Europa und sein Osten: Geschichtskulturelle Herausforderungen 9783486717921, 9783486715934

Der Auftakt-Band der Reihe „Europas Osten im 20. Jahrhundert“ versammelt die Beiträge der gleichnamigen Tagung, mit der

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German Pages 174 Year 2012

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Europa und sein Osten: Geschichtskulturelle Herausforderungen
 9783486717921, 9783486715934

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Europa und sein Osten

Europas Osten im 20. Jahrhundert Schriften des Imre Kertész Kollegs Jena Herausgegeben von Wlodzimierz Borodziej und Joachim von Puttkamer Band 1

Oldenbourg Verlag München 2012

Europa und sein Osten Geschichtskulturelle Herausforderungen Herausgegeben von Wlodzimierz Borodziej und Joachim von Puttkamer

Oldenbourg Verlag München 2012

Das Imre Kertész Kolleg Jena „Europas Osten im 20. Jahrhundert. ­Historische ­Erfahrungen im Vergleich“ an der Friedrich-Schiller-­Universität Jena, ist ein ­Institute for Advanced Study zur Geschichte des östlichen Europas im 20. Jahrhundert. Das Kolleg unter der Leitung von Prof. Dr. Włodzimierz ­Borodziej und Prof. Dr. Joachim von Puttkamer wurde im ­Oktober 2010 als neuntes Käte Hamburger Kolleg des Bundes­ministeriums für ­Bildung und Forschung (BMBF) gegründet.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Tel: 089 / 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ­außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Einbandgestaltung: hauser lacour Konzept und Herstellung: Karl Dommer Satz: Typodata GmbH, Pfaffenhofen a.d. Ilm Druck und Bindung: Memminger MedienCentrum, Memmingen Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706 ISBN 978-3-486-71593-4 e-ISBN 978-3-486-71792-1

Inhalt Włodzimierz Borodziej/Joachim von Puttkamer Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Volkhard Knigge/Joachim von Puttkamer Schicksallosigkeit als historische Perspektive. Imre Kertész und sein Blick auf das 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Adam Michnik Das Erbe der Diktaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

Jan Čulík Jiří Menzel and the construction of historical experience in his films dealing with traumatic 20th century events . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Stefan Troebst Trying to Institutionalise the Memory of Forced Migration: German, Central European and Pan-European Initiatives . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

Maria Todorova Nostalgia – the reverse side of Balkanism? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Taja Vovk van Gaal/Constanze Itzel The House of European History project in Brussels . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

Paweł Machcewicz „Museum statt Stacheldrahtverhaue“. Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig – Konzeption und Kontroversen . . . . . . . . . . . . . .

81

Milan Ristović Wem gehört Geschichte? Konkurrierende Erinnerungen an Jugoslawien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105

VI   Inhalt Irina Scherbakowa Dimensionen und Konflikte russischer Erinnerungskultur . . . . . . . . . .

117

Włodzimierz Borodziej Deutschland und das östliche Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131

Joachim von Puttkamer Russland und das östliche Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

Einleitung Geschichts- und Erinnerungskultur, der öffentliche Umgang mit Geschichte, ist seit einigen Jahren selbst zu einem zentralen Thema historischer Forschung geworden. Die Hintergründe dafür sind vielfältiger Natur. Öffent­liche Debatten über den Umgang mit einer diktatorischen Vergangenheit, mit kollektivem Leid und gesellschaftlicher Verantwortung für Verbrechen und Repres­ sion sind nicht nur in Deutschland eingebettet in ein neues, massenmediales Interesse am Zweiten Weltkrieg wie an seinen in jeder Hinsicht verheerenden Folgen. Sie sind zugleich Ausdruck und Indikator der Suche nach einer Identität Europas, und zwar zu einem Zeitpunkt, da die so ungemein erfolgreiche Vereinigung des alten Kontinents in die Krise geraten ist. Dies lässt sich auch im östlichen Europa beobachten. Hier ist der Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit ebenso ein wesentliches Element tagespolitischer Auseinandersetzungen wie der nationalen Selbstverortung in einem vereinigten Europa. So vergeht in Polen kaum ein Tag, an dem nicht in der Tagespresse prominent über einen neuen Film, ein neues Buch oder eine neue Debatte zum Zweiten Weltkrieg oder zur Volksrepublik berichtet wird. Ähnliches gilt für viele Länder der Region und, wenngleich unter anderen Voraussetzungen, auch für Russland oder die Ukraine. Das Imre Kertész Kolleg der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat deshalb unterschiedliche Dimensionen europäischer Geschichtskultur im öst­lichen Europa zum Thema seiner Eröffnungstagung gemacht, deren Dokumentation wir hiermit vorlegen. Das im Oktober  2010 gegründete Kolleg ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Center for Advanced Study. Es beschäftigt sich mit Europas Osten im 20. Jahrhundert, das heißt der Geschichte der Länder von Finnland und Estland bis Bulga­rien, Griechenland und Mazedonien zwischen dem ausgehenden 19. und dem Beginn des 21. Jahrhunderts. International bekannte Fachleute, die sich mit dieser Region beschäftigen, kommen hier zusammen. Die meisten arbeiten an eigenen Themen, einige sind an unserem Großprojekt einer Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas im 20. Jahrhundert beteiligt. Die Titel der geplanten vier Bände orientieren sich an den Schwerpunkten des Kollegs, sie lauten: „Staatlichkeit“, „Krieg, Gewalt und Unterdrückung“, „Herausforderungen der Moderne“ und „Intellektuelle Horizonte“. „Geschichte und Öffentlichkeit“, anders formuliert: Die geschichtskulturellen Herausforderungen der Gegenwart bilden den fünften Schwerpunkt. Die Eröffnungstagung des Kollegs diente vor allem einer ersten, exempla­rischen Annäherung an die verschiedenartigen Dimensionen des letztgenannten The-

2   Włodzimierz Borodziej/Joachim von Puttkamer mas. Der Begriff Geschichtskultur ist bewusst gewählt. Denn Geschichte als historischer Prozess geht nicht in kulturell geformter gesellschaftlicher Er­ innerung auf. Sie lässt sich nicht beliebig modeln, gerade dort nicht, wo sie ­kontrovers gedeutet wird. Es liegt zwar nahe, die weiterhin vor allem national geprägten Erinnerungskulturen Europas mit einem gleichsam ethnologischen Blick von außen zu betrachten und so dem Vorwurf der Normativität auszuweichen. Ergiebiger erscheint uns hingegen ein Zugang, der in der Auseinandersetzung mit geschichtskulturellen Entwicklungen die jeweils dahinterstehenden historischen Phänomene selbst im Blick behält und durch Vergleich wie Differenzierung zum reflektierten Umgang mit der Vergangenheit auffordert und beiträgt. Die politische Dimension von postdiktatorischen Auseinandersetzungen mit der jüngsten Vergangenheit behandelte in seinem Eröffnungsvortrag in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität Adam Michnik. Eindringlich warnt der ehemalige Vordenker der antikommunistischen Opposition vor der Instrumentalisierung der Geschichte, die in den letzten 20 Jahren mancherorts in eine Hexenjagd umgeschlagen ist. Er thematisiert eine übernationale „Partei der Angst“, die den tatsächlichen oder vermeintlichen Opfern der Transformation eine manichäische Teilung der Welt einzureden versucht, wo nur noch Gut und Böse zu finden sind; sauber voneinander getrennt und für jeden erkennbar. Eine ebenso eindeutige Absage an schwarz-weiß-Kontraste brachte der nächste Teil der Veranstaltung. Im Mittelpunkt des Gesprächs von Jan Čulik mit Jiří Menzel, das durch die Vorführung von Ausschnitten aus den Filmen des Oscarpreisträgers 1968 begleitet wurde, stand die ästhetische Dimension von Geschichtskultur. Menzel gehört bekanntlich zu den erfolgreichsten ostmitteleuropäischen Regisseuren. Er vermittelt Authentizität durch visualisierte Fiktion. Dennoch – und das wurde im Gespräch noch einmal deutlich – verschloss und verschließt er sich ­programmatisch der nationalen Sinnstiftung. Menzel interessiert vielmehr die Geschichte des kleinen Mannes, scheinbar stabil im kleinbürgerlichen Habitus bzw. in staatlicher Anstellung, aber dann plötzlich hin- und her­geschoben, machtlos und entmündigt. Wie rational sich seine Helden auch verhalten mögen – letztlich scheitern sie doch an den Irrationalitäten des 20. Jahrhunderts. Der Übergang von Politik und Kunst zur Geschichtsschreibung nahm den Umweg über die heute boomende Ausstellungslandschaft. Einen der Schwerpunkte der Tagung bildete die Vorstellung der wohl ehrgeizigsten geschichtsmusealen Projekte der letzten Jahre – des Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig und des Hauses der Europäischen Geschichte in Brüssel, die beide 2014 eröffnen wollen. Während Paweł Machcewicz ein nationales Unter­ nehmen (es wird zur Gänze aus dem polnischen Staatshaushalt finanziert)

Einleitung   3

vorstellte, das auf erhebliche internationale Ausstrahlung hofft, betritt das von Taja Vovk von Gaal skizzierte Brüsseler Projekt in mehrfacher Hinsicht Neuland; sachlich, da es die Geschichte des ganzen Kontinents in den Blick ­nehmen will, organisatorisch, weil es sich um eine Initiative des Europäischen Parlaments handelt. In beiden Fällen gibt es bereits in der heutigen Vorbereitungsphase heftige, bezeichnenderweise fast ausschließlich politische Diskussionen, die einmal mehr den engen Zusammenhang zwischen Geschichtskultur und Politik exemplifizieren. Zudem zeigen sie, wie sehr der Holocaust auch dann als zentrale Erfahrung des 20. Jahrhunderts mitbedacht und -berücksichtigt wird – werden muss – wo er nicht Ausgangs- oder Fluchtpunkt der vorliegenden Entwürfe ist. Im Danziger Weltkriegsmuseum garantieren Träger und Ort einen prominenten Anteil der Geschichte der Region an der Ausstellung. Währenddessen zeichnet sich in Brüssel eine grundlegende Spannung zwischen „Ost“ und „West“ ab. Der Anspruch der „Osteuropäer“, ihr eigenes Narrativ im Haus der Europäischen Geschichte angemessen berücksichtigt zu finden, liegt zwar momentan im Trend der Zeit, kollidiert aber sowohl mit der bisher dominierenden „westlichen“ Erzählung als auch mit der angestrebten Abkehr von nationalen Meistererzählungen. Von einer anderen Seite näherte sich Maria Todorova der Ost-Westproblematik. Ihr zufolge trete zwar ein osmanisch konnotierter Balkanismus allmählich in den Hintergrund, hingegen nehme der Westen postkommunistische Nostalgie(n) gerne zum Anlass, einmal mehr der Auseinandersetzung mit dem bestenfalls ungeliebten „Balkan“ aus dem Wege zu gehen. Todorova verbindet ihr Plädoyer für die Dekonstruktion normativer Zuschreibungen mit der geographisch-historischen Universalisierung und heuristischen Problematisierung des Begriffs Nostalgie; polemisch wie gewohnt, fordert sie schließlich die Spezialisten für Südost- und Osteuropa auf, der Vereinnahmung Europas durch einen idealisierten Westen zu widersprechen. Denn erst wenn Europa in seiner Gänze als ein von Deutungskämpfen und Abhängigkeiten geprägter Kontinent begriffen wird, lässt sich auch „der Westen“ gleichsam „entprovinzialisieren“. Milan Ristović stellte in seiner Fallstudie einen Teil des Balkans, nämlich Jugoslawien, in den Mittelpunkt, analysierte die Erfahrungen des Vielvölkerstaates jedoch aus der Binnenperspektive. Seine Rekonstruktion der Debatten von der Zwischenkriegszeit bis in die heutigen Nachfolgestaaten hinein zeigt, wie schwer sich beide Diktaturen, die königliche wie die sozialistische, mit der Konstruktion bzw. Oktroyierung eines staatstragenden Narrativs ­taten. Die politische Instrumentalisierung bezog die Wissenschaft mit ein, blieb jedoch – aus der heutigen Perspektive betrachtet, nachdem von den gewagten Einig-

4   Włodzimierz Borodziej/Joachim von Puttkamer keitsbeschwörungen außer dem Tito-Kult kaum etwas übrig geblieben scheint – auffallend wirkungslos. Vorsichtig optimistisch zieht Ristović den Schluss, die allmähliche Normalisierung der Verhältnisse im ex-jugoslawischen Raum werde nicht zuletzt der akademischen Historiographie zu Gute kommen. Irina Scherbakowa beschäftigte sich mit der Forschungslandschaft so gut wie gar nicht. In ihrer Perspektive ist Erinnerungskultur ein Kampffeld, auf dem Staat und gesellschaftliche Akteure um die Deutungshoheit ringen. Das offizielle Moskau tut sich bekanntlich extrem schwer mit der Bewertung des Stalinismus; der Große Vaterländische Krieg überschattet noch immer den Gulag. Dennoch bleibt das Bild aus der Sicht der Memorial-Aktivistin Scherbakowa widersprüchlich, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Heran­reifens einer Generation, für welche die Sowjetunion nur noch eine blasse oder gar keine Erinnerung mehr darstellt. Auf der einen Seite scheint das Festhalten der Obrigkeit an dem Vorbild Stalin selbst aus deren eigenen Sicht kontra­ produktiv, da dieser implizit ein Gegenbild zu den heutigen Herrschern des Landes verkörpert. Auf der anderen Seite benennen zahlreiche Initiativen der entstehenden Zivilgesellschaft die Verbrechen beim Namen, fordern Anerkennung der Opfer, Aufklärung und Öffnung der Archive. Oft werden sie von den Behörden behindert und drangsaliert – und setzen ihre Anliegen trotzdem durch. Damit stellt sich die – im Falle Russlands weiterhin offene – Frage nach Steuerbarkeit von Geschichtskultur selbst unter ­autoritären Bedingungen. Stefan Troebst beleuchtete den Zusammenhang zwischen Politik und Geschichtskultur im multilateralen internationalen Kontext. Hier agieren durchgehend demokratisch legitimierte Akteure: Regierungen und Staatspräsidenten, supranationale Parlamente und Gruppen von Abgeordneten, politische Parteien und Interessenverbände, an letzter Stelle, irgendwo am Rande – Berufshistoriker. Troebst zeichnet mehrere Phasen der Auseinandersetzung über die Vertreibung nach und führt in den aktuellen Stand von 2011 ein. Sein ­Fazit ist relativ optimistisch. Dennoch bleibt die Institutionalisierung der Erinnerung an die Vertreibung im deutsch-polnisch-tschechischen Dreieck eine vor allem politische Streitfrage mit ebenso ­offenem Ausgang wie die Zukunft des Umgangs mit Stalinismus in Russland. Die Beiträge der Herausgeber betrafen die Gegenwart nur am Rande. Deutschland und Russland haben im 20. Jh. nach Ostmittel-, indirekt ebenso nach Südosteuropa, kontinuierlich hineingewirkt: Russland als imperiale Großmacht, Bezugspunkt revolutionärer Umsturzpläne wie nationaler Sinnstiftung, Besatzer, unerbetene Schutzmacht und ideologischer Meister; Deutschland vor allem als Besatzer und Hegemonialmacht, zugleich aber als Schlüsselpartner im Handel, in Gestalt der Bundesrepublik Sinnbild des

Einleitung   5

­ estens, zuletzt gar Vorbild für oppositionelle Reformentwürfe. Beide ­waren W im Denken der Ostmitteleuropäer über sich selbst und über die Rahmenbedingungen ihrer Existenz stets präsent. Włodzimierz Borodziej und Joachim von Puttkamer versuchen, die historische Dimension von Geschichtskultur als wechselseitige Wahrnehmungen, als Selbstreflexion zwischen beiden ­großen Nachbarn, letztlich als einen zentralen Baustein der Selbstverortung des „Osten Europas“ nachzuzeichnen. Obwohl der in Ostmittel- und Südosteuropa gängige Begriff „Geschichtspolitik“ von den Autoren nur selten verwendet wird, dokumentiert der vor­ liegende Band die Validität der Triade Politik – Geschichtspolitik – Geschichtskultur. Die Politik im Sinne staatlicher Eingriffe in die Darstellung von Vergangenheit war jedoch nie und ist auch heute nicht allmächtig. Zivilgesellschaftliche Gegensteuerung, die beharrliche Kraft der jahrzehntelang unterdrückten ­„privaten“, oft nur mündlich überlieferten Erfahrungen und Überzeugungen oder auch gegenläufige internationale Entwicklungen tragen zur heutigen Geschichtskultur zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer ebenso bei. Eine Gesamtbilanz dieser Prozesse kann und will der Band nicht leisten. Einen punktuellen Einblick in einige Aspekte hoffen wir dem Leser anzubieten. Der vorliegende Band bildet den Auftakt einer Schriftenreihe, die unter dem Titel „Europas Osten im 20. Jahrhundert“ die Forschungen unserer Fellows einem internationalen Publikum zugänglich machen und die Tagungen des Kollegs dokumentieren wird. In einer Publikationslandschaft, die schon jetzt an unterschiedlichen Reihen zur Geschichte des östlichen Europas nicht gerade arm ist, hoffen wir so neue Akzente für einen vergleichenden oder auch synthetisierenden Rückblick auf die jüngste Vergangenheit derjenigen Gesellschaften unseres Kontinents zu setzen, welche die Brüche und Um­ brüche des 20. Jahrhunderts besonders intensiv erlebt, erlitten und gestaltet haben. Gedankt sei allen, auswärtigen Teilnehmern wie Mitarbeitern des ­Kollegs, die zur Durchführung der Eröffnungstagung des Kollegs beige­tragen ­haben. Justyna Górny danken wir für die Transkription von Adam Michniks Vortrag, Saskia Herklotz für die Übersetzungen aus dem Polnischen, Immo Rebitschek für die redaktionelle Betreuung des Bandes. Jena/Warschau März 2012 Die Herausgeber

Volkhard Knigge/Joachim von Puttkamer

Schicksallosigkeit als historische ­Perspektive Imre Kertész und sein Blick auf das 20. Jahrhundert „Heute war ich nicht in der Schule.“ Mit diesem schlichten Satz beginnt Imre Kertész’ autobiographischer „Roman eines Schicksallosen“. Was als leichte ­Irritation des gewohnten Alltags daherkommt, entpuppt sich gleich darauf als tiefer Einschnitt im Leben des jugendlichen Erzählers. Der Vater wurde zum Arbeitsdienst einberufen. „Da hat er [der Lehrer] weiter keine Schwierigkeiten gemacht.“1 Diese Sätze sind beklemmend, weil der Leser bereits weiß, was der Er­zähler zunächst nicht ahnen kann – dass sein Weg direkt nach Auschwitz führen wird. Diese Perspektive hält Kertész konsequent durch, vom eigenen Arbeitsdienst im Sommer 1944 über die Deportation nach Auschwitz bis zur Zwangsarbeit in Zeitz und Buchenwald, wo der Lebensmut des Fünfzehnjährigen allmählich verlischt und er nur deshalb überlebt, weil jemand ihn auf der Krankenstation aus fürsorglicher Mitmenschlichkeit dem mörderischen Zugriff der Lagerverwaltung entzieht. Fast alles, was ihm widerfährt, scheint dem ­Erzähler im jeweiligen Moment durchaus verständlich, auch wenn ihn im Zug nach Auschwitz das Gefühl beschleicht „plötzlich in irgendein sinnloses Stück hineingeraten zu sein, in dem ich meine Rolle nicht recht kannte“.2 Es ist diese Perspektive, die Kertész als „Schicksallosigkeit“ beschreibt, und so lautet auch der Titel des ungarischen Originals. Das, was er Schritt für Schritt erlebt habe, „in der gewohnten Abfolge von Minuten, Stunden, Tagen, Wochen und Monaten“, erscheine erst im Rückblick als „so fertig, so abgeschlossen, unveränderlich, endgültig“.3 Entwickelt hat Kertész seinen Begriff anhand der Frage, wie sich der einzelne Mensch vor der Fremdbestimmung, der Determiniertheit schützen kann, die ihm ein widersinniger Totalitarismus gegen seine natürlichen Ansichten und Neigungen unweigerlich aufzwingt: Die beiden Möglichkeiten des Schutzes: Wir verwandeln uns, gewissermaßen aus freien Stücken, in unsere Determiniertheit (in Kafkas Tausendfüßler) und versuchen so, diese Fremdbestimmung dem eigenen Schicksal anzuverwandeln; oder wir revoltieren dagegen Imre Kertész: Roman eines Schicksallosen. Reinbek bei Hamburg 1998, S. 7. Ebd., S. 67. 3 Ebd., S. 280 und S. 282. 1 2

8   Volkhard Knigge/Joachim von Puttkamer und werden so zu Opfern unserer Determiniertheit. Keines von beiden ist demnach eine wirkliche Lösung: In beiden Fällen sind wir gezwungen, unsere Determiniertheit (eine ganz und gar äußere Willkür, die wir gleichsam als Naturgegebenheit akzeptieren müssen, wohl wissend, dass sie theoretisch unserer menschlichen Macht untersteht, es aber dennoch nicht in unserer Macht steht, etwas daran zu ändern), als Realität aufzufassen, während die determinierende Kraft, diese absurde Macht, in gleicher Weise über uns triumphiert: Sie erfindet uns einen Namen, der nicht unser Name ist und macht uns zu ihrem Objekt, obgleich wir zu anderem geboren sind.4

Was Kertész hier entfaltet, kann als die elementare Frage nach menschlichen, individuellen Handlungsmöglichkeiten angesichts übermächtiger Strukturen gelesen werden; hier zugespitzt auf die Extremsituation einer auf Vernichtung angelegten, totalitären Diktatur. Das zentrale Problem liegt für Kertész jedoch nicht in der Alternative von Konformität und Auflehnung, sondern darin, wie sich mit dem Durchlebten weiter leben lässt, wenn dessen Determiniertheit im Rückblick nicht mehr verstanden wird: „Sie verliert ihre historische Gültig­keit und wird von allen geleugnet. So daß von ihr nichts bleibt außer der Erinnerung. Nun, und die Aussicht auf neue Determiniertheiten, die einem bevorstehen.“5 „Schicksallosigkeit“ ist also nicht nur ein autobiographischer Roman über das Erleben von Auschwitz und Buchenwald und über das Ringen darum, wie menschliche Existenz im Angesicht willkürlicher totalitärer Gewalt noch gedacht werden kann, die auf der rassistischen, völlig irrationalen Ausgrenzung von Anderen beruht und somit jenen Menschheitsbegriff zerschlägt, der minimales Überleben garantiert. Kertész entfaltet hier auch ein Grundproblem moderner Geschichtsschreibung. Er zeigt die unüberbrückbare Kluft zwischen dem, was Menschen gegenwärtig, konkret, individuell er­leben und dem späteren Rückblick auf das Durchlebte. Dies verarbeiten wir auf ganz unterschiedliche Weise. Wir orientieren uns im Alltag, indem wir uns die jeweilige Situation verständlich machen, intuitiv und stets aufs Neue, in kleinen Schritten. Das Ergebnis können wir nicht kennen, nur so ist Freiheit möglich. Das aber ist etwas ganz Anderes als der Sinn, den wir der Vergangenheit als Ganzes, Abgeschlossenes geben. Diese Kluft zu akzeptieren, sich ihrer überhaupt bewusst zu werden, könnte man als eine Form von Geschichtsbewusstsein verstehen. Im landläufigen Sprachgebrauch wird unter Geschichtsbewusstsein meist die gute Kenntnis historischer Fakten und Zusammenhänge, mitunter auch der Stolz auf die ­eigene Geschichte verstanden. Geschichtsdidaktiker halten dagegen, dass jede Imre Kertész: Galeerentagebuch, 2. Aufl. Reinbek bei Hamburg 1999, S. 12–13 und S. 16– 17; Zitat S. 17. 5 Ebd., S. 18. 4

Schicksallosigkeit als historische ­Perspektive   9

Art von Geschichte, von rückblickender, historischer Erzählung, eine bewusst gestaltete Rekonstruktion des Vergangenen darstellt. Geschichtsbewusstsein im Sinne von Schicksallosigkeit öffnet darüber hinaus den Blick für die ­Offenheit allen Geschehens in seiner Zeit, dafür, dass individuelles Erleben nicht in kollektiven Erzählungen aufgeht, schon gar nicht in Helden- und Opfer­erzählungen; und dafür, wie schwer es ist, mit den ­bedrängenden Er­ fahrungen zutiefst grundloser, millionenfach mordender Exklusion aus der menschlichen Gemeinschaft und den daraus gewonnenen Zweifeln und Einsichten weiter zu leben. Imre Kertész zeigt uns darüber hinaus Verbindungslinien vom Nationalsozialismus zur kommunistischen Diktatur, die nicht aus dem intellektuell ab­ gehobenen, strukturellen Vergleich hergeleitet sind, sondern in existentiellen Erfahrungen und Beobachtungen gründen. Im Juni 1990 notierte er: Ich sah die Auflösung des Lagers Buchenwald 1945, den Ausbruch des roten Greuels 1948, seinen Zusammenbruch 1956, seinen Wiederausbruch 1957 usw. Immer das gleiche Schauspiel! Es wäre ein Fehler zu glauben, dass es sich nur um den Bankrott des sogenannten kommunistischen Reiches handele und nicht um den der ganzen Menschheit. Um den von Moral und Rationalität. Denn dieses Reich bestand siebzig Jahre; seine Existenz (wie auch die jenes anderen, zwölf Jahre dauernden Greuelreiches) zeugt davon, dass Unvernunft, Chaos, Terror und menschliches Dahinvegetieren auf niedrigster Stufe über Jahrzehnte möglich sind. Lager, Mord, allgemeine Psychopathie, Erniedrigung, Repression – und all das als alltägliche Praxis, während Menschen lebten und geboren wurden, zwei Generationen einfach vergeudet, auf den Misthaufen der Geschichte geworfen, wie irgendwelcher Abfall.6

Wie kaum ein anderer hat Imre Kertész das unmittelbare Erleben der ­Shoah so sehr als Menschheitserfahrung in Worte gefasst, als Zusammenbruch aller zivilisatorischen Gewissheiten und als existentielle Verstörung, die bis in die Gegenwart nachwirkt. Wenn gerade er die nationalsozialistischen und die ­stalinistischen Lager als „immer das gleiche Schauspiel“ beschreibt, muss uns das zu denken geben. Er bereitet jedoch mitnichten der platten Gleichsetzung den Weg, die bis heute immer wieder so nachdrücklich verfochten wird. Die fortgesetzte Knechtschaft im Stalinismus, die ihm „feindliche, hoffnungslos fremde geistige Umgebung“7, habe ihm in seiner existentiellen Verzweiflung vielmehr die trügerische Illusion erspart, Auschwitz als historisch nicht erklärbar anzusehen und so vermeintlich sicheren Grund zurückzugewinnen: Ich beginne zu durchschauen, dass mich vorm Selbstmord (dem Vorbild Borowskis, Celans, Amérys, Primo Levis usw.) jene ‚Gesellschaft‘ bewahrt hat, die mir, nach dem KZ-Erlebnis, in Form des sogenannten ‚Stalinismus‘ den Beweis erbrachte, dass von Freiheit, Befreiung, 6 7

Ebd., S. 283–284. Imre Kertész: Nobelvorlesung: .

10   Volkhard Knigge/Joachim von Puttkamer großer Katharsis usw., von allem also, wovon die Intellektuellen, die Denker und die Philosophen in glücklicheren Weltgegenden nicht nur redeten, sondern woran sie offenkundig auch glaubten, überhaupt nicht die Rede sein konnte; diese Gesellschaft ­garantierte mir die Fortsetzung des Lebens in Knechtschaft und sorgte so dafür, dass viele Irrtümer gar nicht erst möglich wurden.8

Erst im Lichte des Stalinismus tritt deutlich zutage, dass die Shoah nicht gleichsam als Betriebsunfall einer auf kulturellen, zivilisatorischen Fortschritt angelegten Menschheitsgeschichte angesehen werden kann. Er habe den ­Holocaust, so Kertész in seiner Nobelpreisrede vom Dezember 2002, nie als sogenannten einmaligen Ausrutscher der Geschichte gesehen, als ein in seiner Dimension alle früheren übersteigendes Pogrom, als die Vorbedingung für die Entstehung des jüdischen Staates. Ich habe im Holocaust die Situation des Menschen erkannt, die End­ station des großen Abenteuers, an der der europäische Mensch nach zweitausend Jahren ethischer und moralischer Kultur angekommen ist.9

Die Vorstellung, dass Auschwitz nicht erklärbar, nicht in die Geschichte integrierbar sei, hatte er schon mehr als ein Jahrzehnt zuvor bitter als „eine ­logisch-syntaktische Absurdität“ bezeichnet: Schließlich ist die Geschichte kein natürlicher Organismus, sondern eine Konstruktion, noch dazu eine Konstruktion des menschlichen Geistes. Wenn Auschwitz also nicht in die Geschichte integrierbar ist, so liegt der Fehler nicht bei Auschwitz, sondern bei der ­Geschichte.10

Gegen die stets lauernde Möglichkeit des Zivilisationsbruches gibt es somit keine kulturelle Sicherung, die nicht beständig mühsam neu erarbeitet werden müsste. Für den stalinistischen Gulag hat wohl nur Varlam Šalamov diese Einsicht in ähnlicher Klarheit formuliert, und vielleicht lässt sie sich auch nur mit literarischen Mitteln derart deutlich formulieren. Dass wir uns auf Imre Kertész berufen dürfen, dass unser Kolleg seinen Namen führen darf, ist ein Beweis enormen Vertrauens. Dafür sind wir ihm dankbar, auch weil es uns anspornt und darauf verpflichtet, unsere Arbeit immer an der Frage zu messen, was die Erfahrungen des östlichen Europas im 20. Jahrhundert für unsere Gegenwart wirklich bedeuten. Historische Forschung in diesem Sinne findet nicht im Elfenbeinturm statt. Osten und Westen – schreibt Imre Kertész hierzu im Februar 1990 – der neurotische und der normale Typ. Neurose: die ständige regressive Wiederholung eines traumatischen Erlebnisses in Form stets gleichbleibender Symptome, bis in alle Ewigkeit, das heißt bis zum Tod. Normal: traumatische Störung, darauf die bewusste Aufarbeitung des Traumas, die Schaffung rationaler Garantien zur Vermeidung der Regression, des Rückfalls in die Symptome. Das eine ein Höllenerlebnis: das stets erneute Durchleben von Krankheitszuständen   8 Kertész,

Galeerentagebuch, S. 310. Nobelvorlesung. 10 Kertész, Galeerentagebuch, S. 287 (15. 07. 1990).   9 Kertész,

Schicksallosigkeit als historische ­Perspektive   11 ohne Ende und ohne Ausweg; das andere: Katharsis, Weg der vollen Entfaltung und eines tragischen Glücks.11

Heute, mehr als zwanzig Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Dikta­ turen im östlichen Europa, lässt sich diese verzweifelte Sehnsucht nach Normalität glücklicherweise nicht mehr so nahtlos in einen Ost-West-Gegensatz fassen. Vielleicht, so unsere Hoffnung, kann das Kolleg in den nächsten ­Jahren durch seine wissenschaftliche Arbeit, durch Versachlichung und Differen­ zierung dazu beitragen, mehr intellektuelle Sensibilität für die ­konkreten, vielfältigen und oft eben auch sehr ambivalenten Erfahrungen zu wecken, die nicht in den großen, pauschalen Erzählungen von Totalitarismus, National­ sozialismus und Stalinismus, von heldenhaftem Widerstand und zivilgesellschaftlichem Aufbegehren aufgehen. Dann wäre schon einiges gewonnen.

11 Ebd.,

S. 268.

Adam Michnik

Das Erbe der Diktaturen Festvortrag, Jena, 08. Juli 2011* Sehr geehrter Herr Botschafter der Republik Polen, Ihre Magnifizenz, Herr Minister, liebe Freunde, es ist mir eine große Ehre, heute hier zu Ihnen zu sprechen, an dieser Universität, die den Namen Friedrich Schillers trägt, dieses großen deutschen Dichters und Vorkämpfers der Freiheit. Es ist ebenfalls eine große Ehre, hier, im Imre Kertész Kolleg, das nach dem herausragenden ungarischen Schriftsteller benannt ist, den persönlich kennenzulernen ich das Glück hatte, über das Erbe der Diktatur und damit über die Erinnerung zu sprechen, denn die Erinnerung ist das wichtigste Thema in Kertész’ Werk. Und nicht zuletzt freut mich, dass all dies in der altehrwürdigen Universitätsstadt Jena passiert. Schließlich soll Hegel hier, in Jena – auch wenn ich nicht weiß, ob das tatsächlich der Wahrheit entspricht – als er Napoleon hoch zu Ross erblickte, ausgerufen haben: „Der Weltgeist zu Pferde!“ Im Herbst dieses Jahres werden wir bereits zum 22. Mal den Jahrestag des Mauerfalls begehen. Ich kann mich an diesen Tag noch gut erinnern. In Warschau hielt sich damals eine hochrangige Delegation der Bundesrepublik Deutschland auf und als Redakteur einer großen Tageszeitung und zugleich Abgeordneter des Polnischen Parlaments hatte ich am Nachmittag ein Treffen mit dem deutschen Außenminister. Im Laufe unseres Gesprächs erzählte mir Genscher eine Anekdote, die ich den Rest meines Lebens nicht vergessen werde und die ich immer wieder gerne erzähle. Denn auch sie hat die Erinnerung zum Thema: Worauf beruht der größte Erfolg der österreichischen Diplomatie nach dem Zweiten Weltkrieg? Dass sie der Welt glauben machen konnte, Hitler wäre ein Deutscher und Mozart ein Österreicher gewesen. Ich denke, das ist eine gute Einleitung zu einem Gespräch über die Erinnerung. Vorab möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass ich zwar der Ausbildung nach Historiker bin, diesen Beruf aber nicht ausübe. Ich bediene mich einer Analogie: in Polen – wie Sie wissen, handelt es sich um ein katholisches Land – existiert die Kategorie des „gläubigen, aber nicht praktizierenden ­Katholiken“. Insofern bin ich ein gläubiger, aber nicht praktizierender Historiker. *

Aus dem Polnischen übersetzt von Saskia Herklotz.

14   Adam Michnik Wenn wir heute auf die Länder schauen, die den Übergang von der kommunistischen Diktatur zu der einen oder anderen Form von Marktwirtschaft oder parlamentarischer Demokratie mit besserem oder schlechterem Erfolg bewältigt haben, sehen wir deutlich, dass zwar jedes Land mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hat, dass diese Probleme aber durchaus vergleichbar sind. Auch wenn die Diktatur in jedem dieser Länder eigene Formen und Ausprägungen annahm, so hatte ihr Ende doch oft genug ähnliche Folgen und Konsequenzen. Wie das Ende der Diktatur verlief, prägte in entscheidender Weise die Probleme, mit denen sich ein Land in Zukunft würde auseinandersetzen müssen. Entscheidend ist, ob das Ende total war, wie im Falle Hitlers, Mussolinis oder Ceauşescus, oder aber das Ergebnis von Verhandlungen, wie im Falle Francos, aber auch der kommunistischen Diktaturen in Ungarn oder in Polen. Natürlich gibt es Mischformen, wie in der DDR oder der Tschechoslowakei – die so genannten „samtenen Revolutionen“. Im Falle Polens kann man von einer „verhandelten samtenen Revolution“ sprechen, was einen vollständigen Bruch mit dem polnischen historischen Code darstellte. Die Spezialität der polnischen Tradition waren schließlich Verschwörungen, Untergrundbewegungen, Aufstände, Revolten und Revolutionen. Zwar haben wir alle diese Aufstände verloren, doch verkündeten wir stets voller Stolz, die moralischen Sieger zu sein. Dieses eine Mal jedoch war alles anders. Es geschah, was kaum jemand für möglich gehalten hätte: Es gelang, den Reformerflügel des herrschenden Lagers und den Teil der Opposition, der sich mit der Solidarność-Bewegung und dem Namen Lech Wałęsa identifizierte, am Runden Tisch zu Verhandlungen zusammenzubringen. In der Folge aber wurde der Runde Tisch zum ersten Streitpunkt der Erinnerungskultur. Denn was genau war der Runde Tisch? War er Ausdruck der Weisheit der polnischen Eliten, denen, nach spanischem Vorbild, eine Verständigung gelang, und die den Weg der Verhandlung und Versöhnung statt der Revanche und Reconquista wählten? Oder war im Gegenteil der Runde Tisch ein Akt des Verrats, eine geheimnisvolle Verschwörung, bei der die Eliten das Volk verrieten und dessen Folgen bis heute spürbar sind? Für Beobachter, die aus der Perspektive Washingtons, Londons, Moskaus oder Bukarests nach Warschau blicken, steht außer Frage, dass Polen einen schier unglaublichen historischen Erfolg errungen hat; dass die Polen es geschafft haben. Sie fragen, wie wir das gemacht haben; wie wir zustande gebracht haben, was ihnen nicht gelungen ist? Wenn man jedoch in Warschau das polnische Fernsehen einschaltet und die Äußerungen eines bedeutenden Teils der Opposition hört, kann man zu dem Schluss kommen, dass Polen der größten Katastrophe in seiner tausendjährigen Geschichte gegenübersteht; dass Polen kein souveränes Land ist, sondern ein deutsch-russisches Kondo-

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minium und Wohnsitz der allertiefsten Armut, die man sich nur vorstellen kann (anschließend fürchtet man sich geradezu, auf die Straße zu gehen, um das Gehörte zu überprüfen). Vor allem aber bekommt man zu ­hören, dass Polen das Land einer riesigen Lüge ist; dass Polen seit 20 Jahren von den ­kommunistischen Geheimdiensten beherrscht wird, weil der unentbehrliche Prozess der Lustration, der ‚Entkommunisierung‘ und Bestrafung der Schuldigen von den liberal-kosmopolitischen Kräften verhindert wurde. Die ­Sprache der polnischen Politik hat dafür die Wendung einer „geheimen Verschwörung der Roten mit den Rosanen“ geprägt. Die Frage, wie man nach dem Ende der Diktatur mit der Verantwortung umgeht, ist natürlich von grundlegender Bedeutung und sie ist besonders problematisch, wenn das Ende der Diktatur das Ergebnis von Verhandlungen war. Ich habe Freunde aus Spanien nach der Logik der Verhandlungen befragt, die zur Legalisierung der Opposition, zu demokratischen Wahlen und zur Übereinkunft von Moncloa führten, die Spanien den Weg in die Moderne, zur Demokratie und nach Europa eröffnete. Ihre Antwort war ­folgende: Nach dem Tode Francos im Jahr 1976 haben wir unter dem Schutz König Juan Carlos‘ vereinbart, dass jeder seine politische Identität und seine politischen Überzeugungen bewahrt. Es wird weiterhin die Linke und die Rechte, die Sozialisten und die Konservativen geben. Wir einigten uns lediglich ­darauf, dass wir von heute an nicht mehr aufeinander schießen, uns gegenseitig ins Gefängnis werfen und an den Galgen bringen würden. Und ich glaube, dieses Vorgehen zeigte einen möglichen Weg für die Länder auf, die 1989 gerade die Diktatur hinter sich ließen. Natürlich ließe sich einwenden, dass dieser Prozess in Deutschland anders verlief, sogar zweimal, wenn man auch die Entnazifizierung in Betracht zieht. Worauf sich wiederum einwenden ließe, dass wir, wären die Amerikaner 1945 oder 1955 in Polen einmarschiert, um uns vom Kommunismus zu befreien, wie sie die Deutschen vom Nationalsozialismus befreit hatten, gerne eine Entkommunisierung durchgeführt hätten. Aber da die Amerikaner keine Lust hatten, nach Polen zu kommen, mussten wir uns selbst helfen und den Kommunismus ohne fremde Hilfe zu Fall bringen. So stellt sich die Frage, ob Polen heute ein besseres Land wäre, hätten wir 1989 nicht die Reformen unter Minister Balcerowicz durchgeführt, die das Land aus der Wirtschaftskrise holten, sondern stattdessen im Zentrum Warschaus 10 000 Kommunisten aufgehängt. Wären wir dadurch heute ein besseres Land und ein besseres Volk? Ist Rumänien ein besseres Land geworden, weil Nicolae Ceauşescu erschossen wurde? Es gibt in Rumänien durchaus Stimmen, die das Vorgehen gegen Ceauşescu rechtfertigen, aber ich habe niemanden getroffen, der behauptet hätte, die ­Rumänen wären aufgrund dieser Tatsache ein besseres Volk geworden. Kein

16   Adam Michnik Land und kein Volk, niemand wird besser durch die Erschießung oder Er­ hängung anderer Menschen. Die Frage lautet demnach: Wie bewältigt man eine solche Vergangenheit? Damit verbunden ist die Frage, was für eine Verantwortung zu gelten hat: ­kollektive oder individuelle? In Polen wurde diese Debatte über viele Jahre geführt und zumindest auf intellektueller Ebene ist sie auch heute noch nicht beendet. Manche sind der Ansicht, Polen würde noch immer von kommunistisch-polizeilichen Seilschaften beherrscht, weil es in der ersten Zeit nach 1989 keine Verurteilungen gegeben hat. Diese Diskussion ist grundlegend mit der Frage nach der Identität des neuen Staates verbunden. Wollen wir einen demokratischen Staat aufbauen, einen Staat für alle – und das heißt: Polen gehört uns allen gemeinsam – oder wollen wir einen Staat, der sich auf eine antikommunistische Ideologie gründet, das heißt: Wollen wir ein Polen nur für Antikommunisten, in dem für alle anderen kein Platz ist? Dann dürfte heute niemand mehr am politischen Leben teilhaben, der in irgendeiner Weise mit dem alten Regime, mit der kommunistischen Staats- und Parteiführung zu tun gehabt hatte. Dies war eine ganz grundsätzliche Frage und das in vielerlei Hinsicht, aber ich will nur auf zwei Aspekte näher eingehen: Zum Ersten existierte der Kommunismus lange Zeit, zugleich war er alles andere als ein stabiles Gebilde und daher veränderten sich mit der Zeit auch die Einstellungen der Menschen zu diesem System. Um ein Beispiel aus der DDR-Geschichte zu verwenden: Robert Havemann war zweifellos ein Kommunist. Er beteiligte sich in den ersten Jahren unter Walter Ulbricht am Aufbau der Diktatur und wurde erst später – langsam, aber konsequent – zu ­einem Kritiker des real existierenden Sozialismus. Ein anderes Beispiel ist Wolf Biermann, der aus der Bundesrepublik in die DDR ging, um den So­zialismus aufzubauen, später aber immer kritischer wurde und letztendlich mit dem System in Konflikt geriet. Wollte man die Philosophie der Entkommunisierung zum Äußersten treiben, hieße das, dass für Menschen wie Havemann und Biermann in der neuen Demokratie kein Platz wäre. In Polen waren diese Gegensätze noch schärfer. Sie reichen zurück bis zur Generation der so genannten Revisionisten im Jahr 1956, in der Epoche des Polnischen Oktober. Deren Vertreter, wie Leszek Kołakowski, Adam Ważyk, Wiktor Woroszylski oder Włodzimierz Brus waren schon damals wie auch später die schärfsten Analysten und Kritiker des kommunistischen Regimes. Aber in den Denkkategorien eines konsequenten Antikommunismus wurden alle diese Menschen diskriminiert; für sie sollte es keinen Platz im öffentlichen Leben geben, zumindest nicht für eine gewisse Zeit – zum Beispiel, so wurde vorgeschlagen, für zehn Jahre. Wir haben es also mit einer außerordentlich tiefgehenden und grundsätzlichen Auseinandersetzung zu tun.

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Andererseits war das Ende des Kommunismus für die meisten Beobachter, in Polen ebenso wie weltweit, eine große Überraschung. Hätte man die polnische Bevölkerung 1988 gefragt, ob sie es für möglich hielte, dass in ­einem Jahr die Solidarność legalisiert und Mazowiecki Premierminister ­würde, dann, nehme ich an, hätte die vernichtende Mehrheit geantwortet, das sei vollkommen ausgeschlossen. Hätte man sie außerdem noch gefragt, ob sie es für möglich hielten, dass innerhalb von drei Jahren die UdSSR zerfiele, dann hätten sie einen für solche Fragen ganz einfach in die Psychiatrie gesteckt. Stanisław Lem, dieser Spezialist der Futurologie, hat in einem Feuilleton beschrieben, wie ein polnisches Gebet im Jahre 1988 aussehen könnte: Mein Herrgott, ich habe drei Wünsche, die vollkommen irreal sind, aber Du bist allmächtig. Mein erster Wunsch ist, dass in Polen Demokratie herrscht, dass die Kommunisten die Macht abgeben und das Volk sich seine Regierung wählen kann. Mein zweiter Wunsch ist, dass die sowjetischen Truppen das Land verlassen. Und mein dritter Wunsch ist, dass die Sowjetunion zerfällt. Und der gute Herrgott hat alle drei polnischen Wünsche in Erfüllung gehen lassen. Wir sollten glücklich sein, aber wir sind rasend vor Wut. Und warum sind wir so wütend? Ich glaube – und das ist ein Problem, das das Ende einer Diktatur immer mit sich bringt – weil eine große Ver­änderung ungeheure Erwartungen weckt. Wir hatten geglaubt, wenn der Kommunismus endet, dann werden in Polen alle jung, reich und schön sein. Mit dem Ende des Kommunismus kam eine riesige Welle der Enttäuschung, denn schließlich hatten wir weder für die Privatisierung gekämpft noch dafür, dass es nun Arbeitslosigkeit gab und dass immer noch Armut herrschte. Der Erfolg der Solidarność in Polen beruhte auf dem vergleichsweise starken Rückhalt, den die Bewegung in den großen Industriebetrieben hatte: in den Werften, in einigen Bergwerken und Hüttenwerken. Die Arbeiter in diesen Betrieben haben gewissermaßen die Freiheit erstreikt – und sind ihr dann als erste zum Opfer gefallen, weil diese Betriebe vollkommen anachronistisch und unrentabel waren und als erste Bankrott gingen. Wenn sie nicht Bankrott gingen, wie die Danziger Werft, dann aus dem Grund, dass die Eliten der Solidarność so tief in ihnen verwurzelt waren. Wałęsa stammte aus der Werft, und dass er sie ein paar Jahre lang vor der Schließung bewahrte, bedeutete am Ende eine noch größere Katastrophe für sie. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, das Sie hier in Jena sehr gut verstehen werden: Stellen Sie sich eine Fabrik jener Jahre vor, die Lenin-Büsten produziert. Für dieses Produkt besteht eine ständige Nachfrage auf dem Markt. In jedem ­Betrieb, in jedem Büro eines Direktors oder Parteisekretärs, in jeder Stadt­ verwaltung, im Grunde überall muss eine solche Lenin-Büste stehen. Dann kommt das Ende des Kommunismus. Lenin-Büsten werden nicht mehr ge-

18   Adam Michnik braucht und das bekommen diejenigen zu spüren, die sie produziert haben. Heißt das, dass die Arbeiter in dieser Fabrik plötzlich schlechter gearbeitet haben? Nein, sie haben sehr gut gearbeitet. Sie haben sogar Auszeichnungen für eingereichte Rationalisierungsvorschläge erhalten. Aber plötzlich wollte niemand mehr einen Lenin kaufen. Das ist eine Entweder-oder-Situation: Entweder wird die Fabrik restrukturiert und produziert nun statt Lenin-Büsten beispielsweise – wenn sie sich in Polen befindet – Büsten von Johannes Paul II., dann kann sie am Markt überleben. Oder die Restrukturierung misslingt und die Fabrik wird abgewickelt. Die Arbeiter fühlen sich ungerecht ­behandelt, denn schließlich haben sie nichts falsch gemacht. Sie haben den Kommunismus zu Fall gebracht, um für gute Arbeit einen angemessenen Lohn zu erhalten. Stattdessen will niemand mehr ihre Produkte kaufen, obwohl sie genauso gut arbeiten wie zuvor. Mit der Vergangenheitsbewältigung nach dem Ende einer Diktatur verbindet sich aber auch die Frage, wie die Schuldigen zu bestimmen sind. Ist jeder schuldig, der damals der Partei beigetreten ist, in der Überzeugung, die Mitgliedschaft sei eine conditio sine qua non, um etwas Nützliches zu tun – ob nun im Bereich der Medizin, der Architektur oder des Gartenbaus? Dieser Mensch war kein Politiker, aber er wusste, ohne das rote Büchlein würde er niemals in die Führungsebene aufsteigen, auch wenn er der beste Gärtner oder Zoodirektor in ganz Polen war. Die totale Entkommunisierung traf im Grunde eine ganze Generation. Es war, wie ein russischer Freund es einmal ausdrückte, eine Art Selbstkastration. Denn wir, die Dissidenten, hatten wunderbare Spe­ zialisten zum Flugblätterverteilen, zur Organisation von Treffen, Protesten und dem Verfassen von offenen Briefen, in denen stand, dass der Kommunismus nichts wert sei. Das konnten wir. Aber ein Unternehmen leiten, eine Bank ­managen – das konnten wir nicht. Um eine Bank zu leiten, brauchte man in 99 von 100 Fällen ein rotes Büchlein. Also eröffnete die Beseitigung der Leute mit den roten Büchlein die Möglichkeit napoleonischer Karrieren. Innerhalb eines Monats hätte man vom Feldwebel zum General aufsteigen können. Für alle Bereiche des öffentlichen Lebens, in denen eine solche Entkommunisierung durchgeführt worden wäre, hätte das eine Ka­tastrophe bedeutet. Sollten also die Menschen, von denen hier die Rede ist, diskriminiert werden, oder sollte man nicht viel eher ein System schaffen, in dem für jeden Platz ist, der kein Verbrecher war – was unabhängige Gerichte feststellen müssen – für jeden also, der die Verfassung eines demokratischen Staates akzeptiert und kompetent genug ist, um etwas Gutes, Sinnvolles für den Staat zu leisten? Aber das ist noch nicht alles. Wenn in Polen die Logik der umfassenden Entkommunisierung herrscht, die nicht Institutionen, sondern Menschen trifft, so heißt das nichts anderes, als dass in unserem Land die klassische christliche

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Unterscheidung zwischen der Sünde und dem Sünder nicht mehr gilt, die besagt: Die Sünde sollst du hassen, aber den Sünder sollst du lieben. Bei uns aber wurde in einem bestimmten Moment und in einem bestimmten Milieu die Sünde wichtiger als der Sünder. Es ging weniger darum, den Hasen zu schießen, als darum, ihn zu jagen. Es ging also weniger um die tatsächliche Bestrafung als vielmehr um die Hexenjagd. Jeder potentielle Sünder sollte in Angst und Schrecken leben. Dazu dienten die Vorschläge der Lustration von mehreren hunderttausend Personen in einem Zeitraum von zehn Jahren. ­Lustration bedeutete in diesem Fall eine politische Überprüfung anhand der Unterlagen in den Archiven des Sicherheitsapparats. Plötzlich war das, was in den Berichten der Agenten oder Offiziere der Staatssicherheit über mich ­geschrieben stand, wichtiger als alles, was ich jemals in meinem Leben getan hatte. Zugleich bildete sich eine so breit angelegte, umfassende Definition des Agenten heraus, dass zum Beispiel auch Lech Wałęsa darunter fiel. Das ist ganz einfach verrückt: Wenn der Anführer einer Bewegung, die de facto den Kommunismus zu Fall gebracht hat, ein Agent der Staatssicherheit war, dann bedeutet das nichts anderes, als dass der kommunistische Sicherheitsdienst den Kommunismus zu Fall gebracht hat. Es fällt mir schwer, mir etwas derartig Absurdes vorzustellen. Zugleich hatte dieses Verfahren der politischen Überprüfung etwas von inquisitorischen Prozessen an sich: Der Angeklagte musste seine Unschuld beweisen. Vor kurzem habe ich die gerichtlichen Aussagen Václav Havels gelesen, in denen er auch seine Ansichten zur Lustration zum Ausdruck brachte. Er sagte, eine solche, gewissermaßen „wilde Lustra­tion“, sei der Weg zu menschlichem Leid und Unglück. Und davon hatten wir tatsächlich jede Menge, in Polen, in der Tschechoslowakei und in anderen Ländern auch. Noch etwas ist in diesem Zusammenhang von außerordentlicher Bedeutung. Die geopolitische Lage in unserer Region hat sich von Grund auf gewandelt. Auf die Frage, wie viele Nachbarstaaten Polen hat, lautete die Antwort bisher: drei – die Sowjetunion, die Tschechoslowakei und die Deutsche Demokratische Republik. Innerhalb kurzer Zeit haben alle diese drei Staaten aufgehört zu existieren. Unsere Vorstellungen von der Welt, von unseren Nachbarn mussten wir also von Grund auf neu gestalten. Haben wir in ­Polen uns wirklich bewusst gemacht, dass es ein Land, einen Staat namens Litauen gibt? Im Prinzip war das ein rein geographischer Begriff. Dass eine litauische Nation existiert, die politische Bestrebungen nach Freiheit, Demokratie und Unabhängigkeit hat, das war in Polen exklusives Wissen, zu dem nur wenige Zugang hatten. Dasselbe galt für die Ukraine oder Weißrussland. Ebenso wussten wir in Polen kaum etwas darüber, was die Tschechen von den Slowaken unterscheidet. Kurz gesagt: Wir mussten Geographie, Geschichte und ­Politik von Grund auf neu lernen. Ein solcher Prozess ist immer schwierig,

20   Adam Michnik besonders in einem Land wie dem unseren. In Polen ist die Tradition des Vielvölkerstaates sehr stark, entsprechend der altpolnischen Maxime: nationae Polonus – gente Ruthenus, nach der ein Ruthene, Ukrainer, Jude oder Deutscher immer auch ein Staatsbürger der polnischen Republik war. Der Vielvölkerstaat Polen verwandelte sich aber infolge des Zweiten Weltkriegs, infolge der Politik Stalins und Hitlers, in ein ethnisch homogenes Land. Ich bin bereits in diesem ethnisch homogenen Polen aufgewachsen und plötzlich musste ich von neuem Geschichte lernen. Ich musste lernen, was Litauen ist, wie kompliziert die litauisch-polnischen Beziehungen, die polnisch-ukrainischen Beziehungen, im Grunde die Beziehungen Polens zu allen seinen Nachbarländern sind. Das war nicht einfach. Das war einer der Gründe für die große Rückkehr zur Geschichte, besonders in den polnisch-russischen Beziehungen. In diesem Prozess lassen sich mehrere Phasen unterscheiden. Die erste war natürlich: Wir wollen die Wahrheit! Symbol dieser Forderung nach Wahrheit war Katyń. Wir wollen die Wahrheit über Katyń – in dieser Angelegenheit herrschte für einen Moment sogar Konsens. Aber schon im nächsten Augenblick zeigte sich, dass es doch keinen Konsens gab. Während das, was in Katyń passiert war, in Polen mit dem rechtlichen Begriff des Völkermords bezeichnet wurde, sagten unsere russischen Partner, es handele sich um ein Kriegsverbrechen. Auf der Ebene der historischen Wahrheit war diese Unterscheidung nicht von Bedeutung. Es war und ist ausschließlich ein Unterschied der Definitionen. Auf der politischen Ebene aber war das ein bedeutender Unterschied, der zudem die Möglichkeit bot, antirussische Emotionen anzuheizen, denn es war eindeutig abzusehen, dass die russische Seite dieser Beschreibung des Verbrechens von Katyń nie und nimmer zustimmen würde. Die deutsch-polnische Geschichte war in ähnlicher Weise emotional belastet. Infolge des Krieges sind in Polen antideutsche Einstellungen weit verbreitet. Als der polnische Premierminister nach Stettin fuhr und verkündete, dass hier Polen war, ist und sein wird, rief das sofort Unruhe und Fragen hervor: Stand das etwa zur Diskussion? Könnte hier etwa nicht Polen sein? Unter dem Eindruck der Auftritte Erika Steinbachs geriet das polnische Bewusstsein noch stärker ins Wanken. Angst machte sich breit, und mancher machte sich das sehr geschickt zunutze. Die Konstruktion und Manipulation kollektiver Angst und negativer Emotionen – ganz egal, ob sie sich gegen die Nachbarvölker, gegen die nationalen Minderheiten oder auch gegen die Kommunisten richten – setzt unweigerlich einen Mechanismus der Verteufelung des Gegners und der Selbstverherrlichung in Gang. So kehrt plötzlich eine manichäische Weltsicht, die Trennung in Gut und Böse, in Schwarz und Weiß zurück, wobei wir, die wir diese Weltsicht kons­ truieren, natürlich die Guten sind (wie könnte es anders ein). Es handelt sich

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dabei um eine von Grund auf antidemokratische Denkweise und Weltsicht und das sage ich deshalb, weil sie in allen postkommunistischen Gesellschaften zu beobachten ist. Ob das die Tschechische Republik, Rumänien, Ungarn oder Serbien ist. Überall funktioniert dasselbe Syndrom des unschuldigen Opfers. Wir haben nie irgendjemandem irgendetwas zuleide getan; wir waren immer Opfer der anderen, der Mächtigen, die unser Ansehen in der Welt ruiniert haben. Dieses vollständige Verschwinden von kritischem Urteilsvermögen gegenüber sich selbst ist ebenso tiefgehend wie weitreichend. Zugleich gibt es in Polen eine lange Tradition der kritischen Betrachtung der eigenen Vergangenheit. Als Beispiel sei hier nur unser Schriftsteller und Nobel­preisträger Czesław Miłosz genannt. Der Streit, der nach seinem Tode ausbrach, zeigt diese beiden gegensätzlichen Tendenzen im Umgang mit der polnischen Geschichte, deswegen will ich kurz darauf eingehen. Mein Vorredner erwähnte die Figur der so genannten „echten Polen“. Es gibt eine Gruppe von Menschen, die verkünden: „Wir sind die echten Polen, aber ihr seid nur so eine Art Halb-Polen, Viertel-Polen, Nicht-Polen, Juden, Freimaurer, Schwule, in jedem Fall keine guten Polen und ganz bestimmt keine echten“. Die „echten Polen“ nehmen für sich das alleinige Recht in Anspruch, das Wesen des Polentums zu definieren. Nach dem Tode Miłosz` hat diese Gruppe der „echten Polen“ in Krakau eine große Show organisiert: eine lautstarke Protestaktion gegen die Beerdigung des Schriftstellers in der Kirche auf dem Felsen, der Ruhestätte großer polnischer Künstler, Maler, Schriftsteller und Schauspieler. Sie schrieen, das dürfe man nicht, weil Miłosz, wie sie meinten, ein schlechter Pole, ein schlechter Katholik gewesen sei. Niemand weiß, was passiert wäre, hätte nicht Johannes Paul  II. aus dem Vatikan eine Depesche geschickt. Wahrscheinlich hätten die Protestierenden auch ihn einen schlechten Polen und einen schlechten Katholiken genannt, wäre er nicht der Papst gewesen. Die Religion spielt eine wichtige Rolle bei der Suche nach einer neuen, postkommunistischen Identität. Besonders in Polen war die Kirche in der kommunistischen Zeit ein Ort, an dem der normale Pole oder die normale Polin, der Student, Tischler, Bergarbeiter, Hüttenarbeiter, Universitätsprofessor eine andere Sprache hören, ein anderes Wertesystem erleben konnte. Die Kirche war ein Asyl der Anständigkeit. Aber dieselben Eigenschaften, die in der einen historischen Situation Stärke und Vorzug sind, können sich in einer anderen historischen Situation als Schwäche und Nachteil erweisen. In einem bestimmten Moment kam in Polen die Vorstellung auf, dass, da das Ende des Kommunismus in Polen seinen Anfang genommen hatte – wovon wir fest überzeugt sind – aus diesem Grund auch die Rechristianisierung Europas in Polen ihren Anfang nehmen müsse. Daran glaubte die große Mehrheit der polnischen Geistlichen und der polnischen Bischöfe. Und als klar wurde, dass

22   Adam Michnik diese Rechristianisierung nicht stattfinden würde, fühlte sich ein großer Teil unserer Bischöfe persönlich von der Gesellschaft beleidigt: Das sollte doch anders laufen, das hat sogar der Heilige Vater gesagt. Die Rezeption der Schriften Johannes Pauls II. war in Polen sehr selektiv. Wahrgenommen und beachtet wurde nur das, was sich in die Strömung ­eines katholischen Integralismus einpassen ließ. Einer meiner Freunde sagte, dass wir Polen unseren Johannes Paul II. sehr lieben, aber wenn wir über die Papstwahl zu entscheiden gehabt hätten, hätten wir niemals Karol Wojtyła gewählt. Und das scheint mir sehr zutreffend. Johannes Paul  II. hat die ­polnische Geistlichkeit und den polnischen Katholizismus ganz einfach um Längen hinter sich gelassen. In verschiedenen Ländern spielten Religion und Kirche eine unterschiedliche Rolle, und die Orthodoxie in Russland müsste man noch einmal gesondert betrachten, aber beispielsweise in Kroatien ist die Situation der katholischen Kirche vergleichbar mit der in Polen. Dass sich Orbán in Ungarn derzeit so demonstrativ auf religiöse Werte beruft, halte ich weniger für das Ergebnis seiner großen Bekehrung oder Erleuchtung, sondern ganz einfach für einen politischen Schachzug, um das Bild eines auf Nationalismus und Religiosität gegründeten Ungarn zu erzeugen. Dieses Problem, das ich am Beispiel Polens umfassend ausgeführt habe, ist ein Problem aller postkommunistischen Länder und es ist bis heute in keinem dieser Länder endgültig gelöst. In allen diesen Ländern ist eine Polarisierung zu beobachten, die sich mit der klassischen europäischen Sprache beschreiben lässt: Auf der einen Seite ist die Partei der Angst, die Partei der Menschen, die sich vor der Zukunft und vor Europa fürchten, denn die Europäische Union ist ein Teufelswerk. Gestern fand eine Gerichtsverhandlung statt. Unser he­ rausragender Dichter Jarosław Marek Rymkiewicz sagte in einem Interview, die Redakteure der Gazeta Wyborcza, der Zeitung, für die ich arbeite, hassten Polen und die Polen dafür, dass sie Polen bleiben wollten. Wir haben ihn aufgefordert, diese Aussage zu widerrufen und sich bei uns zu entschuldigen. Da er das ablehnte, kam die Angelegenheit vor Gericht. Das Gericht fragte, auf welche Tatsachen der Dichter seine Aussage stützt, die Redakteure der Gazeta Wyborcza wollten, dass die Polen aufhörten, ­Polen zu sein. Worauf ­Rymkiewicz antwortete: Sie waren schließlich alle für den Beitritt Polens zur Europäischen Union. Das ist, zugegebenermaßen, eine eiserne Logik, und dieser Logik bedient sich ein großer Teil der Partei der Angst in Polen. Sie fürchten sich vor allem, was neu ist. Doch handelt es sich keinesfalls um ein rein polnisches Problem. Wir Polen sind furchtbar egozentrisch. Wir halten uns für außer­ gewöhnlich und sind der festen Überzeugung, solche Dinge geschähen ausschließlich bei uns. Aber genau das­selbe passiert auch in anderen Ländern, ob in Russland, in Tschechien oder anderswo. Wenn wir – und ich spreche hier

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von jedem dritten oder jedem vierten Polen – glauben, dass Premierminister Tusk und Premierminister Putin gemeinsam Präsident Kaczyński ermordet haben, oder dass das heutige Polen ein deutsch-russisches Kondominium ist, oder andere vergleich­bare Thesen, dann heißt das noch lange nicht, dass ein solcher Wahnsinn ausschließlich in Polen möglich ist. In den Vereinigten Staaten von Amerika zum Beispiel glauben 80% der Wählerschaft der Republi­ kaner, dass Obama nicht auf dem Territorium der Vereinigten Staaten geboren wurde und dass er deshalb kein rechtmäßiger Präsident ist. Ich habe vor allem darüber gesprochen, was beunruhigend ist und was uns zu denken geben sollte. Aber alles in allem leben wir schließlich in einer sehr glücklichen Welt, in einer Welt ohne sowjetisches Imperium und sowjetischen Totalitarismus. Ich glaube, das ist besser für die Welt, für uns und auch für die Russen selbst. Ich wiederhole sehr gerne, dass ich ein durch und durch anti­ sowjetischer Russophiler bin. Und das denke ich wirklich von mir. Zum Abschluss wollte ich deshalb sagen, dass das Erbe des Totalitarismus immer eine psychologische Dissonanz hinterlässt, das Gefühl, dass wir nicht so gelebt haben, wie wir hätten leben sollen. Das hat verschiedene negative Konsequenzen und führt oft zu Aggressionen gegenüber denjenigen, die anders gelebt haben. In der Tschechoslowakei, in Ungarn oder in Polen ist die Tatsache, dass ­jemand ein Dissident, dass jemand in der demokratischen Opposition aktiv war, heute viel öfter ein Vorwurf als Anlass für Ruhm und Ehre. Trotzdem denke ich, es gibt zwei mögliche Wahrnehmungen dieser Vergangenheit. Man kann sich reumütig bekennen zum Konformismus der Mehrheit oder stolz sein auf die Minderheit. Ich persönlich konzentriere mich lieber auf die Minderheit. So war zum Beispiel meine Beziehung zur deutschen Kultur von sehr besonderer Art, denn habe ich sie über die deutschen Gegner des Nazi-Regimes kennengelernt, über die Werke Thomas Manns, Dietrich Bonhoeffers, Hans Falladas, Karl Jaspers und vieler anderer. Bei der Lektüre dieser Bücher habe ich über die deutsche Kultur mehr und interessantere Dinge erfahren, als ich durch die Lektüre – nicht des Neuen Deutschlands, aber irgendeiner, selbst einer guten deutschen Tageszeitung – jemals hätte lernen können. Denn man muss, um es mit dem polnischen Dichter Zbigniew Herbert zu sagen, gegen den Strom schwimmen, um an die Quelle zu gelangen, und diese Menschen schwammen gegen den Strom. Alles, was ich heute über die Universität Jena, über das Kertész Kolleg, über die Förderung der thüringischen Regierung für diese Initiativen gehört habe, bestärkt mich in der Überzeugung, dass dieser Ort eine Schule ist, die die Menschen lehrt, gegen den Strom zu schwimmen. Und ich würde mir wünschen, dass wir alle lernen, gegen den Strom zu schwimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Jan C{ulík

Jirˇ í Menzel and the construction of ­historical experience in his films dealing with traumatic 20th century events Jiří Menzel (born 1938) is one of the most well-known film directors of the so-called Czech New Wave of the 1960s, a time when writers, film makers and other artists joined hands in Czechoslovakia in an effort to de-ideologise and de-mythologise the social perception of reality in their country. By re-examining life around them in their works sine ira et studio, casually, showing it just as they saw it, they removed the ideological ballast, imposed on the percep­ tion of reality by the previous Stalinist regime and by official propaganda. Needless to say, their re-examination of the world around them had explosive power. By creating works of art which bore witness to what was going on in their country from an anti-ideological, subjective, personal and unassuming point of view, they gradually destroyed the official construct of political propaganda and paved the way towards the liberalization of the second half of the 1960s, culminating in the nationwide liberty feast of the 1968 Prague Spring. What was remarkable about the Czechoslovak artists in the 1960s was that they really did try to examine reality from a non-ideological, non-political point of view.1 At all other times the work of artists is surely informed by their political beliefs and pre-conceptions. But in Czechoslovakia in the 1960s, artists were so fed up with the doctrinaire ideologising of official propaganda that in direct defiance they set out to re-examine the world around them from a non-political point of view. Paradoxically, this was the most political act they could have committed. Their authentic re-examination of reality debunked official propaganda with shattering effect. But naturally, their personal vision

1

“What we had in common was that we knew what we did not want to do, but we did not have a particular aim. If anything, our aim was to reflect our experience of life in our films.” Jiří Menzel, in: Pawel Pawlikowski: Kids from FAMU. 1990. “Our inspiration was not to follow the bright examples, to follow Carné or Renoir. No, we were reacting to the bad films. Our provocation was not to follow, but to destroy the lies and the propaganda, the empty, superficial films of Czechoslovakia of that era.” Miloš Forman, in: ibid. “We were actually posing questions: What is reality? What does it mean to be in love? What does it mean to have a dream? What does it mean to build a house? What does it mean to play music? It was a search for definitions of very simple things, because they were all deformed.” Ivan Passer, in: ibid.

26   Jan Čulík was still subjective. It was inevitably based on their personal experience and their individual character traits.

Jirˇ í Menzel and Bohumil Hrabal Jiří Menzel’s cinematic output has been closely associated with the literary work of Bohumil Hrabal (1914–1997). Hrabal is regarded as one of the most important Czech writers of the second half of the twentieth century.2 Although Hrabal was trained as a lawyer, he never practised the legal profession and went through a number of ordinary, even menial jobs before he came to earn his living by being a writer. He worked as a traveling insurance agent, a labourer in the Kladno steelworks, a packer at a waste paper collecting plant and as a scene shifter in a theatre. Hrabal’s involvement in these ordinary jobs is significant. He deliberately avoided the white collar work of a professional lawyer because he wished to be in contact with ‘normal people’, ‘real life’ to gain inspiration for his writing. Hrabal was actively involved in a group of underground artists in Czechoslovakia from the early 1950s, but apart from a small bibliophile edition of his texts3, he was not allowed to publish until the early 1960s, when two collections of his shorter texts Perlička na dně (The Pearl in the Deep, 1963) and Pábitelé (Palaverers, 1964) came out. Hrabal had worked on his texts for many years previously ‘for the drawer’. His basic writing techniques were those of collage and of constant re-writing. Many of his published texts exist in mul­ tiple alternative versions. Hrabal is particularly revered for his highly idiosyncratic, dynamic and entertaining style of writing, synthesising a number of major twentieth-century cultural and artistic influences: psychoanalysis, surrealism, pub talk, and abstract expressionism amongst others. The process of peculiarisation (Verfremdung) is perhaps the leading principle of Hrabal’s writing. The ­author zooms in on what is bizarre and unusual in his characters and their surroundings and using the energy from these discoveries he attempts to penetrate the essence of human existence. He always looks for the ‘pearl in the deep’, a spark of magic, an unusual and precious characteristic at the bottom of the soul of the 2

For more about Bohumil Hrabal, see Jiří Holý: Writers under Siege. Czech Literature since 1945. Brighton 2008, pp. 240–243; Vladimír Kadlec: Bohumil Hrabal, in: Dictionary of Literary Biography, Vol. 232. London/ Boston 2001, pp. 146–157; Susanna Roth: Laute Einsamkeit und bitteres Glück. Zur poetischen Welt Bohumil Hrabals Prosa. Bern/New York 1986. 3 See Bohumil Hrabal: Hovory lidí. Praha 1956.

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most ordinary person. Apart from zany moments, Hrabal’s writing occasionally contains drastic motifs of brutality against helpless animals as well as ­human beings. These can be interpreted as his protests against violence in ­human society. Hrabal’s writing, published in Czechoslovakia from the early 1960s onwards, included mostly shorter texts, usually short stories, which concentrated on ordinary, plebeian individuals in the context of their everyday existence. But the texts demonstrated that these were far from ordinary lives. In the mid-1960s, Hrabal published the novella Ostře sledované vlaky (Closely Observed Trains, 1965), in which an articulate philosophy may perhaps be detected for the first time. After the 1968 Warsaw Pact invasion Hrabal became a banned writer in Czechoslovakia. He also suffered a serious illness at the beginning of the 1970s. Under the existential experience of both political oppression and the fear of death, he produced more substantial literary works in the 1970s, such as the novel Obsluhoval jsem anglického krále (I served the King of England, samizdat, 1971), and the novellas Městečko, kde se zastavil čas (The Town where Time Stood Still, 1974) and Příliš hlučná samota (Too Loud a Solitude, 1977). In the early 1980s, he wrote his remarkable three-part autobiography Svatby v domě (Weddings in the House, 1986), Vita nuova (1986) and Proluky (Vacant Sites, 1986). After perfunctorily expressing his loyalty to the post-invasion regime in the official journal Tvorba in 1975, some of his work was allowed to be published in Czechoslovakia, but only in a heavily bowdlerized form – while the uncensored versions of his work continued to be published in the West. Jiří Menzel was inextricably connected with Hrabal’s literary work from the inception of his career as a film-director. His film debut, made after gradu­ ating from the Prague Film Academy FAMU, was the short film Smrt pana ­Baltazara (The Death of Mr. Baltazar), made as a part of a collection of five films by young Czech film-makers, released in 1965 as Perličky na dně (Pearls in the Deep).4 Perličky na dně is usually regarded as almost a manifesto by 4

“Amongst all my Film Academy schoolmates I was really an outsider. Because I was the youngest and not terribly bright – a bit of a spoilt child. So the school finished and my older colleagues, who knew what life was about, started looking for jobs. But I went to the mountains on holiday. When I got back, Ewald Schorm told me: ‘Chytilová and I found you a job at the Short Film Studio.’ They had decided it for me. And then, I don’t know who it was, whether it was Jan Němec or Jaromil Jireš, they told me that they were planning to make a film of stories of Bohumil Hrabal. And I said: ‘God, how I envy you. I’d love to do that, too.’ And they spoke to some executive and mentioned that Menzel would like to do a Hrabal story too and would be capable of it. So I didn’t have to lift a finger. It was all thanks to my friends. They got me into film making. So, suddenly, I had a story, I got together with Mr Hrabal and went to make a film at the Barrandov film studios.” Jiří Menzel in Pawel Pawlikowski: Kids from FAMU. 1990.

28   Jan Čulík young film-makers, as an important point of departure for the “Czech New Wave” and its veristic poetic style as the consequence of the prevailing political situation.5 Luboš Ptáček however points out that Perličky “does not contain a single strand of an ideological or an artistic argument, as would befit a ­classic avant-garde manifesto”.6 Smrt pana Baltazara does not do full justice to Hrabal’ s literary text. It is still a fairly juvenile work. Jiří Menzel failed to find visual equivalents for the highly stylised monologues which formed the backbone of Hrabal’s original literary text.7 It is interesting to note that even in this early work, Hrabal’s characters in the original literary text Smrt pana Baltisbergera as well as in Menzel’s film adaptation Smrt pana Baltazara are outsiders.8 The literary text and Menzel’s film are the study of a group of motoring enthusiasts who travel to watch a motorcycle race. But they do not take part in the motorcycle race (which can be seen to function as a metaphor of life). They just look on. They are helpless. This is emphasised by the presence of an invalid without legs amongst them. In fact, the motorcycle race (= life) is irrelevant. What really matters are the tell tale stories, narrated by the characters, which are much more lively and authentic. The contrast between these two types of reality seems absolute. The reality of the characters’ imagination is more real than what is actually going on around them. Pre-eminence given to creativity and art which turns

5

See Jan Žalman: Umlčený film. Kapitoly z bojů o lidskou tvář československého filmu. Praha 1993, p. 103. 6 Luboš Ptáček: Perličky po letech. Symbol kontinuity či nástroj k oběšení?, in: Cinepur 11 (2002), 22, pp. 16–19. 7 See Jan Čulík: Jak Hrabal přemohl Menzela, in: Stanislava Fedrová (ed.), Česká literatura v intermediální perspektivě. Ústav pro českou literaturu AV ČR. Praha 2010, pp. 177–187. A. J. Liehm appreciated that Perličky na dně provided a “condensed image of a certain environment, elevated to a third dimension by Hrabal’s language”. A. J. Liehm: Filmy z literatury, in: Literární noviny 15 (1966), 8, p. 10. Ptáček adds: “Jiří Menzel has decided to use simple contrast. The first line of his film is made up of natural mis-en-scenes filmed in long shots. He then places Hrabal’s idiosyncratic characters and their speeches into this environment.” Ptáček, Perličky po letech, p. 17; Stanislava Přádná agrees that dialogue was incorporated into the filmatic structure of Smrt pana Baltazara “in an original way”. Stanislava Přádná: Prózy Bohumila Hrabala ve filmu, in: Filmový sborník historický, 1. Film a literatura. Praha 1988, p. 215. According to Jiří Janoušek, a large number of objects feature in Smrt pana Baltazara and these objects are “viewed with love”, so the viewer learns much about them. This is what shows how “amazingly perceptive” Hrabal’s characters are in this film. Jiří Janoušek: Perličky na dně, in: Film a doba 11 (1965), 9, p. 487. 8 Jaroslav Boček noticed that all efforts of the characters in Perličky na dně take place in an atmosphere of alienation and end in failure. They succeed only in the realm of their ­personal imagination. Jaroslav Boček: Hrabalův cyklus ve filmu, in: Divadlo 16 (1965), 10, pp. 67–69.

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out to be more real than the events of everyday existence seems a typical feature of the somewhat elitist culture of Czechoslovakia of the 1960s. It is remarkable that even this early Menzel adaptation of a Hrabal text ­includes a major Hrabal motif which is later developed particularly in Ostře sledované vlaky. It is the existential motif of involvement. It may be frustrating to be excluded out of the action due to your personal, unchangeable predi­ cament – you are an outsider, an invalid, a second class citizen or a child – but there is an advantage in being uninvolved. Getting involved in the action means that you may die. An outsider viewing the motorcycle race from the sidelines and telling his personal stories for his own amusement and the amusement of others is perfectly safe. The moment you became a racer yourself, you can get killed – like Mr. Batazar/Baltisberger. Involvement in real life may mean death. Getting involved in life is dangerous, it seems much better to daydream and to tell stories. Jiří Menzel has made five feature films based on texts by Bohumil Hrabal. The most successful of these are undoubtedly the Oscar-winning Ostře sledované vlaky (Closely Observed Trains, 1966) and Skřivánci na niti (Nightingales on a String, 1969, released in 1990). Menzel has sometimes been accused of simplifying Hrabal, of reducing his multilayered text to somewhat super­ficial “kind humour”. In an interview at Imre  Kertész  Kolleg in Jena in July  2011, Menzel admitted that he does not know how to deal with the more serious aspects of Hrabal’s work: Hrabal is a great author of many faces and many aspects. He is able to say, within a single paragraph, something extremely encouraging and yet he does not hide the tragic aspects of things. He will describe how a tram ran over a human being and how blood is running down the tracks along with the milk which the run over lady was carrying. You don’t know whether you should be laughing or not. He was able to describe dramatic and tragic things. He did not abuse this the way contemporary authors do when they deliberately emphasise drastic and tragic motifs. He looked at people with detachment and with a smile. I don’t know how to do this. In all my Hrabal films I have always concentrated more on the laid back attitude, on the humour – they often rightly criticise me for this – I do avoid the drastic things. I don’t know how to do anything but kind humour. It would be great if someone else also filmed Hrabal, a person who would know how to use the other aspects of his work. I do take only a part from him. I don’t know how to do it any other way.9

Postřižiny (Haircutting, 1981) and Slavnosti sněženek (The Feasts of the Snowdrops, 1984) were Menzel’s films of Hrabal’s bowdlerized texts that were published by the official communist publishing houses in post-1968 Czechoslovakia. While these films are respectable works in their own right, they do open themselves to the criticism that they are maybe sometimes too ­optimistic and 9

The complete interview from July 2011 in Jena is available at the Imre Kertész Kolleg. For contact see: .

30   Jan Čulík too kind, even consumerist, neglecting the more drastic and hence the more authentic aspects of life. Czech film theoretician Jiří Voráč contrasts Hrabal’s “robust naturalism” with the approach of Jiří Menzel. Voráč sees Menzel as a “refined, sensitive, maybe an over-sensitive poetic dreamer”. Voráč criticises both Menzel and Hrabal that in Postřižiny and in Slavnosti sněženek they “looked for asylum in poetry. They resorted to idyllic memories and a tame retreat to a conflictless life in the countryside.” Voráč can be quite brutal in his assessment. Postřižiny and Slavnosti sněženek are, in Voráč’s view, “permeated with a populist, middle class philosophy of good digestion and with debased consumerist Epicureanism”.10 Adam Bingham acknowledges that Jiří Menzel is “one of the leading lights of the Czech New Wave of the 1960s”, although he admits that “there has been a relative paucity of discourse” related to his work. A little bit like Voráč, Bingham sees Menzel as “an apologetically populist film-maker, a self-confessed generic craftsman and student of classical Czech comedy who has nonetheless managed to absorb numerous artistic sources and influences, and assimilate them into a coherent filmic vision that is readily identifiable as his own.” In Bingham’s view, Menzel’s work is characterised by “prominent genteel humanism and populist comedic tone”. This is maybe the reason for the lack of serious critical engagement with his work on the international stage.11 Bingham’s assessment of Menzel’s filmatic style is very similar to what Czech critics write about him. Jiří Voráč, the author of perhaps the most ­penetrating structural analysis of Menzel’s work, characterises Menzel’s film adaptations of Hrabal’s literary texts as “fairy tales”.12 During the debate at Imre Kertész Kolleg in Jena in July 2011, Menzel did point out that film is in his view, a more popular genre than literature. In Menzel’s view, film must be much more accessible than a work of literature. He said: 10 Jiří

Voráč: Menzelovy hrabalovské pohádky, in: Film a doba 38 (1992), 1, pp. 20–24. Bingham: Jiří Menzel, in: Directory of World Cinema: East Central Europe. Bristol 2011, pp. 227–231. 12 Voráč, Menzelovy hrabalovské pohádky, pp. 20–24. “Myths and fairy tales are existential forms. They are ciphers which encompass the predicament of today’s world, the life of society, the life of people.” Jaroslav Holoubek: Osud se vleče za skřivánky do oblak, in: Tvar 2 (1990), p. 8, referring to a statement by Bohumil Hrabal, made “in one interview”. Andrej Stankovič has pointed out that Menzel and Hrabal use “infantile ideas and references to fairy-tale archetypes”. Stankovič sharply criticises Menzel and Hrabal for “eliminating all the drastic episodes” from Ostře sledované vlaky, for removing anything that would constitute a risk. He concludes that the film is kitsch. By making Ostře sledované vlaky, “Menzel showed that he has an extraordinary capacity to subjugate himself to what has already subjugated itself.” Andrej Stankovič: Dvakrát o nové vlně, in: Tvář 1 (1969), pp. 59–63. 11 Adam

Jiří Menzel and the construction of ­historical experience   31 Film popularises the literary work, because there are approximately ten times more cinema goers than readers of literature. It is also necessary to know that readers are cleverer than cinema goers. So when making a film of a literary work, you must make the work more popular. And that is the task of the film-maker.

Contemporary film theoreticians argue that film adaptations of literary works originate within a framework which is different from that of a literary work.13 Hence in their view it is impossible to expect that a film adaptation should work in the same way or to communicate the same message as the original ­literary text. In their view, a film adaptation is a fully autonomous, original work of art. “That is nonsense,” said Jiří Menzel in Jena. He continued: The original literary work has its value and the film-maker exploits this value. Of course, if the film-maker uses a literary work to make his or her own work from this, it is a question of conscience, and it is a considerable responsibility for him. It is not fair to do this. We were taught by Professor Otakar Vávra [at the Prague Film Academy] that if we try to make a film adaptation from good literature, this means that we must approach the author with deference. Because it is thanks to him that we can make our film. We are indebted to the literary author. Just as a translator, we are translating the literary work into film language.

But surely a translator remains on the level of language, while a film-maker uses a totally different medium? Menzel: The adaptation of a literary text into a film is very similar to the work of a translator, because a literary translator does not translate words mechanically. He translates the spirit of the work and its meaning. He must convey the reason why the literary work has been written. The translator must know his author and must use his ideas. He cannot translate the literary text verbatim. That would be abuse. The translator must know the author he translates well. He must understand him to be able to choose his words correctly. Naturally, when you make a film adaptation, it is a little further away. The literary work challenges the film-maker to look for new ways of using film, because the literary work forces you to invent ways of converting the literary work into visual language. It is necessary to find the meaning, the message of the literary work. Hrabal’s magic is not only in words. It is not only in how Hrabal chose his words. The magic of his work resides in the fact that he was able, in a single sentence, to describe the situation from many angles. He managed to marry tragedy with comedy. He was perfect at this. Whatever he wrote about, it had more dimensions. I had to show the spirit of Hrabal in the dual nature of everything, in the fact that each human being has a bit of tragedy and comedy within himself. This is my topic: man is the funniest creature on this earth, because he thinks one way and acts in a different way. Or he acts in such a way that a good observer realises that things are not the way the acting person thinks they are. Everything has several dimensions. And this is what makes Hrabal a great writer. This is what I conformed to when I was transliterating his literary text into a film script. 13 See for instance Linda Hutcheon: A Theory of Adaptation. New York 2006; Thomas Leitch:

Film Adaptation and Its Discontents. From Gone with the Wind to The Passion of the Christ. Baltimore 2007; Brian McFarlane: Novel to Film. An Introduction to the Theory of Adaptation. Oxford 1996; Julie Sanders: Adaptation and Appropriation. London 2006; James M. Welsh/Lev Peter (eds.): The Literature – Film Reader: Issues of ­Adaptation. Lanham 2007.

32   Jan Čulík Three films by Jiří Menzel, based on literary works by Bohumil Hrabal, are perhaps the most significant when we consider the construction of twentieth century historical experience in cinematography: Ostře sledované vlaky (Closely Observed Trains, 1966), Skřivánci na niti (Larks on a String, 1969, released in 1990) and Obsluhoval jsem anglického krále (I served the King of England, 2006). “Works of art move within a certain space and time,” said Menzel in Jena. In which way are the above three films on historical themes, made by ­Menzel, the product of the particular era in which they were made? It would appear that the films Ostře sledované vlaky and Skřivánci na niti – and Hrabal’s ­novel Obsluhoval jsem anglického krále – are the product of the same ethos of the cultural ferment in Czechoslovakia in the 1960s, while the film version of ­Obsluhoval jsem anglického krále from 2006 is somewhat different. In my view, the first two works communicate the conviction that art can be a palliative for death. This approach can be detected in both Ostře sledované vlaky and Skřivánci na niti. Both these films offer an alternative, creative vision to ordinary, humdrum reality. In Ostře sledované vlaky, the energy of this vision is provided primarily by humour, in Skřivánci na niti the source of ­energy is its concentration on the bizarre and the zany, the film’s underlying surrealism. While the literary text of Obsluhoval jsem anglického krále by Bohumil Hrabal is the product of the same ethos, primarily due to the fact that it was written in the early 1970s, still in the shadow of the value system of the Czechoslovak 1960s, Menzel’s film version of the novel from 2006 seems to be the result of a considerable shift in values. The film version of Obsluhoval jsem anglického krále seems to reflect the anxiety of the post-communist era, whose main characteristic is destabilisation of all values, chaos and a state of flux. It seems that in response to the overall feeling in society that no one ­adheres to any permanent values any more, Jiří Menzel decided to interpret the amoral, ambiguous structure of Hrabal’s novel in strictly defined ethical terms, turning the novel into a moralistic sermon. Let us have a look in some detail at the three films, discussed by Jiří Menzel at the Jena conference in July 2011. How does Menzel’s interpretation of twentieth century historical events feature in these films?

Ostrˇ e sledované vlaky Although Hrabal’s novella Ostře sledované vlaky (1965) is relatively conven­ tional, compared to Hrabal’s other, more experimental texts, it was still fairly unconventional from the point of view of the film-maker. Primarily in reac-

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tion to the impersonal, ‘objectivity’ of the literary works written by the ­method of Socialist Realism in Czechoslovakia in the 1950s, most Czech and Slovak writers produced highly personal, subjective texts in the 1960s. ­Hrabal was no exception. As a number of film critics have pointed out, Miloš Hrma’s subjective, personal narrative needed to be transformed into an objectively presented story for the cinema.14 In the film, Hrma is only one of several characters, albeit the main one. Menzel admits that he has applied his popularisation principle, used when making adaptations of literary works, also to the film version of Hrabal’s ­novella Ostře sledované vlaky. In July 2011 in Jena he said: “The novella Ostře sledované vlaky is not written chronologically. There are flashbacks. I wanted it to be comprehensible, so I simply rearranged the order of those scenes. Then Mr. Hrabal wrote the screenplay for the film according to this.”15 Compared to the original literary text, the script of Ostře sledované vlaky consists of a continuous narrative, constructed from loose episodes taken from the literary text, says Marie Mravcová and points out that Menzel used and developed the humorous motifs, contained in the literary novella. He eliminated the bizarre, expressive, naturalistic images, especially the images of dead and/or tortured animals, as well as the drastic scene of the dying of the main character at the end of the novella. Mravcová argues that Menzel ­removed Hrabal’s bizarre and drastic motifs because he was aware that the expressivity of words and images function differently and the expressivity of words cannot be mechanically transferred into images. But in her view ­Menzel has retained what was essential in Hrabal’s novella, namely an image of life based on contrasts: on the co-existence of the banal with the fantastical, the intimate with the historical, the comic with the tragic.16 The story of Ostře sledované vlaky takes place under oppression, in the Protectorate Böhmen und Mähren in 1945, in the final months of the Second World War. There is an obvious dichotomy between the events of ‘Great History’, i. e. the German occupation of Czechoslovakia, the oppression by the 14 See

for instance Jiří Voráč: Menzelovy hrabalovské pohádky, in: Film a doba 38 (1992), 1, p. 21. 15 “Hrabal noted that he rewrote the screenplay six times in order to re-conceive it visually and ended up preferring the film to his novel. Writing of their collaboration, Hrabal observed that they kept ‘complementing each other, like two mirrors flashing at each other with the reflections of our poetic vision’.” Peter Hames: Czech and Slovak Cinema: Theme and Tradition. Edinburgh 2009, p. 41, quoting Bohumil Hrabal: Introduction, in: id./Jiří Menzel: Closely Observed Trains (Screenplay). Translated by Josef Holzbecher. London 1971, p. 8. 16 See Marie Mravcová: Čtvero literárních inspirací. Filmový sborník historický. 4. Česká a slovenská kinematografie 60. let. Praha 1993, pp. 81–84.

34   Jan Čulík Nazi totalitarian regime, the atrocities and brutality of war, and the personal ‘little’ events and concerns of ordinary people, such as those of the main character, the youngster Miloš Hrma. The analysis of the role of outsiders, begun in Smrt pana Baltazara, continues here. The contrast between the events of ‘Great History’, which have a serious, negative impact on the lives of cha­ racters who are helpless and cannot influence them, or even do not try to ­influence them, occurs quite frequently in post-1945 Czech literature. Josef Škvorecký’s novel Zbabělci (The Cowards, 1958, written in 1948) is perhaps the most typical example of this approach. The novel is a record of events in the last week of the Second World War in a small Czech town, as seen through the eyes of teenager, Danny Smiřický. Like Miloš Hrma, Smiřický is not really interested in the destructive world of ‘Great History’, he is preoccupied with chasing girls and playing jazz. The fact that major events of world history are taking place while the main characters of these literary works are expressly interested only in their own, little, human affairs, is extremely telling. The implication seems to be that such things are the true manifestations of natural reality and are hence more authentic and more significant that the oppressive historical events, which are imposed from above and negate natural reality. From the vantage point of the small Czech man, life will always survive, ­regardless of the decisions of the powerful. The ordinary man will always prevail, especially if he takes refuge in creativity, which on a plebeian level usually manifests itself in popular story-telling, pub talk. This is a way of thinking whose roots lie in Hašek’s Dobrý voják Švejk (The Good Soldier Švejk, 1921– 1923). Hrabal has always stood on the side of the ordinary and disenfranchised individual. By highlighting the legitimacy of ‘little’ concerns, he tends to delegitimise, by implication, the heroic events of Great History. Jiří Menzel interprets Hrabal’s philosophy in his film version of Ostře sledované vlaky quite faithfully. While, then in Ostře sledované vlaky, ‘Great History’ rages on, the main character of the novella and the film, the trainee train despatcher Miloš Hrma, is preoccupied with his personal problems, associated with the process of reaching physical maturity. Miloš has a beautiful and kind girlfriend, the train conductor Máša, but cannot satisfy her sexually, because he suffers from eiaculatio praecox, premature ejaculation. His sexual frustration takes place in the highly charged sexual atmosphere of the war, where possibly due to the omnipresent danger of death, almost everyone is having sex, whether it be his boss the dispatcher Hubička with a telegraphist during the night shift, or the sexually starved soldiers marching through Miloš’ railways station indulging in group sex with nurses in a railway carriage in a siding – typically, when Miloš looks into the carriage, he is excluded – the implication is that he is not

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yet part of the adult world. The narrative of Ostře sledované vlaky concentrates on this sexual problem and on Miloš’s attempts to solve it. After he fails sexually with Máša, he attempts suicide in a brothel by cutting his wrists, is saved and spends a certain time in hospital; following the advice from the hospital doctor, he then looks for an experienced woman who would give him instruction in the art of love-making. The sexual initiation is eventually provided, again, symbolically, by a member of the underground resistance movement, an older woman with the iconic name Viktoria Freie. Thus Miloš’s first successful sexual performance, which happens to coincide with the Allies’ blanket bombing of Dresden nearby – is at the same time highly significant as his entry into adulthood – and at the same time onto the stage of ‘Great History’. After his successful sexual performance, Miloš feels reborn. He knows now that he is a ‘real man’ and as such he is willing to perform an act of sabotage against a military train, operated by the German Nazi oppressors. Just before he sets out finally to satisfy his girlfriend Máša, he reconfirms his adulthood by throwing a bomb onto the German train – and is killed in the process. Ostře sledované vlaky can be seen as a Bildungsroman, a story of a boy on the threshold of maturity who is trying hard to enter the adult world. When he eventually succeeds in doing so, he dies. The link between reaching adulthood and death gives Ostře sledované vlaky a depth of meaning. The theme is connected to the issues of cowardice and childishness, motifs which seem to be latently present in much of Hrabal’s work. In writing Ostře sledované vlaky, Hrabal seems to have thrown down a challenge to his Czech compa­triots, raising what he evidently sees as one of the most important topics of the Czech identity and existence in the modern era. It is a part of the Czech mythology that Czechs, including Bohumil Hrabal himself, consider themselves as not particularly heroic. It has often been pointed out, sometimes wrongly17, that the Czechs have never been able to fight in defence of their interests in the modern era: they did not fight after Munich in 1938, nor did they offer armed resistance to the Warsaw Pact ­invasion in August  1968. Hrabal acknowledges in his writing that he is not the confrontational, heroic type18, either. Ostře sledované vlaky seems to ­acknowledge that a non-confrontational, evasive attitude is the typical Czech

17 Many

Czechs fought courageously on the side of the Allies on the Russian front in the First World War (see for instance Jiří Kovtun: Masarykův triumf: Příběh konce velké války. Toronto 1987). A number of Czechs were pilots in the British Royal Air Force during the Second World War, etc. 18 See Bohumil Hrabal: Totální strachy (in English: Total Fears): .

36   Jan Čulík default position. In the novella, Hrabal seems to be presenting the following argument: In order to be able to push through what we want, we must be willing to kill and be prepared to be killed. That is adulthood. Only those who are not afraid to die are free. But are we Czechs willing to take on the ultimate sacrifice? We seem to have two choices: we can remain in the realm of permanent infantility and helplessness, being subjugated to those who do not hesitate to kill and hence do not fear death, and concern ourselves with our personal ‘little things’. Or we can enter adulthood, the world of killing and death. It is admittedly uncomfortable to remain for ever in the position of a disenfranchised child. But let us seriously consider, what it would mean to enter adulthood and the world of maturity and brutality. Because if we consciously step into the world of the adults the way Miloš Hrma did, we do risk death. Hrabal actually abhors such a solution, but remaining a permanent child is for him no solution either. Thus Ostře sledované vlaky presents an insoluble dilemma. Menzel’s film version of the novella handles this dilemma well.

Skrˇ ivánci na niti Skřivánci na niti (Larks on a String, 1969) is the second feature film that Jiří Menzel made from Bohumil Hrabal’s work. On completion, the film was banned and Menzel was not allowed to work as a film director for a number of years. Skřivánci na niti is based on a series of short, relatively experimental ­literary texts, gathered together in a volume entitled Inzerát na dům, ve kterém už nechci bydlet (An Advert for a House in Which I do not Wish to Live any Longer, 1967). Four of these pieces are set in the steelworks in the industrial town of Kladno, near Prague, in the Stalinist 1950s, when society was constantly being mobilised by political propaganda to achieve heroic feats of so­ cialist construction. The literary works and the film feature several members of the ‘defeated bourgeoisie’ amongst the working class work force at the steelworks. These characters have been sent to Kladno to be ‘re-educated’. The ­issue of remolding, re-creating human beings (usually through words), is a ­characteristic feature of Hrabal’s work, says Susanna Stolz-­Hladká (incidentally, she also realises that for Hrabal, the word is more important than reality).19 The male characters in Skřivánci na niti work in close proximity to a team of young female prisoners who are serving prison terms for having attempted to 19 See

Zuzana Stolz-Hladká: Bohumil Hrabal and the Corporeality of the Word, in: David Short (ed.), Bohumil Hrabal (1914–97). London 2004, pp. 35–49.

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defect to the West. So, as is often the case in Hrabal’s texts, sexual tension hangs in the air. Many people have interpreted Skřivánci na niti as a protest against communist totalitarianism. Even Jiří Menzel himself, speaking in a short interview, included on the DVD of the film, ­released in the United Kingdom in 201120, cites the socio-political and historical context as essential to the making of this film and tries to frame it in terms of political protest. I would argue that the matter is more complex than this. Hrabal was not a political ideologist. Inspired by surrealism, he was fascinated by the bizarre and the unusual and used it in his writing as a source of energy. Inzerát na dům, ve kterém už nechci bydlet does not primarily seem to be a work of political protest. It is a study of the times which, due to the contradictions inherent in the Stalinist era, Hrabal found extraordinary and hence interesting. Skřivánci na niti, primarily due to Menzel’s influence, is something of a hybrid. We do find within it almost instructional passages informing the viewer about how intolerant and oppressive the communist regime was in the 1950s, and yet protest against communist oppression does not dominate this film. Strictly in line with Hrabal’s poetics, the film looks for the bizarre and unusual in what is the highly unattractive environment of a steelworks scrapyard with a number of workers dressed in rags whose task is to throw chunks of scrap metal onto wagons for smelting. As in Smrt pana Baltazara, many unusual objects feature in this film. Hrabal is fascinated by the zaniness of the scenes. Menzel – and his cinematographer – zoom in onto the absurd contrasts. They concentrate on the unusual aspects of what is going on, be it the surrealist, collage-like environment, made up of heaps of discarded metal objects, or the characters of the film, whose individuality is extremely strong and – in line with the poetics of the 1960s – defies any attempt to fit people into ideological categories.21 Skřivánci na niti focuses lovingly on one of the ­welders, 20 Skřivánci

na niti/Larks on a String. UK: Second Run, with extra feature “Jiří Menzel: Seven Questions”, and an extended essay by Peter Hames and introduction by DOP Jaromír Šofr. Length/Main feature: 90 minutes, Special feature: 10 minutes, Sound: Original mono (restored), Colour, Original aspect ratio: 1.66:1 /, 16.9 anamorphic, Language: Czech. Subtitles: English, PAL DVD9, Region 0, RRP: £12.99, Second Run DVD 057. 21 “A healing balm of ‘white humour’ (Hrabal’s term) is placed on the wounds [caused by the Stalinist regime]. Menzel’s direction emphasises this in its detached approach. But the introduction of Hrabalesque kindness and beauty is not a distortion of reality, it does not falsify reality by prettifying it. These elements are used as instruments for the subtle and sensitive removal of superficial layers while they penetrate to the essence of humanity. It is only on the deepest level that the characters’ indestructible pride and dignity are ­revealed.” Stanislava Přádná: Jiří Menzel před dvaceti lety a nyní, in: Scéna 25–26 (1989), p. 6. On the other hand, Andrej Stankovič, writing in the right-wing weekly Respekt, is strongly irritated by Hrabal’s and Menzel’s tolerant attitude in this film. Stankovič sees Skřivánci na niti as banal, as a film placed in an “operetta-setting” and he really hates that

38   Jan Čulík a former professor of philosophy, with the camera lingering on his long speeches peppered with quotations from Immanuel Kant. It also dwells on the Gypsy bride of the young prison warden in the steelworks, who makes a camp fire in the bathroom of the new flat that the state had just allotted to them. Hrabal always looks for unpredictable humanity, for the ‘pearls in the deep’ in each human heart and he finds it even in the filth of the Kladno steel works scrap yard. Political oppression is always present, but Hrabal humanizes even the representatives of political power, such as the manager of the steel works (who likes to bathe young Gypsy girls). Jiří Vorač comments aptly: The semantic structure of Skřivánci na niti has been built by Menzel by means of gradation and contrasts: the ideological confusion of the outside world is juxtaposed with the order of a poetic (anti-ideological) inner emigration, the alienated outside world is contrasted with an intimate, authentic, human experience, the official policy of excluding certain people because of their class origin is compared with a naturally formed, friendly, human community, dogmatic idiocy is set against intellectual achievement and genuine emotion. In other words, the film seeks a subjective space of freedom within a world of non-freedom. Humour liberates from oppression.22

Menzel explains in the interview on the British DVD release that when writing the script of Skřivánci na niti with Hrabal, the relatively short scenes from the literary texts in Inzerát na dům, ve kterém už nechci bydlet were turned into a continuous narrative. The story of the film framed it using the theme of arrest: amongst all the merriment, the film is regularly punctuated by arrivals of the secret police, who take away anyone making any public complaint. But even though the subtext of oppression is clearly apparent, the arrest scenes are slapstick and do not evoke true horror. On the whole Skřivánci na niti can be seen as a homage to the power of the human spirit. As pointed out above, Hrabal’s literary texts are primarily vocal: it is verbal extravagance that gives them energy. It is difficult to find the visual equivalent to Hrabal’s literary fireworks, but in Skřivánci na niti Menzel managed to solve the problem quite successfully by contrasting the verbal extemporising of his characters with the visual images of the environment. This method seems to be much more developed than when first used in Smrt pana Baltazara. In Jena, Menzel explained that Skřivánci na niti was supposed to have been a genial, humorous film. The purpose of it was to remind the communists of the absurd silliness of the 1950s and to appeal to them not to repeat it. In this Menzel had removed fear from his image of the Stalinist era. Stankovič argues that it was fear that was the primary motivation of people’s behaviour in the 1950s. Hence Stankovič rejects Skřivánci na niti as inauthentic. Andrej Stankovič: To jsou ty konce starých časů?, in: Respekt, April 25th 1990, p. 12. 22 Jiří Voráč: Skřivánci na niti, in: Iluminace 12 (2000), 1, p. 162.

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connection, Menzel stressed yet again that in his view, humour is an extremely important element of any work of art: Hrabal knew how to find comic elements in our way of life. This is what makes him great, because good literature must contain humour. If something is too serious, it does not have real value. Notice that what survives is not serious literature but humorous things. Today, we know Rabelais, but we do not know his contemporaries. We know Molière, but we do not know anyone who lived in his time and wrote serious works. Goldoni, Shakespeare, even American authors. People remember comedies. It is strange but good that comedy survives and tells us more. From Karel Čapek, we remember Dášeňka most. Or Vančura’s Capricious Summer. These were the works they wrote with a light touch. They stopped ­wanting to be serious. And this is much more significant for literature and for the reader. Comedy and irony is what is the most substantial for me. If someone is too serious and sad, not that he is a hypocrite, but he spoils people’s good mood. This is why I prefer Fellini to Bergman. It was I think Reinhard Heydrich, the Nazi Reichsprotektor of Bohemia and ­Moravia, who said that the Czechs are ‘laughing monsters’. If something really serious ­happens to you in life, at the moment when you can laugh at it, you have a victory over it. I don’t like mourning.

In Menzel’s view, Skřivánci na niti is an ironic look at what the 1950s were like. It is a bit of a fairytale.23 In reality everything was much tougher. In the 1950s, intellectuals were sent to the mines and to industry. Workers were quickly being turned into lawyers and officials. Hrabal slightly mocks this. When we were filming, the Russian invasion had taken place and Russian tanks were in Czecho­ slovakia and I naively thought that if we make a film about the 1950s, about the silliness, that it would be a warning, that the communists will realise they were being silly and will not do it again. In fact, it was me who was being silly, because it then happened for the second time. It was no longer so harsh, and cruel, but again, many people could not do their normal work, and had to do menial work.

There is a scene in Skřivánci na niti which parodies Zdeněk Nejedlý, the Stalinist Czechoslovak Culture Minister in the 1950s, an eminent musicologist who by the time the communist takeover happened had become quite senile. The sequence became a major bone of contention. It was cut before the film went in front of the censors in 1969, as Menzel was trying to secure its ­release. The sequence was not reinstated until 1990 and a new inter-negative needed to be made from a cutting copy of the footage, which had been hidden by editors at the film studies for the twenty years during which the film was banned.24 The different technical quality of the insert is now clearly visible. In Jena, Menzel commented: That ancient communist official, that was based on a real event: this was a minister, Nejedlý, who was senile, and he was a communist hardliner. A different actor was supposed to play 23 See

above, the discussion of Ostře sledované vlaky. Several critics point out that Menzel’s films made of Hrabal’s literary texts have the qualities of the fairy tale. 24 See Jan Lukeš: Jak nastupovala v českém filmu normalizace, in: Iluminace 9 (1997), 1, p. 141.

40   Jan Čulík him originally, who had been given state prizes in the 1950s, and he told me he did not want to play this role because he would be spitting on the grave of this man. And so Vladimír Šmeral agreed to play this Nejedlý, and Šmeral gave a bravura performance. But a few years later, they made a film at Barrandov about the communist takeover in Czechoslovakia, and Šmeral again played Nejedlý, but this time he was a positive character.

In Jena, Menzel defended his tolerant, genial attitude to the communist regime. Why is it that even the characters who are supposed to represent the oppres­ sive communist regime Skřivánci na niti are not horrifying? Menzel says: There is no conflict in this. In fact, if you met these people, you would realise that they are not all hyenas. The prison warden was given the task of guarding the female prisoners, yet his humanity conflicted with his duties. This is much more drastic than if we showed that the girls were guarded by a brute. That would be a cliché. If we show humanity in conflict with ideology, this is much more interesting and it assaults the viewer much more.

Jiří Menzel was deeply affected by the Berufsverbot, which he suffered from 1970 onwards. In an interview with Robert Buchar he says that his belief there is something good in every human being was shattered: “After 1970, I discovered that there are some people within whom there is absolutely nothing good.”25 Would Skřivánci na niti have been harsher had it been filmed after Menzel had had his experience with the post 1968 political clampdown? He explained: I discovered in the 1970s that even people whom I regarded as my friends suddenly exploited the new situation. And they were pleased with it. That really disgusted me. And I discovered that people were real bastards. But still in 1969, I really did think that everyone had a reason to be where he was. It is like this. If you were born a little earlier somewhere in Bavaria, your parents would have been working class, you would have experienced poverty in Germany, you would have probably joined the NSDAP. Each of us has good and evil within us and that has to balance out somehow. A person is primarily determined by where he lives, what he reads, whom he meets. This is why it is so easy to manipulate people. Not all SS people were inhuman. In some people evil eventually prevails and they turn into swine. Some people, on the other hand, retain the goodness within themselves even at the worst of times and refuse to submit to evil. And this is how I see these people in Skřivánci and in Ostře sledované vlaky. Even that collaborator Councillor Zednicek in Ostře sledované vlaky is the father of a family. He is a fool who has decided to support the wrong side. Maybe he has read some wrong books as a boy. This is all extremely relative. But it is human.

Obsluhoval jsem anglického krále The majority of films adapted from literary works after 1990 in Czech cinema have not been a success. Menzel’s version of Hrabal’s novel Obsluhoval jsem 25 Robert

Buchar: Sametová kocovina/Velvet Hangover, directed by Robert Buchar 2000. See also Robert Buchar: Czech New Wave film-makers in interviews. London 2003.

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anglického krále (I Served the King of England) is no exception.26 It is true Hrabal’s literary text is difficult to understand. It vibrates with contradictory semantic content on many levels; nevertheless in the end a coherent philo­ sophy can be discerned.27 From Menzel’s film all complexity and depth of ­meaning are absent. What remains is the atmosphere of a luxury hotel at the time of the First Republic, carefully and lovingly recreated and visually accurate. A cynic might well ask: what has the film to say apart from the glorification of food?28 Paradoxically the film suffers from two opposing tendencies that stereotype it and give it only superficial significance. Political events, so-called ‘Great History’, are made to seem banal in the film. The result is a conventional story, perhaps like a thousand others, about the ‘human predicament’ at the time of the catastrophic events of the Second World War and the arrival of communism in Central Europe.29 Yet Hrabal’s literary text is no political-historical pamphlet judging the ­German occupation or the coming of the communist regime. Political events in Hrabal’s novel play a particular, almost non-political role. They stand for 26 The

novel was written in 1971. It was first published anonymously in Cologne, Germany in 1980, in 1982, it was published unofficially by the Jazz Section of the Czechoslovak Union of Musicians, it was not published officially in Czechoslovakia until the autumn of 1989. It came out in English in London in 1990. 27 On the other hand, Jaroslav Vanča says that Hrabal’s novel is formless: “The novel is vague thematically. Its genre is unclear. Hence it posed a difficult, almost insoluble problem for Jiří Menzel. The film director has created an ‘expensive costume drama which indulges in the frivolous attraction of erotic motives. These have been especially highlighted by the use of music and colour’.” Various realistic and naturalistic narrative motifs “have been superficially imbued with a lyrical charge”. Jaroslav Vanča: Cena adaptace aneb potíže s Hrabaem, in: Film a doba 1 (2007), pp. 54–56). 28 “This is a foolishly useless and anachronistic film. It is also ideologically repulsive, and that in many aspects.” “The values of all the depicted eras merge into a continuous spectacle of boring gluttony, feeble fornication and grotesque grimacing”. “Dítě’s narrative and his comments are presented in such a way in the novel that we have reason to doubt their trustworthiness. The film does not offer any genuine distinction between its verbal discourse and its visual representation”, says Kamil Fila: Obsluhoval jsem anglického krále. Už nastavovali zrcadlo?, in: Cinepur 49 (2007), p. 52. 29 “Something very important – passion has disappeared from the film version,” says Barbora Šťastná (id.: Obsluhoval jsem anglického krále, in: Premiere (2007), p. 70). “A raw, painful, spontaneous surrealistic work has been carefully modified by Menzel into an endearing, easily digestible work.” “The novel is spontaneous and exuberant. It lacks order. Menzel gave its film version logic and a strict moralising tone. Menzel’s film is more irritating than entertaining. The viewer is bothered by a number of creative inconsis­ tencies,” says Alena Prokopová (id.: Obsluhoval jsem anglického krále. Neuvěřitelné se stalo skutkem: Jiří Menzel se utkal s ‘nezfilmovatelným’ románem Bohumila Hrabala, in: ­Cinema (2007), pp. 32–35).

42   Jan Čulík something greater. For instance, the concept of a ‘luxury’ work camp for millionaires after 1948 is absolutely peculiar to Hrabal; his main character does not stay in it for long. But Menzel in his film keeps to a conventional interpretation of historical events. He concludes a communist work camp must surely be a brutal place and so he keeps his hero in it for almost fifteen years. Thus the film is weakened by the stereotyped presentation of Nazi and communist oppression. Hrabal’s texts are never the open political propaganda that Menzel flirts with in a conventional manner. Menzel hints that historical events have one single possible interpretation. Hrabal is never as simple as that. As in his previous works, he is primarily fascinated by the zany characteristics of life. One of the remarkable qualities of Hrabal’s novel is the almost complete amorality of the main character. He is never named in the literary text: Menzel had to be more explicit and introduced his hero to the viewers as Jan Dítě (Child). In Hrabal’s novel the main character, the little waiter, meticulously ignores the morality of what he does. In most cases he acts unethically, whether stealing by selling frankfurters at the station, or paying for sex with Jaruška in the local brothel U Rajských (Paradise), collaborating with the Nazis or trading rare stamps belonging to dead Jews. By taking this attitude the waiter is really behaving like a child who does not probe deeply into what he has done to determine whether it is ethical. In his book Hrabal again analyses servility and the Czech inferiority complex but he does it objectively and without becoming deeply involved, without passionate moral condemnation, like a scientist studying phenomena under a microscope. Menzel does not manage to do this in the film. Riches and position which the hero of Hrabal’s novel temporarily acquires are always attained at least to a certain degree by illegal means: in the book the hero never gives this a thought. He never stops to think that he is stealing when he sells frankfurters at the station. The strange amorality of this whole novel creates tension and makes the reader wonder why the little waiter behaves in this particular way and how this compares with the levels of morality in Hrabal’s other stories. Hrabal is always interested in exciting, unusual, intense, eccentric motives that he almost never regards from the point of view of morality. It seems that Menzel cannot tolerate Hrabal’s amorality. There is an episode at the beginning of the film, when Dítě, while selling frankfurters to passengers in a departing train, robs Walden by not giving him his change. This episode is repeated later in a slightly different form. Dítĕ tries to give Walden a piece of bread when the latter is shut in the wagon of a Nazi transport train about to depart. It is repeated again at the very end of the film in the isolated Šumava region when years later Dítě is haunted by the dead Walden and, con-

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science stricken, gives him back the change. This does not happen in the book. Menzel attempts to make several similar parallels in the film but they are a bit forced. Hrabal’s novel is again a Bildungsroman. It is the story of a man, who through no fault of his own, is born with a basic physical handicap. He has a complex due to the fact that he is small and looks like a child. Hrabal’s hero can be seen as standing for the entire ‘small’ Czech nation that in the seventies after the Soviet invasion of 1968 when Hrabal was writing, was suffering ­under the yoke of a totalitarian power. At that time everyone was against the establishment. That is possibly why one of the main themes of this novel is the idea that it is always foolish to try and worm one’s way into favour with the powers that be. Hrabal in his novel tells how his complex little hero tries at whatever cost to become integrated into established society and be respected and appre­ciated. For almost metaphysical reasons he never succeeds for long. For the ordinary Czech this is simply not meant to be. Perhaps he really has no ­usable skills, he is neither physically attractive nor charismatic and his good fortune is short lived – perhaps also because he has acquired his money and position by illegal means. However this is of no consequence in Hrabal’s novel: all the rich entrepreneurs and tradesmen that the tiny waiter tries to copy in the first part of the work, have also obtained their wealth dishonestly, except no one has any reservations about their position as members of the establishment. Businessmen who get away with their fraudulent ways sym­bolise the large nations. Hrabal’s novel Obsluhoval jsem anglického krále is again about a personal journey towards maturity. The hero gradually realises that it is foolish to try to become famous, successful and appreciated, whether on the basis of wealth or on the basis of ideology. It is foolish to try to become rich and famous because – as Hrabal was aware in the climate of the seventies – fame is futile; wealth and position are transient and ideologies become pointless. It is not until he lives in the frontier country in the isolation of the Bohemian Forest that the hero has a mystical experience and comes to understand himself. Hrabal’s book is strongly influenced by Taoism. There is none of this in Menzel’s film. After several visually attractive shots of Prague hotels of the past, the film, using newsreels and other similar material, becomes a historical recapitulation of the Nazi occupation and the Communist regime. In the sequences dealing with the communist era after the 1948  take-over, we get a lesson in ideology about how brutal and vengeful ­oppression was at the time. There is also an explanation of the neglect and depopulation of the Sudeten border after the Second World War, when the German population had been deported from Czechoslovakia.

44   Jan Čulík It is obvious that Jiří Menzel found it quite difficult to adapt Obsluhoval jsem anglického krále into a film script. He said in Jena: It was a very difficult work. In the first place, I could not work with Mr. Hrabal. He was dead. I had to imagine what he would have wanted. The literary text was long. For previous films we always used short novellas or short stories. I had to do all the work myself. It was very difficult to decide which of the episodes were the most important for the whole story. I wrote many versions before I started shooting. I worked on it for eighteen months.

In spite of the views of the critics, Menzel argues that even his film version of Obsluhoval jsem anglického krále still adheres firmly to his previous value system and is true to the spirit of the original literary work. For instance, Menzel insists that even Liza, Dítě’s Nazi German wife, is a good person. Like in all previous Menzel’s characters, there is something good even in her. Let us ­quote from our conversation about this film which took place in Jena a little more extensively. Jiří Menzel explained: Even in this film everyone has something good within them. Liza is a very nice girl, in spite of being a Nazi. She was born in Kašperské Hory where people believed in Hitler and it was quite understandable because someone had given her faith and hope. That she is something better than the Slavs and the Jews. And she believed it, just as the majority of the German nation. People lost their judgment. And I know very well that in the 1950s, many people in Czechoslovakia were enthusiastic communists, although they could have known what ­communism was like in Russia before the war. It is incredibly easy to seduce people. It is extremely easy to manipulate them. Čulik: “But your film version of Obsluhoval jsem anglického krále moralises. In Hrabal’s original novel, Dítě tries to get into positions of power by doing various immoral things, but he does not reflect upon it at all, he has the mentality of a small child.” Menzel: “This is the Czech way.” Čulík: “But Hrabal does not condemn it.” Menzel: “I hope I do not either.” Čulík: “But you felt the need to include an act of repentance. At the beginning, Dítě, as a young man, steals money from passengers, including entrepreneur Walden, when selling frankfurters at a railway station. He repents at the end of the film, when he gives bread to a starving Walden who is being transported to a concentration camp as a Jew.” Menzel: “The thing at the end of the film was just a joke, it was a reconciliation. The gesture at the end was not an expression of repentance. Certainly not.” Čulík: “In Hrabal, the communist labour camp for capitalists is just a grotesque joke. Why did it become a seriously oppressive institution in your film?” Menzel: “I could not do the grotesque thing here because it would have been incomprehensible. That grotesque camp is outside the style of the book. It would have been a totally different film. It did not fit in. What mattered was that the hero, even though he constantly strives to get higher, he is never accepted, not even in prison. He is still a waiter; they do not allow him amongst them. The fifth part of the Hrabal novel was incredibly philosophical and that is very difficult to film. This is the weakest part of the film. It is very literary, it was impossible to film.”

Jiří Menzel and the construction of ­historical experience   45 Čulík: “Is this film about Czech-German relations?” Menzel: “Undoubtedly. It touches on the deserted frontier regions. I remembered that as a boy scout, I was eight or nine; we had a camp in one of these deserted villages. It was totally destroyed by people from the inside of Czechoslovakia. I did not know what had happened; I thought this was the result of the war. I played there. After many years, there was nothing in those places, only churches remained, or chapels. The houses were razed to the ground and overgrown. The film asks, as does Hrabal’s novel, why did all of them have to leave, it was exaggerated. Maybe it was the immediate reaction after the six years of humiliation, after Munich, but it was too simple a solution.” Čulík: “It seems to be the predicament of Central European literature that works written in a particular period are often published – or films made of them – only many years later. Does that bother you? What does it mean when films which originate in a particular era cannot speak to it?” Menzel: “This is nothing new. It has always been like this. There has always been censorship, but mostly we do not know because it was possible to destroy the work completely.” Čulík: “Did the thirty-seven-year gap influence the work in any way? Would you have ­filmed it like this if you could have made it in 1970?” Menzel: “I would have been less experienced. I had tried to write the script about seven ­years before. When I later looked at it, I realised it was good I had not filmed it because the script was stupid.” Čulík: “What did you change?” Menzel: “Everything. I had originally concentrated on the end and that was not right. I had to use the other five chapters equally. The first version was about walking about the forest and about the death of the dog. I am glad I filmed this work later. Even if I did it today I think I would do something else. That is natural.” Čulík: “How would it be today?” Menzel: “I don’t know any more.”

Jiří Menzel has undertaken a remarkable journey with Bohumil Hrabal through the second part of the twentieth century. Menzel’s films have on the whole highlighted the main themes of Hrabal’s texts, namely Hrabal’s conviction that creativity takes precedence over mere living, that the life of an outsider may be more precious and more authentic than the seemingly momentous events of world history and that issues of life, death, inequality and cowardice are real problems that constrain human beings in their existence. As Menzel has admitted in the debate at Imre Kertész Kolleg in Jena, he finds he is capable of communicating only certain aspects of Hrabal’s work and would be interested in other people’s interpretations. Nevertheless, the canon of Menzel’s film adaptations of Hrabal’s literary texts has become an indelible part of twentieth-century European culture, highlighting a typically Czech contribution to the discourse about European existence. This applies even to Menzel’s latest adaptation of Hrabal’s work, his 2006  film Obsluhoval jsem anglického

46   Jan Čulík krále. This film seems to be marked by an anxious desire on the part of the director to impose order on the (post-communist) chaos which had by this time enveloped his society. Thus even Obsluhoval jsem anglického krále seems to function as an eloquent testimony to a particular historical epoch.

Stefan Troebst

Trying to Institutionalise the Memory of Forced Migration: German, Central ­European and Pan-European Initiatives I  A Change of Paradigm: Outlawing Ethnic­­Cleansing In their recent book No Return, No Refuge. Rites and Rights in Minority Repatriation, Howard Adelman and Elazar Barkan propose a new periodisation of the 20th century based on how forced migration was considered legally and publicly: 1900 to 1945 when “the right to expel” was considered an international norm; 1945 to 1992 when under Cold War conditions ethnic cleansing was outlawed; and 1992 till the present when reversing ethnic cleansing was declared a duty of the international community.1 In doing so, Adelman and Barkan underline a striking shift of paradigm in the moral evaluation of ethno-politically motivated and state-induced forced migration: What up to 1945 euphemistically was labeled ‘population transfer’ and was perceived as legal means to ethnically homogenise a nation-state now was condemned as a crime against humanity, even as genocide.2 “The strange triumph of human rights” identified by Mark Mazower3 had, however, no immediate impact on the new political realities in postwar Europe: In 1945 and the years to follow Germans were expelled from Poland, Czechoslovakia, Hungary and Yugoslavia, Poles from the Soviet Union, and Macedonians from Greece. Ukrainians were resettled by force within Poland, Estonians, Latvians and Lithuanians ­deported to Siberia and so on. The foundation of India, Pakistan and Israel as independent states in 1948 had similar, even larger consequences. In 1974, Cyprus was divided along ethnic lines under the eyes of the United Nations. In the following year, the postwar ethnic ­separation of the inhabitants of Trieste and its hinterland was legalised by the Italian-Yugoslav Treaty of Osimo. And as late as 1989, the communist regime of Bulgaria succeeded in driving more than 1

Howard Adelman/Barkan Elazar: No Return, No Refuge. Rites and Rights in Minority Repatriation. New York 2011, p. vii. 2 Stefan Troebst: Vom Bevölkerungstransfer zum Vertreibungsverbot – eine europäische Erfolgsgeschichte?, in: Transit. Europäische Revue 36 (2008/09), pp. 158–182. 3 Mark Mazower: The Strange Triumph of Human Rights. 1933–1950, in: The Historical Journal 47 (2004), pp. 379–398. Cf. also Stefan-Ludwig Hoffmann (ed.): Moralpolitik. Geschichte der Menschenrechte im 20. Jahrhundert. Göttingen 2010.

48   Stefan Troebst 300 000 Turkish-speaking citizens out of the country without ­facing major international protest.4 The wars in ex-Yugoslavia in the 1990s, however, were according to Adelman and Barkan a turning point: Now ethnic cleansing was not just condemned, but to reverse its results had been declared a duty of the international community – see Dayton 1995, see Rambouillet 1999.5 The paradigm shift was completed. Its most visible result was the concept of a ­Responsibility to Protect which legalises under strict conditions humanitarian intervention even in its military form6 – a new doctrine in international public law which experienced a breathtaking career within just a decade, when UN Security Council Resolution 1973 (2011) on a no-fly zone over Libya was based on this principle.

II  A German “Center Against Expulsions” Outlawing internationally ethnic cleansing in Kosovo in 1999 had a profound impact on reunited Germany. In party politics, the new coalition of the Social Democratic and the Green Party of Gerhard Schröder and Joschka Fischer now faced at least two dilemmas: They had to explain to their own followers Germany’s active participation in NATO’s air raid campaign against Slobodan Milošević’s rump-Yugoslavia. And they had to come up with an explanation why in their view the expulsion of more than 900 000 Kosovar Albanians in 1999 was not comparable to the expulsion of some 12 million Germans in the 4

For two balanced overviews cf. Philipp Ther: Die dunkle Seite der Nationalstaaten. “Ethnische Säuberungen“ im modernen Europa. Göttingen 2011; Piotr Madajyczyk: Czystki etniczne i klasowe w Europie XX wieku. Szkice do problem. Warszawa: 2010. See also Detlef Brandes/Holm Sundhaussen/Stefan Troebst (eds.): Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts. Köln/Weimar/Wien 2010. 5 Adelman/Barkan: No Return, No Refuge, pp. 74–96. Cf. also Troebst: Vom Bevölkerungstransfer zum Vertreibungsverbot; Holm Sundhaussen: Von „Lausanne“ nach „Dayton“. Ein Paradigmenwechsel bei der Lösung ethnonationaler Konflikte, in: Rüdiger Hohls/Iris Schröder/Hannes Siegrist (eds.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte. Festschrift für Hartmut Kaelble zum 65. Geburtstag. Stuttgart 2005, pp. 409–414; Rainer Münz: Das Jahrhundert der Vertreibungen, in: Transit. Europäische Revue 23 (2002), pp. 132–154. 6 Gareth Evans: The Responsibility to Protect: Ending Mass Atrocity Crimes Once and For All. Washington, DC 2008; Christopher Verlage: Responsibility to Protect. Ein neuer Ansatz im Völkerrecht zur Verhinderung von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Tübingen 2009; James Pattison: Humanitarian Intervention and the Responsibility to Protect: Who Should Intervene? Oxford/New York 2010.

Trying to Institutionalise the Memory of Forced Migration   49

second half of the 1940s. This was the hour of the Christian Democratic backbencher and newly elected president of the Federation of Expellees (Bund der Vertriebenen, BdV), Erika Steinbach: Together with her social-democratic ally Peter Glotz she set up a foundation called “Center Against Expulsions” (Zentrum gegen Vertreibungen) and directed a demand at the federal government and the parliament to support – and finance – the initiative. Steinbach proposed to found the center in the form of a museum in Berlin, “in the historical and geographical vicinity” of the Memorial to the Murdered Jews of Europe then still under construction.7 What was intended as a provocation of the Schröder-Fischer government and as a purposeful violation of the rules of German political correctness had a two-fold effect: On the national level, it triggered off a heated debate on Germans not solely as perpetrators but now also of victims. And on the bilateral level it started a bitter controversy with Polish politicians and media representatives as well as harsh criticism in the Czech Republic. Here, the new German victims’ perspective was interpreted as downsizing of German war crimes. This is not the place to reconstruct these national and bilateral polemics and the fears and suspicions that lie behind them. That has been done extensively in recent years.8 Instead, the institutio7

Philipp Ther: Zentrum gegen Vertreibungen, in: Brandes/Sundhaussen/Troebst, Lexikon der Vertreibungen, pp. 736–739, here 736. 8 Paweł Lutomski: The Debate about a Center against Expulsions: An Unxepected Crisis in German-Polish Relations?, in: German Studies Review 27 (2004), pp. 449–468; Agnieszka Łada: Debata publiczna na temat powstania Centrum przeciw Wypędzeniom w prasie polskiej i niemieckiej. Wrocław 2006; Philipp Ther: Erinnern oder aufklären. Zur Konzeption eines Zentrums gegen Vertreibungen, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), pp. 36–41; Claudia Kraft: Die aktuelle Diskussion über Flucht und Vertreibung in der polnischen Historiographie und Öffentlichkeit, in: Zeitgeschichte-online: ; Jan M. Piskorski: Polacy i Niemcy. Czy przeszłość musi być przeszkodą. Poznań 2004 (German translation: Vertreibung und deutsch-­polnische ­Geschichte. Eine Streitschrift. Osnabrück 2005); idem: Wygnańcy. Migracje przymusowe i uchodźcy w dwudziestowiecznej Europie. Warszawa 2011; Erik K. Franzen: Diskurs als Ziel? Anmerkungen zur deutschen Erinnerungspolitik am Beispiel der Debatte um ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ 1999–2005, in: Peter Haslinger/Erik K. Franzen/Martin Schulze Wessel (eds.), Diskurse über Zwangsmigrationen in Zentral­europa. Geschichtspolitik, Fachdebatten, literarisches und lokales Erinnern seit 1989. München 2008, pp. 1–29; Mathias Beer: Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen. München 2011; Maren Röger: Flucht, Vertreibung und Umsiedlung. Mediale Erinnerung und Debatten in Deutschland und Polen seit 1989. Marburg 2011. See also the Polish documentations by Paweł Licicki/Jerzy Haszczyński (eds.): Pamięć europejska czy narodowa. Spór o Centrum przeciwko Wypędzeniom. Warszawa 2003; Piotr Buras/Piotr M. Majewski (eds.): Pamięć wypędzonych. Grass, Beneš i środkowoeuropejskie rozrachunki. Antologia tekstów polskich, niemieckich i czeskich. Warszawa 2003; and Zbigniew Mazur: Centrum przeciwko wypędzeniom (1999–2005). Poznań 2006.

50   Stefan Troebst nal consequences of inner-German and Polish-German discussions and their spillover effects on actors on the European level will be examined.

III  From the “Visible Sign” in Berlin to the Federal German Foundation Flight, Expulsion, Reconciliation In Germany, the institutionalisation process that had been initiated by the private foundation “Center Against Expulsions” in 2000 ended with the creation of a federally funded institution, Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (Foundation Flight, Expulsion, Reconciliation) in 2008. The first step in this direction was a resolution by the federal parliament of July 2002 entitled “For a Europeanoriented Center Against Expulsions”.9 By trying to hijack the Steinbach-Glotz initiative – and at the same time by ‘Europeanising’ it – the coalition-government of the Social Democratic and the Green Party attempted to defuse what was perceived as a bombshell planted by the expellees’ organisation into the foundations of reunited Germany’s relations to its Eastern neighbours. Steinbach’s and the BdV’s activities were considered particularly detrimental to Berlin’s relations with Warsaw since also in 2000, leading expellee representatives had founded a Preussische Treuhand (Prussian Claims, Inc.) modeled after the Jewish Claims Conference. It aimed at the restitution of and compensation for property lost by expellees in what was now Poland.10 Notwithstanding German governmental and parliamentary counter-measures, the appearance of the “Center Against Expulsions” and of the “Prussian Claims, Inc.” on the political scene and their material demands in 2003 caused a massive wave of public outrage in Poland. Polish-German media polemics now reached a level which led the two presidents of state, the post-communist Aleksander Kwaśniewski in Poland and the Social Democrat ­Johannes Rau in Germany, to take common action: In October 2003, they released in Gdańsk a  joint declaration calling for “a sincere European dialogue” on “all cases of ­resettlement, flight and expulsion”, and that “in a spirit or reconciliation and friendship” as well as without “claims on compensation, mutual accusations and presenting the other side with balance sheets of crimes and losses”.11   9 Beschluss

des Deutschen Bundestages „Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen“, Berlin, 04. 07. 2002, in: Stefan Troebst (ed.), Vertreibungsdiskurs und europäische Erinnerungskultur. Deutsch-polnische Initiativen zur Institutionalisierung. Eine Dokumentation. Osnabrück 2006, doc. no. 10, p. 67. 10 Cf. the English-language website: . 11 Pressemitteilung des Bundespräsidialamts vom 29. 10. 2003: „Bundespräsident Johannes Rau und der Präsident der Republik Polen, Aleksander Kwaśniewski, haben heute in

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The result of their initiative was the German-Polish project of founding a Central European-wide cooperation network dealing with the delicate topic of expulsions and ethnic cleansing in 20th century Europe – as the Bundestag had demanded in 2002. This network was negotiated in 2004, and in the following year fixed in a quadrilateral agreement by the ministers of culture of Poland, Germany, Hungary and Slovakia.12 The rationale of Berlin and Warsaw was that this network would outweigh the negative effects of the national – and nationalist – “Center Against Expulsion”. However, federal elections in Germany in 2005 led to a replacement of the coalition government of Social Democratic and Green Party by the so called ‘Grand Coalition’ of Social Democrats and Conservatives while in Poland already in 2004 as result of the elections to the Sejm the government of socialists and peasants had been replaced by a conservative one. Both developments changed things considerably: The network project now was politically downgraded in Berlin and Warsaw alike. In the coalition treaty of German Christian Democrats and Social Democrats of November 2005 next to the network the founding of another institution was mentioned: “A visible sign in Berlin in order to remember the wrongs of expulsions and to outlaw expulsion forever.”13 In combination with the newly formed government of the Kaczyński brothers’ Law and Justice Party this new German initiative led to a standstill in Polish-German relations. The result was that both projects, the European ­network as well as the cryptic “Visible Sign”, stagnated. Yet even with the new liberal Tusk government in place in Poland two years later, little progress was made. While Warsaw reluctantly agreed to a revitalisation of the European network, it refused any participation in the “Visible Sign”. Thus, Christian as well as Social Democrats in Berlin decided to realise it as a ­national project of Germany – without participation of the neighbours. In March 2008, the coalition partners agreed upon turning “the visible sign against flight and expulsion“ into a federal foundation attached to the German Historical Museum (Deutsches Historisches Museum) in united Germany’s capital.14 The new inDanzig eine gemeinsame Erklärung abgegeben“, in: Troebst, Vertreibungsdiskurs, doc. no. 22; pp. 99–100. 12 Stefan Troebst: Das Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität. Eine zentral­ europäische Initiative zur Institutionalisierung des Vertreibungsgedenkens 2002–2006, in: Zeitgeschichte 34 (2007), 1, pp. 43–57. Cf. also idem: Vertreibungsdiskurs, doc. no. 21–58, pp. 95–242. 13 „Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit“. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, Berlin, 11. 11. 2005, in: Troebst, Vertreibungsdiskurs, doc. no. 51, p. 228. 14 Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien: „Sichtbares Zeichen gegen Flucht und Vertreibung“: Ausstellungs-, Dokumentations- und Informationszentrum in Berlin, Berlin, 19. 03. 2008: .

52   Stefan Troebst stitution was tasked to set up in the Deutschlandhaus Building in downtown Berlin a permanent exhibition as well as a documentation and information center. On December  30th  2008, by a special law the Foundation Flight, Expulsion, Reconciliation was erected.15 In late 2009, still during the foundation’s build-up phase, a fierce conflict between the Federation of Expellees on one side and the new Christian-liberal Merkel-Westerwelle Government on the other broke out. The apple of discord was the personal participation of Steinbach in the new foundation’s board of trustees. This resulted in June 2010 in an amendment of the law on the foundation, and only by 2011 the process of founding the new institution was completed at least in legal and organisational terms – without Steinbach sitting on the board of trustees.16 The purpose of the Federal Foundation Flight, Expulsion, Reconciliation is defined by this law as “to preserve the memory of flight and expulsion in the twentieth century in the spirit of reconciliation.” Its focus is on “flight and expulsion in the historical context of the Second World War and the National Socialists policies of expansion and extermination and their consequences.” Thereby, “flight and expulsions of the Germans shall be presented within the general context of forced migration in Twentieth Century Europe.”17 As modes of operation of the foundation the following are named: A permanent exhibition, temporary exhibitions, documentation – in particular of ego documents and oral history sources – ,popularisation of research, cooperation with national and international institutions.18 Till the present day, the foundation is riddled by political and structural problems. The decision-making body is the 21-member Board of Trustees which draws on the expertise of a 15-member Advisory Council – whereas next to these 36 mandate holders and a director a staff of only seven is in place. Also, the reconstruction of the Deutschlandhaus Building has not begun yet, and the same goes for the systematic acquisition of objects for the exhibition. And finally, the all-German Board of Trustees with its six seats for representatives of the Federation of Expellees on the one hand and the international Advisory Council with members from Poland, the US, Hungary and Switzerland on the other hold rather divergent views on how the wording of the law on the foundation shall be interpreted and turned into practice. This 15 Abschnitt

2, Unselbständige Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ (DHMG), Berlin, 30. 12. 2008, pp. 4–7: . 16 See the foundation’s website: . 17 Flyer „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung/ Foundation Flight, Expulsion, Reconciliation“, Berlin 2010: < http://www.dhm.de/sfvv/docs/Faltblatt_SFVV.pdf>. 18 Ibid.

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goes in particular for the causal link between Nazi aggression and expulsion of Germans as well as for the percentages of the German versus the European dimension in the planned permanent exhibition. On the other hand, the new foundation has a comfortable budget, it will in three to five-years time possess an attractive high-tech museum building in the very center of Berlin, and it is entitled to organise international conferences, to grant fellowships, to build up a specialised library, to publish books and so on. Thus it has the potential to become one day a renowned center of research and scholarly exchange on forced migration processes of European-wide, maybe even global significance.

IV  Dividing Lines in the Council of Europe’s ­Parliamentary Assembly on the Remembrance of Forced Migration In September 2003, at the peak of open German-Polish polemics over the BdV’s “Center Against Expulsions” and shortly before the Gdańsk Declara­tion by Kwaśniewski and Rau, the oppositional liberal Sejm deputy Bogdan Klich succeeded in winning over Central European and British members of the ­Parliamentary Assembly of the Council of Europe to file in a motion for a ­recommendation on the establishment of a “Centre for European Nations’ ­Remembrance” under the council’s auspices.19 This motion was explicitly directed against the Steinbach-Glotz project with its focus on German expellees. It opted instead for “a wide-reaching, multinational character” aiming “at commemorating the tragic experience of Europeans in the Twentieth Century.”20 In November 2003, a majority of deputies of the Polish Sejm supported Klich’s initiative21, and in July 2004 the Council of Europe’s Committee on Migration, Refugees and Population started to deal with the Polish proposal. However, when the committee’s rapporteur on the issue, the Swedish left socialist Mats Einarsson in December 2004 presented his report it came as a bad ­surprise for the Polish side: Not only did Einarsson shift the focus on 19 Parliamentary

Assembly, Council of Europe: Establishment of the Centre for European Nations’ Remembrance under the auspices of the Council of Europe. Doc. 9945, 30. 09. 2003, Motion for a recommendation presented by Mr Klich and others: . 20 Ibid. 21 Uchwała Sejmu Rzeczypospolitej Polskiej z dnia 27 listopada 2003 r. w sprawie ustanowienia Centrum Pamięci Narodów Europy pod auspicjami Rady Europy (M. P. z dnia 15 grudnia 2003 r.): .

54   Stefan Troebst “deporta­tion, expul­sion, transfer and forced resettlement” but even changed the name of the ­institution-to-be-founded into “European Remembrance Centre of Victims of Forced Population Movements and Ethnic Cleansing”.22 However, when in ­January 2005 the Parliamentary Assembly debated the recommendation the necessary two-thirds majority to task the Committee of Ministers with the founding of the proposed center was missed. The reasons for this were less Polish-Swedish discrepancies concerning profile and name, but ­another line diving the parliamentarians in Strasbourg: The French and the Russian delegations in the Parliamentary Assembly teamed up against the word “deportation” in the proposal: While in French perspective, this term should be used exclusively for victims of the Shoa, the Russian deputies were strictly against any critical reassessment of mass deportations of Soviet citizens ordered by Stalin.23 That was the end of the Polish initiative in its modified Swedish form. Attempts in 2005 and 2006 to revitalise it failed.

V  The Quadrilateral European Network ­Remembrance and Solidarity In late 2003, parallel to the Klich foray in the Council of Europe, the redgreen government in Berlin and the socialist one in Warsaw agreed in principle on a bilateral initiative to counter the negative effects of the SteinbachGlotz project on Polish-German relations. The new German Minister of Culture Christina Weiss and her Polish counterpart Waldemar Dąbrowski took the lead and came up with a design called “Visegrád + 2”. Visegrád stood, of course, for the four states of the Visegrád Group, i. e., Poland, the Czech Republic, Slovakia and Hungary, and “2” meant Germany plus Austria. The six agreed on a German proposal to discuss the setting up of what according to the German side was to be called the European Network on Forced Migration and Expulsions. Yet, already the first round of negotiations in April 2004 in Warsaw ran into two major problems: Firstly, the Czech side openly tried to 22 Parliamentary

Assembly, Council of Europe: Establishment of a European remembrance centre for victims of forced population movements and ethnic cleansing. Doc. 10378, Strasbourg, 20. 12. 2004, Report by the Committee on Migration, Refugees and Population. Rapporteur Mr Mats Einarsson, Sweden, Group of the Unified European Left: . 23 Délégation française à l’Assamblée parlementaire du Conseil de l’Europe: 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau – Zentrum des Gedenkens oder Entstellung des Gedenkens. Strassburg, 24. 01. 2005 (Übersetzung PB 1/0170-05), in: Troebst, Vertreibungsdiskurs, doc. no. 41, pp. 209–211, here 211.

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sabotage the project while Austria retreated to a mere observer position. And secondly, the Polish side refused categorically to accept any reference to forced migration, ethnic cleansing, expulsion etc. in the name of the institution about to be founded. It instead insisted that all tragic events of the 20th century in Europe should be dealt with – including the Second Boer War of 1899–1902 in British South Africa – and that the two totalitarianisms of Nazi Germany and the Stalinist Soviet Union should be in the focus.24 In February 2005, finally, the four ministers of culture remaining in the boat – the German, Polish, Slovak and Hungarian ones – signed a letter of intent to found what now was called the European Network Remembrance and Solidarity25, and in the summer of the same year the legal foundations were laid. However, the election results and ensuing political changes in Berlin and Warsaw put the ­network project on ice for ­years in a row. Only in 2011 did the quadrilateral project become visible – with working bodies, a head office in Warsaw, a staff, conferences, publications and so on. Today, forced migration is one among many topics the network is preoccupied with. According to its mission statement, the network deals with the history of the 20th century and popularisation of historical knowledge in trans-national, European context. [It] wants to contribute to [the] creation of [a] community of memory which will take into consideration different experiences of nations and countries of Europe. This kind of community of memory can be established only when all its members will ­accept the principle of solidarity as basic and common rule for thinking and acting. Application of this principle means to acquaint oneself with experiences of the others and to ­respect those who see and feel the past differently.26

VI  Two Side-Tracks: Prague and Brussels As indicated, the Czech Republic stayed out of all projects described above, even tried to bring them down. The expulsion of the Germans from the ­Sudeten regions – in Czech odsun (meaning literally, and euphemistically, ‘removal’) – so far has been considered by all post-’89 governments in Prague as too hot a potatoe to deal with on bilateral, subregional or European levels. 24 For

the heated debates during the negotiations on the founding of the network in 2004 see my own reports in Troebst, Vertreibungsdiskurs, docs. no. 29, pp. 122–139; 35, pp. 147– 161, and 39, pp. 169–185. 25 Absichtserklärung der Kulturminister Deutschlands, Polens, der Slowakei und Ungarns über die Gründung des Europäischen Netzwerks Erinnerung und Solidarität, Warschau, 02. 02. 2005, in: Troebst, Vertreibungsdiskurs, doc. no. 45, pp. 216–218. 26 European Network Remembrance and Solidarity: Idea: .

56   Stefan Troebst Accordingly, only in local contexts is the topic addressed. For instance, in mid-2012, the Municipal Museum of Ústí nad Labem in Northern Bohemia will open a permanent exhibition on the history and culture of the Germans in the Czech lands which will also cover their expulsion27 – including the brutal ­killing of several dozens, if not hundreds of Germans in Ústí, then ­Aussig, on July 31st 1945. The new Platform of European Memory and Conscience set up recently in Prague by the European Parliament with the support of the Commission and the Council does not mention in its program forced migration or ethnic cleansing.28 It concentrates exclusively on what is called “totalitarian crimes” committed by “Nazism, Stalinism, fascist and communist regimes” and thus resembles the Klich initiative in the Council of Europe of 2003. However, the EU’s planned House of European History which is to be opened in Brussels in 2014 will address the topic. The programmatic outline for this museum written in 2008 by a group of historians and museum experts from all over ­Europe states: “The end [of World War II, S. T.] triggered mass migrations on the European continent. With 12 to 14 million refugees and displaced persons – primarily from areas in what had been eastern Germany – Germany provided the largest group”.29 However, the revised concept of the exhibition of 2012 has not been made public yet and the founding director, the Slovene expert on museums Taja Vovk van Gaal, leaves it at cryptic statements such as the following: “[The House of European History] is not about exhibiting a European mosaic of countries, but about displaying a reflexive European history, also including dark chapters such as colonialism and armed conflicts.”30 It will be interesting 27 In

Ústí nad Labem entsteht das erste Museum der Geschichte und Kultur der Deutschen in den böhmischen Ländern, no date [2011]: . 28 See the Platform’s website: , as well as European Parliament resolution of 02. 04. 2009 on European conscience and totalitarianism. Brussels, 02. 04. 2009: . Cf. also Stefan Troebst: „Gedächtnis und Gewissen Europas“? Die Geschichtspolitik der Europäischen Union seit der Osterweiterung, in: Etienne François et al. (eds.), Strategien der Geschichtspolitik in Europa seit 1989. Deutschland, Frankreich und Polen im internationalen Vergleich. Göttingen (forthcoming). 29 Committee of Experts. House of European History: Conceptual Basis for a House of European History. Brussels, 19. 10. 2008: . 30 Bodil Axelsson: Museums between National and European Identities, in: eunamus. European National Museums, 30. 01. 2012: . Cf. also Wolfram Kaiser/

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to see at the museum’s opening scheduled for July 2014 whether also the “dark chapter” of forced migration will be displayed.

VII  Three ‘Europeanising’ Effects Trying to institutionalise the memory of forced migration in Europe is obviously a difficult and at times frustrating task. There seem to be too many ­divergent, even conflicting narratives and perspectives on one and the same forced migration process as well as the urge to forget other processes of this type. Still, three ‘Europeanising’ phenomena in the protracted and intertwined debates and attempts at institutionalisation outlined above should not be underestimated: Firstly, the inner-German discourse on how a national institution devoted to the memory of the victims of expulsion led within a few years to the adoption of a European dimension even on the side of the expellees’ organisations. This may have initially been a tactical move, but by now there is no way of going behind this line. An important turning point in this development was the exhibition „Erzwungene Wege. Flucht und Vertreibung im ­Europa des 20. Jahrhunderts“ (Forced Paths: Flight and Expulsion in 20th Century Europe) by Steinbach’s “Center Against Expulsion” in Berlin in 2006.31 Here the expulsion of Germans from East-Central Europe was set into the context of nation-state driven ethnic purification in Europe from World War I to NATO’s intervention in Serbia on behalf of the Albanians of Kosovo. It is somehow Stefan Krankenhagen/Kerstin Poehls: Europa ausstellen: Das Museum als Praxisfeld der Europäisierung. Köln/Weimar/Wien 2012, pp. 35–38; 58–59; 80–84; 147–151; Claus Leggewie: Der Kampf um die europäische Erinnerung. Ein Schlachtfeld wird besichtigt. München 2011, pp. 46–48; 72; 182–188, 216–219; and Włodzimierz Borodziej: Das Haus der Europäischen Geschichte – ein Erinnerungskonzept mit dem Mut zur Lücke, in: Volkhard Knigge et al. (eds.), Arbeit am europäischen Gedächtnis. Diktaturerfahrungen und Demokratieentwicklung. Köln/Weimar/Wien 2011, pp. 139–146 31 Cf. the catalogue Erzwungene Wege. Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts. Eine Ausstellung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen. Potsdam: Zentrum gegen Vertreibungen, 2006, as well as Michael Wildt: „Erzwungene Wege. Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts“. Kronprinzenpalais Berlin. Bilder einer Ausstellung, in: Historische Anthropologie 15 (2007), 2, pp. 281–295: ; Joachim von Puttkamer: Irrwege des Erinnerns. Die Ausstellung „Erzwungene Wege“ im Berliner Kronprinzenpalais, in: Monika Gibas/Rüdiger Stutz/Justus H. ­Ulbricht (eds.), Couragierte Wissenschaft. Eine Festschrift für Jürgen John zum 65. Geburtstag. Jena 2007, pp. 174–190; and Tim Völkering: Flucht und Vertreibung im Museum. Zwei aktuelle Ausstellungen und ihre geschichtskulturellen Hintergründe im Vergleich. Münster 2008.

58   Stefan Troebst disappointing (though not surprising) that the BdV representatives in the board of trustees of the new federal foundation currently try to ‘de-Europeanise’ and ‘re-Germanise’ this project. Secondly, the debate on the expulsion of the Germans out of Europe’s Eastern half has initiated something like a discursive chain reaction at least in Germany and Poland: The Polish post hoc, ergo propter hoc-argument that the expulsion was the consequence of the German attack of 1939 and of five years of occupation terror, mass killings, forced resettlement and enslavement led in Germany to a broadening of knowledge on German crimes in World War II and put Poland on the map of German culture of remembrance: Now next to Auschwitz, Treblinka and Majdanek as focal points of the Holocaust and to the massacres of Lidice, Oradour, Distomo and Marzabotto also the murder of millions of Poles in annexed and occupied Poland became part of collective memory. At the same time in Poland the perception that rabid and lethal antiSemitism was not something ­exclusively German eroded in the light of publications on the pogroms of Poles against Jews in Jedwabne in 1941 and Kielce in 1946. A proof of this interpretation is the Polish historical atlas “Resettlements, Expulsions and Flight Movements 1939-1959. Poles, Jews, Germans, Ukrainians. Atlas of the Polish Lands” published in Warsaw in 2008.32 To set the fate of occupied Poles, murdered Jews, expelled Germans and forcibly ­resettled Ukrainians in one and the same historical context equalled a minor sensation in Poland, and accordingly the atlas sold extremely well. Yet even more surprising was the positive reaction by German readers, among them many expellees and even their functionaries, when a German translation of the Polish atlas was published by a Catholic German publishing house in 2009.33 Obviously, Germans and Poles by now realised that their recent histories are not only closely interconnected but that there are, in the words of a Polish journalist, “baffling parallels, despite all differences, between both countries”.34 Thirdly, notwithstanding all national emotions in Polish-German debates, occasionally even jingoism, ethnic slander and hate-speech on either side, the mere fact that two national societies in Central Europe engaged at all into an intense public transnational discussion on one of the most sensitive and painful topics of their recent history, is remarkable in itself. There are hardly par­ 32 Grzegorz

Hryciuk et al: Wysiedlenia, wypędzenia i ucieczki 1939–1959. Polacy, Żydzi, Niemcy, Ukraińcy. Atlas ziem Polski. Warszawa 2008. 33 Grzegorz Hryciuk et al.: Illustrierte Geschichte der Flucht und Vertreibung. Ost- und Mitteleuropa 1939 bis 1959. Augsburg 2009. 34 Adam Krzemiński: Deutsch-polnische Tage, in: FAZ, 03. 03. 2012, p. 3.

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allels in Anglo-Irish, Hungarian-Romanian or Russo-Latvian relations, probably not even in French-German relations. At the same time, this exceptional ­Central European debate is being followed with interest in a number of other ­European societies which also have made the experience of forced migration – Finland, Italy or Bosnia and Herzegovina, for example. The institutionalisation of the memory of forced migrations is still in progress, and the German Federal Foundation Flight, Expulsion, Reconciliation in Berlin as well as the quadrilateral European Network Remembrance and Solidarity in Warsaw no doubt have their organisational flaws and structural weaknesses. At the same time, both new institutions have a decidedly ‘European’ design, deal boldly with the historic burden of long-standing conflict – and they have solid budgets. That in itself is a remarkable achievement in a Europe which in the process of its Eastern enlargement has discovered the need for a common memory as an important element in its identity policy. Also, the current focus on forced migration has the potential to stimulate a productive competition with other conflicting realms of memory of the Europeans – negative ones like genocide or colonialism, but also positive ones like human rights, multicultur­ alism or the process of European integration.

Maria Todorova

Nostalgia – the reverse side of Balkanism? The topic of this paper brings together two problematiques that for a long time I considered as totally independent. Then I realized that twice in the last twenty years, I have used the paraphrased dictum of Marx: “A specter is haunting the world of western academia: once balkanism, now the study of postcommunist nostalgia.” If only for this reason, the topic deserves a closer analytical scrutiny. But there is more: what we have in both cases are ascriptive discourses, emanating from outside the region, with a strong pejorative tinge, that are to a great extent domesticated and used as self-stereotypes (or what some call internal colonization). In what follows, I will briefly describe the two phenomena and try to establish a link between them. In the last couple of decades, political events in Europe have eloquently illustrated the law of unintended consequences. After 1989, Central Europe’s emancipatory ideology, over which much scholarly ink was spilled, became a device entitling its participants to a share of privileges, most importantly ­accession to NATO and front seats for the European Union. While the final historical verdict may legitimate this strategy, an unintended consequence has been the death of “Central Europe” as an idea. Extending a protective arm around the old centers of the Habsburg Empire, the West, motivated in part by sentiment, neatly followed the new trench lines of Samuel Huntington’s clash of civilizations.1 Tony Judt wrote in 1997 that this would create “a sort of depressed Eurosuburb beyond which ‘Byzantine Europe’ would be made to fend for itself, too close to Russia for the West to make an aggressive show of absorption and engagement”.2 The beginning of NATO expansion in 1997 changed things almost overnight. Since 1989, the question of the alliance’s mission has never ceased to be high on both the European and U.S. agenda. With the disbanding of the Warsaw pact in 1991 and the disintegration of the Soviet Union in 1992, NATO’s main adversaries and targets had ceased to exist, and with them its raison d’être. There were serious plans in Europe to disband NATO and build alternative security systems confined to the continent. Yet NATO remained the only truly 1

See Samuel Huntington: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. New York 1996. 2 Tony Judt: A Grand Illusion? An Essay on Europe, in: The New York Times, January 24th 1997, A2.

62   Maria Todorova transatlantic institution in which the United States continued to play the role of a European great power, and it was reluctant to lose this position. The United States was and continues to be the chief advocate for further NATO expansion, despite a 1990 pledge that NATO would not expand beyond German borders, while Europe’s proximity to and dependence on Russian natural resources make it more circumspect.3 In 1997 three ­former Warsaw Pact countries – Poland, Hungary and the Czech Republic – were invited to join the alliance, and became members in 1999. The invitation was extended to Lithuania, Latvia, Estonia, Slovenia, Slovakia, Bulgaria, and Romania in 2002, all of which joined in 2004. In 2008 another two Balkan countries – Croatia and Albania – were invited and Macedonia is bound to follow soon. This trajectory of NATO’s ­evolution, alongside the development of events that led to the disintegration of Yugoslavia, brought about the unexpected intersection of two processes. Until 1999, the international community confined its pressure on and involvement in Yugoslavia almost exclusively to the United Nations. There were a few minor UN-sanctioned NATO operations after the Srebrenica massacre and before the Dayton accord, including the maritime enforcement of the arms embargo and the brief bombing of Republika Srpska in Bosnia in 1995. However, this intervention, as well as contemporaneous events in Somalia and even the First Gulf War, were aimed at restoring or preserving the status quo.4 Even the ethnic cleansing of Krajina, the secessionist Serb enclave in Croatia, where hundreds of thousands of Serbs were swept away by the Croatian army in 1995, was done with the active approval and tacit participation of the United States. A new precedent was marked by the three-month long NATO bombing of Yugoslavia in 1999, for all intents and purposes carried out by the United States. It effectively underwrote the secessionist claims of a minority population and set the stage for Kosovo’s full independence some nine years later, another precedent, whose ominous repercussions play themselves out in the Caucasus and Northern Africa today. In the apt comment of Charles King: “Even at the time of the NATO air strikes, it was difficult to distinguish an intervention to prevent genocide, from one intended to support the long-term political aims of a guerilla army.”5 This became a fundamental departure from 3

Scholars argue whether there was a formal commitment, but Mikhail Gorbachev in a recent interview was unequivocal that such a commitment was made (Mikhail Gorbachev: US Could Start a new Cold War, in: Daily Telegraph, May 7th 2008). See also Stephen F. Cohen: Gorbachev’s Lost Legacy, in: The Nation, February  24th  2005; Robert B.Zoellick: The Lessons of German Unification, in: The National Interest, September 22nd 2000. 4 This point is made by Charles King: The Kosovo Precedent, in: NewsNet: The Newsletter of the AAASS 48 (2008), 3, pp. 1–3. 5 Ibid., p. 1.

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the treatment of similar conflicts (between Palestinians and Jews in ­Israel, Kurds and Turks in Turkey, Kurds and Arabs in the First Gulf War, and others) where sovereignty and territorial integrity had been the dominant principle since the end of the Second World War. In another respect the ­Kosovo war saw what one observer has called “the rise of humanitarian hawks” and became the dress-rehearsal for American unilateralism that culminated in the Second Gulf War.6 In this respect, the Balkans once again became a laboratory for experimentation with new approaches and solutions. Among the host of political and moral considerations for the 1999 intervention, not least was the desire to revive the last European organisation in which the United States played a leading role.7 Whatever the motivations, the bombing clearly had unintended consequences. Before the Kosovo war, the dominant paradigm applied to the Balkans translated into the practical ghettoisation of the region. The pre-Kosovo European Union visa regime absolved Central Europe but not the rest of Eastern Europe and the Balkans, where ­restrictions were placed on the movement of populations. This was balkanism in action. The rhetorical legitimisation of the 1999 intervention – as defence of universal human rights – effectively brought the Balkans back into the sphere of Western politics. Both the bombing and its aftermath bound Europeans and Americans much more closely – even inextricably – to the Balkans. Through KFOR, the NATO-led force under UN mandate, both Americans and Europeans began running two official protectorates (Kosovo and BosniaHercegovina). There emerged, for the first time, a significant lobby among Eurocrats who believed that it would be in Europe’s best interests to bring the Balkans into the European sphere, rather than ghettoise them. Eight East ­European countries (Poland, Hungary, the Czech Republic, Slovakia, Slovenia, Estonia, Latvia, and Lithuania) were admitted to the EU in 2004. Visa restrictions were suspended for two Balkan countries – Bulgaria and Romania – and they were admitted in 2007. Although a general EU expansion fatigue has set in, it is likely that Croatia, one of the three official Balkan candidates alongside Macedonia and Turkey, will be admitted in 2013. Albania and the other remaining Yugoslav splinters have all been recognized as potential candidates. All of this has been accompanied by the curious but predictable subsiding of the balkanist rhetoric, though it is still encountered abundantly in journalism

6

Mathew Yglesias: Kosovo and the Rise of the Humanitarian Hawks, in: The American Prospect, February 21st 2008. 7 Maria Todorova: The Balkans: from Invention to Intervention, in: William J. Buckley (ed.), Kosovo: Contending Voices on Balkan Interventions. Grand Rapids/London 2000.

64   Maria Todorova and fiction, as well as scholarship.8 Even the vocal and often spiteful objections to Turkey’s accession focus on Islam, Middle Eastern culture, women’s or human rights, but are not clad in the balkanist rhetoric. Now journalists too are becoming careful of how they articulate opinions about the Balkans. We even have a new politically correct designation: the Western Balkans. During the Cold War, Yugoslavia was neatly exempt from any connection to the Balkans, its civil war in the 1990s was generalized as a Balkan war, although none of the other Balkan countries – Greece, Bulgaria, Romania, Turkey, even Albania – were in danger of entering it. With the changed political conjuncture, the Western Balkans is a problematic zone, and the rest are exempt from the designation. Thus, while the balkanist rhetoric is still with us, conveniently submerged but readily at hand, it no longer serves power politics. Balkanism has not disappeared, but has shifted, for the time being, from the centre stage of politics. Let me succinctly remind what balkanism is.9 It expresses the idea that explanatory approaches to phenomena in the Balkans often rest upon a discourse or a stable system of stereotypes that place the Balkans in a cognitive straightjacket. This discourse molds attitudes and actions toward the Balkans and could be treated as the most persistent form or ‘mental map’ in which ­information about the Balkans is placed, most notably in journalistic, political, and literary output.10 By introducing the category balkanism, I was directly inspired by – and at the same time invited critical comparison to – Said’s orientalism. I found to my surprise and delight that balkanism was an uninhabited category, something exceptionally rare in the humanities. This circumstance allowed me to use balkanism as both a mirror and foil of orientalism. I argued for the histo­ 8

The Balkans as a name clearly continues to evoke the darkest of associations. A recent novel by Barbara Shenouda, about a Canadian novelist who has suffered the horrors of the Second World War, confronts the dark secrets of her past, and uncovers a deadly conspiracy to resurrect Hitler, is set in the Balkans. (Barbara Shenouda: The Balkan Secret Conspiracy. Lincoln 2007). 9 The full argument is laid out in Maria Todorova: Imagining the Balkans. New York 1997 (second edition 2009). For the rest, this text follows the Afterword to the 2009 edition, pp. 190–202. 10 In my book, I refrained from generalizing on scholarly output, maintaining that, in principle, the scholarly project moves along a different line from the production of popular mythology, and only occasionally intersects with it. I did not deny that a great number of the scholarly practitioners of Balkan studies might privately share a staggering number of prejudices; rather, as a whole, the rules of scholarly discourse restrict the open articulation of these prejudices. I still believe this to be true, and if I have erred, it is only in the direction of too much lenience. For a critique of the persistent presence of balkanism in academic studies, see Maria Todorova: The Mausoleum of Georgi Dimitrov as lieu de mémoire, in: The Journal of Modern History 78 (2006), 2, pp. 374–411.

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ricity of balkanism, which was shaped as a discourse in the early decades of the twentieth century, but whose genealogy can be traced to patterns of representation from the sixteenth century onward. I thus insisted on the historical grounding of balkanism in the Ottoman period, when the designation Balkan first ­entered the peninsula. Arguably, some aspects of the balkanist discourse grew out of the earlier schism between the churches of Rome and Constantinople, but the most salient aspects emerged from the Ottoman period. The Balkans have a number of different incarnations, which can be roughly grouped into four categories. At its simplest, Balkan is a name: initially, the name of a mountain, used increasingly since the fifteenth century when it first appeared, until the nineteenth century, when it was applied to the peninsula and region as a whole. Balkan is also used as a metaphor. By the beginning of the twentieth century, it became a pejorative, triggered by the events accompanying the disintegration of the Ottoman Empire and the creation of small, weak, economically backward and dependent nation states, striving to modernize. The difficulties of this modernisation process and the accompanying excesses of nationalism created a situation in which the Balkans began to serve as a symbol for the aggressive, intolerant, barbarian, semi-developed, semicivilised, and semi-oriental. It is this use and its present utilisation in the real world of politics – balkanism – that shapes attitudes and actions toward the Balkans. Unlike the Orient, however, the ­Balkans can be addressed as a scholarly category of analysis – a concrete ­geographic region – and in this capacity it is currently most often used as a synonym of Southeastern Europe. Finally, the Balkans can be approached and interpreted through the notion of historical legacy, which is intimately intertwined with the character of the Balkans as a region and, thus, linked to its concreteness. While I have argued elsewhere for the theoretical appropriateness and advantages of the notion of historical legacy, suffice it say here that it is the most appropriate approach to the historicity of regions.11 Historical legacy retains the valuable features of spatiality while simultaneously refining the vector of time, making it more historically specific. Any region can be approached as the complex result of the interplay of numerous historical periods, traditions, and legacies, and of these categories, historical periods are the most straightforward. Tradition and legacy are less so. Yet, while tradition involves a conscious selection of elements bequeathed from the past, legacy encompasses 11 See

especially Maria Todorova: Historische Vermächtnisse zwischen Europa und dem Nahen Osten/ Historical Legacies Between Europe and the Near East. Berlin 2007, reprinted in: Angelika Neuwitrth/Guenther Stock (eds.), Europa im Nahen Osten – Der Nahe Osten in Europa. Berlin 2010.

66   Maria Todorova everything – chosen or not – that is handed down from the past. In this sense, it neither betrays the past nor surrenders it to active meddling. Legacy as an abstract signifier is neutral. For purely cognitive purposes I distinguish between legacy as continuity and legacy as perception. Legacy as continuity is the survival (and gradual decline) of some of the characteristics of the entity immediately before its collapse. Legacy as perception, on the other hand, is the articulation and re-articulation of how the entity is thought about at different times by different individuals or groups. These should not be interpreted as ‘real’ versus ‘imagined’ characteristics: the characteristics of continuity are themselves often perceptual, and perceptions are no less a matter of continuous real social facts. In both cases, the categories designate social facts, which are at different removes from ­experience, but in the instance of perception, the social fact is removed yet a further step from immediate reality. Let me provide two concrete examples from the Balkans and then Eastern Europe at large to illustrate each type of legacy. If we look at the numerous historical periods, traditions, and legacies that shape the Balkans (Southeastern Europe), some overlap and others are completely segregated; some play themselves out in the same geographic space while others involve different macro-regions. These periods and legacies can be classified according to their influence in different spheres of social life. In the religious sphere, one can single out the Christian, Muslim, and Judaic traditions, along with their ­numerous sects and branches; in the sphere of art and culture, the legacies of the pre-Greeks, the Greeks, and numerous ethnic groups that settled the peninsula; in social and demographic terms the legacies of large and incessant migrations, ethnic diversity, semi-nomadism, large egalitarian agricultural sphere, and late urbanisation alongside a constant continuity of urban life. Of the political legacies that have shaped the southeast European peninsula, two can be singled out as crucial before the nineteenth century. One is the Byzantine millennium, with its profound political, institutional, legal, religious, and cultural impact. The other is the half millennium of Ottoman rule that gave the peninsula its name and established its longest period of political unity. The Ottoman elements – or those perceived as such – have contributed to the most current Balkan stereotypes. In the narrow sense of the word, then, one can argue that the Balkans are, in fact, the Ottoman legacy. This legacy is different from the Ottoman polity or the Ottoman period; it is a process that began after the Ottoman Empire ceased to exist, and is the aggregate of characteristics handed down chiefly from the eighteenth and nineteenth centuries. After the First World War, the Ottoman legacy as perception is not a reconstruction, but rather a construction of the past in works of historiography, fiction, journalism, and everyday discourse. The legacy as perception is one of

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the most important pillars in the discourse of Balkan nationalism and displays striking similarities in all Balkan countries. It still figures at the centre of securing present social arrangements, above all legitimising the state, and is bound to be reproduced for some time to come. The countries defined as Balkan have been moving steadily away from their Ottoman legacy, and with this also from their ‘balkanness’. I want to strongly emphasise here that this statement is devoid of any evaluative element. I argue that what we are witnessing today in the geographic Balkans – namely, the eradication of the final vestiges of an historical legacy of ethnic multiplicity and co-existence, and its replacement by institutionalised ethnically homogeneous bodies – may well be an advanced stage of the final Europeanisation of the region, and the end of the historic Balkans and the Ottoman legacy. We can also approach Eastern Europe through this analytical tool. Geographically, Eastern Europe encompasses the Balkans, yet in a politico-historical sense it actually divided the region during the Cold War period. While with a much shorter pedigree than the Balkans, it is also made up of a variety of historical periods, traditions, and legacies some of which overlap, while others were completely segregated; some encompassed the whole region, while others involved only some of the area’s constituent parts. Eastern Europe’s most recent and shortest legacy, communism, is usually neglected, most often by those who insist on the permanence of the previous imperial legacies. It is preposterous to look for a socialist legacy in Eastern Europe: as a political space today, it is the socialist legacy. After the Second World War, its nineteenth-century role as an intermediary space balancing between two centers of political and economic expansion (Western Europe and Russia), which in the interwar period had given way to the function of a cordon sanitaire against bolshevism, had dramatically changed. Pre-1989 Eastern ­Europe as an intermediary space made sense only as a political synonym for Warsaw Pact ­Europe. The moment the socialist period ended, around 1989, it turned into a legacy. Under the rubric of legacy as continuity, the socialist heritage in the political, economic, and social spheres is strikingly similar in all post-communist countries. Therefore, most ‘transitologists’ prefer Eastern Europe as a logical sphere of reference. The socialist legacy as continuity displays different degrees of perseverance in separate spheres and countries but, like any legacy, it is bound to subside after which it will be relegated to the realm of perception. As a long-term process, Eastern Europe is gradually fading away. Integration with the European institutional framework may occur over the next few decades, but in the realm of perception, we are speaking of the discrete experience of two or three generations. Eastern Europe will soon disappear as a category, though attitudes will be more difficult and slow to change.

68   Maria Todorova The state socialist legacy is the latest in a sequence of legacies and became one only after the end of the socialist period in the early 1990s. Unlike the Ottoman legacy, which bears only the characteristics of the last two centuries of Ottoman era, the socialist legacy, because of its relative brevity, reflects the characteristics of the whole period. But the socialist period is itself a subcategory of a larger phenomenon. I am referring to what, depending on the preferred paradigm or terminology, has been defined as the capitalist world economy, the capitalist mode of production, the ‘iron cage’ of capitalist modernity, the age of industrialism, urbanism, modernization, or globalization. For Zygmunt Bauman, capitalism and socialism are “married forever in their attachment to modernity”.12 It is in this light that I introduce a new phenomenon, namely post-communist nostalgia as a specific legacy of the socialist period. It is not as persistent as “balkanism”, nor does it have the same long history. It will arguably go away, but it possesses a similar strong pejorative tinge. Practically all studies of nostalgia start with brief accounts of its history and etymology, but as a concept it has long ago traversed the boundaries of the medical profession and entered the terrain of writers and poets. It has been linked to memory, history, affect; attached to political allegiances and models of consumerism. More importantly, nostalgia is no longer treated as the paradigmatic equivalent of bad memory, as a social disease, the abdication of memory. “Now, nostalgia may be a style or design or narrative that serves to comment on how memory works. Rather than an end reaction to yearning, it is understood as a technique for provoking a secondary reaction.”13 Linda Hutcheon proclaims nostalgia to be “transideological,” something that “can be made to ‘happen’ by (and to) anyone of any political persuasion”.14 For Kathleen Stewart “nostalgia, like the economy, is everywhere. But it is a cultural ­practice, not a given content; its forms, meanings, and effects shift with the context – it depends on where the speaker stands in the landscape of the present.”15 But how about the specific case of post-communist nostalgia? Is it so different from ‘normal’ free-world nostalgia? Media coverage would let us believe this is the case. It consistently treats the phenomenon as a malady. In the conceptual apparatus of journalism and NGO discourse the comparative notions are communism and fascism, or communism and Nazism, not capitalism and 12 Zygmunt

Bauman: Intimations with Postmodernity. London/New York 1992, p. 222. Scanlan: Introduction: Nostalgia, in: Iowa Journal of Cultural Studies 5 (2004): . 14 Linda Hutcheon: Irony, Nostalgia, and the Postmodern, in: Methods for the Study of Literature as Cultural Memory, Stud­ies in Comparative Literature 30 (2000), pp. 189–207. 15 Kathleen Stewart: Nostalgia – A Polemic, in: Cultural Anthropology 3 (1988), 3, p. 227. 13 Sean

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communism, or liberalism (including neo-liberalism) and communism. In such circumstances post-communist nostalgia can be subsumed only (and appropriately) under the Marxist notion of false consciousness.16 To this day there is a pervasive prescriptive or normative quality to much of the research on Eastern Europe: the obsession over Vergangenheitsbewältigung. Indeed, T. G. Ash posits the existence of a new norm of integrity, a DINstandard (i. e. Deutsche Industrienorm) in history writing.17 To counter the moralising and mildly patronising motif, it is not only the East Europeans who are not following this road. It took a whole generation in post Franco Spain after 1975 to reach the climatic moment of opening mass graves in 2000 and putting the issue on the table. And it is enough to evoke the lag of a generation and over two decades for the Germans to begin to come to terms with their legacy, a process which is still not complete.18 Besides, it is not entirely true. Practically all capital cities of Eastern Europe have a monument to the victims of communism, and most have museums, not commemorating but condemning communist rule: from the House of Terror in Budapest to the Occupation Museum in Riga and the Museum of Genocide Victims in Lithuania, the Stasi headquarters in Berlin, and so on. The point here is not to ­explain (or excuse) why Vergangenheitsbewältigung is not a household item in Eastern Europe, but to question the mandatory character of this approach. First and foremost, it is premised on drawing a straight line between Nazism and the comparatively long East European experience, which went through different stages, and displayed amazing geographical varieties. Scholars who do on-the-ground research tend to refrain from big moralizing lectures (although their research contains big moral lessons). A lot of precious studies are already accumulated although not quite yet coordinated.19 What they have 16 See

for example Roger Cohen: Unraveling the Truth from a Painful History, in: International Herald Tribune, May 11th 2005. 17 See Timothy Garton Ash: Mesomnesie, in: Transit. Europäische Revue 22 (2001/2002), pp. 32–48. 18 It also bears mention that in the US a law requiring the disclosure of classified records related to Nazi war criminals was passed only in 1998, but until today the CIA has subverted it by arguing that the law requires disclosure of records only for war crimes, not war criminals, thus effectively blocking information about the agency’s postwar collaboration with former Nazis. In February 2005, the CIA finally agreed to reverse this legal stance and for the first time acknowledged the existence of such relationship (Douglas Jehl: C.I.A. Defers to Congress, Agreeing to Disclose Nazi Records, in: The New York Times, February 7th 2005). 19 See especially the critique of the transitology enterprise: Valerie Bunce: The Political Economy of Postsocialism, in: Slavic Review 58 (1999), 4, Special Issue: Ten Years after 1989: What Have We Learned?, pp. 756–793; id.: Rethinking Recent Democratization: Lessons from the Postcommunist Experience, in: World Politics 55 (2003), 2, pp. 167–192;

70   Maria Todorova come up with is a serious symptomatology.20 Here is a kaleidoscopic and impressionistic overview: A study, carried out by two Polish sociologists, discovered strong symptoms of nostalgia among middle class, middle aged Poles “the social group which is commonly thought to have been the chief beneficiary of the process of market transition”. All opinion surveys report vast majorities of respondents with positive attitudes toward socialism, but since these are scorned in the public discourse and the media, they are subject to self-censorship. The study concludes that the main source of nostalgic attitudes is the merging of economic and social status after the transition: “The ongoing fusion of social and economic status gives those less financially successful a feeling of being deprived of both social position and of economic well being.” More ominous is the other conclusion of the authors that this “is likely to transform itself into a more militant opposition to the principles underlying the transition to market-based economy”.21 Another study on Poland points out that “what people remember about socialism is a pride in production and in their labor, and also a sense of being part of a project that was modern and directed towards the general good. When people speak angrily about Poland being turned into a ‘Third World’ country, their anger is both about economic decline, about what they see as a two-sided coin of dependency and exploitation, and about being transformed not into the (even more modern) capitalist future but back into a pre-socialist past.” This ‘trauma of deindustrialisation’ has brought about alcoholism, drug abuse, homelessness, and the feminisation of poverty. But: rather than a case of collective amnesia or even nostalgia, this should be taken partly as an invocation of a past in order to contrast it with, and thereby criticize, the present. Social memory is selective and contextual. When people evoked the ‘good’ socialist past, they were not denying the corruption, the shortages, the queues and the endless intrusions and infringements of the state; rather, they were choosing to emphasize other aspects: economic security, full employment, universal healthcare and education.22 Thomas Carothers: The End of the Transition Paradigm, in: Journal of Democracy 13 (2002), pp. 5–21; Charles King: Post-Postcommunism: Transition, Comparison, and the End of ‘Eastern Europe,’ in: World Politics 53 (2001), 1, pp. 143–172; Maria Todorova (ed.): Remembering Communism: Genres of Representation. New York 2010. 20 One of the first books specially devoted to the phenomenon is Maria Todorova/Zsuzsa Gille (eds.): Post-Communist Nostalgia. New York 2010. The following text closely follows the introduction to this volume. 21 Barbara Wieliczko and Marcin Zuk: Post-Communist Nostalgia Among the Middle-Aged Middle-Class Poles. Paper presented at the annual meeting of the American ­Sociological Association, Atlanta Hilton Hotel, Atlanta, GA, August  16th  2003: . 22 Frances Pine: Retreat to the Household? Gendered Domains in Postsocialist Poland, in: C. M. Hann (ed.), Postsocialism: Ideals, Ideologies and Practices in Eurasia. London 2002.

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I purposely started out with Poland because of its paradigmatic status as the A-grade transitioning country. Another unlikely, because unexpected, carrier of the affliction is Romania. David Kideckel, in his study on the unmaking of the Romanian working class, describes the alienation of workers who ­decry politicians of all stripes and “see the whole process as designed to keep workers down” (through unemployment, low salaries, deindustrialisa­tion, education toward business, foreign languages etc. rather than engineering and others needed for the industrial work place): Reacting against the increased class divisions and insecurities of neo-capitalism, many workers long for a return to the security and predictability of socialism. Like miners and workers elsewhere in Russia and East-Central Europe, from the best case of the Czech Republic, through war-torn Serbia, to prostrate Russia and Ukraine, declining economic circumstances encourage a turn to socialist nostalgia, nationalist cant or frustrated inaction. In Romania some workers even display portraits of Ceauşescu on lathes, lockers and workbenches. When they are asked what is needed to put Romania right, they say ‘an iron hand’, ‘a sixmonth military dictatorship’, or ‘Hitler, Stalin, and Vlad the Impaler rolled into one’.23

Ruth Mandel has documented striking percentages of the population preferring the old system in Central Asia24, and the Barometer of the New Europe, a 2005 study by the Institute for social research in Budapest, which polled Czechs, Slovaks, Slovenians, Estonians, Bulgarians, Hungarians, Romanians, Poles, Ukrainians, Russians and Byelorussians, found smaller but still significant numbers in Eastern Europe.25 In China, the nostalgia for Mao is not even post-socialist: the regime still claims to be communist, and the rural unrests accost the state for not being faithful to this claim.26 In Bulgaria the traditional response both before and after the fall of communism has been jokes. A popular one is about a woman who sits bolt ­upright in the middle of the night in panic. She jumps out of bed and rushes to the bathroom to look in the medicine cabinet. Then, she runs into the kitchen and opens the refrigerator. Finally, she dashes to the window and looks out into the street. Relieved, she returns to the bedroom. Her husband asks, “What’s wrong 23 David

Kideckel: The Unmaking of an East-Central European Working Class, in: Hann, Postsocialism, p. 124; See also id.: The Undead: Nicolae Ceausescu and Paternalist Politics in Romanian Society and Culture, in: John Borneman (ed.), Death of the Father: An Anthropology of the End of Political Authority. New York 2004, pp. 123–147. 24 See Ruth Mandel, Seeding civil society, in: Hann, Postsocialism, p. 280. 25 More than 60% in Kazakhstan, 27% in Uzbekistan; about 50% in Tajikistan and Kyrgyzstan. The East European polls show about a quarter of the population preferring the old regime, with up to 38% for Bulgaria, 36% for Russia, 31% for Slovakia. Czechs (52%) and Estonians (37%) seems to be the most satisfied with present arrangements. See Standart, March 10th 2006: . 26 See Joseph Kahn: A sharp debate erupts in China over ideologies, in: The New York Times, March 12th 2006; Geremie Barmé: On Contemporary Chinese Culture. New York 1999.

72   Maria Todorova with you?” “I had a terrible nightmare”, she says, “I dreamed we could still afford to buy medicine, the refrigerator was absolutely full, and the streets were safe and clean.” “How is that a nightmare?” the husband asks. The woman shakes her head, “I thought the communists were back in power.” The joke captures nicely the ambivalence of attitudes toward the communist past. It has been asserted that the nostalgic discourse is binary by definition, with the past always depicted as better.27 This is certainly not the case in Eastern Europe. Even the polls reflecting the positive attitudes are most often ­responses to questions of the type: ‘What predominated: the good or bad parts of the system?’ ‘Would you evaluate the past in extremely negative, moderate or even positive terms?’ Ivan Klima, the great Czech novelist, told United Press International in an interview that “Nobody is nostalgic for the Stalinist era but many old people are nostalgic for their youth. They miss the security of communist times when they knew they would get a pension they could live off, prices were stable and they couldn’t lose their flats or their jobs.”28 Klima shook off the phenomenon apologetically, by confining it exclusively to an ­aging and passive minority, but given the stereotypes expected in the western press, this is understandable. What he could have said is that the longing for security and stability often leads people toward stupidity but it is not a stupid longing. In Yugoslavia, a recent study on self-organised choirs who sing partisan and labor songs, insists on the refusal of nostalgia: “We are not nostalgic, we merely believe in values such as solidarity, faithfulness to one’s beliefs, bravery and valor.” This refusal of nostalgia is a response to the dominant discourses, in which any positive attitude toward the social or cultural life in socialist Yugoslavia is given the label of Yugo-nostalgia, and is delegitimised as irrational, unpatriotic, reactionary and immoral. It is doubly buttressed through a European discourse, insisting on the post-socialist inability to practice ‘Europeanness’. Although the values on which they insist – such as antifascism, solidarity, workers’ and human rights – are essentially European and universal, this double delegitimization makes it impossible to make an equation between socialist (Yugoslav) and universal (European) values.29

27 See

Mitja Velikonja: Tistega lepega dne: Značilnosti sodobnega nostalgičnega diskurza, in: Balcanis 5 (2004), pp. 12–16; id.: Titostalgia. A Study of Nostalgia for Josip Broz. Ljubljana 2008. 28 Gareth Harding: East Europe’s communist Nostalgia, in: The Washington Times, August 11th 2004. 29 See Tanja Petrović: Political Dimension of Post Socialist Memory Practices. Self-Organized Choirs in the Former Yugoslavia, in: Südosteuropa 59 (2011), 3, pp. 315–329.

Nostalgia – the reverse side of Balkanism?   73

Kristen Ghodsee has convincingly analysed the gendered consequences of emerging capitalism. While women’s experiences in any society are mixed, she shows that in Bulgaria but also in other East European countries, women are more likely to be represented in leftists and centrist parties (Green, ­liberal, socialist, and communist, rather than in right-wing ones (people’s parties, Christian parties, etc.).30 And it is not only the longing for security, stability and prosperity. There is also the feeling of loss for a very specific form of sociability, and of vulgarisation of the cultural life. Above all, there is a desire, among the ones who have lived through communism, even when they have opposed it or were indifferent to its ideology, to invest their lives with meaning and dignity, not to be thought of, remembered, or bemoaned as losers or ‘slaves’. Lastly, there is a new phenomenon: the tentative but growing curiosity among the younger generation. But let us ask a few analytical questions: 1. Who is speaking or performing nostalgia? After all, none of the subjects of nostalgia, the ones who are producing its artifacts and who are identified as its agents, define it as nostalgia. Nostalgia or “post-communist” nostalgia is an ascriptive term, and when it is used, mostly in journalistic accounts, it had a strong tinge of censure. It continues to be avoided as a self-description. But the obvious analytical parameters should follow divisions such as rural-urban; different generation clusters, especially within the generations having the lived experience of the system; the pronounced gender differences; and political orientation. 2.  What does nostalgia express? What is its content? It was already pointed out that there are the elements of disappointment, social exhaustion, economic re-categorisation, generational fatigue, quest for dignity, but also an activist ­critique of the present using the past as a mirror, irony, alongside a purely consumerist aesthetics not much different from the one that we see in the West.31 Can we offer a typology of post-communist nostalgia, one that is also sufficiently discriminating between regional and national differences? After all, the communist experience was diverse enough to produce different post-communist responses despite the systemic similarities. There is the post-communist nostalgia with a certain tinge of imperial or colonial nostalgia (the case of the USSR and even Yugoslavia). Svetlana Boym introduces the distinction between re30 See

Kristen Ghodsee: Red Nostalgia? Communism, Women’s Emancipation, and Economic Transformation in Bulgaria, in: L’Homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft 15 (2004), 1, pp. 45–46. 31 Rainer Gries: ‘Hurrah, I’m Still Alive!’ East German Products Demonstrating East German Identities, in: Sibelan Forrester/Magdalena Zaborowska/Elena Gapova (eds.), Over the Wall/After the Fall. Post-Communist Cultures Through an East-West Gaze. Bloomington 2004, pp. 181–199.

74   Maria Todorova storative nostalgia which is about truth and tradition, whereas reflective nostalgia, ironic and ambivalent, calls absolute truth into doubt. One could also distinguish between restorationist (in the sense of the desire to restore the past) and curative nostalgia.32 3. What are the spheres of life and particular genres in which nostalgia is expressed? How much is it censured and selfcensured? Here we have everything in the oral domain from casual conversations to scholarly interviews, formal genres, from song and literature to film, monumentalisation (the proliferation of theme parks, sculpture gardens and museum exhibits) and celebrations. How we document nostalgia, how we analyse and represent it – with what kinds of analytical tools and within what kinds of narrative or other genres? And most importantly, do we consider this a phenomenon solely East European? As Dominic Boyer lately warned us “post-1989 Western European obsession with Eastern Europe’s obsession with the past must be understood as an anxious lateral signal that the pastness of Eastern Europe can no longer be taken for granted”.33 I have tried to elaborate here on the heuristic qualities of the concept of historical legacies for general historical analysis. Thinking in terms of histo­ rical legacies – characterised by simultaneous, overlapping, and gradually waning effects – allows us to emphasise the complexity and plasticity of the historical process. In the case of the Balkans and Eastern Europe, it allows us to rescue the region from a debilitating diachronic and spatial ghettoisation, and insert it into multifarious cognitive frameworks over space and time. ­Europe, in this vision, emerges as a complex palimpsest of differently shaped entities, which not only exposes the porosity of internal frontiers, but also questions the absolute stability of external ones. In this respect, the task for balkanists and East Europeanists consists not so much of “provincialising” Europe but of “de-provincialising” Western Europe, which has heretofore expropriated the category of Europe with concrete political and moral consequences. If this project is successful, we will actually succeed in taking up the challenge posited by Dipesh Chakrabarty by “provincialising” Europe effectively for the rest of the world, insofar as the European paradigm will have broadened to include not only a cleansed abstract ideal and version of power, but also one of dependency, subordination, and messy struggles.34 And with this, we will have succeeded in re-imagining Eastern Europe in a dignified way.

32 Svetlana

Boym: The Future of Nostalgia. New York. 2001. Boyer: From Algos to Autonomos. Nostalgic Eastern Europe and Postimperial Mania, in: Todorova/Gille, Post-Communist Nostalgia, p. 23. 34 Dipesh Chakrabarty: Postcolonial Thought and Historical Difference. Princeton 2000. 33 Dominic

Taja Vovk van Gaal/Constanze Itzel

The House of European History project in Brussels Introduction The present article elaborates on the state of play of the development of the permanent exhibition on European history in the House of European History in Brussels. Given the fact that the present contribution was made at an early stage in the content development process, the article cannot define in detail the role attributed to Eastern Europe in the future permanent exhibition. However, it sets out some of the main parameters according to which the content is being developed.

I  The first concept The idea to create a House of European History was first launched by the former European Parliament President Hans-Gert Pöttering in the inaugural speech for his mandate in February  2007. Following this initiative, a first ­concept, called the “Conceptual Basis for a House of European History”1, was elaborated by a committee of renowned historians and experts from various European countries in 2008 and approved by the European Parliament’s Bureau. According to this concept, the House of European History will be a modern exhibition, documentation and information centre. […] The permanent exhibition in the House of European History, the centrepiece of the new institution, will consist of displays covering a floor area of up to 4000 m² focusing on European history from the First World War to the present day. Further, smallerscale surveys on the roots of the continent and the medieval and modern periods will be needed in order to enable visitors to gain a better understanding of the present and the ­future. […] The House of European History will prepare temporary and travelling exhibitions, and the latter above all will offer a means of reaching people in all parts of Europe and beyond.2

1

Conceptual Basis for a House of European History. Brussels 2008: . 2 Ibid., p. 7.

76   Taja Vovk van Gaal/Constanze Itzel The exhibitions will be based on a future own collection of objects. Events and educational programmes will follow the content of the exhibitions and help to communicate them among a varied public. Ultimately, the House of European History should become a participative platform for learning, reflecting and debating, which will connect institutions dealing with European history. Following the approval of the “Conceptual Basis” by the European Parliament’s Bureau, a building was found in the attractive Leopold Park in the immediate neighbourhood of the European institutions in Brussels. The building was erected in 1934-1935 with a donation from George Eastman, the founder of Kodak, in order to host a dental clinic for poor children. With a view to transforming this building into an attractive and welcoming exhibition building according to the latest standards, an architectural competition was organised. Renovation works are scheduled to start in 2012.

II  Envisaging an institution on European history In a European museum landscape which today counts thousands of museums, big and small, public and private, about almost every possible subject, creating a museum on European history has been in discussions for some time. As early as 1977, the European Commission developed a scheme aiming to incite selected museums in the then Member States of the European Communities to set up so-called “European rooms”. The idea was to establish a network of about 60 museums across Europe which would present their ­local and regional history in a new European context. Only one such “European room” was actually opened, in Norwich in the United Kingdom, in 1980. Discussions and initiatives to create an institution presenting the history of Europe continued. The House of European History develops in a context of lively interest for exhibiting and collecting Europe and for transforming ­national museums across Europe.3 The well-known museologist Kenneth Hudson commented in 1997: “A ­single museum to include and represent European civilisation is to be seen. It 3

See for example the ‚Musée de l‘Europe‘ project, see: ; or the project on “Exhibiting Europe” carried by the Research Council of Norway hosted by the Norwegian University of Science and Technology in collaboration with the Institute for European Ethnology of the Humboldt University, and the Centre for European and International Studies Research at the University of Portsmouth: ; see also the EUfunded project “European National Museums: Identity Politics, the Uses of the Past and the European Citizen” (EUNAMUS): .

The House of European History project in Brussels   77

would need to be shaped by a genius, not by a committee. Large size would be enemy. Any attempt to produce an encyclopaedia would be disastrous… One thing is certain, that whether the eventual product is a Museum of ­Europe or a network of ‘European Rooms’, it must be centred on objects, not on photographs and texts.”4

III  Working towards a permanent exhibition on ­European history – not an easy task Being put in front of the task of creating the content for the House of European History, one can only agree with Kenneth Hudson that the aim cannot be to attempt producing an encyclopaedia. The reason for this is not only the impossibility to be comprehensive on such an enormous and complex topic as European history, but also, more importantly, the fact that visitor needs must be at the heart of the project. In terms of its target audience, the House of European History is aimed at people of all age groups and of all walks of life. It must be assumed that the typical visitor will have no comprehensive knowledge of the topics presented. Furthermore, many visitors will have to be able to grasp the main messages of the exhibition within a limited amount of time. Finally, the exhibition will have to be understandable in at least 24 different languages. Therefore, the main challenge is to present an extremely complex topic in an easily understandable way but which at the same time is appealing to different age groups and to specialists as well as laymen. This has to be achieved by using the latest museological methods in order to ­arrive at a layered presentation, which will allow visits at different levels of depth and at different paces. Given the complexity of the topic, one understands the irony in Kenneth Hudson’s words that the museum “should be shaped by a genius, not by a committee”. The decision of the European Parliament to bring together a team of historians and museologists as well as museum practitioners from different European countries to secure an interdisciplinary approach from the beginning of the project seems to be the only possible way to achieve a coherent, co-produced and processed narrative combining a variety of different viewpoints from across Europe. An interdisciplinary team consisting of historians, art historians, an archaeologist, an architect, museologists and administrators has been recruited and have taken up work over the course of the first half of 2011. They come from 13 different countries, from Eastern, Western, North4

Personal Archive of the author.

78   Taja Vovk van Gaal/Constanze Itzel ern and Southern parts of the continent, speak a large number of European languages, have strong and wide networks in different fields, the necessary theoretical knowledge and practical museum experiences. They are advised in their task by an Academic Committee composed of respected scholars from different European countries and chaired by Włodzimierz Borodziej. Conceiving a historical exhibition on European history in an international team is a unique task. Practical challenges have to be overcome, with some of the most obvious ones being to work together in a foreign language, to agree on a common terminology for various historical and museological terms whose respective meaning has been shaped by different national traditions, to read historical literature in a variety of languages, to overcome the restraints of a Western perspective, to leave behind national historiographical paradigms and to arrive at transnational views on historical processes, to name but a few. While the team has grown together and developed strong ways of cooperating and of consulting each other in order to make sure that every topic will be the result of ‘European team-work’, and while academic accuracy is one of the core values underlying the work, the team is aware that the exhibition being produced is the product of the time and circumstances and composition of the team. As was put by Jeanne Cannizzo, “there is nothing natural about ­museums, their collections, or the way in which those objects are presented to us. For museums are always fictional in that they are always created or constructed by us, in a particular set of social and historical circumstances; they are negotiated realities.”5 This holds particularly true for this exhibition, which cannot rely on uncontested commonly agreed historical interpretations, on strong traditions of commonly shared memories, or on clearly defined iden­ tities, simply because its scope transcends national, regional and local boundaries. The Academic Project Team would like the future visitors to the House of European History to be aware of the relativity of this – and, as it were, of other – historical interpretations. Furthermore, the existence of memory conflicts cannot be totally ignored. Therefore, the permanent exhibition will contain some points in which the visitor will be invited to take a step back and reflect on the diversity of historical interpretations and of memories on a certain topic. Thus, the visitor will be invited to reflect upon and to debate different perceptions of historical events. 5

Jeanne Cannizzo: Negotiated Realities. Toward an Ethnography of Museums, in: Gerald L. Pocius (ed.), Living in a Material World. Canadian and American Approaches to Material Culture. St. Johns, Newfoundland 1991, pp. 19–28, here p. 20.

The House of European History project in Brussels   79

IV Basic features of the future permanent exhibition narrative While it is too early to describe in detail the content of the future permanent exhibition, some basic features can be set out at present. The House of European History will offer a transversal and multifaceted perspective on European history and the unfolding of the European unity, with a focus on the 20th and 21st centuries. As stated in the “Conceptual Basis”, the permanent exhibition will not portray the individual histories of Europe’s states and regions one after another, but will instead focus on European phenomena.6 Defining these phenomena of European importance for the exhibition has been one of the first tasks of the Academic Project Team. Following a first reflection on the borders of the space to be treated, the Academic Project Team has taken the decision, supported by the Academic Committee, that in the face of lacking agreements on the political and geographical borders of Europe, the permanent exhibition will be based on a rather pragmatic approach, defining the ‘borders’ of the geographical space treated in certain ­exhibition areas with respect to the subject in that area. Countries at the margins or outside of Europe will be included in the exhibition narrative where their role in history is judged important for the exhibition section concerned. The aim is, therefore, to take into account developments on the whole continent. It is important to avoid a Western perspective, not to forget peripheral regions, and to incorporate views on Europe from the ­outside. On the ‘Europeanness’ of historical events, the Academic Project Team has developed three criteria: 1) A process, event or development should have originated in Europe; 2) It should have been spread over Europe at a certain time; 3) It should still be of relevance today. These criteria have helped to arrive at a list of topics for the permanent exhibition, which have then been arranged in an exhibition narrative consisting of five main themes. The five main themes are arranged in a chronological order, but also give the possibility of exploring individual topics thematically with flashbacks to the past. This approach will be further complemented by different layers of chronology (e.g. through focus years and timelines). Each theme is subdivided in topics and subtopics. Each of the themes is intended to have a distinct character, allowing for a multifaceted visit to be experienced with all senses. In addition, the themes will be vertically connected among each ­other by different means, be they linked to the content or to ways of presentation. As a mat6

Conceptual Basis for a House of European History. Brussels 2008, p. 8: .

80   Taja Vovk van Gaal/Constanze Itzel ter of example, chronological elements and thematic connections will help the visitor to find his way in the chronology of the exhibition and to add dates, events and places of European importance to his or her mental map. By constituting a reservoir of European memory, the House of European History aims to invite visitors to explore the shared past and the diverse experiences of European people. It will seek to engage visitors in discovering different points of view and common ground in European history. As such, it strives to become a meeting point for people of all generations and walks of life.

Pawel Machcewicz

„Museum statt Stacheldrahtverhaue“ Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig* Zur Entstehungsgeschichte des Museums Das Museum des II. Weltkriegs in Danzig wird im September 2014 eröffnet. Die Entstehungsgeschichte dieser Einrichtung beginnt gewissermaßen mit ­einem Artikel, der im November 2007 in der „Gazeta Wyborcza“, der größten polnischen Tageszeitung, erschien.1 Darin befasste ich mich mit den deutschpolnischen Auseinandersetzungen um die jüngste Vergangenheit, die in den Jahren zuvor mit zunehmender Vehemenz geführt worden waren. Im Zen­ trum dieser Diskussionen stand die Aussiedlung bzw. Vertreibung der Deutschen aus Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. Nicht nur die Aktivitäten Erika Steinbachs und des Bundes der Vertriebenen wurden an der Weichsel sehr kritisch beobachtet, sondern ebenso ein breiteres Phänomen, das aus polnischer Perspektive als zunehmende Konzentration der deutschen öffentlichen Meinung auf die Leiden der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit erschien. Beispiele dafür sind die Beschäftigung mit den Opfern der Flucht vor der Roten Armee (die Geschichte des KdF-, Lazarett- und Flüchtlingsschiffes „Wilhelm Gustloff “ war Thema in Günter Grass’ Buch Im Krebsgang 2002, aber auch in dem vieldiskutierten Fernsehfilm Die Gustloff, der im März 2008 von ZDF und ORF ausgestrahlt wurde), den Opfern der alliierten Bombenangriffe oder der „Vertreibung“ der Deutschen nach Kriegsende. In Polen wuchs die Befürchtung, dies könnte auf deutscher Seite zu einer Revision des Bildes vom Zweiten Weltkrieg führen, nämlich hin zu einer hervorgehobenen Darstellung der deutschen Leiden auf Kosten der Darstellung der deutschen Schuld. Besonders der Aspekt der „Vertreibung“, der zudem Gegenstand einer vor allem vom Bund der Vertriebenen lancierten neuen Museums- und Forschungseinrichtung in Berlin sein sollte, stieß in Polen auf heftige Ablehnung.2 *

Aus dem Polnischen übersetzt von Saskia Herklotz. Paweł Machcewicz: Muzeum zamiast zasieków, in: Gazeta Wyborcza, 08. 11. 2007. 2 Im Jahr 2000 wurde vom Bund der Vertriebenen die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ gegründet, vgl. . 2005 wurde in der Koali­tions­ vereinbarung von CDU, CSU und SPD die „gesellschaftliche wie historische Aufarbei1

82   Paweł Machcewicz In dieser Angelegenheit herrscht in Polen ein breiter, milieu- und parteienübergreifender Konsens, was in einem ideell und politisch so stark polarisierten Land eine bemerkenswerte Ausnahme darstellt. „Die Auffassung, die Zwangsaussiedlungen ließen sich innerhalb der Geschichte des 20. Jahrhunderts als ein eigenständiges Problemfeld betrachten, wird auf polnischer Seite seit Jahren in Frage gestellt“, schrieb ich in der ­Gazeta Wyborcza. Dadurch würden sie aus dem Kontext des Zweiten Weltkriegs, der deutschen Aggression und der deutschen Verbrechen herausgelöst, ohne die es die Umsiedlungen aber überhaupt nicht gegeben hätte. Jedoch sehen zahlreiche deutsche Historiker und Medien, auch solche, die die Position Steinbachs und der Vertriebenenverbände in keiner Weise teilen, die Vertreibung der Deutschen nur als Teil einer langen Reihe von ethnischen Säuberungen und Zwangsaussiedlungen, die in Europa nach den Balkankriegen 1912–1913 begann und deren gegenwärtige Erscheinung die gewaltsamen Übergriffe und Vertreibungen nach dem Zerfall Jugoslawiens sind. Als das größte Übel erscheint in dieser Auffassung der Nationalstaat, der Minderheiten eliminiert, wobei das heutige Verständnis der Menschenrechte die Grundlage für die Bewertung und Verurteilung einer solchen Politik bildet. Dieser Logik folgend, hätten die Polen mit der Vertreibung der Deutschen die Errichtung eines homogenen Nationalstaats realisiert, sie wären somit Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen gewesen, zugleich aber auch Täter, die unschuldigen Deutschen Leid zufügten. Vergleichbar den Serben, die Verbrechen an den Bosniern und Albanern begingen. […] Eine solche Perspektive verformt aber nicht nur das allgemein anerkannte Bild von den historischen Ereignissen, sondern sie relativiert auch – nicht direkt, vielmehr durch einen ganz bestimmten Blickwinkel auf das 20. Jahrhundert – die Außergewöhnlichkeit der Erfahrungen sowohl des Zweiten Weltkriegs wie auch der Totalitarismen. Aber das ihnen innewohnende absolute Böse und die von ihnen begangenen Verbrechen lassen sich eben nicht logisch in eine Reihe stellen mit den Balkankriegen, dem Zerfall Jugoslawiens oder einem – wie umfassend und kritisch auch immer – verstandenen Nationalstaat und seiner Unterdrückung der Minderheiten.3

Da aber Proteste auf polnischer Seite die Entstehung der in Berlin geplanten Museums- und Bildungseinrichtung zum Thema der „Vertreibungen“ ohnehin nicht verhindern würden, plädierte ich stattdessen für die Darstellung der eigenen, polnischen Erzählung des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen. Die geeignetste Form dafür wäre, so meine Argumentation, die Gründung eines Museums des Zweiten Weltkriegs in Polen. Ein solches Museum könnte Eurotung von Zwangsmigration, Flucht und Vertreibung‘“ festgeschrieben. In Berlin sollte ein „sichtbares Zeichen“ gesetzt werden, um „an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibung für immer zu ächten“. 2008 wurde am Deutschen Historischen Museum die unselbständige „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gegründet und der Aufbau eines Ausstellungs-, Dokumentations- und Informationszentrums im Berliner Deutschlandhaus beschlossen. Dem Stiftungsrat wurde im Oktober 2010 ein „Eckpunkte­ papier“ zur Arbeit der Stiftung und zur geplanten Ausstellungskonzeption vorgelegt, das der Perspektive Flucht und Vertreibung in Europa im 20. Jahrhundert zumindest in ­Teilen folgt. Vgl. . 3 Machcewicz, Muzeum zamiast zasieków.

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   83

pa und der Welt die Gesamtheit der Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs vor Augen führen, unter besonderer Berücksichtigung Polens und der übrigen Länder Mittel- und Ost-Europas, deren besonderes Schicksal in Westeuropa und in den Vereinigten Staaten kaum bekannt ist. Da ein solches Museum nicht nur an Polen und Deutsche, sondern an alle Europäer und potentiell auch an Besucher aus anderen Kontinenten gerichtet wäre, ginge seine Bedeutung über die rein deutsch-polnischen historischen Diskussionen natürlich weit hinaus. Dieses Postulat hatte ich bereits in den Jahren zuvor wiederholt formuliert und vertreten: Es gelte, den Versuch zu unternehmen, die Erinnerung des „alten Europas“ zu erweitern. Dieses hatte sich in den Jahrzehnten der Teilung nie allzu sehr für die komplizierte Geschichte der Völker auf der anderen Seite des „Eisernen Vorhangs“ interessiert, die sich nach dem Ende des Krieges unter sowjetischer Herrschaft befanden und deren Kriegserfahrungen sich kaum in die gewohnten Vorstellungen der Westeuropäer einpassen ließen. Wie aber die in den letzten Jahren zunehmenden internationalen Kontroversen um die Bewertung der Ereignisse im Zeitraum 1939–1945 und ihre Folgen eindrücklich gezeigt ­haben (die nicht nur zwischen Polen und Deutschland, sondern u. a. auch zwischen Polen und Russland geführt wurden), stellt der Zweite Weltkrieg immer noch die zentrale, prägende Erfahrung der europäischen Völker dar, ohne die sich weder die Entwicklungen der folgenden Jahre und Jahrzehnte noch die unmittelbare Gegenwart begreifen lassen. Mein Artikel in der Gazeta Wyborcza erschien wenige Wochen nach den polnischen Parlamentswahlen im Oktober 2007. Mit dem folgenden Regierungswechsel von „Recht und Gerechtigkeit“ (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) zur „Bürgerplattform“ (Platforma Obywatelska, PO) verband ich die Hoffnung auf Veränderungen in vielen Bereichen, etwa im Bereich der historischen und politischen Bildung. Nicht zuletzt hoffte ich auf eine Überwindung des Stillstands in den deutsch-polnischen Beziehungen, die von den Kontroversen um die Vergangenheit in den vorangegangenen Jahren schwer belastet waren. Die schnelle und positive Reaktion überstieg jedoch meine Erwartungen. Schon kurze Zeit nach Erscheinen des Artikels in der Gazeta Wyborcza bat mich Wojciech Duda, Chefredakteur der angesehenen Zeitschrift „Przegląd Polityczny“ und seit kurzem Berater des neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk, meine Vorschläge zu erläutern und weiter auszuführen. Daraufhin beschrieb ich sehr ausführlich und detailliert die notwendigen Schritte zum Aufbau eines solchen Museums. Diesen Entwurf stellte Ministerpräsident ­Donald Tusk während eines Besuchs in Berlin im Dezember 2007 der Öffentlichkeit vor. Auf Bitte Wojciech Dudas und Tomasz ­Arabskis, des Chefs der Kanzlei des Ministerpräsidenten, arbeitete ich diesen ersten Entwurf in den

84   Paweł Machcewicz folgenden Monaten weiter aus und entwarf dabei auch eine erste Konzeption der Dauerausstellung. Schließlich wurde mir vorgeschlagen, das Amt des ­Bevollmächtigten des Ministerpräsidenten für das Museum des Zweiten Weltkriegs zu übernehmen. Diesem Vorschlag stimmte ich nach einigen Wochen Bedenkzeit zu. Die feierliche Amtsein­führung fand am 1. September  2008 statt, an einem Tag also, der für eine Institution, die die Geschichte des Zweiten Weltkriegs erzählen wird, von symbolischer Bedeutung ist.

Die Museumskonzeption Noch vor der offiziellen Gründung des Museums im Dezember 2008 waren die programmatischen und konzeptionellen Vorarbeiten abgeschlossen. Diese mündeten in den „Entwurf einer Museumskonzeption für das Museum des Zweiten Weltkriegs“, den ich gemeinsam mit Piotr M. Majewski, einem Historiker an der Universität Warschau, verfasste. Von Anfang an gingen wir davon aus, dass die Gründung eines so bedeutenden Museums von einer öffent­lichen Debatte begleitet sein sollte. Den Entwurf der Museumskonzeption erhielten daher herausragende polnische Experten für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Auf unsere Bitte hin unterzogen sie das Eckpunktepapier während ­eines Treffens in Warschau im Oktober 2008 ­einer kritischen Bewertung. Der Entwurf wurde anschließend im „Przegląd Polityczny“ veröffentlicht und kann auch auf der Internetseite des Museums eingesehen werden.4 Im Folgenden stelle ich daher nur kurz die wichtigsten Punkte der Museums­konzeption vor. Die Wahl Danzigs als Sitz des zukünftigen Museums des Zweiten Weltkriegs bedarf angesichts der historischen Bedeutung dieser Stadt wohl kaum einer Erläuterung. In der Ersten Republik (die von 1569 bis zu den Teilungen Polens Ende des 18. Jahrhunderts bestand) war Danzig eine blühende Handelsstadt von europäischem Rang, in der Angehörige zahlreicher europäischer Nationen lebten, darunter Polen, Deutsche, Holländer und ­Juden. Nach dem Ersten Weltkrieg stand die Freie Stadt Danzig als teilsouveräner Freistaat unter der Aufsicht des Völkerbundes zwischen Deutschland und Polen. Bei den demokratischen Senatswahlen 1933 kamen in Danzig die Nationalsozialisten 4

Paweł Machcewicz/Piotr M. Majewski: Muzeum II Wojny Światowej – zarys koncepcji programowej, in: Przegląd Polityczny 91/92 (2008), S. 46–51. In derselben Ausgabe wurde auch die Diskussion der Historiker abgedruckt: Wokół idei Muzeum II Wojny Światowej. Zapis dyskusji, in: ebd., S. 52–62; sowie ein Text des herausragenden Historikers Krzysztof Pomian: Muzeum pojednania, in: ebd., S. 62–65. Vgl. auch die Website des Museums: .

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   85

an die Macht. Ab Herbst 1938 war die Wiedereingliederung Danzigs in das Reich eine der Hauptforderungen Hitlers, deren Ablehnung seitens der polnischen Regierung schließlich mit zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte. Mit dem deutschen Angriff auf die polnischen Stellungen auf der Halbinsel Westerplatte im Danziger Hafen nahm auch der Zweite Weltkrieg in Danzig seinen Anfang. Die Repressionen gegen die ­polnische Bevölkerung begannen in Pommerellen unmittelbar nach Kriegsausbruch und verliefen dort außergewöhnlich brutal. Bereits am 2. September  1939 wurde 27 Kilometer von Danzig entfernt das Konzentrationslager Stutthof errichtet, dessen erste Häftlinge Polen aus Danzig waren. Noch im Herbst 1939 begannen die Zwangsaussiedlungen der polnischen Bevölkerung aus Pommern. Im Jahr 1945 wiederum waren Danzig, das nahegelegene Gdingen und das gesamte Hinterpommern einer der Hauptschauplätze der Flucht der deutschen Bevölkerung vor der Roten Armee – hier begannen die Fahrten der Flüchtlingsschiffe wie der „Wilhelm Gustloff “, der „Steuben“ und der „Goya“. Die Stadt Danzig wurde während der Belagerung durch die Rote Armee und in den ersten Tagen nach der Eroberung weitgehend zerstört (große Teile der Stadt lagen buchstäblich in Schutt und Asche, die Kriegsschäden sind bis heute deutlich sichtbar). Kurz nach Kriegsende begann die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung, gleichzeitig mit der Ankunft der ausgesiedelten Polen aus den alten ­ostpolnischen Gebieten jenseits der neuen Grenzlinie entlang des Bugs, die nun von der Sowjetunion an­nektiert worden waren. In den 1970er und 1980er Jahren war Danzig eine der Hochburgen der Proteste gegen die kommunis­ tische Diktatur; die Solidarność, die große polnische Volksbewegung, wurde in der Danziger Lenin-Werft gegründet. Somit kann man Danzig und Pommerellen mit voller Berechtigung als eine Region bezeichnen, in der un­ gewöhnlich viele bedeutende und dramatische Ereignisse der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben. Die Dauerausstellung des Museums gliedert sich in mehrere große thematische Blöcke. Der erste befasst sich mit der Genese des Zweitens Weltkriegs. Der Begriff der Genese ist dabei bewusst weit gefasst, im Mittelpunkt steht die Darstellung der Kräfte, die eine Revision der Versailler Nachkriegsordnung anstrebten. Nationalsozialismus, italienischer Faschismus, Kommunismus und japanischer Imperialismus trugen wesentlich zur Brutalisierung der europäischen Politik und des öffentlichen Bewusstseins bei. Dadurch ebneten sie den Weg in den Zweiten Weltkrieg, den sie auf verbrecherische Art und Weise führten, unter vollständiger Missachtung des Völkerrechts und auf menschenverachtende Art und Weise – auch gegenüber der eigenen Bevölkerung. Dargestellt wird die Expansion der totalitären Regime, insbesondere die der Passivität der westlichen Demokratien geschuldeten Erfolge Hitlers, der sich mit

86   Paweł Machcewicz seinen Forderungen wiederholt international durch­setzen konnte. Bereits an diesem Punkt der Ausstellung wird auch der „Vernichtungs-“Charakter von Nationalsozialismus und Kommunismus eindrücklich vor Augen geführt, die die Zielsetzung verfolgten, tatsächliche oder imaginierte Feinde auszulöschen, und die im Vorgehen gegen als feindlich oder unerwünscht angesehene ­Gruppen jegliche Grenzen überschritten. Gezeigt wird weiterhin, wie die tota­ li­tären Regime bei der Außerkraftsetzung der Versailler Nachkriegsordnung zusammen arbeiteten, und zwar nicht nur einander ideologisch nahestehende Regime wie Faschismus und Nationalsozialismus, sondern auch solche, die einander feindlich gegenüber standen. Daher finden sich an dieser Stelle Informationen zur deutsch-italienischen Intervention während des spanischen Bürgerkriegs, dem „Stahlpakt“ und dem Berliner Vertrag ebenso wie Informationen zum Ribbentrop-Molotow-Pakt und seinen Folgen. In diesem Kontext sollte das Museum die Parallelität der deutschen und der sowjetischen Repressionen gegen die Bevölkerung Polens in den Jahren 1939–1941 deutlich hervorheben. Dass in diesem Teil der Ausstellung die Kooperation zwischen National­ sozialismus und Kommunismus dargestellt wird, bedeutet aber keine Gleich­ setzung dieser beiden Regime. Vielmehr will sich das Museum aus der – im Grunde unlösbaren oder sogar nutzlosen – Kontroverse heraushalten, welches der beiden Systeme verbrecherischer war und warum. Die moralische Verurteilung der kommunistischen ebenso wie der nationalsozialistischen Verbrechen ist also keinesfalls mit einer antideutschen oder antirussischen Haltung der Ausstellung gleichzusetzen. Das Museum wird den entscheidenden Beitrag der UdSSR zum Sieg über das Dritte Reich würdigen und an die Leiden der sowjetischen Bevölkerung während des Krieges erinnern (so kamen bei der Belagerung Leningrads durch das Dritte Reich und seine Verbündeten ca. 1 Million Zivilisten durch Hunger und Kälte um, in deutscher Gefangenschaft verloren ca. 3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene ihr ­Leben). Der wichtigste Themenblock der Ausstellung befasst sich mit individuellen Schicksalen. Der Krieg wird anhand der Erfahrungen von Soldaten, Kriegs­ gefangenen, Häftlingen, Zwangsarbeitern, aber auch Frauen, Kindern und männlichen Zivilisten gezeigt. Diese universelle Darstellung ist für alle Besucher unabhängig von ihrer jeweiligen Nationalität verständlich, auch spiegelt diese von Grund auf pazifistische Perspektive die Leitideen des ­Museums wider. Angesichts des Umfangs und der Komplexität der darzustellenden Ereignisse müssen aber einige Aspekte besonders hervorgehoben werden. Der wichtigste Aspekt ist der verbrecherische Charakter des Zweiten Weltkriegs: Ziel der Kriegsführung der totalitären Staaten war die Vernichtung ganzer Staaten und der unterworfenen Völker. Die Ausstellung wird nach­

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   87

vollziehbar dokumentieren, dass die Wehrmacht seit Kriegsbeginn eindeutig ­gegen die Zivilbevölkerung gerichtete Maßnahmen ergriff, wie den Beschuss von Flüchtlingskolonnen, terroristische Bombenangriffe (u. a. auf Wieluń und Warschau, später auf Rotterdam, Coventry und Belgrad), die Ermordung von Juden, die willkürliche Erschießung von Zivilisten und Kriegsgefangenen. In diesem Teil der Ausstellung dürfen die Verbrechen der Roten Armee nicht unerwähnt bleiben (etwa die Ermordung Tausender polnischer Kriegsgefangener in Katyń und anderen Orten im Jahr 1940). Erst vor dem Hintergrund der verbrecherischen Kriegsführung des Dritten Reiches sind die Beweggründe für und das Ausmaß der alliierten Bombenangriffe auf Deutschland und Japan verständlich, daher werden auch diese Ereignisse in der Ausstellung berücksichtigt. Einer der wichtigsten Aspekte in der Darstellung des verbrecherischen Charakters des Krieges ist ohne Zweifel der Holocaust. Da sich jedoch weltweit bereits zahlreiche Institutionen mit dieser Thematik befassen (u. a. das United States Holocaust Memorial Museum in Washington, Yad Vashem, das Staatliche Museum und Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, sowie das im Aufbau befindliche Museum der Geschichte der Polnischen Juden in Warschau), muss das Museum des Zweiten Weltkriegs auf diesem Gebiet keine umfas­ sende Dokumentation leisten. Andererseits dürfen die Besucher nicht den Eindruck gewinnen, der Holocaust würde im Museum des Zweitens Weltkriegs marginalisiert. Es stellt sich also die Aufgabe, eine Ausstellung zu konzipieren, die dank neuer musealer Darstellungs- und Vermittlungsformen die ungeheuren Ausmaße des Völkermordes an den Juden vermittelt, ohne dass dadurch andere Themen der Ausstellung und insbesondere die Leiden anderer Volksgruppen in den Hintergrund gedrängt würden. Die Vernichtung der Juden wird in der Danziger Ausstellung neben dem Völkermord an den Roma, dem Euthanasie-Programm (der Ermordung ­psychisch Kranker und geistig Behinderter) sowie dem System der Konzentra­ tions­lager gezeigt. Die Konzentrationslager wollen wir als einen Ort zeigen, an dem die systematische Ausbeutung und damit „Dehumanisierung“ der Häftlinge zuvor unbekannte Ausmaße erreichte und alle bisherigen Grenzen überschritt. Im Kontext von verbrecherischer Kriegsführung und Vernichtungskrieg werden aber auch andere Fälle von Völkermord und Verbrechen an der Zivilbevölkerung Beachtung finden, wie das Massaker der japanischen Armee in Nanking 1937, die Massenhinrichtungen von Polen in den dem Deutschen Reich angeschlossenen Gebieten und dem Generalgouvernement oder die Ermordung mehrerer Zehntausend Einwohner Warschaus in den ersten Tagen des August  1944 (nach dem Ausbruch des Warschauer Aufstands), an der

88   Paweł Machcewicz auch deutsche Wehrmachtseinheiten beteiligt waren. Gleiches gilt für die sogenannte Pazifizierung kleinerer Ortschaften in ganz Europa durch die Deutschen (u. a. im polnischen Michniów5, im tschechischen Lidice und ­Ležaky oder im französischen Oradour sur Glane). Als Element der ver­brecherischen Politik der totalitären Regime wird auch die Zwangsarbeit dargestellt, zu der sowohl das Deutsche Reich wie auch die UdSSR und ­Japan Angehörige unterworfener Völker zwangen. In den Kontext von Vernichtungskrieg und Völkermord gehören auch die blutigen ethnischen Konflikte, in denen nicht Deutsche die Täter waren, etwa die Ermordung von ca. 100 000 Polen durch die Ukrainer in ­Wolhynien und Ost-Galizien, oder die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan. Diese Ereignisse sollten als Folge der Anomie, des zuvor beobachteten ­Völkermords (so ging die Vernichtung der Juden der Ermordung der Polen in Wolhynien voraus) und der Erschütterung sozialer Normen dargestellt werden. Auch das Alltagsleben von Soldaten und Zivilisten während des Zweiten Weltkriegs wird anhand individueller Schicksale gezeigt. Dem Besucher erlaubt der Vergleich verschiedener europäischer Schauplätze von Krieg und Okkupation sowohl Unterschiede zu erkennen als auch die grundsätzliche Ähnlichkeit menschlicher Erlebnisse wahrzunehmen. So bietet sich beispielsweise die Gegenüberstellung der Belagerung Leningrads mit der „sanften“ Einnahme von Paris durch die Deutschen an, wobei jedoch deutlich werden sollte, dass auch in Westeuropa die Zivilbevölkerung durch Bombenangriffe und andere Kriegshandlungen umkam, dass sie an Hunger und Unterernährung litt, verarmte usw. In diesem Kapitel sollten daher auch die tragischen Erfahrungen der Deutschen und der Japaner während der Bombenangriffe sowie – im ersten Fall – die traumatische Erfahrung des Einmarschs der Roten Armee dargestellt werden. Bevölkerungsverschiebungen als eines der Elemente des von den totalitären Regimen in Gang gesetzten social engineering werden ebenfalls anhand indi­ vidueller Schicksale dargestellt. Die Zwangsmigrationen werden in ihrem ganzen Umfang und in ihrer ganzen Komplexität gezeigt und umfassen damit auch die häufig nicht in diesem Kontext wahrgenommene Deporta­tion der jüdischen Bevölkerung in die Ghettos oder die Deportationen von Zwangsarbeitern ins Reichsgebiet. Dabei sollte deutlich werden, dass das Dritte Reich und die UdSSR seit Beginn des Krieges Um- und Aussiedlungen durchführten und den gesamten Krieg hindurch weiter verfolgten. Den Ausgangspunkt die5

Im polnischen Dorf Michniów wurden in zwei Vergeltungsaktionen am 12. 07. und 13. 07. 1943 ca. 200 Personen ermordet, das Dorf wurde zerstört (Anmerkung der Übersetzerin).

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   89

ses Erzählstrangs bildet die Aussiedlung der polnischen Bevölkerung aus Pommerellen und Großpolen, die noch im Herbst 1939 begann, die Umsiedlung der ethnischen Deutschen (der sogenannten Volksdeutschen) aus den baltischen Ländern, Wolhynien und Rumänien in Gebiete innerhalb der neuen Grenzen des Großdeutschen Reiches und die Deportationen der polnischen Bevölkerung aus den von der UdSSR okkupierten ostpolnischen Gebieten seit Anfang des Jahres 1940. Ebenso wird die Ausstellung die stalinistischen Deportationen der baltischen Völker, der Wolgadeutschen, der Tartaren und ­anderer Völker während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit zeigen. Im letzten Teil der Ausstellung werden die Flucht der Deutschen vor der Roten Armee 1944/1945, die Aussiedlungen der Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei nach dem Kriegsende, aber auch die Aussiedlung der Polen aus den bei Kriegsende von der Sowjetunion annektierten ostpolnischen ­Gebieten ihre Darstellung finden. Die tragischen Erfahrungen der deutschen Zivilbevölkerung in der Endphase des Krieges (etwa der Untergang der „Wilhelm Gustloff “ mit Tausenden Flüchtlingen an Bord im Februar 1945) werden in der Ausstellung den von den Deutschen in den letzten Kriegsmonaten ­organisierten Todesmärschen der KZ-Häftlinge gegenübergestellt. Auch in diesem Punkt bietet Pommerellen ein ungewöhnlich eindrückliches Bild der ­Geschichte: Die Ausstellung zeigt das Massaker in Palmnicken bei Pilawa am 31. Januar 1945, wo nur einen Tag nach dem Untergang der „Wilhelm Gustloff “ 3000 Häftlinge aus den Außenlagern des Konzentrationslagers Stutthof ermordet wurden.6 Die Häftlinge wurden am Strand erschossen und diejenigen, die fliehen konnten, von Freiwilligen der Hitlerjugend gestellt. Die verzweifelte Flucht der Deutschen vor der heranrückenden Roten Armee spielte sich also zur gleichen Zeit und am gleichen Ort ab wie die Massenerschießungen von KZ-Häftlingen – diese Parallelität der Ereignisse ist in der Tat außergewöhnlich. Widerstand und Widerstandsbewegungen werden ein weiterer roter Faden in der Ausstellung sein. Das Entscheidungsspektrum reichte dabei – auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene – von der offenen Unterstützung der verbrecherischen Regime und ihrer Politik über verschiedene Formen der Kollaboration, Gleichgültigkeit bis hin zu passivem und aktivem Widerstand. In diesem Teil der Ausstellung werden ausgewählte Diversions- und SabotageAktionen, die Partisanen-Bewegungen in Jugoslawien und der Sowjetunion und gegen die Deutschen gerichtete Aufstände (im Warschauer Ghetto 1943, 6

Vgl. Martin Bergau: Todesmarsch zur Bernsteinküste. Das Massaker an Juden im ostpreußischen Palmnicken im Januar 1945. Zeitzeugen erinnern sich. Heidelberg 2006.

90   Paweł Machcewicz in Warschau 1944, in Paris 1944, in der Slowakei 1944 und in Prag im Mai 1945) dargestellt, aber auch der Boykott der Kinos in Warschau, der Boykott der Straßenbahnen in Prag oder der „zivile“ Widerstand in Dänemark und Norwegen. Die dezidierte Berücksichtigung unbewaffneter und gewaltfreier Widerstandsformen entspricht den heutigen Paradigmen der Geschichtsschreibung in Europa und ist unerlässliche Voraussetzung einer angemessenen vergleichenden Betrachtung der Situation verschiedener Staaten und ­Gesellschaften unter der deutschen Besatzung.7 Eine solche Perspektive macht auch das Phänomen des polnischen Untergrundstaates einer Betrachtung zugänglich (und zwar nicht nur in seiner militärischen, sondern auch in seiner zivilen Ausprägung). Dargestellt werden auch Untergrund- und Partisanen­ organisationen in anderen Staaten. Unter Beibehaltung der entsprechenden Proportionen wird in diesem Teil der Ausstellung auch die deutsche Widerstandsbewegung gezeigt. Ein weiterer Themenblock befasst sich mit den diplomatischen Aspekten des Zweiten Weltkriegs. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den diploma­ tischen Beziehungen zwischen den westlichen Staaten und den totalitären Regimen, die anhand ihrer konkreten Konsequenzen für Polen und die anderen mittel-und osteuropäischen Länder dargestellt werden sollen. Dabei sollte deutlich werden, dass die Zugeständnisse der westlichen Staatschefs, zuerst gegenüber Hitler, später gegenüber Stalin, sei es zur Erhaltung des Friedens oder zur Durchsetzung strategischer Interessen, immer auf Kosten der Völker Mittel- und Osteuropas gingen. In diesem Zusammenhang werden auch die Haltungen und Positionen verschiedener Staaten angesichts der Bedrohung durch das Deutsche Reich und nach einem deutschen Angriff beleuchtet, die von Kampf und Widerstand über Kapitulation und ­Kollaboration bis zur Zusammenarbeit reichten. An dieser Stelle wird auch das Phänomen der europäischen Exilregierungen Berücksichtigung finden. Die Ausstellung wird der grundlegenden Zäsur von 1945 Rechnung tragen, in kondensierter Form aber auch die bedeutendsten Folgen des Krieges aufzeigen: die Grenzverschiebungen in Mittel- und Osteuropa, die Teilung des Kontinents und die Sowjetisierung der Gebiete östlich der Elbe. Dabei sollte die Ausstellung dem Besucher deutlich machen, dass das Jahr 1945 für Mittelund Osteuropa den Beginn einer neuen Unfreiheit darstellte. Zu den Kriegsfolgen gehören auch die enormen Bevölkerungsverschiebungen, wie die bereits erwähnte Aussiedlung der Deutschen, die Rückkehr verschiedener

7

Vgl. z. B. Jacques Semelin: Ohne Waffen gegen Hitler. Eine Studie zum zivilen Widerstand in Europa. Frankfurt a. M. 1995.

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   91

­ ruppen von Displaced Persons, die „Repatriierung“8 der Polen aus den von G der Sowjetunion annektierten ostpolnischen Gebieten, die Entstehung einer polnischen Diaspora in Westeuropa und Amerika sowie die Auswanderung von Menschen jüdischer Abstammung nach Palästina. Auch die Auseinandersetzung mit und Aufarbeitung der Vergangenheit in verschiedenen Ländern werden in diesem Zusammenhang Beachtung finden, ausgehend von den Kriegsverbrecherprozessen in Deutschland und Japan bis hin zur Strafver­ folgung von Kollaborateuren und als Staatsfeinden verdächtigten Personen in verschiedenen Ländern nach dem Ende der Besatzung.9

Die Debatten um das Museum Die Debatte, die im Herbst 2008 mehrere Monate lang um die Museumskonzeption des Museums des Zweiten Weltkriegs geführt wurde, gehört zu den wichtigsten historischen Kontroversen in den letzten Jahren in Polen. Somit gibt sie auch Aufschluss über unterschiedliche Standpunkte im Umgang mit der Vergangenheit, die in der polnischen Gesellschaft bereits seit Längerem miteinander in Konflikt liegen, und über bestimmte Empfindlichkeiten und wunde Punkte. Eröffnet wurde die Debatte von der „Rzeczpospolita“, der wichtigsten meinungsbildenden Tageszeitung mit national-konservativer Ausrichtung. Piotr Semka, einer der führenden Publizisten dieser Zeitung, warf in seiner Kritik der Museumskonzeption den Autoren eine übernationale, universalistische Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg vor. Dadurch sah er die angemessene Darstellung der polnischen Rolle gefährdet: „Die Ausstellung soll sich vor allem auf das Unheil konzentrieren, das verschiedene Gesellschaften während des Krieges zu erleiden hatten: Aussiedlungen, ethnische Säuberungen, Bombenangriffe, Massaker. Eine solche Logik der Ereignisse“, schrieb Semka, „stellt eine Schicksalsgemeinschaft der Völker in den Vordergrund. Dadurch aber gerät der Zweite Weltkrieg als Geschichte der Konflikte zwischen Völkern aus dem Blick, das heißt als Auseinander­setzung zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und seinen Verbündeten und den Staaten, die Opfer ihrer Aggression wurden oder aber sich ihnen entgegenstellten. Wie die Autoren des Museumskonzepts betonen, liegt aber die Gründung eines 8

„Repatriierung“ war die in der Volksrepublik Polen gebräuchliche, euphemistische Bezeichnung für die Aussiedlung der Polen aus den von der Sowjetunion annektierten ostpolnischen Gebieten ab 1944 (Anmerkung der Übersetzerin). 9 Eine Übersicht bietet z. B. Norbert Frei (Hrsg.): Transnationale Vergangenheitspolitik. Der Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Göttingen 2006.

92   Paweł Machcewicz Museums des polnischen Martyriums und der Ehrung der polnischen Streitkräfte nicht in ihrem Interesse. […] Die Darstellung des Zweiten Weltkriegs als anonymes Leiden der Europäer ist ­vorteilhaft für die Deutschen und die Völker, die mit dem Dritten Reich ­kollaborierten“, führte Semka in der Rzeczpospolita weiter aus. „Indem das Leiden des Einzelnen hervorgehoben wird, verliert aber die Tatsache an ­Bedeutung, dass manche Völker den Kampf gegen die Deutschen aufnahmen und andere sich dem Willen Hitlers unterwarfen.“ Und er kam zu dem Schluss: „In einem Land, in dem noch Veteranen vom September 1939, der Schlacht um England oder dem Kampf um Berlin leben, muss ein solcher Vorschlag wie blanker Hochmut erscheinen.“10 Nur wenige Tage später protestierten Piotr Semka und Cezary Gmyz in der Rzeczpospolita erneut gegen den universellen, „europäischen“ Charakter der geplanten Ausstellung und warnten vor den Folgen einer solchen Herangehensweise: Die Autoren der Konzeption des Danziger Museums wollen eine größtmögliche Breitenwirkung erzielen. Daher ihr Vorschlag, der Ausstellung ­einen universellen Charakter zu geben. Diesem Vorschlag ist nur schwer ­zuzustimmen. Schließlich würde auch niemand den ­Israelis eine „Universalisierung“ von Yad Vashem vorschlagen. Wohin eine Europäisierung bestimmter historischer Erfahrungen führen kann, das zeigt die von Erika Steinbach kon­zipierte Ausstellung in Berlin. Deutschen Medien zufolge wurden dort nicht nur die deutschen Vertriebenen geehrt, und das entsprach auch der Wahrheit. Aber kaum jemand bemerkte, dass, indem das Thema der Aussiedlungen aus einer europäischen Perspektive gezeigt wurde, die Deutschen Zutritt zum Klub der Opfer des Zweiten Weltkriegs erhielten.11

Dem Museum des Zweiten Weltkriegs stellten Semka und Gmyz als positiven Gegenentwurf das im Jahr 2004 von Lech Kaczyński – damals Bürgermeister von Warschau – eröffnete Museum des Warschauer Aufstands gegenüber; ein Museum also, das in konservativen Kreisen als Musterbeispiel der polnischen Geschichtspolitik und des polnischen Museumswesen gilt. Diese Gegenüberstellung von Museum des Zweiten Weltkriegs und Museum des Warschauer Aufstands wiederholte sich in vielen konservativ geprägten Artikeln zu diesem Thema. Das Museum des Zweiten Weltkriegs wurde aber noch mit einem anderen historischen Museum verglichen: dem vom Europäischen Parlament ins ­Leben gerufenen Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel. „Das ist ein Versuch, durch Anordnung von oben ein europäisches Gedächtnis zu konstruieren, das mit den tatsächlichen historischen Erinnerungen der einzelnen europäischen 10 Piotr

Semka: Dziwaczny pomysł na muzeum II wojny światowej, in: Rzeczpospolita, 28. 10. 2008. Vgl. auch die Antwort der Autoren der Museumskonzeption: Paweł Machcewicz/Piotr M. Majewski: Jak opowiadać polską historię, in: Rzeczpospolita, 30. 10. 2008. 11 Piotr Semka/Cezary Gmyz: Przypominajmy światu polską historię, in: Rzeczpospolita, 03. 11. 2008.

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Völker kaum etwas gemeinsam hat“, so bewertete der Historiker Dariusz ­Gawin in der Rzeczpospolita die Konzeption des Museums des Zweiten Weltkriegs, das Haus der Europäischen Geschichte und das gemeinsame deutschfranzösische Schulbuch im Fach Geschichte.12 Sein Standpunkt ist auch deshalb aufschlussreich und wichtig, weil Gawin einer der Mitbegründer und seit 2005 Stellvertretender Direktor des Museums des Warschauer Aufstands ist. Er ist zudem einer der intellektuellen Gründer­väter der konservativen polnischen Geschichts- und Erinnerungspolitik, die ein wichtiger Bestandteil des Regierungsprogramms der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ in den Jahren 2005 bis 2007 war.13 Die konservativen Intellektuellen kritisierten aber auch die Zielsetzung des Museums des Zweiten Weltkriegs, den Krieg in erster Linie als politischen und ideologischen Konflikt sowie aus der Perspektive der zivilen Bevölkerung zu schildern und damit statt Militärgeschichte vor allem Alltagsgeschichte darzustellen. Dariusz Gawin erörterte die Motive der Autoren des Museums­ konzepts, kein „Museum des polnischen Martyriums“ errichten zu wollen. Er kam zu dem Schluss, dies geschähe „aus der Überzeugung heraus, dass ­Mythen um jeden Preis dekonstruiert und Stereotypen hinterfragt werden müssten, was eine der grundlegenden Aufgaben eines polnischen Intellektuellen wäre.“ Dadurch ordnete Gawin das Museum des Zweiten Weltkriegs einer intellektuellen Strömung zu, die sich durch die Infragestellung jener nationalen Mythen auszeichnet, die die Grundlage des dominierenden Modells des konservativen Patriotismus bilden. In der Konzeption des Museums sah er zudem einen Krypto-Pazifismus, vielleicht sogar einen Kniefall vor einer ­bestimmten Art „europäischer politischer Korrektheit“, die sich der Glorifizierung des Krieges und militärischer Tugenden verweigert. „Dass [in der Konzeption des Museums, Anmerkung der Übersetzerin] militärische Fragen in den Hintergrund treten, erklärt sich meiner Meinung nach aus der Überzeugung, es gehörte sich nicht, solche Emotionen hervorzurufen, um sich nicht den Vorwurf einzuhandeln, man verbreite Hass, lehre Nationalismus usw. usf.“, spekulierte Gawin. 12 Jakub

Ostałowski: Oczekujemy szacunku dla naszej historii. Rozmowa z Dariuszem ­ awinem, in: Rzeczpospolita, 03. 12. 2008. G 13 Gawin war Koautor eines programmatischen Manifests, in dem die konservativen Intellektuellen das Verhältnis des polnischen Staates zu Geschichte und Tradition nach 1989 grundlegend kritisierten und eine neue Herangehensweise vorschlugen. Sie forderten eine gesteigerte Aktivität staatlicher Institutionen, die durch die Darstellung ausge­wählter Aspekte der polnischen Geschichte den Nationalstolz und die Solidarität der Bürgergemeinschaft fördern sollten. Vgl. Robert Kostro/Tomasz Merta (Hrsg.): Pamięć i odpowiedzialność. Kraków/Wrocław 2005.

94   Paweł Machcewicz Auch dass der Wissenschaftliche Beirat des Museums als ein internationales Gremium konzipiert war, bereitete Gawin Unbehagen. „Wenn es stimmt, dass polnische Historiker nur die Hälfte der Stimmen im Beirat haben“, sagte Gawin in einem Interview in der Rzeczpospolita, „die andere Hälfte aber Historiker aus dem Ausland, dann spricht das eher für die Befürchtungen der­ jenigen, die die Konzeption des Museums als universalistisch kritisieren.“ Die Äußerungen Semkas und Gawins sind repräsentativ für die gemäßigte Hauptströmung der konservativen Kritik an der konzeptionellen Ausrichtung des Museums des Zweiten Weltkriegs: Sie äußerten Widerspruch, zumindest aber Bedenken gegen ein Museum, das den Krieg nicht aus einer rein nationalen, polnischen Perspektive zeigen wollte, und wiesen auf zahlreiche Gefahren hin, die aus einer solchen Herangehensweise für das An­sehen Polens in der Welt, aber auch für das polnische Nationalbewusstsein resultieren könnten. Sie warfen aber weder den Autoren der Museumskonzeption noch der Regierung von Donald Tusk, der die Umsetzung des Projekts in der vorgeschlagenen Form beschloss, heimliche Motive vor, und schlossen weder den einen noch die ­anderen aus der polnischen Nationalgemeinschaft aus. Solche Anschuldigungen waren dagegen das Leitmotiv einer radikaleren Strömung der Kritik am Museum des Zweiten Weltkriegs, die in der Debatte ebenfalls zu hören war. Eindrücklich illustrieren dies die Äußerungen des Historikers Jan Żaryn, in den Jahren 2006 bis 2009 Direktor des Büros für Öffentliche Bildung des Instituts für Nationale Erinnerung, der größten Institution in Polen, die sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts befasst. Żaryn zufolge war das Museum des Zweiten Weltkriegs „Teil einer zunehmend populäreren Idee, eine gemeinsame europäische Identität auf Kosten der nationalen Identitäten zu konstruieren. Das ist eine Form von Social Engineering.“ Dieser noch vergleichsweise neutralen Einschätzung folgten wesentlich schwerere Vorwürfe, die auch auf die Wahl Danzigs als Sitz des Museums Bezug nahmen: Die Aktivitäten von Vertretern einiger Kreise in Danzig, Gdingen und Sopot beunruhigen mich zunehmend. Besonders in Danzig scheint die Erinnerung an die Freie Stadt – eine gewissermaßen exterritoriale Stadt, die Europa geistig nicht teilt, sondern verbindet – noch sehr lebendig zu sein. Die Danziger Stadtverwaltung hat sich offenbar zum Ziel gesetzt, die Stadt zur Hochburg einer neuen europäischen Tradition zu machen. Deren Fundamente werden gerade vor unseren Augen gelegt. […] Ist dies das Ziel des Museums des Zweiten Weltkriegs? Und eignet sich ausgerechnet die polnische historische Erfahrung, die bis heute in vielen Familien lebendig ist, zu irgendeiner Form von ideologischer Vereinnahmung? Das Projekt des Museums des Zweiten Weltkriegs scheint Ausdruck des Willens zu sein, eine solche neue europäische Identität zu schaffen.14

14 Dominik

Pisarek: Polska wyjątkowość. Rozmowa z Janem Żarynem, in: Rzeczpospolita, 28. 10. 2008. Das zitierte Fragment erschien bemerkenswerterweise nur auf den Internet­

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Von den warnenden Worten Żaryns war es nur noch ein kleiner Schritt zum Urteil eines anderen Historikers vom Institut für nationale Erinnerung, der in der fast zeitgleichen Gründung des Museums des Zweiten Weltkriegs und des Hauses der Europäischen Geschichte einen Auswuchs des Brüsseler Imperialismus gegenüber den neuen Mitgliedsstaaten erblickte. „Vier Jahre nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union werden wir von den Erben des Frankenreiches Karls des Großen (das heißt den Deutschen und den Franzosen) immer noch behandelt wie Bittsteller, die dem deutsch-französischen Bündnis auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Ehrlich gesagt, die Rolle des Nipper-Hündchens (das Musik-Liebhabern von den Schallplatten des Labels EMI bekannt ist), das beständig der ununterbrochen aus Brüssel heranfließenden Stimme lauscht, gefällt mir überhaupt nicht“, bekannte Bogusław Kopka in der Rzeczpospolita.15 Auch Leser beteiligten sich an der Diskussion. Die Rzeczpospolita druckte einen Leserbrief von Andrzej Rzewnicki aus Nadarzyn, der sich zum Mu­seum des Zweiten Weltkriegs folgendermaßen äußerte: „Mit dieser Konzeption muss man den Kampf aufnehmen. Meiner Meinung nach verschwimmt unser dramatisches Schicksal während des Zweiten Weltkriegs vor dem Hintergrund der europäischen Ereignisse. […] Diese Konzeption ist nicht nur irreführend, sie ist auch gefährlich für unsere Zukunft.“16 Auch der Vorsitzende der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit Jarosław Kaczyński – von 2006 bis 2007 Regierungschef einer Koalitions­ regierung – interessierte sich lebhaft für das Museum. Im November 2008 ­äußerte er sich dreimal innerhalb einer Woche kritisch zur Konzeption des geplanten Museums. Während einer Parlamentsdebatte über die Bewertung des ersten Jahres der Regierung Tusk stellte Kaczyński das Danziger Mu­seum in einen breiteren Kontext der internationalen Politik und der Kontroversen um die Vergangenheit: Es geht um all das, was heute in Deutschland passiert, und was im Grunde genommen eine Neudefinition des moralischen Sinns, und damit aber auch des politischen Sinns des Zweiten Weltkriegs ist. Meine Damen und Herren, es geht um das Museum des Zweiten Weltseiten, nicht aber in der Printausgabe der Zeitung. War also möglicherweise selbst die Redaktion der Rzeczpospolita der Meinung, die Vorwürfe Żaryns gingen zu weit? 15 Bogusław Kopka: Własnym głosem o naszej historii, in: Rzeczpospolita, 15. 12. 2008. Eine kurze Erläuterung zu der Anspielung im Artikel: Der französische Maler Francis Barraud malte 1898 einen Hund – den Foxterrier Nipper – der den Tönen aus dem Lautsprecher eines Edison-Phonographen lauscht. Das Bild trug den Titel “His Master`s Voice” (Die Stimme seines Herrn) und war mehrere Jahrzehnte lang das Logo einer der größten Platten­firmen. 16 Listy do redakcji. (Andrzej Rzewnicki, Nadarzyn): Jak opowiadać polską historię, in: Rzeczpospolita, 20. 11. 2008.

96   Paweł Machcewicz kriegs. Was sollte es ­zeigen? Das polnische Martyrium (Beifall) oder die Leiden der Deutschen? Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, es sollte das polnische Martyrium zeigen (Beifall), den Holocaust, der die Polen betraf, denn sonst, um das einmal deutlich zu sagen, erklären wir uns einverstanden damit, dass die Verbrechen von einigen nationalitätslosen Nazis begangen wurden, während in Polen polnische Todesfabriken existierten – es wurde erst kürzlich da­rüber berichtet.17 In der Praxis bedeutet dies das Einverständnis zu einer solchen Situation und damit die Abkehr von einer Politik, die wir in dieser Angelegenheit verfolgt hätten, und das ist ein großer Schaden für Polen (Beifall).18

Seine Kritik am Museum des Zweiten Weltkriegs verband Kaczyński mit einer negativen Bewertung der Außenpolitik der Regierung Tusk. Dem Minister­ präsidenten warf er vor, in den Beziehungen zu Deutschland die Rolle des schwächeren Junior-Partners einzunehmen. Die Ernennung Władysław Bartoszewskis zum Bevollmächtigten des Ministerpräsidenten für den Internationalen Dialog (verantwortlich u. a. für die deutsch-polnischen Beziehungen) nannte er eine Rückkehr zur „Politik der ‚hässlichen Jungfer‘“. Damit wollte er die vasallenhafte Unterwürfigkeit Polens gegenüber dem westlichen Nachbarn ­unterstreichen. Die hässliche Jungfer würde alles tun, um einen Ehemann zu finden, und daher jedes, auch das nachteiligste, Angebot annehmen.19 Während der Parlamentsdebatte wandte sich Donald Tusk direkt an Oppositionsführer Jarosław Kaczyński und wies dessen Vorwürfe zurück: Was das Museum des Zweiten Weltkriegs betrifft, so haben wir darüber sehr lange mit sehr interessanten Personen geredet, deren Autorität außer Frage steht, und zwar sowohl auf historischem wie auch auf politischem Gebiet. Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr daran, aber die Initiative zur Errichtung dieses Museums war und ist erdacht als Antwort auf Versuche, die Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu verfälschen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass man irgendwann in der Zukunft mit derart ekelhaften Anspielungen die öffentliche Debatte zu diesem Thema verunstalten könnte. Sie haben kein Recht, so zu reden… (Stimme aus dem Saal: Oooo…) Sie haben kein Recht, so über Władysław Bartoszewski oder über Prof. Machcewicz oder über irgendeine andere Person zu reden, die sich inhaltlich oder politisch für die Errichtung des Museums engagiert. Sie haben nicht das Recht, diesen Personen vorzuwerfen, sie würden im Interesse eines anderen Staates handeln, gegen die polnische Erinnerung und gegen die polnische Geschichte, denn genau das Gegenteil ist der Fall (Beifall). Niemand hat Ihnen das Monopol auf Patriotismus und Wahrheit gegeben.20  19  20 

In der öffentlichen Debatte wurde die Museumskonzeption aber auch von herausragenden polnischen Historikern unterstützt. Rafał Wnuk lobte die ver17 In

der polnischen Öffentlichkeit wird die im Ausland bisweilen gebrauchte Formulierung „polnischer Konzentrationslager“ heftig kritisiert (Anmerkung der Übersetzerin). 18 29. Posiedzenie Sejmu w dniu 20 listopada 2008 r. Informacja prezesa Rady Ministrów na temat stanu realizacji programu działania rządu w rok po jego powołaniu: , S. 170. 19 Ebd., S. 171. 20 Ebd., S. 172.

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   97

gleichende Perspektive auf die Kriegserfahrungen verschiedener Staaten und Völker und den Ansatz, anhand der polnischen Geschichte ein Ereignis von größerem, universellen Charakter zu zeigen. „Die Anziehungskraft der polnischen Geschichte beruht darauf, dass sie die Geschichte einer Grenzregion ist und daher Elemente enthält, die für Menschen aus dem Osten wie für Menschen aus Westen verständlich sind“, so der Historiker aus Lublin. Ein Durchschnittsfranzose, ein Durchschnittsamerikaner oder ein Durchschnittsengländer wird in der polnischen Geschichte für ihn offensichtliche und selbstverständliche Elemente finden, wie den Kampf auf Seiten der Alliierten, Widerstand, Holocaust, aber auch neue, unverständliche, wie die sowjetische Okkupation oder die Bewertung der Ergebnisse der Konferenzen von Jalta und Potsdam als Niederlage und nicht als Sieg. […] In den Vorschlägen von Paweł Machcewicz und Piotr Majewski dient die Außergewöhnlichkeit der polnischen ­Geschichte dazu, eine allgemeinere, universelle Botschaft zu vermitteln – ohne dadurch ihre ­nationale Spezifik zu verlieren. Ein Museum, das sich ausschließlich auf das polnische Martyrium oder den Widerstand konzentriert, wäre an einen passiven Besucher adressiert, der vorliegende Entwurf dagegen präsentiert ein Museum, das Raum für Diskussionen bietet, einen Ort, an dem die polnische Erfahrung der Besatzung als eine Art „Meter von Sevres“ fungiert, als Bezugspunkt für andere Staaten, die am Zweiten Weltkrieg teilgenommen haben.21

Die Konzeption des Museums, so betonte Wnuk, biete zudem die Möglichkeit, das in Europa dominierende Bild vom Zweiten Weltkrieg um wichtige, aber nur selten beachtete Elemente zu erweitern: Im kollektiven Gedächtnis der westlichen Gesellschaften erscheint der Zweite Weltkrieg als eine Zeit des Widerstands, die mit einem Sieg endete – das gleiche Bild ist auch in der russischen, weißrussischen und ostukrainischen Erinnerung kultiviert. Die Erinnerung der Bewohner Mitteleuropas ist eine andere. Die Schrecken der Besatzung und der heldenhafte Widerstand enden nicht mit einem Sieg, sondern mit erneuter Unfreiheit. Die Ausstellungskonzeption ist ein Versuch, die wenig beachteten mitteleuropäischen Erfahrungen gleichberechtigt neben die Erfahrungen der Bewohner Westeuropas und Osteuropas zu stellen.22

Der Historiker und Soziologe Marcin Kula von der Universität Warschau warf den Gegnern der Museumskonzeption vor, „Stammesgeschichte“ zu betreiben. Den Kritikern des Projekts wäre es im Grunde am liebsten, wenn Polen sich selbst ein Denk- und Ehrenmal errichten würde, für das eigene Leiden und das eigene Heldentum“, schrieb Kula. „Die Helden und die Opfer haben Denkmäler verdient. […] Aber die Auseinandersetzung mit der Geschichte sollte sich nicht auf die Errichtung von Denkmälern beschränken. Museen sind ein Teil der Welt des Wissens, und Wissen sollte übernational sein. Gerade eine problemorientierte Geschichtsschreibung erlaubt es, nationale Barrieren zu überwinden. […] Je reflektierter die polnische Historiographie ist, je weniger sie nur selbstbezogen erinnert und nur die eigene Trommel rührt, desto größer sind unsere ­Chancen. Alles andere ist, befürchte ich, nur Schattenboxen. Eine solche Ausstellung hätte bestimmt ihren provinziellen Reiz, aber die Welt würde sie weder zu schätzen noch zu ­würdigen wissen.23 21 Rafał 22 Ebd.

Wnuk: Atrakcyjna historia pogranicza, in: Rzeczpospolita, 18. 11. 2008.

23 Marcin

Kula: Bębenek historii plemiennej, in: Gazeta Wyborcza, 02. 01. 2009.

98   Paweł Machcewicz Ein anderer Historiker von der Universität Warschau, Jerzy Kochanowski, verteidigte die Angemessenheit oder sogar Notwendigkeit, die polnischen Erfahrungen vor dem Hintergrund der Geschichte anderer Völker zu zeigen. „Der globale Konflikt der Jahre 1939–1945 war ein kompliziertes Spiel auf ­vielen Ebenen – der geographischen, der gesellschaftlichen, der wirtschaft­ lichen, der technologischen, der ideologischen und der ethischen“, schrieb Kochanowski in der Gazeta Wyborcza. „Und auf allen diesen Ebenen müssen die entsprechenden polnischen Elemente hinzugefügt werden, ohne die kein vollständiges Bild entsteht. Das heißt aber auch, dass die Besonderheiten des ‚polnischen Krieges‘ vor dem ‚internationalen Hintergrund‘ deutlicher hervor­ treten.“24 Diese Argumente geben einen wesentlichen Grundzug der in Polen geführten Debatte wieder. Viele Kritiker des Museums empfanden allein schon das Vorhaben als Bedrohung, die polnische Geschichte vor dem Hintergrund der internationalen Geschichte darzustellen und die Erfahrungen der Polen mit den Erfahrungen anderer Völker zu vergleichen. Kochanowski stellte dabei die sehr geringen Kenntnisse der Polen über die Geschichte anderer Länder fest: „Ganz vom eigenen Leiden eingenommen, fällt es uns manchmal schwer, die Leiden anderer wahrzunehmen. Ich erinnere mich an meinen Argwohn (und meine Verlegenheit), als ich auf der Eröffnungskonferenz des internationalen Forschungsprojekts ‚The Impact of National Socialist and Fascist Occupation In Europe, 1938–1950‘ im Dezember 2000 von einem holländischen Kollegen hörte, wie tragisch und blutig die deutsche Besatzung in seinem Land verlief. Als Teilnehmer des Projekts verstand ich dann vollends, wie wenig wir von anderen wissen.“ Seinen Text beendete Kochanowski mit einem persönlichen Appell, der zeigte, mit welcher Schärfe der Streit um das Museum des Zweiten Weltkriegs geführt wurde: „Ich hoffe, sowohl die Autoren der Museumskonzep­tion, als auch die politischen Entscheidungsträger, die über seine Umsetzung entscheiden, halten der Belagerung stand. Die Gegner sind zwar zahlreich, verfügen aber nur über ein veraltetes Waffenarsenal. Wenn dieses Museum entsteht, dann wird niemand mehr die deutsche Widerstandsbewegung bagatellisieren, und niemand wird mehr über ‚polnische‘ Konzentrationslager reden.“ Auch Grzegorz Motyka von der Polnischen Akademie der Wissenschaften ergriff in der Debatte um das Danziger Museum das Wort: „Die Kritiker der Museumskonzeption sprechen oft und viel von der Außergewöhnlichkeit der polnischen Geschichte, doch scheinen sie zugleich ihren eigenen Worten nicht zu trauen, wenn sie den Vergleich der polnischen Geschichte mit der Ge24 Jerzy

Kochanowski: O jaką wojnę walczyliśmy?, in: Gazeta Wyborcza, 04. 02. 2009.

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   99

schichte anderer Länder fürchten“, schrieb Motyka, der sich als Experte für die polnisch-ukrainischen Beziehungen einen Namen gemacht hat. Überzeugend legte er dar, dass diese Ängste vollkommen unbegründet sind, denn gerade dank eines vergleichenden Ansatzes ist die Einzigartigkeit der polnischen Geschichte besser zu verstehen. Zum Beispiel wird der Vergleich des Warschauer Aufstands mit den Aufständen in Paris, in der Slowakei oder in Prag in keiner Weise den Ruhm der Warschauer Aufständischen schmälern – im Gegenteil, ein solcher Vergleich zeigt, dass lediglich Warschau keine nennenswerte Hilfe von den Alliierten erhielt. Nach dem Ausbruch der Aufstände in Paris (August 1944) und in Prag (Mai 1945) wurden diese sofort im Rahmen der Möglichkeiten von den Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition unterstützt. Um den Aufständischen in der Slowakei zu helfen, änderte die Rote Armee die Stoßrichtung ihrer Offensive. Der Versuch, die Karpatenpässe zu überqueren, kostete die Sowjets etwa 80 000 Gefallene und Verwundete.25

Die Debatte um das Museum war aber nicht nur ein Streit um verschiedene Geschichtsinterpretationen, sondern auch eine Diskussion um das Verhältnis Polens zu seinen Nachbarn, um Polens Platz in Europa und darüber, wie die Beziehungen zwischen Staaten und Völkern in Europa aussehen sollten. Die heftige Kritik der national-konservativen Milieus an der Konzeption des ­Museums des Zweiten Weltkriegs kann man als eine Reaktion der „Euro­ skeptiker“ deuten. Sie verteidigten die polnische Andersartigkeit, „Besonder­ heit“, und empfanden ein Museumskonzept, das die polnischen historischen Erfahrungen in einen breiteren Kontext der europäischen und der Weltgeschichte einfügen will, als Bedrohung für die nationale polnische Identität. Nicht zufällig war die Kritik am Museum des Zweiten Weltkriegs oft mit ­einem negativem Urteil über das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel oder gemeinsame internationale Schulbuch-Projekte für das Fach Geschichte verbunden (ein deutsch-französisches Geschichtsbuch ist bereits erschienen, ein deutsch-polnisches ist erst noch im Entstehen begriffen). Im Streit um das Museum gab es aber auch einen ‚doppelten Boden‘, ein zweite Ebene, die erst bei genauerem Hinsehen erkennbar wird. In den Jahren zuvor hatten vor allem konservative Kreise die öffentliche Funktion von Geschichte und ihre Bedeutung für den Aufbau einer nationalen Identität und Gemeinschaft betont. Die Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit hatte in ihrer Regierungszeit 2005 bis 2007 die sogenannte „Geschichtspolitik“ zu einem der Schlüsselelemente ihres Regierungsprogramms gemacht. Damit unterschied sie sich deutlich von den liberalen und linken Milieus, denen sie Gleichgültigkeit gegenüber der nationalen Geschichte und Tradi­tion vorwarf. Dass die Regierung Donald Tusks mit dem Museum des Zweiten Weltkriegs nun die Gründung eines bedeutenden historischen Museums in Angriff 25 Grzegorz

Motyka: Takiego muzeum potrzebujemy, in: Gazeta Wyborcza, 08. 04. 2009.

100   Paweł Machcewicz nahm, drohte dieses bequeme politische Argument zu entkräften, denn es machte den konservativen Kreisen das Monopol auf Geschichte und Patriotismus streitig, das zahlreiche konservative Politiker und Intellektuelle für sich in Anspruch nahmen. Auch aus diesem Grunde wurde eine so breit angelegte und langanhaltende Kampagne gegen das Museum des Zweiten Weltkriegs, und in einigen Fällen sogar gegen die Autoren der Museumskonzeption persönlich, geführt. Zumindest aus heutiger Sicht handelte es sich um den Versuch, Ministerpräsident Tusk davon zu überzeugen, der vorgestellte Entwurf sei äußerst kontrovers und seine Umsetzung könne unter Umständen mehr politischen Schaden anrichten als Nutzen bringen. Das Ziel war offenbar, das Projekt von Anfang an zu verhindern. Zwar ging dieser Plan nicht auf, doch war die Kampagne gegen das Museum zumindest insofern erfolgreich, als das Museum bei einem Teil der Öffentlichkeit diskreditiert wurde. Nicht zufällig also verlieh einer der bereits zitierten Historiker, die das Museumsprojekt unter­stützten, der Hoffnung Ausdruck, „sowohl die Autoren der Museums­ konzeption, wie auch die politischen Entscheidungsträger würden der Belagerung standhalten.“ Um die Jahreswende 2008/2009 erreichte die Debatte um das Museum ihren Höhepunkt. Aber auch in den folgenden Jahren war das Museum ein ­wiederkehrendes, wichtiges Thema der öffentlichen Diskussion. Die verschiedenen Aktivitäten des Museums bewirkten jeweils ein Wiederaufleben der Diskussion. Im August und September 2009 wurden die Ergebnisse einer vom Museum in Auftrag gegebenen großen Meinungsumfrage veröffentlicht. Erstmals seit 30 Jahren – und zum ersten Mal seit 1989 überhaupt – wurde damit der Versuch unternommen, ein umfassendes Bild der historischen Erinnerung der polnischen Bevölkerung an den Zweiten Weltkrieg zu erstellen.26 In den Ergebnissen zeigte sich u. a. eine charakteristische ‚Regionalisierung‘: In den Erinnerungen der Befragten aus Ostpolen, deren Fami­lien die sowjetische Besatzung und den polnisch-ukrainischen Konflikt erlebt hatten, nahmen diese Ereignisse einen zentralen Platz ein. Die Einwohner Pommerellens, Oberschle­siens und Großpolens, der Gebiete also, die 1939 dem Deutschen Reich an­gegliedert worden waren, erinnerten in erster Linie den deutschen Terror, die Aussiedlungen, aber auch die zumeist unter Zwang erfolgte Eintragung in die Volksdeutschenliste sowie die Zwangseinziehung zur Wehrmacht. 26 Eine

eingehende Analyse der Umfrage wurde vom Museum des Zweiten Weltkriegs und dem wissenschaftlichen Verlag Wydawnictwo Naukowe Scholar herausgegeben. Vgl. Piotr T. Kwiatkowski/Lech M. Nijakowski/Barbara Szacka: Między codziennością a wielką historią. Druga wojna światowa w pamięci zbiorowej społeczeństwa polskiego. Gdańsk/ Warszawa 2010.

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   101

In geringerem Maße als die Einwohner des Generalgouvernements waren Widerstand und Konspiration Teil ihrer Erinnerung. In den dem Reich angeschlossenen Gebieten verliefen Terror und Germanisierung noch brutaler und waren Widerstand und Konspiration dementsprechend weniger stark ausgeprägt als im Generalgouvernement. Dieser letzte Punkt wurde von konserva­ tiven Publizisten und Historikern heftig angegriffen. Sie erblickten in den Untersuchungsergebnissen eine Gefahr für die heroische Sicht auf den Zweiten Weltkrieg, wie sie in der Belletristik und im Film häufig zu finden ist. Diese stützt sich aber in erster Linie auf die Erfahrungen der Einwohner des Generalgouvernements, auf die Partisanenbewegung und den Warschauer Aufstand.27 Die Debatte um das Danziger Museum und um die Ergebnisse der Umfrage lässt sich somit auch als Auseinandersetzung zwischen zwei verschiedenen Sichtweisen auf die Vergangenheit deuten: die „Wächter der nationalen Überlieferung“ (genauer: diejenigen, die sich selbst diese Rolle zuschreiben) sehen in den neuen Interpretationen der polnischen Geschichte eine Bedrohung für die nationale Identität. Ihnen stehen die Vertreter der Auffassung gegenüber, dass die Vergangenheit ein Gegenstand ständiger Reflexion zu sein habe und die Überlieferung offen für verschiedene Interpretationen sein müsse. Dabei können manchmal sogar bislang als unhinterfragbar geltende Festlegungen revidiert werden, weil die Vergangenheit sonst für die Mehrheit der heute Lebenden tot und nichtssagend und deshalb uninteressant wird. Die Debatte um das Museum des Zweiten Weltkriegs drehte sich also um wesentlich grundlegende Fragen als nur um den Zweiten Weltkrieg. Sie war und ist Teil einer in den letzten Jahren zunehmend offener und heftiger geführten intellektuellen oder sogar zivilisatorischen Grundsatzdiskussion, die um das Verständnis der polnischen Geschichte geführt wird. Damit stehen auch das Verhältnis Polens zu seinen Nachbarn und der Platz Polens im ­europäischen Integrationsprozess zur Debatte. Nicht zuletzt geht es dabei um die zukünftige Gestalt des europäischen Kontinents – etwa um die Rolle und Bedeutung, die Nationalstaaten heute in Europa einnehmen sollten, und ein aus heutiger Sicht angemessenes Verständnis von staatlicher Souveränität – sowie um die intellektuellen, kulturellen und politischen Kräfte und Strömungen, die diesen Prozess gestalten. Trotz der wechselnden Formen, in denen die Debatte um das Museum des Zweiten Weltkriegs geführt wird, und der neuen 27 Vgl.

als kritische Stimmen zu der Meinungsumfrage u. a.: Andrzej Nowak: Co naprawdę przechowuje polska pamięć, in: Rzeczpospolita, 19. 08. 2009; Paweł Lisicki: Przeklęta polska pamięć, in: Rzeczpospolita, 22.–23. 08. 2009; Jan Żaryn: Nasza historia jest wyjątkowa, in: Rzeczpospolita, 26. 08. 2009. Meine Antwort erschien in der Gazeta Wyborcza, vgl. Paweł Machcewicz: W okopach pamięci, in: Gazeta Wyborcza, 28. 08. 2009.

102   Paweł Machcewicz Themen und Thematiken, die dabei verhandelt werden, sind die Grundfragen und Grundlinien des Streits im Grunde genommen dieselben geblieben. Auch nach der Eröffnung des Museums wird er mit Sicherheit noch nicht zu Ende sein.

Die Gründung des Museums In die Vorarbeiten zum Aufbau des Museums waren von Anfang an herausragende, international anerkannte Historiker aus verschiedenen Ländern eingebunden. Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats sind auf polnischer Seite Władysław Bartoszewski, Jerzy Borejsza, Włodzimierz Borodziej, Andrzej Chwalba, Jerzy Holzer, Krzysztof Pomian und Tomasz Szarota. Darüber hinaus sind Ulrich Herbert aus Deutschland, Henry Rousso aus Frankreich, Norman Davies aus Großbritannien, Israel Gutman aus Israel, Pavel Polian aus Russland und Timothy Snyder aus den Vereinigten Staaten als Experten für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs Mitglieder des Beirats. Ein wichtiger Meilenstein in der Errichtung des Museums war der 2009 ausgeschriebene internationale Wettbewerb für die Gestaltung und Visualisierung der Dauerausstellung. Eine international besetzte Jury, der unter anderem Andrew Nagorski und Andrzej Wajda angehörten, wählte das belgische Projekt-Büro Tempora S.A. aus. Tempora S.A. hat sich bereits durch die in Brüssel und Breslau gezeigte Ausstellung zur Geschichte der europäischen Integration nach dem Zweiten Weltkrieg „Europa: unsere Geschichte“ einen Namen gemacht und ist auch für die Gestaltung der Dauerausstellung im Brüsseler Haus der Europäischen Geschichte verantwortlich. Nach dem ­Abschluss des Wettbewerbs arbeiten Historiker, Gestalter und Szenografen nun gemeinsam am Aufbau der Dauerausstellung. Die Ausstellungsfläche im Museum des Zweiten Weltkriegs wird ca. 5000 Quadratmeter umfassen (zum Vergleich: die Dauerausstellung des United States Holocaust Memorial Museum in Washington beträgt 4000 Quadratmeter). Im Jahr 2010 hat das Europäische Parlament die Schirmherrschaft für die Arbeiten an der Dauerausstellung des Museums des Zweiten Weltkriegs übernommen. Im Jahr 2009 war das Museum des Zweiten Weltkriegs an den Vorbereitungen für die internationalen Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag des Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beteiligt, die am 1. September 2009 auf der Danziger Westerplatte stattfanden und an der u. a. Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnahm. Zu diesem Anlass wurde die vom Museum des Zweiten Weltkriegs konzipierte Freiluft-Ausstellung „Westerplatte. Kurort – Festung – Symbol“ eröffnet. Während der Eröffnung der Ausstellung unterzeichnete Donald Tusk,

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig   103

Ministerpräsident der Republik Polen, die Gründungurkunde des Museums des Zweiten Weltkriegs. Die Ausstellung zeigt die Geschichte dieses außergewöhnlichen Ortes: Ende des 19. Jahrhunderts war die Westerplatte ein blühender Kurort und eines der beliebtesten Seebäder an der Ostsee. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Gründung der Freien Stadt Danzig wurde auf dem Gelände des Kurortes ein polnisches befestigtes Munitionsdepot errichtet. Der deutsche Angriff auf die polnische Armeeeinheit am 1. September  1939 und die sieben Tage dauernde polnische Verteidigung der Anlage gehören zu den symbolischen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs, die auch nach dem Ende des Krieges in der Erinnerung lebendig blieben. Die Ausstellung ist als Dauerausstellung konzipiert, die allen Besuchern der Westerplatte die Geschichte dieses Ortes nahebringt. Zugleich ist die Ausstellung eine Materialprobe und bietet einen Ausblick auf die Darstellung von Geschichte im Museum des Zweiten Weltkriegs. Am 1. September  2010 wurde der Architektur-Wettbewerb für das Mu­ seumsgebäude entschieden. Eine internationale Jury, der herausragende Architekten und Museologen wie Daniel Libeskind, Hans Stimmann, George Ferguson und Jack Lohman angehörten, wählte den Entwurf des polnischen Architektur-Büros „Kwadrat“ aus Gdingen aus (die Visualisierung des Entwurfs ist auf der Webseite des Museums einsehbar). Im Januar 2011 verabschiedete der Ministerrat einen Beschluss über die Finanzierung des Bauvorhabens des Museums. Dazu wurde ein sogenanntes Langjähriges Staatliches Programm verabschiedet, das bis zum Jahr 2014 Finanzmittel in Höhe von 358 Mio. PLN (ca. 85 Mio. EUR) bereitstellt. Im Moment der Abfassung dieses Aufsatzes im Oktober 2011 werden auf dem Museumsgelände archäologische Arbeiten durchgeführt. Sie legen einen nicht mehr existierenden Teil der Stadt frei, der 1945 zerstört wurde – auch dies ist ein vielsagendes Symbol des Krieges, das die Botschaft des Museums ergänzt. Das Museum entsteht am Ufer der Mottlau, in direkter Nachbarschaft zur Danziger Altstadt, zum historischen Gebäude der Polnischen Post, das am 1. September  1939 zwischen Deutschen und Polen umkämpft war, sowie zur Danziger Werft, in der die Solidarność gegründet wurde. So fügt sich das Museum in eine außer­ gewöhnliche historische und kulturelle Landschaft ein, die den dramatischen Verlauf der polnischen und europäischen Geschichte widerspiegelt. Der Bau des Museums beginnt im Frühjahr 2012, die Eröffnung ist für den 1. September 2014 geplant, den 75. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs.

Milan Ristovic´

Wem gehört Geschichte? Konkurrierende Erinnerungen an Jugoslawien Wenn der gemeinsame Staat zerfällt, wem gehört dann die Vergangenheit, die bis gestern eine gemeinsame gewesen ist? Was soll man mit ihr anfangen und wohin mit ihr? Wer sind ihre ,legitimen Erben‘ und gibt es diese überhaupt? In welchem Maße wird sie als gemeinsame Vergangenheit akzeptiert? Was passiert mit der (institutionalisierten) Erinnerung, die Teil der gemeinsamen Identität, der gemeinsamen „Erinnerungsräume“ und „Erinnerungsorte“ ist? Wie es im Laufe der neunziger Jahre und während eines beträchtlichen Teils des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts schien, wurde die länger als siebzig Jahre dauernde Geschichte des jugoslawischen Staates zum unnötigen Ballast, den es abzustreifen galt wie einen unbequemen, engen und aus der Mode gekommenen Anzug, in den die angestauten ethnozentrischen und na­ tionalistischen Tendenzen eingepfercht waren. In der Darstellung der neuen Nationalideologen und politischen Führer wie auch in einem Teil der Histo­ riographie wurde die jugoslawische Erfahrung zur aufgezwun­genen Fessel, die an das Scheitern einer schiffbrüchigen und im Bürgerkrieg versenkten Idee und Ideologie mahnte.1 Dem Belgrader Soziologen Todor Kuljić zufolge sind heutzutage „gegenläufige Prozesse“ am Werk, durch welche Osteuropa „über das Nationale und über die Normalisierung der Vergangenheit“ zur Globalisierung gelangt. Die jugoslawische Ideologie und die Geschichte des gemeinsamen Staates – als Erscheinungsformen des Übernationalen und In­ tegrativen – werden innerhalb solcher Prozesse als belastend empfunden und auch als unerwünschtes Erbe betrachtet. Sie ­gelten als „anachronistisch“ und damit inakzeptabel. Akzeptabel ist die „nationale Meinung“ sowie der Stand­ punkt, von dem aus nun auch die (gemeinsame) Geschichte betrachtet wird, wobei jene Gefahren außer Acht gelassen werden, die eine solche Einengung des ausgesprochen komplexen Bildes – nicht nur der jugoslawischen Wirk­ lichkeit zwischen 1918 und 1990 – mit sich bringt.2 1

Über die Verwendung von Tradition in der politischen Transition am Beispiel Serbiens vgl. Slobodan Naumović: Upotreba tradicije u političkom i javnom životu Srbije na kraju dvadesetog i početkom dvadesetprvog veka. Beograd 2009. 2 Todor Kuljić: Rat i sećanje, in: Olga Pintar Manojlović (Hrsg.), Istorija i sećanje. Studije istorijske svesti. Zbornik radova. Beograd 2006, S. 89.

106   Milan Ristović In den vorherrschenden ethnischen und nationalistischen Narrativen der neunziger Jahre war die Geschichte des im Sterben liegenden Staates eine ,aufgezwungene Belastung‘ – einschließlich jener politischen Kräfte, die for­ mal und verbal als seine ,letzte Schutzbarriere‘ vor dem Separatismus (wie im Falle Miloševićs) auftraten. Dieser Geschichte wollte man sich entledigen und zum authentischen ,rein nationalen Zugang‘ zurückkehren: zur durch die Schaffung Jugoslawiens ,unterdrückten Nationalgeschichte‘. Diese Wende be­ deutete zugleich auch die Revision jener ideologischen Standpunkte, von de­ nen aus künftig die Vergangenheit zu betrachten sei. Das Verhältnis der politischen und intellektuellen Eliten der drei konstituti­ ven Völker, der Serben, Kroaten und Slowenen, zum Staat, der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs geboren wurde, spiegelte nicht nur unterschiedliche ­politische Ansätze wider, sondern auch die Zugehörigkeit zu verschiedenen ­Geschichtstraditionen und Erinnerungspolitiken. Wie ein Zeitgenosse (I. Gold­ stein) bei der Bestimmung des Verhältnisses zum jugoslawischen Staat betont hat, lässt sich diese irgendwo „zwischen Begeisterung und Enttäuschung“ ein­ ordnen.3 Man trat in eine Gemeinschaft ein, die auf Idealismus beruhte, ein­ hergehend mit unklaren, oftmals oberflächlichen Vorstellungen von einander; mit einer schwachen wirtschaftlichen Grund­lage und unterschiedlichen Inte­ ressen, aber auch motiviert durch die pragmatische Überzeugung, dass die nationale Eigenständigkeit kleiner Völker nur durch Vereinigung erzielt wer­ den könne. Das Problem der Konstruktion einer gemeinsamen, zusammengesetzten und im Grunde neuen geschichtlichen Identität und „Geschichtstradition“ als Legitimationsgrundlage des neuen Staates drängt sich vom ersten Tage seines Bestehens auf. Es stellte sich heraus, dass dies eine schwierige Aufgabe mit ungewissem Ausgang war. Komplexe historische Prozesse, religiöse und zivili­ satorische Besonderheiten, verschiedene Einflüsse dieses ,langanhaltenden‘ Prozesses auf die südslawischen Völker, Probleme gesellschaftlich-strukturel­ ler Natur, all dies hat sich auf die zunehmende Komplexität der Beziehun­gen nicht nur zwischen den einzelnen (zu jener Zeit anerkannten) ,nationalen ­Akteuren‘ (Serben, Kroaten, Slowenen) ausgewirkt. Die Unterschiede waren ebenfalls, in größerem oder geringerem Ausmaße, auch innerhalb jedes ein­ zelnen „Nationalkorpusses“ bemerkbar.4 3

Ivo Goldstein: Hrvati i Jugoslavija. Između oduševljenja i razočaranja, in: Bojan Balkovec (Hrsg.), Jugoslavija v času. Devetdeset let od nastanka prve jugoslovanske države. Ljublja­ na 2009, S. 57–58. 4 Branko Petranović: Istorija Jugoslavije 1918–1978. Beograd 1981, S. 19–28; Marie-Janine Calic: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. München 2010, S. 77–97.

Wem gehört Geschichte?   107

Der erste jugoslawische Staat hat erfolglos versucht, durch Verwaltungsund politische Maßnahmen zu einer gemeinsamen Bildungs- und Kulturpoli­ tik zu gelangen, welche die Voraussetzung für die nationale Integration sein würde. Während der Existenz des parlamentarischen Systems, bis zum Jahre 1929, und der Einführung der Königsdiktatur war es dem Staat nicht einmal gelungen, grundlegende Gesetze über die gemeinsame Bildungspolitik und gemeinsame Lehrbücher – einschließlich der Geschichtsbücher – zu verab­ schieden. Die Diskussionen über die gemeinsamen Lehrbücher dauerten bis 1937 an, und es ist auch niemals zu ihrer Monopolisierung staatlicher­seits ge­ kommen. Die Meinungen darüber, wie man zu einer gemeinsamen Kulturund Bildungspolitik der führenden politischen Faktoren des Königreichs ge­ langen könnte, waren im Laufe des ersten Jahrzehnts seines Bestehens äußerst gespalten, was auch die Auffassungen über die jeweilige Rolle der Nationalge­ schichten und -traditionen mit einbezog. So waren die serbischen Radikalen als führende politische Partei dafür, diese Prozesse der Selbstregulierung zu überlassen, ohne eine besondere Einmischung der politischen Parteien in die Kultur- und Bildungspolitik. Sie vertraten die Ansicht, dass Geschichte und Tradition nicht an die neuen Gegebenheiten angepasst werden sollten; Hoff­ nungen setzen sollte man nur in „jene Jugend, die noch keine Geschichte kennt und die noch nicht von Traditionen durchdrungen ist“; man sollte von Kindern in der Grundschule ausgehen, die man jene Geschichte lehren sollte, „die ab Dezember 1918 begonnen hatte, und man sollte ihnen die Tradition von dieser Zeit an einflößen“.5 Die führende Kroatische Bauernpartei (HSS) forderte, dass die Kulturpoli­ tik auf jeder einzelnen Volkskultur beruhen solle; die Parteianhänger sollten die „kulturellen Besonderheiten“ des kroatischen Volkes fördern und diese „vor fremden Beimengungen“ bewahren. Im Gegensatz zum staatlichen Uni­ tarismus behaupteten ihre Ideologen: „es gibt keine Kultur ohne Geschichte, ebenso wie es keine Geschichte ohne Kultur gibt, denn Kultur und Geschichte sind untrennbar.“ Im Gegensatz zur verschlossenen klerikal-nationalen Kon­ zeption der slowenischen Konservativen war es das Verdienst der sloweni­ schen Liberalen, dass sie auf einem einheitlichen Programm des Geschichts­ unterrichts im gesamtjugoslawischen Raum, auf der ­Vereinheitlichung des Schulwesens und dessen ‚Nationalisierung‘ (im integral-jugoslawischen ­Sinne) bestanden.6 5

Ljubodrag Dimić: Jugoslovenska država, društvo i prosvetna politika, in: ders./Vladeta Tešić/Gordana Pavlović-Lazarević (Hrsg.), Ministarstvo prosvete i ministri Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca i Kraljevine Jugoslavije 1918–1941. Beograd 2000, S. 20–21. 6 Ebd., S. 27–29.

108   Milan Ristović So stand der erste Staat der Südslawen nicht nur auf einem wackeligen po­ litischen und wirtschaftlichen Fundament, sondern er war auch weit von ei­ ner kohärenten „Erinnerungsgemeinschaft“ entfernt. Die Zentrifugalkraft der exklusiven nationalen Historiographien, die ,jüngste Vergangenheit, die noch nicht abgeschlossen ist‘ und Konflikte auf der politischen Bühne, die auch auf die Geschichtswissenschaft (als ausgesprochen ,nationale Disziplin‘) übertra­ gen wurden, waren nur einige der Hürden. Jede wichtigere historiographische Frage trug den Keim eines politischen Konflikts in sich. Zu den seltenen Versuchen, sich innerhalb der Institutionen zu organisie­ ren, gehört die Gründung der „Jugoslawischen Historischen Gesellschaft“ im Jahre 1928, die die „Jugoslawische Historische Zeitschrift“ (JIČ – Jugoslovenski istorijski časopis, erschienen zwischen 1934 und 1939) mit der Aufgabe grün­ dete, „sich mit wichtigen und großen Fragen und Problemen unserer nationa­ len und staatlichen Vergangenheit zu beschäftigen“.7 Als Organ des Bundes der Historiker Jugoslawiens (Savez istoričara Jugoslavije) wurde sie zweimal erneuert und eingestellt (1962–1981; 1986–1988). Das Eröffnen neuer histori­ ographischer ,Fronten‘ Anfang der achtziger Jahre bedeutete zugleich auch ihr Ende.8 (Der letzte erfolglose Versuch der Erneuerung dieser Zeitschrift erfolg­ te von 1996 bis 2004).9 Nach der Machtübernahme durch das neue kommunistische Regime 1945 kam das Bedürfnis auf, den Diskurs über die jugoslawische Vergangenheit po­ litisch und ideologisch umzugestalten, als (neue!) Diskontinuität mit dem vorherigen Modell des kollektiven Gedächtnisses. Durch seine Inhalte sollte dieser die „kollektive Amnesie“ über jenen historischen Zeitraum fördern, der durch die Herrschaft der Monarchie und des Bürgertums gekennzeichnet war. Der Behauptung Kuljićs zufolge „ändert sich die Vergangenheit, weil sich die Zukunftsvision ändert“.10 Auf diese Weise wurden alle Interpretationen der Vergangenheit, in erster Linie der unmittelbar zurückliegenden, derartigen Prozessen unterzogen.11 Anders ausgedrückt, sie wurden in die ideologische Schablone der neuen „öffentlichen Erinnerung und des öffentlichen Verges­   7 Ljubodrag

Dimić/Đorđe Đ. Stanković: Istoriografija pod nadzorom. Prilozi istoriji istorio­ grafije. Beograd 1996, Bd. 2, S. 27–28.   8 Vgl. ebd.   9 Božo Repe: Jugoslovanska historiografija po Drugoj svetovni vojni, in: Tokovi istorije 1–4 (1999), S. 312–325; Sima M. Ćirković/Rade Mihaljčić (Hrsg.): Enciklopedija srpske istori­ ografije. Beograd 1997, S. 90 ff. 10 Todor Kuljić, Kultura sećanja. Teorijska objašnjenja upotrebe prošlosti. Beograd 2005, S. 5. 11 Olga Manojlović-Pintar: Koncentrički krugovi pamćenja, in: Tokovi istorije 1–2 (2006), S. 91–103.

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sens“ hineingepresst12, nach denen es möglich war, die selek­tive Erinnerung „als authentisch und unverzerrt“ darzustellen.13 Bereits während der Vorbereitungen für den Ersten Kongress der Histori­ schen Gesellschaften der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien im Jahre 1952 wurde der „Dissens“ in den geschichtswissenschaftlichen Publikationen in den einzelnen Teilrepubliken kritisiert. Die Kritik bezog sich auf „schädli­ che Erscheinungen und Tendenzen“ der Vernachlässigung des weiteren jugo­ slawischen Kontexts, auf Unkenntnis sowie auf Fehler, die beim ­Schreiben über die Vergangenheit der anderen jugoslawischen Völker vorkamen. Ein solcher Zugang spiegelte, den Kritikern zufolge, „die chauvinistische Ein­ stellung unserer bürgerlichen Historiographie der Vorkriegszeit“ wider und stellte zudem eine ernsthafte Gefahr dar, welche die Historiographie des ­neuen Jugoslawien bedrohe, da sie „eine der grundlegenden Errungenschaften des Volksbefreiungskampfes untergräbt: […] die Brüderlichkeit und Einigkeit der jugoslawischen Völker“.14 Auf den „Klassen- und Nationalreduktionismus“ und die von ihm aus­ gehenden Gefahren bei der Deutung der jugoslawischen Geschichte sowie auf die fehlende „Strategie einer Geschichtswissenschaft, die für Jugoslawien als ­Ganzes leider gar nicht existiert“ wurde immer häufiger hingewiesen, je mehr sich die „Tito-Ära“ ihrem Ende zuneigte. Diese Kritik wurde besonders aktuell während der achtziger Jahre, als es auch zur Auflösung der gemeinsamen His­ toriker-Institutionen kam.15 Eine systematische Inhaltsanalyse der in allen ju­ goslawischen Teilrepubliken zwischen 1982 und 1984 erschienenen Geschichts­ bücher legte das Bestehen eines äußerst begrenzten ,gemeinsamen Kerns‘ in den Unterrichtsprogrammen des Faches Geschichte zutage und zwar zuguns­ ten von „Republiks-“ (d. h. nationalen) Inhalten. Diese Fixierung auf die erleb­ nispolitische Geschichte im Rahmen der einzelnen Nationen und Republiken (und die gleichzeitige Vernachlässigung der Sozial- und Kulturgeschichte) wurde noch deutlicher, nachdem eine Frequenzanalyse der ­Erwähnung ein­ zelner Persönlichkeiten aus der strikt nationalen, der breit aufgefasst jugoslawi­

12 Todor

Kuljić: Kultura sećanja, S. 123–155; Radmila Radić: Istorija i sećanje – primer 27. marta 1941, in: Sulejman Bosto/Tihomir Cipek/ Olivera Milosavljević (Hrsg.), Kultura sjećanja: 1941. Zagreb 2008, S. 77. 13 Ein gutes Beispiel dafür war die offizielle historiographische Interpretation des Militär­ putsches von 27. März  1941. Vgl. Radmila Radić, Istorija i sećanje – primer 27. marta 1941, S. 71–81. 14 Bogo Grafenauer: Osnivanje i delatnost koordinacionog odbora istorijskih društava FNRJ, in: Dimić/Stanković, Istoriografija, S. 9–31. 15 Đorđe Đ. Stanković: Istorijski stereotipi i naučno saznanje. Beograd 2004, S. 5–9.

110   Milan Ristović schen oder der Weltgeschichte durch­geführt wurde.16 Die fehlende minimale Übereinstimmung bezüglich der grundlegenden historiographischen Fragen, deren Bedeutung im jugoslawischen Falle ein deutscher Kollege, Wolfgang Höpken, treffend hervorgehoben hat, sprengte zusehends den Rahmen der Wissenschaft oder der Unterrichtsprogramme, da es zu ­einem der Symptome der immer auswegloseren politischen und gesellschaftlichen Krise der multi­ ethnischen Föderation wurde. Jugoslawische Inhalte wurden, so das Fazit die­ ser Analyse, stark marginalisiert. Das Problem der Dysfunktion beider jugoslawischer Staaten als „Erinne­ rungsgemeinschaft“ wird auch durch das Beispiel des bedeutendsten gemein­ samen Projekts der jugoslawischen Historiographie nach dem Zweiten Welt­ krieg bestätigt: der Synthese „Geschichte der Völker Jugosla­wiens“. Das Pro­ jekt wurde von Staat und Partei unterstützt, jedoch gelang es dem großen Team akademischer Historiker aus allen Teilrepubliken lediglich, die ersten zwei Bände fertigzustellen. Das Projekt wurde Anfang der sechziger Jahre ­abgebrochen und später weder fortgesetzt noch abgeschlossen. Was die Chro­ nologie und die erörterten Probleme betrifft ist das Projekt am Anfang des 19. Jahrhunderts ,steckengeblieben‘, als bei den drei zahlenmäßig größten ju­ goslawischen Völkern die nationalen Bewegungen und Ideologien aufkamen. Es stellte sich heraus, dass es unmöglich war, die politischen und ,nationalpolitischen‘ Forderungen mit den Anforderungen der Wissenschaft zu ,har­ monisieren‘ und ,in Einklang zu bringen‘, ebenso wie man nicht imstande war, einen ,Kompromiss zu finden‘ und das Ganze an die aktuellen politischen Be­ dürfnisse anzupassen. Dass das Problem nicht (nur) durch den Widerstand der älteren Genera­ tion ,bourgeoiser‘ Historiker bedingt war, zeigte sich auch bei der offiziellen Geschichte der Kommunistischen Partei Jugoslawiens und des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens (KPJ/BdKJ). Die erste Ausgabe dieses Buches (er­ schienen 1962) nahm mehrere Jahre in Anspruch. Für die erweiterte Ausgabe der Geschichte der KPJ/BdKJ wurden aus ähnlichen Gründen mehr als zwei Jahrzehnte aufgewandt. Das Buch wurde veröffentlicht, als der Zerfall der ju­ goslawischen Partei bereits tief in seiner Endphase steckte (1989). Auf dem ersten Kongress der jugoslawischen Historiker, der 1954 stattfand, wurde auch die Frage der Beschäftigung mit der neuesten jugoslawischen 16 In

den kroatischen Lehrbüchern wird Tito 205 Mal und in den serbischen 65 Mal er­ wähnt. König Aleksandar Karađorđević wird in den kroatischen Lehrbüchern 43 Mal er­ wänt und in serbischen nur sieben Mal(!). Vgl. Đorđe Stanković, Istorijski stereotipi, S. 26–30; vgl. auch ders: Udžbenici istorije kao ogledalo vremena, in: ders. (Hrsg.), Ulje na vodi. Ogledi iz istorije sadašnjosti Srbije. Beograd 2010, S. 87–124.

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­ eschichte (Jovan Marjanović) und der Notwendigkeit ihrer Erforschung G ­gestellt.17 Der Belgrader Historiker Branko Petranović versuchte 1965 die ­methodologischen Grundlagen der Arbeit an der Geschichte der SFRJ zu ­bestimmen, wobei er auf zahlreiche (organisatorische, ideologische usw.) Schwierigkeiten und Hindernisse hinwies.18 Geschichtliche Synthesen über den jugoslawischen Staat gab es fortan nur sehr wenige, und ihr Erscheinen führte meist zu politischen Kontroversen – vor allem wegen der fehlenden ,Balance‘ bei der Darstellung der Rolle der einzelnen Nationalkorpusse im Zweiten Weltkrieg.19 In den achtziger Jahren wurden die Konflikte um die Geschichte bzw. um ihre Interpretation Teil der allgemeinen DesintegrationsAtmosphäre und nahmen eine immer deutlichere ,nationale Färbung‘ an, wo­ bei sie sehr bald die Grenzen akademischer Diskussionen überschritten hatten und zu Anklagen und verbalen Kriegen voller Intoleranz und nationaler Un­ duldsamkeit gerieten. Nach demselben Muster – wie nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg – wurde in den ex-jugoslawischen Republiken auch der institutionalisierten Er­ innerung an die ,Kriege um das jugoslawische Erbe‘ der neunziger Jahre als historische Grundlage dieselbe Stellung zugewiesen. Der Krieg und seine In­ terpretationen steckten den „Erinnerungsraum“ aufs Neue ab, ebenso wie die nachträglichen historiographischen Interpretationen der Kriegsvorgänge. Die­ se Erinnerungen samt all ihren tiefgreifenden Interpretationsunterschieden wirkten sich ausgesprochen störend auf die gegenseitigen Beziehungen der nun benachbarten Staaten aus. 20 Seit Beginn der neunziger Jahre war die massenhafte Entfernung oder Zer­ störung ,ideologisch untauglicher Denkmäler‘, die Verwüstung von „Erinne­ rungsorten“ (lieux de mémoire – auf Pierre Nora zurückgehend)21 ebenfalls Teil der Praxis der ,Nullstellung des kollektiven Gedächtnisses‘. Während der Kriege der neunziger Jahre wurde eine Vielzahl von Monumenten zerstört (al­ 17 Dimić/Stanković, Istoriografija, S 2; 9–42. 18 Ebd., S. 191–281. 19 Wie im Fall einer kurzen Geschichte Jugoslawiens

aus dem Jahr 1972. Vgl. Sima Ćirković/ Ivan Božić/Vladimir Dedijer u. a.: A History of Yugoslavia. New York 1972); Dušan Bilandžić: Historija Socijalističke Jugoslavije. Zagreb 1978. 20 Wolfgang Höpken definiert die Gemeinsamkeiten in den neuen serbischen und kroati­ schen Geschichtslehrbüchern: „Renationalisierung, De-Jugoslawisierung und De-Titoi­ sierung“; Wolfgang Höpken: History Education and Yugoslav (Dis-)Integration, in: ders. (Hrsg.), Öl ins Feuer? Oil in Fire? Schulbücher, ethnische Stereotypen und Gewalt un Südosteuropa. Textbooks, Ethnic Stereotypes and Violence in South-Eastern Europe. Hannover 1996, S. 112–121; Todor Kuljić: Sećanje na titoizam. Izmedu diktata i otpora. Beograd 2011, S. 163–164. 21 Pierre Nora: Les lieux de mémoire. Paris 1997.

112   Milan Ristović lein in Kroatien wurden mehrere tausend Denkmäler für die antifaschisti­ schen Widerstandskämpfer und die zivilen Kriegsopfer zerstört). Verwüstet wurden auch jene Denkmäler, die auf der Landkarte des kollek­tiven Gedächt­ nisses als zentrale Punkte der historischen Legitimität des sozialistischen Ju­ goslawien eingezeichnet waren (Gedenkstätten bei Tjentište, in Drvar, Jajce usw.), aber auch einige, die mit früheren historischen Ereignissen zusammen­ hingen (Attentat in Sarajevo von 1914). Es wurde wortwörtlich „die Geschich­ te in die Luft gejagt“.22 Neue Symbole und Denkmäler, neue kollektive „Erinnerungsorte“ und Wallfahrtsstätten sind Teil jeder ,neuen Geschichte‘ der ehemaligen jugoslawi­ schen Teilrepubliken; sie sind Symbole der nationalen Zusammenkunft und Opferung. Unter neuen Ablagerungen tritt häufig die „Verwendung ­alter Ma­ terialien bei der Erfindung neuartiger Traditionen zu ganz neuen Zwecken“ hervor. Dieses Phänomen ist auch als Teil des allgemeineuropäischen, post­ kommunistischen Prozesses der „ideologischen Nullstellung der Vergangen­ heit“ zu betrachten. 23 Die Relativierung der Kollaboration, ,das Reinwaschen der historischen ­Erinnerung‘ an die tatsächliche Rolle der nationalistischen, antikommunis­ tischen Bewegungen und ihrer Führer und Mitglieder, der ,Zahlenkrieg‘ in Bezug auf die Opfer und ihre ethnische und religiöse Zugehörigkeit, ein­ schließlich jener, die gegen Ende des Krieges bei den Liquidationen der ,Volksfeinde‘ umgekommen sind, sind nur einige der bezeichnenden Allge­ meinplätze im Zuge der Abrechnung mit der gemeinsamen Geschichte. Der jugoslawische Kommunismus trat mit großem Kriegs- und Siegerkapi­ tal sowie mit einem bereits errichteten Fundament einer eigenen ,Tradi­tion‘ und der dazugehörigen Mythen (Kampf-, Helden- und Opfermythos) auf die Bühne. Diesen kommt eine der wichtigsten Rollen im Prozess der Legitimie­ rung der politischen Exklusivität der neuen Herrschaft zu: sie sind ,histori­ sche Notwendigkeiten‘ und als Mittelpunkt dieser neuen Tradition gelten „Persönlichkeit und Werk“ des Staats- und Parteivorsitzenden Josip Broz Tito. Im jugoslawischen Rahmen war der Kult des Volksbefreiungskrieges vom per­ sönlichen Tito-Kult nicht zu trennen, der nicht nur eine stark betonte ideolo­ gische und politische, sondern auch kollektiv-emotionale Funktion hatte. Der Tito-Kult war institutionalisiert; in seiner Spätphase wurde er durch Gesetze über den Gebrauch von Titos „Person und Werk“ gestützt; er war kanonisiert als die ,Achse‘ aller wesentlichen historischen Prozesse, die sich nicht nur auf 22 Maria

Todorova: Mauzolej Georgi Dimitrova kao lieu de mémoire, in: Dizanje istorije u vazduh. Ogledi o Balkanu. Beograd 2010, S. 139–175. 23 Erik Hobsbom/Terens Rejndžer (Hrsg.): Izmišljanje tradicije. Beograd 2011, S. 12.

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der jugoslawischen, sondern auch auf der globalen politischen Bühne vom Zweiten Weltkrieg bis zum Beginn der achtziger Jahre abspielten. Sein Tod und der Zerfall des Systems, welches er seinen politischen Epigo­ nen und allen Jugoslawen hinterlassen hatte, reichten nicht aus, um diesen Kult bis zum heutigen Tage einer gründlichen und kritischen historiographi­ schen und kollektiv-psychologischen Dekonstruktion zu unterziehen.24 Laute Stimmen zu Beginn der neunziger Jahre, alle Symbole und Erinnerungen an seine Herrschaft (einschließlich seines Mausoleums) zu löschen, waren vor allem durch ideologische Intoleranz und viel weniger durch den Wunsch nach einer kritischen Hinterfragung seiner historischen Rolle motiviert. Sie kamen mehrheitlich aus den Reihen der ehemaligen und nun ‚nationalbewusst ge­ wordenen‘ Kommunisten, die beschlossen hatten, sich „nicht zu erinnern“ und sich auch gegenseitig diese Tatsache „nicht in Erinnerung zu rufen“25; die neue geschichtliche Vorbilder gewählt hatten. Der tote Tito hat im ex-jugosla­ wischen Postkommunismus ‚teilweise überlebt‘: durch neue ‚Reduktion der Erinnerung‘ wurde ein Bild konstruiert, das selbst für zahlreiche seiner er­ bitterten Gegner als Bestätigung dienen sollte – für die Vorteile des Lebens im ehemaligen Staate im Vergleich zu den noch frischen Erinnerungen der Tran­ sition und der Bürgerkriege.26 So wurde das Phänomen der Titostalgie (als Teil diverser ‚-stalgien‘ in den ehemaligen kommunistischen Staaten) – vom sentimental-unkritischen und aufrichtigen bis hin zum ironischen – zum All­ gemeinplatz und Teil des gemeinsamen postjugoslawischen Erbes. Kuljić und Golubović schreiben: „die Erinnerung an Tito und den Sozialismus ist den­ noch mehr als bloße Nostalgie […] Dem Leben in der SFRJ [Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien] kommt gerade deshalb der Status einer ‚gol­ denen Zeit‘ zu, weil ein umfassender Niedergang folgte“.27 Auch in diesem Falle kann man der folgenden Behauptung zustimmen: „Die Bedürfnisse der Gegenwart drängen Bilder der Vergangenheit auf, aber auch die Bilder der Vergangenheit beeinflussen rückwirkend die aktuellen Vorgänge.“28 Ebenso lässt sich die Frage über die Bereitschaft der postkommunistischen jugoslawischen Gesellschaften stellen – als „Gemeinschaften unbequemer Er­ innerungen […] an eine Vergangenheit, die von ihrer Inkonsequenz zeugt“29 – 24 Todor

Kuljić: Tito-sociološko-istorijska studija. Beograd 1998. Mauzolej, S. 139. 26 Vgl. dazu Mitja Velikonja: Titostalgija. Beograd 2010. 27 Todor Kuljić: Umkämpfte Vergangenheiten. Die Kultur der Erinnerung im postjugoslawi­ schen Raum. Berlin 2010, S. 141–142; Zagorka Golubović/Ivana Spasić/Đorđe Pavićević: Politika i svakodnevni život: Srbija 1999–2002. Beograd 2003, S. 100–102. 28 Kuljić, Kultura sećanja, S. 5. 29 Ebd., S. 289. 25 Todorova:

114   Milan Ristović ,ihre Vergangenheit zu rationalisieren. Daher ist das ausweichende Verhalten in Bezug auf die Erinnerung an ein Leben in einem Staat (und für viele auch an die Mitgliedschaft in einer Partei) Teil der ,Flucht vor der gemeinsamen Geschichte‘ geworden, zur mangelnden Bereitschaft, sich mit etwas auseinan­ derzusetzen, was jahrzehntelang historische Realität war. Die ,stillschweigen­ de Übereinkunft‘ bezüglich dieser Frage war unter allen alt-neuen Eliten der national-nationalistischen Projekte in den ex-jugoslawischen Teilrepubliken präsent. Die Erinnerung an die umfassende antifaschistische Vergangenheit und den Zweiten Weltkrieg wurde bis Ende der achtziger Jahre ausschließlich mit der kommunistischen Ideologie in Zusammenhang gebracht. Seit den Anfang den neunziger Jahren war sie unerwünscht und wurde verdrängt.30 An ihre Stelle trat jene, die Bewegungen und Ideen lobte, die im Zweiten Weltkrieg und danach besiegt und von der Bühne geschafft worden waren (durch lokale faschistische und kollaborationistische Bewegungen und Parteien, nationalis­ tische Gruppierungen, Monarchien, bürgerliche Parteien usw.) – als Ausdruck des „Geistes der neuen Zeit“, wie er von seinen Ingenieuren aufgefasst wurde. Die neue Situation, insbesondere als Folge der Kriegskonflikte der neunziger Jahre, führte zum Austausch der Symbole (Wiederverwendung alter Symbo­ le), zur Entstehung neuer Orte des kollektiven Gedächtnisses (neue Massen­ gräber, Denkmäler für gefallene Zivilisten und Kämpfer, neue Heldenkulte und nationale Märtyrer) sowie zu ihrer intensiven „Nationalisierung“.31 E. Hobsbawm zufolge „beruhen alle diese Phänomene auf Übungen im social engineering, die häufig absichtlich und stets innovativ sind, schon deshalb, weil jede geschichtliche Neuheit unweigerlich mit Innovation zusammen­ hängt“.32 Die Historiographie hat den Preis dafür zahlen müssen, dass sie sich in den Dienst der national-politischen Legitimierung der neuen politischen Ordnung gestellt hat, und zwar durch ihre Provinzialisierung, den Ethnozentrismus, die ,Selbstviktimisierung‘ und den ethnogenetischen Mythenwahn – mit all jenen Folgen, die man als historiographischen Autismus bezeichnen könnte. Das Abklingen der kriegerischen Auseinandersetzungen und der politi­ schen Spannungen, sowie die Kommunikation im akademischen Bereich stel­ len eine allmähliche Normalisierung in Aussicht. Alte Fragen, über die die jugoslawische Historiographie gestolpert war, werfen jedoch auch weiterhin 30 Vgl.

dazu Sulejman Bosto/Tihomir Cipek/Olivera Milosavljević (Hrsg.): Kultura Sjećanja: 1941. Povijesni lomovi i svladavanje prošlosti. Zagreb 2008. 31 Kuljić, Umkämpfte Vergangenheiten, S. 106–109. 32 Hobsbom/Rejndžer, Izmišljanje tradicije, S. 25.

Wem gehört Geschichte?   115

lange Schatten. Hinzu kommen neue Streitfragen (Charakter des Staatszer­ falls, Schuldfrage, Opfer usw.). Der „historiographische Revisionismus“ mit nationalpolitischen und ideologischen ­Vorzeichen existiert auch weiterhin pa­ rallel zu den Tendenzen der neuen ­Geschichtsmethodologie, die eine Diskus­ sion initiiert hat: über die Notwendigkeit einer systematischen und analyti­ schen Erforschung des Inhalts und der Funktionsweise des großen, schwer gliederbaren Komplexes des gemeinsamen ­„jugoslawischen Erbes“. Die ‚Flucht vor der jugoslawischen Geschichte‘ wird immer langsamer, und infolge der Normalisierung des politischen Umfelds wird sie nichtsdestotrotz, zumindest selektiv, als Teil der eigenen Vergangenheit anerkannt. Sie ist – wie dies die historiographische Produktion zeigt, die durch die Krise der neunzi­ ger Jahre in Gang gesetzt wurde – ebenfalls Teil des europäischen politischen Erbes, auch dank des Interesses und der wissenschaftlichen Publikationen nicht-jugoslawischer Historiker. Die Anziehungskraft, welche dieser in vieler­ lei Hinsicht umstrittene Raum auf die Forscher ausübt, hat gleichwohl begon­ nen, gute Früchte zu tragen.33

33 Vgl.

dazu z. B. Hans-Georg Fleck/Igor Graovac (Hrsg.): Dijalog povjesničara-istoričara, I–X. Zagreb (1998–2005).

Irina Scherbakowa

Dimensionen und Konflikte russischer ­Erinnerungskultur Um nichts wurde in Russland in den letzten zwei Jahren so hart gestritten wie um Vergangenheitsbilder, Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. Wer hätte es sich Anfang der neunziger Jahre vorstellen können, dass die Trauer über das verlorene sowjetische Imperium im Massenbewusstsein so präsent sein würde; dass der Schöpfer dieses Imperiums – Stalin – fast 60 Jahre nach seinem Tode faktisch zum Mega-Star wird? Was hat das zu bedeuten? Im Jahr 2011 erlebten wir regelrechte Medienkämpfe um das sogenannte „Еntstalinisierungsprogramm“. So wurde das Dokument, das die Arbeitsgruppe für die Erinnerungspolitik des präsidentiellen Rates für die Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte im Februar 2011 dem Präsidenten Medvedev vorstellte, informell genannt. Das Programm hieß offiziell ganz anders, nämlich, „Programm zur Bewahrung des Gedenkens an die ­Opfer des totalitären Regimes und zur nationalen Versöhnung“. An sich ist auch dies eine unglückliche und nur auf den Umgang mit den ­Opfern und auf die ­Versöhnung reduzierte Benennung, denn in Wirklichkeit wurde in diesem Programm allgemein die Frage „der Modernisierung des Bewusstseins der russischen Gesellschaft durch die Anerkennung der Tragödie, die das totali­ täre Regime für das Volk bedeutete“ gestellt.1 Bezeichnend ist dabei, dass dieses Programm sofort in allen Medien als „Entstalinisierung“ bezeichnet wurde, als schrieben wir wieder das Jahr 1956 nach dem 20. Parteitag der KPDSU, und hiermit erst den Beginn des Tau­ wetters. Oder das Jahr 1989, als am Anfang der Perestroika ein bekannter russischer Historiker, Michail Gefter, seinen berühmten Essay „Stalin ist erst ­gestern gestorben“ veröffentlichte, in dem er zeigen wollte, dass das Staatssystem, das damals sehr viele anfochten, noch immer ein Produkt der stalinschen Epoche sei.2 Aber die Heftigkeit des Widerstandes, die Formen der Gegen­ wirkung, die Konfrontation – was diese Forderung nach der Entstalinisierung anbetrifft, die wir nun erleben – sind im Vergleich zu 1989 viel stärker.

1

Der Kampf um die Vergangenheit. Das Russland heute und die Entstalinisierung, hrsg. von Memorial, Moskau 2011, S. 21. 2 Мichail Gefter: Destalinizacija, in: Mark Ferro/Jurij Afanas’ev (Hrsg.), 50/50 Opyt slovarja novogo myšlenija. Moskva 1989, S. 394–401.

118   Irina Scherbakowa Denn wenn wir etwas zurückdenken, so könnte man doch meinen, dass die Epoche der Perestroika schon vor fast 25 Jahren der sowjetischen Gesellschaft nicht nur die Frage der Entstalinisierung, sondern auch viel breiter die des Abschiedes vom kommunistischen Regime gestellt hat. Mehr noch, in den Jahren 1987 bis 1992 erlebten wir sogar offenbar einen Konsens, was die Abschaffung des damaligen Regimes und hiermit die Zerstörung der offiziellen ideologisch-parteilichen Sicht auf die sowjetische Vergangenheit anbetrifft. Der Rahmen der Kritik wurde damals immer breiter – es ging nicht nur um die Epoche Stalins, sondern um die ganze Periode der kommunistischen Herrschaft. Immer mehr Menschen teilten damals offenbar die Ansicht, dass diese Herrschaft Millionen Menschen zu Opfern des Terrors und des totalen Unrechts gemacht hatte. Damals schien es schon fast unvorstellbar, dass es noch viele überzeugte Stalinisten geben könnte.3 Es heißt natürlich nicht, dass damals alle unter gleicher Fahne in diesem Zug marschierten: die Kontroversen sind bei der Antwort auf die ewige russische Fragestellung: ‚wer ist schuld‘ und ‚was tun‘, entstanden. Die rechtsradikalen national-chauvinistischen Kräfte beschuldigten den liberalen ­Westen; sprachen von der Weltverschwörung, die Russland zur Revolution verführte, und dass der Sieg der Roten im Bürgerkrieg hauptsächlich durch Unterstützung von Nichtrussen, von Juden, Deutschen, Letten, Chinesen u. a., habe errungen werden können. Eine tiefe Spaltung in der Gesellschaft zeigte sich schon in der Unstimmigkeit darüber, was für ein Denkmal der Erinnerung an die ­Opfer des Terrors errichtet werden sollte, vor allem für welche Opfer – oder besser gesagt: wer waren echte Opfer? Natürlich ging es dabei nicht nur um die Vergangenheit, sondern um das Zukunftsmodell – entweder in die Richtung der westlich-liberal orientierten Demokratie, oder um den sogenannten eigenen Weg Russlands mit dem Mythos vom starken Staat mit pravoslavie, samoderžavie, narodnost‘ – Orthodoxie, Selbstherrschaft und Volkstümlichkeit.

Abbruch in den Neunzigern Aber dieser begonnene Prozess der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit führte nicht, wie es viele Akteure der Perestroika erhofft hatten, 3

Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie mich bei meiner ersten öffentlichen Vorlesung über die Erinnerung an die Opfer des Gulag an der Hochschule für Geschichte und Archivwesen im Jahr 1990 ein Student sehr naiv gefragt hat, ob ich jemals einen lebendigen Stalinisten gesehen hätte. Heute könnte man bei manchen Veranstaltungen in Bezug auf Stalin eine umgekehrte Situation erleben.

Dimensionen und Konflikte russischer Erinnerungskultur   119

zur tiefen Reflexion und zur Begründung und Pflege einer neuen Erinnerungskultur, die der Opfer des Terrors gedenken, weiße Flecken erschließen, entsprechende Museen, Institution und Forschungsstellen schaffen sollte. Was sind die Gründe, die das all diese Jahre verhinderten? Zunächst war es vor allem die sich unglaublich schnell verschlechternde soziale und wirtschaftliche Situation, in die Millionen Menschen in der wirtschaftlichen Katastrophe Ende der 1980er und Anfang 1990er Jahre gerieten. Die im Januar  1992 endlich begonnenen marktwirtschaftlichen Reformen brachten erstmals eine tiefe Enttäuschung in Bezug auf das, was die meisten unter Freiheit und Demokratie verstanden. Die Kritik und Ablehnung der alten Ordnung war mit der Hoffnung auf das ewige russische Wunder verbunden. Denn zu den wichtigsten Merkmalen und Zügen, die sich bei den Menschen im sowjetischen System herausgebildet hatten, gehörte das ständige Erwarten eines Wunders. Und wie es in den dreißiger Jahren um den schnellen Aufbau des Sozialismus gegangen war, so erhoffte man sich genauso einen schnellen Übergang zur Demokratie und Marktwirtschaft in den neunziger Jahren. Die älteren Generationen, welche die eigentlichen Träger der Erinnerung an die besonders harten Repressalien der Stalinzeit waren, wurden zu den am stärksten von der Krise betroffenen. Ihre Renten bildeten in der galoppierenden Inflation keine Existenzgrundlage mehr, sie wurden auch nur ­unregelmäßig ausgezahlt. Auch die 1991 eingeführten Entschädigungen und Vergünstigungen für die Opfer der Stalinzeit waren sehr klein. Somit verstärkten sich die zunehmend nostalgischen Gefühle in diesem Teil der Gesellschaft.4 Die andere große Bevölkerungsschicht, die sogenannte sowjetische Intelligenzija, welche als aktive Leser der neuen Presse sowie der Literatur über den GULag und die Repressalien die treibende Kraft von Perestroika, Glasnost und Aufarbeitung der Vergangenheit bildete, wurde nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geistig und moralisch, als Träger der ­demokratischen Werte, die immer weniger von der Gesellschaft gefragt wurden, zu den ­großen Verlierern der neunziger Jahre. Sie wurden auch zunehmend dafür verantwortlich gemacht, dass ihre Ideen der Reformierung und vor allem der Demokratisierung der Gesellschaft irreführend zu sein schienen. Viele, in erster Linie jüngere Menschen aus dieser Schicht verließen Russland in den folgenden Jahren. So haben nach einigen Rechnungen in den letzten zwanzig Jahren fast 500 000 Wissenschaftler Russland verlassen.5 4

Dies zeigte sich besonders deutlich bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1996, als El‘cin dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, Zjuganov, beinahe unterlag. 5 Marat Palnikov: Četvertaja volna: .

120   Irina Scherbakowa Von negativer Bedeutung war auch, dass die neue Macht und die neuen Reformer keine Zusammenhänge zwischen der Einführung der Marktwirtschaft und dem Aufbau der Rechtstaatlichkeit und der Stimulierung der Erinnerung an die Zeit des völligen Unrechts sahen. Sie glaubten nicht daran, dass die Erschaffung der Freiheit ohne Erinnerung an die Unfreiheit kaum möglich ist. So wurden die Bemühungen eines in diesen Jahren immer weiter schrumpfenden, demokratisch gesinnten Teiles der Gesellschaft um eine Erinnerungs­ kultur an Repressalien und Verbrechen der Sowjetzeit weniger bemerkbar. Die im 1989 in der Epoche der Perestroika gegründete Gesellschaft Memo­rial, welche die Erinnerung an die Verbrechen des totalitären Regimes und an ­politische Verfolgungen zu ihrer wichtigsten Aufgabe machte, wurde in ihren Bestrebungen kaum von den neuen Staatsmacht und immer weniger von ­breiten Gesellschaftsschichten unterstützt. So blieben die Bemühungen um Gedenkorte und Museen und Ausstellungen auch in den Regionen Russlands bald nur noch die Sache einzelner Aktivisten. Die Elite unter dem Präsidenten El‘cin, einschließlich derjenigen, die sich als Demokraten positionierten, kümmerte sich darum wenig. Sie war mit dem Aufbau der Marktwirtschaft und zunehmend mit der eigenen Bereicherung beschäftigt, in der Annahme, dass alles andere sich von selbst regeln würde. Dies geschah aus populistischen Gründen, aber auch deshalb, weil ein großer Teil der Elite überhaupt nicht ausgewechselt wurde. Es gab keine Lustration, d. h. es wurden keine Schuldigen für die Verbrechen des kommunistischen Regimes zur Verantwortung gezogen. Auch die Strukturen der Staatsicherheit wurden in Wirklichkeit nur umbenannt und nicht reformiert.6 Mehr noch, es zeigte sich schon seit 1993 eine tiefe Spaltung. Einerseits wollte das Regime El‘cin die unzufriedenen und nostalgischen Teile der Bevölkerung nicht verärgern, anderseits liebäugelte man auch mit den demokratisch-liberalen Gruppen, besonders vor den Präsidentenwahlen von 1996, als El‘cin vor der realen Gefahr stand, diese zu verlieren. Es war nur die Angst dieser Gruppen vor der Rückkehr der Kommunisten, welche ihm deren Stimmen einbrachte. Es entstand jedoch nichts, was man als konsequente Arbeit an der Erinnerungskultur nennen könnte, geschweige denn eine Geschichtspolitik, die eine wirkliche Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit beinhaltete. Besonders negative Folgen brachte in diesem Sinne der Zerfall der UdSSR. Das Ende der Sowjetunion führte in der Bevölkerung der Russischen Födera6

Das führte dazu, dass nach Putins Machtantritt viele Figuren aus den ehemaligen KGBStrukturen Macht und Einfluss bekamen.

Dimensionen und Konflikte russischer Erinnerungskultur   121

tion zu einem dramatischen Identitätsverlust: das einstige ideologische Phantom „Sowjetvolk“ war verschwunden, doch was sollte ein Ersatz dafür sein? Es war uns klar, dass die jungen Leute in den russischen Regionen in einem unglaublich widersprüchlichen historischen Umfeld lebten. Zum einen verwandelten sich die Buchstaben UdSSR nach und nach tatsächlich in eine Abkürzung, die für die jungen Menschen keine reale Be­ deutung mehr hatte. Zum anderen trat der sowjetische Charakter unseres ­gesamten vergangenen Lebens nicht nur überall hervor, er formte auch nach wie vor das gesellschaftliche Bewusstsein und wurde zu einer ständigen ­Quelle für das Wiedererstehen alter und die Schaffung neuer Mythen. Für die acht Millionen Migranten, die nach dem Zerfall der SU aus den zentralasiatischen Republiken, aus dem Kaukasus und aus Moldawien nach Russland kamen, standen die Fragen des Überlebens in der neuen Situation und ihre traumatischen Erfahrungen der letzten Jahre im Vordergrund. Die Erinnerung an die blutigen Seiten der sowjetischen Geschichte wurde dabei verdrängt oder verleugnet.

Auf der vergeblichen Suche nach einem Konsens Die zweite Hälfte der neunziger Jahre war geprägt von einem massenhaften Wandel gesellschaftlicher Werte. Demokratische und liberale Einstellungen wurden marginalisiert, nostalgische Gefühle verstärkten sich, und die Erinnerung an den Terror wurde aus dem nationalen Bewusstsein verdrängt. Zum einem gewissen Wendepunkt wurden schon die Feiern des Jahres 1995 zum 50. Jubiläum des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg. Den Sieg im Krieg wollte man erstmals seit den Zeiten Brežnevs erneut zum Grundstein des nationalen Erinnerungskonsenses machen. Dies geschah vor dem Hintergrund der blutigen Ereignisse des Tschetschenienkrieges, der ein halbes Jahr zuvor begonnen worden war. In ihrer Ratlosigkeit, wie sich dieser Krieg rechtfertigen ließe, griff die Staatspropaganda zur stalinschen Rhetorik, und zum ersten Mal nach der Perestroika erschien wieder die Figur Stalins – als derjenige, der seinerzeit das tschetschenische Problem gelöst hatte, da man während des Vaterländischen Krieges im Jahre 1944 alle Tschetschenen als Vaterlandsverräter beschuldigte und deportierte.7 7

Ich erinnere mich daran, wie bei einer Diskussion im Herbst 1995 mit den Studenten der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften, einige Studenten Stalin als einen effektiven Löser des Problems mit Tschetschenien priesen. Es waren deutliche Signale der Wende.

122   Irina Scherbakowa Aber trotz alledem blieben die Versuche, aus den alten Bausteinen eine neue nationale Idee zu bilden, bis zum Ende der Ära El’cin wenig konsequent und erfolgreich, vor allem weil in den Massenmedien noch Presse- und Meinungs­freiheit herrschte.

Neue Geschichtspolitik Nach der Jahrtausendwende und zu Beginn der Ära Putin begann sich auch die russische Erinnerungslandschaft zu verändern. Und spätestens ab 2003 kann man schon von einer gewissen Geschichtspolitik von Seiten der Kremlnahen Politologen sprechen, deren Ziel es war, mit Hilfe von Bausteinen aus der Vergangenheit ideologische Zukunftsperspektiven zu konstruieren. In einer neuen politischen Situation, wo solche Begriffe wie ‚Demokratie‘ und ‚Freiheit‘ von der Staatsmacht kaum erwähnt wurden und ein vertikaler Machtausbau begann, im parlamentarischen System die Opposition systema­ tisch ausgeschaltet wurde, wo die zivilgesellschaftlichen Strukturen geschwächt wurden und das wichtigste Massenmedium Fernsehen völlig unter staatliche Kontrolle geriet, begann die Staatsmacht mit der Konstruktion der sogenannten „nationalen Idee“. Der Kern dieser Idee waren ein starker Staat und eine Machtvertikale. Aus der russischen Vergangenheit sollte eine bestimmte Tradition konstruiert werden, die beweisen sollte, dass Russland immer nur als starker Staat und ein Imperium unter einem starken Herrscher erfolgreich gewesen sei, dass es stets von Feinden, und insbesondere vom feindlichen Westen, umringt war, gegen die man sich immer verteidigte und verteidigen müsse. Die Idee des Patriotismus und des nationalen Stolzes sollte das Wesen dieser neuen Ideologie bilden und die Geschichte des Landes als eine Abfolge ruhmreicher historischer Leistungen darstellen. Die Erinnerung an den kommunistischen Terror war dafür gar nicht zu gebrauchen, denn da hätte man nicht von Stolz, sondern von Schuld, Trauma und Verantwortung reden müssen. Man neigte ganz offensichtlich immer mehr zu jener alten Formel, die aus der Brežnev-Zeit übernommen wurde: es gab in unserer Geschichte viel Tragisches, aber auch sehr viel Positives. Daraus wollte man einen neuen Mythos von der Einheit entwerfen, der ­allen irgendwie Recht gibt und sich in der Gesellschaft und im Geschichts­ unterricht breit machen möchte. Die Erinnerung an politische Repressalien und an Jahrzehnte gröbster Menschenrechtsverletzungen sollte aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt werden. Als Hauptmythos sollte der Sieg im Großen Vaterländischen Krieg fungieren, wie das auch zu Brežnevs Zeiten in den siebziger Jahren gewesen war. Allerdings mit einem großen Unterschied:

Dimensionen und Konflikte russischer Erinnerungskultur   123

in den 1970er Jahren waren noch die Frontsoldaten am Leben und auch die­ jenigen, die unter schwersten Bedingungen und Anstrengung aller mensch­ lichen Kräfte diesen Sieg ermöglicht hatten. Es waren noch Tausende von ­ehemaligen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern am Leben, deren Schicksale als Menschen zweiter Klasse sehr schwer waren – denn bis zur Zeit der Perestroika waren sie in der offiziellen Erinnerungskultur nicht weiter präsent gewesen. Der unermessliche Preis des Sieges war dennoch in der Erinnerung sehr stark vorhanden. Nun war die Mehrheit dieser Personen schon nicht mehr am Leben. Und nach den schweren Folgen der Wirtschaftsreformen wurden gerade viele Vertreter der älteren Generationen zu Trägern einer ­Sowjet-Nostalgie; sie verdrängten ihre eigenen Erfahrungen zugunsten eines bereinigten und geglätteten Bildes der sowjetischen Vergangenheit. Um diese Tendenz zu bestärken, griff auch die Politik wieder zu einer sowjetisch-nationalen Symbolik – so wurde z. B. die russische Hymne aus den neunziger Jahren wieder gegen die alte sowjetische eingetauscht, und zwar mit einem etwas abgeänderten Text, den übrigens derselbe greise Autor neu schrieb, der bereits 1944 den Hymnentext verfasst hatte. Der Feiertag der „Großen Oktoberrevolution“ von 1917 wurde zwar abgeschafft, aber dafür ein mythologisches Datum, der 4. November, als „Tag der Nationalen Einheit“ eingeführt. Gewählt wurde dieses Datum als angeblicher Tag der Vertreibung der polnischen Besatzer aus Moskau im Jahr 1612. Mit diesem ­Datum konnte niemand etwas Reales verbinden. Mehr noch: dieses mythologisch-künstliche Datum wurde schnell von nationalistischen und recht­radikalen Kräften besetzt, die seither an diesem Tag in den sogenannten „Russischen Märschen“ mit chauvinistischen Parolen marschieren. Umgekehrt fand der 30. Oktober – das Datum, das einige Vertreter der Zivilgesellschaft als den „Tag des politischen Häftlings“ und als Erinnerungstag an die Opfer der politischen Repressalien einzusetzen versuchten – damals keine wirkliche Unterstützung. An diese Opfer wurde seit dem Jahr 2000 immer weniger erinnert. Mehr noch, mit den Versuchen, eine nationale Idee aus Bausteinen wie Nationalstolz und einem positiven Bild der sowjetischen Vergangenheit zu entwickeln und so ein positives Vergessen zu proklamieren, wurde die Figur Stalin als Symbol für einen starken Staat unter einem starken Führer wieder lebendig. So fanden sich die Vertreter der jüngeren Generationen zu Beginn der 2000er Jahre in einer Situation wieder, in der eine kommunikative Erinnerung an die politischen Repressalien unter Stalin aufgrund des Ablebens der Generation, die von diesen betroffen gewesen war, kaum mehr existierte, und eine diesbezügliche kulturelle Erinnerung wenig wahrnehmbar war. Symbolische Daten, Museen, Denkmäler oder ähnliches wurden marginalisiert. Es wurde

124   Irina Scherbakowa immer deutlicher, dass nicht nur kein Konsens darüber existiert, was die ­sowjetische Zeit eigentlich war, sondern die kollektive Erinnerung gespalten, zerrissen und atomisiert ist. Das ist vor allem dadurch zu erklären, dass die Opfer und Täter ihre Rollen wechselten und der stalinsche Terror nicht gegen Fremde, sondern in der erster Linie gegen die eigenen Leute gerichtet war, gegen ganz unterschiedliche soziale Gruppen, die ständig wechselten. Anfang der 2000er war im offiziellen Diskurs immer häufiger davon die Rede, dass es zu viele und zu unterschiedliche Geschichtsbücher gebe und dass vielmehr ein einheitliches Geschichtsbuch zu erstellen sei, das „die ­patriotische Erziehung und den historischen Optimismus“ fördere. Im Jahr 2003 traf sich Putin mit russischen Historikern und Geschichtslehrern (schon dieser Umstand ist bezeichnend!) und erklärte wortwörtlich: „Damals [in den neunziger Jahren] sollten die Historiker das Negative ­betonen, weil die Aufgabe darin bestand, das alte System zu zerstören. Nun haben wir eine andere, eine aufbauende Aufgabe. Und dabei müssen die ­Kruste und der Schaum, die sich über die Jahre gebildet haben, beseitigt werden.“8 Mit dem Bestreben, ein positives Bild der Vergangenheit zu schaffen, hat man begonnen, die Schulbücher umzuschreiben.9 Stalin wurde als ein „effektiver Manager“ – wenn auch mir harten Methoden – gezeichnet, der Russland aber doch in ein Industrieland verwandelt und auch den Krieg gewonnen ­habe.10 Der unermessliche Preis dieser Mobilisierungspolitik wurde als ­notwendiges Übel dargestellt. Man muss aber betonen, dass doch eine harte Diskussion darüber entstand und viele Lehrer gegen solche Manipulationen im Geschichtsunterricht auftraten. Das bedeutete nicht, dass Putin und seine Ideologen die reale Figur Stalin oder den historischen Stalinismus ganz bewusst als Symbol wieder herstellen wollten. Sie suchten in der sowjetischen Geschichte nach Rechtfertigungen für ihren autoritären und antidemokratischen politischen Kurs. Diese Geschichtspolitik führte zusammen mit anderen Faktoren dazu, dass bei den Umfragen Stalin als „die wichtigste Figur des 20. Jahrhunderts“ von der Mehrzahl der Befragten positiv bewertet wurde und er für die meisten nicht als Symbol für Massenterror und schwerste Verbrechen gegen die   8 .   9 Vgl.

dazu: Irina Karacuba: Učebnik Filipova: Prodolženije posledovalo: . 10 Die oft zitierte Bezeichnung als „effektiver Manager“ steht in Wirklichkeit nirgendwo wortwörtlich in Lehrbüchern, Diese Formel hat eine Schülerin im Rahmen einer von Me­ morial organisierten Diskussion erfunden, als Antwort auf die Frage, wie sie die ­Rolle Stalins sehe.

Dimensionen und Konflikte russischer Erinnerungskultur   125

Menschlichkeit stand, sondern als Sieger im Großen Vaterländischen Krieg gesehen wurde. In fast allen Fernsehkanälen wurde Stalin in unzähligen Serien, Filmen u. a. als Megastar gefeiert. Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung im Jahre 2009, als in dem Fernsehprojekt „Name Russland“ Stalin in Online-Abstimmungen auf den ersten Platz rückte und nur unter größten Anstrengungen erreicht werden konnte, dass der mythologische russische Fürst Aleksandr Nevskij aus dem 13. Jahrhundert (eine Figur aus dem Film Sergej Eisensteins von 1938) vor Stalin auf den ersten Platz kam.11 Zum 65. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg meldeten sich in Moskau mehrere Initiativen zur Errichtung von Stalin-Denkmälern. Der damalige Bürgermeister von Moskau, Jurij Lužkov, kündigte an, Plakate mit Stalin-Abbildungen zum 9. Mai 2010 nach Moskau zu bringen. Aktivisten von Memorial versprachen daraufhin, antistalinistische Plakate aufzustellen. Buchstäblich im letzten Augenblick kam aus dem Kreml schließlich ein ­Signal, die Initiative der Stalinisten in Moskau abzublasen. Sie wurde aber in anderen Städten teilweise realisiert.

Die Situation ändert sich Nach der wirtschaftlichen Krise 2009 jedoch, welche die Zukunft Russlands nicht mehr wie noch einige Jahre zuvor in einem rosafarbenen Licht erscheinen ließ, begann sich die Situation zu ändern. Die Diskussion über den Stalinismus war wieder auf der Tagesordnung, und mit ihr kehrte auch die Erinnerung an Verbrechen und Terror in die öffent­liche Wahrnehmung zurück. Es erschienen mehrere Publikationen zum Großen Terror der Jahre 1937–38, zum Hitler-Stalin-Pakt und zur organisierten Hungersnot (Holodomor) der Jahre 1930–32 in der Ukraine. Auch im ­russischen Internet wurden heftige Diskussionen über die Rolle Stalins in der ­russischen Geschichte geführt. Eine scharfe Debatte entstand über prostalinistische Geschichtsbücher für die Schulen und Universitäten. Deren Autoren ist es letztlich nicht gelungen sich so durchzusetzen, dass ihre Lehrbücher alle anderen ersetzen sollten.12

11 Vgl.

. dazu die harte Diskussion über das Geschichtsbuch für Studenten der historischen Fakultäten von Professoren der Moskauer Staatlichen Universität: .

12 Siehe

126   Irina Scherbakowa Auch dass die russische Regierung das Verbrechen in Katyń an den vom NKVD im Jahr 1940 erschossenen polnischen Offizieren anerkannte13, wozu die Tragödie des polnischen Flugzeugabsturzes in Smolensk 2010 beitrug, spielte dabei eine Rolle. Was ist geschehen? Es kam sicherlich einiges zusammen: erstens wurde die junge Generation der ständigen Medienpräsenz Stalins, den man ihnen ja schon fast aufzwang, spürbar müde. Sie schaute insgesamt immer weniger das staatliche Fernsehen, kaum mehr Fernsehfilme und Programme, sondern wandte sich dem Internet zu.14 Zweitens sah es eindeutig so aus, dass Stalin zunehmend zu einem Symbol in erster Linie für die Nationalisten wurde, zur alternativen Figur, nicht nur für alte Stalinisten und Neobolschewisten, sondern für jüngere und ganz junge Rechtsradikale, die in den letzten Jahren sicht- und hörbar geworden sind und nun auf den Massenkundgebungen mit nationalistischen und faschistoiden Parolen marschieren. Für sie wurde Stalin zum deutlichen Gegensatz zur heutigen korrupten, plutokratischen und schwachen politischen Elite. In ihren Augen war Stalin der, der Angst einjagte; der die Korruption nicht zuließ, weil er die Nomenklatura säuberte; der für den Westen eine Bedrohung darstellte; der die kaukasischen Völker ­deportierte und das Baltikum besetzte; der selbst nichts besaß – keine Milliarden, Luxusjachten oder Schlösser – der Gegenpol, das Idol. Der Vergleich war ja ungünstig, so dass auch die Machthaber in der Popularität dieser Figur eine Gefahr für sich sahen.15 All dies zwang den russischen Präsidenten Medvedev zu ­seinen antistalinistischen Aussagen und zur Würdigung der Opfer des stalinistischen Terrors. Aber dass dies ohne deutliche demokratische Veränderungen zu einer konsequenten ‚Entstalinisierungspolitik‘ führen wird, kann man wahrscheinlich kaum erhoffen. Eines ist absolut klar: die Figur Stalins erscheint in der russischen Geschichtswahrnehmung und vor allem als Zukunftsvision immer dann, wenn die Gefahr antidemokratischer Entwicklungen und eines militanten Nationalismus vor der Tür steht. Wiederum wie vor 60 und vor 20 Jahren bedeutet die Einstellung zu Stalin eine Entscheidung für oder gegen die auf der Tagesordnung stehende Modernisierung und Demokratisierung des Landes, die sich mit dem Genossen Stalin im Hintergrund nicht vereinbaren lässt. Eben vor diesem Hintergrund kamen die Vorschläge zur der sogenannten „Entstalinisierung“. Was beinhaltete dieses Programm? Eigentlich nichts an13 Offiziell

passierte das schon in den 1990er Jahren. Fernsehen wurde spöttisch als „Zombiekasten“ bezeichnet, der nur Zombies produzieren könne. 15 Kampf um die Vergangenheit, S. 34–35. 14 Das

Dimensionen und Konflikte russischer Erinnerungskultur   127

deres als das, was schon in der Perestroika proklamiert worden war und wofür in allen darauf folgenden Jahren die Gesellschaft Memorial plädierte. Zusammenfassend ging es um folgende Punkte: 1. Die Verewigung der Erinnerung an die Opfer des Massenterrors, also die Errichtung von Denkmälern, Tafeln, Gedenkstätten u. a.; die Erstellung einer nationalen Opferdatenbank und die ‚Memorialisierung‘ von Massengräbern und Erschießungsorten. 2. Soziale Unterstützung für die noch lebenden Opfer, deren Vergünstigungen und Entschädigungsgelder in manchen Regionen (umgerechnet) nicht mehr als drei Euro im Monat erreichen. 3. Eine politische und juristische Bewertung des kommunistischen Regimes durch das Parlament, das Verfassungsgericht u. a. und hiermit auch die Einführung der Verantwortung für Staatsbeamte, wenn sie öffentlich Stalin glorifizieren und seine Verbrechen bestreiten. 4. Freier Zugang zu den Archiven, die Dokumente über die politischen Repressionen in der UdSSR aufbewahren. Diese Forderung ist auch sehr wichtig, weil sich in den letzten zehn Jahren die Möglichkeiten historischer Forschungsarbeit nicht nur zunehmend verschlechtert haben, sondern weil es auch Fälle gibt, wo Historiker buchstäblich angeklagt werden. Besonders grotesk ist der Fall des Archangelsker Geschichtsprofessors Michail Suprun, der an einer Datenbank über die in den 1940er Jahren ins Gebiet Archangelsk verbannten Deutschen arbeitete und wegen des angeblichen Verstoßes gegen den Schutz von Persönlichkeitsrechten verurteilt wurde.16 Aber diese eigentlich so selbstverständlich erscheinenden und trivialen Forderungen haben unerwartet heftige Abwehr hervorgerufen, und zwar aus verschiedenen und oft entgegengesetzten politischen Kreisen. In Dutzenden Talkshows und Fernsehdebatten meldeten sich im Frühling und Sommer 2011 buchstäblich auf allen Kanälen nicht nur einzelne Figuren, sondern ganze Institutionen zu Wort. Hier seien nur einige Beispiele genannt, die hauptsächlich aus dem nationalistischen und kommunistischen Spektrum kommen. Allein schon die ­Titel der Publikationen sagen viel aus: Zum Beispiel veröffentlichte die der PutinAdministration nahestehende Nachrichtenagentur REGNUM von dem Augen­

16 Das

Verfahren lief gegen Suprun, der beschuldigt wurde, „die Unantastbarkeit des Privat­ lebens verletzt zu haben, konkret Archivdaten über internierte und verfolgte Deutsche dem Deutschen Roten Kreuz übermittelt“ zu haben. Vgl. .

128   Irina Scherbakowa blick an, als das Programm am 21. März 2011 veröffentlicht wurde, ungefähr einhundert Stellungnahmen zur „Entstalinisierung“.17 Um zu verstehen, welche ‚Informationen‘ REGNUM verbreitet, genügt es, die Überschriften zur Kenntnis zu nehmen. – Die Entstalinisierung führt zum Bürgerkrieg – Entstalinisierung ist eine Provokation, die auf den Zusammenbruch der Gesellschaft abzielt – Der historische Masochismus Russlands stellt eine Gefahr für die Ukraine dar – Entstalinisierung kann für Russland eine Katastrophe bedeuten – Entstalinisierung schädigt die Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges – Entstalinisierung ist eine Kampagne ideologischen Terrors – Die Folgen der Entstalinisierung werden materielle und territoriale Forderungen an Russland sein – Russophobie und Entstalinisierung sind zwei Seiten einer Medaille – Die ‚Entstalinisierer‘ wollen Russland in einem uferlosen Minderwertigkeitskomplex ertränken – Die ‚Entstalinisierer‘ tanzen nach der Pfeife westlicher Provokateure – Warum wollen sie Russland einen neuen Bürgerkrieg aufzwingen?18 All dies zeigte sehr deutlich, dass die Frage der Einstellung zur sowjetischen Vergangenheit und deren reale Aufarbeitung von bestimmten Kreisen als eine akute Gefahr wahrgenommen wird, da sie tiefe Veränderungen in Richtung Demokratie bringen könnte. Und das hieße Abschied von dem Kurs zum ­starken autoritären Staat zu nehmen und in diesem Sinne nicht nur die ­Geschichtspolitik zu verändern. Als Gegner der Entstalinisierung treten die Kommunisten auf. Die Ur­sache ist klar: der Sieg im Krieg, den sie mit Stalin verbinden, ist für sie die wichtigste Legitimation ihrer siebzigjährigen Herrschaft. Dann gehört zu den Gegnern auch eine Gruppe von Politologen, die der Kreml-Administration nahe stehen, für die natürlich weder die historische ­Figur Stalin selbst noch die historische Aufarbeitung von Interesse ist. Stalin ist für sie vielmehr ein wichtiges Instrument der politischen Mythologie, die sie zur Legitimation von Putins Macht benutzen, indem sie immer wieder die drohende Gefahr aus dem Westen betonen, der Russland in die Knie zwingen wolle. Sie behaupten stets, dass die stalinsche Führung der Menta­lität des ­russischen Volkes entsprochen habe, weil die Russen die liberalen und demo17 Vgl. 18 Der

. Kampf um die Vergangenheit, S. 54.

Dimensionen und Konflikte russischer Erinnerungskultur   129

kratischen Ideen als ihnen völlig fremd ablehnten. Einer von ­ihnen plauderte in einer Polemik mit der Autorin dieser Zeilen in einer Talkshow aus, was er sicherlich dachte, aber nicht so direkt sagen wollte: nämlich, dass das Entstalinisierungsprogramm in Wirklichkeit gegen Putin gerichtet sei. Aber es kam auch teilweise sehr heftige Kritik von liberaler Seite, die kurz gefasst so aussah: was wollt ihr schon wieder mit der Vergangenheit? Das lenkt die Menschen von der heutigen Politik ab, und das ist nur ein Manöver des Kremls. Die Heftigkeit dieser Diskussion zeigte, anders als in den 2000er Jahren, dass die Frage der Aufarbeitung, der Stellungnahme zur kommunistischen Vergangenheit wieder auf der Tagesordnung steht. Und da nichts so stark auf unser Vergangenheitsbild wirkt wie die Gegenwart, bedeutet das vor allem eine spürbare Enttäuschung in der Gesellschaft über das, was heute in Russland entstanden ist und was als Zukunftsvision stehen kann. Ein autoritäres Projekt Putinscher Art erscheint für viele jetzt als sehr zweifelhaft. Das zeigten auch ganz deutlich die Ergebnisse der Umfragen des soziologischen Levada-Zentrums im Sommer 2011. Ganz anders als noch vor zwei Jahren haben 70% der Befragten die stalinschen Repressalien als politisches Verbrechen bezeichnet, das nicht rechtfertigt werden könne. Das Gleiche gilt auch für die Antwort auf die Frage, wer in ihren Augen die Opfer der Stalinzeit waren. Darauf haben 48% geantwortet: Vertreter aller Volksgruppen.19 Das zeigt, dass die Erinnerung an den Terror doch nicht verschwunden ist oder nur im familiären Narrativ existiert. Der wichtigste Unterschied zur der Vor-Perestroika-Zeit besteht darin, dass die Erinnerung an den stalinschen Terror nicht mehr heimlich und privat ist. Sie ist doch ein Teil der Realität geworden, vor allem durch Bemühungen von unterschiedlichen Akteuren der Zivilgesellschaft in den letzten zwanzig Jahren, wenn auch in einem sehr geringen Umfang. Aber klar ist, und das hat die harte Diskussion um die Entstalinisierung nochmals gezeigt, dass kollektive Erinnerung in Russland nicht in sich geschlossen, sondern fragmentiert, atomisiert und zerrissen ist. Die charakteristischen Merkmale dieser fragmentierten und widerspruchsvollen Erinnerung spiegeln im Grunde die Schwierigkeiten Russlands, die traumatische Vergangenheit anzunehmen: es ist eine Erinnerung an die Opfer, nicht an die Verbrechen, eine Erinnerung ohne moralische, rechtliche und gar politische Bewertung. Die Wahlkampagne vom Herbst 2011 für die Wahlen zum russischen Parlament hat die Wahrnehmung der Vergangenheit, oder, besser gesagt, den 19 Lev

Gudkov: .

130   Irina Scherbakowa Kampf um die Vergangenheitsbilder weiter aktualisiert. In ihrer Unfähigkeit, ein überzeugendes Programm für die Zukunft aufzubauen, wandten sich unterschiedliche politische Kräfte zu den Symbolen oder symbolischen Figuren in der russischen und sowjetischen Geschichte, um sich zu positionieren. Die Partei der Macht, das „Einige Russland“, distanzierte sich nun etwas von Stalin, versuchte aber auf positive und ruhmreiche Traditionen zu stützen, um den starken Staat und eine starke Macht zu beschwören. Dazu versuchten sie in ihrer Propaganda die Figur Petr Stolypins20 als Kultfigur für Reformen zugunsten eines starken Staates mit dem Flug Jurij Gagarins zu verbinden, was für die Kontinuität des russischen Imperium mit den Erfolgen der sowjetischen Zeit und mit dem heutigen quasi Modernisierungstrend ­stehen sollte. Die Kommunisten hoben wiederum Stalin hervor, und schon viel dezenter den beinahe vergessenen aber noch nicht beerdigten Lenin, sowie die Trauer nach dem Zerfall der UdSSR. Die Partei des „Gerechten Russland“ versah ihre Werbespots mit der berühmten Plastik Arbeiter und Kolchos­bäuerin, von Vera Muchina aus dem Jahr 1937, die ihre linke Orientierung betonen sollte. P.S.: Vor und nach den massiv gefälschten Wahlen am 4. Dezember  2011 versuchten die Ideologen der Machtstrukturen nun die Bevölkerung mit Vergleichen und Parallelen zur angeblichen Stabilität der Ära Brežnev zu besänftigen, was jedoch scheinbar kaum positive Wirkung erzeugte. Im Gegenteil, diese Parallelen zeigten vielen nun deutlich, dass die Zukunft Russlands wie eine gefährliche Stagnation aussehen wird. Das Ergebnis der Präsidentenwahlen in März 2012 hat diese Befürchtungen noch verstärkt. So wie man mit Sicherheit sagen kann, dass Russland vor unruhigen ­Zeiten steht, so unruhig, atomisiert und widerspruchsvoll sind die Massenvorstellungen von der Vergangenheit, so gespalten und zerrissen ist die Erinnerungskultur. Man kann nur erhoffen, dass das Nachdenken über verpasste Alternativen und die Erinnerung an falsche Entscheidungen an den Kreuzwegen der Geschichte in der Vergangenheit Russlands doch eine Warnung für die Zukunft sein könnten.

20 Petr

Stolypin (1862–1910) – russischer Staatsmann und Premier, Autor der Agrar­reform, Verteidiger eines starken Staates und harter Maßnahmen.

Wlodzimierz Borodziej

Deutschland und das östliche Europa „So viel Zivilisation und so viel Grausamkeit, sagte Humboldt. Was für eine ­Paarung! Gleichsam der Gegensatz zu allem, wofür Deutschland stehe“ (Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt*)

I Wie kann man über Deutschland und den Osten im 20. Jahrhundert in einer halben Stunde halbwegs vernünftig referieren? Noch dazu, wenn man weder so wortmächtig ist wie Karl Schlögel, noch daran glaubt, es habe einen „Deutschen Osten“1, jenes „verlorene Paradies“ gegeben, wo weise Gutsbesitzer bzw. noble Patrizier mit der benachbarten Bevölkerung (mit den deutsch akkulturierten Juden auf jeden Fall) in vorbildlicher Eintracht gelebt hätten – bis dann die „Hitlerbarbarei“ über alle herfiel und dieses multikulturelle Vorbild zerstörte? Mein Vorschlag lautet: Wir nehmen ungefähr 130 Jahre dieser Geschichte in den Blick: etwa ab der Spaltung der Universität Prag 1882 bis heute. Wir teilen sie in Hälften, d. h. bis 1945 und nach diesem Datum. Zu Beginn haben wir es mit zwei deutschen Kaiserreichen zu tun – das eine „kleindeutsch“, an dessen Nationalität trotz seiner Minderheiten keine Zweifel bestehen, das andere bestenfalls halbdeutsch, wo die deutschsprachigen Bürger nicht viel mehr als eine privilegierte Minderheit darstellen. Österreich verabschiedet sich aus dieser Darstellung nach knapp vier Dekaden, um erst nach weiteren 70 Jahren als Banken- und Finanzgroßmacht in den uns interessierenden Raum zurückzukehren, allerdings unter eigenem, nicht deutschem Namen. Zur Halbzeit unserer Erzählung 1945 sehen wir auf jeden Fall an Stelle der beiden imperialen Großmächte acht Besatzungszonen; rechnet man Wien und Berlin hinzu – noch mehr. Bald darauf wird, was vom kleindeutschen Reich übriggeblieben *

1

Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt. Reinbek 2008, S. 208. Gregor Thum: Mythische Landschaften. Das Bild vom „deutschen Osten“ und die Zä­ suren des 20. Jahrhunderts, in: ders. (Hrsg.), Traumland Osten. Deutsche Bilder vom östlichen Europa im 20. Jahrhundert. Göttingen 2006, S. 181–211. Er definiert den „deutschen Osten“ als eine weite „Zone des Übergangs“, gekennzeichnet durch die „jahrhundertelange Verschränkung des deutschen Kulturraums mit den Kulturen des östlichen Mitteleuropa“ (S. 182), zeigt aber zugleich, wie grundlegend und oft sich der Gegenstand änderte, der mit diesem Begriff im 20. Jahrhundert gemeint war.

132   Włodzimierz Borodziej ist, in Bundesrepublik und Deutsche Demokratische Republik gespalten – beide neue Akteure, von denen nur der erste mit viel wenn und aber in die hier angesprochene Tradition einzuordnen ist, während die DDR einen völlig neuen Faktor darstellt. Dieser Abschnitt der Geschichte unter dem Titel „zwei deutsche Staaten und der Osten“ endet abermals nach etwa 40 Jahren, womit wir in der Gegenwart ankommen, in der das alte Mitteldeutschland endgültig zum Osten der Deutschen Republik mutiert ist. Ein deutscher Osten, der ­keine Zweifel erweckt, ob er so bezeichnet werden soll. Die Frage lautet: Hätte man einem gebildeten Deutschen oder DeutschÖsterreicher zu Beginn dieses langen 20. Jahrhunderts die Frage gestellt, ob er sich Deutschland ohne den damaligen Osten – d. h. ohne Königsberg, Stettin, Breslau oder Reichenberg – vorstellen kann, er hätte dem Fragenden wahrscheinlich einen Besuch in der Psychiatrie empfohlen. Hätte man einen gebildeten Mitteleuropäer hundert Jahre später, um 1980 gefragt, ob er sich sein Land als Bündnispartner eines vereinigten Deutschland in NATO und Europäischer Union vorstellen kann – der Wink in Richtung therapeutische Behandlung wäre vermutlich derselbe gewesen.

II „Wir müssen der Geschichte ins Auge sehen“, betitelte die FAZ den Beitrag des slowakischen Außenministers Mikulas Dzurinda über das deutsch-slowakische Verhältnis.2 In dem knapp halbseitigen Text ist dem Zweiten Weltkrieg ein Satz gewidmet, die Karpatendeutschen bzw. deren Vertreibung werden hingegen – wenn ich es richtig zähle – zehnmal direkt angesprochen. Der ­große Bogen, den der Autor schlägt, reicht von der Blütezeit der Zips und den Fugger bis zum heutigen „Detroit Europas“, zu dem die Slowakei auch „dank des größten deutschen Autoherstellers“ geworden sei. Nun wäre es billig, diese Konstruktion einfach zu verspotten mit dem Hinweis, dass ein Beitrag zum selben Thema, geschrieben vor einem Vierteljahrhundert von einem hohen Funktionär der slowakischen KP vermutlich ganz anders gelautet hätte. Hier würde der Bogen vermutlich von den deutschen Bergmännern im Mittelalter bis zur marxistisch selbstverständlichen Notwendigkeit der Vertiefung der ökonomischen Zusammenarbeit mit der DDR reichen; ansonsten würde durchgehend mit gegenteiligen Behauptungen, Fakten und Perspektiven argumentiert werden. 2

Mikulas Dzurinda: Wir müssen der Geschichte ins Auge sehen, in: FAZ, 11. 02. 2011, S. 10.

Deutschland und das östliche Europa   133

Nein, wir sollten über Politiker nicht mehr lästern als sie es verdienen, denn auch unsere eigenen Deutungsmuster sind alles andere als konstant, daher auch nicht wirklich belastbarer und glaubhafter. Das hängt zum einen an dem Reichtum des Stoffes. Der Spiegel füllte dieses Frühjahr rund 150 Seiten seines Spezials mit Kurzgeschichten zum Thema „Die Deutschen im Osten“, die von deutschrechtlicher Kolonisation, Hanse und Ordensstaat in einem abwechslungsreichen Gewaltmarsch über Jahrhunderte und Hunderttausende von Quadratkilometern zur Familie Joschka Fischers in Ungarn führen.3 Erzählt wird von Arbeit und Krieg, Politik und Kultur, Integration und Ausgrenzung. Dahinter stehen Millionen von Einzelschicksalen, Abermillionen von Druckseiten, konkurrierende bzw. gegensätzliche ­Erfahrungen und Erinnerungen. Auch die vielbändige, voluminöse „Deutsche Geschichte im Osten“ bringt ­insofern nur eine überblicksartige Zusammenfassung, ebenso wie die noch dickleibigere, bislang 10-bändige „Habsburgermonarchie“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Beide Reihen sind für uns nicht nur ­wegen ihrer Fragestellung interessant, sondern weil sie in zweifacher Hinsicht unser nächstes Problem illustrieren, nämlich den Wandel der geschichtswissenschaftlichen Paradigmata. Die „Deutsche Geschichte im Osten“ hat mit der alten Ostforschung nur noch wenig gemein; ebenso rückt die „Habsburgermonarchie“ im Verlauf der Dekaden immer mehr von den einst klassischen Deutungsmustern ab. Allerdings zitieren die neueren, kulturwissenschaftlich angehauchten Forschungen zumindest ebenso oft wie die „Habsburgermonarchie“ das Internet­ portal Kakanien Revisited.4 Und hier finden wir die neuen Begrifflichkeiten und Denkarten, die die historische Forschung seit etwa 20 Jahren prägen. ­Einige von ihnen seien aufgezählt: Diskurs, Exotisierung, Identität, Kolonialismus und Postkolonialismus, Konstruktion.5 All diese Begriffe sezieren die deutsche Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts als ein Geflecht von philosophisch untermauerter Selbstbestätigung und Verachtung für die östlichen Nachbarn, deren Grundlage die Überzeugung von der Überlegenheit eigener Schaffenskraft und Bildung gewesen sei. Warum gehe ich hier auf die Forschungslandschaft zum langen 19. Jahrhundert so ausführlich ein? Erstens wegen des Wandels der Ansätze, der in den Arbeiten über das 20. Jahrhundert seine Fortsetzung findet. Zweitens um 3

Der Spiegel. Geschichte 1 (2011). Die Deutschen im Osten. Auf den Spuren einer verlorenen Zeit. 4 . 5 Als Bespiel für diese Forschungsrichtung vgl. Izabela Surynt: Postęp, kultura i kolonializm. Polska a niemiecki projekt europejskiego Wschodu w dyskursach publicznych XIX ­wieku. Wrocław 2006.

134   Włodzimierz Borodziej zu erinnern, dass ein Großteil des Dramas „Deutschland und der Osten“ bis 1914 auf dem Boden der Habsburgermonarchie aufgeführt wird – zu ­einem wesentlich kleineren Teil innerhalb des wilhelminischen Deutschland und im russischen Baltikum; der flächenmäßig nicht ganz unerhebliche Rest südlich der Donau gerinnt in dieser Bestandsaufnahme zu einer quantité ­négligeable. Drittens deshalb, weil nach heutigem Erkenntnisstand gerade in der Habsburgermonarchie die Weichen für das 20. Jahrhundert gestellt wurden, und viertens, weil die soeben zitierten Worte des slowakischen Außenministers einen noch anderen Wandel widerspiegeln: Geändert hat sich grundsätzlich nicht nur die deutsche Sicht des „Ostens“, sondern auch die Urteile der Nachbarn über Deutschland.

III Um 1900 glaubten beide Seiten in einen – wie man damals gerne sagte – ewigen Kampf verwickelt zu sein, der sich aus dem überzeitlichen deutschen „Drang nach Osten“ ergebe. Dafür lieferte vor allem der deutsch-tschechische Konflikt in den böhmischen Ländern zahllose Beispiele. Es ist die Geschichte von wachsender Entfremdung und Hass, die Geschichte von Abschottung und Ausgrenzung, letztlich die Geschichte des deutschen, nach eigenem Verständnis (Abwehr-)Kampfes gegen einen neuen, stets unterschätzten und nie als gleichberechtigt zugelassenen Nationalismus. Theodor Mommsen brachte es auf den Punkt, als er 1897 mit seinem offenen Brief in die hauptsächlich deutsch-tschechische Auseinandersetzung eingriff und sie – ganz im Sinne der Zeitgenossen auf beiden Seiten – auf den germanisch-slawischen Kampf erweiterte: „Und nun sind die Apostel der Barbarisierung am Werke, die deutsche Kultur eines halben Jahrtausends in dem Abgrunde ihrer Unkultur zu begraben […] Wie kann es geschehen, dass die österreichische Reichshauptstadt so lendenlahm, so volkslos, so ehrlos in diesen Kämpfen nicht auftritt? […] Seid hart! Vernunft nimmt der Schädel der Tschechen nicht an, aber für Schläge ist auch er zugänglich.“6 Das war aus „slawischer“ Sicht der Beweis, dass auch ein nachweislich großer Gelehrter und ebenso überzeugter Liberaler Tschechen, Polen und anderen die Ebenbürtigkeit verweigert. Es regnete Proteste und Streitschriften, selbst die österreichischen Christlich-Sozialen distanzierten sich von dem „reichsdeutschen Professor“. Der Nachweis der Unverträglichkeit germanisch6

Berthold Sutter: Theodor Mommsens Brief „An die Deutschen in Österreich“ (1897), in: Ostdeutsche Wissenschaft 10 (1963), S. 152–225, Zitate: S. 159 f.

Deutschland und das östliche Europa   135

slawischer Nachbarschaft war aber erbracht, ebenso wie das gleichzeitige Scheitern des Kabinetts Badeni die vermeintliche Unlösbarkeit der tschechischen Frage in der Monarchie zu besiegeln schien. Dennoch lagen die Dinge vor 1914 grundlegend anders als nach 1918. Der erste und wichtigste Unterschied betraf die Rolle des Ostens in der deutschen Wahrnehmung, die letztlich – trotz entgegengesetzter Anstrengungen der Alldeutschen – defensiv blieb. Die Deutschbalten erlebten eine ­sukzessive Verdrängung einerseits durch russische Behörden, anderseits durch die aufkommende lettische und estnische Nationalbewegung; sie konnten damit leben. Das ‚eigentliche‘ deutsche Reich erwies sich gegenüber der polnischen Nationalbewegung ungeachtet seiner strukturellen Vorteile bzw. Ungleichheit als weitgehend machtlos; auch damit konnten die Preußen leben. Im Großen und Ganzen suchte nämlich die Öffentlichkeit im Wilhelminismus – trotz Angst vor der „Ostflucht“ und vereinzelter Gegenstimmen – den deutschen „Platz an der Sonne“ nicht im Osten. Es ging um Kolonien, es ging um die Bagdadbahn als Milleniumsprojekt, um die Verbreitung deutschen Wesens, deutscher Kultur in jeweils fernen Ländern7 – aber nicht um den Preis eines Konflikts mit Russland, der unwägbare Risiken nach sich zog. Der zweite Unterschied betrifft die Rolle der Deutschen für die Modernisierung ihrer östlichen Nachbarn. Nach 1918, als diese ihre eigenen Universitäten und Verwaltungen aufbauten, sollte diese Rolle tendenziell gegen Null schrumpfen. Bis 1914 war es anders. Die länderübergreifende Untersuchung über Ausländer aus dem Osten an deutschen bzw. deutschsprachigen Universitäten steht wohl noch aus. Dennoch scheint die These nicht allzu gewagt, dass ohne diese Akademiker die Eliten östlich und südöstlich der Reichsgrenzen schwer vorstellbar sind: Von den drei wichtigsten Widersachern Mommsens hatte der Pole Oswald Balzer u. a. in Berlin studiert, der Tscheche Josef Pekar hatte ein Wanderjahr in Berlin und Erlangen absolviert, der Kroate Vatroslav Jagić war zuerst Professor in Berlin gewesen und danach für längere Zeit prominenter Professor für Slawistik an der Universität Wien. Wo immer wir hinblicken – von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich über die Universitäten beider Kaiserreiche bis nach Dorpat, auf den Wiener Reichsrat (im polnischen Fall auch auf den Berliner Reichstag): Überall sehen wir Schulen (gute und schlechte übrigens), die nach 1918 in das nun eigene Land verpflanzt wurden.

7

Dazu ausführlich die ersten Kapitel von Dirk van Laak: Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert. München 2005.

136   Włodzimierz Borodziej

IV Erst vor diesem Hintergrund wird die Zäsur des „Großen Krieges“ bzw. der deutschen Erfolge im Osten zwischen 1915 und 1918 voll erkennbar. Vejas Liulevicius hat es vor einigen Jahren auf den Punkt gebracht, als er im Umkreis des „Ober Ost“ einen nahezu epidemischen Ausbruch von Phantasien, Utopien, Phobien, Vermessungs- und Ordnungsplänen diagnostizierte8, der den geistigen Horizont sowohl der unmittelbar Beteiligten als auch der deutschen Öffentlichkeit radikal veränderte. Schon die Siege über die Russen ­waren leicht gefallen; die Erfahrung, über zwei Jahre lang große Flächen Ostmitteleuropas wie eine Kolonie im fernen Afrika verwalten und gestalten zu können – schon das hätte gereicht. Aber im Februar 1918 kam noch der einmalige Siegeszug tief in den Osten hinzu; bis an den Don, ohne nennenswerte Gegenwehr und Verluste. Die jungen Leutnants und Majore vom Frühjahr 1918 sollten 1941 als Generäle die Wehrmacht befehligen. Es war pures Gift – dieser Sieg im Osten – und es vergiftete die Deutschen tatsächlich. Hinzu kam, dass sie sich in den Nachfolgekämpfen im Baltikum und etwas später in Oberschlesien abermals um den eigentlich fast schon errungenen Sieg betrogen sahen; dass die Gebietsverluste im näheren Osten die ehemalige Staatsnation zu einer Minderheit machten. Günther Stökl, der vor mehr als vier Jahrzehnten das vielleicht noch immer beste Buch zu unserem Thema verfasste, zeichnete die Linie dieser alten Nationalitätenkämpfe unter neuem, gewaltsamen Vorzeichen von der Untersteiermark und Kärnten bis nach Memel.9 Bleiben wir jedoch auf der Hauptachse des Konflikts, die von Danzig nach Brünn reichte. Im Norden erwies sich die neue Staatsnation als gelehriger Schüler der preußischen Bürokratie. So erließ etwa das polnische Ministe­rium für das ehemals preußische Teilgebiet 1920 eine Sprachenverordnung, die in knappen vier Paragraphen Inhalte und Methoden der Politik gegenüber den Deutschen exemplarisch erfasste: Amtssprache wurde nun Polnisch; das Deutsche, „falls erforderlich“, als Hilfssprache zugelassen; das preußische Sprachengesetz außer Kraft gesetzt. Ferner hieß es in Paragraph  3: „Wo immer andere bestehende deutsche und preußische Gesetze“, die die Dominanz des Deutschen festgelegt und das Polnische vor 1914 aus Schule, Amt und Gericht

8

Vejas Gabriel Liulevicius: Kriegsland im Osten. Eroberung, Kolonialisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg, übers. v. Jürgen Bauer. Hamburg 2002.   9 Günther Stökl: Osteuropa und die Deutschen. 2. Aufl. Stuttgart 1982, hier: S. 154–158.

Deutschland und das östliche Europa   137

nach und nach entfernt hatten, „die Verwendung der deutschen Sprache vorschreiben, wird diese durch die polnische Sprache ersetzt“.10 In der benachbarten Tschechoslowakei ging es im rechtlichen Bereich moderater zu, dennoch notierte ein deutscher Diplomat 1922 offensichtlich schockiert: „Die Presse bringt fast täglich zugestutzte blutrünstige Schilderungen, und so frißt sich das Gift des gegenseitigen Hasses immer tiefer in die Gemüter. Ich bin als Elsässer mancherlei gewöhnt, was nationalen Gegensatz anlangt; aber dieses Maß von sprühendem Haß und Fanatismus, wie man ihn hierzulande findet, habe ich bisher noch nirgends beobachtet. Die Zustände, die hier in der Nationalitätenfrage herrschen, sind in der Tat vollkommen balkanisch.“11 Hans Heinrich Dieckhoff sollte später als zweimaliger Botschafter des Dritten Reiches Karriere machen. Er gehörte gewiss nicht zu postmodernen Zauderern, dennoch schrieb er nicht von blutrünstigen Tschechen, die den Deutschen an die Gurgel wollen, sondern wunderte sich über eine beiderseitige Verbissenheit, die zu seiner bisherigen Vision mitteleuropäischer Standards offenbar quer stand. Anderswo mochte es weniger kriegerisch zugehen; im Baltikum stellte vor allem die gegen den deutschen Grundbesitz gerichtete Bodenreform den Hauptstreitpunkt mit Esten und Letten dar; deutsche Bauern wurden überall viel seltener vom Hass infiziert als Städter. Dennoch, wenn John Lukacs die Kontinuität der gegenseitigen Befruchtung von Deutschen und Ungarn im Budapest zur Zeit der Weimarer Republik konstatiert – sie sei „ebenso stark wie zuvor, möglicherweise sogar stärker“ als vor 1918 gewesen12 –, bestätigt er einmal mehr, dass Ungarn unter der uns interessierenden Fragestellung in Ostmitteleuropa immer wieder eine Ausnahme bildete. All dies internalisierte und nutzte bekanntlich Adolf Hitler. Wir übergehen hier die Rolle der Deutschbalten und ehemaligen Freikorpskämpfer in der NSBewegung; darüber ist genug geschrieben worden und Liulevicius war keineswegs der erste, der in diesem Punkt die Kontinuität zwischen Weltkriegser­ lebnis und nationalsozialistischem Deutschland herausgestellt hat. Es ging nun 10 Rozporządzenie

o języku urzędowym władz administracyjnych, dat. 29  IV  1920, in: Dziennik Urzędowy Ministerstwa Byłej Dzielnicy Pruskiej, nr. 18, poz. 171. 11 Hans Heinrich Dieckhoff an das Auswärtige Amt, 11. 07. 1922, zit. nach Piotr Majewski: Historia pewnego nacjonalizmu. Warszawa 2007, S. 288. 12 John Lukacs: Ungarn in Europa. Budapest um die Jahrhundertwende. Berlin 1990, S. 9. Die Intensität habe sich gehalten, obwohl in Budapest schon vor 1900 genau derselbe Rückgang des Anteils der Deutschen an der Bevölkerung zu verzeichnen war wie in Riga, Lodz oder Tallinn nach 1918. All dies könnte aber auf einem Missverständnis beruhen, da Lukacs als Beleg die ungarische Begeisterung für Thomas Mann heranzieht. Diese gab es auch anderswo, nur wurde in Mann nicht das „eigentliche“ sondern das „andere“, oppositionelle Deutschland geehrt.

138   Włodzimierz Borodziej nicht mehr um die Verteidigung deutschen Besitzstandes gegen das „Slawentum“, sondern um dessen endgültige Verdrängung, Versklavung und Vernichtung als Voraussetzung für ein 1000-jähriges Reich, das durch den Zugriff auf die unendlichen Ressourcen des Ostens unschlagbar werden würde. Dirk van Laak illustriert diese Verlagerung der Kolonialphantasien von Süden nach ­Osten mit einem Monolog des Führers vom Oktober 1941: Von den Kolonien in Afrika hielt Hitler nichts, aber: „Die Wolga muß unserer Mississippi sein.“13 Damit war bekanntlich gemeint, dass nach dem Endsieg die meisten Menschen aus der uns interessierenden Region verschwinden sollten und mit ihnen all die Probleme, die sie seit jeher bereiteten. Der Vernichtungswahn traf schließlich nur die Juden voll, die meisten anderen kamen mit mehr oder weniger gravierenden Verlusten davon. Ost­ mitteleuropa wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Zur gleichen Zeit, als die Besatzungsmächte 1945 die deutsche Souveränität suspendierten, wurden die Überlebenden Bürger von sowjetischen Satellitenstaaten – auch dies eine ­Folge des deutschen Griffs nach dem Kolonialreich im Osten.

V Die zweite Halbzeit der Beziehungen zwischen Deutschland und dem europä­ ischen Osten 1945-2010 lässt sich wesentlich schneller erzählen. Sie beinhaltet im Grunde nur ein dramatisches Ereignis und – abgesehen von diesem einen – keine Toten, relativ wenig Dramen, kaum Aufsehen erregendes. Das dramatische Ereignis heißt auf Deutsch Flucht und Vertreibung und gewinnt in der durch das Format des Vortrags vorgegebenen Verkürzung die biblische Würde wieder, die in dem Namen schon immer zum Ausdruck kommen sollte: Ja, die Deutschen wurden vertrieben, keinesfalls alttestamentarisch – dann hätte es noch viel schlimmer kommen müssen – aber zweifellos mit einer Strenge, die vor 1939 allen Beteiligten unvorstellbar gewesen war. Es gab Schuld und Sühne; es traf vor allem Unschuldige. Freilich hatte das Schlusskapitel der Geschichte des „deutschen Ostens“ mit der „Heim ins Reich“-Aktion 1939/40 begonnen, wie überhaupt die Vertreibung nur aus dem Zweiten Weltkrieg mit seinem Massenmord und ebenso massenhafter Entwurzelung heraus verständlich erzählt werden kann. Während also die Deutschen, die einst in unserer Region gelebt haben, vom Baltikum bis Jugoslawien aus der Erzählung verschwinden, kommt ein ganz 13 Laak,

Über alles, Kapitel V; Zitat: S. 149; Zum „frontier“-Gedanken siehe auch Thum, Mythische Landschaften, S. 196–199.

Deutschland und das östliche Europa   139

neuer Faktor hinzu, der lediglich 40 Jahre Bestand haben sollte: die Deutsche Demokratische Republik. Es ist eigentümlich, wie wenig dieser politisch ganz und gar zum Osten gehörende Staat auf ‚unseren‘ Osten einwirkte; so erscheint es zumindest aus der möglicherweise verzerrten Perspektive von nur 20 Jahren Abstand.14 Der Aufstand von 1953 stellte kein Vorbild dar – weder für die Ungarn noch für die Polen drei Jahre danach, von späteren Protestbewegungen ganz zu schweigen. Der real existierende Sozialismus in sächsisch-preußischer Sonderausgabe trieb Handel mit den anderen Ostblockstaaten, beteiligte sich an militärischen Planungen des Warschauer Paktes, galt den anderen Parteiführungen als verlässliches Mitglied der Gemeinde, wohl kontrolliert und durchherrscht (mit der Einschränkung, dass die Existenz seines Großen Bruders im Westen einen strukturellen Anlass zum Misstrauen bot); ein wichtiges Element des labilen Gleichgewichts entlang des Eisernen Vorhangs. Es ging von ihm keine Bedrohung aus und ebenso wenig eine kulturelle Ausstrahlung; er blieb durchgehend unattraktiv. Selbst bei den Grabungen nach den Folgen des Fremdenverkehrs, der seit den frühen 1970ern Dutzende von Millionen Ostdeutscher, Polen, Tschechen, Slowaken, Ungarn, Rumänen und Bulgaren vor allem in der Sommerzeit zusammenbrachte, sind wir nicht wirklich fündig geworden.15 So scheint die erste deutsche Staatlichkeit, die mit ihren öst­ lichen und südöstlichen Nachbarn offiziell einen betont freundschaftlichen Umgang pflegte, paradoxerweise nicht mehr als einen Exkurs wert zu sein. Komplizierter sieht der Beitrag der alten Bundesrepublik aus. Auch ihre kulturelle Ausstrahlung blieb anfangs gering. Die Staatspropaganda im ­Osten stellte sie als militärisch-politische Bedrohung dar, was vor dem historischen Hintergrund wie der aktuellen Verweigerung der Anerkennung der Grenze an Oder und Neiße wohl einigermaßen plausibel klang. Selbst im engsten Kreis der Ostblockführung machte man sich 1968 ernsthafte Gedanken um das Ausmaß der „Infiltration“ der Tschechoslowakei durch die „BRD“16; 1971 14 In

welchem Maße man umgekehrt von einem bleibenden Einfluss der Ostblockzugehörigkeit der DDR auf die heutigen östlichen Bundesländer in dem uns interessierenden Zusammenhang sprechen kann, scheint auch dem Experten Jan C. Behrends unklar. Vgl. ders.: Freundschaft, Fremdheit, Gewalt. Ostdeutsche Sowjetunionbilder zwischen Propaganda und Erfahrung, in: Thum (Hrsg.), Traumland Osten, S. 157–180, hier: S. 176 f. 15 Vgl. dazu u. a. Włodzimierz Borodziej/Jerzy Kochanowski/Joachim von Puttkamer (Hrsg.): „Schleichwege“. Informelle Begegnungen sozialistischer Staatsbürger zwischen 1956 und 1989. Köln/Weimar/Wien 2010. 16 Aleksei Filitov: The USSR, the Federal Republic of Germany and the Czechoslovak ­Crisis of 1968, in: Günter Bischof/Stefan Karner/Peter Ruggenthaler (Hrsg.), The Prague Spring and the Warsaw Pact Invasion of Czechoslovakia in 1968. Lanham u. a. 2011, S. 319–339. Filitov geht vor allem auf den propagandistischen Wert dieses Bedrohungssyndroms ein. Den polnischen Protokollen der Gipfeltreffen (Andrzej Garlicki/Andrzej Paczkowski

140   Włodzimierz Borodziej stieß die polnische Parteiführung bei den streikenden Stettiner Arbeitern auf keinen Widerspruch, als sie auf die angeblich vor der Bucht kreisenden Kriegsschiffe der Bundesmarine als Bedrohung, d. h. maßgeblichen Kontext der laufenden Verhandlungen hinwies.17 Wie lang die ­Vogelscheuche westdeutscher Revisionismus wirklich Angst einflößte und damit systemstabilisierend wirkte, wissen wir nicht. Bonn unterhielt bekanntlich bis Anfang der 1970er Jahre zu den meisten Staaten des so genannten Ostblocks nicht einmal diplomatische Beziehungen. Dennoch wirkte sich die allmähliche Ankunft der BRD im Westen durchaus auf den Osten aus: Je größer der wirtschaftliche Erfolg des westdeutschen Teilstaates, je stärker der Westen also insgesamt wurde, desto schwächer wurde indirekt der Osten und desto abhängiger wurden damit die Satellitenstaaten von Moskau. Diesen Zusammenhang sahen mehr oder minder alle politisch Aktiven. Mitte der 1960er waren viele von ihnen – am einflussreichsten waren die Vordenker auf der anderen Seite des Atlantiks – bereit, dem deutschen Verbündeten eine Revision seiner Frontstellung gegen den Osten nahezulegen, womit wir bei einer der Wurzeln der Neuen Ost­politik angelangt ­wären. Bevor wir jedoch den „Wandel durch Annäherung“ direkt ansprechen, sei auf die über 1970 hinausgehenden Folgen der ersten zwei Dekaden hingewiesen: Es war nicht nur so, dass der Osten aus dem Wahrnehmungshorizont der Westdeutschen verschwunden wäre (DDR, Jugoslawien und UdSSR seien als jeweils unterschiedlich bedingte Ausnahmen genannt), denn ebenso verschwand vom Bildschirm all das Neue, was Bonn mit sich brachte: Die Verwestlichung, die schrittweise Auflösung des Obrigkeitsstaates, die – wohl welthistorisch einmalige – Auseinandersetzung um die Wiederbewaffnung, schließlich die Generation von 1968, die in Auseinandersetzung mit ihren Eltern eine neue Definition von Deutschsein einzufordern begann. Dass in der Bundesrepublik eine Zivilgesellschaft entstand, die sich in Abgrenzung nicht nur zum Dritten sondern auch zu mehreren Grundwerten des Zweiten Reiches definierte, sollte im Osten erst in den 1970er und 1980er Jahren bekannt werden, selbstverständlich ohne dass jeder Pole oder Ungar sich darüber viele Gedanken gemacht hätte. Anders formuliert, hatten die meisten Menschen östlich der Oder bzw. des Bayrischen Waldes, vom Westen isoliert und im Inneren zensiert, so gut wie keine Chance gehabt mit zu bekommen, dass (Hrsg.): Zaciskanie pętli. Tajne dokumenty dotyczące Czechosłowacji 1968 r. Warszawa 1995) zufolge wurde die These von einer westdeutschen Verschwörung besonders offensiv von Walter Ulbricht vertreten. 17 Michał Paźniewski: Debata robotników z Gierkiem. Szczecin 1971 (Warszawa 2010), S. 241 (Diskussionsbeitrag des Verteidigungsministers Wojciech Jaruzelski).

Deutschland und das östliche Europa   141

Bonn nicht Weimar war; dass die Deutschen inzwischen gründlich über sich selbst nachdachten und im Begriff waren, ihre Lebenskoordinaten – zuletzt auch im Hinblick auf den Osten – essentiell zu korrigieren. Dies brauchte Zeit. In den 1960ern dominierte die gegenseitige Ignoranz, in unserer Region – wie gesagt – systembedingt. In der Bundesrepublik leistete das Bild des schon immer barbarischen, rückständigen und bedrohlichen, nun auch noch kommunistischen Ostens treffliche Dienste sowohl für die Westintegration als auch für die vergleichsweise glatte Überführung der Volksgemeinschaft in die Demokratie. Diese innere Republikgründung wurde zumindest kurzfristig erleichtert durch die Suspendierung der Frage nach der eigenen Verantwortung für den Nationalsozialismus bzw. für die deutschen Verbrechen im Osten: Was dort ‚passiert‘ war, ließ sich in die beginnende Erfolgsgeschichte nicht integrieren. Heute, wo die bundesdeutsche „Vergangenheitsbewältigung“ weltweit als Exportschlager gilt und Japanern wie ehemaligen Kolonialmächten als Vorbild vor die Nase gehalten wird, ­erscheint dieser Befund befremdlich bis unverständlich; hätte ihn jemand damals artikuliert, klänge er nach Verhöhnung der Opfer. Der Grundkonsens der Adenauerzeit wurde aber nicht von den Opfern jenseits des Eisernen Vorhangs infrage gestellt, sondern von den Söhnen und Töchtern der Tätergeneration. Deren Protest richtete sich gegen bundesdeutsche Zustände und Gewohnheiten, genauso wie der Protest in Polen und in der Tschechoslowakei die dortigen Institutionen und Verhältnisse betraf. Als 1968 die große Revolte ausbrach, erwies sich die – bis heute gerne gepflegte – Vorstellung von einer vermeintlichen Gemeinsamkeit der Jugendlichen in Ost und West als Missverständnis: Sie hatten einander nichts zu sagen, auch wenn sie ausnahmsweise – wie in Prag im Frühjahr’68 – zusammenkamen.18 Der Eiserne Vorhang hatte Europa tatsächlich teilen können, das ‚eigentliche‘ Deutschland und der Osten hatten kaum noch etwas gemein.

VI Damit sind wir bei den letzten beiden Dekaden der deutschen Zweistaatlichkeit angekommen, in denen die Bonner Ostpolitik, international bestätigt durch die 18 Vgl.

dazu u. a. Osteuropa 58 (2008), 7, Das Enzym der Freiheit. 1968 und das halbierte Bewusstsein. Vgl. besonders die Beiträge von Gerd Koenen und Christoph Kleßmann; Jürgen Danyel/Jennifer Schevardo/Stefan Kruhl (Hrsg.): Misunderstanding 68/69. Fremde Zeitgenossen und umstrittene Deutungen. Berlin 2008; Norbert Frei: 1968. Jugendrevolte und globaler Protest. München 2008.

142   Włodzimierz Borodziej Schlussakte von Helsinki, beachtliche Veränderungen mitbewirkte. Sie lockerte die Abhängigkeit der Satelliten von Moskau. Sie trug über wirtschaftliche Kontakte und Kredite anfangs zur Stabilisierung der Regime bei, lockte einige von ihnen aber bald in selbstproduzierte Krisen, indem sie ungewollt die endemische Ineffizienz der Planwirtschaften bloßstellte. Über eine liberale Visapolitik ermöglichte sie es Hunderttausenden von Polen und Ungarn (für Jugoslawen galten ohnehin andere Regeln) das entstehende neue Deutschland persönlich kennenzulernen. Betrachten wir diese ostentative Offenheit als den gesellschaftlichen Pfeiler der Ostpolitik – ein Angebot allerdings an den Durchschnittsbürger nur dort, wo es Reisepässe für private Westreisen überhaupt gab – so muss hingewiesen werden auf ein zweites, zahlenmäßig schmales, dafür an eine spezifische Klientel gerichtetes Angebot: die auswärtige Kulturpolitik. Timothy Garton Ash hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass der Kulturetat des Auswärtigen Amtes höher war als der des französischen Außenministeriums, des Foreign Office und sogar des State Department.19 Ein großer Teil davon floss bekanntlich an Stiftungen, die Intellektuelle – hauptsächlich Wissenschaftler, aber auch Künstler und Journalisten – in die Bundesrepublik einluden. In der zweiten Hälfte der 1960er stieg die Zahl der Stipendiaten allein der Humboldt-Stiftung aus der ČSSR von fünf 1964 auf 62 im Jahre 1969; in den 1970er und 1980er Jahren kamen aus der Volksrepublik Polen 778 Wissenschaftler und aus Ungarn 239. Wenn in den oppositionellen Diskussionen der 1980er Begriffe wie „Rechtstaat“ oder „soziale Marktwirtschaft“ zu lesen waren, wenn nach 1989 dieselben Begriffe in die Verfassungen der postkommunistischen Staaten Eingang fanden (von den Einflüssen des westdeutschen Rechtswesens auf Zivil-, Handels- oder Wahlrecht ganz zu schweigen), dann ist das vor allem der auswär­ tigen Kulturpolitik der alten Bundesrepublik zu verdanken. Die Investition in die „intellectual horizons“ des Ostens erwies sich als die mit Abstand profitabelste, möglicherweise sogar die überhaupt beste Investition, welche die – an Erfolgen nicht gerade arme – Bonner Republik je im Ausland getätigt hat. Damit sind wir bei dem Jahr 1989 und dessen Vorgeschichte angelangt, ­genauer genommen bei der Frage, in welchem Maße wir es mit dem ent­ gegengesetzten Prozess einer Einflussnahme „des Ostens“ auf die deutsche Vereinigung zu tun haben. Einige ostdeutsche Oppositionelle – etwa der jüngst verstorbene Ludwig Mehlhorn – sind ja bekannt dafür, dass sie Opposition in Polen gelernt haben, und dass die Solidarność den Dissidenten in der

19 Timothy

Garton Ash: Im Namen Europas. Deutschland und der geteilte Kontinent. München/Wien 1993, S. 406.

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DDR „um Lichtjahre voraus war”, bestätigen gerne auch andere Beteiligte.20 Andererseits war es im ersten Jahrzehnt nach ’89 gang und gäbe, als Voraussetzung für die ostdeutsche Revolution ausschließlich Michail Gorbačev zu nennen, eventuell noch das ungarisch-österreichische Grenzspektakel am 27. Juni  1989 (das wiederum nur aus der deutsch-ungarischen Perspektive größere Bedeutung zu haben scheint; die anderen, Österreicher inklusive ­haben es nicht sonderlich intensiv wahrgenommen). Wir werden diese Frage nie eindeutig beantworten können. Ob Gorbačev ohne Solidarność als ­blockweites Symbol für die Systemkrise je seine Reformen begonnen hätte, ist durchaus möglich. Dass er mit diesen Reformen den Weg zu den friedlichen Umbrüchen in Polen und Ungarn geebnet hat, scheint mir zumindest außer Frage zu stehen. In welchem Maße aber diese die Leipziger Montagsdemos bedingt haben, wird man nur vermuten können, ohne je auf feste Daten zu stoßen. Eines darf man wohl als vorläufiges Fazit festhalten: Der Oktober und November 1989 in der DDR sind kaum vorstellbar innerhalb eines Ostblocks, wie er vor wenigen Jahren – selbst 1988 noch – ausgesehen hatte. ‚Unser‘ Osten, im gesamten 20. Jahrhundert eher Resonanzboden und Objekt deutscher Politik, wirkte diesmal wohl doch nach Deutschland hi­ nein. Soviel zu den transnationalen gesellschaftlichen Prozessen.21 Auf der zwischen­staatlichen Ebene wurden 1989–1991 die Altlasten – vor allem der Streit um die Oder-Neiße-Linie – ins diplomatiegeschichtliche Archiv überführt, parallel dazu in einer Reihe von bilateralen Verträgen die Weichen für eine Zukunft gestellt, die vor 100 Jahren ebenso unvorstellbar gewesen wären wie die Grenzverläufe.

VII Womit wir in der Transformation bzw. Gegenwart angekommen wären, um zum letzten Mal nach den Wechselbeziehungen zwischen „Deutschland und dem Osten“ zu fragen. Und hier wird zum einen das spezifische Erbe der DDR 20 Dazu

jüngst Gunter Hofmann: Polen und Deutsche. Der Weg zur europäischen Revolu­ tion 1989/90. Berlin 2011. Vgl. besonders das Kapitel über die DDR-Opposition. 21 Lesenswert dazu György Dalos: 1989 – der Vorhang geht auf. München 2009; Padraic Kenney, der die Grenzen übergreifende histoire croisée der 1980er seinerzeit hoch eingeschätzt hat (u. a. ders.: Carnival of Revolution. Central Europe 1989. Princeton-Oxford 2002; ders.: Borders Breached. The Transnational in Eastern Europe since Solidarity, in: Journal of Modern European History 8 (2010), 2, S. 179–195), schätzt inzwischen die Bedeutung der transnationalen bottom-up-Dynamik skeptischer ein.

144   Włodzimierz Borodziej wichtig. Ostdeutschland wurde schon 1990, im Zuge der Vereinigung, Teil der NATO und der EU, „der Osten“ (mehrheitlich) neun Jahre später im Fall der NATO und 14 Jahre später im Fall der Union. In den neuen Bundesländern wurde jährlich das Mehrfache dessen investiert, was in den Ländern von Estland bis Bulgarien zusammen angelegt oder dorthin von Brüssel transferiert wurde – pro-Kopf ein schockierender Unterschied. Trotzdem ist mir bislang kein Text begegnet, in dem das Schicksal der Ostdeutschen als nachahmenswertes Beispiel vorgestellt, sagen wir es direkt: als Objekt des Neides ihrer östlichen Nachbarn behandelt worden wäre. In diesen Zusammenhang gehört zumindest indirekt, dass die deutsche Ostgrenze entgegen oft geäußerten Befürchtungen doch kein Rio Grande geworden ist – weder sind auf der einen Seite die blühenden Landschaften zu sehen, noch auf der anderen die Millionen von Auswanderern, die unbedingt ausgerechnet nach Deutschland wollen. Mit anderen Worten bleiben die Nachbarn füreinander, was sie als DDR, ČSSR, VRP usw. 40 Jahre lang waren, nämlich reichlich uninteressant; eine emotionslose, beinahe schon gelangweilte Gleichgültigkeit, die trotz aller Anstrengungen der Hohen Politik auf beiden Seiten der Grenze mit den Händen zu greifen ist. Eine Ausnahme sticht hervor: die so genannte Gauck-, heute Jahn-Behörde. Deutschland war das erste Land, das die Akten der kommunistischen politischen Polizei weitgehend offen gelegt hat und diesem Beispiel sind ­unter jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen mehrere seiner Nachbarn früher oder später gefolgt. Was dabei in anderen politischen Kulturen heraus­gekommen ist, wäre ein lohnendes Thema für unsere nächste Konferenz – ohne das deutsche Beispiel kann man sich aber diese Geschichten nur schwer vorstellen. Anders sieht der Platz Gesamtdeutschlands aus. Man bräuchte eigentlich mehr Distanz, aber es scheint doch keine allzu gewagte Behauptung: Nie in den letzten 130 Jahren waren Deutsche und deren östliche Nachbarn derart im Reinen miteinander wie heute. Selbstverständlich gibt es immer wieder Auseinandersetzungen um den Brüsseler Haushalt, um die Zukunft der EU, ab und zu auch um bilaterale Fragen, um das Verhältnis zu Russland oder zu den USA. Den wohl größten Streit haben letztere bzw. der Irak-Krieg verursacht. Da aber die Prognose von Jacques Derrida und Jürgen Habermas über die Entstehung der postmodernen europäischen Identität gerade auf der Grundlage der Spaltung zwischen „neuem“ und „altem“ Europa sich als so offenkundig falsch herausgestellt hat und die „Fronten“ nur wenige Jahre später ganz anders verlaufen – ob wir an die Euro-Krise denken, an Afghanistan oder an Libyen –, scheint eine neue, grundsätzliche Entfremdung zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn wenig wahrscheinlich. Übrig bleiben erhebliche Unterschiede wie Klimaschutz- oder Energiepolitik – nor-

Deutschland und das östliche Europa   145

male, d. h. verhandelbare Themen, wie sie auch zwischen anderen Staaten oder Staatengruppierungen üblich sind. Nicht verhandelbar hingegen sind das langsam schrumpfende Wohlstandsgefälle oder die Differenzen in der politischen Kultur, aber mit solchen Unterschieden haben der Norden und der Süden Europas schon lange umzugehen gelernt; dass übrigens ein großer Teil der uns interessierenden Region (von Estland bis zur Slowakei bzw. Slowenien) heute eher dem Norden als dem Süden anzugehören scheint, bemerkt außer Fachleuten kaum jemand. Blicken wir auf die letzte Dekade zurück, so fällt auf, dass es eigentlich nur die hier skizzierte Geschichte war, die sich vor allem im Fall der beiden direkten Nachbarn Deutschlands als ausgesprochen sperriger Verhandlungsgegenstand erwiesen hat. 2002 sahen tschechische Politiker und Publizisten die altneue „Achse des Bösen“ München-Wien-Budapest auferstehen.22 Was die polnische Rechte über Deutschland von sich gab und gibt, will ich mir und Ihnen nicht antun; was in Deutschland über Tschechen und Polen bei solchen Gelegenheiten gesagt worden ist – und jederzeit wieder gesagt werden kann –, kann ich nicht belegen, weil es sich in der politischen Kultur dieses Landes nicht gehört, auf diesem Feld als öffentliche Person Klartext zu sprechen. Die Sondergattung: Leserbriefe an die FAZ, wird auch in dieser Hinsicht einmal eine Dissertation wert sein. So ist also auf unserem Feld vieles ausgestorben, einiges geklärt; mehreres vergessen; das meiste verhandelbar und damit in der europäischen Norm angekommen. Vor dem Hintergrund der ersten 65 Jahre dieses langen 20. Jahrhunderts eine beachtliche Leistung; trotzdem noch lange kein Ende der Geschichte.

22 Peter

Haslinger/K. Erik Franzen/Martin Schulze Wessel (Hrsg.): Diskurse über Zwangsmigrationen in Zentraleuropa. Geschichtspolitik, Fachdebatten, literarisches und lokales Erinnern seit 1989. München 2008.

Joachim von Puttkamer

Russland und das östliche Europa Eine politische Identität Europas, so Claus Leggewie in seiner jüngsten Besich­ tigung eines erinnerungskulturellen „Schlachtfeld(s)“, könne nur entstehen, wenn sich die Europäer den konkurrierenden und strittigen Erinnerungen an der Peripherie des Kontinents stellten. Nicht die statische Festlegung auf ver­ meintliche kulturelle Traditionen des Abendlandes, sondern nur ein offener Dialog über unterschiedliche Erfahrungen ermögliche Solidarität und Hand­ lungsfähigkeit innerhalb der größeren Europäischen Union und könne dieser so eine stabile kulturelle Grundlage geben.1 Dabei hat ­Leggewie vor allem jene Konflikte im östlichen Europa, in den baltischen Staaten, in der Ukraine oder in Polen im Sinn, die aus den Erfahrungen mit der impe­rialen Herrschaft der Sowjetunion im 20. Jahrhundert herrühren. Sein Vorschlag birgt also auch die Gefahr, der Ausgrenzung Russlands aus der europäischen Idee Vorschub zu leisten. Wird dieser Zugang der historischen Erfahrung des östlichen Mittel­ europas mit dem bedrängend großen Nachbarn im Osten gerecht? Die weit verbreitete Selbstwahrnehmung als Opfer russischer Übermacht wurzelt tief im historischen Gedächtnis des östlichen Mitteleuropas und ist in ihrer gegenwärtigen Form doch vergleichsweise junger Natur. Sie überdeckt jene vielschichtigen Ambivalenzen, die in der Reflexion über den Einfluss und die Rolle Russlands seit dem 19. Jahrhundert artikuliert und durch die Ok­ toberrevolution noch verstärkt wurden. Erst der Hitler-Stalin-Pakt hat die schwierige Zwischenlage zwischen Deutschland und Russland für den größe­ ren Teil Ostmitteleuropas zu einer eindimensionalen Opfererfahrung verdich­ tet und jene Verwerfungen hervorgebracht, welche die Normalität einer ge­ deihlichen Nachbarschaft gefestigter Nationalstaaten im östlichen Europa so schwierig erscheinen lässt. Im Folgenden will ich der Frage nachgehen, welchen Stellenwert das Nach­ denken über Russland in der politischen Selbstvergewisserung ostmitteleuro­ päischer Politiker und Intellektueller besaß. Der Schwerpunkt liegt dabei aus inhaltlichen, aber auch aus pragmatischen Gründen auf Polen, Tschechien und der Slowakei sowie Ungarn. Diese Kernländer Ostmitteleuropas waren im 20. Jahrhundert wie sonst nur das Baltikum und sicherlich stärker als der Südosten Europas oder auch die Ukraine von jener spezifischen Mittellage 1

Claus Leggewie/Anne Lang: Der Kampf um die europäische Erinnerung. Ein Schlachtfeld wird besichtigt. München 2011, S. 187 f.

148  Joachim von Puttkamer zwischen Deutschland und Russland geprägt, auf die sich die verschiedenen Definitionen Ostmitteleuropas in ihren höchst unterschiedlichen Intentionen und Ausprägungen stützen und die hier zugleich jene Konstitution des Natio­ nalen mitbestimmte, die jeder Beziehungsgeschichte zugrunde liegt. Kursori­ sche Ausblicke über diesen engeren Kernraum hinaus mögen verdeutlichen, wie weit die Befunde allgemeinere Gültigkeit beanspruchen können.

Erste Etappe: Russland und Ostmitteleuropa um 1900 Beginnen will ich mit Roman Dmowski, dem Begründer der Nationaldemokra­ tie in Polen und Gegenspieler Piłsudskis. Dmowski gilt als derjenige politische Denker, der die geopolitische Lage Polens zwischen Deutschland und Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts am gründlichsten durchdacht hat. 1903 veröf­ fentlichte er seine „Gedanken eines modernen Polen“. Das Schlusskapitel zur nationalen Existenz des geteilten Polens leitete er mit der Frage ein: „Sind wir denn nicht die Opfer von Ungerechtigkeit und Gewalt?“2 Schon die schiere Frage war eine Provokation. Denn sie rührte direkt an das polnische Selbstbild, wie es in der Romantik geprägt worden war, an die Vorstellung von Polen, das als „Christus der Völker“ die russische Repres­sion erleide und so die Freiheit des Westens erst ermöglicht habe. Wie viele seiner Zeitgenossen bescheinigte zwar auch Dmowski den Moskowitern eine gewis­ senlose, zerstörerische Neigung, „mit der sie auf den Feldern jahrhunderteal­ ter zivilisatorischer Arbeit herumtrampeln“.3 Letztlich aber seien die Russen im Recht. Denn wie die Deutschen strebten auch sie nur danach, im ewigen Ringen der Völker ihre politische Existenz zu behaupten, den Fortschritt ihrer Kultur zu betreiben und so ihr eigenes nationales Überleben zu sichern. Ein Polen, das sich als Opfer betrachtete, konnte nach Dmowskis Auffas­ sung in diesem Kampf nicht bestehen. Anstatt sich voller Selbstmitleid auf hehre Prinzipien internationaler Gerechtigkeit zu berufen, müssten die ­Polen um ihre nationale Existenz kämpfen, und zwar vor allem durch entschiedene zivilisatorische Arbeit und innere Erneuerung zu einer in sich geschlossenen Nation. Das richtete sich vor allem gegen die aufkommende Sozialdemokra­ tie, die mit ihren Klassenkampfparolen in Dmowskis Augen die polnische Na­ tion zu spalten drohte. Unter dem Eindruck der Revolution von 1905 präzisierte Dmowski seine Ideen. Die Macht und die Größe des Zarenreiches, so der Ausgangspunkt sei­ 2 3

Roman Dmowski: Myśli nowoczesnego Polaka. 3. Aufl. Lwów 1907, S. 202 f. Ebd., S. 203 f.

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ner Überlegungen, beruhten nur auf der Stärke des bürokratischen Apparates. Das russische Volk hingegen könne seine schöpferischen Kräfte erst entfalten, wenn es sich als demokratischer Nationalstaat verfasse. Dafür aber sei das Zaren­reich territorial viel zu groß. Dieser Staat mit den Ausmaßen, die er durch die Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte erlangt hat, hat nur einen Ausweg vor sich, nur einen Weg zur inneren Gesundung und zur Wiederherstellung seiner äußeren Macht: er muß seinen Charakter und die Richtung seiner Entwicklung grundlegend ändern. Es kann nicht mehr der Staat nur des russischen Volkes sein, der allen anderen seine Kultur und seine Institutionen aufzwingt: die Kräfte der ande­ ren Völker und vor allem des polnischen müssen gleichrangig mit den russischen zum Le­ ben und zum eigenständigen Schaffen berufen werden.4

Der Schlüssel für Russlands Zukunft lag für Dmowski also in seinem Verhält­ nis zu Polen. Allerdings müsse Polen anerkennen, dass es in seinen ­ehemaligen und mehrheitlich ostslawischen Ostgebieten keine herrschende ­­Rolle mehr spielen könne, sondern sich auf den Status einer hoch zivilisierten Minderheit zurückziehen müsse. Denn die „Festung des Polentums“, so Dmowski, „liegt an der Weichsel“.5 Die Vorstellung eines polnischen Staates, der sich auf seine ethnischen Kerngebiete beschränkte und in freier und gleichberechtigter Partnerschaft mit seinem großen russischen Nachbarn lebe, hat aus heutiger Sicht etwas Prophetisches, geradezu Utopisches. Dennoch ist Dmowski ein reichlich zwei­ felhafter Gewährsmann, wenn es um die Vision eines östlichen Europas geht, das sich in demokratischen Nationalstaaten organisiert. Denn so wie Dmows­ ki sie formulierte, hatte diese Vision eine entschieden antideutsche, völkische und vor allem antisemitische Stoßrichtung. In Dmowskis Texten finden sich Anklänge an das, was Gerd Koenen vor einigen Jahren als deutschen Russland-Komplex beschrieb. Koenen nahm die­ se Anleihe bei der Psychologie, um die aggressiven Ängste und Zwangsvor­ stellungen zu beschreiben, die sich in Deutschland aus dem Wechsel von kul­ turellem Überlegenheitsgefühl und politischer Inferiorität gegenüber Russland ergaben. Und er wandte sich dagegen, diesen Komplex einseitig als Ursache einer hartnäckigen, geradezu zwanghaften Russophobie zu interpretieren und darüber die Euphorie auszublenden, mit der sich deutsche Intellektuelle von Russland und der Sowjetunion faszinieren ließen.6 Russland, so Koenen, sei 4

Roman Dmowski: Niemcy, Rosja i kwestia polska. Lwów 1908; hier zitiert nach Roman Dmowski: Deutschland, Russland und die polnische Frage (Auszüge), in: Andrzej Chwalba (Hrsg.), Polen und der Osten. Texte zu einem spannungsreichen Verhältnis. Frankfurt am Main 2005, S. 111–132, hier S. 116. 5 Dmowski, Deutschland, Russland und die polnische Frage, S. 128. 6 Gerd Koenen: Der Russland-Komplex. Die Deutschen und der Osten 1900–1945. Mün­ chen 2005, S. 8 f.

150  Joachim von Puttkamer für ganz unterschiedliche Teile der deutschen Öffentlichkeit zur Projektions­ fläche antiwestlicher Zukunftsentwürfe und Phantasmen geworden. So habe das deutsch-sowjetische Verhältnis zum Laboratorium der totalitären Energi­ en des 20. Jahrhunderts werden können. Ausgehend von Dmowski lässt sich ein ähnlich gelagerter polnischer Russ­ land-Komplex diagnostizieren, und zwar vor allem dann, wenn wir ­seine Hoffnung auf den Sturz der Autokratie und auf eine konstitutionelle Entwick­ lung Russlands als Voraussetzung und als Resonanzraum der angestrebten ­nationalen Erneuerung Polens sehen. Diese aber war bei Dmowski ausgespro­ chen völkisch gedacht und trug entschieden antisemitische Züge. Adam Michnik hat Dmowski denn auch treffend als „Bazillusträger der Xeno­phobie“ in Polen bezeichnet.7 Nun macht ein Autor allein noch keinen Komplex. Ähnlich wie in Deutsch­ land berührten sich aber auch im polnischen Russlandbild um 1900 die Extre­ me. Neben den Erwartungen, welche die neue Rechte an Russland hegte, wäre hier am prominentesten die junge Rosa Luxemburg zu nennen, die in den 1890er Jahren von Zürich aus den gemeinsamen Kampf polnischer und russischer Pro­ letarier gegen den Zarismus propagierte. Polen und Russland seien durch die kapitalistische Entwicklung längst auf das engste miteinander verflochten. Ein unabhängiges Polen, wie es die Sozialisten um Piłsudski verfochten, werfe das Land hingegen unweigerlich in vorkapitalistische, feudale Verhältnisse zurück.8 Roman Dmowski wie Rosa Luxemburg strebten beide danach, die aus dem 19. Jahrhundert ererbten Probleme im russisch-polnischen Verhältnis hinter sich zu lassen. Ein freiheitliches Polen, unter dem sie natürlich ganz Unter­ schiedliches verstanden, sollte nicht länger einem alten, per se als autokratisch und repressiv wahrgenommenen Zarenreich abgetrotzt, sondern gemeinsam mit einem erneuerten Russland errichtet werden. Und beide waren bereit, auf die Wiedervereinigung der alten Ostgebiete mit dem ethnischen Kernland Po­ lens zu verzichten. Statt im nationalpolnischen Geist die administrative und zusehends auch sprachliche Russifizierung des heutigen Weißrusslands und der mittleren Ukraine anzuprangern, erkannte Dmowski grundsätzlich die Berech­ tigung Russlands an, unter den mehrheitlich orthodoxen, ostslawischen Bauern für die russische Nation zu werben. Rosa Luxemburg sah diese industriell schwach entwickelten Landstriche mit ihrem mehrheitlich jüdischen, kleinge­ werblichen Proletariat gar nicht erst als Teil der polnisch-russischen Frage. 7

Adam Michnik: Gespräch in der Zitadelle, in: ders.: Polnischer Frieden. Aufsätze zur Konzeption des Widerstands. Berlin 1985, S. 106–147, hier S. 129 (geschrieben 1982). 8 Rosa Luxemburg: Die industrielle Entwickelung Polens, in: dies.: Gesammelte Werke. Bd. 1: 1893 bis 1905. Erster Halbband. 7. Aufl. Berlin 1990, S. 113–216. (zuerst Leipzig 1898).

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Ein Wechselspiel von aggressiver Abwehr und emphatischer Zuwendung zum übermächtigen russischen Nachbarn lässt sich also auch in Polen beob­ achten. „An Rußland“ dichtete Iwaszkiewicz 1928: „Soll ich Dir sagen, dass ich Dich hasse? Oder Dir sagen: ‚Ich liebe Dich‘?“9 Der polnische Publizist Marcin Król diagnostizierte schon 1979 wörtlich einen auf Dmowski zurück­ gehenden „nationalistischen Komplex“, gar eine „Bewusstseinsspaltung“, bei der sich die enttäuschte Abkehr vom westlichen Europa mit der Idee verband, Polen habe seinerseits im russischen Osten eine europäische, zivilisierende Mission zu erfüllen.10 Es lassen sich jedoch auch Anzeichen dafür finden, dass sich dieser polni­ sche Russland-Komplex trotz aller traumatischen Erfahrungen des 20. Jahr­ hunderts inzwischen in eine „historische Normallage“ aufzulösen beginnt, ähnlich wie Koenen sie für das deutsch-russische Verhältnis konstatiert. Al­ lerdings hat dieser Begriff auch seine Tücken. Darauf wird abschließend noch einmal zurückzukommen sein. Ambivalenzen prägten auch im übrigen östlichen Europa das Verhältnis zu Russland, wenngleich nirgendwo so ausgeprägt wie in Polen. In den bal­tischen Provinzen des Zarenreiches, die noch vor Beginn des nationalen Zeitalters in den russischen Reichsverband eingegliedert worden waren, bestimmte um 1900 der Protest gegen die administrative Einebnung der ständischen Ord­ nung die Wahrnehmung Russlands. Wortführer des Protestes gegen die admi­ nistrative und sprachliche Russifizierung waren deutschbaltische Intellektuel­ le, allen voran der Dorpater Historiker Carl Schirren. Esten und Letten sahen sich durch die Lockerung der deutschen Hegemonie hingegen gestärkt.11 Let­ ten und Juden in Riga verhielten sich in der einsetzenden Konsolidierung ­nationaler Milieus ausgesprochen pragmatisch zur ­russischen Reichssprache. Zwar gab es auch hier durchaus Proteste gegen die einsetzende Russifizierung von Verwaltung und Öffentlichkeit.12 Von russophoben Strömungen lässt sich – anders als in den polnischen Gebieten oder in Litauen – allerdings kaum sprechen. Es waren deutsche Rittergüter, die in der Revolution von 1905 von aufmüpfigen Bauern in Brand gesetzt wurden. Erst als die baltischen Staaten   9 Jarosław

Iwaszkiewicz: An Russland, in: Chwalba, Polen und der Osten, S. 141. Król: Europa und wir, in: Peter Oliver Loew (Hrsg.), Polen denkt Europa. Politi­ sche Texte aus zwei Jahrhunderten. Frankfurt a. M. 2004, S. 260–271, hier S. 263. 11 Carl Schirren: Livländische Antwort an Herrn Juri Samarin. Leipzig 1869; Andreas ­Kappeler: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. München 1992, S. 211–213. 12 Ulrike von Hirschhausen: Die Grenzen der Gemeinsamkeit. Deutsche, Letten, Russen und Juden in Riga 1860–1914. Göttingen 2006; Edward C. Thaden (Hrsg.): Russification in the Baltic Provinces and Finland, 1855–1914. Princeton, N. J. 1981. 10 Marcin

152  Joachim von Puttkamer im russischen Bürgerkrieg ihre Unabhängigkeit erkämpften, kippte die Situa­ tion. In der gemeinsamen Abwehr des ­Bolschewismus waren sich national ge­ sinnte Esten und Letten mit ihren ehe­maligen deutschen Herren einig. Darü­ ber sollten allerdings nicht vergessen werden, dass die Bolschewiki gerade auch unter lettischen Arbeitern viele ihrer radikalsten Anhänger fanden. Auch das tschechische Verhältnis zu Russland war um 1900 ausgesprochen ambivalent, war doch das tschechische nationale Selbstbild seit den Anfängen der Nationalbewegung von dem Bezug auf Russland bestimmt. Einer romanti­ schen Verklärung der Russen im Geiste slawischer Wechselseitigkeit hatte Ka­ rel Havlíček bereits im Vormärz in beißender Polemik den tyrannischen Alltag der Leibeigenschaft vorgehalten und dafür plädiert, nicht im zutiefst autokra­ tischen und zudem heuchlerisch expansiven Zarenreich, sondern in der euro­ päisch orientierten Habsburgermonarchie den ­Garant der Entfaltung tschechi­ scher wie südslawischer nationaler Eigenständigkeit zu sehen.13 Hieran konnte František Palacký im April 1848 anknüpfen, als er aus der Abwehr einer dro­ henden russischen Universalmonarchie, selbst wenn sie sich „als eine vorzugs­ weise slavische ankündigen wollte“, die Existenzberechtigung der Habsburger­ monarchie als Hort europäischer ­Humanität neu begründete.14 Das Leitbild einer Zone freiheitlich verfasster kleiner Völker, die sich der russischen wie der deutschen Übermacht erwehrten, griff Tomáš G. Masaryk im Ersten Weltkrieg auf und entkleidete es seiner austroslawischen Anklänge.15 Seine Spuren lassen sich bis in die Mitteleuropadebatte der 1980er Jahre verfolgen. Die romantische Idealisierung Russlands, gegen die Havlíček aus eigener Enttäuschung polemisiert hatte, wurde um 1900 hingegen von Karel Kramář weitergeführt, dem späteren ersten Ministerpräsidenten der Tschechoslowa­ kei. Als Vertreter des Neoslavismus ist Kramář oft in die Nähe zu Dmowski gerückt worden. Auch Kramář sah in Russland vor 1914 die natürliche Schutz­ macht aller Slaven, die aus den Erschütterungen der Revolution von 1905 ge­ stärkt hervorgehen würde. Zuversichtlich schrieb er 1906, es werde „schließ­ lich das Neue und Bessere siegen und Russland wird ein gesunder und mäch­ tiger slavischer Staat werden“.16 Verbunden war diese Hoffnung mit einem 13 Karel

Havlíček Borovský: Obrazy z Rus, Praha 1953; Karel Havlíček: Slovan a Čech, in: Zdeněk Tobolka (Hrsg.), Karla Havlíčka Borovského politické spisy, Bd. 1: “Pražské noviny” (1846–1848). Praha 1900, S. 28–70. 14 [Franz Palacky]: Eine Stimme über Österreichs Anschluß an Deutschland, in: ders.: Ös­ terreichs Staatsidee. Prag 1866, S. 79–86. 15 Tomáš G. Masaryk: The Problem of Small Nations in the European Crisis. Inaugural Lec­ ture at the University of London, King’s College. London 1915. 16 Karel Kramář: Poznámky o české politice. Praha 1906, S. 56, hier zitiert nach Martina Winkler: Karel Kramář (1860–1937). Selbstbild, Fremdwahrnehmungen und Modernisie­ rungsverständnis eines tschechischen Politikers. München 2002, S. 182 f.

Russland und das östliche Europa   153

tiefen Kulturpessimismus gegenüber der Dekadenz des Westens, auch wenn dieses dichotomische Weltbild bei Kramář um diese Zeit bereits an Schärfe verloren hatte. Es gibt aber auch einen ganz banalen Unterschied zu Dmowski, wie über­ haupt zwischen dem tschechischen und dem polnischen Fall. Die Beschäf­ tigung mit Russland war für Kramář wie für Masaryk vor allem eine intel­ lektuelle Herausforderung. Beide beobachteten in Russland den kulturellen Zusammenprall von Tradition und Moderne und zogen daraus ganz unter­ schiedliche Schlüsse. Aber Russland war für die böhmischen Länder und die entstehende Tschechoslowakei kein bedrängendes politisches Problem und war dies auch vorher nie gewesen. Das war in Ungarn anders, wo russische Truppen 1849 maßgeblich zur mili­ tärischen Niederlage der Revolution beigetragen hatten. Seither einte die unga­ rische Öffentlichkeit eine tiefsitzende Ablehnung Russlands, die durch das ge­ samte 20. Jahrhundert nachwirkte. In der Suche nach Orientierung zwischen Deutschland und Russland entwarfen demokratische wie nationalkonservative Politiker und Intellektuelle zwar kein kohärentes Russlandbild, ihre Aufmerk­ samkeit galt vielmehr der Abwehr panslawischer Bestrebungen in einer Föde­ ration kleiner Völker. Die Vorstellung einer bedrohlichen autokratischen Groß­ macht schlug jedoch immer wieder durch.17 Als die Rote Armee am 23. Okto­ ber mit Panzern in Budapest einrückte, lag der Bezug zu 1849 auf der Hand.18 Es wirkte zynisch, zumindest jedoch auf erschütternde Weise weltfremd, dass Chruščev die militärische Behauptung des kommunistischen Regimes durch sowjetische Truppen in seinen Erinnerungen als das Begleichen einer histori­ schen Schuld, als Wiedergutmachung für die schmachvolle Unterdrückung der ungarischen Revolution von 1848/49 verstanden wissen wollte.19 Auch auf dem Balkan wurde Russland vor allem als intervenierende Groß­ macht wahrgenommen, seit es sich 1774 zur Schutzmacht der orthodoxen Christen im Osmanischen Reich erklärt hatte. Das galt nicht nur den süd­ slawischen Brüdern, sondern auch Rumänen und Griechen. Mit dem Nieder­ 17 Oszkár

Jászi: A Monarchia jövője. Új Magyarország. Budapest 1918 [Nachdruck 1988], hier nach Éva Ring (Hrsg.), Helyünk Európában. Nézetek és koncepciók a 20. századi Magyarországon. Bd. 1. Budapest 1986, S. 84–114, hier S. 86; Pál Teleki: Az európai prob­ léma, in: ebd., S. 214–226; István Bethlen: A magyarság helyzete a Dunamedencében, in: ebd., S. 257–277; Dezső Szabó: Magyarország helye Europában. – Keleteurópa, in: ebd., S. 337–356; Jenő Szűcs: Die drei historischen Regionen Europas. 2. Aufl. Frankfurt am Main 1994. 18 György Dalos: 1956. Der Aufstand in Ungarn. München 2006, S. 67. 19 Nikita Chruschtschow: Chruschtschow erinnert sich. Hrsg. von Strobe Talbott, Reinbek 1971, 430 f. Hier zitiert nach Géza Alföldy: Ungarn 1956. Aufstand, Revolution, Freiheits­ kampf. Heidelberg 1997, S. 67.

154  Joachim von Puttkamer gang des Osmanischen Reiches zeichnete sich zunächst eine Teilung in Hege­ monialsphären ab, bei der das Zarenreich seinen Einfluss vor allem über Bulga­ rien geltend machen würde, während Österreich seine unmittelbaren Nachbarn Serbien und Rumänien möglichst eng an sich zu binden suchte. Außenpolitisch hat diese Konstellation den Berliner Kongress nicht lange überdauert. In Bulga­ rien genoss Russland als Geburtshelfer des modernen Nationalstaates trotz zweier Weltkriege an der Seite Deutschlands über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg erhebliche Sympathien. Ein Gefühl besonderer Geistesverwandtschaft zum mächtigen orthodoxen Bruder im Osten war über das 19. Jahrhundert hinweg auch in Serbien entstanden, wo es in konservativen Kreisen mit der Ablehnung einer westlich konnotierten Moderne korrespondierte. Hier wirkte ein russophiles Antiwestlertum, gestärkt durch russische Emigranten, über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg.20 Stärker als irgendwo sonst in Europa wurde Russland in Serbien zum Gegenentwurf des Westens stilisiert. Alles in allem lassen sich die Hoffnungen und Ängste, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im östlichen und südöstlichen Europa auf Russland richteten, also kaum auf einen Nenner bringen. Angesichts der Fortschrittsperspektiven, die sich mit einer nationalstaatlichen Ordnung verknüpften, hatte sich Russland als imperiale Schutzmacht der Slawen wie als konservativer Gegenentwurf zum Westen nur auf dem Balkan etabliert, wo es die entstehenden Nationalstaaten unterstützte und nicht mit dem Gefühl eigener kultureller Überlegenheit kon­ frontiert wurde. In Ostmitteleuropa hingegen wurde die Wahrnehmung Russ­ lands weitgehend von den Perspektiven seiner inneren Erneuerung bestimmt. Erst die politische Revolution konnte aus dieser Warte diejenigen Energien frei­ setzen, welche das soziale und kulturelle Gefälle zwischen West und Ost über­ winden würden und Russland nicht länger als bedrängende despotische Groß­ macht erscheinen ließen. Aber auch in der Spannung zwischen der von Westen heraufziehenden industriellen, liberalen Moderne und dem „geheimnisvoll er­ wachenden Osten“, wie Koenen es für Deutschland formuliert hat, lässt sich die Stellung Russlands im östlichen Europa angesichts sehr unterschiedlicher histo­ rischer Erfahrungen nicht restlos auflösen.

Zweite Etappe: Das sowjetische Russland Am Beispiel des Baltikums wurde bereits angedeutet, dass sich die Stellung Russlands zu seinen westlichen Nachbarn mit der Russischen Revolution er­ 20 Klaus

Buchenau: Auf russischen Spuren. Orthodoxe Antiwestler in Serbien, 1850–1945. Wiesbaden 2011.

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heblich veränderte. Durch die militärische Niederlage des Zarenreiches und erst recht durch den Frieden, der dem jungen Sowjetstaat in Brest-Litovsk aufgezwungen wurde, tat sich jener Freiraum auf, in dem aus den ehemaligen Besitzungen des Zarenreiches neue Nationalstaaten entstanden. Die wichtigste Zäsur bestand jedoch darin, dass Russland fortan die Bedro­ hung durch den Kommunismus verkörperte – oder, je nach Standpunkt, die Verheißung der Weltrevolution. Die Wahrnehmung Russlands wurde seither nahezu durchweg davon bestimmt, wie weit das revolutionäre Russland und die Sowjetunion im Positiven wie im Negativen als welthistorisch neue Er­ scheinung oder vielmehr als Erbin des Zarenreiches wahrgenommen wurden. Im östlichen Mitteleuropa sind solche Deutungen unweigerlich mit der Frage nach den Ursachen und Voraussetzungen kommunistischer Herrschaft im ­eigenen Land verbunden. Auch wenn der Kommunismus – von Jugoslawien und Albanien einmal abgesehen – durch die Rote Armee ins Land gebracht wurde, kann die kommunistische, sowjetische Erfahrung rückblickend doch kaum auf ein Problem der russischen Geschichte und damit auf die Bezie­ hung Russlands zu seinen näheren und ferneren Nachbarn reduziert werden. Schon früh ließen sich Stimmen vernehmen, welche die kommunistische Revolution als ein weltgeschichtliches Ereignis deuteten, das in Russland al­ lenfalls seinen Ausgang nahm, ohne jedoch als spezifisch russisches Phäno­ men wahrgenommen zu werden. Wie überall in Europa, so wurde die Okto­ berrevolution auch im östlichen Mitteleuropa auf der radikalen Linken als Beginn der proletarischen Weltrevolution gefeiert. Eine konsequent interna­ tionalistische Position geriet jedoch rasch in Widerspruch zur Idee nationaler Selbstbestimmung. Nur Ungarn bildete insofern eine Ausnahme, als hier die Räterepublik für einige Monate die einzige Option zu sein schien, noch in der Niederlage den Erhalt der historischen Grenzen zu erkämpfen. Dabei bot sich die junge Sowjetmacht als natürlicher Bündnispartner an.21 Überkommene nationale Vorbehalte gegenüber Russland traten zeitweilig in den Hinter­ grund. Nicht so in Polen. Hier manövrierte sich die neugegründete Kommu­ nistische Partei mit ihrer konsequenten Absage an die Idee nationaler Selbst­ bestimmung und an den wiedererrungenen Nationalstaat rasch ins politische Abseits. Weitsichtigen Kommunisten wie Julian Marchlewski war dabei durch­ aus klar, dass militärische Unterstützung von sowjetrussischer Seite für die proletarische Revolution in Polen zu einer schweren Belastung werden muss­ 21 Karl

Nehring (Hrsg.): Flugblätter und Flugschriften zur ungarischen Räterepublik. Deutschsprachige Drucke aus Budapester Sammlungen. München 1981; Béla Kun: Tanács-Magyarország a Szovjetunió szövetségese, in: Ring, Helyünk Európában. Bd. 1, S. 129–132.

156  Joachim von Puttkamer te.22 Binnen Jahresfrist bestätigte der polnisch-sowjetische Krieg diese Mah­ nung. Von dieser Erfahrung geprägt übernahmen ostmitteleuropäische Kom­ munisten das Argument nationaler Selbstbestimmung, die nur durch die sozi­ alistische Revolution erkämpft und nur von der Sowjetunion dauerhaft geschützt werde, fortan in ihr Standardrepertoire. Das Gegenstück zum proletarischen Internationalismus war eine grund­ sätzliche Absage an den Kommunismus als solchen, die sich zunächst eben­ falls nicht so sehr auf Russland richtete, sich jedoch durch die Entwicklungen in Russland seit 1917 eindrucksvoll bestätigt sah. In Polen könne man aus nächster Nähe beobachten, was Bolschewismus bedeute, äußerte Piłsudski im März 1920 in einer französischen Tageszeitung: In Polen sind selbst die […] radikalsten Menschen über den Abgrund entsetzt, in den der Bolschewismus Rußland gestürzt hat. Sie sind sich dessen bewußt. Man muß sich demnach davor hüten, diesem Beispiel zu folgen.23

Allenfalls aus der Ferne Westeuropas könne man noch „an die Schönheit des von Lenin eingeführten Systems glauben“. Noch drastischer formulierte Karel Kramář der 1921 eine tiefe Zerrüttung Russlands, eine „entsetzliche Erkran­ kung des gesamten Organismus“ konstatierte: „Noch nie hat sich der Welt ein so furchtbares Bild innerer Fäulnis und Zersetzung enthüllt.“24In diesen Kon­ text prinzipieller Ablehnung des Sowjetkommunismus gehört auch die anti­ semitische Vorstellung eines spezifisch jüdischen Bolschewismus, die aus der Russischen Revolution entstand und in Ostmitteleuropa auch über 1945 hin­ aus besonders nachhaltig wirkte, auch wenn sie für diese Region keineswegs spezifisch ist. Eine zweite Deutung unterschied zwischen dem Kommunismus als politi­ scher Idee und dem Bolschewismus als russischer Praxis. Auch hier haben wir es offensichtlich mit einem politischen Argument zu tun. Masaryk, der die Revolution in Petrograd 1917 hautnah erlebt hatte, notierte bereits 1918: Der Zarismus der Romanows war ungebildet und roh und eben darum weniger schädlich schlimmer ist jetzt der Zarismus der Masse und der Revolutionäre. Den Zar haben sie be­ seitigt, aber den Zarismus haben sie nicht überwunden.25

22 Tadeusz

Szafar: The Origins of the Communist Party in Poland, 1918–1921, in: Ivo ­Banac (Hrsg.), The Effects of World War I: The Class War after the Great War: the Rise of Com­ munist Parties in East Central Europe, 1919–1921. Brooklyn 1983, S. 5–52, hier S. 23. 23 Józef Piłsudski: Freiwilliger Frieden oder Krieg, in: Chwalba, Polen und der Osten, S. 148– 151, Zitat S. 149. 24 Karel Kramář: Die russische Krisis. Geschichte und Kritik des Bolschewismus. München, Leipzig 1925, S. xiii. 25 Tomáš Garrigue Masaryk: Das neue Europa. Der slavische Standpunkt. Berlin 1922, S. 86.

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An diesem Eindruck hielt er auch 1925 noch fest: Die Russen, und auch die Bolschewiken, sind Kinder ihres Zarismus; er hat sie jahrhunder­ telang erzogen und geformt […] Sie tragen die zarische Uniform, wenn auch gewendet; der Russe kann bekanntlich auch die Stiefel gewendet tragen.26

Zwar gestand Masaryk zu, dass der Bolschewismus den Freiheitssinn der rus­ sischen Bauern geweckt und sie zur Arbeit erzogen habe, also eine zivilisatori­ sche Wirkung ausübe. Diese könne jedoch den moralischen Verfall und die sittliche und kulturelle Anarchie bei weitem nicht aufwiegen. Das Argument, dass die hehre Idee des Kommunismus von den russischen Verhältnissen deformiert worden sei, hatte noch eine lange Karriere vor sich. Seinen Höhepunkt erreichte es in den sechziger und siebziger Jahren, nun­ mehr gemünzt auf die stalinistische Prägung, die auch das jeweils eigene Re­ gime übernommen habe. Es genügt, in diesem Zusammenhang auf Milovan Djilas, Jacek Kuroń und Karol Modzelewski, auf die Protagonisten des Prager Frühlings oder auch auf die ungarischen Dissidenten György Konrád und Ivan Szelényi zu verweisen. Der Eindruck, von Russland und der Sowjetunion gehe eine deformierende Wirkung aus, beschränkte sich nicht auf reformsozialistische Debatten. Er lässt sich auch in den Diskussionen darüber nachweisen, wie sehr das sowjeti­ sche Regime die jeweilige nationale Identität und die gesellschaftliche Moral gefährde. Die UdSSR, so Jan Józef Lipski in einem bemerkenswerten Aufsatz aus dem Jahr 1981, stehe zwar unmittelbar in der Tradition zaristischen Ex­ pansionsstrebens, der „Sowjetismus“ sei jedoch für Polen und ­Russen glei­ chermaßen gefährlich und mörderisch. Nur gemeinsam könnten sich die ­Völker der UdSSR und ihrer Satellitenstaaten von dieser „Todes- und Zerset­ zungsgefahr“ befreien.27 Fünf Jahre später zog er eine direkte Linie von der spezifischen Symbiose zwischen zarischer Autokratie und orthodoxer Kirche hin zum totalitären Staat seiner Gegenwart: Damals ging es um den Widerstand gegen die Russifikation, die vom Zarenreich angestrebt wurde, heute um den Widerstand gegen die Sowjetisierung, die vom Imperium der Bol­ schewiki betrieben wird.28

26 Tomáš

Garrigue Masaryk: Die Weltrevolution. Erinnerungen und Betrachtungen 1914– 1918. Berlin 1925, S. 188. 27 Jan Józef Lipski: Zwei Vaterländer – zwei Patriotismen. Bemerkungen zum nationalen Größenwahn und zur Xenophobie der Polen, in: ders.: Powiedzieć sobie wszystko… Ese­ je o sąsiedztwie polsko-niemieckim. Wir müssen uns alles sagen… Essays zur deutschpolnischen Nachbarschaft. Warszawa 1996, S. 185–228, hier S. 203 und S. 208. 28 Jan Józef Lipski: Liegt Polen in Europa?, in: Frank Herterich/Christian Semler (Hrsg.), Da­ zwischen. Ostmitteleuropäische Reflexionen. Frankfurt am Main 1989, S. 150–162, hier S. 151.

158  Joachim von Puttkamer Die Wendung Polens nach Westeuropa stellte folglich, so Lipski, „eine Art ideologischer Notwehr angesichts der Bedrohung der eigenen Identität dar“.29 Auf derselben Linie argumentierte auch Milan Kundera. Nicht Russland, sondern der Kommunismus beraube die Nationen ihrer Substanz und ihrer Identität. Die Russen selbst seien das erste Opfer dieser Bedrohung, und so sei­ en sie in der misslichen Lage, „daß ihre Heimat mit dem verhaßten Kommunis­ mus verwechselt wird“.30 Im Gegensatz zu den Russen kämpften die ostmittel­ europäischen Länder seit 1945 in der Verteidigung ihrer kulturellen Identität zugleich „um die Erhaltung ihrer Westlichkeit“, ohne dass dies vom westlichen Europa hinreichend gewürdigt, ja überhaupt wahrgenommen ­werde.31 Das östliche Mitteleuropa geriet in dieser Perspektive in diametralen Ge­ gensatz zu Russland, zu einem verkleinerten, verdichteten „Erz-Europa“ nach dem Prinzip der „größten Vielfalt auf kleinem Raum“, während Russland auf dem gegenteiligen Grundsatz der „geringsten Verschiedenheit auf größtem Raum“ aufgebaut sei.32 Dieser Versuch, das östliche Mitteleuropa durch den zugespitzten Kontrast zu Russland im Bewusstsein des Westens zu halten, fand in der berühmten Mitteleuropadebatte vielfältigen Widerhall. Die Versu­ che der Jahre 1956, 1968 und 1980/81, gegen den sowjetischen Patron aufzu­ begehren, waren gescheitert, und so war es nur zu verlockend, das östliche Europa in seiner Kleinteiligkeit, seinen Widersprüchen und seinen freiheitli­ chen Traditionen zumindest intellektuell vom totalitären Großreich im Osten abzusetzen. Die darin angelegten Idealisierungen blieben allerdings nicht un­ widersprochen. Schon 1981 hatte Jan Józef Lipski ein kulturelles Überlegen­ heitsgefühl gegenüber Russland als größenwahnsinnig, und geradezu grotesk und jämmerlich gegeißelt.33 Und Czesław Miłosz gab zu bedenken, dass nur „die energischsten Geister dem nationalen Chauvinismus erfolgreich Wider­ stand leisten“ und so das apologetische Argument entkräften könnten; ohne Moskaus Oberherrschaft „würden die Nationen dieser Region einander an die Kehle springen“.34 Wo der Kommunismus als real erlittenes sowjetisches Hegemonialstreben und als Bedrohung der eigenen kulturellen Identität benannt wurde, lag es 29 Ebd.

S. 151; vgl. auch die vielfältigen Beiträge in Paweł Śpiewak (Hrsg.), Anti-Totalitaris­ mus. Eine polnische Debatte. Frankfurt am Main 2003. 30 Milan Kundera: Die Tragödie Mitteleuropas, in: Erhard Busek/Gerhard Wilflinger (Hrsg.), Aufbruch nach Mitteleuropa. Rekonstruktion eines versunkenen Kontinents. Wien 1986, S. 133–144, Zitat S. 135. 31 Ebd., S. 137. 32 Ebd., S. 135. 33 Lipski, Zwei Vaterländer, S. 201. 34 Czesław Miłosz: Unser Europa, in: Kontinent. Ost-West-Forum 42,4 (1986), S. 6–14, ­Zitate S. 9.

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schließlich nahe, das kommunistische Russland in direkter Kontinuität zum Zarenreich als imperiale, expansive Großmacht zu beschreiben. Der Kommu­ nismus, so Milan Kundera, sei gleichermaßen die Verneinung der russischen Geschichte und Religiosität wie die Erfüllung alter russischer Zentralisie­ rungstendenzen und imperialer Träume, und es nehme nicht wunder, dass die versklavten Länder diese Kontinuität als den bedeutenderen Aspekt empfän­ den.35 In vereinfachender, nicht selten geradezu platter Weise wurde und wird die Unterwerfung durch die Sowjetunion als russische Fremdherrschaft ge­ deutet, deren ideologischer Gehalt keine wesentliche Rolle spielte. Auch das landläufige Verständnis von totalitärer Herrschaft fällt insofern in diese Kate­ gorie, als es Totalitarismus als Unterwerfung unter einen fremden Besatzer begreift und in der Parallele zur nationalsozialistischen Besatzung allenfalls mittelbar nach den ideologischen Spezifika kommunistischer Regime fragt. Diese Deutung scheint inzwischen deutlich zu dominieren. Auch sie reicht bis an die Anfänge der Sowjetmacht zurück, bis zum polnisch-sowjetischen Krieg von 1920. Für den neu gegründeten polnischen Staat ging es in diesem Krieg um die Behauptung seiner Ostgrenze, und im gemeinsamen Angriff mit ukrainischen Truppen auf Kiew auch um eine mögliche Pufferzone verbünde­ ter Nationalstaaten. Der Sieg bei Warschau über die vorrückende Rote Armee, die ein polnischer Publizist noch während der Ereignisse als „Wunder an der Weichsel“ heroisierte, bewies die Fähigkeit des polnischen Staates, seine wie­ dergewonnene Existenz im Moment höchster Gefährdung militärisch zu be­ haupten. Der Topos der stetigen, ernsten Bedrohung Polens durch das russi­ sche Expansionsstreben gehörte fortan zum Kernbestand nationalpatriotischer Selbstvergewisserung. Im sowjetrussischen Geschichtsbild hingegen gehörte der Krieg in die Kette ausländischer Interventionen, als die der russische Bür­ gerkrieg lange erzählt wurde und die den Grund dafür legte, die junge Sowjet­ macht auch als eine russische Macht im nationalen Sinne zu begreifen. Auch wenn die Erinnerung an den polnisch-sowjetischen Krieg längst durch den Zweiten Weltkrieg überlagert wird, lässt sie sich doch jederzeit ­aktualisieren. Kaum hatte das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel im Dezember 2008 ein erstes Konzept vorgelegt, sah sich die polnische Rechte zu der Kritik provoziert, dass dieser zentrale Mythos der jüngeren polnischen Geschichte nicht angemessen berücksichtigt werde.36 Bald darauf, im Vorfeld der Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf ­Polen, sah 35 Kundera,

Die Tragödie Mitteleuropas, S. 136. von Wojciech Roszkowski und Adam Bielan an Hans-Gert Pöttering vom 4. 12. 2008: .

36 Schreiben

160  Joachim von Puttkamer sich der russische Ministerpräsident Putin bemüßigt daran zu ­erinnern, dass 1920/21 knapp 20 000 sowjetische Kriegsgefangene in polnischen Lagern um­ gekommen seien.37 Russische Kommunisten stilisierten die hohe Zahl an Todes­opfern zu einem „Anti-Katyń“ und forderten vom polnischen Staat eine offizielle Entschuldigung. Noch heute meinen etwa 10% der russischen Bevöl­ kerung, dass der polnisch-russische Gegensatz im Jahr 1920 ­seine Wurzeln habe.38 Der polnisch-sowjetische Krieg von 1920 ist als nationale Konfrontation also erst im Kielwasser der Debatten um Katyń wieder in Erinnerung gerufen worden. Daran lässt sich wiederum ablesen, wie sehr das Verbrechen von Katyń zum Fluchtpunkt einer polnisch-russischen Konfliktgeschichte gewor­ den ist, die als nationaler Gegensatz konstruiert wird. Auch wenn vor einigen Jahren noch knapp 30% der Russen und immerhin 9% der Polen der Meinung waren, das Verbrechen von Katyń sei von den Deutschen verübt worden, spielt die Frage der Täterschaft, die bis 1989 an die Legitimität des kommunis­ tischen Regimes rührte, heute in der öffentlichen Erinnerung kaum noch eine Rolle, erst recht nicht seit der Flugzeugkatastrophe von Smolensk im letzten Jahr.39 Die nationale Interpretation von Katyń erhält auch durch den Versuch Nor­ man Naimarks Vorschub, Katyń als einen Beleg für den genozidalen Charak­ ter des Stalinismus zu betrachten.40 In dieser Lesart wird Katyń wie überhaupt der gesamte sowjetische Stalinismus in ein „Jahrhundert der Vertreibungen“ eingereiht, das in der Untersuchung totalitärer Gewalt keinerlei Differenzie­ rungen mehr anerkennt. Andrzej Wajdas vielbeachteter Film über Katyń ­beginnt denn auch mit einer eindrucksvollen Sequenz, in der sich polnische Zivilisten, die vor der Wehrmacht gen Osten und vor der Roten Armee gen Westen fliehen, auf einer Brücke über den Bug begegnen.41 Die Erinnerung an die Morde von Katyń überlagert und verdichtet die polnische Erfahrung einer erneuten gewaltsamen Teilung des Landes durch den Hitler-Stalin-Pakt und fokussiert sie auf Russland. Der Hitler-Stalin-Pakt steht im Mittelpunkt der russisch-sowjetischen Ge­ schichte in Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert. Er ist die tiefste und entschei­ dende Zäsur im Verhältnis Russlands zu seinen Nachbarn. Die fortwährende 37 ;

.

38 .

39 . 40 Norman

Naimark: Stalin und der Genozid. Berlin 2010; Timothy Snyder: Bloodlands. Eu­ ropa zwischen Hitler und Stalin. München 2011, Kap. 3 und S. 137. 41 Andrzej Wajda, Katyń. 2008.

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Selbststilisierung als Opfer nationalsozialistischer wie sowjetischer, deutscher wie russischer Aggression wird auch dadurch noch verstärkt, dass das heutige Russland den Pakt aus der offiziellen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg weitgehend auszublenden versucht.42 Die durchaus kontroversen Debatten, die innerhalb der russischen Historikerzunft zu diesem Thema geführt wer­ den, haben mit Unterstützung Präsident Medvedevs zwar auch den Kreml er­ reicht.43 Das, was Russen als „Großen Vaterländischen Krieg“ bezeichnen, ist dennoch von ungebrochener Bedeutung für das russische nationale Selbstver­ ständnis, wie sich alljährlich am 9. Mai beobachten lässt. Laut einer Umfrage des Moskauer Levada-Zentrums vom Juli 2009 hatten 39% der Befragten noch nie von den geheimen Zusatzprotokollen gehört, mit denen Hitler und Stalin ihre Interessensphären absteckten, und weitere 11% hielten sie immer noch für eine Fälschung. 61% der Befragten schließlich gaben gar an nicht zu ­wissen, dass sowjetische Truppen im September  1939 in das östliche Polen einrückten.44 Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht wunder, mit welcher Vehemenz in den baltischen Staaten, in Polen oder Rumänien gefordert wird, die Erfahrung von Unterwerfung und Deportation durch die Sowjetunion stärker ins europäische Bewusstsein zu rücken und der Verdrängung im Os­ ten die Anerkennung im Westen entgegenzusetzen. Die Erinnerung an den Pakt überformt die vielfältigen historischen Er­ fahrungen, welche das östliche Europa mit Russland im 20. Jahrhundert ge­ macht hat, und presst sie in die Schablone der doppelten Diktaturerfahrung. Dies gilt selbst für Ungarn, das vom Hitler-Stalin-Pakt ja gar nicht unmittel­ bar betroffen war und mittelbar sogar noch profitierte. Nur die Tschechoslo­ wakei macht insofern eine Ausnahme, als sich die Erfahrung gewaltsam er­ presster Teilung bekanntermaßen mit dem Münchner Abkommen von 1938 verbindet. Die Sowjetunion hingegen stand in München abseits und leistete der bedrängten Tschechoslowakei sogar moralische Unterstützung. Hierauf gründete sich der Bündnisvertrag, den Beneš 1943 mit Stalin schloss und der 42 Jutta

Scherrer: Der Molotow-Ribbentrop-Pakt – (k)ein Thema der russischen Öffentlich­ keit und Schule?, in: Anne Kaminsky/Dietmar Müller/Stefan Troebst (Hrsg.), Der HitlerStalin-Pakt in den Erinnerungskulturen der Europäer. Göttingen 2011, S. 155–173; Wolfram von Scheliha: Der Pakt und seine Fälscher. Der geschichtspolitische Machtkampf in Russland zum 70. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts, in: ebd., S. 175–197. 43 Tatjana Timofeeva: „Ob gut, ob schlecht, das ist Geschichte“. Russlands Umgang mit dem Hitler-Stalin-Pakt, in: Manfred Sapper/Volker Weichsel (Hrsg.), Der Hitler-Stalin-Pakt. Der Krieg und die europäische Erinnerung. Osteuropa 59 (2009), 7–8, S. 257–271; Wolfram von Scheliha: Der Pakt und seine Fälscher. Der geschichtspolitische Machtkampf in Russland zum 70. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts, in: Kaminsky/Müller/Troebst, Der Hitler-Stalin-Pakt, S. 175–197. 44 .

162  Joachim von Puttkamer die tschechoslowakische Exilregierung so markant von der polnischen unter­ scheidet. Die Tschechoslowakei war denn auch das einzige Land im östlichen Europa, in dem der Vormarsch der Roten Armee nicht so sehr als traumati­ sche Erfahrung, sondern tatsächlich als eine Art von Befreiung empfunden wurde. Deshalb ist auch die kommunistische Diktatur im tschechischen Ge­ dächtnis heute nicht unmittelbar mit dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Das Narrativ doppelter Diktaturerfahrung wird aber auch hier von nationalkon­ servativer Seite gepflegt, wie sich in der neuen zeitgeschichtlichen Ausstellung des Nationalmuseums in Prag besichtigen lässt. Die Stellung Russlands zum östlichen Europa wird angesichts der sowje­ tischen Expansion nach 1945 somit primär auf den Topos einer doppelten Diktaturerfahrung reduziert, die das westliche Europa zur Kenntnis nehmen müsse. Damit wird nicht nur die Vielfalt der russischen Beziehungen in das östliche Europa vor wie nach 1945 eingeebnet. Auch das, was ich eingangs in Anlehnung an Gerd Koenen als polnischen Russland-Komplex skizziert habe, wird nunmehr in eine einseitige Opfererfahrung aufgelöst.

Dritte Etappe: Gegenwart Lässt sich vor diesem Hintergrund inzwischen tatsächlich von einer „histori­ schen Normallage“ benachbarter Völker sprechen? Wie so oft gibt es keine eindeutige Antwort. Zunächst einmal hat sich die geopolitische Lage des Staatengürtels vom Baltikum bis zum Balkan mit der Auflösung der Sowjetunion und des War­ schauer Paktes und mit dem nahezu durchgängigen Beitritt dieser Länder zur Europäischen Union wie zur NATO grundlegend verändert. Eine ­Zwischenlage zwischen Russland und Deutschland kann im 21. Jahrhundert kaum noch ernsthaft behauptet werden, auch wenn manche unsensibel geplante Gaspipe­ line alte Ängste wiederaufleben ließ. Das hängt auch mit der veränderten Rolle Deutschlands zusammen. Da­ durch, dass das vereinigte Deutschland einigermaßen fest in die europäische Integration eingebunden ist und sich auch im Rückblick auf das 20. Jahrhun­ dert auf seine östlichen Nachbarn einlässt, sind diese wieder zum Ostrand des Westens geworden. Der Preis dafür ist eine Polarisierung gegenüber Russland, die in den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts wurzelt und diese in ein eindi­ mensionales Deutungsschema presst. Die von Putin geprägte Entwicklung Russlands des letzten Jahrzehnts, seine autoritären Verhältnisse im Innern und seine national-imperiale Wende nach außen machen eine solche Polari­ sierung allzu einfach. Nicht nur Jan Józef Lipski, sondern auch György Kon­

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rád hatten zu Beginn der 1980er Jahre dafür plädiert, auch die Russen als ­Opfer des Sowjetkommunismus zu sehen, und Konrád hatte selbstbewusst er­ gänzt: „Eine Befreiung von der militärischen Besatzung der Russen kann ich mir in Mitteleuropa nicht anders vorstellen, als daß wir sie auch mit unseren Ideen besetzen. Es bleibt abzuwarten, wer wen im offenen Ideen­austausch kolonisiert.“45 Von einer solchen Öffnung Russlands für das östliche Mitteleu­ ropa sind wir heute weit entfernt. Es wäre aber schon einiges gewonnen, wenn sich die gegenwärtige Ausgrenzung Russlands vorerst zumindest dadurch mil­ dern ließe, dass im Sinne von Versachlichung und Differenzierung an ältere Schichten im Verhältnis zu Russland erinnert wird. Ein wichtiger Schritt ist auch dadurch getan, dass sich polnische und russische Historiker unlängst da­ rüber verständigt haben, unterschiedliche Sichtweisen auf die neuralgischen Punkte ihrer gemeinsamen Geschichte im 20. Jahrhundert umfassend zu the­ matisieren.46 Der Begriff der „historischen Normallage“ benachbarter Völker, so verlo­ ckend und beruhigend er auch sein mag, ist mit Bezug auf Russland auch aus anderen Gründen tückisch. Denn er unterstellt homogene nationale Erinne­ rungsgemeinschaften. Dadurch aber werden nicht nur historische Ambivalen­ zen überdeckt, sondern auch wesentliche Erfahrungen ausgeblendet. So ist vor allem die jüdische Geschichte des östlichen Europas tief in die polnischrussische Geschichte eingebettet. Denken wir nur an den Ansiedlungsrayon, an den Jüdischen Arbeiterbund, oder an die unterschiedlichen Ausprägungen von Antisemitismus über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg. Und doch lässt sich die jüdische Erfahrung zwischen Warthe und Dnepr kaum als russischpolnische Beziehungsgeschichte fassen. Die Vorstellung nationaler Erinnerungsgemeinschaften, aus deren gegen­ seitiger Akzeptanz sich mit Karl Schlögel oder Claus Leggewie ein zivilgesell­ schaftliches Europa zusammensetzen könnte, geht nationalen Opfererzählun­ gen auf den Leim und droht zudem die Erfahrung des Kommunismus zu ver­ zeichnen.47 Denn sie verlagert gesellschaftliche Verantwortung nach außen und konstruiert neue Gegensätze. Nur wenn wir die kommunistische Epoche als gemeinsamen Teil der europäischen Geschichte begreifen und nicht auf die Überwältigung des europäischen Ostens durch das siegreiche Sowjetimpe­ 45 Konrád,

Antipolitik, S. 125 f. Daniel Rotfeld/Anatolij W. Torkunow (Hrsg.): Białe plamy – czarne plamy. Sprawy trudne w polsko-rosyjskich stosunkach 1918–2008. Warszawa 2010. 47 Karl Schlögel: Orte und Schichten der Erinnerung. Annäherungen an das östliche ­Europa, in: Manfred Sapper/Volker Weichsel (Hrsg.), Geschichtspolitik und Gegenerinnerung. Krieg, Gewalt und Trauma im Osten Europas. Osteuropa 58 (2008), 6, S. 13–25, hier S. 24; Leggewie/Lang, Der Kampf, S. 185. 46 Adam

164  Joachim von Puttkamer rium reduzieren, lässt sich Russland in eine europäische Erinnerung einbetten und Raum auch für eine innerrussische Auseinandersetzung über die eigenen Erfahrungen als expansives, nach innen wie nach außen gewalttätiges Imperi­ um schaffen. Es gibt durchaus Anzeichen für eine solche Entwicklung. Arsenij ­Roginskij hat darauf hingewiesen, dass die Flugzeugkatastrophe von Smolensk viele Russen erstmals ernsthaft mit den Massenmorden von Katyń konfrontiert habe. In der Tat: Während Ende März 2010, also noch vor dem Absturz, 47% aller Befragten und zwei Drittel aller 18- bis 24-Jährigen angaben, noch nie von Katyń gehört zu haben, waren dies einen Monat später nur noch 19%. Der Anteil derjenigen Russen, welche die sowjetische Täterschaft anerkann­ ten, stieg schlagartig von 19 auf 35%, nur noch 18% sahen weiterhin die deut­ schen Besatzer als Täter. Immerhin 9% der Befragten gaben an, den Film von Andrzej Wajda gesehen zu haben.48 Katyń, so Roginskij, zerstöre den kom­ munistisch-patriotischen Mythos, die Sowjetunion habe sich stets nur vertei­ digt, und sprenge so die Fundamente des Stalinismus.49 Claus Leggewie hat in diesem Zusammenhang davon gesprochen, dass Katyń und Smolensk zum „Ausgangspunkt für eine weniger antagonistische Erinnerungsgemeinschaft ehemaliger Kriegsgegner“ und somit zum „Kataly­ sator der Europäisierung Europas“ werden könnten.50 Das ist reichlich opti­ mistisch und wäre doch nur ein erster Schritt. Denn die Geschichte Russlands und Polens, Russlands und Ostmitteleuropas im 20. Jahrhundert ist sehr viel komplizierter, als dass sie sich auf die Geschichte ehemaliger Kriegsgegner re­ duzieren ließe. Geschichtsbewusstsein beginnt dort, wo Schuld­zuweisungen aufhören und sich der Raum für eine Reflexion vielschichtiger und nicht ­selten widersprüchlicher historischer Erfahrungen in ihrem europäischen Kontext öffnet. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Russland und Ost­ mitteleuropa.

48 ;

. 49 Arsenij Rogiński: Katyń rozsadza stalinowski mit, in: Gazeta Wyborcza, 9–10. 04. 2011, S. 20. 50 Leggewie/Lang, Der Kampf, S. 52.

Autorenverzeichnis Prof. Dr. Włodzimierz Borodziej, Co-Direktor des Imre Kertész Kollegs, Professor am Historischen Institut der Universität Warschau, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des entstehenden Hauses der Europäischen Geschichte in Brüssel. Jüngste Publikationen u. a.(Hrsg., mit Jerzy Kochanowski und Joachim von Puttkamer), „Schleichwege“. Informelle Begegnungen sozialistischer Staatsbürger zwischen 1956 und 1989. Köln-Weimar-Wien 2010; Geschichte Polens im 20. Jahrhundert. München 2010. Dr. Jan Čulik, Senior lecturer für Tschechische Studien an der Universität Glasgow, Herausgeber des Kultur- und Politjournals „Britské listy“. Arbeitete in den 1980er und 1990er Jahren als Tschechien- und Tschechoslowakei-Korrespondent für die BBC und Radio Free Europe. Jüngste Publikationen u. a. Knihy za ohradou: Česká literatura v exilových nakladatelstvích 1971–1989. Praha 1991; Jací jsme: Česká společnost v hraném filmu devadesátých a nultých let. Brno 2007 (Englische Übersetzung in Vorbereitung). Verfasser und Übersetzer zahlreicher Beiträge zu tschechischen Schriftstellern des 20. und 21. Jahrhunderts für das Dictionary of Literary Biography. London/Boston 1999/2001/2010. Taja Vovk Van Gaal, Leiterin der Projektgruppe des entstehenden Hauses der Europäischen Geschichte in Brüssel, Historikerin und Soziologin. Ehemalige Direktorin des Stadtmuseums Ljubljana. Jurorin und Vorsitzende für den European Museum of the Year Award. Mitglied im Kuratorium des European Museum Forum und „Europeana“. Dr. Constanze Itzel, Mitglied der Projektgruppe: Haus der Europäischen Geschichte. Davor Kuratorin im Badischen Landesmuseum Karlsruhe und Mitarbeiterin der Forschungsabteilung des Europäischen Parlaments. Kunsthistorikerin. Publikation u. a.: Der Stein trügt. Die Imitation von Skulpturen in der niederländischen Tafelmalerei im Kontext bildtheoretischer Auseinandersetzungen des frühen 15. Jahrhunderts. Heidelberg 2004. Prof. Dr. Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Lehrstuhlinhaber für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ausstellungen u. a.: Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. 2010; Museum zur Geschichte des KZ Mittelbau-Dora. 2006. Jüngste Publikationen u. a.: (Hrsg., mit Rikola-Gunnar Lüttgenau und Jens-Christian Wagner) Zwangsarbeit. Die

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Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. Begleitband zur internationalen Wanderausstellung. Weimar 2010; (Hrsg., mit Norbert Frei) Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord. Bonn 2005. Prof. Dr. Paweł Machcewicz, Direktor des entstehenden Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig, Professor an der politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Warschau. Jüngste Publikationen u. a.: Rebellious Satellite. Poland 1956. Washington 2009; (Hrsg., mit Edmund Dmitrów), Der Beginn der Vernichtung: zum Mord an den Juden in Jedwabne und Umgebung im Sommer 1941. Neue Forschungsergebnisse polnischer Historiker. Osnabrück 2004. Jiří Menzel, geb. 1938. Regisseur und Schauspieler. Ausbildung an der Prager Filmhochschule (FAMU). Neben zahlreichen Kino- und Fernsehproduktionen, Theaterinszenierungen in Prag, Stockholm, Basel und Bochum. Bekannteste Filmproduktion Ostře sledované vlaky (Liebe nach Fahrplan/Scharf beobachtete Züge, 1966) wurde mit einem Oscar ausgezeichnet. Nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968, Verbot seiner Aufführung von Bohumils Hrabals Skřivánci na niti (Lerchen am Faden, 1969). Von 1970 bis 1975 Berufsverbot beim Film. Für Vesničko má středisková (Heimat, süße Heimat, 1986) erneut für den Oscar nominiert. Weitere bekannte Produktionen: Postřižiny (Kurzgeschnitten, 1980); Žebrácká opera (Prager Bettleroper, 1991); Obsluhoval jsem anglického krále (Ich habe den englischen König bedient, 2006). Adam Michnik, geb. 1946. Oppositioneller seit seiner Gymnasialzeit. 1965 erste Verhaftung, 1968 von der Universität relegiert und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Ab 1977 Mitglied des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) und Redakteur mehrerer illegaler Zeitschriften. 1980/81 Berater der „Solidarność“. Unter Kriegsrecht interniert und angeklagt (1981– 1984), 1985 zu drei Jahren Haft verurteilt. 1989 einer der wichtigsten Unterhändler der „Solidarność“ am Runden Tisch. Seit Mai 1989 bis heute Chefredakteur der liberalen „Gazeta Wyborcza“. Führend beteiligt an den großen gesellschaftspolitischen Debatten der letzten Jahrzehnte. Historiker und Essayist. In Übersetzung sind u. a. erschienen: Die Kirche und die polnische Linke. Von der Konfrontation zum Dialog. München 1980; Letters from Prison and Other Essays. Berkeley CA u. a. 1986; Der lange Abschied vom Kommunismus. Reinbek bei Hamburg 1992. Zahlreiche in- und ausländische Auszeichnungen, darunter die höchste polnische (Orden des Weißen Adlers, 2010). Mehrfacher Doktor h. c. von Universitäten in Europa und in den USA, vielfacher Preisträger.

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Prof. Dr. Joachim von Puttkamer, Co-Direktor des Imre Kertész Kollegs, Inhaber des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte an der FriedrichSchiller-Universität Jena. Jüngste Publikationen u. a.: (Hrsg., mit Jerzy Kochanowski und Włodzimierz Borodziej), „Schleichwege“. Informelle Begegnungen sozialistischer Staatsbürger zwischen 1956 und 1989. Köln/Weimar/Wien 2010; Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert. München 2010; (Hrsg., mit Jana Osterkamp), Sozialistische Staatlichkeit. München 2012. Prof. Dr. Milan Ristović, Lehrstuhlinhaber für Zeitgeschichte an der Universität Belgrad. Herausgeber der Zeitschrift Godišnjak za društvenu istoriju. Jüngste Publikationen u. a.: (Hrsg.), Privаtni život kod Srba u 20. veku. Beograd 2007; Black Peter and the Balkan Brigands. Balkans and Serbia in the German Satirical Magazines 1903/1918. Belgrade 2003 (extended edition 2011); Long Journey Home. Greek Refugee Children in Yugoslavia 1948-1960. Belgrade 1998 (English edition 2000, Greek edition 2004). Prof. Dr. Irina Scherbakowa, Leiterin zahlreicher Projekte bei Memorial Moskau. Lehrte von 1992 bis 2007 am Zentrum für Oral History der Sozialund Geisteswissenschaftlichen Universität Moskau. Mitglied des wissenschaftlichen Kuratoriums der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und MittelbauDora. Mitglied im Internationalen Beirat der Stiftung „Topographie des Terrors“ und dem Kuratorium der „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“. Jüngste Publikationen u. a.: Zerrissene Erinnerung. Der Umgang mit Stalinismus und Zweitem Weltkrieg im heutigen Russland. Göttingen 2010; Unruhige Zeiten. Lebensgeschichten aus Russland und Deutschland. Hamburg 2006. Prof. Dr. Maria Todorova, Professorin für Geschichte an der Universität Illinois, Urbana-Champaign. Hatte verschiedene Professuren in Europa und den USA inne. Vielfache Preisträgerin und Trägerin mehrerer Ehrendoktorwürden. Jüngste Publikationen u. a.: Remembering Communism: Genres of Representation. New York 2010; Post-Communist Nostalgia. New York 2010; Bones of Contention: The Living Archive of Vasil Levski and the Making of Bulgaria’s National Hero. Budapest 2009; Imagining the Balkans. Oxford 2009 (1997). Prof. Dr. Stefan Troebst, Professor für Kulturstudien Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig und stv. Direktor des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO). 2011/12 Fellow am Imre Kertész Kolleg. Jüngste Publikationen u. a.: (Hrsg., mit Anna Kaminsky und Dietmar Müller), Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungen der Euro-

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päer. Göttingen 2011; (Hrsg.,), Postdiktatorische Geschichtskulturen im Süden und Osten Europas. Göttingen 2010; Im Erscheinen: (Hrsg. mit Etienne François, Kornelia Kończal und Robert Traba), Geschichtspolitik in Europa seit 1989: Deutschland, Frankreich und Polen im internationalen Vergleich. Göttingen 2012.