trotz möglicherweise existierender Diskussionen in Medien oder wissenschaftlichen Gremien an den notwendigen "politischen Unternehmern" fehlt, die die angesprochenen Reformen des politischen Prozesses oder auch nur schrittweise Veränderungen im öffentlichen Einnahmesystem durchsetzen würden. 14 Immerhin aber können wir als Zwischenergebnis unserer eher grundlegenden Betrachtung zur Realisierbarkeil von Reformen gewisse Leitlinien festhalten, die unsere heuristischen Suchvorschriften ergänzen bzw. bestätigen: (1) Reformen, die dauerhaft zu einer Reduzierung von öffentlichen Transaktionskosten führen sollen, werden umso wahrscheinlicher realisiert, je eher man mit dem Auftreten von "politischen Unternehmern" rechnen kann. Rahmenbedingungen wie etwa (eher selten) gegebene Möglichkeiten für das Zusammentreten einer "verfassungsgebenden Versammlung" oder die Existenz einer "Richtlinien-Kammer" erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Reformen in Angebot und Finanzierung öffentlicher Leistungen. Politische oder ökonomische "Krisensituationen" können zu einer Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber systemimmanenten Schwächen und so zu einer weiteren Steigerung der Reformwahrscheinlichkeit führen, wobei die nach der Krise folgende wirtschaftliche Erholung eine (wenigstens partielle) Kompensation möglicher Reform-Verlierer erleichtern würde. 13 So findet man bereits heute die Bereitschaft, etwa flir wissenschaftliche Politikberatung Ausgaben zu tätigen; indes bleibt fraglich, inwieweit die Vermittlungsfunktion - gerade bei den typischerweise komplexeren wissenschaftlichen Analysen - erflillt wird. 14 Jedoch könnte man selbst dann noch darauf hoffen, daß exogene politische Ereignisse wie etwa die Europäische Integration Anlässe bieten, wissenschaftliche Anregungen vor einer breiten Öffentlichkeit zu diskutieren und gegebenenfalls in die Verfassungen von derart neu entstehenden völkerrechtlichen Gebilden aufZunehmen. Als Beispiel sei auf Schneider (1993 a) verwiesen. 24•

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

(2) Einer möglichst umfassenden und objektiven Information der Bevölkerung kommt für alle Reformvorschläge eine zentrale Bedeutung zu: Zum einen steigt die Wahrscheinlichkeit für Reformen des Entscheidungsprozesses mit zunehmendem Informationsstand der Bevölkerung, zum zweiten können bei der konkreten Entscheidung etwa über öffentliche Einnahmen Spielräume von eigennützigen Politikern verringert werden.

B. Information als notwendige Bedingung

Hieraus ergibt sich bereits die erste allgemeine Reformforderung für den ökonomischen Bereich: 15 Um die Transparenz im öffentlichen Sektor generell zu erhöhen und der Bevölkerung die Informationsbeschaffung zu verbilligen, sollte die öffentliche Rechnungslegung grundsätzlich neu gestaltet werden. Längerfristiges Ziel sollte der vollständige Übergang auf eine privatwirtschaftliche Buchführung und Kostenrechnung sein, ergänzt um obligatorische Wirtschaftlichkeitsanalysen für alle öffentlichen Investitionsvorhaben. NutzenKosten-Analysen sollten ferner für alle vorgesehenen Änderungen von Regelungen des Einnahmesystems durchgeführt werden, um öffentliche Transaktionskosten vor und nach einer Reform (einschließlich der Reformkosten selbst) aufzudecken - ebenso wie Inzidenzanalysen nach personalen, regionalen und zeitlichen Gesichtspunkten, um die Wirkungen auf die Verteilung der Einkommen transparent zu machen. Innerhalb des bestehenden kameralistischen Systems wäre mindestens ein Offenlegen aller personalen Belastungen und Begünstigungen (etwa nach Einkommensklassen und/ oder sozialen Gruppen) durch öffentliche Aktivitäten anzustreben, wie es etwa durch Studien zur personalen Budgetinzidenz (teilweise) erfolgt. 16 Zu beachten wäre hier zunächst, daß die Aktivitäten tatsächlich umfassend berücksichtigt werden: Parafisci sowie die verschiedenen Nebenhaushalte müßte man also einbeziehen, nichtbudgetwirksame Maßnahmen (etwa durch öffentliche Regulierung) auf ihre Folgen am Markt analysieren und monetarisieren. Eingegangene Verpflichtungen, die sich über mehr als nur ein Haushaltsjahr erstrecken, oder Beschlüsse über Maßnahmen, die erst in der Zukunft budgetwirksam werden, wären zumindest zu erwähnen.

15 Detaillierter ausgearbeitete VorschlAge zur Umgestaltung demokratischer Institutionen auf Basis der staatsphilosophischen Überlegungen von Hayeks oder Buchanans wären eher die Aufgabe von Politologen oder Staatsrechtlern als von Ökonomen. 16 Wir hatten bereits auf Graske ( 1978) als Beispiel filr derartige Analysen hingewiesen.

I. Allgemeine Voraussetzungen filr Reformen

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Generell ensteht hierbei das Problem, daß derartige Inzidenzanalysen eigentlich nur - teils mit erheblichen Verzögerungen aufgrund der benötigten Haushaltsdaten - ex post berechnet werden können. Da jedoch Sensitivitätsanalysen bezüglich der Überwälzungs- und Nutzungsannahmen bereits Bestandteil von wissenschaftlichen Inzidenzstudien sind, wäre prinzipiell auch eine Projektion der Ergebnisse unter ceteris-paribus-Bedingungen, aber mit Daten aus dem jeweils aktuellen Haushaltsentwurf und dem prognostizierten Sozialprodukt denkbar. Selbst eine derart mit Unsicherheiten behaftete Schätzung könnte bestehende Informationsdefizite in der Bevölkerung verringern, sofern sie diese tatsächlich erreicht. Im Hinblick auf diese Transmission der Informationen wäre zu erwägen, ob der Einsatz von Massenmedien nicht stärker betont werden müßte - denkbar wäre etwa eine Zusammenfassung der Haushaltsentwürfe sowie der wichtigsten Ergebnisse von wissenschaftlichen Nutzen-Kosten-Analysen und von Inzidenzstudien (ähnlich den Kurzberichten von Aktiengesellschaften) als (staatlich finanzierte) Pflichtbeilage zu allen Tageszeitungen, evtl. kombiniert mit fixierten Mindest-Sendezeiten für Diskussionen über die Ergebnisse in öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Femsehanstalten. 17 Nur wenn sowohl die Folgen für die Effizienz als auch die relevanten Verteilungswirkungen offengelegt werden und wenn dies in einer übersichtlichen, leicht verständlichen Form erfolgt, bestehen überhaupt Aussichten darauf, daß die häufig komplexen Zusammenhänge vermittelt werden können. Jedoch sollte man die Ansprüche an den wissenschaftlichen Gehalt derartiger Analysen nicht zu niedrig ansetzten, um vereinfachte Pauschalurteile zu vermeiden. In diesem Zusammenhang darfman die "nicht-akademischen" Bevölkerungsschichten nicht unterschätzen, was ihre Bereitschaft und Fähigkeit zur Aufnahme und Verarbeitung von wissenschaftlichen Ergebnissen angeht: In vielen Bereichen - zu denken wäre gerade an Fragen des Umweltschutzes - konnten sich in den letzten Jahren auch einige komplexere naturwissenschaftliche Zusammenhänge und Einsichten - wenigstens in ihren Grundzügen - relativ rasch in der Bevölkerung verbreiten. Dabei darf nicht übersehen werden, daß ein derartiges öffentliches Informationsangebot selbst Transaktionskosten verursacht, die - insbesondere infolge des geforderten umfassenderen Charakters höher als die gegenwärtigen liegen 17 Aufgrund der damit verbundenen positiven externen Effekte (will man von einer Quantifizierung von netto verringerten öffentlichen Transaktionskosten absehen, so könnten die externen Effekte immer noch- intangibel- in Form eines verbesserten Demokratieverständnisses auftreten) sehen wir in einer derartigen Informationsfunktion eine (möglicherweise zusätzliche) stichhaltige Begründung filr die Existenz von (gebOhrenfmanzierten) öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten.

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

dürften. Allerdings würden diesen zusätzlichen Ausgaben des Staates verringerte Informationskosten der privaten Haushalte gegenüberstehen. Wenn man Skalenerträge in der Beschaffung von Informationen unterstellen kann, dann wäre mit den gleichen Gesamtkosten (also der Summe aus staatlichen und privaten Ausgaben für Informationsgewinnung) ein höherer Informationsstand in der Bevölkerung realisierbar. Zudem resultieren- indes kaum quantifizierbare und vom Grad der Objektivität abhängige - Nutzen aus der verbesserten Information, die sich nicht nur auf die öffentlichen Transaktionskosten erstrecken müssen, die wir im 5. Kapitel begründet haben; vielmehr können sie sich auch für (Regierungs-) Politiker selbst ergeben, die weniger abhängig von Interessengruppen und Bürokratie würden und damit unter größerer Sicherheit entscheiden könnten. Die verbilligte Information der Individuen ist also eine notwendige Bedingung, um die öffentlichen Transaktionskosten (netto) zu verringern. Zudem begünstigt ein verbessertes allgemeines Informationsniveau die Erfolgsaussichten von weiteren Reformen im Sinne des politischen und ökonomischen Verbundprinzips, durch die auch für Angebot und Finanzierung öffentlicher Leistungen marktliehe oder marktähnliche Bedingungen erzwungen werden.

II. Grundlegende Gestaltung des öffentlichen Sektors nach dem Verbundprinzip Im 3. Kapitel haben wir das Verbundprinzip in personaler, regionaler und temporaler Ausprägung vorgestellt. Wir legen diese Maßstäbe unseren folgenden Erörterungen zugrunde und ergänzen die Analyse um die Minimalforderung nach einem "sachlichen Verbund", der das Postulat einer kostenmäßigen partiellen Äquivalenz insofern erweitert, als auch der politische Entscheidungsprozeß in die Betrachtung integriert wird.

A. Personaler Verbund als Leitgedanke

Der personale Verbund orientiert sich vollständig am marktliehen Tauschvorgang. Dies impliziert ein Leistungsangebot zu einem Preis in Höhe der Grenzkosten sowie eine individuelle Nachfrage, die sich als bekundete Präferenz für alternative Mengeneinheiten dieser Leistung beobachten läßt. Aus einer Reihe von Beobachtungen läßt sich die individuelle Nutzenfunktion re-

ll. Grundlegende Gestaltung nach dem Verbwtdprinzip

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konstruieren. 18 Die Entscheidung, ob eine Koordination von Angebot und Nachfrage (also ein Tauschvorgang) gelingt, liegt allein bei den beteiligten Individuen, ohne daß Dritte daraufEinfluß nehmen können. Derartige Tauschvorgänge sind nicht mehr zwischen Individuen koordinierbar, wenn das Ausschlußprinzip nicht angewandt wird. Da für diese öffentlichen Güter kein Preis erhoben wird, könnte ein Privater seine Kosten nicht decken und wird diese folglich nicht anbieten, obwohl ein Angebot den Individuen einen Nutzen stiften würde. 19 Aus dieser - eher pragmatischen - Definition ergibt sich im Zusammenhang mit der Forderung nach einer verstärkten Realisierung des personalen Verbundes automatisch die Frage, ob die Gründe für den Nichtausschluß tatsächlich ökonomisch nachvollziehbar sind. Hanusch vertritt hierzu die Auffassung: "So sind grundsätzlich nichtrivalisierende Kollektivgüter, bei denen ein individueller Ausschluß von der Nutzung mit vertretbaren Kosten verbunden ist, über das Äquivalenzprinzip finanzierbar." 20 Unterscheidet man eine marktmäßige Äquivalenz, die durch "Steuerpreis"-Bestimmung entsprechend den individuellen Grenznutzen gekennzeichnet ist, von einer kostenmäßigen Äquivalenz, bei der lediglich die (möglicherweise überhöhten) Kosten des Angebotes auf die Nutzer aufgeteilt werden, so kommt im Zusammenhang mit dem personalen Verbundprinzip nur der marktmäßigen Äquivalenz Bedeutung 18 Zur Theorie der "revealed preference" und ihren lmplikationen Neumann (1987), S. 116 ff. 19

In der Literatur fmdet man verschiedene Definitionen von öffentlichen Gütern: So geht etwa Recktenwald (1983), S. 246 und S. 430 tf, von einer Unteilbarkeit im Angebot aus und leitet hieraus

sowohl die Nichtrivalität im Konsum als auch den Nichtausschluß von der Nutzung als konstituierende Kriterien ab. Bei Musgrave/ Musgrave/ Kullmer (1990), S. 57 f, findet man dagegen allein den nichtrivalisierenden Konsum als entscheidendes Kriterium, während Nicht-Ausschluß lediglich als Kennzeichen fiir Marletversagen gesehen wird. Näher an unserer Sicht ist etwa Krause-Junk (1977), S. 70 I: "Wichtig fiir die Beurteilung der allokativen Eigenschaften des marktwirtschaftliehen Systems ist also die Ausschließbarkeit, nicht etwa eine - meist allokationsschädliche - tatsächliche Ausschließung. Und dies aus keinem anderen Grund, als daß es Ober eine erfolgreiche Drohung mit Ausschließung zur Kompensation bzw. Internalisierung der Extemalitäten kommt." Indes scheint uns der bloße Aspekt der Drohung irrelevant, wenn potentielle "Freifahrer" um prohibitiv hohe Transaktionskosten des tatsächlichen Ausschlusses wissen. Insgesamt schließen wir uns Neumann (1987), S. 16 und S. 254, an, der allein die Nichtanwendung des Ausschlußprinzips als charakterisierendes Kriterium öffentlicher Güter ansieht, wenn auch häufig Unteilbarkeilen im Angebot einem Nichtausschluß zugrundeliegen. Der Grund filr diese Entscheidung liegt nicht nur in einer stringenteren theoretischen Argumentation, die hiermit möglich wird, sondern insbesondere in der dadurch ermöglichten Konzentration auf die Realität in westlichen Demokratien, wo (unabhängig von Teilbarkeit im Angebot oder Rivalität im Konsum) der Staat auf einen Ausschluß verzichtet- sei es, weil dieser zu kostspielig wäre, weil ein privates Angebot mit hohen Extemalitäten verbunden wäre oder weil distributive Ziele einen größtmöglichen Nutzerkreis politisch wünschenswert erscheinen lassen. Ferner kommt in dieser Definition eine eher positive Haltung zum Ausdruck, die davon ausgeht, daß der Entscheidung über öffentliche Güter in einer Gebietskörperschaft letztlich immer nur die Präferenzen der Bürger zugrundeliegen.

20 Hanusch (1981), S. 82.

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Eiimahmesysteme

zu. 21 Wir schließen für unsere Diskussion aufgrund der problematischen Aufdeckung von Zahlungsbereitschaften bei einer großen Zahl von öffentlichen Leistungen die Möglichkeit einer totalen marktmäßigen Äquivalenz aus, bei der die Gesamtheit aller öffentlichen Leistungen über individuell zu bemessende Abgaben finanziert würde. 22 Mit der Konzentration auf eine partielle marktmäßige Äquivalenz, bei der für geeignete Teilbereiche des öffentlichen Angebots jeweils individuelle Grenznutzen zu eruieren wären, stellt sich jedoch immer die Frage, warum diese Teilleistungen überhaupt noch vom Staat angeboten werden sollen. Sobald individuelle Grenznutzen als Basis einer "Steuerpreis"-Bildung dienen können, ist ein privates Angebot möglich. Das hätte zugleich den Vorteil einer dezentralen Entscheidung über dieses Angebot, d.h. unbeteiligte Dritte könnten nicht mehr darüber bestimmen. Insofern stellt sich aus Sicht eines personalen Verbundes nicht mehr die Frage nach der geeigneten Finanzierung eines öffentlichen Angebotes, sondern nur noch die Frage nach der Möglichkeit, dieses zu privatisieren. Konkret wäre eine Privatisierung von bisher öffentlich angebotenen Leistungen immer dann zu erwägen, wenn ein Ausschluß technisch und ökonomisch möglich scheint. Dann können weitere Kriterien wie etwa eine mögliche Subadditivität als Grundlage für Unteilbarkeiten, der Grad der wechselseitigen Beeinträchtigung im Konsum sowie das Auftreten von positiven oder negativen externen Effekten zugezogen werden, 23 um eine Prüfung der Privatisierungsaussichten zu strukturieren. 24 Generelle Leitlinie sollte in dieser Prüfung von Privatisierungschancen weniger der in der Vergangenheit übliche Einwand eines am Pareto-Optimums gemessenen "Marktversagens" bilden als vielmehr - vor dem Hintergrund der abgeleiteten öffentlichen Transaktionskosten - die kritische Frage nach der relativen Vorteilhaftigkeil alternativer institutioneller Arrangements. Hier sei insbesondere auf "Zwischenlösungen" hingewiesen, in denen ein privates Angebot auf regulierten Märkten staatlichen Zielen Rechnung trägt, ohne auf den Preismechanismus als Allokationsverfahren zu verzichten. 21 Der kostenmäßigen Äquivalenz wenden wir uns im Rahmen des sachlichen Verbundes zu. 22 Die Vernachlässigung der totalen marktmäßigen Äquivalenz kann auch mit möglicherweise politisch unerwOnschten Verteilungswirkungen begründet werden. 23 Wir haben bewußt auf das eben angesprochene distributive Argument verzichtet, da das Ausgliedern von Teilleistungen aus dem öffentlichen Haushalt dem Staat immer die Möglichkeit läßt, via Ausgaben- oder Eirmahmenseite des (restlichen) Budgets (Um-) Verteilungspolitik zu betreiben. 24 Vgl. zu einer derartigen (allerdings auf Gebühren- statt auf Privatisierungsfllhigkeit ausgerichteten) Strukturierung ausfilhrlich Münch (1976), der zunächst filr reale Beispiele öffentlicher Leistungen in der Bundesrepublik eine Zuordnung nach abgestuften Kriterien vorniirunt ( ebd., S. 54 fl), um somit schließlich zu einer Schätzung des Gebührenpotentials zu gelangen (ebd., S. 232 fl).

II. Grundlegende Gestaltung nach dem Verbwtdprinzip

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An dieser Stelle würde eine vertiefte Diskussion von Einzelheiten den Rahmen unserer Analyse sprengen. Exemplarisch fiir eine verstärkte Anwendung des personalen Verbundprinzips betrachten wir daher kurz den Bereich des Bildungswesens,25 fiir den häufig "meritorische" Aspekte ein staatliches Angebot rechtfertigen sollen.26 Hier wäre problernlos eine private Trägerschaft von allgemeinbildenden und weiterfUhrenden Schulen sowie Fachhochschulen und Universitäten denkbar, verbunden mit einer Preisbildung, die sich völlig unter Marktbedingungen entwickeln könnte.

Die Ziele staatlicher Bildungspolitik, nämlich die Sicherung eines grundlegenden Ausbildungsstandes und gleiche Chancen im Zugang zu den verschiedensten Bildungseinrichtungen fiir alle, könnten durch wenige ergänzende Staatseingriffe gesichert werden. Daneben kann der Staat öffentlich-rechtliche als Konkurrenz zu privaten Bildungseinrichtungen betreiben. Eine allgerneine Schulpflicht (in Deutschland über zehn Jahre), verbunden mit einer Aufnahmepflicht der entsprechenden Schüler fiir allgemeinbildende Schulen sowie mit einer Vergabe von vollständig kostendeckenden27 "Bildungsscheinen", könnte den gewünschten Mindeststandard sichern. Im Falle weiterfUhrender Schulen könnten diese Bildungsscheine einen Wert aufweisen, der die Kosten fiir die Nutzer nicht vollständig abdeckt, sondern sich etwa nach den vorn Staat vermuteten positiven externen Effekten richtet. Aufgrund der - mindestens teilweisen - Internalisierung im späteren Lohn oder Gehalt eines Absolventen dürfte also ein Bildungsschein fiir Universitäten nur einen geringeren Kostenanteil abdecken als etwa fiir Realschulen. Um die Chancengleichheit zu wahren, müßte der Staat jedem, der die qualifikatorischen Voraussetzungen fiir den Besuch einer weiterfUhrenden Bil-

25 Unsere folgenden knappen Ausruhrungen stützen sich auf Gedanken, die etwa Holtzmann (1994) ausfllhrlich rur den Bereich des Hochschulwesens entwickelt hat. Ähnliche Vorschläge fmdet man detailliert auch bei van Lith (1985). Zahlreiche weitere Bereiche ließen sich weitgehend analog oder gar noch einfacher analysieren, etwa die Unternehmerischen Tätigkeiten des Staates einschließlich der Sparkassen und ~desbanken [vgl. hierzu BdSt (1990) und (1994)], die Energieversorgung [vgl. BdSt (1992)] oder zahlreiche Bereiche des Öffentlichen Personennahverkehrs [vgl. zu Möglichkeiten der Deregulierung und Privatisierung ausruhrlieh Ring ( 1993), insbesondere S. 96 fl). 26 Vgl. etwaMusgravel Musgravel Kullmer (1990), S. 73 ff. Kritisch zum Konzept der meritorischen Güter äußert sich Engels (1990), S. 190: "Es gibt lediglich ein politisches Werturteil, das besagt, bestimmte Güter seien so wichtig, daß jedermann sie sich leisten können muß, die Verbraucher seien aber so dumm oder ungebildet, daß sie unter Marktbedingungen davon zu wenig kaufen." 27 Zur Verringerung von überhöhten Kosten des Angebots könnte der Staat schuljährlich im Nachhinein - ggf. nach regionalen Besonderheiten differenzierende - "Standardpreise" festsetzen, die sich etwa am Durchschnitt aller Anbieter orientieren, und unwirtschaftliche Anbieter sanktionieren, indem er den übersteigenden Betrag nicht erstattet, sondern - um den Betrieb des Bildungsträgers weiter zu ermöglichen - als Kredit vergibt, der im Laufe der nächsten Schuljahre zurückzuerstatten wäre.

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

dungseinrichtung erfiillt, zusätzlich ein "Bildungsdarlehen" anbieten, das wenigstens die Differenz zwischen dem Wert des Bildungsscheins und dem tatsächlichen Preis der privaten Institution sowie die mindestens erforderlichen Kosten der Lebenshaltung während der Ausbildungszeit abdeckt. Um evtl. mögliche positive externe Effekte zu berücksichtigen, könnten besonders gute Abschlüsse etwa durch eine Rückerstattung von individuell getragenen Kosten oder einen "Abschlag" vom Tilgungsbetrag des Darlehens belohnt werden, während man Anreize zu einem raschen Absolvieren etwa durch degressive Wertgestaltung des Bildungsscheins setzen könnte. Die Bildungsträger würden durch den Marktmechanismus zu einem Wettbewerb hinsichtlich Preis und Qualität ihres Ausbildungsangebotes gezwungen, wobei sogar eine höhere Markttransparenz zu vermuten wäre als in rein staatlichen Systemen. Der Wettbewerb würde zumindest im Bereich der weiterfUhrenden Bildungseinrichtungen ohne jegliche Staatseingriffe die notwendigen Anreize und Sanktionen fiir die Anbieter liefern. Die Nachfrager wären bei unbeeinträchtigter Wahlfreiheit hinsichtlich Ort, Art und Träger einer weiterfUhrenden Ausbildung aufgrund der staatlichen Kreditvergabe immerhin stärker als bisher angehalten, sich vor der Aufnahme eines Bildungsweges ihre späteren Berufsaussichten zu vergegenwärtigen, 28 so daß heute vielfach beklagte öffentliche Transaktionskosten in Form von fehlalloziiertem Humankapital (etwa als Arbeitslosigkeit von Akademikern) verringert würden. Das gewählte Beispiel kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß ein personaler Verbund nur fiir wenige öffentliche Aufgaben in ähnlicher Weise realisierbar wäre. Den Erkenntniswert unseres Beispiels sehen wir insbesondere darin, daß eine der Finanzierung vorgelagerte Entscheidung über die institutionelle Gestaltung des Angebots die Art und Höhe der resultierenden öffentlichen Transaktionskosten determiniert. Damit stellen wir indes nicht unser Vorgehen speziell im 2. Teil, also die Konzentration auf das öffentliche Einnahmesystem, in Frage, sondern wollen vielmehr erneut darauf aufmerksam machen, daß wir ein integriertes Gesamtsystem mit Interdependenzen zwischen öffentlichen Einnahmen, Staatsausgaben und Regulierungen und den hierdurch bedingten öffentlichen Transaktionskosten nur zu einem gewissen Teil analytisch trennen können. Diese Erkenntnis, wenn auch wieder spezifischer auf das Einnahmesystem bezogen, wird in ähnlicher Weise durch die nun folgenden Diskussionen des Verbundprinzips in regionaler, temporaler und sachlicher Ausprägung bestätigt werden. 28 Sofern die Darlehen nach Ende von Ausbildung bzw. Studium einkommensabhängig zu tilgen wären, reicht dies natürlich nicht aus, eine optimale Allokation im Bildungswesen zu gewährleisten.

Il. Grundlegende Gestaltung nach dem VerbWldprinzip

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B. Regionaler, sachlicher und temporaler Verbund als Simulationen des Marktmechanismus

- Ansätze eines regionalen Verbundes Mehrmals im Verlauf des 5. Kapitels haben wir bereits darauf verwiesen, daß starke (finanz-) föderalistische und direktdemokratische Elemente im Staatsaufbau-etwa via verbesserter "Steuermoral" und höherem Informationsstand der Bevölkerungaufgrund des c.p. höheren Nutzens von Informationtendenziell niedrigere öffentliche Transaktionskosten bedingen. Ferner haben wir im normativen Leviathan-Modell erkannt, daß eine verfassungsgebende Versammlung ihren Staat stark dezentral strukturieren und Einnahmehoheiten entsprechend dem jeweiligen Angebot von öffentlichen Leistungen mit begrenztem Nutzenradius klar auf die jeweils anbietende föderale Ebene zuteilen würde, um ein Leviathan-Verhalten zu beschränken. Diese Grundgedanken finden sich analog im Prinzip des regionalen Verbundes. 29 Danach sollte es in einem Staat grundsätzlich so viele vertikale Ebenen geben wie öffentliche Leistungen mit unterschiedlichen Reichweiten existieren; diese Nutzenradien bestimmen dann horizontal die Zahl der jeweils gleichgeordneten Gebietskörperschaften auf einer Ebene. Im Idealfall ohne externe Effekte auf der Ebene der Kollektive (regionale "spill-overs") und ohne Skalenerträge sichert eine entsprechend regionalisierte Aufteilung des öffentlichen Angebots einen wohlfahrtsoptimalen föderalen Aufbau, wenn gesichert ist, daß jede Gebietskörperschaft dieses Angebot selbst finanzieren muß. Darüber hinaus würde bei uneingeschränkter Mobilität der Bürger ein Wettbewerb der Gebietskörperschaften zugleich einstimmige Entscheidungen fördern bzw. der Ausbeutung von Minderheiten durch eine Mehrheit entgegenwirken. Selbst wenn diese idealisierten Bedingungen in der Realität nie vorliegen, geben sie doch Richtlinien an: Zentrales Element bildet die Verknüpfung von Gesetzgebungs- und Ertragshoheiten mit der Verteilung öffentlicher Aufgaben. Eine verwaltungsvereinfachende Zusammenfassung von öffentlichen Leistungen mit ähnlichen Nutzenradien beschränkt den Staatsaufbau in der Realität etwa Europas oder der Vereinigten Staaten auf drei oder vier vertikale Ebenen. Dies führt zwangsläufig zu Skalenerträgen und regionalen "spill-overs", die indes kein Argument für stärkere Zentralisierung liefern.

29 Vgl. zu den folgenden Ausruhrungen Wust ( 1981 ), S. 154 ff und S. 244 ff. Der Ansatz des regionalen Verbundes geht insofern Ober die etwa von Olson (1969) diskutierte Theorie der fiskalischen Äquivalenz hinaus, als diese sich nur auf die Verknüpfung von Last und Leistung konzentriert.

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

So können Skalenerträge genutzt werden, wenn zwar die Produktion einer Leistung auf einer zentralen Ebene erfolgt, jedoch von den lokalen Gebietskörperschaften "erworben" werden muß, ähnlich wie dies bei privaten Firmen mit funktional getrennten Einheiten üblich ist, wenn diese nach Art von "profit centers" organisiert sind. Ein Beispiel fiir den öffentlichen Sektor würde bereits die Erhebung von Steuern darstellen, die - entsprechend den lokal unterschiedlich erlassenen Regeln bezüglich Bemessungsgrundlagen und Tarifen - von zentralen Behörden vorzunehmen wäre; die entsprechenden Einnahmen könnten von dort aus an die lokalen Gebietskörperschaften weitergeleitet werden, die hierfiir ein Entgelt zu entrichten hätten. Regionale "spill-overs" können durch freiwillige Verhandlungen der betroffenen Gebietskörperschaften internalisiert werden; sollte eine Einigung nicht möglich oder aufgrund einer Vielzahl von Beteiligten mit prohibitiv hohen Kosten verbunden sein, so wäre die nächsthöhere foderale Ebene als Schiedsstelle anzurufen. Eine weitere denkbare Lösung wäre hier - wie auch bei Skalenerträgen - ein gemeinsames Angebot der von externen Effekten betroffenen Gebietskörperschaften in Form von Zweckverbänden. Selbst Ziele wie die Stabilisierung des Wirtschaftsablaufs oder die Verteilung und Umverteilung von Einkommen muß nicht unbedingt den Einsatz der entsprechenden Instrumente auf der zentralstaatlichen Ebene erfordern, wenn Gemeinden und Länder etwa zu stabilitätsgerechtem Verhalten verpflichtet und bei Verstößen sanktioniert werden können. Leistungsbezogene oder auch freie Transfers (mit dem Ziel einer Annäherung der Lebensbedingungen in den Gebietskörperschaften) können in einem derartigen System eine ergänzende Funktion erfiillen. Schließlich sollte ein Reformvorschlag aus Sicht des regionalen Verbundprinzips auch der in der Realität eingeschränkten Mobilität der Bürger Rechnung tragen. Wenn die Option "Abwanderung" weitgehend versperrt ist, sollte ein Zwangskollektiv wenigstens der Option "Widerspruch" im politischen Prozeß bessere Erfolgsaussichten einräumen, um sich die Loyalität seiner Bürger zu sichern. 30 Da öffentliche Leistungen vielfach auch dadurch gekennzeichnet sind, daß sich ein Individuum von ihrer Nutzung nicht selbst ausschließen kann, obwohl es vielleicht diese Leistung nur gering oder gar nicht schätzt, könnte bei einer zu kostenintensiven Abwanderung und bei einem offensichtlich wirkungslosen institutionalisierten Widerspruch im politischen Prozeß 30 Vgl. hierzu die grundlegenden Gedanken von Hirschman (1974), der das Spannungsfeld zwischen Abwanderung und Widerspruch aufweite gesellschaftliche Bereiche von Finnen-Kunden-Beziehungen ilber Vereine, Kirchen und politische Parteien bis hin zur Nation analysiert.

II. Grundlegende Gestaltung nach dem VerbWldprinzip

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durchaus "Staatsverdrossenheit" entstehen,31 die sich unter anderem in einem erhöhten "Steuerwiderstand" äußern kann. Grundsätzlich würde ein Gemeinwesen - sei es der Zentralstaat oder eine Kommune - solche mit öffentlichen Transaktionskosten verbundenen Loyalitätsverluste vermindern, wenn etwa Abstimmungen über kollektive "Güterbündel" in Einzelentscheidungen über Angebot und Finanzierung bestimmter Leistungen aufgespalten würden. Dies würde indes eine grundlegende Abkehr von der repräsentativen Demokratie implizieren und hohe Transaktionskosten des Entscheidungsprozesses bei vollständig direktdemokratischen Verfahren nach sich ziehen. Folglich wären verschiedene Arten von Transaktionskosten gegeneinander abzuwägen. Eine Lösung könnte darin bestehen, in den politischen Prozeß repräsentativer Demokratien verstärkt direktdemokratische Elemente zu integrieren, die nach föderalen Ebenen abgestuft zu gestalten wären. Auf der zentralstaatlichen Ebene könnte man sich etwa darauf beschränken, eine Verfassung mit festgelegten Aufgabenabgrenzungen der föderalen Ebenen und korrespondierenden einnahmepolitischen Gesetzgebungs- und Ertragshoheiten durch Volksabstimmung bestätigen zu lassen. Dies sollte sich nicht auf eine einmalige Verabschiedung beschränken, sondern auch sich langfristig wandelnden Auffassungen über das Zusammenleben im Staat Rechnung tragen - etwa durch regelmäßige Abstimmungen in generationenübergreifenden Intervallen. 32 Auf zwischengelagerten Ebenen (fiir Deutschland als Mitglied einer Europäischen Union etwa Bund und Länder) könnte man zusätzlich die Möglichkeit von Volksbegehren, gegebenenfalls mit anschließender Volksbefragung ähnlich dem in der bayerischen Verfassung vorgesehenen Prozedere, institutionalisieren. Auf Ebene der Gemeinden und Gemeindeverbände wären dagegen weitergehende direktdemokratische Elemente möglich, etwa Referenden über geplante Großprojekte und deren Finanzierungsalternativen oder auch über das relative Gewicht bestimmter Ausgabe- und Einnahmearten im kommunalen Haushalt. Zugleich setzen Referenden auf kommunaler Ebene immer eine möglichst weitgehende Information der Abstimmenden voraus, so daß also ergänzend fiir 31 Als Beispiele nennt Hirschman (1974), S. 89, den widerspruchslosen Rücktritt amerikanischer Regierungsbeamter, die mit der Vietnam-Politik unzufrieden waren, und die Herausbildung der "Hippie-Kultur" aus ihnliehen Gründen. In älmlicher Weise hatten wir bereits auf starre tarifliche und gesetzliche Arbeitsbestimmungen als Ursache flir Schattenwirtschaft hingewiesen. 32 So fordert etwa Schneider (1993 a), S. 33 f, flir die europäische Ebene sowohl ein Austrittsrecht von Staaten und Regionen aus der Europäischen Union als auch Volksbefragungen flir Verfassungsänderungen, eine Zuweisung von Aufgaben flir die europäische Ebene, verbunden mit entsprechenden Einnahmehoheiten und Volksabstimmungen Ober jede geplante Steuersatzerhöhung.

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6. Kapitel: Erhöhung der EffiZienz demokratischer Einnahmesysteme

alle Abstimmungsgegenstände Nutzen-Kosten-Analysen vorzunehmen sind. Da derartige Studien insbesondere aufgrund von Bewertungsproblemen und der Wahl der einbezogenen Effekte häufig zu umstrittenen Ergebnissen fuhren, könnte man sogar erwägen, wenigstens für Projekte ab einer gewissen Größenordnung mindestens zwei unabhängige Gutachten erstellen zu lassen. Zu bedenken sind dabei indes - wie oben bereits angesprochen - die Kosten derartiger Informationen sowie die möglicherweise resultierenden Verzögerungen politischer Entscheidungen. - Zum Übergang auf den sachlichen Verbund Generell kann für Vorschläge, die sich an der Realität orientieren und insofern immer Kompromisse hinsichtlich verschiedener Transaktionskostenarten darstellen, eine Trennung zwischen regionalem und sachlichem Verbund nicht mehr eindeutig vorgenommen werden. 33 Grundsätzlich würde auch in regionaler Sicht ein Verbund von Nutzen, Finanzierung und Entscheidung eine "first-best-Lösung" nur durch individuell bestimmte "Steuerpreise", also eine Anwendung der partiellen marktliehen Äquivalenz, erreicht. Tatsächlich unterstellen wir aber bei allen realitätsbezogenen Vorschlägen zum regionalen Verbund, daß im besten Falle mit Hilfe von nutzungsabhängigen Gebühren oder Beiträgen (für die Möglichkeit der Nutzung) eine kostenmäßige Äquivalenz nach (hier regional zusammengefaßten) Nutzergruppen realisiert wird also höchstens eine "Zweitbest-Lösung" erreichbar ist. Weitere Abstriche hiervon resultieren, wenn sich ein individueller Ausschluß durch Äquivalenzabgaben nicht durchführen läßt. Der steuerfinanzierte Anteil an öffentlichen Leistungen und die Ausgestaltung der Steuerfinanzierung würden dann selbst auf der kommunalen Ebene einem kollektiven Entscheidungsprozeß unterliegen, in dem Minderheiten nicht angemessen berücksichtigt werden können. Hier wäre eine Vorschrift zu empfehlen, die - entsprechend der Forderung von Brennan und Buchanan für den Leviathanstaat - eine Zweckbindung von Steuern bereits bei der Entscheidung über ein öffentliches Vorhaben vorsieht. 34 Grundsätze fur die Ausgestaltung einer derartigen Zweckbindung haben wir bereits im 4. Kapitel erörtert; um möglichen regionalen Präferenzunterschieden bezüglich öffentlicher Leistungen mit nur geringem Nutzenradius Rech-

33 Dies gilt auch filr die strategischen Vorschläge zur Dezentralisierung. die etwa Bird (1993) oder Gramlieh (1993) diskutieren. 34 Mit diesem Postulat treffen wir implizit eine Entscheidung. die mögliche Vorteile des Non-Affektationsprinzips geringer schätzt als die Ersparnisse an öffentlichen Transaktionskosten im Sinne der allokativen und insbesondere konstitutionellen Effizienz. Siehe zu einer ausfilhrlichen Diskussion von Vor- und Nachteilen einer Zweckbindung Wittmann (1981), S. 11-20.

Il. Grundlegende Gestaltung nach dem Verbwtdprinzip

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nung zu tragen, wäre es sinnvoller, entsprechende Maßnahmen in den Kommunen zur Abstimmung zu stellen, während auf übergeordneter Ebene in der Verfassung lediglich die Finanzierungsmechanismen für die Güter mit den größeren Reichweiten zu verankern wären. Sofern auch das Potential der zweckgebundenen Steuern nicht ausreicht, um alle Aufgaben einer Kommune oder eines Bundeslandes zu finanzieren, könnten diese auf direkte Steuern zurückgreifen. Entsprechend dem Grundgedanken eines Systems, in dem das politische und ökonomische Verbundprinzip weitgehend verwirklicht wird, könnte man die Gesetzgebungshoheit für diese direkten Steuern aufspalten: 35 Die Objekthoheit wäre der zentralstaatlichen Ebene zuzuweisen, die damit die Bemessungsgrundlagen und den grundsätzlichen Tarifverlauf festzulegen hätte, jedoch nicht auf die Erträge zurückgreifen dürfte. Die Gestaltungshoheit, die wie die Ertragshoheit den Kommunen oder Ländern zugestanden werden müßte, würde es diesen erlauben, etwa mit Hilfe von Hebesätzen ein regional differierendes Angebot öffentlicher Leistungen zu finanzieren. Ein weiterer Vorteil wäre darin zu vermuten, daß es für organisierte Interessen tendenziell erschwert würde, Ausnahmetatbestände bei der zentralen Ebene (mit Objekthoheit) zu erlangen. Dies erscheint plausibel, weil Lokalpolitiker vermutlich gegen zentralstaatliches Streben nach partiellen Begünstigungen Widerstand leisten würden, wenn sie infolge schrumpfender Bemessungsgrundlagen ihre lokalen Hebesätze erhöhen müßten, ohne daß ihnen die Vorteile aus vermehrter Unterstützung durch die begünstigten Interessengruppen zugutekommen würden. - Problematik eines temporalen Verbundes Ähnlich verschwommen wie im Falle des regionalen und sachlichen Verbundes wäre auch eine Abgrenzung hinsichtlich des Verbundes von Nutzem, Zahlern und Entscheidern in temporaler Sicht. Will man dem Markt eine solche Kompetenz zugestehen, so resultiert eine zeitliche Verknüpfung durch den Zins: Nimmt ein Individuum einen Kredit auf, so ist damit das Versprechen an den Gläubiger verbunden, den Kredit einschließlich der zwischenzeitlich anfallenden Zinsen in der Zukunft zu tilgen; über die Zinshöhe entscheiden allein Schuldner und Gläubiger. Auf den ersten Blick könnte man meinen, grundsätzlich würde sich die staatliche Kreditaufnahme hiervon nicht unterscheiden, zumal die Koordination zwischen dem Staat als Schuldner und seinen Gläubigem im Gegensatz zur zwangsweisen Steuerfinanzierung - mit Ausnahme von Zwangsanleihen 35 Vgl. zu den begrifflichen Erläuterungen Zimmermann! Henke (1990), S. 109 ff.

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

freiwillig erfolgt. Indes gilt es hier mehrere Spezifika der Staatsverschuldung zu beachten, die eine grundlegend andere Sicht implizieren: Aufgrund der Machtposition des Staates darf ein Einfluß auf den Zins nicht ausgeschlossen werden; im Falle einer weisungsgebundenen Notenbank kann der Staat diesen direkt festsetzen. Zwar könnten die Individuen prinzipiell Kredite an ausländische Schuldner vergeben, doch erfordert dies in der Regel höhere Transaktionskosten und unterliegt - sofern der Kredit in ausländischer Währung erfolgt - aufgrunddes Wechselkursrisikos größerer Unsicherheit. Ein zweiter Unterschied liegt in der unterschiedlichen "Lebenszeit" von privaten und öffentlichen Schuldnern: Weil die Lebenszeit eines Staates dem Gläubiger in der Regel als unbegrenzt erscheint, wird er bereit sein, immer neue Kredite zu gewähren. Die Folge für den Staatshaushalt wäre eine zunehmende Einengung von Budgetspielräumen, da ein wachsender Anteil durch Zins- und Tilgungszahlungen beansprucht wird. Ferner stellt nach dem Wachstumsansatz zur intertemporalen Lastverschiebung die gegenwärtige Generation der zukünftigen bei Kreditfinanzierung einen geringeren Kapitalstock zur Verfügung als bei Steuerfinanzierung, wenn die Staatsverschuldung aus privater Ersparnis finanziert wird und somit private Investitionen verdrängt. 36 Somit ergibt sich aus Sicht des temporalen Verbundprinzips das entscheidende Problem, daß die belasteten zukünftigen Generationen nicht an der Entscheidung über die Verschuldung beteiligt sind. Das bei weitem größte Problem der Staatsverschuldung und den auffälligsten Unterschied zu einem privaten Schuldner sehen wir indes in der Möglichkeit des Staates, seine Schulden durch Inflation selbst zu entwerten, wenn er entweder über die Möglichkeit zur Geldschöpfung verfügt oder das allgemeine Preisniveau durch überproportionale Preiserhöhungen staatlicher Leistungen beeinflussen kann. Während Staatsverschuldung - oder etwa eine hierzu völlig äquivalente Finanzierung von Sozialversicherungsleistungen nach dem Umlageprinzip-ohneInflation lediglich eine Vorwegnahme zukünftiger Steuereinnahmen (mit entsprechender Problematik der Verteilung zwischen den Generationen) darstellt, kommt sie in Verbindung mit Inflation immer auch einer Enteignung der gegenwärtigen Generation gleich, was nicht nur verteilungsund ordnungspolitisch bedenklich scheint, sondern zudem allokative Verzerrungen zwischen der Anlage in Geld- und in Sachvermögen mit sich bringt und das wirtschaftliche Wachstum lähmt. 37

36 Vgl. Musgrave (1959),Modigliani (1961),Modigliani (1964) und Vickrey (1961). 37 Zur Problematik von Inflation ausfUhrliehDürr (1982); zu empirischen Belegen ebd., S. 66 ff.

ill. Zusätzliche Aspekte zur Effizienzerhöhung

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Aus den genannten Gründen sehen wir keine Möglichkeit für eine Umsetzung des temporalen Verbundes im strengen Sinne. Bestenfalls wären Ansätze zu einer fiskalischen Äquivalenz zwischen Nutzen und Lasten gegenwärtiger und zukünftiger Generationen denkbar, 38 wobei die Unsicherheit über das, was zukünftige Generationen als Nutzen ansehen und über deren konkrete Bewertung von Nutzen höchstens durch Risikozuschläge auf Diskontraten im Rahmen von Nutzen-Kosten-Analysen berücksichtigt werden könnten. Indes entsteht hierbei das Problem, daß die durch einen positiven Realzins implizierte Minderschätzung zukünftigen Konsums verstärkt wird und daß möglicherweise ökonomisch sinnvolle Investitionen unterbleiben. Da auch die gegenwärtige Generation von vergangeneo einen gewachsenen Kapitalstock "vererbt" bekam und folglich auch durch eine Steuerfinanzierung eine zeitliche Äquivalenz von Nutzen und Lasten39 weitgehend realisierbar scheint, können wir - angesichts der immanenten Gefahr eines politischen Mißbrauchs der Staatsverschuldung - hier nur auf die Notwendigkeit von verfassungsmäßigen Grenzen für Staatsverschuldung hinweisen.

m. Zusätzliche Aspekte zur Erhöhung von konstitutioneller, allokativer und Erhebungseffizienz Mit der Reformdiskussion aus Sicht des Verbundprinzips haben wir uns darauf beschränkt, die grundsätzlichen Strukturen des öffentlichen Angebots und seiner Finanzierung im politischen Entscheidungsprozeß so zu fixieren, daß öffentliche Transaktionskosten verringert werden, die aus den unterschiedlichen Strategien von Bürgern und Politikern im Zusammenhang mit dem demokratischen Einnahmesystem beruhen. Bereits für die öffentliche Verschuldung gelang eine derart grundsätzliche strukturelle Reformempfehlung nicht mehr, so daß wir auf weitere Maßnahmen wie etwa konstitutionelle Beschränkungen verweisen mußten. Ferner findet man - häufig nur unsystematisch zahlreiche Vorschläge für Reformen von öffentlichen Einnahmen, die sich jeweils auf Einzelaspekte konzentrieren, mit denen in unserem Sinne Fragen der allokativen und der Erhebungseffizienz angesprochen sind. 40 Wir werden abschließend einige Maßnahmen kurz erörtern, die aus Sicht der konstitutionel-

38 Siehe hierzuMusgrave (1959), S. 559. 39 Zum Nachweis siehe Stalder (1992), S. 28 f. 40 Beispielhaft sei aus dem deutschsprachigen Raum etwa auf die Beiträge in Zimmermann (1988), in Dt'Jringl Spahn ( 1991) oder in Rose ( 1992) hingewiesen. 25 Raab

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

len Effizienz notwendig scheinen und aus Sicht der allokativen und/ oder der Erhebungseffizienz zu Verbesserungen fuhren können, ohne die konstitutionelle Effizienz zu gefährden oder gegen das Verbundprinzip zu verstoßen. Einige Forderungen des Verbundprinzips decken sich mit prozeduralen Beschränkungen auf Verfassungsebene, die wir aus der Leviathantheorie ableiten konnten: der Zweckbindung staatlicher Einnahmen sowie einem föderalen Staatsaufbau mit Dezentralisierung von Aufgaben und Einnahmehoheiten. Die Frage von Gandenberger, ob konstitutionelle Beschränkungen tatsächlich notwendig und effektiv seien, müssen wir für die Staatsverschuldung bejahen. Gewisse Einschränkungen gegenüber einem strikten Verbot wären hier noch zu diskutieren, so etwa bezüglich einer kurzfristigen Überbrückung von Haushaltsengpässen innerhalb eines Jahres. Dagegen müßte bereits eine Verschuldung aus Gründen einer gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung kritisch gesehen werden, da sich in der Realität ein Budgetausgleich in den Aufschwungphasen nicht mehr realisieren ließ. Selbst bestehende konstitutionelle Beschränkungen, wie sie in Deutschland die Artikel 109 und 115 GG darstellen, haben sich für die Praxis als nicht effektiv erwiesen, um die Staatsverschuldung zu begrenzen: Der Grundsatz einer Begrenzung der Kreditaufnahme auf die Höhe der öffentlichen Investitionen wird infolge eines nicht ausreichend eingeschränkten Investitionsbegriffs und aufgrund der Ausnahmeregelung für eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" aufgeweicht. Solange es aber nicht gelingt, klar definierte bzw. nicht umgehbare Ausnahmetatbestände festzulegen oder ein Gebot der Rückführung konjunkturell entstandener Defizite in der folgenden Aufschwungphase wirksam durchzusetzen, wäre trotz möglicher Einbußen an stabilisierungspolitischer Flexibilität und Effizienz tendenziell auch eine konjunkturell begründete Verschuldung vollständig abzulehnen. Das gleiche Verbot muß komplementär hierzu für die Schuldaufnahme im Rahmen von "Nebenhaushalten" gelten, deren Existenz an sich schon fragwürdig scheint. Angesichts der möglichen Spielräume aufgrund der erhöhten "Fiskalillusion" wäre zumindest ein Gebot angebracht, derartige "Fonds", wie sie etwa im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung entstanden sind, im "Anhang" zum "offiziellen" Haushalt aufzuführen. Die Veröffentlichungsvorschriften, die wir unter dem Aspekt einer verbesserten Information der Bürger diskutiert haben, würden sich dann auch auf derartige "Nebenhaushalte" erstrecken. Das Problem der Intransparenz der "Fondswirtschaft" bezieht sich nicht nur auf Verschuldung als Einnahmequelle, sondern auch auf sog. "parafiskalische Sonderabgaben". Die meist vorliegende Zweck-

lll. Zusätzliche Aspekte zur Effizienzerhöhung

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bindung solcher Einnahmen wäre nach dem sachlichen Verbundprinzip nur dann positiv zu beurteilen, wenn sich die Träger dieser Abgaben ihrer Belastung bewußt wären. Die vermehrt zu beobachtende Praxis, solche Sonderabgaben nicht in den öffentlichen Haushalten nachzuweisen,41 legt entweder ein Verbot dieser Abgaben oder mindestens ein Veröffentlichungsgebot nahe. Weitere Regeln aus der konstitutionellen Steuertheorie, etwa ein Verbot von Pauschsteuern, ein Gebot der Allgemeinheit von Steuern oder auch ein Verbot regressiver Tarife von direkten Steuern scheinen in westlichen Demokratien eher selbstverständlich und dürften bereits infolge der - wenn auch nicht perfekt - kontrollierenden Wirkung von Wahlen als genügend unwahrscheinlich gelten; ein explizites konstitutionelles Verbot wäre aus unserer Sicht nicht unbedingt notwendig. Ähnlich sehen wir quantitative Beschränkungen (sei es der Einnahme- oder der Ausgabenhöhe und -struktur) als wenig empfehlenswert, da sie einerseits un:flexibel und andererseits leicht zu umgehen wären, wie sich am Beispiel des Gramm-Rudrnan-Hollings Act in den USA gezeigt hat. 42 Zu erörtern wäre schließlich noch eine Beschränkung von Steuern auf Kapitalbestände oder auf Kapitaleinkommen. Hierfür würden nicht nur konstitutionelle, sondern auch allokative Aspekte sprechen, wie wir im 4. Kapitel im Zusammenhang mit Formen der Kapitaleinkommensbesteuerung und deren intertemporaler Neutralität erkennen konnten. Ein derartiges Verbot würde etwa die vollständige Befreiung von Kapitalerträgen von der Einkommensteuerpflicht oder den Verzicht auf Grund-, Vermögen- und Gewerbesteuer implizieren. Mit dem Ausfall der entsprechenden Einnahmen könnte die Notwendigkeit verbunden sein, die Steuersätze der verbleibenden direkten und der indire~en Steuern zu erhöhen. Soweit hierbei jedoch auf Regeln der Optimatsteuertheorie geachtet würde (insbesondere wenn bei direkten Steuern lineare Tarife Anwendung fänden, bei denen die resultierende indirekte Progression nicht zu höheren Grenzsteuersätzen, sondern lediglich zu einem Anstieg der Durchschnittsbelastung fuhren dürfte), wären nicht nur Wohlfahrtsgewinne zu vermuten, sondern zugleich auch verringerte Spielräume fiir Politiker infolge der damit sinkenden "Fiskalillusion" bei den Steuerzahlern. Anzustreben wäre letztlich also ein Übergang auf Konsum- bzw. Cash-flow-Besteuerung.43 41 Diese Tendenz ließ sich in Deutschland bereits vor der Wiedervereinigung beobachten. So ermittelt Dietz ( 1987}, S. 260, filr den Zeitraum von 1978 bis 1987 einen Anstieg der in den öffentlichen Haushalten nachgewiesenen Sonderabgaben von 2,118 auf nur 2,806 Mrd. DM, während sich die sonstigen nicht nachgewiesenen Sonderabgaben von 2,642 aufS,143 Mrd. DM mehr als verdoppelten. 42 Vgl. hierzu von Kleist (1991). 43 Probleme eines derartigen Übergangs werden von Keuschnigg (1990) mit Hilfe eines empirischen allgemeinen Gleichgewichtsmodells analysiert. 25*

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

Ähnliche Probleme wie bei der heute dominierenden Einkommensteuer könnten sich jedoch auch bei einer progressiv gestalteten persönlichen allgemeinen Ausgabensteuer aus "kalter Progression" bei Inflation ergeben. 44 Obwohl im Einnahmesystem insbesondere durch Mengensteuern auch gegenläufige Wirkungen auftreten und obwohl in der Realität durch Tarifanpassungen oder erhöhte Freibeträge bei direkten Steuern die allokativen und distributiven Effekte bei einer inflationären Entwicklung teilweise (allerdings nur unsystematisch) abgemildert werden, konnte fur das deutsche Steuersystem weder die anreizschädliche Erhöhung der durchschnittlichen Grenzsteuersätze vermieden noch eine real aufkommensneutral wirkende Anpassung erreicht werden. Dies "fuhrt zu 'geräuschloser Reformfinanzierung', 'großen Steuerreformen' und Wahlgeschenken mit unübersichtlichen Verteilungs- und Allokationswirkungen, hohen Mehrbelastungen und Verzerrungen politischer Prozesse."45 Wollte man derartige Entwicklungen völlig ausschließen, so böte sich eine Indexbindung aller Tarifelemente an, d.h. eine automatische Anpassung jedes monetären Ausdrucks an einen festzulegenden Preisindex. Dies wäre indes ebenfalls nicht ohne Probleme möglich: Erstens müßte man sich auf einen geeigneten Index einigen, zweitens wäre ein Basisjahr zu bestimmen, dessen Einnahmestruktur fur die Zukunft zu übernehmen wäre, und drittens würden mit einer derartigen automatischen Erhöhung von Freigrenzen und -beträgen, von Abzugs- bzw. Pauschbeträgen sowie von Unter- und Obergrenzen der Tarifabschnitte (bzw. der entsprechenden Tarifformeln bei durchgehenden Formeltarifen) öffentliche Transaktionskosten sowohl im Staat als Verwaltungskosten als auch bei den Privaten in Form von erhöhten Informations- und Anpassungskosten entstehen. Würde man eine Indexbindung nur auf eine progressive Einkommen- oder Ausgabensteuer oder allgemeiner auf Ertragsteuern beschränken, so wäre dies aus Sicht des Staates unbefriedigend, weil Inflation dann zu einem relativen Aufkommensrückgang bei Mengensteuern führen würde, aus dem seinerseits ein Reformbedarf erwachsen könnte. Die Alternative einer urnfassenden Indexbindung aller Bemessungsgrundlagen dürfte aus Kostengründen vollkommen ausscheiden. Insgesamt können wir daher eine Indexierung höchstens für Ausnahmesituationen empfehlen, zurnal das Problem eher der geldpolitischen Sphäre zuzurechnen ist und folglich eher durch eine angemessene Ausgestaltung der Geldpolitik gelöst werden sollte.46

44 Siehe etwa die Diskussion bei Hahn (1977), Fricke (1977) oder Herb (1986). 45 Herb (1986), S. 56; siehe zur Begründung einer wachsenden Grenzbelastung auch die Wirkungsanalyse ebd., S. 32 ff. 46 Vg). etwa die geldpolitischen Ausfllhrungen von Dürr ( 1975).

m. Zusätzliche Aspekte zur Effizienzerhöhung

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Schließlich können Reformvorschläge, die explizit auf eine Reduzierung von Erhebungs- und Folgekosten zielen, nur eingeschränkt ohne detaillierte Analyse der hiervon nicht unabhängigen Steuerausweichung begründet werden. Dennoch lassen sich eher allgemeingültige Forderungen erheben: Tendenziell können wir hier zunächst die Pflicht zu einer Erfassung und Veröffentlichung dieser Kostenarten sowie die Einführung von Nutzen-Kosten-Analysen für alle einnahmepolitischen Entscheidungen wiederholen. Ferner können wir auf mögliche Ersparnisse hinweisen, die sich durch eine Abkehr vom Prinzip einer möglichst weitgehenden "Steuergerechtigkeit" für den Einzelfall (dies hat meist eher zur Komplexität einnahmepolitischer Regelungen und zur Problematik deren gerichtlicher Auslegung als zu vermehrter "Gerechtigkeit" beigetragen) sowie durch Verwaltungsvereinfachung realisieren ließen.47 So hatten wir bereits im Zusammenhang mit den Folgekosten vorgeschlagen, den Beginn der Steuerpflicht stärker zu verzögern, etwa durch Erhöhung der Grenze für die Umsatzsteuerpflicht oder eine Anhebung von Freibeträgen bei direkten Steuern. Ebenfalls der Vereinfachung des Steuerrechts würde eine grundlegende Reduzierung der Zahl der Steuern dienen. Dabei könnte man wie bereits im 4. und 5. Kapitel im Zusammenhang mit Folge- und Erhebungskosten angedeutet- zunächst an die Abschaffung sog. "Bagatellsteuern" denken. 48 So wurden in der Bundesrepublik in den letzten Jahren bereits erste Schritte in diese Richtung, etwa durch Abschaffung der Börsenumsatzsteuer oder der Gesellschaftsteuer, vollzogen. Zwar gilt es zu bedenken, daß nicht alle "Bagatellsteuern" sich als kostenintensiv erwiesen haben, doch würde damit insbesondere die Transparenz im System öffentlicher Einnahmen erhöht und damit diskretionäre Spielräume für eigennutzorientierte Politiker vermindert. Ferner sollten aus Sicht der administrativen Erhebungskosten vor allem die bewertungsintensiven Steuerarten abgeschafft werden, also insbesondere Erbschaftsteuer, Vermögensteuer,49 Grundsteuer und im Rahmen der Gewerbesteuer50 zumindest die Besteuerung des Gewerbekapitals. Sowohl aus Sicht der Folge- und Erhebungskosten des Einnahmesystems als auch wegen seiner Geschlossenheit könnte ein Vorschlag von Gaddum zur Reform der deutschen Einkommensteuer ebenfalls geeignet sein, im Sinne unserer heuristischen Vorschriften öffentliche Transaktionskosten zu reduzieren.51 47 Dies ist filr Deutschland insbesondere ein Anliegen in GFE (1984) und GFE (1986). 48 Siehe hierzu die Forderungen in BdSt (1980), BdSt (1986) und BdSt (1989). 49 Vgl. dazu BdSt (1990 b). 50 Siehe insbesonderePfaffernoschke (1990) filr eine ausfUhrliehe Würdigung. 51 Siehe ausfUhrlieh Gaddum (1986).

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

So will er nur noch Werbungskosten, Betriebsausgaben und außergewöhnliche Belastungen als Abzugsmöglichkeiten zulassen, alle anderen einschließlich der Sonderausgaben streichen und alle Freibeträge mit Ausnahme des Grundfreibetrages abschaffen, um - aufkommensneutral - einen niedrigeren linearprogressiven Tarif zu ermöglichen. 52 Diese Reform soll eine gleichmäßigere und familiengerechtere Besteuerung sichern, verfassungsrechtliche Bedenken (etwa bezüglich des steuerfreien Existenzminimums) aus dem Weg räumen und auch eine bessere Abstimmung zwischen Sozialleistungen und Nettoarbeitseinkommen gewährleisten. Insbesondere sollte der Vorschlag Kosten in der Verwaltung reduzieren und Arbeitsaufwand wie Komplexität (allein schon aufgrundeinfacherer Formulare) für die Zensilen mindern. Ein weiterer Vorteil entsteht aus polit-ökonomischer Sicht aufgrund der Abschaffung aller indirekten Subventionen durch Gaddums Vorschlag: Gruppenspezifische Leistungen müßten demzufolge immer direkt gewährt werden und würden damit für die Bürger deutlicher sichtbar. So wäre durch die Steuerzahler, die diese Begünstigungen finanzieren, eine verbesserte Kontrolle für Politiker und Interessenverbände gewährleistet, die ganz im Sinne des Verbundprinzips liegt. Noch grundlegendere Änderungen als der Gaddum-Vorschlag würden Ansätze erfordern, die über das Einnahmesystem hinaus im Bereich öffentlicher Ausgaben zu einer Vereinfachung gelangen wollen. Dabei würde sich - auch aufgrund einer verbesserten Transparenz durch einheitliche Bemessungs- bzw. Fördergrundlagen - eine Integration von Steuer- und Transfersystem anbieten, wie etwa im Konzept einer Negativen Einkommensteuer bzw. "Bürgersteuer" vorgesehen. 53 Jedoch sollte eine derart umfassende Reform eher unter der Fragestellung einer effizienten (Um-) Verteilungspolitik diskutiert werden. Ein aktueller Reformbedarf könnte im Bereich sog. "Öko-Steuern" oder für die Besteuerung von Unternehmen sowie von Haushalten bzw. Familien - insbesondere auch von deren Transfereinkünften, etwa Altersrenten - bestehen.54 Da diese Bereiche jedoch entweder bereits abgehandelt wurden oder im Sinne unserer heuristischen Suchvorschriften keine neuen Einsichten zur Verringerung öffentlicher Transaktionskosten liefern, brechen wir den Überblick zu

52 Zwar wurde in Deutschland der linear-progressive Tarif filr die Progressionszone mit der EiDkommensteuerreform 1990 eingefilhrt, doch bleiben fast alle von Gaddum angesprochenen Probleme nach wie vor relevant 53 Zur ausfilhrlicheren Diskussion vgl. etwaFriedman (1969) oder- unter der Bezeichnung "Bilrgergeld" bzw. "BOrgersteuer" filr die Bundesrepublik -Mitschke (1985) sowie Engels u.a. (1986). Am umfassendsten aus theoretischer und empirischer Sicht präsentiert Hüther ( 1990) das Thema. 54 Vgl. die analytischen BeitrAge zu diesen Themenschwerpunkten in Döringl Spahn (1991) sowie die Diskussion in Gobrechtl Ammann/Fuhrmann (1989).

IV. Entwurf einnahmepolitischer Reformen

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Reformvorschlägen unter dem Aspekt von Einzelmaßnahmen zur Erhöhung der Effizienz des Einnahmesystems an dieser Stelle ab und fassen stattdessen unsere Leitlinien fur Reformen in einem knappen Entwurf zusammen.

IV. Entwurf einnahmepolitischer Reformen Aus unseren Diskussionen im 2. Teil sowie aus den bisher erörterten Reformvorschlägen können wir zusammenfassend die Grobstrukturen umreißen, die aus unserer Sicht fur transaktionskostensenkende einnahmepolitische Reformen in der Demokratie zugrunde zu legen wären. (1) Die Wahrscheinlichkeit fur umfassende Reformen wäre bei grundlegenden

Neuentwürfen von Verfassungen, wie sie etwa im Rahmen der Europäischen Integration zu erwarten sind, oder bei wachsender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der politischen und ökonomischen Situation, verbunden mit einem Auftreten von "politischen Unternehmern", am größten. Endogen können im politischen Prozeß partielle Reformen des Einnahmesystems schon aus der Dynamik wachsender öffentlicher Transaktionskosten resultieren. (2) Vorbedingung fur grundlegende Reformen ist ein besseres Informationsniveau der Individuen über einnahmepolitische Fragen. Wegen des individuellen Rationalkalküls auch bei der Informationsbeschaffung muß der Staat diese verbilligen, und zwar sowohl durch eine verbesserte Presseund Informationsarbeit als auch mit Hilfe einer erhöhten Transparenz im öffentlichen Sektor. Insofern wären etwa "Nebenhaushalte" zu untersagen, Folge- und Erhebungskosten zu ermitteln und auszuweisen. Nutzen-Kosten-Analysen sowie Prognosen zur Budgetinzidenz wären der wissenschaftlichen Politikberatung zuzuweisen; deren Ergebnisse müssen (in Kurzfassung) obligatorischer Bestandteil jedes Haushaltsgesetzes sein. (3) Vor jeder Reform ist zu prüfen, ob staatlich angebotene Leistungen nicht ebenso von Privaten unter Konkurrenzbedingungen oder im Rahmen öffentlicher Regulierungen erbracht werden können. Fällt eine Entscheidung zugunsten des öffentlichen Angebots, so ist die Leistung auf einer möglichst dezentralen Ebene anzubieten und zu finanzieren. Hilfreich wäre hierzu eine verfassungmäßige Festlegung von öffentlichen Aufgaben auf föderale Ebenen, verknüpft mit entsprechenden Gesetzgebungs- und Ertragshoheiten über die korrespondierenden öffentlichen Einnahmen.

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6. Kapitel: Erhöhung der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme

(4) Auf der jeweiligen f6deralen Ebene ist - soweit möglich - auf eine Finanzierung durch Äquivalenzabgaben zurückzugreifen. Wenn dieses Potential ausgeschöpft ist, sollten zweckgebundene Steuern eingesetzt werden, wobei auf einen engen Zusammenhang zwischen der Bemessungsgrundlage einer derartigen Steuer und der damit zu finanzierenden öffentlichen Leistung zu achten ist. Erst ein noch weitergehender Einnahmebedarf könnte durch direkte Steuern gedeckt werden. Dabei sollte für jede Gebietskörperschaft wenigstens die Gestaltungs- und Ertragshoheit erhalten werden etwa durch ein gesondertes Hebesatzrecht für Kommunen und Bundesländer-, um regional unterschiedlichen Präferenzen der Bürger für öffentliche Leistungen Rechnung zu tragen. (5) Staatsverschuldung ist konstitutionell auszuschließen; einzige Ausnahme wären Kassenverstärkungskredite zur Überbrückung kurzfristiger Schwankungen der Einnahmen und Ausgaben. Soweit Sozialversicherungssysteme auf dem Umlageverfahren basieren, ist ein Übergang auf das Kapitaldeckungsprinzip innerhalb einer vorab definierten Frist zu vollziehen. (6) Eine Besteuerung von Kapital oder Kapitalerträgen ist konstitutionell auszuschließen. Steuersystematisch kann dies mit einem Übergang auf eine persönliche Ausgabenbesteuerung und eine Cash-flow-Besteuerung im Unternehmensbereich verbunden sein, ist jedoch nicht unbedingt notwendig. Die Objekt- und die Durchführungshoheit über diese direkte Steuer sollte auf der zentralstaatlichen Ebene liegen, nicht jedoch die Gestaltungs- und Ertragshoheit, die - wie oben begründet - dezentral zu vergeben wäre. (7) Als aufkommensstarke indirekte Steuer wäre eine allgemeine Verbrauchsteuer zu erheben, die der zentralstaatlichen Ebene zukommt. Ergänzt werden kann diese durch spezielle Verbrauchsteuern, wobei insbesondere die Corlett-Hague-Regel zu beachten wäre. (8) Für weitere Empfehlungen aus der einnahmepolitischen Diskussion der achtziger und neunziger Jahre verweisen wir auf die Ausführungen am Ende von Punkt III dieses Kapitels. Im wesentlichen stehen die Reformvorschläge, die aus Sicht verminderter öffentlicher Transaktionskosten positiv zu beurteilen sind, unter dem Aspekt einer reduzierten Komplexität durch Steuervereinfachung und Integration der Einnahmen- und Ausgabenpolitik.

Res11mee

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Öffentliche Transaktionskosten und Effizienz des staatlichen Einnahmesystems - Ein Resümee In unseren Vorbemerkungen haben wir uns drei Hauptziele gesteckt, die den Inhalt der Studie bestimmt haben und auf die wir nun für ein knappes Resümee zurückgreifen. (1) Offenlegen von Transaktionskosten des staatlichen Einnahmesystems: Gängige Konzepte zur Messung von Effizienz wie etwa die traditionelle paretianische Wohlfahrtsökonomik der neoklassischen Gleichgewichtstheorie oder die Theorie der X-Ineffizienz erwiesen sich bereits für den Markt als zu eng oder als nicht klar genug abgrenzbar und waren deshalb auch für den öffentlichen Sektor wenig brauchbar oder ergänzungsbedürftig. Wir haben deshalb mit der Definition "(Opportunitäts-) Kosten von (mangelhafter) Koordination" einen weiten Begriff von Transaktionskosten aus dem privaten Sektor auf den Staat übertragen, um die Effizienz von institutionellen Arrangements zur Koordination zwischen Individuen und Staat zu prüfen (1. Kapitel). Folgerichtig ging es in einem nächsten Schritt im 2. Kapitel darum, verschiedene Arten öffentlicher Transaktionskosten (also von Transaktionskosten, die infolge staatlichen Handeins entweder im Staat oder am Markt anfallen) zu identifizieren und für das öffentliche Einnahmesystem zu klassifizieren. Schließlich konnten wir durch die Diskussion der Annahmen über das Verhalten von einnahmepolitischen Entscheidungsträgern im 3. Kapitel drei "Staatstheorien" identifizieren, in denenjeweils spezifische Arten von öffentlichen Transaktionskosten auftreten. Auf dieser Basis konnten wir Effizienzkonzepte entwickeln und mit ihrer Hilfe die jeweils relevanten Referenzmaßstäbe für Effizienz in den unterschiedlichen Staatstheorien ableiten. (2) Bedeutung institutioneller Rahmenbedingungen für Transaktionskosten: Damit erhielten wir zugleich die Struktur für den 2. Teil: Wir untersuchten im 4. Kapitel zunächst die allokative Effizienz im wohlfahrtsökonomischen Modell des weisen Diktators und das Spannungsverhältnis zwischen allokativer und konstitutioneller Effizienz im (ebenfalls normativen) Modell des Leviathanstaates. Danach prüften wir, inwiefern es in repräsentativen Demokratien zu Abweichungen von der allokativen und von der konstitutionellen Effizienz kommt.

394

Resümee

Als Zwischenergebnisse konnten wir in den ersten beiden Abschnitten jeweils Regeln ableiten, nach denen man Einnahmesysteme gestalten müßte, wenn die entsprechenden institutionellen Rahmenbedingungen gewährleistet wären. Der dritte Abschnitt zeigte indes, daß sich in Demokratien weder Anzeichen für eine perfekt wohlfahrtsmaximierende noch für eine ausschließlich aufkommensmaximierende Einnahmepolitik nachweisen lassen und folglich Abweichungen von den Regeln der allokativen und der konstitutionellen Effizienz resultieren. Zugleich entstand ein weiterer Erklärungsbedarf für das Verhalten demokratischer Entscheidungsträger: Die beiden normativen Modelle konnten zwar erste Richtlinien zur Verminderung öffentlicher Transaktionskosten liefern, reichten aber nicht aus, um alle Aspekte der Effizienz demokratischer Einnahmesysteme zu beurteilen. So analysierten wir im 5. Kapitel für das Modell der repräsentativen Demokratie die politisch-demokratische Effizienz und deren Interdependenzen mit der Erhebungseffizienz. Wir konnten über die allokativen und konstitutionellen Wohlfahrtsverluste hinaus weitere Arten öffentlicher Transaktionskosten aus den individuellen und kollektiven Strategien der Bürger zur Anpassung an einnahmepolitische Regelungen sowie aus den Strategien von eigennützigen (Regierungs-) Politikern ableiten. Auffällig waren dabei insbesondere die immer wiederkehrenden Indizien, die darauf hinwiesen, daß den öffentlichen Transaktionskosten ein aufgelöster Verbund von Nutzen, Finanzierung und Entscheidung über staatliche Leistungen zugrundeliegt. Indem wir in einem zweiten Schritt die Struktur von Einnahmesystemen als Bindeglied zwischen den Strategien von Bürgern und Politikern auffaßten und unsere Betrachtung um die Kosten der Erhebung öffentlicher Einnahmen erweiterten, gelang es uns auch, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Arten öffentlicher Transaktionskosten zu vertiefen und Möglichkeiten für zunächst unsystematische endogene Reformen des Einnahmesystems zu identifizieren. (3) Ansatzpunkte zur Minimierung oder Verringerung von Transaktionskosten: Wir untersuchten daher im abschließenden 6. Kapitel, unter welchen Bedingungen systematische Reformen zu erwarten sind, die gezielt zum Abbau öffentlicher Transaktionskosten geeignet sind, und welche Empfehlungen wir aus unseren drei "Staatstheorien" für die Realität entwickelter demokratischer Staaten übernehmen können. Generell erfordern derartige systematische Reformen eine Änderung institutioneller Rahmenbedingungen. Dies betrifft zunächst den politischen Entscheidungsprozeß, dessen Gestaltung das Auftreten "politischer Unternehmer" erleichtern und damit die Wahrscheinlichkeit von

Resümee

395

Reformen erhöhen soll. In bezug auf öffentliche Einnahmen und Ausgaben erstreckt sich diese These zur Notwendigkeit institutioneller Reformen dann insbesondere auf Schritte zur engeren Verknüpfung von Nutzung, Zahlung und Entscheidung im Staat, mit deren Hilfe die Mechanismen - soweit möglich - "simuliert" werden, die am Markt unter vollständiger Konkurrenz Effizienz gewährleisten. Indem wir neben dem Verbundprinzip zentrale Regeln aus der konstitutionellen und der Optimalsteuertheorie erörterten, konnten wir zum Abschluß generelle Richtlinien für Einnahmesysteme in Demokratien ableiten, die aus unserer Sicht eine dauerhafte Senkung öffentlicher Transaktionskosten versprechen und somit nicht nur für Bürger, sondern auch für "politische Unternehmer" attraktiv sein können.

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