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German Pages 235 [236] Year 1997
Studien zur Wirtschaftsinformatik 10 Herausgegeben von Karl Kurbel, Uwe Pape und Wolfgang Uhr
Claus Rautenstrauch
Fachkonzept für ein integriertes Produktions-, Recyclingplanungs- und Steuerungssystem (PRPS-System)
W G DE
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1997
Claus Rautenstrauch PD Dr., Lehrstuhl für Informationsmanagement, Fachgruppe Informationswissenschaft, Universität Konstanz
Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. sind in diesem Werk nicht durchgehend gekennzeichnet. Gekennzeichnete und nicht gekennzeichnete Bezeichnungen können Warenzeichen sein, deren Benutzung durch Dritte für deren Zwecke die Rechte der Inhaber verletzen kann. Das Buch enthält 102 Abbildungen und 17 Tabellen ® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
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CIP-Einheitsaufnahme
Rautenstrauch, Claus: Fachkonzept für ein integriertes Produktions-, Recyclingplanungsund Steuerungssystem (PRPS-System) / Claus Rautenstrauch. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1997 (Studien zur Wirtschaftsinformatik ; 10) ISBN 3-11-015446-3 NE: GT
© Copyright 1996 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck: WB-Druck GmbH & Co., Rieden am Forggensee. - Buchbinderische Verarbeitung: Mikolai GmbH, Berlin. - Einband: Hansbernd Lindemann, Berlin. Printed in Germany
Vorwort
Versetzen Sie sich bitte einmal in die Lage eines Archäologens im Jahre 3096. Auf der Suche nach Spuren vergangener Kulturen ist er auf ein Gelände gestoßen, daß offenbar vor mehr als 1000 Jahren eine Müllkippe war. Erfindet gut erhaltene Plastiktüten, verrottete Teile altertümlicher Fortbewegungsmittel, Reste bizarr anmutender Haushaltsgeräte und vieles andere mehr. Bei der Altersbestimmung und Katalogisierung der gefundenen Gegenstände stellt er fest, daß der weitaus überwiegende Teil der Fundstücke aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts des zweiten Jahrtausends stammt. Danach nimmt die Zahl der Fundstücke rapide ab, denn es begann das Zeitalter des Recycling! Nun, ganz so weit ist es noch nicht. Recycling ist heute eine Herausforderung für Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen. Daher haben wissenschaftliche Arbeiten zum Recycling fast immer interdisziplinären Charakter, was auch für diese Arbeit gilt. Die hier behandelte Thematik der integrierten und computergestützten Produktions- und Recyclingplanung und -Steuerung (PRPS) ist im Schnittbereich von Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre (insbesondere Industriebetriebslehre) angesiedelt und berührt ferner auch Themen der Umweltinformatik und Ingenieurwissenschaften. Während technische Lösungen für das Recycling seit Jahren erarbeitet werden, ist die Einbeziehung des Recycling in die PPS ein noch recht junges Forschungsgebiet. Dieses Buch ist ein Beitrag zur Konzeption von PPS-Systemen, die in der Lage sind, Produktionsdaten für ein zukünftiges Recycling bereitzustellen, als auch den Rückfluß von Teilen aus dem Recycling einzubeziehen. Den Anstoß zu dieser Arbeit gab ein Beitrag im August 1991, der gerade im Radio lief, während ich meine Dissertation zur Buchbinderei fuhr. In diesem Beitrag wurde Uber die Eröffnung des ersten Recyclingzentrums für Elektronikschrott in NordrheinWestfalen berichtet. Daher gilt mein erster Dank den Redakteuren des WDR, die diesen Beitrag zusammenstellten und ausstrahlten und mir so die möglicherweise jahrelange Themensuche für diese Arbeit ersparten. Weitere Anstöße gaben der bahnbrechende Artikel von Corsten und Reiss mit dem Titel „Recycling in der PPS", der 1991 in der DBW erschienen ist, und ein mehr oder weniger zufällig entstandenes Gespräch mit Dr.-Ing. Johann Adam von der Robotron
VI
Vorwort
Datenbank-Software GmbH, Dresden, wofür ich ebenfalls herzlich danken möchte. Von ihm stammt die Anregung, integrierte Produktions- und Recyclingprozesse mit Petri-Netzen zu modellieren, wobei er erste Ansätze bereits 1969 (!) in der Zeitschrift Rechentechnik veröffentlicht hat Nachdem nun die Liste deijenigen Personen, denen ich für Ihre Unterstützung zu danken habe, eröffnet ist, möchte ich zunächst meiner Frau, Edeltraud Rautenstrauch, für ihre Unterstützung durch die Abwicklung sämtlicher privater „Geschäftsprozesse", unermüdliches Korrekturlesen und einem allen Situationen gewachsenen Krisenmanagement (das nicht hoch genug bewertet werden kann) herzlich danken. Weiterhin gilt mein Dank meinem akademischen Lehrer, Professor Dr. Karl Kurbel, der diese Arbeit betreut hat und stets mit Rat und Tat zur Seite stand. Weiterhin möchte ich Professor Dr. Dietrich Adam und Professor Dr. Jörg Becker für die vielen konstruktiven Diskussionen und Anregungen danken, die erheblich zur Qualitätsverbesserung der Arbeit beigetragen haben. Herrn Professor Adam möchte ich außerdem für die Hilfsbereitschaft und die (trotz hoher Kapazitätsauslastung) enorm kurzen Durchlaufzeiten bei der Bewältigung mancher fachlicher und formaler Hürden besonders danken. Mein Dank gebührt auch Professor Dr. Dr. h.c. Heribert Meffert für die Übernahme des Koreferats. Viele inhaltliche Anregungen verdanke ich auch meinen Kollegen Dipl.-Inform. Thomas Schnieder, Dipl.-Inform. Bernd Schneider, Dipl.-Wirt.-Inform. Kai Gerhold und Dipl.-Kfm. Reinhard Jung, wobei letztgenannter auch das mühevolle Lektorat für dieses Buch übernommen hat Eine Habilitationsschrift ist nicht zwangsläufig ein Buch. Die Formatierung des Textes nach den nicht gerade trivialen Vorgaben des Walter de Gruyter Verlags hat zu einem großen Teil Frau Gabriele Becker durchgeführt Seitens des Verlags wurde das Werk von Frau Dr. Bianka Ralle, Frau Elisabeth Abu Homos und Frau Marie-Rose Dobler betreut Auch Ihnen allen möchte ich für das Gelingen des Werks danken. Der letzte und damit auch besondere Dank hat einen nicht ganz alltäglichen Hintergrund: Als kurz vor Abgabe der Arbeit mein betagter Apple Macintosh Plus (Baujahr 1985!), mit dem ich den Großteil des Manuskripts erstellt habe, im für einen PC geradezu biblischen Alter von 9 Jahren das Zeitliche segnete, haben mir cand. rer. pol. Jörg Zieren und Dipl.-Kfm. Ing (grad.) Norbert Hunstig von der Melados Computer GmbH, Münster, aus der Klemme geholfen. Ihnen gebührt daher mein besonderer Dank. Claus Rautenstrauch Münster und Konstanz im September 1996
Inhalt
1
Ziele und Aufbau der Arbeit 1.1 Ziele 1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
2
Industrielle Produktion und Recycling 2.1 Produktionsplanung und -Steuerung und PPS-Systeme 2.1.1 PPS-Systeme aus Sicht der Wirtschaftsinformatik 2.1.2 Das ökonomische Zielsystem der PPS 2.1.3 Funktionsbereiche von PPS-Systemen 2.1.3.1 Datenverwaltung 2.1.3.2 Primärbedarfsplanung 2.1.3.3 Materialwirtschaft 2.1.3.4 Zeit- und Kapazitätswirtschaft 2.1.3.5 Fertigungssteuerung 2.2 Entsorgung, Recycling und Abfallbeseitigung 2.2.1 Begriffsklärungen 2.2.2 Ziele und Grenzen des Recycling 2.2.3 Wirtschaftliche Vorteile von Recycling 2.2.4 Recycling als interdisziplinäre Aufgabenstellung 2.2.5 Ansätze zur rechnergestützten Recyclingplanung auf PPS-Basis .... 2.3 Integrationskonzept für die Recycling- und Produktionsplanung.... 2.3.1 Integration von Produktions- und Recyclingprozessen 2.3.1.1 Struktur und Qualität von Recyclinggütern 2.3.1.2 Grobkonzepte für die Verkürzung von Prozeßketten 2.3.1.3 Argumente für die Integration von Produktions- und Recyclingprozessen 2.3.1.4 Integrationsbedingte Änderungen der Prozeßabläufe 2.3.1.5 Objekte der Integration auf Prozeßebene 2.3.2 Integrierte Planung von Produktion und Recycling 2.4 Das ökonomische Zielsystem der PRPS 2.5 PRPS und die ökologischen Ziele des Recycling
1 1 7 11 11 11 12 16 17 18 19 20 22 24 24 30 32 36 41 44 44 44 46 48 51 52 55 57 60
Vffl
3
Inhalt
Modellierung integrierter Produktions- und Recyclingprozesse. 3.1 Modellierung mit Petri-Netzen 3.2 Grundlagen für die Modellierung 3.3 Petri-Netz-Bausteine für die Modellierung 3.3.1 Bausteine für die Modellierung von Arbeitsgängen 3.3.2 Modellierung von Arbeitsgängen gleicher Arbeitsgangstufe 3.3.3 Modellierung von Überlappungen 3.3.4 Bausteine für die Modellierung von Betriebsmitteln, Lagern und Kapazitäten 3.3.5 Modellierung mit zeitbehafteten und stochastischen Transitionen.... 3.3.6 Auflösung partieller Konflikte 3.4 Produktions-und Recyclingprozesse 3.4.1 Produktionsprozesse 3.4.2 Entsorgungsprozesse 3.4.3 Integrierte Produktions-und Recyclingprozesse 3.4.3.1 Integration von Produktions- und Reststoffrecyclingprozessen 3.4.3.2 Integration von Produktion und Ausschußrecycling 3.4.3.3 Integration von Produktion und Altproduktrecycling 3.5 Bedeutung und Nutzen der Prozeßmodelle für die weitere Arbeit...
61 62 65 67 67 70 73 74 80 83 85 87 89 92 92 94 95 97
4
Grunddaten der PRPS 99 4.1 Teilestammdaten und Erzeugnisstrukturen 99 4.1.1 Teilestammdaten 99 4.1.2 Erzeugnisstrukturen 102 4.2 Arbeitspläne und Arbeitsgänge 110 4.2.1 Arbeitspläne und Arbeitsgänge im Produktionsbereich 110 4.2.2 Beziehungen zwischen Produktions- und Recyclingarbeitsplänen. .113 4.2.3 Zusammenhänge zwischen Erzeugnisstrukturen und Arbeitsplänen 116 4.3 Auftragsdaten 120 4.4 Sonstige Daten 122
5
Erweiterungen der Stammdatenverwaltung 5.1 Teile und Erzeugnisstrukturen 5.1.1 Teilestammdaten 5.1.2 Merkmale und Ausprägungen 5.1.3 Erzeugnisstrukturen 5.2 Arbeitspläne
125 128 128 131 133 138
Inhalt
IX
5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4 6
Beziehungen zwischen Arbeitsplänen Beziehungen zwischen Arbeitsgängen (Halb-)automatische Generierung von Recyclingarbeitsplänen Browser für Arbeitspläne Recyclinggraphen Recyclinggraphelemente Festlegung von Bauteilgruppen Generierung von Recyclinggraphen Browser für Recyclinggraphen Auftragsdaten
138 139 139 140 142 142 146 150 154 156
Erweiterungen der Materialwirtschaft 6.1 Lagerhaltung 6.2 Mengenplanung 6.2.1 Bruttobedarfsberechnung 6.2.1.1 Bruttobedarfsberechnung bei mittelbarem Ausschuß- und Reststoffrecycling 6.2.1.2 Bruttobedarfsberechnung bei unmittelbarem Ausschuß- und Reststoffrecycling 6.2.1.3 Bruttobedarfsberechnung für Entsorgungsgüter 6.2.2 Nettobedarfsberechnung 6.2.3 Beseitigungsbedarfsplanung 6.2.4 Losgrößenplanung 6.2.4.1 Losgrößenplanung in der Produktion 6.2.4.2 Losgrößenplanung im Entsorgungsbereich 6.2.5 Vorlaufverschiebung 6.3 Zusammenfassung Materialwirtschaft
159 159 160 161
166 170 171 172 174 174 175 178 178
7
Terminierung bei unmittelbarem Recycling 7.1 Sekundärauftragsstrukturen 7.2 Terminierungsverfahren 7.2.1 Synchrone Vorwärtsterminierung 7.2.2 Gepufferte Terminierung 7.2.3 Asynchrone Terminierung 7.3 Vergleich der Verfahren
179 179 182 183 184 186 187
8
Zusammenfassung und Ausblick
191
162
X
Inhalt
Anhang: Beschreibung der verwendeten Formalismen AI
Netze Al.l A1.2 A 1.3 A 1.4 A1.5 A1.6
und Petri-Netze Grundlegende Definitionen Eigenschaften von Petri-Netzen Deadlocks und Traps S- und T-Invarianten Prädikat-Transitionen-Netze Deterministische und stochastische Petri-Netze
197 197 199 200 200 201 201
A2
Entity-Relationship-Diagramme A2.1 Elemente von ER-Diagrammen nach Chen A2.1 Verwendete Erweiterungen des Modells
202 203 204
A3
Struktogramme
206
Literatur
207
Sachregister
221
1 Ziele und Aufbau der Arbeit
1.1
Ziele
Unter dem Begriff „Recycling" wird eine Vielzahl von Aktivitäten zusammengefaßt, bei denen Güter aus einem Produktions- oder Konsumptionsprozeß wieder in einen Produktionsprozeß zurückgeführt werden. Beispiele reichen hier von der Verwendung von Mehrwegflaschen bis zur Wärmerückgewinnung bei Kraftwerken. In der Regel verbindet man mit Recycling die Aufbereitung von Hausmüll, das Glas- und Papierrecycling oder die Sammlung und den Wiedereinsatz von Kuppelprodukten in der Prozeßindustrie1). Dem Recycling technischer Güter, dem sich diese Arbeit widmet, ist bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, obwohl ökonomische und ökologische Argumente sowie gesetzliche Auflagen das Recycling auch für derartige Güter interessant machen. Das Recycling technischer Güter wird in den Ingenieurwissenschaften naturgemäß aus konstruktiver und verfahrenstechnischer Sicht betrachtet. Die planerische Seite des Recycling ist jedoch noch wenig untersucht, obwohl die Probleme offensichtlich sind. Die Demontage, Aufarbeitung, Trennung und Sortierung von Teilen erfordert u.U. aufwendige verfahrenstechnische Lösungen. Weiterhin ist die Komplexität der Prozesse für das Recycling technischer Güter wie Maschinen, Automobile, Haushaltsgeräte oder Produkte der Unterhaltungselektronik mit dem Aufwand für die Produktion dieser Güter vergleichbar. Daraus ergibt sich u.a. die Forderung nach einer an die Produktionsplanung und -Steuerung (PPS) angelehnten Recyclingplanung und -Steuerung (RPS). Die Rückführung von Gütern, die aus einem Recyclingprozeß hervorgehen (Recyclaten), in den Produktionsprozeß verändert auch die Strukturen der PPS. Recyclate gehen heute in der Regel als Sekundärrohstoffe oder -material in die Fertigung zurück. Diese Art des Recycling wird Materialrecycling genannt Da einzelne Baugruppen und Bauteile technischer Güter eine höhere „Lebenserwartung" als das Gesamtprodukt haben können, ist es sinnvoller, diese Baugruppen bzw. Bauteile wieder als solche der Produktion zukommen zu lassen, als Altprodukte bis zum Rohstoffstadium zu zerlegen und erst dann wieder der Produktion zuzuführen. Die Rückführung von ge-
1)
Vgl. z.B. Keller, Schenkel (1992), S. 38 ff.; Keller (1977).
2
1 Ziele und Aufbau der Arbeit
brauchten Produkten in ein neues Gebrauchsstadium unter Beibehaltung der Gestalt des Produkts wird Produktrecycling genannt1). Produktrecycling, das primärer Gegenstand dieser Arbeit ist, erfordert das koordinierte Zusammenwirken von Produktion und Recycling und damit eine integrierte und computergestutzte Produktions- und Recyclingplanung und -Steuerung (PRPS). Dabei wird der Begriff ,Produktrecycling" nicht nur auf Altprodukte, die aus einem Gebrauchsprozeß hervorgehen, sondern auch auf Reststoffe und Ausschuß aus der Produktion bezogen. Die mit dem verfahrenstechnischen Aufwand verbundenen Recyclingkosten waren bzw. sind Haupthemmnis für die Durchführung von Produktrecycling. Diese Hemmnisse werden jedoch zunehmend abgebaut. Begrenzte Deponievolumina, erhöhte Entsorgungskosten, Rohstoffengpässe, die Schaffung von Märkten für Recyclate (z.B. durch Abfall- bzw. Recyclingbörsen), und vor allem gesetzliche Auflagen (insbesondere Rücknahmeverpflichtungen) machen Recycling zunehmend auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive relevant und attraktiv. In Analogie zur Produktionsplanung und -Steuerung (PPS) gilt es im Prinzip, die Recyclingkosten durch systematische Planung und Steuerung der Prozesse zu reduzieren. Einerseits stecken zwar die Forschungsansätze zu einer computergestützten Recyclingplanung und -Steuerung noch in den Kinderschuhen, andererseits ist es jedoch möglich, die Recyclingplanung und -Steuerung auf Erkenntnissen der PPS aufzubauen. Mit der Auswahl der Werkstoffe und der Festlegung der Montageverfahren werden nicht nur die Rahmenbedingungen für die Produktion, sondern auch für das Recycling eines technischen Produkts bereits im Konstruktionsprozeß und in der Arbeitsplanung festgelegt. Während die produktionsrelevanten Daten z.B. in Form von Teilestammdaten, Erzeugnisstrukturen und Arbeitsplänen in PPS-Systemen verwaltet werden, gehen Daten zur Wiedereinsetzbarkeit und Demontagetauglichkeit weder in PPS-Systeme noch in sonstige betriebliche Informationssysteme ein. Die in diesem Werk ausgearbeiteten Konzepte sollen als Grundlage für die Entwicklung bzw. Erweiterung von PPS-Systemen dienen. PPS-Systeme, die auf Basis dieser Konzepte erweitert wurden, sollen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Lücke, daß bisher keine Daten und Funktionen für das Recycling in betrieblichen Informationssystemen zur Verfügung gestellt werden, zu schließen. Der Einsatz integrierter PRPS-Systeme soll der Bewältigung von Alt- und Zukunftslasten dienen. Einerseits sollen Produktionsdaten für die Bewältigung zukünftiger Altlasten für neue Produkte so aufbereitet und ergänzt werden, daß diese Produk1)
Vgl. VDI (1993); Späth u.a. (1994), S. 38. Da der Output des Produktrecycling veräußerbare bzw. im Produktionsprozeß einsetzbare Teile sind, werden in neueren Veröffentlichungen auch die Begriffe ,Austauschteilerzeugnisfertigung" (vgl. Hartmann, Lehmann (1993a), S. 104), ,Austauschfertigung" (vgl. Seliger u.a. (1993), S. 245) od» „Sekundärproduktion" (vgl. Wamecke, Sigi (1994)) verwendet.
1.1 Ziele
3
tionsdaten für eine in der Zukunft erfolgende effiziente Demontage- und Recyclingplanung herangezogen werden können. Demontage- und Recyclingprozesse des Produktrecycling sind heute planerisch nur schwer beherrschbar, da sie in der Regel mit schwerwiegenden Unsicherheiten behaftet sind. So ist z.B. der Zeitbedarf für die Demontage eines Altprodukts nur schwer berechenbar, da weder gebrauchs- oder altersbedingte Einwirkungen noch Informationen über die Zusammensetzung und Struktur des Altprodukts zum Planungszeitpunkt hinreichend genau bekannt sind. Die in dieser Arbeit erstellten Konzepte sollen nicht der Planung von mit Unsicherheiten behafteten Recyclingprozessen dienen, sondern dazu beitragen, Unsicherheiten, die auf mangelhaften Informationen basieren, zu reduzieren. Auf der anderen Seite soll die Bewältigung von Altlasten auf Basis dieser Daten geplant werden können. Unter der Bewältigung von Altlasten wird hier die wirtschaftliche und umweltgerechte Entsorgung heute bzw. zum Planungszeitpunkt vorliegender Bestände nicht mehr gebrauchsfähiger Gegenstände verstanden. Da die aus den vorliegenden Beständen gewonnenen Recyclate wieder in der Produktion eingesetzt werden können, hat Produktrecycling auch Rückwirkungen auf die PPS und hier insbesondere auf die Materialwirtschaft. Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Fachkonzepts für die Erweiterung von PPS-Systemen zu PRPS-Systemen. Dabei wird auf bestehende Konzepte von PPSSystemen aufgesetzt, die für eine integrierte PRPS modifiziert und erweitert werden. Die Erweiterungen und Modifikationen betreffen die Bereitstellung von Produktionsdaten für das Recycling, die Berücksichtigung von Sekundärgütern in der Produktion und die Planung und Steuerung von Recyclingprozessen, die unmittelbar mit Produktionsprozessen über Input-Output-Beziehungen von Material gekoppelt sind. Einen wesentlichen Anteil an den Erweiterungen der PPS hat die Mengenplanung unter Berücksichtigung von Recycling- und Sekundärgütern. Recycling wird hier als unterstützende Funktion für die Produktion angesehen, die Recyclingplanung und -Steuerung an sich wird nur am Rande behandelt. Recyclinginduzierte PPS-Erweiterungen und Modifikationen sollen so gering wie möglich sein, damit die Barriere für die Implementierung und den Einsatz von PRPS-Systemen sowohl für Anwender als auch PPS-Systementwickler so niedrig wie möglich ist. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, daß bestehende PPS-Systeme bereits heute derart komplex sind, daß sie oft nur in Teilen oder erst nach einer aufwendigen Systemeinführung genutzt werden können1). Während die recyclingbedingten Erweiterungen von PPS-Systemen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen, wird die Recyclingplanung und -Steuerung nur soweit berücksichtigt, wie sie durch Verfahren aus PPS-Systemen ohne größere Änderungen 1)
Vgl. SBicken (1993).
4
1 Ziele und Aufbau der Albeit
unterstützt werden kann. Gebrauchsbedingte Unsicherheiten können zumindest für Recyclinggüter wie Ausschußteile und Reststoffe ausgeschlossen werden, da sie noch keinen Gebrauchsprozeß durchlaufen haben. Geht man weiterhin davon aus, daß Produkte heute in zunehmendem Maße recyclinggerecht konstruiert werden, dann sind für die Recyclingplanung dieser Güter durchaus Verfahren z.B. im Bereich der Terminierung anwendbar, die in PPS-Systemen verfügbar sind. Für das Altproduktrecycling sind Funktionen von PPS-Systemen, insbesondere wenn diese auf der MRP II-Logik basieren, aufgrund der zu berücksichtigenden Planungsunsicherheiten nicht geeignet. Wie bereits erwähnt, soll der Schwerpunkt der Ausführungen in diesem Buch auf dem Recycling komplexer technischer Güter liegen. Im folgenden werden die dem Fachkonzept zugrundeliegenden Betriebstypen dargelegt. Hierfür wird die von Schomburg1) entwickelte Betriebstypologie2) benutzt, da sie für die Definition der im Rahmen dieses Werks relevanten Betriebstypen hinreichend detailliert und kompakt ist. Anhand von acht Merkmalen, denen jeweils drei bis vier Ausprägungen zugeordnet sind, wird ein sogenannter morphologischer Kasten aufgebaut. Die Merkmale nach Schomburg sind folgende: •
•
•
• •
1)
2)
Erzeugnisspektrum: Mit den Ausprägungen dieses Merkmals wird angegeben, wie weit die zu produzierenden Teile standardisiert sind. Die Ausprägungen erfassen dabei das Spektrum von Erzeugnissen nach Kundenspezifikation (keine bzw. nur geringe Standardisierung) bis zu Standarderzeugnissen ohne Varianten. Erzeugnisstruktur: Klassifikationskriterium ist die Komplexität der zu produzierenden Güter. Die Ausprägungen dieses Merkmals reichen von einteiligen Erzeugnissen bis zu mehrteiligen Erzeugnissen mit komplexer Struktur. Auftragsauslösungsarr. Beim Merkmal Auftragsauslösungsart wird unterschieden, ob Produktionsaufträge durch Kundenaufträge, Lageraufträge oder beide Auftragsarten ausgelöst werden. Dispositionsarr. Ausprägungen des Merkmals Dispositionsart legen fest, ob die Disposition (überwiegend) kundenauftrags- oder programmorientiert erfolgt Beschaffungsart. Mit diesem Merkmal wird die Bedeutung des Fremdbezugs von den Ausprägungen unbedeutend bis weitestgehend für die Produktion festgelegt.
Vgl. Schomburg (1980). Diese Typologie wird in der Literatur zu PPS-Systemen relativ häufig verwendet, vgl. Glaser u.a. (1992), S. 409 ff.; Hackstein (1989), S. 27 ff.; Kurbel (1995), S. 31 ff. Zu weiteren Betriebstypologien von Produktionsbetrieben vgl. z.B. Hoitsch (1993), S. 12 ff.; zum Begriff der Betriebs-bzw. Untemehmungstypologien vgl. z.B. Engelhardt (1988) sowie die dort zitierte Literatur.
1.1 Ziele
•
•
•
5
Fertigungsart: Die Ausprägungen des Merkmals Fertigungsart legen fest, wie hoch der Wiederholungsgrad der Produktion in einer Planungsperiode ist. Die Ausprägungen reichen von der Einmalfertigung bis zur Massenfertigung. Organisationsform der Fertigung!): Mit diesem Merkmal wird die räumliche Anordnung der Betriebsmittel bei der Produktion festgelegt. Die Ausprägungen reichen von Baustellen- bis zur Fließfertigung. Fertigungsstruktur. Dieses Merkmal beschreibt die Anzahl der zu belegenden Betriebsmittel in einem Produktionsprozeß. Die Ausprägungen reichen von einstufiger bis zur mehrstufigen Produktion mit hoher StufenanzahfiX
Tab. 1.1-1: Für diese Arbeit relevanter Betriebstyp als morphologischer Kasten
Ein Betrieb wird durch die Kennzeichnung der zutreffenden Merkmalsausprägungen charakterisiert. Diese Kennzeichnung erfolgt (wie in Tabelle 1.1-1 dargestellt) durch graue Unterlegung des jeweils zutreffenden Merkmals. Der für diese Arbeit relevante Betriebstyp wird nun mit Hilfe des morphologischen Kastens spezifiziert.
1) 2)
In der Originalquelle wird dieses Merkmal Fertigungsstruktur genannt. In der Originalquelle weiden die Ausprägungen Fertigungstiefe genannt. Dieser Begriff wird hier vermieden, um Konflikte mit der in der Betriebswirtschaftslehre üblichen Verwendung des Begriffs auszuschließen.
6
1 Ziele und Aufbau der Arbeit
Für das Merkmal Erzeugnisspektrum gilt, daß der Grad, mit dem das Fachkonzept zutrifft, steigt, je höher der Anteil an standardisierten Teilen der Erzeugnisse ist. Höhere Standardisierung impliziert eine höhere Wahrscheinlichkeit, daß Recyclate als Sekundärteile in der Produktion wiederverwendet werden können, was wiederum eine Voraussetzung für die integrierte PRPS ist. Bei einteiligen Erzeugnissen oder Erzeugnissen mit einfacher Struktur basieren Demontage und Aufbereitung zur Gewinnung von Recyclaten in der Regel auf (aus Sicht der Planung) verhältnismäßig einfach strukturierten Prozessen, auch wenn derartige Prozesse technologisch durchaus aufwendig sein können. Daher ist die Notwendigkeit zu einer integrierten Planung von Produktions- und Recyclingprozessen in diesen Fällen nicht bzw. nur bedingt gegeben. Aus Sicht der PRPS ist es zwar prinzipiell unerheblich, ob die Produktion durch Kunden- oder Lageraufträge ausgelöst wird oder die Disposition kundenauftrags- oder programmorientiert erfolgt, allerdings ist mit auftragsorientierter Fertigung in der Regel die Produktion kundenspezifischer und individueller Güter verbunden. Da die Produktion kundenspezifischer und individueller Güter bei Serien- oder Massenfertigung in der Regel ausgeschlossen ist, wird daher von der Auftragsauslösungsart Produktion auf Lager ausgegangen. Die kundenauftragsorientierte Fertigung soll allerdings nicht ganz ausgeklammert werden, da z.B. bei Zulieferbetrieben von Großunternehmen der Fall eintreten kann, daß trotz zumindest teilweise vorhandener kundenauftragsorientierter Ausrichtung Serien- bzw. Massenfertigung betrieben wird. Daher ist auch das Merkmal Produktion auf Bestellung mit Rahmenaufträgen zulässig. Auch wenn es prinzipiell unbedeutend ist, ob recyclingrelevante Informationen für eigengefertigte oder fremdbezogene Teile generiert werden oder Sekundärteile in die Produktion zurückfließen, die ursprünglich aus Eigenfertigung oder Fremdbezug stammen, wird der Fall des weitgehenden Fremdbezugs hier ausgeklammert. Dies ist sinnvoll, weil im letzteren Falle der Planungsbedarf für Recyclinggüter weitaus mehr auf der Seite der Zulieferer als beim Produktionsuntemehmen selbst besteht. Aufgrund der weitgehenderen Verwendung standardisierter Baugruppen sind bei Serien- und Massenfertigung die Möglichkeiten zum Wiedereinsatz von Sekundärgütern eher als bei Einmal- oder Einzel- und Kleinserienfertigung gegeben. Da für Serien- und Massenfertigung in der Regel eher die Organisationsformen der Gruppen-/Linien- und Fließfertigung typisch sind, werden diese Organisationsformen zugrunde gelegt. Von den weiteren Merkmalen ist weiterhin die Fertigungsstruktur relevant. Je größer die Anzahl der Fertigungsstufen ist, desto komplexer sind auch die planerisch zu bewältigenden Aufgaben bei der Demontage und Aufbereitung im Produktrecycling. Die auszuarbeitenden Konzepte sollen aber nicht nur im Falle des Herstellerrecycling, d.h. für Unternehmen, die sowohl Produktion als auch Recycling betreiben, an-
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
7
wendbar sein, sondern auch bei kooperativem Recycling. In diesem Fall führt ein Unternehmen Recycling im Auftrag eines Herstellers aus. Anonymes Recycling, d.h. der Fall, bei dem das Unternehmen Produkte ohne direkten Bezug zum Hersteller recycliert, ist für diese Arbeit nicht relevant, da hier kein Integrationsbedarf zwischen Produktions- und Recyclingplanung besteht.
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit Für die Entwicklung integrierter Informationssysteme hat Scheer mit der ARIS-Architektur (ARIS = ARchitektur integrierter Informationssysteme) einen Rahmen vorgestellt, „in dem integrierte Anwendungssysteme entwickelt, optimiert und in die EDVtechnische Realisierung umgesetzt werden können"1). Ein Fachkonzept ist eine implementierungsunabhängige Beschreibung eines betrieblichen Anwendungssystems. Die einzelnen Sichten des Systems werden mit Hilfe von so weit formalisierten Beschreibungssprachen spezifiziert, daß die formulierten Modelle Ausgangsbasis für die konsistente EDV-technische Implementierung sein können2). Die angesprochenen Sichten sind die Organisations-, Funktions-, Steuerungs- und Datensicht3): •
Organisationssicht. Die Organisationssicht beschreibt die Organisationseinheiten, die Organisationsstruktur (d.h. die Beziehungen zwischen Organisationseinheiten) und die Beziehungen von Organisationseinheiten zu Funktionen, Informationsobjekten und informationstechnischen Ressourcen. • Funktionssicht: In der Funktionssicht werden Unternehmensziele, die Zielstruktur (d.h. die Beziehungen zwischen Zielen) sowie alle Funktionen beschrieben, welche die Erreichung der Unternehmensziele unterstützen. • Datensicht. Die Datensicht umfaßt die Datenmodelle einzelner Teilsysteme, die darin enthaltenen Informationsobjekte und die Datenstruktur, d.h. die Beziehungen der einzelnen Informationsobjekte zueinander. • Steuerungssicht: Die Steuerungssicht enthält alle Beziehungen zwischen Objekten der Organisations-, Funktions- und Datensicht.
Die Zusammenhänge zwischen den Sichten sind in Abbildung 1.2-1 dargestellt. In Kapitel 2 werden zunächst bestehende Ansätze von PPS-Systemen und zum Recycling aus der Literatur analysiert. Da in der in Abbildung 1.1-1 angegebenen Betriebstypologie Werkstattfertigung explizit ausgeklammert ist, beschränkt sich die Un1) 2) 3)
Scheer (1992), S. 3. Vgl. Scheer (1992), S. 17. Zum Begriff des Fachkonzepts vgl. auch Kargl (1990), S. 25 ff. Vgl. Scheer (1992), S. 19 ff.
8
1 Ziele und Aufbau der Albeit
tersuchung von PPS-Systemen auf solche, die auf der MRPÜ-Logik (MRP = Manufacturing Resource Planning) basieren. MRPü-Systeme sind zwar für Gruppen-, Linien* und Fließfertigung geeignet, für Werkstattfertigung allerdings kaum1). Auf Basis der Analyse wird ein Grobkonzept zur Integration von PPS und RPS entwickelt. Kern ist die Veränderung der Sekundärmengenplanung. Das Kapitel schließt mit der Formulierung eines Zielsystems für die PRPS und einer kurzen Reflexion der ökologischen Ziele des Recycling. Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines Fachkonzepts ist die Vorgangskettenanalyse. Ein Vorgang ist in zeitverbrauchendes Geschehen, das durch je ein Ereignis begonnen und beendet wird. Die wichtigsten Vorgänge im Produktions- und Recyclingbereich sind Transformationsprozesse von Werkstücken. Produktions- und Recyclingprozesse beschreiben daher die wesentlichen Vorgangsketten für diese Bereiche. Auf Basis der in Kapitel 2 erarbeiteten Erkenntnisse wird in Kapitel 3 zunächst ein Konzept für die Modellierung von integrierten Produktions- und Recyclingprozessen vorgestellt. Dieses Konzept dient als formale Grundlage der Erstellung von Modellen für die Daten-, Steuerungs- und Funktionssicht und kann auch für die Vorgangskettenanalyse bei der Entwicklung eines konkreten PRPS-Systems eingesetzt werden. Mit Hilfe von Petri-Netzen werden Bausteine definiert, mit denen beliebige ineinandergreifende oder partiell parallele Produktions- und Recyclingprozesse modelliert und beschrieben werden können. Dafür werden die Produktions- und Recyclingprozesse soweit abstrahiert, daß sie in einem gemeinsamen formalen Modell dargestellt werden können. Danach wird in Kapitel 4 die Datensicht des Fachkonzepts detailliert dargestellt. Auf PPS-Daten wird jedoch nur soweit eingegangen, wie es für die Erweiterung zu PRPSSystemen notwendig ist, da Fachkonzepte für PPS-Systeme in der Literatur bereits sehr weitgehend behandelt wurden. Der Schwerpunkt liegt auf den recyclinginduzierten Erweiterungen. Diese betreffen Erweiterungen für Sekundär- und Entsorgungsgüter, Recyclingerzeugnisstrukturen und -arbeitspläne sowie Recyclinggraphen als Hilfsmittel für die Erzeugung von Recyclingdaten auf Basis von Produktionsdaten. Für die Entwicklung des PRPS-Datenmodells in Kapitel 4 werden zunächst PPS und RPS auf strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht. Die Modellierung des PRPS-Datenmodells erfolgt mit Diagrammen, die auf einer erweiterten Entity-Relationship-Notation basieren. Die in Kapitel 3 vorgestellten Bausteine und die in Kapitel 4 herausgearbeiteten Erweiterungen des Datenmodells bilden dann die Grundlage für eine detaillierte Beschreibung der PRPS-Funktionen in den Kapiteln 5 bis 7.
1)
Vgl. Adam (1988b).
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
9
Eine Erweiterung der Datenstruktur hat, insbesondere wenn das Beziehungsgeflecht zwischen Entitäten komplexer wird, erhebliche Auswirkungen auf die Datenverwaltung und damit auch auf die Gestaltung der Benutzerschnittstelle. Daher werden in Kapitel 5 Konzepte zur Stammdatenverwaltung und Benutzerschnittstellenverwaltung ausführlich behandelt. Während in den Kapiteln 4 und 5 die Informationsversorgung im Vordergrund steht, werden in Kapitel 6 Konzepte für die Materialwirtschaft in der Produktion vorgestellt, bei denen der Rückfluß von Sekundärgütern aus dem Recycling berücksichtigt wird. Aus Sicht der Zeitwirtschaft ist es prinzipiell nicht relevant, ob in Produktionsprozessen Primär- oder Sekundärgüter (bei vergleichbarer Qualität) verwendet werden, da weder Kapazitätsplanung noch Terminierung hiervon abhängig sind. Für den Sonderfall, bei dem Produktions- und Recyclingprozesse direkt ineinandergreifen, d.h. in direkter zeitlicher Abhängigkeit zueinander stehen, sind recyclinginduzierte Modifikationen der Terminierung erforderlich. Durch die Integration von Produktions- und Recyclingprozessen sind Verfahren für die Terminierung zyklischer Prozesse erforderlich. Diese Modifikationen werden in Kapitel 7 behandelt. Kapitel 8 mit einer Zusammenfassung und Ausblick schließt das Buch ab. Bezogen auf die Sichten des Fachkonzepts gilt, daß Kapitel 4 die Daten- und die Kapitel 5 bis 7 die Funktionssicht abdecken. Die Steuerungssicht, in der die Beziehungen zwischen Daten, Funktionen und Organisation dargestellt werden, wird implizit im Rahmen der Funktionsspezifikation dargestellt. Auf die Darstellung der Organisationssicht wird verzichtet, da sie für die operative PRPS nur begrenzt relevant ist und stark von unternehmensindividuellen Gegebenheiten abhängt. Es sei hier z.B. auf die Organisationsmodelle von Scheer verwiesen1). Abbildung 1.2-1 zeigt anhand der ARIS-Architektur, wie die in dieser Arbeit vorzustellenden Konzepte in den Kontext der Konzeption und Implementierung integrierter Informationssysteme einzuordnen sind. Die Beschreibung der Prozeßmodelle in Kapitel 3 erfolgt mit Hilfe von Petri-Netzen. Beschreibungsmittel für die Datenmodelle sind Entity-Relationship-Diagramme (ER-Diagramme). Für die Spezifikation komplexer Algorithmen in den Kapiteln 4 bis 7 werden vereinfachte Struktogramme (Nassi-Shneiderman-Diagramme) verwendet. Im Anhang werden alle für das Verständnis von Petri-Netz-basierten Modellen, ERDiagrammen und Struktogrammen notwendigen Definitionen kurz zusammengefaßt.
1)
Vgl. Scheer (1994), S. 169 f., S. 183 und S. 257.
10
1 Ziele und Aufbau der Arbeit
DV-Konzept
Implementierung
Fachkonzept (Kapitel 4)
Fachkonzept (Kapitel 5-7)
Fachkonzept (Kapitel 5-7)
DV-Konzept
DV-Konzcpt
DV-Konzept
Implementierung
Implementierung
Implementierung
Datensicht
Steuerungssicht
Funktionssicht
Abb. 1.2-1: Einordnung der Kapitel 5 und 6 in die ARIS-Architektur
2 Industrielle Produktion und Recycling
Dieses Kapitel beginnt mit einer kurzen Darstellung zum Stand der Technik bei PPSSystemen. Das Gewicht liegt auf denjenigen Konzepten von PPS-Systemen, die für die Erweiterung bzw. Modifikation zu PRPS-Systemen relevant ist. Danach wird auf die betriebswirtschaftlichen Grundlagen des Recycling und der Recyclingplanung eingegangen und ein Grobkonzept für die Integration von Produktions- und Recyclingplanung und -Steuerung vorgestellt. Den Abschluß des Kapitels bildet die Formulierung des ökonomischen Zielsystems.
2.1
Produktionsplanung und -Steuerung und PPS-Systeme
Die planerische Seite der Produktion ist Gegenstand der Produktionsplanung und -Steuerung (PPS). Da dieser Bereich bereits seit vielen Jahren Gegenstand der Forschung in der Betriebswirtschaftslehre, der Wirtschaftsinformatik und den Ingenieurwissenschaften ist1), wird er hier nur kurz aus Sicht der Wirtschaftsinformatik behandelt.
2.1.1
PPS-Systeme aus Sicht der Wirtschaftsinformatik
In der Wirtschaftsinformatik liegt der Schwerpunkt auf der Konzeption, Realisierung und Verbesserung von computergestützten PPS-Systemen, während in der Betriebswirtschaftslehre Modelle und Methoden zur Erreichung betriebswirtschaftlicher Ziele im Vordergrund stehen. Diese betriebswirtschaftlichen Planungsmodelle sind für die Entwicklung von PPS-Systemen eine wesentliche Grundlage, obwohl letztendlich nur wenige Partialmodelle in PPS-Systemen implementiert wurden2). Der Grund hierfür ist, daß sich Partialmodelle „entweder aufgrund der restriktiven Prämissen oder des ebenfalls nicht handhabbaren Rechenaufwands als wenig brauchbar erwiesen"3), was
1) 2) 3)
Vgl. z.B. Glaser u.a. (1993); Hackstein (1989); Kemler (1994); Kurbel (1995); Mertens (1993); Scheer (1994) u.v.a.m. Z.B. einige Losbildungsverfahren, vgl. Rautenstrauch (1992), S. 10 ff. Kurbel (1995), S. 45.
2 Industrielle Produktion und Recycling
12
insbesondere auch für Simultanmodelle gilt. In der Praxis muß beim konkreten Einsatz von PPS-Systemen dem Paradigma der Optimierung die Planbarkeit mit Hilfe computergestützter Informationssysteme weichen. Daraus ergibt sich, daß PPS-Systeme in Teilbereichen aus betriebswirtschaftlicher Sicht unvollkommene und unbefriedigende Lösungen anbieten. „Ein PPS-System ist ein Softwaresystem, welches zur operativen Planung und Steuerung des Produktionsgeschehens in einem Industriebetrieb eingesetzt wird."1) Konzepte für PPS-Systeme aus der Wirtschaftsinformatik werden mit Blick auf eine informationstechnische Realisierung entwickelt. Hier liegt der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten auf der operativen Durchgängigkeit der Systeme, der Entwicklung umfassender Datenverwaltungskonzeptionen und der Integration von PPS-Systemen mit anderen betrieblichen Anwendungssystemen2). Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, daß PPS-Systeme den Bereich der operativen Produktionsplanung, nicht jedoch den Bereich der strategischen Produktionsplanung abdecken. Fragen der Standortwahl, Investitionsentscheidungen oder die strategische Produktionsprogrammplanung werden daher nicht durch PPS-Systeme unterstützt. Grundlage für diese Arbeit sind Konzepte von PPS-Systemen und nicht Konzepte zur Produktionsplanung aus der Produktionswirtschaft. Weiterhin werden PPS-Systeme hier aus Sicht der operativen und nicht der strategischen Planung behandelt.
2.1.2
Das ökonomische Zielsystem der PPS
Betrachtet man einen Industriebetrieb als künstlich geschaffenes sozio-technisches System, so ist die Produktionsplanung und -Steuerung ein Subsystem von zentraler Bedeutung, das Schnittstellen zu den kaufmännisch-dispositiven Bereichen Personal, Rechnungswesen, Beschaffungswesen und Absatz als auch zu den technischen Bereichen Forschung und Entwicklung, Arbeitsplanung, Qualitätssicherung und Produktion hat (siehe Abbildung 2.1.2-1). Ziele und Zwecke dieses Systems sind den Unternehmenszielen und -zwecken untergeordnet bzw. leiten sich aus diesen ab. Auch wenn in unternehmerischen Zielsystemen verschiedene Formal- und Sachziele vereinigt sein können, gilt für unternehmerisches Handeln grundsätzlich das erwerbswirtschaftliche Prinzip. Bei gegebener Leistungsmenge ist dieses auf das Wirtschaftlichkeitsprinzip zurückzuführen, d.h., das Leistungsprogramm ist mit möglichst niedrigen Kosten durchzuführen.
1) 2)
Kurbel (1988), S. 948. Vgl. Scheer (1992), S. 38.
2.1 Produktionsplanung und -Steuerung und PPS-Systeme
^
Abb. 2.1.2-1:
13
Informationsfluß
Produktionsplanung und -Steuerung als Subsystem des Industriebetriebs1)
Die Produktionsplanung und -Steuerung beeinflußt sowohl die Kostenseite als auch die Seite der Leistung (und damit die Erlöse). Auf die Erlöse kann z.B. durch die Erhöhung der Termintreue, Lieferbereitschaft, Flexibilität und Planungssicherheit sowie die Reduzierung von Fehlmengen Einfluß genommen werden. Weiterhin kann durch die Art der Maschinenbelegungsplanung auf die Leistung Einfluß genommen werden. Erfolgt z.B. die Maschinenbelegungsplanung in der Form, daß Maschinen durch Arbeitsgänge zum Periodenende hin eng belegt werden und die Belegung zum Perioden1)
Vgl. Kurrle (1988), S. 33.
2 Industrielle Produktion und Recycling
14
anfang hin Lücken aufweist, dann verringern sich mit fortschreitender Zeitdauer die Möglichkeiten, weitere Arbeitsgänge nachträglich einzuplanen, obwohl über die gesamte Periode prinzipiell hinreichend Kapazität verfügbar gewesen ist. Mit einer solchen Planung werden Möglichkeiten zur Outputerhöhung verbaut. Auf der anderen Seite erlaubt eine solche Planung die nachträgliche Einplanung kurzfristig durchzuführender „Chefaufträge". Wie weit die Art der Maschinenbelegungsplanung auf die Erlössituation wirkt, hängt letztendlich von der konkreten Situation des Produktionsbetriebs ab. Es sei an dieser Stelle angemerkt, daß die Erlösseite trotz ihrer Relevanz für die PPS weder in der Literatur zu PPS-Systemen, noch in den Systemen selbst berücksichtigt wird. Auf der Kostenseite liegt die Aufgabe der PPS in der Reduzierung der Produktionskosten. Im Rahmen der operativen PPS sind dabei eine Reihe von Kosten bereits durch strategische Vorgaben festgelegt. Die Kosten, die durch Maßnahmen der Planung und Steuerung beeinflußt werden können, sind die entscheidungsrelevanten Kosten1). Zentral sind dabei Lagerkosten sowie Kosten ablaufbedingter Stillstandszeiten von Maschinen. Die Planung und Steuerung auf Basis von Erlösen und entscheidungsrelevanten Kosten ist in der Regel jedoch nicht möglich, da die notwendigen Erlös- und Kosteninformationen zum Zeitpunkt der Planung nicht zur Verfügung stehen oder nicht bestimmbar sind2). Daher werden anstelle von Kostenzielen in PPS-Systemen häufig Ersatzziele verfolgt, die nachweislich oder vermutlich der Kostenreduzierung oder Erlösverbesserung dienen. Die Liste der Ersatzziele wird in der Literatur in unterschiedlichen Ausprägungen dargestellt3). In den zitierten Quellen werden z.B. folgende PPSZiele genannt4): • • • • • • • • •
hohe Termintreue, hohe und gleichmäßige Kapazitätsauslastung, kurze Durchlaufzeiten, geringe Lagerbestände, geringe Werkstattbestände, hohe Auskunftsbereitschaft, geringe Beschaffungskosten, hohe Materialverfügbarkeit, Reduzierung der Wartezeiten (Liegezeiten),
1) 2) 3) 4)
Vgl. z.B. Hummel, Männel (1986), S. 116. Vgl. Zäpfel (1982). Vgl. z.B. Adam (1990), S. 725 f.; Kernler (1994), S. 16; Kurbel (1995), S. 20. Die Liste stellt lediglich eine Aufzählung der in den Literaturquellen angegebenen Ziele dar, d.h. Redundanzen und Zielbeziehungen sind hier nicht berücksichtigt.
2.1 Produktionsplanung und -Steuerung und PPS-Systeme
• •
15
Reduzierung der Stillstandszeiten, reduzierte Lagerzeiten.
Manche der genannten Ziele sind Subziele anderer Ziele1). Angesichts der heutigen Marktsituation sind Produktionsunternehmen gezwungen, kundenorientiert zu agieren, d.h., sie müssen u.a. auf individuelle Kundenwünsche flexibel reagieren, kurze Lieferzeiten zusagen, Liefertermine einhalten und Variantenvielfalt beherrschen können2). Dabei rückten in den letzten Jahren folgende Ziele in den Vordergrund: •
Reduzierung der Durchlaujzeiten: Hierbei gilt es, die Summe der Durchlaufzeiten aller Fertigungsaufträge eines Planungszeitraums, die durchschnittlichen Durchlaufzeiten von Fertigungsaufträgen o.ä. durch die Verringerung von Liegezeiten zu reduzieren. Die aus der Reduzierung der Durchlaufzeiten bedingte Bestandsreduzierung (und damit verbundene Senkung der Lagerkosten) in Zwischenlagern darf jedoch nicht dadurch, daß Endprodukte zu früh fertig werden, zu einer Erhöhung der Bestände in Endlagern fuhren. Dies würde letztendlich zu einer Erhöhung der Kosten führen, da die Lagerhaltungskosten von Endprodukten in der Regel über denen von Zwischenprodukten liegen. Die Durchlaufzeitreduzierung ist mit Blick auf die Lagerhaltungskosten nur als Teil der Reduzierung von Abwicklungszeiten ganzer Produktionsaufträge3) sinnvoll. Mit der Abwicklungszeit eines Produktionsauftrags wird die Zeitspanne zwischen der Auftragserteilung und der Auslieferung der Produkte bezeichnet. Unabhängig von den Lagerkosten wird eine Verkürzung der Abwicklungszeiten zunehmend vom Markt gefordert. Kurze Lieferzeiten sind heute ein wichtiger Faktor zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit. Während für die Reduzierung der Lagerkosten und Lieferzeiten eine Reduzierung der Abwicklungszeit von Produktionsaufträgen als Ziel festzuhalten wäre, unterstützen PPS-Systeme in der Regel nur die auf den Produktionsbereich beschränkte Reduktion von Durchlaufzeiten. Die Reduzierung der Durchlaujzeiten bleibt als Ziel bestehen, wird jedoch im folgenden grundsätzlich als Teil der Reduzierung von Abwicklungszeiten angesehen.
•
Reduzierung der Lagerbestände: Lagerbestände binden Kapital, verursachen Lagerhaltungskosten und beeinträchtigen die Flexibilität bei Nachfrageverschiebungen. Daher ist eine Verringerung der Lagerbestände anzustreben. Die Lagerbestandsreduzierung darf allerdings nicht soweit gehen, daß die Lieferbereitschaft gefährdet wird.
1) 2) 3)
Vgl. Kemler (1994), S. 17 f. Vgl. Kurbel (1995), S. 21. Der ,.Produktionsauftrag" wird in dieser Arbeit als Oberbegriff von Kunden- bzw. Lageraufnag verwendet. Ein Produktionsauftrag dient der Spezifikation von Primärbedarfen.
16
•
•
2 Industrielle Produktion und Recycling
Als drittes Ziel wird ferner die Erhöhung der Kapazitätsauslastung genannt. Hierbei sollen Betriebsmittel (insbesondere Engpaßbetriebsmittel) in möglichst hohem Maße ausgelastet sein, d.h., daß vor allem Stillstands- und Rüstzeiten zu minimieren sind. Hohe Lieferbereitschaft und Termintreue: Insbesondere bei auftragsorientierter Fertigung und bei Just-in-Time-Anlieferung ist die Einhaltung von Lieferterminen von hoher Bedeutung, da andernfalls z.B. mit Konventionalstrafen, Regreßforderungen oder Auftragsentzug seitens der Auftraggeber gerechnet werden muß. Da auftragsorientierte Fertigung für den dieser Arbeit zugrundeliegenden Betriebstyp keine nennenswerte Rolle spielt, ist dieses Ziel hier nur von geringer Bedeutung.
PPS-Systeme unterstützen jedoch nach heutigem Stand der Technik eine zielorientierte Planung nicht explizit, d.h., es gibt keine „Regler", mit denen der Anwender einstellen kann, welche(s) Ziel(e) durch die Planung erreicht werden soll(en). Ursache hierfür ist, daß bei PPS-Systemen anstelle einer Optimierung die Durchführbarkeit von Plänen im Vordergrund steht. Allerdings gibt es im Bereich elektronischer Leitstände aktuelle Forschungsarbeiten, in denen derartige Regler für die Fertigungssteuerung realisiert wurden1).
2.1.3
Funktionsbereiche von PPS-Systemen
PPS-Systeme, die auf dem MRP II-Konzept basieren, arbeiten nach dem Prinzip der Stufenplanung (auch Sukzessivplanung genannt). Ursache hierfür ist, daß eine Simultanplanung nach dem heutigen Stand der Technik unter praxisrelevanten Rahmenbedingungen nicht durchführbar ist2). Weiterhin entziehen sich hierarchische Planungsansätze3) bislang einer so weitgehenden Verallgemeinerung, daß sie in PPS-Systemen hätten umgesetzt werden können. Generell lassen sich vier Planungsprinzipien unterscheiden: • •
Rollierend versus ereignisorientiert, Neuaufwurf versus Net Change.
Bei rollierender Planung wird unterstellt, daß der Planungszeitraum in Planungsperioden t() bis t n unterteilt wird. Erstreckt sich ein Planungszeitraum über m Perioden, so 1) 2) 3)
Vgl. Fuzzy Demonstrationszentrum Dortmund (1993); Kurbel, Ruppel (1995). Die Griinde sind bereits in Kapitel 2.1.1 genannt worden. Vgl. Kistner, Steven (1990), S. 306 ff.
2.1 Produktionsplanung und -Steuerung und PPS-Systeme
17
wird bei einer rollierenden Planung zunächt der Zeitraum von einer Periode t, bis zu einer Periode t, + m , die nächste Planung von Periode tj + i bis zur Periode tj+i+m, die darauffolgende Planung von der Periode t,+2 bis zur Periode tj + 2 +m usw. durchgeführt. Bei der ereignisorientierten Planung wird die Planung nicht zu bestimmten Zeitpunkten, sondern durch das Eintreten von Ereignissen, wie z.B. die Erteilung eines Auftrags oder dem Ausfall eines wichtigen Betriebsmittels, ausgelöst. Wird eine Planung durch ein Ereignis oder den Beginn einer neuen Periode angestoßen, kann dies entweder einen Neuaufwurf oder eine Revidierung der Planung nach dem Net-Change-Prinzip nach sich ziehen. Beim Neuaufwurf wird die Planung ab dem Planungszeitpunkt vollständig und ohne Berücksichtigung der eventuell bereits vorhandenen Pläne durchgeführt, während bei einer Planung nach dem Net-ChangePrinzip nur Änderungen und Ergänzungen in die Neuplanung aufgenommen werden. Für den dieser Arbeit zugrundeliegenden Betriebstyp trifft man in der Praxis oftmals eine periodenorientierte und rollierende Planung an, bei der die Planung nach dem Prinzip des Net Change fortgeschrieben oder auf dem Wege des Neuaufwurfs aktualisiert wird1). Auf eine umfassende Darstellung der einzelnen PPS-Funktionsbereiche soll hier verzichtet werden, da hinreichend Literatur zu diesem Themenkreis verfügbar ist2). Da die PPS-Funktionen jedoch Grundlage für die Ausführungen in den Kapiteln 5 bis 7 sind, werden sie hier in aller Kürze dargestellt3).
2.1.3.1
Datenverwaltung
Das Datengerüst der PPS wird grob in Stammdaten und auftragsbezogene Daten unterteilt. Stammdaten sind originär und auftragsunabhängig. Sie dienen als Grundlage für die automatische, halbautomatische oder manuelle Generierung auftragsbezogener Daten. Auftragsbezogene Daten haben einen direkten oder indirekten Bezug zu Produktionsaufträgen. Aufgabe der PPS-Datenverwaltung ist die Pflege, d.h. Neuanlage, Änderung und Löschung, aller PPS-Daten, die vom Benutzer manipuliert werden dürfen. Dabei ist zu beachten, daß große Datenmengen und eine Vielzahl von Strukturbeziehungen zu verwalten sind.
1) 2) 3)
Vgl. Kurbel (1995), S. 119. Vgl. z.B. Glaser u.a. (1993); Hackstein (1989); Kernler (1994); Kurbel (1995); Mertens (1993); Scheer (1994) u.v.ajn. Die Darstellung orientiert sich dabei vornehmlich an Kurbel (1995).
18
2 Industrielle Produktion und Recycling
Zu den Stammdaten gehören: • Der Teilestamm, der alle Informationen zu Endprodukten, Baugruppen und Einzelteilen sowie Hilfs- und Betriebsstoffen enthält, • Erzeugnisstrukturen, die angeben, welche Teile aus welchen anderen Teilen bestehen, • Stammarbeitspläne, die alle Verrichtungen (Arbeitsgänge) enthalten, die zur Herstellung von Teilen erforderlich sind, • Betriebsmittelstammdaten, die Informationen zu einzelnen Betriebsmitteln und ggf. Informationen zur hierarchischen Arbeitsplatzorganisation enthalten, • sonstige Stammdaten, wie z.B. Betriebskalender, Schichtmodelle, Daten zu Werkzeugen und Vorrichtungen, Lagerdaten sowie Daten, die originär angrenzenden Informationssystemen zugeordnet sind (z.B. Kunden-, Lieferanten- und Personaldaten), jedoch häufig wegen fehlender Realisierungen der Informationssysteme oder inkompatibler Schnittstellen den PPS-Systemen nicht zur Verfügung stehen. Die auftragsbezogenen Daten umfassen Kunden- und Lageraufträge, die alle Informationen zum Primärbedarf beinhalten, und Fertigungsaufträge, die für jedes Eigenfertigungsteil angeben, in welchem Zeitraum welche Verrichtungen auf welchen Betriebsmitteln durchzuführen sind. Das Datengerüst ist das Fundament für alle Planungsaktivitäten, die durch PPS-Systeme unterstützt werden. Modifikationen und Erweiterungen der Datenstrukturen sind daher eine wesentliche Grundlage für die Erweiterung von PPS- zu PRPS-Systemen. Diese Modifikationen und Erweiterungen werden in Kapitel 4 ausführlich dargelegt. In Kapitel 5 werden Konzepte zur Verwaltung der erweiterten Stammdaten dargestellt.
2.1.3.2
Primärbedarfsplanung
Aufgabe der Produktionsprogrammplanung ist die Ermittlung eines gewinnmaximalen Produktionsprogramms. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht läßt sich die Ermittlung des gewinnmaximalen Produktionsprogramms als Optimierungsmodell formulieren. Bis heute ist allerdings eine deutliche Diskrepanz zwischen den bestehenden betriebswirtschaftlichen Modellen und der Realisierung in PPS-Systemen zu erkennen. So bestehen Module zur Primärbedarfs„planung" in der Regel lediglich aus Verwaltungsfunktionen für Lager- und Kundenaufträge - die eigentliche Planung ist jedoch, abgesehen von wenigen Ausnahmen1), aus PPS-Systemen ausgeklammert.
1)
So ist z.B. im Modul PP des SAP R/3-Systems eine Primärbedarfsplanung auf Basis einfacher Prognoserechnungen verfügbar.
2.1 Produktionsplanung und -Steuerung und PPS-Systeme
19
Daher werden in der Praxis eher Prognoseverfahren angewendet, bei denen auf Basis von Vergangenheitsdaten Produktionsmengen vorhergesagt werden. Derartige Verfahren sind z.B. das Verfahren der gleitenden Mittelwerte, die exponentielle Glättung (erster und zweiter Ordnung) oder Verfahren, bei denen trendförmige Absatzverläufe zur Anwendung kommen. Da das Ziel dieser Arbeit die Erarbeitung eines Fachkonzepts mit recyclinginduzierten Erweiterungen und Modifikationen für PPS-Systeme ist und nicht die Erweiterung betriebswirtschaftlicher Planungsmodelle1), wird auf die Primärbedarfsplanung in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen.
2.1.3.3
Materialwirtschaft
Die Aufgabenbereiche der Materialwirtschaft umfassen die Lagerhaltung, Mengenplanung und Beschaffung. Funktionen der Lagerhaltung sind die Erfassung aller Lagerzu- und -abgänge sowie die Materialverfolgung (welches Material befindet sich wann an welchem Ort). Aufgabe der Lagerverwaltung ist die Bereitstellung von Material und Zwischenprodukten für die Fertigung. Funktionen der Lagerverwaltung in PPS-Systemen liefern Daten für die Inventur und die Sekundärbedarfsermittlung. Die zentrale Funktion der Materialwirtschaft ist die Mengenplanung (auch Materialdisposition genannt). Aufgabe der Materialdisposition ist es, dafür zu sorgen, daß Material aus Eigenfertigung und Fremdbezug in ausreichender Menge zum richtigen Zeitpunkt für die Produktion bereitsteht. Dabei ist einerseits zu beachten, daß Lagerhaltungs- und Kapitalbindungskosten durch niedrige Bestände möglichst gering zu halten sind; andererseits müssen die Mengen hinreichend groß kalkuliert werden, damit bestellmengen- bzw. losgrößen-abhängige Kosten den Vorteil niedriger Lagerhaltungsund Kapitalbindungskosten nicht wieder kompensieren. Ausgangsbasis für die Materialdisposition sind die Primärbedarfe aus der Produktionsprogrammplanung. Der Sekundärbedarf, d.h. die Menge aller Baugruppen, Einzelteile, Rohmaterialien, Hilfs- und Betriebsstoffe, die für die Produktion der Teile des Primärbedarfs notwendig sind, leitet sich aus den Erzeugnisstrukturen (bzw. Stucklistendaten) der PPS-Stammdaten ab. Allerdings ist eine aufwendige deterministische Bedarfsermittlung durch eine Stücklistenauflösung nicht für alle Materialien sinnvoll. Bei geringwertigen Teilen wird der Materialbedarf daher auf der Basis von Materialverbräuchen aus vergangenen Perioden prognostiziert.
1)
Zu diesem Thema sei hier auf Jahnke (1986) verwiesen.
20
2 Industrielle Produktion und Recycling
nung unterliegt der Materialdisposition ein (grobes) Periodenraster. Welches Material in welcher Periode benötigt wird, wird durch eine der Materialdisposition vorgeschaltete Durchlaufterminierung ermittelt. Recyclinginduzierte Modifikationen und Erweiterungen betreffen recht weitgehend die Materialwirtschaft. So ist Recycling aus materialwirtschaftlicher Sicht neben Eigenfertigung und Beschaffung eine weitere Quelle für die Befriedigung von Materialbedarfen in der Produktion. Kern der Erweiterung in dieser Arbeit ist daher der Ausbau der Bedarfsplanung um die Berücksichtigung von Sekundärmaterialien, die aus Recyclingprozessen stammen. Die recyclinginduzierten PPS-Erweiterungen und -modifikationen werden ausführlich in Kapitel 6 behandelt.
2.1.3.4
Zeit- und Kapazitätswirtschaft
Im Rahmen der Durchlaufterminierung erfolgt eine Festlegung von Start- und Endterminen, innerhalb derer Fertigungsaufträge und -arbeitsgänge durchzuführen sind. Der Detaillierungsgrad der Terminfestlegung ist in der Durchlaufterminierung allerdings nicht so hoch wie bei der Feinterminierung in der Fertigungssteuerung. So werden hier z.B. Pufferzeiten einkalkuliert, und die Zuordnung von Arbeitsgängen bezieht sich, sofern die organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind, auf Betriebsmittelgruppen und nicht auf Einzelbetriebsmittel. Die Durchlaufterminierung erfolgt ohne Berücksichtigung der Kapazitäten. Terminierungsalgorithmen, die sowohl in der Literatur als auch in PPS-Systemen Eingang gefunden haben, sind: •
Vorwärtsterminierung: Ausgehend vom Starttermin des ersten Fertigungsauftrags niedrigster Fertigungsstufe werden alle Fertigungsarbeitsgänge eines Auftragsnetzes nacheinander in Richtung Zukunft geplant. • Rückwärtsterminierung: Ausgehend von einem geplanten Fertigstellungstermin wird beim letzten Fertigungsarbeitsgang des Fertigungsauftrags der höchsten Fertigungsstufe das Auftragsnetz in die Vergangenheit terminiert. • Doppelte Terminierung: Bei der doppelten Terminierung werden Aufträge sowohl vorwärts als auch rückwärts terminiert. Bestehen für einen Auftrag Restriktionen bezüglich des frühesten Start- und letzten Endtermins, so können auf diese Weise Zeitpuffer ermittelt werden, innerhalb derer die einzelnen Arbeitsgänge des Fertigungsauftrags verschoben werden können, ohne Start- und Endtermin zu gefährden. • Engpaß- bzw. Mittelpunktterminierung: Ist ein Betriebsmittel bzw. eine Betriebsmittelgruppe als signifikanter Engpaß im Fertigungsablauf bekannt, kann eine Engpaßterminierung sinnvoll sein. Hierbei wird zunächst ein Arbeitsgang auf dem
2.1 Produktionsplanung und -Steuerung und PPS-Systeme
21
Engpaßbetriebsmittel manuell eingeplant. Anschließend wird das dazugehörige Fertigungsauftragsnetz um diesen eingeplanten Arbeitsgang angeordnet, indem alle vorgelagerten Arbeitsgänge rückwärts und nachgelagerten Arbeitsgänge vorwärts terminiert werden. Aus Sicht der Durchlauftetminierung macht es prinzipiell keinen Unterschied, ob Primär- oder Sekundärteile bei der Durchführung eines Produktionsprozesses eingesetzt werden, sofern diese vergleichbare Qualität haben. Daher bleibt der zeitwirtschaftliche Funktionsbereich der Terminierung durch recyclinginduzierte Erweiterungen und Modifikationen weitgehend unberührt. Eine Ausnahme betrifft jedoch den Fall, wenn Produktionsrückstände parallel zum Produktionsprozeß recycliert werden und wieder in denselben Produktionsprozeß zufließen, aus dem sie ursprünglich hervorgegangen sind (das sogenannte unmittelbare Recycling). In diesem Fall ist die Konzeption von Terminierungsverfahren für zyklische Abläufe erforderlich. Dieses Thema wird ausführlich in Kapitel 7 behandelt. Die Durchlaufterminierung erfolgt ohne Berücksichtigung vorhandener Kapazitäten. Aufgabe der Kapazitätsplanung ist die Anpassung von Kapazitätsangebot und -bedarf. Treten innerhalb einer Planungsperiode für ein Betriebsmittel an einzelnen Tagen Überlastungen auf, d.h., daß der Kapazitätsbedarf das Kapazitätsangebot übersteigt, und an anderen Tagen Unterauslastungen auf (was eventuell Leerlauf- und Stillstandszeiten an Betriebsmitteln nach sich zieht), kann eine Verschiebung von Arbeitsgängen zwischen den betreffenden Tagen zu einer gleichmäßig hohen Auslastung führen. Diese Art der Anpassung ist eng mit der Terminierung gekoppelt. Erfolgt sie, wie bei einigen PPS-Systemen üblich, durch eine Umterminierung von Arbeitsgängen auf einzelnen (Engpaß-)Betriebsmitteln, dürfen hierdurch weder unzulässige Überlappungen noch Reihenfolgeverletzungen zu anderen terminierten Arbeitsgängen auftreten. Andere Anpassungsmaßnahmen sind z.B. die Veränderung von Produktionsmengen bei Lageraufträgen, die Verlagerung von Aufträgen auf Ausweichmaschinen unter Variierung der tatsächlich für die Produktion genutzten Betriebsmittel (quantitative Anpassung), die Erhöhung bzw. Verringerung des Kapazitätsangebots durch Zusatzschichten bzw. Kurzarbeit (zeitliche Anpassung) oder die Variierung der Ausbringungsmengen von Betriebsmitteln pro Zeiteinheit z.B. durch Erhöhung bzw. Verringerung der Taktgeschwindigkeiten (intensitätsmäßige Anpassung). Eine recyclinginduzierte Erweiterung der Funktionalität für die Kapazitätsplanung ist nicht erforderlich, da es unerheblich ist, ob ein Kapazitätsbedarf aus Produktion oder Recycling herrührt. Daher wird die Kapazitätsplanung in dieser Arbeit nicht weiter behandelt.
2 Industrielle Produktion und Recycling
22
2.1.3.5
Fertigungssteuerung
In der Fertigungssteuerung werden die material- und zeitwirtschaftlichen Grobpläne in verbindliche Vorgaben für die Fertigung umgesetzt. Die Schnittstelle zwischen Grob- und Feinplanung ist die Auftragsfreigabe. Bei der Auftragsfreigabe werden zunächst die für den Feinplanungszeitraum freizugebenden Aufträge ausgewählt, die Verfügbarkeit der benötigten Ressourcen überprüft und die Auftragspapiere gedruckt. Bei der Verfügbarkeitsprüfung wird im Minimalfall die Materialverfügbaikeit überprüft. Auch wenn laut Grobplanung zum Zeitpunkt der Auftragsfreigabe hinreichend Material verfügbar sein müßte, kann die Verfügbarkeit durch unvorhersehbare Ereignisse (z.B. Störungen, Eilaufträge, Lieferantenausfälle usw.) gefährdet sein. Darüber hinaus kann die Verfügbarkeit anderer Ressourcen, die nicht vom PPS-System verwaltet werden (z.B. Personal, Werkzeuge oder Vorrichtungen), in die Prüfung einbezogen werden. Fortschrittliche Systeme können die Verfügbarkeit nicht nur für den gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern auch für den (in der Zukunft liegenden) tatsächlichen Bedarfszeitpunkt ermitteln. Bei dieser dispositiven Verfügbarkeitsprüfung werden auch zukünftige Lagerzu- und -abgänge, Werkzeugriickgaben usw. berücksichtigt. Die dispositive Verfügbarkeitsprüfung ist die Voraussetzung für die dynamische Auftragsfreigabe, bei der im Gegensatz zur statischen Auftragsfreigabe nicht nur diejenigen Aufträge freigegeben werden, bei denen zum Planungszeitpunkt hinreichend Ressourcen verfügbar sind, sondern auch diejenigen, bei denen erst zum Bedarfszeitpunkt hinreichend Ressourcen verfügbar sein werden. Eine zentrale Funktion der Fertigungssteuerung ist die Feinterminierung (auch Ablauf-, Reihenfolge- oder Maschinenbelegungsplanung oder Kapazitätsterminierung genannt)1). Während in der Grobplanung die Planung auf Betriebsmittelgruppen bezogen wird und die Durchlaufzeiten von Arbeitsgängen mit Pufferzeiten versehen sind, gilt es in der Feinterminierung, diese Grobpläne dahingehend zu konkretisieren, daß tatsächliche Start- und Endtermine für Arbeitsgänge festgelegt werden und die Arbeitsgänge Einzelbetriebsmitteln zugeordnet werden. Besonders bei der Feinterminierung ist nicht nur die Durchführbarkeit der Planung, sondern auch das in Kapitel 2.1.2 erwähnte Zielsystem der PPS zu beachten. Da ein Gesamtoptimum in der Ablaufplanung häufig nicht erreichbar ist, muß situationsabhängig bzw. unternehmensindividuell eine Gewichtung der Ziele vorgenommen werden. In traditionellen Ansätzen kann die Feinplanung auf die vorher festgelegte Gewichtung der Ziele durch die Anwendung verschiedener und möglicherweise verknüpfter Prioritätsregeln getrimmt wer1)
Vgl. z.B. Adam (1993c), S. 461 ff.; Hackstein (1989), S. 181 ff.
2.1 Produktionsplanung und -Steuerung und PPS-Systeme
23
den. Modernere Optimierungsansätze verwenden die von PPS-Systemen verwalteten Kosteninformationen für eine kostenorientierte Optimierung der Pläne1). Innerhalb der Fertigungssteuerung ist häufig eine weitere Freigabe notwendig. Während die weiter oben diskutierte Auftragsfreigabe die Schnittstelle zwischen Grobund Feinplanung darstellt, bei der die Prüfung der Ressourcenverfügbarkeit im Vordergrund steht, betrifft die Freigabe innerhalb der Fertigungssteuerung die Freigabe feingeplanter Arbeitsgänge für die Produktion. Eine solche Freigabe ist innerhalb der Fertigungssteuerung für die Unterscheidung disponibler und nicht mehr disponibler (=freigegebener) Arbeitsgänge erforderlich, d.h., hier freigegebene Arbeitsgänge können und dürfen im Rahmen der Feinplanung nicht mehr umgeplant werden. Im Rahmen der Fortschrittskontrolle, die ebenfalls zum Funktionskreis der Fertigungssteuerung gehört, erfolgt die Erfassung der Istdaten aus der Produktion und der kurzfristige Abgleich der Planungsdaten (Solldaten), falls durch unvorhersehbare Ereignisse eine Veränderung der Solldaten notwendig wird. Die Istdatenerfassung erfolgt über Betriebsdatenerfassungssysteme (BDE-Systeme). Sind Umplanungen aufgrund von BDE-Rückmeldungen notwendig, können diese mit manuellen oder elektronischen Plantafeln2) durchgeführt werden. Plantafeln sind so aufgebaut, daß in der Vertikalen die Betriebsmittel und in der Horizontalen die Zeit aufgetragen werden. Arbeitsgänge werden als Steckkarten bzw. Grafikobjekte dargestellt. Umplanungen erfolgen dann durch ein Umstecken bzw. Verschieben dieser Objekte. Die oftmals mangelhafte Unterstützung und Eignung von PPS-Systemen für Aufgabenstellungen der Fertigungssteuerung3) hat dazu geführt, daß die Fertigungssteuerung häufig sowohl systemtechnisch als auch konzeptionell von der PPS losgelöst ist. Elektronische Leitstände4) sind dedizierte Systeme, welche die Funktionsbereiche Feinterminierung und Fortschrittskontrolle abdecken. Komfortable graphische Benutzeroberflächen und ausgefeilte Planungsalgorithmen kennzeichnen den Stand der Technik derartiger Systeme. Die breite Akzeptanz von Leitständen in der Praxis führt dazu, daß immer mehr (PPS-)Funktionalität in diese Systeme aufgenommen wird. Neben Realisierungen elektronischer Plantafeln umfassen Leitstände auch die graphische Darstellung von Fertigungsauftragsnetzen5), die interaktive Kapazitätsdisposition6) und neuerdings auch Browser für die graphische Navigation durch komplexe PPS-Datenstrukturen7). Browser sind computergestützte Endbenutzerwerkzeuge, die 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Vgl. Gerhold (1993). Vgl. z.B. Kurbel, Meynert (1988). Vgl. Adam (1988b). Vgl. z.B. Hoff Industrie Rationalisierung GmbH (1993/94); Burgholz u.a. (1993); Kurbel (1994) u.v.a.m. Vgl. IDS Prof. Scheer GmbH (1993). Vgl. Kurbel (1995), S. 239 ff. Vgl. Kurbel, Rautenstrauch (1991).
2 Industrielle Produktion und Recycling
24
Datenstrukturen auf dem Bildschirm graphisch darstellen. Benutzer können mit Hilfe von Browsern komplizierte Abfragen auf einer (PPS-)Datenbank formulieren, ohne daß hierfür irgendwelche Programmierkenntnisse erforderlich sind. Als eigenständige Konzepte für die Fertigungssteuerung sind die retrograde Terminierung1), Kanban2) und das Fortschrittszahlenkonzept3) zu nennen. Die diesen Konzepten zugrundeliegenden Datenstiukturen und Planungsverfahren werden durch eine Integration von Recycling in die PPS nicht berührt. Daher wird auf eine weitergehende Darstellung dieser Fertigungssteuerungskonzepte verzichtet
2.2
Entsorgung, Recycling und Abfallbeseitigung
2.2.1
Begriffsklärungen
Das Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz (AbfG)) definiert Abfälle als „... bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit [...] geboten ist"4). Entsorgung ist dann folgendermaßen definiert: „Die Abfallentsorgung umfaßt das Gewinnen von Stoffen oder Energie aus Abfällen (Abfallverwertung) und das Ablagern von Abfällen sowie die hierzu erforderlichen Maßnahmen des Einsammelns, Beförderns, Behandeins und Lagerns"5). Entsorgung im Sinne des Abfallgesetzes umfaßt damit sowohl den Wiedereinsatz von Abfällen (Recycling) als auch die aus betriebswirtschaftlicher Sicht „endgültige" Beseitigung bzw. Deponierung von Abfällen. Abfälle sind damit sowohl wiedereinsetzbare als auch zu beseitigende Güter. Ein erster (grober) Ansatz zur Differenzierung des Abfallbegriffs ist die Unterscheidung von subjektivem und objektivem Abfall6): Subjektiver Abfall umfaßt alle Abfälle, derer sich der Besitzer entledigen will. Dabei ist es unbedeutend, ob dieser Abfall verwertet werden kann oder nicht. Objektiver Abfall ist auf diejenigen Abfälle eingeschränkt, für die zum Zeitpunkt der Entsorgung keine Verwertungschance besteht. Subjektiver Abfall ist nach dieser Definition Abfall im Sinne des Abfallgesetzes, und objektiver Abfall bezeichnet denjenigen Anteil, der letztendlich beseitigt werden muß.
1) 2) 3) 4) 5) 6)
Vgl. Adam (1988d), S. 96 f. Vgl. z.B. Wildemann (1984). Vgl. Heinemeyer (1988). § 1 Abs. 1 AbfG (1986). § 1 Abs. 2 AbfG (1986). Vgl. Hoschützky, Kreft (1992), S. 4 ff.
2.2 Entsorgung, Recycling und Abfallbeseitigung
25
Diejenigen (subjektiven) Abfälle, die verwertet werden können, werden auch Recyclinggüter genannt. Recyclinggütersind nach Corsten und Reiss folgendermaßen klassifiziert: •
Rückstände sind alle Material- und Energiemengen, die nicht angestrebte Kuppelprodukte darstellen. Rückstände werden weiterhin unterteilt in: - Reststoffe, d.h. Rückstände, die in irgendeiner Weise wiederverwendbar sind, und - Abfallstoffe, d.h. Rückstände, die aus technischen oder ökonomischen Gründen nicht wiederverwendbar sind, • Ausschuß, d.h. (Zwischen-)Produkte, die nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen, • Altprodukte, d.h. Endprodukte, die durch Verschleiß oder technische Veraltung nicht mehr einsetzbar sind. An der Klassifikation von Recyclinggütern nach Corsten und Reiss ist jedoch zu kritisieren, daß Rückstände, die objektiven Abfall darstellen, ebenfalls zu den Recyclinggütern gezählt werden, obwohl genau diese Güter nicht zum Gegenstand von Recycling werden können. Daher wird im folgenden der Begriff Recyclinggüter so verwendet, daß objektive Abfälle nicht hinzugezählt werden. Um eine durchgängige und einfache Terminologie für diese Arbeit zu erlangen, wird hier nun folgende Begrifflichkeit festgelegt (siehe auch Abbildung 2.2.1-1): • • •
Subjektiver Abfall wird als Entsorgungsgut bezeichnet. Recyclingguter umfassen Reststoffe, Ausschuß und Altprodukte. Objektiver Abfall wird einfach als Abfall bezeichnet.
Die Zuordnung, ob es sich bei einem Entsorgungsgut um Abfall oder ein Recyclinggut handelt, kann sich über einen bestimmten Zeitraum wandeln2). Wird z.B. ein bisheriger Abfallstoff durch ein neues Produktionsverfahren wiederverwertbar, so wandelt sich dieser vom Abfall zum Reststoff. Entsorgungsgüter umfassen alle Objekte der Entsorgung. Die Entsorgung selbst läßt sich in die Bereiche der Abfallbeseitigung (im AbfG als .Ablagern von Abfällen" bezeichnet) und das Recycling (im AbfG als „Abfallverwertung" bezeichnet) unterteilen.
1) 2)
Vgl. Corsten, Reiss (1991), S. 615 f.; andere Klassifikationen findet man z.B. bei Kleinaltenkamp (1985), S. 27. Vgl. Becker, Rosemann (1993), S. 143.
2 Industrielle Produktion und Recycling
26
Die Abfallbeseitigung umfaßt dabei die aus betriebswirtschaftlicher Sicht „endgültige" Entledigung von Abfällen1). Diese wird auch „Deponierung" genannt2). Entsorgungsgut
Abfall
/
Reststoff
Recyclinggut
I \
Ausschuß
Allprodukt
Abb. 2.2.1-1: Begriffe im Entsorgungsbereich Zum Begriff des Recycling gibt es eine Vielzahl von Definitionen. Obwohl das Recycling auf eine lange Historie zurückblickt3) und vereinzelte Forschungsarbeiten hierzu schon vor dem zweiten Weltkrieg veröffentlicht wurden4), wird der Anfang einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema in der betriebswirtschaftlichen Literatur auf das Jahr 1955 datiert5). Die Motivation von Riebel, „Kreislaufstoffe" als „sekundäre Rohstoffe" (auch Sekundärstoffe genannt) wieder in die Produktion einfließen zu lassen, war ausschließlich ökonomisch begründet6). Dieser Arbeit wird die Recyclingdefinition von Corsten und Reiss zugrundegelegt, da sich diese an den Recyclinggütern orientiert: „Unter Recycling ist die Rückführung fester, flüssiger und gasförmiger Reststoffe, Ausschußmengen und Altprodukte in Produktionsprozesse zu verstehen."7) Bei einer detaillierteren Betrachtung kann Recycling nach der arbeitsteiligen Organisation von Recyclingprozessen (Formen des Recycling), der Prozeßstruktur (Arten
1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Vgl. Becker, Rosemann (1993), S. 142; Hammann (1989), S. 466 ff. Vgl. Faber, Stephan (1988). Eine genauere Darstellung der historischen Entwicklung des Recycling ist in Rautenstrauch (1993a), S. 89 f. angegeben. Vgl. z.B. Ungewitter (1938). Vgl. Riebel (1955). Vgl. Riebel (1955), S. 32, S. 51 f. und S. 161 ff. Corsten, Reiss (1991), S. 617. Zu weiteren ähnlichen Definitionen vgl. Barton (1979); Berg (1979), S. 201; Corsten, Götzelmann (1989), S. 411; Frese, Kloock (1989), S. 2; Görgen, Theobald (1981), S. 263; Hammann (1988), S. 468; Jahnke (1986), S. 13; Keller (1977), S. 19; Kern (1982), S. 134 f.; Kleinaltenkamp (1985), S. 21; Pearce, Walter (1977); Pfeiffer u.a. (1975), S. 203; Schultheiß (1978); Sprenger (1974); Stahlmann (1988), S. 187; Steven (1992), S. 36; Strebel (1980), S. 122; Stumm, Davis (1974), S. 30; Weege (1981), S. 52; zu abweichenden Definitionen vgl. Pfeiffer u.a. (1976), Sp. 4458 ff.; Turowski (1977), S. 4 ff.
2.2 Entsorgung, Recycling und Abfallbeseitigung
27
*0 CO
o
00 O v
a
l t ö
¡ 1 £ p + q. Aus dem Sammelbehälter wird entweder periodisch oder die bis zum Zeitpunkt der Entleerung („zufallig") die angesammelte Menge an Recyclinggütern entnommen. Dieser Fall ist jedoch komplizierter, da eine Schaltbedingung der Art „entnehme alle zu einem Zeitpunkt t vorhandenen Marken einer Stelle" nicht direkt formuliert werden kann. Abbildung 3.3.4-8 zeigt einen Baustein für die Modellierung dieses Falls. K=n
Abb. 3.3.4-7: Entleerung eines Sammelbehälters in Abhängigkeit vom Füllgrad Das in Abbildung 3.3.4-8 dargestellte Modell ist ein erweitertes Verbrauchermodell, das durch eine stochastische oder zeitbehaftete Transition (je nachdem, ob eine periodische oder stochastische Überführung modelliert werden soll) gesteuert wird. Diese Transition ist im Beispiel die stochastische Transition T2, die bei der Modellierung einer periodischen Entnahme durch eine zeitbehaftete Transition ersetzt werden muß. Alle Pfeilgewichte sind 1. Die Relationen zwischen T4 und Sami (diese Stelle repräsentiert den Sammelbehälter) stellen sicher, daß das Verbrauchersystem terminiert, wenn Sami leer ist.
80
3 Modellierung integrierter Produktions- und Recyclingprozesse
Abb. 3.3.4-8: Periodische oder stochastische Überführung gesammelter Teile
3.3.5
Modellierung mit zeitbehafteten und stochastischen Transitionen
Die Modellierung zeitlichen und stochastischen Verhaltens führt bei einfachen StellenTransitionen-Netzen zu komplexen Subnetzen. Daher kann die Einführung von zeitbehafteten (timed) und stochastischen Transitionen zur Komplexitätsreduktion von (Sub-)Netzen beitragen. Bei Netzen mit zeitbehafteten oder stochastischen Transitionen ist jedoch die formale und verhaltensmäßige Analyse gegenüber einfachen STNetzen schwieriger. Außerdem unterstützen nur verhältnismäßig wenige Werkzeuge die Modellierung und Simulation zeitbehafteter oder stochastischer Petri-Netze. Damit sind die im folgenden aufgeführten Bausteine als Alternativen zu den bisher vorgestellten Bausteinen zu interpretieren, die eingesetzt werden dürfen, wenn es die Umstände (d.h. z.B. Ziele der Modellierung oder eingesetzte Modellierungswerkzeuge) erlauben. Mit zeitbehafteten Transitionen können Erzeuger- oder Verbraucher-Modelle, welche die Bereitstellung von Kapazitäten oder den Zeitverbrauch von Prozessen simulieren, vereinfacht werden. Abbildung 3.3.5-1 zeigt einen Baustein vom Typ B9, der alternativ zu einem Baustein vom Typ B7 eingesetzt werden kann.
3.3 Petri-Netz-Bausteine für die Modellierung
81
BMi ist eine Quelle, d.h. eine Stelle mit unendlicher Kapazität und einer unendlichen Anzahl Marken. Für BMi gilt daher K(BMi) = °° und M(BMi)= ool). Ti ist eine zeitbehaftete Transition (dargestellt durch ein graues Rechteck • ) , d.h. sie kann nur zu bestimmten Zeitpunkten schalten.
o Mat,
BM, AG,
o
—
n
o
-
-
Abb. 3.3.5-1: Petri-Netz-Baustein B9 Mat,
Abb. 3.3.5-2: Petri-Netz-Baustein BIO B9 wird in Abbildung 3.3.5-2 um den neuen Baustein Typ BIO zur Modellierung von Schichtplänen und Fabrikkalendern erweitert. Steht ein Betriebsmittel in einem durch Fabrikkalender und Schichtplan festgelegten Zeitraum zur Verfügung, so ist am Anfang dieses Zeitraums M(S2)=0, d.h., T2 hat geschaltet. In der Schaltregel von T2 sind genau diejenigen Zeitpunkte angegeben, an denen die Verfügbarkeit eines Betriebsmittels beginnt. Innerhalb dieses Verfügbarkeitszeitraums schaltet Ti n-Mal, wobei bei jedem Schalten von Ti eine Marke nach 1)
K und M sind Funktionen, die Kapazität und Anzahl Marken einer Stelle angeben, siehe Anhang.
82
3 Modellierung integrierter Produktions- und Recyclingprozesse
S2 transportiert wird. Das Ende der Verfügbarkeitsperiode ist erreicht, wenn M(T2) = n gilt. Ti bleibt dann solange deaktiviert, bis T2 wieder schaltet. Theoretisch ist es denkbar, den Zeitbedarf von Arbeitsgängen durch zeitbehaftete Transitionen zu modellieren, denen für das Schalten eine Bearbeitungszeit zugeordnet wird. In diesem Fall würden Marken, die aus dem Vorbereich einer solchen Transition abgezogen werden, für diesen Zeitraum in der Transition verweilen, bevor die Stellen im Nachbereich entsprechend der Schaltregel bedient werden (siehe Tabelle 3.3.5-3). Hierdurch können jedoch sogenannte unzulässige Markierungen erreichbar sein, die in nicht-zeitbehafteten Netzen nicht möglich wären. Unzulässige Markierungen sind jedoch ausgeschlossen, wenn zeitbehafteten Transitionen Quellen oder Senken vorbzw. nachgeschaltet sind1). Tab. 3.3.5-3: Schaltverhalten einer zeitbehafteten Transition mit Ausführungszeit 1
aktiviert (Start des Arbeitsgangs)
2
ausführend (Arbeitsgang läuft)
3
fertig ( Arbeitsgang beendet)
(0—•-c- 0 (H —0 O - :>o-I:-CO
Konfliktsituationen können durch die Einführung von Wahrscheinlichkeiten für das Schalten von Transitionen gelöst werden. Transitionen, deren Schaltverhalten zusätzlich zur M-Aktivierung auch durch eine Schaltwahrscheinlichkeit geregelt ist, werden stochastische Transitionen genannt. Stochastische Transitionen waren bereits für die Modellierung von Baustein B5 erforderlich. Ein anderes Beispiel für eine Konfliktsituation ist in Abbildung 3.3.4-7 gegeben, wenn M(Mat3) = K(Mat3) gilt. In diesem Fall sind sowohl AG2 als auch ti aktiviert. Diese Konfliktsituation kann dadurch gelöst werden, daß AG2 und ti jeweils mit den Wahrscheinlichkeiten schalten, mit denen Teile innerhalb der Produktion bzw. an das Lager weitergegeben werden. Bei der Strukturierung von Petri-Netzen ist es nützlich, Ausnahmesituationen wie z.B. die Behandlung von Störungen, in Subnetze zu separieren. Diese Subnetze werden mit dem Hauptnetz über stochastische Transitionen verbunden, deren Schaltverhalten den realen Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten des modellierten Störfalls entsprechen.
1)
Vgl. Abel (1990), S. 50.
3.3 Petri-Netz-Bausteine für die Modellierung
3.3.6
83
Auflösung partieller Konflikte
Konkurrenzsituation um Ressourcen werden mit Petri-Netzen als Konflikte modelliert. Allerdings lassen sich derartige Konflikte nicht nur durch die Einführung von stochastischen Transitionen auflösen. Abbildung 3.3.6-1 zeigt eine solche Konfliktsituation, bei der die Arbeitsgänge AGi und AG2 um das Betriebsmittel BMj konkurrieren können. Mat,
Abb. 3.3.6-1: Konkurrenz um Ressourcen Diese Konfliktsituation, partieller Konflikt genannt, unterscheidet sich von den vorher genannten dadurch, daß die Transitionen AGj und AG2 nicht immer, wenn sie aktiviert sind, im Konflikt zueinander stehen, sondern nur dann, wenn für die Ausführung beider Arbeitsgänge hinreichend Kapazitäten und Material zur Verfügung stehen. Würde man AGi und AG2 Schaltwahrscheinlichkeiten zuordnen, dann würden diese auch gelten, wenn diese Transitionen nicht im Konflikt zueinander stehen. Damit kann der Fall eintreten, daß eine Transition nicht schalten kann, obwohl sie schalten soll. Die Auflösung derart partieller Konflikte kann nur über individuelle Strategien erfolgen. Abbildung 3.3.6-2 zeigt z.B. die Auflösung des Konflikts aus Abbildung 3.3.6-1 durch die Einführung einer Prioritätsregel. Sie besagt, daß AG2 Priorität vor AGi hat, falls für beide hinreichend Material und Kapazitäten zur Verfügung stehen. Dabei muß K(Mat2) = n gelten. Eine andere Strategie zur Auflösung des Konflikts kann in der Form geschehen, daß ein Verhältnis für das Schalten von AGi und AG2 festgelegt wird. Diese Festlegung erfolgt etwa in der Form: „AG2 schaltet jedes fünfte mal". Diese Strategie hat gegenüber der Regelung über Prioritäten den Vorteil, daß sichergestellt wird, daß AG2
84
3 Modellierung integrierter Produktions- und Recyclingprozesse
überhaupt schalten kann. Im anderen Fall kann nämlich der Fall eintreten, daß AG2 nie aktiviert wird, wenn der Kapazitätsbedarf höher als der von AGi ist und für AGj immer genug Material verfügbar ist, bevor der Kapazitätsbedarf von AG2 gedeckt werden kann. Der Nachteil dieser Strategie ist, daß Kapazitäten nicht optimal ausgenutzt werden. Abbildung 3.3.6-3 zeigt ein Modell zur Auflösung des partiellen Konflikts mit einem Zähler Z. h
Mat,
Abb. 3.3.6-3: Modell zur Auflösung des partiellen Konflikts mit einem Zähler
3.4 Produktions- und Recyclingprozesse
85 Mat,
Abb. 3.3.6-4: Auflösung des partiellen Konflikts mit stochastischen Transitionen Soll ein partieller Konflikt durch stochastisches Verhalten aufgelöst werden, so kann dies durch die stochastische Zuteilung von Betriebsmittelkapazitäten erfolgen. Abbildung 3.3.6-4 zeigt ein Modell mit stochastischen Transitionen T2 und T3.
3.4
Produktions- und Recyclingprozesse
Die in Kapitel 3.3 vorgestellten Bausteine können für die Modellierung von Produktions- und Recyclingprozessen verwendet werden. Tabelle 3.4-1 enthält eine Zusammenfassung, die zeigt, welcher Modellierungsgegenstand durch welchen Baustein modelliert werden kann. Dabei werden Markierungen, Kapazitäten und Pfeilgewichte durch die Arbeitsauftragsdaten festgelegt und die graphische Struktur der Bausteine in das Modell übernommen. Die in den folgenden Kapiteln vorgestellten Netze zeigen zunächst exemplarisch die Modellierung von nicht integrierten Produktions- und Recyclingprozessen sowie Beseitigungsprozessen. Auf diesen Modellen basiert dann je ein repräsentatives Beispiel für die in Abbildung 2.3.1.3-2 dargestellen Sondersituationen, die sich aus der Integration von Produktions- und Recyclingprozessen ergeben: • • •
Mittelbares und unmittelbares Reststoffrecycling, mittelbares und unmittelbares Ausschußrecycling und Ressourcenkonkurrenz bei integrierter Produktion und Altproduktrecycling.
86
3 Modellierung integrierter Produktions- und Recyclingprozesse
Tab. 3.4-1: Modellierungsgegenstände und Bausteine Gegenstand
Baustein(e)
Montagearbeitsgang Demontageaibeitsgang Umformungsarbeitsgang Prüfarbeitsgang Sammlungsarbeitsgang Transportarbeitsgang Betriebsmittelkapazität Lagerkapazität
Bl, B2, B41) Bl, B3 B1.B3 1 ) B3, B5 B3 Bl B6, B9, BIO B72), B83>
Beschriftungen und Subnetze, die für die Interpretation der Netze keine Bedeutung haben, werden in den Beispiel-Petri-Netzen der folgenden Unterkapitel weggelassen, um die Lesbarkeit zu erhöhen und den Blick auf die wesentlichen Eigenschaften der Netze zu lenken. Ziel ist die Herausarbeitung der Besonderheiten der integrierten PRPS und nicht die Modellierung von Produktions- und Recyclingprozessen im allgemeinen. Die Einschränkungen werden in den Erläuterungen zu den Netzen explizit aufgeführt. Weiterhin gelten für die Strukturierung und Beschriftungen der Netze folgende Konventionen: • •
• • •
1) 2) 3)
Arbeitsgänge von Produktionsprozessen werden von oben nach unten verkettet, Arbeitsgänge von Recyclingprozessen von unten nach oben. Bei Produktionsprozessen werden Lagerentnahmen am oberen Rand des Netzes und Lagerzugänge am unteren Rand des Netzes plaziert, bei Recyclingprozessen ist es umgekehrt. Betriebsmittel und Kapazitäten für die Produktion werden am linken Rand und Betriebsmittel und Kapazitäten für das Recycling am rechten Rand plaziert. Schichtmodelle werden bei der Modellierung weggelassen, da sie bezüglich Produktions- und Recyclingprozessen keine besondere Bedeutung haben. Werden in einem Netz n Arbeitsgänge dargestellt, so werden die Transitionen für die Darstellung von Arbeitsgängen mit Aj ( i e { l , ..., n}) und alternative Arbeitsgänge mit Aj^ununer der Altemative> beschriftet.
Mit Rückständen auf der Outputseite. Für Lagerentnahmen. Für Lagerzugänge.
3.4 Produktions- und Recyclingprozesse
87
•
Stellen, die Materialpuffer repräsentieren, werden mit M beschriftet. Durchläuft eine Materialart n Materialpuffer, so werden die Stellen mit M.F h (2)
•Fh(1)>.Fh(2)
D
1
D,.
1
•
Aj.fl)
•
Aj.(l)
DR.
1
•
\.ü)
•
V "
H-
•Dh.(1)-^Dh.(2)
• Dh.(1)^Dh.(2)
Abb. 7.2.1-2: Arbeitsgangreihenfolge bei synchroner Terminierung
7.2.2
Gepufferte Terminierung
Bei der gepufferten Terminierung wird der Recyclingprozeß jedesmal dann angestoßen, wenn der Output an Recyclinggütern eine bestimmte Menge (Puffermenge) überschritten hat 1)
x —> y ist dabei als „Aibeitsgang x ist vor Arbeitsgang y auszuführen" zu interpretieren.
7.2 Terminieningsverfahren
185
Terminiere Fertigungsauftrag vorwärts oder rückwärts Wenn Recyclinggut Ausschußteil ist
—— Nein
Ja x
x M'. Mit der Markierung eines Netzes wird die Anzahl vorhandender Marken jeder Stelle des Netzes bezeichnet. Ein Transition ist genau dann M-aktiviert, wenn im Vorbereich der Markierung genug Marken in jeder Stelle vorhanden sind, um beim Schalten der Transition Marken gemäß der Pfeilgewichte des Vorbereich abziehen zu können, und im Nachbereich hinreichend Kapazitäten für die Aufnahme von Marken gemäß der Pfeilgewichte im Nachbereich verfügbar sind. Beim Schalten werden dann Marken gemäß der Pfeilgewichte im Vor- und Nachbereich abgezogen bzw. hinzugefügt.
AI.2 Eigenschaften von Petri-Netzen PN können auf bestimmte Eigenschaften untersucht werden, die Aufschluß Uber das Verhalten des mit PN modellierten Systems geben. Definition 5: Ein Netz N heißt zyklisch, wenn jede Markierung M c MN von jeder anderen Markierung M' c Mn erreichbar ist. Definition 6: Sei N ein S/T-Netz, sei t e TN. i) t ist lebendig : V M e [MN>: t ist in [M> aktivierbar1). ii) N ist lebendig : V t e TN: t ist lebendig. Ein Netz ist also dann lebendig, wenn es zu jedem Fall einen Folgefall gibt. Ein zyklisches Netz ist daher immer lebendig, der Umkehrschluß ist jedoch nicht zulässig. Definition 7: Ein ST-Netz N heißt kontaktfrei, wenn für alle M E [MN> und alle t e T N , so daß V s e «t mit M(s) > W N (s, t), gilt: V s e t * M(s) < K N (s) - W N (t,s). Eine Kontaktsituation bezüglich einer Transition t e Tn liegt also genau dann vor, wenn die Aktivierung von t an fehlenden Kapazitäten in t* scheitert.
1)
: bedeutet „ist definiert als".
200
Anhang: Verwendete Formalismen
Definition 8: Ein ST-Netz N heißt konfliktfrei, wenn es keinen Fall gibt, bei dem unter einer gegebenen Markierung M eine Stelle s e Sn existiert mit M > 1 und die Anzahl M-aktivierter Transitionen T e s» größer als 1 ist Eine Konfliktsituation ist also dadurch gekennzeichnet, daß durch eine Markierung nichü eindeutig festgelegt ist, welche der hierdurch aktivierten Transitionen schalten.
A1.3 Deadlocks und Traps Für die Analyse der Lebendigkeit von Netzen ist es besonders interessant, zu untersuchen, welche Stellen, wenn sie einmal unmarkiert sind, leer bleiben und welche Stellen, wenn sie einmal markiert sind, stets markiert bleiben. Ursache für den ersten Fall sind sogenannte Deadlocks und für den zweiten Fall Traps. Markierte Netze sind eine bestimmte Klasse von ST-Netzen, mit denen sich Deadlocks und Traps formal beschreiben lassen. Definition 9: Ein markiertes Netz ist ein kontaktfreies, endliches ST-Netz N, wobei für alle s e Sn: Mn(s) e N und für alle p e Fn: Wn(p) = 1. Definition 10: Sei N ein markiertes Netz und S £ Sn. i) S heißt Deadlock, falls V t € T N : t e *S => t e S* bzw. kurz: *S c S*. ü) S heißt Trap, falls S» c *S. iii) Sei M: Sn IN eine Markierung von N. M heißt tot, falls es keine M-aktivierte Transition in Tn gibt.
A1.4 S- und T-Invarianten Stellenmengen, bei denen die Gesamtzahl Marken unverändet bleibt, wenn Transitionen schalten, werden S-Invarianten genannt. Für die Definition und Bestimmung von S-Varianten ist es zweckmäßig, PN als Matrizen darzustellen. Definition 11: Sei N = (S, T, F, K, W, M) ein ST-Netz. i) Für Transitionen t e T sei der VektorfcS
Z definiert durch
AI Netze und Petri-Netze
201
-W(s, t), falls s € »t \ f W(t, s), falls s e f \ *t M'(s) = W(t, s) - W(s, t), falls s e H n .0, sonst. ii) Die Matrix N: S x T
f
Z sei definiert durch M(s, t) := t(s).
Nun kann man S-Invarianten als Lösungen von Gleichungssystemen definieren. Definition 12: Sei N ein ST-Netz. Ein Stellenvektor i = Sn -» Z heißt S-Invariante von N :£[' • i = 0> wobei M' die Transponierte der Matrix ist. Der Vollständigkeit halber sollen auch T-Invarianten definiert werden. T-Invarianten bezeichnen Mengen von Transitionen t, bei denen eine Markierung M nach genau v(t)fachem Schalten wieder erreicht wird, wobei v als Vektor v: T —¥ Z definiert ist. Definition 13: Sei N ein ST-Netz. Ein Vektor i: Tn : N ' • i = 0.
Z heißt T-Invariante von N
AI.5 Prädikat-Transitionen-Netze Petri-Netze können bei der Modellierung realitätsnaher Probleme leicht sehr umfangreich und unübersichtlich werden. Daher gibt es Netze mit individuellen Marken, in denen Marken unterschiedlichen Typs mit entsprechenden Erweiterungen bezüglich Gewichten, Schaltbedingungen und Kapazitäten vorkommen dürfen. Derartige Netze erlauben eine wesentlich kompaktere Darstellung von Modellen, haben aber den Nachteil, daß der formale Nachweis bestimmter Eigenschaften nicht oder nur mit sehr großem Aufwand möglich ist. ST-Netze können durch die Einführung individueller Marken zu sogenannten Relationen- oder auch Prädikat-Transitionen-Netzen (PiT-Netzen) erweitert werden.
A1.6 Deterministische und stochastische Petri-Netze ST-Netze, in denen auch Transitionen zulässig sind, die beim Schalten Zeit verbrauchen (zeitbehaftete Transitionen) oder deren Schaltverhalten von Wahrscheinlichkeiten
Anhang: Verwendete Formalismen
202
abhängig ist (stochastische Transitionen), werden deterministische und stochastische Petri-Netze genannt1). Definition 17: Ein 8-Tupel N = (S, T, F, K, W, Mo, x, ü ) heißt deterministisches und stochastisch.es Petri-Netz (DSPN), wenn i) (S, T, F) ist ein Netz. ii) T kann in die disjunkten Mengen T 2 (Menge der immediate Transitionen, d.h. derjenigen Transitionen, die sofort schalten, sobald sie aktiviert sind), T E (Menge der stochastischen Transitionen) und T D (Menge der zeitbehafteten Transitionen) aufgeteilt werden. iii) K, W und Mo sind wie in Definition 2 angegeben definiert. iii) V t e T E u T D , Tt: IN —> (0, ist die (mittlere) Verzögerungszeit für die zeitbehaftete Transition t, die von der Markierung abhängig sein kann. iv) V t e T z , n t : IN —> [0 .. 1] ist die Schaltwahrscheinlichkeit der stochastischen Transition t. DSPN schließen zeitbehaftete und allgemeine stochastische Petri-Netze mit ein. Ein zeitbehaftetes Petri-Netz2) ist ein DSPN mit T 2 = 0 und ein allgemeines stochastisches Petri-Netz3) ist ein DSPN mit T 2 = 0.4)
A2
Entity-Relationship-Diagramme
Entity-Relationship-Diagramme (ER-Diagramme) dienen der graphischen Formulierung konzeptioneller (d.h. implemementierungsunabhängiger) Datenmodelle. ER-Diagramme gehen auf Chen zurück5), allerdings sind in den vergangenen Jahrzehnten eine unüberschaubare Anzahl von Erweiterungen und Modifikationen des ursprünglichen Ansatzes entwickelt worden6). An dieser Stelle werden ER-Diagramme nur so weit vorgestellt, wie sie für die Datenmodellierung in den Kapiteln 4 und 5 verwendet wurden.
1) 2) 3) 4) 5)
Die folgende Definition ist an Lindemann (1994), S. 5 angelehnt. DSPN gehen zurück auf Marsan, Chiola (1987). Vgl. z.B. Carlier, Chretienne (1988). Vgl. Marsan u.a. (1984). Zu weiteren Petri-Netz-Arten siehe Leszak, Eggert (1988), S. 22 f. Vgl. Chen (1976).
A2 Entity-Relationsbip-Diagramme
203
A2.1 Elemente von ER-Diagrammen nach Chen Die Grundelemente von ER-Diagrammen sind Entitäten, Beziehungen und Attribute (auch Rollen genannt) sein. In Erweiterung des Standardmodells werden zusätzlich Konnektoren verwendet Die einzelnen Elemente haben folgende Bedeutung: •
Entitäten repräsentieren Objekte der realen Welt. Dieses können sowohl reale („dingliche") als auch abstrakte Objekte sein. Beispiele für reale Objekte sind z.B. eine Drehmaschine oder ein Kotflügel, abstrakte Objekte sind z.B. das Projekt , Alpha" oder ein Wareneingang vom 21. Februar 1995. Individuelle Objekte sind für die implementierungsunabhängige Modellierung auf Ebene des Fachkonzepts in der Regel nicht interessant, vielmehr sind Objekte gleichen Typs Modellierungsgegenstand. So sind die oben aufgeführten Entitäten den Entitätstypen Betriebsmittel, Teil, Projekt und Lagerbewegung zugeordnet. Entitätstypen werden durch Rechtecke dargstellt.
•
Entitäten eines zu modellierenen Ausschnits der realen Welt sind in der Regel nicht isoliert, sondern stehen in Beziehung zueinander. So besteht z.B. zwischen dem Kunden „Meier" und dem Artikel „Tallisker 12 Years Old" die Beziehung „kauft". Wie schon bei Entitäten sind auch hier nicht individuelle Beziehungen zwischen Entitäten, sondern Beziehungen auf Typebene relevant. Beziehungstypen werden als Rauten dargestellt.
•
Attribute spezifizieren Eigenschaften von Entitäts- oder Beziehungstypen. Attribute des Entitätstyps „Teil" könne z.B. die Teilenummer oder die Beschreibung sein. Auch Beziehungstypen können Attribute zugeordnet werden. Ein Beispiel hierfür ist der Preis als Attribut des Beziehungstyps „kauft", wenn kundenindividuelle Preise möglich sind. Attribute werden als Ovale dargestellt.
In ER-Diagrammen dürfen über ungerichtete Kanten Attribute mit Entitäts- oder Beziehungstypen und Entitäts- mit Beziehungstypen verbunden werden. Verbindungen von Entitäts- zu Entitätstypen und Beziehungs- zu Beziehungstypen sind nicht zulässig. Durch einen Beziehungstyp werden immer genau zwei Entitätstypen miteinander verbunden. Kanten werden mit der Kardinalität der Beziehung beschriftet. Grundätzlich sind folgende Kardinalitäten für Beziehungen zu unterscheiden: •
l:l-Beziehung: Eine Entität des Entitytyps A steht zu genau einer Entität des Entitytyps B in Beziehung.
6)
Einen Überblick hierzu findet man z.B. in Sinz (1990) und Eicker (1994), S. 176 ff.
204
Anhang: Verwendete Formalismen
•
l:n-Beziehung\ Eine Entität des Entitytyps A steht zu mehreren Entitäten des Entitytyps B in Beziehung.
•
n:m-Beziehung: Mehrere Entitäten des Entitytyps A können zu mehreren Entitäten des Entitytyps B in Beziehung stehen.
Abb. A2-1: Einfaches ER-Diagramm Abbildung A2-1 zeigt ein einfaches ER-Modell mit einer n:m-Beziehung zwischen Kunde und Artikel.
A2.2 Verwendete Erweiterungen des Modells Die bislang aufgeführten Elemente des ER-Modell entsprechen der ursprünglichen Spezifikation von Chen. Im folgenden werden nun die verwendeten Erweiterungen des Standardmodells vorgestellt. Die Aussagefähigkeit bislang verwendeten einfachen Kardinalitäten kann erweitert werden, indem anstelle von einfachen Kardinalitäten Min-max-Kardinalitäten angegeben werden. Min-max-Kardinalitäten geben in Tupeln an, welche Kardinaltäten mindestens und maximal für eine Kante geben sind. Dabei sind folgende Kardialitäten möglich: (0, 1), (0, *), (1, 1), (1, *). „*" steht dabei für „beliebig viele". Abbildung A2-2 zeigt das Beispiel aus Abbildung A2-1 mit Min-max-Kardinalitäten. Die Kardinalitäten sind so zu interpretieren, daß Ein Kunde mindestens einen Artikel gekauft haben muß um Kunde zu sein, Artikel jedoch nicht unbedingt gekauft sein müssen (Ladenhüter oder neue Artikel).
Abb. A2-2: Einfaches ER-Diagramm mit Min-max-Kardinalitäten
A2 Entity-Relationship-Diagramme
205
Konnektoren dienen der Spezifikation von Subentitätstypen. Sie verknüpfen Subentitätstypen mit dem übergeordneten Entitätstyp u.a. über die logischen Operatoren „OR", „EXOR" oder „AND". Abbildung A2-3 zeigt die Spezifikation der Subentitäten „Privatperson", „Firma", „Eigenfertigungsteil" und „Kaufteil" mit OR- und EXORKonnektoren. Durch den EXOR-Konnektor zwischen „Kunde", „Privatperson" und „Firma" wird festgelegt, daß ein Kunde entweder Privatperson oder Firma ist, d.h., es ist ausgeschlossen, daß ein Kunde beides sein kann. Ein Artikel kann jedoch sowohl Eigenfertigungs- als auch Kaufteil sein, daher wird hier der OR-Konnektor verwendet.
Abb. A2-3: ER-Modell mit Konnektoren
Abb. A2-4: Umdefinierter Beziehungstyp Bei n:m-Beziehungen gibt es Fälle, bei denen Beziehungstypen gleichzeitig Entitätstypen darstellen. Dies ist z.B. bei Erzeugnisstrukturen der Fall, die ursprünglich eine Beziehung zwischen Teilen darstellen, jedoch auch durch Konnektoren weiter spezifiziert werden können. Derartige Beziehungstypen werden „umdefinierte Beziehungstypen" genannt und als Rauten dargestellt, die durch ein Rechteck umschlossen werden. Abbildung A2-4 zeigt den umdefinierten Beziehungstyp „Erzeugnisstruktur".
Anhang: Verwendete Formalismen
206
A3 Struktogramme Für die Darstellung von Algorithmen werden in den Kapiteln 4 und 5 Struktogramme (auch „Nassi-Shneidermann-Diagramme" genannt) verwendet1). Sie bestehen aus folgenden Elementen: •
Elementarblöcke, die jeweils eine Anweisung enthalten, werden als Rechtecke dargestellt.
•
Wertzuweisungen werden mit einem nach links zeigenden Pfeil («—) dargestellt.
•
Alternativen werden wie in Abbildung A3-1 abgebildet dargestellt.
•
Wiederholungen („Schleifen") werden wie in Abbildung A-3-2 abgebildet dargestellt.
Wiederhole Anweisungen
Abb. A3-1: Konditionalanweisung
Abb. A3-2: Wiederholung
Blöcke, die (mehrere) Elementarblöcke, Alternativen oder Wiederholungen enthalten, werden Strukturblöcke genannt. Ein Strukturblock beschreibt einen Programmbaustein, der eine funktionale Einheit eines Programmsystems bildet. Auf weitere Elemente von Struktogrammen wird in der Arbeit verzichtet, da Struktogramme nicht für die Spezifikation komplexer Programme, sondern nur für einzelne Algorithmen eingesetzt werden.
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Sachregister
ABC-Analyse 160; 161 Abfall 45 - beseitigung 25 - gesetz 24 objektiver 24 subjektiver 24 - Verwertung 24 Abiaufart 132 Abwicklungszeit 15 Aggregat 118 Aggregation 113 Altlast 2 Altprodukt 25; 44; 99 - recycling 46; 52 Altstoff-Recycling 30 Anfangsmarkierung 198 Arbeitsgang 52; 70; 110 Arbeitsplan 52; 79; 110 - auflösung 139 - graph 111 -plankopf 110 ARIS-Architektur 7 Attribute 203 Aufarbeitungsarbeitsgang 54 Auflagen 35 Auftragsauslösungsart 4 Auftragsdaten 156 Auftragsfreigabe 22 Ausführungsstufe 71 Ausprägung 101; 131 Ausschuß 25; 45; 99
-recycling 47;51 Baustruktur 116; 136 BDE-System 23 Bedarfsgesteuerte Disposition 160 Benutzerakzeptanz 125 Benutzeroberfläche 131 Beschaffungsart 4 Beschichten 54 Beseitigung 24 Betriebsdatenerfassungssystem 23 Betriebsmittel 55; 61 -kapazitäten 53 -stammdaten 18 Betriebstypologie 4 Browser 126; 133; 141; 157 Bruttobedarfsberechnung 161; 162 Datensicht 7 Deadlock 200 Demontage 37; 55 - arbeitsgang 54; 68 - auftrage 157; 180 - planungssystem 38 verkürzte 46 vollständige 46 Deponierung 24; 26 Dispositionsart 4 Doppelte Teiminierung 20 Downcycling 29 DSPN 66; 202
222 Durchlaufterminierung 20
Sachregister
Funktionssicht 7
Durchlaufzeit 15 -Verkürzung 187 Elektronischer Leitstand 23 Entität 203 Entity-Relationship-Diagramm 99;
202 Entropie-Produktion 60 Entscheidungsmodell 35 Entsorgung 24 -sauftrag 120 - sbedarf 162; 169 - skosten 58 -slogistik 175 - svorschriften 101 Ereignis 61 - orientierte Planung 17 Ereignis-Prozeß-Ketten 64 Erzeugermodell 74 Erzeugnisspektrum 4 Erzeugnisstruktur 4; 18; 19; 102; 133 - bäum 102; 105 expandierte 146; 147 recyclinggraphengerechte 150 Fachkonzept 3 Feinterminierung 22 Fertigungsart 5 Fertigungsauftrag 52; 120 Fertigungsauftragsstruktur 53 Fertigungssteuerung 22 Fertigungsstruktur 5 Fertigungsverfahren 54 Rußrelation 197 Fortschrittskontrolle 23 Fraktion 45; 50; 152 Fügen 54 Fügearbeitsgang 142
Gewichtsfunktion 198 Gozintograph 102; 162 Grundsätze ordnungsgemäßer Modellierung 87 Herstellerrecycling 6 Industriebetrieb 12 Intemalisierung externer Effekte 35 Kapazitätsauslastung 16; 50 Kapazitätsfunktion 198 Kapazitätsplanung 21 Konfliktsituation 82 Konnektor 205 Kontaktsituation 73 Kreislaufarten 29 Kreislaufwirtschaftsgesetz 35 Kundenauftrag 120 Lager 159 -abgang 159 - bestandsreduzierung 15 -fähigkeit 132 - haltung 19 -kosten 14 - Zugang 159 Lieferbereitschaft 16 Los 120 - größenplanung 174 Markiertes Netz 200 Markierung 198 Markoff-Kette 64 Maschinenbelegungsplanung 13 Massenrecycling 40 Material 61
Sachregister
-bedarf 19 - disposition 19; 160 - einsatzquote 132 -lager 76 -recycling 1; 48 - Stromnetz 67; 103 -Verfügbarkeit 22
- Wirtschaft 19; 159 Mengenplanung 19; 160 Merkmale 101; 131 Metadatenmodell 125 Min-max-Kardinalitäten 204 Mittelpunktterminierung 21 Montage 55 - arbeitsgang 68; 69 MRPII 8 Nachbereich 198 Nassi-Shneidermann-Diagramm 206 Nebenläufige Systeme 62 Net-Change-Prinzip 17 Nettobedarfsberechnung 171 Neuaufwurf 17 Nicht-Standardteil 99; 153 Öko-Audit 60 Ökobilanz 65 Öko-Controlling 60 Organisationseinheit 61 Organisationsform 5 Organisationssicht 7 Partialmodell 11 Partieller Konflikt 83 Pendant 113; 139 Personalkapazität 61 Petri-Netz 62; 104; 116:197 -Baustein 67 stochstisches 80
223
Plantafel 23 Planungsprinzip 132 PPS-System 12 PPS-Ziele 14 Prädikat-Transitionen-Netz 62; 201 Primärauftragsdaten 156 Primärbedarf 120 - planung 18 Primärentsorgungsbedarf 120 Primärgut 99 Primärteil 102 Produktionsabfall-Recycling 29 Produktionsarbeitsplan 138 Produktionskosten 14 Produktionsgut 99 Produktionsnachlauf 186 Produktionsplanung und -Steuerung 11 Produktionsprogrammplanung 18 Produktionsprozeß 88; 182 Produktionsvorlauf 186 Produktrecycling 2; 37; 48 Prozeßintegration 51 Prozeßmodell 61 Prüfarbeitsgang 55; 69 Qualitätsmerkmale 132 Quelle 74 Recycling 1; 24; 26 anonymes 7 - arbeitsplan 138 -auftrag 121; 182 - börse 2 direktes 28 - erzeugnisstruktur 105; 135 extrabetriebliches 28 -graph 117; 142; 149 - graphelement 142
224 - gruppe 152 - gut 25; 99 - häufigkeit 132 indirektes 28 -Informationssysteme 128 innerbetriebliches 28 intrabetriebliches 28 kooperatives 7 - kosten 31 - merkmale 101; 128; 129; 132 mittelbares 28 - planung 37 primäres 29 sekundäres 29 unmittelbares 28; 167 während des Produktgebrauchs 30 Recyclinggerechte Konstruktion 49 REGRED 146 Reststoff 25; 45; 99 Reststoffrecycling 47; 51 Rollierende Planung 17 Rückkopplung 166 Rücknahmeverpflichtung 35 Rückstände 25 Rückwärtsterminierung 20 S-Element 197 S-Invariante 201 Sammlungsarbeitsgang 55 Sekundärauftrag 179 Sekundärauftragsstruktur 181 Sekundärbaugruppen 50 Sekundärbedarf 160 Sekundärentsorgungsbedarf 161 Sekundärgut 102 Sekundärstoffe 26 Senke 74 Simultanmodelle 12 Sortierarbeitsgänge 54
Sachregister
Stammarbeitspläne 18 Stammdaten 17 Stellen-Transitionen-Netz 65; 198 Steuerungssicht 7 Stillstandszeiten 14 Stoffstrom 65 -netz 65 Struktogramm 206 Strukturblock 206 Stücklisten 102 - auflösung 120; 161 Substitutionsquote 169 T-Element 197 T-Invariante 201 Teil 99; 128 Teileklasse 128 Teilestamm 18 - daten 99 Teileverbindungsgraph 116 Termintreue 16 Terminierung 20; 182 asynchrone 186 doppelte 20 gepufferte 184 synchrone 183 Thermoselect 46 Transportarbeitsgänge 55 Trap 200 Trennen 54 Überhangbestand 173 Überlappung 73 Übertragungsmenge 177 Umformen 54 Umformungsarbeitsgänge 55 Umweltinformatik 39 Umweltinformationssysteme 39 betriebliche 39
Sachregister
Umwelt-PPS 43 Urformen 54 Variantenknoten 134 Verbindungselementegruppe 149 Verbraucher-System 76 Verbrauchsgesteuerte Disposition 160 Verbrauchsteilgruppen 149 Verwendungsnachweis 102 Vorwärtsterminierung 20 Vorbereich 198 Vorgang 61 -kette 61 Vorschrift 101; 132
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Warteschlangen-Netz 64 Weiterverwertung 29 Wiedereinsatz 29 - quote 106; 138 Wiederverwendung 29 Wirtschaftlichkeitsprinzip 12 Zielbeziehungen 60 Zielsystem 58 Zukunftslasten 2 Zusatzbedarf 171 Zustand 61