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German Pages 424 [429] Year 2010
Urban Vahsen Eurafrikanische Entwicklungskooperation
Studien zur Geschichte der Europäischen Integration (SGEI) Études sur l’Histoire de l’Intégration Européenne (EHIE) Studies on the History of European Integration (SHEI) ––––––––––––––––––––––– Nr. 6
Herausgegeben von / Edited by / Dirigé par Jürgen Elvert In Verbindung mit / In cooperation with / En coopération avec Charles Barthel / Jan-Willem Brouwer / Eric Bussière / Antonio Costa Pinto / Desmond Dinan / Michel Dumoulin / Michael Gehler / Brian Girvin / Wolf D. Gruner / Wolfram Kaiser / Laura Kolbe / Johnny Laursen / Wilfried Loth / Piers Ludlow / Maria Grazia Melchionni / Enrique Moradiellos Garcia / Sylvain Schirmann / Antonio Varsori / Tatiana Zonova
Urban Vahsen
Eurafrikanische Entwicklungskooperation Die Assoziierungspolitik der EWG gegenüber dem subsaharischen Afrika in den 1960er Jahren
Franz Steiner Verlag Stuttgart 2010
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09667-6 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2010 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Redaktion: Sebastian Funk, Köln Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Printed in Germany
INHALTSVERZEICHNIS Résumé............................................................................................................................... 9 Summary ........................................................................................................................... 23
A. Einleitung .................................................................................................................... 37
B. Die Assoziierung der Überseegebiete in Afrika an die EWG im Rahmen der Römischen Verträge ....................................................................... 55 1. Die Assoziierung der Überseegebiete an die EWG als Verhandlungsgegenstand im Vorfeld der Römischen Verträge......................... 55
2. Frankreich und die Assoziierung der Überseegebiete an den Gemeinsamen Markt ................................................................................................. 66 2.1. Die Union Français ............................................................................................ 66 2.2. Die Überseegebiete müssen am Gemeinsamen Markt teilnehmen ............ 70
3. Die Bundesrepublik Deutschland und die Assoziierung der Überseegebiete an den Gemeinsamen Markt .................................................................................... 79 3.1. Die BRD und Afrika in den 1950er Jahren und die frühe Entwicklungspolitik .......................................................................................... 79 3.2. Die BRD und die Assoziierung der Überseegebiete während der Verhandlungen über den Gemeinsamen Markt 1956/57 ............................ 85 4. Der Vertrag von Rom und die Assoziierung der überseeischen Gebiete und Länder...................................................................................................100 5. Fazit .............................................................................................................................104
6 C. Die Assoziierungspolitik 1958-1963.......................................................................109 1. Stellungnahmen und Reaktionen ............................................................................109 1.1. Die Haltung der Assoziierten...........................................................................109 1.2. Stellungnahmen und Reaktionen der beiden Supermächte ........................110 1.3. Die Debatten über die Assoziierung in der UNO und im GATT ...............113
2.
Institutionelle und ideologische Grundlagen.......................................................118 2.1. Die Kommission und ihre Generaldirektion für die überseeischen Länder und Gebiete .................................................................118 2.2. Zum Entwicklungsdiskurs der EWG..............................................................122
3. Entwicklungshilfe und Handelsbeziehungen .......................................................138 3.1. Die Entwicklungshilfe im Rahmen des ersten Europäischen Entwicklungsfonds ...........................................................................................138 3.1.1. Die Schaffung des ersten Europäischen Entwicklungsfonds ..........138 3.1.2. Verzögerungen und Probleme.............................................................144 3.1.3. Der erste Europäische Entwicklungsfonds (1958-1963) – Tätigkeit und Bilanz ..............................................................................165 3.1.4. Die Vergabepraxis des EEF ..................................................................179 3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen ...........................................................184 4. Die EWG und Afrika..................................................................................................198 4.1. Afrikapolitische Konzeptionen der EWG-Kommission ................................198 4.2. Die EWG als neuer Akteur in Afrika................................................................206 4.3. Die franko-afrikanischen Beziehungen und die Assoziierung .....................215 4.4. Die Zusammenarbeit mit anderen Gebern ......................................................219 4.5. Ansätze einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik................................223
5. Die Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen Länder und Gebiete und ihre Auswirkungen auf die Assoziierung ......................................................233
7 D. Die Abkommen von Yaoundé 1963 und 1969......................................................247 1. Das erste Abkommen von Yaoundé .......................................................................247 1.1. Die assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten und die Erneuerung der Assoziierung ...................................................................247 1.2. Der Lemaignenplan der EWG-Kommission ..................................................261 1.3. Die Bundesrepublik und die Assoziierungsfrage .........................................270 1.3.1.
Die Assoziierung im Lichte der deutschen Afrikapolitik.................270
1.3.2.
Die deutsche Gesamtkonzeption .........................................................283
1.4. Frankreich, der Transformationsprozess seines afrikanischen Empires und die Assoziierungsfrage..............................................................................298 1.5. Die multilateralen Verhandlungen über ein neues Assoziierungsabkommen .................................................................................313 1.6. Résumé: Das Abkommen von Yaoundé und seine vielseitigen Perspektiven .......................................................................................................333 2. Auf dem Weg nach Yaoundé II ...............................................................................341 2.1. Die Assoziierung Nigerias und der Staaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft ......................................................................................................341 2.2. Deutsch-französischer Bilateralismus und die Assoziierung......................355 2.3. Das zweite Abkommen von Yaoundé ............................................................369
3. Die Assoziierungspolitik 1963-1975 ........................................................................382 3.1. Verhandeln in den eurafrikanischen Institutionen .......................................382 3.2. Der Europäische Entwicklungsfonds..............................................................384 3.3. Die handelspolitische Bilanz ............................................................................390
E. Ausblick.......................................................................................................................393 1. Neue entwicklungspolitische Initiativen in den 1970er Jahren und das erste Abkommen von Lomé......................................................................393
8 F. Anhang Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................397 Literaturverzeichnis .........................................................................................................401 Danksagung ......................................................................................................................421
Zur Reihe „Studien zur Geschichte der europäischen Integration“ .........................423 Concernant la série „Études sur l'Histoire de l'Intégration Européenne“ ...............424 About the series „Studies on the History of European Integration“ ........................425
RESUME L’Union européenne recherche actuellement un nouvel équilibre dans ses relations avec l’Afrique. Les accords de partenariats économiques qu’elle négocie avec divers groupes d’états africains semblent mener à l’impasse. Toutefois, l’accord de Cotonou conclu en 2000 s’inscrit dans la lignée d’une longue tradition initiée en 1975. La Convention de Lomé, signée cette année-là entre la CEE et 46 États d’Afrique, des Caraïbes et du Pacifique, incarnait, à l’époque, un modèle de collaboration internationale en matière de développement. Il semblait anticiper certaines exigences principales du Tiers Monde qui souhaitait un nouvel ordre économique mondial dans un cadre régional. Au début des années 1960, la Communauté européenne avait déjà commencé à se rechercher une identité pour sa politique de développement. En 1958, les territoires coloniaux africains de la France, de la Belgique et de l’Italie avaient été affiliés au marché commun et associés à la CEE. Après l’indépendance entre 1960 et 1962 des pays associés, les termes de cette association ont été placés sur une nouvelle base, après des négociations multilatérales en 1963, avec la première convention de Yaoundé, suivie par une seconde en 1969. 17 États Africains et Malgache associés (EAMA) entrèrent formellement en relation avec la CEE sur la base d’une égalité complète. La coopération de développement euro-africaine prenait forme.
La création de la CEE et l’association des pays et territoires africains Lors des négociations, les Français avaient soulevé le thème de l’affiliation des territoires coloniaux au marché commun. Ce thème resta controversé jusqu’à la fin. Poussé par des contraintes financières et économiques ainsi que par l’intérêt d’une participation de ses partenaires européens aux frais de la modernisation de l’empire colonial, les Français ont posé comme condition sine qua non l’association des territoires d’outre-mer au marché commun. Le processus de décolonisation qui s’accéléra après la conférence de Bandung et l’indépendance des protectorats de l’Afrique du Nord renforcèrent la conviction du gouvernement Mollet de procéder à une décolonisation en douceur en Afrique Noire. Pour lui, l’association constituait une protection économique du processus de décolonisation initié avec la Loi-cadre. Au cours des négociations, le projet d’association qui s’inscrivait au début dans la tradition de projets coloniaux de mise en valeur se transforma en une politique de développement avec un esprit défensif. L’Europe des Six semblait offrir un cadre élargi et adéquat pour l’activité politique de développement. La France devait occuper une fonction charnière dans ces nouvelles relations eurafricaines entre la CEE et les états africains associés. Cette fonction ouvrait également de nouvelles perspectives aux relations franco-africaines. Non seulement en France, mais également dans la République fédérale, l’association suscitait des convoitises de colonialisme tardif. La mise en valeur de l’Afrique était considéré comme un défi européen. A la moitié des années 50, une coopération en Afrique avait déjà marqué les relations économiques francoallemandes. Toutefois, les réticences restaient de mise à Bonn. Le gouvernement fédéral craignait de se retrouver impliqué dans la politique coloniale et insistait
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pour que ce thème relève de la nouvelle politique de développement. Bonn regardait d’un oeil particulièrement sceptique les efforts politico-commerciaux des Français pour étendre le système des préférences coloniales et le système des surprix à l’ensemble des États membres de la CEE. Le compromis qui a été finalement trouvé reflétait les diverses perspectives et principes des partenaires. Les institutions de l’Union Française, telles que le FIDES et le système des préférences servaient d’exemples à l’association, qui dès le début se dota d’un double instrument : le commerce et l’aide au développement. L’association prévue dans le traité de la CEE avait un caractère innovateur. Elle représentait un dessein qui aspirait à rendre multilatérales des relations bilatérales par tradition. Le texte du traité n’avait toutefois pas l’intention de créer des relations multilatérales de colonialisme, mais souhaitait une politique de développement avec une ambition émancipatoire. Au niveau politico-commercial, il aspirait à la création d’une zone de libre échange entre les pays et territoires d’outre-mer et les États membres de la CEE. La participation de la Communauté économique européenne à l’aide financière prévue pour les territoires associés constituait le deuxième moyen d’atteindre les objectifs de l’association. Pour cela, un Fonds européen de développement (FED) alimenté par les contributions des États membres et doté de moyens d’un montant total de 581,25 millions $ a été mis en place pour cinq ans. La France et l’Allemagne apportèrent chacune 200 millions, les Pays-Bas et la Belgique apportèrent chacune une contribution de 70 millions, l’Italie 40 et le Luxembourg 1,25 millions. Conformément aux exigences allemandes, les activités du Fonds de développement s’articulaient autour de deux domaines principaux : le domaine social et le domaine économique. Le premier comprenait certaines institutions sociales, telles que les hôpitaux, les organismes de recherche techniques et d’enseignement. Dans le domaine économique, des projets d’infrastructure, qui ont d’abord permis des projets lucratifs du secteur privé, tels que l’infrastructure routière ou les institutions de soins, ou des projets productifs, tels que des mines ou plantations, ont été financés. L’aide financière de la Communauté représentait non un remplacement, mais un complément à l’aide au développement apportée par les métropoles.
La politique d’association 1958-1962 La Commission de la CEE se vit attribuer un rôle-clé dans la conception de la politique d’association. Elle était compétente pour la mise en oeuvre des dispositions de l’association, y compris du FED. Robert Lemaignen, commissaire français assumait la responsabilité pour l’association des états et des territoires d’outre-mer. Il élabora la direction générale VIII compétente pour l’association – une tâche pour laquelle le vice-président de la commission économique de la fédération française des employeurs était prédestiné. Grâce à son activité professionnelle, il entretenait de nombreux contacts avec l’Afrique. Hellmut Allardt, un diplomate allemand a été nommé directeur général du FED, à titre de la contribution allemande et en raison du scepticisme régnant en Allemagne face à l’association. En raison de différences de points de vue entre le commissaire français et le directeur général allemand quant à la direction à adopter par l’association, von Brentano, le ministre des Affaires Étrangères, rappela Allardt
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dès juin 1960 au ministère des Affaires Étrangères. Heinrich Hendus, ancien consul général allemand à Alger, lui succéda. Un autre poste-clé de la DG VIII fut occupé par un Français. Jacques Vignes, un haut fonctionnaire colonial devint directeur du département des Études et représentant de Lemaignen. En outre, Lemaignen nomma comme chef de cabinet, Jacques Ferrandi, précédemment directeur des Affaires Économiques de l’AOF à Dakar. Les trois autres postes de directeur furent attribués à Jacques Lefèbre, administrateur colonial belge, à Jacob van der Lee, un Néerlandais, et à Enrico Gambelli, un spécialiste italien du développement. La majorité des quelques cinquante fonctionnaires n’avait toutefois aucune connaissance et aucune expérience de l’Afrique, à l’exception des Français. Recrutés principalement au ministère d’Outre-mer qui était en cours de dissolution, ils ont pu s’assurer une excellente position dans la direction générale en raison de leurs connaissances approfondies de l’Afrique et de leur expérience pratique du colonialisme. Cette dominance des administrateurs coloniaux français n’entraînait toutefois pas une domination de la France. Bien au contraire, la direction générale s’évertua à un stade très précoce d’obtenir une certaine autonomie par rapport au gouvernement français. Il ne restait qu’une influence exercée par la tradition coloniale française. Non seulement l’expertise acquise par la Commission mais également les relations personnelles de ses experts de l’Afrique avec l’élite africaine lui ont permis de s’établir sur le continent. De nombreux futurs chefs de gouvernement faisaient partie du cercle d’amis du commissaire Lemaignen. Sa candidature à titre de commissaire pour l’association bénéficiait ainsi du soutien des cercles politiques officiels en Afrique. Lemaignen souhaitait considérer la politique de développement d’un point de vue fondamentalement nouveau. Peu importe si la politique de développement de l’ère du colonialisme tardif était progressiste, les intérêts des métropoles continuaient toutefois à prévaloir sur ceux de la population indépendante des colonies. Le système d’association défini dans le traité de Rome a vite été dépassé par les évènements en Afrique. La décolonisation progressait également en Afrique francophone subsaharienne. La Guinée, qui était libre de prendre sa décision, choisit l’indépendance en 1958 et n’adhéra pas à la Communauté fondée par De Gaulle, l’institution qui succéda à l’Union française. En 1960, la majorité des pays associés accéda à l’indépendance. Suite à ces changements, la CEE analysa les conséquences de cette nouvelle situation pour l’association et détermina son rôle en Afrique. En parallèle, la CEE découvrit que la politique de développement était un domaine d’action potentiel de l’intégration européenne. En 1959, les réflexions d’une «doctrine de l’association» avaient pris forme dans la Commission. Les fonctionnaires commencèrent, au sein des diverses directions de la DG VIII, à concevoir une politique de l’Afrique pour la CEE. Ces travaux furent provisoirement achevés en décembre 1960. Parallèlement aux travaux de sa direction générale, Lemaignen avait transmis aux autres membres de la Commission ses visions d’une politique de développement de la CEE concentrée sur l’Afrique. Même dans le cadre d’une approche régionale concentrée sur l’Afrique, l’association devait obtenir une position privilégiée. La DG VIII poursuivait l’idée d’un grand espace économique reposant sur le principe de la solidarité. Une égalité de droits, un rapport basé sur une relation mutuelle avec des droits et obligations, des avantages et des servitudes réciproques étaient pour la Commis-
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sion les critères qui devaient rompre les relations payeurs/bénéficiaires et parallèlement limiter toute relation de colonialisme. Cette prise de distance contrastait avec la référence au passé colonial; les liens historiques, culturels et économiques tissés entre l’Europe et l’Afrique étaient perçus comme une obligation de pratiquer une politique de la CEE centrée sur l’Afrique. La Commission se composait de partisans d’une Eurafrique, un concept ambivalent et qui trouve son origine dans le mode de pensée des élites européennes pendant le colonialisme. Pour des motifs principalement politiques – à savoir assurer la présence et l’influence européenne en Afrique, également pendant l’ère post-coloniale – l’Eurafrique devait être réalisée en termes de politique économique et de développement. A Bruxelles, le concept «Eurafrique» faisait place au concept d’«association», plus adapté à la structure de la CEE et à l’ère post-coloniale. Ce terme présentait l’avantage de donner une qualification, une identification de la politique de la CEE par rapport à une certaine partie de l’Afrique. Les développements, tels que les tendances vers une collaboration interafricaine, qui prenaient forme depuis peu en Afrique semblaient ouvrir des perspectives eurafricaines. A cet égard, la Commission se montrait favorable aux efforts de divers pays africains qui tentaient de parvenir à des formes de coopération économique. La Commission reconnaissait que ces développements qui restreignaient la «balkanisation» de l’Afrique et englobaient l’Afrique anglophone servaient l’intérêt commun. Ils éveillaient également l’espoir d’entraîner les pays dont l’orientation de la politique étrangère était encore ambivalente dans le camp pro-occidental. L’attention de Lemaignen se porta en 1960 particulièrement sur le Ghana et la Guinée. Très tôt, il avait perçu avec scepticisme leurs aspirations panafricaines. A l’instar de l’intégration européenne, ces états de l’Afrique de l’Ouest souhaitaient créer l’unité politique de l’Afrique par le biais d’une intégration économique, mais percevaient toutefois leur projet d’un marché africain commun comme le contrepoids à l’association de la CEE. La Commission estimait que la décolonisation laissait un vide en Afrique qui devait être comblé en premier lieu par la CEE. Pour certains, Bruxelles devait se substituer aux forces coloniales en Afrique et il semblait que cette tâche ne pouvait attendre, en particulier dans le contexte du conflit Est-Ouest. En raison de l’«offensive» économique et diplomatique manifeste des pays de l’Est en Afrique, la Commission estimait que la tâche de la CEE était de maintenir l’Afrique dans la sphère d’influence occidentale. Pour elle, la Communauté revêtait non seulement le rôle d’un mandataire des pays de l’Ouest en Afrique mais elle considérait aussi la signification future de l’Europe dans le monde. La relation avec l’Afrique devait conférer à l’Europe un poids géopolitique plus important. A cet effet, l’idéologie d’une troisième puissance eurafricaine entre les deux blocs émergeait. Finalement, il s’agissait d’exploiter les matières premières et les ressources de l’Afrique, d’assurer leur existence et de les implanter sur leur propre marché. Ce choix était motivé par les attentes placées dans le potentiel de développement du continent africain. Le continent faisait figure de producteur important de produits de matières premières agricoles et minérales. A cela s’ajoutent les perspectives qui semblaient s’ouvrir dans le secteur énergétique avec les réserves de pétrole, d’uranium ainsi que le potentiel du continent dans la production d’énergie hydro-électrique. En voulant conférer à l’association l’image d’une coopération de développement qui tenait compte des réalités de l’ère post-coloniale, la Commission souhai-
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tait prendre l’initiative en Afrique et participer aux processus de changement en cours. Avec le commissaire, mais aussi avec les fonctionnaires de la direction générale VIII, tels que Vignes, Gambelli, Lefèbvre et Ferrandi, les experts de l’économie coloniale et de l’Afrique ont déterminé le discours du développement de la Commission. A cet effet, également le directeur général Allardt et le président de la Commission ont apporté des contributions considérables. Le mode de pensée de ces experts était imprégné, d’une part, par l’expérience coloniale et des visions du monde, en particulier celles datant de l’époque de la politique coloniale de modernisation après la Deuxième Guerre mondiale. D’autre part, il était influencé par les connaissances de l’économie du développement des années 1940 et 1950. Ces dernières formaient un courant du paradigme de la théorie de la modernisation qui atteignit son paroxysme au milieu des années 60. Ces experts se référèrent explicitement aux pionniers, tels que Arthur W. Lewis, Ragnar Nurske, dont les considérations étaient enracinées dans le courant principalement keynésien, Simon Kuznets, le fondateur de la courbe de croissance en U renversé, de Gunnar Myrdal, qui a imprégné le concept du dualisme, Hans W. Singer, un représentant du concept de la croissance non équilibrée et finalement Walt W. Rostow, le représentant de la théorie des stades de la croissance économique. En outre, l’économie de développement de la France, représentée principalement par François Perroux, le fondateur de l’ISEA1, et le dominicain LouisJoseph Lebret, laissait une empreinte spécifique et structuraliste sur les experts de la Commission. Les efforts de développement des métropoles pendant l’ère du colonialisme tardif ont été accueillis positivement au sein de la Commission tout comme par les experts indépendants. Le colonialisme semblait avoir créer les conditions du «développement» économique des états associés. Les concepts du discours colonial évoluèrent et se dirigèrent vers un discours du développement imprégné par l'ère du post-colonialisme. Gambelli ne parlait, par exemple, plus de «mise en valeur», mais utilisait le concept économique de «valorisation». Même l’usage du concept de «mise en valeur» se raréfiait au profit du néologisme «infrastructure». La Commission s’emparait d’un concept conforme à l’idée prédominante du développement et qui correspondait aussi bien aux intérêts des payeurs que des bénéficiaires. D’une part, les infrastructures sont des moyens de mise en valeur informel, de diffusion économique et culturelle. D’autre part, les infrastructures deviennent une catégorie technique, apparemment dénuée de toute tendance politique, dont les pays en voie de développement se plaisaient à utiliser pour faire valoir leur droit à une élévation de leur niveau de vie par rapport aux pays industrialisés. Ce terme découlait d’un discours sur le développement qui tentait de se soustraire à toute impression d'ambitions impériales et qui expliquait tout par une cohérence et une consistance économiques. Ce discours reflétait et justifiait un mode de pensée économique et technocratique, dont l’influence se faisait également ressentir dans les méthodes mathématiques-statistiques appliquées de la planification du développement. Dans ce contexte, le discours au sein de la Commission de la CEE, personnifié en particulier par Ferrandi, qui a été nommé, en 1963, directeur du FED, présentait toutefois des aspects singuliers. Le direc1
Institut des Sciences Economiques Appliquées.
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teur mettait en garde contre une théorisation excessive du discours et plaidait pour un mélange de connaissances techniques et orientées vers la pratique. Il avait l'intention implicite de pratiquer un «développement», non pas pour les Africains, mais avec eux. Ceci ouvrait la porte à des formes propres du développement accessibles aux pays en voie de développement et qui se basaient sur la reconnaissance des limites du modèle européen-américain. Même si cette approche et cette évidence correspondaient à une volonté de coopération, elles ne suscitaient pas de perspectives eurocentriques, mais les relativisait néanmoins. L’Europe et l’Amérique faisaient toujours figure de référence pour le chemin à suivre par les pays en voie de développement. Cette référence se cachait désormais derrière un discours qui élevait des principes économiques, en apparence universels et neutres, au rang de lignes directrices. Toutefois ou précisément pour cette raison, ce discours offrait une marge de manœuvre aux pays en voie de développement. La conférence de Strasbourg, qui réunit en juin 1961, à l’initiative du Parlement européen, des représentants européens avec des parlementaires des états associés pour le début des négociations sur une nouvelle association, offrait aux associés un forum dans lequel ils pouvaient faire valoir leur droit au «développement». Dans le cadre d’un consensus de base général, les parlementaires africains réussirent à imposer leur empreinte sur le discours du développement. Ils aspiraient en fait à se retrouver sur le même pied d'égalité que les Européens. De leur côté, les Européens insistèrent sur la réciprocité des relations et se présentèrent avec succès comme un partenaire de négociations indépendant de toute prétention néocoloniale de dominance. A cet effet, ils exposèrent un concept politique de développement orienté sur le long terme et répondirent ainsi aux attentes des Africains. La Commission de la CEE, qui occupait désormais une position-clé avec la mise en œuvre de sa politique d’association, faisait figure de troisième acteur entre les métropoles et les colonies. Si le gouvernement français était le partenaire quasi-exclusif de la CEE pour les projets à financer par le biais du FED, les pays associés avaient, après leur accès à l’indépendance, la possibilité d’être représenté auprès de la CEE et de soumettre des demandes de projets directement à la Commission. Des contacts directs avaient déjà été noués entre les associés et la Commission pendant l’ère coloniale. Les principales personnalités de l’économie et de la société étaient entrées en contact avec la CEE à un stade précoce, par le biais des gouvernements et administrations associés. La Commission, elle-même, effectuait des voyages intensifs dans les pays associés. Bruxelles devient le centre des rencontres : des personnalités africaines y venaient en visite, un programme de stages permettait aux fonctionnaires des gouvernements africains associés de se familiariser avec la Commission de la CEE, des campagnes d’information offraient la possibilité d’entrer en contact avec d’autres acteurs de la société des pays associés. Dans ce contexte, l’indifférence générale, voire les réserves émises par les associés au début de l’idée de l’association, semblait faire place en 1962 à un consensus plus ou moins général. Toutefois, les tentatives d'établissement de la Commission en Afrique se heurtèrent à certaines limites. Elles s'adressaient finalement à une élite, soit à des personnes prédestinées à occuper des positions d'encadrement dans l'économie, la société et la politique et qui, de par leur style de vie et leur formation à l'influence occidentale, se distinguaient de la vaste majorité de la population.
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Paris tentait également de freiner l’action de la Commission de la CEE dans les pays africains associés. Le gouvernement français craignait la concurrence de la CEE en Afrique, car son institution la Communauté française était impliquée dans un processus de changement au début des années 60, avant d’être remplacée définitivement par une politique de coopération. Les accords de coopération conclus par la France avec ses anciennes colonies entre 1960 et 1963 étaient partiellement en contradiction avec l’esprit des dispositions de l’association dans le domaine économique. Paris souhaitait limiter le rôle de la Commission de la CEE à celui d’un organe technique exécutif. Toutefois, non seulement la France, mais également la CEE se trouvèrent au début des années 60 confrontées à la nécessité de rechercher un nouvel équilibre dans leurs relations avec l’Afrique.
Les traités de Yaoundé de 1963 et 1969 Au début des années 60, les états africains de l’association qui étaient juste devenus indépendants attribuèrent une importance considérable à la CEE. Certes, dans l’ensemble, ils souhaitaient maintenir d’étroites relations avec la France, mais s’évertuaient néanmoins à rompre l’exclusivité de leurs relations avec l’ancienne métropole. Pour eux, l'avenir résidait dans les relations avec le marché commun dans le cadre de l'association. Les relations avec un partenaire multilatéral, la CEE, devaient compléter, voire remplacer, leurs relations avec l’ancienne métropole. Ces relations multilatérales correspondaient à leur aspiration vers une décolonisation progressive. A cet effet, ils poursuivaient une stratégie de clientélisme avec la CEE. Ils ne voyaient pas d’autre solution alternative que la coopération verticale avec l’Europe. Même le marché africain commun prévu ne semblait pas représenter une solution alternative à la CEE en raison d’une production agricole trop homogène et de l’industrialisation encore hésitante des économies africaines. L’accueil positif réservé à l’association par les états africains et malgache reposait principalement sur les attentes axées sur l’avenir des relations avec la CEE. Au cours des premières années, l’association n’a pas eu les effets attendus, ni dans le domaine de l’aide financière, ni au niveau politico-commercial et faisait par conséquent l’objet de critiques. Toutefois, les premiers avantages faisaient leur apparition. Les premiers projets du FED étaient réalisés; au niveau politicocommercial, une tendance se dessinait vers la multilatéralisation des relations confirmant les attentes d’un marché élargi au sein de la CEE, même si la France était toujours le marché le plus important pour les pays associés. En outre, les initiatives politico-commerciales de la Commission ainsi que celles en vue de stabiliser les prix des matières premières pour les produits associés offraient de nombreuses perspectives prometteuses. Le système d’association semblait même ouvert à une évolution tendant vers une coopération de développement. Pour les états associés, la construction d’une communauté eurafricaine basée sur le principe de solidarité génèrait l’obligation de travailler à un avenir commun et prospère. L’idée de coopération représentait une réponse au reproche du néocolonialisme adressé à l’association par les états non associés. Pendant l’année 1961, les états associés avaient réussi à adopter une position commune et cohérente en vue de l’élaboration du nouveau règlement
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d’association. Douze des 18 états associés s’étaient réunis auparavant pour former l’OAMCE et pour donner forme à la nouvelle relation avec la CEE. Toutefois, dernière cette apparente union se dissimulaient des intérêts conflictuels et des prises de position divergentes. Dans l’ensemble, les états OAMCE étaient partisans de contacts plus étroits avec la CEE, tandis que Congo-Léopoldville, le Mali, le Togo et la Somalie étaient favorables à une forme plus ouverte de l’association. Les implications politiques d’une association à la CEE étaient également controversées parmi les états associés. Le Mali et Congo-Léopoldville soulignèrent explicitement qu’ils ne se sentaient aucunement liés avec les pays de l’Ouest par le biais de l’association. D’autres pays de l’EAMA considéraient, au contraire, l’association comme la création d’un lien avec les pays de l’Ouest. Grâce aux efforts entrepris par la Commission, notamment par la direction générale VIII, l’association incarnait l’action concrète de la Communauté. Pour cela, la question de l’association a été combinée aux questions en suspens de l’intégration européenne. Du point de vue de la politique d’intégration, l’association présentait l’avantage de représenter le premier signe d’une activité politique de développement entreprise par la Communauté qui servait de base à une politique commune de développement. En particulier le commissaire compétent pour l’association et la direction générale VIII comptaient parmi les partisans d’une politique de développement de la CEE centrée sur l’Afrique. Cette approche était toutefois contestée au sein de la Commission. La Commission prit l’initiative pour débuter de nouvelles négociations. Elle devait répondre aux nombreuses critiques auxquelles l’association était exposée dès le début. Le contenu politico-commercial de l’association a été soumis à un examen. Les préférences avaient montré peu d’effets jusqu’ici mais avaient suscité des réticences de divers côtés. Du côté de l’Afrique, il était reproché à l’association de séparer l’Afrique subsaharienne en territoires économiques coloniaux. Le GATT ne faisait que tolérer l’association et le soutien des États-Unis paraissait incertain. En raison de l’attitude des états de l’Amérique Latine et de leur propre initiative pour réguler le marché mondial des matières premières, l’administration américaine semblait de moins en moins disposée en 1961, à accepter le traitement de faveur politique et douanière accordé aux états associés. Au sein de la CEE, en particulier les Pays-Bas et la République fédérale, s’opposaient à la réglementation commerciale existante et aux initiatives accrues entreprises par la Commission pour stabiliser le prix des matières premières. Dans ce contexte, la Commission fit une volte-face politico-commerciale et prit partiellement ses distances avec le système des préférences. Elle combina toutefois la suppression des droits de douane préférentiels avec la prise d’autres mesures d’aide pour promouvoir les débouchés et la consommation. Pour cela, elle fit la différence entre l’intérêt de la stabilisation afin de compenser les variations conjoncturelles et saisonnières et l’adaptation de la structure pour adapter les économies associées au développement du marché mondial. La Commission attribuait aux investissements une position-clé pour le processus de développement des économies associées. Il convenait de maintenir le FED et de le doter de moyens plus importants que ceux déjà accordés, à savoir 220 millions de dollars par an. A l’avenir, il ne devait pas accorder uniquement des subventions sans remboursements mais également des prêts à intérêts réduits. La banque européenne d’investissement devait participer à l’octroi des crédits. Pour protéger les investissements privés, la Communauté se portait cau-
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tion pour les garanties et s’efforçait de promouvoir de la création de banques de développement dans les EAMA. Chaque année, 25 millions de dollars devaient être réservés à une intensification de la coopération technique, en outre un institut de développement devait être fondé. Avec sa proposition, la Commission offrait une solution innovatrice sans renoncer à la base du système d’association établi par le traité de Rome. Ses modalités répondaient aux nombreux défis auxquels était confrontée l’association au début des années 60 au niveau international, du côté des Africains, du côté des états membres de la CEE et par l’exigence de la Commission elle-même. Pour la République fédérale, l’aide au développement prévue dans le traité de la CEE sous forme de l’association des états et territoires africains représentait un cas à part, auquel elle s’était engagée dans l’intérêt de l’intégration européenne. Pour cette raison, elle considérait le règlement concernant l’association avec une retenue sceptique. Adenauer avait remis en question, lors de l’été 1960, l’association à l’occasion de l’indépendance des états africains et avait obtenu, pour cette affaire, le consentement du ministère fédéral de l’Industrie et des Finances. En particulier la composante politico-commerciale de l’association incita Erhard à se prononcer contre la poursuite de l’association. Concernant les membres africains du Commonwealth, le ministre fédéral de l’Économie plaidait pour une prise en compte des états devenus indépendants dans une conception globale de l’Afrique. Pour Erhard, l’association des états africains était une construction du colonialisme tardif qui, en 1960, ne correspondait plus à l’esprit de l’époque. En revanche, le ministre des Affaires étrangères accordait une grande importance à l’action de la CEE en Afrique et attribuait à l’association une position centrale dans la politique de l’Afrique du gouvernement fédéral. L’association était perçue comme un élément essentiel pour conserver les jeunes états africains dans le camp des pays de l'Ouest face aux tentatives de ralliement des pays de l’Est. Le ministère des Affaires Étrangères nourrissait des intérêts de politique allemande et considérait en outre le contexte politico-européen. Depuis le printemps de 1959, un certain quid pro quo subsistait entre l’aide française dans la question de l’Allemagne et le soutien allemand concernant la coopération européenne. Au début des années 60, la République fédérale commençait à nourrir des ambitions politiques en Afrique. A Bonn, certains auraient aimé voir l’Afrique sur la liste des priorités de l’aide allemande au développement. La République fédérale avait conçu l’aide au développement, dans un sens large et selon le principe de «l’arrosoir», mais déterminait parallèlement des priorités qui reposaient sur une base d’intérêts très divers. Le degré d’importance que Bonn attribuait à chaque pays en matière de politique allemande ainsi que le rapport de force entre l’Est et l’Ouest entraient en jeu tout comme, dans certains cas, l’aspiration de se référer aux relations coloniales. Quelques états francophones comptaient parmi les principaux bénéficiaires de l’aide allemande au développement. Dans l’Afrique subsaharienne, le Togo occupait la troisième place derrière le Niger et le Soudan. La Guinée et le Cameroun suivaient à la cinquième et à la sixième place. Les intérêts économiques et commerciaux jouaient un rôle dans la politique allemande de développement, qui continuait également à s’inscrire dans la tradition de promotion des exportations. Dans ce contexte, il était d’autant plus important pour Bonn de participer à la détermination des modalités et de l’ampleur géographique d’un nouveau règle-
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ment d’association. L’ensemble du concept allemand approuvé par le cabinet, le 21 juillet 1961, avait pour vocation de modifier les rapports au sein de l’association pour les faire évoluer vers une «association - aide au développement». Ce concept plaçait l’association encore une fois sous le signe de la décolonisation, cette fois dans le sens d’une promotion de l’indépendance économique des états associés, qui avaient déjà acquis l’indépendance politique. Pour le gouvernement fédéral, ce concept se détournait des dispositions politicocommerciales du traité de Rome qui, selon le gouvernement fédéral, perpétuaient les dépendances coloniales. Bonn était certes disposé à conserver provisoirement des institutions identifiées comme des reliques du colonialisme tardif et importantes aux yeux des états associés. Mais plus tard, le gouvernement fédéral, en particulier le ministère de l’Économie, aspirait à modifier l’association dans l’esprit des idées d’ordre libéral. Les efforts allemands se résumaient, en principe, à vider l’association de l’un de ses contenus politico-commerciaux, tout en menant néanmoins une coopération de développement privilégiée. Le renouvellement de l’association des colonies africaines de la France, devenues entre-temps indépendantes, avec la CEE était seulement l’un des aspects qui intéressait le président de la République française dans le cadre de l’intégration européenne, au début des années 60. L’Europe devint la priorité de De Gaulles et relativisait, tout comme la bombe atomique, l’importance de l’empire français. Toutefois, la question de l’Afrique domina la politique française jusqu’à la fin du conflit algérien en 1962. Dans ce contexte, l’Afrique Noire devenait de plus en plus importante, il convenait d’éviter impérativement une rupture des relations étroites. Lors de l’échec de la Communauté en 1961, les accords de coopération conclus entre 1960 et 1963 avec les divers états africains garantissaient l’influence et la dominance de la France dans l’Afrique francophone subsaharienne. Finalement, la France franchit le pas d’un empire formel à un empire informel. L’empire africain restait une base du pouvoir français, permettant d'assurer et d'élargir la position de la France comme grande puissance ainsi que son rôle ambitionné de leader en Europe. Toutefois, l’importance particulière détenue par l’empire dans les années 1950, notamment au niveau économique comme partenaire commercial le plus important, s’estompait dans les années 1960. Dans ce contexte, De Gaulle et le premier ministre Michel Debré étaient plus enclins à considérer des perspectives franco-africaines que des perspectives eurafricaines. Pour eux, l’idée d’une France-Afrique était bien plus dominante, la perspective eurafricaine ne revêtait qu’une fonction complémentaire. Très tôt, ils avaient compris que l’association des états africains et malgache présentait des effets ambivalents. Il ne s’agissait pas seulement de trouver un compromis entre les relations bilatérales et multilatérales avec l’Afrique, mais de se servir de la CEE comme un instrument pour la politique française de transformation et de mettre à profit l’association comme un élément de la politique française pour l’Afrique, à savoir les utiliser au service d’un empire informel qui restait à créer. Dans ce contexte, l’association représentait une option supplémentaire pour la politique française de l’Afrique. Ceci présupposait toutefois plusieurs conditions. Tout d’abord, l’action de la CEE en Afrique ne devait pas entrer en concurrence avec celle de la France, ni avoir un effet néfaste sur les relations franco-africaines. En outre, la France envisageait de jouer un rôle de premier plan dans les relations de la CEE avec l’Afrique et tentait d’influencer leur mise en place. Finalement, il
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s’agissait de limiter la mise en œuvre des institutions et de la politique pour le développement. En particulier dans le domaine de l’aide au développement, l’association était bénéfique à la France. Le FED représentait une ressource supplémentaire, qui complétait l’importante aide au développement que la France continuait à accorder à l’Afrique et générait des effets positifs pour la zone franc qui restait, également à l’époque post-coloniale, un élément important de l’influence française en Afrique subsaharienne. En outre, l’association représentait pour la France une nécessité économique, car la France se modernisait au niveau économique et souhaitait participer à l’intégration européenne. Il était dans son intérêt de transférer à la CEE le système existant des surprix, dont la régulation du marché et les mesures de soutien aux prix devenaient une charge de plus en plus lourde pour l’industrie et les consommateurs et de partager les charges avec les partenaires européens. Pour cette raison, la France était opposée à un changement radical du règlement existant de l’association. Elle se montrait plus favorable à un ajustement institutionnel et à une amélioration des modalités et des structures administratives. La France préconisait l’évolution de la zone de libre échange fondée par le Traité de Rome entre les associés et la CEE vers un marché eurafricain qui reprendrait les avantages dont les associés jouissait jusqu’à maintenant sur le marché français. Toutefois, le gouvernement français ne pouvait ignorer les critiques exercées contre le système des préférences au sein de la CEE et au niveau international. Même si l’attitude des états associés et leurs intérêts de trouver des marchés de débouchés sûrs et lucratifs au sein de la CEE avaient une influence considérable sur la position française, le gouvernement français recherchait également des solutions alternatives. Le système de préférences est devenu un instrument parmi d’autres dans une perspective qui accentuait les facteurs endogènes du «sous-développement». A l’époque, où la politique de développement figurait en haut de l’agenda du monde occidental, la France exigeait une augmentation de l’aide au développement de la CEE pour les états associés. La position de négociation de la France témoignait d’une certaine proximité avec les états associés sans, toutefois, négliger ses propres intérêts. En décembre 1961, les négociations gouvernementales ont été finalement ouvertes entre les Six et les 18 sur un nouvel accord d’association et un an plus tard, le 20 décembre 1962, le nouvel accord a été paraphé lors de la cinquième réunion des ministres de la CEE et des états africains associés. La phase des négociations qui s’était déroulée en plusieurs étapes avait été caractérisée par une complexe interaction d’intérêts. Dans la dimension verticale, les Six avaient discuté avec les 18, lors des réunions des ministres spécialisés et des comités de direction érigés lors de la première réunion des ministres et de trois groupes de travail d’experts qui se sont penchés sur les relations commerciales, la coopération financière et technique et les institutions de l’association. En outre, à ce niveau, il y avait, d’une part, des contacts semi-officiels et informels entre la Commission de la CEE et certains États membres et d’autre part avec quelques états associés. En outre, les négociations déterminèrent deux dimensions horizontales, dans lesquelles le groupe des Six et le groupe des 18 négocièrent chacun de leur côté. Finalement, des évènements, tels que les négociations sur l’adhésion de la Grande-Bretagne à la CEE et les initiatives politico-commerciales des États-Unis au sein et en dehors du GATT avaient des répercussions sur les négociations.
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Lors des négociations, il a été tenu formellement compte du droit des Africains à l’égalité. Dans les faits, ces négociations se sont déroulées entre deux partenaires inégaux. A la fin, un compromis acceptable pour les deux parties a été trouvé, dont le point de convergence se trouvait toutefois plus près de l’offre originale des Européens que des exigences des états africains associés. Des deux côtés, les intérêts étaient divers ainsi que les ambitions de régulation politique, même au niveau horizontal des négociations. Toutefois, les partenaires des négociations partageaient un ensemble de normes avec lequel ils ont débuté les négociations. Une série de réflexions reliées les unes aux autres, de la responsabilité de l’Europe envers l’Afrique, de la complémentarité des deux continents, de la réciprocité des avantages que les deux côtés tiraient de la coopération et de l’interdépendance des partenaires de la coopération, s’articulaient autour de l’idée d’une coopération de développement entre l’Europe et l’Afrique. L’offre soumise par les Européens aux associés était finalement le premier signe d’une identité de politique de développement de la CEE. En raison de la première décade de développement proclamée par l’ONU en 1961, la CEE négociait tout en étant consciente que les négociations et le nouvel accord pouvaient devenir le modèle dans la conception des relations Nord-Sud. Pour les associés, la CEE s’avérait comme un partenaire de négociations difficiles en raison de son hétérogénéité. Son pouvoir de négociation et de mise en œuvre se situait dans le domaine des normes et des objectifs. La «coopération» et «la solidarité » devinrent pour les associés les maîtres mots des négociations, ils conservèrent les perspectives eurafricaines de relations particulières pour s’assurer d’une aide au développement privilégiée de la CEE. En dépit de l’asymétrie dans les relations, ils pouvaient avoir recours aux méthodes de négociations classiques pour imposer leurs exigences. En dépit de critiques isolées, les associés conclurent le nouvel accord avec la CEE avec la conviction que l’association était, dans son ensemble, bénéfique et compatible avec les aspirations au développement. La création d’un cadre institutionnel propre constituait l’originalité de la nouvelle association qui prônait un partenariat de développement basé sur l’égalité. Le degré d’égalité entre les partenaires dépendait, tout comme lors des négociations sur l’association, de la mesure dans laquelle les états associés réussirent à se créer et à exploiter des marges de manoeuvre en dépit de l’asymétrie dans les relations entre les payeurs et les bénéficiaires. En tout cas, l’association possédait désormais des forums dans lesquels les pays associés pouvaient exprimer leurs intérêts et priorités et les soumettre à la CEE. Même si les compétences des institutions, en particulier le conseil de l’association, laissaient à désirer par rapport aux intentions exprimées lors des négociations, un premier pas avait été franchi. Il formait une base pour une évolution future des relations entre les payeurs et les bénéficiaires. Dans le domaine de l’aide technique et financière, de nombreuses initiatives de la Commission prises au cours des dernières années ont été formalisées. Le FED a été poursuivi et ses domaines d’intervention ont été élargis. Le fonds n’attribuait plus seulement des subventions mais également des prêts. La banque d’investissement européenne mettait à la disposition des états associés 64 millions UC et des territoires associés 6 millions UC sous forme de prêts. Les aides à la production et à la diversification étaient une innovation qui devait faciliter l’intégration au marché mondial et l’expansion d’une structure économique à divers visages. Le comité du FED représentait également une nouveauté, qui per-
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mettait aux États membres de la CEE de participer directement à la sélection des projets. Tout comme avant, la France et la République fédérale étaient les deux pays à contribuer largement au FED. Ensemble, ils apportèrent 67,5% des 730 millions UC du nouveau FED. L’accord créa une série de zones de libre échange parallèles entre la CEE d’un côté et des états associés de l’autre côté. Les associés jouissaient toujours d’un accès préférentiel au marché commun même si le tarif extérieur de la CEE avait été réduit de jusqu'à 40% pour un certain nombre de produits tropicaux. Le traité de Yaoundé laissait aux états associés la liberté d’organiser leurs relations politico-commerciales entre eux et avec des pays tiers. Ceci était compatible avec les unions douanières existantes, l’UDEAO et l’UDEAC et permettait aux états «open-door», de conserver, sans aucune restriction, leur système commercial du moins lors des trois premières années de la durée de l’accord. Il a été tenu compte en particulier des critiques exercées par quelques membres africains du Commonwealth qui considéraient que l’association était un contrepoids à la création d’un marché africain commun. Le préambule de l'accord reflète également l’optimisme témoigné au début de la première décade de développement de l’ONU et lors des négociations de Yaoundé. Le développement étant perçu comme un processus interdépendant, dont profitaient les deux côtés, la conviction régnait qu’il était possible de créer un développement des états associés visant à réduire les inégalités, l’association pouvant contribuer à l’indépendance économique. En raison de son contenu ambivalent, l’accord permettait une mise en œuvre dans plusieurs directions. Le succès des négociations est dû précisément à cette ambivalence qui ouvrait aux partenaires une marge de manoeuvre dans l’interprétation. Les attentes concernant un approfondissement de l’association ont été déçues pendant la durée de l’accord. Lors du renouvellement de l’accord en 1969, après une durée de 5 ans, les perspectives d’une progression considérable de l’association étaient mauvaises. Le deuxième accord de Yaoundé n’était que le prolongement du premier, il se distinguait plus par un transfert des priorités, que par des nouveautés. Les États membres de la CEE témoignaient de peu d’enthousiasme pour la politique de développement en général, et pour l’association en particulier. L’OCDE s’était imposé comme le forum en matière de politique de développement des payeurs européens et occidentaux dans l’ensemble. Parmi les États membres se dessinait une tendance vers une politique de développement bilatérale; la France et l’Allemagne avaient institutionnalisé une coopération en Afrique depuis 1963 dans le cadre étroit du traité de l’Elysée et en dehors de l’association. La Commission de la CEE affaiblie par la politique de la chaise vide poursuivait un objectif plus que modeste, de maintenir l’association comme domaine d’action de la Communauté. L’enthousiasme suscité au début de la décennie autour du développement faisait place dans la deuxième moitié des années 60 à un certain désenchantement. A partir de 1967, il devint clair que la première décade de développement de l’ONU ne pourrait respecter ses objectifs de croissance. Le fossé entre le Nord et le Sud se creusait. L’Afrique était perçue par le public européen comme un continent secoué par la crise. Au niveau international, les critiques exercées à l’égard du contenu politico-commercial de l’association se multipliaient. L’UNCTAD, qui aspirait à trouver des solutions globales pour les problèmes de
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développement du Tiers Monde était fondamentalement opposé aux systèmes de préférences régionales entre les pays industriels et en voie de développement. Le début des années 70 était l’ère d’un nouveau commencement pour la politique de développement et européenne. Avec la Convention de Lomé en 1975, une nouvelle ère s’ouvrait pour l’association. Après l’adhésion de la GrandeBretagne à la Communauté européenne, les pays du Commonwealth ont été affiliés dans le cadre d’un concept plus global d’association. Lomé avait laissé son empreinte sur l’identité de la Communauté en matière de politique de développement; la CEE avait toutefois débuté sa recherche d’une identité au début des années 1960.
SUMMARY At present the EU is looking to establish new foundations for its relationships with Africa. Although the Cotonou Agreement of 2000 began a long-term approach between the EU and its ACP partners, the Economic Partnership Agreements that the EU is negotiating with various African state groups appear to lead to a dead end. Consequently the EU and its African partners have recognized that they are now confronted with the necessity of reviewing and conceptualising a new beginning. Not least, against this backdrop it seems appropriate to look back to the history of relations between Europe and Africa. The beginning of the European African policy goes back to the foundation of the EEC itself. On France’s initiative the African colonial regions were included in the Common Market. In the face of the independence of the associated African states, the European Community had recognized the need to calibrate their relationships with the African continent by 1960. Through the Yaoundé Convention, it succeeded in 1963 in transforming late colonial relationships into post colonial ones. At the same time, the association policy of the 1960s is the first demonstration of a European development policy towards Africa. The Yaoundé Conventions of 1963 and 1969 are also the forerunners of the current Cotonou Agreement.
The foundation of the EEC and the association of the African regions and countries With the foundation of the EEC in 1958, both the French colonies in sub-Saharan Africa and the Belgian and Italian African estates were associated with the Common Market. The French had highlighted the inclusion of the colonial regions into the Common Market as a subject for negotiations, which remained controversial among the Six until the end. Financial and economic constraints, as well as the interest in giving the European partners a share in the costs of modernising the colonial empire, induced the French to make the inclusion of their overseas regions in the Common Market a conditio sine qua non. The decolonisation process that was accelerated after the conference of Bandung and the independence of the North African protectorates strengthened the Mollet government and the intention to decolonise black Africa gradually. For them, this association represented an economic protection of the decolonisation process introduced through the Loi-cadre. In the course of the negotiations the association project that was initially rather a part of the traditional colonial development plans transformed into a development policy with more defensive connotations. The Europe of the Six seemed, in terms of the development policy, to offer the appropriate, extended framework for the envisaged task. In these new European-African relationships between the EEC and the associated African countries, France was to function as a hinge, which should also open up new perspectives for the FrenchAfrican relationships. Late colonial fantasies were awoken by the association not just in France, but also in the Federal Republic. The development of Africa was seen as a task for the entire European Community. Cooperation in Africa had expanded into the
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French-German economic relationships since the middle of the 1950s. Despite this, the reservations in Bonn prevailed. The Federal Government feared involvement in colonial policy and therefore imposed the integration of the venture into the new field of development aid. The foreign trade endeavours of the French to extend the colonial preferences and the surprix system, in which the Federal Government saw a practical continuation of the colonial economic policy, to all EEC states was regarded with particular scepticism by Bonn. The compromise that was finally reached reflected the different perspectives and principals of the partners. Institutions of the French union, such as the FIDES and the preference system served nevertheless as an example of the association that created an instrument, which, from the beginning, served two different purposes: trade and development aid. The association that was established in the EEC contract had an innovative character. It presented a venture that intended to replace traditional bilateral relationships with multilateral ones. The contract did not intend for the colonial rule to become multilateral, but rather wanted to see a development in emancipation. In terms of trade policy, the aim was the creation of a free trade area between the associated overseas countries and regions and the EEC states. Through this, the economic relationships of the colonies, which were until then focused entirely on the French metropolis, were multilateralised. The second means of achieving the aims of the association lay in the participation of the European Economic Community in financially supporting the associated regions. For this purpose a European Development Fund (EDF) that was supported through contributions by the states and provided with financial aid that totalled $581.25, was provided for five years. Both France and Germany paid 200 million, the Netherlands and Belgium 70, Italy 40 and Luxemburg 1.25 million. The EEC Commission, under supervision of the Council of Ministers, which adjudicated upon the suggestions of the Commission with a requisite majority, were responsible for the management of the fund. Based on the German requirements the activities of the development fund divided into two main domains, the social and the economic. Whilst the former comprised specific social facilities such as hospitals and academic and research institutions, plans of general interest, in direct connection with concrete productive development plans, were financed by the economic domain. It was concerned, then, either with infrastructure projects, recently approved private economically profitable projects, such as traffic or supply facilities, or with productive projects, such as mines and plantations. The Community’s financial aid was no replacement, but rather a supplementation to the development aid of the metropolis.
The Association Policy, 1958 - 1962 The EEC Commission played a key role in the arrangement of the association policy. It was responsible for the implementation of the association’s instructions as well as for the European Development Fund. The French Commissioner Robert Lemaignen was in charge of the association of the overseas countries and regions. He sought to establish a General Directorate for Development responsible for the association – a task for which the vice president of the Economic Commission for the French employers federation was destined. It was due to his
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occupational activity that he had various contacts with Africa. With the German contribution to the EEF and the predominant scepticism in the Federal Republic towards the association in mind, a German diplomatic agent, Hellmut Allardt, was nominated as general director. Misunderstandings between the French superintendent and the German general director about the direction of the association resulted in a recall of the foreign minister of Bretano, namely Allardt, who was close to the Federal Minister of Economics, Erhard, to the Department of Foreign Affairs in 1960. Heinrich Hendus, the former German general director in Algiers, took the place of Allardt. Another key position in the GD VIII was filled by a Frenchman. Jacques Vignes, an important colonial public servant, became director of the study department and deputy to Lemaignen. Furthermore Lemaignen promoted Jacques Ferrandi, who had been the economic director of the AOF in Dakar, to his Cabinet director. The other three directorships went to the Belgium colonial public servant Jacques Lefèbvre, who was nominated for investment strategies, the Dutch Jacob van der Lee, who was placed as director of general affairs, and the Italian development economist Enrico Gambelli, who took responsibility for the leadership of the direction of trade relations. Of approximately 50 public servants, the majority had no knowledge of or experiences with Africa. An exception were the French, who were mostly recruited from the colonial ministry, which was disbanding. Their profound knowledge of Africa as well as their colonial experience ensured them an outstanding position in the General Directorate. The dominance of French colonial administrators did not, however, result in the domination of France. Instead, the General Directorate made an effort from the beginning to establish a certain autonomy towards the French government. What remained was the influence of the French colonial tradition. Not only the technical knowledge of the Commission, but also the personal relationships of the Africa experts to the African elites, made it easier for them to gain a foothold in the continent. Lemaignen counted numerous future African heads of government amongst his friends. Against this backdrop, it is unsurprising that his candidacy for Commissioner of the association had the support of official political circles in Africa. Furthermore, Lemaignen wanted to view development policy from a fundamentally new perspective because, no matter how enlightened the development policy of the late colonial era might have been, the interests of the metropolises still tended to be more important than those of the dependant populations of the colonies. The association system laid down in the Treaty of Rome was soon overtaken by the events in Africa. Decolonisation proceeded in sub-Saharan francophone Africa. When given the choice, Guinea decided in 1958 to become independent and did not become a member of the Communauté, which was founded by De Gaulle and replaced the Union française. The majority of the associated countries followed on to become independent in 1960. Before the background of this transformation process, the EEC set about to discuss the consequences for the association derived from the new situation, as well as to define their role in Africa. At the same time the EEC revealed the development policy as a domain of European integration. Considerations for an association doctrine had begun in the Commission in 1959. In the individual departments of the GD VIII, public servants worked at creating an EEC African policy. In December 1960 these studies came to a tempo-
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rary end. Alongside the work of his General Directorate, Lemaignen shared his concept of an EEC development policy, focussed on Africa, with the other members of the Commission in February 1960. Even within a regional approach that was focussed on Africa, the association was to gain an outstanding position. The GD VIII rested upon the idea of an economic grand espace that was based on the principle of solidarity. Equality, a relationship that was based on mutuality with reciprocal rights and duties, advantages and burdens, were the criteria for the Commission that the association was supposed to emphasize over other donorand-acceptor relationships and at the same time differentiate from a colonial relationship. This distancing was in opposition to the reference to the colonial past, because the historical, cultural and economic bonds between Europe and Africa were interpreted as a commitment to a regional EEC policy focussed on Africa. Within the Commission there was support for a Eurafrica, an ambivalent concept that had its origin in the cerebration of the European elites during the colonial period. For primarily political reasons, namely to ensure the European presence and the European influence in Africa in the postcolonial period, Eurafrica was henceforth to be realized in terms of economy and development policy. Nevertheless the term Eurafrica was rejected in Brussels and replaced with the term ‘association’ that was more suitable in the postcolonial era and within the structure of the EEC. This term had a certain advantage in identifying with the EEC policy towards a specific part of Africa. The association appeared to the Commission to be a suitable instrument to provide a new basis for the relations with Africa. Not least, the developments that came to light in Africa, such as the tendency towards inter-African cooperation, seemed to open up Eurafrican vistas. Of particular importance for the Commission were the attempts of different African states to reach economic cooperation. The Commission accepted these developments, which opposed the ‘Balkanisation’ of Africa and which included also Anglophone Africa, as being of common interest. The expectation was to draw these countries, whose orientation as regards foreign policy was not secure, to the prowest side. In 1960 Lemaignen’s attention was focussed particularly on Ghana and Guinea, whose pan-African endeavours he viewed early on with scepticism. Although the West African states wanted, analogous to European integration, to bring about the political unity of Africa through an economic affiliation, they viewed their project for a joint African market as an opposing concept to an association with the EEC. The Commission assumed that the decolonisation had left a vacuum in Africa, which had to be first and foremost filled by the EEC. In Brussels there were endeavours to remove the colonial powers in Africa. In the context of the eastwest conflict, carrying this task out seemed urgent. In the face of the perceived economic and diplomatic ‘offensive’ of the eastern bloc in Africa, the Commission held the EEC responsible for keeping Africa in the western sphere of influence. It not only saw the Community in the role of western mandatory in Africa, but also had its eye on the future importance of Europe worldwide. The connection with Africa was meant to give Europe a greater geopolitical significance. Therefore the ideologist connoted a third Eurafrican power between the blocks. Ultimately the goal was to develop and safeguard the African raw materials and resources, as well as to bind them to their own market. This motive was
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based on the expectations that were laid down in the development potential of the African continent. The continent appeared to be an important producer of agricultural and mineral raw materials, whose contribution to the worldwide production of particular raw materials was considerable. In addition to this, perspectives appeared in the energy sector that seemed to open up the already wellknown oil and uranium deposits as well as the potential of the continent for developing hydroelectric energy. By developing the profile of the association in the direction of a development cooperation that took into account the realities of the post-colonial era, the Commission wanted to win the initiative in Africa and help to shape the transformation process that was underway there. With the Commissioner and officials of the General Directorate for Development such as Vignes, Gambelli, Lefèbvre and Ferrandi, experts of the colonial empire’s economy and Africa decided on the development discourse of the Commission. In addition, General Director Allardt and the president of the Commission made important contributions themselves. On the one hand, the thoughts of these experts were shaped by colonial experience and world images, in particular those from the time of the colonial modernisation policy after the Second World War. On the other hand, they were influenced by the insight of the development economy of the 1940s and 50s, which ultimately formed a link to the modernisation-theoretical paradigm that reached its peak in the 60s. They referred explicitly to pioneers such as Arthur W. Lewis and Ragnar Nurske, whose observations had their roots in the prevailing Keynesian thought, Simon Kuznets, the founder of the U-hypothesis, Gunnar Myrdal, who helped to coin the dualism term, Hans W. Singer, representative of the concept of imbalanced growth, and finally Walt W.Rostow, the representative of the stadiums theory of economic growth. Furthermore the experts in the Commission received a specific, structural shaping of the French development economy, which was represented mainly by François Perroux, the founder of the Institut des Sciences Economiques Appliquées, and the Dominican Louis-Joseph Lebret. This was accompanied by optimism about Africa’s development skills and potential that was not subdued by the observation that the distance between developing and industrialized countries was increasing, nor through the insight into developments that, like the demographic, countered the economic growth that was striven for. Behind it was the belief in a fundamentally unlimited development in economic growth that was unitized with the ‘take off’ in the developing countries. The late colonial development efforts of the metropolises were positively received both within the Commission as well as by external experts. Colonial rule really seemed to have created the prerequisites for the economic ‘development’ of the associated countries. The concepts of colonial discourse changed along the way to a development discourse that pointed to the post-colonial era. Gambelli, for example, spoke no more of ‘mise en valeur’ but used instead the economic term ‘valorisation’. Similarly, the term ‘opening up’ became less common and was increasingly replaced with the neologism ‘infrastructure’. Through this the Commission embraced a concept that was classified as one of the leading ideas of development and that met both the donor and the acceptor’s interests. On the one hand infrastructures are mediums for informal development, to economic and cultural penetration. On the other hand, infrastructure falls into a suppos-
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edly apolitical, technical category, willingly taken up by developing countries, in order to demand their desire for an improvement in living standards like those in the industrialized countries. The term arose from a development discourse that attempted to avoid any impression of imperial ambitions, in that it subjected everything to economic objective legality and logical consistency. This discourse reflected and founded an economically technocratic thinking that found expression in the practical, mathematic-statistical method of the development planning. In this context, a number of characteristics marked the development discourse of the EEC-Commission, particularly personified through Ferrandi, who became the EEF director in 1963. The director warned of a discourse based on exaggerated theory and pleaded for a connection of technical know-how and practice, in order to open up the discourse for the receivers of development aid. The underlying intention was a development not just for, but with, the African people. This was accompanied by an openness for individual forms of development that developing countries could find. This was based on the knowledge of the limitations of the EuropeanAmerican model that could not be transferred one-to-one onto the developing countries. Even if this understanding and self-concept corresponded to the will to cooperate, they broke no Eurocentric perspectives, but rather qualified them. Europe and America remained the standard, by which the intended path of development of the developing countries was measured. This standard was hidden behind a discourse that supposedly raised universal and neutral economic principals to an overall concept. Nevertheless, or perhaps because of this, it opened up freedom of action to the developing countries. At the Strasburg conference, convened on the initiative of the European Parliament, at the beginning of the negotiations concerning a new association in June 1961, the European representatives and the Parliamentarians of the associated states met. This conference offered those involved an audience where they could make their demands about ‘development’. In line with a common basic consensus the African Parliamentarians succeeded in setting a course in terms of the development discourse. They strove to meet the Europeans at eye-level. The Europeans made allowances for this and stressed the mutuality of their relations. They successfully presented themselves as a negotiation partner free of neo-colonial claim to power, in that they gave priority to a long term political development concept. Through this they were in accordance with the expectations of the Africans. Due to the key position assigned to the EEC-Commission through the implementation of the association policy, they became the third stakeholder between metropolis and colonies. While the French government was, before 1960, still the exclusive communication partner of the EEC for projects financed by the EEF, the associated countries, with the attainment of independence, had the possibility of setting up representation in the EEC and of presenting project proposals directly to the Commission. Even during the colonial era direct contact between the associates and the Commission had transpired. Passing beyond the circle of associated governments and administrations, powers from economy and society, that set the tone, came into contact with the EEC early on. The Commission itself actively travelled throughout the associated countries. Even Brussels became a central meeting point: African celebrities made return visits, an internship programme allowed officials of the associated African government insight
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into the EEC Commission, and information campaigns offered to chance to get in contact with other social powers of the associated countries. Against this backdrop the popular indifference, or even reservations, that the associates had shown at the beginning of the idea of the association seemed to have given way and been accepted by the majority in 1962. Nevertheless, the Commission’s endeavours to gain a foothold in Africa also reached its limit. Finally they consulted an elite, a group of people made for leading positions in economy, society and politics who set themselves apart from the bigger part of the population through a lifestyle and educational background influenced by the West. Paris also sought to set boundaries for the EEC Commission’s campaign in associated Africa. During the transformation process that the French Communauté underwent in the early 1960s, before it was dissolved for good through the cooperation policy, the French government feared that a rival could arise in the EEC for Africa. Paris clearly wanted to restrict the role of the EEC Commission to one of a technical executive organ. Furthermore, the cooperation agreement that France closed with its former African colonies between 1960 and 1963 partly contradicted the spirit of the association regulations in the economic realm. However, it was not just France, but rather the EEC as a whole that recognised, in the early 1960s, the need to recalibrate its relationships with Africa.
The Yaoundé Agreements of 1963 and 1969 At the beginning of the 1960s the newly independent African states of the association attached great importance to the EEC. Although they mainly wanted to maintain close relations with France, they were nevertheless eager to leave behind the exclusivity of these relations to their former metropolis. The future they saw in the relationships with the Common Market within the bounds of the association. The positive reception of the association on the part of the associated African and Madagascan states was fundamentally based on an expectation of future relations with the EEC. In the first few years the association failed to produce the expected effects in both the area of financial aid and trade policy and thus came under criticism. Nevertheless the first advantages were visible. The first EEF projects were carried out: in 1960 and 1961 a total of 14 million RE flooded into the associated countries. In terms of trade policy, a trend of mulitlateralisation of relationships was established, which confirmed the hope of an extended business market in the EEC, even if France did remain the most important market for the associated countries. Furthermore the Commissions´ initiatives in trade policy, such as one that concerned the stabilizing of the price of raw materials for the associated products, opened up promising perspectives. Lastly, the association system itself appeared to be open to developments in the direction of development cooperation. With the construction of a Eurafrican mutually supportive group, the associates connected the obligation with the formation of a shared, prosperous future. The idea of cooperation also provided an answer to the neo-colonial criticism that non-associated states directed at the association. By accentuating the symbiotic nature of the relationships they sought to invalidate any allegation of domination.
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The relationship with a multilateral partner, the EEC, was meant to complete or even replace the relationship with the former metropolis. The multilateralisation corresponded to their attempts at a gradual decolonisation. Thus they followed, in comparison to the EEC, a clientelistic strategy. There seemed to them to be no alternative to vertical cooperation with Europe. Even the common African market that they had aimed for seemed to offer the EEC no alternative to the association, due to insufficient differentiated agricultural production and the incipient industrialisation of the African economies. During 1961 the associates had achieved a mutual, coherent position in a new association arrangement. Twelve of eighteen associates had joined forces with the OAMCE beforehand, in order to shape the future relationship with the EEC together. However, behind the united façade of the associates lay conflicting interests and divergent attitudes. In general the OAMCE states supported the establishment of close relations with the EEC, whilst Congo-Léopoldville, Mali, Togo and Somalia advocated a more open form of association. Even the political implications of an association to the EEC were disputed amongst the associates. Mali and Congo-Léopoldville emphatically stressed that they did not see a choice for the West with the association. Other AASM understood the association to be a definite connection with the West. The fact that the association became a reality in Community activity is mainly due to the dynamic nature of the Commission, notably GD VIII. The regeneration of the association provoked the Commission to scrutinize the modalities and instruments they had hitherto used, in order to define the extent of the new arrangements. Thus the issue of the association was amalgamated with pending questions about European integration. From the perspective of integration policy, the association had the advantage of being the first demonstration of the function of the Community, from which a development policy could be created. In particular the Commissioner responsible for the association and the GD VIII were among the advocates for an EEC development policy that was centred on Africa. This proposal was, however, debated within the Commission. On the other hand, a consensus was reached concerning the political importance that the association was afforded in view of the developments on the African continent. The Commission decided to take the initiative for the renegotiation. They also had to allow for the multilateral criticism that the association was exposed to from the beginning. Thus the contents of the association, particularly in terms of trade policy, came under scrutiny. The preferences had, until now, had little impact, although they had aroused reservations on several sides. On the African side the association saw itself as being exposed to the accusation that it had divided sub-Saharan Africa along colonial economic lines. The association was only tolerated by GATT and even further support from the USA seemed doubtful. With the position of the Latin-American states in mind and in view of their own initiative concerning the organisation of the global raw material market, the US administration seemed in 1961 to increasingly unwilling to accept the association’s preferential treatment relating to customs policy. Within the EEC the main opposition was between the Netherlands and the Federal Republic, concerning the existing trade regulations and the Commission’s advanced initiatives on stabilising the price of raw materials. Against this backdrop the Commission implemented a change in trade policy and partially disavowed some privileges. They connected the dismantling of the preferential customs with sales and con-
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sumption-assisting aid measures. Thus they decided between, on the one hand, to stabilise the balance of economic and seasonal fluctuation and, on the other hand structural adjustment, in order to align the associated economies with the development of the global market. The Commission continued to assign a key role for the development process of the associated economies to capital investments. The EEF was thus to be maintained and equipped with greater resources than before, notably 220 million dollars a year. In the future it would be able to grant not just lost subsidies, but also interest-subsidized loans. The European investment bank was expected to contribute to the administration. To protect private investments, the transfer of indemnity bonds by the Community and the promotion of the creation of development banks in the AASM, which was to play an important part in the allocation of investments, were promised. 25 millions dollars a year was to be reserved to increase technical aid, and in addition a development institute was to be founded. Without losing the basis of the association system that was established through the Treaty of Rome, the Commission had presented an innovative solution for its organisation. This solution met the various demands that the association was subjected to at the beginning of the 1960s, from an international viewpoint and from Africa, as well as from the EEC member states and as a result of requirements of the Commission. For the Federal Government, the development aid that was stipulated in the EEC contract, in the shape of the association of African countries and regions, was a special case that they had obligated themselves to undertake in the interests of European integration at that time. Thus they viewed the regulations of the association with sceptical reservation. Adenauer had questioned the association in the summer of 1960 in view of the independence of African countries and harnessed in this matter the agreement of both the federal economy and the federal finance ministers. In particular the trade policy components of the association provoked Erhard to voice his opposition against the continuation of the association. With the African Commonwealth Members in mind, the federal economy minister pleaded to include the independent states in a concept for all of Africa. For Erhard the association of the African countries was a late colonial construct that was no longer contemporary. In contrast the federal foreign minister attributed great importance to the activities of the EEC in Africa and acknowledged the association’s central status in the African policy of the federal government. The association was viewed as an important element in maintaining the link between the young African states and the west in the face of the eastern bloc’s campaign. In this way the Foreign Office had concerns in terms of German policy, as well as the context of European policy, in mind. From spring 1959 a certain Quid pro quo existed between French aid in the issue of Germany and German support concerning European cooperation. At the beginning of the 1960s the Federal Republic developed definite ambitions concerning the Africa policy. In Bonn there were a few people who would have readily listed Africa as a priority for German development aid. The Federal Government distributed development aid widely, in alignment with the so called ‘watering-can principle’, but alongside this, they also established priorities that were based on a complex field of interest. The relevance that Bonn attributed to the particular country concerning German policy and the power struggle between east and west counted alongside, in some cases, their endeavours to refer
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to colonial bonds. Economic and trade interests certainly placed a role in the German development policy, which still promoted exports in a traditional way. In front of this backdrop it was even more important for Bonn to codetermine the modalities and geographical scale of a new association regulation. The overall German concept that the Cabinet approved on 21st July 1961 took it upon itself to shift the emphasis of the association’s relations to a ‘development aid association’. Thus it placed the new association under decolonised headings, this time in the sense of a promotion of the economic independence of the associated states, having already achieved political independence. For the Federal Government this meant the renunciation of dependencies that they viewed as colonial, on the perpetuated trade policy stipulations of the contract of Rome. For the time being Bonn was willing to let the institutions, viewed as late colonial relicts, persist because the associated attached importance to it. Lastly, the Federal Government, and in particular the Department of Trade and Industry, strove to alter the association in terms of a liberal concept of order. Quintessentially, the German endeavour was to clear the association of its trade-political content, but also to integrate privileged development work. The renovation of the association of African colonies of France that had, in the meantime, become independent, with the EEC was just one aspect of European integration that interested the French President in the early 1960s. Europe became one of De Gaulle’s priorities and this qualified the importance of the French Empire just as the atom bomb did. The issue of Africa dominated French politics until the end of the Algerian conflict in 1962. Directly before this backdrop black Africa became ever more important; a breach of this close relationship was to be avoided at all costs. Whilst the Communauté collapsed in 1961, the cooperation agreement that was closed between 1960 and 1963 with the individual African states guaranteed France’s influence and preponderance in francophone, sub-Saharan Africa. Finally it succeeded in negotiating from being a formal empire to an informal one. The African Empire remained the foundation of French power and continued to function as the safeguard and consolidation of the French position as a Great Power, as well as of the French importance and its targeted leading role in Europe. The particular importance that the Empire had earned in the 1950s as France’s economic, and most important, trade partner disappeared in the 1960s. Against this background De Gaulle and Prime Minister Michel Debré thought more from a French-African point of view than from a Eurafrican one. For them the idea of a France-Afrique was of capital importance in acting, the Eurafrican perspective befitted only a supplementary function. Thus they were aware early on that the association of the African states and Madagascar had ambivalent effects. It was not just a matter of finding a compromise between bilateralism and multilateralism in the relations with Africa, but rather it was necessary to make the EEC useful in the French transformation policy and make the association an element of France’s African policy, i.e. take them into service for the informal empire that was meant to found. The association of the African states and Madagascar presented before this backdrop an additional option for France’s African policy. This depended on several preconditions. Firstly, the activities of the EEC in Africa were not allowed to compete with those of France and affect the Franco African relations negatively. Furthermore, France claimed a leading role in the EEC’s relationships with Africa and sought to subject its or-
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ganisation to its own decisive influence. Finally, there was the matter of setting boundaries for the envisaged arrangement in institutional terms, as well as as concerned trade policy. In the area of development aid the association was advantageous for France. The EEF produced an additional resource that replenished once more the French development aid, concentrated on Africa. This also produced positive effects for the Franc-Zone, which remained a considerable element of the French influence in sub-Saharan Africa in the post-colonial era. Finally France wanted to ensure the associated African states an expanded business market in the EEC. However, even for France, who wanted to modernise their economy and participate in European integration, the association almost represented an economic necessity. It was in its interests to transfer the existing surprix system, whose market organisation and price support measures had increasingly become a burden to the industry and customers alike, to the EEC and to share its expenses with the European partners. Thus France was against a fundamental change of the current association regulations and focused on its assimilation and an improvement of it modalities and administrational structures. Paris advocated the transformation of the free trade area, founded with the Treaty of Rome between the associates and the EEC, into a Eurafrican market, that took over the advantages that the associates had enjoyed in the French market until now. However, the French government could not ignore the fact that the privileges were being criticised both within the EEC and internationally. Against this backdrop they attained a reassessment of the privileges. Even though the position of the associates and their interests in safe and profitable business markets in the EEC determined the French position, they extended their search for alternatives. Privileges became, from a viewpoint that accentuated the endogenous factors of ‘underdevelopment’, an instrument amongst other ones. In times where the development policy was at the top of the agenda of the western world, France called for an increase in the EEC development aid for the associated states. Overall the French position indicated a particular proximity to that of the associates, without negating its own interests. In December 1961 governmental negotiations concerning a new association agreement were finally begun between the Six and the 18, and a year later, at the fifth ministerial conference of the EEC and the associated African states on the 20th December 1962, the new agreement was signed. In between there was a protracted phase of negotiations, characterized by a complex interaction of interests, which ran on many levels. In the vertical dimension the Six and the 18 negotiated with one another, at the conference of the ministers of respective departments, within the executive committee that was introduced at the first ministerial conference and in 3 working groups of experts that dealt with trade relations, financial and technical cooperation and the institutes of the association. Furthermore there was semi-official and informal contact between the EEC-Commission and individual members states on the one hand and with the individual associated states on the other. Additionally, the negotiations determined two horizontal dimensions, in which the Six and the 18 negotiated amongst themselves. Finally, contexts such as the EEC membership negotiations with Great Britain and the USA’s trade policy initiatives within and outside of the GATT had repercussions for the association negotiation.
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The African demand for equality was formally accommodated during the negotiations, but de facto they took place between very unequal partners. At the end a compromise was found that was sustainable for both sides, although the convergence point was nearer to the original European offer than to the demands of the associated African states. On the level of horizontal negotiation, on both sides the interests were varied and the regulative conceptions were differing. Nevertheless the negotiation partners shared a canon of standards with which they entered into the negotiations. The conception of development cooperation between Europe and Africa was surrounded by a series of related convictions about the Europe’s responsibility for Africa, about the complementarity of the two continents, about the reciprocation of the advantages that both sides would see from the cooperation and finally about the interdependence of the cooperation partners. The offer that was finally proposed to the associates by the Europeans was the EEC’s first expression of an identity concerning development policy. Before the backdrop of the first UN-Development Decade, proclaimed in 1961, the EEC negotiated with the awareness that the negotiations and the new agreement could be exemplary for the organisation of North-South relations. For the associates the EEC proved to be in its heterogeneity a difficult negotiation partner. However they did succeed in using room to manoeuvre to shape the new association regulation in their own sense. Their power in negotiation and creation lay in the area of standards and goals. They made ‘cooperation’ and ‘solidarity’ leitmotifs of the negotiations; they maintained the Eurafrican perspective on particular relationships in order to ensure privileged development aid from the EEC. Despite the asymmetry in the relationships they could also successfully resort to classic methods of negotiation to pursue their demands. Despite the detailed criticism, the associates closed the new agreement with the EEC in the belief that the association as a whole was compatible with their interests and development endeavours. The originality of the new association and its demand for a development partnership with equality was most clearly documented, so that it was given its own institutional framework. The extent to which the equality of the partners remained formal, i.e. remained the reality, was dependant, as it had been in the association negotiations, upon the extent to which the associates opened and used the room for manoeuvre, despite the asymmetry in the relations between donor and acceptor. The association had at its disposal henceforth forums in which the associates could give expression to their interests and priorities and confront the EEC with them. Even if the competence of the institutions, in particular that of the Association Council, fell behind, at least the first step had been taken on which the relationships between donor and recipient could be further developed. In the area of financial and technical aid numerous of the Commission’s initiatives of the final years were formalised. The EEF was carried on and at the same time its field of intervention was diversified. The funds no longer awarded only grants, but rather loans. 64 million RE was available to the independent associated states, and 6 million to the dependant states, in the form of loans from the European Investment Bank. The production and diversification grants were considerable innovations, which were meant to facilitate integration into the global market and the construction of a polymorphic economic structure. In
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terms of choice of project, another new development was the EEF Committee with which the EEC member states were involved directly. France and the Federal Republic of Germany were still the two largest contributors who, together, raised 67.5% of the 730 million RE of the new EEF. The agreement established a series of parallel free trade zones between the EEC on the one hand, and each associated state on the other. The associates continued to enjoy preferential access to the Common Market, even when the EEC’s external tariff for some of the tropical products was reduced by up to 40%. The Yaoundé Agreement allowed the associates the freedom to organise their trade policy relationships amongst themselves and with third countries. It was compatible with the existing Customs Unions, UDEAO and UDEAC, and allowed even the ‘open-door’ states to maintain their trade systems without restrictions for at least the first three years of the term. Furthermore, the criticism expressed in particular by a few African Commonwealth members, that the association was opposed to the creation of a common African market, was taken into account. The preamble of the contract reflected the development optimism at the beginning of the first UN Development Decade, which was also basis for the Yaoundé negotiations. With the understanding for the development as an interdependent process, from which both sides profited, the conviction of the catching-up with the Western development of the associated states, to whose economic independence the association was expected to contribute. Because of its contextual ambivalence the contract made organization in various directions possible. Even this ambivalence, that opened interpretation possibilities for the partners, was due to the success of the negotiations. The expectations of a deepening of the association were disappointed during the contract period. After 5 years the contract should have been renovated in 1969, but the prospects for a significant development of the association were bad. The EEC states showed hardly any enthusiasm for the development policy and the association. The OECD was established as development political area of the European and common Western financial backers. There was a similar tendency to the bilateral development policy within the member states; France and Germany had already institutionalized the cooperation with Africa within the Elyseé contract and outside of the association in 1963. The EEC Commission that came out of the crisis of the empty chair weakened, only pursued the modest goal of maintaining the association as a field of interest for the Community. From the development enthusiasm of the beginning of the decade followed a certain disillusion in the second half of the 1960s. In 1967 it was obvious that the first UN-Development Decade would miss the goals of growth. The gap between north and south grew bigger. Africa was viewed as crisis-ridden by the European public. The trade-political content of the association was criticized internationally. The UNCTAD, which strove for solutions to the development problems of the Third World, was in opposition to the regional preference system between industry and development countries. The second Yaoundé contract basically continued the first. The accents of the contracts were shifted instead of being renewed. The beginning of the 1970s was a time of a European-development political re-start. Through the contract of Lomé the association entered a new term in 1975. After Great Britain joined the alliance of the European Community the Commonwealth countries were involved in a comprehensive association concept.
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The negotiations were part of the north-south relations that were viewed under new omens because of the oil embargo. Lomé, who was contemporarily received as a model for an international development cooperation, coined the development political identity of the Community significantly; the EEC had begun the search for this identity even at the beginning of the 1960s.
A. EINLEITUNG Derzeit sucht die Europäische Union, ihre Beziehungen zu Afrika neu zu kalibrieren. Während die wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen, die die EU mit verschiedenen afrikanischen Staatengruppen verhandelt, in eine Sackgasse zu führen scheinen, führte das Abkommen von Cotonou im Jahr 2000 einen langfristigen Ansatz fort, der bereits 1975 seinen Anfang genommen hatte. Das in diesem Jahr geschlossene Abkommen von Lomé schien Antworten auf drängende Fragen der Nord-Süd-Beziehungen gegeben zu haben, die in den 1970er Jahren virulent wurden. Dieses Abkommen zwischen der EU und 46 afrikanischen Staaten nebst Staaten aus dem karibischen und pazifischen Raum wurde zeitgenössisch als Modell für die internationale Entwicklungszusammenarbeit rezipiert, weil es wesentliche Forderungen der Dritten Welt nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung im regionalen Rahmen vorwegzunehmen schien. Auf die Suche nach einer entwicklungspolitischen Identität hatte sich die Europäische Gemeinschaft aber schon zu Beginn der 1960er Jahre gemacht. Auf Initiative Frankreichs waren 1958 die afrikanischen Kolonialgebiete Frankreichs, Belgiens und Italiens in den Gemeinsamen Markt einbezogen, mit der EWG assoziiert worden.1 Nachdem die assoziierten Länder zwischen 1960 und 1962 die Unabhängigkeit erlangt hatten, wurde die Assoziierung nach einem langwierigen multilateralen Verhandlungsprozess 1963 mit dem ersten Abkommen von Yaoundé, das 1969 mit einem zweiten fortgesetzt wurde, auf eine neue Grundlage gestellt. 17 afrikanische Staaten und Madagaskar (AASM) traten formal auf
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Die Assoziierung der afrikanischen, überseeischen Länder und Gebiete stellt die erste Äußerung der EWG-Assoziierungspolitik dar. Sie differenzierte sich in Beitritts- und Entwicklungsassoziierung aus. Tatsächlich oszillierte die Politik gegenüber dem subsaharischen Afrika zwischen den beiden Assoziierungsmöglichkeiten nach Art. 136 und Art. 238. Das erste Abkommen von Yaoundé, mit dem die Assoziierung nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder 1963 fortgesetzt wurde, vermied daher eine explizite Festlegung auf einen der beiden Vertragsartikel. Im Völkerrecht fehlt eine scharf umrissene Definition des Begriffs „Assoziierung“. Allgemein wird darunter die größtmögliche Anbindung an eine Vertragsgemeinschaft verstanden, die jedoch die volle Integration ausschließt. Es besteht kein Anspruch auf eine Mitgliedschaft, allerdings werden in der Regel privilegierte Beziehungen mit einem Drittstaat hergestellt. Das Assoziierungsabkommen stellt neben den Handels-, den Kooperationsabkommen und den Beitrittsverträgen ein weiteres Rechtsinstitut der EWG zum Abschluss internationaler Verträge dar. Die Beitrittsassoziierung (Vertragsgrundlage Art. 238 EWG-Vertrag) wird nur mit europäischen Staaten abgeschlossen, die beitrittswillig sind. Sie dient der Vorbereitung eines späteren Beitritts, der im Assoziierungsabkommen mehr oder weniger konkret als Ziel festgelegt wird. Bei der im Fokus dieser Arbeit stehenden Entwicklungsassoziierung, die erstmals verbindlich in den Artikeln 131-136 des EWG-Vertrages festgelegt wurde, stehen entwicklungspolitische Ziele im Vordergrund. Diese Assoziierung bedeutet für die Assoziierten eine „EWG-Mitgliedschaft minderen Rechts (u. a. keine Beteiligung am EWG-Willensbildungsprozeß 1958 auch nicht am Assoziationsvertrag selbst) bei gleichzeitiger Gewährung von Entwicklungshilfe, unter Ausschluß einer zukünftigen, vollen EWG-Mitgliedschaft.“ (BELLERS, Jürgen: Artikel „Europäische Entwicklungspolitik“, in: WOYKE, Wichard (Hg.): Europäische Gemeinschaft. Problemfelder – Institutionen – Politik, (=Pipers Wörterbuch zur Politik, Bd. 3, hg. von Dieter Nohlen), München 1984, S. 141-148 [Zit. S. 141]). Vgl. daneben: LEIPZIG, Wolf Heinrich von: Artikel „Assoziierungspolitik“, in: WEIDENFELD, Werner/WESSELS, Wolfgang (Hg.): Europa von A – Z. Taschenwörterbuch der europäischen Integration. 2. Aufl., Bonn 1992, S. 72-74.
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der Grundlage völliger Gleichberechtigung in Beziehung zur EWG. Damit nahm eine europäisch-afrikanische Entwicklungskooperation Gestalt an. Obwohl die Assoziierung nicht zu den vorrangigen Politikfeldern zählte, als die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ihre Arbeit aufnahm, gewann sie schnell an Bedeutung. Dies verdankte sich einerseits der Umtriebigkeit der für die Assoziierung zuständigen Generaldirektion VIII der Kommission und des zuständigen Kommissars Robert Lemaignen.2 Andererseits entdeckte die Gemeinschaft zu Beginn der 1960er Jahre, die die Vereinten Nationen 1961 zur Entwicklungsdekade erklärten, die Entwicklungspolitik als Feld der europäischen Integration.3 Aus einer integrationspolitischen Perspektive heraus hatte die Assoziierung den Vorteil, die erste Äußerung einer entwicklungspolitischen Tätigkeit der Gemeinschaft zu sein, auf deren Basis eine gemeinschaftliche Entwicklungspolitik hätte entwickelt werden können. Die entwicklungspolitische Tätigkeit der EWG kannte verschiedene Konjunkturen. Die frühen 70er Jahre waren eine Zeit des europa- und entwicklungspolitischen Optimismus. Die Assoziierungspolitik trat in eine Phase des euphorischen Neubeginnens, die schließlich im Lomé-Abkommen mündete. Gleichzeitig wurde 1976 eine Kooperationspolitik auf finanziellem und technischem Gebiet mit den nicht-assoziierten Staaten Asiens und Lateinamerikas begonnen. Vor diesem Hintergrund konnte die Kommission an ihre früheren Initiativen zur Vergemeinschaftung der Entwicklungspolitik anknüpfen. Der EG-Gipfel von Paris im Oktober 1972, der im Vorfeld der ersten Erweiterung des Gemeinsamen Markts stattfand, und die Erklärung von Kopenhagen (1974) waren wichtige Etappen auf dem Weg zu einer gemeinsamen Entwicklungspolitik der EG, die sich schließlich zu Beginn der 80er Jahren herausbildete.4 Als eine Facette der Genese Europas reflektiert auch sie die langsame Überführung nationaler Interessen in ein gemeinschaftliches. Die Konstruktion Europas war nicht nur ein interner Prozess, der von den Mitgliedstaaten und der Kommission gestaltet wurde, sondern auch ein externer.5 Auch das internationale Umfeld, insbesondere aber die Interessen und Erwartungen der Entwicklungsländer, trugen zur Entwicklung einer gemeinschaftlichen Identität bei. Die EG definierte sich auch über ihre Beziehungen zu den Ländern der Dritten Welt. Die Assoziierung stand weiterhin in einem deutsch-französischen Kräftefeld. Schon ihr Zustandekommen verdankte sich wesentlich einem während der Verhandlungen 1956/57 zwischen Paris und Bonn gefundenen Kompromiss. Mit Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland werden zwei Akteure in den
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Vgl. DIMIER, Véronique: „Négocier avec les rois nègres: l’influence des administrateurs coloniaux français sur la politique européenne de développement“, in: BITSCH, Marie-Thérèse/ BOSSUAT, Gérard: L’Europe unie et l’Afrique. De l’idée d’Eurafrique à la convention de Lomé I. Actes du colloque international de Paris, 1er et 2 avril 2004. Brüssel 2005 (= Veröffentlichungen der Historiker-Verbindungsgruppe bei den Europäischen Gemeinschaften, Bd. 10), S. 393-409; DIES.: Administrative reform as a means for political regulation: historical lessons from DG 8, in: DIMITRAKOPOULUS, D.: The Changing European Commission. Manchester University Press 2004, S. 74-85; DIES.: The invention of the DG 8, in: SMITH, Andy: The European Commission as a Political Actor. Routledge 2004, S. 83-95. Vgl. zum Zusammenhang von Entwicklungshilfe und Europäisierung: DÜLFFER, Jost: Europa im Ost-West-Konflikt 1945-1990. München 2004, S. 70 f. (=Oldenburg Grundriss der Geschichte, Bd. 18) Vgl. LE NAËLOU, Anne: Politiques européennes de développement avec les pays du sud. Paris 1995. Vgl. ebd., S. 14.
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Blick genommen, die als Motor der europäischen Integration gelten,6 als entwicklungspolitische Partner aber auch unterschiedliche Interessen und differierende inhaltliche und geographische Ausrichtungen einbrachten. In der Forschung herrscht die These von der Selbstbeschränkung der bundesdeutschen Afrikapolitik vor. Engel kommt in seiner tonangebenden Studie zu dem Schluss, dass die Bundesrepublik aus Rücksichtnahme auf die Belange der Kolonialmächte und der USA bewusst auf die politische Gestaltung ihrer Beziehungen zu Afrika entlang eines systematischen afrikapolitischen Konzepts verzichtet habe.7 Gerade mit Blick auf die Assoziierungspolitik muss dies allerdings hinterfragt werden. Immerhin wurden die im deutsch-französischen Kräftefeld wirksamen, differierenden wirtschafts- und entwicklungspolitische Ordnungsvorstellungen beispielhaft offenbar, als die Bundesregierung 1961 mit einer eigenständigen Gesamtkonzeption in die Yaoundé-Verhandlungen ging. Frankreich und die BRD wurden somit zu den Exponenten unterschiedlicher Positionen innerhalb der EWG über die Gestaltung der Assoziierungs- und Entwicklungspolitik. Daher erscheint es ertragreich, die afrikapolitischen Interessen und Ambitionen der Bundesregierung im Rahmen der Assoziierung, aber auch außerhalb dieses Rahmens neu zu betrachten. In der Forschung wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine Kooperation in Afrika bereits Mitte der 50er Jahre Eingang in die deutsch-französischen Beziehungen fand und auch im Rahmen des Elysée-Vertrags von 1963 fortgesetzt wurde.8 Während Deutschland allerdings mit dem Ersten Weltkrieg seinen Kolonialbesitz in Afrika verloren hatte, durchlief das französische Empire im subsaharischen Afrika seit Mitte der 50er Jahre einen Transformationsprozess. Für Paris stellte sich also die Dekolonisationsfrage unmittelbarer als für Bonn. Die Assoziierung scheint in diesem Kontext, wie Turpin argumentiert, eine „bonne affaire“ gewesen zu sein.9 Einerseits wurden die europäischen Partner an den wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Lasten im französischen subsaharischen Afrika beteiligt, andererseits eröffnete die Assoziierung den sich transformierenden 6 7
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Vgl. PICHT, Robert/WESSELS, Wolfgang (Hg.): Deutsch-französischer Bilateralismus und europäische Integration. Bonn 1990. Vgl. ENGEL, Ulf: Die Afrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949-1999. Rollen und Identitäten. Hamburg 2000, bes. S. 44. Vgl. weiterhin: WILKENS, Andreas: L’Allemagne et l’Afrique, 1949-1963, in: BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard: L’Europe unie et l’Afrique, S. 287300. Vgl. LEFÉVRE, Silvie: „Associer l’Allemagne à l’Afrique au développement économique de l’Afrique: un leitmotiv français avant la décolonisation (1950-1956)“, in: REVUE D’ALLEMAGNE ET DES PAYS DE LANGUE ALLEMANDE 3131, n° 3-4 (1999), S. 463-480; WILKENS, Andreas: „Vom Rhein bis zum Kongo. Französisch deutsche Wirtschaftsprojekte und Politik in Afrika 1950-1959“, in: Ebd., S. 481496 ; EIKEL, Markus: „Das „Dilemma“ des „natürlichen Vermittlers“. Die bundesrepublikanische Außenpolitik und die französische Dekolonisation in Schwarzafrika (1958-1965)“, in: . ebd., S. 453462. Vgl. TURPIN, Frédéric: L’association Europe-Afrique: une «bonne affaire» pour la France dans ses relations avec l’Afrique (1957-1975) ?, in: Bitsch, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard : L’Europe unie et l’Afrique, S. 345-360. Vgl. zur den franko-afrikanischen Beziehungen; weiterhin: BIARNÈS, Pierre: Les Français en Afrique Noire de Richélieu à Mitterrand. 350 ans de présence français au sud du Sahara. Paris 1987; BRÜNE, Stefan: Französische Afrikapolitik; CHIPMAN, John: French Power in Black Africa. Oxford 1989; DOMERGUE-CLOAREC, Danielle: La France et l’Afrique après les indépendances.. Paris 1994 (= Regards sur l´ histoire. Histoire contemporaine. Sous la direction de Jacques Valette); MIGANI, Guia: La France et l’Afrique subsaharienne, 1957-1963. Histoire d’une décolonisation entre idéaux eurafricains et politique de puissance. Brüssel u. a. 2008.
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franko-afrikanischen Beziehungen eine zusätzliche Perspektive. Gleichwohl wurde Paris sehr früh bewusst, dass die EWG auch zu einem Störfaktor für die eigene Afrikapolitik werden konnte. Der Assoziierung war ein Produkt der spätkolonialen Zeit und der Krise des französischen Kolonialreichs. Ihr wohnte von vornherein eine Dekolonisationsstrategie inne. Die EWG versuchte in diesem Rahmen, den Dekolonisierungsprozess, den das frankophone, subsaharische Afrika durchlief, mitzugestalten, um europäische Macht und Einfluss in Afrika auch im kommenden postkolonialen Zeitalter zu sichern. Mit Frey werden Dekolonisierungsprozesse hier als mehrdimensionale Transformationsprozesse, als Prozesse der Auflösung und der Entwicklung neuer Institutionen, Strukturen und Ideen verstanden, die von Akteuren gestaltet werden.10 Sie werden somit Gegenstand von Transformationspolitiken. Auch Frankreich suchte die Wandlungen in seinem afrikanischen Kolonialreich zu steuern11 und tat den Schritt12 vom formal zum informal empire13. Frankreichs postkoloniale Afrikapolitik stellte geradezu einen „Sonderfall der in-
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Vgl. FREY, Marc: Dekolonisierung in Südostasien. Die Vereinigten Staaten und die Auflösung der europäischen Kolonialreiche. München 2006, S. 4 f. (= Studien zur Internationalen Geschichte Bd. 17); vgl. weiterhin DARWIN, John: Britain and Decolonization. The retreat from empire in the postwar world. Basingstoke/London 1988, S. 3-33. Vgl. zur französischen Dekolonisierung: ALBERTINI, Rudolf von: Dekolonisation. Die Diskussion über Verwaltung und Zukunft der Kolonien 1919-1960. Köln 1966 (= Beiträge zur Kolonialund Überseegeschichte. Bd. 1); AGÉRON, Charles-Robert (Hg.): Les Chemins de la Décolonisation de l’Empire colonial Français. Paris 1986; DERS./ COQUERY-VIDROVITCH, Catherine: Histoire de la France coloniale. Bd. III: Le déclin. Paris 1991; DERS./MICHEL;Marc (Hg.): L’Afrique noire française: l’heure des indépendances. Paris 1992; DERS.: La décolonisation française. Paris 1994; DERS.: L’ère des décolonisations: sélection de textes du colloque «Décolonisation Comparée», Aix-en-Provence 30 septembre – 3 octobre 1993. Paris 1995. Vgl. HAYWARD, Jack: The one and Indivisble French Republic. London 1973, S. 248-253. Siehe auch KEIGER, John F. K.: „The French Empire rather mutated than disappeared. After decolonization there was a continuation by other means.”(DERS.: France and the world since 1870. London 2001; S. 211) Folgende Merkmale werden hier als konstitutiv für Informal Empire angesehen. Zunächst rührt Informalität daher, dass keine Administrationen direkt in die Angelegenheiten fremder Länder eingriffen. Der schwächere Staat besteht als selbständiges Gemeinwesen mit eigenem politischem System. Dennoch ermöglichen Asymmetrien in den Beziehungen zwischen der Führungsmacht und dem schwächeren Staat, ersterer Einwirkungsmöglichkeiten auf letzteren, die über das normale Maß hinausgehen. Informal Empire setzt die Fähigkeit zur politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Durchdringung von Staaten und Gesellschaften durch andere Staaten voraus. Sie zielen auf die Etablierung eines Klientelverhältnisses. Die Führungsmacht kann sich vertraglich Privilegien zusichern lassen, die die Souveränität des schwächeren Staats einschränken, z.B. die Festlegung eines Freihandelsregimes oder das Recht zu Stationierung von Truppen auf den Hoheitsgewässern und an vereinbarten Landpunkten. Zudem ist sie durch Konsuln, Diplomaten oder Berater vertreten, die auf die Politik des schwächeren Staats einwirken. Anders als bei Formal Empire, wo Kolonialherrschaft über ein und dasselbe Territorium exklusiv ist, kann es bei Informal Empire mehrere Zentren geben. Informal Empires beruhen auf kooperativen Strukturen. Sie setzen die Bereitschaft von Staaten, Gesellschaften oder herrschenden Eliten voraus, sich teilweise oder ganz in ein Klientelverhältnis zu begeben. Siehe hierzu: MOMMSEN, Wolfgang J., Einleitung, in: DERS. (Hg.): Das Ende der Kolonialreiche. Dekolonisation und die Politik der Großmächte. Frankfurt a. M. 1990, S. 7-24; OSTERHAMMEL, Jürgen: Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen. München 2001, S. 25 f.; FREY, Marc: Dekolonisierung in Südostasien, S. 11 ff.
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ternationalen und Nord-Süd-Beziehungen“14 dar. Keiner anderen früheren Kolonialmacht gelang es, ihren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss so durchdringend und kontinuierlich zu wahren wie Frankreich in West- und Zentralafrika.15 Das Wesen französischer Macht und französischen Einflusses im postkolonialen Afrika ist auch unter dem Konzept der „Hegemonie“ gefasst worden.16 Die beiden Begriffe, „Hegemonie“ und „Empire“, eindeutig voneinander abzugrenzen, erscheint schwierig.17 Dennoch wird in dieser Arbeit dem Empire-Konzept im Wesentlichen aus zwei Gründen der Vorzug gegeben. Einerseits spricht seine relative Offenheit, sein Projektcharakter,18 gerade auch mit Blick auf die EWGAssoziierungspolitik in Afrika für seine Verwendung. Die EWG-Kommission versuchte der Gemeinschaft in den frühen 60er Jahren weitreichende Perspektiven in Afrika zu eröffnen.19 Sie leistete nicht nur wesentliche konzeptionelle Beiträge, sondern entwickelte bei der Implementierung der Assoziierung früh eigene Akteursqualitäten im Bereich der Afrika- und Entwicklungspolitik. Das Empire-Konzept erlaubt an diesem Punkt, die Vorstellungen und Absichten in der Kommission in den Blick zu nehmen, ein europäisches Informal Empire in Afrika zu errichten. Die gängige Vorstellung von Hegemonie beinhaltet andererseits ein Moment der Abgrenzung; die Errichtung oder Aufrechterhaltung der Hegemonie geht demnach mit wirtschaftlicher, kultureller und politischer Abschirmung der definierten Einflusszone einher. Zwar tendierte Frankreich zu einer solchen Abschirmung seines précarré francophone auch gegenüber seinen europäischen Partnern. Die Assoziierung vollzog sich nichtsdestoweniger grundsätzlich in einem kooperativen Rahmen und fügt sich damit eher in das Empire-Konzept. Ein wesentliches Instrument der französischen und europäischen Transformationspolitik im frankophonen, subsaharischen Afrika war die Entwicklungs14 15
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BRÜNE, Stefan: Die französische Afrikapolitik. Hegemonialinteressen und Entwicklungsanspruch. Baden-Baden 1995, S. 16. Vgl. ebd., S. 16; KEIGER, John F. K.: France and the world since 1870. London 2001, S. 211-214; ZARTMAN, William I.: “Europe and Africa. Decolonization or Dependency?”, in: FOREIGN AFFAIRS 54 (1975/76), S. 325-343, hier 333-338; HAYWARD, Jack: The one and Indivisble French Republic,, S. 248-253. Vgl. z. B. BRÜNE, Stefan: Französische Afrikapolitik. In Anlehnung an Heinrich Triepel und Werner Link ist Hegemonie zu definieren als „Vorherrschaft oder Führung eines Staates über einen oder mehrere andere Staaten, ohne deren formelle Souveränität in Frage zu stellen“. Vgl. LINK, Werner: Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. München 1998, 127; TRIEPEL, Heinrich: Die Hegemonie: Ein Buch von führenden Staaten. [1938] 2. Neudruck Aalen 1974. Vgl. z. B. Michael W. Doyles Definition von Empire, die ebenso gut eine Definition von Hegemonie sein könnte, wenn er erklärt, „Empire“ sei „one state’s effective control over another’s foreign and domestic policies.“ (DOYLE, Michael W: Empires. Ithaca 1986, S. 44). Doyle ist Vertreter einer historisch-makrosoziologischen Richtung, die nach den strukturellen Eigenarten von „Empire“ fragt. Einen Überblick über den Forschungsstand zum Thema „Imperium“ gibt Osterhammel. Vgl. OSTERHAMMEL, Jürgen: Imperien im 20. Jahrhundert: Eine Einführung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006), H. 1. Vgl. hierzu: FREY, Marc: Dekolonisierung in Südostasien, S. 12. Ihr Vorhaben stieß gleichwohl auch auf institutionelle Grenzen, deren Fortbestand vom Fortgang des Integrationsprozesses abhing, zu dessen zentralen Fragen zählte, ob die EWG zu einem politischen Akteur im internationalen System werde. Vgl. CALANDRI, Elena: La CEE et les relations extérieures 1958-1960, in: VARSORI, Antonio (Hg.): Inside the European Community. Actors and Policies in the European Integration 1957-1972. Baden-Baden 2006, S. 399-433.
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zusammenarbeit, deren Gestalt auch die Assoziierung annahm. Sie eröffnete die Perspektive, die formellen Bindungen der Kolonialzeit durch informelle zu ersetzen, indem sie Ressourcen für die Entwicklung Afrikas im Austausch für die europäische Präsenz zur Verfügung stellte. Schon die Kolonialzeit kannte Entwicklungsinitiativen, die zu einem Teil kolonialer Zivilisierungsmissionen wurden.20 Ausgehend von der Annahme der Überlegenheit der euro-amerikanischen „Zivilisation“ sollte das Niveau außereuropäischer „Zivilisationen“ bzw. „Nicht-Zivilisationen“ angehoben werden.21 Die Idee der Zivilisierungsmission war eine Variante der Fortschrittsidee, die davon ausging, dass Fortschritt die ganze Menschheit, jedoch unterschiedlich erfasst.22 Residuen dieser Idee finden sich auch noch in der postkolonialen Entwicklungszusammenarbeit.23 Vor diesem Hintergrund hat die sozialwissenschaftliche Forschung schon früh versucht, koloniale von postkolonialer Entwicklungspolitik abzugrenzen. Körner etwa, der 1965 am Beispiel Französisch-Westafrikas Kolonialpolitik und Wirtschaftsentwicklung untersuchte, ging davon aus, dass kolonialer und postkolonialer Entwicklungsbegriff ihrem Sinngehalt nach inkompatibel seien.24 Zwar hat Kolonialpolitik die Entwicklung der Kolonien im sozioökonomischen Bereich quasi als Nebeneffekt befördert; diese Entwicklung fand jedoch unter den Rahmenbedingungen des Kolonialismus statt, einer Herrschaftsbeziehungen zwischen Kollektiven, bei der, wie Osterhammel definiert, „die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden.“25 Entwicklung werde – so Körner in diesem Zusammenhang – also nur insoweit gefördert, als dadurch dieses Herrschaftsgefälle nicht grundlegend in Frage gestellt werde. Darüber hinaus gründe der koloniale Entwicklungsbegriff auf einer paternalistischen Haltung,26 die den Kolonisierten die Fähigkeit zu einer selbstständigen und selbstbestimmten Entwicklung aberkennt. Koloniale Entwicklungspolitik sei folglich von der Metropole extern determiniert, autochthone Interessen und Meinungen kämen in ihr stets nur eingeschränkt zur Geltung.27 Dem Ende der Kolonialherrschaft wird auch in der neue20 21
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Vgl. hierzu: BARTH, Boris/OSTERHAMMEL, Jürgen (Hg.): Zivilisierungsmissionen. Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert. Konstanz 2005. „Zivilisation” ist ein wertend aufgeladener Begriff. Die den eigenen sozio-kulturellen Kontext prägende Hierarchie kultureller Normen und Werte wird favorisiert und normativ und/oder pragmatisch mit „der Zivilisation“ identifiziert. Dieses exklusive Zivilisationskonzept ermöglicht bei anderen Völkern, in anderen Ländern und Zivilisationen Zivilisationsmängel zu konstatieren, die als behebbar und behebenswert eingeschätzt werden. Vgl. SCHRÖDER, Wolfgang M.: „Mission impossible?“ Begriff, Modelle und Begründungen der „Zivilisierungsmissionen“ aus philosophischer Sicht, in: Ebd.; S. 13-32, bes. S. 27 f. Vgl. OSTERHAMMEL, Jürgen: „The Great Work of Uplifting Mankind“. Zivilisierungsmissionen und Moderne, in: Ebd., S. 363-426, bes. S. 363-366. Vgl. ebd.; COOPER, Frederick/PACKARD, Randal M. (Hg.): International Development and the Social Sciences: Essays on the History and Politics of Knowledge. Berkeley 1997; KÖßLER, Reinhard: Entwicklung. Münster 1998; SCHULZ, Manfred (Hg.): Entwicklung. Die Perspektive der Entwicklungssoziologie. Opladen 1997. Vgl. KÖRNER, Heiko: Kolonialpolitik und Wirtschaftsentwicklung. Das Beispiel FranzösischWestafrikas. Hamburg 1965, S. 3 ff., 231-236. OSTERHAMMEL, Jürgen: Kolonialismus, S. 21. Vgl. KÖRNER, Heiko: Kolonialpolitik, S. 3. Vgl. ebd., S. 4, 95.
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ren Literatur eine wesentliche Bedeutung beigemessen. Fortan gründeten die internationalen Beziehungen nicht mehr auf der Dichotomie kolonisierend/kolonisiert, sondern entwickelt/unterentwickelt, wie Rist erläutert: „Until then, North-South relations had been organized largely in accordance with the colonizer/colonized opposition. The new ‘developed’/‘underdeveloped’ dichotomy proposed a different relationship, in keeping with the Universal Declaration of Human Rights and the progressive globalization of the system of States. In place of the hierarchical subordination of colony to metropolis, every State was equal de jure, even if it was not (yet) de facto.”28 Die Beziehungen wurden nunmehr im Zeichen der „Interdependenz“ interpretiert. Dieser Begriff, der synonym für wirtschaftliche Verflechtung gebraucht wird und zu dessen politischen Konnotationen Partnerschaft, Kompromissbereitschaft, Konfliktvermeidung zählen, wurde zum Postulat, mit dem der Anspruch auf Gleichberechtigung und Überwindung der ökonomischen Abhängigkeit geltend gemacht werden sollte. Entwicklungszusammenarbeit bedeutete nicht nur einen Transfer von Ressourcen und Werten, sondern erhob den Anspruch, ein gemeinschaftliches Unternehmen zu sein, dessen Leitbilder aus einem dynamischen Entwicklungsprozess entstanden, den die so genannten Entwicklungsländer aktiv mitgestalteten.29 Auch das Entwicklungsparadigma rechtfertigte Interventionen, aber innerhalb eines positiv konnotierten, internationalen Unternehmens zum Vorteil der „unterentwickelten“ wie „entwickelten“ Staaten. Darauf, dass die Grenzen nicht so klar verliefen, wie Rist mit der Gegenüberstellung der Begriffspaare „kolonisierend/kolonisiert“ „entwickelt/unterentwickelt“ suggeriert,30 hat allerdings schon Körner hingewiesen.31 Die französische Kolonialpolitik wuchs nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg in eine relativ moderne Form hinein. Ihre Determinierung durch die Metropole nahm ab; die Kolonisierten gewannen zunehmend Einfluss und gestalteten ihre Angelegenheiten mit.32 In der postkolonialen Zeit trat also an die Stelle einer kolonialen Modernisierungspolitik eine Entwicklungspolitik mit defensiverem Impetus, die sich gleichwohl auch noch in kolonialen Strukturen bewegte.33
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RIST, Gilbert: The History of Development. From Western Origins to Global Faith. 2. Auflage. London/New York 2002, S. 73. Vgl. RIST, Gilbert: History of Development, S. 76; KÖRNER, Heiko: Kolonialpolitik, S. 3 f. Auch Rist verweist auf die Kontinuitätslinien zur Kolonialzeit. Vgl. RIST, Gilbert: History of Development, S. 47-68. Vgl. KÖRNER, Heiko: Kolonialpolitik, S. 235. Die neuere Forschung hat unter Rückgriff auf das foucaultsche machttheoretische Konzept der „Gouvernementalität“ die französischen, kolonialen Leitbilder der Assimilation und Assoziation neu betrachtet und darauf aufmerksam gemacht, dass schon Ende der 30er Jahre eine Avantgarde in der französischen Ecole nationale, aber auch im Kolonialministerium, indirektere Regierungstechniken entwickelt hat, die unter Anerkennung des Wertes der Kultur afrikanischer Gesellschaften auf einen Dialog und einen Interessensausgleich mit den Kolonisierten setzten. Vgl. DIMIER, Véronique: Le gouvernement des colonies, regards croisés francobritanniques. Bruxelles 2004, S. 75-108. Vgl. zur postkolonialen Entwicklungspolitik auch: ECKERT, Andreas/WIRZ, Albert: Wir nicht, die anderen auch. Deutschland und der Kolonialismus, in: CONRAD, Sebastian/RANDERIA, Shalina (Hg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in Geschichte und Kulturwissenschaften. 2002, S. 385
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Entwicklungspolitik34 fußt auf theoretischen Prämissen und Einsichten in die Entwicklungsproblematik, die von individuellen und kollektiven Wertvorstellungen in Raum und Zeit abhängen. In den 50er und 60er Jahren dominierten modernisierungstheoretische Ansätze das Entwicklungsparadigma. Die Modernisierungstheorie, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Vereinigten Staaten aufkam, umfasste drei Teilbereiche: die in die 40er Jahre zurückreichende, keynesianisch beeinflusste Entwicklungsökonomie, die Theorien der Nationalstaatsbildung und Demokratisierung sowie die auf der funktionalistischen Theorie Talcott Parsons aufbauende Modernisierungstheorie im engeren Sinn, die sich mit Fragen des sozialen und mentalen Wandels in traditionellen Gesellschaften befasst.35 Entwicklung war für Modernisierungstheoretiker, die ihre Annahmen aus generalisierten Beobachtungen der Transformationsprozesse in den europäischen und amerikanischen Industriegesellschaften herleiteten, ein welthistorisch zwangsläufiger und linear verlaufender Prozess, der alle Gesellschaften, wenn auch differentiell erfasste, in Richtung auf einen finalen Zustand, dem der modernen Konsumgesellschaft euro-amerikanischer Prägung. Dabei gingen sie davon aus, dass der Fortschritt der Entwicklungsländer durch Kontakt mit den Industrieländern dramatisch beschleunigt werden könne. Auf ihrem Höhepunkt Mitte der 60er Jahre wurde die Modernisierungstheorie, die wesentlich ein Produkt des politischen und intellektuellen Kontextes des Kalten Kriegs war, von den sich ausbreitenden Dependencia-Theorien herausgefordert, deren Grundlagen in Lateinamerika, aber auch in nordamerikanischen, neomarxistischen Kreisen entwickelt wurden.36 Modernisierungstheoretiker führten Unterentwicklung primär auf innergesellschaftliche und kulturelle Faktoren zurück; die Anhänger der Dependencia richteten hingegen ihren Blick auf die exogene Verursachung von Unterentwicklung, auf die Strukturen des weltwirtschaftlichen Systems und deren Rückwirkungen auf die Entwicklungsländer. Während die Dependenztheorien in intellektuellen Kreisen Europas und der Dritten Welt großen Zuspruch fanden, schlugen sich ihre Einsichten jedoch kaum in konkrete Politik nieder. Tansania unter Julius Nyerere implementierte Ende der 60er Jahre das Konzept der Self-reliance, das dem Land eine eigenständige, selbstbestimmte Entwicklung jenseits westlicher und östlicher Modernisierungspfade ermöglichen sollte.37
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Zu den Begriffen „Entwicklungspolitik“ und „Entwicklungshilfe“, die oftmals synonym gebraucht werden, vgl. die entsprechenden Artikel in: NOHLEN, Dieter (Hg.): Lexikon der Dritten Welt. Länder – Organisationen – Theorien – Begriffe – Personen. Hamburg 2000. Entwicklungspolitik ist der umfassendere Begriff, der alle Mittel, Maßnahmen und Strategien meint, die von Industrie- und Entwicklungsländern zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen „Entwicklung“ ergriffen werden. Unter Entwicklungshilfe, die bilateral oder multilateral vergeben wird, werden hingegen alle entwicklungsbezogenen Leistungen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure für die Entwicklungsländer zusammengefasst. Vgl. MENZEL, Ulrich: Geschichte der Entwicklungstheorie. Einführung und systematische Bibliographie. 2. Aufl., Hamburg 1994, S. 8-51, hier: 8-24 (= Schriften des Deutschen ÜberseeInstituts Hamburg, Nr. 18); BOECKH, Andreas: Entwicklungstheorien: Eine Rückschau, in: NOHLEN, Dieter/NUSCHELER, Franz (Hg.): Handbuch der Dritten Welt. Bd. 1: Grundprobleme, Theorien, Strategien. Bonn 1992, S. 110-131; LEYS, Colin: The Rise and Fall of Development Theory. London u. a. 1996, S. 3-44, hier: 3-12; SO, Alvin Y.: Social Change and Development. Modernization, Dependency, and World System Theories. Newbury Park u.a. 1990, S. 17-60, hier: 17-37. Vgl. ebd.; RIST, Gilbert: History of Development, S. 109-122. Vgl. hierzu z. B.: Ebd., S. 123-139.
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Entwicklung war im Verständnis der frühen Entwicklungsökonomie der 40er/50er Jahre gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Wachstum.38 Dieser reduzierte Begriff von Entwicklung differenzierte sich im Laufe der Jahre aus. Schon während der ersten Entwicklungsdekade, die 1961 von den Vereinten Nationen proklamiert wurde, trat der Aspekt des sozialen Wandels als selbständige Kategorie hinzu. Gegen Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre verbreitete sich darüber hinaus zunehmend Skepsis, dass Wachstum automatisch zu Entwicklung führe. Damit wurde auch das bisher geltende Leitbild der aufholenden Entwicklung in Frage gestellt.39 Der Pearson-Bericht40 von 1969 beklagte erstmals eine Krise des Entwicklungsparadigmas. Der Bericht des Club of Rome41 über die Grenzen des Wachstums stellte 1973 auch aus ökologischer Sicht die bisherigen Wachstumsstrategien in Frage. Im selben Jahr wies der Präsident der Weltbank, Robert McNamara, vor Finanzministern und Notenbankpräsidenten in Nairobi darauf hin, dass sich die soziale Lage in weiten Teilen der Dritten Welt42 trotz 38
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Vgl. zur Begriffsgeschichte von „Entwicklung“: Ebd., bes. S. 25-69; ESTEVA, Gustavo: Development, in: SACHS, Wolfgang (Hg.): The Development Dictionary. A Guide to Knowledge as Power. London/New York, 8. Auflage 2001, S. 26-37; NOHLEN, Dieter/NUSCHELER, Franz: Handbuch der Dritten Welt, Bd. 1, S. 31-75. Die allgemeine Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit wurde schon in den 1960er Jahren in Frage gestellt. An dieser Stelle seien nur zwei Kritiker angeführt, die die Entwicklungshilfe verwarfen ebenso wie die Möglichkeit, sie zu reformieren. Der englische Wirtschaftswissenschaftler Peter Thomas Bauer stellte schon Mitte der 60er Jahre den Kapitaltransfer in die Länder der Dritten Welt in Frage. (Vgl. Peter Thomas Bauer: Die Entwicklungshilfe – ein einziger Fehlschlag, in: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 16./17.11.1966.) Ulrich Menzel forderte 1992 eine weltweite Sozialpolitik anstelle von Entwicklungshilfe. (Vgl. MENZEL, Ulrich: Das Ende der Dritten Welt und das Scheitern der großen Theorie. Frankfurt 1992.) Zur Kritik postmoderner Theoretiker siehe weiter unten. Der Bericht war vom Präsidenten der Weltbank, die immer auch eine programmatische Vorreiterrolle für die Entwicklungspolitik des Westens hatte, in Auftrag gegeben worden. Eine internationale Expertenkommission, die „Kommission für internationale Entwicklung“, bilanzierte unter Leitung des ehemaligen kanadischen Ministerpräsidenten und Nobelpreisträgers Lester Pearson die Ergebnisse von 20 Jahren Entwicklungshilfe und folgerte aus ihnen Empfehlungen für die zweite UN-Entwicklungsdekade. Der Club of Rome ist eine 1968 gegründete private Vereinigung von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur aus rund 50 Ländern, die 1972 vor der ersten Weltumweltkonferenz erstmals mit dem oben erwähnten Bericht an die Öffentlichkeit trat. Eingeführt in den internationalen Sprachgebrauch wurde der Begriff „Dritte Welt“ endgültig von Frantz FANON, der in seinem Hauptwerk „Les damnés de la terre“ (1961) damit die kolonialisierte, „unterentwickelte“ Welt bezeichnete. Die Urheberschaft geht aber auf den französischen Demographen Alfred Sauvy zurück, der den Begriff 1952 in einem Artikel „Tiers monde, une planète“ (L’OBSERVATEUR, 14.8.52) in Analogie zum „Dritten Stand“ am Vorabend der Französischen Revolution prägte. Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs verband Sauvy mit der „Dritten Welt“ die Hoffnung auf revolutionäre Veränderung. Im Kontext dieses sich ausbreitenden Ost-West-Gegensatzes wurden sodann mit „Dritter Welt“ jene afro-asiatischen Länder bezeichnet, die nach der Bandung-Konferenz von 1955 einen „dritten Weg“ der Blockfreiheit zu beschreiten beanspruchten. In den 60er Jahren gewannen die wirtschaftlichen Konnotationen des Begriffs an Bedeutung. Mit der ersten UN-Konferenz für Welthandel und Entwicklung begann dieser Sammelbegriff 1964 jene heterogene Gruppe von Staaten zu umfassen, die zumeist in der südlichen Hemisphäre lagen und sich zur sog. Gruppe der 77 zusammenschlossen, um einen gemeinsamen, ihre divergierenden Interessen subsumierenden Forderungskatalog an die westlichen Industrieländer zu richten. Die immer deutlicher zutage tretenden unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzungen und -erfolge sowie die daraus resultierenden Interessendivergenzen stellten jedoch zunehmend die Solidargemeinschaft der Dritten Welt in Frage, so dass einige sogar vom Ende der Dritten Welt sprachen (Vgl. AB-
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Wachstumserfolge verschlechtere. Wachstum mit Umverteilung wurde vor diesem Hintergrund zum neuen Leitbild erhoben, das zur Basis einer grundbedürfnisorientierten Entwicklungsstrategie wurde. „Entwicklung“ war ein eurozentrisch geprägter Begriff. Die historischen Gegebenheiten, die als charakteristisch für Europa und Nordamerika angesehen wurden, wurden zum Modell, an dem die Geschichten und Formationen der außereuropäischen Gesellschaften gemessen und bewertet werden konnten.43 Euroamerikanische Standards definierten, was entwickelt und was unterentwickelt ist. Diese fanden ihre sprachlichen Repräsentation in scheinbar objektiven und allgemein gültigen technischen Begriffen, mittels derer außereuropäische Gesellschaften klassifiziert und lesbar gemacht wurden.44 Hinter diesem Universalität beanspruchenden Maßstab verschwand die Pluralität gesellschaftlicher Existenzformen. „Entwicklung“ und „Unterentwicklung“ sind – das hat die in den letzten Jahrzehnten geführte Auseinandersetzung mit dem Begriffspaar gezeigt – diskursive Konstruktionen der Wirklichkeit.45 Es ist also vor allem ein diskursiver Prozess,46 durch den Entwicklungsstrategien und -praktiken hervorgebracht und verbreitet werden. Diesem Prozess liegen nicht nur spezifische Wahrnehmungen der Gründe und Probleme von Unterentwicklung zugrunde, sondern vor allem auch bestimmte Muster der Definition und Identifikation von Unterentwicklung.47 Der der folgenden Untersuchung zugrunde liegende Ansatz,
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DALLA, I.S.: Heterogeneity and Differentiation. The End of the Third World, in: DEVELOPMENT DIALOGUE 2 [1978], S. 3-21). Obwohl auch der Bezugsrahmen des Kalten Kriegs nicht mehr existiert, erscheint es dennoch sinnvoll angesichts des nach wie vor schwelenden Nord-Süd-Konflikts und mangels Alternative am Gebrauch des Begriffs festzuhalten. Vgl. NOHELN, Dieter/NUSCHELER, Franz (Hg.): Handbuch der Dritten Welt. Bd. 1, S. 14-31. Vgl. RIST, Gilbert: History of Development, S. 23-46, bes. 44; CONRAD, Sebastian/RANDERIA, Shalina: Einleitung. Geteilte Geschichten – Europa in einer postkolonialen Welt, in: DIES. (Hg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frank-furt/New York 2002, S. 12. Vgl. ESCOBAR, Arturo: Planung, in: SACHS, Wolfgang (Hg.): Wie im Westen so auf Erden. Ein polemisches Handbuch zur Entwicklungspolitik. Hamburg 1993, S. 274-297; ALVARES, Claude: Wissenschaft, in: Ebd., S. 451-457. Vgl. weiterhin: RIST, Gilbert/SABELLI, Fabrizio: Das Märchen von der Entwicklung. Ein Mythos der westlichen Industriegesellschaften und seine Folgen für die „Dritte Welt“. Zürich 1989, S. 11; ESTEVA, Gustavo: Development, in: SACHS, Wolfgang (Hg.): Development Dictionnary, S. 6-25, bes. S. 11. Schon Foucault weist darauf hin, dass die Welt nicht eine lesbare Oberfläche darbiete, die einfach zu entziffern sei; vielmehr werde die Welt, würden die Dinge einer Ordnung unterworfen, in die sie mittels der Sprache, mittels eines Diskurses gezwungen würden. Vgl. FOUCAULT, Michel: L’Ordre du Discours. Paris 1971, S. 55. Begriffe, die europäischen Erfahrungen entnommen sind, sind nicht ohne weiteres auf andere Kulturen, auf die afrikanische Wirklichkeit übertragbar. Sie tragen vielmehr dazu bei, Europa zum Modell einer „universalen“ Entwicklung zu stilisieren. Vgl. CONARD, Sebastian/RANDERIA, Shalina: Einleitung. Geteilte Geschichten – Europa in einer postkolonialen Welt, S. 36. Ausgehend von den Diskursbegriffen Michel Foucaults und Pierre Bourdieus sollen unter Diskurs Aussageformationen verstanden, die zu einem bestimmten Thema systematisch organisiert sind und die Regeln, was zu einer bestimmten Zeit sagbar ist und was nicht. Es handelt sich um institutionalisierte bzw. institutionalisierbare Redeweisen. Vgl. LANDWEHR, Achim: Geschichte des Sagbaren. Einführung in die historische Diskursanalyse. Tübingen 2001; MASET, Michael: Diskurs, Macht und Geschichte. Frankfurt a. M. 2002, S. 27. DU BOIS, Marc: „The Governance of the Third World: A Foucauldian Perspective on Power Relations in Development”, in: ALTERNATIVES 16/1 (1991), S. 1–30, hier: S. 2.
EINLEITUNG
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Entwicklung als Diskurs, also einen flüssigen Austausch von Signifiants und Signifiés, zu verstehen,48 soll nicht leugnen, dass es ökonomische, politische und soziale Bedingungen auf der Welt gibt, die Existenz gefährden. Entsprechend wird auch nicht die radikale Kritik einiger postmoderner Theoretiker an der Entwicklungspolitik geteilt,49 wonach das das Modernisierungsparadigma eine Täuschung darstelle und der Peripherie vom Zentrum aufgedrängt worden sei.50 Entwicklungspolitik lag ein weltweites Engagement zugrunde und hat den Anspruch auf die Gestaltung einer gemeinsamen, besseren Zukunft etabliert. Entwicklung war ein Projekt, das von der Dritten Welt herausgefordert und ergriffen werden konnte.51 Ein diskurstheoretischer Zugang erscheint aus mehreren Gründen sinnvoll. Zum einen wird damit der Gefahr, in eine eurozentrische Perspektive zu verfallen, entgegengewirkt. Weiterhin kann es nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein, retrospektiv Antworten auf die Entwicklungsproblematik zu geben oder gar die Entwicklungserfolge der EWG-Assoziierungspolitik zu bewerten. Schließlich hat sich der Entwicklungsdiskurs als so wirkmächtig erwiesen, dass sich ein common sense herausbildete, dass das Phänomen der Unterentwicklung virulent ist. Auch die Länder der Dritten Welt nahmen sich selbst als unterentwickelt wahr. Der diskurstheoretische Ansatz weitet die Perspektive schließlich auch in einer anderen Hinsicht. Diskursen wohnen Machtdispositionen inne, deren Fundament das Wissen ist. Ausgehend von der Annahme, dass über den Diskurs Wissen-Macht-Beziehungen übertragen und hervorgebracht werden, begreifen postmoderne Theoretiker das Entwicklungsparadigma als „knowledge-power regime“, als Instrument für die Überwachung und Steuerung der Länder der Dritten Welt.52 Unter dem Deckmantel einer humanitären Mission und gekleidet in eine vermeintlich neutrale, technische Sprache ermöglichen Entwicklungsprojekte die politische, ökonomische und kulturelle Durchdringung von Entwicklungsländern. Damit war Entwicklungspolitik prädestiniert für die informellere Gestaltung der Beziehungen zur Dritten Welt in der postkolonialen Zeit. Auch die ungleiche Verteilung von Ressourcen wie Technologie, Produktion, Finanzen und Wohlstand in der Weltwirtschaft begründen Asymmetrien in den Nord-Süd-Beziehungen bzw. die Hegemonialposition des Nordens gegenüber 48
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Diskurs wird hier der Vorzug vor Ideologie gegeben, da mit letzterer die Konnotation der Dauerhaftigkeit von festen Ideen einhergeht. Ideologie ist also starrer, weniger flexibel als Diskurs. Vgl. zum Ideologieansatz: LATHAM, Michael: „Ideology, Social Science, and Destiny: Modernization and the Kennedy Era Alliance for Progress“, in: DIPLOMATIC HISTORY 22 (1998), 199229. Einen guten Überblick über den Forschungsstand zum Entwicklungsparadigma gibt: CULLATHER, Nick: “Development? It’s History”, in: DIPLOMATIC HISTORY 24/4 (2000), S. 641-653; Vgl. Insbesondere: SACHS, Wolfgang: Introduction, in: DERS.: Development Dictionnary, S. 1-5. Vgl. RIST, Gilbert/SABELLI, Fabrizio: Märchen, S. 17 f.; ESCOBAR, Arturo: Power and Visibility: Development and the Invention and Managment of the Third World, in: CULTURAL ANTHROPOLOGY 3 (Nov. 1988), S. 428-433. Vgl. CULLATHER, Nick: Development, S. 649 f.; vgl. weiterhin: COOPER, Frederick/PACKARD, Randal M. (Hg.): International Development and the Social Sciences: Essays on the History and Politics of Knowledge. Berkeley 1997. Dabei werde Macht auf eine sehr sublime Art und Weise ausgeübt, wie Lummis betont: „It means a particular way of organizing power in a society, and simultaneously concealing this power arrangement – more accurately, of concealing that it is a power arrangement.“ (LUMMIS, C. Douglas: Radical Democracy. Ithaca/London 1996, S. 46)
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dem Süden mit.53 Macht kann nicht nur als Ressource bestimmten Akteuren zugeordnet werden, sondern hat auch eine relationale Dimension: Macht existiert nicht an und für sich, sondern in sozialen Beziehungen.54 Insbesondere der sich auf Max Weber stützende soziologische Ansatz hat sich offen für Weiterentwicklungen erwiesen.55 So wurde nicht nur die Kontrollfunktion von Macht in den Blick genommen, sondern Macht auch als gesellschaftliches Steuerungsmittel und die Ausübung von Macht als kommunikativer Prozess verstanden. Betont wurde auch, dass Machtausübung keine einseitige Angelegenheit, sondern eine gegenseitig bedingte und begrenzte ist. Darüber hinausgehend sind mit einem Verständnis von Macht als gemeinsamem Handeln Prozesse der Machtausübung in den Blick geraten.56 Machtbeziehungen liegen also interaktive und dynamische Prozesse zugrunde. Insbesondere in kooperativen Beziehungen scheint es sinnvoll Macht als eine Kategorie von Einfluss zu verstehen.57 Vor diesem Hintergrund werden die vertikalen Beziehungen zwischen den Assoziierten und der EWG nicht als Nullsummenspiel gesehen, bei dem Macht und Einfluss exklusiv bei der Europäischen Gemeinschaft liegen, sondern als Ausdruck gegenseitigen, gleichwohl asymmetrischen Einflusses. Entscheidend sind die Handlungsspielräume, die sich die Entwicklungsländer in diesem Unternehmen eröffnen konnten. Die Assoziierten partizipierten nicht nur am Entwicklungsdiskurs der EWG, sondern gestalteten ihn mit. Ihre Verhandlungs- und Gestaltungsmacht lag im Bereich der Normen und Ziele, in dem sie einen Kanon mit der EWG teilten. Lumsdaine hat gegen die Annahme der realistischen Schule eines ausschließlich eigennützigen, Zweck und Mittel kalkulierenden, rationalen Akteurs darauf hingewiesen, dass Moralvorstellun-
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Vgl. zu diesem Aspekt zusammenfassend: MAILAFIA, Obadiah: Europe and economic reform in Africa. Structural adjustment and economic diplomacy. London/New York 1997, S. 6-9. Vgl. ALBRECHT, Ulrich/HUMMEL, Hartwig Macht, in: RITTBERGER, Volker (Hg.): Theorien der Internationalen Beziehungen. Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven. Opladen 1990, S. 90. Vgl. ebd., S. 95 ff. Weber definiert Macht als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ (WEBER, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. 4. Aufl., 1. Halbband. Tübingen 1956, S. 28). Keohane und Nye gelangen zu folgender Definition von Macht. „Power can be thought of as the ability of an actor to get others to do something, they otherwise would not do (and at an acceptable cost to the actor).“ (KEOHANE, Robert O./NYE, Joseph S.: Power and Interdependence. World Politics in Transition. Boston 1977, S. 11) Diesen Machtbegriff vertreten unter anderem Talcott Parsons, Niklaus Luhmann und Michel Foucault. Vgl. GÖHLER, Gerhard: Einleitung, in: DERS. (Hg.): Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht. Baden-Baden 1995, S. 7-24; MÜNKLER, Herfried: Die Visibilität der Macht und die Strategien der Machtvisualisierung“, S. 213-230. Zur Machtanalyse Foucaults vgl.: MASET, Michael: Diskurs, Macht und Geschichte. Foucaults Analysetechniken und die historische Forschung. Frankfurt 2002, S. 80-93. Vgl. RUSSETT, Bruce/STARR, Harvey: World Politics: The Menu of Choice. New York 1981, S. 127. Vgl. weiterhin MAILAFIA, Obadiah: Europe and economic reform, S. 9 ff. Oftmals werden die Begriffe „Macht“ und „Einfluss“ synonym verwendet, einige Forscher halten jedoch an der Unterscheidung fest, um mit dem Begriff „Einfluss“ das dynamische Element von Machtbeziehungen zu erfassen. Vgl. MORRISS, Peter: Power: A Philosophical Analysis. Manchester 1987, S. 9; KAUPI, Paul R./VIOTTI, Mark: International Relations Theory: Realism, Pluralism, Globalism. New York 1987, S. 44.
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gen, Werte und Prinzipien auch in den internationalen Beziehungen eine wesentliche Rolle spielen.58 „[G]enuine needs for prudence and wariness do not force states to be amoral calculators, despite Realist claims that systemic forces crowd out international public spirit and moral concern […] [F]oreign aid cannot be accounted for on the basis of the economic and political interests of the donor countries alone; the essential causes lay in the humanitarian and egalitarian principles of donor countries, and their implicit belief that only on the basis of a just international order in which all states had a chance to do well was peace and prosperity possible.”59 Ebenfalls in Folge der kulturalistischen Wende in den Geisteswissenschaften hat deutscherseits Lehmkuhl Normen, Werten und Ideen in Entscheidungsprozessen eigene Akteursqualitäten zugeschrieben und in Auseinandersetzung mit Theorien rationalen Handelns für ein kulturwissenschaftlich fundiertes Entscheidungsmodell plädiert.60 Die Interdependenz zwischen europäischer Integration und Dekolonisation ist bereits in das Blickfeld der historischen Forschung gerückt.61 Während unter den Autoren dabei weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die koloniale Frage ein entscheidendes Element für die Konstruktion Europas seit Mai 1956 darstellte, gelangen sie hinsichtlich der Bewertung des Gesamtzusammenhanges zu unterschiedlichen Ergebnissen. Für Bossuat und Girault repräsentieren die Römischen Verträge, neben dem Rahmengesetz von 1956, einen weiteren Meilenstein in der 58
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Vgl. LUMSDAINE, David H.: Moral Visions in International Politics. The Foreign Aid Regime, 1949-1989. Princeton 1993, S. 3-29. In der Tradition der liberalen Außenpolitikanalyse, die Außenpolitik weniger durch Zwänge der internationalen Umwelt geprägt sieht, sondern vielmehr als Ausdruck gesellschaftlich verankerter Interessen und Überzeugungen betrachtet, stehen auch: NOËL, Alain/THÉRIEN, Jean-Philippe: From domestic to international justice: the welfare state and foreign aid, in: INTERNATIONAL ORGANIZATION 49,3 (1995), S. 523-553; KARAGIANNIS, Nathalie: Die Gabe der Entwicklung, in: ADLOFF, Frank/MAU, Steffen (Hg.): Vom Geben und Nehmen. Zur Soziologie der Reziprozität. Frankfurt a. M. 2005, S. 277-296. LUMBSDAINE, David H.: Moral Visions, S. 4, 30. Vgl. LEHMKUHL, Ursula: Entscheidungsprozesse in der internationalen Geschichte. Möglichkeiten und Grenzen einer kulturwissenschaftlichen Fundierung außenpolitischer Entscheidungsmodelle, in: LOTH, Wilfried/OSTERHAMMEL, Jürgen (Hg.): Internationale Geschichte. Themen – Ergebnisse – Aussichten. (Studien zur internationalen Geschichte, Bd. 10). München 2000, S. 187-208. Vgl. BOSSUAT, Gérard: «La vraie nature de la politique européenne de la France (1950-1957).», in: TRAUSCH, Gilbert (Hg.): Die Europäische Integration, S. 191-231; DEDINGER, Béatrice: «L’Allemagne, l’association des pays et territoires d’outre-mer français et la politique communautaire de développement», in: MÜLLER, Klaus-Jürgen/CAHN, Jean-Paul (Hg.): L’Allemagne et la décolonisation française. Actes du colloque de l’Université de Paris XII, Créteil. 18 au 20 mars 1999. REVUE D’ALLEMAGNE ET DES PAYS DE LANGUE ALLEMANDE 31, n° 3-4 (1999), S. 497-508; GIRAULT, René: „La France entre l´Europe et l´Afrique“, in: SERRA, Enrico (Hg.): Il rilancio dell’Europa e i trattati di Roma. Brüssel u. a. 1989 (= Veröffentlichungen der HistorikerVerbindungsgruppe bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bd. 3), S. 351378; GUILLEN, Pierre: „L’avenir de l’Union française dans la négociation des traités de Rome“, in: RELATIONS INTERNATIONALES 57 (printemps 1989), S. 103-112; MOSER, Thomas: Europäische Integration, Dekolonisation, Eurafrika. Eine historische Analyse über die Entstehungsbedingungen der Eurafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft von der Weltwirtschaftskrise bis zum Jaunde-Vertrag, 1929-1963. Baden-Baden 2000; SCHREURS, Rik: „L’Eurafrique dans les négociations de Traité de Rome, 1956-1957“, in: POLITIQUE AFRICAINE 49 (mars 1993), S. 83-92. Vgl. weiterhin BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard (Hg.): L’Europe unie et l’Afrique..
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französischen Dekolonisations- und Afrikapolitik. Im Bewusstsein, dass die Kolonialzeit zu Ende gehe, habe die französische Regierung die Assoziierung der Kolonialgebiete an die EWG gefordert.62 Diese hätte nicht nur im französischen, sondern auch im gesamteuropäischen Interesse gelegen, da die europäischen Partner ihre Verantwortung für die künftige Entwicklung der Kolonialgebiete anerkannt hätten.63 Guillen und Schreurs kommen demgegenüber zu dem Schluss, dass die Assoziierung der französischen Kolonien vorrangig den französischen Interessen gedient habe, das Kolonialreich zu modernisieren und die internationale Position Frankreichs zu bewahren.64 Moser kommt zu dem Schluss, dass mit der EWG 1957 gleichzeitig auch eine Eurafrikanische Gemeinschaft gegründet worden sei, die in entscheidendem Maße zur endgültigen Auflösung des französischen Kolonialreichs in Schwarzafrika beigetragen habe und ein Stabilität erzeugender Faktor beim Übergang vom spät- zum postkolonialen Zeitalter gewesen sei.65 Der zehnte Band der Historiker-Verbindungsgruppe bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, der die Beziehungen zwischen Europa und Afrika von der Idee eines Eurafrika bis zum Abkommen von Lomé (1975) in den Blick nimmt, sieht dagegen in der Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete an die EWG weniger die Konkretion des alten Traums eines Eurafrika66 als vielmehr die Antwort auf Probleme, die sich in dem Moment stellten, als quasi gleichzeitig mit der Dekolonisation in Afrika auch der europäische Integrationsprozess an Dynamik gewann.67 Die Assoziierungspolitik der EWG gegenüber dem subsaharischen Afrika weckte unmittelbar das Interesse der politik-, wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Forschung.68 Diese hat verschiedene Erklärungen für sie gefunden. 62 63 64 65 66
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Vgl. BOSSUAT, Gérard: La vraie nature, S. 229. Vgl. GIRAULT, René: La France entre l´Europe et l’Afrique, S. 377. Vgl. SCHREURS, Rik: L’Eurafrique, S. 92. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika. Der Begriff Eurafrika steht summarisch für die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Konzeptionen einer Einheit von Afrika und Europa. Diese hatten ihre Ursprünge im Denken der europäischen Eliten während der Kolonialzeit und waren gekennzeichnet durch ihre einseitige, eurozentrische Ausrichtung. Allerdings konnte der Begriff nicht nur koloniale Bestrebungen umfassen, sondern auch antikolonialistische Tendenzen beinhalten. Diese Ambivalenz ermöglichte die Anpassung des Konzeptes an die veränderten Rahmenbedingungen des postkolonialen Zeitalters. Vgl. LINIGER- GOUMAZ, Max: L’Eurafrique – utopie et réalité? Les métamorphoses d´une idée. Yaoundé 1972; MOSER, Thomas: Eurafrika; THIEMEYER, Guido: Tagungsbericht: L’Europe unie et l’Afrique, in: [email protected], 22.4.2004; BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard (Hg.): L’Europe unie et l’Afrique. Vgl. weiterhin: GUILLEN, Pierre: L’avenir de l’Union française, S. 103-112; GIRAULT; René: La France entre l’Europe et l’Afrique, S. 351-378; DERS.: Les indépendances des pays d’Afrique noire dans les relations internationales, in: AGÉRON, Charles-Robert/MICHEL, Marc (Hrsg.): L’Afrique noire française: l’heure des indépendances. (Actes du colloque «La France et les indépendances des pays d’Afrique noire et de Madagascar» organisé par l’Institut d’histoire du temps présent. Aix-en-Provence: 2629 avril 1990). Paris 1992, S. 465-472; HEYWOOD, R.W.: West European Community and the Eurafrica concept in the 1950s, S. 199-211; SCHREURS, Rik: L’Eurafrique, S. 82-92. Vgl. BITSCH, Marie-Thérèse: Introduction, in: DIES./BOSSUAT, Gérard: L’Europe unie et l’Afrique, S. 5. Vgl. COUSTÉ, Pierre Bernard: L’association des Pays d’Outre-mer à la Communauté Economique Européenne. Paris 1959; INSTITUT D’ETUDES POLITIQUES (Hrsg.): L’attitude des pays d’Afrique francophone en face du Marché Commun. Bordeaux (Université de Bordeaux I) 1964; BECHER, Ernst: Das Assoziierungsverhältnis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Seine wirtschaftspolitische und -theoretische Bewertung im Hinblick auf die ehemals französischen Gebiete
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Im Wesentlichen dominieren hier fünf Ansätze: der neo-liberale Ansatz (Grilli, Moss),69 strukturalistische und Dependenzansätze (Frey-Wouters, Mytelka), 70 die klientilistische Analyse (Ravenhill), 71 Analysen des Bargaining und Decision-making (Zartman)72 und schließlich der neo-realistische Ansatz (Mailafia).73 Neuerdings wird die solidarmoralische Dimension der Assoziierungsbeziehungen hervorgehoben.74 Lange war der politik- und wirtschaftswissenschaftliche Forschungsstand zwischen den Positionen „Neokolonialismus“ und „progressiver Entwicklungszusammenarbeit“ zu verorten. Insbesondere in der angelsächsischen Politikwissenschaft wurde in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre eine Diskussion geführt, die zwei diametral entgegengesetzte Positionen hervorbrachte: Während die einen die Anerkennung gegenseitiger Abhängigkeit in den Nord-Süd-Beziehungen verwirklicht sahen75 und die Lomé-Verträge als wichtigen Schritt in Richtung Dekolonisierung betrachteten76, bezweifelten die anderen schon sehr früh den partnerschaftlichen Charakter der EG-AKP77-Beziehungen,
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südlich der Sahara. Diss.. München 1963; WOLFRAM, Dieter: Die Assoziierung überseeischer Gebiete an die EWG. Köln 1964; ZARTMAN, William I.: The Politics of Trade Negotiations Between Africa and the European Community. The Weak Confront the Strong. Princeton 1971; DELORME, Nicole: L’association des Etats africains et malgache à la CEE. Paris 1972; FERNANDES, Alvaro: Die Assoziierung der afrikanischen Staaten und Madagaskar (AASM) mit der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft (EWG) und das afrikanische Streben nach wirtschaftlicher Integration. Diss.. Freiburg 1974; LOCH, Theo M./ HASENPFLUG, Hajo: Die Assoziierungs- und Präferenzpolitik der EG. Ein Beitrag zur Entwicklungshilfe? Bonn 1974; BOURRINET, Jacques: La coopération économique eurafricaine, Paris 1976; COSGROVE-TWITCHETT, Carol: The EEC and the African Associates: a Study of the Origins and Early Evolution of Association. London 1976; DIES.: Europe and Africa: From Association to Partnership. Famborough 1978; DIES.: Framework for Development: EEC and the ACP. London 1981; BOUVIER, P.: L’Europe et la coopération de développement. Un bilan: La con-vention de Lomé. Brüssel 1980; FERDOWSKI, Mir. A. (Hrsg.): Die Verträge von Lomé zwischen Modell und Mythos. Zur Entwicklungspolitik der EG in der Dritten Welt. München 1983. (= Politik – Recht – Gesellschaft, Bd. 5) Vgl. GRILLI, Enzo R.: The European Community and the Developing Countries. Cambridge 1993; MOSS, Joanna: The Lomé Convention and their Implication for the United States. Boulder, Col.1982. Vgl. FREY-WOUTERS, Adele E.: The European Community and the Third World. The Lomé Convention and Its Impact. New York 1980d; MYTELKA, Lynn K.: “The Lomé Convention and a New International Division of Labour”. In: JOURNAL OF COMMON MARKET STUDIES 18 (1979), S. 135-158. Vgl. RAVENHILL, John: Collective Clientelism: The Lomé Convention and North-South Relations. London 1985. Vgl. ZARTMAN, William I.: The Politics of Trade Negociations. Vgl. MAILAFIA, Obadiah: Europe and economic reform in Africa. Structural adjustment and economic diplomacy. London 1997. Vgl. Folz, Rachel/ Musekamp. Simon, Schieder, Siegfried: Solidarität durch Inklusion und Exklusion: Frankreich, Deutschland, Schweden in der EU-AKP-Entwicklungszusammenarbeit. In: www.politik.uni-trier.de/mitarbeiter/schieder/pubs/schieder.pdf, 28.4.2008. (Beitrag für die Tagung „Solidarität und Gemeinschaft in den Internationalen Beziehungen“ in Trier, 25.-27.9.2007. Vgl. ALTING VON GESAU, A. M. (Hrsg.): The Lomé Convention and a New International Economic Order. Leyden 1977; GRUHN, Isebill V.: The Lomé-Convention: Inching Towards Independence, In: INTERNATIONAL ORGANISATION, Vol. 30, Nr. 2 (1976), S. 241-262; COSGROVETWITCHETT, Carol: From association to partnership; Dies.: Framework for Development; ZARTMAN, William I.: Europe and Africa: Decolonization or Dependency?, in: FOREIGN AFFAIRS; 54/2, (Jan.1976), S. 339-350. Vgl. ZARTMAN, William I.: Europe and Africa. AKP-Staatengruppe: Afrika/Karibik/Pazifik
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die in Wirklichkeit immer noch einseitige Abhängigkeit des Südens vom Norden (Dependenz) kennzeichne78 und in denen sich ein Neokolonialismus manifestiere.79 Doch selbst denjenigen, die im Lomé-System die Interdependenz in den NordSüd-Beziehungen anerkannt sahen, erschienen die Anfänge der EG-Entwicklungspolitik als „Fortsetzung der Kolonialpolitik mit anderen Mitteln“.80 So vertritt Zartman die These, dass es sich bei der auf der Grundlage der Römischen Verträge erfolgten Assoziierung der afrikanischen Kolonien an die EWG 1957 um die Erweiterung des nationalstaatlichen hin zu einem supranationalen Kolonialismus handle.81 Gleichwohl wurde hervorgehoben, dass die einseitig oktroyierten Assoziierungsbestimmungen der Römischen Verträge durch den multilateral ausgehandelten Yaoundé-Vertrag beseitigt worden seien. Mit Yaoundé seien die Grundlagen für eine gleichberechtigte Entwicklungspartnerschaft gelegt worden. Yaoundé erscheint in dieser Perspektive als Zwischenstufe der Entwicklung „from a closed, colonial system into an open, multilateral aid relationship“.82 Der französische Wirtschaftshistoriker Brayer betont in diesem Kontext, dass die Assoziierung die alten kolonialen Strukturen zerstört habe, weil sie die handelspolitische Emanzipation der Kolonisierten erst ermöglicht habe.83
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GALTUNG, Johan: The European Community: a Superpower in the Making?, in: AFRICAN REVIEW, 6/1 (1976), S. 33-42; GREEN, R. H.: The Lomé-Convention: Updated Dependence or Departure towards Collective Self-Reliance?, in: Ebd.; MYTELKA, Lynn K. : The Lomé-Convention and a New International Division of Labour; DOLAN, M. B.: The Lomé-Convention and Europe´s Relationship with the Third World: a Critical Analysis, in: Ebd., 1/3 (1978), S. 393 ff.; NABUDERE, D. W.: The Lomé-Convention and the Consolidation of Neo-Colonialism, in: THE AFRICAN REVIEW, 6/3 (1975), S. 339-374; SHAW, Timothy M.: EEC-ACP Interactions and Images as Redefinitions of EurAfrica, in: JOURNAL OF COMMON MARKET STUDIES. 18/2 (Dec. 1979), S. 135-158; DERS../ GRIEVE, M. J.: Review Article – Dependence or Development: International and Internal Inequalities in Africa, in: DEVELOPMENT AND CHANGE, 8/3 (July 1977), S. 377-408. MARTIN, Guy: The Political Economy of African European Relations from Yaoundé I to Lomé 19631980: A Case Study in Neo-Colonialism and Dependency. Diss. Indiana 1982; DERS.: Africa and the Ideology of Eurafrica: Neo-Colonialism or Pan-Africanism?, in: THE JOURNAL OF MODERN AFRICAN STUDIES, 10/2 (1982), S. 221-238; LISTER, Marjory: The European Community and the Developing World. The Role of the Lomé Convention. Aldershot/ Brookfield 1988. In dieser Arbeit wird der Begriff „Neokolonialismus“ nicht als analytischer Begriff gebraucht. Auch wenn anerkannt wird, dass in der postkolonialen Zeit Asymmetrien und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen der Ersten und der Dritten Welt bestehen, werden sie ausgehend von einer engen Definition von „Kolonialismus“, wie Osterhammel sie geleistet hat, nicht als Ausdruck eines kolonialen Herrschaftsverhältnisses betrachtet. Die nachkoloniale Welt kennt Formen nichtkolonialen „bestimmenden“ Einflusses, die mit dem Begriff „Kolonialismus“ oder „Neokolonialismus“ nicht mehr oder nicht adäquat zu erfassen sind. Vgl. OSTERHAMMEL, Jürgen: Kolonialismus. Geschichte-Formen-Folgen. München 1995; bes. S. 21, 124. Zur Neokolonialismus-Theorie vgl. auch: MOMMSEN, Wolfgang J.: Imperialismustheorien. 3. Aufl., Göttingen 1987, S. 104-109. Zur zeitgenössischen Neokolonialismus-Kritik an der Assoziierung siehe Teil D, Kap. 1.1. Die assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten und die Erneuerung der Assoziierung. GERTH-WELLMANN, Hella: Die “Lomé-Politik“ der Europäischen Gemeinschaft. Entstehungsbedingungen, Ergebnisse und Perspektiven. München 1984, S. 111. Vgl. ZARTMAN, William I.: Europe and Africa; COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, GERTH-WELLMANN, Hella: Lomé-Politik; BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration. Das Verhältnis der Europäischen Gemeinschaft zu Schwarzafrika. Diss. Berlin 1976. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. XIV. Vgl. BRAYER, Gérard: Europe – Tiers Monde: Lomé. Une nouvelle coopération douanière? Paris 1989.
EINLEITUNG
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Drei Akteure stehen im Fokus dieser Arbeit. Einmal die EWG-Kommission, sodann Frankreich und die BRD. Der Fokus auf diese drei Akteure schließt nicht aus, die Haltungen der übrigen EWG-Mitgliedstaaten und der assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten mit in den Blick zu nehmen.84 Der multiperspektivische Zugang dieser Arbeit ermöglicht, einen Vergleich zu etablieren, in dem Parallelen und Unterschiede im jeweiligen Blick auf die Assoziierungspolitik herausgearbeitet und analysiert werden können. Um die Entwicklungspolitik der EWG in Afrika zwischen 1958 und 1975 zu analysieren, erscheint es sinnvoll, mit den Verhandlungen 1956/57 zum Gemeinsamen Markt, während derer von Frankreich die Einbeziehung der Kolonialgebiete zum Verhandlungsgegenstand gemacht wurde, zu beginnen. Im Teil B wird daher der Frage nachgegangen, inwiefern in diesen Verhandlungen die Beziehungen zwischen Europa und Afrika unter neuen entwicklungspolitischen Prämissen gesehen wurden. Teil C ist dann der Assoziierungspolitik während ihrer ersten fünfjährigen Laufzeit von 1958 bis 1963 vorbehalten. Einen Schwerpunkt bilden die institutionellen und ideologischen Grundlagen der Assoziierung und ihre Implementierung (Kap. 7). Bevor sich die Arbeit dem zweigleisigen Instrumentarium der Assoziierung, Entwicklungshilfe und Handelspräferenzen, zuwendet (Kap. 8), wird der Entwicklungsdiskurs in der EWG reflektiert. In Kapitel 9 werden die afrikapolitischen Konzeptionen der EWG-Kommission und ihre Profilierung als neuer entwicklungspolitischer Akteur in Afrika dargestellt. Weiterhin interessieren die Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik zu Beginn der 60er Jahre. Der Teil schließt mit einer Analyse der Auswirkungen der Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten auf die Assoziierung (Kap. 10). Teil D befasst sich mit den Abkommen von Yaoundé, mit denen 1963 und 1969 die Assoziierung fortgesetzt wurde. Im Vorfeld des ersten Yaoundé-Abkommens werden die Bedeutung der Assoziierung für die Afrika- und Entwicklungspolitik der drei im Fokus dieser Arbeit stehenden Akteure analysiert und ihre Positionsbezüge zur Erneuerung der Assoziierungsregelung dargestellt (Kap. 11.1. bis 11.4.). Kapitel 11.3. ist zudem den assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten und ihren Haltungen zur Assoziierung vorbehalten. Diese Ausführungen bilden die Voraussetzung, um eine erweiterte, Interaktions- und Kommunikationsprozesse betonende Perspektive auf die Assoziierungsverhandlungen zwischen der EWG und den AASM zu entwickeln (Kap. 11.5./11.6.). In Kapitel 12 wird der Weg zum zweiten YaoundéAbkommen nachgezeichnet. Dabei finden sowohl die sich ändernden Kontexte, als auch die Assoziierungsverhandlungen der EWG mit einigen afrikanischen Commonwealth-Mitgliedern Berücksichtigung. Auch die Rückwirkungen des sich nach 1963 akzentuierenden deutsch-französischen Bilateralismus in der Afrika- und Entwicklungspolitik und seine Rückwirkungen auf die Assoziierung werden analysiert. Kapitel 13 befasst sich mit der Assoziierungspolitik von 1963 bis 1975. Den Schluss bildet ein Ausblick auf die neuen entwicklungspolitischen Initiativen zu Beginn der 1970 er Jahre und das erste Abkommen von Lomé (Kap. 14).
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Gleichwohl bleibt eine archivgestützte Analyse der Assoziierung aus afrikanischer Perspektive ein Forschungsdesiderat, das auch auf die schwierige Quellenlage in den afrikanischen Staaten zurückzuführen ist.
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EINLEITUNG
Die Recherchen zu dieser Arbeit führten in folgende Archive: Zunächst waren die Historischen Archiven der EG-Kommission in Brüssel und Florenz von Interesse. Hier wurden vor allem die Bestände BAC 19/1969 und BAC 25/1980 (C.E.E. Commission – Direction Générale VIII) konsultiert. Besondere Erwähnung verdient auch der in Florenz liegende Nachlass des Sekretärs der EWGKommission, Emile Noël (EN). In Frankreich interessierten im Centre des Archives Contemporaines in Fontainebleau die Bestände des Secrétariat général du Comité interministériel pour les questions de coopération économique européenne (Service du Premier Ministre), DOM-TOM: Affaires Economiques und Affaires Européennes sowie die nur zum Teil freigegebenen Dossiers der Chargés de mission géographique für die einzelnen afrikanischen Staaten. Im Centre des Archives d’Outre-Mer wurden vor allem die Akten der Direction des Affaires Politiques du Ministère de la France d’Outre-Mer sowie der Bestand FIDES – FAC – FED eingesehen. In Paris wurden im Archiv des französischen Außenministeriums hauptsächlich die Bestände der Direction des Affaires Economiques: Service de Coopération, der Direction des Affaires Economiques: Papiers Directeur Wormser, der Direction de l’Europe (darin die Unterserie zur BRD) sowie des Secrétariat Général gesichtet. Im Centre Historique des Archives Nationales bot sich zudem die Möglichkeit, ausgewählte Dokumente der Präsidentenarchive einzusehen. In den Fokus gerieten dabei der Fonds du Secrétariat Général aux Affaires africaines et malgaches und der so genannte Fonds „privé“ Foccart. In Deutschland wurden das Bundesarchiv in Koblenz sowie das Politische Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin besucht. Die Ergebnisse stützen sich insbesondere auf die Bestände B 20 (Europäische Politische Integration), B 34 (Länderreferat Afrika südlich der Sahara), B 58 (Entwicklungspolitik) und B 53 (Wirtschaftliche Organisationen) des Auswärtigen Amts. Im Bundesarchiv wurden die Akten des Bundeskanzleramts (B 136), des Bundesministeriums für Wirtschaft (B 102), des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (B 213) sowie des Nachlasses von Walter Hallstein (N 1266), dem ersten Präsidenten der EWGKommission, eingesehen. Neben den Archivalien waren natürlich auch die veröffentlichten Dokumente der EWG, wie die Gesamtberichte der Kommission über die Tätigkeit der Gemeinschaft oder die Berichte des Europäischen Parlaments, und Quelleneditionen wie die vom Auswärtigen Amt herausgegebene Auswärtige Politik der Bundesrepublik Deutschland, die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, die Documents Diplomatiques Français oder die Foreign Relations of the United States von Interesse. Vereinzelt wurden auch Memoiren von Politikern und hohen Beamten herangezogen. Eine zentrale Quelle für die Tätigkeit der ersten Kommission stellen die Memoiren Robert Lemaignens dar. Schließlich wurden auch Beiträge in Zeitschriften wie dem Europa-Archiv und Zeitungsartikel herangezogen, wie sie vor allem der Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung zur Verfügung gestellt hat.
B. DIE ASSOZIIERUNG DER ÜBERSEEGEBIETE IN AFRIKA AN DIE EWG IM RAHMEN DER RÖMISCHEN VERTRÄGE 1. Die Assoziierung der Überseegebiete an den Gemeinsamen Markt als Verhandlungsgegenstand im Vorfeld der Römischen Verträge Die von der Außenministerkonferenz der sechs EGKS-Staaten in Messina eingesetzte Expertenkommission unter Leitung des belgischen Außenministers PaulHenri Spaak erwähnte in ihrem am 21. April 1956 veröffentlichten Bericht, der die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes und einer Atomgemeinschaft vorschlug, die koloniale Frage nicht.1 Die Ausgrenzung dieser Problematik gründete offensichtlich auf dem Wunsch der Sechs, die vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen wirtschafts- und integrationspolitischen Vorstellungen schwierige Arbeit nicht durch die Thematisierung dieses Gegenstandes zusätzlich zu komplizieren.2 Am 29. und 30. Mai 1956 beschlossen die Außenminister der Sechs auf einer Konferenz in Venedig, den Spaak-Bericht als Grundlage für Regierungsverhandlungen zu nehmen. Der französische Außenminister Christian Pineau stimmte der Aufnahme von Vertragsverhandlungen zu, knüpfte diese Zustimmung aber an Bedingungen. So forderte er u. a., dass die Überseegebiete in den Gemeinsamen Markt eingeschlossen werden sollten.3 An den neuen französischen Delega1
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Vgl. zu den Römischen Verträgen vorausgehenden Verhandlungen z.B.: ASBEEK BRUSSE, Wendy: Tariffs, Trade and European Integration, 1947-1957. From Study Group to Common Market, New York 1997; GERBET, Pierre: La construction de l’Europe, 3. Aufl., Paris 1999; KÜSTERS, Hanns Jürgen: Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Baden-Baden 1982; LOTH, Wilfried: Der Weg nach Europa. Geschichte der europäischen Integration 1939-1957, Göttingen 1990; SERRA, Enrico (Hg.): Il rilancio dell’Europa e i trattati di Roma. (Veröffentlichungen der Historiker-Verbindungsgruppe bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bd. 3). Brüssel u. a. 1989; TRAUSCH, Gilbert (Hg.): Die Europäische Integration vom SchumanPlan bis zu den Verträgen von Rom. Brüssel u. a. 1989. (=Veröffentlichungen der HistorikerVerbindungsgruppe bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bd. 4). Vgl. auch die Antwort Spaaks auf den von Michel Debré, dem späteren Regierungschef de Gaulles, im EGKS-Parlament erhobenen Vorwurf, die Kolonien willkürlich aus dem SpaakBericht ausgeschlossen zu haben. Man habe wegen der Komplexität der Materie und aus Rücksicht auf die ‚Befindlichkeit‘ Frankreichs die koloniale Frage nicht vorgebracht. Vielmehr habe man vergeblich auf eine Initiative aus Paris gewartet. Weiterhin habe man, wie Spaak argumentiert, nicht in die Dekolonisationsprobleme Frankreichs hineingezogen werden wollen. Vgl. Spaak vs. Debré, 11.5.56, in: EGKS: Verhandlungen der Gemeinsamen Versammlung. Ausführliche Sitzungsberichte, vorläufige Ausgabe, 12.5.56, S. 463-475. Wie der der Expertenkommission angehörende französische Sachverständige Pierre Uri berichtet, hatte der französische Delegationsleiter Félix Gaillard ihn gebeten, die Probleme der Union Française nicht zur Sprache zu bringen. Vgl. URI, Pierre, in: SERRA, Enrico (Hg.): Il rilancio, S. 190. Dennoch wurde die koloniale Frage in der Expertenkommission zumindest kurz aufgegriffen, als der belgische Delegationsleiter Baron de Snoy et d´Oppuers, Generalsekretär des Wirtschaftsministeriums, während der konstituierenden Sitzung des Spaak-Komitees forderte, in den anstehenden Gesprächen auch die Probleme der ‘Überseegebiete’ zu berücksichtigen. Vgl. hierzu: Ambasse de France (Rivière), Brüssel, 20.7.55, in: Ministère Français des Affaires Étrangères (MAE), Direction des Affaires Economiques & Financières, Service de Coopération Economiques (dece) 631. Vgl. Projet de procès-verbal de la Conférence des Ministres des Affaires Etrangères des Etats membres de la CECA. Venise, les 29 et 30 mai 1956. Secrétariat, Luxembourg, 8.6.56, in: Historisches Archiv der Europäischen Gemeinschaften (HAEG) Florenz, Emile Noël (EN) 357.
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DIE ASSOZIIERUNG DER ÜBERSEEGEBIETE
tionsleiter Maurice Faure, Staatssekretär im Außenministerium, erging aber die Anweisung, diesen Verhandlungsgegenstand erst im Herbst zu unterbreiten.4 Der Staatssekretär unterbreitete den Delegationsleitern die Bedingungen Frankreichs für den Beitritt zum Gemeinsamen Markt am 20. September. Er forderte u. a. die Lösung der Probleme der überseeischen Gebiete, für die er detailliertere Vorschläge ankündigte.5 Nachdem die französische und die belgische Regierung in seit Mai stattfindenden bilateralen Gesprächen eine gemeinsame Position zu der kolonialen Frage erarbeitet hatten, präsentierten sie am 11. Oktober in einem gemeinsamen Memorandum ihre Vorschläge.6 Zunächst erklärte die französische Delegation, 7 dass Frankreich aus offensichtlichen politischen und ökonomischen Motiven nicht in den Gemeinsamen Markt eintreten könne, falls von diesem die Überseeterritorien ausgeschlossen bleiben sollten. Sie begründete die Forderung mit dem Hinweis auf technische Schwierigkeiten, die aus der Zugehörigkeit zu zwei Zollunionen resultierten, mit der Teilhabe der Pays et Territoires d’Outre-Mer (PTOM) an den Vorteilen des Gemeinsamen Marktes und schließlich mit der Aufrechterhaltung der ökonomischen Einheit der französischen Gemeinschaft.8 Aufgrund der wirtschaftlichen Strukturunterschiede zwischen den europäischen Mitgliedstaaten des Gemeinsamen Marktes einerseits und den Pays et Territoires d’Outre-Mer andererseits sowie angesichts der Tatsache, dass gewisse Gebiete einen internationalisierten Status beanspruchten, sollten die Überseegebiete nicht vollständig in den Gemeinsamen Markt integriert, sondern mit diesem assoziiert werden.9 Außerdem sollte dem Merkmal der ‚Unterentwicklung‘ Rechnung getragen werden. 10 Dem französisch-belgischen Assoziierungsprojekt lag somit ein entwicklungspolitisches Anliegen zugrunde. Der Begriff ‚unterentwickelt‘ wurde hierbei synonym für ökonomisch rückständige Regionen verwendet. Dementsprechend 4 5 6
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Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 308. Vgl. KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 303 f.. Vgl. Rapport franco-belge sur la participation des pays et territoires d’outre-mer au marché commun européen (établi le 11 octobre 1956), Conférence intergouvernementale pour le marché commun et l’EURATOM, Brüssel, 15.11.56, in: MAE, dece 719. Vgl. Déclaration de la délégation française relative à l’inclusion des territoires d’outre-mer dans le marché commun, Conférence intergouvernementale pour la Marché Commun et l’EURATOM, Comité des chefs de délégation, Réunion du 16 novembre 1956, in: Ebd. Vgl. ebd. Die zu assoziierenden Überseegebiete wurden in dem Memorandum nicht explizit genannt. Aus den Aufstellungen zu den öffentlichen Investitionen und dem Importvolumen ergab sich aber, dass die französische und die belgische Regierung hierunter die französischen Territoires und Départements d’Outre-Mer, Algerien, die Ex-Protektorate Tunesien und Marokko sowie den belgischen Kongo und Ruanda-Urundi verstanden. Der geographische Schwerpunkt der Assoziierung sollte also in Schwarzafrika liegen. Vgl. Rapport franco-belge. Erst auf der Sitzung der Delegationsleiter am 16./17. Februar 1957 erklärten die Franzosen, welche Gebiete assoziiert werden sollten. Neben den DOM sollten die TOM und Algerien dazu zählen, die Regierung der im März unabhängig gewordenen, aber wirtschaftlich nach wie vor stark auf das Hexagon ausgerichteten ehemaligen Protektorate Marokko und Tunesien sollten dazu aufgefordert werden, mit der Gemeinschaft Assoziierungsverträge abzuschließen. Auf dieser Sitzung verlangte nunmehr auch Italien die Assoziierung seines Treuhandgebietes Somalia und eine Gleichbehandlung Libyens mit Marokko und Tunesien. Die Niederländer beantragten ihrerseits die Assoziierung ihrer Kolonien Neu-Guinea, Niederländisch-Antillen und Surinam. Vgl. Moser: Eurafrika, S. 369. Déclaration de la délégation française
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hatte die Assoziierung die Entwicklung der Überseegebiete zum Ziel, „ en rapprochant leurs structures de celles des pays européens du marché commun“ 11. Bewirkt werden sollte die aufholende Entwicklung der zu assoziierenden Länder und Gebiete durch einen „ effort de mise en valeur différent en nature et volume de celui accompli dans chacune des Métropoles“. Diese Passage verweist auf die Ambivalenz der anvisierten Assoziierungspolitik: Einerseits wird eine Distanzierung von der Kolonialpolitik sichtbar, andererseits zeigt die Verwendung des aus der Kolonialzeit stammenden Begriffs Mise en valeur12 das Fortbestehen kolonialer Denkweisen. Somit oszillierte das französisch-belgische Assoziierungskonzept zwischen kolonialen und neuen Entwicklungspostulaten. Das Memorandum verknüpfte Handel und Entwicklungshilfe, was der stellvertretende Delegationsleiter Robert Marjolin wie folgt begründete: „ La nécessité d’une telle politique repose sur la liaison évidente qui existe entre investissement et commerce. L’effort d’investissements, et en particulier l’effort d’investissement public, crée le marché.“ 13 Deshalb sah das Memorandum einerseits die Entwicklung des Handelsaustauschs zwischen den Pays et Territoires d’Outre-Mer und dem Gemeinsamen Markt und andererseits einen Investitionsfonds für soziale und wirtschaftliche Investitionen in den zu assoziierenden Ländern und Gebieten vor. Dabei sollten die Investitionskosten unter den Sechs aufgeteilt werden. Handelspolitisch sollte die Assoziierung auf einer progressiven und nicht– diskriminatorischen Öffnung der Märkte sowohl der überseeischen Länder und Gebiete als auch der Mitgliedstaaten beruhen. Mit Hilfe einer Marktorganisation nach Vorbild des geplanten europäischen Agrarmarkts14 oder aufgrund langfristiger Liefer- und Abnahmeverträge sollte der Gemeinsame Markt zu einem präferentiellen Absatzmarkt für die Produktion der Überseegebiete werden. Die Assoziierungsbestimmungen sollten während einer zeitlich noch festzulegenden Übergangsphase etappenweise und nach dem Reziprozitätsprinzip realisiert 11 12
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Rapport franco-belge Der Begriff Mise en valeur, der v. a. von Albert Sarraut, von 1920-1924 Kolonialminister, mit seinem 1923 erschienenen Buch „La mise en valeur des colonies françaises“ (Paris 1923) bestimmt wurde, sollte eine neue Form der Kolonialpolitik bezeichnen. Sarraut entwarf in seinem Buch ein Programm zur systematischen Erschließung und Entwicklung der Kolonien, um künftig deren Potential ausschöpfen und der mutterländischen Wirtschaft dienstbar machen zu können. Im Unterschied zum traditionellen Pacte colonial sollte diese Erschließung der Kolonien sowohl dem Mutterland als auch der Kolonialbevölkerung Vorteile bringen. So sollte die Politik der Mise en valeur dem Zivilisatorischen große Bedeutung beimessen und bereit sein, für den Ausbau der Hygiene, des Bildungswesens etc. Mittel zur Verfügung zu stellen. Dabei sah Sarraut für die Finanzierung seines 15-Jahres-Programms staatliche Subventionen, Anleihen und privates Kapital vor. Obwohl die von Sarraut konzipierte Politik also entwicklungspolitische Elemente enthielt, lag ihr eine utilitaristische Argumentation zugrunde, die, wie Albertini anmerkt, „zwischen „Ausbeutung“ und moderner „Entwicklungspolitik“ steht. Eingeborenenpolitik war primär eine Funktion der Mise en valeur.“ (ALBERTINI, Rudolf von: Dekolonisation. Die Diskussion über Verwaltung und Zukunft der Kolonien 1919-1960. Köln 1966. S. 313 [=Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte. Bd. 1]). Auch diese reformierte Kolonialpolitik hatte die Bedürfnisse der Metropole zuerst im Blick. Vgl. KÖRNER, Heiko: Kolonialpolitik und Wirtschaftsentwicklung. Das Beispiel Französisch Westafrikas. Diss., Hamburg 1965, S. 56 ; zur Mise en valeur, S. 53-56. Déclaration de la délégation française Ebd.
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werden. Der Rhythmus der Umsetzung sollte in den dafür zuständigen Gemeinschaftsorganen verhandelt und festgelegt werden. Deshalb erschien es notwendig, eine Repräsentation der Pays et Territoires d’Outre-Mer entsprechend den Regeln des vorherrschenden öffentlichen Rechts vorzusehen. Das handelspolitische Motiv, das der Assoziierung zugrunde lag, war die Aussicht auf einen gemeinsamen Markt zwischen den Sechs und den überseeischen Ländern und Gebieten. Mittelfristig wurde zunächst ein gemeinsamer Markt in Afrika für die Länder und Gebiete, „dont les structures économiques sont suffisamment proches“ 15, angestrebt. Ausgehend von den jährlichen öffentlichen Ausgaben der französischen und der belgischen Metropole für die Entwicklung der Pays et Territoires d’Outre–Mer 16, sollte der Investitionsfonds eine jährliche Summe von ungefähr 1 Mrd. $ zur Verfügung stellen, „ si par hypothèse“ , wie es hieß, „ l’action commune européenne doit se traduire par un élargissement des possibilités offertes aux pays et territoires d’outre-mer.“17 Die Initiative für die Entwicklungsprogramme sollte in der exklusiven Kompetenz der verantwortlichen Autoritäten der Pays et Territoires d’Outre-Mer verbleiben. So war das Memorandum einerseits Ausdruck eines entwicklungspolitischen Anliegens, andererseits stellte es die ökonomischen Eigeninteressen der Mitgliedstaaten des Gemeinsamen Marktes heraus. Dazu zählte zunächst das Interesse der Metropolen an der Aufteilung der Entwicklungskosten unter den Sechs. Die Partizipation der Mitgliedstaaten an diesen Kosten war Bedingung für deren Teilhabe an den ökonomischen Vorteilen18, die man von der Entwicklung der Pays et Territoires d’Outre-Mer erwartete, insbesondere die Entstehung neuer Märkte.19 Das Memorandum führte folgende Gegenleistungen für das Engage-
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Ebd. Die französischen Territoires und Départements d’Outre-Mer, Algerien, Tunesien und Marokko sowie der belgische Kongo und Ruanda-Urundi. Ebd. Vgl. auch Déclaration de la délégation française: „Le point de vue de la délégation française est que l’investissement doit précéder la non-discrimination.“ Ebd. Auch der französische Botschafter in Belgien, Raymond Bousquet, ermittelte auf der Grundlage der neuesten Zahlen das folgende Handelsvolumen: Die Importe der Vier aus belgischen und französischen Überseegebieten waren noch sehr bescheiden. Betrachtet man die Importe der Sechs aus den TOM insgesamt, dann betrug der Importanteil Frankreichs 42,3% und Belgiens 35,5%, während die BRD gerade einmal 4,8%, die Niederlande 6,1% und Italien 4,5% der Importe der Sechs aus den Überseegebieten trugen. Ein Vergleich des Warenaustauschs der beiden Kolonialmächte mit ihren Kolonien ergab, dass die französische Metropole mehr aus ihren TOM kaufte als Belgien aus dem belgischen Kongo: 58,4% der Exporte der TOM gingen nach Frankreich, während nur 25,6% der Exporte des Kongo nach Belgien gingen. Ebenso kamen 64% der Importe der französischen Überseegebiete aus Frankreich, während der Anteil Belgiens an den Verkäufen im Kongo bei 37,3% lag. Ebenso war der Anteil der europäischen Partner im Handel mit den französischen TOM geringer als mit dem belgischen Kongo: 31,3% der kongolesischen Exporte gingen in die BRD, die Niederlande und nach Italien, während der Anteil der BRD, der Niederlande und Italiens an den kongolesischen Importen bei 16% lag und bei den französischen Überseegebieten unter 7% betrug. Vgl. Bousquet an Pineau, a.s. Marché Commun et Territoires d´ Outre-Mer, 30.10.56, in: MAE, dece 719. Vgl. auch: Tabelle über die Importe Algeriens, der Ex-Protektorate Tunesien und Marokko sowie der DOM-TOM einerseits, des belgischen Kongo und des Treuhandgebietes Ruanda-
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ment der Mitgliedstaaten auf: der erweiterte Zugang zu den vormals exklusiven Märkten der überseeischen Länder und Gebiete, die gleichberechtigte Teilhabe an den Ausschreibungen für die Durchführung der Entwicklungsprogramme sowie die Gewährung des Niederlassungsrechts und die Aussicht, dass Privatinvestitionen aus den Mitgliedstaaten künftig nicht diskriminiert werden sollten. Die Verhandlungspartner Frankreichs und Belgiens reagierten zurückhaltend und verlangten in den folgenden zwei Monaten eine Präzisierung der französisch-belgischen Vorschläge.20 Am 29. November erteilten die Delegationsleiter einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe das Mandat, einen Bericht zu dem Problem auszuarbeiten.21 Im Ergebnis dieser Expertengespräche hatte das Assoziierungsprojekt schärfere Konturen gewonnen, insbesondere das entwicklungspolitische Anliegen wurde konkreter.22 Das Dokument präsentierte die Assoziierung als ein Gemeinschaftsprojekt zum Wohle aller Beteiligten, d. h., das gegenseitige Interesse der Überseeterritorien und Europas wurde in den Vordergrund gestellt23, und der symbiotische Charakter der Beziehungen proklamiert. In Ansätzen war damit der interdependente Charakter der Beziehungen anerkannt: „ La Communauté des Six aidant les pays et territoires d’outre- mer et s’appuyant sur eux, est capable de rendre à l’Europe son équilibre et de créer pour ces pays et territoires les conditions nécessaires à leur développement.“ 24 Eine Innovation gegenüber den ursprünglichen französisch– belgischen Vorschlägen war die Darstellung der politischen Aspekte der Assoziierungspolitik. Die Experten erkannten einen Zusammenhang zwischen der ökonomischen Entwicklung der Pays et Territoires d’Outre-Mer und ihrer zukünftigen politischen Orientierung. Dahinter stand der Grundgedanke, durch die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Überseegebiete deren Zugehörigkeit zum Westen zu gewährleisten; die Assoziierung berücksichtigte also von vornherein die absehbare Unabhängigkeit der Pays et Territoires d’Outre-Mer. Als Referenz für die anvisierte Assoziierungspolitik nannte das Dokument deshalb den Marshallplan.25 Angesichts der Größe dieser entwicklungspolitischen Aufgabe sollten die
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Urundi andererseits aus der Metropole, den anderen Ländern des Gemeinsamen Markts und dem Rest der Welt in absoluten Zahlen, in: Rapport franco-belge Vgl. zum Handelsvolumen weiterhin: MOSER, Thomas : Eurafrika, S. 337; AGÉRON, CharlesRobert: La décolonisation française, Paris 1994. S. 129 f. Vgl. Conférence intergouvernemental pour le Marché commun et l’Euratom: Questions posées par la délégation néerlandaise au sujet des déclarations française et franco-belge concernant le Marché Commun européen et les territoires d’outre-mer des pays membres, 28.11.56, in: Centre des Archives d’Outre-Mer (CAOM), Direction des Affaires Politiques du Ministère France d’Outre-Mer, 2315; Conférence intergouvernementale: Inclusion des territoires d’outre-mer. Investissement (document présenté par la délégation allemande), 6.12.56, Conférence intergouvernementale: Association des territoires d’outre-mer au Marché Commun. Question de la délégation allemande (complémentaire aux questions sur les investissements), 10.12.56, in: HAEG Florenz, EN 356; Conférence intergouvernementale: Questions posées par la délégation italienne au sujet des déclarations françaises et belges concernant le Marché commun européen et les territoires d’outre-mer des pays membres, 10.12.56, in: Ebd. Vgl. Conférence intergouvernementale pour le Marché Commun et l’Euratom, Secrétariat. Groupe ad hoc territoires d’outre-mer: Rapport au comité des chefs de délégation, 20.12.56, in: MAE, dece 719. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd.
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individuellen Entwicklungshilfebemühungen der europäischen Länder zusammengefasst werden, um diese auf bestimmte noch abhängige Regionen zu konzentrieren.26 Der Bezug auf den als Erfolgsrezept erachteten Marshallplan rief noch eine weitere Konnotation hervor, nämlich mit Hilfe der Assoziierungspolitik in den zu assoziierenden Ländern und Gebieten einen Entwicklungsprozess anstoßen zu können, der zu einem qualitativen Sprung führen und künftige Hilfen überflüssig machen könnte. In der Auseinandersetzung mit diesem Entwicklungskonzept nahmen die anderen Staaten die folgenden Positionen ein: Die Niederlande begegneten dem Assoziierungsprojekt mit den massivsten Vorbehalten.27 Sie bestritten die Stichhaltigkeit der im französisch-belgischen Memorandum aufgestellten Verbindung von Zoll- und Handelsvorteilen mit Investitionen.28 Außerdem waren sie nicht bereit, eine Verantwortung für die Entwicklung der Kolonien zu übernehmen, und entdeckten einen Widerspruch zwischen der ungewissen politischen Zukunft der Pays et Territoires d’Outre-Mer und einer langfristigen Investitionspolitik.29 Was die Modalitäten der Assoziierung betraf, lehnte die niederländische Delegation die Alimentierung des Investitionsfonds über öffentliche Beiträge ab und trat stattdessen für Anleihen auf dem freien Kapitalmarkt ein. Vor dem Hintergrund ihrer weltweiten Handelsbeziehungen waren die Niederlande gegen eine präferentielle Behandlung der afrikanischen Agrarprodukte und die daraus resultierende Verpflichtung zur Bezahlung von Preisen über Weltmarktniveau aufgrund langfristiger Liefer- und Abnahmeverträge. Schließlich kritisierten sie das ihrer Ansicht nach bestehende Ungleichgewicht zwischen den finanziellen Beiträgen der Partner zum Investitionsfonds und den von den Kolonialmächten eingeräumten Gegenleistungen.30 Die niederländische Regierung trat daher dafür ein, die Assoziierung der Überseegebiete erst nach Inkrafttreten des Vertrages über den Gemeinsamen Markt zu verhandeln, um den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen nicht durch diese Frage zu gefährden.31 Da für Italien die Assoziierungsfrage von sekundärer Bedeutung war, trat es dem französisch-belgischen Anliegen aufgeschlossen gegenüber. Die italienische Regierung rechnete mit einem eher bescheidenen Beitrag zum Investitionsfonds vor dem Hintergrund des Vanoniplans für die Entwicklung des Mezzogiorno. In diesem Zusammenhang fürchtete sie eine Konkurrenz im Bereich der Kapitalinvestitionen zwischen den zu assoziierenden Pays et Territoires d’Outre-Mer und Süditalien und trat dafür ein, dass der Investitionsfonds Kredite statt Subventio26 27
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Vgl. Rapport au comité des chefs de délégation Vgl. auch: HAARYVAN, Anjo G./HARST, Jan van den: A bumpy road to Lomé. The Netherlands, Association, and the Yaoundé Treaties, 1956-1969, in: BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard: L’Europe unie et l’Afrique, S. 320-323. Vgl. ebd. Vgl. ebd., Ministère France d’Outre-Mer (MFOM), Direction des Affaires Politiques: Note pour M. le Directeur du Cabinet: La France d’ Outre-Mer et le Marché Commun Européen, 14.1.57, in: CAOM, Affaires Politiques 2317, Ambassade de France (Bousquet), a.s. Position de nos partenaires sur les principaux problèmes posés au cours des débats du Comité des chefs de délégation, 28.12.56, in: MAE, dece 618. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 347 f. Vgl. Chefs de délégation, Résumé des délibérations, 22./29.11.56, in: MAE, dece 614/618, Ministère FOM, Direction des Affaires Politiques: Note pour M. le Directeur du Cabinet: La France d’ Outre-Mer et le Marché Commun Européen, 14.1.57, in: CAOM, Affaires Politiques 2317.
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nen vergeben sollte. Darüber hinaus sah Italien in den tropischen Produkten eine Konkurrenz für seine mediterranen Agrarerzeugnisse. Es fürchtete auch die Verteuerung der wichtigen Kaffee- und Bananenimporte und eine Verstrickung in „kolonialistische“ Tendenzen. Positive Perspektiven sah Italien hingegen für Somalia. Zudem hatte es Interesse an afrikanischen Rohstoffen und hegte die Erwartung, einen neuen Arbeitsmarkt zur Lösung eines Teils seines Beschäftigungsproblems zu finden.32 Die deutsche Delegation bezog trotz Bedenken zunächst keine Stellung, sondern verlangte lediglich in zwei Fragebögen eine Präzisierung der französischbelgischen Vorschläge.33 Die deutschen Bedenken beruhten sowohl auf politischen Gründen als auch auf wirtschaftlichen Interessen und Prinzipien. Die Bundesrepublik fürchtete eine Verstrickung in die französische Kolonialpolitik.34 Darüber hinaus widersprach das französisch-belgische Projekt den liberalen und antidirigistischen Prinzipien der deutschen Wirtschaftspolitik35, und schließlich waren die deutschen Handelsinteressen anders gelagert. Deutschland zeigte kaum Interesse an der Erschließung neuer Exportmärkte, sondern fürchtete eher die Modifikation seiner Handelsströme. So war die Bundesrepublik nicht bereit, höhere Preise für tropische Produkte aus den zu assoziierenden Territorien zu zahlen, die zudem nicht dem deutschen Geschmack entsprachen, wie z. B. afrikanischer Kaffee. Außerdem stand sie wie die übrigen Partner den geforderten finanziellen Beiträgen zum Investitionsfonds reserviert gegenüber. Trotz der oben genannten Einwände präsentierte die deutsche Delegation, von der politischen Notwendigkeit der Assoziierung überzeugt, am 21. Januar ihren Gegenvorschlag, der in seiner modifizierten Fassung vom 1. Februar36 eine Basis für die kommenden Verhandlungen bildete37. Entgegen der zeitgenössischen Wahrnehmung, dass der deutsche Vorschlag von anderen Grundsätzen ausging als der 32
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Vgl. Chefs de délégation: Résumé des délibérations, 22./29.11.56, Rapport au comité des chefs de délégation, 20.12.56, Ministère des Affaires Etrangères, Direction des Affaires Economiques et Financières: Note a.s. Territoires d’Outre-Mer et Marché Commun, 5.2.57, in: MAE, Papier Wormser 31, PACIFICI, LORENZO: „L’Italie et la question de l’association des PTOM au cours des négociations pour la création de la CEE“, in: BITSCH/BOSSUAT: L’Europe unie et l’Afrique, S. 253-267; MOSER: Eurafrika, S. 350 f. Vgl. Conférence intergouvernementale: Inclusion des territoires d’outre-mer. Investissement (document présenté par la délégation allemande), 6.12.56, Conférence intergouvernementale 10.12.56. Vgl. auch: MAE, Note d’information sur les territoires d’outre-mer et le marché commun, nicht datiert, in: MAE, dece 719. Vgl. z.B. die Stellungnahme Hallsteins, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, auf der Konferenz der Außenminister am 28.1.57, in: Ambassade de France (Bousquet), in: Ebd., 720. Vgl. auch Auswärtiges Amt, Kurzprotokoll über die Tagung der Außenminister der sechs Montangemeinschaften vom 26.-28. Januar 1957 in Brüssel, 31.1.57, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts (PAAA), Wirtschaftliche Organisationen (Handelspolitische Abteilung) B53/113. Vgl. weiterhin den Kommentar Bousquets zur Haltung der Partner, Ambassade de France (Bousquet), 29.1.57 in: MAE, dece 631. Vgl. Auswärtiges Amt: Die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit dem Gemeinsamen Markt, Geänderter und ergänzter Vorschlag der deutschen Delegation, 1.2.57, in: PAAA, B 53/113. Am 4. Februar wurde erneut ein Sachverständigenausschuss eingesetzt, der sich mit der Assoziierungsfrage beschäftigte und seine Erörterungen ausschließlich aufgrund des deutschen Vorschlags führte. Vgl. AA, Aufzeichnungen, Die Assoziierung der überseeischen Gebiete mit dem gemeinsamen Markt, 12.2.57, in: Ebd., 114.
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französisch-belgische, handelte es sich tatsächlich um eine Korrektur der Modalitäten des Assoziierungsprojekts. Einerseits galt es, als kolonialistisch wahrgenommene Elemente im französisch-belgischen Vorschlag zu tilgen, andererseits sollten die Investitionsbeiträge in einem überschaubaren Rahmen gehalten werden.38 Durch Bezugnahme auf die Artikel 73 und 76 der Charta der Vereinten Nationen sollte das entwicklungspolitische Anliegen des Assoziierungsprojekts betont werden.39 Nach deutschen Vorstellungen sollten die Leistungen des Investitionsfonds diejenigen der Mutterländer ergänzen. Darüber hinaus klassifizierten die Deutschen die Investitionen in drei Kategorien, um den Anschein einer globalen Beteiligung an französischen Kolonisierungsmaßnahmen zu vermeiden: Erstens sollten ‚politische‘ Investitionen weiterhin von der Metropole aufgebracht werden. Unter diese Investitionen fielen Ausgaben für die Aufrechterhaltung der Souveränität, für die Gewährung der inneren und äußeren Sicherheit, für Polizei und Militär, für die Rechts- und allgemeine Kulturpflege. Zweitens wurde ein jährlicher Beitrag der Mitgliedstaaten zum Entwicklungsfonds für ‚soziale‘ Investitionen vorgesehen, und drittens wurde ein Gemeinschaftsfonds für „ wirtschaftliche“ Investitionen abgelehnt und damit auch eine Pauschalierung der jährlichen Investitionen. Vielmehr band der deutsche Vorschlag die Finanzierungshilfe an konkrete förderungswürdige Einzelprojekte, über die fallweise im Ministerrat entschieden werden sollte. Im wirtschaftlichen Bereich sollten nur Entwicklungsvorhaben, die mit produktiven Projekten in unmittelbarem Zusammenhang standen, gefördert werden.40 Der deutsche Vorschlag setzte somit den Akzent auf das Kriterium der Rentabilität. Darüber hinaus forderte die deutsche Delegation, Investitionen, Niederlassungsfreiheit und die Rohstofffrage zu entflechten. Mit den handelspolitischen Prämissen der Assoziierung erklärten sich die Deutschen weitgehend einverstanden, Abnahmeverpflichtungen für afrikanische Rohstoffe lehnten sie jedoch ab. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der deutsche Vorschlag unter antikolonialistischen und zugleich marktwirtschaftlich-wettbewerbsorientierten Vorzeichen stand.41 Die Franzosen antworteten ihrerseits am 15. Februar 1957 mit einem neuen Vorschlag, der wesentliche Abweichungen gegenüber dem deutschen Vorschlag
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Der deutsche Gegenvorschlag enthielt keine Zahlen für Investitionen in die wirtschaftliche Infrastruktur, ging aber von wesentlich niedrigeren aus als der französisch-belgische Vorschlag. Vgl. ebd. In Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen vom 26.6.45 bekennen sich „Mitglieder der Vereinten Nationen, welche die Verantwortung für die Verwaltung von Hoheitsgebieten haben oder übernehmen, deren Völker noch nicht die volle Selbstregierung erreicht hatten [...] zu dem Grundsatz, daß die Interessen der Einwohner dieser Hoheitsgebiete Vorrang haben; sie übernehmen als heiligen Auftrag die Verpflichtung, im Rahmen des durch die Charta errichteten Systems des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit das Wohl dieser Einwohner aufs äußerste zu fördern“. Gemäß Art. 76 sollte der „politische[ ], wirtschaftliche[ ] und erzieherische[ ] Fortschritt der Einwohner der Treuhandgebiete und ihre fortschreitende Entwicklung zur Selbstregierung oder Unabhängigkeit“ gefördert werden. Vgl. Charta der Vereinten Nationen, Kap. XI: Erklärung über Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung, zit. n. Amtliche Fassung der Bundesrepublik Deutschland, BGBI 1973 II, S. 431, in: http://www.runic-europe.org/german/charta/charta.htm (1.3.2005) Vgl. Bundesministerium der Finanzen: Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten zur Erschließung der assoziierten Gebiete, 12.2.57, in: PAAA, B 53/14; vgl. auch: MAE, Note d’information sur les territoires d’outre-mer et le marché commun, nicht datiert, in: MAE, dece 719. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 356.
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enthielt.42 Anstelle der von den Deutschen favorisierten Grundsatzvereinbarung über die Assoziierung forderten die Franzosen nunmehr die Aufnahme eines neuen Kapitels in den Vertrag selbst. Darüber hinaus sollte sich ein Spezialkapitel nur auf Algerien und die Überseedepartements beziehen, da Algerien mit einigen Modifikationen als Teil Frankreichs in die EWG einbezogen werden sollte. Die Einzelheiten der Assoziierung sollten in einer auf fünf Jahre befristeten Durchführungskonvention geregelt werden, die danach neu zu verhandeln sei. Im Bereich der Investitionen griff der französische Vorschlag die von den Deutschen eingeführte Unterscheidung zwischen sozialer und wirtschaftlicher Infrastruktur und die Beziehung auf konkret produktive Projekte nicht auf, sondern brachte den Gedanken eines Beitrags der Mitgliedstaaten zu den gesamten Investitionen wieder zum Ausdruck. Für die Investitionen wurde ein Gesamtbetrag von 500 Mio. $ für einen Zeitraum von 5 Jahren vorgesehen. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen ließen die Franzosen und Belgier die ökonomischen Überlegungen in den Hintergrund treten und betonten stattdessen die politischen Aspekte ihres Assoziierungsprojekts. So äußerte z. B. Faure auf der Tagung der Außenminister vom 26. – 28. Januar, dass die Assoziierung politisch wichtig sei, da das Schicksal Afrikas von Europa abhänge. Anlässlich der Diskussion über den deutschen Vorschlag fügte er hinzu, dass Frankreich die Hilfe der übrigen europäischen Staaten brauche, um zu verhindern, dass Afrika zu einem anderen Machtblock überwechsle.43 Spaak, der bereits auf der Delegationsleitersitzung am 29. November die Assoziierung als Alternative zur Entwicklungs- und Dekolonisationspolitik der UNO empfohlen hatte,44 resümierte die politische Bedeutung der Assoziierung und führte, wie er einleitend feststellte, „ des arguments politiques d’une exceptionnelle importance“ an: Die Anstrengungen Frankreichs in den Überseegebieten seien die Antwort auf einen bedeutenden politischen Imperativ für Frankreich und für Europa. Die allgemein anerkannte Entwicklungspolitik müsse sich auf die Territorien richten, die bereit seien, sich weiterhin mit Europa zu verbinden. Europa seinerseits könne nicht auf wesentliche und reiche Rohstoffquellen verzichten. Schließlich bedeute ein vollständiger Bruch der Bindungen zwischen den Überseegebieten und den Metropolen nicht eine Politik der Unabhängigkeit, sondern eine andere Abhängigkeit könne daraus resultieren. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges müsse Europa sich um die Entwicklungsländer kümmern, die den Ausschlag für die Kräfteverhältnisse geben würden.45 Schließlich entsandte die französische Regierung Félix Houphouët-Boigny, Ministre délégué à la Présidence du Conseil und späterer Präsident der Republik Elfenbeinküste, zur Delegationsleitersitzung am 20./21. Januar, um den Partnern, wie Mollet vor der Nationalversammlung erläuterte, die außerordentliche Be-
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Vgl. Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und Euratom, Sekretariat, Ausschuss der Delegationsleiter, Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit dem Gemeinsamen Markt, Vorschlag der französischen Delegation, 15.2.57, in: PAAA, B 53/114. Vgl. AA, Kurzprotokoll über die Tagung der Außenminister der sechs Montangemeinschaftsstaaten vom 26.-28. Januar 1957 in Brüssel, 31.1.57, in: Ebd., 113. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 347. Vgl. Conférence des Ministres des Affaires Etrangères, Secrétariat: Note du Président sur les pays et territoires d’outre-mer, 30.1.57, in: HAEG Florenz, EN 336.
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deutung der Assoziierung für die indigene Bevölkerung zu verdeutlichen.46 Der Minister sah in einer praktische Erfolge zeitigenden Assoziierungspolitik den entscheidenden Impuls für die westliche Orientierung der zu assoziierenden Länder und Gebiete. Gleichzeitig sollten die Assoziierten als „un symbole de prospérité“ auf die benachbarten Kolonien ausstrahlen.47 Die Verhandlungen über die Assoziierung der Überseegebiete gestalteten sich schwierig. Angesichts der reservierten Haltung der Partner hatte die französische Delegation auf der Delegationsleitersitzung am 16. November die Angelegenheit zur conditio sine qua non erklärt.48 Dennoch liefen die Franzosen und Belgiern während der weiteren Verhandlungen Gefahr, isoliert zu werden.49 Darüber hinaus drohten die EWG-Verhandlungen an dieser Frage zu scheitern. Van der Beugel, Staatssekretär im niederländischen Außenministerium, der in der Assoziierungsfrage das einzige Problem erkannte, das ohne Lösung im Raum stand, brachte dies im Februar 1957 wie folgt auf den Punkt: „ Nous nous trouvons [...] en présence de deux concéptions différentes séparées par un Océan.“50 Schwierigkeiten bestanden vor allem darin, den Umfang der Investitionsbeiträge zu definieren und damit für die Partner kalkulierbar zu machen51 und Einigkeit
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Vgl. Journal Officiel de la République Française (JORpf), Assemblée nationale, Débats, 22.1.57, S. 214. Vgl. die Rede Houphouët-Boignysauf der Delegationssitzung am 21./22.1.1957, zit. nach: MOSER, Eurafrika, S. 358: „Si l’Europe des Six réussit, par une politique commerciale et d’investissements vraiment efficace, à faire sentir aux populations noires que l’Association eurafricaine est capable de produire des résultats pratiques, non seulement les territoires franco-belge de cette partie du continent africain rejetteront l’emprise du groupe de Bandoeng et celle des communistes, mais encore les territoires franco-belges constitueront pour les colonies voisines un symbole de prospérité.“ Vgl. KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 379. Vgl. beispielsweise zur französischen Wahrnehmung dieser Gefahr: Ministère des Affaires Etrangères, Direction des Affaires Economiques et Financières: Note a.s. Territoires d’OutreMer et Marché Commun, 5.2.57, in: MAE, Papier Wormser 31. Ambassade de France (Beauverger), 7.2.57, in: Ebd., dece 637. Die beiden französischen Delegationsleiter Faure und Marjolin waren sich dieser Gefahr, die noch im Vorfeld der Konferenz der Regierungschefs am 19./20. Februar bestand, bewusst. Marjolin rechnete damit, die Brüsseler Verhandlungen vorerst scheitern zu lassen, die Erörterungen der Assoziierungsfrage von der Ebene technischer Einzelheiten auf eine grundsätzlichere politische Ebene zu verlagern. Vgl. MOSER, Eurafrika, S. 368. Vgl. Conférence des Ministres des Affaires Etrangères, Secrétariat: Note du Président sur les pays et territoires d’outre-mer, 30.1.57, in: HAEG, EN 336. Pierre Uri, der von Spaak als persönlicher Berater zu den Verhandlungen hinzugezogen worden war, suchte mit seinem Vorschlag vom 7. Januar die Annäherung an die holländischen und deutschen Gegenentwürfe. Sein Vorschlag strebte nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Verpflichtungen und den daraus erwachsenden Vorteilen für die Mitgliedstaaten: Diese sollten die Fondsmittel zuerst in Form von Krediten zur Verfügung stellen, die in dem Maße wie sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Assoziierten und den EWG-Mitgliedstaaten ausweiten in verlorene Zuschüsse umgewandelt werden sollten. Erst nach einer fünfjährigen Übergangsphase, wenn die Bedeutung und die „messbaren“ Vorteile der Assoziierung evaluierbar seien, sollte der endgültige Aufbringungsschlüssel für den Fonds festgesetzt werden. Die deutsche Delegation lehnte den Uri-Vorschlag jedoch ab, da er übersah, dass die Entwicklung des Außenhandels mit den betroffenen Gebieten nicht nur eine Funktion der handels- und finanzpolitischen Maßnahmen im Rahmen der Assoziation war. Vgl. Auswärtiges Amt, Ministerialdirigent Harkort, Aufzeichnung, Betr.: Assoziation der überseeischen Gebiete, Brüssel, 23.1.57, in PAAA: B 53/114; MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 359.
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über die Ausgestaltung des Handelssystems zu erzielen,52 insbesondere das Tempo der Öffnung der Überseemärkte und die Verpflichtung zur Abnahme von Überseeprodukten waren umstritten. Nachdem die Außenminister kein vollständiges Einvernehmen hinsichtlich der Assoziierungsfrage hatten herstellen können53, lag es bei den Regierungschefs, während ihrer Tagung am 19. und 20. Februar in Paris eine Kompromisslösung auszuhandeln.54 Nach einem Vier-AugenGespräch zwischen Mollet und Adenauer wurde die Schaffung eines Investitionsfonds vereinbart. Während der Fortsetzung der Gespräche forderte der Bundeskanzler Hallstein auf, eine politische Perspektive auf den Sachverhalt einzunehmen und kommerzielle Erwägungen hinten anzustellen.55 Nunmehr war auch Frankreich zu Zugeständnissen bereit, die sich hauptsächlich einem erneut von Belgien eingebrachten Kompromissvorschlag verdankten. Der EWG-Vertrag sollte die Assoziierungsgrundsätze beinhalten, während ein für die Dauer von fünf Jahren geltendes Durchführungsabkommen die Grundsätze über die Einzelheiten und Verfahren der Assoziierung regeln sollte. Nach Ablauf dieser Frist sollte der Ministerrat einstimmig über die Fortführung der Assoziierung entscheiden. Es wurde die Schaffung eines Investitionsfonds in Höhe von 581,5 Mio. $ für die ersten fünf Jahre vereinbart. Frankreich und Deutschland sollten jeweils 200 Millionen, die Niederlande und Belgien jeweils 70, Italien 40 und Luxemburg 1,25 Millionen einzahlen. Auf die französischen Pays et Territoires d’Outre-Mer entfielen 311,25 Mio. $. An den Modernisierungskosten, die sich allein in den Kolonien, also ohne Algerien, 1956 auf rund 200 Mrd. fFr. beliefen, trugen die fünf Partner in den kommenden fünf Jahren ein Zehntel dieser Kosten mit.56 Im handelspolitischen Bereich verdoppelte Frankreich die Handelskontingente in seinen Kolonialgebieten, die allerdings weiterhin gering blieben. Der gegenseitige Zoll- und Kontingentabbau zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den assoziierten Pays et Territoires d’Outre-Mer sollte stufenweise erfolgen. Eine Abweichung vom Prinzip der Reziprozität stellten die Schutzzölle dar, die die Assoziierten zur Förderung ihrer Industrialisierung oder aus Haushaltsgründen erheben können sollten. Den Assoziierten sollten Präferenzen nicht wie ursprünglich von Frankreich gefordert
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Vgl. Conférence intergouvernementale, Comité des chefs de délégation. Groupe de travail des TOM. Rapport aux chefs de délégation, 17.2.57, in: HAEG Florenz, EN 337. Conférence des Ministres des Affaires Etrangères, Secrétariat: Projet de procès–verbal de la Conférence des Ministres des Affaires Etrangères des Etats membres de la C.E.C.A. (Paris, 18 février 1957), 6.3.57, in: HAEG, EN 336; Bousquet an Pineau, a.s. Conférence des Ministres des Affaires Etrangères du 18 février 1957, Problème de l’ Association des TOM au Marché Commun, Bruxelles 21 février 1957, in: MAE, dece 720. Vgl. Conférence des Chefs de Gouvernement et des Ministres des Affaires Etrangères, Secrétariat: Projet de procès–verbal de la Conférence des Chefs de Gouvernement et des Ministres des Affaires Etrangères des Etats membres de la C.E.C.A. tenue à Paris, en l’Hôtel Matignon, les 19 et 20 février 1957, 26.2..57, in: HAEG, EN 336. Vgl. weiterhin: Bousquet an Pineau, a.s. Conférence des Premiers Ministres, Association des TOM au Marché commun, Bruxelles, le 21 février 1957, Direction Générale des Affaires Economiques et Financières. Service de Coopération, Note a.s Association des TOM au Marché Commun, 21.2.57, in: MAE, dece 720. Vgl. auch KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 389-392. Vgl. PINEAU, Christian/RIMBAUD, Christiane: Le grand pari. L’aventure du Traité de Rome. Paris 1991, S. 226. Vgl. weiterhin: Bousquet an Pineau, a.s. Conférence des Premiers Ministres, Association des TOM au Marché commun, 21.2.1957, in: MAE, dece 720.
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über langfristige Liefer- und Abnahmeverträge eingeräumt werden, sondern über Zollpräferenzen gegenüber dem Gemeinsamen Außenzoll der EWG. Sonderegelungen wurden schließlich für Algerien und die Départements d’Outre-Mer gefunden. Damit war der Weg frei für die Unterzeichnung des Vertragswerkes in Rom am 25. März 1957.
2. Frankreich und die Assoziierung der Überseegebiete an den Gemeinsamen Markt 2.1. Die Union Française Frankreich entschied in den Verhandlungen 1956/57 nicht nur über die Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Marktes, sondern ebenso über die Zukunft der Union Française. Die Union Française bildete einen Wirtschaftsgroßraum, in dem die Kolonien und die Metropole eng miteinander verbunden waren. Mit der Franc-Zone war schon in den 1930er Jahren ein Handels- und Währungssystem etabliert worden, um Frankreichs koloniale und wirtschaftliche Interessen zu schützen und der kommerziellen und finanziellen Instabilität der Zwischenkriegsjahre entgegenzuwirken. Mit der Einführung eines doppelten Franc – dem metropolitanen und dem kolonialen – wurde das Währungssystem nach dem 2. Weltkrieg institutionalisiert. Das neomerkantilistische Handelssystem erlaubte es Frankreich und seinen Kolonien, zu über dem Weltmarktpreis liegenden Preisen miteinander zu handeln. Schätzungen zur Folge lagen 1957 die Preise für Rohstoffimporte aus den Kolonien 15% bis 20 % über den Weltmarktpreisen, während die französischen Produkte zu Preisen, die 8% bis 85% über den Weltmarktpreisen lagen, in die Kolonien exportiert wurden.57 Dieses Überpreissystem garantierte einerseits den Erzeugern in den afrikanischen Ländern hinreichend lohnende Preise, hatte aber andererseits zur Folge, dass die Wirtschaften dieser Länder auf die Metropole konzentriert und vom Weltmarkt abgeschirmt waren.58 Es führte zur Festigung der ökonomischen und politischen Beziehungen zwischen Frankreich und seinen Kolonien, sicherte somit Frankreichs Einfluss und Interessen und garantierte gleichzeitig Märkte für nicht wettbewerbsfähige französische Firmen, die ihre Fertigwaren relativ teuer in den Kolonien absetzten. Über ein Drittel des französischen Exports ging in die Kolonien.59 Darüber hinaus maß die französische Regierung den Kolonien nach dem 2. Weltkrieg eine wesentliche Rolle beim ökonomischen Wiederaufbauprozess zu. Vor diesem Hintergrund ergriff sie Maßnahmen, um die ökonomische Kontrolle über die Kolonien zu zentralisieren, und förderte Investitionen. In der Folge dieser Maßnahmen vergrößerte sich das Handelsvolumen zwischen Frankreich und seinen afrikanischen Gebieten: Zwischen 1949 und 1955 stiegen die Einfuhren 57 58
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Vgl. MAILAFIA, Obadiah: Europe and economic reform in Africa. Structural adjustment and economic diplomacy. London 1997, S. 42. Vgl. zum französischen Überpreissystem: FIELDHOUSE, David K.: The West and the Third world: trade, colonialism, dependence, and development. Oxford 1999, S. 99 f. (=History of the contemporary world.) Vgl. MALAIFIA,Obadiah: Economic reform in Africa, S. 42.
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aus den Kolonien um ca. 115%, während die französischen Exporte in die afrikanischen Länder um ca. 100% zunahmen.60 Der Gesamtwert der Exporte von Französisch-Westafrika und Äquatorialafrika betrug 1957 75 Mrd. CFA.61 Die Grundlage für die wirtschaftliche Ausrüstung und Modernisierung der französischen Überseegebiete schuf das Gesetz vom 30. April 1946, das den Minister für überseeische Gebiete ermächtigte, Zehnjahrespläne einzusetzen, die den sozialen Fortschritt der autochthonen Bevölkerung befördern und den wirtschaftlichen Ausbau der Kolonien unterstützen sollten.62 Gemessen an dem proklamierten Hauptziel des ersten kolonialen „Modernisierungs- und Ausrüstungsplan“ (1947– 1952), den sozialen Fortschritt der Bevölkerung zu befördern, war die Bilanz ernüchternd. Dafür stand der wirtschaftliche Nutzen des Mutterlandes ebenso wie beim zweiten Wirtschaftsplan (1953–1957) zu sehr im Vordergrund. Dementsprechend lag der Schwerpunkt der Vorhaben auf der vorbereitenden Erschließung und dem Ausbau der Infrastruktur, der Erforschung ausbeutbarer Mineralvorkommen und der Förderung von Industrien für die Extraktion von Rohstoffen,63 während die Modernisierung der Landwirtschaft und die Industrialisierung, selbst im Hinblick auf die Verarbeitung der lokalen Rohstoffe, vernachlässigt wurden.64 Infolge des hohen Kapitalbedarfs der Überseegebiete investierte Frankreich 1949 62 Mrd. Francs, 5,1% des Staatshaushalts. Zwischen 1947 und 1956 investierte es 550 Mrd. Francs aus öffentlichen Mitteln in die Überseegebiete,65 hinzu kamen die Privatinvestitionen, die die Regierung für den Zeitraum auf 20% bis 25% der öffentlichen Investitionen schätzte. 1959 gab der Conseil économique bekannt, dass Frankreich zwischen 1947 und 1958 allein in Schwarzafrika «environs trois fois plus que dans les cinquante années qui avaient précédé la Deuxième Guerre mondiale» investiert habe.66 Damit war die Grenze der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Metropole angesichts der Militärausgaben für Indochina und Algerien und vor dem Hintergrund des Auslaufens des Marshall-Plans erreicht. Die Ausgaben des FIDES für die AOF waren während des Zweiten Plans (1953– 1958) 10% niedriger als während des Ersten (1947–1952).67 Angesichts der steigenden Ausgaben für die Entwicklung der Pays et Territoires d’Outre-Mer entwickelten Raymond Aron und liberale Wirtschaftswissenschaftler 1955 die These, dass es vorteilhaft wäre, das Kolonialreichs aufzugeben, da die Bemühungen Frankreichs zugunsten der Überseegebiete dessen Kräfte überstiegen. Die eingesparten Investitionen für die Modernisierung und Ausrüstung der Kolonien sollten Frankreich die Ressourcen für die Entwicklung seiner 60 61 62
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Vgl. ebd. Vgl. LISTER, Marjorie: The European Community and the Third World. Aldershot 1988, S. 23. Vgl. KÖRNER, Heiko: Kolonialpolitik und Wirtschaftsentwicklung, S. 94. Vor dem Hintergrund der Marshallplanhilfe wurde der erste, 1948 in Kraft gesetzte Zehnjahresplan 1949 in ein Vierjahresprogramm umgewandelt. Vgl. hierzu: Ebd., S. 114-116. Vgl. ebd.; ALBERTINI, Rudolf von: Dekolonisation, S. 492. Wie Marseille ermittelt hat, investierte der französische Staat zwischen 1950 und 1958 3,5 – 4 % seiner Ausgaben in Übersee. Vgl. MARSEILLE, Jacques: Empire colonial et capitalisme français, histoire d’un divorce. Paris 1985, S. 104. Vgl. AGÉRON, Charles-Robert: La décolonisation française. Paris 1994, S. 119; zit. n.: ebd. Vgl. Ministère de la France d’Outre-mer – Service des Statistiques, Mémento économique et sociale de l’A.O.F. (mis à jour au 1.5.58), in: HAEG Brüssel, BAC 0019/1969, 188; vgl. auch Moser: Eurafrika, S. 423 f..
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Provinzen und für die Modernisierung seiner Industrie und die Rationalisierung seiner Ökonomie verschaffen. Die Prosperität der niederländischen Wirtschaft nach der Aufgabe Indonesiens schien diese Argumentation zu stützen. Einer breiten Öffentlichkeit machte Raymond Cartier, Chefredakteur von PARIS MATCH, diese Gedanken zugänglich. Deshalb wurde diese Haltung Cartierismus genannt. Cartier kam nach einer Reise durch Afrika zu dem Schluss, dass das Kolonialreich eine Last und keine Quelle der Stärke und des Reichtums Frankreichs mehr sei. Die Investitionen Frankreichs in die Überseegebiete erschienen ihm als eine kostspielige Philanthropie, da diese Regionen ohnehin nach der Unabhängigkeit strebten. Es gibt keine Untersuchungen, welchen Einfluss Cartier auf die öffentliche Meinung genommen hat. Jedenfalls gab es nur wenige offizielle Stimmen, darunter allerdings diejenigen einiger ehemaliger Minister, die den Thesen Cartiers offen zustimmten.68 Auch innerhalb der französischen Regierung machte man sich in diesem Zusammenhang Gedanken. Eine Lösung schien die Beteiligung der europäischen Nachbarn an den Investitionskosten zu sein. Im Rahmen des europäischen Integrationsprozess war die koloniale Frage immer wieder diskutiert worden. So entwarf Jean Monnet für den Schuman-Plan das Projekt eines europäischen Investitionsfonds.69 So wurde während der Verhandlungen über die Europäische Politische Gemeinschaft die Frage der Einbeziehung der Überseegebiete aufgeworfen. Aber Frankreich, das seine Größe und Autonomie wieder zu finden beanspruchte, war 1953/54 gegen eine Integration der Pays et Territoires d’Outre-Mer in Europa.70 Ein weitreichendes Projekt stellte der Straßburg-Plan des Europarates dar, der einige Elemente der Assoziierung in den Römischen Verträgen vorwegnahm und teilweise auch über diese hinauswies.71 Schließlich diskutierte die französische Regierung auch auf der bilateralen Ebene die Möglichkeiten einer europäischen Kooperation in den afrikanischen Überseegebieten, so anlässlich der Gespräche zwischen Mendès France und Adenauer im Oktober 1954 und Januar 1955.72
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Vgl. ebd., S. 123. Vgl. GUILLEN, Pierre: L’avenir de l’Union française, S. 105; MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 169185. BOSSUAT, Gérard: Vraie nature, S. 208-217, 220; MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 198-214. Der Straßburg-Plan vom September 1952 sah die Schaffung einer europäischen Investitionsbank für die Erschließung der Kolonien in Afrika, den Abschluss langfristiger Rohstoffabkommen und die Einführung eines Präferenzsystems vor. 1955 überdachte der Europarat den Plan und setzte eine Expertengruppe zu seiner Überprüfung ein. 1956 wurde der Begriff „Eurafrikanische Gemeinschaft“ aufgrund seiner „neokolonialistischen“ Konnotationen nicht mehr verwendet. Stattdessen wurde fortan die „Kooperation auf gleichberechtigter Grundlage“ zwischen Afrika und Europa betont und damit der interdependente Charakter der Beziehungen anerkannt. Im September 1957 präsentierte die Expertengruppe einen revidierten Straßburg-Plan: Eine europäische Entwicklungsbank sollte über einen Garantiefonds private Anleger gegen politische Risiken versichern. Im Gegensatz zum Assoziierungsregime der EWG von 1958 sah der Plan Technische Hilfe vor. Außerdem sollten alle afrikanischen Länder und Gebiete an diesem System der wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Westeuropa partizipieren können und nicht nur diejenigen, die in besonderen Beziehungen zu einer europäischen Macht standen. Vgl. HEYWOOD, R. W.: West European Community and the Eurafrica concept in the 1950s, in: JOURNAL OF EUROPEAN INTEGRATION, Vol. IV, No 2 (Winter 1981), S. 204211; MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 215-225. Vgl. GUILLEN, Pierre: L’avenir de l’Union française, S. 105 f..
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Die Kolonialpolitik wuchs in Schwarzafrika nach dem 2. Weltkrieg in eine ziemlich moderne Form hinein.73 Neben die Idee der Entwicklungsplanung trat ein für die französische Kolonialpolitik neuer Gedanke, nämlich dass der französische Staat direkt an der Finanzierung der Pläne beteiligt sein müsse.74 Die Modernisierung der Kolonien sollte daher aus dem ordentlichen Budget der Republik finanziert werden. Zu diesem Zweck wurden mit dem Gesetz vom 30. April 1946 zwei Institutionen geschaffen: die CCFOM75, eine Entwicklungsbank, und der FIDES76, ein Investitionsfonds, der die Finanzen, die für den Plan bestimmt waren, zentral erfassen und koordinieren sollte. Neben Investitionskrediten für den Ausbau der Infrastruktur und produktiver Vorhaben stellte der FIDES auch Mittel für Schulen, Krankenhäuser und Forschungsinstitute zur Verfügung.77 Zudem verloren sich die Merkmale der Kolonialplanung immer mehr. Waren die Wirtschafts- und Entwicklungspläne ursprünglich in der Metropole ausgearbeitet worden, ohne dass die lokalen Verwaltungen und Interessen in den Kolonien größeren Einfluss hätten nehmen können,78 änderte sich dies im Zuge institutionellen Wandels. In die kolonialpolitische Willensbildung drang nun auch afrikanische politische Initiative ein; so zum Beispiel als die Nationalversammlung während der Reorganisation des FIDES ihr Budgetrecht für die Mittel des Fonds verlor.79 Auch die Frage nach der politischen Zukunft der Kolonien stellte sich. Nach der Entkolonialisierung Indochinas, Tunesiens und Marokkos trat Schwarzafrika Mitte der 50er Jahre in den Mittelpunkt der Diskussion. Die Regierung Mollet versuchte 1956, mit der Loi-cadre die Initiative in Schwarzafrika zurück zu gewinnen. Überseeminister Gaston Defferre vollzog mit seiner politischen und administrativen Reform, die auf vergrößerte lokale Autonomie und Dezentralisierung zielte, den Übergang zur „Semi-Autonomie“ mit afrikanischen Regierungen und Parlamenten.80 1956 sah sich die französische Regierung zudem vor die Herausforderung gestellt, die Entwicklungen in der Union Française mit dem europäischen Integrationsprozess in Einklang zu bringen.
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Vgl. KÖRNER, Heiko: Kolonialpolitik und Wirtschaftsentwicklung, S. 13. Vgl. ebd., S. 97. Bis in die 30er Jahre herrschte die Auffassung vor, dass die Kolonien sich selbst finanzieren sollten. CCFOM: Caisse Centrale de la France d’Outre-Mer FIDES: Fonds d’Investissements pour le Développement Economique et Social des Territoires d’Outre-Mer Vgl. ALBERTINI, Rudolf von: Dekolonisation, S. 493. Vgl. KÖRNER, Heiko: Kolonialpolitik und Wirtschaftsplanung, S. 95. Der FIDES wurde z. B. von einem mit Parlamentariern und Vertretern aller befassten Ministerien und Dienststellen paritätisch besetzten Direktionskomitee geleitet und aus Budgetmitteln der Metropole, die vom Parlament im Budgetgesetz jährlich neu festgelegt wurden, und durch Beiträge der überseeischen Territorialbudgets gespeist. Vgl. ebd., S. 98. Vgl. ebd., S. 118. Vgl. hierzu: ALBERTINI, Rudolf von: Dekolonisation, S. 494 f.
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2.2. Die Überseegebiete müssen am Gemeinsamen Markt teilnehmen Den Immobilismus in der französischen Politik gegenüber Schwarzafrika durchbrach also die Regierung unter Guy Mollet, der von seinem Überseeminister und Houphouët-Boigny beraten wurde. Mollet, der ebenso wie Defferre von der baldigen Unabhängigkeit Schwarzafrikas ausging,81 strebte in Schwarzafrika eine „décolonisation douce“82 an und wollte daher den mit der Loi-cadre eingeleiteten Prozess durch ein Eurafrika-Konzept – Afrika als natürliche Verlängerung des Europas der Sechs – ergänzen. Deshalb machte die Regierung Mollet Eurafrika zur Vorbedingung eines gemeinsamen europäischen Marktes. Eurafrika wurde somit Teil einer umfassenden Modernisierungs- und Reformstrategie, die darauf zielte, den drohenden Verlust des politischen Einflusses in den Kolonien durch eine Erweiterung und Verstärkung der wirtschaftlichen Bande zu kompensieren.83 Damit gingen durchaus auch politische und strategische Absichten einer Dritten Kraft neben den beiden Supermächten USA und UdSSR einher: „Die Assoziierung der überseeischen Gebiete und die Errichtung einer Einheit in Nordafrika sind in der Tat politische Maßnahmen von einer Bedeutung, daß sie Verhandlungen auf höchster Ebene rechtfertigen. Die Zusammenarbeit mit Afrika stellt die schönste Chance Europas dar. Einmal wirtschaftlich bei der Schaffung des gemeinsamen Marktes durchgesetzt, wird die Union der beiden Kontinente sich politisch und strategisch weiterentwickeln und im Kräfteverhältnis der Welt an Gewicht zunehmen.“ 84 Mollet verfolgte nicht den Gedanken, Afrika in eine absolute Unabhängigkeit zu entlassen, sondern wollte vielmehr die Beziehungen mit Afrika auf eine neue Basis stellen. Den franko-afrikanischen Beziehungen sollte eine neue Perspektive eröffnet werden, indem der nicht mehr zeitgemäße Kolonialpakt liquidiert wurde und die afrikanischen Länder an Europa, an den Westen, angebunden wurden.85 Gerade die Hinwendung zu Europa sollte die Präsenz und den Einfluss Frankreichs in Afrika sichern.86 Entwicklungspolitik wurde dabei zu einem wesentlichen Element für die Neugestaltung der Beziehungen mit Afrika und zu einer europäischen Aufgabe, wie Mollet vor der Nationalversammlung 1956 erläuterte: „La France se refuse de garder ses territoires comme chasse–gardée. Sans relâcher son propre effort pour leur mise en valeur, elle leur ouvre toutes grandes les portes de l’Europe. Au nationalisme étroit et au communisme, qui si souvent agissent dans le même sens comme s’ils étaient complices, nous offrons le seul vrai remède, la formation entre l’Europe et l’Afrique d’une vaste commu81
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Vgl. BOSSUAT, Gérard: Vraie nature, Anm. 152/S. 224; Guy Mollet: un partisan de l’Europe (témoignage d’Emile Noël), in: BOSSUAT, Gérrad: D’Alger à Rome (1943-1957). Choix des documents. Paris 1989, S. 220. BOSSUAT, Gérard: Guy Mollet: La puissance française autrement, in: RELATIONS INTERNATIONALES 57 (1989), S. 32. So schon GUITON, R.-J.: Die Vereinigten Staaten von Afrika als Alternative zur Französischen Gemeinschaft, in: EUROPA ARCHIV (EA) 14 (1962), S. 507-516. Mollet im Februar 1957, zit. n.: OPPERMANN, Thomas: Eurafrika – Idee und Wirklichkeit, in: Ebd. 23 (1960), S. 698. Vgl. auch: BOSSUAT, Gérard: Guy Mollet , S. 32, 37 ff. Vgl. Guy Mollet vor der Nationalversammlung, 22.1.57, in: Journal Officiel de la République Française (JORpf), Assemblée Nationale, Débats, 22.1.57, S. 213-214.
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nauté de peuples libres, s’aidant les uns les autres, pour leur avantage mutuel et leur prospérité commune.“87 Unterstützt wurde dieses Konzept von einem kleinen Kreis innerhalb der französischen Regierung, zu dem Kolonialminister Defferre sowie einige hohe Beamte wie Robert Marjolin, Maurice Faure, Emile Noël, der Kabinettschef Mollets, und Pierre Moussa, Directeur des Affaires Economiques et du Plan im Überseeministerium, zählten,88 während weite Regierungskreise die weitreichende Perspektive des Regierungschefs nicht teilten. Ihre Reaktion auf den Spaak-Bericht war überwiegend negativ.89 Jean Masson, Secrétaire d’Etat aux Affaires Economiques, konstatierte die „[i]ncompatibilité entre marché commun et Union Française“90, andere fürchteten um die privilegierten ökonomischen Beziehungen zwischen Frankreich und seinen Kolonien oder warfen die Frage auf, ob die fünf Partner bereit sein würden, die finanziellen Lasten des Kolonialreichs mit zu tragen.91 Wieder andere gaben zu bedenken, ob nicht gerade diese Lastenteilung zu einem Verlust des politischen Einflusses Frankreichs in seinem Kolonialreich führe.92 Dagegen war die Reaktion des Ministère de la France d’Outre-Mer unter Leitung von Gaston Defferre auf den Spaak-Bericht positiv. Defferre forderte in einem Schreiben an Mollet vom 17. Mai 195693 die Einbeziehung der Pays et Territoires d’Outre-Mer in den Gemeinsamen Markt, der damit zu einem „Marché Commun Eurafricain“94 werde. Da die Union Française schon jetzt einen gemeinsamen Markt bilde, der im übrigen stärker integriert sei als der angestrebte europäische, führe der Ausschluss der Überseegebiete nach der ersten Hypothese Defferres – der gemeinsame europäische Markt ersetze den franko-afrikanischen – zum Bruch der ökonomischen Beziehungen mit Afrika und letztlich zur politischen Sezession. Frankreich könne aber nicht „sa vocation africaine à sa vocation européenne“95 opfern. Auch die Zugehörigkeit Frankreichs zu zwei Gemeinschaften – Europa und dem franko-afrikanischen Ganzen – schloss Defferre aus. In diesem Fall habe die französische Wirtschaft allein die Lasten für das Präferenzsystem und die Investitionen in die Pays et Territoires d’Outre-Mer zu tragen, 87 88 89
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Mollet vor der Assemblée nationale 1956, zit. n.: LINIGER-GOUMAZ, Max: L’Eurafrique, S. 45 f.. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 302, GUILLEN: L’avenir de l’Union française, S. 107. Vgl. z. B.: La négociation du traité de Rome, les obstacles présentés par l’administration française. Extrait de l’ouvrage de Robert Marjolin: Le travail d’une vie, Mémoires 1911-1986, in: BOSSUAT, Gérard: Faire l’Europe sans défaire la France. 60 ans de politique d’unité européenne des gouvernements et des présidents de la République française (1943-2003), Brüssel 2005, S. 334-337. Secrétariat d’Etat aux Affaires économiques, Résumé des premières observations de quelques chefs de service du secrétariat d’Etat aux Affaires économiques, en ce qui concerne le rapport Spaak sur le marché commun, 3.5.1956, in: Ebd., S. 338. Vgl. z. B. Ministère des Affaires Economiques et Financières, Note de Jean Sadrin, directeur de Finances extérieures, pour le président [Paul Ramadier, Ministre des Affaires Financières et Economiques], Paris, 28.4.56, in: Ebd., S. 330. Vgl. z. B. Ministère des Affaires Etrangères, Direction des Affaires Economiques et Financières, Service de Coopération, Note a.s. Marché Commun, Paris, 21.4.56, in: MAE, dece 613. Vgl. Schreiben des Ministre de la France d’Outre-Mer an den Président du Conseil des Ministres, Objet: Problèmes posés pour la France d’Outre-Mer par le projet de Marché Commun Européen, Paris, 17.5.56, in: CAOM, Aff.Pol., 2317. Das Schreiben ist auch publiziert in BOSSUAT, Gérard: D’Alger à Rome, S. 167-178. Ebd. Ebd.
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was umso weniger möglich sei, da die französische Wirtschaft vor der Aufgabe stehe, selbst konkurrenzfähig zu werden. Vor diesem Hintergrund bleibe nur der gleichzeitige Eintritt Frankreichs und der Pays et Territoires d’Outre-Mer in den Gemeinsamen Markt übrig. Allerdings forderte er für die in den Gemeinsamen Markt eintretenden überseeischen Länder und Gebiete Sonderklauseln „justifiées par leur état de sous-développement“96. Defferre verlangte x die Schaffung eines Investitionsfonds nach Vorbild des FIDES, der die französische Entwicklungshilfe ergänze: „[C]e serait l’europésation du FIDES, il serait souhaitable que la France maintienne son apport actuel mais demande aux pays européens des apports annuels du même ordre de grandeur.“97 ; x Schutzmaßnahmen zugunsten der im Entstehen begriffenen afrikanischen Industrie; x Schutzmaßnahmen, wie die Revision der Zollbestimmungen, um den Absatz afrikanischer Rohstoffe, insbesondere von Agrarprodukten, zu fördern; x Etappen für die „soziale Harmonisierung“ zwischen Afrika und Europa x Sonderregelungen hinsichtlich der Freizügigkeit von Arbeitskräften für die Pays et Territoires d’Outre-Mer. Während Defferre also im ökonomischen Bereich diese Lösung als vorteilhaft für die Pays et Territoires d’Outre-Mer und die Metropole bewertete, übersah er die politischen Risiken für die Aufrechterhaltung der Souveränität der französischen Kolonialmacht nicht. Dennoch fand er die Einbeziehung der Überseegebiete wünschenswert, „surtout si l’on considère que l’évolution politique, en tout état de cause, ne peut manquer de conduire les territoires par paliers successifs vers une autonomie grandissante“.98 Ihm ging es dabei vor allem um eine wirtschaftliche Absicherung des Dekolonisationsprozesses in Schwarzafrika.99 Nachdem das interministerielle Komitee Verret100, das die Haltung der verschiedenen Fachministerien für die Verhandlungen koordinierte und die französische Verhandlungsposition erarbeitete, am 28. Mai den Grundsatz der Teilnahme der Überseegebiete am Gemeinsamen Markt aufgestellt hatte, setzte es eine Arbeitsgruppe Übersee ein, die sich seit dem 3. Juli mit dieser Frage befasste.101 Innerhalb der Gruppe unter dem Vorsitz des Kolonialbeamten Jean Demaille zeichneten sich bald drei Positionen ab: Eine Mehrheit war für die Einbeziehung der Pays et Territoires d’Outre-Mer in den Gemeinsamen Markt. In der Minderheit
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Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. BOSSUAT, Gérard: Faire l’Europe sans défaire la France, S. 63. Vgl. auch MOSER,. Thomas: Eurafrika, S. 314. Dem Komitee unter dem Vorsitz von Alexandre Verret gehörten u.a. an: François-Poncet, Wormser, Marjolin, Mille, Valéry, Vedel (vom Außenministerium), Beaurepaire, Gros, Valabregue (Außenhandel), Demaille, Moussa (Überseeministerium), Alby, Donnedieu de Vabres (SGCI), vgl. BOSSUAT: Les hauts fonctionnaires français et le processus d’unité en Europe occidentale d’Alger à Rome, 1943-1958, in: Revue d’histoire de l’intégration européenne, 1.1. (1995), Anm. 124/S. 103. Vgl. Conclusion du groupe de travail chargé d’étudier les problèmes posés par une éventuelle parti-cipation des pays d’outre-mer de l’ensemble français à u Marché Commun Européen (3/7/56), Paris, 20.7.56, in: HAEG, EN 2704.
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befanden sich diejenigen, die entweder für ein Nebeneinander von Gemeinsamem Markt und Union Française oder gar für die Entlassung der Überseegebiete in die Unabhängigkeit eintraten.102 Der von Defferre vorgegebenen Linie folgend, sprachen folgende Gesichtpunkte nach Ansicht des Komitees für die Teilnahme der Überseegebiete:103 Die Partizipation der Union Française am Gemeinsamen Markt erschien dem Komitee als Kompensationsgeschäft, das einerseits den Verlust von schätzungsweise der Hälfte des Absatzmarktes für die französische Wirtschaft bedeute, das andererseits aber das Bemühen der Metropole, die ökonomische und soziale Entwicklung der Überseegebiete zu fördern, durch die Ausweitung des zwischen Metropole und Kolonien bestehenden Präferenzraum auf den Gemeinsamen Markt und durch die Beteiligung der europäischen Partner an den Investitionen in Übersee erleichtern könne. Dahinter stand die Einsicht, dass der Gemeinsame Markt einen erweiterten Absatzmarkt für die über Weltmarktpreis gehandelten Überseeprodukte bilde, die die Metropole allein nicht mehr in ausreichendem Maß absorbieren könne.104 Darüber hinaus ergab sich die Notwendigkeit des burden sharing105 angesichts der zu erwartenden Verdoppelung der Ausgaben für die Entwicklungshilfe in den nächsten Jahren.106 Die hinter der Einbeziehung der Überseegebiete stehende Entwicklungskonzeption sollte einerseits dem Vorwurf des „Neokolonialismus“ entgegenwirken und andererseits das Vorhaben legitimieren: „On peut au demeurant voir là une justification nouvelle de l’organisation projetée au moment où l’avenir des pays sous développés est au premier rang des préoccupations des diverses instances internationales.“107 Die Assoziierung sollte nach den folgenden Modalitäten erfolgen:108 Im handelspolitischen Bereich entsprachen die Empfehlungen denen des französisch–belgischen Memorandums. Den Investitionsfonds sollten die Mitgliedstaaten des Gemeinsamen Markts mit Mitteln in Höhe von jährlich 350 Mrd. Francs ausstatten. Die Beteiligung der Partner an den öffentlichen Investitionen erschien be102 103 104 105
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Vgl. Ministère de la France d’Outre-Mer, Direction des Affaires Politiques, 3ème Bureau, Note pour M. le Directeur des Affaires Politiques, nicht datiert, in: CAOM, Aff.Pol., 2317. Vgl. Commission Interministériel du Marché Commun: Mémorandum sur la participation au marché commun des Territoires de la zone franc autres que la Métropole, 9.10.56, in: Ebd. Vgl. ebd. Die diesbezüglichen Erwartungen an die europäischen Partner gingen sehr weit bis hin zur Lastenübernahme. Vgl. MAE, Direction Générale des Affaires Politiques, Direction d’AfriqueLevant: Note sur l’intégration des territoires d’outre-mer dans le marché commun, 13.12.56, in: MAE, dece 719. Vgl. Mémorandum sowie Ministère de la France d’Outre-Mer, Note pour le groupe de travail Marché Commun Européen, Objet: investissements dans les territoires d’Outre-Mer, nicht datiert, in: CAOM, Aff.Pol., 2317. Der jährliche Bedarf an öffentlicher Entwicklungshilfe der PTOM wurde wie folgt kalkuliert: 125 Mrd. Francs für eine Steigerung des Lebensniveaus (Nettoinlandsprodukt) um 4% pro Jahr, das entsprach 0,84% des Bruttosozialprodukts Frankreichs bzw. 0,33% des BSP der sechs Montanunionstaaten; 220 Mrd. Francs für eine Steigerung des Lebensniveaus um 7% jährlich (1,5% des BSP Frankreichs bzw. 0,56% des BSP der sechs Montanunionstaaten), vgl. Compte-rendu de la réunion du Comité Interministériel, Sous-groupe des TOM, Paris, 8.8.56, in: MAE, dece 719. Commission Interministérielle du Marché Commun, Groupe de travail des pays d’outre-mer, Note au sujet des pays et territoires d’outre-mer de la zone franc et le marché commun européen, nicht datiert, in: CAOM, Aff.Pol., 2314. Vgl. Mémorandum
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deutend, da Afrika erfahrungsgemäß wenig attraktiv für private Kapitalanlagen sei.109 Dabei erforderten nach Ansicht des Komitees nicht nur der Aspekt der Lastenteilung die Beteiligung der Partner an den Investitionen, sondern auch die Rücksichtnahme auf die Zahlungsbilanz der Union Française, da Zahlungsbilanzschwierigkeiten vor dem Hintergrund der Erwartung steigender Käufe der Pays et Territoires d’Outre-Mer in den europäischen Partnerländern prognostiziert wurden. Was die Organisation dieses Fonds betraf, suchte die Arbeitsgruppe Übersee nach Möglichkeiten, ausländische Interventionen in Überseeangelegenheiten zu begrenzen. Als eleganteste Lösung erschien es, die Initiative für die Entwicklungsprogramme den lokalen Instanzen in den Pays et Territoires d’Outre-Mer zu überlassen.110 Frankreichs Position war also gekennzeichnet durch ein Bestreben, sein Kolonialreich zu öffnen, gleichzeitig aber seinen Einfluss darin zu sichern. Parallel zur Öffnung sollte daher der Zusammenhalt der Franc-Zone durch institutionelle Vorrichtungen im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich gewährleistet werden. Mit der Bereitschaft zur Öffnung des Kolonialreichs ging also nicht die zur Teilung oder gar Aufgabe der Souveränität einher. Parallel zur innerfranzösischen Positionsbestimmung hatten französisch-belgische Gespräche auf Minister- und Expertenebene stattgefunden, um die Frage der Einbeziehung der französischen Pays et Territoires d’Outre-Mer und des belgischen Kongo in den gemeinsamen Markt zu erörtern. Erstmals traf Defferre hierzu am 25. Mai mit seinem belgischen Amtskollegen Buisseret und dem belgischen Außenminister Spaak zusammen. Dabei zeigte sich insbesondere Spaak der französischen Initiative gegenüber aufgeschlossen, so dass weitere Gespräche folgten, die schließlich zu dem gemeinsamen französisch-belgischen Memorandum vom 11. Oktober führten. 111 109 110 111
Vgl. Schreiben Defferres an Mollet, 17.5.56. Vgl. Aide-mémoire Vgl. Ambassade de France (Dufornier) an Außenministerium, Brüssel, 25.5.56, in: MAE, dece 631; MAE, Direction Générale des Affaires Economiques & Financières, Service de Coopération, Note a.s. Conversations franco-belges sur l’extension du Marché Commun aux T.O.M., 19.7.56, in: Ebd. 719; Defferre an Pineau, Marché Commun Européen – Entretiens francobelges relatifs aux pays d’Outre-Mer, 21.9.56; Bousquet, französischer Botschafter in Belgien, an Pineau, Le Marché Com-mun et les territoires d’Outre-Mer, 30.9.56, in: Ebd. Küsters vermutet, dass die belgische Regierung die französische Eurafrika-Politik unterstützte, weil sie darin ein für Belgien günstiges Dekolonisationsprinzip erblickte. Vgl. KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 383 f.. Moser verweist dagegen auf die unterschiedliche Ausgangs- und Interessenslage Belgiens aufgrund der anderen Struktur seines Kolonialreiches, das dezentralisiert und offen war und handelspolitisch dem Open-Door-Grundsatz folgte. Finanzpolitisch war der Kongo eigenständig und belastete nicht das Budget der Metropole. Hinzu kam das Interesse am Uranhandel mit den USA, die schon seit Ende der 40er Jahre eine herausragende Stellung auf dem kongolesischen Markt innehatten. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 333-336. In der Tat vertrat Belgien aufgrund der anderen Ausgangslage ursprünglich ein Konzept, das von der Errichtung einer europäischen und einer afrikanischen Zollunion ausging. Dies stand im Gegensatz zu den politischen Erwägungen, die dem französischen Assoziierungskonzept zugrunde lagen. Vgl. MAE, Aff.Econ., Note a.s. Conversations franco-belges sur l’extension du Marché Com-mun aux T.O.M., 19.7.56, in: Ebd. 719. Die belgische Koloniallobby war im Übrigen gegen die Assoziierung eingestellt. Vgl. DESCHAMPS, Etienne: L’Eurafrique à l’épreuve des faits: La Belgique, la France et les projets de barrages hydroélectriques en Afrique (1954-1958), in: BITSCH/BOSSUAT: L’Europe unie et l’Afrique, S. 165-
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Die Suez-Krise gab der Regierung die Möglichkeit, die Unterstützung für Europa in den noch zögernden Regierungskreisen, im Parlament und in der Öffentlichkeit zu verstärken und zu erweitern. Der Gemeinsame Markt wurde nun vermehrt als ein Mittel gesehen, um eine größere Unabhängigkeit Frankreichs und Europas gegenüber den USA zu erreichen.112 Zu den Skeptikern zählte der Service de Coopération unter Oliver Wormser im Außenministerium, der noch im September seine Bedenken hinsichtlich der Einbeziehung der Überseegebiete u. a. Verret und Marjolin mitgeteilt hatte.113 Der einflussreiche Finanzminister Ramadier streute noch im Dezember Zweifel hinsichtlich des Konsenses innerhalb der französischen Regierung, die Verhandlungen abzuschließen.114 Auch Mendès France, ehemaliges Mitglied Regierung Mollet, ließ seine Vorbehalte gegen die europäischen Integrationsprojekte verlauten. Sein Berater Georges Boris schrieb für L’EXPRESS einen Artikel, in dem er der Regierung eine cartieristische Haltung vorwarf: „Les rêveurs nafs de l’Eurafrique peuvent l’ignorer, mais il y a peut– être des esprits machiavéliques pour qui le Marché commun est une étape vers la liquidation souhaitée [de l’Union Française, Anm. d. Verf.].“115 Auch in Brüssel gestalteten sich die Verhandlungen über die Assoziierung schwierig. Während Faure, Pineau und Mollet angesichts dieser Lage zu Kompromissen bereit waren116, forderte schließlich Ramadier im Januar die Geschlossenheit der französischen Position in Brüssel ein. Er sprach sich für die Assoziierung aus und bestand im Gegenzug für die Öffnung der Kolonialmärkte auf der Beteiligung der Partner an den Investitionen und auf Absatzgarantien für die Produkte der Französischen Union.117 Der Finanzminister hatte die desolate Finanzsituation des französischen Staates im Blick, die sich infolge von Suez weiter verschlimmert, ihre eigentliche Ursache aber im Algerienkrieg hatte.118 Die Forderung, Algerien mit einigen Modifikationen als Teil Frankreichs in den Gemeinsamen Markt einzubeziehen, vereinfachte den Abschluss der Verhandlungen mit den europäischen Partnern nicht. Mollet und Pineau erhofften sich von den wirtschaftlichen Perspektiven, die Algerien durch die Einbeziehung in den Gemeinsamen Markt eröffnet wurden, auch eine Stabilisierung der politi-
112
113 114 115 116 117 118
184. In der Schlussphase der Verhandlungen unternahm Spaak schließlich kurzfristig den Versuch, den Kongo noch aus dem Assoziierungsprojekt herauszuziehen. Vgl. BOSSUAT, Gérard: Faire l’Europe sans défaire la France, S. 69. Vgl. BOSSUAT, Gérard: Faire l’Europe sans défaire la France, S. 66. Schon am 4. September, also vor dem Suez-Krieg, war innerhalb der französischen Regierung die Entscheidung zum Abschluss des Vertrags über den Gemeinsamen Markt gefallen. Vgl. ebd., S. 65. Vgl. hierzu auch Moser, der jedoch m. E. die Zäsur des Suezkrieges überbetont (MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 44 f.). Vgl. VAÏSSE, Maurice: Post-Suez France, in: LOUIS, W. R./ OWEN, R. (Hg.): Suez 1956: The Crisis and its Consequences. Oxford 1989, S. 335-340; A. HOURANI: Conclusion, in: Ebd., S. 404. MAE, Aff.Econ., Serv. de Coop., Note a.s. l’inclusion des territoires d’outre-mer dans le marché commun, 27.9.56, in: MAE, Papiers Wormser 82. Vgl. BOSSUAT, Gérard: Faire l’Europe sans défaire la France, S. 68. BORIS, Georges: Mirages de l’Eurafrique, in: L’EXPRESS, 28.12.56, in: BOSSUAT: D’Alger à Rome, S. 188-195. Vgl. GUILLEN,Pierre: L’avenir de l’Union française, S. 110. Vgl. Schreiben Ramadier an Pineau, Négociations sur le Marché Commun, Januar 1957, in: BOSSUAT, Gérard: D’Alger à Rome, S. 202 f.. Vgl. KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 441.
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schen Lage.119 Außerdem stärkte die Anerkennung Algeriens als integralen Teil Frankreichs durch die fünf Verhandlungspartner international Frankreichs Position im Algerienkonflikt. Schließlich verdankte sich diese Forderung den Interessen der französischen Industrie am algerischen Markt.120 Die Fünf zeigten sich allerdings angesichts der Lage in Algerien reserviert, insbesondere was ihre Beteiligung an den Investitionen anging. Wirtschaftlich konkurrierten darüber hinaus algerische Agrarprodukte mit denen einiger Mitgliedstaaten.121 Letztlich entschieden die Regierungschefs am 19. Februar über diese Frage, die noch zu einem zentralen Gegenstand der Verhandlungen erhoben worden war.122 Dass die Verhandlungen über die Assoziierung schließlich am 19. und 20. Februar 1957 in Paris erfolgreich abgeschlossen werden konnten, verdankte sich nicht zuletzt der Tatsache, dass die Regierung Mollet auf Forderungen von Parteien und Verbänden zurückgreifen und dafür Lösungen auf europäischer Ebene verlangen konnte.123 Unterstützung für die Assoziierung der überseeischen Gebiete fand die Regierung auch im Parlament. Mollet wollte die Verträge über den Gemeinsamen Markt nicht ohne Zustimmung des Parlaments unterschreiben. Daher fanden in der Nationalversammlung zwischen dem 15. und dem 22. Januar 1957 eine fünftägige Debatte und am 24., 25. und 29. Januar eine sich auf die koloniale Frage beschränkende Debatte in der parlamentarischen Versammlung der Französischen Union statt, die mit einem positivem Votum schlossen.124 Sowohl während dieser Debatten als auch während der Ratifizierungsdebatte vom 2. – 10. Juli war die Assoziierung ein zentraler Gegenstand.125 Einerseits verband sich mit ihr die Idee einer dritten – europäischen – Kraft zwischen den zwei Supermächten,126 andererseits bedeutete Eurafrika auch in den Debatten eine neue Lösung, die in Übersee eingeleiteten Autonomiebestrebungen durch stärkere wirtschaftliche Bindungen an das Europa der Sechs auszugleichen und gleichzeitig Frankreichs 119
120 121 122
123 124
125 126
Vgl. WALL, Irwin M.: Les Etats-Unis et la décolonisation de l’Afrique. Le mythe de l’Eurafrique, in: BITSCH/BOSSUAT: L’Europe unie et l’Afrique, S. 139 f.. Wie Mollet und Pineau während ihrer USA-Reise im Februar 1957 gegenüber der Eisenhower-Administration und vor der UNO erläuterten, versprachen sie sich von der Assoziierung auch eine Lösung des Algerienkonflikts. Vgl. Ministère FOM, La France d’outre-mer et le marché commun européen, 14.1.57, in: CAOM, Aff.Pol., 2317. Vgl. ebd.. Insbesondere mit denjenigen Italiens (Olivenöl, getrocknete Feigen, etc.). Vgl. Bousquet an MAE, a.s. Conférence des Premiers Ministres et des Ministres des Affaires Etrangères – Application du Traite de marché Commun à l’Algérie, Brüssel, 21.2.57, in: MAE, dece 619; Application à l’Algérie et aux Départements français d’outre-mer du Traité instituant le Marché Commun –Décision des chefs de délégation, 6.3.57, in: Ebd. Vgl. KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 382. Die Nationalversammlung sprach sich am 22. Januar mit 322 gegen 207 Stimmen für die Wirtschaftsintegration aus. Dafür stimmten die Sozialisten, der MRP, die UDSR und ein Teil der Radikalen, während der Mendès France-Flügel, die Kommunisten, Progressisten, Poujadisten und die Mehrheit der Gaullisten dagegen stimmten. Am 29. Januar stimmte die Versammlung der Französischen Union mit 107 gegen 39 Stimmen der Sozialrepublikaner, der Progressisten und Kommunisten für die Partizipation der Überseegebiete am Gemeinsamen Markt. Vgl. JORpf, Assemblée Nationale, Débats, 22.1.57, S.239/240; Ebd., Assemblée de l’Union Française, Débats, 29.1.57, S. 109/110. Vgl. auch: Note a.s. Débats sur la participation des pays d’outre-mer au marché commun à l’Assemblée de l’Union Française, 4.2.57, in: MAE, dece 627. Vgl. auch: GUILLEN, Pierre: Frankreich und der europäische Wiederaufschwung. Vom Scheitern der EVG zur Ratifizierung der Verträge von Rom, in: VFZ 1 (1980), S. 8 f.. Pierre Henri Teitgen, in: JORpf, Assemblée Nationale, Débats, 15.1.57, S. 8-13; Jean Le Bail, in: Ebd., 17.1.57, S. 107. Ebenso Faure während der Ratifikationsdebatte, vgl. ebd., 5.7.57, S. 3301.
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Machtstellung in Afrika zu behaupten. Pineau betonte unter Hinweis auf die Modalitäten der Assoziierung, dass es sich bei ihr nicht um eine Fortführung der Kolonialpolitik auf europäischer Ebene handele.127 Dagegen verwies er auf ihre entwicklungspolitische Ausrichtung, die darüber hinaus den Ausgangspunkt einer konzertierten Aktion Europas zugunsten der Entwicklungsländer bilde.128 Dagegen stand der Vorwurf derer, die den Verlust der „chasse gardée“ bedauerten, die Regierung habe das Kolonialreich leichtfertig aufgegeben, dem auch der ehemalige Ministerpräsident Mendès France eine Stimme gab.129 Dahinter stand die Befürchtung, das Europa der Sechs löse ein schwächelndes Frankreich in Afrika ab und der Beitrag der fünf Partner bedeute einen Verlust der französischen Stellung in Afrika. Ausschließlich um die Assoziierung kreiste die Debatte in der Versammlung der Französischen Union, die im Gegensatz zur Nationalversammlung konsultativen Charakter hatte. In den Äußerungen der Abgeordneten zeichneten sich die Verhandlungsziele ab. Die europäischen Partner sollten die Notwendigkeit der Assoziierung akzeptieren und sich an den Investitionen beteiligen, während die bestehenden handelspolitischen Bindungen zur Metropole aufrechterhalten und progressiv auf die europäischen Partner ausgeweitet werden sollten. In ihrem Schlussantrag forderte die Versammlung die Regierung auf, die in Brüssel begonnenen Verhandlungen fortzusetzen und die französische Delegation um Repräsentanten aus den Überseegebieten zu ergänzen.130 Während Georges Monnet, der Präsident der Landwirtschaftskommission, in der Debatte, an der fast keine Abgeordneten aus Übersee teilnahmen131, forderte, dass Europa nunmehr den „dekolonisatorischen Impetus“132 der Brazzaville-Konferenz umsetze, 133 empfahl Jacques Vignes, ein hoher Kolonialbeamter und späterer Leiter der Studienabteilung der Generaldirektion VIII der EWG-Kommission, die Entwicklungskooperation auf der regionalen Ebene im Rahmen der Assoziierung als Alternative zur „ineffizienten“ Entwicklungspolitik der UNO und anderer internationaler Hilfsorganisationen.134 Die Überseeabgeordneten nahmen schließlich während der Ratifizierungsdebatte Stellung zur Assoziierung. Auch wenn sie in der Mehrzahl die Maßnahmen befürworteten, machten sie doch Vorbehalte geltend. Ein beliebter Diskussionsgegenstand war dabei, ob es sich bei der Assoziierung um einen Neokolonialis127 128 129 130
131
132 133 134
Vgl. Christian Pineau, in: Ebd., S. 3371. Vgl. ebd., S. 3374. Vgl. Pierre Mendès France, in: Ebd., 18.1.57, S. 166. Vgl. Assemblée de l’Union française, Proposition concernant le Marché commun européen et les Territoires d’Outre-Mer, adoptée le 29/1/57, in: JORpf, Assemblée de l’Union française, Annexe au procès-verbal de la séance du 29/1/57; J. Olleon: „Der gemeinsame europäische Markt“, in: Versammlung der Französischen Union, Kurzbericht der Sitzungen 24., 25., 29.1.57, in EGKS, Monatliche Mitteilungen 4 (1957), S. 58 ff. Vgl. MAE, Service de Coopération: Note a.s. Débats sur la participation des pays d’outre-mer au marché commun à l’Assemblée de l’Union française, 4.2.57, in: MAE, dece 720. Diese befanden sich im Hinblick auf die Wahlen im März bereits auf Wahlkampftour. Charles Gros verlas deshalb die schriftlichen Stellungnahmen seiner sozialistischen Parteifreunde. Vgl. Gros, in: JORpf, Assemblée de l’Union française, Débats, 24.1.57, S. 69 f.. Vgl hierzu auch MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 368. Ebd., S. 367. Vgl. Monnet, in: JORpf, Assemblée de l’Union française, Débats, 24.1.57, S. 67 f. Vgl. Vignes, in: Ebd., 25.1.57, S. 87-90.
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mus handle. So kritisierten Diawadou Barry, der spätere Erziehungsminister Guineas, und der Sozialist Fily Dabo Sissoko, dass die Assoziierung den Afrikanern aufoktroyiert worden sei.135 Daher forderten sie Sitz und Stimme in den Gemeinschaftsorganen136 und die Neuaushandlung des Assoziierungsvertrags nach Ablauf des ersten Durchführungsabkommens auf gleichberechtigter Grundlage. Die Hauptsorge der Delegierten aus Übersee galt den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsmöglichkeiten. Die Kritik an den Prinzipien und Modalitäten war polyphon und differierte je nach Interessenslage. Während Senghor den Zollabbau grundsätzlich begrüßte, sahen Barry und Bocoum wegen der entgangenen Einnahmen den Staatshaushalt gefährdet. Darüber hinaus befürchtete Senghor eine Exportoffensive der Europäer vor dem Hintergrund der Verdoppelung der Einfuhrkontingente und erkannte darin eine Gefahr für die Industrialisierung Afrikas. Schließlich vermisste er Preisstützungsmechanismen und langfristige Lieferverträge für tropische Produkte. Vertreter der Überseegebiete kritisierten auch die ihrer Meinung nach zu geringe Mittelausstattung des Investitionsfonds. Hinter alldem stand das Bestreben, die erwartete Unabhängigkeit wirtschaftlich möglichst breit abzusichern. Während für die meisten Überseeabgeordneten die Metropole der zentrale Bezugspunkt blieb, betonten der kamerunsche Sozialist Jules Ninine und der RDA-Abgeordnete Gabriel Lisette, dass die soziale und wirtschaftliche Grundlage für die Unabhängigkeit einzig und allein von der EWG bereitgestellt werden könne.137 Die Assoziierung wurde also nicht vorbehaltlos akzeptiert, dennoch war der Tenor insgesamt positiv. Die Stellungnahme des späteren madagassischen Präsidenten Philibert Tsiranana kann als repräsentativ für die Haltung der Mehrzahl der Afrikaner gelten: „[L]e traité nous apporte des avantages économiques certains, qu’il ne modifie en rien les prérogatives qui nous été reconnues au sein de la République française, qu’il ménage les possibilités d’évolution et qu’il reconnaît nos besoins particuliers. Nous sommes en outre assurés d’être associé à l’étude et à la mise en œuvre des mesures d’application. Notre solidarité avec la France n’est pas mise en cause, même le traité nous offre l’occasion de participer plus largement au commerce international. C’est pour toutes ces raisons que nous voterons en faveur de la ratification des traités qui nous sont soumis.“138 Die französische Wirtschaft stand mehrheitlich hinter dem Messina-Projekt, was in der Stellungnahme des Conseil Economique zum Ausdruck kam,139 der im Gemeinsamen Markt in erster Linie ein Instrument zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme Frankreichs erblickte.140 Dabei zählte die Einbeziehung der Territoires 135 136 137 138 139
140
Vgl. Barry, in: Ebd., Assemblée Nationale, Débats, 6.7.57, S. 3352; Sissoko, in: Ebd., S 3361. Vgl. Jules Ninine, in: Ebd., S. 3376; Barema Bocoum; in: Ebd., S. 3401. Ninine, in: Ebd., 17.1.57, S. 121-122; Lisette, in: Ebd., 22.1.57, S. 221. Tsiranana, in: Ebd., 6.7.57, S. 3403. Der Wirtschafts- und Sozialrat (ein aus Vertretern aller französischen Berufsgruppen zusammengesetztes Beratungsgremium ohne Entscheidungsbefugnisse) stimmte mit 99 zu 35 Stimmen für das Messina-Projekt. Vgl. Ebd., Bulletin du Conseil Economique, Débats, 12.13.7.56, S. 314 ff. Vgl. Stellungnahme des Wirtschaftsrates, gefasst in der Sitzung vom 12. Juli 1956, in: JOURNAL OFFICIEL. Stellungnahmen und Berichte des Wirtschaftsrates, 25.7.1956, in: EGKS (Hg.): Monatliche Mitteilungen. Energiewirtschaft – Gemeinsamer Markt (Fortsetzung II). Sondernummer Januar 1957, S. 27-36. So auch KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 300.
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d’Outre-Mer in den Gemeinsamen Markt zu den zentralen Forderungen.141 Der Patronat Français schloss sich den Forderungen des Wirtschaftsrates an. Nachdem der CELPUF142 in seiner Analyse des Spaak-Berichts die Vernachlässigung der kolonialen Frage bemerkt hatte,143 wandte sich der Präsident des CNPF144 unter anderem mit der Forderung nach Einbeziehung der Überseegebiete in einen gemeinsamen europäischen Markt an die Regierung.145 Orientierung in Richtung Europa bei gleichzeitiger Beibehaltung der besonderen Bindungen mit Afrika, das war die Linie, der der CNPF in seinem Bericht „Le Marché commun européen“ vom August 1956 Ausdruck verlieh. In der Erwartung expandierender Märkte in Afrika wollte der Patronat Français die fünf Partner an der Erschließung dieser Märkte teilhaben lassen. Gleichzeitig betonte auch der Verband die Notwendigkeit des burden sharing hinsichtlich der erforderlichen Infrastrukturinvestitionen.146 Der französischen Regierung gelang es also, ihr Assoziierungskonzept in den Verhandlungen im Wesentlichen durchzusetzen, wenngleich sie den Einwänden und Gegenentwürfen der Partner Rechnung tragen musste. Zentrale Strukturen und Institutionen der Union Française wie der Präferenzraum und der Investitionsfonds wurden „europäisiert“. Die französische Initiative lag im nationalen Selbstinteresse Frankreichs, zugleich wohnte ihr eine entwicklungspolitische Motivation inne. Die Regierung Mollet, die die Zeichen der Zeit erkannt hatte, eröffnete damit den Beziehungen zwischen Europa und Afrika neue Perspektiven.
3. Die Bundesrepublik Deutschland und die Assoziierung der Überseegebiete an den Gemeinsamen Markt 3.1. Die Bundesrepublik und Afrika in den 1950er Jahren und die frühe Entwicklungspolitik Schon vor den EWG-Verhandlungen hatte Afrika Eingang in die deutsch-französischen Beziehungen gefunden. Schließlich war die Einbeziehung Deutschlands in die ökonomische Entwicklung Afrikas während der 50er Jahre ein „leitmotiv français“.147 Auch in der BRD wurde Afrika als eine betrachtenswerte Option des Außenhandels in den Blick genommen, zumal die traditionellen Bande der deutschen Wirtschaft nach Mittel–, Südost– und Osteuropa in der Folge des Zweiten 141
142 143 144 145 146 147
Vgl. Stellungnahme des Herrn Maurice Byé im Namen des „Ausschusses für die Wirtschaft der Französischen Union“ des Wirtschaftsrates über die Integration der überseeischen Gebiete in den europäischen Gemeinsamen Markt, in: JOURNAL OFFICIEL. Stellungnahmen und Berichte des Wirtschaftsrats. 25. Juli 1956, in: EGKS, Monatliche Berichte, Sondernummer Januar 1957, S. 59. Comité d’Etudes et de Liaison du Patronat de l’Union Française GIRAULT, René: La France entre l’Europe et l’Afrique, S. 363 f. Conseil National du Patronat Français Vgl. Schreiben von Georges Villiers, Präsident des CNPF, an Mollet, 7.5.56, in: BOSSUAT, Gérard: D’Alger à Rome, S. 164-166 (Zitat, S. 166). Vgl. CNPF: Le Marché commun européen, 9.8.56, in: MAE, dece 628. LEFÈVRE, Silvie: Associer l’Allemagne à l’Afrique au développement économique de l’Afrique: un «leitmotiv» français avant la décolonisation (1950–1956)“, in: REVUE D’ALLEMAGNE 31, n° 3–4 (1999).
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Weltkriegs zerschnitten waren.148 Afrika schien eine attraktive Größe als Rohstofflieferant und Absatzmarkt zu sein. Der Korea-Krieg machte die potentielle Bedeutung Afrikas für die Rohstoffversorgung deutlich. 1950 und 1954 erreichte es seine größte Bedeutung als Rohstoffmarkt.149 Zwar lagen die wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik, was die Dritte Welt betraf, vorrangig in Asien und Lateinamerika, doch 1950 erreichte Afrika einen Anteil an den Handelsbeziehungen der BRD mit den Entwicklungsländern von immerhin 31,3% bei den Exporten und 14,9 % bei den Importen.150 In den frühen 50er Jahren hatten vor allem die traditionellen, aus der Kolonialzeit stammenden Interessen des deutschen Überseehandels, die in Hamburg und Bremen ansässigen Gesellschaften und Vereinigungen,151 Eisenbahngesellschaften wie die Ostafrika-Kompanie und die Kamerun-Eisenbahn Afrika in den Blick genommen. Wieder aktivierte oder neu gegründete Vereinigungen wie der Hamburger Afrika-Verein152 und das Afrika-Kontor, dem der aus Hamburg stammende Bundestagsabgeordnete Johannes Semler angehörte, der im Europarat den Straßburg-Plan mitinitiierte, hatten zum Ziel, die Beziehungen mit Afrika zu fördern. Diese Kreise waren zunächst an der handelspolitischen Öffnung der Kolonialreiche in Afrika und an der Rückgabe ihres während des Krieges ohne Entschädigung konfiszierten Eigentums interessiert.153 Semler entwickelte 1950/51 eine rege Geschäfts– und Lobbyistentätigkeit und trat in Kontakt mit den französischen Wirtschaftskreisen, die am Plan Labonne, einem Industrialisierungsplan für Afrika, interessiert waren, und unternahm eine Studienreise nach Marokko.154 Zu den umtriebigsten Lobbyisten zählte die 1956 gegründete Deutsche Afrika–Gesellschaft, die wesentlich dazu beitrug, die Afrikapolitik in eine gleichwohl begrenzte Öffentlichkeit zu tragen. Unter dem Vorsitz von Bundestagspräsident Eugen Gerstenmeier, der einer Gruppe an Afrika interessierter Unionspolitiker angehörte, fanden in diesem einflussreichen Verein alte und junge Afrikakenner zusammen. Zu den Mitgliedern zählten Persönlichkeiten wie Chlodwig Kapferer, Leiter des Hamburger Welt-Wirtschaftsarchiv und zeitweili148 149 150
151 152 153
154
Vgl. VAN LAAK, Dirk: Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für die Erschließung Afrikas 1880 bis 1960. Paderborn u. a. 2004, S. 401–405. Vgl. ENGEL, Ulf: Afrikapolitik der Bundesrepublik, S. 44. Danach nahm seine Bedeutung allerdings kontinuierlich ab. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, Tab. 11, S. 355. Die anteilmäßigen Werte für Asien und Lateinamerika waren im Export bei 38,9% bzw. 29,8% und im Import bei 38% bzw. 47,1%. Die Angaben für Asien beziehen den Nahen Osten und Ägypten mit ein. Z. B. Handelhäuser wie Woermann, aber auch Fruchtgesellschaften (Deutsche Ostafrikanische Gesellschaft, Afrikanische Fruchtkompanie, etc.) Vgl. KRÄMER, Martin: Die Chronik des Afrika-Vereins 1934–1984, in: Afrika. 50 Jahre Wirtschaftspartnerschaft – 1984, hg. v. Afrika-Verein, Hamburg 1984, S. 11–42. Vgl: hierzu: METZGER, Chantal: L’Allemagne et l’Afrique au Xxème siècle. In: BIRMINGHAM, David, CHAMBERLAIN, Muriel, METZGER, Chantal (Hg): L´Europe et L´Afrique de 1914 à 1970. Paris 1994, S. 80-83. Vgl. LEFÈVRE, Silvie: Associer l’Allemagne, S. 473; WILKENS, Andreas: Vom Rhein bis zum Kongo. Französisch deutsche Wirtschaftsprojekte und Politik in Afrika 1950–1959, in: Ebd., S. 484 f. Erik Labonne, ehemaliger Generalresident in Tunesien und Marokko und Leiter des „Comité d’Etudes de l’Industrialisation Africaine“, das direkt dem Amt des Ministerpräsidenten zugeordnet war, hatte 1948 einen Plan der Bildung von vier „Zones d’organisation industrielle d’Afrique“ entwickelt: die ersten beiden betrafen das algerisch-marokkanische bzw. das algerisch-tunesische Grenzgebiet, die zweite betraf das Hinterland von Conakry in Guinea, die vierte die Insel Madagaskar. Vgl. LEFÈVRE, Silvie: Associer l’Allemagne, S. 464–469.
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ger Mitarbeiter Alfred Müller-Armacks, Staatssekretär im BMWi, weiterhin Fritz Baade, Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Walter Scheel (FDP), der 1961 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde, Dietrich Wilhelm von Menges oder der Wissenschaftler Franz Ansprenger.155 Die Bundesregierung stand den Aktivitäten dieser Afrikalobbyisten wohlwollend gegenüber, da sie zum einen die Handelsbeziehungen mit dem afrikanischen Kontinent förderten, zum anderen aber auch in den Rahmen der auszugestaltenden deutsch-französischen Beziehungen passten. Im Auswärtigen Amt gab es 1952 für kurze Zeit einen Arbeitsstab Afrika, der eng mit den privaten AfrikaInstituten und Organisationen zusammenarbeitete und Wirtschaftsmissionen nach Afrika vorbereitete, und auch in der Außenwirtschaftsabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums entstand ein Afrika-Referat.156 In der zweiten Hälfte der 50er Jahre wurde die wirtschaftliche Kooperation in Afrika – und zwar zunehmend südlich der Sahara – zu einem wiederkehrenden Thema bilateraler Konsultationen: Den Ausgangspunkt für die deutsch-französischen Entwicklungsprojekte bildete der Schumanplan vom 9. Mai 1950. Im Programm von La Celle-St. Cloud, das Adenauer und Mendès France am 19. Oktober 1954 aufstellten, wurde ebenso wie in der parallel geschlossenen Vereinbarungen zwischen dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und dem Conseil National du Patronat Français auf eine wirtschaftliche Kooperation in Übersee hingewiesen.157 Wie Wilkens konstatiert, fand damit „[d]ie Kooperation in Afrika – wobei möglicherweise bewußt offen gelassen wurde, ob in Nordafrika oder Afrika südlich der Sahara – [...] offiziell Eingang in die Programmatik der deutsch-französischen Beziehungen.“158 Auch im Rahmen der Besprechungen zwischen Adenauer und dem französischen Außenminister Antoine Pinay Ende April 1955 war Afrika wiederum ein Gegenstand.159 Schließlich konstituierte sich im Mai 1956 ein regierungsoffizielles Deutsch-Französisches Wirtschaftkomitee, dem Abgesandte verschiedener Ministerien beider Regierungen sowie Vertreter der privaten Wirtschaft angehörten, um Vorhaben gemeinsamen Interesses zu besprechen. Afrika war auch hier ein zentraler Gegenstand.160 Die deutsche Industrie zeigte Mitte der 50er Jahre Interesse, sich in Afrika zu engagieren, als repräsentative Vertreter wie der Industrielle Friedrich Wilhelm 155 156 157
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Vgl. VAN LAAK, Dirk: Imperiale Infrastruktur, S. 357 f. Vgl. METZGER, Chantal: L’Allemagne et l’Afrique, S. 82 f., WILKENS, Andreas: Vom Rhein bis zum Kongo, S. 486. Vgl. Kommuniqué über die deutsch-französischen Besprechungen vom 19. bis 23.10.1954, in: Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente 1949–1963, Bd. II: Wirtschaft, bearb. v. A. WILKENS, hg. v. H. MÖLLER/K. HILDEBRAND. München 1997 (BDFD), Nr. 104, S. 374; BdI/CNPF, Vereinbarung vom 22.10.54, in: Ebd., Nr. 290, S. 1007; WILKENS: „Das Programm von La Celle–St. Cloud. Der Ausbau der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen 1954– 1957“, in: REVUE D’ALLEMAGNE 25 (1993), S. 570, 572–574, 577. WILKENS, Andreas: Vom Rhein bis zum Kongo, S. 491. Vgl. Protokoll der Unterredung Wormser – von Maltzan vom 30.4.55, in: BDFD, Bd. II, Nr. 130, S. 448–456. Afrika zählte nicht nur zu den Hauptthemen der ersten Vollsitzung, sondern wurde auch in einem „Unterausschuß Afrika“, der zwischen Juli 1957 und März 1959 fünfmal tagte, behandelt. Vgl. Protokoll der ersten Tagung des Deutsch-Französischen Wirtschaftskomitees am 11./12.5.1956, in: BDFD, Bd. II, Nr. 138; Beschluß zur Einsetzung des „Unterausschusses Afrika“ auf der dritten Tagung des Komitees vom 17.5.1956, in: Ebd., Nr. 323, S. 1082–1088. WILKENS, Andreas: Vom Rhein bis zum Kongo, S. 493 ff.
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von Menges, Vorstandsvorsitzender des Essener Handelshauses Ferrostaal AG, einer Tochtergesellschaft der Gutehoffnungshütte, mit französischen Wirtschaftsvertretern wie Louis Armand, dem Leiter des staatlichen Bureau industriel africain, und General Georges Picot, Leiter des Firmenkonsortiums SEPEMI161, zusammentrafen, um industrielle Investitionsvorhaben in Nordafrika zu erörtern.162 Bis 1956 kristallisierten sich zwar einige konkrete deutsch-französische Kooperationsprojekte heraus, von denen aber nur wenige realisiert wurden.163 Einerseits trugen die in der zweiten Hälfte der 50er Jahre wachsenden politischen Probleme Frankreichs in Nordafrika zur deutschen Zurückhaltung bei.164 Andererseits betrachtete die deutsche Industrie die französischen Kooperationsvorschlägen mit einer skeptischen Zurückhaltung, auch wenn sie sich dem übergeordneten politischen Interesse an einer deutsch-französischen Kooperation nicht verschloss. Diese Zurückhaltung rührte nicht zuletzt daher, dass Frankreich, sein Kolonialreich nur zögerlich öffnete. In der deutschen Wahrnehmung definierte Frankreich entsprechend seiner jeweiligen Interessenlage einseitig Inhalt und Umfang der Kooperation.165 Die zögerliche handelspolitische und politische Öffnung des französischen Kolonialreichs schlug sich auch in den deutsch-afrikanischen Handelsbeziehungen nieder. Als bevorzugte Handelspartner der Bundesrepublik etablierten sich nämlich die Länder des anglophonen Afrika, z.B. Südafrika, Ghana, KenyaUganda und Ägypten, darüber hinaus auch die ölproduzierenden Länder Nigeria und Libyen. Im frankophonen Afrika spielten lediglich die nordafrikanischen Länder Algerien und Marokko eine bedeutendere Rolle in den Handelsbeziehungen, während die des subsaharischen Afrika mit Ausnahme des belgischen Kongo marginal war.166 Darüber hinaus sank die Bedeutung des frankophonen Afrika als Exportmarkt für die Bundesrepublik zwischen 1950 und 1955 von 12,5% auf 5,5%, während sich im Vergleich zu 1950 (2,5%) im Jahr 1955 (3,2%) die Importe aus Französisch-Afrika in die Bundesrepublik auf einem niedrigen Niveau stabilisierten, da die Bundesrepublik einige Rohstoffe, z. B. Kakao, Datteln, Olivenöl und Kalzium, aus diesem Teil Afrikas bezog.167
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Société d’Etudes pour l’Equipement Minier et Industriel Vgl. WILKENS, Andreas: Vom Rhein bis zum Kongo, S. 488–495; LEFÈVRE, Silvie: „Projets franco–allemands de developpement économique en Afrique du Nord“, in: REVUE D’ALLEMAGNE 25 (1993), S. 581–588; NEEBE, Reinhard: Überseemärkte und Exportstrategien in der westdeutschen Wirtschaft 1945 bis 1966. Stuttgart 1991, S. 54–56. (=ZEITSCHRIFT FÜR UNTERNEHMENSGESCHICHTE, Beiheft 68, hg. von Hans Pohl/Wilhelm Treue). Vgl. WILKENS, Andreas: Vom Rhein bis zum Kongo, S. 495; LEFÈVRE, Silvie: Associer l’Allemagne, S. 474, 477 f.; NEEBE: Überseemärkte, S. 55 f. Vgl. LEFÈVRE, Silvie: Associer l’Allemagne, S. 477 f.; Neebe: Überseemärkte, S. 56. Vgl. WILKENS, Andreas: Vom Rhein bis zum Kongo, S. 493. Die folgenden absoluten Zahlen sollen dies beispielhaft illustrieren: Während die bundesdeutsche Wirtschaft 1950 Exporte im Wert von 373,1 Mio. DM in das frankophone Afrika tätigte, gingen in das übrige Afrika Exporte für 560,7 Mio. DM. Für die Importe lauten die entsprechenden Zahlen 35,3 Mio. DM für das frankophone Afrika und 176,2Mio. DM für das übrige. Davon wurden in das französische Nordafrika Werte in Höhe von 274,2Mio. DM exportiert, bzw. Güter für 22,7 Mio. DM importiert. Vgl. ebd., Tab. 10, S. 354; WINKLER, Gero: Deutsch-Afrikanischer Außenhandel 1933–1983, in: Afrika. 50 Jahre Wirtschaftspartnerschaft 1984, hg. v. Afrika-Verein. Hamburg 1984, S. 191 f., 194. Vgl. ebd., S. 354 ff. Der Anteil der französischen afrikanischen Kolonien am Import der Bundesrepublik von tropischen Agrarprodukten und Rohstoffen betrug 1955 für Kakao 21,84%,
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Die Bundesregierung näherte sich dem afrikanischen Kontinent im Rahmen der Außenwirtschaftspolitik und dem neuen Politikfeld der Entwicklungshilfe. Anfang der 50er Jahre bemühte sie sich in Übereinstimmung mit den interessierten Wirtschaftskreisen um die Errichtung konsularischer Vertretungen im subsaharischen und südlichen Afrika. Die ersten Beziehungen entstanden zu den unabhängigen afrikanischen Staaten Südafrika, Äthiopien und Liberia, dann zu den anglophonen und portugiesischen Kolonien wie Kenia, Nigeria und Mozambique; in den französischen Kolonien konnte sie hingegen keine Auslandsvertretungen errichten. Die ersten entwicklungspolitischen Programme im Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) und im Auswärtigen Amt (AA) dienten der Förderung des deutschen Exports in die Entwicklungsländer.168 In diesem Sinne wurden 1953 der Abteilung Außenhandel im BMWi 500000 DM ERP-Mittel zum Erfahrungsaustausch mit weniger entwickelten Gebieten zugewiesen. Das Auswärtige Amt betrachtete die Entwicklungshilfe vor allem unter außenpolitischen Aspekten. Einerseits ging es nach der Moskaureise des Bundeskanzlers 1955 im Sinne der Hallstein-Doktrin um eine Verhinderung der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR, andererseits um die Eindämmung kommunistischer Einflüsse in der Dritten Welt. Die Zuweisung von 50 Mrd. DM für Entwicklungshilfe an das Auswärtige Amt, die der Bundestag 1956 beschloss, war sowohl außenpolitisch als auch humanitär motiviert.169 Noch unter dem Eindruck der afro-asiatischen Konferenz von Bandung und der sich formierenden „Blockfreien“-Bewegung begann damit eine westdeutsche Entwicklungspolitik Gestalt anzunehmen.170 Auf Drängen der Alliierten, insbesondere der USA, hatte sich die BRD schon zuvor an multilateralen Hilfsprogrammen beteiligt: 1952 trat sie dem Expanded Program of Technical Assistance der UNO bei, seit 1953 beteiligte sie sich am Colombo–Plan der Briten. Die Entwicklungszusammenarbeit der westlichen Staaten fand auch Eingang in die entwicklungspolitischen Grundsätze der Bundesregierung, die Bundesaußenminister von Brentano im November 1956 darlegte.171 Entwicklungshilfe leistete die Bundesrepublik vor allem gegenüber unabhängigen Staaten. So zählten zu den ersten Staaten, die über den Technischen Hilfsfonds des Auswärtigen Amts Leistungen erhielten, Äthiopien, Liberia, Sudan und Ghana. Insgesamt fiel die Entwicklungshilfe, die die BRD in den 50er Jahren nach Schwarzafrika vergab, im Verhältnis zu anderen Regionen gering aus. In den Jahren 1956 bis 1958 flossen aus dem Technischen Hilfsfonds, der mit 50 Mio. DM ausgestattet war, insgesamt 11,5 Mio. DM nach Afrika und davon 8,5
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für Datteln 17,62%, für Olivenöl 13,72% und für Phosphat und Kalzium 66,43%. Vgl. ebd., Tab. 12, S. 355. Vgl. BELLERS, Jürgen: Außenwirtschaftspolitik, S. 25. Vgl. BELLERS, Jürgen: Deutsche Entwicklungspolitik, S. 1, DERS.: Innen und außenpolitische Einflussfaktoren auf die Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland, in: DERS.: Die frühe Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland, Siegen 2002, S. 4. (=Diskussionspapiere des Faches Politikwissenschaft, 72). Vgl. zur Konferenz von Bandung: Asiatisch-afrikanische Konferenz in Bandung vom 18. bis 22. April 1955, Schlusskommuniqué, in: EA, 10,1 (1955), S. 7563 – 7567. Vgl. Rede von Brentanos vor der Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft Baden Württembergs e.V., 24.11.56, in: BRENTANO, Heinrich von: Deutschland, Europa und die Welt. Reden zur deutschen Außenpolitik. Hg. v. Franz BÖHM. Bonn/Wien/Zürich 1962, S. 223.
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Mio. in den schwarzafrikanischen Raum, während der Großteil der Mittel nach Asien ging.172 Obwohl sie an traditionelle Afrikainteressen anknüpfte, suchte die Bundesregierung ihre Afrikapolitik in bewusster Abgrenzung zu der vor dem Zweiten Weltkrieg zu gestalten. Der Ausgang des Ersten Weltkriegs, der die deutsche Kolonialherrschaft in Afrika nach 34 Jahren beendete, hatte zwar eine Zäsur in den deutschen Beziehungen zu Afrika bedeutet.173 Gleichwohl blieb die Rückkehr auf den afrikanischen Kontinent ein Thema der deutschen Politik in der Zwischenkriegszeit. Außenminister Gustav Stresemann forderte in einem Memorandum an den Völkerbund im Dezember 1924 erfolglos die Rückgabe der Kolonien. Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht schlug eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Frankreich und Großbritannien in Afrika vor – unter Verzicht auf die Übertragung einer territorialen Souveränität an Deutschland. Doch auch Schacht scheiterte mit seiner Initiative, die 1926/27 in dem Vorschlag einer kollektiven Erschließung der Kolonialgebiete durch die assoziierten europäischen Mächte gipfelte.174 Während des Dritten Reichs strebten vor allem wilhelminische Imperialisten175, die das nationalsozialistische Expansionsstreben nach Osten in Richtung Übersee umlenken wollten, nach der Wiedergewinnung eines Kolonialreichs.176. Für kurze Zeit schien sich Hitler im September, Oktober 1940 Pläne eines deutschen Mittelafrika vom Atlantik bis zum Indischen Ozean, die an entsprechende Pläne aus dem Ersten Weltkrieg anknüpften, zu Eigen zu machen.177 Ministerialdirektor Hasso von Etzdorf, der bis 1961 im Auswärtigen Amt für die Afrikapolitik zuständig war, hatte sich 1940 an den Überlegungen für das mittelafrikanisches Kolonialreich beteiligt.178 Nunmehr wirkte er daran mit, eine bundesdeutsche Afrikapolitik zu konzeptionieren, die die westdeutschen Interessen durch die Einnahme einer Vermittlerrolle zwischen der Politik der Kolonialmächten und den Bestrebungen der afrikanischen Ländern zu wahren suchte. Dies schloss die Distanzierung von kolonialpolitischen Ambitionen ein. In die172 173 174 175
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Schreiben des AA an StS Bkamt, 12.12.58, in: B102/67106. Vgl. WILKENS, Andreas : L’Allemagne et l’Afrique, in Bitsch/Bossuat (Hg.): L’Europe unie et l’Afrique, S. 287 f. Vgl. z. B.: METZGER, Chantal: L’Allemagne et l’Eurafrique, in: Ebd., S. 60 f. Vgl. HILDEBRAND, Klaus: Vom Reich zum Weltreich. Hitler, NSDAP und koloniale Frage 1919– 1945. München 1969, S. 233–236. Neben halboffiziellen Organisationen, wie dem Reichskolonialbund, gab es bedeutende wirtschaftliche pressure groups, für die Afrika einen viel versprechenden Absatz- und Rohstoffmarkt darstellte. Vertreter der Großindustrie und der Hochfinanz interessierten sich dabei insbesondere für Zentral- und Westafrika. Vgl. DÜLFFER, Jost: Kolonialismus ohne Kolonien: Deutsche Kolonialpläne 1938, in: KNIPPING, Franz/ MÜLLER, Klaus-Jürgen (Hg.): Machtbewußtsein in Deutschland am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Paderborn 1984, S. 263 f. Vgl. zur Bedeutung der Kolonialfrage im Dritten Reich: HILDEBRAND, Klaus: Vom Reich zum Weltreich; DÜLFFER, Jost: Kolonialismus ohne Kolonien, S. 247–270; METZGER, Chantal: L’Empire coloniale français dans la stratégie du Troisième Reich: 1936–1945. Brüssel/Paris 2002; Dies.: L’Allemagne et l’Eurafrique, S. 59–75. Vgl. HILDEBRAND, Klaus: Vom Reich zum Weltreich, S. 772. Vgl. weiterhin zu den Plänen eines deutschen Mittelafrika vom Kaiserreich bis zum Dritten Reich: METZGER, Chantal: L’Allemagne et l’Afrique au XXème siècle, in: BIRGIMHAM, David/ CHAMBERLAIN, Muriel/METZGER, Chantal: L’Europe et l’Afrique de 1914 à 1970. Paris 1994, S. 7–78. TILLMANN, Heinz/KOWALSKI, Werner: Westdeutscher Neokolonialismus. Untersuchungen über die wirtschaftliche und politische Expansion des westdeutschen Imperialismus in Afrika und Asien. Berlin 1963, S. 11.
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sem Sinne war die Bundesregierung bemüht, weder in die zu Ende gehende Kolonialpolitik der Kolonialmächte hineingezogen zu werden noch offen für die Gründung unabhängiger Staaten Partei zu nehmen. Der Algerienkonflikt verdeutlichte die Schwierigkeiten, eine solche Rolle wahrzunehmen.179 Auch das subsaharische Afrika wurde Mitte der 50er Jahre vom Dekolonisationsprozess erfasst. Im Januar 1956 erlangte das anglo-ägyptische Kondominium Sudan die Unabhängigkeit, Ghana folgte im Frühjahr 1957 und nahm damit nicht nur für das britische Westafrika eine Vorreiterrolle ein. Das Assoziierungsprojekt zwang die Bundesregierung, ihren Standort gegenüber der französischen und belgischen Kolonialpolitik zu bestimmen sowie in Einklang mit ihren afrikapolitischen Ansätzen zu bringen.
3.2. Die Bundesrepublik Deutschland und die Assoziierung der Überseegebiete während der Verhandlungen über den Gemeinsamen Markt 1957/58 Die französisch-belgische Forderung nach Einbeziehung ihrer Überseegebiete in den zu schaffenden Gemeinsamen Markt stellte für die Bundesregierung zunächst einmal ein ernsthaftes Hindernis für einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen dar. Deshalb wies Bundesaußenminister von Brentano noch im Dezember den deutschen Delegationsleiter in Brüssel an, diese Frage nach Möglichkeit außen vor zu lassen: „Ich brauche Ihnen ja wohl kaum zu sagen, daß die belgisch-französischen Vorschläge in dieser Art nicht von uns akzeptiert werden können. Und ich meine, wir sollten alles tun, um die Verhandlungen nun nicht an diesem Fragekomplex scheitern zu lassen. Sicherlich war und ist es unser Wunsch, die überseeischen Gebiete einmal in den Gemeinsamen Markt einzubeziehen. Der Weg, den der belgisch-französische Vorschlag beschreiten will, ist aber für uns nicht gangbar. [...] Ich halte es auch aus psychologischen Gründen für höchst gefährlich, derartige Fragen augenblicklich auch nur zu diskutieren. Wir stärken damit die Kräfte, die ohnehin dem Gemeinsamen Markt skeptisch gegenüberstehen. [...] Sie sollten darauf hinweisen, daß nach Auffassung der Bundesregierung im Augenblick wohl nicht mehr geschehen kann als eine Grundsatzvereinbarung, wonach die Einbeziehung der überseeischen Gebiete erwünscht ist und in einem späteren Zeitpunkt verwirklicht werden soll. Verhandlungen auf Grundlage der belgisch-französischen Vorschläge halte ich für außerordentlich gefährlich [...].“180 Allerdings traf diese Forderung das Auswärtige Amt nicht gänzlich unvorbereitet. Schon im Herbst 1955 hatte das Amt in Vorbereitung auf die geplante europäische Zollunion erstmals geprüft, ob Frankreichs Kolonialreich in die künftige Union einbezogen werden müsste, und war zumindest für die französi-
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180
Vgl. hierzu: MÜLLER, Klaus-Jürgen: Die Bundesrepublik Deutschland und der Algerienkrieg, in: VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE 38 (1990), S. 609–641; DERS.: Le réalisme de la République fédérale d’Allemagne, in: RIOUX, Jean-Pierre: La guerre d’Algérie et les Français. Paris 1990, S. 409–428. Brentano an Ophüls, 17.12.56, in: PAAA, B 53/113.
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schen Überseedepartements und -territorien zu einer positiven Antwort gelangt.181 Nach der Aussprache auf der Delegationsleiterebene und den Sitzungen der Ad-hoc-Arbeitsgruppe im November und Dezember 1956 wurden die Linien des französisch-belgischen Projekts wie folgt perzipiert: Die gemeinsame Investitionspolitik in den Überseegebieten wurde als Kern ausgemacht. Im Rahmen einer gemeinsamen Investitionspolitik würde die notwendige Steigerung der Investitionen ausschließlich von den anderen Mitgliedstaaten finanziert, während die Metropolen ihre Investitionen in dem bisherigen Umfang fortführen sollten. Das vorgeschlagene System laufe auf die Europäisierung der Entwicklungsprogramme hinaus, da die Metropolen einen Teil ihrer nationalen Programme auf den europäischen Investitionsfonds umleiten sollten, wie Günther Harkort, der Leiter der Handelspolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, feststellte: „Es liegt in diesem System und ist auch sein Ziel, dass mit zunehmenden Investitionen das ganze französische Programm (ebenso natürlich das belgische) schließlich beim Fonds landet.“182 In diesem Kontext erschien der Bundesregierung eine Koordinierung der französischen und belgischen Entwicklungsprogramme mit den Regierungen der Mitgliedstaaten und den Institutionen des Gemeinsamen Markts wünschenswert, um die Verwendung der Mittel mit beeinflussen zu können.183 Ein weiteres Problem stellten für Bonn darüber hinaus die Fragen dar nach der Abgrenzung der Souveränitätsausgaben der Metropolen von den Ausgaben für allgemeine Infrastruktur, die der Fonds aufbringen sollte, sowie nach einem harmonischen Gleichgewicht zwischen dem erforderlichen Betrag für Infrastrukturinvestitionen und dem Betrag für so genannte rentable Investitionen, die zum unmittelbaren Wachstum der Produktion beitragen sollten.184 Außerdem wurde der von den Franzosen und Belgiern angebotene „package deal“185, der die Öffnung der überseeischen Märkte für die Mitgliedstaaten an deren Beteiligung an den Investitionen knüpfte, kritisch betrachtet. So warf der ergänzende deutsche Fragebogen vom 10. Dezember die Frage auf nach den tatsächlichen Möglichkeiten, die Nicht-Diskriminierung im Bereich der Privatinvestitionen und des Niederlassungsrechts durchzusetzen vor dem Hintergrund der starken, monopolartigen Stellung der metropolitanen privaten Firmen und Gesellschaften auf diesen Märkten.186 Im handelspolitischen Bereich stellte sich zudem die Frage nach der GATT-Konformität der zu schaffenden Präferenzzone. Auch die Haltungen der USA und Großbritanniens waren in Rechnung zu stellen.187 Hinzu kamen politische Bedenken hinsichtlich einer Beteiligung an der Kolonialpolitik und der Haltung Großbritanniens. Insgesamt erschienen der Bun181 182 183
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Vgl. Ref. 210, Aufzeichnung vom 5.9.55 sowie Entwurf eines Schreibens des Ref. 210 an den Leiter der deutschen Delegation in Brüssel vom 29.12.55, in: PAAA, B 10/931 Aufzeichnung von Harkort, Betr. Assoziierung der überseeischen Gebiete mit dem Gemeinsamen Markt, 14.12.56, in: PAAA, B 53/113. Vgl. Conférence intergouvernementale pour le Marché commun et l’Euratom, Groupe ad hoc des territoires d’outre-mer: Inclusion des territoires d’outre–mer. Investissements (document présenté par la délégation allemande), 6.12.56, in: HAEG Florenz, EN 356. Vgl. ebd. Aufzeichnung von Harkort, 14.12.56 Vgl. Groupe ad hoc des territoires d’outre–mer: Association des territoires au Marché Commun. Questions de la délégation allemande (complémentaire aux questions sur les investissements), 10.12.56, in: HAEG Florenz, EN 356. Vgl. ebd., Aufzeichnungen von Harkort, 14.12.56
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desregierung die französisch-belgischen Vorschläge unausgegoren, und es manifestierte sich der Eindruck, „dass Belgier und Franzosen selbst in vielen Fällen nur ungefähr wissen, was sie wollen“.188 So blieb es vorerst bei der unverbindlichen Bekundung der „Sympathie mit dem Grundgedanken“, den die bundesdeutsche Delegation unter Botschafter Carl Friedrich Ophüls schon im November zum Ausdruck gebracht hatte.189 Dass die BRD vorläufig keine Stellungnahme zur Frage der Assoziierung abgab, lag auch an den Unstimmigkeiten, die nicht nur innerhalb der einzelnen Ressorts bestanden, sondern sich auch zwischen den jeweiligen Ressorts ergaben. Insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium nahmen zunächst eine völlig ablehnende Haltung ein.190 Die unterschiedlichen Standpunkte wurden schließlich auf einer Kabinettssitzung am 15./16. Januar 1957 geklärt.191 Alsdann beschäftigte sich das Kabinett in der entscheidenden Verhandlungsphase Mitte Februar nochmals mit der Frage.192 Im Dezember präjudizierte Brentano mit einem Schreiben an den Bundeskanzler zumindest die Linie des Auswärtigen Amts.193 Der Außenminister begrüßte die Assoziierung wegen der erstrebenswerten „gemeinschaftliche[n] Erschließung der überseeischen Gebiete“ durch die europäischen Staaten. Dabei ordnete er die Assoziierung in die Reihe der Pläne zur wirtschaftlichen Erschließung der Kolonien im Europarat und der OEEC ein, deren Verwirklichung bisher an dem Widerstand der Kolonialmächte gescheitert sei,194 und betonte das deutsche Interesse an der Einbeziehung der Überseegebiete, das gerade im Rahmen des Schuman-Plans bestanden habe. Neben diesem wirtschaftlichen Interesse an Afrika hob Brentano die Bedeutung der betroffenen Gebiete bei der weltweiten Auseinandersetzung mit dem Kommunismus hervor, die auch in Afrika „im Gange“ sei.195 Die handelspolitische Abteilung des Auswärtigen Amts befürchtete hingegen eine Verstrickung der BRD in die Kolonialpolitik und damit die Schädigung des weitgehend unbelasteten Rufs der BRD in der Dritten Welt:196
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Ebd. Vgl. Vermerk Ref. 210, 27.11.56, in: PAAA, B 10/931. Vgl. Aufzeichnung von Harkort, 14.12.56. Vgl. 167. Kabinettssitzung, 15./16.1.57, in: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg. für das Bundesarchiv von H. WEBER, bearb. von U. ENDERS und J. HENKE, Bd. 10 (1957), München 2000, S. 86–105. Dieser lagen drei Kabinettsvorlagen zugrunde. Vgl. Kabinettsvorlage des BMWi, 7.1.57, in: PAAA, B 53/114; Kabinettsvorlage des BMF, 10.1.57, in: BA, B 136/1313; Kabinettsvorlage des AA, 10.1.57, in: PAAA, B 53/114. Vgl. 171. Sitzung, 15.2.57, in: Kabinettsprotokolle, Bd. 10 (1957), S. 141–145. Bundesminister des Auswärtigen von Brentano an Bundeskanzler Adenauer, 8.12.56, in: H. MÖLLER/K. HILDEBRAND: Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente 1949– 1963, München 1997, S. 621–623. Vgl. ebd. Im April 1954 lehnte die OEEC den Straßburg-Plan des Europarats ab. Brentano an Adenauer, 8.12.56, S. 622. Vgl. auch ENGEL, Ulf: Afrikapolitik der BRD, S. 227. Im Bundesaußenministerium ging man von einem „good-will“ aus, der die BRD in den Entwicklungsländern ausgezeichnet habe. Dieser beruhe auf dem Fehlen einer kolonialen Vorbelastung und auf der Anerkennung des wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Könnens der BRD. Vgl. BRENTANO, Heinrich von: Außenpolitische Fragen der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, 24.11.56, in: DERS.: Deutschland, Europa und die Welt. Reden zur deutschen Außenpolitik. Hg. v. Franz BÖHM. Bonn/Wien/Zürich 1962, S. 223.
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„wenn also Frankreich auf dieser neuen Grundlage versuchen sollte, eine konservierende Kolonialpolitik, die lediglich der Wahrung des kolonialen status quo dient, nicht mehr im Namen Frankreichs, sondern im Namen Europas zu betreiben. Die Bundesrepublik könnte in diesem Falle mit dem Odium belastet werden, an Bestrebungen teilzunehmen, welche freiheitliche politische Entwicklungen in den afrikanischen Gebieten erschweren.“197 Demgegenüber stand die Wahrnehmung, die die deutsche Botschaft in Paris übermittelte, dass Frankreich in seinen afrikanischen Gebieten südlich der Sahara eine Dekolonisationsstrategie verfolgte, die auf ein liberales Entgegenkommen auf politischem Gebiet und auf die zunehmende wirtschaftliche Durchdringung des sich emanzipierenden Kolonialbesitzes setzte.198 Ambivalent waren aber nicht nur die Wahrnehmung der französischen Kolonialpolitik, sondern auch die Haltungen ihr gegenüber, wie eine Äußerung Adenauers im Kabinett widerspiegelt. Auch die Denkweise des Bundeskanzlers war nicht frei von kolonialen Bildern. So offenbarte er eine paternalistische Haltung, als er auf den Einwand seines Wirtschaftsministers, das französisch-belgische Projekt berge für die Bundesrepublik die Gefahr der Verstrickung in die Kolonialpolitik, erklärte: „Der Bundeskanzler hält diesen Bedenken entgegen, daß der sogenannte antikolonialistische Gedanke im Rückgang begriffen sei. [...] Im übrigen sei er von Deutschen, die in Afrika wohnten, und von Albert Schweitzer wiederholt darauf hingewiesen worden, daß die Entwicklung der Schwarzen noch nicht so weit fortgeschritten sei, daß man sie sich selbst überlassen könnte. Die Schwarzen bedürften noch immer gewisser Lenkung.“199 Wie Staatssekretär Walter Hallstein in der Kabinettssitzung am 15. Januar erläuterte, sollte ein Hinweis im Vertrag auf die Bestimmungen der UN-Charta dem Vorwurf vorbeugen, unzeitgemäße koloniale Methoden zu billigen.200 Nicht die Aufrechterhaltung kolonialer Herrschaft dürfe das Ziel sein, sondern – wie es in der Kabinettsvorlage des Auswärtigen Amts hieß – die „politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Gebiete“, um diese „als Partner in die Welt des freien Westens“ einzubeziehen.201 Die Verwirklichung dieses Ziels wurde als gemeinsame europäische Aufgabe begriffen. Damit sollte auch das Prestige der Europäer in Afrika wieder hergestellt werden, das die Kolonialmächte zu verspielen drohten.202 Außerdem müsse die indigene Bevölkerung an den Beratungen und der Auswahl der zu finanzierenden Projekte beteiligt werden.203 Hier wird das Bestreben des Auswärtigen Amtes deutlich, die Assoziierung in das neue Betätigungsfeld der Entwicklungshilfe, das als neue Dimension außenpolitischen Handelns in das Blickfeld der Bundesregierung zu rücken begann, einzuordnen 197 198 199 200 201 202
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Schreiben Abt. 3 an Abt. 2, 4.12.56, in: PAAA, B 10/931. Vgl. Deutsche Botschaft Paris, Betr.: Lage in Schwarzafrika, 20.10.56, in: PAAA, B 24/271–2. 167. Kabinettssitzung, 16.1.57, S. 101. Vgl. ebd., 15.1.57, S. 96. Kabinettsvorlage des AA, 10.1.57 So zumindest die Wahrnehmung der deutschen Absichten durch das Hôtel Matignon. Vgl. Présidence du Conseil, Bulletin de Renseignements Politiques, Pays Afrique Centrale – République Fédérale d’ Allemagne, Vues allemandes sur l’ Afrique, 23.1.57. In: CAOM, Aff.Pol., 2317. Vgl. 167. Kabinettsitzung, 15.1.57, S. 98.
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und entsprechend den entwicklungspolitischen Grundsätzen der Bundesregierung auszurichten, die der Bundesaußenminister im November 1956 dargelegt hatte.204 Brentanos entwicklungspolitische Konzeption205 setzte auf Kooperation mit den Entwicklungsländern in Anerkennung wechselseitiger Interessenverbindungen, auf den Partnerschaftsgedanken und angesichts der perzipierten Wirtschaftsoffensive des Ostens in der Dritten Welt auf die Zusammenarbeit der westlichen Staaten in den wirtschaftlichen europäischen und internationalen Organisationen setzte.206 Der Bundeswirtschaftsminister sah hingegen nicht in der EWG den geeigneten Rahmen für eine derartige Zusammenarbeit, sondern in der NATO und der im Rahmen der OEEC geplanten Freihandelszone.207 Er lehnte daher eine „Präjudizierung für gewisse Gebiete im Sinne der französisch-belgischen Vorschläge“ ab.208 Außerdem vermisste er in den französisch-belgischen Vorschlägen gerade die von Brentano umrissenen „neue[n] Leitgedanken [...], die mit größerer Sicherheit erwarten lassen, daß auch auf die Dauer die infrage stehenden überseeischen Gebiete der freien Welt des Westens verbunden bleiben.“209 Vielmehr gefährde die Assoziierung die von der Bundesregierung angestrebte Vermittlerrolle in der Dritten Welt, da die Bundesrepublik in der öffentlichen Wahrnehmung den Anschein erwecken könnte, sich mit der Kolonialpolitik zu identifizieren.210
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Dieses Bestreben des Auswärtigen Amts schlug sich auch in der Sprachregelung nieder, wie Hallstein erläuterte: „Die Anregung des Bundesministers für Verkehr, nicht von überseeischen Gebieten, sondern von überseeischen Ländern zu sprechen, sei zu begrüßen. Sie vermittele den Anschluß an die Hilfe für die unterentwickelten Länder.“ (167. Kabinettssitzung, 16.1.57, S. 104) Tatsächlich bedienten sich der Bundesaußenminister und sein Staatssekretär während der Bundestagsdebatten am 21. März und 5. Juni dieser Sprachregelung, allerdings nicht durchgängig. Der Bundeswirtschaftsminister sprach hingegen wie die meisten Bundestagsabgeordneten von den überseeischen Gebieten. Vgl. 200. Sitzung des 2. Deutschen Bundestags, 21.3.57, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953/57, Stenographische Berichte , Bd. 35, S. 11330, 11344; 224. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages, 5.7.57, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953/57, Stenographische Berichte, Bd. 38, S. 13332. Vgl. BRENTANO, Heinrich von: Außenpolitische Fragen der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, 24.11.56, S. 214–227. Brentano betrachtete den vorherrschenden Begriff von Entwicklung, der generell Entwicklung mit Fortschritt gleichsetzte, mit Skepsis. Der Westen erschien ihm nicht zwangsläufig als Modell für die Entwicklungsländer, stattdessen plädierte er dafür, eigenständige, alternativer Entwicklungspfade zu beschreiten: „Dies bedeutet für uns die Erkenntnis, daß unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung nicht die einzig mögliche ist und nicht unbedingt wiederholt werden muß, und bedeutet für die Entwicklungsländer eventuell den Verzicht auf eine nur allzu verbreitete Illusion einer forcierten Modernisierung.“ (Ebd., S. 215) Vgl. Ebd.. Zur Wahrnehmung Handelspolitik des Ostblocks in der Dritten Welt vgl.: AA, Abt. 4, Handelspolitische Offensive des Ostblocks in unterentwickelten Ländern Asiens und Afrikas, Bonn, 15.2.56, in: PAAA, B 10/932 – A 9122. Vgl. Kabinettsvorlage des BMWi, 7.1.57 Vgl. zu Erhard: LÖFFLER; Bernhard: Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis. Das Bundeswirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard. Stuttgart 2003; MIERZEJEWSKI; Alfred C.: Ludwig Erhard. Der Wegbereiter der sozialen Marktwirtschaft. Biografie. München 2005; NÜTZENADEL, Alexander: Stunde der Ökonomen. Wissenschaft, Politik und Expertenkultur. Göttingen 2005 (=Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft). Ebd. Ebd. Vgl. ebd.
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Vor dem Hintergrund dieser Argumentation traten das Bundeswirtschaftsund das Bundesfinanzministerium für eine Trennung der handels- und finanzpolitischen Vorschläge ein.211 Prinzipielle Bedenken gegen das zu schaffende Handelssystem, das letztlich eine Ausweitung des Präferenzraums und des Überpreissystems der Union Française auf die Gesamtheit der Mitgliedstaaten zur Folge hatte, etwa hinsichtlich seines Beitrags zur weltwirtschaftlichen Blockbildung, der Diskriminierung von Drittstaaten sowie der Modifikation der Handelsströme der Bundesrepublik212 wurden gleichwohl zurückgestellt, da die handelspolitische Notwendigkeit einer Regelung durch das Eintreten der Kolonialmächte in den Gemeinsamen Markt anerkannt wurde. Dabei wurden die Außenhandelsgewinne der Assoziierung für Deutschland gering eingeschätzt. Selbst bei einer Verdoppelung des deutschen Handels mit den französischen Kolonialgebieten rechnete der Wirtschaftsminister nur mit einem Volumen von 180 Mio. DM jährlich; dies entsprach 0,3 % des deutschen Außenhandels.213 Handelspolitisch griffen Wirtschafts- und Finanzministerium dennoch das französisch-belgische Angebot weitgehend auf, lehnten allerdings langfristige Liefer- und Abnahmeverträge für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus den Überseegebieten aus Gründen des wirtschaftlichen Eigeninteresses und der ökonomischen Ideologie ab. Das System der Liefer- und Abnahmeverträge wurde nicht nur als Überbleibsel der Kolonialreichswirtschaft wahrgenommen, sondern weckte auch Assoziationen an die Autarkiepolitik des Dritten Reichs, die um die Herauslösung abhängiger Einflusssphären aus Weltwirtschaft und -politik bemüht gewesen war: „Die Vorschläge erinnern peinlich an die Idee autarker Grossräume, die mit dem Willen zur Stabilisierung einer freien westlichen Welt nichts gemein hat.“214 Die finanzpolitischen Vorschläge der Franzosen und Belgier lehnten Wirtschafts- und Finanzministerium ab und traten dafür ein, den Investitionsfonds von den Verhandlungen auszuklammern. Ein für die deutsche Wirtschaft schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich etwa mit einer Mittelzuwendung an die Weltbank sprach ihrer Meinung nach gegen den Investitionsfonds. Der geforderte Finanzbeitrag von 170 Mio. $ jährlich erschien zu hoch.215 Auch das Auswärtige Amt sah die Problematik der geforderten Beteiligung aller Mitgliedstaaten an den Kosten der allgemeinen Infrastruktur und lehnte deshalb eine globale Finanzierung ab. Das Amt unterschied daher politische, wirtschaftliche und soziale Infrastrukturvorhaben. Während es eine Beteiligung an denjenigen Investitionen, die sich aus der Souveränität ergaben (militärische Anlagen, 211
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Vgl. hierzu und zum Folgenden: Kabinettsvorlage des BMWi, 7.1.57; 167. Kabinettssitzung, 15./16.1.57, S. 96 f. Vgl. auch: MÜLLER-ARMACK, Alfred: Auf dem Weg nach Europa. Erinnerungen und Ausblicke. Tübingen 1971, S. 120, 184 ff., 188. Vgl. 172. Kabinettssitzung, 21.2.57, in: Kabinettsprotokolle, Bd. 10 (1957), S. 155. Am 21. Februar, d.h., nachdem die Regierungschefs die noch offenen Grundsatzfragen entschieden hatten, betonte Erhard nochmals die erwarteten nachteiligen Effekte der Assoziierung für die deutsche Wirtschaft: Durch die Angleichung des Zollsystems und durch die Notwendigkeit, die Lieferungen aus den französischen Kolonialgebieten in Anspruch zu nehmen, würden sich gewisse Waren, wie Kakao, Bananen und Ölfrüchte, erheblich verteuern. Es müsse auch vermieden werden, „daß die Bundesrepublik durch die Einbeziehung der überseeischen Gebiete in den Gemeinsamen Markt von den anderen Rohstoff-Märkten der Welt ausgeschlossen werde.“ Ebd. Kabinettsvorlage des BMWi, 7.1.57 Vgl. Kabinettsvorlage des BMWi, 7.1.57; 167. Kabinettssitzung, 15./16.1.57, S. 96 ff.
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polizeiliche Einrichtungen etc.), ablehnte, befürwortete es eine Beteiligung an wirtschaftlichen und sozialen Infrastrukturvorhaben unter bestimmten Bedingungen.216 Mit dieser Kategorisierung der Finanzierungsbereiche sollte eine Verstrickung in die Kolonialpolitik vermieden werden. Aber auch die hier Gestalt annehmende bundesdeutsche Assoziierungskonzeption oszillierte zwischen kolonialen und postkolonialen Entwicklungspostulaten. So sollten wirtschaftliche Infrastrukturvorhaben (Kanäle, Straßen, Staudämme, Kraftwerke etc.), die das Auswärtige Amt unter den Oberbegriff „Aufschließungskosten“ subsumierte, von den Mitgliedstaaten gemeinsam finanziert werden, „sofern solche Projekte von allgemein europäischem Interesse sind“.217 Bundesfinanzminister Schäffer setzte in diesem Zusammenhang den Akzent auf das Kriterium der Rentabilität und präzisierte den Vorschlag des Auswärtigen Amts dahingehend.218 Während in diesem Finanzierungsbereich also das Eigeninteresse Europas in den Vordergrund gestellt wurde, stand die Kategorie „soziale“ Infrastruktur (Krankenhäuser, Schulen, Lehrwerkstätten etc.) unter entwicklungspolitischen Vorzeichen. „[D]ie soziale Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung“219erklärte das Auswärtigen Amts nämlich in diesem Bereich zum gemeinschaftlichen Ziel und sprach sich für eine Finanzierung mit festen Beträgen à fonds perdu aus. Der Bundeskanzler schärfte schließlich in der Kabinettssitzung vom 15. Januar gegenüber der eigennützigen Position Erhards und Schäffers die entwicklungspolitische Linie der Bundesregierung mit der Feststellung: „Gerade, wenn man die Grundsätze veralteter Kolonialpolitik von sich weise, sollte man nicht nur an das europäische Interesse denken, sondern auch an die soziale Entwicklung der Bevölkerung dieser Gebiete.“220 Adenauer maß der Assoziierungsfrage einerseits im Kontext des Ost-WestKonfliktes politische Bedeutung bei,221 andererseits hegte er wirtschaftliche Erwartungen in den Zukunftskontinent Afrika – „Jetzt hätte die Bundesrepublik die Möglichkeit, sich an der Entwicklung eines der reichsten Gebiete der Welt zu beteiligen.“222 – und kam daher zu dem Schluss: „Es sei für uns ein Gebot wirtschaftlicher und politischer Klugheit, uns zu beteiligen. Die Kautelen, auf die Staatssekretär Hallstein hingewiesen habe, müssten jedoch beachtet werden.“223 Während der Bundeskanzler in dem Assoziierungsvorschlag „eine große politische Geste“224 sah, die Frankreich der Welt gegenüber machen wolle, vermutete der Vizekanzler hinter diesem Vorschlag nur das französische Interesse am burden sharing.225 Im Übrigen war für Erhard die Assoziierungsforderung wie216 217 218 219 220
221 222 223 224 225
Vgl. ebd., S. 95 f.; Kabinettsvorlage des AA, 10.1.57 Vgl. ebd. Vgl. 167. Kabinettssitzung, 15.1.57, S. 97. Kabinettsvorlage des AA, 10.1.57 Vgl. 167. Kabinettssitzung, 15.1.57, S. 98. Vgl. weiterhin zu Adenauers Blick auf die Assoziierung: ADENAUER, Konrad: Erinnerungen, 1955–1959. Stuttgart 1967, S. 269 f.. Erhard stimmte schließlich den Ziffern 8 und 9 der Kabinettsvorlage des Auswärtigen Amts zu, die die Beteiligung an den Infrastrukturinvestitionen betrafen. Mit Blick auf den Marshallplan erkannte er im Bereich der sozialen Infrastruktur eine entwicklungspolitische Verpflichtung Europas an. Vgl. ebd., 16.1.57, S. 102. Vgl. ebd., S. 96. Ebd., 16.1.57, S. 101. Ebd., 15.1.57, S. 96. Ebd., 16.1.57, S. 101. Vgl. ebd., 16.1.57, S. 101.
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der eine neue Forderung Frankreichs, zu der man nicht „in Bausch und Bogen ja sagen“ könne.226 Daher war für ihn, als Frankreich am 15. Februar mit neuen Vorschlägen auf den deutschen Gegenvorschlag vom 1. Februar antwortete, die Grenze des Zumutbaren erreicht. Er lehnte weitere Zugeständnisse ab und wollte sogar den Abbruch der Verhandlungen in Kauf nehmen.227 Hinter Erhards Haltung verbarg sich auch der grundsätzliche Konflikt zwischen einer „institutionellen“ und „funktionalen“ Lösung der Europapolitik.228 Er setzte auf die von ihm favorisierte Option der Freihandelszone, von der der Gemeinsame Markt nur ein Teilstück sei.229 Vor diesem Hintergrund hatte schon der Bundesfinanzminister in der Kabinettssitzung am 15./16. Januar die Rücksichtnahme auf die Interessen Großbritanniens angemahnt.230 Adenauer erkannte hingegen im Gemeinsamen Markt „das Kernstück unserer Bemühungen“231 und ordnete vor diesem Hintergrund die wirtschaftspolitischen Interessen der Bundesrepublik eindeutig den außenpolitischen unter.232 Ausgehend von der Einschätzung, dass die Einbeziehung der überseeischen Länder und Gebiete für Frankreich eine conditio sine qua non sei,233 entschieden sich der Bundeskanzler und das Auswärtige für ein flexibles Vorgehen, das einerseits auf die französischen Forderungen einzugehen versuchte, andererseits bestrebt war, die finanzielle Hilfe in Grenzen zu halten und sich nicht in politische Verantwortung für die Kolonien zu begeben. Das Kabinett folgte dieser Linie, um dem eingeschlagenen Weg einer institutionellen Lösung schnell und erfolgreich zu Ende gehen zu können. Die Zustimmung der Bundesregierung zur Einbeziehung der überseeischen Länder und Gebiete verdankte sich also ihrem politischen Interesse am Gemeinsamen Markt, gleichwohl wollte sie die Modalitäten der Assoziierung mitbestimmen. Die Findung eines Kompromisses erleichterte auch die Schärfung der entwicklungspolitischen Perspektive auf der intragouvernementalen Verhandlungsebene. Insbesondere die Darstellung des afrikanischen Anliegens durch Houphouët-Boigny im Château de la Muette beeindruckte die deutsche Delegation nachhaltig.234 226 227 228
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Ebd., 15.1.57, S. 98. Vgl. 171. Kabinettssitzung, 15.2.57, S. 143 f. Vgl. auch: THIEMEYER; Guido: „West German Perceptions of Africa and the Association of the Overseas Territories with the Common Market 1956–1957“, in: BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard: L’Europe unie et l’Afrique, S. 272–274. Vgl. ebd., S. 143. Vgl. 167. Kabinettssitzung, 15./16.1.57, S. 96, 102. Staatssekretär Hallstein erklärte demgegenüber, dass England den Ausschluss der überseeischen Gebiete nicht kategorisch zur Voraussetzung seines Beitritts zum Gemeinsamen Markt gemacht. Vgl. Ebd., S. 97, 103. Dennoch thematisierte Brentano auf der Konferenz der Außenminister der Montanunion am 18. Februar 1957 die Rücksichtnahme auf die Bedenken Großbritanniens, als er vorschlug, die handelspolitische Assoziierung einer späteren Entscheidung zu überlassen. Vgl. AA, Ref. 210, Gründe für die Assoziation der überseeischen Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Bonn 19.3.57, in: PAAA, B 53/169. 171. Kabinettssitzung, 15.2.57, S. 143. Ebd., S. 144. Vgl. ebd., S. 142 f. Vgl. MÜLLER-ARMACK, Alfred: Auf dem Weg nach Europa, S. 119, 187. Der damalige Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im BMWi berichtet: „Wir waren alle tief von dieser afrikanische Persönlichkeit beeindruckt. Seiner Intervention ist es vor allem zu verdanken, daß man bereit war, die Assoziierung auf fünf Jahre mit finanzieller Hilfe zu verknüpfen, [...].“ (S. 119)
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Die deutsche Delegation unterbreitete den Verhandlungspartnern ihren Gegenvorschlag zum französisch-belgischen Assoziierungsprojekt erstmals am 21. Januar 1957.235 Am 1. Februar legte sie eine modifizierte Fassung des deutschen Gegenprojekts vor.236 Sich von der Kolonialpolitik abgrenzend und eine entwicklungspolitische Perspektive einnehmend, brachte es vor allem zum Ausdruck, dass die Assoziierung im Einklang mit den Grundsätzen der Artikel 73 und 76 der Charta der Vereinten Nationen zu stehen habe.237 Handelspolitisch griff der Vorschlag das Angebot der Belgier und Franzosen auf.238 Dies schloss nicht die geforderten Abnahmeverpflichtungen ein, allerdings bestand hier deutscherseits Kompromissbereitschaft.239 Während sich also im handelspolitischen Teil der deutsche Vorschlag weitgehend mit den französisch-belgischen Forderungen deckte, erhob die Bundesregierung den Anspruch, auf dem finanziellen Gebiet „von einer vollständig anderen Grundkonzeption“ auszugehen.240 Die Investitionen der übrigen Mitgliedstaaten sollten die bisherigen Leistungen der Mutterländer nicht ersetzen, sondern ergänzen. Außerdem sah der deutsche Vorschlag keine Lastenteilung mit Frankreich vor:241 Die Größenordnung der Finanzbeiträge ließ die deutsche Delegation bewusst offen.242 Der bundesdeutsche Vorschlag unterschied soziale und wirtschaftliche Infrastrukturinvestitionen. Im Bereich der wirtschaftlichen Infrastruktur band er die Finanzierungshilfe an konkrete förderungswürdige Einzelprojekte, über die fallweise im Ministerrat entschieden werden sollte.243 Schließlich wies die deutsche Delegation der EWG-Kommission bei der Verwaltung der Mittel eine zentrale Rolle zu: Im sozialen Bereich sollte sie die Mittel verteilen und deren Verwendungszwecke festlegen, im Bereich der wirtschaftlichen Infrastruktur die Durchführungsmöglichkeiten untersuchen und dem Ministerrat die entsprechenden Vorschläge unterbreiten – und dies, entsprechend dem bundesdeutschen Anliegen, die überseeischen Länder und Gebiete an den Beratungen und der Auswahl der Projekte zu beteiligen, „im Benehmen mit den Vertretungen der Bevölkerung der Länder und Gebiete“ organisieren.244 235
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Vgl. Ministerialdirigent Harkort, Aufzeichnung, Betr.: Assoziation der überseeischen Gebiete, Brüssel, 23.1.57, in Ebd.; Comité des Chefs de délégation: Projet de procès-verbal (réunions des 21 et 22 janvier 1957), Brüssel 22.1.57, in: HAEG, EN 310. Vgl. Die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit dem Gemeinsamen Markt. Geänderter und ergänzter Vorschlag der deutschen Delegation, Bonn, 1.2.57, in: Ebd., 113; B 10/917. Vgl. hierzu und zum Folgenden: Ebd. Vgl. auch Harkort, Betr. Überseeische Gebiete, hier: Änderung des deutschen Vorschlags vom 1.2.57 gegenüber dem deutschen Vorschlag vom 21.1.57, Bonn, 1.2.57, in: PAAA, B 53/113. Vgl. MinDirg Carstens, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit dem Gemeinsamen Markt, Bonn, 15.2.57, in: Ebd. AA, Aufzeichnung, Die Assoziierung der überseeischen Gebiete mit dem Gemeinsamen Markt, 12.2.57, in: Ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Die Bundesregierung kalkulierte die jährlich fixierte Summe von 25 Mio. $ jährlich für soziale Investitionen und einen Jahresgesamtbeitrag von 75 Mio. $ für die wirtschaftlichen Infrastrukturmaßnahmen. Diese Summen bildeten nach der Kalkulation des Bundesministeriums der Finanzen die Obergrenze. Vgl. auch die Ausführungen des Bundesministers des Auswärtigen auf der Kabinettssitzung am 15.2. zum Plafond von 300 Mio. $ als Vierjahresbetrag für die wirtschaftliche Infrastruktur, den die deutsche Delegation zwischenzeitlich als Vorschlag den Verhandlungspartnern unterbreitet hatte. (171. Kabinettssitzung, 15.2.57, S. 141.) Vgl. auch: Ebd. Geänderter und ergänzter Vorschlag der deutschen Delegation, 1.2.57
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Der Aufbringungsschlüssel, den die Deutschen vorschlugen, basierte auf demjenigen für die europäische Investitionsbank und sah eine Beteiligung von Frankreich und der Bundesrepublik mit jeweils 30 %, Italiens mit 24 %, Belgiens mit 8,65%, der Niederlande mit 7,15 % und Luxemburgs mit 0,2 % vor. Da der Anteil jedes Staates dem Stimmenverhältnis im Ministerrat entsprach, maß die Bundesregierung dem Schlüssel wesentliche Bedeutung für die Sicherung ihres Einflusses auf die Assoziierungspolitik bei.245 Im Außenministerium war man sich bewusst, dass der deutsche Vorschlag nicht den französischen Vorstellungen entsprach, da Frankreich einerseits auf die Übernahme fester Abnahmeverpflichtungen Wert legte und andererseits Finanzbeiträge erwartete, die der Finanzierung der allgemeinen Infrastruktur – ob wirtschaftlich oder sozial – dienten, zu einer vergleichbaren Belastungen der Kolonialmächte und der Mitgliedstaaten ohne Kolonialbesitz führten und schließlich zahlenmäßig fixiert waren.246 Trotzdem beobachtete Carstens seit der Außenministerkonferenz am 4. Februar eine Annäherung zwischen dem französischen und dem deutschen Standpunkt, dem sich die meisten Delegationen anschlossen.247 Vor dem Hintergrund dieser Wahrnehmung stellte der neue französische Vorschlag vom 15. Februar, der entgegen der von der Bundesrepublik favorisierten Lösung der Aufnahme einer Grundsatzbestimmung in den Vertrag die Aufnahme eines neuen Kapitels für die Assoziierung in den Vertrag und eine Durchführungskonvention forderte, eine Überraschung dar.248 Vor ein neues Problem stellte die Bundesregierung schließlich das geforderte Spezialkapitel für die DOM und Algerien, nach dem Algerien mit einigen Modifikationen als Teil Frankreichs in den Gemeinsamen Markt einbezogen werden sollte, obwohl Algerien in der Montanunion nicht als Teil Frankreichs behandelt wurde.249 Dies führe nämlich dazu, wie Carstens erläuterte, dass die deutscherseits stets geforderte Voraussetzung für die Assoziierung, nämlich ihre Übereinstimmung mit den Grundsätzen der UN-Charta, für Algerien nicht gelte. Damit drohte der Bundesrepublik auf europäischer Ebene die Verwicklung in einen Kolonialkonflikt, der bisher in den deutsch-französischen Beziehungen und der bundesdeutschen Europapolitik nur eine marginale Rolle gespielt hatte – gerade auch aufgrund des großen Interesses der Bundesregierung an der europäischen Integration.250 Die von Brentano und Carstens angesichts dieser französischen Forderung vorgege-
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246 247 248
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BMF, Finanzbeiträge, 12.2.57. Da Frankreich und Belgien nach diesem Schlüssel zusammen über 38,65 Stimmen verfügten, hätten sie die Unterstützung Italiens und der Niederlande für die qualifizierte Mehrheit von 67 Stimmen gebraucht. Vgl. Harkort, Aufzeichnung, 23.1.57 Vgl. Carstens, Aufzeichnung, 15.2.57 Vgl. Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und Euratom, Sekretariat, Ausschuss der Delegationsleiter, Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit dem Gemeinsamen Markt, Vorschlag der französischen Delegation, 15.2.57, in: PAAA, B 53/114. Vgl. Carstens, Aufzeichnung, 15.2.57. Vgl. ebd. Vgl. MÜLLER, Klaus–Jürgen: Le réalisme de la République fédérale d’Allemagne, S. 410. Seitens des Bundesministeriums der Finanzen waren schon am 10. Januar vor dem Hintergrund der aktuellen Problematik in Nordafrika Bedenken gegen die Assoziierung geäußert worden. Es hielt angesichts der Ereignisse in Ägypten und Algerien für verfehlt, „in dieser Zeit auf einem so heiklen Gebiet politische Verantwortung übernehmen zu wollen.“ Vgl. BMF, Aufzeichnung, Betr.: Brüsseler Regierungskonferenz (Gemeinsamer Markt und Euratom), 10.1.57, in: PAAA B 53/114.
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bene Linie, war Ausdruck jenes „prudent pragmatisme“251, der die Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Algerienproblem bestimmte. Beide Politiker akzeptierten, dass Algerien eine Sonderbehandlung erfahren sollte, machten jedoch die Durchführung von europäischen Entwicklungsvorhaben in Algerien von der weiteren Entwicklung der Lage abhängig.252 Auf der Außenministerkonferenz am 18. Februar verlieh die deutsche Delegation noch einmal ihren außenwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Bedenken Ausdruck. Aufgrund des geringen handelspolitischen Interesses der Bundesrepublik an der Assoziierung schlug Brentano im Verlauf der Diskussion seinem französischen Kollegen vor, die Regelung zunächst auf die Entwicklungshilfe im eigentlichen Sinne, die Finanzhilfe, zu beschränken, den gesamten Komplex einer handelspolitischen Assoziierung jedoch einer späteren Regelung zu überlassen – ein Ansinnen, das Pineau aus politischen Gründen zurückwies.253 Als in der Nachtsitzung die Außenzollsätze für tropische Produkte festgelegt wurden, erhob Müller-Armack Einspruch „gegen die bedenkenlose Differenzierung des Welthandels, die hier vorgenommen wurde“.254 Während dieser Verhandlung, die den Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im Bundeswirtschaftsministerium an eine „Basar-Szene“255 erinnerte, feilschten die Delegationen um jeden Tarif. Dabei schwankten sie je nach Interessenlage zwischen einer liberalen oder mehr protektionistischen Haltung.256 Über den vorgeschlagenen Bananenzoll von 20 % konnte aufgrund des Widerstands der bundesdeutschen Delegation keine Einigung erzielt werden.257 Dennoch war die Bundesregierung mit dem auf der Konferenz der Regierungschefs am 19./20. Februar gefundenen Kompromiss in der Assoziierungs251 252 253
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MÜLLER, Klaus-Jürgen. Le réalisme de la RFA, S. 417. Vgl. 171. Kabinettssitzung, 15.2.57, S. 142; Carstens, Aufzeichnung, 15.2.57 Vgl. Projet de procès-verbal de la Conférence des Ministres des Affaires Etrangères des Etats membres de la C.E.C.A. (Paris, 18 février 1957), Brüssel, 6.3.57, in: HAEG Florenz, EN 336; AA, Ref. 210, Gründe für die Assoziation der überseeischen Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Bonn 19.3.57, in: PAAA, B 53/169. Dieser Vorschlag verdankte sich auch der bundesdeutschen Rücksichtnahme auf die Bedenken Großbritannien. MÜLLER-ARMACK, Alfred: Auf dem Weg nach Europa. S. 120. Ebd., S. 189. Vgl. KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 345; SPAAK: Memoiren eines Europäers. Hamburg 1969, S. 320 ff. MÜLLER-ARMACK, Alfred: Auf dem Weg nach Europa, S. 190. 1955 kamen nur 0,43 % der bundesdeutschen Bananenimporte aus dem frankophonen Afrika, da die Preise der PTOM für diese Ware wesentlich höher waren als die anderer Produzenten. Die Banane war eine beliebte Frucht in der BRD, die günstig vor allem aus Ecuador importiert wurde. Der Gemeinsame Außenzoll sollte aber die Importe dieser Ware aus Drittländern auf ein Preisniveau verteuern, das über dem der Produkte aus den PTOM lag, und damit zu Exporten aus den PTOM ermuntern. Die Bananenfrage wurde schließlich während einer Sonderverhandlung mit Marjolin in Bonn gelöst. Ein Zusatzprotokoll garantierte der BRD ein freies Kontingent von 90% der im Jahr 1956 eingeführten Mengen. Die Einfuhrmenge des Jahres 1956, abzüglich der Einfuhr aus den assoziierten Ländern und Gebieten, belief sich auf 290 000 t. Nach Ablauf der zweiten Stufe verringerte sich dieses Kontingent auf 80% und mit der vollständigen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs auf 75% der vorgenannten Menge. Weiterhin erklärte die Bundesregierung ihre Absicht, alles in ihrer Kraft Stehende zur Förderung des Absatzes afrikanischer Bananen (insbesondere diejenigen Kameruns) zu tun, obwohl diese der deutschen Geschmacksrichtung wenig entsprachen. Vgl. ebd.; Protokoll über das Zollkontingent für die Einfuhr von Bananen; KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 345 (Anm. 195); MOSER, Thomas: Eurafrika, Tab. 12, S. 355.
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frage zufrieden, da die Regelung auf antikolonialistischen und zugleich entwicklungspolitischen Grundsätzen fußte.258 Schließlich musste die Bundesregierung auch auf die Erwartungshaltungen der deutschen Exportwirtschaft und die vorherrschende antikolonialistische Stimmung im Bundestag und in der Öffentlichkeit Rücksicht nehmen. Aufgrund einer zurückhaltenden Informationspolitik blieben der Öffentlichkeit die Kontroversen innerhalb der Bundesregierung weitgehend verborgen.259 So wurde die deutsche Wirtschaft erst im Januar 1957 detailliert über Vertragsinhalte informiert. Daher fehlte dem BDI auch die Zeit, bis zur Vertragsunterzeichnung eine geschlossene Haltung zu entwickeln. Die Industrie zeigte sich weniger enthusiastisch als früher gegenüber den Perspektiven des Gemeinsamen Marktes. Dazu trug die Befürchtung bei, dass vor dem Hintergrund der Konzessionen gegenüber Frankreich nunmehr dirigistische Grundsätze die Wirtschaftsgemeinschaft beherrschen könnten. Bedenken richteten sich insbesondere gegen einzelne Artikel wie die zoll- und handelspolitischen Regelungen und die öffentlichen Investitionen in die überseeischen Gebiete.260 Außerdem trugen die während der letzten Jahre gemachten Erfahrungen mit der französischen Kolonialmacht zur Zurückhaltung der deutschen Wirtschaft gegenüber der Assoziierungsidee bei.261 Die schwer zugänglichen französischen Kolonien erschienen „kaum als attraktive Alternative“262 zu den Sterling-Block-Gebieten. Vielmehr befürchtete die deutsche Wirtschaft die handelspolitische Teilung Afrikas zwischen den assoziierten und nicht-assoziierten Ländern.263 Zudem gab es Bedenken, dass die Assoziierung die Freundschaft und den Handel mit den arabischen und asiatischen Ländern beeinträchtigen könne.264 Gleichwohl schien die Assoziierung den deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen in Afrika auch neue Perspektiven zu eröffnen. So bereiste auf Einladung der französischen Regierung im Frühjahr 1957 eine deutsch-französische Wirtschaftsdelegation Westafrika, deren deutsche Mitglieder einen positiven Eindruck von den Entwicklungsmöglichkeiten der französischen Kolonien mit nach Hause nahmen.265 Auch die veröffentlichte Meinung war dem Projekt des Gemeinsamen Marktes gewogen. In der Endphase der Verhandlungen erschien jedoch die Frage der Assoziierung der Überseegebiete als letztes Hindernis für einen erfolgreichen Abschluss. Ohnehin stand die öffentliche Meinung dem Assoziierungsprojekt zurückhaltend bis ablehnend gegenüber. Einerseits wurde die Beteiligung am Investitionsfonds als schweres finanzielles Opfer empfunden, andererseits herrschte die Befürchtung vor, die Bundesrepublik könne sich in das letzte Kapi258 259
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Vgl. AA, Gründe für die Assoziation der überseeischen Gebiete, 19.3.57 Erst im März wurde die Kritik am EWG-Vertrag auch von regierungsnahen Zeitungen und Persönlichkeiten häufiger. Die Kritik, die Bundeswirtschaftsminister Erhard gegenüber amerikanischen Journalisten am EWG-Vertrag übte, führte zu einer Intervention der französischen Botschaft beim Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Globke. Vgl. Couve de Murville, französischer Botschafter, an das französische Außenministerium, 16.3.57, in: MAE, dece 629. Vgl. Fernschreiben des französischen Botschafters in der BRD an den französischen Außenminister, 6.2.57, in: MAE, dece 629; Küsters: Gründung, S. 427. Vgl. WILKENS, Andreas : L’Allemagne et l’Afrique, S. 290. KRÄMER, Martin: Die Chronik des Afrika-Vereins, S. 30. Vgl. ebd. Vgl. Ambassade de France (Couve de Murville) à Pineau, Bonn, 7.1.57, in: MAE, dece 720. Vgl. auch G. SCHRÖDER: Müssen wir nach Afrika zurückkehren?, in: DIE WELT, 28.12.56. Vgl. Reiseberichte von Dr. R. Wasmuth, 5./10./12./30.4.57, in: BA Koblenz, B 102/57918.
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tel der zu Ende gehenden Kolonialherrschaft verstricken. Demgegenüber blieben die Pressestimmen in der Minderheit, die wie Die Welt die Vision eines Eurafrika mit der Assoziierung Gestalt annehmen sahen.266 Die Bundesregierung versuchte die aufkommende Kritik, die auch von den Oppositionsparteien SPD und FDP geäußert wurde, aufzufangen, indem sie der Forderung der SPD nach Einsetzung eines Bundestagsunterausschusses und den Rufen nach einer Bundestagsdebatte zustimmte.267 Die Debatte über den Gemeinsamen Markt fand am 21. März, also nur vier Tage vor der Unterzeichnung der Verträge in Rom, statt.268 Die CDU-Fraktion unterstützte den Kurs der Regierung, übte jedoch auch Kritik.269 So stellte für den Bundestagsabgeordneten Otto Lenz die geplante Assoziierungspolitik eine „Überraschung und zunächst keine angenehme“270 dar. Im Bundestag setzten sich die Parlamentarier dann auch kontrovers mit der Assoziierung der überseeischen Gebiete auseinander. Gegenstand der Kontroverse war deren Verortung zwischen einer veralterten Kolonial– und einer Entwicklungspolitik in emanzipatorischer Absicht. Hans Furler wies denKolonialismus-Vorwurf zurück, der jede Tätigkeit europäischer Staaten in Gebieten außerhalb Europas diskriminiere. Außerdem verwahrte er sich gegen die „mit dem Schlagwort ‚Kolonialismus‘“271 einhergehenden negativen Konnotationen.272 Seine positive Sichtweise auf den ökonomischen und zivilisatorischen Impetus der kolonialen Herrschaft war allerdings blind für die Problematik der Fremdbestimmung. In diesem Punkt zeigte sich die Opposition sensibler. Der SPD-Wirtschaftsexperte Heinrich Deist betonte, dass „die überseeischen Gebiete tatsächlich zwangsweise in den Gemeinsamen Markt eingeschlossen“273 würden, und der FDP-Abgeordnete Robert Margulies vermisste die Mitarbeit der souveränen nordafrikanischen Länder in den EWG-Institutionen.274 Ein entscheidendes Kriterium für die Opposition war die Wahrnehmung der Assoziierung 266
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Vgl. die Berichte der französischen Botschaft vom 22.1.57, 24.1.57, 20.2.57, 21.2.57, 6.3.57 und 14.3. 57 sowie Schreiben von Xavier de Montjoye, Consul de France in Kiel, an französischen Außenminister, Betr.: Le marché commun européen, 22.1.57, in: MAE, dece 629. Die französische Botschaft nahm den Vorwurf, der EWG-Vertrag habe eine koloniale Seite, so ernst, dass sie Maßnahmen der Gegenaufklärung ergriff. Vgl. Couve de Murville an das französische Außenministerium, 14.3.57, in: ebd. Der Unterausschuss Brüsseler Verträge des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags unter dem Vorsitz des CDU-Abgeordneten Furler begann seine Beratungen am 27. Februar und beendete diese in der zweiten Märzhälfte. Vgl. KÜSTERS, Hanns Jürgen: Gründung, S. 424 (Anm. 401). Vgl. 200. Sitzung des 2. Deutschen Bundestags, 21.3.57, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953/57, Stenographische Berichte , Bd. 35, S. 11327 ff.. Hinsichtlich der Assoziierung der Überseegebiete fürchtete die Unionsfraktion angesichts des bevorstehenden Bundestagwahlkampfs im Herbst vor allem den möglichen Vorwurf der Sozialdemokraten, die Bundesregierung verstricke die Bundesrepublik in die Kolonialpolitik und kompromittiere sie international. Vgl. Couve de Murville an das französische Außenministerium, 16.1.57, in: MAE, dece 629. LENZ, Otto: Westafrika und der Gemeinsame Markt. An Projekten fehlt es nicht – Staudämme im Vordergrund der Planung, in: BULLETIN DES PRESSEAMTES DER BUNDESREGIERUNG Nr. 82, 4.5.57, S. 724. Furler, 21.3.57, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953/57, Stenographische Berichte, Bd. 35, S. 11348. Ebd. Deist, 21.3.57, in: Ebd., S. 11341. Vgl. Margulies, 21.3.57, in: Ebd., S.11352.
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von außen. Insbesondere durch den Algerienkonflikt erschien die Assoziierung diskreditiert: „Solange Frankreich keine Lösung des schwierigen nordafrikanischen Problems findet, wird alle Tätigkeit, die in diesen Gebieten entfaltet wird, als Beitrag zur Festigung der Kolonialherrschaft angesehen werden; ob das richtig ist oder nicht, ist dabei völlig gleichgültig.“275 Entscheidendes Kriterium, um die Assoziierung von der Kolonialpolitik alten Stils abzugrenzen, war für den Bundestag, die Tatsache, dass die Assoziierung den Interessen der indigenen Bevölkerung dienen sollte. Die wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit mit den abhängigen Gebieten sollte die Voraussetzungen für deren politische Unabhängigkeit schaffen. Die Einschätzungen, ob die gefundene Assoziierungsregelung diesem Ziel genüge, gingen jedoch zwischen Regierung und Opposition auseinander. Staatssekretär Hallstein kam zu dem Schluss, dass die Assoziierung keine Ähnlichkeit mit kolonialen Methoden habe.276 Furler ergänzte, die Assoziierung begünstige die Evolution der abhängigen Gebiete zur Freiheit, und betonte den innovativen Charakter dieser Regelung.277 Die SPD hingegen kritisierte, dass die betroffenen Gebiete zwangsweise assoziiert würden. Auch die von Staatssekretär Hallstein erwähnte Loi cadre garantiere nicht das volle Mitbestimmungsrecht der Assoziierten bei der Auswahl der Projekte.278 Der für ihre Haltung gegenüber dem EWG-Vertrag mitentscheidenden Assoziierungsfrage schien der SPD-Fraktion noch das „Odium einer überholten Kolonialpolitik“279 anzuhaften. Während der Ratifizierungsdebatte stimmte die SPD schließlich der Assoziierung in der Überzeugung zu, dass der Bundestag den Vertrag in einer antikolonialen Art und Weise ausgelegt damit gleichzeitig der Bundesregierung im EWG-Ministerrat eine Richtlinie vorgegeben habe.280 Damit waren die Sozialdemokraten auch in dieser Frage auf die Linie der europäischen Sozialisten eingeschwenkt.281 Trotz aller Widersprüche herrschte im Bundestag Einigkeit über die Bedeutung, die der Assoziierung beizumessen war: Auf die wirtschaftliche Bedeutung Afrikas aufgrund seines Rohstoffreichtums und seiner geographischen Lage wurde hingewiesen,282 insbesondere aber vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts betonte Furler, „wie ungeheuer wichtig es für unsere Freiheit, für unsere Wirtschaft und für die Lebensinteressen unseres alten Kontinents ist, daß jene Territorien nicht verloren gehen, nicht in einen anderen Einflußbereich hineinkommen.“283 Die eigentliche Ratifizierungsdebatte fand am 5. Juli auf der Grundlage des Berichts des 3. Sonderausschusses (Gemeinsamer Markt/Euratom), der auf 275
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Deist, 21.3.57, in: Ebd., S. 11341. Furler verwies demgegenüber auf den Sonderstatus, den Algerien im EWG-Vertrag erhalte und der deutlich mache, dass die EWG die französische Politik in Algerien nicht unterstütze. (Vgl. Furler, 21.3.57, in: Ebd., S. 11348.) Vgl. Hallstein, 21.3.57, in: Ebd., S. 11331. Vgl. Furler, 21.3.57, in: Ebd., S. 11348. Vgl. Deist, 21.3.57, in: Ebd., S. 11341 f. Ebd., S. 11342. Vgl. Metzger, 5.7.57, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953/57, Stenographische Berichte, Bd. 38, S. 13343–13346. Ebd., S. 13345. Vgl. auch den Beitrag des Abgeordneten Mellies, der im Namen der SPD– Fraktion, die Gründe für deren Zustimmung zusammenfasste, in: Ebd., S. 13348. Vgl. ebd., S. 11340. Furler, 21.3.57, in: Ebd., S. 11348.
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Beschluss des Bundestags vom 9. Mai eingesetzt worden war,284 statt.285 In der ruhig verlaufenden Debatte kam die Überzeugung des Bundestags zum Ausdruck, dass die EWG eine historische Notwendigkeit sei. Vielfach wurde aber ihr Schicksal an die Lösung geknüpft, die Frankreich für seine Probleme finden werde. Das Kolonialproblem spielte dabei im Hintergrund der Debatte eine Rolle, auch wenn es nicht immer explizit erwähnt wurde.286 Lediglich der SPD-Abgeordnete Ludwig Metzger widmete als einziger seinen Beitrag vollständig der Assoziierungsfrage.287 Nach vierstündiger Debatte stimmte der Deutsche Bundestag den Römischen Verträgen zu. Der Bundesregierung gelang es also durch ihre flexible und zugleich konstruktive Antwort auf die Forderung nach der Einbeziehung der überseeischen Länder und Gebiete in den Gemeinsamen Markt, die Modalitäten der Assoziierung mitzubestimmen. Nicht zuletzt ihrem Einfluss ist es zu verdanken, dass die Assoziierung Ansätze eines Paradigmenwechsels von der kolonialen Modernisierungspolitik hin zur Entwicklungspolitik in emanzipatorischer Absicht aufwies. Dennoch blieb die Assoziierung für die Bundesrepublik eine Notlösung, der sie in erster Linie aufgrund ihres politischen Interesses am Zustandekommen der Römischen Verträge zustimmte, der sie allerdings auch einen relativ unbedeutenden und mit wenigen Risiken verbundenen Stellenwert zumaß.288 Nach der Einigung in Paris erfuhr diese Einschätzung jedoch in der Öffentlichkeit eine Umwertung. Auch Adenauer weitete den Blick für die eurafrikanische Perspektive, die die Assoziierung eröffnete: „Der Bundeskanzler knüpft an einen Zeitungsartikel an, der von der ‚Vision von Eurafrika‘ spricht. Alle großen Ideen erschienen zunächst visionär, so auch die enge Verbindung zwischen Europa und Afrika und die enge wirtschaftliche Verbindung zwischen den Montanunion-Staaten, die jetzt beginnen solle. Keine über das Tagesgeschehen hinausgehende Tätigkeit sei in der Welt ohne Risiko. Dieses Risiko müsse das freie Europa auf sich nehmen, um nicht in absehbarer Zeit zwischen den Völkern Asiens und Afrikas erdrückt zu werden, wenn diese Völker gegenüber Europa eine feindliche Haltung einnehmen sollten.“289
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Vgl. Schriftlicher Bericht des 3. Sonderausschusses – Gemeinsamer Markt/ Euratom – über den Entwurf eines Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft nebst Ergänzung, 28.6.57, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953/57, Stenographische Berichte, Bd. 38, S. 13380 ff.; zur Assoziierung vgl. Einzelbericht Nr. 9: Die Assoziierung der überseeischen Gebiete, in: Ebd., S. 13324–13326. Vgl. 224. Sitzung des 2. Deutschen Bundestags, 5.7.57, in: Ebd., S. 13314 ff. Vgl. hierzu auch die Wahrnehmung der Debatte durch den französischen Botschafter Couve de Murville: Fernschreiben an das französische Außenministerium, 6.7.57, in: MAE, dece 629. Vgl. Metzger, 5.7.57, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953/57, stenographische Berichte, Bd. 38, S. 13343–13346. Vgl. ANSPRENGER; Franz.: Réflexions sur la politique allemande dans le tiers–monde, in: MÈNUDIER, Henri u. a.: La République fédérale d’Allemagne dans les relations internationales. En l’honneur d’Alfred Grosser. Brüssel 1990, S. 229 f.. 172. Kabinettssitzung, 21.2.57, S. 155.
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4. Der Vertrag von Rom und die Assoziierung der Überseeischen Gebiete Die im EWG-Vertrag290 festgeschriebene Assoziierung hatte einen innovativen Charakter. Sie stellte ein Unternehmen dar, das darauf zielte, traditionell bilaterale Beziehungen zu multilateralisieren. Nunmehr trat das gemeinschaftliche Europa der Sechs in Beziehung zu den Kolonien. Die überseeischen Länder und Gebiete partizipierten auf einer beschränkten Basis an der EWG, d. h., sie hatten weder alle Rechte noch alle Verpflichtungen einer Vollmitgliedschaft. Der geographische Schwerpunkt der assoziierten Kolonien lag im frankophonen Afrika südlich der Sahara.291 Eine Sonderregelung wurde schließlich für Algerien und die französischen Départements d’Outre-Mer gefunden, die nach Art. 227 Abs. 2 in die Gemeinschaft aufgenommen wurden.292 Ein wesentlicher Vorteil für die Assoziierten bestand in der Gewährung von Entwicklungshilfe seitens der EWG. Der Vertrag293 benennt klar das entwick290
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Die Assoziierungsgrundsätze beinhaltete der in den EWG-Vertrag eingefügte vierte Teil „Die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete“, während ein für die Dauer von fünf Jahren geltendes Durchführungsabkommen die Grundsätze über die Einzelheiten und Verfahren der Assoziierung regelte. Nach Ablauf dieser Frist entschied der Ministerrat „auf Grund der erzielten Ergebnisse und der Grundsätze dieses Vertrags“ (Art. 136, EWG-Vertrag) über die Fortführung der Assoziierung. Vgl. Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957. In: http://europa.eu.int/eur–lex/lex/de/treaties/dat/11957E/tif/11957E.html (1.3.06); Durchführungsabkommen über die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete mit der Gemeinschaft. In: Ebd. Vgl. EWG-Vertrag, Anhang IV „Überseeische Länder und Hoheitsgebiete, auf welche der vierte Teil dieses Vertrags Anwendung findet“. Die Kolonien Französisch-Westafrika, Französisch-Äquatorialafrika, Französisch-Somaliland, Madagaskar, der Komoren-Archipel, die Terres Australes et Antarctiques, Neukaledonien, die französischen ozeanischen Besitzungen, Saint Pierre und Miquelon, Belgisch-Kongo, Niederländisch-Guinea. Die Treuhandgebiete Kamerun, Republik Togo, Ruanda-Urundi und Italienisch-Somaliland. Italien durfte sein Treuhandgebiet Somaliland nicht länger als bis 1960, d.h. bis zum Ablauf seiner Treuhandrechte, verpflichten. Daher wurde Somaliland durch eine dem Vertrag zugefügte Absichtserklärung die Möglichkeit vorbehalten, die Assoziierung nach Erlangung der Unabhängigkeit zu bestätigen. Vgl. Absichtserklärung über das zur Zeit unter Verwaltung der Italienischen Republik stehende Treuhandgebiet Somaliland. In: BGBl 1957 II, S. 762. 1962 traten zwei niederländische Territorien, Surinam und die Niederländischen Antillen, die 1957 aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht assoziiert worden waren, der Assoziierung bei. Vgl. DELORME, Nicole: L’association des Etats africains et malgache, S. 33–34. Gemäß zweier, weiterer Absichtserklärungen stand die Assoziierung auch Tunesien und Marokko und dem Königreich Libyen offen. Vgl. Absichtserklärung im Hinblick auf die Assoziierung der unabhängigen Länder der Frankenzone mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. In: BGBl 1957 II, S. 760; Absichtserklärung im Hinblick auf die Assoziierung des Königreichs Libyen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. In: BGBl 1957 II, S. 762. Die französischen Überseedepartements Réunion, Guyana, Martinique und Guadeloupe sowie Algerien wurden nur partiell in die Gemeinschaft eingeschlossen, d. h., für sie galten nur einige Bestimmungen des EWG-Vertrags. Der Wirkungsbereich der Europäischen Investitionsbank (Art. 129 und 130, EWG-Vertrag) sollte sich nicht auf Algerien und die DOM erstrecken. Auf einer vertraulichen Delegationsleitersitzung am 24. März hatte die französische Delegation zudem erklärt, vorerst keine Leistungen aus dem EEF für Algerien und die DOM zu beanspruchen. Diese Verzichtserklärung wurde allerdings nicht in die Schlussakte aufgenommen oder sonst verbindlich schriftlich niedergelegt EWG-Vertrag, Art. 3 k, 131
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lungspolitische Anliegen der Assoziierung. Dabei klingt in der in Art. 3 k gewählten Formulierung – „um den Handelsverkehr zu steigern und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung durch gemeinsame Bemühungen zu fördern“ – der Gedanke einer Entwicklungspartnerschaft mit an, während Art. 131 das Interesse der indigenen Bevölkerungen an der „von ihnen erstrebten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung“ betont und zur Richtschnur für die Assoziierung erhebt. Einerseits verdankte sich die Assoziierung der historischen „Verbundenheit Europas mit den überseeischen Ländern“294, andererseits distanzierte sich die Gemeinschaft von Methoden des Kolonialismus, da die Präambel des EWG-Vertrags die Assoziierung auf die Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen verpflichtet.295 Der Vertragstext intendierte also eine Entwicklungspolitik in emanzipatorischer Absicht, die darüber hinaus die kulturellen Eigenarten der assoziierten Völker achten sollte. Seine Bestimmungen spiegeln weniger die Dichotomie kolonisierend vs. kolonisiert als vielmehr entwickelt vs. unterentwickelt wider. Die Assoziierung war nicht auf die Entwicklungshilfe im engeren Sinne beschränkt, sondern setzte darüber hinaus auf die Herstellung enger Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten Ländern. Den Assoziierten sollte sie nicht nur einen präferentiellen Absatzmarkt in der Gemeinschaft eröffnen, sondern auch die Möglichkeit bieten, ihre Importstruktur zu diversifizieren. Handelspolitisch wurde die Schaffung einer Freihandelszone zwischen den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten und den Mitgliedstaaten der EWG angestrebt. Letztlich sollten die französischen kolonialen Handelspräferenzen auf die Gesamtheit der Mitgliedstaaten ausgeweitet werden. Damit wurden die bis zu diesem Zeitpunkt fast gänzlich auf die französische Metropole ausgerichteten wirtschaftlichen Beziehungen der Kolonien multilateralisiert. Die Freihandelszone sollte im selben Rhythmus wie der Gemeinsame Markt entstehen, d. h. im Verlauf einer Übergangsperiode von zwölf Jahren.296
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EWG-Vertrag, Präambel Vgl. EWG-Vertrag, Präambel Vgl. EWG-Vertrag, Art. 132 Abs. 1, 133 Abs. 1 und 2, Art. 12–15 und 17. Darum sah der EWGVertrag die schrittweise Beseitigung der Zölle in den Mitgliedstaaten auf die Importe aus den überseeischen Ländern und Gebieten sowie der Zölle in den überseeischen Ländern und Gebieten auf die Importe aus den Mitgliedstaaten und aus den anderen assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten vor. Vgl. ebd. und Durchführungsabkommen, Art. 9. Hinsichtlich der mengenmäßigen Beschränkungen legte die Durchführungskonvention die progressive Beseitigung durch die EWG-Mitgliedstaaten. Ausnahmen bestanden aufgrund der besonderen Vereinbarungen für Bananen (BRD) und grünen Kaffee (Italien und Benelux-Staaten). Vgl. Protokoll über das Zollkontingent für die Einfuhr von Bananen und Protokoll über das Zollkontingent für die Einfuhr von ungebrannten Kaffee. Seitens der assoziierten überseeischen Länder und Gebiete legte die Durchführungskonvention die Definition und schrittweise Erhöhung von Globalkontingenten für alle EWG-Mitgliedstaaten fest. Wenn die Konvention nicht erneuert werden sollte, würden die Kontingente für die Zukunft auf dem erreichten Niveau eingefroren. Vgl. Durchführungsabkommen, Art. 10 und 11 in Verbindung mit EWGVertrag, Art. 30–37. Diese handelspolitischen Bestimmungen galten nicht für all diejenigen Überseegebiete, die bei Inkrafttreten des Vertrags aufgrund ihres internationalisierten Status ihre nicht-diskriminierenden Zolltarife beibehielten, wie die Treuhandgebiete und das Kongobecken. Vgl. EWG-Vertrag, Art. 133 Abs. 4.
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Den Assoziierten sollten Präferenzen nicht, wie ursprünglich von Frankreich gefordert, über langfristige Liefer- und Abnahmeverträge eingeräumt werden, sondern über Zollpräferenzen gegenüber dem Gemeinsamen Außenzoll der EWG.297 Um den Agrarprodukten der überseeischen Länder und Gebiete einen Absatzmarkt in der Gemeinschaft zu sichern, wurden Zölle für konkurrierende Produkte, die von dritten Ländern in die Gemeinschaft importiert wurden, festgesetzt. Die Bedeutung dieser Präferenz variierte von Produkt zu Produkt, da grundsätzlich für Primärprodukte sehr niedrige Zölle oder Nullzölle galten. Nur einige Produkte, die für die Assoziierten von besonderem Interesse waren, wie Kakao, Kaffee, Bananen, Pflanzenöle und tropische Hölzer, wurden durch den EWG-Außenzoll besonders geschützt.298 In der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zur Liberalisierung des Handelsaustausch hatten die Überseegebiete das Prinzip der Nichtdiskriminierung zu beachten, d. h., sie sollten im Handelsverkehr mit den Mitgliedstaaten das System anwenden, das sie auf den europäischen Staat anwendeten, zu dem sie „besondere Beziehungen“ unterhielten.299 Außerdem enthielt der Vertrag Vorkehrungen, die den entwicklungspolitischen Erfordernissen der Assoziierten Rechnung trugen. Die Assoziierung suchte die ökonomische Unabhängigkeit der Assoziierten zu befördern. Eine wichtige Ausnahme vom Prinzip der Reziprozität stellt nämlich der Art. 133 Abs. 3 des EWG-Vertrags dar, nach dem die Assoziierten für Erfordernisse ihrer Entwicklung, für ihre Industrialisierung und für die Finanzierung ihres Haushalts benötigte Zölle erheben durften. Es handelte sich also um eine erziehungsprotektionistische Vorkehrung im Sinne Alexander Hamiltons und Friedrich Lists, die davon ausgingen, dass unterentwickelte Staaten nur unter Schutz vor Außenhandelskonkurrenz überhaupt zu höher entwickelten Staaten aufschließen konnten.300 Der zweite Weg, die Assoziierungsziele zu erreichen, lag in der Beteiligung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an der Finanzhilfe für die assoziierten 297 298
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Der Aufbau des gemeinsamen Außenzolltarifs sollte entsprechend dem für die Zollunion vorgesehenen Rhythmus erfolgen, d.h. in drei vierjährigen Etappen. Der Zoll für Bananen betrug 20%, für Kaffee 16%, für Kakao 9 % und für Zitrusfrüchte zwischen 8 und 20%. Der Zollsatz für Ölsaat sollte während der ersten Etappe auf dem Verhandlungswege festgesetzt werden. Vgl. EWG-Vertrag, Art. 132 Abs. 2, Art. 132 Abs. 5, Durchführungsabkommen, Art. 8. Die Umsetzung dieses Prinzips sollte schrittweise sowohl hinsichtlich der Zölle und Kontingente als auch hinsichtlich des Niederlassungsrechts erfolgen, das die Assoziierten einseitig gegenüber natürlichen und juristischen Personen der EWG-Mitgliedstaaten einräumten, um für eine Übergangszeit die traditionellen Handelsströme zwischen Metropole und Kolonie aufrechtzuerhalten und damit zu brutale Anpassungen zu vermeiden. Gemäß Art. 135 des EWGVertrags blieb die Regelung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte aus den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten einer späteren Regelung vorbehalten. Nach Agarwal wurde den Angehörigen der assoziierten überseeischen Länder und Gebiete die Freizügigkeit und das Niederlassungsrecht nicht eingeräumt, da man aufgrund des unterschiedlichen Lohnniveaus zwischen den Mitgliedstaaten und den Überseegebieten und der in den Überseegebieten vorherrschenden hohen Arbeitslosigkeit einen Zustrom von Arbeitskräften in die Gemeinschaft befürchtete. Vgl. AGARWAL, Jamuna: Die Assoziierung der überseeischen Staaten und Gebiete, S. 27. GLISMANN, Hans-Hinrich u. a.: Weltwirtschaftslehre. Eine problemorientierte Einführung. Bd. II.: Entwicklungs- und Beschäftigungsproblematik. (UTB 1451). 3. überarb. und erw. Auflage, Göttingen 1987, S. 17.
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Gebiete. So bestimmt der Art. 132 Abs. 3 des EWG-Vertrags: „Die Mitgliedstaaten beteiligen sich an den Investitionen, welche die fortschreitende Entwicklung dieser Länder und Hoheitsgebiete erfordert.“ Zu diesem Zweck wurde zunächst für fünf Jahre der Europäische Entwicklungsfonds (EEF) geschaffen, der durch Beiträge der Mitgliedstaaten gespeist und mit Mitteln in Höhe von insgesamt 581,25 EZU-Rechnungseinheiten ausgestattet wurde.301 Frankreich und Deutschland zahlten jeweils 200 Mio., die Niederlande und Belgien jeweils 70, Italien 40 und Luxemburg 1,25 Mio. ein. Die Ausschüttungen sollten progressiv erfolgen: Sie begannen mit rund 10% der Gesamtsumme im ersten Jahr (56,49 Mio. EZU) und stiegen bis annähernd 40% im fünften Jahr (224,56 Mio. EZU). Unter der Voraussetzung, dass Frankreich sein Investitionsprogramm beibehielt, bedeutete der EEF eine fünfzigprozentige Erhöhung der Ressourcen der Assoziierten für die Jahre 1958–1962.302 Die Verwaltung des Fonds, der keine rechtliche Persönlichkeit hatte, oblag der EWG-Kommission unter Oberaufsicht des Ministerrats, der mit qualifizierter Mehrheit über die Vorschläge entschied, die die Kommission ihm unterbreitete.303 Entsprechend den deutschen Forderungen unterschied die Tätigkeit des Entwicklungsfonds zwei große Bereiche, den sozialen und den ökonomischen. Während ersterer „bestimmte soziale Einrichtungen, insbesondere Krankenhäuser, Lehr- und technische Forschungsanstalten, Stellen für Berufsberatung und berufliche Förderung der Bevölkerung“304 umfasste und damit weder soziale Strukturmaßnahmen, wie Wohnungsbau oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, noch sozialpolitische Maßnahmen im engeren Sinne, wie Versicherung oder Fürsorge, gefördert wurden, wurden im wirtschaftlichen Bereich Vorhaben von „allgemeinem Interesse“305 finanziert, die in unmittelbaren Zusammenhang mit konkreten produktiven Entwicklungsvorhaben standen. Es handelte sich also entweder um Infrastrukturprojekte, die privatwirtschaftlich gewinnbringende Projekte, wie Verkehrsanlagen oder Versorgungseinrichtungen, erst ermöglichten, oder um produktive Projekte, wie Bergwerke oder Plantagen. Die Möglichkeiten des Entwicklungsfonds waren nicht nur hinsichtlich seiner Interventionsbereiche sondern auch hinsichtlich seiner Mittelausstattung beschränkt. Die Finanzhilfe der Gemeinschaft stellte keinen Ersatz, sondern eine Ergänzung zur Entwicklungshilfe der Metropolen dar.306 Auch sah der Vertrag keine Beteiligung der Assoziierten an der Verwaltung des Fonds vor. Die Projektvergabe wurde in den zuständigen Organen der EWG determiniert; lediglich bei der Projektbeantragung war eine Mitbeteiligung der indigenen Bevölkerung 301 302 303 304 305 306
Vgl. Durchführungsabkommen, Anlage A gem. Art. 1. (1 EZU-Rechnungseinheit = 1 $) Der Aufbringungsschlüssel für die Mittel entsprach dem in Paris ausgehandelten Kompromiss. Vgl. COSGROVE- TWITCHETT, Carol: Europe and Africa: From Association to Partnership. Westmead 1979, S. 22. Vgl. Durchführungsabkommen, Art. 1 Ebd., Art. 3 Ebd. Darüber hinaus war sie nicht auf die im Anhang IV des EWG-Vertrags aufgelisteten Länder und Gebiete beschränkt, sondern erstreckte sich auch auf die französischen Überseedepartements und Algerien. Die DOM und Algerien erhielten aber keine Mittel von der Europäischen Investitionsbank. In einer im März vor den Delegationsleitern abgegebenen Erklärung verpflichtete sich Frankreich, vorerst keine Hilfen für die DOM und Algerien zu beanspruchen. Vgl. ebd., Art. 16.
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der assoziierten Länder und Gebiete vorgesehen. Die Initiative für die Projekte lag bei den verantwortlichen Autoritäten der überseeischen Länder und Gebiete, d. h. den jeweiligen Kolonialministerien oder obersten Exekutivbehörden in den Kolonien. Dabei hatten sie sich allerdings der Zustimmung der indigenen Bevölkerung, repräsentiert durch die jeweiligen örtlichen Behörden oder parlamentarischen Vertretungskörperschaften, zu vergewissern.307 Gerade in den entwicklungspolitischen Fragen trat die Entscheidungsgewalt des französischen Mutterlandes etwas zurück, da die Vertragsbestimmungen hier der Kommission eine zentrale Rolle zuwiesen. Die Kommission hatte jährlich die allgemeinen Pläne für die Bereitstellung der Mittel für die Vorhaben aufzustellen und die Finanzierung der jeweiligen Investitionsvorhaben auszuarbeiten. Während sie über die Projekte sozialen Charakters endgültig entschied, hatten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Vorhaben zu prüfen und im Fall von Einwänden den Ministerrat anzurufen.308 Schließlich hatte die Kommission dafür Sorge zu tragen, dass die Ausschreibungen für die vom Fonds finanzierten Vorhaben zu gleichen Bedingungen allen Angehörigen der Mitgliedstaaten und der assoziierten Länder und Gebiete offen standen. Insgesamt suchte der Vertrag nach einem ausgeglichenen Verhältnis in den Vorteilen, die sich die EWG-Mitgliedstaaten und die Assoziierten einräumten. Die Assoziierung war ein auf Gegenseitigkeit konzipiertes Unternehmen.
5. Fazit In diesem Kapitel wurde der Frage nachgegangen, inwiefern in den Verhandlungen im Vorfeld der Römischen Verträge die Beziehungen zwischen Europa und Afrika unter neuen entwicklungspolitischen Prämissen gesehen wurden? Betrachtet man das im vorangegangen Kapitel behandelte Ergebnis der Verhandlungen, erscheint die Assoziierung als innovatives Unternehmen, das die Beziehungen unter antikolonialistischen309 Vorzeichen neu interpretierte und weniger die Dichotomie kolonisierend vs. kolonisiert als vielmehr entwickelt vs. unterentwickelt widerspiegelte. Zudem begründete die Assoziierung neue Beziehungen zwischen Europa und Afrika, da nunmehr das gemeinschaftliche Europa der Sechs Afrika gegenübertrat. Dabei wurde in der Entwicklungspolitik ein bedeutendes Instrument für die Neugestaltung der Beziehungen erkannt. Angesichts einer antikolonialistisch eingestellten Weltöffentlichkeit sollte sie der Assoziierung die Legitimation verschaffen. Europa wandte sich nicht nur Afrika, sondern der Dritten Welt zu. Dennoch war die Assoziierung ein Produkt des Spätkolonialismus, so dass sie sich auch in kolonialen Strukturen bewegte. Daher rührte die Ambivalenz dieses Projekts, das zwischen alten Kolonialprinzipien und neuen Entwicklungspostulaten oszillierte. Hier ergibt sich eine Nahtstelle. Die Assoziierung war nicht das Ergebnis eines Dialogs oder Aushandlungsprozesses zwischen Geber- und Empfängerländern, sondern ihre Prinzipien und Modalitäten entsprangen einem 307 308 309
Vgl. ebd., Art. 2 Vgl. ebd., Art. 5 Mit dem Begriff „antikolonialistisch“ soll eine Antihaltung gegen jede Form von Kolonialherrschaft bezeichnet werden.
FAZIT
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Kompromiss zwischen den Gebern. Sie gründete somit auf europäischen Sichtweisen und Konzeptionen und war ebenso wie koloniale Wirtschafts- und Entwicklungspläne extern determiniert. Damit wurde sie den Afrikanern, wie in den Parlamenten zu Recht konstatiert wurde, aufoktroyiert. Allerdings bot sich den Afrikanern während der Debatten in den französischen Parlamenten die Möglichkeit, ihre Sichtweise zu artikulieren. Darüber hinaus wurde HouphouëtBoigny als exponierter Vertreter der afrikanischen Interessen in die Verhandlungen mit eingebunden. Die Zustimmung der Afrikaner zur Assoziierung entschied nicht nur über die erfolgreiche Ratifizierung der Römischen Verträge in der französischen Nationalversammlung mit, sondern verschaffte dem Unternehmen auch Legitimität. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in der Bundesrepublik weckte die Assoziierung spätkoloniale Phantasien. Die Erschließung Afrikas wurde als gesamteuropäische Aufgabe betrachtet. Utilitaristische und paternalistische Argumente spielten im Entscheidungsprozess der Regierungen eine Rolle. Dennoch lag dem französischen Assoziierungsprojekt von vornherein ein entwicklungspolitisches Anliegen zugrunde, das im Verlauf der Verhandlungen immer weiter geschärft wurde. Die Interessen der indigenen Bevölkerung wurden zu einer Richtschnur dieses Unternehmens. Dahinter stand der Anspruch herauszustellen, dass die zu etablierenden Beziehungen zwischen der EWG und den Assoziierten als symbiotisch, d. h. im gegenseitigen Interesse liegend, charakterisiert werden konnten. Die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen in den assoziierten Ländern sollte nicht Nebenprodukt, sondern Ziel der Bemühungen sein. Im Laufe der Verhandlungen wandelte sich das zunächst eher in der Tradition kolonialer Erschließungspläne stehende Assoziierungsprojekt in eine stärker defensiv konnotierte Entwicklungspolitik. Es ging nicht mehr vorrangig um die gemeinschaftliche Ausbeutung der Ressourcen Afrikas durch die Sechs, sondern vielmehr um die Bereitstellung von Ressourcen für dessen Entwicklung. Die Assoziierung enthielt also Ansätze eines Paradigmenwechsels von der Kolonial- hin zur Entwicklungspolitik. Dies verdankte sich auch der Tatsache, dass die französische Kolonialpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg in eine ziemlich moderne Form hineingewachsen und zunehmend den neuen Entwicklungspostulaten verpflichtet war. Institutionen der Französischen Union, wie der FIDES und das Präferenzsystem, dienten als Vorbild für die Assoziierung. Allerdings gelang es der französischen Regierung nicht, Mechanismen der Preisstabilisierung und Abnahmegarantien für tropische Produkte auf der europäischen Ebene zu etablieren. Da die Partner, insbesondere die Bundesrepublik, die Modalitäten der Assoziierung mitgestalteten, spiegelte der gefundene Kompromiss auch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Orientierungen und Prinzipien der Partner wider. Die Sechs intendierten kein neokoloniales Verhältnis. Auch die französische Regierung Mollet hatte nicht die Absicht, das französische in ein europäisches Kolonialreich zu überführen, da auch sie dieses eher als Aktivum denn als Last betrachtete. Sie wollte das Kolonialreich nach Europa öffnen, gleichzeitig aber die Macht und den Einfluss Frankreichs in Afrika sichern. Somit eröffnete sie sich mit der Assoziierung eine zusätzliche Perspektive im Transformationsprozess, den das französische Kolonialreich durchlief. Angesichts des sich nach der Konferenz von Bandung beschleunigenden Dekolonisationsprozesses und der Unab-
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hängigkeit der nordafrikanischen Protektorate wollte die Regierung in Schwarzafrika eine sanfte Dekolonisation durchführen. Die Assoziierung stellte für sie eine wirtschaftliche Absicherung dieses mit der Loi-cadre eingeleiteten Dekolonisationsprozesses dar. Finanzielle und ökonomische Zwänge sowie das Interesse, die europäischen Partner an den Kosten für die Modernisierung des Kolonialreichs zu beteiligen, veranlassten die Franzosen, die Einbeziehung ihrer Überseegebiete in den Gemeinsamen Markt zur conditio sine qua non zu machen. Insofern war die Assoziierung auch ein Produkt der Krise des französischen Kolonialreichs. Die Assoziierung war aber nicht nur eine Antwort auf den Dekolonisationsprozess in Afrika, sondern gleichzeitig auch auf die Herausforderungen, die sich Frankreich mit dem europäischen Integrationsprozess stellten. Darüber hinaus sahen die Franzosen durch die Einbeziehung ihres Kolonialreichs ihr Gewicht im Gemeinsamen Markt steigen. Sie versprachen sich von der Assoziierung einen Balancierungseffekt gegenüber der wirtschaftlich starken Bundesrepublik. Die Bundesrepublik hatte in ihrem Bemühen, nicht über die Assoziierung in die französische Kolonialpolitik verstrickt zu werden, ein Interesse daran, die antikolonialistische Ausrichtung des Assoziierungsprojekts zu schärfen. Daher war die Bundesregierung bestrebt, die Assoziierung in das neue Betätigungsfeld der Entwicklungshilfe einzuordnen und entsprechend ihren entwicklungspolitischen Grundsätzen auszurichten, in denen sich eine partnerschaftliche Kooperation mit den Entwicklungsländern manifestierte. Die Zustimmung der Bundesregierung zur Einbeziehung der überseeischen Länder und Gebiete verdankte sich letztlich ihrem politischen Interesse am Gemeinsamen Markt. Bedeutende wirtschaftliche und handelspolitische Interessen in den zu assoziierenden afrikanischen Ländern hatte die Bundesrepublik nicht. Zwar hatte die Zusammenarbeit in Afrika seit Mitte der 50er Jahre Eingang in die deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen gefunden, ohne jedoch bedeutende konkrete Resultate zu zeitigen. Die wirtschaftlichen Erwartungen, die der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister mit der Assoziierung verbanden, bezogen sich auf die Zukunft. Im Kontext des Kalten Kriegs maßen die Deutschen jedoch dem von den Franzosen vorgebrachten Argument große Bedeutung bei, mittels der Assoziierung die afrikanischen Länder an das westliche Lager anbinden zu wollen. Im Entscheidungsprozess der französischen Regierung sowie in der öffentlichen Debatte in Frankreich spielte das Eurafrika-Konzept eine Rolle, das ausgehend von der Annahme einer Komplementarität die beiden Kontinente Europa und Afrika als Einheit konstruierte. Dieses aus der Kolonialzeit stammende Raumkonzept wurde unter entwicklungspolitischen Vorzeichen von der Regierung Mollet neu interpretiert. Einerseits wurden die Beziehungen zwischen Europa und Afrika an ihrem ökonomischen, politischen und strategischen Nutzen für Europa gemessen, andererseits wurde nunmehr das Interesse Afrikas an einer Kooperation mit Europa zu einem weiteren Maßstab erhoben. In der Assoziierung sah die Regierung Mollet einen ersten Schritt zu diesem Eurafrika. Frankreich sollte nach dem Kalkül der französischen Regierung in diesen neuen eurafrikanischen Beziehungen zwischen dem Europa der Sechs und den assoziierten afrikanischen Ländern eine Scharnierfunktion zukommen, die auch den französisch-afrikanischen Beziehungen neue Perspektiven eröffnen sollte. Dagegen spielte der Begriff „Eurafrika“ im Entscheidungsprozess der Bundesregie-
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rung keine Rolle, wohl auch wegen seiner kolonialistischen Konnotationen. Auch in der öffentlichen Debatte über die Assoziierung erlangte er bis auf wenige Ausnahmen keine Wirkkraft. Zwar spielte der Bundeskanzler nach Abschluss der Verhandlungen im Kabinett auf die eurafrikanischen Perspektiven an, die die Assoziierung eröffne – dies jedoch auch mit der Intention, die Skeptiker im Kabinett von der Assoziierung zu überzeugen. Die mit der Assoziierung geschaffenen Beziehungen zwischen der EWG und den Assoziierten bildeten keine Suprastruktur zu den fortbestehenden kolonialen Beziehungen, sondern ergänzten sie lediglich. Auch ökonomisch blieb die Integration zwischen der EWG und den Assoziierten hinter derjenigen der Union Française zurück. Die Assoziierung stellte eine Form der regionalen Entwicklungszusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern dar, die auf den überkommenen kolonialen Beziehungen zwischen einigen Mitgliedstaaten und den assoziierten afrikanischen Ländern und Gebieten beruhte. Die EWG verfügte mit ihr über ein zeitgemäßes Instrument für die Gestaltung der Beziehungen zwischen Europa und einem sich emanzipierenden Afrika, das zudem die Perspektive eröffnete, die formellen Bindungen der Kolonialzeit durch informellere zu ersetzen, indem sie Ressourcen für die Entwicklung Afrikas im Austausch für die europäische Präsenz zur Verfügung stellte.
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C.
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1. Stellungnahmen und Reaktionen Die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete an die EWG provozierte unmittelbar Stellungnahmen und Reaktionen in den assoziierten Ländern ebenso wie in der übrigen Welt. Nur selten rief sie dabei vorbehaltlose Zustimmung hervor. Vielfach wurde ihr mit Skepsis oder gar Ablehnung ob ihrer handelspolitischen und politischen Folgen für Drittstaaten und die Assoziierten selbst begegnet.
1.1. Die Haltung der Assoziierten Im Mai 1958, im Verlauf einer Veranstaltung in Abidjan zur Einweihung der Brücke Houphouët-Boigny traten Repräsentanten der Europäischen Gemeinschaft in Kontakt zu den neuen afrikanischen Regierungschefs und der Mehrzahl der politischen Führer der assoziierten afrikanischen Länder; diese stimmten der Assoziierung zu und bestätigten dies im Verlauf des Jahres 1958 offiziell – mit Ausnahme Guineas.1 Schon der Dritte Kongress der franko-afrikanischen Sammelbewegung, Rassemblement Démocratique Africain, der vom 25. bis 27. September 1957 in Bamako/Mali tagte, hatte die Assoziierung an die EWG begrüßt.2 1957 hatten sich auch herausragende afrikanische Politiker wie der künftige senegalesische Regierungschef Mamadou Dia, der spätere Präsident Nigers Hamani Diori oder Félix Houphouët-Boigny in Zeitschriftenartikeln für die Assoziierung ausgesprochen.3 Sie begrüßten, wie z. B. Houphouët-Boigny, die Assoziierung als im afrikanischen Interesse liegend aufgrund der Perspektiven, die sie neben der Union Française für die ökonomische, soziale und politische Entwicklung ihrer Länder eröffne. Der malische Regierungschef Modibo Keita hingegen, der im Übrigen einer antikolonialistischen Rhetorik anhing, machte in einem 1960 erschienenen Zeitungsartikel Vorbehalte gegen die Assoziierung geltend und verwies auf das unter afrikanischen Studenten und Politikern vorhandene Misstrauen gegenüber dem Gemeinsamen Markt, das im Kern auf der Befürchtung gründete, mit der Assoziierung sei die Kolonialherrschaft multilateralisiert worden. Auch die Reisedelegationen der EWG-Kommission und des Europäischen Parlaments stießen auf diese Vorbehalte.4 1 2
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Vgl. DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 24. Vgl. zum Kongress ANSPRENGER, Franz: Politik im Schwarzen Afrika. Die modernen politischen Bewegungen im Afrika französischer Prägung. Köln/Opladen 1961, S. 148-153; Vgl. auch MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 393 f. DIA, Mamadou: Les territoires d’outre-mer et le projet de marché commun, in: FRANCE-OUTREMER, no. 326, février 1957, S. 17-18; DIORI, Hamari: L’Afrique noire englobée dans le Marché commun, in: FRANCE-OUTREMER, janvier 1958, S. 22-23; HOUPHOUËT-BOIGNY, Félix: Black Africa and the French Union, in: FOREIGN AFFAIRS, 35 (4), July 1957, S. 593-600. Vgl. Bousquet an Außenminister, a.s. L’association des pays d’outre-mer au Marché Commun – Déclarations de M. Modibo Keita, 3.3.60, in: MAE, dece 722. Der Botschafter nahm Bezug auf ein Interview KEITAS: L’industrialisation de l’Afrique noire, in: L’ ECHO DE LA BROUSSE vom 25.2.1960. Ein Bericht an das Europäische Parlament kam zu dem Schluss, dass ein Mangel an
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1.2. Stellungnahmen und Reaktionen der beiden Supermächte Das subsaharische Afrika schien den beiden Supermächten in den 50er und Anfang der 60er Jahre nur bescheidene ökonomische, geostrategische und politische Perspektiven zu eröffnen.5 Als Rohstoffmarkt maßen sie dieser Region keine große Bedeutung bei. Bedeutende Ölvorkommen waren nicht bekannt; mineralische Rohstoffe waren entweder nicht in ausreichenden Mengen vorhanden oder nicht zu konkurrenzfähigen Kosten abzubauen, um große internationale Unternehmen anzuziehen. Eine Ausnahme stellte der belgische Kongo mit seinen Kupfer– und Uranvorkommen dar.6 Die meisten tropischen Agrarprodukte konkurrierten mit denen aus anderen Regionen der Welt, denen im internationalen Handel eine bedeutendere Stellung zukam. Schließlich verhinderten die hohen Kosten für die Infrastruktur ein stärkeres Engagement ausländischer, privater Investoren in dieser Region. So flossen 1957 nur 0,02% der bedeutenden amerikanischen Direktinvestitionen nach Afrika, 1964 waren es 0,03%.7 Auch strategisch maßen die beiden Supermächte Schwarzafrika nur eine sekundäre Bedeutung bei, auch wenn die Kongo-Krise einen gegenteiligen Eindruck erwecken konnte. Zwar versuchten die beiden Protagonisten sich gegenseitig zu hindern, auf dem Kontinent Fuß zu fassen, aber abgesehen von Nordafrika lagen ihre vorrangigen strategischen Interessen woanders: z.B. im Nahen und Fernen Osten, auf Kuba und in Europa. Die Militärhilfe der Sowjetunion und der Ostblockstaaten für die schwarzafrikanischen Länder machte zwischen 1955 und 1967 nur 0,01% der Hilfe des Ostblocks für die Entwicklungsländer aus.8 Der Tod Stalins und die beginnende Dekolonisation führten allerdings zu einer „graduellen Umorientierung“9 der sowjetischen Afrikapolitik.10 Die Unab-
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Information über die Vorteile der Assoziierung zu Vorbehalten in den assoziierten Ländern führte. Vgl. Jean Duvieusart: Rapport sur les problèmes juridiques et politiques relatifs à l´ association de la Communauté avec les pays et territoires d’Afrique centrale, doc. n° 67, Okt. 1959. Vgl. auch: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik E.V.: Praktische Möglichkeiten der Entwicklungshilfe in Afrika. Vortrag von Botschafter Dr. Allardt, 1. Dez. 1960 Vgl. GIRAULT, René: Les indépendances des pays d’Afrique noire dans les relations internationales, in: DERS../ MICHEL, M. (Hg.): L’Afrique noire française: l’heure des indépendances. Paris 1992; S. 467- 470. Vgl. MOLLIN, Gerhard Th.: Die USA und der Kolonialismus. Amerika als Partner und Nachfolger der belgischen Macht in Afrika. Berlin 1996. Vgl. GIRAULT:, René: Les indépendances des pays d’Afrique noire, S. 467 f. Vietnam nicht mitgerechnet. Vgl. KANET, Roger E.: L’Union soviétique et les pays en voie de developpement: rôle de l’aide militaire et des transferts d’armes, in: CONTE, F./MARTRES, J. L. (Hg.): L’Union soviétique dans les relations internationales. 1982, S. 430. Vgl. ebd. BECKER, Wibke: Die USA und der Transformationsprozess in der „Dritten Welt“: Amerikanische Afrikapolitik am Beispiel von Ghana, 1950-1966. (Diss.) Köln 2004, S. 107. Vgl. zur sowjetischen Afrikapolitik in den 50er und 60er Jahren: MARTE, Leonard F.: Political Cycles in International Relations: The Cold War and Africa. Amsterdam 1994; HELDMAN, Dan C.: The USSR and Africa. Foreign Policy under Khrushchev. New York 1981; STEVENS, Christopher A.: The Soviet Union and Black Africa. London 1976; KLINGHOFFER, Arthur J.: The Soviet Union and Africa, in: KANET, Roger E. (Hg.): The Soviet Union and the Developing Nations. Baltimore 1974, S. 52-77.
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hängigkeitswelle im subsaharischen Afrika zu Beginn der 60er Jahre führte zu einer Ausweitung der diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte zwischen den Staaten des Ostblocks und denen Afrikas. Ende 1961 war die UdSSR in 13 afrikanischen Staaten diplomatisch vertreten und auch die Entwicklungshilfe des Ostblocks an Afrika stieg zwischen 1959 und 1961 drastisch, von 1,8 Millionen auf 300 Millionen US-Dollar.11 Im Vergleich mit anderen Weltregionen kam Afrika dennoch nur wenig Bedeutung im sowjetischen Kalkül zu. Die sowjetischen Interessen lagen vielmehr in Asien, wo sie einen politischen und ideologischen Kampf gegen China führte, und im geostrategisch bedeutenden, ölreichen Nahen Osten. Der Kreml reagierte gleichwohl auf sich bietende Möglichkeiten. So unterstützte Chruschtschow politisch und moralisch afrikanische Staatsmänner wie Sékou Touré (Guinea), Kwame N’krumah (Ghana) und Patrice Lumumba (Kongo-Léopoldville), aber diese Unterstützung hatte vielfach auch Proklamationscharakter – gerade auf Ebene der UNO. Eine darüber hinausgehende ökonomische und militärische Kooperation zeitigte nicht die von afrikanischen Staatsführern erwarteten Resultate. Die Assoziierung der überseeischen Länder an die EWG bot der Sowjetunion die Möglichkeit, ihr antikolonialistisches Profil gegenüber den Ländern der Dritten Welt weiter zu schärfen. Schon am 16. März 1957 sendete Radio Moskau eine Erklärung des Kremls zur Schaffung von Euratom und EWG, in der die Assoziierung im Sinne der Leninschen Imperialismustheorie als kollektive Spielart des Kolonialismus interpretiert wurde.12 Auch im Kalkül der USA hatte das subsaharische Afrika nur einen geringen Stellenwert, den auch die amerikanischen Entwicklungshilfeleistungen an diese Region zwischen 1948 und 1964 widerspiegeln: diese betrugen nur 0,15% der gesamten amerikanischen Entwicklungshilfe.13 Gleichwohl führte die perzipierte „Offensive“ des Ostblocks in Afrika zu einem verstärkten amerikanischen Engagement.14 Insbesondere Nord– und Südafrika schenkten die USA größere Beachtung.15 Der Kalte Krieg, der sich seit Mitte der 50er Jahre zu einem Kampf um Einflusszonen in der Dritten Welt zu wandeln begann, bestimmte die US-amerikanische Afrikapolitik, die dadurch in ein Dilemma geriet. Einerseits hatten die USA auf die Belange der europäischen Kolonialmächte – ihrer atlantischen Bündnispartner – Rücksicht zu nehmen, um die Kohärenz des westlichen Lagers nicht zu gefährden, andererseits mussten sie den Bestrebungen der afrikanischen Befreiungsbewegungen Rechnung tragen, wenn sie dieses Feld nicht einfach der 11
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Vgl. ebd.; STEVENS, Christopher A. The Soviet Union and Black Africa, S. 70. Vgl. auch die Studie „Background Research, The East European Presence in Africa“, April 1962, in: BA Koblenz, N 1266/1782. Dennoch konnte sich das sowjetische Engagement nicht mit dem des Westens messen. Die USA gewährten beispielsweise 1961 den afrikanischen Staaten Entwicklungshilfe in Höhe von 460 Millionen $, während die französische Entwicklungshilfe für Afrika im Jahr 1960 sich auf 732 Millionen $ belief. Gleichwohl war das sowjetische Engagement in einzelnen strategisch interessanten Staaten wie Somalia bedeutend. Vgl. La naissance du Marche commun et d’Euratom présentée par Radio-Moscou, 17.3.57, in: ZORGIBE, Charles: Histoire de la construction européenne. Paris 1993, S. 270/71; 17 Thesen des Moskauer Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen, in: Ebd., S. 253-259. Vgl. WALL, Irvin M.: Les Etats-Unis et la décolonisation de l’Afrique. Le mythe de l’Eurafrique, in: BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard: L’Europe unie et l’Afrique, S. 136. Vgl. BECKER, Wibke: Amerikanische Afrikapolitik, S. 114, 118-132. Vgl. WALL, Irvin M.: Les Etats-Unis et la décolonisation de l’Afrique, S. 135.
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aggressiven antikolonialistischen Propaganda des Ostblocks überlassen wollten.16 Der von den USA vertretene, ihrem geschichtlichen Selbstverständnis entsprechende Antikolonialismus kennzeichnete eine Ambivalenz, die auf die Wahrnehmung zurückging, dass zahlreiche afrikanische Länder noch nicht fähig seien, sich selbst zu regieren. Einerseits betrachtete die US-Regierung daher aus Furcht vor einer „premature independence“ den sich Ende der 50er Jahre beschleunigenden Dekolonisationsprozess in Schwarzafrika mit Sorge, andererseits setzte sich in der Eisenhower-Administration 1957 die Überzeugung durch, dass die unabhängig werdenden Staaten den Kommunismus vorzögen, wenn die Alternative in der Aufrechterhaltung der Kolonialherrschaft bestünde.17 Darüber hinaus hatte die US-Regierung ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Bindungen zwischen Europa und dem subsaharischen Afrika, die auch in der postkolonialen Zeit Bestand haben würden, allerdings in der neuen Form von „close and mutually advantageous economic relationships“.18 In ihr Kalkül bezogen die USA aber nicht mehr nur die Metropolen, sondern auch die Mächte ohne Kolonialbesitz mit ein. So warb der amerikanische Außenminister im Februar 1957 vor den entscheidenden Verhandlungen der Sechs in Paris gegenüber dem deutschen Botschafter für die Unterstützung des Assoziierungsprojekts durch die Bundesregierung. In Anspielung auf die amerikanische Frontier-Ideologie bezeichnete er Afrika als „the big hinterland of Europe“ 19, zu dessen Entwicklung die Bundesrepublik im Rahmen der Assoziierung beitragen müsse. Dennoch machte sich schon im Frühsommer 1957 in Washington eine gewisse Skepsis gegenüber der Assoziierung breit. Einerseits wurde die Assoziierung mit dem französischen Eurafrika-Konzept gleichgesetzt, andererseits mit dem französischen Bestreben, mittels der Assoziierung auch eine Lösung des Algerienproblems herbeizuführen.20 Hatte der amerikanische Außenminister gegenüber seinem bundesdeutschen Amtskollegen noch im Februar auf die weitreichenden Perspektiven, die Afrika Europa eröffne, hingewiesen, verlieh er im Mai in einem internen Memorandum seinen Bedenken Ausdruck. Es handelte sich um die Frage, ob Eurafrika ein „neokoloniales“ Projekt darstelle oder interdependente eurafrikanische Beziehungen begründe.21 16
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Vgl. z. B. MÉLANDRI, Pierre: Les Etats-Unis et les indépendances africaines, in: AGÉRON, Charles-Robert/ MICHEL, Marc (Hg.): L’Afrique noire française: l’heure des indépendances. Paris 1992, S. 535, 541. Vgl. ebd., S. 537, 544 f.; vgl. auch: WALL, Irvin M.: Les Etats-Unis et la décolonisation de l’Afrique, S. 144. National Security Council Report, NSC 5719/1: U.S. Policy toward Africa South of the Sahara prior to Calendar Year 1960, Washington, 23.8.57, in: FRUS, 1955-1957, Vol. XVIII, S. 76 f., 79 f.; vgl. weiterhin auch: Memorandum From the Assistant Secretary of State for African Affairs, Satterthwaite, to Secretary of State Herter, „U.S.-French Relations South of the Sahara“, 4.12.59, in: Ebd., S. 71-73; National Security Council 432, 14.1.60, S. 73-78; NSC 348, 24.3.60, in: Ebd., 1958-1960, XIV, S. 93-98. Memorandum of a Conversation between the Secretary of State (Dulles) and the German Ambassador (Krekeler), Relationship of Overseas Territories to the Proposed European Common Market, Washington, 11.2.57, in: Ebd., 1955-1957, Vol. IV, S. 524. Vgl. WALL, Irvin M.: Les Etats-Unis et la décolonisation de l’Afrique, S. 139 f. Vgl. European Chief of Mission Meetings, Verbatim Minutes of West European Chiefs of Mission Conference, 6.5.57, in: FRUS 1955-1957, Vol. IV, S. 574 ff.; WALL, Irvin M.: Les Etats-Unis et la décolonisation de l’Afrique, S. 138 f., 146.
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Vor diesem Hintergrund lehnten die USA fortan die sich mit der Assoziierung eröffnenden eurafrikanischen Perspektiven ab, d.h. den politischen Gedanken, Afrika als Ganzes in eine besondere europäische Patenschaft zu nehmen.22 Nichtsdestoweniger bejahte die US-Administration den politischen Gehalt der Assoziierung insoweit, als sie einen Beitrag zur politischen Stabilität Afrikas leisten konnte und die Chance eröffnete, auch in der postkolonialen Zeit die afrikanischen Länder an den Westen zu binden.23 Erwartungen der Eisenhower-Administration hinsichtlich einer Rolle der EWG, die auch über den engeren Rahmen der Assoziierung in Afrika hinausreichte, musste die Kommission allerdings Ende 1959 dämpfen.24 Auch die neue US-Regierung unter John F. Kennedy nahm im Zuge der Intensivierung ihres Afrika-Engagements 1961 die Assoziierung in den Blick. Eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen den USA, die nach wie vor in Afrika nur ergänzend zu den europäischen Partnern tätig werden wollten, und der EWG in den assoziierten Ländern bahnte sich an. Damit gingen Bestrebungen einher, die Assoziierung auch im handelspolitischen Bereich auf die Linie der USA zu bringen.25 Denn die handelspolitische Seite der Assoziierung betrachtete die Kennedy-Administration mit Vorbehalten, zumal gerade diese Seite Kritik anderer Länder an der Assoziierung heraufbeschwor.
1.3. Die Debatten über die Assoziierung in der UNO und im GATT Internationale Organisationen bildeten die Foren, in denen Kritik am Assoziationssystem geübt wurde. Kritik politischer Art wurde vor allem in den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen, wie der im April 1958 gegründeten UN-Wirtschaftskommission für Afrika (ECA), vorgebracht, während das GATT die handelspolitischen Aspekte der Assoziierung prüfte. Bereits im Herbst 1957 sahen sich die EWG-Staaten während der XII. UN– Vollversammlung anlässlich der von den afro-asiatischen Staaten geforderte Debatte über die Assoziierung scharfer Kritik gegenüber, der sich außer den Vertretern der Entwicklungsländer auch die Vertreter des Ostblocks anschlossen.
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So die Ergebnisse der Gespräche, die der Generaldirektor der der für die Assoziierung zuständigen Generaldirektion der Kommission im März 1961 mit der der neuen US-Regierung führte. Vgl. Vermerk für den Herrn Präsidenten, Betr.: Reise von Generaldirektor Hendus nach Washington, 7.3.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 213. Vgl. ebd.; CEE, DG VIII, Rapport de Mission, Objet: Entretiens avec les fonctionnaires chargés des questions européennes et africains du Département d’Etat, 8.3.61, in: BA Koblenz, N 1266/1256 (Nachlass Hallstein). Vgl. die Gespräche der Kommission mit Vize-Außenminister Douglas Dillon und Botschafter Butterworth, in: Memorandum of Conversation, Various Issues with regard to the EEC, Brüssel, 10.12.59, in: FRUS 1958-1960, Vol. VII, S. 192 f. Vgl. hierzu: Memorandum of the Government of the United States of America on the Problems and Prospects of the Production and Marketing of Tropical Products, 28.6.61 Communication de M. Lemaignen, Compte-rendu de la visite d’une délégation de Etats-Unis les 25 et 26 mai 1961 à Bruxelles, objet: Association entre la CEE et les pays associés d’Afrique, 2. Juni 61; Aufzeichnung für Herrn Generaldirektor Hendus, Betr.: Analyse der Gespräche zwischen der Delegation der Regierung der Vereinigten Staaten und Herrn Generaldirektor Hendus am 25. und 26. Mai 1961, 18.7.61, in: BAC 25/1980 213. Vgl. auch Gerard Curzon: Multilateral Commercial Diplomacy. The General Agreement on Tariffs and Trade an dits impact on national commericial policies and techniques. London 1965, S. 282.
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Die während dieser Debatte geäußerte Kritik charakterisierte die Assoziierung als ein neokoloniales System, das im Widerspruch zur Charta der Vereinten Nationen stehe. Es handele sich um einen verschleierten Imperialismus, der die koloniale Beherrschung Afrikas durch Europa fortführe. Dieser nunmehr auf das Europa der Sechs ausgedehnte Kolonialpakt diene der Verfestigung der kolonialen Arbeitsteilung – Rohstoffe gegen Fertigwaren, um Europa die benötigten Rohstoff- und Absatzmärkte zu sichern. Die Assoziierung behindere somit die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der assoziierten Länder, insbesondere auch deren Industrialisierung.26 Ein UN-Bericht über die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Assoziierung auf die Assoziierten und auf Drittländer kam jedoch zu keinen endgültigen Schlussfolgerungen.27 Die erwarteten nachteiligen handelspolitischen Auswirkungen des Assoziierungssystems standen im Zentrum der auf der 3. Tagung der Wirtschaftskommission für Afrika in Addis Abeba (6. – 19. Februar 1962) vorgebrachten Kritik:28 x die im Rahmen der Assoziierung vorgesehenen Zollpräferenzen sowie die künftige gemeinsame Agrarpolitik wirke sich auf den Handel der nicht-assoziierten afrikanischen Länder nachteilig aus; x das Assoziationssystem behindere zudem die Entwicklung einer interafrikanischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und sei daher geeignet, den afrikanischen Kontinent in verschiedene Lager zu spalten; x schließlich wohne ihm die Tendenz inne, die Ausweitung des Außenhandels der Assoziierten auf andere Weltregionen zu verhindern, und es gefährde die Industrialisierung der assoziierten Staaten. Neben diesen Aspekten wurde weitere Kritik an der Assoziierung vorgebracht. Insbesondere erkannten Staaten wie Ghana und Guinea einen Gegensatz zwischen der Assoziierung und dem Konzept einer afrikanischen Einheit. Die assoziierten Staaten Mali, Somalia und Togo offenbarten eine ambivalente Haltung zur EWG. Gegenüber diesen Angriffen verteidigte die Mehrheit der Assoziierten ihre Politik zu Beginn der 60er Jahre jedoch zunehmend offensiver.29 Die Diskussion über die handelspolitischen Fragen wurde letztlich in einer UN-Sonderorganisation, dem GATT, geführt. In erster Linie damit beschäftigt, ein internationales Handelsrecht auszuarbeiten und durchzusetzen, musste sich das GATT für das Assoziierungssystem interessieren, das eine neue Form der regionalen Integration darstellte und an dem einige seiner Gründungsmitglieder partizipierten. Die Diskussion über die möglichen Auswirkungen der EWG auf die Wirtschaft von außenstehenden Ländern nahm in Genf die Form einer juristischen Diskussion über die Kompatibilität des Vertrags von Rom mit dem GATT ein. Der Vertrag von Rom ließ bei einigen Ländern die Befürchtung aufkommen, 26 27
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Vgl. EWG, Rat, Aufzeichnung, 17.12.58, in: PAAA, B 53/132. Vgl. EWG, Rat, Informatorische Aufzeichnung des Sekretariats, Betr.: Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über die Assoziierung der nicht autonomen Länder und Hoheitsgebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 7.10.58, mit Anlage: United Nations General Assembly, Association of non-self-governing territories with the European Economic Community. Report of the Secretariat, 17.9.58, in: Ebd., B 20/120. Vgl. hierzu: EWG, Rat, Informatorische Aufzeichnung, Betr.: Arbeitsergebnisse der 3. Tagung der Wirtschaftskommission für Afrika (Addis Abeba, 6.-19. Februar 1961), 27.2.61, in: BA Koblenz, N 1266/1782. MAE, Serv. de Coop.: Débats de la IVème session de la Commission Economique Africaine sur les incidences de la Communauté Economique Européenne, 16.3.62, in: MAE, dece 2127.
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dass sich in Europa ein protektionistischer Wirtschaftsblock bilde, der ein Hindernis für die Entwicklung des internationalen Handelsaustauschs darstelle. Dabei wurden insbesondere die Assoziierungsbestimmungen kontrovers diskutiert.30 Nicht nur das erste Grundprinzip des GATT, das der Nicht-Diskriminierung,31 schien betroffen, sondern auch die in Art. XXIV festgeschriebene Ausnahme von diesem Prinzip, die vorsah, dass die Mitglieder des Abkommens unter bestimmten Bedingungen Zollunion und Freihandelszonen schaffen konnten.32 Zwei Ländergruppen schienen sich in Genf gegen die EWG verschworen zu haben: Einige OEEC-Länder, insbesondere Großbritannien „comme le ciment de la coalition adverse“.33 Die zweite Gruppe waren Entwicklungsländer, insbesondere diejenigen, deren Exportprodukte mit denen der Assoziierten konkurrierten. Sie fürchteten, dass die den Assoziierten eingeräumten Präferenzen ihre Exporte von Grundstoffen in die EWG empfindlich einschränkten.34 Schon während der 11. Sitzung der Vertragsparteien des GATT hatten die Entwicklungsländer Tendenzen in der Entwicklung des Welthandels ausgemacht, wie die Teilung des Weltmarkts in mehr oder weniger exklusive Blöcke, die ihre Position gefährdeten.35 Als erste Regierung hatte die indische Ende Mai gegen die Assoziierung als GATT-widrig und als bremsenden Faktor im afrikanischen Dekolonisationsprozess protestiert.36 Ebenso überreichten die britische und die portugiesische Regierung den Sechs Memoranda.37 Die Sechs hielten die vorgetragenen Befürchtungen für unbegründet. Ihrer Ansicht nach war der Vorteil, der den Produkten aus den überseeischen Ländern und Gebieten eingeräumt wurde, im Mittel sehr be-
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Vgl. auch CURZON, Gerard: Multilateral Commercial Diplomacy, S. 273-283. Vgl. Art. I GATT (dt. Übersetzung), in: Peter Bratschi: Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT). Handbuch für Praktiker. Zürich 1973, S. 21 f. Vgl. Art. XXIV des GATT (dt. Übersetzung), in: Ebd., S. 83-85. Zollunion und Freihandelszonen zeichnen sich dadurch aus, dass zwischen den einzelnen Mitgliedern keine Zollmauern mehr bestehen. Während eine Zollunion einen gemeinsamen Außenzolltarif besitzt, behält bei einer Freihandelszone jedes Land einen eigenen Zolltarif gegenüber nicht-beteiligten Volkswirtschaften bei. MAE, Serv. de Coop., Wormser an französische Botschaft in London, 22.3.58. In: MAE, dece 721. Vgl. Der Handel Lateinamerikas mit den Ländern des Europäischen Gemeinsamen Marktes. Eine Studie der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika, in: EA, 13 (1958), S. 11107-11120. Vgl. COUSTÉ, Pierre-Bernard: L’Association des pays d’outre-mer à la Communauté Economique Européenne. Paris 1959, S. 144. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 394. Diese Kritik verdankte sich auch dem Konzept eines Afroasiens, das u. a. Indien als Gegenkonzept zu Eurafrika verfocht. Vgl. LINIGERGOUMAZ, Max: L’Eurafrique. Utopie ou réalité ?, S. 31. Vgl. Comité Intérimaire pour le Marché Commun et l’Euratom, Note du Secrétariat, Brüssel, 19.10.57, mit Anhang: Mémorandum du Royaume-Uni concernant les intérêts des Territoires Anglais d’Outre-Mer, 16.9.57; Mémorandum du gouvernement portugais, 16.9.57. In: MAE, dece 721. Vgl. weiterhin: Comité Intérimaire pour le Marché Commun et l’Euratom, Secrétariat, Note sur les négociations demandées par le Royaume-Uni avec la Communauté des Six pour sauvegarder les intérêts coloniaux britanniques, Brüssel, 15.5.57. In: Ebd., dece 720; Comité Intérimaire pour le Marché Commun et l’Euratom, Note du Secrétariat, Brüssel, 19.9.57. In: CAOM, Aff.Pol. 2314/5.
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schränkt.38 Im Übrigen gingen die EWG-Mitgliedstaaten von der Konformität des Vertrags von Rom mit dem GATT aus und beriefen sich dabei auf den Artikel XXIV.39 Die Debatte über die GATT-Konformität des EWG-Vertrags wurde schließlich auf der 12. Jahresversammlung des GATT geführt, die vom 17. Oktober bis 30. November 1957 in Genf tagte.40 Während die These der GATT-Konformität für den Gemeinsamen Markt der Sechs überzeugte, tat sie dies weit weniger für die Assoziierung der Überseegebiete an die EWG.41 Die Mehrheit der Mitglieder der eingesetzten Arbeitsgruppe vertrat die Auffassung, dass die Assoziierung zu keiner Freihandelszone im Rahmen des Art. XXIV des GATT, sondern zu einer nach Art. I des GATT unzulässigen Präferenzzone führe.42 Die Kritik richtete sich insbesondere gegen Art. 133 Abs. 3 des EWG-Vertrags, nach dem die Assoziierten Schutzzölle für Erfordernisse ihrer Entwicklung erheben durften. Die Sechs vertraten demgegenüber die Auffassung, dass der Handel zwischen der Gemeinschaft und den Assoziierten mit Ausnahme der Schutzzölle frei sei.43 Hinter dieser juristischen Kontroverse stand die grundsätzlichen Frage, ob Ausnahmen vom Prinzip der Reziprozität in den Handelsbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und weiterhin ob eine Freihandelszone zwischen Industrie- und Entwicklungsländern möglich waren oder nicht. Insofern war das Assoziierungssystem, das die besonderen Erfordernisse der Entwicklungsländer berücksichtigte, seiner Zeit voraus. Das GATT hatte hier eine Lücke. Erst mit der Schaffung des am 8. Februar 1965 in Kraft getretenen Teils IV „Handel und Entwicklung“ des GATT trug es explizit der besonderen Lage der Entwicklungsländer Rechnung.44 Die EWG-Mitgliedstaaten setzten daher auf das politische Argument, dass die Assoziierung ein System der regionalen Entwicklungszusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern darstelle.45 38
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Vgl. Projet de réponse au mémorandum du Royaume-Uni (établi par le Président du groupe ad hoc suite à la réunion du Comité intérimaire du 7 novembre 1957), 9.11.57; Projet de réponse au mémorandum du gouvernement portugais (établi par le Président du groupe ad hoc suite à la réunion du Comité intérimaire du 7 novembre 1957), 9.11.57. In: MAE, dece 721. Comité intérimaire pour le Marché Commun et l’Euratom, Mémorandum des Gouvernements de la République Fédérale d’Allemagne, du Royaume de Belgique, de la République française, de la République italienne, du Grand-Duché de Luxembourg et du Royaume des Pays-Bas, Bruxelles, 29.5.57; Comité intérimaire pour le Marché Commun et l’Euratom: Aidemémoire sur la position commune des Etats membres pour les débats des Parties Contractantes au G.A.T.T. sur le Traité instituant la Communauté Economique Européenne, Bruxelles, 11.10.57. In: CAOM, Aff.Pol. 2314/4. Vgl. KAHMANN, Hannelore: Der Gemeinsame Markt im Kreuzfeuer der GATT-Kritik, in: EA, 5./20.3.1958, S. 10583-10592; Informationen und Berichte: Die XII. GATT-Tagung in Genf, in: Ebd., S. 10607 f.. Vgl. z.B. COUSTÉ, Pierre-Bernard L’Association des pays d’outre-mer, S. 150 f. GATT, Working Party on the Association of Overseas Territories with European Economic Community. Report to the Intersessional Committee. L/805. 1958, S. 5. Vgl. DELORME, Nicole : L’association des états africains et malgache, S. 270. Art. XXXVI Abs. 8 stellte klar, dass die Industrieländer keine Gegenleistungen für Zollsenkungen oder nicht tarifäre Handelshemmnisse von den Entwicklungsländern erwarteten. Vgl. GATT, Teil IV, Art. XXXVI „Grundsätze und Ziele“ (dt. Übers.), in: BRATSCHI, Peter: Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT), S. 106 f. Vgl. Bousquet an MAE, a.s. Débats du Comité Intérimaire des 28 et 29 Septembre. Affaires autres que celle de la zone de Libre Echange examinée par le comité, 3.10.57, in: MAE, dece 620. Vgl. auch FINGER, J. Michael: GATT’s infuence on regional arrangements, in:MELO, Jaime de /PANAGARYA, Arvind: New Dimensions in Regional Integration. Cambridge 1992, S. 139.
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Die Assoziierung blieb, wie eine Aufzeichnung des Auswärtigen Amts anmerkte, „der besondere Stachel im Fleische des GATT.“46 Darüber hinaus sahen sich die Sechs mit einer neuen Lage im GATT konfrontiert, weil die USA ihre bisherige der Stellung der Sechs gegenüber wohlwollende Zurückhaltung aufgaben, um eine aktivere Rolle einzunehmen. Nicht zuletzt um die juristische Auseinandersetzung über den Vertrag von Rom im GATT einem Ende zuzuführen, sahen sie sich veranlasst, eine Initiative zu ergreifen, die den Forderungen der übrigen Entwicklungsländer im Hinblick auf die Assoziierung Rechnung trug.47 Auch die EWG hatte angesichts der vielseitigen Kritik an der Assoziierung ein Interesse daran „sagen zu können, dass die Debatte im GATT eine für alle Beteiligten konstruktive und günstige Wendung genommen hat.“48 Sie stimmte daher einem Entschließungsentwurf des GATT-Sekretariats zu, der vorsah, spezifische und praktische Probleme, die sich aus der Assoziierung ergaben, im Rahmen von Konsultationen einer Lösung zuzuführen.49 Noch 1958 ergriff die EWG die Initiative zu Kompensationsverhandlungen mit Drittländern wie den lateinamerikanischen.50 Damit entspannte sich die zuvor leidenschaftlich geführte Debatte, da im Grunde die Gemeinschaftsexistenz von den GATT-Mitgliedern als realer Faktor akzeptiert wurde. Zwar offenbarten die Aussprachen über die EWG und die Assoziierung auf den GATT-Tagungen der folgenden Jahre nach wie vor die Differenzen zwischen den Gegnern und Befürwortern regionaler Wirtschaftsintegrationen, sie verloren aber an Schärfe.51 Dies verdankte sich auch den 1961 beginnenden Beitrittsverhandlungen zwischen der EWG und Großbritannien, die letzteres veranlassten, seine Kritik am Assoziationssystem einzustellen. Die anstehende Erneuerung der Assoziierung nahm jedoch das neu dem GATT beigetretene Nigeria, unterstützt von Ghana und anderen Erzeugerländern tropischer Produkte, zum Anlass, die Angelegenheit 1961 noch einmal auf die Agenda zu setzen.52
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AA, Ref. 210, EWG - GATT, 29.4.58, in: PAAA, B 20/121. Vgl. auch die Wahrnehmung der EWG hinsichtlich der Haltung der der USA: EWG, Rat, Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter an den Ministerrat, 2.5.58. In: Ebd. EWG, Rat, Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter an den Ministerrat, 2.5.58. In: Ebd. Vgl. ebd., Anlage: Entwurf einer Schlussfolgerung des Intersessionalen Ausschusses aufgrund der Diskussion über den Rom-Vertrag, 30.4.58. In: Ebd.; EWG, Rat, Schreiben des Präsidenten des Rates der EWG, Victor Larock, an den Präsidenten der Vertragsparteien des GATT, Betr.: Entwurf einer Schlussfolgerung des Intersessionalen Ausschusses aufgrund der Diskussion über den Rom-Vertrag, 21.5.58. In. Ebd. Vgl. Bousquet an MAE, Direction Générale des Affaires Economiques, a.s. Conférence des Ministres des Affaires Etrangères du 25 Février. Deuxième session des Conseils des Communautés Economique et Atomique européennes, 26./27.2.58; Le Représentant Permanent Adjoint de la France auprès des Communautés Européennes à MAE, DG des AFF. Econ., a. s. Mission du Baron Snoy à Genève à l’occasion de la remise du mémorandum des Six pays de la CEE aux pays d’Amérique Latine auprès du GATT, 17.4.58. In: MAE, dece 621. Vgl. z. B. Deutsche Delegation für die XV. GATT-Tagung an AA, Betr.: Schlussbericht über die XV. GATT-Tagung, 18.12.59; Deutsche Delegation für die XVI. GATT-Tagung, Schlussbericht über die XVI. Tagung der Vertragsparteien des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens – GATT, 4.7.60. In: PAAA, B 20/386. CURZON, Gerard: Multilateral Commercial Diplomacy, S. 283.
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Die Debatte über die Assoziierung im GATT spiegelte im Übrigen weniger den Interessensgegensatz zwischen Norden und Süden wider, als vielmehr die Konkurrenzsituation in der Dritten Welt. Vor diesem Hintergrund reflektierte der senegalesische Botschafter auf der 19. GATT-Tagung am 17. November 1961 die an der Assoziierung geübte Kritik, die auf die vermuteten Privilegien, die sich im Kern gegen vermeintliche Handelsumlenkungen aufgrund der Präferenzen richtete. Er wies darauf hin, dass eine juristische Diskussion zu keiner Lösung führe, und appellierte daher – eine politische Perspektive einnehmend – an die Solidarität der Entwicklungsländer: „Je répète volontiers ce que j’ai dit dans cette enceinte au printemps dernier:”L’ennemi d’un pays sous-développés n’est pas un autre pays sous–développés. [sic] ”L’ennemi commun, que nous devons combattre, c’est la misère, la faim, l’ignorance – ou ceux qui sont tenté de nous recoloniser. Nous ne voulons pas d’autres. [sic] ”Il n’est pas question de déshabiller Pierre pour habiller Paul. Pour nous, il faut habiller Pierre et Paul.“53
2. Institutionelle und ideologische Grundlagen der Assoziierung 2.1. Die Kommission und ihre Generaldirektion für die überseeischen Länder und Gebiete Als sich die Kommission der EWG im Januar 1958 konstituierte, sahen ihre Mitglieder sich sofort vor bedeutende Herausforderungen gestellt. Einerseits galt es eine Antwort auf die Herausforderung Großbritanniens zu finden, das mit seinem Vorschlag einer alle OEEC-Länder umfassenden Freihandelszone das Modell der Gemeinschaft in Frage stellte,54 andererseits musste der innere Aufbau der Gemeinschaft vorangetrieben werden. Die Kommission richtete ihren Blick auf die Organisation ihrer Administration, die Vorbereitung einer Konferenz über die Agrarpolitik, die Ingangsetzung der Zollunion, das Verfassen eines Berichts über die wirtschaftliche Lage in der Gemeinschaft sowie ihres ersten Berichts für das Europäische Parlament.55 Die Assoziierung trat neben diesen Anliegen zunächst in den Hintergrund, ihre Umsetzung stellte aber nichtsdestoweniger die Gemeinschaft vor eine große Herausforderung. Einerseits ging es darum, einen eigenständigen Beitrag zur Entwicklung der assoziierten Länder und Gebiete zu leisten, andererseits wurde das mit dem Vertrag von Rom etab53
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Rede des senegalesischen Botschafters Gueye, Vertreter des Senegal bei der EWG, Erklärung anlässlich der 19. Tagung der Vertragsparteien des GATT am 17.11.61 während der Debatte über die Assoziierung der AASM mit der Gemeinschaft im Namen von zwölf afrikanischen Delegationen, in: BA Koblenz, B 102/130217. Vgl. beispielsweise: BRUNN, Gerhard: Europäische Einigung. Stuttgart 2002, S. 133 ff.; KNIPPING, Franz: Rom, 25. März 1957. Die Einigung Europas. München 2004, S. 108 f.; SCHENK, Catherine R: Decolonization and European Economic Integration. The Free Trade Area Negotiations, 1956-58, in: THE JOURNAL OF IMPERIAL AND COMMONWEALTH HISTORY, Vol. 28, September 1996, S. 444-463; URWIN; Derek W.: The Community of Europe: A History of European Integration since 1945. London/New York, 2. Aufl. 1998, S. 92-96. Vgl. EWG-Kommission, Erster Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft (1. Januar 1958 – 17. September 1958). Brüssel 1958.
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lierte System schnell von den Ereignissen in Afrika überholt. 1960 erlangte die Mehrheit der Assoziierten die Unabhängigkeit, so dass nach einem Modus gesucht werden musste, der dieser Entwicklung Rechnung trug. Der Kommission gehörten neun Kommissare an. Jeder von ihnen übernahm die Verantwortung für und Leitung einer Abteilung oder Generaldirektion, die wiederum für ein bestimmtes Politikfeld zuständig war. Die Kommissare selbst wurden von den Regierungen der Mitgliedstaaten ernannt, waren aber unabhängig in der Ausführung ihres Amtes. Die französische Regierung hatte zwei Mitglieder der Kommission zu ernennen. Ihre Wahl fiel auf Robert Marjolin, ehemaliger Generalsekretär der OEEC. Der zweite Platz in der Kommission war ursprünglich für Antoine Pinay, 1955/56 Außenminister in der Regierung Edgar Faure, bestimmt gewesen. Dieser aber sah seine politische Zukunft in Paris. Georges Villiers, Präsident des französischen Arbeitgeberverbandes (CNPF), setzte sich für die Kandidatur eines Repräsentanten seines Verbands ein, um dem großen Interesse der französischen Industrie an der europäischen Integration Ausdruck zu verleihen. Somit ernannte die französische Regierung Robert Lemaignen, Vizepräsident der Wirtschaftskommission des CNPF.56 Er übernahm die Zuständigkeit für die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete. Zu seinen Kollegen zählte Kommissionspräsident Walter Hallstein, der als Staatssekretär im Auswärtigen Amt den europäischen Integrationsprozess entscheidend mitgeprägt hatte; Vizepräsidenten der Kommission wurden Sicco Mansholt, der für den Fachbereich Landwirtschaft zuständig war, und Pietro Malvestiti, Kommissar für den Inneren Markt. Die anderen fünf Mitglieder der Kommission waren Jean Rey (Auswärtige Beziehungen), der bereits erwähnte Robert Marjolin (Wirtschaft und Finanzen), Hans von der Groeben (Wettbewerb), Giuseppe Petrilli (Soziale Angelegenheiten) und Lambert Schaus (Verkehr). Lemaignen ging nunmehr daran, die für die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete zuständige Generaldirektion VIII (GD VIII) aufzubauen57 – eine Aufgabe, für die er prädestiniert war.58 Er hatte in semi-offizieller Funktion an den EWG-Verhandlungen teilgenommen, als er als Vertreter des CNPF die französische Verhandlungsdelegation begleitet hatte. Wichtiger aber waren seine Kontakte nach Afrika, die er seiner beruflichen Tätigkeit verdankte. Nach dem Ersten Weltkrieg trat er in ein Unternehmenskonsortium ein, welches sich im internationalen Handel betätigte. Danach leitete er Handels- und Industrieunternehmen in Nord- und Zentralafrika und repräsentierte die französischen Überseegebiete im Aufsichtsrat von Air France. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Vize-Präsident der Internationalen Handelskammer mit Georges Villiers zusammen. 1941 bis 1958 war Lemaignen Präsident der Société commerciale des ports africains de l’AOF. Schließlich arbeitete er 1951/52 am Straßburg-Plan des Europarats59 mit und wurde in die Académie des Sciences d’Outre-mer gewählt. Persönlich überzeugt, dass die Kolonialzeit dem Ende entgegenging, fürchtete er, dass die EWG mit einem kolonialen Anschein behaftet werden könnte, der dem
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LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau. Souvenirs d’un technocrate. Plon 1964, S. 24. Vgl. zum Aufbau und zur Zusammensetzung der Generaldirektion VIII: Ebd., S. 50-69; COSGROVE-TWITCHETT, CAROL: Europe and Africa: from association to partnership. Westmead 1978, S. 25-28; MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 416-418. Vgl. zur Biographie Lemaignens: DERS.: L’Europe au berceau (Klappentext). Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 216 f.
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Zeitgeist zuwiderlief, wenn ein Franzose die Verantwortung für die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete übernehme. Er bezweifelte darüber hinaus, dass es wünschenswert sei, eine speziell mit der Assoziierung befasste Generaldirektion einzurichten, die den assoziierten Ländern und Gebieten eine besondere Stellung in den Außenbeziehungen der Gemeinschaft zuwies. Konsultationen mit afrikanischen politischen Freunden, zu denen zukünftige Minister und Regierungschefs zählten, und seinen Kollegen in der Kommission überzeugten ihn jedoch, die Verantwortung für die GD VIII zu übernehmen.60 Die Direction générale des pays et territoires d’outre-mer war also für die Implementierung der Assoziierungsbestimmungen, einschließlich des Europäischen Entwicklungsfonds zuständig. Sie selektierte und instruierte die von den Assoziierten vorgeschlagenen Projekte. Ihre Initiativfunktion entsprach dabei einer Vermittler- und Verhandlungsrolle zwischen den Assoziierten und den Mitgliedstaaten, ihre Exekutivfunktion äußerte sich in der Überwachung der ausgeführten Projekte und der Verwaltung der Ausschreibungen. Schließlich übte sie die Rolle der Hüterin aus, indem sie die gleiche Beteiligung der europäischen Firmen und derjenigen in den assoziierten Ländern an den Ausschreibungen sicherstellte.61 Lemaignen stand jedoch nicht allein mit der Aufgabe, sondern wurde im Rahmen des kollegialen Decision-making-Systems der Kommission von den Kommissaren von der Groeben und Petrilli unterstützt, die unter seinem Vorsitz die so genannte Gruppe VIII bildeten.62 Ihre erste Aufgabe bestand in der Ernennung eines Generaldirektors für die GD VIII. Lemaignen plädierte mit Blick auf den deutschen Beitrag zum EEF und die in der Bundesrepublik vorherrschende Skepsis gegenüber der Assoziierung dafür, einen Deutschen mit der Aufgabe zu betrauen. Hallstein persönlich empfahl Hellmut Allardt für diesen Posten. Allardt, der seine diplomatische Karriere während der Zwischenkriegszeit im Nahen Osten begonnen hatte, war die letzten Jahre Botschafter der Bundesrepublik in Djakarta (Indonesien) gewesen. Differenzen in der Sache der Ausrichtung der Assoziierung ebenso wie persönliche Gegensätze zwischen Lemaignen und Allardt führten dazu63, dass Außenminister von Brentano Allardt, der dem Kreis um Erhard nahe stand, bereits im Juni 1960 ins Auswärtige Amt zurückberief. An seine Stelle trat Heinrich Hendus, ehemaliger deutscher Generalkonsul in Algier.64 Damit die Ernennung Allardts von der französischen Regierung und in Französisch-Afrika akzeptiert wurde, bestand Lemaignen darauf, einen anderen Schlüsselposten der GD VIII mit einem Franzosen zu besetzen.65 Jacques Vignes, 60 61
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Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 55-57. Vgl. auch DIMIER, Véronique: Négocier avec les rois nègres: l’influence des administrateurs coloniaux français sur la politique européenne de développement, in: BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard: L’Europe unie le l’Afrique. S. 394. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 52 f. Insbesondere Differenzen über die Handelspraxis der EWG führten zum Zerwürfnis mit Lemaignen. Allardt, der die wirtschaftspolitische Linie des Erhard-Flügels vertrat, hatte sich öffentlich gegen die handelspolitische Privilegierung der AASM durch die EWG ausgesprochen, da diese die tradierten Außenhandelsbeziehungen der BRD mit den EL in Frage stelle. Darüber hinaus übte er Kritik an der Franc-Zone. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 146. Vgl. ebd., S. 56 f., 66; COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 36. Vgl. ebd., S. 67.
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ein hoher Kolonialbeamter, wurde Direktor der Studienabteilung und Stellvertreter Lemaignens. Darüber hinaus machte Lemaignen Jacques Ferrandi, der zuvor Wirtschaftsdirektor der AOF in Dakar gewesen war, zu seinem Kabinettschef.66 Die restlichen drei Direktorenposten gingen an den belgischen Kolonialbeamten Jacques Lefèbvre, der Direktor für Investitionsfragen wurde, den Niederländer Jacob van der Lee, ehemals enger Mitarbeiter Mansholts und nunmehr Direktor für Allgemeine Angelegenheiten, und den italienischen Entwicklungsökonomen und ehemaligen Kabinettschef Malvestitis in Rom, Enrico Gambelli, der die Leitung der Direktion Handelsbeziehungen übernahm. Die Mehrheit der rund fünfzig Beamten hatten keinerlei Kenntnisse über und Erfahrungen mit Afrika. Eine Ausnahme bildeten die Franzosen, die zumeist aus dem in Auflösung befindlichen Kolonialministerium rekrutiert wurden67 und denen ihre profunden Kenntnisse Afrikas ebenso wie die der kolonialen Praxis eine herausragende Stellung in der Generaldirektion sicherten.68 Diese Kolonialbeamten verband ein Korpsgeist, den sie in die GD VIII mitnahmen, sie trugen aber auch zur Sozialisierung der anderen bei.69 Die Dominanz der französischen Kolonialadministratoren bedeutete aber nicht im Umkehrschluss eine Domination Frankreichs. Vielmehr bemühte sich die Generaldirektion schon sehr früh um eine gewisse Autonomie gegenüber der französischen Regierung, wenngleich sie deren Interessen berücksichtigte. Was blieb, war der Einfluss der französischen Kolonialtradition.70 Nicht nur die in der Kommission versammelte Sachkenntnis, sondern die persönlichen Beziehungen ihrer Afrikaexperten zu den afrikanischen Eliten, erleichterten es ihr, auf dem Kontinent Fuß zu fassen. Als Beispiele sind zu nennen: Ferrandi, aber besonders auch Lemaignen, der zahlreiche zukünftige afrikanische Regierungschefs, wie den Senegalesen Léopold Sédar Senghor – einem der profiliertesten afrikanischen Intellektuellen, zu seinen Freunden zählte.71 Vor diesem 66
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Ferrandi wurde später einflussreicher Direktor des EEF. Vgl. hierzu die folgenden Aufsätze von Véronique Dimier, die Ferrandis herausragende Rolle in der GD VIII, wenn auch m. E. aufgrund ihrer starken Betonung der Bedeutung persönlicher Beziehungen und der Vernachlässigung anderer Faktoren etwas einseitig, analysiert: DIMIER, Véronique: Négocier avec les rois nègres, S. 393-409; Dies.: Administrative reform as a means for political regulation: historical lessons from DG 8, in: DIMITRAKOPOULOS, D: The Changing European Commission. Manchester University Press 2004, S. 74-85; DIES.: Du bon usage de la tournée: stratégies de légitimation et propagande au sein de la DG 8, in: POLE SUD, n° 15 (2001), S. 19-32; DIES.: The invention of the DG 8, in: SMITH, Andy: The European Commission as a Political Actor. Routledge 2004, S. 83-95. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 50 f., 117, 120. Vgl. DIMIER, Véronique: Négocier avec les rois nègres, S. 395-399. Vgl. ebd., S. 407. Siehe Teil C, Kap. 3.1.2.: Verzögerungen und Probleme; Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika. Vgl. ebd., S. 408. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 126. Vgl. auch den entsprechenden Hinweis Lemaignens in einer Rede vor dem Europäischen Parlament, in: Europäisches Parlament, Verhandlungen, 18.11.60, Bd. 34, S. 66. Mit Senghor zusammen verfasste Lemaignens übrigens eine für die französische Kolonialdebatte wegweisende Schrift. Vgl. R. Lemaignen, L.S. Senghor, Prince Sisowath Youtévong, La Communauté Impériale Française. Paris 1945. Auch der Briefwechsel Lemaignens mit afrikanischen Regierungschefs spiegelt die bestehenden engen Beziehungen wider. Vgl. z.B. Schreiben Lemaignens an Hamani Diori, Président du Conseil des Ministres de la République du Niger, 3.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980, 1376. Der Kommissar verstand übrigens auch den Umgang mit den französischen Kolonialadministratoren, die oftmals als Berater der neuen afrikanischen Regierungen tätig wurden. Vgl. Schrei-
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Hintergrund verwundert es nicht, dass Lemaignens Kandidatur als Kommissar für die Assoziierung die Unterstützung offizieller politischer Kreise in Afrika fand, die einen „interlocuteur déjà connu d’eux, et ayant l’expérience du contact avec les hommes d’Afrique“72 wünschten. Darüber hinaus wollte dieser Kommissar Entwicklungspolitik aus einer grundsätzlich neuen Perspektive betrachten, denn unabhängig davon, wie aufgeklärt die Entwicklungspolitik des Spätkolonialismus sein mochte, tendierten doch nach wie vor die Interessen der Metropolen vor denen der abhängigen Bevölkerung der Kolonien zu stehen.73
2.2. Zum Entwicklungsdiskurs in der EWG Das Assoziierungssystem des Vertrags von Rom wurde früh von den Ereignissen in Afrika überholt. Die Dekolonisation schritt auch im subsaharischen frankophonen Afrika voran. Vor die Wahl gestellt, entschied sich Guinea schon 1958 für die Unabhängigkeit und wurde nicht Mitglied der von De Gaulle gegründeten Communauté, die die Union française ablöste. 1960 folgte die Mehrheit der assoziierten Länder in die Unabhängigkeit. Vor diesem Hintergrund ging die Kommission 1959/60 daran, ihrer Tätigkeit im Rahmen der Assoziierung eine Programmatik zu geben.74 Parallel zu den Arbeiten seiner Generaldirektion übermittelte Lemaignen den übrigen Mitgliedern der Kommission seine Vorstellungen zu einer auf Afrika konzentrierten Entwicklungspolitik der EWG.75 Indem die Kommission das Profil der Assoziierung in Richtung einer den Realitäten der postkolonialen Zeit Rechnung tragenden Entwicklungszusammenarbeit schärfte, wollte sie die Initiative in Afrika gewinnen und den sich dort vollziehenden Transformationsprozess mitgestalten.76 Mit dem Kommissar, aber auch Beamten der Generaldirektion VIII, wie Vignes, Gambelli, Lefèbvre und Ferrandi, bestimmten Experten der Kolonialreichswirtschaft und Afrikas den Entwicklungsdiskurs der Kommission. Daneben leisteten aber auch Generaldirektor Allardt und der Kommissionsprä-
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ben Lemaignens an den Hohen Kommissar in Mauritanien, 4.2.60; Lemaignen an den Conseiller Technique auprès de la Présidence du Conseil des Ministres de la République de Soudan, 8.2.60 ; Lemaignen an den Chef de la Mission Permanente d’Aide et de Coopération in Bamako (Sudan), 8.2.60 ; Schreiben L. Rollets, Ministère d’Etat chargé de l’aide et de coopération, Mission auprès de la République Islamique de Mauri-tanie, an Lemaignen, 9.3.60, in: Ebd. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 57. Vgl. auch GRILLI, Enzo R.: The European Community and the developing countries. Cambridge 1993, S. 41. Vgl. auch COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 28 f. Vgl. EWG-Kommission, GD VIII, Mémorandum: Politique de la Communauté Economique Européenne vis-à-vis de l’Afrique, nicht datiert; GD VIII, Propositions pour une politique de la Commission vis-à-vis de l’Afrique, 29.10.59, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 18. Vgl. Note pour Messieurs les Membres de la Commission, objet: La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60 mit Anlage: La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, in: Ebd., 24. Siehe hierzu auch das Dokument vom 19.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 26/1969 632. Vgl. CEE, Commission, Secrétariat, Note à l’attention de MM. les Membres de la Commission, objet: Comité ad hoc, Discussions des principes d’une politique d’association de la Communauté (15 juin 1960), 16.6.60, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 22. Siehe hierzu auch Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika.
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sident selbst bedeutende Beiträge. Das Denken dieser Experten war, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, einerseits durch koloniale Erfahrungen und Weltbilder geprägt, insbesondere denjenigen aus der Zeit der kolonialen Entwicklungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg.77 Andererseits war es beeinflusst von den Erkenntnissen der Entwicklungsökonomie der 1940er und 50er Jahre, die schließlich einen Strang des modernisierungstheoretischen Paradigmas bildete, das Mitte der 60er Jahre seinen Höhepunkt erreichte.78 Ein zentraler Begriff des Entwicklungsdiskurses war natürlich „Unterentwicklung“. Kommissar Lemaignen definierte diese wie folgt: „C’est essentiellement un retard considérable pris par un certain nombre de collectivités dans l’acquisition des résultats matériels apportés à l’existence humaine, par le progrès scientifique de la technique européenne.“79 Sein Begriff von „Unterentwicklung“ beschreibt zugleich das Phänomen, erklärt sein Zustandekommen und ist eine Handlungsanweisung zur Überwindung dieses Zustands. Im Sinne des Modernisierungstheoretikers Walt W. Rostow80, der davon ausging, dass alle Nationen unabhängig von ihren historischen, kulturellen und geographischen Besonderheiten dieselben Stadien wirtschaftlichen Wachstums durchlaufen, begriff auch Lemaignen, wie das Wort „Verzögerung“ impliziert, „Unterentwicklung“ als Stadium, das überwunden werden kann. Für den Kommissar war „Unterentwicklung“ zu allererst ein ökonomisches Phänomen, das er auf die Nicht-Partizipation der außereuropäischen Länder am europäischen wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt zurückführte.81
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Vgl. hierzu: COOPER, Frederik: Modernizing Bureaucrats, Backward Africans, and the Development Concept, in: DERS./PACKARD, Randall (Hg.): International Development and Social Sciences. Essays on the History and Politics of Knowledge. Berkeley/Los Angeles/London 1997, S. 64-92. Explizit Bezug nahmen sie auf Pioniere wie Arthur W. Lewis, Ragnar Nurske, deren Überlegungen im vorherrschenden keynesianischen Denken verwurzelt waren, Simon Kuznets, den Begründer der U-Hypothese, Gunnar Myrdal, der den Dualismus-Begriff mitprägte, Hans W. Singer, einen Vertreter des Konzepts des ungleichgewichtigen Wachstums, und schließlich Walt W. Rostow, dem Vertreter der Stadientheorie wirtschaftlichen Wachstums. Vgl. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60; Vortrag Lefèbvres auf einer Tagung der Société Royale d’Economie Politique (Belgien), 21./22.5.60, in: BA Koblenz, B 102/10190; Rede Gambellis an der Universität von Mogadischu, 1960, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429. Die Modernisierungstheorie umfasste drei Teilbereiche: die Entwicklungsökonomie, die Theorien zur Nationalstaatsbildung und Demokratisierung, die Modernisierungstheorie im engeren Sinne, die sich mit Fragen des sozialen und mentalen Wandels in traditionellen Gesellschaften befasst. Vgl. zur Entwicklungsökonomie und Modernisierungstheorie: MENZEL, Ulrich: Geschichte der Entwicklungstheorie. Einführung und systematische Bibliographie. (Schriften des Deutschen Übersee-Instituts Hamburg, Nr. 18) 2. Aufl., Hamburg 1994, S. 1-49; BOECKH, Andreas: Entwicklungstheorien: Eine Rückschau, in: NOHLEN, D. /NUSCHELER, F. (Hg.): Handbuch der Dritten Welt. Bd. 1: Grundprobleme, Theorien, Strategien. Bonn 1992, S. 133-151; LEYS, Colin: The Rise and Fall of Development Theory. London u.a. 1996, S. 3-44; SO. Alvin Y.: Social Change and Development. Modernization, Dependency, and World System Theories. Newbury Park u.a. 1990, S. 17-60. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60. Vgl. ROSTOW, Walt W.: The Stages of Economic Growth: A Non-Communist Manifesto. Cambridge 1962. Vgl. Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60.
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Gleichwohl teilte die Kommission die Ansicht, dass „Unterentwicklung“ nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine soziokulturelle Dimension habe.82 Entsprechend der modernisierungstheoretischen Annahme, dass Entwicklung ein welthistorisch zwangsläufiger und linear verlaufender Prozess sei, der exogen angestoßen, d. h. durch Kontakt der so genannten Entwicklungsländer mit den so genannten entwickelten Ländern dramatisch beschleunigt werden könne, sahen sich der Kommissar und die Kommission in der Annahme der Überwindbarkeit bestärkt. Die frühe Entwicklungspolitik strebte nicht nur die Befriedigung grundlegender Existenzbedürfnisse an, sondern eine höhere Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung. Proklamiertes Ziel dieses Entwicklungsprozesses war der Entwicklungsstand der westlichen Industrienationen. Damit einher ging auch innerhalb der Kommission ein Optimismus in die Entwicklungsfähigkeit und das Entwicklungspotential Afrikas,83 der weder durch die Feststellung, dass sich der Abstand zwischen Entwicklungs- und Industrieländern vergrößerte, noch durch die Einsicht in Entwicklungen, die wie die demographische dem angestrebten Wirtschaftswachstum entgegenliefen, wesentlich gedämpft wurde.84 Dahinter stand der Glaube an eine prinzipiell unbegrenzte Entwicklung, an ein wirtschaftliches Wachstum, das mit dem „take off“ auch in den Entwicklungsländern selbsttragend wurde.85 Gambelli erkannte eine Parallele zum Marshall-Plan in dem Bestreben, in den assoziierten Ländern die Grundlagen einer Wirtschaft zu schaffen, „qui [...] ne peut pas dépendre d’un système d’aides extérieures permanentes.“86 Lemaignen abstrahierte die historischen Ursachen von „Unterentwicklung“, seine Erklärung ihres Zustandekommens – die Nicht-Partizipation am wissenschaftlich-technologischen Fortschritt – erscheint euphemistisch. Rückständigkeit war für den Kommissar ein universales Phänomen; er erkannte nicht, dass diejenige Afrikas auch ein Ergebnis der Kolonialzeit war.87 Der Kommissar kam viel82
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Lefèbvres: L’originalité de l’apport européen au progrès économique et social des pays en voie de développement (Société Royale d’Economie Politique, 23.5.60), in: BA Koblenz, B 102/10190. Siehe auch Teil C, Kap. 4.1. Die EWG als neuer Akteur in Afrika. Afrikapolitische Konzeptionen der EWG-Kommission. Vgl. hierzu beipielsweise: EWG, Kommission, GD VIII, Direktion für Studien und Programme: Berichtsentwurf über die soziale Lage in den mit der EWG assoziierten überseeischen Gebieten mit statistischem Anhang, 19.11.59, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 186. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60. Vgl. weiterhin : Ferrandi: L’industrialisation du Sénégal (Conférence au Centre de Perfectionnement pour le Développement et la Coopération Economique et Technique, 19.1.62), in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1561. Vgl. beipielsweise Hallstein, der diesen Rostowschen Begriff verwendete. HALLSTEIN, Walter: Europäische Afrikapolitik. Rede an der Universität Tübingen, 5. Mai 1961, in: DERS. : Europäische Reden, hg. von Thomas OPPERMANN unter Mitarbeit von Joachim KOHLER. Stuttgart 1979, S. 261-275. Schreiben Gambellis an Lemaignen, Rapport sur un politique d’association de la Communauté, 15.9.60, in: BAC 19/1969 22. Ansätze wie die der ungleiche Entwicklung, des peripheren Kapitalismus oder der strukturellen Gewalt haben ins Blickfeld gerückt, dass die Kolonialherrschaft nicht nur Entwicklungsunterschiede zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten ausgenutzt hat, sondern bewusst erhalten oder sogar geschaffen hat. Letztlich sei Afrika damit in eine Entwicklung der Unterentwicklung geführt worden. Vgl. AMIN, Samir: Die ungleiche Entwicklung. Essay über die Gesellschaftsformationen des peripheren Kapitalismus. Hamburg 1975; SEGHAAS, Dieter (Hg.): Im-
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mehr zu einer positiven Bewertung der europäischen Anstrengungen während der spätkolonialen Zeit. Die Kolonialherrschaft schien aus seiner Perspektive geradezu die Voraussetzungen für die wirtschaftliche „Entwicklung“ der assoziierten Länder geschaffen zu haben. So zeigte sich Lemaignen nach seiner ersten Reise in den belgischen Kongo beeindruckt vom Entwicklungsstand der Provinz Katanga. Diese in hohem Maße industrialisierte Provinz erfüllte nach Ansicht des Kommissars die europäische Erwartungshaltung auf einen Entwicklungspfad Afrikas nach dem europäisch-amerikanischen Modell, den die Kongolesen, angeleitet von den belgischen Kolonialherren, nachvollzögen.88 Eine positive Sichtweise auf die Kolonialzeit fand sowohl innerhalb der Kommission als auch bei Experten außerhalb der Kommission Anklang. Reisen von EWG-Beamten und Europaparlamentariern in die assoziierten Länder und Gebiete beförderten die positive Wahrnehmung der Leistungen der belgischen und französischen Kolonialherrschaft.89 Der Bericht über die soziale Lage in den
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perialismus und strukturelle Gewalt. Frankfurt 1972; DERS. (Hg.): Peripherer Kapitalismus. Analysen über Abhängigkeit und Unterentwicklung. Frankfurt 1974; RODNEY, Walter: Afrika. Die Geschichte einer Unterentwicklung. Berlin 1976. Dennoch wird die Einschätzung des Kolonialismus als Epoche der afrikanischen Geschichte in der Forschung kontrovers diskutiert. Im Grunde geht es bei dieser Kontroverse um eine Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Auswirkungen der Fremdherrschaft auf die Entwicklung der afrikanischen Gesellschaften. Stellt der Kolonialismus einen Bruch in der afrikanischen Geschichte dar, der mit langfristigen strukturellen Folgen einherging, oder kann trotz tief greifender Transformationsprozesse von einer Kontinuität gesprochen werden? Die Diskussion bestimmen drei große Strömungen: Schon früh fand die These Anhänger, beispielsweise den nigerianischen Historiker Ajayi, der Kolonialismus sei trotz tiefer Einschnitte nur eine Episode wie viele andere auch gewesen. Vgl. AJAYI, J. F. A. : „The continuity of African institutions under colonialism“, in: RANGER, T.O. (Hg.): Emerging themes of African History. Dar es Salaam/London 1968. Demgegenüber gehen andere, wie der nigerianische Politikwissenschaftler Ekeh, davon aus, dass es sich um eine neue Epoche in der Geschichte Afrikas gehandelt habe, und betonen die ökonomischen und sozio-kulturellen Transformationen während der Kolonialzeit und die mit ihnen etablierten Strukturen. Vgl. EKEH, Peter P. : Colonialism and social structure. Inaugural lecture, Ibadan 1983. Eine dritte Strömung betrachtet schließlich den Kolonialismus als eine Form von Fremdherrschaft. Mazrui hebt dabei hervor, dass der Kolonialismus nicht nur zerstört, ausgebeutet und unterworfen habe, sondern auch von Barrieren der eigenen Kultur der Kolonisierten befreit habe. Vgl. MAZRUI, A. A. : Borrowed Theory and Original Practice in African Politics, in: SPIRO, H. J. (Hg.): Patterns of African Development. Englewood Cliffs 1967, S. 91-124. Harding kommt resümierend zu dem Schluss, dass die Ausgangsfrage „Bruch“ oder „Kontinuität“ falsch gestellt sei: Es hätten Brüche stattgefunden, gleichzeitig seien aber Kontinuitäten vorhanden. Gleichwohl sei dem Eingriff in die Ökonomie und der Einordnung Afrikas in bestimmte Funktionen des Weltmarkts ein besonderes Gewicht beizumessen, weil damit Strukturen geschaffen worden seien, die die heutigen Lebens- und Entwicklungsbedingungen Afrikas bestimmten. Vgl. hierzu und zu dem angesprochenen Forschungsproblem der Bewertung des Kolonialismus: HARDING, Leonhard: Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert. München 2006, S. 177-185, bes. 183 (=Oldenburg Grundriss der Geschichte, Bd. 27).. Vgl. weiterhin: ADU BOAHEN, A.: African Perspectives on Colonialism. Baltimore 1987, S. 94112. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 128. Vgl. z. B.: Lettre du 4 Novembre 1959 du Haut-Commissaire de la République Française au Cameroun au sujet mission de la C.E.E. au Cameroun, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 224; Gabriel Morand, Ambassadeur de France au Libéria, à son Excellence Monsieur le Ministre des Affaires Etrangères, objet: Passage à Monrovia d’un haut-fonctionnaire du Marché commun, 5.2.60, in: Ebd., Art. 94. Ebenso positiv überrascht zeigten sich Parlamentarier des Europäischen Parlaments während und nach ihren Afrikareisen. Vgl.: Schreiben des Secrétaire Général de la Communauté an den Secrétaire Général du Comité Interministériel pour les ques-
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assoziierten Ländern und Gebieten, der im Auftrag des Europäischen Parlaments von der Kommission mit Hilfe von Experten der Mitgliedstaaten 1959 angefertigt worden war,90 hob positiv die Entwicklungsanstrengungen der Metropolen hervor.91 Jacques Vignes leitete die Ausarbeitung dieser Studie, die in sechs Bereichen (Demographie, Arbeit, Gesundheit, Ausbildung, Urbanisierung und soziale Fragen im weiteren Sinn) die soziale Wirklichkeit in den assoziierten Ländern zu erfassen suchte. Der Sozialbericht sollte der Tätigkeit der Kommission eine wissenschaftliche Legitimationsgrundlage verschaffen und gleichzeitig deren Leitlinien im sozialen Bereich erarbeiten, schließlich waren zwei Drittel der Mittel des Entwicklungsfonds Projekten in diesem Bereich vorbehalten. Er war aber zugleich auch ein Aufbruch vom kolonialen Wissen über die assoziierten Länder, da er dieses nicht nur vertiefte, sondern auch neu strukturierte.92 Schon die Begrifflichkeiten enthüllen jedoch die nach wie vor eurozentrische Konstruktion93 und Wahrnehmung der afrikanischen Realitäten. Afrika schien gefangen in einem den Fortschritt hemmenden Traditionalismus sowie ökonomischen und sozialen Kollektivismus. Darüber hinaus kennzeichne die assoziierten Länder eine duale Wirtschaftsstruktur mit einer weit verbreiteten Subsistenzwirtschaft und einer erst in Ansätzen vorhandenen, vorwiegend exportorientierten Marktwirtschaft. Gleichwohl vollziehe sich in Afrika seit ungefähr 40 Jahren eine ökonomische Revolution, während derer die Subsistenzwirtschaft zunehmend der Produktion für den Markt weiche. Am ehesten noch schien sich die Erwartung auf „Entwicklung“ in den industrialisierten städtischen Zonen zu verwirklichen, wo eine Schicht autochthoner Gehaltsempfänger entstanden war. Ansonsten konstatierte der Bericht im sozialen Bereich zahlreiche Defizite wie den „niveau culturel moyen de masses“ oder die „méconnaissance de certains règles d’hygiène“, die Interventionen erforderten.94
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tions de Coopération Economique Européenne, objet: Mission de parlementaires européens en Afrique, 18.8.59; im Anhang: Rapport de mission de M. l’Administrateur Choplin, chargé d’accompagner la délégation de l’Assemblée parlementaire européenne dans les Etats du Gabon et du Congo du 21 au 27 juillet 1959, in: Ebd. Vgl. Entschließungsantrag vom 15.1.59, in: Europäisches Parlament, Verhandlungen, 15.1.59, S. 331 f.; EWG, Kommission, GD VIII, Direktion für Studien und Programme: Berichtsentwurf über die soziale Lage in den mit der EWG assoziierten überseeischen Gebieten mit statistischem Anhang, 19.11.59, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 186. Vgl. auch: MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 423-429. Vgl. Jacques Vignes, Le développement social dans les pays d’Outre-mer associée à la CEE. Juni 1959, in: BAC 19/1969 196. Vgl. EWG, Kommission, GD VIII, Direktion Studien und Programme, Rapport sur la situation sociale dans les pays d’outre-mer associés à la Communauté Economique Européenne, Projet de schéma N° 2, 19.2.59, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 185; Réunion des experts pour l’établissement du rapport social outre-mer, Projet d’allocution introductive de M. Petrilli, 3.4.59, in: Ebd. Unter Eurozentrismus soll die Annahme verstanden werden, dass die allgemeine historische Entwicklung, die als charakteristisch für Europa und Nordamerika betrachtet wird, ein Modell darstellt, an dem die Geschichten und Formationen aller Gesellschaften gemessen und bewertet werden können. Vgl. CONRAD, Sebastian/RANDERIA, Shalina: Einleitung. Geteilte Geschichten – Europa in einer postkolonialen Welt, in: DIES. (Hg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt/New York 2002, S. 12. Le développement social dans les pays d’Outre-mer associés à la Communauté Economique Européenne, Conclusion générale, Juni 1959, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 196. Einen
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Die Entwicklungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften wurde nicht in Frage gestellt. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung erschien nicht als ein Privileg Europas, auch wenn davon ausgegangen wurde, dass der Anstoß zu einer weltweiten Dynamik von Europa ausging. Insofern erschien das Denken der Kommission noch dem kolonialer Zivilisierungsmissionen verhaftet. Ausgehend von der Annahme der Höherwertigkeit der europäischen Zivilisation, die auf der Wahrnehmung der technologisch-wirtschaftlichen Fortschrittlichkeit gründete, wurden in den afrikanischen Gesellschaften Zivilisationsmängel konstatiert, die als behebbar und behebenswert eingeschätzt wurden.95 Gerade auf die Ausrichtung der französischen Kolonialpolitik hatte die Idee der Zivilisierungsmission greifbaren Einfluss gehabt, der sich im ökonomischen Bereich in der Gewöhnung der Afrikaner an Lohnarbeit und Marktproduktion niederschlug.96 Weiterhin war dieser Idee Rassismus von ihrem Wesen her fremd.97 „Le sous-développement“, wie Lemaignen betont,„n’est donc pas la conséquence fatale de la race, ou du climat.“98 An die Stelle eines expliziten Rassismus tritt hier die These einer kulturellen Differenz.99 Die Begrifflichkeiten des kolonialen Diskurses wandelten sich auf dem Weg zu dem in die postkoloniale Zeit weisenden Entwicklungsdiskurs. Gambelli sprach beispielsweise nicht mehr von „mise en valeur“, sondern gebrauchte den ökonomischen Begriff der „valorisation“.100 Auch der Begriff „Erschließung“ wurde weniger geläufig und zunehmend durch den Neologismus „Infrastruktur“ ersetzt.101 Vignes hatte einen weiten Begriff von Infrastruktur, der zugleich den Aktionsrahmen des ersten Entwicklungsfonds umriss: „Nach einer weit verbreiteten Auffassung handelt es sich bei der Infrastruktur lediglich um die Erstellung von Verkehrswegen und Elektrizitätswerken,“ erläuterte der Direktor der Studienabteilung und Stellvertreter Lemaignens 1958 auf einer Tagung der Deutschen Afrika-Gesellschaft. „Für uns jedoch reicht die Infrastruktur sehr viel weiter und umfaßt außer den eben genannten Zie-
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Überblick über den neuesten Forschungsstand zur Geschichte Afrikas gibt Harding. Er weist auch auf die Problematik eurozentrischer Begrifflichkeiten hin. Vgl. HARDING, Leonhard: Geschichte Afrikas, S. 38-43, 138 f. Vgl. SCHRÖDER, Wolfgang M.: „Mission impossible?“ Begriff, Modelle, Begründungen der „Zivilisierungsmissionen“ aus philosophischer Sicht, in: BARTH, Boris/OSTERHAMMEL, Jürgen (Hg.): Zivilisierungsmissionen. Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert. Konstanz 2005, S. 27 f. Vgl. PETERSON, Niels P.: Markt, Zivilisierungsmissionen und Imperialismus, in: Ebd., S. 41. Vgl. OSTERHAMMEL, Jürgen: „The Great Work of Uplifting Mankind“. Zivilisierungsmissionen und Moderne, in: Ebd., S. 263-426, bes. 371, 420. Vgl. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60 Ebenso wie Osterhammel davon ausgehend, dass ein qualitativer Unterschied besteht zwischen den Gedanken biologischer Determiniertheit und einer auf kulturellen Merkmalen bezogenen Arroganz, schließt sich der Verfasser einer engen und präzisen Definition von Rassismus an, nach der ein kulturelles Überlegenheitsgefühl nicht dasselbe ist wie Rassismus. Rassismus soll daher hier „den durch Erfahrung unkorrigierbaren Glauben bezeichnen, die Existenz anderer sei primär durch eine biologisch determinierte, unveränderliche Inferiorität bestimmt.“ (OSTERHAMMEL, Jürgen: Zivilisierungsmission und Moderne, S. 420) Vgl. Discours de M. Gambelli à l’Institut universitaire de Mogadiscio, 1960, in: BAC 25/1980 1429. Vgl. VAN LAAK, Dirk: Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für die Erschließung Afrikas 1880 bis 1960. Paderborn u. a. 2004, S. 10
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len eine Reihe von Sozialmaßnahmen. Diese erstrecken sich nicht nur auf das Unterrichtswesen und den öffentlichen Gesundheitsdienst, sondern auch auf Stadtplanung und das Wohnungswesen in städtischen und ländlichen Bezirken. Ferner gehören weitreichende Reformmaßnahmen auf dem Lande, wie z.B. die Sicherung von Reisanbau oder von Bewässerungsanlagen und desgleichen die meisten agrarischen Ameliorationsaufnahmen. Sogar die wissenschaftliche oder technische Grundlagenforschung gehört bis zu einem gewissen Grade zum Komplex der Infrastruktur. Diese Auffassung mag als zu weitreichend erscheinen. Warum sollte man aber nicht jede Ausrüstung und jede zweckbestimmte Investition als zum Bereich der Infrastruktur gehörend verstehen, die, wenn auch nicht unmittelbar produktiv wirksam, doch notwendig für die Produktion und deren Entwicklung ist? Warum sollte man die Bezeichnung „Infrastruktur“ lediglich für den Bereich der wirtschaftlichen Infrastruktur anwenden und sie auf sozialem und intellektuellem Gebiet außer acht lassen?“102 Damit machte sich die Kommission ein der vorherrschenden Vorstellung von Entwicklung zugeordnetes Konzept zu Eigen, das sowohl Geber- als auch Nehmerinteressen entsprach. Infrastrukturen erschließen, verbinden und integrieren nicht nur ökonomisch, sondern ziehen auch kulturelle Erwartungen und Orientierungen nach sich.103 Sie sind Medien zur informellen Erschließung, zur ökonomischen und kulturellen „Durchdringung“.104 Zugleich wurde Infrastruktur aber zu einer vermeintlich unpolitischen, technischen Kategorie, die auch von Entwicklungsländern gerne aufgegriffen wurde, um ihren Anspruch auf eine Erhöhung ihres Lebensstandards gegenüber den Industrieländern einzufordern.105 Der Begriff entsprang einem Entwicklungsdiskurs, der jeden Anschein imperialen Ausgreifens zu vermeiden suchte, indem er alles einer ökonomischen Sachgesetzlichkeit und Folgerichtigkeit, den „besoins impérieux de l’économie“, unterwarf. Dieser Diskurs reflektierte und begründete ein ökonomisch-technokratisches Denken, das sich auch in den angewandten mathematisch-statistischen Methoden der Entwicklungsplanung niederschlug. In diesem Kontext zeichneten den Entwicklungsdiskurs in der EWG-Kommission jedoch Eigenheiten aus. Dazu zählten die Vorsicht gegenüber dem Aussagewert quantifizierbarer Indikatoren und die Einsicht in die Notwendigkeit, die statistische Analyse um eine qualitative zu ergänzen.106 Ferrandi warnte darüber hinaus auch vor einer übertriebenen Theorielastigkeit des Diskurses und plädierte demgegenüber für eine Verbindung von technischem Wissen und Praxisbezogenheit. Dies veranschaulichte er in seiner Funktion als Direktor
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VIGNES, Jacques: Die wesentlichen Probleme der Infrastruktur in Französisch-West- und Äquatorial-Afrika, in: Deutsche Afrika-Gesellschaft (Hg.): Investitionen, Infrastruktur und Kapitalbedarf im Schwarzen Erdteil. Bonn 1958, S. 20-32. Zit. nach: VAN LAAK, Dirk: Imperiale Infrastruktur, S. 19. Vgl. VAN LAAK, Dirk: Imperiale Infrastruktur, S. 12. Vgl. DERS.: Infra-Strukturgeschichte, in: GESCHICHTE UND GESELLSCHAFT 27 (2001), S. 374. Vgl. DERS.: Imperiale Infrastruktur, S. 19. Ferrandi, Jacques: L’industrialisation du Sénégal (Conférence au Centre de Perfectionnement pour le Développement e t la Coopération Economique et Technique, 19.1.62), in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1561.
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des Europäischen Entwicklungsfonds auf einem internationalen Kongress 1963 in Paris an folgender Metapher: „Ich persönlich benötige keine so sorgfältige Analyse. Für mich ist es vielleicht schwierig, mit genauen technischen Begriffen einen Elefanten zu beschreiben. Aber wenn ich ihm im Busch gegenüberstehe, erkenne ich ihn sofort.“107 Damit hielt Ferrandi zugleich ein Plädoyer dafür, den Diskurs auch für Laien, für die Empfänger der Entwicklungshilfe zu öffnen. Dahinter stand die Absicht, „Entwicklung“ nicht für, sondern mit den Afrikanern zu machen. Somit ergibt sich ein Bruch zur spätkolonialen Entwicklungspolitik, der eine solche Perspektive weitgehend fremd blieb.108 Ferrandi knüpfte gleichwohl an koloniale Erfahrungen und Praktiken an. Auf der Einsicht gründend, dass die Empfänger gewillt sein mussten, die Entwicklungshilfe anzunehmen und darüber hinaus zu assimilieren, gingen schon die französischen Kolonialadministratoren dazu über, die indigenen Eliten in Gesprächen von der Richtigkeit der angestrebten Politik zu überzeugen. Sie traten also in einen Dialog, der freilich von Asymmetrien geprägt blieb.109 Diese Praktik wurde auch für die Kommission handlungsleitend. Ihren Ausdruck fand sie im Begriff der „coopération“, der dem der „assistance“ gegenübergestellt wurde. Der Begriff „assistance“ erschien der Kommission der postkolonialen Zeit nicht mehr angemessen, da „dans la langue française la terme «d’assistance» évoque presque toujours celui de la «charité», qui choque la dignité des pays en voie de développement.“110 „Coopération“ sollte hingegen ein gegenseitiges, partnerschaftliches Verhältnis repräsentieren. Gambelli stellte die heraufziehende postkoloniale Zeit sogar unter dem Begriff „collaboration“, also unter das Motto der Zusammen- und Mitarbeit: „L’ère du colonialisme est certainement révolue et elle ne peut avoir laissé de nostalgie d’aucune sorte ni en Europe ni ailleurs. Par contre l’ère qui s’ouvre est celle de la collaboration et de la solidarité.“111 „Solidarité“ wiederum verwies auf eine Interessengemeinschaft, auf eine Politik des sozialen Ausgleichs und der Umverteilung,112 betonte aber auch den humanitären Aspekt der Entwicklungszusammenarbeit. In der Tat stellte die EWG den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen, der Sozialbericht beispielsweise erhob den Anspruch, eine Studie „sur les problèmes humains“ zu sein, die
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„Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Technische Hilfe“ (Vortrag von Jacques Ferrandi, Direktor des EEF, auf dem 2. Internationalen Kongress der Ausrichtung auf die Internationale Funktion, Paris,22.11.63), in: Ebd., 1323. Vgl. COOPER, Frederik: Modernizing Bureaucrats, Backward Africans, and the Development Concept, S. 65. Vgl. DIMIER, Véronique: Le gouvernement des colonies, regards croisés franco-britanniques. Bruxelles 2004; DIES.: Négocier avec les rois nègres, S. 397 f. CEE, Commission, La Coopération technique dans les pays en voie de développement. La participation des Six pays de la CEE (Communication de M. Lemaignen). Note à l’intention du DAG, 2.6.60, in: HAEG Brüssel, BAC 26/1969 632. Discours de M. Gambelli à l’Institut universitaire de Mogadiscio, 1960. In diesem Sinne betrachteten Gambelli und der Kommissionspräsident die Entwicklungspolitik der EWG. Vgl. ebd., HALLSTEIN, Walter: Europäische Afrikapolitik, 5.5.61, S. 263.
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„l’Homme à travers tous les aspects de sa vie sociale“ betrachtete.113 Diese Perspektive verdankte sich einer spezifischen, strukturalistischen Ausprägung der französischen Entwicklungsökonomie,114 die insbesondere durch François Perroux, den Gründer des ISEA115, und den Dominikaner Louis-Joseph Lebret repräsentiert wurde.116 Lebret, der eine korporative katholische Soziallehre vertrat, richtete den Blick auf eine dynamische, aber harmonische Integration neuer Werte in bestehende autochthone Wertsysteme. Auch die Kommission hatte ein besonderes Augenmerk auf die verschiedenen Kontexte. Allardt hob hervor, dass die afrikanische Lebens- und Weltanschauung nicht dem Western Way of Life entsprach.117 Für Lemaignen bemaß sich der Wert der Entwicklungszusammenarbeit gerade in der Anerkennung, „daß die Entwicklungsländer nicht nur ihre eigene Würde haben, sondern auch einen reichen Schatz an Erfahrungen bieten können.“118 Hallstein schließlich brachte die Einsicht in die Begrenztheit des europäisch-amerikanischen Modells, das nicht eins zu eins auf die Entwicklungsländer übertragen werden könne, wie folgt auf den Punkt: „Im Verhältnis zu den Entwicklungsländern betreten wir sozusagen einen neuen Raum, der andere Dimensionen hat und in dem unsere euklidische Geometrie nicht mehr voll anwendbar ist. Unsere Vorstellungen von Nichtdiskriminierung, von Marktpreisen, von der steuernden Funktion der Verzinsung eines Kapitals, vom Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage sind nicht mehr ohne Einschränkungen und nicht mehr in derselben Form 113
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EWG, Kommission, GD VIII, Direktion Studien und Programme, Rapport sur la situation sociale dans les pays d’outre-mer associés à la Communauté Economique Européenne, Projet de schéma N° 2, 19.2.59. Vgl. hierzu: HUGON, Philippe: La pensée française en économie de développement. Evolution et spécificité, in: REVUE D’ECONOMIE POLITIQUE 101 (2), mars-avril 1991, S. 171-229, besonders S. 183-186. Diese strukturalistische Strömung verortete das Funktionieren der Ökonomie in ihren strukturellen Kontexten und analysierte Entwicklung im Sinne institutionellen Wandels. Sie unterschied sich von marxistischen oder anthropologischen strukturalistischen Strömungen. Perroux bemühte sich die verschiedenen Strömungen der Entwicklungstheorie in einem humanistischen Projekt zu verorten. Institut des Sciences Economiques Appliquées. Diese Entwicklungsökonomen verwiesen auf einen Unterschied zwischen Wachstum und Entwicklung, betrachteten menschliche Faktoren als primär und zogen auch ethische Fragen von Unterentwicklung und Hunger in Betracht. Vgl. DIOUF, Mamadou: Senegalese Development. From Mass Mobilization to Technocratic Elitism, in: COOPER, Frederik/PACKARD, Randall: International Development, S. 295. Sowohl Perroux als auch Lebret wurden in der Kommission rezipiert. Perroux erarbeitete 1961 Vorschläge für die Aktion der EWG im Bereich der Technischen Hilfe. Vgl. François Perroux: Le Développement est la combinaison des changement mentaux et sociaux d´ une population qui la rendent apte à faire croître cumulativement et durablement, son produit réel global, 2.2.61, in: CAC, 810443 Ministère des relations extérieures, coopération et développement, Direction de la coopération culturelle et technique [DCT], Art. 59; Werner Ködderitz, deutscher Referent in der GD VIII, Vermerk, Betr.: Aktionsprogramm für Entwicklungshilfe, 29.6.60, in: BA Koblenz, N 1266/1784; Schreiben von Ködderitz an Klaus Meyer, den stellvertretenden Kabinettschef des Kommissionspräsidenten, Tananarive, 26.6.61, in: Ebd., 1223. Vgl. Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik E.V.: Praktische Möglichkeiten der Entwicklungshilfe in Afrika. Vortrag von Botschafter Dr. Allardt, 1.12.60, in: N 1266/1782. LEMAIGNEN, Robert: Die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit dem Gemeinsamen Markt, in: EUROPA-BRÜCKE, 11 (1960), S. 25.
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brauchbar, wenn es um unsere Beziehungen zu den Entwicklungsländern geht.“119 Vielmehr sollten die unterschiedlichen historischen und sozio-kulturellen Kontexte, die Eigenheiten und individuellen Voraussetzungen jedes Entwicklungslandes in Rechnung gestellt werden.120 Dahinter stand die Idee aktiv-synkretistischer Akkulturationsprozesse, die in den Entwicklungsländern abliefen.121 Damit einher ging eine Offenheit für eigene Formen der Entwicklung, die Entwicklungsländer finden konnten. Allardt erhob schon 1958 den Anspruch, dass Europa seine Rolle des „maître d’école“ aufgeben solle.122 Diese Einsichten und dieses Selbstverständnis entsprachen dem Willen zur Kooperation, lösten aber letztlich nicht die eurozentrische Perspektive auf, sondern relativierten sie allenfalls. Europa und Amerika blieben nach wie vor der Maßstab, an dem der von den Entwicklungsländern einzuschlagende Entwicklungsweg gemessen wurde. Nur verbarg sich dieser Maßstab hinter einem Entwicklungsdiskurs, der vermeintlich universale und neutrale ökonomische Prinzipien zu Leitbildern erhob. Dennoch eröffnete er Entwicklungsländern Handlungsspielräume, innerhalb derer sie eigene Wege beschreiten konnten, wie das Beispiel Senegals zeigt. In dem Bestreben, sich auch ökonomisch und soziokulturell zu dekolonisieren, nutzte und meisterte die senegalesische Regierung die Facetten des Entwicklungsdiskurses, um die eurozentrische Perspektive zu durchbrechen. Im Zentrum ihres Interesses standen die gemeinschaftlichen Wurzeln afrikanischer Wirtschaften. Dabei griff sie auf die Methoden der französischen korporativen Entwicklungstheorie zurück, insbesondere der spezifischen Methode Lebrets. Durch deren Raster dekonstruierte sie koloniale Strukturen und koloniales Wissen über den Senegal und reinterpretierte die eigenen Traditionen.123 Der Entwicklungsplan Senegals fand die ausdrückliche Anerkennung der EWG-Kommission, die Lebrets Methode selbst rezipiert hatte.124 Im Rahmen seiner Konzeption für eine Entwicklungspolitik der EWG benannte Kommissar Lemaignen drei allgemeine Defizite der afrikanischen Entwicklungsländer, auf die sich die Aktion der EWG konzentrieren sollte.125 1. Zunächst leitete er aus der konstatierten Nicht-Partizipation am wissenschaftlich-technischen Fortschritt die Notwendigkeit der Heran- und Ausbildung auto119
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HALLSTEIN, Walter: Europäische Afrikapolitik, 5.5.61, S. 269. Vgl. zu diesem Aspekt auch das Vorwort von Ferrandi zur Kommissionsstudie: Les critères d’appreciation des projets soumis au Fonds européen de développement. (Série développement de l’outre-mer). 1965, in: BAC 25/1980 1035. Vgl. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés. 19.2.60, in: BAC 26/1969 632. Vgl. hierzu: BEHREND, Richard F.: Gesellschaften im Umbruch, in: BESTERS, Hans/BOESCH, Ernst E. (Hg.): Entwicklungspolitik. Handbuch und Lexikon. Stuttgart/Berlin 1966, S. 165-204, bes. 194. Vortrag Allardts auf der Industriemesse in Hannover 1959. Vgl. Les Journées Economiques Africaines de la Foire Industrielle de Hanovre (rapport de M. Francis Grangette, Conseiller Commercial de France à Hambourg), Compte rendu de la séance de travail consacré à la Zone Franc au sud du Sahara, 8.5.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 225. Vgl. Diouf, Mamadou: Senegalese Development, S. 291-319. Vgl. Ferrandi: L’industrialisation du Sénégal, 19.1.62; Schreiben von Ködderitz an Klaus Meyer, 26.6.61. Die Entwicklungsplanung nach Lebret fand auch in anderen assoziierten Staaten, wie z. B. Madagaskar, Anhänger. Vgl. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60.
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chthoner Führungskräfte für die Wirtschaft ab. Dass Lemaignen diese Forderung an erste Stelle setzte, spiegelte auch seine Herkunft aus der französischen Wirtschaft wider. Schließlich zählte die Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte zu den zentralen Anliegen des kolonialen Großunternehmertums.126 Doch der Kommissar und seine Generaldirektion nahmen die Assoziierten nicht nur als Arbeitskräfte, sondern auch als Konsumenten wahr.127 Dahinter verbargen sich nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern stand auch die Erkenntnis, dass durch die gezielte Steuerung von Bedürfnissen die Entwicklung der assoziierten Länder in einem europäischen, westlichen Sinne beeinflusst und so stabilisiert werden könne. 2. Ein ungenügendes individuelles Einkommen der Agrarproduzenten führte Lemaignen einerseits auf traditionelle Anbaumethoden, andererseits auf außenwirtschaftliche Faktoren zurück. Der Kommissar thematisierte damit die Problematik des Verfalls und der Instabilität der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt und eine damit einhergehende Verschlechterung der terms of trade. In Übereinstimmung mit der entwicklungsökonomischen Literatur von Lewis, Myrdal, Perroux, Prebisch und Singer128 hegte der Kommissar Skepsis gegenüber den Auswirkungen eines unbeschränkten internationalen Handels. Für Gambelli, der explizit auf Myrdal Bezug nahm, war das Problem der „Unterentwicklung“ eine Frage der internationalen sozialen Gerechtigkeit, also eine Frage des sozialen Ausgleichs und der Umverteilung im Weltmaßstab.129 Diese Mängeldiagnose griff nicht nur neueste Strömungen der Entwicklungsökonomie auf,130 sondern knüpfte wiederum an koloniales Wissen an. Frankreich hatte beispielsweise ein Überpreissystem errichtet, das den kolonialen Produzenten hinreichend lohnende Preise garantieren sollte.131 Die Kommission betrachtete dieses Problem nicht als ein konjunkturelles, sondern auch als eins der Außenhandelsstruktur der as126 127
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Vgl. HODEIR, Catherine: Stratégies d’Empire. Le grand patronat colonial face à la décolonisation. Paris 2003, S. 226 f. Vgl. Lefèbvre: L’originalité de l’apport européen, 21./22.5.60; Lemaignen, Robert: Communauté Européenne et pays d’outre-mer associés, in: Les problèmes juridique et économiques du Marché Commun. Paris 1960, S. 91. Dieser Artikel Lemaignens wurde auch unter dem Titel „Premiers pas africains du Marché commun“ in: HOMMES ET COMMERCES, n° 52 (1959), S. 12-22 veröffentlicht. Vgl. BESTERS, Hans: Theorien zur wirtschaftlichen Entwicklung, in: DERS./BOESCH, Ernst E. (Hg.): Handbuch Entwicklungspolitik, S. 243-304. Myrdal versuchte gegen die klassische Theorie der komparativen Kosten nachzuweisen, dass dem internationalen Handel die Tendenz innewohnt, die reichen Länder reicher, arme Länder ärmer zu machen. Prebisch und Singer vertraten demgegenüber die These der relativen Verarmung: Der Handelsgewinn, der aus den komparativen Kostenvorteilen resultiert, sei infolge der Handelsausweitung zwar für die entwickelten und die unterentwickelten Länder ständig gestiegen, der Anteil der Entwicklungsländer am Gesamtgewinn habe sich jedoch permanent verringert. Auch die französische strukturalistische Schule, zu deren herausragenden Vertretern François Perroux gehörte, hatte eine pessimistische Sichtweise auf die Effekte des internationalen Handels für Entwicklungsländer. Vgl. HUGON, Philippe: La pensée française en économie de développement. Evolution et spécificité, S. 185. Vgl. Discours de Gambelli à l’Institut universitaire de Mogadiscio, 1960. Diese Perspektive auf die Entwicklungspolitik hatte auch der Kommissionspräsident. Vgl. HALLSTEIN, Walter: Europäische Afrikapolitik, 5.5.61, S. 262. Vgl. BALASSA, Bela: Die Entwicklungsländer in der Weltwirtschaft, in: BESTERS, Hans/BOESCH, Ernst E. (Hg.): Handbuch Entwicklungspolitik, S. 71-104. Siehe Teil C, Kap.3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen.
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soziierten Länder, dessen Lösung eine Diversifizierung ihrer Ökonomien erforderte.132 3. Schließlich nannte Lemaignen den Mangel an autochthonem Kapital.133 Der Kommissar, der die in der zeitgenössischen Entwicklungsökonomie gängige Auffassung teilte, dass die Beeinflussung volkswirtschaftlicher Variablen wie der Sparrate und der Investitionsquote Wirtschaftswachstum induziere, betonte die Bedeutung öffentlicher und privater Investitionen für die Ingangsetzung des Entwicklungsprozesses. Dabei ging er, sich auf verschiedene Quellen stützend, von einem globalen Bedarf zwischen 4 und 30 Mrd. $ jährlich aus, also 1 bis 6% des Bruttosozialprodukts der Industrieländer, um das Ziel einer aufholenden Entwicklung der Entwicklungsländern zu realisieren.134 Dennoch waren für den Kommissar die einzuleitenden Maßnahmen keineswegs nur ökonomischer Natur. Die politischen, institutionellen, technologischen, soziologischen und kulturellen Bedingungen betrachtete er als ebenso bedeutsam. Vor diesem Hintergrund schloss er sich der Kritik an der neoklassischen Entwicklungsökonomie der 40er und 50er Jahre an, die amerikanische Institutionen wie die Weltbank und die Agency for International Development (AID) beherrschten.135 Das Entwicklungsproblem warf eine Reihe Fragen grundsätzlicher Art auf, die die Kommission wie folgt beantwortete. Strukturpolitisch tendierte die Kommission zu einer Beibehaltung der bisherigen Produktionsstruktur bei intensiver Förderung und Verbesserung der landwirtschaftlichen Erzeugung. Zwar erteilte Kommissar Lemaignen der Industrialisierung keine grundsätzliche Absage, sah aber die Voraussetzungen für ihre Forcierung in den meisten assoziierten Staaten nicht gegeben.136 Die herausragende Ausnahme war nach wie vor der belgische Kongo mit seiner Provinz Katanga.137 Die Kommission nahm die Industrialisierung als neuen Mythos unter den afrikanischen Eliten wahr, dem sie zwar Rechnung tragen, ihn aber gleichzeitig in realistischere Bahnen lenken wollte.138 Weiterhin sprach sie sich für den Transfer adaptierter Technologien aus.139 Schließlich konstatierte sie die Interdependenz wirtschaftlicher und sozialer Faktoren und befürwortete eine integrierte Entwicklung.140 Ordnungspolitisch maß die Kommission der Planung des Entwicklungsprozesses einen zentralen Stellenwert bei. Diese Präferenz ging mit der für ein umfassendes staatliches Lenkungssystem einher. Lefèbvre, der dem Unternehmer eine zentrale Funktion zu132
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Vgl. EWG, Kommission, Zweck und Einzelheiten einer möglichen Hilfe für die Entwicklungsländer, 10.11.59, in: BAC 25/1980 202; EWG, Kommission, Hilfe für Entwicklungsländer, 25.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 204. Vgl. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60. Vgl. ebd. Lemaignen stützte sich u. a. auf die Berechnungen von Pierre Moussa, den Verfasser des einflussreichen Werkes Les Chances économiques de la communauté franco-africaine (1957) und auf einen Bericht Paul Hoffmans, des späteren Leiter des UN-Development Program, für den ECOSOC. Vgl. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60. Vgl. hierzu weiterhin: LEYS, Colin: Rise and Fall of Development Theory, S. 8 f. Vgl. La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60. Vgl. Ferrandi: L’industrialisation du Sénégal, 19.1.62. Vgl. ebd.; La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60. Vgl. „Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Technische Hilfe“ (Vortrag von Jacques Ferrandi, Direktor des EEF, 22.11.63). Vgl. Le développement social dans les pays d’Outre-mer associés à la Communauté Economique Européenne, Conclusion générale, Juni 1959.
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wies, befürwortete dessen Tätigwerden nur im Rahmen einer nach einem Entwicklungsplan ausgerichteten Volkswirtschaft.141 Entwicklungsstrategisch schließlich schien die Kommission pragmatisch gewesen zu sein. Hing sie grundsätzlich der These des balanced growth an, deuteten die Äußerungen Hallsteins an der Universität Tübingen nach den ersten Erfahrungen mit der Tätigkeit des Entwicklungsfonds auf ein Umdenken innerhalb der Kommission hin. Jedenfalls brachte der Kommissionspräsident das entgegengesetzte Konzept des unbalanced growth ins Gespräch.142 „Zugegeben, die Errichtung solcher Anlagen [Großanlagen, wie der AssuanStaudamm oder das Rourkela-Stahlwerk, Anm. d. Verf.] bedeutet die Schaffung eines gewaltigen Ungleichgewichts. Aber ich erlaube mir die unorthodoxe Frage: Sind nicht vielleicht Ungleichgewichte, die zur Reaktion zwingen und damit zum Ausgangspunkt von Entwicklungsbewegungen werden, besser als gut geplante Entwicklungsprozesse, deren Gleichgewicht sorgfältig ausbalanciert wird, die aber in Wirklichkeit nie recht beginnen können?“143 Das Europäische Parlament bekundete von Anfang an ein großes Interesse an der Assoziierung. Mit der Gründung des Assoziierungsausschusses 1958 entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit der Kommission, die den Europaparlamentariern Einblicke in die von der Kommission verfolgte Politik erlaubte.144 Zudem konnten sie sich während Studienreisen nach Afrika ein eigenes Bild von der Lage in den assoziierten Ländern machen. Dabei zeigte sich, dass die Kommission sich der grundsätzlichen Zustimmung des Parlaments zu ihrer entwicklungspolitischen Konzeption sicher sein konnte. Auch für die Parlamentarier war Entwicklung ein Synonym für wirtschaftliches Wachstum, das in den assoziierten Ländern durch eine massive Kapitalzufuhr entlang von Entwicklungsplänen, die die Industrialisierung sowie die Rationalisierung und Mechanisierung der Landwirtschaft zum Ziel hatten, gefördert werden sollte. Ebenso schenkten die Parlamen141 142
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Vgl. BMWi, Aufzeichnung, Betr.: Tagung der Société Royale d’Economie Politique, 23.5.60, in: BA Koblenz, B 102/10190. Zu den Hauptvertretern der balanced growth-These zählten Nurske und Rosenstein-Rodan, zu denen des unbalanced growth-Konzepts Singer und Hirschmann. Dabei geht es um die Alternative zwischen einem ausgewogenen Aufbau komplementärer Produktionseinheiten in den Entwicklungsländern und einer Serie von hintereinander geschalteten und nach bestimmten Kriterien ausgerichteten Einzelinvestitionen. Balanced growth geht davon aus, dass punktuelle Investitionen als Initialzündung nicht genügen und beinhaltet demnach ein Konzept aufeinander abgestimmter Investitionsvorhaben, die gleichzeitig realisiert werden und gleichzeitig ihre Nachfrage schaffen sollen. Vgl. BESTERS, Hans: Theorien zur wirtschaftlichen Entwicklung, S. 281 ff. Hallstein: Europäische Afrikapolitik, 5.5.61, S. 273. Der Vorsitzende des Assoziierungsausschusses Walter Scheel, späterer Vizekanzler und Außenminister in der Koalitionsregierung Willy Brandts, und der zuständige Kommissar Lemaignen verständigten sich auf einer Sitzung des Ausschusses am 16. Juni 1958 über eine Zusammenarbeit im Bereich der Investitionspolitik. Man erkannte allgemein die Notwendigkeit einer ständigen gegenseitigen Konsultation in allen Assoziierungsfragen, vgl.: Europäisches Parlament, Assoziierungs-Ausschuss, Sitzungsprotokoll, Düsseldorf 16.8.58, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969, 105. Zu den Mitgliedern des Ausschusses zählten z.B.: Jean-Hilaire Aubame (Vizepräsident, MRP, Abgeordneter aus Gabun), Fernand Dehousse (B, Sozialist), Hamani Diori (Mitbegründer des RDA, seit Dezember 1958 Regierungschef in Niger), Jean Duvieusart (B, Christlichsozialer), Ludwig Metzger (BRD, SPD), Alain Peyrefitte (F, Gaullist), Marius van der Goes van der Naters (NL, Sozialist).
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tarier der Beziehung zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Außenhandel ihre Aufmerksamkeit. Darüber hinaus maßen sie einer mit der ökonomischen Entwicklung einhergehenden sozialen Entwicklung besondere Bedeutung bei.145 In die Kommentare der Europaparlamentarier mischte sich vereinzelt aber auch Kritik. Herausragend erscheint vor allem die des niederländischen Sozialisten G.M. Nederhorst an der eurozentrischen Perspektive, die er mit Blick auf den Sozialbericht der Kommission äußerte.146 Eine Möglichkeit, öffentlich europäische und afrikanische Sichtweisen auf die Entwicklungspolitik zu konfrontieren, bot die Straßburger Konferenz, auf der zum Auftakt der Verhandlungen über eine neue Assoziierung im Juni 1961 Europaabgeordnete mit Parlamentariern aus den assoziierten Staaten zusammentrafen, Anfang Juni trafen die afrikanischen Parlamentarier in Ouagadougou (Obervolta) zusammen und begrüßten zunächst die Übereinstimmung mit der vom Europäischen Parlament erstellten Diskussionsgrundlage.147 In der Tat bewegten sich ihre knapp dargelegten Vorstellungen im Rahmen des vorherrschenden Entwicklungsdiskurses. Ein Grundkonsens bestand hinsichtlich der Schlüsselstellung von Investitionen für den Entwicklungsprozess. Die Assoziierten betrachteten Entwicklungshilfe als ein Mittel, „um der Wirtschaft der afrikanischen Länder und Madagaskars den „Start“ zu ermöglichen.“148 Strukturveränderungen ihrer Ökonomien, insbesondere die Industrialisierung, sollten die Basis für ihre Integration in den Weltmarkt schaffen. Vorbereiten sollten den angestrebten freien Zugang zum Weltmarkt Präferenzen und Maßnahmen zur Preisstabilisierung. Ebenso maßen die Afrikaner der Einordnung dieser Maßnahmen in ein Gesamtkonzept Bedeutung bei.149 Die Straßburger Konferenz bot den Assoziierten ein Forum, auf dem sie ihren Anspruch auf „Entwick145
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Vgl. Entschließungsantrag vom 27.11.59, in: Europäisches Parlament, Verhandlungen, 27.11.59, S. 295-297; Entschließungsantrag vom 24.11.60, in: Ebd., 24.11.60, S. 361 f.; Entschließungsantrag vom 9.5.61, in: Ebd. S. 76. Vgl. Bericht Nederhorsts über die sozialen Fragen in den AASM im Namen des Assoziierungsausschusses, in: Europäisches Parlament, Verhandlungen, 24.11.59, S. 92; Nederhorst, in: Europäisches Parlament, Verhandlungen, 18.11.60, S. 31. Vgl. Arbeitsdokumente ausgestellt von den am 5. Juni 1961 in Ouagadougou versammelten Parlamentariern, in: Ebd., 72. Die afrikanischen Parlamentarier nahmen zu den politischen und institutionellen Formen der Zusammenarbeit, den wirtschaftlichen Problemen, zur technischen und kulturellen Zusammenarbeit und zum EEF Stellung. Gleichwohl übten afrikanische Parlamentarier auch vereinzelt Kritik, wie der Madagasse Jules Ravony, der die eurozentrische Perspektive der Arbeitsdokumente beklagte. Vgl. Ravony, Conférence de l’Assemblée parlementaire européenne avec les parlements d’Etats africains et de Madagascar, 19 au 24 juin 1961 à Strasbourg, Débats, Compte-rendu in extenso, 20.6.61, S. 35, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969, 70. Sein Landsmann Alfred Nany erklärte hingegen seine Übereinstimmung mit der entwicklungspolitischen Grundkonzeption von Kommission und Europäischem Parlament. Vgl. Nany, Débats, 20.6.61, S. 51. Folgende Arbeitsdokumente wurden vom Europäischen Parlament als Diskussionsvorlage vorgelegt: Walter Scheel, Voraussetzungen und Ziele der Assoziierung; M. van der Goes van Naters, Die politischen und institutionellen Formen der Zusammenarbeit; Jean Duvieusart, Die wirtschaftliche Zusammenarbeit; Mario Pedini, Technische Zusammenarbeit und kultureller Austausch; Alain Peyrefitte, Der Entwicklungsfonds und seine Verwaltung (BAC 19/1969 71). Vgl. Die wirtschaftlichen Probleme. Arbeitsdokumente ausgestellt von den am 5. Juni 1961 in Ouagadougou versammelten Parlamentariern, in: Ebd. Vgl. ebd.
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lung“ geltend machen konnten. Im Rahmen des allgemeinen Grundkonsenses, den auch die Empfehlungen der Straßburger Konferenz widerspiegelten,150 gelang es den afrikanischen Parlamentarier, eigene Akzente im Entwicklungsdiskurs zu setzen, indem sie Begriffe wie Komplementarität neu interpretierten. Nicht mehr die wirtschaftliche Funktion Afrikas als Ergänzungsraum Europas stand im Vordergrund, sondern der Aspekt der gegenseitigen Ergänzung wurde hervorgehoben. Insbesondere die Afrikaner betonten nunmehr, dass die im wirtschaftlichen Bereich konstatierte Komplementarität keinesfalls die Festschreibung des kolonialen Gütertauschverhältnisses – Rohstoffe gegen Fertigwaren – bedeuten könne, sondern dass den Entwicklungsansprüchen der assoziierten Volkswirtschaften Rechnung getragen werden müsse.151 Die Komplementarität wurde als Übergangsstadium verstanden, das enden werde, wenn sich die Assoziierten zu modernen Volkswirtschaften entwickelt hätten.152 Der Begriff beinhaltete somit eine Dekolonisationsstrategie. Nachdem die Assoziierten die politische Unabhängigkeit erlangt hatten, sollte ein Beitrag zu ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit geleistet werden.153 Die Straßburger Konferenz stellte den Aspekt der Kooperation in den Vordergrund. Die Debatten fanden, wie Pedini bemerkte, in dem Bewusstsein statt, „daß nach dem endgültigem Abschluß der Kolonialepoche eine Ära der Zusammenarbeit beginnt.“154 Die Europäer trugen dem afrikanischen Bestreben, ihnen auf Augenhöhe entgegenzutreten, Rechnung und betonten ihrerseits die Gegenseitigkeit der Beziehungen. Nach Pedini handelte es sich um einen Austausch der Kulturen, um die Bereitschaft beider Seiten, aus den Erfahrungen der anderen zu lernen, und die gegenseitige Übermittlung von Kenntnissen.155 Da die Afrikaner für die sublimeren Formen der Durchdringung sensibilisiert waren, setzte sich die Straßburger Konferenz auch mit dem Vorwurf auseinander, bei der Assoziierung handele es sich um Neokolonialismus.156 Die Assoziierungspolitik wurde demgegenüber als ein Instrument verstanden, um die bestehenden Beziehungen unter den veränderten Rahmenbedingungen des postkolonialen Zeitalters auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Europäer präsen150
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Vgl. Empfehlungen der Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten afrikanischer Staaten und Madagaskars vom 24. Juni 1961, in: EA, Folge 20/1961, D 605–612; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. Juni 1961 über die Empfehlungen der Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten afrikanischer Staaten und Madagaskars, in: Ebd., D 613. Vgl. Philippe Yacé, Débats, 21.6.61, S. 64. Vgl. Luigi Preti, Débats, 21.6.61, S. 78 ; Alfred Nany, Débats, 20.6.61, S. 51. Schon die panafrikanische christliche Gewerkschaft hatte sich in Auseinandersetzung mit der Assoziierung einen evolutiven Komplementaritätsbegriff zu Eigen gemacht. Vgl. CISC (Confédération Internationale des Syndicats Chrétiens), Congrès de l’Union Panafricaine et Malgache des Travailleurs croyantes, Cotonou (2.-5.5.60), in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429. Vgl. z. B. Scheel, Débats, 19.6.61, S. 14. Vgl. Pedini: Technische Zusammenarbeit und kultureller Austausch. Arbeitsdokument. Vgl. Pedini: Technische Zusammenarbeit und kultureller Austausch. Arbeitsdokument. Die Verwendung des Begriffs hatte eine politische Dimension – die Assoziierung tendiere dazu, die unabhängigen afrikanischen Staaten der politischen Handlungsfreiheit zu berauben und an bestimmte Paktsysteme anzugliedern –, eine ökonomische – die europäischen Volkswirtschaften seien auch im postkolonialen Zeitalter auf abhängigen Wirtschaftsräume in Übersee angewiesen – und eine kulturelle Dimension – die Assoziierung tendiere zur Aufoktroyierung europäischer Lebensformen.
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tierten sich erfolgreich als ein von „neokolonialen“ Herrschaftsansprüchen freier Verhandlungspartner, indem sie ein langfristig orientiertes entwicklungspolitisches Konzept in den Vordergrund stellten. Sie entsprachen damit der Erwartungshaltung der Afrikaner, die Lambert Amon Tanoh wie folgt formulierte: „Aux concepts périmés de domination qui ont régi les rapports entre l’AFRIQUE colonisée et l’EUROPE colonisatrice, il est urgent de substituer des notions de symbiose, c’est-à-dire d’association à bénéfice réciproque où les préoccupations purement mercantile et d’intérêt immédiat feront place à des liens de solidarité effective.“157 Auch außerhalb der Institutionen der EWG wurde die entwicklungspolitische Grundkonzeption der EWG rezipiert und kritisch beurteilt. Der Volkswirt Norbert Welter charakterisierte die Assoziierung als eine „eurafrikanische Entwicklungspartnerschaft“.158 Der Mailander Unternehmer Quintavalle hing ein paar Jahre zuvor noch der alten mit Eurafrika verbundenen Vorstellung an, dass Afrika einen natürlichen Ergänzungsraum Europas darstelle. Er warnte daher 1958 anlässlich einer Table ronde in Venedig vor einer zu weitgehenden Industrialisierung Afrikas, da dort zu Europa komplementäre und nicht konkurrierende Wirtschaftsformen gefördert werden müssten.159 Der belgische Industrielle Martin Thèves, der sich im selben Jahr in der Kolonialzeitschrift FRANCE-OUTREMER an einer Debatte über die Industrialisierung Schwarzafrikas beteiligte, erkannte hingegen die Notwendigkeit und die Möglichkeit der Industrialisierung der assoziierten Länder an.160 Während der Debatte wurden verschiedene Aspekte der Industrialisierung Schwarzafrikas beleuchtet: Gabriel Lisette, Vizepräsident des Regierungsrats des Tschad, betonte die Bedeutung der technischen Ausbildung der indigenen Bevölkerung,161 Modibo Keita, Vizepräsident des RDA, hob die Rolle der Privatinvestitionen hervor,162 Thèves unterschied die neu zu errichtenden Exportindustrien von denen für die lokalen Märkte,163 René Servoise, der die Ergebnisse der Debatte zusammenfasste, wies auf die Grenzen des angestrebten Industrialisierungsprozesses hin. Es ginge nicht um eine radikale strukturelle 157 158
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A. Tanoh, Rapporteur général de la Commission des Finances et des Affaires Economiques de l’Assemblée Nationale du Côte d’Ivoire: Exposé, Juin 1961, in: Ebd., 73. Vgl. WELTER, Norbert: Eurafrikanische Entwicklungspartnerschaft. Zur Neugestaltung des Assoziierungsverhältnisses zwischen der EWG und den afrikanischen Staaten und Madagaskar, in: EA, Folge 6 (1962), S. 199-210. Welter war wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesverband der Deutschen Industrie (Köln). Vgl. Französische Botschaft (Palewski) an Couve de Murville, Betr: Table ronde des problèmes de l’Europe à Venise, 29./30.9.58, in: MAE, dece 634. An der Debatte unter Vorsitz des ehemaligen französischen Regierungschefs unter Minister Edgar Faures nahmen u. a. teil: Minister Maurice Faure, der ehemalige Minister François Mitterand, Senator André Armengaud, Generalgourverneur Roland Pré sowie Ugo Papi, der Rektor der Universität Rom. Vgl. Industrialisation de l’Afrique noire. La Communauté économique européenne l’accéléra-t- elle? Ce qu’en pensent … un industriel européen: Martin Thèves, président du Comité de direction de la Société commerciale et minière du Congo (Cominière), in: FRANCE-OUTREMER, no. 343 (1958), S. 18 f. Vgl. Industrialisation de l’Afrique noire. … mais formez des techniciens africains. Par Gabriel LISETTE, in: Ebd., S. 20-21. Vgl. Industrialisation de l’Afrique noire. La Communauté économique européenne l’accéléra-t-elle? Ce qu’en pensent … un homme politique africain: Modibo Keita, in: Ebd., S. 14-17, hier: S. 16. Vgl. Industrialisation de l’Afrique noire. La Communauté économique européenne l’accéléra-t-elle? Ce qu’en pensent …un industriel européen: Martin Thèves.
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Transformation der afrikanischen Länder. Auch die Entwicklung des Agrarsektors dürfte nicht vernachlässigt werden. In einer zunehmend interdependenten Weltwirtschaft entschieden darüber hinaus externe, außerhalb des afrikanischen Kontinents liegende, Faktoren über den Erfolg der Industrialisierung.164 Nichtsdestoweniger zeigten sich die Experten überzeugt, dass die Assoziierung zur Beschleunigung des Industrialisierungsprozesses in Schwarzafrika beitragen könne. Auch die Experten aus den europäischen Institutionen und Regierungen, aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, die im Oktober 1961 zu einem Kolloquium in Bari zusammentrafen, um außerhalb der europäischen Organe vor dem Hintergrund der anstehenden Erneuerung des Assoziierungsabkommens über die Entwicklungspolitik der EWG zu diskutieren, stimmten mit deren Grundkonzeption überein.165 Etienne Hirsch, der Präsident der EuratomKommission, mahnte zu Beginn des Kolloquiums nachdrücklich vor einer Entwicklungspolitik, die das Phänomen der Unterentwicklung mit zustande bringe. Daher machte er den Erfolg der Entwicklungspolitik von der Überwindung einer eurozentrischen Perspektive abhängig.166 In diesem Bewusstsein richteten die Experten ihren Blick auf die konkreten Modalitäten und Interventionsbereiche einer EWG-Entwicklungspolitik zu, denen sich diese Arbeit im Folgenden auch zuwenden wird.
3. Entwicklungshilfe und Handelsbeziehungen 3.1. Die Entwicklungshilfe im Rahmen des ersten Europäischen Entwicklungsfonds 3.1.1. Die Schaffung des ersten Europäischen Entwicklungsfonds Das Durchführungsabkommen hatte zwar die Struktur des Entwicklungsfonds festgeschrieben, aber dem Ministerrat überlassen, die Vorschriften zur Finanzund Budgetordnung sowie zur Arbeitsweise des Fonds festzulegen. Erst Ende 1958 bzw. Anfang 1959 wurden die wesentlichen Verordnungen über die Tätig-
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Vgl. Industrialisation de l’Afrique noire. Conclusions et perspectives par René Servoise, in: Ebd., S. 22 f. Servoise war Mitbegründer des Centre d’Etudes de Politique Etrangère und Sachverständiger des französischen Planungs- und Modernisierungsamtes. Vgl. La politique de la C.E.E. à l’égard des pays en voie de développement (Actes du Colloque de Bari, 7-8 octobre 1961), Rom 1962, S. 37-42, 325-330. Zu den Teilnehmern gehörten u. a: Lemaignen, Marjolin, von der Groeben (EWG-Kommission), die ehemaligen französischen Minister Pierre Abelin und Christian Pineau, der Initiator des Kolloquiums, Industrie- und Handelsminister Emilio Colombo, die deutschen Ministerialdirektoren Gunther Harkort (Auswärtiges Amt) und Ulrich Meyer-Cording (BMWi), Walter Scheel, Luc Durand-Reville vom CNPF, Hermann-Josef Abs, Präsident der Deutschen Bank, Otto Wolff von Amerongen, Mitinhaber der Firma Otto Wolff, Jan Tinbergen vom Netherlands Economic Institute (Rotterdam) und William Clark, Direktor des Overseas Development Institute (London). Die afrikanischen Länder waren lediglich durch die Parlamentspräsidenten Gabuns (Louis Emile Bigmann), Togos (Jonathan Savi de Tové), Somalias (Omar Scégo Hagi) und der Elfenbeinküste (Philippe Yacé) vertreten. Vgl. Etienne Hirsch, 7.10.61, in: Ebd., S. 98 f.
ENTWICKLUNGSHILFE UND HANDELSBEZIEHUNGEN
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keit des Entwicklungsfonds aufgestellt und gebilligt.167 Schon das Durchführungsabkommen hatte der Kommission eine Schlüsselrolle im Vergabeverfahren zuge-wiesen, die nunmehr gestärkt wurde. Die an die Kommission gestellten Projektanträge wurden zunächst von den Diensten des Entwicklungsfonds auf ihren technischen Wert, ihren allgemeinen Nutzen, ihre wirtschaftliche Rentabilität und ihre Kosten überprüft, bevor die Kommission über diese befand. Dabei hatten die Projektanträge den ambitionierten Maßgaben der Kommission zu genügen. Die Kommission legte nicht nur auf die Darlegung der administrativen, technischen, finanziellen und ökonomischen Einzelheiten und Modalitäten des jeweiligen Projekts wert, sondern forderte auch dessen Einordnung in die jeweiligen soziologischen und ökonomischen Kontexte.168 Die Prüfung der eingegangenen Projektanträge zerfiel in zwei Phasen,169 einer Vorprüfung zur Selektion geeigneter Projekte und einer detaillierten Prüfung der in die engere Wahl gekommenen Projektanträge. Eine zentrale Rolle hatte der Comité du Fonds, der sich unter dem Vorsitz des Generaldirektors aus den Direktoren der GD VIII, den Kabinettschefs der Kommissare Lemaignen, von der Groeben und Petrilli, die die so genannte Gruppe VIII bildeten,170 den mit den Fragen befassten Divisionschefs sowie einem Vertreter des juristischen Dienstes zusammensetzte. Ihm oblag sowohl die Vorauswahl der Projektanträge in der ersten Phase als auch die Begutachtung der in die engere Wahl gekommenen Projekte in der zweiten Phase. Auf der Basis dieser Begutachtung traf der Generaldirektor die Entscheidung über die für eine Förderung durch den Entwicklungsfonds in Frage kommenden Projekte, bevor diese zur endgültigen Zustimmung an den zuständigen Kommissar, die Gruppe VIII, die Kommission und im Fall der sog. ökonomischen Investitionsvorhaben an den Ministerrat weitergeleitet wurden. Außerdem waren drei Mandatare für die Kommission vor Ort tätig waren. Der Ordonnateur local übte sämtliche Verantwortlichkeiten eines Projektleiters aus, während der Contrôleur technique die Durchführung der Projekte in Übereinstimmung mit der zwischen dem Empfänger und der Kommission geschlossenen Finanzierungskonvention überwachte. Der Payeur délégué nahm schließlich die Bezahlung auf Anweisung des Ordonnateur local und des Contrôleur technique vor. 167
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Vgl. EWG, Rat, Verordnung Nr. 5 zur Festlegung der Einzelheiten für die Anforderungen und Überweisungen der Finanzbeiträge sowie für die Haushaltsregelung und die Verwaltung der Mittel des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 31.12.58, 681 ff./58; EWG, Rat, Verordnung Nr. 6 zur vorläufigen Regelung der Verantwortung der Anweisungsbefugten und Rechnungsführer der Mittel des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete. In: Ebd., 3.12.58, 686 ff./58; EWG, Rat, Verordnung Nr. 7 zur Festlegung der Arbeitsweise des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete. In: Ebd., 25.2.59, 241 ff./59. Vgl. Verordnung Nr. 7, Anhang A und B, in: Ebd.; vgl. auch Note relative à la constitution des dossiers pour la présentation des projets à la Commission de la Communauté Economique Européenne, nicht datiert, in: Centre des Archives Contemporaines (CAC), 19880053 SGCI, Art. 93. Vgl. Le Directeur Général, Note de service sur la gestion du Fonds de développement, 8.6.59, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1043. Jeder Kommissar wurde in seinem Aufgabenbereich von zwei weiteren Kommissaren assistiert, denen er über seine Tätigkeit Bericht erstattete. Den Vorsitz der Gruppe VIII hatte dementsprechend Lemaignen.
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Die Bedeutung der beiden letzteren Mandatare rührte auch daher, dass sie Kommunikationskanäle und Kontakte zwischen der Kommission und den Empfängern herstellten. Aufgrund dieser Schlüsselstellung trat die Kommission als dritter Akteur in die Beziehungen zwischen Metropole und Kolonien. Das Bemühen der französischen Regierung war demgegenüber darauf gerichtet, eine Scharnierfunktion Frankreichs in den Beziehungen zwischen der EWG und den assoziierten französischen Kolonialgebieten einzunehmen. Zu den Hauptmotiven der Regierung Debré zählte dabei angesichts des Transformationsprozesses, den das französische Kolonialreich in Afrika durchlief, Störungen durch diesen neuen Akteur zu vermeiden. Daher wollte der Premierminister die Beziehungen zwischen der EWG und den Assoziierten auf technische und administrative Aspekte beschränken.171 Insbesondere galt es, die Einheit der Wirtschaftspolitik Frankreichs und des französischen Kolonialreichs zu sichern. Darüber hinaus sollte die Hilfe des EEF mit der bilateralen französischen Hilfe koordiniert und Belastungen für die französische Staatskasse in der Folge von Projekten des EEF vermieden werden.172 Das Bestreben der französischen Regierung, diese Scharnierfunktion schon in den Verordnungen über die Tätigkeit des EEF festzuschreiben, stieß jedoch auf den Widerstand der Bundesregierung.173 Die Struktur der Union Française garantierte ursprünglich, dass die französische Regierung direkt oder indirekt über die lokale Kolonialadministration der quasi exklusive Gesprächspartner der EWG war. Als der EEF im Jahr 1959 seine Tätigkeit aufnahm, war diese Struktur bereits überholt. Die Gründung der Communauté am 28. September 1958 erforderte eine Anpassung für die nunmehr autonomen afrikanischen Republiken.174 Paris trug dieser veränderten Situation 171
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Vgl. Schreiben (Circulaire) des Premierministers an Piney, Giscard d’Estaing, Flechet, Lecourt, Couve de Murville, objet: Procédure des opérations du Fonds de Développement Européen intéressant les Etats de la Communauté, le Togo et le Cameroun, 6.8.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 93, MAE, dece 724. Vgl. ebd.; Instructions du Premier Ministre pour la réunion du 20 avril 1959 avec la direction générale des T.O.M. de la C.E.E., 16.4.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 93; SGCI, Note relative au Fonds Européen pour le développement des pays et territoires d’Outre-Mer, nicht datiert, in: Ebd., Art. 91. Vgl. Schreiben des französischen Ständigen Vertreters bei der EWG an den Außenminister, Betr.: Mise en oeuvre de la Convention d’application, 13.6.58, in: MAE, dece 724. Die Bundesregierung opponierte insbesondere gegen die von der französischen Regierung angestrebte Intervention der Metropole und der französischen Finanzbehörden in die Beziehungen zwischen der Kommission und den Assoziierten. Dennoch wurde die französische Caisse Centrale de Coopération Economique im Mai 1959 Payeur délégué des EEF. Vgl. Convention entre la Communauté Economique Européenne et la Caisse Centrale de Coopération Economique, 4.5.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 91. Vgl. Schreiben von Donnedieu de Vabres, SGCI, an den Wirtschafts- und Finanzminister, 20.2.59, in: Ebd., Art. 214; Schreiben des Ständigen Vertreters Frankreichs an den Außenminister, Betr.: Association de l’Outre-Mer à la CEE, 16.3.59, in: MAE, dece 721. Die in Artikel 2 des Durchführungsabkommens festgelegten Kompetenzen der örtlichen Behörden und Vertretung der Bevölkerung gingen auf die jeweiligen afrikanischen Regierungen und Parlamente über, die verantwortliche Behörde für die Unterbreitung von Projekten an den EEF war der Président de la République française et de la Communauté. Vgl. zur Communauté Française auch: ALBERTINI, Rudolf von: Dekolonisation, S. 508-519, BECHER, Ernst: Das Assoziierungsverhältnis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Seine wirtschaftspolitische und -theoretische Bewertung im Hinblick auf die ehemals französischen Gebiete südlich der Sahara. Diss. München 1963, .S. 167-179.
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Rechnung: Einerseits wurden die Kompetenzen für den EEF innerhalb der Regierung reorganisiert, um der EWG geschlossen und mit klar erkennbaren Verantwortlichkeiten gegenüberzutreten. Zuständig für alle Fragen des EEF der Staaten der Communauté, Togos und Kameruns war das neu geschaffene Ministère d’Etat chargé de l’aide et de coopération, während das an die Dienste des Premierministers angebundene Secrétariat Général du Comité Interministériel pour les Questions de coopération Economique Européenne (SGCI) für die EEF-Projekte der TOM und die Koordination der Entwicklungshilfe für die verschiedenen Länder und Gebiete zuständig blieb.175 Andererseits bemühte sich die französische Regierung in bilateralen Gesprächen mit der Kommission über die Struktur und den Inhalt der Finanzierungsabkommen, die für jedes einzelne vom EEF finanzierte Projekt zu schließen waren, einen weitreichenden Einfluss auf das Vergabeverfahren zu sichern.176 So wurden wöchentliche Treffen zwischen Experten der Kommission und der französischen Regierung vereinbart, um die Projekte zu prüfen.177 Schon in der Projektierungsphase konnte der Ministre d’Etat chargé de l’Aide et de Coopération über die Organe der im Entstehen begriffenen Kooperationspolitik Einfluss nehmen. Insbesondere die 1959 in den 14 afrikanischen und madagassischen Staaten der Communauté etablierten Missions permanentes d’Aide et de Coopération hatten einen beträchtlichen Einfluss auf die Projektanträge.178 Darüber hinaus entwickelte sich vor Ort eine informelle Zusammenarbeit zwischen diesen Missions permanentes und den afrikanischen Regierungen einerseits und den Reisedelegationen der EWG-Kommission andererseits, insbesondere um die Interventionen des EEF und des französischen Fonds d’Aide et de Coopération (FAC), der 1959 den FIDES in den afrikanischen Staaten der Communauté ersetzt hatte, zu koordinieren.179 Die Projektanträge wurden zudem zum Gegenstand einer Vorprüfung durch die französische Regierung, bevor sie an die EWG-Kommission weitergeleitet wurden.180 Grundsätzlich sollte jeder Projektantrag an die Kommission weiterge175
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Vgl. Schreiben (Circulaire) des Premierministers an Pinay, Giscard d’Estaing, Flechet, Lecourt, Couve de Murville, objet: Procédure des opérations du Fonds de Développement Européen intéressant les Etats de la Communauté, le Togo et le Cameroun, 6.8.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 93, MAE, dece 724. Vgl. Instructions du Premier Ministre pour la réunion du 20 avril 1959, 16.4.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 93; J. Mille: Compte rendu, Entretiens des représentants de la Commission et des experts français sur les conventions de financement à passer sur le Fonds de Développement des Pays et Territoires d’Outre-Mer (Bruxelles, 20 et 21 avril 1959), 24.4.59, in: Ebd. Vgl. SGCI: Procès-verbal de la réunion du Comité Technique Interministériel pour les questions relatives à l’application du Traité instituant la Communauté Economique Européenne tenue le 29 avril 1959 sous la présidence de M. V. Giscard d’Estaing, Secrétaire d’Etat aux Finances, 22.6.59, in: CAOM, FIDES 892. Vgl. zur administrativen Struktur der französischen Entwicklungshilfe: HAYTER, Teresa: French Aid. London 1966, S. 95-100, 141-150. Vgl. Schreiben von Mayoux, Secrétaire Général Adjoint du Comité Interministériel pour les questions de Coopération Economique Européenne, an den Premierminister, Betr.: EEF, 14.4.61, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 91. Die Entscheidungen wurden in einem Comité Technique Interministériel unter Beteiligung aller interessierten Ministerien getroffen, nachdem diese in einem interministeriellen Ausschuss unter Leitung des Ministère d’Etat chargé de l’Aide et de Coopération vorbereitet worden waren. Unterstützt wurde der interministerielle Ausschuss durch den Secrétariat Général pour l’Aide et pour la Coopération, dessen Personal zum größten Teil aus dem ehemaligen Überseeministerium stammte. Der Secrétaire du Comité Interministériel und der
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leitet werden, sofern ihn nicht Ungereimtheiten und eine mangelnde Stichhaltigkeit kennzeichneten.181 Die französische Regierung behielt sich jedoch vor, der Kommission gegenüber ihrer Haltung zu dem jeweiligen Projekt Ausdruck zu verleihen. Ihrer Empfehlung lagen drei mögliche Positionsbezüge zu Grunde: „le soutien“, „l’avis réservé“ und „la présentation“. Im Falle des auch möglichen „refus de présentation“ waren normalerweise die afrikanischen Regierungen der nach einer ersten Prüfung ergangenen Aufforderung zur Nachbesserung nicht in der erwarteten Art und Weise nachgekommen.182 Dieses Procedere geriet jedoch innerhalb der französischen Regierung schnell in die Kritik. Die Projektprüfung erschien zu sehr auf das bloße Üben von Kritik ausgerichtet, und nicht auf das konstruktiv-fördernde Beraten der Staaten, um deren Chancen in Brüssel zu verbessern. Hinter dieser kritischen Projektprüfung erkannte man im Secrétariat Général de la Communauté zudem die Gefahr, dass sich die afrikanischen Regierungen direkt an die Kommission wandten, um sich der Qualität ihrer Projektanträge zu vergewissern. Weiterhin bestand die Gefahr, dass die Kommission entgegen einer französischen Empfehlung entschied und damit die französische Regierung kompromittierte.183 Schließlich schien die Prüfung der Projektanträge zu sehr auf die Qualität der technischen Studien fokussiert zu sein und die politische Bedeutung, den die afrikanischen Regierungen bestimmten Projekten beimaßen, nicht zu würdigen. Benachteiligt wurden diejenigen afrikanischen Länder, die über eine noch unzureichend ausgebaute und qualifizierte Verwaltung verfügten, um Projektanträge auszuarbeiten, die den hohen Ansprüchen genügten. Dies hatte eine ungleiche Verteilung der Mittel unter den Staaten der Communauté zur Folge. Während die französische Regierung z.B. im Fall Senegals bis November 1959 Projekte im Wert von 15170 Mio. Fr präsentiert hatte, waren es im Fall der Zentralafrikanischen Republik Projekte im Wert von nur 962 Mio. Fr. gewesen .184 Die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten im Jahr 1960 bedeutete eine Zäsur für die Beziehungen zwischen den Assoziierten und der Kommission und für die Stellung Frankreichs. Die Assoziierten hatten nunmehr die Möglichkeit eine Vertretung bei der EWG zu errichten und Projektanträge direkt der Kommission zu präsentieren. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen suchte die französische Regierung ihre Scharnierfunktion zu wahren. Nach wie vor ging es der französischen Regierung darum, ihre bilaterale durch den FAC vergebene Hilfe mit derjenigen des EEF zu koordinieren. Weiterhin galt es den Zusammenhalt der Franc-Zone zu sichern.185 Daher fand am 8. November 1960 eine Confé-
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Ständige Vertreter Frankreichs übersandten schließlich die Projektanträge an die EWG-Kommission. Vgl. zur Tätigkeit des Comité Technique und der Commission interministérielle CAOM, FIDES 204, 892, 893. Vgl. Note, objet: Examen en Comité interministériel pour les questions de coopération économique européenne des dossiers de demandes de concours financier du Fonds Européen de Développement pour les pays et territoires d’outre-mer, 25.11.58, in: Ebd., 893. Vgl. ebd. Außer beim „refus de presentation“ wurden den afrikanischen Regierungen die Ergebnisse der französischen Projektvorprüfung nicht mitgeteilt. Vgl. Présidence de la Communauté, Secrétariat Général, Note pour M. le Secrétaire Général, nicht datiert, in: Ebd., 204. Vgl. ebd. Vgl. Secrétariat d’Etat aux relations avec les états de la Communauté, an den Secrétaire Général du SGCI, Bordereau d’envoi (Schreiben vom 29.12.60/9.1.61 an die französischen Botschafter, Gesandte und Vertreter im Tschad, in der Elfenbeinküste, im Senegal, in Mali, Kame-
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rence franco-africaine in Paris statt.186 Die französische Regierung versuchte sich hier als der „defenseur naturel“187 der Interessen der afrikanischen und madagassischen Staaten in den Institutionen der EWG darzustellen. Das Anliegen der französischen Regierung eines vorherigen Informationsaustauschs und einer ebensolchen Koordinierung betrachtete insbesondere der Wirtschafts- und Finanzminister der Elfenbeinküste mit Skepsis. Da Raymond Saller auch in dieser Frage auf die neu gewonnene Unabhängigkeit Wert legte, kam man überein, „qu’il ne s’agit pas de subordonner la présentation du projet à l’avis du F.A.C. ou de la France.“188 Die afrikanischen Teilnehmer gestanden zwar ein, auch weiterhin auf eine Zusammenarbeit mit Frankreich angewiesen zu sein, da sie weder über die Mittel noch die Organisation verfügten, um allen Anforderungen Brüssels zu genügen. In der sich anschließenden Diskussion über eine erfolgreiche Präsentation der Projekte und eine Unterstützung Frankreichs machte wiederum Saller mit Blick auf die bisherige Praxis Einwände geltend.189 Die Konferenz machte deutlich, dass die afrikanischen und madagassischen Staaten ihre neu gewonnene Unabhängigkeit auch nutzen wollten. Obwohl die Mehrzahl dieser Staaten ihre privilegierten Beziehungen zu Frankreich beibehalten wollte, war ihre Anlehnung, die sie an die ehemalige Metropole suchten, was ihre Beziehungen zur EWG anging, unterschiedlich stark. Die sich mit der Unabhängigkeit formalisierenden direkten Beziehungen zwischen der EWG und den Assoziierten hatten unmittelbare Auswirkungen auf die Rolle der französischen Regierung im Projektvergabeverfahren des EEF und zwar unabhängig davon, ob sich die Assoziierten weiterhin von Frankreich bei der EWG repräsentieren ließen oder eine eigene Vertretung bei der EWG errichteten. Die Projektanträge an die Kommission liefen fortan nicht mehr exklusiv über Paris. Dies machte einerseits für die französische Regierung die Koordinierung der EEF- mit ihrer bilateralen Hilfe schwieriger. Diese erfolgte nunmehr weniger in Paris als vielmehr vor Ort über die Missions permanentes d’Aide et de Coopération.190 Andererseits entfiel die innerhalb der französischen Regierung in die Kritik geratene Projektvorprüfung. Damit öffnete sich der französischen Regierung der Weg zu einer neuen Rolle als Berater und Förderer der Assoziierten in ihren Angelegenheiten mit der EWG. Die verbreitete Verunsicherung der Assoziierten über ihre Beziehungen zur EWG unmittelbar nach der Erlangung
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run und Togo, Betr.: Nouvelle procédure de présentation des projets à la Commission de la C.E.E. et signature des conventions de financement F.E.D, 19.1.61, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 93. An der Konferenz nahmen neben Couve de Murville und weiteren Vertretern des Außenministeriums der Secrétaire Général Adjoint du Comité Interministériel, Mayoux, sowie die Minister und Vertreter der folgenden Staaten teil: Kongo, Elfenbeinküste, Dahomey, Gabun, Obervolta, Madagaskar, Mauretanien, Niger, Zentralafrikanische Republik, Senegal, Tschad und Togo. Vgl. Conférence franco-africaine du 8 novembre 1960, Paris, Compte-rendu analytique des débats, in: MAE, dece 723. Bordereau d’envoi, 19.1.61, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 93. Vgl. Compte-rendu analytique des débats, in: MAE, dece 723. Vgl. ebd. Vgl. z. B. Schreiben des Premierministers an den französischen Botschafter in Kamerun, 9.1.61, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 93.
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der Unabhängigkeit erleichterte der französischen Regierung das Einfinden in diese Rolle.191 1960 war aber auch der EEF in die Kritik geraten sowohl auf der Seite der Assoziierten, als auch auf der Seite der französischen EWG-Partner. Auf diese Kritik musste nicht nur die französische Regierung eine Antwort finden, sondern vor allem die EWG-Kommission.
3.1.2. Verzögerungen und Probleme: technische Kontrolle – Beteiligung deutscher Firmen an den Aufträgen des EEF – die Frage der gebundenen Hilfe – der EEF und Algerien Der EEF geriet vor allem aufgrund der schleppenden Aufnahme seiner Tätigkeit in die Kritik.192 Die Gründe hierfür waren vielfältig. Zunächst war 1958, wie die Kommission feststellte, „vor allem ein Jahr der Vorbereitung“, während 1959 „ein Erprobungsjahr“ war.193 Der Ministerrat erließ erst sechs Monate später als in dem Durchführungsabkommen vorgesehen die notwendigen Regelungen für den EEF, so dass dieser erst im Frühjahr 1959 vollkommen arbeitsfähig war. Außerdem war es ein Hauptanliegen der Europäischen Kommission, sich die für ihre Aktion notwendige Dokumentation zu verschaffen. In den Jahren 1958/59 konzentrierte sich die Kommission daher auf die Erstellung einiger grundlegender Untersuchungen, mit deren Hilfe eine bessere Beurteilung der dem EEF eingereichten Projekte ermöglicht werden sollte.194 Ein wesentlicher Hinderungsgrund für die Tätigkeit des EEF war die Starrheit des Fondsmanagements und des Fondsbudgets, die das Eingehen auf die spezifischen Bedürfnisse jedes einzelnen Empfängers erschwerte.195 Zu nennen sind hier insbesondere die permanente Kontrolle des EEF durch den Ministerrat sowie die in der Praxis schwierige Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und sozialen Investitionen.196 Die anspruchsvollen Vorgaben für den Projektantrag überforderten vielfach die Verwaltungen der assoziierten Länder, denen es an qualifiziertem Verwaltungspersonal mangelte. Folge waren Projektanträge, die gemessen an den Vorgaben oftmals mangelhaft erschienen und nur den Cha191
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Vgl. Schreiben des Ständigen Vertreters Frankreichs bei der EWG an den Außenminister, Betr.: Mission en Afrique (16 août – 3 septembre), 22.9.60, mit Anlage: Compte-rendu de la mission, in: MAE dece 723. Twitchett meint, dass noch in den 70er Jahren „the stigma of its very slow start“ auf ihm lastete. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 40. EWG-Kommission: Zweiter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft (18. September 1958 – 20. März 1959), Brüssel 1959, S. 137. Vgl. ebd., S. 140. Vgl. Communauté Européenne de l’Energie Atomique/Communauté Economique Européenne: Rapport de la Commission de contrôle relatif aux comptes de l’exercice 1959, S. 87 f., CEA/CEE: Rapport de la Commission de contrôle relatif aux comptes de l’exercice 1960,.S. 108 in: HAEG Brüssel; vgl. auch COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 41f. Die Entscheidung des Rats vom November 1958, zwei Drittel der Mittel für Sozial- und ein Drittel für Wirtschaftsvorhaben bereitzustellen, entsprach in der Praxis nicht den Anforderungen, die an den EEF gestellt wurden. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 132; Vgl. Entscheidung des Rats, 4.11.58, in: MAE, dece 724; EWG-Kommission: Dritter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft (21. März 1959 – 15. Mai 1960), Brüssel 1960, S. 237.
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rakter von avant-projets oder vielmehr idées de projets zugesprochen bekamen. Zudem erschwerte die Umbruchsituation in den afrikanischen Staaten die Ausarbeitung langfristiger und kohärenter Entwicklungsprogramme. Der EEF durfte jedoch nicht an der Planung von Projekten mitwirken.197 Das Antrags- und Vergabeverfahren war zeitaufwendig, zumal die Projektanträge anfangs noch von den jeweiligen Metropolen der Kommission unterbreitet wurden. 1960 lagen knapp zwei Jahre zwischen der Vorlage des Projektantrags beim EEF und der Durchführung eines Vorhabens: Sieben Monate vergingen im Durchschnitt, bis über ein Vorhaben ein Finanzierungsbeschluss gefasst wurde, und weitere 15 bis 16 Monate bis zur Auftragserteilung.198 Obwohl dem EEF bis Ende 1959 bereits 300 Projektanträge in Höhe von 317.766.000 RE vorlagen, waren erst 4,5% der Fondsmittel verplant.199 Die Kommission versuchte durch verschiedene Maßnahmen dieser ernüchternden Bilanz nach zwei Jahren abzuhelfen. Zunächst beschloss der Rat am 25. Juli 1959 auf Verlangen der Kommission den Verteilungsschlüssel zu ändern: Künftig sollten 70-75% der Fondsmittel für Wirtschaftsvorhaben bereitgestellt werden.200 Damit einher ging eine Fokussierung auf Projekte mit unmittelbar produktiven Nutzen und zwar in beiden Interventionsbereichen, da insbesondere die sog. sozialen Projektarten aufgrund ihrer Unterhaltskosten, die den Haushalt der afrikanischen Staaten belasteten, zunehmend in die Kritik gerieten.201 Darüber hinaus initiierte die Kommission verschiedene Maßnahmen zur Beschleunigung des EEF.202 Auch eine vom Rat im November 1960 eingesetzte Expertengruppe untersuchte Möglichkeiten zur Beschleunigung.203 Die nationalen Sachverständigen griffen zwar Vorschläge der Kommission auf, bremsten aber zugleich, da sie die Kontrolle des Rats über die Aktion des EEF nicht einschränken wollten. Die Kommission versuchte weiterhin durch eine flexible Handhabung der Bestimmungen, den spezifischen Bedürfnissen der einzelnen Assoziierten zu entsprechen. So erhielt das durch Wirbelstürme geschädigte Madagaskar 1959 Hilfe von der EWG und wurde damit zum Präzedenzfall für aus dem EEF finanzierte Katastrophenhilfe. 197 198
199 200 201 202 203
Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 40-44. Vgl. EWG-Kommission: Vierter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft (16. Mai 1960-30. April 1961), Brüssel 1961, S. 156. Diese Anlaufschwierigkeiten erschienen allerdings gemessen an den vergleichbaren Fristen der Weltbank nicht als ungewöhnlich, vgl. „Französisch-Westafrika erhielt am meisten. Zwischenbilanz der Afrika-Hilfe des Europäischen Entwicklungsfonds“, in: FAZ, 17.8.60. Vgl. Dritter Gesamtbericht 1960, S. 234; Schreiben Antoine Pinays, Ministre des Finances et des Affaires Economiques, an den Premier Ministre, 9.12.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 91. Vgl. Dritter Gesamtbericht 1960, S. 237. Vgl. ebd., S 237; vgl. auch Schreiben von Mayoux, SGCI, an Boegner, Ständiger Vertreter Frankreichs, 13.9.61, in: 19880053 SGCI, Art. 90. Vgl. Dritter Gesamtbericht 1960, S. 236. Vgl. Rechenschaftsbericht der ersten nationalen Sachverständigenkonferenz über zu treffende Maßnahmen für eine beschleunigte Abwicklung der Tätigkeit des Europäischen Entwicklungsfonds vom 19. Januar 1961, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1047; Compte rendu de la deuxième réunion des experts nationaux relative aux mesures à prendre en vue d’accélérer les opérations du Fonds Européen de Développement en date du 8 février 1961, in: Ebd., Vierter Gesamtbericht 1961, S. 157 f.; Réunion d’information des Représentants à Paris des Etats Africains tenue au SGCI le lundi 6 février 1961, Compte-rendu des mesures envisagées pour accélérer les intervention du Fonds Européen de Développement, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 91.
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Der wenig ermutigende Start des Europäischen Entwicklungsfonds rief vielseitige Kritik hervor. Das Europäische Parlament unterstützte allgemein die Tätigkeit des EEF. Nach einer Informationsreise, die Mitglieder des Assoziierungsausschusses und dessen Vorsitzenden Walter Scheel (FDP) im Juli 1959 durch verschiedene Länder Äquatorialafrikas unternommen hatten, empfahlen die teilnehmenden Parlamentarier dessen Beibehaltung und eine Aufstockung seiner Mittel,204 1961 forderten die Parlamentarier schließlich eine Umgestaltung des Fonds, damit dieser rascher und wirksamer arbeitete.205 Auch bei den EWG-Partnern Frankreichs geriet der EEF in die Kritik. In der Bundesrepublik kritisierte das HANDELSBLATT, Sprachrohr der Banken und der Industrie der Ruhr, das Vergabeverfahren, das zur Verschwendung der Fondsmittel führe:206 Die Kommission spiele bei der Ausarbeitung der Projekte keine Rolle, da diese durch die Assoziierten geleistet werde, und habe auch nicht die Möglichkeit, die eingereichten Projektanträge auf sinnvollere Alternativen hin zu überprüfen und entsprechend eines rationelleren Mitteleinsatzes zu modifizieren. Ein weiterer Artikel des HANDELSBLATTS kam daher zu dem Schluss, dass die „entscheidenden Konstruktionsfehler“ im EWG-Vertrag selbst lägen.207 Die DEUTSCHE ZEITUNG griff am 3. Oktober diese Kritik auf und berichtete, auch innerhalb der EWG-Kommission sei der EEF in die Kritik geraten und die Frage der Erneuerung daher noch offen. 208 Die Zeitung nahm damit Bezug auf eine Rede des deutschen Generaldirektors Helmut Allardt, der vor der FriedrichEbert-Stiftung am 27. September und in einem Interview im INDUSTRIEKURIER am 1. Oktober die Mängel des jetzigen Systems eingeräumt hatte und die Ersetzung des Fonds durch eine internationale Institution nicht ausgeschlossen hatte.209 Die Ausführungen Allardts reflektierten aber eher die Gedanken Scheels, der zu die204
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Vgl. Kontroverse über den Entwicklungsfonds der EWG. Parlamentarier empfehlen die Aufstockung der Mittel, in: DEUTSCHE ZEITUNG, 3.10.59. Zur Reise des Assoziierungsausschusses vgl. auch Schreiben des Secrétaire Général de la Communauté an den Secrétaire Général du Comité Interministériel pour les questions de Coopération Economique Européenne, objet: Mission de par-lementaires européens en Afrique, 18.8.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94; Telegramm, Delfra Bruxelles, 12.9.59, in: CAC, 810443 Ministère des relations extérieures, coopération et développement, Direction de la coopération culturelle et technique [DCT], Art. 59. An der Reise nahmen u. a. teil: Emile Vanrullen (F, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, sozialistische Fraktion), Enrico Carboni (italienischer Senator; christlich-demokratische Fraktion), Jean Duvieusart (ehemaliger belgischer Premierminister; christlich-demokratische Fraktion), G.M. Nederhorst (NL, Sozialistische Fraktion), René Charpentier (F, MRP; christlichdemokratische Fraktion), Alain Peyrefitte (F, UNR). Eine große Debatte, in der sich das Europäische Parlament vom 23. – 27. November 1959 mit der Assoziierung befasste, endete mit einem, für den EEF positiven Votum. Vgl. Europäisches Parlament, Verhandlungen – Ausführliche Sitzungsberichte, 23.11.-27.11.59, S. 85- 297. Die langsame Arbeitsweise des EEF wurde jedoch kritisiert. In ihrer Entschließung vom 27. November 1959 äußerten die Parlamentarier den Wunsch nach einer Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens. Vgl. Entschließungsantrag vom 27.11.59, in: Ebd., S. 295-297. Vgl. Entschließungsantrag vom 9.5.61, in: Ebd., 9.5.61, S. 76. Vgl. So geht es nicht weiter. Wie wird der EWG-Entwicklungsfonds verwendet, in: HANDELSBLATT, 18.9.59 Entwicklungsfonds als Gemeinschaftsaufgabe, in: HANDELSBLATT, 28.10.59. Vgl. Kontroverse über den Entwicklungsfonds der EWG. Parlamentarier empfehlen die Aufstockung der Mittel, in: DEUTSCHE ZEITUNG, 3.10.59. Vgl. Ambassade de France, Bonn, an Außenminister, Betr.: Déclarations de M. Allardt sur le Fonds de développement pour les pays et territoires d’outre-mer, 7.10.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 91.
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ser Zeit öffentlich über Alternativen zur Assoziierungspolitik der EWG nachdachte und mit dem Plan einer europäischen Entwicklungsbank für Afrika und den vorderen Orient hervorgetreten war,210 und die deutscher Wirtschaftskreise, als die des zuständigen Kommissars. Lemaignen veröffentlichte am 5. Oktober seine Ideen zu einer radikalen Umgestaltung des EEF nach dessen Auslaufen 1962. Nach den Vorstellungen des Kommissars sollte der neue Fonds nicht nur über ein wesentlich erweitertes Instrumentarium verfügen, sondern auch seinen geographischen Aktionsbereich auf die unabhängig werdenden Staaten wie Kamerun, Togo und Somalia einerseits sowie die nordafrikanischen Staaten (Tunesien, Marokko, Libyen) und anglophonen Staaten (z. B. Ghana) andererseits ausweiten.211 Im Frühjahr 1960 überlegte die Kommission, die Flucht nach vorne anzutreten und eine sofortige Revision des EEF noch vor seinem Ablaufen 1962 vorzunehmen, erhielt jedoch nicht die Zustimmung der Mitgliedstaaten.212 Die Überlegungen in der Kommission reflektierten auch die wachsende Unzufriedenheit der Assoziierten mit dem Fonds, dessen langsame Tätigkeit und beschränkten Interventionsbereiche nicht ihren Erwartungen entsprachen.213 Nach zweijähriger Tätigkeit erschien die Zukunft des EEF unsicher.214 Schließlich hatten auch die Forderungen der EWG-Mitgliedstaaten die Tätigkeit des EEF verzögert. In der Frage der technischen Kontrolle blockierte die Opposition der französischen Regierung bis zum Frühjahr 1960 die Realisierung erster Entwicklungsvorhaben in den assoziierten afrikanischen Staaten. Weiterhin sollte ein zeitraubendes Ausschreibungsverfahren die gleichberechtigte Teilhabe aller Mitgliedstaaten an den Aufträgen des EEF sicherstellen. Die Beteiligung deutscher Firmen an den Aufträgen des EEF wurde dennoch zu einem Politikum, das auch in die Kontroverse zwischen der Kommission und der Mehrzahl der EWG-Mitgliedstaaten über die Aufhebung der Bindung der EEF-Hilfe hineinwirkte. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet verlief ein Konflikt zwischen der französischen Regierung und der Bundesregierung über die Verwendung von EEF-Mitteln für Algerien.
Die technische Kontrolle Die Frage nach den Modalitäten der technischen Kontrolle der vom EEF finanzierten Projekte erwies sich als ein Problem, das den Beginn der Tätigkeit des EEF in den französischen überseeischen Ländern und Gebieten um mehrere Mo210 211 212
213 214
Vgl. SCHEEL, Walter: Hilfe für Entwicklungsländer auf europäischer Basis, in: EUROPÄISCHE WIRTSCHAFT, Sonderdruck, nicht datiert. Vgl. Bulletin du Marché Commun, Nr. 518, 5.10.59. Vgl. CEE, DG VIII, Direction C, Esquisse d’une étude d’un nouveau statut du FED (Avantprojet), 8.4.60, in HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1050 ; BMWi, Schreiben Kleins, Leiter Unterabt. EA, über den Leiter der Abteilung E an Staatssekretär Müller-Armack, Betr.: Entwicklungsfonds für die assoziierten Überseegebiete, 6.4.60, in: BA Koblenz, B 102/10190. Die Ressorts der Bundesregierung kamen jedoch überein, einer Revision des laufenden Fonds nicht zuzustimmen, um die zügige Verwendung der Mittel nicht zu beeinträchtigen. Vgl. CEE, DG VIII, Direction C, Esquisse d’une étude d’un nouveau statut du FED (Avantprojet), 8.4.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1050. Vgl. auch Schreiben des Ministre des Finances et des Affaires Economiques, Antoine Pinay, an den Premier Ministre, 9.12.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 91.
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nate verzögern sollte. Um zu garantieren, dass die EEF-Projekte in der geplanten Form durchgeführt wurden, beauftragte die Kommission Sachverständige, so genannte technische Kontrolleure, die eine verwaltungsmäßige, finanzielle und technische Kontrolle der Vorhaben ausübten.215 Dem technischen Kontrolleur oblagen wichtige Funktionen bei der Vergabe von Aufträgen: Er sollte jegliche Diskriminierung aus den Ausschreibungsunterlagen, z. B. in Form nationaler Normen oder Ausschreibungsgepflogenheiten, herausstreichen, um den gleichberechtigten Wettbewerb der Firmen der Mitgliedstaaten zu garantieren. Darüber hinaus beriet er die für die Durchführung der Arbeiten zuständigen örtlichen Behörden. Anlässlich der ersten EEF-Projekte, die im belgischen Kongo und Ruanda-Urundi durchgeführt wurden, hatte die Kommission private Ingenieurfirmen engagiert, die nicht in Belgien ansässig waren, um ihre Unabhängigkeit gegenüber den Behörden und ausführenden Unternehmen sicherzustellen.216 Gegen dieses Verfahren erhoben französische Experten während eines Treffens mit Repräsentanten der Kommission im April 1959 auf Weisung des französischen Premierministers, der ohnehin der Multilateralisierung der Beziehungen im Rahmen der Assoziierung mit Skepsis begegnete, Einspruch.217 Der Premierminister wünschte eine Art décalage: Erst nach der Festigung der Communauté sollte der direkte Kontakt der EWG-Partner zwischen den Assoziierten und den EWG-Partnern weiter gefördert werden.218 Insbesondere befürchtete er, dass ausländischen Firmen ihre Beratungstätigkeit wahrnähmen und somit „nun ihrerseits die schwarzen Regierung, mit der sie unmittelbar im Rahmen ihrer Aufgaben zu tun hätten, in eine Richtung beeinflussten, die nicht im Interesse des betreffenden Landes und seiner Beziehungen zu Frankreich gelegen sei.“219 Vor diesem Hintergrund versuchte Paris, die Auswahl der technischen Kontrolleure der Zustimmung Frankreichs zu unterwerfen. Die Kommission zeigte sich kompromissbereit und erklärte sich zu einer Konzertation mit der französischen Regierung hinsichtlich der Auswahl der technischen Kontrolleure bereit. Sie bestand zugleich aber auf ihrer freien Entscheidung über deren Auswahl. Weiterhin stimmte die Kommission einem französischen Vorschlag zu, nach dem Firmengemeinschaften bestehend aus französischen Firmen und Firmen der üb-
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Vgl. Verordnung Nr. 7 zur Feststellung der Arbeitsweise des Entwicklungsfonds für überseeische Länder und Hoheitsgebiete (23.2.59), Art. 41 ff., in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. 12, 25.2.59, 2. Jahrgang (1959), S. 291 ff; Räte der EG, Generalsekretariat, Mitteilung des Europäischen Parlament, Betreff: Schriftliche Anfrage Nr. 58 des SPD-Abgeordneten Hellmut Kalbitzer, 24.2.60, in: BA Koblenz, B 102, 10195a. Vgl. Räte der EG, Generalsekretariat, Mitteilung des Europäischen Parlament, Betreff: Schriftliche Anfrage Nr. 58 des SPD-Abgeordneten Kalbitzer, 24.2.60, in: BA Koblenz, B 102, 10195a. Vgl. Allardt, Vermerk für den Herrn Präsidenten der Kommission, Betr.: Freie Entscheidung der Kommission über die Auswahl der technischen Kontrolleure, 21.8.59, in: BA Koblenz, N1266 Nachlass Hallstein,1260; Le Premier Ministre Michel Debré, Instructions pour la réunion du 20 avril 1959 avec la direction générale des T.O.M. de la C.E.E., 16.4.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 93; Note pour l’Ambassadeur, A.S. Entretiens des représentants de la Commission et des experts français sur les conventions de financement à passer sur le Fonds de Développement des Pays et Territoires d’Outre-Mer (Bruxelles, 20 et 21 avril 1959), nicht datiert, in: Ebd.; J. Mille: Compte rendu, Entretiens des représentants de la Commission et des experts français sur les conventions de financement à passer sur le Fonds de Développement des Pays et Territoires d´ Outre-Mer (Bruxelles, 20 et 21 avril 1959), 24.4.59, in: Ebd. Allardt, Vermerk für den Herrn Präsidenten der Kommission, 21.8.59 Vgl. ebd.
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rigen Mitgliedstaaten in den französischen assoziierten Ländern und Gebieten bevorzugt mit der technischen Kontrolle betraut werden sollten.220 Ein Gespräch zwischen dem französischen Ministre d’Etat chargé de l’Aide et de Cooperation Robert Lecourt und Lemaignen bestätigte am 2. Oktober den gefundenen Kompromiss.221 Dessen Umsetzung erwies sich jedoch als schwierig, da die Kommission schon vereinzelt Verträge mit Beraterfirmen geschlossen hatte und diese Firmen – auch mit Blick auf ihre Provision – wenig geneigt waren, nachträglich noch Firmengemeinschaften zu schließen.222 Darüber hinaus bestimmten ungeachtet des gefundenen Kompromisses weiterhin sachliche und administrative Kriterien die Vergabe der Aufträge für die technische Kontrolle, wie Lefèbvre, der belgische Leiter der Direktion Investitionen, anlässlich eines weiteren Treffens zwischen französischen Beamten und Mitgliedern der Generaldirektion VIII im November einräumte.223 Das Gespräch war von französischer Seite gerade in der Absicht gesucht worden, „pour éviter ces manoeuvres déloyales et maintenir les termes de l’accord conclu entre M. Lemaignen et M. Lecourt sur le principe du binomage.“224 Angesichts der starren Haltung des französischen Premiers, der die Bildung von Firmengemeinschaften für die technische Kontrolle zur Bedingung machte, führten die Gespräche in eine Sackgasse.225 Die Kommission sorgte sich um ihre Eigenständigkeit und Entscheidungsfreiheit. Schon im August war der zuständige französische Kommissar gegenüber dem Kommissionspräsidenten zu folgender Einschätzung gelangt: „Pour rencontre les désirs du Premier Ministre Français, nous avons atteint l’extrême limite des possibilités que nous donnent la lettre et l’esprit du Traité et les règlements du Fonds de Développement. Je ne saurais aller plus loin sous ma responsabilité et j’estime d’ailleurs pas opportun de le faire.“226 Die Frage behinderte die Tätigkeit des EEF in den assoziierten französischen Länder und Gebieten erheblich. Bis zum Januar 1960 hatte die Kommission 20 Finanzierungskonventionen für 44 von 60 genehmigten Projekten ausgearbeitet. Allerdings wurden nur acht Konventionen für 17 Projekte unterzeichnet: die belgische Regierung unterzeichnete Finanzierungsabkommen für Ruanda-Urundi und Belgisch-Kongo, die französische für Madagaskar und die Somaliküste. Die 220
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Vgl. Jacques Vignes, Directeur des Etudes et Programmes, Note pour Monsieur le Directeur Général, Objet: désignation des contrôleurs techniques, 10.11.59, in: CAC, 19880053 SGCI Art. 93 Vgl. Note à l’attention de Monsieur le Président de la Communauté, objet: Contrôle Technique des travaux financés par le Fonds Européen, 4.11.59, in: FIDES Art. 205. Vgl. Lecourt, Ministre d’Etat chargé de l’Aide et de la Coopération, an Lemaignen, Président du Groupe des Pays et Territoires d’Outre-Mer – C.E.E., 4.11.59, in: CAC, 19880053 SGCI Art. 93; Donnedieu de Vabres, Note pour Monsieur le Premier Ministre, 19.11.59, in: Ebd. Vgl. ebd.: „M. Lefebvre a répondu qu’il ne pouvait rechercher par priorité des associations et que sa responsabilité propre consistait à confier le contrôle aux entreprises les plus sérieuses acceptant la rémunération la plus faible; les associations seraient choisies dans la mesure où elles satisferaient à ces conditions.“ Présidence de la Communauté, Secrétariat Général: Note pour M. le Secrétaire Général, nicht datiert, in: FIDES Art. 204. Vignes, Note pour Monsieur le Directeur Général, 10.11.59. Lemaignen, Note pour le Président, a./s. Contrôle technique du Fonds de Développement. Lettre du Directeur Général Allardt, en date du 21 août 1959, 26.8.59, in: BA Koblenz, N1266/1260.
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zwölf nicht unterzeichneten Konventionen betrafen sämtlich französische Überseeländer und Hoheitsgebiete.227 Frankreich war zu einer Unterzeichnung in den Fällen nicht bereit, in denen die Kommission jeweils eine einzelne Firma für die Technische Kontrolle vorgesehen hatte. Angesichts der zunehmenden Kritik, der sich die Kommission aufgrund der schlechten Bilanz des EEF nach zwei Jahren ausgesetzt sah, drängte sie Ende 1959 auf eine Lösung.228 Lemaignen entschied sich Mitte Januar in den strittigen Fällen, gegenüber den Firmen Kocks (BRD), Italconsult (I) und SOGEI (F)229 nachdrücklich auf Firmengemeinschaften zur Durchführung der technischen Kontrolle auch in den assoziierten Ländern zu bestehen, für die die jeweiligen Firmen schon als Einzelunternehmen mit der Kommission einen Vertrag geschlossen hatten.230 Eine schriftliche Anfrage des Europaabgeordneten Hellmut Kalbitzer (SPD) an die Kommission verschaffte der Frage der technischen Kontrolle im selben Monat zudem eine breitere europäische Öffentlichkeit.231 Am 11. Februar unterzeichnete der Ständige Vertreter Frankreichs eine erste Finanzierungskonvention für Dahomey;232 doch noch im März zögerte Paris die Unterzeichnung weiterer übersandter Finanzierungskonventionen hinaus.233 Der französischen Regierung gelang es letztlich nicht, die Auswahl der technischen Kontrolleure vollkommen ihrer Zustimmung zu unterwerfen. Im November 1960 antwortete Lemaignen dem Ständigen Vertreter Frankreichs, der zwei Fälle, in denen keine Firmengemeinschaft für die technische Kontrolle ausgewählt worden war, reklamiert hatte: „La Commission estime impossible de donner à la formule de l’association des bureaux d’études un caractère strict qui ne correspondait pas, dans certains cas, aux besoins d’un projet ou d’un groupe de projet et, d’autre part, entrerait en contradiction avec l’esprit du Traité de Rome. Cependant, elle n’en reste pas moins actuelle et son application intervient chaque fois qu’elle est considérée souhaitable.“234 Den übrigen Mitgliedstaaten blieben die Differenzen zwischen Frankreich und der Kommission nicht verborgen. Anlässlich einer Ministerratstagung befasste man sich im Juli 1959 in Bonn mit der Frage. Staatssekretär Müller-Armack entschied, einen ursprünglich vorgesehenen Einspruch beim Rat nicht aufrechtzu227
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Sudan, Elfenbeinküste, Dahomey, Niger, Togo, Kamerun, Tschad, Französisch-Polynesien. Vgl. Ursachen für die Verzögerung der Entwicklungsprojekte aus dem EWG-Überseefonds, in: VEREINIGTE WIRTSCHAFTSDIENSTE (VWD), 22.1.60. Vgl. Copie démarquée d’un télégramme en provenance de Bruxelles, en date du 4 novembre 1959, in: Ebd.; Donnedieu de Vabres, Note pour Monsieur le Premier Ministre, 17.11.59. Société Générale d’Exploitation Industrielles Vgl. Schreiben Lemaignens an F.H. Kocks K.G. vom 14.1.60 und die Schreiben Lemaignens an Italconsult und an SOGEI vom 15.1.60. Vgl. weiterhin die Antwortschreiben der SOGEI (2.2.60) und von Kocks (10.2.60). In: BA Koblenz, N 1266/1260. Vgl. Assemblée Européenne Parlementaire, Question écrite no. 58 du 14 janvier 1960 de M. Kalbitzer à la Commission de la CEE, in: CAC, 19880053 SGCI Art. 93; Räte der EG, Generalsekretariat, Mitteilung des Europäischen Parlaments, 24.2.60, in: B 102/10195a. Vgl. Copie démarquée d’un télégramme de Bruxelles, en date du 11 février 1960, in: CAOM, FIDES Art. 205. Vgl. Allardt, Note pour M. Lemaignen, objet: Contrôle technique, 4.3.60, in: Ba Koblenz, N1266/1260. Lemaignen an Gorse, 30.11.60, in: CAC, 19880053 SGCI Art. 93.
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erhalten, um die EWG für diese Frage keinen Belastungen auszusetzen.235 Die Bundesregierung bestand jedoch gegenüber der Kommission darauf, dass technische Kontrolleure für die französischen Kolonien systematisch unter nicht-französischen Beraterfirmen ausgewählt würden.236 Dabei hatte man im Bundeswirtschaftsministerium auch die hinter dieser Frage stehenden Wirtschaftsinteressen im Blick.237 Namhafte deutsche Wirtschaftskreise wie die im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA) organisierte mittelständische Investitionsgüterindustrie hatten bereits ihrer Befürchtung Ausdruck verliehen, aufgrund von Vergabepraktiken wie der Ausgestaltung des Lastenhefts, Auswahl der Angebote und Terminstellung bei Aufträgen des EEF benachteiligt zu werden.238 Die Beteiligung der deutschen Wirtschaft an den Ausschreibungen des Entwicklungsfonds war auch Gegenstand eines Schriftwechsels zwischen den Ministern Erhard und Brentano einerseits und dem Präsidenten des BDI, Fritz Berg, andererseits geworden. Müller-Armack selbst legte gegenüber Generaldirektor Allardt, mit dem er am 10. Dezember einige schwebende Fragen der Assoziierung erörterte, die Bedeutung dar, die die Bundesregierung der Frage der technischen Kontrolle beimaß.239 Als die französische Regierung im März 1960 die Unterzeichnung von Finanzierungskonventionen weiter verzögerte, unterstützte Müller-Armack daher in einem Schreiben an Hallstein ausdrücklich den Standpunkt der Kommission.240 Die französische Regierung zog ihrerseits aus der Öffnung des Kolonialreichs im Rahmen der Assoziierung Konsequenzen. Der französische Industrieminister Jean-Marcel Jeanneney trat am 20. Januar 1960 gegenüber dem französischen Premier mit einem Plan hervor, der die Förderung der Tätigkeit privater französischer Beraterfirmen, die er unter dem Begriff „Engineering“ zusammenfasste, zum Anliegen hatte, um die Handelsinteressen Frankreichs in der Communauté zu befördern.241 Die wesentliche Bedeutung, die sein Ministerium dem „Engineering“ zumaß, erläuterte Jean Valabregue, Inspecteur Général de l’Industrie, wie folgt: „L’exportation de cette manière grise que constitue l’engineering, produit le plus évolué qu’on puisse imaginer, est très intéressante en elle-même par les devises qu’elle procure, mais elle l’est davantage encore par le rayonnement qu’elle apporte aux techniques françaises et par voie que les conceptions, les normes, les spécifications, les cahiers des charges, les conditions de réception 235 236
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Vgl. BMWi, Schmidhuber, Referat EA 6, Vermerk für MR Heise, Betr.: Entwicklungsfonds; technischer Kontrolleur, 24.7.59, in: BA Koblenz, B 102/10195a. Vgl. ebd.. Vor dem Hintergrund dieser deutschen Forderung hatte Allardt anlässlich seines Treffens mit Bour am 20. August auf den Druck, den einige Mitgliedstaaten in dieser Frage auf die Kommission ausübten, hingewiesen. Vgl. Bour, Kabinett des Ministre d’Etat chargé de l’aide et de coopération, Entretien, à Bruxelles, avec M. Allardt, le 20 Août, sur les problèmes du contrôle technique, 21.8.59, in: CAC, 19880053 SGCI Art. 93. Vgl. MR Heise, Vermerk für StS Müller-Armack zur Ministerratstagung am 25.7.59, Betr.: Entwicklungsfonds; wirtschaftliche Vorhaben in Togo, 22.7.59, in: B 102/10195a. Vgl. ebd. Vgl. BMWi, Referat EA 6, Vermerk, Betr.: Assoziierte überseeische Gebiete, Bezug: Besprechung bei Herrn Staatssekretär am 10.12.59, 11.12.59, in: BA Koblenz, B 102/10195a. Vgl. Schreiben Müller-Armacks an Hallstein, 10.3.60, in: HAEG Florenz, EN 2642. Vgl. Schreiben des Ministre de l’Industrie, Jean-Marcel Jeanneney, an den Premierminister, Betreff: Problème de l’engineering dans les territoires de la Communauté Française, 20.1.1960, in: CAC, 19880053, SGCI Art. 93.
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définies par des bureaux d’études français ouvrent directement ou indirectement à nos exportations de biens d’équipement et même de produits quelconque.“242 Im „Engineering“ erkannte Paris eine Möglichkeit, neue, den politischen Entwicklungen in Afrika angepasste Strukturen zu schaffen, die auch in der postkolonialen Zeit Bestand haben würden. Der Aktionsplan sah die Gründung von Beraterfirmen vor Ort vor, an denen einflussreiche afrikanische Persönlichkeiten und französische Firmen mitwirken sollten.243 Noch 1960 begann die französische Regierung mit der systematischen Förderung des „Engineering“ im Rahmen ihrer bilateralen Entwicklungshilfe, d. h., sie vergab bilaterale Hilfe zur Anfertigung von Planungsunterlagen, die dann von den afrikanischen Regierungen auch an die EWG zur multilateralen Projektrealisierung weitergeleitet wurden.244 Auch die Bundesregierung begann sich mit der Frage zu beschäftigen, ob und wie die Beteiligung deutscher Firmen an den Aufträgen des EEF gefördert werden könne.
Die Beteiligung deutscher Firmen an den Aufträgen des EEF Schon seit Inkrafttreten des Vertrags von Rom war ein größerer Anteil deutscher Firmen an den Aufträgen des EEF ein Anliegen der deutschen Wirtschaft, das insbesondere vom Bundesverband der Deutschen Industrie immer wieder vorgebracht worden war.245 Die Bundesregierung intervenierte daher wiederholt bei der EWG-Kommission, um die Bedingungen für die deutsche Wirtschaft zu verbessern,246 sah aber letztlich die Schwierigkeiten interessierter Firmen, in Afrika Fuß zu fassen, in den Wettbewerbsvorteilen begründet, die die französische Wirtschaft aufgrund ihrer besonderen Beziehungen zu den assoziierten afrikanischen Staaten hatte.
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Exposé de M. Valabregue, l’Inspecteur Général de l’Industrie, lors de la conférence faite le 17 mai 1960 au Ministère de l’Industrie sur l’engineering, les Bureaux d’Etudes français et les objectifs et les moyens d’une politique de développement dans le cadre du commerce extérieure, in: Ebd. Vgl. Schreiben Jeanneney an den Premierminister, 20.1.59. Vgl. Compte rendu de la réunion des bureaux d´études techniques tenue au Ministère de l’Industrie le 29 janvier 1960 sous la présidence de M. Valabregue, in: Ebd.. Eine weitere Konferenz folgte im Mai. Vgl. Exposé de M. Valabregue, l’Inspecteur Général de l’Industrie, lors de la conférence faite le 17 mai 1960 au Ministère de l’Industrie sur l’engineering, les Bureaux d’Etudes français et les objectifs et les moyens d’une politique de développement dans le cadre du commerce extérieure. Vgl. weiterhin BMZ, Interne Aktennotiz über ein Gespräch mit der Ingenieursberatung Walter (Essen) im Bundeswirtschaftsministerium am 14. März, 18.3.63, in: Ba Koblenz, B 213 BMZ, 1137. Vgl. Fritz Berg, BDI, an Brentano, 30.7.59, in: PAAA, B 20/235; Wilhelm Beutler, geschäftsführendes Präsidialmitglied des BDI, an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Walter Scheel, 21.12.62, in: BA Koblenz, B 213/1137. So drängte das Auswärtige Amt bei der Kommission auf die Publizität im Ausschreibungsverfahren: Alle Ausschreibungen aus dem Entwicklungsfonds wurden veröffentlicht und auch in Deutschland durch die Bundesstelle für Außenhandelsinformationen fortlaufend in allen Einzelheiten bekannt gegeben. Vgl. Schreiben des Bundesaußenministers Gerhard Schröder an Beutler, BDI, 16.1.63, in: PAAA, B 20/898b.
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Während der Verhandlungen zu einem neuen Assoziierungsabkommen wurde die Frage virulent. Nunmehr wurde der Anteil deutscher Firmen am deutschen Beitrag zum EEF gemessen. Auf die Anfrage des SPD-Abgeordneten Hans-Jürgen Wischnewski räumte Staatssekretär Ludger Westrick vom BMWi am 28. Juni 1962 im Bundestag ein, dass der Anteil deutscher Firmen an der Auftragsvergabe aus Fondsmitteln derzeit bei 3,96% liege.247 Während das Bundeswirtschaftsministerium davon ausging, dass der tatsächliche Anteil deutscher Firmen aufgrund von Unteraufträgen durch und Partnerschaftsleistungen an französische Firmen höher lag,248 folgerte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) aus statistischen Material der EWG-Kommission, dass der Anteil deutscher Firmen an Lieferungen und Bauleistungen nur bei 2,78% liege und erst unter Hinzuziehung der Aufträge an Ingenieurbüros für die technische Kontrolle knapp 4% erreichte.249 78,6% der Liefer- und Bauaufträge gingen demgegenüber an in den assoziierten Staaten ansässige Firmen, unter den sich zahlreiche Niederlassungen französischer Firmen befanden.250 Doch nicht nur auf Wettbewerbsvorteilen, sondern auch auf Diskriminierungen schien diese Situation zu beruhen. Im Juli 1962 wandte sich die Kölner Firma STRABAG BAU-AG, an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Walter Scheel, der schon im Mai mit dem Vorstand der STRABAG, Helmut Homann, die Probleme deutscher Bauunternehmungen im Ausland erörtert hatte.251 Da die Firma sich von der Entscheidung einer Vergabekommission in Mogadischu, die den Auftrag an eine italienische Firma vergeben hatte, diskriminiert fühlte, hatte sie bei der EWG-Kommission Beschwerde eingelegt. Auch die Wirtschaftsverbände wurden in der Frage tätig. Im November beklagte die Bauwirtschaft in einem Schreiben an das BMZ die Diskriminierung deutscher Firmen bei den Ausschreibungen des EEF.252 Am 21. Dezember wandte sich schließlich Wilhelm Beutler, geschäftsführendes Präsidialmitglied des BDI, an die Bundesminister Erhard, Scheel und Schröder.253 Auch er kritisierte eine Situation, „die zwar weniger einer rechtlichen als vielmehr einer faktischen Diskriminierung der deutschen Industrie gleichkommt“254, und forderte die Bundesregierung auf, sich um eine Regelung zu bemühen, die zukünftig einer stärkeren Berücksichtigung deutscher Firmen sicherstelle.
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Vgl. Deutscher Bundestag, 28.6.62, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 4. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Bd. 51, S. 1574 f. Vgl. Schreiben des Bundesaußenministers Gerhard Schröder an Beutler, BDI, 16.1.63. Vgl. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Aufzeichnung, Beteiligung deutscher Firmen an den Aufträgen zur Durchführung von Projekten, die vom Europäischen Entwicklungsfonds finanziert werden, 8.11.62, in: BA Koblenz, B 213/1137. Vgl. ebd. Vgl. Schreiben des Vorstandes der STRABAG Bau-AG an den BMZ Walter Scheel, Betr.: EWG-Ausschreibungen Somalia für die Strasse Afgoi – Vittorio d’Africa, 17.7.62, in: Ebd.; Schreiben Helmut Homann [STRABAG BAU-AG] an BMZ Walter Scheel, 9.5.62, in: Ebd. Vgl. Schreiben des Exportausschusses der Bauwirtschaft an das BMZ, Betr.: Diskriminierung deutscher Firmen bei den Ausschreibungen, die vom EWG-Entwicklungsfonds finanziert werden, 16.11.62, in: B 213/1137. Vgl. Wilhelm Beutler, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V., an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Walter Scheel, 21.12.62, in: Ebd. Ebd.
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Die Kommission wies den Vorwurf zurück. Der deutsche Generaldirektor, Heinrich Hendus, nannte Zahlen, um zu belegen, dass es zu keiner Diskriminierung deutscher Firmen gekommen sei: Für die insgesamt 184 Ausschreibungen im Rahmen von Vorhaben des EEF waren 1157 Angebote abgegeben worden, darunter 65 deutsche. Von diesen 184 Ausschreibungen entfielen wiederum 118 auf öffentliche Arbeiten, für die 662 Angebote unterbreitet worden waren – davon 10 Angebote von deutschen Firmen. Insgesamt bekamen deutsche Firmen in sechs Fällen den Zuschlag.255 Außerdem stützte der Fall der Firma STRABAG, die sich an einer neuen, auf die ursprünglichen Bieter beschränkten Ausschreibung nicht mehr beteiligt hatte, seine These, dass vor allem das mangelnde Interesse der deutschen Industrie und nicht so sehr diskriminierende Praktiken für die geringe Beteiligung der deutschen Industrie an den Ausschreibungen des EEF verantwortlich sei.256 Auch im Bundeswirtschaftsministerium kam man zu dem Schluss, dass das Interesse deutscher Firmen an der Ausführung von Bauarbeiten in den assoziierten Staaten aus verschiedenen Gründen wie der inländischen Hochkonjunktur, der verhältnismäßig bescheidenen Losgröße der Ausschreibungen, der Notwendigkeit zur Errichtung einer Niederlassung in Afrika, dem Transport des Maschinenparks oder der Unsicherheit über eventuelle Anschlussaufträge bisher nur verhältnismäßig gering gewesen sei.257 Das neue Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem sich damit auch die Möglichkeit bot, sich zu profilieren, ergriff dennoch die Initiative und entwickelte Lösungsvorschläge, die es in die in Brüssel laufenden Verhandlungen über ein internes Abkommen über die Finanzierung und Verwaltung des Fonds einbringen wollte. Das Ministerium schlug u. a. eine verstärkte Einschaltung deutscher Ingenieurbüros bei der Projektplanung und der technischen Kon-
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Vgl. Antwortschreiben des GD Hendus an den Vorstand der STRABAG BAU-AG, Betr.: Ausschreibung für ein vom Europäischen Entwicklungsfonds in der Republik Somalia finanziertes Vorhaben: Strasse Afgoi – Vittorio d’Africa, 2.8.62, in: Ebd. Ein Artikel in der Zeitschrift AUSLANDSKURIER kam ein Jahr später zu dem Schluss, dass, gemessen am Auftragsvolumen im Bausektor, ortsansässige Firmen und Firmen aus dem Mutterland einerseits sowie europäische, nicht aus den ehemaligen Mutterländern stammende Firmen andererseits nicht weit auseinander lägen. Letztere hatten mit 51 Angeboten, bezogen auf die geschätzte Auslandssumme von 70 Mio. Dollar, Aufträge in Höhe von 10 Mio. Dollar erhalten. Theoretisch hatte demnach jedes Angebot rund 0,2 Mio. Dollar Auftragssumme erbracht. Ortsansässige und Mutterlandsfirmen hatten mit 723 Angeboten, bezogen auf die geschätzte Auftragssumme von 128 Mio. Dollar, Aufträge in Höhe von 107,8 Mio. Dollar erhalten. Theoretisch hatte hier jedes Angebot etwa 0,15 Mio. Dollar Auftragssumme erbracht. Vgl. Die Beteiligung der europäischen Industrie an den Investitionen des europäischen Entwicklungsfonds in den der EWG assoziierten überseeischen Ländern, in: AUSLANDSKURIER, Juni 1963. Vgl. Schreiben der Vertretung der BRD bei der EWG und EAG, Günther Harkort, Betr.: Europäischer Entwicklungsfonds, hier: Ausschreibung Nr. 183 für das Vorhaben Nr. 12.31.002 in der Republik Somalia, 14.11.62, in: BA Koblenz, B 213/1137. Allerdings bewarb sich die STRABAG BAU-AG danach erfolgreich für ein Projekt in Kamerun. Vgl. Anlage, Betr.: Entwicklungsfonds der EWG, hier: Ausschreibungen und Ausschreibungsergebnisse, zu dem Schreiben von MinDir Meyer-Cording, BMWi, an MdB Robert Margulies (FDP), 5.11.62, in: Ebd.
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trolle sowie die Bildung von Arbeitsgemeinschaften zwischen deutschen und französischen Firmen vor.258 Noch im November sondierte Scheel mit dem ehemaligen Kommissar Lemaignen, der nun die französische Wirtschaftsgruppe UFIDA leitete, die Möglichkeiten einer deutsch-französischen Kooperation.259 Ihre Fortsetzung fanden diese Gespräche anlässlich der Parisreise des Ministers, auf der er am 21. März 1963 mit dem französischen Kooperationsminister Raymond Triboulet zusammentraf.260 Scheel machte die Beteiligung der deutschen Wirtschaft an den Aufträgen des EEF zu einem Gegenstand der deutsch-französischen Zusammenarbeit in Afrika, die auf der Grundlage des Elysée-Vertrags im Entstehen begriffen war. Angestrebt wurde eine Kooperation der deutschen und französischen Privatwirtschaft im Bereich der Investitionen in den assoziierten Ländern sowie im Rahmen von Firmengemeinschaften.261 Parallel dazu strebte Bonn eine verstärkte Einschaltung deutscher Ingenieurfirmen als Consulting-Büros an, und zwar nicht mehr vorrangig im Rahmen der technischen Kontrolle, sondern vielmehr bei den vorbereitenden Studien- und Planungsprogrammen für Vorhaben des EEF, um eine bessere Anpassung der Ausschreibungsunterlagen an deutsche Industrienormen und Liefermöglichkeiten zu erzielen.262 Die Ressorts einigten sich im März 1963 auf diese Maßnahme auch unter dem Eindruck eines Berichts der deutschen Ingenieurberatung Walter über ihre Tätigkeit als technischer Kontrolleur, der die Bedeutung des Consulting ebenso wie das französische Aktionsprogramm im Rahmen der bilateralen Technischen Hilfe hervorhob.263 Vom BMWi wurde darüber hinaus vorgeschlagen, 258 259 260
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Vgl. BMZ, Aufzeichnung, Beteiligung deutscher Firmen an den Aufträgen zur Durchführung von Projekten, die vom Europäischen Entwicklungsfonds finanziert werden, 8.11.62. Vgl. ORR Ehm an MinDirig Klamser, Betr.: Besprechung beim BDI am 5.12.62, hier: Punkt 3 der Tagesordnung, 3.12.62, in: Ebd. Vgl. BMZ, Niederschrift über die Besprechung des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem französischen Minister für Zusammenarbeit, M. Triboulet, am 21.3.1963 in Paris, nicht datiert, in: Ebd., 1085. Die beiden Minister sondierten die Möglichkeit einer deutsch-französischen Zusammenarbeit auf der Grundlage des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags vom 22.1.63 im subsaharischen Afrika. Vgl. BMZ, Niederschrift über die Besprechung des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit Walter Scheel mit dem französischen Kooperationsminister Raymond Triboulet, am 4./5. November 1963 in Bonn, 6.11.63, in: Ebd. Vgl. BMZ, Vermerk, Betr.: Beteiligung deutscher Firmen an Aufträgen des Europäischen Entwicklungsfonds, 27.3.63, in: Ebd.; BMZ, Ergebnisvermerk, Betr.: Beteiligung der deutschen Wirtschaft an den Finanzierungsvorhaben des Entwicklungsfonds, 2.4.63, in: Ebd.; AA, Aufzeichnung, Betr.: Beteiligung deutscher Firmen an Aufträgen des Europäischen Entwicklungsfonds, 30.3.63, in: PAAA, B 53/363. Der Empfehlung der Ingenieurberatung und dem französischen Vorbild folgend, erwogen die Ressorts auch den Einsatz einer größeren Anzahl deutscher Planungsbüros nicht nur im Rahmen des EEF, sondern auch im Rahmen der bilateralen deutschen Technischen Hilfe. Vgl. AA, Aufzeichnung, 30.3.63, in: B 53/363. Eine Ressortbesprechung im BMZ, die am 22. Mai die Finanzierung von Projektstudien im Rahmen der deutschen Technischen Hilfe prüfte, kam zu einem negativen Ergebnis, da a) die Mittel der TH im Verhältnis zu den Anforderungen zu knapp waren, b) das Instrumentarium der TH andere Maßnahmen (z. B. fachliche Ausbildungsstätten) enthielt, die sehr wirksam und dem Wesen der TH mehr zu entsprechen erschienen als Projektstudien und schließlich c) die Finanzierung von Pre-Investment-Kosten für ein multilaterales Projekt nicht dem politischen Charakter der bilateralen Entwicklungshilfe Rechnung trage. Vgl. RD Ehmann an das Referat I A/4 im Hause, Betr. Erarbeitung von Planungs- und Projektunterlagen, 11.6.63, in: BA Koblenz, B 213/1137. Der Interministerielle
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den Anteil von Bauprojekten am EEF zugunsten von Vorhaben, die mit Liefergeschäften verbunden waren, schrittweise zu verringern. Bei letzteren machte der deutsche Anteil immerhin 26% aus. Im Juni schlug das BMZ anlässlich der in Brüssel beginnenden Expertengespräche über das interne Abkommen schließlich den Ressorts vor, die Ausschreibungsunterlagen entsprechend den einzelstaatlichen Beitragsleistungen von unabhängigen Ingenieurbüros erstellen zu lassen und griff damit eine Forderung des Präsidenten des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie auf.264 Die übrigen Ressorts lehnten diesen Vorschlag ab, obwohl sie den Gedanken der stärkeren Einschaltung deutscher Ingenieurbüros nach wie vor positiv beurteilten.265 Das BMWi hegte prinzipielle Bedenken gegen diesen Vorschlag, da man – wie Staatssekretär Müller-Armack seinem Kollegen im BMZ, Friedrich Karl Vialon, mitteilte – „in der Einführung von Beteiligungsquoten eine Gefährdung des überragenden Gedanken des Gemeinsamen Marktes überhaupt sehen [könnte].“266 Zudem wies gerade der Sektor „Technische Hilfe“, also technische Bauleitung, technische Kontrolle und die aus dem Budget der Kommission finanzierten Studien, den größten Anteil europäischer, nichtfranzösischer Beteiligung auf. Auf die deutschen Ingenieurbüros entfielen dabei 23 % des gesamten Auftragsvolumens; sie lagen damit an zweiter Stelle hinter den Franzosen, die mit 33 % beteiligt waren.267 In der Bundesregierung setzte sich die Einsicht durch, dass das Problem wesentlich komplexer als zunächst angenommen sei.268 „Namentlich hat sich ergeben“, wie Lahr Vialon mitteilte, „daß einige Gründe der unbefriedigenden Lage bei uns selbst zu suchen sind.“269 Auch die Berichte der deutschen Botschaften in den assoziierten Staaten, die das Auswärtige Amt angefordert hatte270, zeichneten ein vielschichtiges Bild.271 Während die Botschaft in Cotonou unter Berufung auf ein Gespräch mit dem Vizepräsidenten der dahomeischen Nationalversammlung, Biokou, über Versuche französischer Firmen und Berater sowie der französischen Botschaft berichtete, eine stärkere Entwicklung des dahomeischen Au-
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Referentenausschuss für entwicklungspolitische Forschung sprach sich hingegen am 27. November dafür aus, für Pre-Investment-Studien in verstärktem Maße beratende Ingenieurfirmen heranzuziehen. Dies betraf auch Projektstudien für den EWG-Bereich. Vgl. BMZ, Ergebnisprotokoll einer Unterausschusssitzung des IRA für entwicklungspolitische Forschung am 27. November 1963 im BMZ, 28.11.63, in: Ebd. Vgl. Schreiben des Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Karl Pfeiffer, an Scheel, 22.4.63, in: BA Koblenz, B 213/1137. Vgl. Schreiben BMWi an BMZ, Betr.: Neugestaltung des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und den assoziierten Staaten und Hoheitsgebieten, hier: Finanzreglement, 25.6.63, in: Ebd. Schreiben des StS Müller-Armack, BMWi, an StS Vialon, BMZ, 16.7.63, in: Ebd. Vgl. ebd.; Ausführungen von Generaldirektor Hendus über die nicht-französische europäische Beteiligung an intellektuellen Leistungen im Rahmen des Europäischen Entwicklungsfonds, nicht datiert, in: Ebd.; Hendus an MinDir Sonnenhohl, BMZ, 31.10.63, in: Ebd. Vgl. Schreiben Lahrs, StS im Auswärtigen Amt, an StS Vialon, BMZ, Betr.: Europäischer Entwicklungsfonds, hier: Beteiligung deutscher Baufirmen und Ingenieurbüros an Aufträgen des Fonds, 5.8.63, in: Ebd. Ebd. Vgl. AA, Erlass an die diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen der BRD in den AASM, Betr.: Benachteiligung deutscher Firmen in den mit der EWG assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, 19.9.63, in: PAAA, B 20/898b. Vgl. Antwortschreiben der Botschaften: Botschaft Cotonou, 12.10.63; Botschaft Libreville, 15.10.63; Botschaft Yaoundé, 18.10.63; Botschaft Abidjan, 21.10.63, in: Ebd.
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ßenhandels mit der BRD zu verhindern, gab die Botschaft in Libreville (Gabun) die Auskunft, dass keine Benachteiligung feststellbar sei. Die Botschaft in Yaoundé konstatierte zwar einerseits die aus den nach französischen Standards verfassten Ausschreibungsunterlagen resultierenden Nachteile für deutsche Firmen, betonte aber andererseits das Bemühen kamerunscher Regierungsstellen, die französische „Monopolstellung“ abzubauen. Außerdem wies sie auf die seltene Beteiligung deutscher Firmen an Ausschreibungen hin. Die Botschaft in Abidjan (Elfenbeinküste) berichtete schließlich über eine verspätete Lieferung einer deutschen Firma von neun Eisenbahnwagons an die Régie Abidjan-Niger (RAN). Die Botschaft hob den negativen Werbeeffekt für die deutsche Industrie hervor und zog den Schluss, dass Fälle wie dieser dem Argument Vorschub leisten könnten, dass der deutschen Industrie noch die richtige Einstellung zum afrikanischen Markt fehle. Die am Afrikageschäft interessierten Kreise der deutschen Wirtschaft trafen am 26. September mit Kommissionspräsident Hallstein und Generaldirektor Hendus zu einer Aussprache zusammen.272 An dem Gespräch, das auf eine Initiative des Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie zurückging,273 nahmen Vertreter der Firmen Polensky & Zöllner (München), Hochtief (Essen), Holzmann (Frankfurt a. M.), STRABAG sowie des BDI und des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie teil. Inhaltlich brachte es keine neuen Aspekte. Die Lobbyisten betonten die politische Bedeutung des Problems: „Man müsse gegebenenfalls damit rechnen, dass in der deutschen Öffentlichkeit, in der deutschen Presse, im Bundestag usw. eines Tages die Frage gestellt werde, ob man unter diesen für die Bundesrepublik unbefriedigenden Umständen noch den bisherigen Beitrag zum Entwicklungsfonds leisten wolle.“274
Die Frage der gebundenen Hilfe Im Jahr 1963 wollte die Kommission ein entwicklungspolitisches Zeichen zu setzen, indem sie die Hilfe aus dem EEF nicht mehr band, d. h., die bisherige Auftragsbindung für Projekte des EEF an Offerten aus Mitgliedstaaten oder den ASSM aufhob.275 Damit folgte sie der Empfehlung des bei der OECD bestehenden Ausschusses für Entwicklungshilfe, der schon im April 1962 die Frage der gebundenen Entwicklungshilfe erörtert und eine liberalere Handhabung der Finanzhilfe gefordert hatte. Am 28. Februar 1963 erklärte die Kommission schließlich vor dem Development Assistance Committee (DAC), Ausschreibungen für alle Finanzierungsabkommen, die während des Jahres 1963 geschlossen würden, ebenso wie für frühere Abkommen, bei denen dies noch möglich sei, auf alle Mit272
273 274 275
Vgl. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Niederschrift über eine Besprechung am 26. September 1963 bei Professor Hallstein, Brüssel, Präsident der EWG, und Generaldirektor Hendus, Brüssel, Generaldirektion VIII der EWG, 14.10.63, in: BA Koblenz, B 213/1137. Vgl. Schreiben Pfeiffers an Scheel, 22.4.63, in: Ebd. Ebd. Auf ihrer 208. Sitzung am 27.11.62 hatte sich die Kommission erstmals mit dem Problem der „gebundenen Hilfe“ befasst und eine elastischere Anwendung dieses Grundsatzes für den EEF diskutiert. Vgl. Auszug aus dem Protokoll der 208. Kommissionssitzung, 2. Teil, Punkt V.2., in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1035.
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glieder der OECD und des DAC auszuweiten.276 Schon zuvor war die Kommission in Einzelfällen von der Auftragsbindung abgewichen. Der Anteil von NichtEWG-Staaten an Aufträgen des EEF lag Ende 1962 bei niedrigen 0,27%.277 Nunmehr erforderte allerdings nach Ansicht der Kommission die wirtschaftliche Lage und die günstige Entwicklung der Zahlungsbilanz der Gemeinschaft eine weitergehende Liberalisierung auf diesem Gebiet. Damit schloss sie sich der Auffassung des Internationalen Währungsausschusses an und folgte dem Vorbild der Interamerikanischen Entwicklungsbank, die im Einverständnis mit der USRegierung für die Aufhebung der Zweckbindung der Hilfe eintrat und in der Verfolgung dieser Politik nicht unerhebliche Zahlungen in Europa geleistet hatte.278 Die Aufhebung der Bindung für das Jahr 1963 stellte einen Versuch dar, mit dem die Kommission nicht nur den Forderungen nach ungebundener Hilfe in internationalen Organisationen Rechnung tragen, sondern auch EEF-finanzierten Projekten die Vorteile eines verstärkten internationalen Wettbewerbs zugute kommen lassen wollte. Dieser Versuch sollte auf das Jahr 1963 begrenzt sein und schrittweise verwirklicht werden. Die praktische Seite dieser Politik sollte von Fall zu Fall nach Anhörung des beteiligten assoziierten Staates untersucht werden. Dabei war sich die Kommission der Grenzen dieser Politik bewusst. Insbesondere drohten Ländern wie Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden, die über keine starke Marktstellung in den assoziierten afrikanischen Staaten verfügten, Verluste.279 Auch die Ergebnisse der Verhandlungen über ein neues Assoziierungsabkommen schienen einen solchen Schritt zu rechtfertigen.280 Eine auslegende Ratserklärung zu Artikel 25 des neuen Assoziierungsabkommen besagte nämlich, dass durch diesen Artikel die Beteiligung von Angehörigen dritter Länder an Ausschreibungen des EEF nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte.281 276
277 278
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280
281
Vgl. SGCI an den Ständigen Vertreter Boegner, 23.4.63, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 35; Der BMWi an Eurogerma Bru, Betr.: Entwicklungsfonds, 7.3.63, in: BA Koblenz, B 213/1137; Ehm an StS, Betr.: Aufhebung der Lieferbindung für Aufträge zu Lasten des EWG Entwicklungsfonds, 12.3.63, in: Ebd. Vgl. BMZ, Ehm an StS, Betr.: Aufhebung der Lieferbindung für Aufträge zu Lasten des EWG Entwicklungsfonds, 12.3.63, in: Ebd. Vgl. EWG, Kommission, Zulassung von Firmen aus dritten Ländern zu den Ausschreibungen des Europäischen Entwicklungsfonds (Mitteilung von Herrn Rochereau), 14.10.63, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1035; EWG, Kommission, Beteiligung von Staatsangehörigen dritter Länder an den Ausschreibungen des Europäischen Entwicklungsfonds (Mitteilung der Kommission an den Rat), 23.10.63, in: Ebd. Vgl. Aufzeichnung, Arbeiten im Zusammenhang mit dem neuen Assoziierungsabkommen mit den afrikanischen Staaten und Madagaskar. Probleme der „gebundenen Beihilfen“, nicht datiert, in: Ebd. Vgl. EWG-Rat, Mitteilung – Schriftliche Anfrage des Parlaments Nr. 6, Betr.: Antwort der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf die vorgenannte Anfrage des Europaabgeordneten Mario Pedini (Democrazia Cristiana) vom 29.3.63, 25.4.63, in: BA Koblenz, B 213/1137; Antwortschreiben des EWG-Kommissars Henri Rochereaus an den französischen Kooperationsminister Triboulet, 24.7.63, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 35 Vgl. Ehm an StS, Betr.: Aufhebung der Lieferbindung für Aufträge zu Lasten des EWG Entwicklungsfonds, 12.3.63. Art. 25 übernahm den Text des Art. 132,4 des Vertrags von Rom. Die auslegende Erklärung hatte folgenden Wortlaut: „Die Delegationen der Mitgliedstaaten und der Kommission erklären im gegenseitigen Einvernehmen, daß die Bestimmungen über die Beteiligung an Ausschreibungen und Lieferungen für die von der Gemeinschaft ganz oder
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Die meisten Mitgliedstaaten zeigten sich erstaunt über das eigenmächtige Vorgehen der Kommission. Das Europäische Parlament befasste sich auf Anfrage des italienischen Abgeordneten Mario Pedini (Democrazia Cristiana) am 29. März mit der Frage282 und der Ausschuss der Ständigen Vertreter ebenfalls auf Antrag Italiens, am 25. April.283 Die eigentliche Auseinandersetzung fand aber auf einer Ad-hoc-Expertensitzung am 30. April statt, zu der die Kommission inoffiziell eingeladen hatte.284 Frankreich und Italien lehnten eine generelle Zulassung von Anbietern aus Nicht-EWG-Ländern ab und wollten die Entscheidung über die fallweise Berücksichtigung solcher Anbieter nicht der Kommission, sondern den Mitgliedstaaten vorbehalten. Belgien erklärte, dem eigenmächtigen Vorgehen in dieser Sache nicht zustimmen zu können, da die Liberalisierung der Ausschreibungen eine Grundsatzentscheidung des Ministerrats erfordere. Die Bundesrepublik schloss sich diesem Standpunkt an, während die Niederlande als einzige für eine generelle Einbeziehung aller DAC-Mitglieder in das Ausschreibungsverfahren der EWG eintrat und auch der Kommission das Recht zubilligte, diese Angelegenheit im Rahmen ihrer Verwaltungskompetenz für den EEF zu entscheiden. Bonn war noch zu keiner endgültigen Entscheidung in der Frage gelangt. Insbesondere im Bundeswirtschaftsministerium traten starke Gruppen dafür ein, dem „Liberalisierungsgrundsatz“, d. h. dem Offenstehen des Fonds auch für Nicht-EWG-Länder, Geltung zu verschaffen. Namentlich die Grundsatzabteilung und die Abteilung Geld und Kredit argumentieren, dass dritte Länder nicht diskriminiert werden sollten. Letztere trat auch aus währungspolitischen Gründen für eine erweiterte Ausschreibung ein. Demgegenüber war die Europaabteilung angesichts der unbefriedigenden Beteiligung der deutschen Wirtschaft an EEFAufträgen dafür, den Beschluss der Kommission rückgängig zu machen. Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit widersetzte sich einer Ausweitung der Beteiligung an den Ausschreibungen,285 da es insbesondere die Konkurrenz britischer und auch amerikanischer Baufirmen in den AASM fürchtete.286 Auch die französische Regierung hatte Bedenken gegen die Entscheidung der Kommission, insbesondere befürchtete sie Rückwirkungen, die dieses Signal
282
283 284 285 286
teilweise finanzierten Investitionen nicht implizieren, daß die von der Gemeinschaft bereitgestellten Mittel ausschließlich für den Kauf von Gütern oder die Bezahlung von Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten oder den assoziierten Ländern und Gebieten verwendet werden müssen.“ Vgl. EWG, Kommission, Beteiligung von Staatsangehörigen dritter Länder an den Ausschreibungen des Europäischen Entwicklungsfonds (Mitteilung der Kommission an den Rat), 23.10.63, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1035. Vgl. EWG-Rat, Mitteilung – Schriftliche Anfrage des Parlaments Nr. 6, Betr.: Antwort der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf die vorgenannte Anfrage Pedinis vom 29.3.63, 25.4.63. Vgl. Mitteilung des französischen Ständigen Vertreters Boegner, 29.4.63, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 35. Vgl. BMWi, E A 6, Vermerk, Betr.: Beteiligung von Firmen aus Drittländern an den Aufträgen des Entwicklungsfonds, 6.5.63, in: Ba Koblenz, B 213/1137. Vgl. BMZ, Ehm an StS, Betr.: Aufhebung der Lieferbindung für Aufträge zu Lasten des EWG Entwicklungsfonds, 12.3.63, in: Ebd. Vgl. Ehm an StS, Betr.: Beteiligung von Staatsangehörigen und Unternehmen dritter Länder an Ausschreibungen des EWG-Entwicklungsfonds (EEF), 18.11.63; Ehm an StS, Betr.: Beteiligung von Drittländern an Ausschreibungen des EWG-Entwicklungsfonds, 25.11.63, in: Ebd.
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der Kommission für die Debatte über die Bindung von Entwicklungshilfe auf die bilaterale französische Entwicklungshilfe haben könnte.287 Die Kommission warb demgegenüber mit einem anderen Signal, das ihre Entscheidung setzte, nämlich gegen jene Stimmen, die in der Assoziierung eine Subventionierung der französischen Industrie sahen, für die Unterstützung der französischen Regierung, nicht ohne zuvor zu versichern, dass die Interessen der französischen Industrie durch die Entscheidung der Kommission nicht beeinträchtigt seien.288 Auf deutsche und belgische Interventionen hin, rückte die Kommission von ihrer Entscheidung ab.289 Ende Mai 1964 erhielt der Ständige Vertreter Frankreichs schließlich von der Kommission die Zusage, die Ausschreibungen solange nicht mehr auf Nicht-EWG-Länder zu erweitern bis der Rat sich erneut mit der Frage der Bindung der Hilfe befasst habe.290 In diesem Sinne hatte die Kommission schon seit Anfang 1964 die Ausschreibungen auf die Mitgliedstaaten und die AASM beschränkt,291 nachdem die Mehrheit der Mitgliedstaaten auf einer Konsultationssitzung der EWG-Kommission im Dezember 1963 sämtlichen, für erweiterte Ausschreibung zur Disposition stehenden neun Projekte des EEF nicht zugestimmt hatten.292
Der EEF und Algerien Im Juli 1959 überraschte die französische Regierung die Kommission und ihre europäischen Partner mit der Ankündigung, nunmehr Leistungen aus dem EEF für Algerien beanspruchen zu wollen,293 während der Verhandlungen 1957 hatten die französischen Unterhändler eine Verzichtserklärung für Leistungen aus dem EEF hinsichtlich Algeriens und der DOM abgegeben.294 Die Ankündigung ging auf eine Entscheidung Premierministers Debré zurück,295 der wohl auch die hohen Ausgaben des französischen Staates für Algerien im Blick hatte.296 Diese waren nicht nur im militärischen Bereich gewaltig, sondern auch im zivilen Bereich von 49 Mrd. Francs im Jahr 1955 auf 107 Mrd. Francs 1958 gestiegen und
287 288 289
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296
Vgl. Schreiben Triboulets an Rochereau, 8.5.63, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 35. Vgl. Antwortschreiben Rochereaus an Triboulet, 24.7.63, in: Ebd. Vgl. BMZ, Vermerke, Betr.: Besprechung über die Frage „Vergabe von Bauaufträgen in den assoziierten Ländern der EWG“, am 4.9.1963 im Bundeswirtschaftsministerium, in: BA Koblenz, B 213/1137. Vgl. Boegner an SGCI, 26.5.64, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 35. Vgl. ebd. Vgl. BMWi, Ergebnisvermerk über die Konsultationssitzung bei der EWG-Kommission am 10. Dezember 1963 betreffend die Zulassung von Drittfirmen zu den Ausschreibungen für 9 Projekte des Entwicklungsfonds, 17.12.63, in: B 213/1137. Vgl. Hallstein, Vermerk, 2.7.59, in: N 1266/1136. Vgl. Auswärtiges Amt, Ref. 200, Aufzeichnung, Betr.: EWG-Entwicklungsfonds/Algerien, 28.10.59, in: PAAA, B 20/514. Vgl. SGCI: Procès-Verbal de la réunion du Comité Technique Interministériel pour les questions relatives à l’application du Traité instituant la Communauté Economique Européenne tenue le 25 juin 1959 sous la présidence de M. Valérie Giscard d’Estaing, Secrétaire d´ Etat aux Finances, 3.7.59, in: CAOM, FIDES, Art. 892. Vgl. auch LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 126.
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machten damit ein Drittel der Ausgaben für die gesamte Union Française aus.297 Darüber hinaus hatte De Gaulle im Oktober 1958 in der algerischen Stadt Constantine einen Entwicklungsplan für Algerien angekündigt, den er am 16. September 1959 präzisierte – also an dem Tag, an dem er öffentlich das Selbstbestimmungsrecht der Algerier anerkannte. Im Zentrum dieses Plans, der eine Verdoppelung der französischen Entwicklungshilfe für Algerien vorsah, sollte die Industrialisierung stehen.298 Da lag es nahe, die europäischen Partner an den notwendigen Infrastrukturinvestitionen zu beteiligen. Schließlich konnte auch die mit dem Tätigwerden des EEF genährte Aussicht auf eine künftige Assoziierung Algeriens an die EWG als zusätzlicher materieller Anreiz und politischer Trumpf zur Lösung des Algerienkonflikts beitragen.299 Die Kommission, die sich des politischen Zündstoffs dieser Frage bewusst war, enthielt sich zunächst einer Stellungnahme.300 Gleichwohl teilte sie Paris diskret ihre Befürchtungen in der Hoffnung mit, die offizielle Präsentation von Projekten für Algerien hinauszuzögern.301 Während die Kommission auf Zeit spielte, regte sich in einigen Mitgliedstaaten Widerstand. Die niederländische Regierung bekundete ihre Absicht, das französische Anliegen zurückzuweisen.302 Die Bundesregierung geriet durch die Frage der Verwendung des EEF für Projekte in Algerien in eine schwierige Lage. Anlässlich der Debatten im Bundestag über die Römischen Verträge hatte Ministerialdirigent Carstens den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags über die für Algerien gefundene Sonderregelung informiert. Dabei hatte er schließlich auch die Verzichtserklärung hinsichtlich Algeriens und der DOM, die die französische Delegation auf einer vertraulichen Sitzung am 24. März für den EEF abgegeben hatte, bekannt gemacht.303 Dies hatte wesentlich zur Zustimmung des Bundestags, insbesondere der Opposition, zu den Römischen Verträgen beigetragen.304 297 298 299
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Vgl. COQUERY-VIDROVITCH, Catherine/AGÉRON, Charles-Robert Histoire de la France coloniale. Bd. III: Le déclin. Paris 1996, S. 419. Vgl. ebd., S. 419, 420 f. So wurde auch im Auswärtigen Amt die hinter diesem französischen Vorgehen liegende Absicht wahrgenommen. Vgl. Ref. 200, Aufzeichnung für MinDir Carstens, EWG/Algier, 6.11.59, in: PAAA, B 20/514. Vgl. Auszug aus dem vorläufigen Sonderprotokoll der 69. Sitzung der Kommission vom 22. Juli 1959, 2. Teil vom 24.7.59, in: BA Koblenz, N 1266/1136. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 126. Vgl. AA, Ref. 200, EWG-Entwicklungsfonds/Algerien, 19.10.59, in: PAAA, B 20/514. Nachdem der niederländische Außenminister Luns mit seinem deutschen Kollegen im Juli die Frage erörtert hatte, konsultierte der niederländische Botschafter im August nochmals das Auswärtige Amt, das erneut bestätigte, dem französischen Anliegen ebenfalls nicht zustimmen zu wollen. Vgl. AA, Ref. 200, Betr.: EWG-Entwicklungsfonds/Algerien, 28.10.59, in: PAAA, B 20/514. Während der Sitzung des Sonderausschusses „Gemeinsamer Markt/ Euratom“ am 23. Mai hatte Carstens schließlich über die französische Verzichtserklärung informiert, während er zuvor lediglich auf die Sonderstellung Algeriens hingewiesen, die sich u.a seiner Partizipation am EEF verdankte. Vgl. auch Protokollauszüge des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, Unterausschuss Nr. 9 (Sonderausschuss „Gemeinsamer Markt Euratom“) zu den Sitzungen vom 27.2. und 14.3.57, in: Ebd. Der Sonderausschuss war aus dem am 6. Februar eingesetzten Unterausschuss „Brüsseler Verträge“ des Auswärtigen Ausschusses hervorgegangen und trug wesentlich zur schnellen Ratifizierung der Verträge bei. Vgl. Teil B, Kap. 3. Die BRD und die Assoziierung der Überseegebiete an den gemeinsamen Markt
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Vor diesem Hintergrund fürchtete die Bundesregierung nunmehr eine Grundsatzdebatte über den Algerienkonflikt im Bundestag.305 Auch ein nicht unerheblicher Teil der Medien sympathisierte mit der Sache des algerischen Front de la Libération Nationale (FLN).306 So bot DER SPIEGEL am 19. August 1959 Ferhat Abbas ein Forum. Der Präsident des Gouvernement Provisoire de la République Algérienne (GPRA) warf der Bundesrepublik vor, indirekt die französische Kriegsführung in Algerien zu unterstützen.307 Bonn wies diesen Vorwurf zurück und erläuterte, dass der Europäische Entwicklungsfonds keine Projekte in Nordafrika finanziere, im Übrigen aber auch nur wirtschaftliche und soziale Investitionen tätige. Damit gab die Bundesregierung nicht nur eine Antwort auf die Anschuldigungen Ferhat Abbas’, sondern sandte auch ein Signal nach Paris. Auch Kredite der europäischen Investitionsbank sollten nicht in Algerien verwendet werden.308 Schon zuvor hatte Staatssekretär van Scherpenberg dem französischen Botschafter Seydoux erläutert, dass die Frage der Verwendung des EEF für Algerien ein schwieriges Problem schaffe.309 Nicht nur die öffentliche Meinung begrenzte den Handlungsspielraum der bundesdeutschen Algerienpolitik.310 Die Bundesregierung betrieb eine Spagatpolitik, die einerseits die Beziehungen zu Frankreich, andererseits diejenigen zur arabischen Welt nicht gefährden sollte. Auch wenn der Bundeskanzler in der Algerienfrage eine pro-französische Haltung einnahm, verbot die Rücksichtnahme auf die arabischen Staaten eine offene Parteinahme für Frankreich.311 Schon die Einbeziehung Algeriens in die EWG war allerdings Ausdruck der engen Anlehnung Adenauers an Frankreich nach der Doppelkrise am Suez-Kanal und in Ungarn während des Herbst 1956 gewesen.312 Nicht zuletzt die Deutschland- und Berlinfrage schien diese Anlehnung an Frankreich zu gebieten, hatte doch De Gaulle beim Eintreffen des sowjetischen Berlin-Ultimatums im November 1958 305 306 307 308 309
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Vgl. StS van Scherpenberg, Aufzeichnung, Betr.: Algerienfrage, 4.8.59, in: Ebd. Vgl. hierzu: GLOWCZEWSKI, Xavier de: La guerre d’Algérie au miroir de la presse allemande (1958-1962), in: REVUE D’ALLEMAGNE 31, n°3-4 (1999), S. 541-553. Vgl. Interview mit Ferhat Abbas, in: DER SPIEGEL, 19.8.59. Vgl. Telegramme der französische Botschaft Bonn an Außenministerium, 18.8.59, in: MAE, dece 726. Vgl. StS van Scherpenberg, Aufzeichnung, Betr.: Algerienfrage, 4.8.59; Telegramm Seydoux’ vom 4.8.59, in: Ebd. Schon zuvor hatte sich Ophüls, Ständiger Vertreter bei der EWG und Euratom, gegenüber seinem französischen Kollegen ähnlich geäußert. Vgl. Ministère des Affaires Etrangères an Botschaft Bonn, 30.7.59, in: Ebd. Vgl. zur deutschen Algerienpolitik: BOUHSINI, Sabah: Die Rolle Nordafrikas (Marokko, Algerien, Tunesien) in den deutsch-französischen Beziehungen von 1950-1962. Aachen 2002; LAPPENKÜPER, Ulrich: „Adenauer, De Gaulle und der Algerienkrieg (1958-1962)“, in: REVUE D’ALLEMAGNE 31, n°3-4 (1999), S. 603-617; MÜLLER, Klaus-Jürgen: „Le réalisme de la République fédérale d´ Allemagne“, in: RIOUX, Jean-Pierre: La guerre d´Algérie et les Français. Paris 1990, S. 409428; DERS.: „Aspekte des deutsch-französischen Verhältnisses während des Algerien-Krieges“, in: REVUE D’ALLEMAGNE 31, n° 3-4 (1999), S. 509-532. Vgl. LAPPENKÜPER, Ulrich: Adenauer, De Gaulle und der Algerienkrieg, S. 604 f.; MÜLLER, Klaus-Jürgen: Aspekte, S. 511 f.. Müller betont im Gegensatz zu Lappenküper, dass die Bundesregierung spätestens ab Sommer 1959 hinsichtlich des Algerienproblems eine „Haltung vorsichtiger Äquidistanz“ (S. 511) einzunehmen begann und sich dementsprechend von ihrer asymmetrischen Spagatpolitik löste. Gleichwohl sieht auch Müller die Bundesregierung nach wie vor einer „grundsätzliche[n] Loyalität gegenüber dem französischen Bündnispartner“ (Ebd.) verpflichtet. Siehe auch LAPPENKÜPER, Ulrich: Adenauer, De Gaulle und der Algerienkrieg, S. 609.
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eine feste Haltung eingenommen und sich gerade erst auf der am 5. August erneut vertagten Genfer Viermächte-Außenministerkonferenz hinter die Politik des Bundeskanzler gestellt. Vor diesem Hintergrund gestand man sich im Auswärtigen Amt das Dilemma ein, in das die eigene Nordafrikapolitik auch in der Frage der Verwendung des EEF für Algerien geraten war: „Wir können mit Blick auf unser echtes weltpolitisches Dilemma kein Interesse daran haben, mit den Franzosen hierüber vor der Öffentlichkeit in ein Gezänk zu geraten. Wir brauchen sie heute dringender denn je. Die Sache rührt an die Wurzeln der deutsch-französischen Verständigung. Wir haben A gesagt und müssen wohl auch B sagen, wenn die Entente nicht auseinanderfallen soll. Wir können aber ebenso wenig, angesichts der Stimmung im Bundestag, mit Ja antworten.“313 Anfang Oktober informierte der französische Ständige Vertreter den Kommissionspräsidenten über vier soziale Projekte, für die Frankreich eine Beteiligung des EEF verlangte. Die Kommission zögerte jedoch deren Prüfung hinaus.314 Am 4. November unterrichtete die französische Regierung offiziell ihre europäischen Partner davon, dass sie ihre Verzichterklärung vom 24. März 1957 widerrufe.315 Bonn erklärte daraufhin gegenüber der französischen Regierung und der EWGKommission mit, dass es diesen einseitigen Widerruf für nicht zulässig halte.316 Gleichzeitig ließ die Bundesregierung gegenüber Paris durchblicken, dass sie unter veränderten Bedingungen ihre Haltung revidieren könne.317 Sie spielte also auf Zeit. Angesichts der sich abzeichnenden Wende in der französischen Algerienpolitik setzte Bonn auf eine Deeskalation in Algerien. Der Aufstand der Algerienfranzosen Ende Januar 1960 deutete allerdings eher auf eine weitere Zuspitzung des Konflikts hin. Die französische Regierung verlieh derweil ihrer Forderung Nachdruck. Am 18. Januar betonte der Generalsekretär des französischen Außenministeriums, Eric de Carbonnel, in einem Gespräch mit Staatssekretär van Scherpenberg, „daß dies für Frankreich eine ganz besondere etwas schwierige Frage sei, die die Haltung des Präsidenten gegen die EWG stark beeinflusse.“318 Deutscherseits suchte man daher nach verdeckten Möglichkeiten sowohl im Rahmen der EWG, als auch im Rahmen der bundesdeutschen bilateralen Hilfe, Frankreich die gewünschten Mittel zur Verfügung zu stellen. Einen Kompromissvorschlag van Scherpenbergs, den französischen Beitrag zum EEF für zwei Jahre zu kürzen und diese Mittel für Investitionen in Algerien zu verwenden, lehnte die französische 313 314
315 316
317 318
Vgl. AA, Ref. 200, Aufzeichnung für MinDir Carstens, 6.11.59, in: PAAA, B 20/514. Vgl. Auszug aus dem Protokoll der 77. Kommissionssitzung, 2. Teil vom 15. Oktober 1959, V. Problèmes relatifs au Fonds du Développement pour les pays et territoires d’outre-mer, in: BA Koblenz, N 1266/1136. Vgl. Ref. 200, EWG/Verwendung von Mitteln des Investitionsfonds für Algerien, 25.3.60, in: Ebd. Vgl. Aide Mémoire du 19 Novembre 1959 du Ministère fédéral des Affaires Etrangères au sujet: Application à l´ Algérie des prêts du Fonds de développement pour les pays et territoires d’Outre-Mer, in: MAE, dece 726; Vertretung der BRD bei EG, Ophüls, an Hallstein, 27.11.59, in: N 1266/1136. Vgl. AA, Ref. 200, Aufzeichnung für MinDir Carstens, 6.11.59; MAE, Serv. de Coop.: Note, 26.11.59, in: MAE, dece 726. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Besprechung mit Generalsekretär de Carbonnel, 18.1.60, in: BA Koblenz, N 1266/1136.
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Seite im März ab.319 Auch die EWG-Kommission blieb skeptisch. Hallstein gab anlässlich von Sondierungsgesprächen mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts abschließend zu bedenken, dass jede getarnte Investition mit einem politischen Fiasko enden müsse.320 Damit schien man in dieser Frage in einer Sackgasse angelangt. Staatssekretär van Scherpenberg konnte gegenüber Seydoux weder Ende Mai noch Ende Juni eine Zusage über die von der Bundesregierung zu treffende Entscheidung in der Frage machen.321 Ende Juli teilte die Bundesregierung schließlich der Kommission und der französischen Regierung mit, dass sie keine weiteren Einwendungen mehr gegen die Verwendung von Mitteln des Investitionsfonds in Algerien erhebe.322 Diese nicht zu erwartende Revision der bundesdeutschen Haltung schien auf den Bundeskanzler zurückzugehen, an den van Scherpenberg den französischen Botschafter in der Frage am 9. Juli verwiesen hatte.323. Die Bundesregierung beugte sich nicht nur französischen Interessen, sondern hatte durchaus eigene Interessen am Maghreb. Zunächst einmal bestand das politische Interesse, die Lage in Algerien zu stabilisieren und das Land an die EWG und damit an den Westen anzubinden.324 Strategisch galt es, die Südflanke Europas zu sichern. Auch wirtschaftspolitisch erschien es bedeutsam, Algerien an den Westen anzubinden, insbesondere aufgrund seiner Rohölquellen und Erdgasvorkommen.325 Die guten Beziehungen, die die SPD zum FLN pflegte, lagen auch im Interesse der Bundesregierung und waren ebenso wie die Tätigkeit des BND in Nordafrika Ausdruck deutscher Interessen im Maghreb, die im übrigen bis ins Deutsche Kaiserreich zurückreichten.326 319
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324 325
326
Vgl. ebd.; AA, Ref. 200, EWG/Verwendung von Mitteln des Investitionsfonds für Algerien, 25.3.60, in: Ebd.; MAE, Serv. de Coop., Note a.s. Extension à l’Algérie des opérations du Fonds de Développement, 25.1.60, in: MAE, dece 726. Vgl. VLR I Hartlieb, Vermerk für MinDir Carstens, EWG/Algerien, 17.2.60, in: PAAA, B 20/514. Vgl. Van Scherpenberg, Aufzeichnung, 26.5.60, in: PAAA B 53/168; Französische Botschaft Bonn an Außenministerium, 28.6.60, in: MAE, dece 726. Vgl. EWG-Kommission, Kabinett des Präsidenten, Begleitblatt, Empfänger: Über das Sekretariat an das Kabinett von Herrn Lemaignen, Betr.: Schreiben der Ständigen franz. Vertretung – Nr. 599 – vom 9.8.60, Anlage: Auszug aus dem Fernschreiben 7935 vom 22. Juli, in: Ebd.; MAE, Serv. de Coop.: Note a.s. Algérie et FED, 3.8.60, in: MAE, dece 726. Vgl. Französische Botschaft Bonn an Außenministerium, 9.7.60, in: Ebd. Im Auswärtigen Amt betrachtete man hingegen die Entwicklung des Algerienkonflikts nach dem Scheitern der Gespräche in Melun zwischen französischen Regierungsvertretern und dem FLN mit Sorge. Vgl. LAPPENKÜPER, Ulrich: Adenauer, De Gaulle und der Algerienkonflikt, S. 611. Vgl. z. B das Schreiben von Bundesaußenminister Schröder an den Bundesfinanzminister Dahlgrün, 19.8.63, in: PAAA, B 53/363. Vgl. z. B. BMWi, Referat V C 2 an das Referat E A 6, Betr.: Verhältnis Algeriens zur EWG, Bezug: Bericht des Generalkonsulats Algier vom 11.5.62, 28.5.62, in: B 102/130252. Schon im Oktober 1959 hatte der Generalkonsul von Algier, Heinrich Hendus, auf die Bedeutung des Saharaöls für die europäische Ölversorgung hingewiesen. Vgl. MÜLLER, Klaus-Jürgen: Aspekte, S. 516. Die Aktivitäten der Algeriensolidarität in der SPD gingen nicht von der Parteiführung aus, sondern von einzelnen Abgeordneten, Journalisten, Funktionären und Gewerkschaftern, wurden schließlich aber von der Parteiführung toleriert und gefördert. Zu diesen Algerienaktivisten zählten u. a. der Juso-Vorsitzende und spätere Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Hans-Jürgen Wischnewski sowie der Europaparlamentarier Hellmut Kalbitzer. Vgl. CAHN, Jean-Paul: „Le parti social-démocrate allemand face à la guerre d’Algérie“, in: REVUE D’ALLEMAGNE 31, n°3-4 (1999), S. 589-602; DERS.: Le parti social démocrate allemand et la fin de la
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Bei den aus dem EEF finanzierten Projekten war die Bundesregierung darauf bedacht, dass diese Entwicklungsvorhaben keine unmittelbar militärische Bedeutung hatten, um die deutsch-arabischen Beziehungen keinen allzu harten Belastungen auszusetzen.327 Am 17. April 1961 genehmigte die Kommission die ersten Projekte für Algerien. Bis zur Unabhängigkeit Algeriens ging die EWG Verpflichtungen in Höhe von 23,5 Mio. RE ein.328 Die bewilligten Projekte wurden auch nach der Unabhängigkeit fortgeführt. Dies lag sowohl im Interesse der französischen Regierung, die davon ausging, dass der EEF das unabhängige Algerien in einem den europäischen Interessen günstigen Sinne beeinflussen könne,329 als auch der provisorischen Regierung Algeriens, die allerdings durch die Fortsetzung der Hilfe ihre künftigen Beziehungen zur EWG nicht präjudizieren wollte.330 Am 24. Dezember 1962 teilte der neu gewählte algerische Regierungschef Ben Bella dem Kommissionspräsidenten mit, dass er Gespräche wünsche, um zu klären, welche Beziehungen künftig zwischen der EWG und Algerien möglich seien.331 Ein Jahr später suchte Algerien um eine Assoziierung mit der EWG nach.
3.1.3. Der erste Europäische Entwicklungsfonds (1958-1963) – Tätigkeit und Bilanz Da der EEF der bilateralen Entwicklungshilfe der EWG-Mitgliedstaaten zur Seite gestellt wurde, legte die Kommission Wert darauf, dem Entwicklungsfonds eine besondere Rolle zuzuweisen, die die bilateralen Aktionen nicht duplizierte.332 Die Entwicklungshilfe der EWG kennzeichnete demnach ihr Charakter als Gemeinschaftshilfe, die zusätzlich zu der bilateralen Entwicklungshilfe der Mitgliedstaa-
327 328
329
330
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Quartrième République française. Bern u. a. 1996, S. 389-466; SCHEFFLER, Thomas: Die SPD und der Algerienkrieg (1954-1962). Berlin 1995, S. 40-132, insbesondere S. 63-66; MÜLLER, KlausJürgen: Aspekte, S. 515. Siehe zur Tätigkeit des BND: DREYFUS, François-Georges: „Les Allemagnes contre l’Algérie française“, in: REVUE D’ALLEMAGNE 31, n°3-4 (1999), S. 533-540. Vgl. AA, Ref. 200, Aufzeichnung, Betr.: Verwendung des Entwicklungsfonds für Algerien, 11.2.61, in: PAAA, B 20/514. Vgl. EWG-Kommission, Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Algerien. (Von der Kommission dem Ausschuss der Ständigen Vertreter übermitteltes Arbeitsdokument), 7.2.63, in: BA Koblenz, N 1266/1136. Vgl. Hendus, Vermerk für Herrn von Staden, Kabinett Hallstein, Betr.: a) Die Auswirkungen eines künftigen Selbständigwerdens Algeriens auf die Investitionsmöglichkeiten des Europäischen Entwicklungsfonds in diesem Lande, b) Gespräche mit den französischen Dienststellen über die Assoziierung der AASM betreffende Fragen, 21.7.62, in: Ebd. Hendus traf sich u. a zu einem Gespräch mit dem für Algerien zuständigen Staatsminister Louis Joxe. Vgl. Compte-rendu de la réunion qui s’est tenue le 25 juillet 1962 dans le bureau de Monsieur Hendus à l’occasion de la visite de Monsieur Mahroug , Directeur du Cabinet de Monsieur Abdelasam Belaid, Délégué de l’Exécutif Provisoire Algérien aux Affaires Economiques, 27.7.62, in: Ebd. Vgl. Schreiben Ben Bellas an den Präsidenten der EWG-Kommission, 24.12.62, in: Ebd. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 41. Vgl. Verordnung Nr. 7 zur Festlegung der Arbeitsweise des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 25.2.59, 241 ff./59.EWG, Kommission, Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, Ziele und Arbeitsweise, Informationsschreiben Nr. 2, 20.7.59, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1039.
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ten vergeben wurde und die bilaterale Aktion nicht ersetzen sollte. Ihr regionaler Schwerpunkt war Afrika. Der Entwicklungsfonds sollte Entwicklungsprojekte finanzieren, die normalerweise im Aufgabenbereich der öffentlichen Hand lagen und nicht mit Privatinvestitionen in Wettbewerb treten konnten. Da der EEF seine Hilfe in Form nicht rückzahlbarer Zuschüsse vergab, schieden solche Investitionen aus, die mit Rücksicht auf ihre finanzielle Rentabilität und die dadurch gegebenen Voraussetzungen durch Anleihen finanziert werden konnten. In der Regel sollte der Fonds in sich abgeschlossene Projekte finanzieren, Teilfinanzierungen waren jedoch möglich. Die Kommission erachtete es als zweckmäßig, den Fonds für Grundinvestitionen, die besonders hohe Kosten verursachten, einzusetzen. Die Entwicklungshilfe des EEF beschränkte sich auf die Finanzierung von Projekten wirtschaftlichen und sozialen Charakters. Erstere kennzeichnete, dass sie unmittelbar mit der Durchführung eines Plans für konkrete produktive Vorhaben verbunden sein sollten. Bei diesen wirtschaftlichen Entwicklungsvorhaben lag der Schwerpunkt auf dem Ausbau der Infrastruktur (Straßen, Eisenbahnen, Häfen, etc.), die den Anforderungen des nach dem Krieg wachsenden überseeischen und interafrikanischen Handels nicht mehr gewachsen war. In der AOF liefen beispielsweise 1956 95% des Personen- und Güterverkehrs der Föderation über fünf Häfen, während vier Eisenbahnlinien 75% der Tonnage, die über diese Häfen lief, transportierten.333 Das vorhandene Verkehrssystem, das sich den strategischen und ökonomischen Interessen der französischen Kolonialmacht verdankte, bestand vornehmlich aus Stichbahnen oder -straßen, die das bevölkerungsreichere Hinterland mit den Warenumschlagplätzen an der Küste verbanden. Große Eisenbahnlinien, wie die 1956 fertig gestellte AbidjanNiger Eisenbahn nach Ouagadougou (Obervolta), die die Grenzen der einzelnen Kolonien überschritten, blieben die Ausnahme. Auch ein Straßennetz existierte im französischen subsaharischen Afrika nur in Ansätzen – zumeist handelte es sich um nur zur Trockenzeit befahrbare Pisten.334 Gerade in diesem für den Erfolg der Entwicklungszusammenarbeit als wesentlich erkannten Bereich war der Beitrag des EEF bedeutend.335 Da der Fonds ausschließlich Subventionen vergab, war er für die kostenintensiven, aber nicht unmittelbar rentablen Investitionen prädestiniert. Angesichts der räumlichen Enge der bestehenden Märkte sollte der Aufbau eines zusammenhängenden und gleichzeitig differenzierten Transportsystems auf Schiene, Straße und Wasser eine verbesserte Kommerzialisierung der Erzeugnisse, eine weitere Förderung der Produktion sowie die Ausdehnung des Handels ermöglichen und konnte somit zum Entstehen neuer Regionalmärkte beitragen.336 Da sie nicht mehr nur wie die kolonialen Entwicklungsprogramme die Erschließung der Territorien im Blick 333
334 335
336
Vgl. THOMPSON, Virginia/ADLOFF, Richard: French economic policy in tropical Africa, in: DUIGNAN, Peter/ GANN, L. H.: Colonialism in Africa 1870-1960, Vol. 4: The Economics of Colonialism. London u. a. 1975, S. 150. Vgl. THOMPSON, Virginia/ADLOFF, Richard: French economic policy in tropical Africa, S. 150. Vgl. z. B. BERGMANN, Jürgen: Die assoziierten afrikanischen Gebiete in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer Entwicklungsproblematik. Köln 1958, S. 76. Vgl. BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration. Das Verhältnis der Europäischen Gemeinschaft zu Schwarzafrika. Diss.. Berlin 1976, S. 209; COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 209.
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hatte, sondern nunmehr auch auf die Förderung der zwischenstaatlichen Kommunikation Gewicht legte und damit die Voraussetzungen für die Modifizierung von Handelsströmen in Richtung einer regionalen, afrikanischen Kooperation schuf, leistete die EWG einen Beitrag zur Überwindung kolonialer Strukturen.337 Der EEF finanzierte beispielsweise die Verbindung der Küstenstraßen Togos und Dahomeys oder die Transkamerunbahn, die schließlich bis in den Tschad und die Zentralafrikanische Republik erweitert werden sollte. Ein weiterer Schwerpunkt bei den Investitionen im wirtschaftlichen Bereich lag auf der Förderung und Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion. Allgemein kennzeichnete die Wirtschaftsstruktur der assoziierten Länder in diesem Bereich die Existenz einer noch kaum geldwirtschaftlich integrierten Subsistenzwirtschaft, deren Bedeutung allerdings langsam zurückging, und einer exportorientierten Plantagenwirtschaft. Daneben hatte sich vor allem um die Küstenstädte eine landwirtschaftliche Produktion für den lokalen Markt herausgebildet, die in Westafrika weiter verbreitet war als in Äquatorialafrika.338 Der EEF förderte sowohl Vorhaben zur Modernisierung der traditionellen Landwirtschaft, als auch zur Verbesserung der Exportkulturen.339 In der traditionellen Landwirtschaft handelte es sich mit Blick auf die demographische Entwicklung um Maßnahmen zur Überwindung der geringen Produktivität.340 Der Assoziierungsausschuss des Europäischen Parlaments kritisierte allerdings, dass der Fonds den Ausbau der Agrarstrukturen im Hinblick auf eine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion nicht ausreichend berücksichtigt habe.341 Bei den Exportkulturen ging es vor allem um deren qualitative Anpassung an die Anforderungen Europas und der übrigen Welt, um die Stellung der Assoziierten im Welthandel zu verbessern.342 Dadurch sollten die wirtschaftliche Existenz der Bauern gesichert sowie Devisen erwirtschaftet werden. Weiterhin sollten die bahnbrechenden Anbaumethoden dieses Sektors reformierend auf die traditionelle Landwirtschaft wirken.343 Auch ökologischen Aspekten, wie der Bodenerosion, wurde schon Rechnung getragen.344 Gerade im Bereich der landwirtschaftlichen Entwicklung verfolgte der Fonds eine den besonderen Gegebenheiten der einzelnen assoziierten Länder angepasste Politik. In einigen Ländern entwickelte er ein Programm kleinerer Arbeiten, wie z. B. die Errichtung landwirtschaftlicher Beratungsstellen, von Brunnen, von 337 338 339 340 341
342 343 344
Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 48. Vgl. BECHER, Ernst: Assoziierungsverhältnis, S.126 f.; BERGMANN, Jürgen: Assoziierte afrikanische Gebiete, S. 21-50. Vgl. BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration, S. 222 f.; COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 49. Vgl. Dritter Gesamtbericht 1960, S. 235. Vgl. Europäisches Parlament, Ausschuss für die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, Entwurf eines Berichts über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds und die Lehren, die daraus für die Tätigkeit des zweiten Fonds gezogen werden können. Erster Teil. Berichterstatter: André Armengaud. Oktober 1964, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 156. Vgl. Erster Gesamtbericht 1958, S. 116. Vgl. CEE: Fonds Européen de Développement, Brüssel 1975, S. 207 ff. Vgl. z. B. Rede des neuen, für die Assoziierung zuständigen Kommissars Henri Rochereau im Europäischen Parlament, in: Europäisches Parlament, Verhandlungen, 23.11.64, S. 34. Zu den ersten Projekten des EEF im belgischen Kongo zählten Erosionsschutzmaßnahmen in Lualaburg. Vgl. Dritter Gesamtbericht 1960, S. 246.
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Staudämmen, etc. In anderen Ländern wandte er sich hingegen größeren Projekten zu, die sich z. B. über mehrere tausend Hektar erstreckende wasserwirtschaftliche Maßnahmen umfassten.345 Der EEF trug auch zur Diversifizierung von Exportkulturen wie im Falle eines Palmölprojekts in der Elfenbeinküste bei.346 Einen geringen Beitrag leistete der Entwicklungsfonds auch zur Industrialisierung der Assoziierten; die finanzierten Industrieprojekte blieben meistens an ein Landwirtschaftsprojekt gekoppelt. Dabei handelte es sich um Industrien, die die Rohstoffe an Ort und Stelle weiterverarbeiteten, wie die Ölmühlen in Dahomey und der Elfenbeinküste, die im Zusammenhang mit der Anlage von Palmpflanzungen standen, oder der ebenfalls an die Anlage eines Teepflanzungskomplexes gebundene Bau einer Fabrik zur Teeverarbeitung in Ruanda. 347 Insgesamt blieb die Verwirklichung von Industrieprojekten aber die Ausnahme in der Tätigkeit des ersten Entwicklungsfonds. Dies lag einerseits am rudimentären Finanzierungsinstrumentarium des Fonds, der nur Subventionen vergeben konnte, während für die Finanzierung von Industrieprojekten Darlehen als die angemessenere Finanzierungsform galten.348 So sah sich der Fonds gezwungen, eine Reihe unmittelbar produktiver Vorhaben zu verwerfen, da ihre Rentabilität so hoch gewesen wäre, dass sie sich ohne weiteres amortisiert und die Rückzahlung des Kapitals ermöglicht hätten.349 Andererseits folgte das Fondsmanagement der Linie, dass zunächst eine ausreichende Infrastruktur vorhanden sein müsse, bevor die Industrialisierung der assoziierten Länder verstärkt gefördert werden könne.350 Der Assoziierungsausschuss des Europäischen Parlaments kritisierte diese Politik, die die Schaffung einer industriellen Basis, insbesondere auf dem Gebiet der Halbfertigwaren, vernachlässigt habe.351 Nach Auffassung des Ausschusses wäre es angezeigt gewesen, in bestimmten assoziierten Ländern die Förderung solcher Projekte zu prüfen, welche die industrielle Verarbeitung als Ziel hatten.352 Infrastrukturprojekte der EWG schufen jedoch mehrmals die Voraussetzungen für die Entstehung einer Industrie. Der EEF finanzierte beispielsweise Fischereihäfen in der Elfenbeinküste, im Senegal und in Mauretanien und Hafenanlagen zur Erzverladung wie den Kai von Nouakschott (Mauretanien), der eine entscheidende Voraussetzung für die Erschließung der Kupfervorkommen in Akoujit bildete. Im Bereich der Verkehrsinfrastruktur ermöglichte der Entwicklungsfonds weiterhin den Bau oder Ausbau von Eisenbahnlinien wie im Senegal die Linie von Thiès in Richtung Tivouane, um den Abtransport von 600.000t Phos345 346 347
348 349 350
351 352
Vgl. André Armengaud: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 156. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 49. Vgl. EWG-Kommission: Die Assoziierung der afrikanischen Staaten und Madagaskars mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Förderung der Industrialisierung, 15.10.62, in: BA Koblenz, B 102/130230. Vgl. Le développement économique des Etats africains, in: COURRIER DE L’ASSOCIATION. Bulletin de liaison des boursiers, stagiaires et participants aux colloques, No. 16 (Nov. 1967) Vgl. André Armengaud: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 156. Vgl. die Antworten von Helmut Hendus, Generaldirektor der GD VIII der EWG-Kommission, auf dem Jahresexamen der EWG-Kommission im Rahmen des DAC. (Vermerk, Jahresexamen 1964 im Rahmen des DAC, hier: Prüfung der EWG-Kommission) Vgl. André Armengaud: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds. Vgl. ebd.
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pat, die ab 1962 jährlich aus den Erzvorkommen von Taiba gewonnen werden sollten, zu ermöglichen, und von Verbindungsstraßen zu Industriebetrieben, z. B. der Bau der Straße von Amboanio in Madagaskar, die die Verbindung zu der von belgischen Firmen finanzierten Zementfabrik Amboanio herstellte.353 In einigen Fällen machte die Tätigkeit der EWG Industrieinvestitionen privater oder öffentlicher Hand erst möglich wie bei den deutschen Vorhaben zum Bau einer Thunfischkonservenfabrik und Aufbau einer Fischereiflotte im Senegal. Auch mit der Finanzierung von den Investitionen vorausgehenden Untersuchungen trug die EWG-Kommission zur Industrialisierung bei. In einigen Fällen erregte sie damit das Interesse privater Investoren, beispielsweise mit ihrer Studie einer fischverarbeitenden Industrie in Port-Etienne (Mauretanien), an deren Errichtung sich schließlich nach einer internationalen Erhebung mehrere Unternehmen, darunter auch belgische, deutsche und französische, interessiert zeigten, oder mit einer Studie über die Kalklager von Arlan (Dahomey), in deren Folge deutsche Investoren die Errichtung einer Zementfabrik prüften.354 Schließlich finanzierte der EEF im Bereich der so genannten sozialen Investitionen Lehrlings-, Berufsund Fachschulen, die dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften abhelfen sollten. Darüber hinaus legte die Kommission ein Stipendienprogramm auf, das zu 45% für die Ausbildung von Führungskräften der Industrie verwandt wurde.355 Gerade auch von den afrikanischen Eliten wurde die Industrialisierung der assoziierten Länder als notwendig zur Erlangung ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit erachtet. Ansätze zu einer nachhaltigen Industrialisierung im frankophonen subsaharischen Afrika hatten sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg ergeben. Die langsame industrielle Entwicklung war die Folge externer und interner Faktoren gewesen.356 Eine Ausnahme bildete der belgische Kongo mit seinem Hauptindustriegebiet, der Provinz Katanga. Im französischen Afrika entstanden nach 1945 erste Industrieanlagen auf der Grundlage der vordringlich geförderten Produktion von exportfähigen landwirtschaftlichen Rohstoffen; seit Mitte der 50er Jahre auch Anlagen auf der Basis mineralischer Rohstoffe, deren planmäßige Ausbeutung mit der französischen Nachkriegsentwicklungsplanung einsetzte. Zentren dieser Industrialisierung waren in Äquatorialafrika Gabun, Kongo und Kamerun. In Westafrika zählten dazu Senegal, Elfenbeinküste und auch Guinea,357 so dass in der AOF die industrielle Produktion zwischen 1947 und 1957 sich verdreifachte und eine jährliche Wachstumsrate von 12 % erreichte - allerdings mit regionalen und branchenabhängigen Unterschieden.358 Die so genannten sozialen Infrastrukturprojekte des Fonds konzentrierten sich auf mittelgroße Projekte zur Verbesserung des Lebensstandards der Bevöl353
354 355 356
357
358
Vgl. EWG-Kommission, Generaldirektion VIII: Die Assoziierung der afrikanischen Staaten und Madagaskars mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Förderung der Industrialisierung, 15.10.62, in: BA Koblenz, B 102/130230. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Als wesentliche Hindernisse galten der Mangel an Kapital, das Fehlen eines lohnenden lokalen Marktes, der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und die genaue Kenntnis der Ressourcen der Kolonien , aber auch die Opposition metropolitaner Unternehmen. Vgl. BECHER, Ernst: Assoziierungsverhältnis, S. 128-131; BERGMANN, Jürgen: Assoziierte afrikanische Gebiete, S. 21-50, THOMPSON, Virginia/ADLOFF, Richard: French economic policy in tropical Africa, S. 150-154. Vgl. THOMPSON, Virginia/ADLOFF, Richard: French economic policy in tropical Africa, S. 154.
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kerung. Einerseits handelte es sich um Wasserbau- und Erschließungsmaßnahmen, andererseits um Investitionen in das Gesundheits- und Bildungswesen. 359 Im Schulwesen lag der Schwerpunkt auf Grundschulen als Voraussetzung jeglicher Fort- und Weiterbildung, während im Gesundheitswesen der Bau von Impfstationen, Apotheken und Krankenhäusern gefördert wurde. Die Interventionsbereiche des EEF neigte die Kommission flexibel auszulegen. Nachdem Wirbelstürme im Frühjahr 1959 die Ostküste Madagaskars verwüstet hatten, wurde die Insel zum Präzedenzfall für eine Katastrophenhilfe, die der EEF zügig leistete.360 Darüber hinaus veranlassten die ersten Erfahrungen mit dem EEF die Kommission ihre Interventionsmöglichkeiten in den assoziierten afrikanischen Ländern zu erweitern. So war ursprünglich keine Technische Hilfe für die Assoziierten vorgesehen. In der Generaldirektion VIII der Kommission setzte sich aber schon bald die Einsicht durch, dass die Technische Hilfe wesentlich für den Erfolg der Tätigkeit des Entwicklungsfonds war.361 1960 entschied die Kommission diese Leistung aus ihrem eigenen Budget zu finanzieren, da Mittel aus dem EEF für Technische Hilfe nur in Zusammenhang mit spezifischen Projekten verwendet wurden.362 Die Technische Hilfe der EWG umfasste zwei Bereiche: Untersuchungen über spezifische Probleme der assoziierten Länder und die Ausbildung von Staatsangehörigen der überseeischen Länder.363 Im ersten Bereich finanzierte die Kommission einerseits allgemeine Untersuchungen, um bestimmte Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Assoziierung besonders herauszustellen, wie Methoden zur Einführung des allgemeinen Grundschulunterrichts, Studien zur Virenresistenz von Fleisch oder Verbrauchsstudien über Kaffee, Kakao und Bananen. Andererseits förderte sie Forschungsarbeiten zur Aufstellung von Entwicklungsplänen sowie zur Verbesserung der Planung und Durchführung von Projekten.364 1962 genehmigte der Rat 3 Millionen RE für die Finanzierung von Studien, die die Assoziierten im Interesse einer beschleunigten Ausarbeitung von genehmigungswürdigen Projekten vorlegten.365 In diesem Rahmen schickte sie seit Mitte 1960 Technische Hilfe-Missionen in assoziierte Länder, die diese anfor359
360
361 362
363 364
365
Vgl. Dritter Gesamtbericht 1960, Tabelle 3: Vom Europäischen Entwicklungsfonds finanzierte Vorhaben, S. 245-251; Vierter Gesamtbericht 1961, S. 167 ff.; Fünfter Gesamtbericht 1962, S. 220. Vgl. Dritter Gesamtbericht 1960, Tabelle 3: Vom Europäischen Entwicklungsfonds finanzierte Vorhaben, S. 248 f., Copie d’une lettre en date de 10 avril 1959, adressée par M. Allardt à M. le Premier Ministre du Gouvernement de la République malgache, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 216; Rede Lemaignens vor dem Europäischen Parlament am 13.5.59; in: Europäisches Parlament, Verhandlungen 1959, S. 74-76; Entschließung des Europäischen Parlaments zur Hilfe für Madagaskar vom 15.4.59, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft, Nr. 29, 8.5.59, S. 557 f. LEMAIGNEN,Robert: L’Europe au berceau, S. 137. Vgl. EWG, Kommission, Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, Ziele und Arbeitsweise, Informationsschreiben Nr. 2 (VIII/C/3377/59-D), 20.7.59, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1039. Vgl. Le développement économique des Etats africains, in: COURRIER DE L’ASSOCIATION, No. 16 (1967); Vierter Gesamtbericht 1961, S. 157 ff.; Fünfter Gesamtbericht 1962, S. 222 ff.. Vgl. Dritter Gesamtbericht, S. 234. Vgl. auch: EWG, Kommission, Mitteilung über die Studien, deren Finanzierung durch den EEF im „Beschleunigten Verfahren“ genehmigt worden ist, 1962, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1045. Vgl. Fünfter Gesamtbericht 1961, S. 221. Vgl hierzu auch: CEE, Commission, Note de la Commission au Conseil sur le financement d’études (VIII/C/1/3613/61-F), nicht datiert, in: HAEG Brüssel, B 25/1980 1045.
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derten. Im DAC-Jahresexamen von 1964 verwies Hendus ausdrücklich auf die Bedeutung der von den Beamten der Kommission unternommenen „Prospektionsreisen“ zum Aufspüren geeigneter Projekte.366 Die von den Assoziierten eingereichten Projektanträge wurden allgemein als mangelhaft bewertet.367 Selbst in den fortgeschrittenen Staaten Französisch-Afrikas, wie der Elfenbeinküste, erwiesen sich die frühen Entwicklungspläne als kritikwürdig, schien es sich doch eher um Konzepte mit allgemeinen Zielen als konkrete Handlungsleitfäden zu handeln.368 Senegal war das erste Land, das einen Entwicklungsplan für vier Jahre vorlegte, der, wie Kommissar von der Groeben nach einer Afrikareise 1961 berichtete, „aufgrund sorgfältiger Vorarbeiten diesen Namen verdient.“369 Nicht nur die EWG leistete in diesem Bereich Hilfe,370 sondern vor allem französische Berater übten einen beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklungspläne der assoziierten Staaten aus.371 Vor diesem Hintergrund erscheint die von der EWG-Kommission konstatierte Übereinstimmung hinsichtlich der Struktur des Entwicklungsprogramms nicht überraschend.372 Im Rahmen ihrer Technischen Hilfe hat die die EWG zweifellos Entwicklungsbedürfnisse festgelegt, tat dies aber in Übereinstimmung mit dem jeweiligen assoziierten Staat.373 Technische Hilfe wurde nur auf Anforderung des jeweiligen assoziierten Staates geleistet.374 Außerdem realisierte die EWG keine „schlüsselfertigen“ Projekte, sondern überließ die Verantwortung für die Ausführung, angefangen mit der Aufstellung des Vorhabens bis zur Kontrolle durch die technischen Dienststellen, den Behörden der Empfängerstaaten.375 Seit 1960 führte die EWG-Kommission ein Stipendien- und Praktikantenprogramm durch, das sich an Staatsangehörige der assoziierten Länder richtete.376 366 367 368 369
370 371 372 373 374
375
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Vgl. BMWi, Vermerk, Betr.: Jahresexamen 1964 im Rahmen des DAC, hier: Prüfung der EWGKommission, 3.6.64, in: BA Koblenz, B 213/1109. Vgl. CEE, Commission, DG VIII, Exposé des motifs pour lesquels un certain pourcentage des moyens du FED doit être réservé au financement d’études, 30.1.61, in: Ebd., 1047. Vgl. HAYTER, Teresa: French Aid, S. 186 f. Bericht über die Afrikareise von Herrn von der Groeben vom 14.April bis 2. Mai 1961 (Tschad, Kamerun, Dahomey, Togo, Elfenbeinküste, Senegal), 9.5.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1341. Erstmalig finanzierte der EEF 1960 in Ruanda eine Studie über die Entwicklungsmöglichkeiten dieses Landes. Vgl. Dritter Gesamtbericht, S. 234, 246. Vgl. HAYTER, Teresa: French Aid, S. 186 f. Vgl. Vierter Gesamtbericht 1961, S. 154. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 54. Die Initiative für Studien konnte sowohl von den Diensten der Kommission als auch von den assoziierten Ländern ausgehen. Im ersteren Fall legte die Kommission jedoch auf ein offizielles Bestätigungsschreiben der jeweiligen Regierung des assoziierten Landes wert, das diese Technische Hilfe anforderte. Vgl. CEE, DG VIII, Note de Service, objet: Préparation et exécution des études financées sur les moyens mis à la disposition de la Direction Générale, 18.12.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1045 Vgl. Le développement économique des Etats africains, in: COURRIER DE L’ASSOCIATION, No. 16 (1967); André Armengaud: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds, CEE: Rapport de la Commission de contrôle relatif aux comptes de l’exercice 1960, S. 108, in: HAEG Brüssel. Diese Praxis führte zu Schwierigkeiten, da die afrikanischen und madagassischen Verwaltungen nicht immer in der Lage waren, die Aufgaben, die zur Verwirklichung der vom Fonds finanzierten Vorhaben erforderlich waren, zu bewältigen. Vgl. Vierter Gesamtbericht 1961, S. 158 f.; CEE, Commission, DG VIII, Aide-mémoire sur les stages pour ressortissants des Etats, Pays et Territoires d’outre-mer associés, 15.7.63, in: BA Koblenz, B 213/1109.
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DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1958-1963
Sie vergab Stipendien für Fortbildungsaufenthalte in den EWG-Mitgliedstaaten, die die Ausbildung von Führungskräften und solchen der mittleren Laufbahn in folgenden Fächern ermöglichten: Wirtschaftswissenschaft, wirtschaftliche Entwicklung, Statistik, Landwirtschaft, Veterinärmedizin, Warenkontrolle, öffentliche Verwaltung, Erdkunde, Topographie, Rechtswissenschaft, Medizin, Gesundheitswesen, Architektur und Städtebau. Stipendiaten mit abgeschlossener Berufsausbildung sollten die Möglichkeit erhalten, „eine Spezialausbildung in den Fachrichtungen und auf den Gebieten zu erhalten, deren Beherrschung für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt des Landes am vordringlichsten ist.“377 Das Programm sah sowohl den Besuch von Hoch- und Fachschulen, als auch Praktika in der Landwirtschaft und in Industrie- und Handwerksbetrieben der Mitgliedstaaten vor.378 Insgesamt vergab die Kommission bis 1963 450 Stipendien.379 Das Praktikantenprogramm, das sich an Verwaltungsbeamte aus den assoziierten Ländern richtete, erfolgte in den Dienststellen der Kommission, insbesondere in der Generaldirektion VIII. Dieses Programm sollte nach den Vorstellungen der Kommission leitende, hochqualifizierte Beamte mit Berufserfahrung und Universitätsabschluss erreichen und diesen Einblicke in die EWG und ihre einzelnen Mitgliedstaaten gewähren.380 Vielfach entsprachen die Teilnehmer jedoch dem geforderten Qualifikationsprofil nicht.381 Neben der Teilnahme an administrativen Tätigkeiten der Kommission und an von der Kommission veranstalteten Seminaren und Kolloquien sah das Programm Reisen in die Mitgliedstaaten vor. Das Programm diente auch der Herstellung persönlicher Beziehungen zwischen der EWG-Kommission und Beamten der assoziierten Länder. Dass die Kommission nur Kandidaten in das Programm aufnahm, die von den afrikanischen Regierungen empfohlen worden waren, verweist auf die Bedeutung, die sie diesem beimaß. Von den 46 Praktikanten, die die Kommission bis zum 30. Juni 1963 ausbildete, wurden acht in den Vertretungen ihrer Länder bei der EWG tätig, fünf 377 378
379 380 381
Vierter Gesamtbericht 1961, S. 158. Vgl. Fünfter Gesamtbericht 1962, S. 222 f.; vgl. auch: Die EWG als Schulmeister. 44 junge Afrikaner erhalten in Stuttgart Unterricht, in: STUTTGARTER NACHRICHTEN, 27.3.62. In den Mitgliedstaaten beauftragte die Kommission bestehende Organisation für die Betreuung ausländischer Stipendiaten, wie die Carl-Duisberg-Gesellschaft oder den DAAD. Vgl. Sechster Gesamtbericht 1963, S. 238. Vgl. Aide-mémoire sur les stages Sowohl das Stipendien- als auch das Praktikantenprogramm traf auf Schwierigkeiten, die vor allem in der Qualifikation der Bewerber und Sprachbarrieren, auf die die Teilnehmer in den nicht-frankophonen EWG-Mitgliedsländern stießen, begründet lagen. So wurden der EWG-Kommission nur selten Praktikanten empfohlen, die dem erwarteten Qualifikationsprofil entsprachen. Einige AASM hatten das Praktikantenprogramm gar als Grundausbildung für ihre Beamten missverstanden. Gerade Länder mit einem gut qualifizierten Beamtenapparat wie die Elfenbeinküste, der Senegal oder Togo nahmen das Programm nur vereinzelt in Anspruch. Die Kommission sah sich daher zu Modifikationen gezwungen, um den Bedürfnissen der Assoziierten Rechnung zu tragen. Dazu zählten Sprachlehrgänge, Vereinfachung der Ausbildung, Verkürzung der Praktikumszeit und die Veranstaltung von Kolloquien und Kurzlehrgängen. Weiterhin richtete die Kommission ein besonderes Augenmerk auf weibliche Bewerber und vergab seit 1962 auch Stipendien für Studien an Ausbildungsstätten der assoziierten Länder selbst. Vgl. Fünfter Gesamtbericht 1962, S. 223; Sechster Gesamtbericht 1963, S. 237 ff.; Aide-mémoire sur les stages; Erfahrungsberichte der Carl-Duisberg-Gesellschaft, in: BA Koblenz, B 213/1109.
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weitere erlangten die Stellung eines Direktors oder stellvertretenden Direktors in den mit der Assoziierung befassten Ministerien ihrer Länder.382 Bis Ende 1963 wurden aus dem ersten Entwicklungsfonds folgende Vorhaben verwirklicht bzw. finanziert: x 350 Krankenhäuser, Entbindungsheime und Krankenstationen mit über 9000 Betten; x 3000 Klassenräume in Grundschulen und Fortbildungsschulen mit 2500 Lehrerwohnungen; 24 Höhere Schulen und 166 technische Lehranstalten; x 2900 km asphaltierte Straßen, 1800 km nicht asphaltierte Straßen, 1500 unbefestigte Wege und 360 Brücken; x 440 km Eisenbahnlinien; x Ausbauarbeiten in 17 Häfen mit über 6 km Dämmen und Kaianlagen; x 1600 Brunnen, 1300 Quellen, 130 Bohrungen und mehr als 100 Staudämme für die Bewässerung von Kultur- und Weideland; x schließlich wurden für mehrere zehntausend Hektar Land wasserwirtschaftliche Projekte ausgeführt sowie Maßnahmen zum Schutz der Böden getroffen und Musterplantagen für Ölpalmen, Baumwolle und Tee angelegt.383 Dabei verteilten sich die Investitionen des Fonds zu 63,1% auf die so genannten wirtschaftlichen Vorhaben und zu 36,9% auf die Sozialvorhaben und entsprachen damit ungefähr der vom Rat als richtungweisend festgelegten Aufteilung.384 Die Sozialinvestitionen gliederten sich in Maßnahmen für den Städtebau (5%), das Gesundheitswesen (9%), das Unterrichtswesen (16%) sowie Studien und Forschung (2%). Bei den wirtschaftlichen Vorhaben wurden 31% in Infrastrukturmaßnahmen für den Straßenbau, 8% in den Ausbau von Hafenanlagen, 5% in Bahnanlagen sowie 1% in das Fernmeldewesen und schließlich 23% in die Modernisierung der Landwirtschaft investiert.385 Nur ein Fünftel der Mittel flossen in direkt produktive Investitionen.386 André Armengaud (Républicains indépendants), der dem Europäischen Parlament im November 1964 über die Tätigkeit des Entwicklungsfonds Bericht erstattete, kam auf der Grundlage dieser Daten zu folgendem Schluss: „[D]er erste Fonds war im wesentlichen ein Fonds der Ingenieure und Architekten, die darum bemüht waren, die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur der assoziierten Länder aufzubauen, während er sich weniger für Vorhaben einsetzen konnte, die man als ”unmittelbar produktiv“ bezeichnet.“387 Positiv hob er hervor, dass der Fonds sich nicht „grossen propagandistisch wirksamen spektakulären Vorhaben“ zugewandt habe, sondern vielmehr eine auf die ländlichen Regionen fokussierte, „”regelrechte Buschpolitik““ verfolgt habe.388 Auch der erste für die Asso382 383 384 385 386 387 388
Vgl. Aide-mémoire sur les stages Vgl. André Armengaud: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds Vgl. Sechster Gesamtbericht, S. 247. Vgl. Armengaud, André: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds Vgl. Le développement économique des Etats africains, in: Courrier de l’Association, No. 16 (Nov. 1967). Armengaud, André: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds. Vgl. auch Europäisches Parlament, Verhandlungen, 23.11. 1964, S. 23-25. Ebd.
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ziierungspolitik zuständige Kommissar Lemaignen zog rückblickend eine positive Bilanz und bemaß den Beitrag des Entwicklungsfonds zum Fortschritt in den assoziierten Ländern wie folgt: „En résumé, le F.E.D., en cinq ans, a augmenté de 7% le nombre des classes primaires et de 16% celui de classes secondaires; de 9% les moyens des services de la santé publique, de 30% la longueur du réseau routier bitumé. L’on peut affirmer que, jusqu’alors, dans aucun continent aucune aide aux pays sous-développés n’a atteint, dans le même temps, les mêmes résultats.“389 Von 1960 an beschleunigte der Fonds seine Arbeitsweise.390 Ende 1961, also nach vier Fünftel der Laufzeit des Fonds, waren erst 43% der Fondsmittel verplant,391 im März 1963 88%.392 Schon im Oktober 1962 stellte ein interner Bericht der Kommission fest, dass in den im Durchführungsabkommen festgelegten geographischen Zonen, die die ehemaligen italienischen, belgischen und französischen Kolonialgebiete umfassten, die Mittel des Fonds ausgeschöpft bzw. keine zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten mehr gegeben seien.393 Die finanziellen Verpflichtungen des Fonds stellten sich am 31. Dezember 1963 wie folgt dar (in Millionen RE):394 Tabelle 1 Zone
Belgien
Zuwendung
Verpflichtungen und Reserven für Mehraufwendungen
Rest
Anzahl der genehmigten Vorhaben
30
27
3
35
506
506
-
297
Italien
10
5
5
4
Niederlande
35
20
15
8
Frankreich
Auch wenn 359 Vorhaben im Wert von 561 Mio. RE finanziert worden waren, so hatte der Fonds am 1. Mai 1964 erst 161 Millionen ausgegeben. Während die tatsächlichen Ausgaben in den Jahren 1958 und 1959 gleich Null waren, stiegen sie 1960 auf 4 Millionen, 1961 auf 10 Millionen, 1962 auf 53 Millionen und 1963 auf 389 390 391 392 393
394
LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 136. Vgl. Vierter Gesamtbericht 1961, S. 155; Fünfter Gesamtbericht, S. 219 ff. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 43. Vgl. Sechster Gesamtbericht 1963, S. 246. Vgl. Rapport sur les engagements du FED (situation au 1er octobre 1962 et perspectives prochaines), 15.10.62, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1035. Die Zone I (Belgien) umfasste Kongo-Léopoldville, Ruanda und Burundi, Zone II (Frankreich) Algerien, Mauretanien, Senegal, Mali, Obervolta, Niger, Elfenbeinküste, Dahomey, Togo, Kamerun, Gabun, Kongo-Brazzaville, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Madagaskar sowie die französischen Überseegebiete und Departements; Zone III (Italien) war die Republik Somalia. Die Einteilung nach Zonen berücksichtigte nicht die Souveränitätswechsel, die seit Abschluss des Vertrags von Rom eingetreten waren. Zit. nach: Armengaud, André: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds
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65 Millionen. Von den 359 finanzierten Projekten waren am 31. Dezember 1963 erst 37 völlig abgeschlossen.395 Ein Großteil der EWG-Entwicklungshilfe war also in den assoziierten Ländern noch nicht angekommen. Hinsichtlich der geographischen Verteilung der Mittel war die EWG-Kommission an den im Durchführungsabkommen festgelegten Verteilungsschlüssel, der zwischen vier Ländergruppen unterschied, gebunden.396 Innerhalb dieser Ländergruppen sah sie sich aber bald mit dem Problem der Verteilung der Mittel unter einzelnen Ländern konfrontiert. Zwar hatte die Kommission Kriterien formuliert,397 sie neigte jedoch dazu diese Kriterien „pragmatisch“ abzuwägen.398 Die folgende Tabelle zeigt, dass die tatsächliche geographische Verteilung der Mittel weder dem Kommissionsgrundsatz einer an volkswirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten „répartition géographique rationelle“ noch dem vom Assoziierungsausschuss des Europäischen Parlaments geforderten Grundsatz, demzufolge die Politik des Fonds ein eventuelles Entwicklungsgefälle unter den assoziierten Staaten auszugleichen hatte, entsprach.399
Tabelle 2400 Empfänger AASM
395 396 397
398 399 400
Oberfläche Bevölkerung Brutto-pro-Kopf(in 1000 1961 (in Mio.) Einkommen 1960 qkm) (abgerundet in Dollars)
Anteil des Fonds gegenüber der im Jahre 1961 erhaltenen staatlichen Hilfe
Zuwendungen in % des gesamten Fonds (Teil AASM) zum 1.1.63
Burundi
27
2,250
40
15,5
0,7
Dahomé
116
2,000
66
25,9
4,2
Elfenbeinküste
322
3,100
178
32,4
8,7
Gabun
267
0,450
137
18,6
3,9
Kamerun
432
4,100
84
41,8
11,4
Vgl. ebd. Siehe Tabelle 1, S. 70. Vgl. EWG, Kommission, Entwicklungsfonds, Ziele und Arbeitsweise. Auf die Anfrage des Europaparlamentariers Mario Pedini (Italien, Christlich-demokratische Fraktion) nannte die Kommission im Einzelnen die folgenden Kriterien, die die geographische Verteilung der Mittel bestimmen sollten: Bevölkerungszahl, Bevölkerungswachstum, Sozialprodukt pro Kopf, Außenhandelsvolumen, neue Perspektiven für die Wirtschaft und den Bau von Verkehrswegen, Schuldichte, Krankenhauskapazität, Größe der Landeshaushalte, Höhe der Auslandsinvestitionen und Kapitalaufnahmefähigkeit. Vgl. Antwort der Kommission (vom 16.1.64) auf die schriftliche Anfrage Nr. 110 von Herrn Pedini (vom 27.11.63), in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. 12, 27.1.64; S. 151 f. Vgl. Armengaud, André: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds Vgl. ebd. Mayoux, Secrétaire Général Adjoint, an Premierminister, Betr.: FED, 14.4.61, in CAC, 19880053 SGCI, Art. 91. Zit. n. Armengaud, André: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds
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Kongo (Braz-
342
0,900
132
27,0
4,2
2344
14,000
90
0,2
3,5
Madagaskar
590
5,200
83
16,8
13,3
Mali
1204
4,100
83
13,3
8,0
Mauretanien
1086
0,725
83
29,0
3,2
Niger
1190
2,900
70
32,1
6,8
Obervolta
274
4,500
48
42,6
6,6
Ruanda
26
2,700
40
15,5
1,3
Senegal
197
3,100
154
5,0
9,2
Somalia
461
2,000
40
4,7
1,2
Togo
57
1,400
77
25,8
-
Tschad
1284
2,600
62
19,5
6,4
Zentralafrikan.
617
1,200
94
24,3
3,2
zaville) Kongo (Léopoldville)
Republik
Wirtschaftliche Standortnachteile werden dazu beigetragen haben, dass Sahelländer wie Mauretanien oder Länder mit Binnenlage wie die Zentralafrikanische Republik bei der Mittelvergabe benachteiligt wurden.401 Doch auch ein hohes Pro-Kopf-Einkommen garantierte nicht, vom EFF überproportional begünstigt zu werden, wie die Fälle Gabun und Kongo (Brazzaville) zeigen. Die Bedeutung des Fonds für die einzelnen Assoziierten variierte im Übrigen von Land zu Land. Hatte der Fonds an der gesamten öffentlichen Hilfe des Senegal 1961 einen Anteil von 5%, stellte er im selben Jahr 24,3% der gesamten öffentlichen Hilfe der Zentralafrikanischen Republik und 29% der Hilfe Mauretaniens. Die Elfenbeinküste erhielt 1961 32,4% ihrer Entwicklungshilfe aus den Mitteln des EEF, während es in Kamerun 41,8% waren. Lediglich für Obervolta war er mit einem Anteil von 42,6% noch bedeutender. Die Entwicklungshilfe aus dem EEF machte 20% der Hilfe aus, die den AASM in Form bilateraler und multilateraler Hilfe bis 1962 zufloss.402 Damit stellten die EEF-Mittel einen bedeutenden Anteil an der gesamten Hilfe der AASM, wenn man berücksichtigt, dass es sich um eine die bilaterale Hilfe der EWG-Staaten ergänzende Hilfe handelte. Unter den EWG-Staaten blieb Frankreich der größte Geber, der 1962 Hilfe in Höhe von insgesamt 288,1 Mio. $ an die ASSM vergab, davon 88 Mio. als Kapitalhilfe. Die Bundesrepublik leistete im selben Jahr eine
401 402
Vgl. BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration, S. 202. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 52.
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177
Hilfe von nur 6,5 Mio. $.403 Die Hilfe des EEF an die AASM betrug 1962 50,7 Mio. $.404 Dennoch etablierte sich der EEF unter den multilateralen Gebern als wichtigste Quelle für die AASM. Betrug der Anteil des EEF an der gesamten multilateralen Hilfe, die die AASM sowie die Überseegebiete und -departements netto erhielten, 1960 noch 10%, stieg er im Jahr 1961 auf 22%, 1962 auf 49% und erreichte im Jahr 1963 annähernd 100%.405 Auch auf die Entwicklungsländer insgesamt bezogen spielte der Fonds unter den multilateralen Gebern eine zunehmend bedeutendere Rolle. Sein Anteil an der gesamten multilateralen Hilfe für Entwicklungsländer stieg von 1% 1960 auf 13% 1962.406 Eine Zusammenarbeit zwischen anderen Gebern und der EWG entwickelte sich insbesondere auf dem Gebiet der Technischen Hilfe. So wurde die Aktion des Entwicklungsfonds in einigen Fällen durch den Sonderfonds der Vereinten Nationen und die UNESCO ergänzt, die die von der EWG geleistete Kapitalhilfe durch ihre Technische Hilfe in Form einer Bereitstellung von Personal ablösten, wenn der Fonds nach Abschluss der Investitionen Maßnahmen Technischer Hilfe nicht mehr durchführen konnte.407 Auch mit den USA war 1961 eine Koordinierung auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe vereinbart worden. Die United States Operation Missions, die sich in den assoziierten Ländern im Aufbau befanden, pflegten den Kontakt zum EEF vor Ort; ihre Mitarbeiter unternahmen aber auch schon vor ihrer Arbeitsaufnahme in Afrika Informationsreisen durch Europa – Reisen, die sie insbesondere auch zur EWG nach Brüssel führten.408 Darüber hinaus entwickelte sich ein sehr fruchtbarer Informationsaustausch zwischen der US-Administration und der Agency for International Development (AID) einerseits und der Generaldirektion VIII andererseits. Schließlich kam es zu Ad-hocTreffen, um Entwicklungsprojekte gemeinsamen Interesses, die Gegenstand einer Kofinanzierung werden konnten, zu koordinieren.409 Die EWG und die USA finanzierten gemeinsam beispielsweise ein Projekt gegen die Rinderpest im Tschadbecken410 sowie unter Beteiligung Frankreichs auch die Transkamerun403
404 405
406 407 408 409 410
Vgl. Table 38 French aid to the African and Malagasy States: figures presented to DAC, net disbursements, official bilateral aid, in: HAYTER, Teresa: French Aid, S. 166; Table 1.3 Aid to the Associated states by the EEC (in million US dollars), zit. in: LISTER, Marjory: The European Community and the Developing World. The Role of the Lomé Convention. Aldershot/ Brookfield 1988, S. 26. Vgl. Table 1.3 Aid to the Associated states by the EEC (in million US dollars). Vgl. CEE, Direction Générale de Développement de l’Outre-Mer: L’Aide publique octroyée aux pays en voie de développement par les pays industrialisés, Jan. 1965, in: CAC, 19900488 SGCI (Coopération et développement, 1962-1986), Art. 245. Der hohe Anteil von 1963 verdankte sich der besonderen Situation in diesem Jahr, die einerseits durch hohe Rückzahlungen der AASM an internationale Geber, andererseits durch die geringen Hilfen der internationalen Geber an die AASM gekennzeichnet war. Vgl. weiterhin auch: Table 1.3 Aid to the Associated states by the EEC (in million US dollars). Vgl. CEE, Direction Générale de Développement de l’Outre-Mer: L’Aide publique octroyée aux pays en voie de développement par les pays industrialisés, Jan. 1965. Vgl. Armengaud, André: Bericht über die Tätigkeitsbilanz des ersten Europäischen Entwicklungsfonds Vgl. CEE, Commission, DG VIII, Note à l’attention de Monsieur le Président, Coopération C.E.E. – U.S.A. en Afrique, 6.4.62, in: BA Koblenz, N 1266/1736. Vgl. ebd. Vgl. ebd.; vgl. auch: CEE, DG VIII, Direction des Etudes et Programmes, Projet de campagne conjointe contre la peste bovine, Cameroun – Niger – Nigeria – Tchad, 9.6.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 213; Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 226.
178
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bahn. In beiden Projekten trug die EWG die Hauptlast – auch ein Zeichen dafür, dass die Amerikaner nur ergänzend zu den Europäern in Afrika tätig werden wollten.411 Innerhalb der EWG bestand ein Informationsaustausch, der in einer Koordinierung der bi- und multilateralen Hilfe mündete, zunächst nur mit den Metropolen bzw. ehemaligen Metropolen. Mit Frankreich hatte sich beispielsweise auf dem Arbeitslevel eine informelle Zusammenarbeit etabliert, die vor allem auf persönlichen Kontakten zwischen den Beamten beruhte. Die ab 1960 festzustellende Konzentration des FAC auf produktive Vorhaben, während der EEF die Finanzierung der Infrastruktur übernahm,412 rührte aber eher vom Wesen des EEF her als von einer Doktrin.413 Die Zuweisung der einzelnen Projekte zum FAC oder zum EEF wurde vielmehr von Fall zu Fall entschieden. Vor Ort hatte sich zudem eine informelle Zusammenarbeit zwischen den Missions permanentes d’Aide et de Coopération und den Reisedelegationen der EWG-Kommission etabliert, um die Interventionen des EEF und des französischen FAC zu koordinieren.414 Die Zusammenarbeit mit den übrigen EWG-Staaten beschränkte sich hingegen zunächst auf die einseitige Unterrichtung der Mitglieder über die Tätigkeit des Europäischen Entwicklungsfonds seitens der Kommission. Über die bilateralen Aktionen von Mitgliedstaaten wie der Bundesrepublik erfuhr die Kommission lediglich im Rahmen des summarischen Informationsaustauschs der Development Assistance Groupe (DAG/OEEC).415 Die Folge war ein unkoordiniertes Nebeneinander der Hilfe des EEF und der einiger EWG-Mitgliedsländer, was in einigen Fällen dazu führte, dass sich bi- und multilaterale Tätigkeit entgegenstanden. So stand die Kommission beispielsweise in Kamerun bei verschiedenen Projekten vor dem Problem nicht zu wissen, welche komplementären Aktionen auf deutscher Seite beabsichtigt oder bereits genehmigt waren. Im Bestreben, die EEF-Hilfe und die bilaterale deutsche Hilfe zu koordinieren, führte die Kommission seit Oktober 1961 Gespräche mit der Bundesregierung.416 Brüssel regte einen 411
412 413
414
415
416
In das Tschad-Projekt brachte sich die ICA mit 800000 $ ein, während der EEF 2 Millionen $ zu dessen Realisierung beitrug. Im Fall der Transkamerunbahn gingen die Partner unterschiedlich hohe Verpflichtungen ein: Während die USA 8 Millionen $ und Frankreich 7 bis 8 Millionen $ zusagten, verpflichtete sich die EWG zu einem Beitrag in Höhe von 15 Millionen $. Vgl. CEE, DG VIII, Note pour le Cabinet de M. le Président Hallstein, Objet: Préparation du voyage du Président Hallstein aux Etats-Unis, II g) Koordination der Afrikahilfe der Gemeinschaft mit den Maßnahmen anderer Länder und Organisationen zugunsten Afrikas, 6.4.62, in: Ba Koblenz, N 1266/1736. Vgl. HAYTER, Teresa: French Aid, S. 182. Vgl. Présidence de la Communauté, Secrétariat Général, Note pour M. le Secrétaire Général, nicht datiert, in: CAOM, FIDES 204. Sinkende Investitionen in die Infrastruktur waren schon ein Trend unter dem FIDES gewesen. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 423 f. Vgl. Schreiben von Mayoux, Secrétaire Général Adjoint du Comité Interministériel pour les questions de Coopération Economique Européenne, an den Premierminister, Betr.: EEF, 14.4.61, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 91. Vgl. EWG-Kommission, GD VIII, Direktion Studien und Programme, Vermerk für Herrn Generaldirektor Hendus, Betr.: Informationsaustausch über die Aktionen des Europäischen Entwicklungsfonds einerseits und die bilaterale deutsche Hilfe andererseits, 24.10.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 474. Vgl. EWG-Kommission, GD VIII, Direktion Studien und Programme, Vermerk für Herrn Generaldirektor Hendus, Betr.: Informationsaustausch über die Aktionen des Europäischen Entwicklungsfonds einerseits und die bilaterale deutsche Hilfe andererseits, 24.10.61, in: Ebd.
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Informationsaustausch an, der sowohl über bereits genehmigte oder abgelehnte Projekte als auch noch nicht entscheidungsreife Projekte erfolgen sollte. Darüber hinaus schlug die Kommission eine Zusammenarbeit zwischen den Reisemissionen des EEF und den diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten in den assoziierten Ländern vor Ort vor.417 Im Frühjahr 1963 nahm der Informationsaustausch innerhalb der EWG Gestalt an, nachdem die Kommission sich auch an die belgische, italienische und niederländische Regierung gewandt hatte.418 Der Kommission schwebte eine institutionalisierte Zusammenarbeit mit den EWGMitgliedstaaten auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe vor,419 bei der ihr die Aufgabe zufiel, bi- und multilaterale Tätigkeit in den assoziierten afrikanischen sowohl auf dem Gebiet der Projekthilfe als auch auf dem der Studien zu koordinieren. Sowohl in den assoziierten afrikanischen Ländern als auch im Kreis der westlichen Geber hatte sich der EEF 1962 als eine Größe etabliert, mit der gerechnet wurde.
3.1.4. Die Vergabepolitik des EEF Als ein hoher Beamter der EWG 1967 eine Bilanz des Entwicklungsfonds zog, betonte er den technischen Charakter, der die EWG-Hilfe auszeichne. „C’est que, dénationalisée et technicienne, l’aide européenne se présente enfin comme neutre sur le plan politique. Les techniciens du Fonds Européen de Développement ne sont pas des interlocuteurs «faciles» dans la discussion; les investigations qu’ils mènent sont approfondies; leurs exigences quant à la qualité des dossiers et des justifications sont étendues. Mais ces investigations, ces questions et ces exigences ont toujours le caractère économique, financier et technique. Aucune condition politique n’a jamais été posée à l’octroi d’une aide. La technocratie européenne vaut mieux, en définitive, que la nuance péjorative attachée à ce mot: elle constitue, pour les pays en voie de développement, une garantie.“420 Der Begriff „Technokratie“ spielte im Selbstverständnis der Generaldirektion VIII eine wesentliche Rolle. Lemaignen gab seinen Memoiren, in denen er seine vier Jahre in der EWG-Kommission Revue passieren ließ, sogar den Untertitel „Souvenirs d’un technocrate“.421 Der Begriff verweist die Entwicklungshilfe der EWG in den Bereich des Unpolitischen und vermittelt das Bild einer von Fachleuten nach 417
418 419
420
421
Vgl. Schreiben von Generaldirektor Hendus an den Ständigen Vertreter der Bundesrepublik, Günther Harkort, Betr.: Informationsaustausch über die bilaterale und multilaterale Entwicklungshilfe in den assoziierten Staaten der Gemeinschaft, 6.2.62, in: Ebd. Vgl. Schreiben des Generaldirektors an den Ständigen Vertreter Belgiens van der Meulen, 7.3.63, in: Ebd.; Hendus, Note à l’attention de Monsieur le Ministre Rochereau, 7.3.63, in: Ebd. Vgl. Schreiben Kommissar Rochereaus an Raymond Triboulet, Ministre de la Coopération, und Louis Jacquinot, Ministre d’Etat chargé des Territoires et Départements d’Outre-Mer, vom 13.3.63, in: Ebd. Le développement économique des Etats africains, in: COURRIER DE L’ASSOCIATION, No. 16 (Nov. 1967). Der Verfasser ist Maurice Schaeffer, 1958-1965 Chef de Division des Etudes Générales, ab 1965 Chef de Division de la Politique d’aide au Développement in der Generaldirektion VIII. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau.
180
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technischen und wirtschaftlichen Sachzwängen organisierten Hilfe, die einem kohärenten Plan folgt.422 Die Kommission huldigte in der Entwicklungspolitik einer regelrechten und im Übrigen für einen technokratischen Ansatz charakteristischen „Plan-Mystik“423, die auch die deutschen Mitglieder erfasste. So stellte Kommissar von der Groeben nach einer Afrikareise 1961 fest: „Je weiter die Entwicklung fortschreitet, desto stärker ergibt sich auch die Notwendigkeit einer gewissen Ausrichtung auf längere Sicht (5 Jahre). Die Aufstellung solcher Entwicklungspläne (Senegal hat als erstes Land einen Plan für vier Jahre vorgelegt, der aufgrund sorgfältiger Vorarbeiten diesen Namen verdient) scheint mir die Voraussetzung einer sinnvollen Entwicklungspolitik sowohl auf dem Gebiet der Investitionen als auch der Struktur und der Menge der Erzeugnisse zu sein.“424 Auch gegenüber den afrikanischen Regierungschefs und Verwaltungen präsentierten sich die Beamten der EWG als von wirtschaftlichen und technischen Aspekten in ihren Entscheidungen geleitet und politischen Aspekten gegenüber desinteressiert.425 Kommission und Rat hatten 1959 einen allgemeinen Kriterienkatalog geschaffen, der die Arbeitsweise des Entwicklungsfonds regelte.426 Dass die Verga422
423 424
425
426
Vgl. hierzu: MOHLER, Armin: Der Weg der „Technokratie“ von Amerika nach Paris, in: EPIRRHOSIS, Festgabe für Carl Schmitt, hg. v. Hans Barion u. a.. Berlin 1968, S. 579-596. Der Begriff „Technokratie“ wurde während der Weltwirtschaftskrise 1929 in den USA virulent und schwappte nach Europa, insbesondere nach Frankreich, über. Mohler verweist zugleich auf die Eigenheit dieses Begriffs, der wie jeder politische Begriff immer auch etwas bewirken wollte, entweder einen bestimmten Zustand herbeiführen oder einen vorhandenen Zustand verschleiern oder in ein bestimmtes Licht rücken. In Frankreich gingen im Übrigen mit dem Begriff „Technokratie“ eher positive Konnotationen einher, während das negativ konnotierte Pendant die „Synarchie“ war. Ebd., S. 595. Bericht über die Afrikareise von Herrn von der Groeben vom 14. April bis 2. Mai 1961 (Tschad, Kamerun, Dahomé, Togo, Elfenbeinküste, Senegal), 9.5.61. Generaldirektor Hendus räumte jedoch 1962 ein, dass den ersten EEF diesbezüglich eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit kennzeichnete: „Die von uns genehmigten Projekte waren daher häufig nur ein in sich wenig zusammenhängendes Mosaik von an sich sicherlich sehr nützlichen Massnahmen, jedoch nicht das, was ich mir von einem konstruktiven und vorausschauend geplanten Beitrag zur Modernisierung rückständiger, veralteter und fehlgeleiteter Produktionsbedingungen in einem Entwicklungsland vorstelle. Sie dürfen das, was ich da sage, nicht zu tragisch nehmen. Wir sind noch am Anfang unserer Bemühungen.“ (Vortrag von Generaldirektor Hendus vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie in Köln am 10. Februar 1962, in: BA Koblenz, N 1266/1782) Vgl. die Berichte der Beamten der GD VIII über ihre Reisen nach Afrika: z. B. Copie d’une lettre envoyé par M. Wintringer actuellement en mission au Congo-Belge, 15.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429; vgl. hierzu auch die Berichte, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94 „FED – Missions FEDOM 1959/63“. Ein Gremium unter dem Vorsitz von Generaldirektor Allardt befragte beispielsweise den mauretanischen Premierminister Moktar Ould Daddah anlässlich dessen Besuchs in Brüssel detailliert zu einzelnen Projektanträgen, ging aber auf Vorhaben, denen der Regierungschef besondere Bedeutung beimaß, nur am Rande ein. Vgl. Schreiben des Ständigen Vertreters Frankreichs an Außenmister, Kabinett, Betr.: Séjour à Bruxelles de M. Moktar Ould Daddah, Premier Ministre de la République islamique de Mauritanie, 20.7.59, in: MAE, dece 731. Vgl. Verordnung Nr. 7 zur Festlegung der Arbeitsweise des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 25.2.59, 241 ff./59.EWG, Kommission, Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheits-
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bepraxis des EEF durchaus im Einklang mit der zeitgenössischen ökonomischen Theorie und den Kriterien anderer bi- und multilateraler Entwicklungshilfegeber standen, enthüllte 1965 eine Studie, die aufgrund der bisherigen Erfahrungen um eine methodische Präzisierung warb.427 Sowohl mit der Agency for International Development (AID) als auch mit den Vereinten Nationen wurde eine weitgehende Übereinstimmung hinsichtlich der Vergabekriterien konstatiert. Während die AID auf das Kriterium der Rentabilität besonderes Gewicht lege, nähmen letztere besonders Marktprobleme in den Blick. In besonderer Nähe sah sich die Kommission aber zur Praxis des französischen FIDES und FAC, insbesondere, was den Ermessenspielraum der Dienste bei der Bewertung der Vorhaben anging. Gerade im Bereich der so genannten sozialen Investitionen traten qualitative Faktoren, die oftmals auf humanitären Erwägungen beruhten, neben quantifizierbare. Dem Trend zur Rationalisierung der Vergabepraxis stand innerhalb der Generaldirektion VIII eine Strömung entgegen, die skeptisch gegenüber generalisierenden Entwicklungsdoktrinen war. Den Exponenten dieser Strömung dienten volkswirtschaftliche Kriterien eher als Referenzpunkte denn als Normen.428 Jacques Ferrandi leitete in diesem Sinne in seiner neuen Funktion als Direktor des EEF die Studie mit dem folgenden Vorwort ein: „Les pays sous-développés ont deux avantages sur les pays industrialisés: ils partent de zéro ou presque; ils peuvent profiter des expériences réalisées par ces derniers. Mais leur appliquer purement et simplement les méthodes de calcul, les procédés d’analyse, les doctrines de développement adoptées par ces derniers, est une vue de l’esprit qui ne peut conduire qu’à des erreurs irréparables. L’imitation peut être intelligente et la simplicité n’est pas forcément, n’est pas toujours, signe d’indigence.“429 Außerdem machte sich in der Folge des zögerlichen Anlaufens des EEF ein Aktionismus nach der Devise „prouver le mouvement en marchant“430 breit. Auch wurden Stimmen laut, die eine Vergabe der Entwicklungshilfe unter stärker politischen Aspekt empfahlen, also die vorrangige Finanzierung von solchen Projekten, auf die die afrikanischen Regierungen besonderen Wert legten.431 Diese Stimmen verstanden wie der deutsche Referent Werner Ködderitz die Investitionen des EEF „als Investitionen „sui generis“ im Sinne einer unumgänglichen Werbung um Vertrauen für die künftige Assoziierung.“432 Angestrebt wurde eine Fo-
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gebiete, Ziele und Arbeitsweise, Informationsschreiben Nr. 2, 20.7.59, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1039. Vgl. CEE, Etudes, Les critères d’appréciation des projets soumis au Fonds européen de développement. (Série développement de l’outre-mer) Bruxelles 1965, in: BAC 25/1980 1035. Als Referenzwerke der Entwicklungsökonomie berief sich die Studie auf HOSMALIN, Guy: Investissements, rentabilité et progrès technique. Paris 1963; HIGGINS, Benjamin: Economic development – Principles, problems and policies. New York 1959; MASSÉ, Pierre: Le Choix des investissements. Paris 1959; TINBERGEN, Jan: Planification du développement. Paris 1962. Vgl. ebd. Ebd. Le développement économique des Etats africains, in: COURRIER DE L’ASSOCIATION, No. 16 (Nov. 1967). Vgl. Werner Ködderitz, GD VIII, Direktion Studien und Programme, Vermerk, Aktionsprogramm für Entwicklungshilfe, 29.6.60, in: BA Koblenz, N 1266/1784. Ebd.
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kussierung auf Projekte, die kurzfristig sichtbare Effekte zeitigten. Der Kommissionspräsident sprach sich 1961 für die Errichtung einzelner Großanlagen nach Vorbild des Assuan-Staudamms oder des Stahlwerks im indischen Rourkela und die Schaffung eines Europäischen Entwicklungsinstituts aus.433 Darauf dass auch politische Aspekte im Vergabeverfahren des EEF eine Rolle spielten, verweist schon die Gegenwart der Kabinettschefs im Comité du FED, das schon frühzeitig im Vergabeverfahren aktiv wurde. Eines der ambitioniertesten Projekte des EEF war der Bau eines Krankenhauses in Mogadischu (Somalia). Das Ergebnis dieses Projekts, das alle bis 1960 für das italienische Treuhandgebiet eingeplanten Mittel beanspruchte,434 war ein ultramodernes Krankenhaus mit über 600 Betten, das jedoch schlecht an die Bedürfnisse Somalias angepasst schien.435 Da das Krankenhaus eines der wenigen Projekte des ersten Entwicklungsfonds in Somalia war, wollte die EWG damit ein deutlich sichtbares Zeichen ihrer Entwicklungshilfe setzen.436 Zudem empfahlen die Botschafter der in Somalia vertretenen EWG-Länder, Italien, Frankreich und Bundesrepublik Deutschland angesichts einer Konkurrenz des Ostens – neben der UdSSR engagierten sich auch die Tschechoslowakei und darüber hinaus China, die Entwicklungshilfe in diesem aufgrund seiner geographischen Lage strategisch und ökonomisch wichtigen Landes politischen Zielen zu unterwerfen.437 Schließlich sollten auch die pro-europäischen Kräfte in Somalia gestützt werden.438 Verwaltungsprobleme, Rivalitäten zwischen den aus verschiedenen EWG-Ländern stammenden Ärzten sowie die hohen, für die Mehrheit der Bevölkerung nicht aufzubringenden Krankenhausgebühren brachten das EWG-Krankenhaus allerdings in Verruf,439 so dass dessen Schließung von Somalia in Betracht gezogen wurde. Der französische Botschafter vermutete dahinter auch Intrigen von Ostblockländern.440 Gerade aber die Konkurrenz mit dem Osten und die Gewissheit, dass ein Scheitern mit einem beträchtlichen Gesichtsverlust für 433
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Vgl. Hallsteins Rede an der Universität Tübingen über eine europäische Afrikapolitik am 5.5.61, in: HALLSTEIN, Walter: Europäische Reden. Hg. von OPPERMANN, Thomas unter Mitarbeit von Joachim KOHLER. Stuttgart 1979, S. 273. Vgl. Dritter Gesamtbericht 1960, S. 235, Tabelle 3: Vom Europäischen Entwicklungsfonds finanzierte Vorhaben, S. 251. Vgl. Fernschreiben des französischen Botschafters in Somalia, Jean Garnier des Garets, an den Außenminister, 26.9.64, in: MAE, Afrique Levant 17. Der Vizepräsident des somalischen Parlaments, Hagi Omar Scego, beklagte noch 1962 den geringen Anteil, der Somalia im Vergleich zu den frankophonen Staaten aus dem EEF zufloss. Vgl. Louis Roux, Chargé d’Affaires, an den Außenminister, Direction d’Afrique Levant, Betr.: La Somalie et le Marché Commun, 16.2.62, in: Ebd. Vgl. A. Beaulieu, französische Botschaft in Somalia, an den Außenminister, Betr.: Perspectives politiques de la CEE en République Somalie, 31.12.61, in: Ebd. Mit Sorge registrierten die Botschafter die russischen Pläne zum Ausbau des Hafens von Berbera im Golf von Aden gegenüber den britischen Besitzungen und in der Nähe Dschibuties gelegen. Im Zusammenhang mit den russischen Basen in Ägypten, ihrer Kontrolle über Äthiopien in Assab und über den Jemen in Hodeida erkannten die Botschafter die Gefahr einer russischen Kontrolle des Roten Meeres. Vgl. ebd. Erst im März 1961 hatte sich Somalia auf der Konferenz der Economic Commission for Africa in Addis-Abeba auf die Seite der Anhänger der eurafrikanischen Zusammenarbeit gestellt. Vgl. Roux, Chargé d’Affaires, an den Außenminister, 16.2.62, in: Ebd. De Garnier des Garets an Außenminister, 26.9.64.; Fernschreiben der französischen Botschaft in Somalia, 30.3.65, in: Ebd. Vgl. De Garnier des Garets an Außenminister, 26.9.64.
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die EWG einhergehe, ließ die EWG-Kommission erfolgreich nach Modalitäten suchen, die das Fortbestehen des Krankenhauses sicherten.441 Den afrikanischen Regierungen standen verschiedene Wege offen, um der besonderen Bedeutung, die sie einem Projekt beimaßen, im Vergabeverfahren Geltung zu verschaffen. Sie wandten sich direkt an die Kommission oder den zuständigen Kommissar, wie der kamerunsche Premierminister im Frühjahr 1960,442 oder sie baten die Regierung eines Mitgliedstaates um Unterstützung ihres Projektantrags in Brüssel wie der togolesische Regierungschef Silvio Olympio die Bundesregierung im Juni 1961.443 Im Fall der Transkamerunbahn, deren erstes Teilstück von Douala nach Ngaoundéré vom EEF, FAC und dem amerikanischen Development Loan Fund finanziert worden war, 444 wandte sich der tschadische Präsident François Tombalbaye angesichts der politischen und ökonomischen Bedeutung, die seine Regierung diesem Projekt beimaß, 1962 an die französische Regierung und trug ihr eine Koordinierungs- und Mittlerfunktion an,445 die diese annahm. Somit wurde die Verlängerung der Eisenbahnlinie bis in den Tschad, die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre in Angriff genommen werde sollte, zum Gegenstand einer Zusammenarbeit zwischen der französischen Regierung und der EWG-Kommission.446 Dabei wurden nicht nur die ökonomischen, sondern auch die politischen Auswirkungen mit einkalkuliert, die dieses Projekt für die Region mit sich brachte. Zunächst war eine Entscheidung zur Finanzierung dieses Projekts eine Entscheidung zur Stärkung des Zusammenhalts der Union Africaine et Malgache447, da es geeignet schien, den Tschad dem Einfluss Nigerias zu entziehen. Zugleich konnte es die Tendenzen Kameruns zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit den Ländern des ehemaligen Äquatorialafrika befördern. Ökonomisch hatte eine Entscheidung zugunsten dieses Eisenbahnpro-
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Vgl. Fernschreiben der französischen Botschaft in Somalia vom 30.3.65 und 18.9.65, in: Ebd. Vgl. hierzu: Antwortschreiben Lemaignens an den Premierminister Kameruns, Betr.: Prüfung zweier Projekte, 4.3.60, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 217. Vgl. Schreiben Olympios an den deutschen Botschafter in Togo, 22.6.61; Deutsche Botschaft in Lomé an das Auswärtige Amt, Betr.: Technische und wirtschaftliche Hilfe für Togo, hier: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, 23.6.61; Deutsche Botschaft in Lomé an das Auswärtige Amt, Betr.: Technische und wirtschaftliche Hilfe für Togo, hier: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, 14.11.61, in: PAAA, B 20/518. Vgl. zur Transkamerunbahn CAC, 19850150 le Tchad 1960-1982, Art. 3, hier insbesondere: H. Charret, Ministère de la Coopération, Cabinet: Note pour le Président, objet: Voies ferrées intéressant le Cameroun, la République Centrafricaine et le Tchad, 2.5.62. Vgl. die Schreiben in: Ebd.. Schreiben Tombalbayes an den Ministre de la Coopération, objet: Communication du Tchad avec le monde extérieure, 6.4.62; Schreiben des Ministre de la Coopération an Präsident Tombalbaye, 9.5.62; Schreiben Tombalbayes an den Chef de la Mission Permanente, objet: Chemin de Fer Douala Tchad, 16.10.62. Vgl. MAE, Direction des Affaires Economiques et Financiers, Notes, 1962, in: Ebd.; Compte rendu de la réunion de coordination et d’information entre les Services de la Commission de la Communauté Economique Européenne et les Services du Ministère de la Coopération, tenue à Paris le 14 novembre 1963, in: Ebd. 1960 beschlossen in Brazzaville Vertreter der Staaten der ehemaligen AOF und AEF (mit Ausnahme Guineas und Malis), Kameruns und Madagaskars die Gründung einer Organisation Africaine et Malgache de Coopération Economique, die 1961 gegründet wurde ebenso wie die Union Africaine et Malgache als Konferenz der Staats- und Regierungschefs.
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jekts vor allem für Kongo-Brazzaville Folgen, das dadurch seine Transitfunktion in der Region zu verlieren drohte.448 In den Krisen, die das assoziierte Afrika 1960 erschütterten, gab sich die EWG den Anschein der Neutralität. Als die zwischen Senegal und Sudan gebildete Mali-Föderation im August 1960 zerbrach, folgte die Kommission der Empfehlung der französischen Regierung, die Projekte grundsätzlich fortzusetzen, aber jede Initiative zu vermeiden, die den Anschein einer Parteinahme erwecken könnte.449 Weder die Spannungen zwischen der senegalesischen und sudanesischen Regierung unmittelbar nach dem Auseinanderbrechen der Föderation, noch die angespannten Beziehungen zwischen Frankreich und der neuen Republik Mali (ehemals Republik Sudan), die eine neutrale Außenpolitik verfolgte und sich mit Ghana und Guinea zu einer Union zusammengeschlossen hatte, scheinen das Projektvergabeverfahren der EWG negativ beeinflusst zu haben.450 Im Fall der Demokratischen Republik Kongo wurde auf Initiative Kommissar Lemaignens, dessen Ansicht zufolge nach Ausbruch der Krise die Fortführung der Hilfe die EWG vor „des problèmes politiques très complexes et délicats“451 stellen konnte, eine Sperre bei der Zur-Verfügung-Stellung der Mittel verhängt, während die Mittelgenehmigung weiterlief.452 Wettbewerbskommissar Von der Groeben, der als Mitglied der Gruppe VIII Einblicke in die Vergabepolitik des Fonds hatte, resümierte 1961: „Die Durchführung der ersten Investitionen ist bisher im allgemeinen aufgrund der unmittelbaren Dringlichkeit, nach dem Ermessen der Verwaltung, aber manchmal auch nach politischen Gesichtspunkten erfolgt.“453
3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen Neben der Finanzhilfe bildeten die handelspolitischen Beziehungen zwischen den assoziierten afrikanischen Ländern und der EWG die wichtigste Säule der Assoziierungspolitik. Auch die EWG-Kommission subsumierte die Eigenart der Zusammenarbeit in diesem Bereich unter dem häufig verwendeten Schlagwort
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Einer Alternativroute über Bangui (ZAR) hatte der Regierungschef der Zentralafrikanischen Republik, David Dacko, schon 1961 eine Absage erteilt, offensichtlich aufgrund seiner schlechten Beziehungen zur Regierung des Abbé Youlou in Brazzaville. Vgl. MAE, Direction des Affaires Africaines et Malgaches, Note, a/s: Projets ferroviaires intéressant l’Union des Etats d’Afrique Equatorial et le Cameroun, 19.4.62, in: Ebd.; Extrait du compte rendu de l’entretien entre le Premier Ministre et M. Tombalbaye le 27 décembre 1961, in: Ebd. Vgl. MAE Télégramme au Départ, 31.8.60, in: MAE, dece 731 Am 25. Oktober 1960 folgte der Rat der positiven Entscheidung der Kommission für neue Projekte ökonomischen Charakters, nachdem die Kommission schon zuvor ein soziales Vorhaben gebilligt hatte. Vgl. ebd.; EWG-Rat, Calmes, Secrétaire Général, an M. le Ministre Représentant du Gouvernement Français au sein du Conseil de la Communauté Economique Européenne, 27.10.60, in: Ebd. Mille an MAE, 23.8.60, in: MAE, dece 729. Vgl. ebd.; Gorse an MAE, 7.9.60, in: MAE, dece 729; AA, Ref. 401 an Ref. 403, Betr.: Verschiedene Finanzierungsprojekte in Entwicklungsländern, 22.11.60, in: PAAA, B 53/167. Bericht über die Afrikareise von Herrn von der Groeben vom 14. April bis 2. Mai 1961 (Tschad, Kamerun, Dahomé, Togo, Elfenbeinküste, Senegal), 9.5.61
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„trade not aid“.454 Es ging darum, den assoziierten Entwicklungsländern mittels einer Intensivierung der Handelsbeziehungen langfristige und erweiterte Exportmöglichkeiten zu eröffnen, die ihnen das für den angestrebten Entwicklungsprozess notwendige volkswirtschaftliche Einkommen verschaffen sollten. Der Vertrag von Rom sah zu diesem Zweck eine Handelspräferenz zugunsten der Assoziierten vor.455 Ein sich über mehrere Jahre erstreckender, allmählicher, interner Zollabbau der Mitgliedstaaten gegenüber den assoziierten Ländern sollte letztere schließlich in die Lage versetzen, ihre Produkte zollfrei in die EWG einzuführen, während der sich allmählich aufbauende gemeinsame Außenzoll der EWG für Produkte aus nicht-assoziierten Ländern Zollsätze vorsah, die in ihrer Höhe zwar je nach Produkt variierten, aber doch fühlbar waren. Dass sich ein nennenswerter Außenzoll, der das arithmetische Mittel der von den einzelnen Mitgliedstaaten angewandten Zollsätze bilden sollte, für konkurrierende Ausfuhrgüter aus dritten Ländern ergab, verdankte sich der französischen Praxis, Einfuhren aus anderen Ländern als den französisch beherrschten mit hohen Zollsätzen zu belasten.456 Innerhalb der EWG hatte der französische Markt eine Sonderstellung. Die Assoziierungsregelung ließ Frankreich Freiräume, was Maßnahmen zum Schutz des gegenseitigen Handelsverkehrs mit den Assoziierten anging. Die koloniale Kontingentierungspolitik und Marktordnungsmaßnahmen, d.h. Preisstützung und Absatzgarantien zugunsten einzelner tropischer Erzeugnisse, bestanden fort. Somit existierte innerhalb der EWG eine bilaterale Zone des Präferenzhandels, die auch nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Kolonien im Rahmen der Kooperationspolitik fortgesetzt wurde.457 Gegenüber so wichtigen Handelspartnern wie der Elfenbeinküste verpflichtete sich Frankreich beispielsweise jährlich bestimmte Mengen Kaffee, Kakao, Holz und Bananen zu über dem Weltmarktpreis liegenden Preisen abzunehmen.458 Das Fortbestehen kolonialreichswirtschaftlicher Residuen bis in die postkoloniale Zeit hinein brachte für die Assoziierten durchaus Vorteile mit sich. Afrikanische Erzeuger fanden in Frankreich einen geschützten Absatzmarkt, der sie vor dem Preissturz für tropische Produkte auf dem Weltmarkt bewahrte.459 Bei Kaffee lag z. B. der französische Preis 1963 454
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Vgl. Vierter Gesamtbericht (1961), S. 162. Die Handelspolitik ebenso wie der kleine Ausschnitt integrationspolitischer Maßnahmen, die von der Assoziierung umschlossen wurden (Freizügigkeit, gewerbliches Niederlassungsrecht), wurden vom Ministerrat im Einvernehmen mit der Kommission getroffen und kontrolliert. Vgl. Teil B, Kap. 4. Der Vertrag von Rom und die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete Dennoch verringerte sich der Zollvorteil – er sank von durchschnittlich 8,7% vor 1958 auf 5,1% unter dem gemeinsamen Außentarif: Darüber hinaus nahm die Zahl der Produkte, die sich einer präferentiellen Behandlung erfreuten, ab. Vgl. RAVENHILL, John: Collective Clientelism: The Lomé Convention and North-South Relations. London 1985, S. 49. Vgl. hierzu: BECHER, Ernst: Das Assoziierungsverhältnis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, S. 188-198, 208-215. S. Teil C, Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika Vgl. ebd., S. 197. Im Gegenzug verpflichtete sich die Elfenbeinküste beispielsweise im Jahr 1962 70% ihrer Gesamteinfuhr aus Frankreich zu importieren. Vgl. hierzu: FIELDHOUSE, David K.: The West and the Third World. Oxford 1999, S. 99-102. Das französische System wurde 1931 in der Folge der Weltwirtschaftskrise aufgebaut, um Frankreich soweit wie möglich autark zu machen, mit eigenen geschützten Märkten und Rohstoffquellen. 1959 gingen 28,2% der Exporte Frankreichs ins frankophone Afrika, während 20,3% der französischen Importe von dort kamen. In der Folge der Dekolonisierung änderte sich dies. Afrika wurde für Frankreich immer unbedeutender. 1960 gingen 27,5 % der
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auf dem mittleren Niveau des Weltmarktpreises von 1958/59, während der Weltmarktpreis seither um 35% gefallen war.460 Doch für die sich ausweitende Produktion der Assoziierten stieß der französische Markt an die Grenzen seiner Absorptionsfähigkeit.461 Darüber hinaus waren die Marktvorteile, die die Assoziierten in Frankreich genossen, im Zuge der Errichtung des Gemeinsamen Marktes im Schwinden begriffen. Die Aufrechterhaltung des Überpreissystems erwies sich mit der Konkurrenzfähigkeit der französischen Wirtschaft unvereinbar. Zu Beginn der 60er Jahre wurde auch französischer- und belgischerseits die Vereinbarkeit dieses bilateralen Präferenzsystems mit dem Gemeinsamen Markt in Frage gestellt.462 Vor diesem Hintergrund erklärt sich das französische Interesse, auch den unabhängig gewordenen afrikanischen Ländern einen erweiterten und privilegierten Absatzmarkt in der EWG zu sichern.463 In ihrem sechsten Gesamtbericht 1963 zog die EWG-Kommission eine erste Bilanz über die handelspolitischen Effekte der Assoziierung.464 Die Ausfuhren der assoziierten Länder in die Gemeinschaft hatten zwischen 1958 und 1962 eine Steigerung erfahren. In absoluten Zahlen erhöhte sich ihr Wert von 1546 Mio. $ im Jahr 1958 auf 1925 Mio. $ 1962. Damit hatten sie sich besser entwickelt als die des nicht-assoziierten Afrika, blieben aber hinter der Entwicklung der Ausfuhren Lateinamerikas zurück, die von 1568 Mio. $ 1958 auf 2120 Mio. $ im Jahr 1962 stiegen.465 Der Anteil der Gemeinschaft an den Gesamteinfuhren der assoziierten
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französischen Exporte in die afrikanischen Länder, 1964 15, 9%. Dabei behielten einzelne Länder wie die Elfenbeinküste eine herausragende Bedeutung im französischen Außenhandel. Vgl. Bulletin de la D.R.E.E.: Place de la Côte d’Ivoire dans le commerce extérieure de la France, Oktober 1961, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 219. Vgl. AA an die Botschaften der BRD, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung afrikanischer Staaten und Madagaskars mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Februar 1963, in: BA Koblenz, B 102/130232. Vgl. hierzu beispielsweise: Secrétariat Général aux Affaires africaines et malgache, Note sur le commerce des Etats de la zone franc associés à la CEE, nicht datiert, in: CHAN, SG aux Aff. africaines et malgache, 12. Vgl. beispielsweise die Haltung Alain Peyrefittes (UNR) im Außenhandelsausschuss des Europäischen Parlaments: Europäisches Parlament, Außenhandelsausschuss, Berichtschema über die Außenhandelspolitik und Entwicklungshilfe (Berichterstatter: Peyrefitte), Juni 1961, in: HAEG Brüssel, BAC 4/1967 4. Vgl. weiterhin: Jean Duvieusart, Die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Arbeitsdokument für die europäisch-afrikanische Parlamentarierkonferenz in Straßburg, Juni 1961, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 71. Vgl. hierzu beispielsweise die Erklärung Oliver Wormsers, Generaldirektor für ökonomische und finanzielle Angelegenheiten im französischen Außenministerium auf der franko-afrikanischen Konferenz vom 8. November 1960. Conférence franco-africaine du 8 novembre 1960 – Paris, Compte-rendu analytique des débats, in: MAE, Europe 1944-1960, 189. Vgl. Sechster Gesamtbericht, S. 243 f. Der hier betrachtete fünfjährige Zeitraum ist zu kurz, um eine Bilanz der handelspolitischen Ergebnisse der Assoziierung zu ziehen. Die hier angeführten Zahlen zeigen lediglich Tendenzen auf. Da aber auf Basis dieser Zahlen die Zeitgenossen den handelspolitischen Wert der Assoziierung bemaßen und Schlüsse auf weitere notwendige Aktionen im handelspolitischen Bereich zogen, erscheint es sinnvoll, eine die Jahre 1958 bis 1975 umfassende Bilanz der Handelsentwicklung in einem späteren Kapitel zu ziehen. S. Teil E, Kap. 1. Die Assoziierungspolitik 1963-1975. Vgl. Tabelle, Welthandel und Handel der EWG 1958 und 1962 (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaft, Außenhandel 1958, 1962), zit. n.: EWG, GD Auswärtige Beziehungen, Vermerk für Herrn Narjes, Kabinettschef des Präsidenten, Betr.: Aufzeichnung über die Entwicklungspolitik der EWG, 28.5.63, in: BA Koblenz, N 1266/1754. Die Zahlen für das nichtassoziierte Afrika umfassen nicht Südafrika.
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Staaten hielt sich von 1959 bis 1961 bei etwa 62%.466 In absoluten Zahlen hatten die Assoziierten aber zwischen 1958 und 1962 als Absatzmarkt für die EWG an Bedeutung verloren, ihre Importe aus der EWG sanken von 1862 Mio. $ auf 1477 Mio. $, während die Ausfuhren der EWG nach Lateinamerika und in das nichtassoziierte Afrika im gleichen Zeitraum anstiegen.467 Die unterschiedliche Bedeutung, die die Handelspartner – die EWG einerseits, die AASM andererseits – füreinander hatten, hob Peyrefitte in seinem Bericht an den Außenhandelsausschuss des Europäischen Parlaments hervor. Obwohl die Exporte der assoziierten Staaten nur 35% der Gesamteinfuhr der EWG an den betreffenden Grundstoffen deckte, gingen 70% der Gesamtausfuhr der Assoziierten in die EWG.468 Eine erhebliche Steigerung der Ausfuhren der Assoziierten konstatierte die Kommission für das Jahr 1962 nach den Niederlanden, der Bundesrepublik und Italien. Gleichwohl machten diese Länder nur etwa 20% der Absatzmärkte der AASM aus. Trotz einer Tendenz zur Multilateralisierung der Handelsbeziehungen blieb Frankreich der wichtigste Markt für die assoziierten Staaten.469 Anteil Frankreichs am Handel der Länder der Franc-Zone470 Importe: % aus Frankreich
Exporte: % nach Frankreich
1959
1963
1959
1963
Elfenbeinküste
58
66
51
47
Dahomey
63
62
76
71
Obervolta
75
50
16
27
Mali
(68)
35
(23)
21
Mauretanien
(81)
68
(15)
41
64
52
85
71
(66)
63
(76)
86
Togo
47
33
76
52
Zentralafrikanische
62
60
76
47
Kongo-Brazzaville
63
61
29
16
Gabun
64
60
55
50
Tschad
55
53
73
53
Kamerun
61
57
53
57
Madagaskar
72
74
57
52
Niger Senegal
Republik
466 467 468 469 470
Vgl. Sechster Gesamtbericht (1963), S. 244. Vgl. Tabelle, Welthandel und Handel der EWG 1958 und 1962 Vgl. Berichtschema über die Außenhandelspolitik und Entwicklungshilfe (Berichterstatter: Peyrefitte), Juni 1961. Vgl. Sechster Gesamtbericht (1963), S. 243 f. Vgl. Bericht des Comité Monétaire de la Zone Franc, 1963, zit. n.: HAYTER, Teresa: French Aid, S. 60. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Jahr 1961.
188
DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1958-1963
Vor diesem Hintergrund zog die Kommission im März 1963 den Schluss, dass die Handelsentwicklung „eine befriedigendere Tendenz zeigt als in den ersten Jahren der Assoziierung“471, und betrachtete dies weitgehend als Ergebnis der Assoziierung, die zur Herstellung immer engere Beziehungen zwischen der EWG und den AASM beitrage.472 Zwei Faktoren waren nach Ansicht der Kommission ausschlaggebend, dass das Ergebnis nach fünf Jahren nicht besser ausfiel. Einerseits verwies sie auf den allgemeinen Preisverfall auf den Rohstoffmärkten. Während die von den assoziierten Staaten ausgeführten Warenmengen von 1959 bis 1961 um 20% gestiegen waren, blieben ihre Einnahmen praktisch gleich. In der mit diesem Preisverfall einhergehenden Verschlechterung der Terms of Trade (ToT)473 sah die Kommission darüber hinaus eine Erklärung für die 1962 zu verzeichnende Verringerung der Nachfrage der Assoziierten nach Waren aus der EWG. Andererseits führte die Kongo-Krise in den Jahren 1961 und 1962 zu einer Regression in den Handelsbeziehungen.474 Ob die im Rahmen der Assoziierung gewährten Präferenzen tatsächlich einen positiven Effekt auf die Handelsentwicklung zwischen den AASM und der EWG hatten, war innerhalb der EWG umstritten. Während die einen das Präferenzsystem nicht nur für die Intensivierung der Handelsbeziehungen unerlässlich hielten, sondern auch um die Handels- und Wirtschaftsstruktur auf dem bereits erreichten Stand zu halten, bestritten andere deren Zweckmäßigkeit.475 Innerhalb der Generaldirektion VIII stellte insbesondere der deutsche Generaldirektor Helmuth Allardt die handelspolitische Privilegierung der Assoziierten in Frage.476 Allardt wies schon im Dezember 1958 während einer Pressekon471 472 473
474 475
476
Ebd., S. 243. Vgl. ebd. In ihrem zweiten Gesamtbericht 1959 verwies die Kommission auf konjunkturelle Ursachen für den Preisverfall. Vgl. Zweiter Gesamtbericht (1959), S. 134. Lemaignen erkannte darin jedoch durchaus ein strukturelles Problem. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau. S. 149 ff. Vgl. zum Konzept der ToT und zur Kritik an diesem: NOHLEN, Dieter/NUSCHELER, Franz (Hg.): Handbuch der Dritten Welt. Bd. 1: Grundprobleme, Theorien, Strategien. Bonn 1993, S. 47 ff. Vgl. ebd., S. 243 f. Der Rückgang der Ex- und Importe der Staaten Kongo-Léopoldville, Ruanda und Burundi verschlechterte die allgemeine Handelsbilanz EWG-AASM. Vgl. Duvieusart, Die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der Belgier Duvieusart, der seinen Bericht für die Parlamentarierkonferenz in Zusammenarbeit mit der Kommission ausgearbeitet hatte, war ein Verfechter des Präferenzsystems. Auch die wirtschaftswissenschaftliche Forschung, die sich schon recht früh mit der Assoziierung beschäftigte, kam zu keinem eindeutigen Schluss. Agarwals Untersuchung von 1966 beispielsweise hielt die Präferenzen für unzulänglich. Böttcher, der sich ein Jahrzehnt später mit der Frage befasste, folgerte hingegen, dass zollpräferenzbedingte Effekte gegeben waren. Vgl. AGARWAL, Jamuna: Die Assoziierung der überseeischen Staaten und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Auswirkungen dieser Assoziierung auf die Ausfuhr der nicht assoziierten Entwicklungsländer in diese Gemeinschaft. Tübingen 1966; BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration, S. 157-182. Ebenfalls 1976 sah Bourrinet die Dynamik der Handelsentwicklung zwischen AASM und EWG in den Präferenzen begründet, während Delorme 1972 konstatierte, dass die Assoziierung nur bescheidene handelspolitische Resultate zeitigte, um ihre Analyse sodann auf die Faktoren zu konzentrieren, die zu diesem „demi échec“ beitrugen. Vgl. BOURRINET, Jacques: La coopération économique eurafricaine. Paris 1976, S. 55 ff.; DELORME, Nicole: L’association des Etats africains et malgache, S. 238-249. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 146 f.; COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 36.
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ferenz in Paris auf die Nachteile der Präferenzen für die Bundesrepublik hin. Im April 1959 stellte Allardt auf dem Afrikatag der Deutschen Industriemesse in Hannover, die auch vom Hamburger Afrikaverein unterstützt wurde, die Zukunft des französischen Kolonialfranken (CFA) in Frage, der die Produkte der Assoziierten auf dem Weltmarkt verteuere.477 Dabei griff der Generaldirektor in seiner Rede wesentliche Aspekte seines Vorredners, Bundeswirtschaftsministers Erhard, auf. Im April 1960 ging Allardt dann auf einer Konferenz in Mailand noch einen Schritt weiter. Die handelspolitischen Präferenzen an einen bestimmten Teil Afrikas schienen ihm zur Spaltung des Kontinents beizutragen.478 Damit hatte sich der Generaldirektor zu einem Sprecher bundesdeutscher Wirtschaftsinteressen, insbesondere derjenigen des Hamburger Überseehandels, gemacht. In Afrika schienen gerade die nicht-assoziierten Staaten dem bundesdeutschen Außenhandel viel versprechendere Märkte zu bieten als die Assoziierten.479 Die Äußerungen Allardts fanden die Missbilligung der französischen Regierung480 und Kommissar Lemaignens und führten letztlich zu seiner Entlassung,481 da sie nicht nur Zweifel über die Zukunft der Assoziierung streuten, sondern auch an einem Eckpfeiler der französischen Kolonialpolitik – der FrancZone – Kritik übten.482
477
Vgl. auch: Les Journées Economiques Africaines de la Foire Industrielle de Hanovre (rapport de M. Francis Grangette, Conseiller Commercial de France à Hambourg), Compte rendu de la séance de travail consacré à la Zone Franc au sud du Sahara, 8.5.59, in : CAC, 19880053 SGCI, Art. 235. Allardt sprach mit seiner Kritik am CFA ein Problem an , das deutsche Wirtschaftskreise beschäftigte. Ihrer Meinung nach waren die Produkte der Assoziierten auf dem Weltmarkt auch infolge eines überbewerteten CFA nicht wettbewerbsfähig. 1961 empfahl die Bundesstelle für Außenhandelsinformationen, den CFA abzuschaffen. Vgl. Bundesstelle für Außenhandelsinformationen: Probleme der Wirtschaft Afrikas, Köln 1961, S. 27. Der Franc CFA (Colonies Françaises d’Afrique) hatte ein Paritätsproblem. Im Dezember 1945 im Zusammenhang mit der Abwertung des französischen Franc geschaffen, wurde er auf der Basis 1 fr CFA = 1,7 frs métropolitains fixiert. Mit der Neufestsetzung der Relationen im Oktober 1948 (2:1) wurde das gesetzliche Zahlungsmittel der Kolonien im Verhältnis zum französischen Franc um 100% aufgewertet. Der Franc CFA folgte zwar am Vorabend der Errichtung der EWG der Abwertung des französischen Franc, aber im Rahmen der festgesetzten Parität. Vgl. hierzu: BECHER; Ernst: Das Assoziierungsverhältnis mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, S. 180 f.
478
Vgl. Allardt, Aufgaben und Ziele der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Afrika, Vortrag anlässlich des Afrika-Wirtschaftstages der Deutschen Industriemessen, Hannover, 30.4.59, in: PAAA, B 20/235; Foyer, Secrétaire d’Etat aux relations avec les Etats de la Communauté, an Außenminister, Betr.: Äußerungen Allardts in Mailand (29.4.60), 21.3.60, in: MAE, dece 722.
479
Vgl. Vortrag von Botschafter Dr. Allardt, 1.12.60, in: N 1266/1782. Vgl. auch die Einschätzung des deutschen Botschafters in Liberia: Van der Lee, Note à l’attention de M. Lemaignen, objet: mission au Libéria du 30 janvier 1959 au 4 février 1960, 18.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429. Der deutsche Botschafter hob zusammen mit dem niederländischen und belgischen Botschafter insbesondere die Länder Ghana, Nigeria und Liberia hervor. Vgl. Foyer, Secrétaire d’Etat aux relations avec les Etats de la Communauté, an Außenminister: Äußerungen Allardts in Mailand (29.2.60), 21.3.60. Der handelspolitische Bereich war nur eine Frage, in dem der deutsche Generaldirektor in Gegensatz zu Bestrebungen des französischen Kommissars oder der französischen Regierung geraten war. Andere Fragen waren beispielsweise die der Technischen Kontrolle oder die der direkten Beziehungen der assoziierten Staaten zur EWG nach deren Unabhängigkeit. Vgl. zur Bedeutung der Franc-Zone als imperiales Instrument der ökonomischen Integration: FIELDHOUSE, David K.: The West and the Third World, S. 112-116.
480 481
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Für die relativ kurze Zeit zwischen 1958 und 1963 war eine Wirkung noch im Aufbau begriffenen Präferenzen nur schwer feststellbar. Der Nachfolger Allardts, Heinrich Hendus, betonte im November 1960 vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag, „dass es praktisch zur Zeit keine europäischen Präferenzen zugunsten der assoziierten Länder in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gibt.“483 Für Kaffee beispielsweise wurde die Zollpräferenz für Assoziierte erst am 1. Juli 1963 eingeführt.484 Die EWG war nach den USA der zweitgrößte Kaffeeimporteur der Welt, führte aber nur ein Drittel ihrer Kaffeeimporte aus den assoziierten Ländern ein. Den größten Anteil am Kaffeeimport aus den assoziierten Ländern hatte dabei Frankreich mit etwa 79%, während Nicht-Assoziierte, insbesondere die lateinamerikanischen Länder, den Kaffeemarkt von Deutschland (98%), Italien (82%), den Niederlanden (95%) sowie von Belgien und Luxemburg (71%) beherrschten. Dies hatte mehrere Gründe: Zunächst war die gesamte Kaffeeausfuhr der Assoziierten kleiner als der gesamte Kaffeeimport der Gemeinschaft, d. h., die EWG musste einen großen Teil ihrer Importnachfrage aus nicht-assoziierten Ländern befriedigen. Weiterhin spielten Geschmacksrichtungen eine Rolle.485 Hinzu kam, dass die Produktions- und Kommerzialisierungskosten des afrikanischen Kaffees höher lagen als die des lateinamerikanischen.486 Die Präferenzmarge war im Übrigen zu gering, um die Wettbewerbsnachteile des afrikanischen Kaffees ausgleichen zu können. Schließlich unterliefen auch die Italien und den Benelux-Ländern eingeräumten Zollkontingente die Präferenzwirkung. Andere handelspolitische Maßnahmen, wie die vorzeitige Angleichung der Einfuhrzölle an den gemeinsamen Außentarif und Verbrauchssteuern, die die BRD und Italien ergriffen, zeitigten dieselbe Wirkung.487 Auch bei Bananen, um ein weiteres Beispiel anzuführen, profitierten die Assoziierten von dem besonderen Schutz, den ihre Exporte in den Metropolen nach wie vor genossen. 99,9% der französischen und 90,9% der italienischen Bananeneinfuhr kamen aus assoziierten Ländern. In Italien bestand ein regelrechtes Staatsmonopol für Bananen aus Italienisch-Somaliland.488 Erst nach langwierigen Verhandlungen mit der EWG-Kommission war die italienische Regierung hinsichtlich Bananenimporten aus der Elfenbeinküste zu Zugeständnissen bereit.489 In der Bundesrepublik erschwerten das ihr während der Verhandlungen 1957 eingeräumte zollfreie Kontingent für Bananen aus nicht-assoziierten Ländern ebenso wie Qualitäts- und Geschmacksforderungen der Verbraucher, traditionelle Marktbeziehungen und die marktbeherrschende Stellung der United Fruit Company den assoziierten Erzeugerländern Fuß zu fassen. Interventionen der Kommission beim Bundeswirtschaftsministerium, um tarifäre Zugeständnisse zugunsten afrikanischer Bananen zu erlangen, führten zu nichts. 483 484 485
486 487 488 489
Generaldirektor Hendus, Vortrag vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag, Bonn, 21.11.60, in: BA Koblenz, N 1266/1782. (Hervorhebung im Original) Vgl. hierzu und zu Folgendem: AGARWAL, Jamuna: Assoziierung, S. 92 ff. Die EWG importierte vorwiegend die Kaffeesorte Arabica, die vor allem in Lateinamerika, aber auch im afrikanischen Hochland angebaut wurde, während der in Afrika weit verbreitete Robusta-Kaffee sich keiner großen Beliebtheit bei den europäischen Verbrauchern erfreute. Vgl. hierzu allgemein: DELORME, Nicole: L’association des Etats africains et malgache, S. 241. Vgl. Dritter Gesamtbericht (1960), S. 230. Vgl. hierzu: AGARWAL, Jamuna: Assoziierung, S. 63. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 149.
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Vor diesem Hintergrund kam Hendus nach knapp drei Jahren Assoziierung zu dem Schluss, „dass das Ergebnis auf dem Gebiet der so genannten Präferenzen für die Assoziierten mager ist.“490 Da die Assoziierung somit weder im handelspolitischen Bereich noch in dem der Finanzhilfe die erwartete Wirkung zeitigte, ergriff die Kommission die Initiative, in der Absicht, den Assoziierten kurzfristig Vorteile der Assoziierung zugute kommen zu lassen.491 Ausgangspunkt bildete der Beschluss des Ministerrats zu einem beschleunigten internen Zollabbau und Aufbau des gemeinsamen Außentarifs vom 12. Mai 1960,492 mit dem die Absichtserklärung der Mitgliedstaaten einherging, der wirtschaftlichen Entwicklung der Assoziierten besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden und ihnen die Vorteile der Assoziierung uneingeschränkt zugute kommen zu lassen.493 Das Beschleunigungsprogramm des Ministerrats, das vor allem Erzeugnisse der gewerblichen Wirtschaft betraf, war allerdings für die noch kaum industrialisierten assoziierten Länder nur von theoretischer Bedeutung. Die Kommission unterbreitete daher dem Rat im September 1960 drei Vorschläge, die über dessen Entscheidung, die Beschleunigung auf die Assoziierten auszudehnen, hinausgingen:494 Für bestimmte tropische Erzeugnisse wie Kakao, Kaffee, Bananen oder tropische Hölzer der Assoziierten sollten die Binnenzölle am 1. Januar 1961 um 50% abgebaut werden, während gleichzeitig eine Annäherung der nationalen Außenzölle für diese tropischen Produkte an den gemeinsamen Zolltarif der EWG um 30% vorgenommen werden sollte; konkurrierenden Agrarprodukte der Assoziierten wie Ölfrüchte sollten im Rahmen der im Entstehen begriffenen Gemeinsamen Agrarpolitik berücksichtigt werden sowie Maßnahmen zur Koordi490 491
492
493 494
Hendus, Vortrag vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag, Bonn, 21.11.60. Vgl. EWG, Kommission, Vorschläge der Kommission zur Durchführung der Absichtserklärung der Mitgliedstaaten vom 12. Mai 1960 betreffend die assoziierten Länder, 21.9.60, in: BAC 25/1980 1051; Schreiben von Luc Durand Réville, Mitglied des Wirtschafts- und Sozialaus-schusses der EWG, an Wormser, französisches Außenministerium, Betr.: Rede Durands vor dem WSA am 27. Juli, 2.8.60, in: MAE, dece 723. Auf Vorschlag der Kommission beschloss der Ministerrat, dass die Binnenzölle am 1. Januar 1961 um 30% (statt 20%) des Ausgangsniveaus gesenkt werden sollten, und um 40% am 1. Januar 1962. Zu diesem Zeitpunkt sollten auch alle mengenmäßigen Beschränkungen aufgehoben werden. Am 15. Mai 1962 wurde ein weiterer Beschleunigungsbeschluss gefasst, so dass die Zollfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten am 1. Juli 1968 vorzeitig hergestellt werden konnte. Vgl. Ministerrat, Beschluss über die beschleunigte Durchführung der Vertragsziele, 12.5.60, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 12.9.1960, S. 1217-1220; Ministerrat, Beschluss über die beschleunigte Durchführung der Vertragsziele, 15.5.62, in: Ebd., 28.5.1962, S. 1284 ff.. Was die stufenweise Harmonisierung der Außenzölle der Mitgliedstaaten gegenüber dritten Ländern anging, setzte Frankreich, unterstützt von der Kommission, das Prinzip der Gleichschrittigkeit gegen die BRD und Holland durch, also gegen diejenigen Länder, die einen niedrigen Außenzoll hatten und verfochten. Dass der gemeinsame Außentarif am 1. Juli 1968 auf einem Niveau eingeführt wurde, das 6,5% unter dem im Vertrag vorgesehenen arithmetischen Mittel lag, verdankte sich auch den Zugeständnissen der EWG im Rahmen des GATT. Während der multilateralen Zollsenkungskonferenz 1961/62, der so genannten Dillon-Runde, präsentierte sich die EWG als vergleichsweise liberale Handelsmacht, deren Zollmauer im Schnitt 35% niedriger war als der USA, Großbritanniens und Japans. Vgl. KNIPPING, Franz: Rom, 25. März 1957, S. 112 f. Vgl. Ratsbeschluss vom 12.5.60, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1960. Vgl. EWG, Kommission, Vorschläge der Kommission zur Durchführung der Absichtserklärung der Mitgliedstaaten vom 12. Mai 1960 betreffend die assoziierten Länder, 21.9.60. Über diese handelspolitischen Vorschläge hinaus machte die Kommission Vorschläge zur Beschleunigung des EEF.
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nierung auf den Zucker-, Reis- und Tabakmärkten ergriffen werden; schließlich erbat die Kommission ein Mandat, das sie ermächtigte in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter das Problem der Preisstabilisierung in Angriff zu nehmen. Mit diesen Maßnahmen wollte die Kommission einerseits einer Reihe von Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten, die die den Assoziierten gewährten Präferenzen aushöhlten, entgegenwirken, andererseits auf europäischer Ebene den Assoziierten Ersatzlösungen für die im Schwinden begriffenen Marktvorteile, die sie in den ehemaligen Metropolen hatten, anbieten.495 Der Ministerrat konnte allerdings während seiner Tagung am 19. und 20. Dezember kein Einvernehmen über die Vorschläge der Kommission erzielen. Während Frankreich den Vorschlägen der Kommission zustimmte, erhoben die Bundesrepublik, die Niederlande und bis zu einem gewissen Grad auch Italien Einwände. Sie erkannten insbesondere in dem ersten Vorschlag der Kommission, eine Verschärfung der Diskriminierung nicht-assoziierter Entwicklungsländer496 und verwiesen auf die erwartete negative Reaktion afrikanischer und lateinamerikanischer, dritter Länder.497 Die Opposition der Niederlande und der Bundesrepublik gründete auf eigenen Handelsinteressen ebenso wie auf die Rücksichtnahme auf ihre nicht-assoziierten Handelspartner, war aber auch eine Frage des Prinzips. Schon im Vorfeld des eigentlichen Beschleunigungsbeschlusses vom 12. Mai hatten sich Bonn und Den Haag über eine drastische Senkung der EWG-Außentarife verständigt.498 Bundeswirtschaftsminister Erhard versuchte anlässlich einer Bundestagsdebatte über die europäische Integration am 4. Mai 1960 nicht nur die Mehrheit des Parlaments, sondern auch die eigene Partei von der Notwendigkeit seiner liberalen Ordnungsvorstellungen für Europa zu überzeugen.499 „Europa brauche eine liberale Politik“, wie die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentierte, „also auch die kräftige Herabsetzung des EWG-Außentarifs auf das bisherige deutsche Niveau.“500 Präferenzen hielt die Bundesregierung über das Ende der aktuellen Assoziierungsregelung hinaus für nicht mehr gerechtfertigt. Denn einerseits diskriminierten sie nicht-assoziierte Länder, störten den Welthandel und finanzierten die französische Industrieausfuhr mit,501 andererseits betrachtete
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Vgl. ebd. So auch schon Staatssekretär Müller-Armack im Ministerrat am 20.12.60. Vgl. BMWi, Aufzeichnung, Betr.: Beschleunigung des Vertrags zugunsten der überseeischen Gebiete auf dem Zollsektor, 17.1.61, in: BA Koblenz, B 136/7966. Vgl. EWG, Rat, Aufzeichnung bezüglich besondere Beschleunigung für bestimmte tropische Produkte der assoziierten überseeischen Länder und Gebiete, 28.1.61, in: HAEG Brüssel, BAC 4/1967 4. Vgl. EWG-Aussentarife kräftig senken?, in: DEUTSCHE ZEITUNG, 4.5.60. Vgl. Erhard im Deutschen Bundestag, 4.5.60, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 3. Wahlperiode 1957, Stenographische Berichte , Bd. 45, S. 6197-6205. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 4.5.60, zit. n.: Deutscher Pressedienst, 4.5.60. Erhard antwortete auf der 111. Sitzung des 3. Deutschen Bundestags auf eine große Anfrage der SPD-Fraktion zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Freihandelszone. Zit. nach: Ebd. Vgl. Bundeskanzleramt, Bundeskanzlervorlage, Betr.: Ausdehnung der Beschleunigung nach dem EWG-Vertrag auf die assoziierten Gebiete, 20.1.61, in: BA Koblenz, B 136/7966.
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Bonn die Präferenzzölle „als letzte[n] Ausdruck des handelspolitischen Kolonialismus“502. Deutschen Handelsinteressen waren tatsächlich durch die Präferenzen noch gar nicht beeinträchtigt. Denn der Mechanismus der sich allmählich aufbauenden Präferenzen hatte in der Bundesrepublik praktisch noch zu überhaupt keinen Zollpräferenzen geführt.503 Auch mittelfristig erwartete die Bundesregierung keine Beeinträchtigung ihrer Handelsbeziehungen zu den lateinamerikanischen Staaten durch die Assoziierung. Eine im Juni 1961 für den Bundeskanzler vom Auswärtigen Amt verfasste Aufzeichnung, die das wirtschaftliche Entwicklungspotential Afrikas als gering einschätzte, kam zu dem Schluss: „Die Vorzugsstellung, die wir im Rahmen der Assoziierung den afrikanischen Staaten gewähren, wird nach den Erfahrungen, die bisher bei der Entwicklung und Förderung dieser Gebiete gemacht wurden, nicht zur Folge haben, daß in verhältnismäßig wenigen Jahren oder Jahrzehnten Pflanzungsareale geschaffen werden, deren Ernten die Produktion der herkömmlichen Anbau- und Liefergebiete verdrängen könnten.“504 Insbesondere für die einem liberalen Ordnungsmodell verpflichteten „Vertreter der reinen Lehre“505 im Bundeswirtschaftsministerium waren weniger die tatsächlichen Auswirkungen der von der EWG-Kommission zugunsten der Assoziierten angestrebten besonderen Beschleunigung entscheidend als vielmehr die Überlegung, dass kein Präjudiz für die anstehende Neuregelung der Assoziierung geschaffen werden sollte – wie Erhard im Januar 1961 vor dem Kabinett argumentierte.506 Auch einen möglichen Beitritt Großbritanniens zur EWG hatte der Bundeswirtschaftsminister im Blick und wollte daher die Möglichkeit offen lassen, die EWG-Präferenzen mit denen des Commonwealth zu harmonisieren.507 Schließlich hatte die Bundesregierung aber auch die französische Interessenlage zu berücksichtigen. In Paris erkannte man ebenfalls, dass die Assoziierung bisher noch nicht die erwarteten Erfolge gezeitigt hatte. Im handelspolitischen Bereich in den Jahren 1959/60 noch keine Modifikation der Handelsströme erkennbar.508 Vor diesem Hintergrund unterstützte die französische Regierung die Beschleunigungsini-
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AA, Aufzeichnung, Betr.: Präferenzzölle oder Stabilisierung der Exporteinnahmen, 15.2.61, in: PAAA, B 53/170. Vgl. Hendus, Vortrag vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag, Bonn, 21.11.60. Bundeskanzlervorlage, 7.6.61, Anlage 4: Aufzeichnung, Betr.: Schließen wir uns durch die Assoziierung nicht von der Hilfe für südamerikanische Märkte aus (Bananen Kakao)?, 2.6.61, in: BBA Koblenz, 136/7965. Vgl. Schreiben des Botschafters Axenfeld, Abidjan, 15.11.60, zit. nach: AA, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung der überseeischen Gebiete aufgrund des EWG-Vertrages, 21.11.60, in: PAAA, B 53/170. Vgl. Kabinettsvorlage des BMWi, Betr.: EWG; Beschleunigung des Vertrages zugunsten der überseeischen assoziierten Gebiete auf dem Zollsektor, 21.1.61, in: BA Koblenz, B 136/7966. Vgl. ebd. Im April musste die Bundesregierung allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die USA die britische Initiative zur Zusammenlegung der EWG- und CommonwealthPräferenzen mit Unbehagen betrachteten. Vgl. Fernschreiben der Deutschen Botschaft in Washington, 28.4.61, in: B 136/7966. Vgl. Schreiben von Durand Réville an Wormser, 2.8.60; Note sur le commerce des Etats de la zone franc associés à la CEE, nicht datiert.
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tiative der Kommission.509 Schließlich traten auch herausragende Vertreter des grand patronat colonial,510 wie Luc Durand Réville, dafür ein.511 Weiterhin ging es darum, den niederländischen Thesen, die innerhalb der EWG Anhänger gewannen, entgegenzutreten. Sowohl der erste als auch der zweite Beschleunigungsbeschluss wurden schließlich auf die Assoziierten ausgedehnt.512 Den AASM kamen damit seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Rom bei der Einfuhr in die Gemeinschaft Zollsenkungen in Höhe von 50% bei Industrieerzeugnissen, 30% bei den meisten liberalisierten landwirtschaftlichen Erzeugnissen und 35% bei den übrigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen zugute. Auch innerhalb der EWG-Kommission und in Frankreich begann man einen Abbau des Präferenzsystems ins Auge zu fassen. Peyrefitte stellte dem Außenhandelsausschuss des Europäischen Parlaments in diese Richtung gehende Überlegungen vor, die auch in der Kommission Boden gewannen. Wie der französische Europaparlamentarier darlegte, ging es darum, die Assoziation insgesamt unter die Perspektive der Entwicklungshilfe zu stellen. Maßnahmen zur Strukturanpassung sollten die Präferenzzölle allmählich ersetzen.513 In dieser entwicklungspolitischen Ausrichtung sollten die Assoziierten den eigentlichen Wert der Assoziierung erkennen: „Die überseeischen Länder und Gebiete sollen also nicht ihre Vorteile in dem Assoziierungsverhältnis in erster Linie darin erblicken, dass ihnen auf alle Zeiten Präferenzzölle gegenüber den nichtassoziierten Entwicklungsländern zugestanden werden, sondern ihr Vorteil könnte darin bestehen, dass sie von den Ländern der Gemeinschaft in verstärktem Masse zur Entwicklung ihres Landwirtschafts- und gegebenenfalls ihres Industriepotentials angehalten werden.“514 Präferenzen waren in dieser Perspektive nur noch ein Instrument unter anderen, das zunehmend an Bedeutung verlor zugunsten von Maßnahmen zur Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion und der Industrialisierung. Diese Überlegungen trafen sich mit denen derjenigen Mitgliedstaaten, die, wie die Bundesrepublik, in den in den assoziierten Ländern vorherrschenden landwirtschaft509
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Vgl. Französisches Außenministerium an Botschaft in Bonn, Betr.: Opposition Bonns gegen die Beschleunigung des Rhythmus des Vertrags, was die überseeischen Länder und Gebiete betrifft, 6.12.60, in: Ebd.; F. Seydoux, französischer Botschafter in Bonn, an MAE, 8.12.60, in: Ebd. Der französische Botschafter machte deutlich, dass seine Regierung erwarte, dass auf der Ratssitzung am 19. Dezember mindestens über folgende Punkte Einigkeit erzielt werde: 1. Ein Grundsatzbeschluss, wonach die Beschleunigung auch auf die assoziierten überseeischen Länder und Gebiete Anwendung finde; 2. die Annahme der verfahrensmäßigen Vorschläge der Kommission über die Maßnahme zur Stabilisierung der Rohstoffpreise sowie 3. die Vereinbarung von Terminen für die Fortsetzung der Arbeiten. Vgl. zur Gruppe der im französischen Kolonialreich engagierten Wirtschaftsführer: HODEIR, Cathérine: Stratégies d’Empire. Le grand patronat colonial face à la décolonisation. Paris 2003. Vgl. Schreiben von Durand Réville an Wormser, 2.8.60. Durand Réville war Vorsitzender der Kommission für Außeninvestitionen des CNPF. Vgl. Vierter Gesamtbericht (1961), S. 150 f.; Sechster Gesamtbericht (1963), S. 241. Peyrefitte, Außenhandelspolitik und Entwicklungshilfe, Juni 1961. Auch Duvieusart nahm in seinem mit Unterstützung der Kommission erstellten Bericht für europäisch-afrikanische Parlamentarierkonferenz Bezug auf die Bedeutung von Maßnahmen zur Strukturverbesserung. Vgl. Duvieusart, Die wirtschaftliche Zusammenarbeit, Juni 1961. Peyrefitte, Außenhandelspolitik und Entwicklungshilfe, Juni 1961.
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lichen Produktionsstrukturen einen Ausdruck des wirtschaftlichen Kolonialstatus erblickten.515 Generaldirektor Hendus hielt es für notwendig, die Assoziierten für den Abbau ihrer Präferenzen zu kompensieren. Der Generaldirektor dachte an Maßnahmen zur Preisstabilisierung und sprach damit vor dem Deutschen Industrieund Handelstag ein Problem an, dass die Kommission seit Beginn ihrer Tätigkeit beschäftigte.516 Seit 1958 beobachtete die Kommission einen Verfall der Rohstoffpreise, der allerdings nach dem Preisanstieg nach dem Zweiten Weltkrieg sich von einem hohen Niveau aus vollzog, sowie eine Verschlechterung der Terms of trade.517 Die Kommission zeigte sich besorgt über die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Volkswirtschaften der assoziierten Länder, da die Rückwirkungen auf ihre Zahlungsbilanz und ihr Nationaleinkommen auch ihre Möglichkeiten verminderten, Investitionsgüter zu importieren.518 Lemaignen konstatierte 1960, dass die Baisse der Rohstoffpreise seit zwei Jahren die Wirkungen der Finanzhilfe annuliere.519 Vor diesem Hintergrund beteiligte sich die Kommission an internationalen Aktionen zur Stabilisierung des Weltrohstoffmarkts. Sie entsandte im April 1961 Beobachter zur Kakaokonferenz nach Accra (Ghana), nahm im September an den Arbeiten der Washingtoner Studiengruppe zur Stabilisierung des Kaffeemarktes, ebenso wie an den Sitzungen des Rohstoffausschusses der FAO oder des Committee on International Commodity Trade der UN teil.520 Da die Kommission davon ausging, dass diese Aktionen auf internationaler Ebene einerseits trotz viel versprechender Ansätze kurz- und mittelfristig zu keinen Ergebnisse führten, dass sie andererseits nur wenige Erzeugnisse der Assoziierten betrafen,521 betrachtete 515
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Vgl. beispielsweise: BMWi, Aufzeichnung, Betr.: 8. Sitzung des Sonderausschusses Gemeinsamer Markt und Freihandelszone des Bundesrats am 16. Dezember 1960, hier: Tagesordnungspunkt 2: „Entwicklungshilfe im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“, 6.12.60, in: BA Koblenz, B 102/10177. Vgl. Hendus, Vortrag vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag, 21.11.60. Allerdings galt das nicht für den gesamten Rohstoffbereich. Nach Schätzungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die auf Berechnungen der UN, des IMF, der Weltbank und der OECD basierten, waren zwischen 1958 und 1962 die Exporterlöse beispielsweise bei Kupfer stärker gestiegen als die Exportmengen. Dennoch verschlechterten sich nach einer Untersuchung der UN zwischen 1950 und 1961 die terms of trade des gesamten Außenhandels der Entwicklungsländer um 10%. Berücksichtigt man nur die wichtigsten Handelspartner – die westlichen Industrieländer – so betrug diese Verschlechterung 14% und ohne die Erdölexporte der Entwicklungsländer sogar 17%. Vgl. hierzu: KRAUS, Wilhelm: Entwicklung der Wirtschaft, in: BESTERS, Hans/BOESCH, Ernst E. (Hg.): Entwicklungspolitik. Handbuch und Lexikon. Stuttgart/Berlin 1966, S. 520. Vgl. EWG, Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, Zweck und Einzelheiten einer möglichen EWG-Hilfe für die Entwicklungsländer, Aufzeichnung Nr. 1, 10.11.59, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 202. Vgl. CEE, Commission, Communication au Development Assistance Group. (Note présentée par M. Lemaignen), 17.6.60, in: BAC 26/1969 632. Auch der ehemalige Generaldirektor Allardt erkannte die Notwendigkeit einer Stabilisierung der Rohstoffpreise an, da 2/3 der von England, Frankreich und den USA in den vergangenen Jahren geleisteten Entwicklungshilfe durch Preisstürze paralysiert worden seien. Vgl. Vortrag von Botschafter Allardt, 1.12.60, in: BA Koblenz, N 1266/1782. Vgl. Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 228 ff.. FAO = Food and Agricultural Organization of the United Nations. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: L’Europe au berceau, S. 151 f. ; EWG, Kommission, Vorschläge der Kommission zur Durchführung der Absichtserklärung der Mitgliedstaaten vom 12. Mai 1960
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sie die Frage auch als ein Problem der Assoziierung. Schon früh unternahm sie deshalb Schritte, um die Mitgliedstaaten für das Problem zu sensibilisieren.522 Im November 1960 stimmte der Ministerrat der Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Prüfung der Frage der Rohstoffpreisstabilisierung zu.523 Dabei nahm sich die Kommission die regionalen Lösungen zum Vorbild, die die Metropolen bzw. ehemaligen Metropolen in Form von Marktordnungen getroffen hatten,524 z. B. Italien für Bananen aus Somaliland, Frankreich für Ölfrüchte, Baumwolle, Zucker, Tabak und Reis. Schließlich wandten diese Staaten auf lokaler Ebene zahlreiche Verfahren in Form von Reservekassen und Preisgarantien an, um die Einkünfte der örtlichen Erzeuger zu sichern. Im April 1961 ergriff die Kommission die Initiative, auf der EWG-Ebene einen Regulierungsfonds einzurichten.525 Damit wollte sie eine Intervention in diesem Bereich zunächst lokalisieren, um den Assoziierten kurzfristig Hilfsmaßnahmen zugute kommen zu lassen, und später eine Lösung auf internationaler Ebene suchen. Die Chancen dieser Initiative waren allerdings gering. Schon in der Arbeitsgruppe hatten die deutsche, italienische und niederländische Delegation die Auffassung vertreten, dass das Problem in seinem internationalen Rahmen behandelt werden müsse.526 Auf der 167. Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter Mitte Mai ließ die Bundesregierung schließlich erklären, dass sie keine Möglichkeit sehe vor dem Auslaufen der aktuellen Assoziierungsregelung „Maßnahmen so grundsätzlicher wirtschaftspolitischer Bedeutung“527 in Erwägung zu ziehen. Damit verschob sie die Frage auf die anstehenden Verhandlungen über eine neue Assoziierung. Die deutsche Opposition gegen die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Preisstabilisierung war grundsätzlicher Art. Bonn opponierte gegen die Idee eines wirtschaftlichen Dirigismus, die es hinter dem Vorschlag der Kommission erblickte. „Sehr zweifelhaft erscheint es mir“, schrieb Erhard an den Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, „ob die Handelsprobleme der Entwicklungsländer durch „marktregulierende“ Maßnahmen auf
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betreffend die assoziierten Länder, 21.9.60. Von den bestehenden fünf internationalen Warenabkommen erlangte lediglich das seit 1962 bestehende für Kaffee für die Assoziierten Bedeutung. Vgl. Art. Warenabkommen, internationale, in: BESTERS, Hans/BOESCH, Ernst E.: Entwicklungspolitik. Handbuch und Lexikon, S. 1659-1663. Vgl. ebd., S. 150; Zweiter Gesamtbericht (1959), S. 135. Die Kommission sandte u. a. Unterlagen zum Problem der Rohstoffpreisstabilisierung, z.B. eine Studie zur Marktlage bei Ölen und Fetten, an die Mitgliedstaaten. Vgl. zur Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe die Dokumente in PAAA, B 53/164: EWG, Kommission, Regulierung der Ausfuhrerlöse der überseeischen Länder und Gebiete, 8.11.60; Französische Delegation, Régularisation des recettes d’exportation des produits agricoles des pays d’outre-mer de la Zone Franc, 15.12.60; EWG, Kommission, Konkrete Vorschläge im Anschluss an die Ratsentscheidung vom 19. Dezember betreffend die Regulierung der Ausfuhrerlöse in den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten (Vorschlag der Kommission an den Rat), 19.4.61. Vgl. ebd. Vgl. EWG, Kommission, Konkrete Vorschläge im Anschluss an die Ratsentscheidung vom 19. Dezember betreffend die Regulierung der Ausfuhrerlöse in den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten (Vorschlag der Kommission an den Rat), 19.4.61. Vgl. Bericht des Ausschusses der Ständigen Vertreter an den Rat, Betrifft: Vorschläge an den Rat zur Durchführung der Absichtserklärung der Mitgliedstaaten über die assoziierten Länder vom 12. Mai 1960, 13.12.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1052. Fernschreiben des BMWi an die Ständige Vertretung in Brüssel, 17.5.61, in: PAAA, B 53/164.
ENTWICKLUNGSHILFE UND HANDELSBEZIEHUNGEN
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lange Sicht gelöst werden können.“528 Nach Ansicht der Bundesregierung führte die Preisstabilisierung zur Überproduktion, zementierte die Monokultur und damit den wirtschaftlichen Kolonialstatus und setzte anstelle des Marktmechanismus Preis- und Mengenregulierungen.529 Ihre Begründung fanden die deutschen Vorbehalte in der französischen Praxis der Stabilisierungskassen. In der Tat waren die französischen Wege der Preisstabilisierung darauf ausgerichtet, den Produzenten ein gesichertes Einkommen zu gewährleisten, richteten sich aber bei ihrer Regulierungsfunktion nicht nach der Lage auf dem Weltmarkt.530 Wenngleich die Bundesregierung die Idee der Stabilisierung und damit der Risikobeschränkung grundsätzlich begrüßte, befürwortete sie – übrigens in Übereinstimmung mit den USA – marktkonforme, einfache Lösungen. Das wirksamste Mittel zur Stabilisierung der Rohstoffpreise erschien die Aufrechterhaltung und Ausweitung der Wirtschaftstätigkeit in den Industrieländern, also auf der Nachfrageseite, ferner der Wegfall von Diskriminierungen für Rohstoffeinfuhren aus den Entwicklungsländern.531 Ein großes Gewicht legte die Bundesregierung darüber hinaus auf Strukturmaßnahmen, die zur Diversifizierung der Produktion und des Exportangebots der Entwicklungsländer beitrugen.532 Einig war sich die Bundesregierung hingegen mit der Kommission in der Zielsetzung, die isolierte Stellung des französischen Marktes für eine Reihe von tropischen Erzeugnissen zu beseitigen.533 Mit ihrer Initiative hatte die Kommission gerade hierzu einen Beitrag leisten wollen. Ebenso wie die Bundesregierung erkannte sie in der mangelnden Diversifizierung der Exportstruktur zahlreicher Assoziierter einen wesentlichen Aspekt des Problems.534 Auch waren die Brüsseler Vorschläge den Grundsätzen der Nicht-Diskriminierung, der Selbstfinanzie528 529
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Vgl. Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an Alwin Münchmeyer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, 25.3.61, in: BA Koblenz, B 102/61121. Vgl. Aufzeichnung, Betr.: Regulierung der Ausfuhrerlöse im Rahmen der Neuordnung des Assoziierungsverhältnisses, Bonn, 16.5.61, in: PAAA, B 53/164. Bei dieser Einschätzung stützte sich die Bundesregierung auf eine Studie des IWF, die zu dem Schluss kam, dass Stabilisierungskassen nur in wenigen Fällen geeignet waren, das Problem der Überproduktion und des Preisverfalls zu lösen. Vgl. BMWi, Aufzeichnung, Betr.: 8. Sitzung des Sonderausschusses Gemeinsamer Markt, 6.12.60. Vgl. hierzu: BECHER, Ernst: Das Assoziierungsverhältnis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, S. 145 ff., 194 f. Der Unterschied zu den Marketing Boards in den britischen afrikanischen Staaten (Ghana, Nigeria, Sierra Leone) bestand gerade darin, dass der Bezugspunkt der Boards der Weltmarktpreis blieb. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Besuch des amerikanischen Staatssekretärs Ball, hier: Exporte der Entwicklungsländer, insbesondere Stabilisierung der Rohstoffpreise, 17.3.61, in: PAAA, B 53/164. Zu letzterem Aspekt hieß es in der Aufzeichnung jedoch einschränkend: „Unsere eigene, offizielle Konzeption stimmt im grossen und ganzen mit der erläuterten amerikanischen Auffassung überein. Allerdings hat sich die Einsicht in die Notwendigkeit der Beseitigung aller handelspolitischen Hindernisse und der Binnensteuern auf bestimmte tropische Erzeugnisse bisher nicht durchsetzen können.“ Vgl. ebd.; Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an Alwin Münchmeyer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, 25.3.61. Vgl. Aufzeichnung, Betr.: Regulierung der Ausfuhrerlöse im Rahmen der Neuordnung des Assoziierungsverhältnisses, Bonn, 16.5.61; EWG, Kommission, Konkrete Vorschläge im Anschluss an die Ratsentscheidung vom 19. Dezember betreffend die Regulierung der Ausfuhrerlöse in den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten (Vorschlag der Kommission an den Rat), 19.4.61. Vgl. EWG, Kommission, Vorschläge der Kommission zur Durchführung der Absichtserklärung der Mitgliedstaaten vom 12. Mai 1960 betreffend die assoziierten Länder, 21.9.60.
DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1958-1963
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rung etc. verpflichtet. Insbesondere sollten die vorgeschlagenen Maßnahmen keinen Anreiz zu Überproduktion bieten.535 Wie Hendus erläuterte, ging es der Kommission keineswegs darum, „strukturelle Orientierungen, wie sie bei manchen überseeischen Assoziierten als Folge der jahrzehntelangen Zugehörigkeit zu einem geschlossenen Wirtschaftsraum bestehen, durch protektionistische und dirigistische Maßnahmen zu konservieren.“536 Vielmehr handele es sich um notwendige Übergangsmaßnahmen auf dem Weg der Integration der Assoziierten in den Weltmarkt.537 Die handelspolitische Initiative der Kommission führte 1961 zu keinem Ergebnis. Frankreich war überdies noch zu sehr mit der Regelung seiner bilateralen Beziehungen zu den unabhängigen afrikanischen Staaten beschäftigt, um auf europäischer Ebene Leitlinien vorgeben zu können. Doch selbst in Frankreich stieß die Initiative der Kommission auf Vorbehalte. Edmond Giscard d’Estaing, Präsident des französischen Komitees der Internationalen Handelskammer, forderte das Problem der Preisstabilisierung in einem weltweiten Rahmen anzugehen. Er sah die Notwendigkeit einer mit den USA und Großbritannien abgestimmten und koordinierten Politik.538 Die Assoziierten, die bemüht waren, die Stagnation im handelspolitischen Bereich zu überwinden, unterstützten die Initiativen der Kommission.539 Dabei verfolgten sie das Ziel, ihre Produktion möglichst weitgehend in die Assoziierung mit der EWG einzubeziehen, selbst wenn dies Gleichgewichtsprobleme gegenüber den übrigen Entwicklungsländern aufwarf.540 In diesem Sinne bekundeten sie ihr Interesse am Präferenzsystem und forderten, die Preis- und Absatzgarantien des französischen Marktes auf die EWG zu übertragen.541
4. Die EWG und Afrika 4.1. Afrikapolitische Konzeptionen der EWG-Kommission Die EWG sah sich schon bald in Afrika vor neue Herausforderungen gestellt, da sich die Verhältnisse im französischen Kolonialreich schneller wandelten, als bei 535
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Vgl. EWG, Kommission, Konkrete Vorschläge im Anschluss an die Ratsentscheidung vom 19. Dezember betreffend die Regulierung der Ausfuhrerlöse in den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten (Vorschlag der Kommission an den Rat), 19.4.61. Hendus, Vortrag vor dem deutschen Industrie- und Handelstag, 21.11.60. Vgl. ebd. Vgl. HODEIR, Cathérine: Stratégies d’Empire, S. 298. Vgl. z.B. Schreiben der Regierung der Elfenbeinküste an den Präsidenten des EWGMinisterrats, 20.1.61, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 219. Vgl. EWG, Rat, Schlussfolgerungen der ersten Tagung der Vertreter der mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiete mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des Ministerrates der EWG (Brüssel, 1., 2. und. 3. Juni 1961), 28.6.61, in: BAC 19/1969 67.
Vgl. ebd.; A. Herbst: Vermerk für die Herren der Kommission, Betreff: Zweites Treffen der Vertreter der mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiete mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des Ministerrates der EWG, 13.11.61, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 68. Vgl. hierzu auch die Resolution zur Regulierung der Exporterlöse der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der afrikanischen und madagassischen Staaten von Tananarive (6.-12.9.61), in: MAE, dece 2127.
DIE EWG UND AFRIKA
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Abschluss des EWG-Vertrags erwartet. Doch nicht nur das Kolonialreich veränderte sich, sondern auch die französische Republik. Nachdem die IV. Republik im Frühjahr 1958 an der algerischen Frage gescheitert war, wollte der am 1. Juni 1958 wieder an die Macht gelangte General de Gaulle auch die Beziehungen zu den Kolonien auf eine neue Grundlage stellen.542 Die am 4. Oktober 1958 verabschiedete Verfassung der V. Republik, an der auch bedeutende afrikanische Politiker wie Félix Houphouët-Boigny (Elfenbeinküste), Gabriel Lisette (Tschad), Philibert Tsiranana (Madagaskar) und Lamine Gueye (Senegal) mitgearbeitet hatten, schuf die Communauté, in der die afrikanischen Mitgliedstaaten nunmehr über eine volle innere Autonomie verfügten, während die Metropole über die wichtigen Politikfelder Außen-, Verteidigungs-, Geld-, Wirtschaft- und Finanzpolitik sowie die Sicherung strategisch wichtiger Rohstoffe entschied. Auch wenn mit der Umwandlung der Union française in die Communauté eine kolonialpolitische Wende eingeleitet wurde, hielt die neue französische Regierung noch an der Idee einer institutionellen Einheit des Empire unter französischer Führung fest.543 Die neu gegründete Gemeinschaft blieb jedoch eine ephemere Konstruktion, die nur ein knappes Jahr – vom Oktober 1958 bis September 1959 – Bestand haben sollte. Das lag auch daran, dass Guinea, das am 2. Oktober 1958 seine Unabhängigkeit proklamiert hatte, sich gegenüber der französischen „Destruktionspolitik“544 und auf internationaler Ebene behaupten konnte, und schließlich an der sich 1959 den Treuhandgebieten Togo und Kamerun eröffnenden Perspektive auf Unabhängigkeit.545 Im November verlangte die Mali-Föderation, zu der sich im April 1959 der französische Sudan und Senegal zusammengeschlossen hatten, die Unabhängigkeit. Sie brachte damit letztlich das Gefüge der Gemeinschaft zum Einsturz. Die am 18. Januar 1960 beginnenden Verhandlungen mit der MaliFöderation standen ebenso wie die folgenden Verhandlungen mit Madagaskar und den vier zentralafrikanischen Staaten Gabun, Kongo-Brazzaville, Zentralafrikanische Republik und Tschad unter dem Junktim von Unabhängigkeit und Kooperation, d. h., gleichzeitig mit den Verhandlungen über die Gewährung der Unabhängigkeit wurden solche über Kooperationsabkommen mit Frankreich ge542
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Vgl. hierzu: AGÉRON, Charles-Robert: La décolonisation française. Paris 1994, S. 150-153; DERS./MICHEL, Marc (Hg.): L’Afrique noire française: l’heure des indépendances. Paris 1992; ALBERTINI, Rudolf von: Dekolonisation, S. 509-519; ANSPRENGER, Franz: Auflösung der Kolonialreiche. München 1981, S. 228-238; DERS.: Politik im Schwarzen Afrika. Die modernen politischen Bewegungen im Afrikas französischer Prägung. Köln/Opladen 1961, S. 261-284; BRÜNE, Stefan: Die französische Afrikapolitik., S. 47-57; SCHERKS, Nikolaus: Dekolonisation und Souveränität, S. 26-47. Auch die Communauté bot den Rahmen für ein weit greifendes Programm wirtschaftlicher Hilfe für die afrikanischen Territorien. Frankreich stellte Mittel für Budgetsubventionen, für die Bezahlung von technischen Helfern und Verwaltungspersonal und schließlich für Kapitalhilfe. Eine Reihe von Dekreten schufen die institutionellen Grundlagen für die Wirtschaftshilfe, insbesondere einen eigenen Fonds, den Fonds d’Aide et de Coopération (FAC). BRÜNE, Stefan: Französische Afrikapolitik, S. 56. Weitere Faktoren trugen zur Desintegration der Gemeinschaft bei: Dazu zählten die Frage, ob die Communauté institutionnelle in eine Communauté contractuelle umgeformt werden sollte, weiterhin die Differenzen innerhalb der Gemeinschaft über den Algerienkonflikt. Vgl. hierzu z. B.: SEMIBI, Zan: De la Communauté institutionnelle à la Communauté contractuelle: résultats limitées d’un grand dessein politique, in: AGÉRON, Charles-Robert/MICHEL, Marc: L’heure des indépendances, S. 425-444; SCHERK, Nikolaus: Dekolonisation und Souveränität, S. 33 f.; AGÉRON, Charles-Robert: Les Etats africains de la Communauté et la guerre d’Algérie (19581960), in: DERS./MICHEL, Marc: L’heure des indépendances, S. 229-254.
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DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1958-1963
führt.546 Die Staaten der Entente verhandelten hingegen mit Frankreich zunächst ihre Unabhängigkeit, bevor sie einige Monate später Kooperationsabkommen mit der ehemaligen Metropole schlossen. Zwischen dem 1. Januar und dem 28. November 1960 wurden mit Ausnahme der Französischen Somaliküste alle auf dem afrikanischen Kontinent gelegenen französischen Überseegebiete sowie Madagaskar unabhängig. Den Anfang machte das Treuhandgebiet Kamerun, nachdem die UN-Vollversammlung seiner Entlassung in die Unabhängigkeit bereits am 13. März 1959 zugestimmt hatte. Togo folgte am 27. April. Senegal und Mali (Sudan) erlangten am 20. Juni die Unabhängigkeit, Madagaskar am 26. desselben Monats. Der August wurde zum so genannten „festival des indépendances africaines“: Am 1. wurde in Dahomey die Unabhängigkeit proklamiert, am 3. in Niger, am 5. in Obervolta, am 7. in der Elfenbeinküste; Tschad, Zentralafrikanische Republik, Gabun und Kongo-Brazzaville folgten Mitte des Monats. Mauretanien zog am 28. November nach. Auch der belgische Kongo wurde Mitte des folgenden Jahres unabhängig. Vor dem Hintergrund dieses Transformationsprozesses, den das französische Kolonialreich durchlief, ging die EWG daran, die sich aus der neuen Situation ergebenden Konsequenzen für die Assoziierung zu beraten sowie ihre Rolle in Afrika zu bestimmen. Am 10. März 1960 beschäftigte der Rat sich erstmals mit der veränderten Lage. Nachdem mehrere assoziierte Staaten ihren Wunsch nach Fortsetzung der Assoziierung auch nach ihrer Unabhängigkeit übermittelt hatten, trafen sich Rat und Kommission im Juni zu einer gemeinsamen Sitzung. Auf der Ratssitzung am 19. Oktober wurde schließlich endgültig die Entscheidung getroffen, das Assoziationsverhältnis mit den Staaten, die es wünschten, fortzuführen und gleichzeitig neue Verfahrensmodalitäten auszuarbeiten.547 Parallel dazu entdeckte die EWG die Entwicklungspolitik als Feld der europäischen Integration. Im Oktober 1959 unternahm der belgische Außenminister Pierre Wigny diesbezüglich eine Initiative.548 Ebenfalls 1959 hatten in der Kommission die Überlegungen zu einer „Assoziierungsdoktrin“ begonnen. In den einzelnen Direktionen der GD VIII gingen die Beamten daran, eine Afrikapolitik der EWG zu entwerfen.549 Diese Arbeiten fanden in einem „Mémorandum pour une politique africaine de la C.E.E.“ vom Dezember 1960, das vom zuständigen Kommissar gebilligt wurde,550 ihren vorläufigen Abschluss. Parallel zu diesen Arbeiten der Generaldirektion hatte Lemaignen schon im Februar 1960 den übrigen Mitgliedern der Kommission seine Vorstel-
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Diese Staaten wurden mit ihrer Unabhängigkeit Mitglied einer erneuerten, in Richtung einer Konföderation weiterentwickelten Communauté. Die Verwirklichung einer alle früheren Mitgliedstaaten umfassenden Konföderation und damit einer Communauté rénovée scheiterte jedoch im Sommer 1960 an der Opposition der so genannten Entente-Staaten (Elfenbeinküste, Dahomey, Niger, Obervolta) sowie dem Zerbrechen der Mali-Föderation im August desselben Jahres. Vgl. BRASSEUR, Paul: L’éclatement de la Fédération du Mali (19-20 août 1960), in: AGÈRON, Charles-Robert/MICHEL, Marc: L’heure des indépendances, S. 401-410. Siehe Teil C, Kap.5. Die Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen Länder Siehe Teil C, Kap. 4.5. Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik Vgl. EWG-Kommission, GD VIII, Mémorandum: Politique de la Communauté Economique Européenne vis-à-vis de l’Afrique, nicht datiert; GD VIII, Propositions pour une politique de la Commission vis-à-vis de l’Afrique, 29.10.59, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 18. Vgl. Note pour MM. van der Lee, Vignes, Lefèbvre, Gambelli, objet: Mémorandum pour une politique africaine de la C.E.E., 16.12.60, in: Ebd.
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lungen zu einer auf Afrika konzentrierten Entwicklungspolitik der EWG übermittelt.551 Die Assoziierung sollte sich in den Rahmen einer modernen, postkolonialen Entwicklungspolitik einfügen,552 dabei aber nicht in einer allgemeinen Entwicklungspolitik der EWG aufgelöst werden. Regionaler und weltweiter Ansatz erschienen kompatibel. „Il n’y a donc nulle incompatibilité entre une politique d’association et une politique plus générale à l’égard des pays sous-développés. La première est un élément de la seconde et constitue d’ailleurs un champs d’expérience utile pour le développement de la coopération internationale en vue de la solution d’un problème complexe. C’est pourquoi il ne nous paraît pas plus y avoir d’opposition entre une politique d’association, qui a nécessairement un certain caractère régional, et l’action mondiale à l’égard des pays sous-développés.“553 Der Kommission schwebte ein euro-afrikanisches Unternehmen vor, das die EWG und einen Teil Afrikas umfassen sollte.554 Insbesondere der Leiter der Direktion Handelsbeziehungen, Enrico Gambelli, hob hervor, „qu’une politique d’association implique par sa nature même, une distinction nette entre les pays associés et les autres. Une association étendue à tout le monde n’en serait plus une.“555 Auch wenn Gambelli den Teil Afrikas nicht näher umriss, ist davon auszugehen, dass er über das frankophone subsaharische Afrika hinaus an benachbarte anglophone Staaten dachte, und dass der Italiener weiterhin auch im Sinne eines mare nostro nordafrikanische Staaten im Blick hatte, während das südliche Afrika außerhalb seines Fokus blieb. Dabei wurde der Direktor von der Idee eines wirtschaftlichen grand espace geleitet,556 der auf einer „solidarité bilatérale entre une large zone de l’Europe et une large zone de l’Afrique“557 beruhen sollte. Der Begriff „bilateral“ verweist zugleich auf die besondere Qualität, die die Assoziierung von anderen Entwicklungshilfeverhältnissen unterscheiden sollte. Jacques Lefèbvre brachte dies in seinen Anmerkungen zu den Konzeptionen der Generaldirektion VIII wie folgt auf den Punkt: „L’aide est unilatérale, l’association est bilatérale.“558 Gleichberechtigung, ein Verhältnis, das auf Gegenseitigkeit beruhte, mit reziproken Rechten 551
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Vgl. Note pour Messieurs les Membres de la Commission, objet: La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60 mit Anlage: La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, in: Ebd., 24. Siehe hierzu auch das Dokument vom 19.2.60, in: BAC 26/1969 632. Vgl. CEE, Commission, Secrétariat, Note à l’attention de MM. les Membres de la Commission, objet: Comité ad hoc, Discussions des principes d’une politique d’association de la Communauté (15 juin 1960), 16.6.60, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 22. Vgl. CEE, Commission, DG VIII, Politique de la C.E.E. à l’égard des pays associés devenant indépendants, 13.2.60, in: Ebd., 24. Vgl. Gambelli, Note pour Monsieur le Directeur van der Lee, objet: Mémorandum sur l’Afrique, 18.11.59, in: Ebd., 16. Ebd. Vgl. Schreiben Gambellis an Lemaignen, 15.9.60 mit Anlage: Rapport sur une politique d’association de la Communauté, in: Ebd., 22. Ebd. Gambelli plädierte im Übrigen dafür, die im Entstehen begriffene Freihandelszone zwischen der EWG und den Assoziierten in eine Zollunion zu überführen. Vgl. Lefèbvre, Direction Financière et Technique, Note à l’attention de Monsieur le Directeur van der Lee, objet: Politique de la C.E.E. vis-à-vis de l’Afrique, 5.4.60, in: Ebd., 18.
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und Pflichten, Vorteilen und Lasten, war für die Kommission das entscheidende Kriterium, das die Assoziierung aus anderen Geber/Nehmer-Verhältnissen herausheben und zugleich von einem kolonialen Verhältnis abgrenzen sollte.559 Die koloniale Vergangenheit blieb gleichwohl ein Bezugspunkt der Assoziierung, da gerade die historischen, kulturellen und ökonomischen Bindungen zwischen Europa und Afrika, die EWG zu einer regional auf Afrika konzentrierten Politik verpflichteten.560 Gambelli war ebenso wie der zuständige Kommissar Anhänger eines Eurafrika, das wirtschafts- und entwicklungspolitisch realisiert werden sollte, und dies aus primär politischen Motiven – nämlich die europäische Präsenz und den europäischen Einfluss in Afrika auch in der postkolonialen Zeit zu sichern.561 Gleichwohl verabschiedeten sich beide vom Begriff „Eurafrika“ und ersetzten ihn durch den der postkolonialen Zeit und der Struktur der EWG angemesseneren Begriff „Assoziierung“,562 der den Vorteil der Bestimmtheit, seiner Identifikation mit der Politik der EWG gegenüber einem bestimmten Teil Afrikas hatte.563 Im Übrigen beobachtete die Kommission die sich in Afrika abzeichnenden Entwicklungen genau und war bemüht, diesen in ihrer Assoziierungsdoktrin Rechnung zu tragen. So erhob sie die Anerkennung der Unabhängigkeit der assoziierten Staaten564 ebenso wie die Tolerierung der vor dem Hintergrund der sich formierenden Blockfreien-Bewegung zu beobachtenden Tendenz zu einem, wie es hieß, „positiven Neutralismus“ zum Grundsatz.565 Damit ging die Über559 560 561 562
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Vgl. Gambelli, Note pour van der Lee, 18.11.59. Vgl. auch: Ders.: Rapport sur une politique d’association, 15.9.60. Vgl. Gambelli: Rapport sur une politique d’association, 15.9.60. Vgl. ebd. Vgl. ebd.; Lemaignen, La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 19.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 26/1969 632. Vgl. hierzu auch die Einschätzung der GD II, die zugleich auf die Grenzen einer solchen Programmatik verwies : „Il s’agit, en fait, d’un programme ambitieux de réalisation d’une Communauté eurafricaine pour des buts principalement politiques: or, on ne peut pas prendre comme une donnée de fait que celle-ci soit précisément l’intention des différents Pays membres et qu’ils soient disposés à faire les sacrifices importants qu’une telle entreprise demanderait.» (Note, objet: Document de M. Lemaignen concernant «la Commission Economique Européenne et les pays-sous-développés, nicht datiert, in: Ebd.) Das Konzept eines Eurafrika konnte sowohl koloniale Bestrebungen umfassen, als auch antikolonialistische Tendenzen beinhalten. Vgl. MOSER, Thomas: Eurafrika, S. 503, 510. Auch inhaltlich hatte der Begriff eine unterschiedliche Reichweite: er hatte eine ökonomische Dimension, aber auch eine politische und strategische. Die Ambivalenz dieses Konzepts ermöglichte zwar einerseits dessen Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen des postkolonialen Zeitalters, andererseits trug sie aber auch zur Konfusion bei. Eurafrika konnte sowohl positiv als auch negativ konnotiert sein. Französischerseits kam erschwerend hinzu, dass Eurafrika Eingang in die Kollaboration Vichys mit dem Dritten Reich gefunden hatte. Lemaignen verwarf 1960 den Begriff „Eurafrika“, da er meinte, damit die sich neu gestaltenden Beziehungen zwischen Europa und Afrika nicht adäquat erfassen zu können. Vgl. LEMAIGNEN, Robert: Communauté Européenne et pays d’outre-mer associés, in: LES PROBLEMES JURIDIQUES ET ECONOMIQUES DU MARCHE COMMUN (1960), S. 93. Vgl. auch: HODEIR, Cathérine: Stratégies d’Empire, S. 286 f. Vgl. Mémorandum pour une politique africaine de la CEE, 16.12.60. Vgl. ebd. Am Anfang der Bewegung der Blockfreien stand die afro-asiatische Konferenz von Bandung, zu der sich im April 1955 23 asiatische und sechs afrikanische Staaten zusammengefunden hatten. Diese Staaten verpflichteten sich zu einer Nichtpaktgebundenheit, die von zeitgenössischen Beobachtern häufig mit dem Begriff neutral bezeichnet wurde. Die Regeln
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zeugung einher, den afrikanischen Staaten einen dritten Weg jenseits von politischen und ökonomischen Rivalitäten anbieten zu können.566 Fördern wollte die Kommission zudem Bestrebungen verschiedener afrikanischer Staaten, zu wirtschaftlichen Kooperationsformen zu gelangen.567 Sie erkannte derartige Entwicklungen, die einer „Balkanisierung" Afrikas entgegenwirkten und auch das anglophone Afrika miteinbezogen, als im gemeinschaftlichen Interesse liegend an, eröffneten sich damit doch, wie der zuständige Kommissar konstatierte, eurafrikanische Perspektiven: „[L]a C.E.E. ne peut que se féliciter de cette orientation. Il est évident que son association, non plus avec une poussière d’Etats africains chacun de faible importance, mais avec une communauté africaine comportant, d’abord dans la zone franc 32 millions d’habitants, puis éventuellement 13 millions d’habitants au Congo belge et 35 millions au Nigeria, serait un événement économiquement et politiquement d’importance mondiale. […] Il semble donc que la Commission doive favoriser dans toute la mesure du possible une pareille évolution.“568 Um nicht als Spaltfaktor Afrikas zu erscheinen, sondern vielmehr als ein „instrument de cohésion“569, sollte die Assoziierung offen für den Beitritt weiterer afrikanischer Staaten sein und Rücksicht auf die handelspolitischen Interessen dritter, nicht assoziierter Staaten nehmen. Damit verband sich die Erwartung, auch diejenigen Länder, deren außenpolitische Orientierung nicht als sicher galt, in das prowestliche Lager zu ziehen. Die Aufmerksamkeit Lemaignens galt 1960 insbesondere Ghana und Guinea, deren panafrikanische Bestrebungen er schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit Skepsis betrachtete.570
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der Blockfreiheit erlaubten allerdings eine temporäre Zusammenarbeit mit einem der beiden Blöcke, um eigene Interessen durchzusetzen. Vgl. zur Konferenz von Bandung: Asiatischafrikanische Konferenz in Bandung vom 18. bis 22. April 1955, Schlusskommuniqué, in: EUROPA-ARCHIV, 10,1 (1955), S. 7563 – 7567. Vgl zur Entstehung der Bewegung der Blockfreien: ENGEL, Bruno: Von Belgrad (1961) bis Havanna (1979): Zur Entwicklung der Bewegung blockfreier Staaten. Köln 1980; BAUMANN, Gerhard: Die Blockfreien-Bewegung. Konzepte – Analyse – Ausblick. Melle 1982 (Forschungsbericht/Konrad-Adenauer-Stiftung; 19); MATTHIES, Volker: Die Blockfreien. Ursprünge, Entwicklung, Konzeptionen. Opladen 1985. Vgl. Mémorandum pour une politique africaine de la CEE, 16.12.60. Vgl. CEE, La Communauté et les pays sous-développés (Communication de M. Lemaignen), 24.5.60, in: BAC 19/1969 24. Im Juni 1960 fanden Elfenbeinküste, Dahomey, Niger und Obervolta in der so genannten Entente eine wirtschaftspolitische Kooperationsform. Die zentralafrikanischen Staaten Gabun, Kongo, Tschad und Zentralafrikanische Republik strebten eine handels- und zollpolitische Harmonisierung im Rahmen einer äquatorialafrikanischen Zollunion an. Vgl. hierzu auch: BECHER, Ernst: Das Assoziierungsverhältnis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, S. 200-202. CEE, La Communauté et les pays sous-développés (Communication de M. Lemaignen), 24.5.60. Gambelli: Rapport sur une politique d’association, 15.9.60. Vgl. CEE, La Communauté et les pays sous-développés (Communication de M. Lemaignen), 24.5.60. Guinea illustriert zugleich die praktischen Grenzen dieses Ansatzes. Die Entwicklung des westafrikanischen Staats, der unter Sékou Touré im Inneren einen sozialrevolutionären Kurs einschlug, während er nach außen eine Politik der Blockfreiheit verfolgte – dabei aber nicht nur Beziehungen zum Westen unterhielt, sondern sich gerade auch an die kommunistischen Staaten stark anlehnte, nahm nach Einschätzung Kommissars Lemaignen einen Lauf, der einer Assoziierung an die EWG entgegenstand: „Or, il est évident qu’il serait impossible
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Die Assoziierung erschien der Kommission als geeignetes Instrument, um die Beziehungen zu Afrika auf eine neue Grundlage zu stellen. Fortan sollte das vereinigte Europa der Sechs auf der Basis der Gleichberechtigung Afrika gegenübertreten.571 Damit gingen innerhalb der Kommission Bestrebungen einher, die Kolonialmächte in Afrika abzulösen. Zu den Exponenten dieser Tendenz zählte Gambelli, der die Erwartung hegte, dass die Kolonialmächte in der EWG den geeigneten Rahmen für ihre zukünftige Afrikapolitik erkennten, zumal er davon ausging, dass auch die Afrikaner die EWG als einen von kolonialen Herrschaftsansprüchen freien Kooperationspartner präferierten.572 Die Kommission erwartete, dass die Dekolonisation ein Vakuum in Afrika hinterlasse, das in erster Linie von der EWG zu füllen sei.573 Die Wahrnehmung dieser Aufgabe schien gerade im Kontext des Ost-WestKonflikts, der seit Mitte der 50er Jahre zunehmend auch in der Dritten Welt ausgetragen wurde, unaufschiebbar.574 Angesichts der perzipierten ökonomischen und diplomatischen „Offensive“ des Ostblocks in Afrika575 betrachtete es die Kommission als Aufgabe der EWG, Afrika in der westlichen Einflusssphäre zu halten. Sie sah die Gemeinschaft aber nicht nur in der Rolle des Mandatars des Westens in Afrika, sondern hatte auch die zukünftige Bedeutung Europas in der Welt im Blick. Die Verbindung mit Afrika sollte Europa ein stärkeres geopolitisches Gewicht geben. Damit konnotierte das Ideologem einer eurafrikanischen Dritten Kraft zwischen den Blöcken, etwa bei Gambelli, der um die Nähe seiner Ideen zu denen Kommissars Lemaignen wusste: „L’Europe des Six, aussi bien que l’Europe tout court, comprend aisément que dans le jeu politique mondial de demain l’importance de son rôle – c’est-à-dire sa dignité et sa responsabilité devant l’histoire – dépendra dans une mesure substantielle sinon décisive du degré de solidarité et d’amitié qu’elle aura ré-
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de conserver comme associé à la Communauté [...] un Etat totalitaire et collectiviste.“ (LEMAIGNEN: La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 19.2.60) Vgl. Gambelli: Rapport sur une politique d’association, 15.9.60. Vgl. ebd. Vgl. Note a/s politique de la C.E.E. en Afrique, 16.12.60, in: Ebd. 16, DG VIII: Eléments d’une doctrine de la C.E.E. vis-à-vis de l’Afrique, 16.11.60, in: Ebd. 18. Diese Aufgabe werde freilich durch das Fortbestehen struktureller ökonomischer Bindungen zwischen den afrikanischen Ländern und den ehemaligen Metropolen erleichtert. (Vgl. Lemaignen, La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60) Vgl. Gambelli: Rapport sur une politique d’association, 15.9.60; Note a/s politique de la C.E.E. en Afrique, 16.12.60. Die Aktivitäten der Sowjetunion und ihrer Verbündeten wurden aufmerksam beobachtet und wie folgt wahrgenommen: Zunächst wurde eine rege antikolonialistische und antiwestliche Propagandatätigkeit in afrikanischen Staaten ausgemacht. Als Zentren der Öffentlichkeitsarbeit ebenso wie von geheimdienstlichen Aktivitäten wurden die sowjetischen diplomatischen Vertretungen in Rabat (Marokko), Tripolis (Tunis), Accra (Ghana), Karthoum (Mali) und Conakri (Guinea) identifiziert. Weiterhin wurde eine Zunahme des Handelsvolumens zwischen den Staaten des Ostblocks und Afrika um 50% zwischen 1954 und 1959 konstatiert. Schließlich nahm man die günstigen Konditionen zur Kenntnis, zu denen die Sowjetunion Handelsverträge mit Entwicklungsländern geschlossen hatte, sowie die ohne offensichtliche militärische und politische Gegenleistungen gewährte Kapitalhilfe. Dennoch unterstellte man der sowjetischen Entwicklungspolitik primär politische Motive. Als Schwerpunkt der sowjetischen Bemühungen wurden Ägypten, Äthiopien, Ghana und Guinea ausgemacht. Vgl. EWGKommission, GD VIII, Mémorandum: Politique de la Communauté Economique Européenne vis-à-vis de l’Afrique, nicht datiert.
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ussi à établir, sur une base d’égalité, avec les Etats indépendants et souverains de l’Afrique.“576 Der Ost-West-Konflikt war ein wesentliches Movens für die Assoziierungspolitik in ihrer Frühphase. Hallstein erschien eine europäische Afrikapolitik von „unabweislicher Notwendigkeit“577 zu sein: „Ich brauch nicht davon zu sprechen, was es bedeuten würde, wenn in dem Zustand der Bedrohung der Freiheit, in dem wir uns befinden, die gesamte Südflanke Europas den politischen Kräften des Ostens geöffnet würde.“578 Gleichwohl bewertete die Kommission das Engagement der Ostblockstaaten nicht über. Vielmehr setzte sich eine differenzierte Betrachtungsweise durch, die sowohl die Konkurrenz zwischen der UdSSR und China in Afrika579, als auch den im Vergleich zum Westen wesentlich geringeren Umfang der Entwicklungshilfe des Ostblocks in Rechnung stellte.580 Demgegenüber verwies Wettbewerbskommissar von der Groeben auf die „psychologischen“ Effekte, die die Hilfe des Ostblocks durch die Finanzierung einzelner Großprojekte, wie den Assuan-Staudamm, zeitigen konnte.581 In dieser Schwerpunktbildung erkannte die Kommission die wesentliche Gefahr. Während nämlich die Entwicklungshilfepolitik des Ostblocks koordiniert und verortet innerhalb eines einheitlichen Aktionsplan sowie konzentriert auf bestimmte Punkte erschien, wurde die des Westens als zersplittert und unkoordiniert bewertet.582 Ein weiteres Motiv der EWG-Assoziierungspolitik gegenüber Afrika war die Stabilität in einer Region zu sichern, die sich in einer Umbruchssituation befand. Insbesondere fürchtete man soziale Unruhen, die zu einem Sicherheitsrisiko für Europa werden konnten. Diese Argumentation lief darauf hinaus, dass es im eigenen Interesse sei, Wohlstand und Frieden weltweit zu sichern.583 Hallstein und 576 577
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Gambelli: Rapport sur une politique d’association, 15.9.60. Vgl. auch das mit diesem Bericht an Lemaignen gerichtete Anschreiben Gambellis. HALLSTEIN, Walter: Europäische Afrikapolitik. Universität Tübingen 5.5.61, in: DERS.: Europäische Reden. Hg. von Thomas Oppermann unter Mitarbeit von Joachim Kohler. Stuttgart 1979, S. 274. Ebd. Der Kommissionspräsident relativierte diese Aussage jedoch sogleich, indem er diese Perspektive um eine entwicklungspolitische ergänzte: „Auch wenn es keinen Ost-WestKonflikt gäbe, würden wir uns der Gestaltung unserer Beziehungen zu den afrikanischen Staaten mit größter Aufmerksamkeit annehmen müssen, als einem Nachbarschaftsproblem und als dem für uns dringendsten Fall der Entwicklungspolitik.“ (S. 274) Vgl. CEE, Commission, DG VIII, Section de l’Information, Note à l’attention du Cabinet de M. le Président Lemaignen, objet: Visite de M. Khrouchtchev en Afrique, 19.10.59, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 16. Vgl. Mémorandum pour une politique africaine de la CEE, 16.12.60. Vgl. Von der Groeben, Note pour M. Lemaignen, objet: Politique de la Communauté à l’égard des territoires en voie de développement, 21.6.60, in: Ebd., 24. Vgl. EWG-Kommission, GD VIII, Mémorandum: Politique de la Communauté Economique Euro-péenne vis-à-vis de l’Afrique, nicht datiert; GD VIII, Propositions pour une politique de la Commission vis-à-vis de l’Afrique, 29.10.59. Vgl. Lemaignen, Robert: La Communauté Economique Européenne et les pays sous-développés, 18.2.60. Vgl. auch GD VIII, Coordination des politiques extérieures des Etats-membres de la Communauté à l’égard des pays tiers et notamment des pays sous-développés. 10.11.59, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1087. „Si les choses restent en état, l’expansion démographiques des pays pauvres combinée avec la stagnation ou la très faible augmentation de leur produit national aboutira avec la paupérisation croissante à une révolution sociale universelle. La prédiction de Karl Marx, non réalisée sur le plan interne, se vérifiera dans le domaine des relations internationales.“
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Gambelli begriffen daher Entwicklungspolitik als Sozialpolitik, als eine Politik des sozialen Ausgleichs und der Umverteilung im Weltmaßstab.584 Schließlich ging es darum, die Rohstoffe und Ressourcen Afrikas zu erschließen und zu sichern sowie diese an den eigenen Markt zu binden. Dieses Motiv gründete auf die in das Entwicklungspotential des afrikanischen Kontinents gesetzten Erwartungen. Der Kontinent erschien als ein wichtiger Produzent agrarischer und mineralischer Rohstoffe, dessen Anteil an der Weltproduktion bestimmter Rohstoffe beträchtlich war.585 Hinzu kamen im Energiesektor die Perspektiven, die die bereits bekannten Erdölvorkommen in Gabun, Nigeria und Angola sowie die Uranvorkommen im belgischen Kongo ebenso wie das als beträchtlich eingeschätzte Potential des Kontinent für die hydro-elektrische Energiegewinnung eröffneten. Schließlich erwartete man auch die Entstehung expandierender Absatzmärkte für Europa in dem Kontinent.586 Nach Einschätzung Gambellis überwog vorerst jedoch das politische Interesse an Afrika.587 Im Zentrum des Memorandums vom 16. Dezember 1960, das die Motive und Grundsätze einer Afrikapolitik der EWG darlegte,588 stand eine Entwicklungspolitik, die sich in den Common Aid Effort einfügen sollte, in dem die US-Regierung die westlichen Geberländer zu einen trachtete.589 Zugunsten des von ihr verfochtenen regionalen Ansatzes führte die Kommission u. a. an, dass die Konzentration auf bestimmte Regionen, eine zu starke Zersplitterung der Kräfte der westlichen Geber vermeide. Die Nachbarschaft Europas zu Afrika verpflichte die EWG zu einer Aktion in diesem Kontinent, während die USA bessere Interventionsmöglichkeiten in Lateinamerika und Großbritannien in Südostasien hätten. Die Assoziierung sollte zum Ausgangspunkt einer vorrangig, wenn auch nicht exklusiv auf Afrika konzentrierten Entwicklungspolitik der EWG werden.
4.2. Die EWG als neuer Akteur in Afrika Um in Afrika Fuß zu fassen, war es für die EWG-Kommission wichtig, sich eine Identität zu schaffen und sich als eigenständiger Akteur neben der französischen und belgischen Kolonialmacht zu etablieren, wie der deutsche Generaldirektor Allardt anlässlich des Afrika-Wirtschaftstages der Deutschen Industriemessen in Hannover erläuterte:
„Die EWG kann allerdings ihre große Aufgabe auf diesem Gebiet [der europäischen Hilfeleistung in Afrika, Anm. d. Verf.] nur dann erfüllen, wenn es ihr gelingt, sich als echte supranationale Organisation zu konstituieren; andernfalls 584 585
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Vgl. HALLSTEIN: Europäische Afrikapolitik, Universität Tübingen 5.5.61, S. 263; Discours de Gambelli à l’Institut universitaire de Mogadiscio, 1960, in: BAC 25/1980 1429. Anteil Afrikas an der Weltproduktion bestimmter Rohstoffe nach GD VIII, Propositions pour une politique de la Commission vis-à-vis de l’Afrique, 29.10.59: Kakao 75%, Palmkohl 75%, Palmöl 65%, Sisal 58%, Diamanten 99%, Kobalt 81%, Gold 59%, Antimon 47%, Brom 40%, Mangan 30% Phosphate 32% Kupfer 27%. Vgl. EWG-Kommission, GD VIII, Mémorandum: Politique de la Communauté Economique Euro-péenne vis-à-vis de l’Afrique, nicht datiert. Vgl. Gambelli: Rapport sur une politique d’association, 15.9.60. Vgl. Mémorandum pour une politique africaine de la CEE, 16.12.60. Siehe Teil C, Kap.4.5. Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik
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gerät sie in Gefahr, in den assoziierten Gebieten – und nicht nur dort – als Exekutivorgan einzelner Regierungen angesehen und in ihrem Bemühen, etwas Neues zu schaffen, etwas, was neben den direkten Beziehungen zwischen Überseegebiet und Mutterland seinen gültigen Bestand hat, von vornherein diskreditiert zu werden.“590 Daher bemühte sich die Kommission direkte Kontakte zu den Assoziierten herzustellen. Bereits im Mai 1958 war Kommissar Lemaignen während der Einweihung einer Brücke in Abidjan erstmalig mit Repräsentanten der assoziierten Länder zusammengetroffen.591 Im Dezember 1958 unternahmen Generaldirektor Allardt und weitere Kommissionsbeamte eine erste Reise nach Französisch-Westafrika, Liberia, Ghana sowie zur Französischen Somaliküste, nach Italienisch-Somalia, Madagaskar und auf die Komoren.592 In den folgenden Jahren intensivierte die Kommission ihre Reisetätigkeit in Afrika. Während der Kolonialzeit meldete die Kommission Reisen ihrer Beamten und Mitglieder bei der französischen Regierung an, deren Secrétariat Général du Comité Interministériel pour les Questions de Coopération Economique Européenne (SGCI) die Reisevorhaben prüfte.593 Gegen die Reisen von EWG-Beamten, die der Begutachtung von Investitionsprojekten, der Beratung der zuständigen Behörden hinsichtlich der Projektanträge und der Finanzierungsmöglichkeiten des EEF, aber auch der Prospektierung geeigneter Projekte dienten,594 wurden von französischer Seite im Allgemeinen keine Einwände erhoben. Vorbehalte bestanden aber gegen die Reisen allgemeineren Charakters, die der Kommissar, der Generaldirektor und die Direktoren der GD VIII unternahmen. So protestierte die französische Regierung 1960 gegen die Gespräche, die Allardt und van der Lee mit der togolesischen Regierung geführt hatten.595 Im Januar 1960 machte die französische Regierung wenige Tage vor der Abreise Kommissars Lemaignen nach Afrika Bedenken gegen seinen Besuch in Mali geltend, da sie eine Störung ihrer Verhandlungen mit der malischen Regierung befürchtete. Lemaignens Besuch in Mali wurde schließlich 590 591 592
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Allardt, Aufgaben und Ziele der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Afrika, Vortrag anlässlich des Afrika-Wirtschaftstages der Deutschen Industriemessen, Hannover, 30.4.59, in: PAAA, B 20/235. Vgl. Erster Gesamtbericht (1958), S. 111; DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 24. Vgl. Zweiter Gesamtbericht (1959), S. 138; Schreiben Raymond Bousquet, Ambassadeur de France en Belgique, à Son Excellence Monsieur le Ministre des Affaires Etrangères, a.s. Déclaration de M. Allardt sur l´ association des territoires d´ outre-mer au Marché commun, 29.12.58, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94; Deutsche Botschaft Dakar, Betr.: Besuch der EWGDelegation unter Leitung des Botschafters Dr. Allardt in den westafrikanischen Staaten des Französischen Kulturkreises, 4.3.59, in: PAAA, B 20/234. Vgl. z. B. Note verbale à la Représentation Permanente de la France, 28.1.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429; Note verbale, 16.12.60, in: Ebd., 1376; Schreiben des Außenministers an den Ständigen Vertreter Frankreichs bei den Europäischen Gemeinschaften, Betr.: Mission en Afrique de M. Gambelli, 5.9.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94. Vgl. Schreiben des Ständigen Vertreters Frankreichs an Außenminister, Betr.: Association de l’Outre-Mer à la C.E.E., 25.10.58, in: MAE, dece 721; vgl. zum technischen Charakter dieser Reisen z. B.: Copie d’une lettre envoyé par M. Wintringer actuellement en mission au CongoBelge, 15.2.60, in: BAC 25/1980 1429; CEE, Commission: Rapport de mission en République du Congo-Brazzaville et en République Centrafricaine du 8 au 29 août 1961, 5.9.61, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94. Vgl. Gorse, Ständiger Vertreter bei den Europäischen Gemeinschaften, an Außenministerium, 18.5.60, in: MAE, dece 734.
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möglich, weil der französische Hohe Kommissar in Bamako den EWG-Kommissar auch zu seinem Treffen mit Mitgliedern der malischen Regierung begleitete.596 Ohnehin gehörte zur Praxis der Kommissionsreisen, dass die französische Regierung die EWG-Delegationen von Kolonialbeamten begleiten ließ. Die sich zu Beginn der 60er Jahre vervielfachenden Reisemissionen der EWG-Kommission in die assoziierten Länder stellten auch einen Ersatz für die ihr fehlenden Ständigen Vertretungen vor Ort dar. Die Frage, Ständige Vertretungen der EWG in den assoziierten Ländern zu errichten, beschäftigte die EWG seit 1960, war Gegenstand der Assoziierungsverhandlungen 1961/62 und wurde auch darüber hinaus immer wieder aktuell. Die Mitgliedstaaten waren jedoch nicht bereit, der Kommission eine eigene Vertretung in den afrikanischen Ländern zuzugestehen.597 Auch die Öffentlichkeit, die die Frage während des Jahres 1961 in der Presse und auf der europäisch-afrikanischen Parlamentarierkonferenz in Straßburg erlangte598 konnte die Mitgliedstaaten nicht umstimmen. Insbesondere Frankreich war gegen eine „Institutionalisierung“ der Gegenwart europäischer Beamte in den afrikanischen Ländern und sprach sich stattdessen für zeitlich begrenzte Missionen technischen Charakters aus, um der Aktivität der Kommission in Afrika einen „caractère très technique et pragmatique“599 zu verleihen. Wie gering die Chancen der Kommission waren, Ständige Vertretungen in Afrika zu errichten, zeigt das Beispiel der Organisation Africaine et Malgache de Coopération Economique (OAMCE), zu der sich zwölf assoziierte Staaten 1961 zusammengeschlossen hatten.600 Die Kommission konnte sich mit ihrer Forderung nach einer Vertretung bei dieser internationalen Organisation nicht durchsetzen, stattdessen schlossen sich die Delegationen der Mitgliedstaaten dem italienischen Vorschlag an, einen Verbindungsmann zum Generalsekretariat der OAMCE von den Botschaftern der Mitgliedstaaten vor Ort bestellen zu lassen.601 Die Kommis596 597
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Vgl. Schreiben Lemaignens an Hallstein, 12.1.60, in: BA Koblenz, N 1266/1885; Telegramm des Hohen Kommissars in Bamako, 26.1.60, in: 19880053 SGCI, Art. 94. Erstmals hatten die Experten einer Ratsarbeitsgruppe, die Ende 1960 Möglichkeiten zur Beschleunigung des EEF prüfte, einen derartigen Vorschlag der Kommission abgelehnt und sich stattdessen für eine Erweiterung der zeitweiligen Missionen der EWG-Kommission in Afrika ausgesprochen. Vgl. EWG-Missionen in Afrika, in. Basler Nachrichten, 4.8.61; Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten der Afrikanischen Staaten und Madagaskars (Straßburg, 19. bis 24 Juni 1961), Verhandlungen, Ausführliche, Exposé von Robert Lemaignen, 22.6.61, S. 136. Schreiben des SGCI an Boegner, Ständige Vertretung Frankreichs in Brüssel, Betr.: Renouvellement de la convention d’Association des PTMOA à la CEE – Envoi de fonctionnaires du FEDOM dans les Etats associés, 13.3.62, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94. Vgl. Vertrag über die Errichtung einer Afrikanisch-Madagasssischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, in: Europa-Archiv, Folge 16 (1961), D.481-D.484; Schlusskommuniqué der Konferenz der Staatschefs Afrikanischer Staaten und Madagaskars in Jaunde vom 28.3.61, in: EA, Folge 16 (1961), D.477/78. Die OAMCE, der die Entente-Staaten (Elfenbeinküste, Dahomey, Niger, Obervolta), die Staaten der äquatorial-afrikanischen Zollunion (Gabun, Kongo, Tschad, Zentralafrika), Kamerun, Senegal, Mauretanien und Madagaskar angehörten, stellte eine umfassendsten wirtschaftlichen Kooperationsformen auf dem afrikanischen Kontinent dar. CEE, Commission, Secrétariat, Note pour M. Rochereau, Objet : Liaisons avec l’OAMCE, 27.11.62, in: BAC 25/1980, 227; EWG, Rat, Ausschuss der Ständigen Vertreter, Entwurf einer Kurzniederschrift über die Sitzung im engeren Rahmen anlässlich der 255. Tagung 2./3./6./7. Mai 1963, 15.5.63, in: Ebd. Vgl. allgemein zu den Außenbeziehungen der EWG 1958 bis 1963: CALANDRI, Elena: To be or not to Be: the external role of the EEC, 1958-1963, in:
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sion entschied sich daher, wie der Kommissionspräsident dem Europaparlamentarier Marinus van der Goes van Naters mitteilte, der sich 1962/63 der Kommission als Repräsentant in Afrika empfahl, nicht auf ein Jus Legationis für die assoziierten Länder zu pochen, sondern nach pragmatischen Lösungen zu suchen.602 Eine solche Lösung hatte sich bereits 1961 in Madagaskar abgezeichnet, das Kommissar Lemaignen zu einem Testfall erklärt hatte.603 Die Kommission, die ursprünglich geplant hatte, eine Ständige Vertretung in diesem Land zu errichten,604 beließ einen Experten des EEF fünf Monate dort.605 Vor diesem Hintergrund war es für die Kommission wesentlich, die Assoziierten von der Dauerhaftigkeit der zur EWG etablierten Beziehungen zu überzeugen. So betonte Kommissar Lemaignen während seiner Gespräche und Ansprachen in Afrika im März 1960 immer wieder, „que le Marché Commun constituait un phénomène irréversible“.606 Die sich vervielfältigenden direkten Kontakte zwischen den Assoziierten und der EWG trugen zur Etablierung dieser Wahrnehmung bei. Die EWG-Beamten trafen während ihrer Inspektionsreisen vor allem mit Beamten der zuständigen Ministerien und kommunalen Behörden zusammen, aber auch mit Ministern und teilweise sogar Regierungschefs.607 Handelte es sich hierbei um Arbeitstreffen, hatten die Reisen des Kommissars eher den Charakter eines Staatsbesuchs. Lemaignen wurde während seiner Afrikareise im März 1960, die ihn nach Obervolta, Dahomey, Togo und Elfenbeinküste führte, von den afrikanischen Regierungschefs und interessierten Ministern empfangen. So traf er beispielsweise in Obervolta mit Präsident Maurice Yamego, in Dahomey mit dem Premierminister Hubert Maga, in Togo mit Sylvanus Olympio und dem Parlamentspräsidenten Savi de Tové sowie schließlich in Elfenbeinküste mit dem Premierminister Houphouët-Boigny, Finanzminister Raphaël Saller und dem Parlamentspräsidenten, Philippe Yacé, zusammen. Die Kommission nahm verschiedene gesellschaftliche Kräfte in den Blick, die sie als relevant betrachtete. Sie trat mit den interessierten Wirtschaftskreisen in Kontakt, z. B. im Rahmen eines Treffens mit Handelskammern.608 Ein EWG-Be-
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VARSORI, Antonio: Inside the European Community: From the Rome Treaty to the Snake. Baden Baden/Brüssel 2006, S. 399-433. Vgl. Schreiben Hallsteins an van der Goes van Naters, 16.7.63, in: BA Koblenz, N 1266/1235. Vgl. zur Initiative des niederländischen Europaparlamentariers: Schreiben von Van der Goes van Naters an Lemaignen, 19.10.61; Schreiben von van der Goes van Naters an Hallstein, 21.5.63, in: Ebd. Diese Erklärung Lemaignens führte zu einer kleinen Krise mit der französischen Regierung. Vgl. MIGANI, Guia: The Commissioner Robert Lemaignen, S. 154. Vgl. CEE, Commission, DG VIII, Note a/s cooperation Fonds Européen de Développement – Aide publique des Etats-Unis (entretiens à Washington 20-25 février 1961, 6.3.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 213. Vgl. Schreiben des SGCI an Boegner, Ständige Vertretung Frankreichs in Brüssel, Betr.: Renouvellement de la convention d’Association des PTMOA à la CEE – Envoi de fonctionnaires du FEDOM dans les Etats associés, 13.3.62. Vgl. CEE, Note, Mission de M. Lemaignen en Haute-Volta, au Dahomey, au Togo et en Côte d’Ivoire, 4.6.60, in: BAC 25/1980 1429. Vgl. z.B. die Reiseberichte von Kommissionsbeamten von Juli/August 1963, in: Ebd. 1428, insbesondere: Jacques Eugène, DG VIII, objet: Mission en Mauritanie concernant le programme de bourses de la Commission de la C.E.E., 31.7.63; Ders., Mission au Sénégal concernant le pro-gramme de bourses de la Commission de la C.E.E., 1.8.63. Vgl. ebd.. Nicht nur der Kommissar traf auf seinen Reisen mit Regierungschefs zusammen, sondern auch der Generaldirektor und die Direktoren. Das Gespräch, das Allardt beispiels-
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amter nahm im Mai 1960 an einer gewerkschaftlichen Tagung, die von der Union Panafricaine des Travailleurs Croyants (UPTC) veranstaltet wurde, in Cotonou (Dahomey) teil, auf der eine Resolution zum Gemeinsamen Markt verabschiedet wurde.609 Schon im Dezember 1959 war die Kommission in Brüssel mit afrikanischen Gewerkschaftsführern der CISL610 und der CISC611 zusammengetroffen.612 Doch nicht nur die sich so etablierenden persönlichen Beziehungen zwischen den Assoziierten und der EWG-Kommission waren wichtig, sondern auch diejenigen zu den französischen Kolonialadministratoren und Entwicklungshelfern, die nach der Unabhängigkeit oftmals als Berater für die afrikanischen Regierungen tätig wurden. Angesichts der Vorbehalte, die diese teilweise gegen die Tätigkeit der EWG hegten,613 galt es, sie davon zu überzeugen, dass die EWG und Frankreich in Afrika nicht konkurrierten, um sie für die Assoziierung zu gewin-
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weise im Januar 1959 mit dem guineischen Regierungschef Sékou Touré führte, hatte durchaus politische Bedeutung. Er schlug Sékou Touré ein Verfahren vor, um die Fortsetzung der Assoziierung einzuleiten. Vgl. Schreiben der Deutschen Botschaft Dakar, Betr.: Besuch der EWG-Delegation unter Leitung des Botschafters Dr. Allardt in den westafrikanischen Staaten des Französischen Kulturkreises, 4.3.59, in: PAAA, B 20/234. Vgl. CEE, Note d’information concernant la mission effectuée par M. Stefanie à la 3ème Session Universitaire Ouvrière Africains à Cotonou, 17.5.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429. Confédération Internationale des Syndicats Libres Confédération Internationale des Syndicats Chrétiens Vgl. CEE, DG VIII, Compte-rendu de la rencontre avec les dirigeants Africains et Malgaches des Syndicats adhérant à la CISC et à la CISL (Bruxelles les 14 & 15 Décembre 1959), 25.2.60, in: Ebd., 1336. Sinn und Zweck dieses Treffens war die Gewerkschaften über die Assoziierung zu informieren, ihre Haltung zu erkunden sowie zu einer Kooperation mit ihnen zu gelangen. Ursprünglich hatte die Generaldirektion VIII die Absicht gehabt, ein Treffen zu organisieren, an dem sowohl die freien und christlichen Gewerkschaften, als auch die den Panafrikanismus repräsentierende Union Générale des Travailleurs d’Afrique Noire (UGTAN) teilnehmen sollten. Da die freien und christlichen Gewerkschaften ihre Weltkongresse 1959 in Brüssel bzw. in Straßburg hatten, entschied die Kommission kurzfristig, nur diese zu einem Treffen einzuladen. Vgl. hierzu: Van der Lee, Note à l’attention de M. Lemaignen, objet: Rencontre à Bruxelles des leaders africains et malgaches de certaines organisation syndicales, 19.10.59; Allardt, Note à l’attention de M. Lemaignen, objet: Rencontre à Bruxelles des leaders africains et malgaches de certaines organisation syndicales, 7.9.59, in: Ebd.. Von Interesse waren die Gewerkschaften für die Kommission insbesondere aufgrund ihrer politischen Bedeutung, die sie ihrer Rolle in den Unabhängigkeitsbewegungen verdankten, und ihres in die Schichten der Arbeiter und Angestellten hineinreichenden Einflusses. Dennoch stellte auch die gewerkschaftlich organisierte Arbeiterschaft in den afrikanischen Ländern letztlich eine privilegierte Minderheit dar. Vgl. zur Wahrnehmung der Bedeutung der Gewerkschaften für den Panafrikanismus: Umberto Stefanie, DG VIII, Note à l’attention de M. van der Lee, objet: Deuxième Conférence des Peuples Africains (Tunis, 25 – 31 janvier 1960), 8.2.60, in: Ebd., 1429. Vgl. zur Bedeutung der Gewerkschaften in Afrika: ANSPRENGER, Franz: Politische Geschichte Afrikas im 20. Jahrhundert. München 1992, S.45/51f./153; COOPER, Frederik: Decolonization and African Society: The Labor Question in French and British Africa. Cambridge 1996, S. 407-431/451-453; GEISS, Immanuel: Gewerkschaften in Afrika, in: SCHRIFTEN DES FORSCHUNGSINSTITUTS DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG, Hannover 1965, S. 155-185; GUITON, R. J.: Die afrikanischen Gewerkschaften, in: EA 15,1 (1960), S. 324 ff. Noch 1963 machte z. B. der Chef der Mission Permanente d’Aide et de Coopération Colombani in Fort-Lamy (Tschad) gegenüber einem EWG-Beamten keinen Hehl aus seinen Vorbehalten gegen die EWG. Vgl. P. Bolomey, DG VIII, Mission à Bangui et à Fort-Lamy, 7.8.63, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1428.
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nen.614 Darüber hinaus trafen die Beamten der EWG-Kommission bei ihren Reisen immer wieder mit den Botschaftern der EWG-Mitgliedstaaten in Afrika zusammen, um deren Haltung zur Assoziierung zu eruieren und die Lage in Afrika mit ihnen zu diskutieren.615 Nach den ersten Afrikareisen hatte in der EWG eine Desillusionierung hinsichtlich der Haltung der Assoziierten zur Tätigkeit der EWG in Afrika um sich gegriffen; Indifferenz und Vorbehalte schienen diese Haltung zu bestimmen. Lemaignen und sein Kabinettschef Ferrandi konstatierten Anfang 1959 im belgischen Kongo eine vollkommene Unwissenheit über die Kommission und ihre Ziele und Mittel in Afrika nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern auch in politischen Kreisen.616 Eine Delegation des Europäischen Parlaments bemerkte während ihrer Afrikareise im Juli 1959 eine Opposition gegen die Assoziierungsidee an sich, die sich aus verschiedenen Quellen speiste.617 Verschiedene Wege wurden beschritten, um dieser Situation abzuhelfen. Einerseits wurden die Reisen ebenso wie andere Formen der Kontaktaufnahme zwischen der EWGKommission und den Assoziierten (Besuche afrikanischer Persönlichkeiten in Brüssel, Konferenzen etc.) zunehmend ritualisiert, d. h., die Kommission wählte bestimmte immer wiederkehrende Formen der Inszenierung von Macht.618 Andererseits entwickelte die EWG-Kommission eine umfassende Strategie, die darauf zielte, über Rundfunk, Fernsehen und Presse die Europäische Gemeinschaft in der afrikanischen Öffentlichkeit sichtbar zu machen, ein Identifikationsangebot mit den Werten und Zielen der EWG für die Assoziierten bereitzustellen und darüber Sympathie mit ihr zu evozieren und sie schließlich gegen die Kritik des Ostens und einiger afrikanischer Länder in Schutz zu nehmen.619 Die in den assoziierten Ländern bestehenden Vorbehalte wurden überwiegend auf einen Mangel an Information über die EWG und die Assoziierung im Besonderen zurückgeführt.620 Eine breit angelegte und sich verschiedener Mittel bedienende Öffentlichkeitsarbeit sollte Abhilfe schaffen.621 Zunächst bediente 614
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Vgl. Schreiben Lemaignens an den Hohen Kommissar in Mauritanien, 4.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1376; Schreiben Lemaignens an den Chef de la Mission Permanente d’Aide et de Coopération in Bamako (Sudan), 8.2.60, in: Ebd. Vgl. z. B. Van der Lee, Note à l’attention de M. Lemaignen, objet: mission au Libéria du 30 janvier au 4 février 1960, 18.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429. Vgl. Ferrandi, Note à l’attention de M. van der Lee, 2.2.59, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1332. Vgl. Jean Duvieusart: Rapport sur les problèmes juridiques et politiques relatifs à l´ association de la Communauté avec les pays et territoires d´ Afrique centrale, Oct. 59. (APE, Doc. no 67 1959), in: MAE, dece 722. Vgl. hierzu: DIMIER, Véronique: The invention of a Directorate General for development (19581975), in: SMITH, Andy (Hg.): Politics and the European Commission. Actors, interdependence, legitimacy. London/New York 2004. S. 84 ff. Vgl. hierzu: Studie des Institut Français d’ Opinion Publique (IFOP) von 1965 [5044/PI/65-F], in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1678. Auch die französische Kolonialmacht schien Ziel und Zweck des Gemeinsamen Marktes in Afrika zu verschleiern. Der togolesische Ministerpräsident beklagte sich gegenüber der Bundesregierung über die unzureichende Unterrichtung seitens der französischen Regierung, die ihn zu seinem stärkstem Misstrauen gegenüber der Gemeinschaft geführt habe. Vgl. Fernschreiben aus Lomé an AA, Betr.: Einstündige Unterredung mit Ministerpräsident Olympio, 19.12.59; AA an Vertretung der BRD bei EWG/EAG, 23.12.59, in: PAAA, B 20/241 Vgl. Schreiben des Ständigen Vertreters der BRD an GD Allardt, 11.2.60, in: BAC 25/1980 1678. Im November 1959 hatte Lemaignen auf dem Kolloquium mit dem Europäischen Par-
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sich die EWG Presse und Rundfunk in den assoziierten Ländern, um ihre Tätigkeit bekannt zu machen. Über Projekte des Entwicklungsfonds berichteten Zeitungen wie BULLETIN DE L’AGENCE FRANCE PRESSE in Niamey, LA PRESSE DU CAMEROUN in Douala-Yaoundé, LE COURRIER D’AFRIQUE in Léopoldville, LA PRESSE AFRICAINE in Bukavu, regierungsoffizielle Organe wie die vom Innenministerium der Elfenbeinküste herausgegebene CÔTE D’IVOIRE-INFORMATION und Parteizeitungen wie FRANCE-EQUATEUR, die Zeitung der Partei von Youlou Fulbert in Brazzaville. AGENCE FRANCE PRESSE versorgte darüber hinaus durch ihr BULLETIN AFRIQUE die Gesamtheit der Rundfunksender und Pressedienste jedes assoziierten Landes.622 Die Fachzeitschrift MARCHÉS TROPICAUX bot der Kommission ein Forum, mit dem sie sowohl afrikanische Eliten als auch französische Geschäftskreise erreichen konnte. Eine spezielle Seite zur Assoziierung, COURRIER DE BRUXELLES, informierte über vom EEF finanzierte Projekte, Reden und Pressekonferenzen der Generaldirektion VIII und ihres Kommissars wurden publiziert, im Dezember 1959 gar eine Spezialausgabe der Assoziierung gewidmet.623 Darüber hinaus wurde auch Brüssel zu einem Zentrum der Begegnung zwischen EWG und den Assoziierten: Afrikanische Persönlichkeiten machten Gegenbesuche in Brüssel, ein Praktikantenprogramm ermöglichte Beamten der assoziierten afrikanischen Regierungen Einblicke in die EWG-Kommission, Informationstagungen boten die Möglichkeit mit weiteren gesellschaftlichen Kräften der assoziierten Länder in Kontakt zu treten.624 Schon früh fasste die Kommission den Plan Studien- und Informationsreisen nach Europa zu veranstalten, um Personen des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Lebens mit der EWG bekannt und vertraut zu machen. Dabei beabsichtigte die Kommission solche Personen einzuladen, die zu Multiplikatoren der Idee der Assoziierung in ihren Ländern werden konnten.625 Die Kommission hatte einen weiten Personenkreis ins Auge gefasst, der nicht nur Politiker, sondern auch Beamte, Gewerkschaftsführer, Repräsentanten freier Berufe etc. umfassen sollte.626 Zu den 18 Teilnehmern zählten
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lament in Aussicht gestellt, dass sich die Kommission einer lebhafteren Informationstätigkeit der EWG in den überseeischen Ländern und Gebieten annehmen würde. Vgl. Schreiben Allardts an Ophüls, Ständiger Vertreter der BRD in Brüssel, 25.3.60, in: Ebd. Vgl. DIMIER, Véronique: The invention of a Directorate General for Development, S. 89 f.; DIES.: Du bon usage de la tournée: propagande et stratégies de légitimation au sein de la Direction Générale Développement, Commission Européenne (1958-1970), in: POLE SUD, n° 15 (novembre 2001), S. 26. Vgl. Zweiter Gesamtbericht (1959), S. 138; Vierter Gesamtbericht (1961), S. 148 f., 158 f.; Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 222-225; Sechster Gesamtbericht (1963), S. 237-240. Vgl. GD VIII, Aktenvermerk über das Programm „Studien- und Informationsreisen für Angehörige der überseeischen Länder und Gebiete“, 26.11.58, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1332. Vgl. Compte-rendu de la séance de travail tenue sous la présidence de M. Van der Lee (Paris, 22.12.58), 7.1.59, in: Ebd. Neben den drei oben genannten nahmen 15 weitere Personen teil: Yacouba Djibou (Minister für Viehzucht, Niger), Adom Tschéré (Minister für Landwirtschaft, Tschad), Pene Sengha Hemery (Mitglied des Regierungs-Rates, Kongo-Léopoldville), Michel Kayihura (Vizepräsident des Landes-Rates, Ruanda), Bihumugani Léopold (Vizepräsident des Hohen Rates von Urundi), Rajaobelina (Kabinettsdirektor beim Wirtschaftsminister, Madagaskar), Maud (Kabinettsdirektor des Ministers für Landwirtschaft, Elfenbeinküste), Louis Yaitara (Kabinettsdirektor beim Handelsminister, Sudan), Amanlan Kassy (Sekretär der UGTAN, Elfenbeinküste), M’Ba Ephrem (Stellvertretender Präsident der Kammer für Landwirtschaft, Viehzucht und Forsten, Kamerun), Mohamed Farah Siad (Attaché im Kabinett der italienischen Verwaltung, Italienisch Somaliland), Samory Ould Biyah (Adjudant des Kommandanten von Aksoust, Mauretanien), Aidara Mansour (Beamter bei der Ausgleichskasse in
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zahlreiche Mitglieder afrikanischer Regierungen, u. a. Coco Hospice, Wirtschaftsminister der Republik Togo, der gabunsche Gesundheitsminister Maurice Jourdan und der Industrie- und Handelsminister Obervoltas, Sibiri Salambre. Nach einem kurzen Seminar mit der Generaldirektion VIII in Brüssel führte diese vom 2. bis 24. März dauernde Studien- und Informationsreise die Teilnehmer durch die EWG-Mitgliedstaaten. Die Reise wurde ein Erfolg. Die Teilnehmer besichtigten Industrieunternehmen und trafen mit Ministern und an Afrika interessierten Kreisen zusammen, ein ursprünglich geplantes Kolloquium über Europa und Afrika in Luxemburg wurde aber abgesagt.627 Diese Studien- und Informationsreise wurde zum Ausgangspunkt für das Stipendien- und Praktikantenprogramm der Kommission. Insbesondere dem letzteren maß die Kommission besondere Bedeutung bei. Sie nahm nur Kandidaten in das Programm auf, die von den afrikanischen Regierungen empfohlen worden waren. Von den 46 Praktikanten, die die Kommission bis zum 30. Juni 1963 ausbildete, wurden acht in den Vertretungen ihrer Länder bei der EWG tätig, fünf weitere erlangten die Stellung eines Direktors oder stellvertretenden Direktors in den mit der Assoziierung befassten Ministerien ihrer Länder.628 Mit diesem Programm verfolgte die Kommission zwei wesentliche Ziele. Den assoziierten Regierungen sollten Einblicke in die Kommission gewährt werden, um mittels dieser Transparenz etwaige Vorbehalte zu zerstreuen – eine offensichtlich erfolgreiche Strategie.629 Weiterhin wollte die Kommission ein personelles Netzwerk zwischen ihrer und den Administrationen der assoziierten Staaten schaffen, das auf persönlichen Beziehungen zu den EWG-Beamten und unter den Praktikanten selbst aufbauen sollte. Deshalb intendierte das Programm einen Korpsgeist unter den Praktikanten zu stiften, der auch über das Praktikum hinaus Bestand haben sollte. Briefe der EWG-Kommission an ehemalige Praktikanten und Kontakte mit EWG-Beamten während deren Afrikareisen sollten diesen Geist
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Brazzaville, Kongo), Moise Gbehou (Adjudant des Kommandanten von Porto Novo), Mahmoud Haid. Zählt man die drei Begleiter der EWG, die zwei Begleiter aus Frankreich sowie die zwei Dolmetscher hinzu, reisten insgesamt 25 Personen durch die Mitgliedstaaten. Vgl. Carl Duisberg-Gesellschaft für Nachwuchsförderung e.V., Liste der Teilnehmer an der Studien- und Informationsreise für Angehörige der assoziierten überseeischen Länder und Gebiete in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 12. bis 17. März 1959, in: Ebd., 1333. Einige Regierungschef, darunter Apithy, Mamadou Dia und Houphouet-Boigny, wurden als Redner zum geplanten Kolloquium eingeladen. Vgl. Van der Lee, Note pour M. le Président Lemaignen, 3.3.59, in: Ebd. Die Kommission arbeitete für die Organisation dieser Studienreise u. a. mit dem französischen Kolonialministerium, der Deutschen Afrikagesellschaft, der Carl-DuisbergGesellschaft, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Campagne Européenne der la Jeunesse, Shell und Bayer zusammen. Die Reisenden wurden in der BRD vom Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats und der Länder, H.J. von Merkatz, empfangen. Vgl. Schreiben Lemaignens an den Ministre de la France d’ Outre-Mer, 1.1.59; Schreiben Lemaignens vom 13./14.Mai an Wigny (belgischer Außenminister), Merkatz (Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats und der Länder), Gerstenmaier (Deutsche Afrika-Gesellschaft), Splett (Deutsche Afrika-Gesellschaft), Carl-Duisberg-Gesellschaft, Jacques Eugène (Campagne Européenne de la Jeunesse), Shell, Bayer, in: Ebd.. Vgl weiterhin auch: Dimier.: Du bon usage de la tournée, S. 23 f. Vgl. CEE, Commission, DG VIII, Aide-mémoire sur les stages pour ressortissants des Etats, Pays et Territoires d’outre-mer associés, 15.7.63, in: BA Koblenz, B 213/1109. Vgl. Ständiger Vertreter Frankreichs in Brüssel an Außenminister: Stages organisés par la C.E.E. en faveur de ressortissants des pays d´ Outremer, 9.6.60, in: MAE, dece 722.
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weiter tragen.630 Nicht nur zu den Angehörigen des Öffentlichen Dienstes suchten die EWG-Beamten den Kontakt, sondern auch zu ehemaligen Stipendiaten aus dem privaten Sektor und interessierten sich für deren Werdegang.631 Weiterhin veranstaltete die Kommission Kolloquien und Informationstagungen, die es ihr erlaubten, mit weiteren in den Blick genommenen Zielgruppen der assoziierten Länder in Kontakt zu treten.632 Auch die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, namentlich mit dessen Assoziierungsausschuss,633 verlieh der Tätigkeit der Kommission nicht nur Transparenz, sondern erweiterte die Basis der Kontakte. Im Einvernehmen mit der EWG-Kommission reisten auch die Parlamentarier nach Afrika und dokumentierten somit das Interesse der EWG an den assoziierten Ländern.634 Schon bald versuchte das Parlament darüber hinaus, das Assoziierungsverhältnis mitzugestalten und unternahm eigene Initiativen, wie die zur europäisch-afrikanischen Parlamentarierkonferenz von Straßburg 1961. Die Methoden der Kommission zeitigten Erfolge. Die Deutsche Botschaft in Dakar berichtete nach der Afrikareise des Generaldirektors 1958, „dass es Dr. Allardt auf dieser Reise gelungen ist [...] das hier in afrikanischen Kreisen bestehende Misstrauen gegen den Gemeinsamen Markt weitgehend zu zerstreuen.“635 Auch die Reisedelegation, die unter Leitung Kommissars Lemaignen im März 1960 die Elfenbeinküste, Obervolta, Togo und Dahomey bereiste, bemerkte, dass sich die ursprünglich afrikanischerseits gehegten Vorbehalte ins Gegenteil verkehrt hatten: „[U]ne confiance certaine s’est manifestée concernant l’œuvre de la Communauté Economique Européenne, jointe à un loyal esprit de collaborati-
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Vgl. Aide-mémoire sur les stages, 15.7.63. Ob es tatsächlich gelungen ist, ein System informeller Kontakte oder gar ein Netzwerk zu schaffen, kann und soll hier nicht weiter analysiert werden. Vgl. z. B. Jacques Eugène, GD VIII, objet: Mission au Sénégal concernant le programme de bour-se de la Commission de la C.E.E., 1.8.63, in: BAC 25/1980 1428. Vgl. Vierter Gesamtbericht (1961), S. 159, 224 f.; Sechster Gesamtbericht (1963), S. 237-240. Schon sehr früh entwickelte sich eine Zusammenarbeit zwischen Assoziierungs-Ausschuss und EWG-Kommission, die auf eine Sitzung dieses Ausschusses vom 16. Juni 1958 zurückgeht. Der Vorsitzende des Ausschusses Scheel, der spätere Vizekanzler und Außenminister in der Koalitionsregierung Willy Brandts, und der zuständige Kommissar Lemaignen verständigten sich über eine Zusammenarbeit im Bereich der Investitionspolitik. Man erkannte allgemein die Notwendigkeit einer ständigen gegenseitigen Konsultation in allen Assoziierungsfragen, vgl.: Europäisches Parlament, Assoziierungs-Ausschuss, Sitzungsprotokoll, Düsseldorf 16.8.58, in: BAC 19/1969, 105. Zu den Mitgliedern des Ausschusses zählten z.B.: Jean-Hilaire Aubame (Vizepräsident, MRP, Abgeordneter aus Gabun), Fernand Dehousse (B, Sozialist), Hamani Diori (Mitbegründer der RDA, seit Dezember 1958 Regierungschef in Niger), Jean Duvieusart (B, Christlichsozialer), Ludwig Metzger (BRD, SPD), Alain Peyrefitte (F, Gaullist), Goes van der Naters (NL, Sozialist). Vgl. ebd.. Vgl. weiterhin z.B. Schreiben des Secrétaire Général de la Communauté an den Secrétaire Général du Comité Interministériel pour les questions de Coopération Economique Européenne, Betr.: Mission de parlementaires européens en Afrique, 18.8.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94; Telegramm aus Brüssel, 12.9.59, in Ebd. Deutsche Botschaft Dakar, Betr.: Besuch der EWG-Delegation unter Leitung des Botschafters Dr. Allardt in den westafrikanischen Staaten des Französischen Kulturkreises, 4.3.59, in: PAAA, B 20/234. Vgl. auch: Communauté Européenne, La Communauté Européenne prend contact avec l’Afrique. Une déclaration faite de M. Helmut Allardt, in: L´ Economie – Paris, 1.1.59, in: Ebd., 230.
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on.“636 1961 schließlich schien die Assoziierung Realität im Denken der politischen Führer der assoziierten Staaten geworden zu sein.637 Dennoch stießen die Bestrebungen der Kommission, in Afrika Fuß zu fassen, auch auf Grenzen. Letztlich richteten sie sich an eine Elite, d.h. an für Führungspositionen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik prädestinierte Personen, die sich durch einen westlich geprägten Lebensstil und Bildungsstand von der Masse der Bevölkerung abhoben. Eine Studie des Institut Français d’Opinion Publique, die 1964 in Senegal, Elfenbeinküste, Kamerun, Togo und Ghana mittels einer Umfrage in städtischen Ballungsräumen und auf dem Land den Bekanntheitsgrad der EWG evaluieren wollte, kam zu folgenden Ergebnissen:638 Ungefähr ein Drittel der Bevölkerung in den Hauptstädten und Städten sowie zwischen 4 und 14% der Bevölkerung im Landesinneren hatten schon einmal vom Gemeinsamen Markt gehört. In Senegal und Elfenbeinküste war der EEF weniger bekannt, in Kamerun genauso bekannt und in Togo bekannter als der Gemeinsame Markt. Nur zwischen 2 und 5% der Befragten hatten aber schon von der Assoziierung zwischen der EWG und den 18 afrikanischen Staaten und Madagaskar gehört. 7 bis 10% der befragten städtischen Bevölkerung, die schon einmal von der EWG gehört hatten, konnten mehr oder weniger exakt definieren, was die EWG ist, auf dem Land lag der Anteil bei ungefähr einem Prozent. Zu denjenigen, die Auskunft über die EWG geben konnten, zählten überwiegend Personen, die eine Schulbildung genossen hatten und sich in Presse und Rundfunk regelmäßig informierten. Die exaktesten Erklärungen gaben Schüler, Studenten, Angestellte im Dienstleistungssektor und Führungskräfte.
4.3. Die franko-afrikanischen Beziehungen und die Assoziierung Auch Paris wollte der Aktion der EWG-Kommission auf dem afrikanischen Kontinent, die mit Vorbehalten beobachtet wurde,639 Grenzen setzen. Das Unbehagen, das die französische Regierung und die Administratoren vor Ort gegenüber der Öffnung des Kolonialreichs für die EWG hegten, blieb weder der Kommissi-
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Note, Mission de M. Lemaignen en Haute-Volta, au Dahomey, au Togo et en Côte d’Ivoire, 4.5.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429. EWG-Kom: Note à l’attention de M. le Président Lemaignen s/c de M. le Directeur Général et de M. van der Lee, objet: Mission en Afrique équatorial au sujet de stages et de bourses, 25.7.61, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94. Vgl. Studie des Institut Français d’Opinion Publique (IFOP) von 1965 [5044/PI/65-F]. Die Studie beruhte auf der Befragung von 2000 erwachsenen, afrikanischen Männern und Frauen in den jeweiligen Ländern zwischen März und Juni 1964. Dabei wurden jeweils 1000 Einwohner in den Hauptstädten, 500 in anderen Städten und weitere 500 im Landesinneren ausgewählt. Folgende Fragen zur EWG lagen der Untersuchung zugrunde: 1. Avez-vous entendu du Marché Commun ou de la Communauté Economique Européenne? 2. Si «oui», qu’est-ce que c’est? 3. Avez-vous entendu du Fonds Européen de Développement? 4. Comment en avez-vous entendu parler? 5. Savez-vous quels pays financent le Fonds Européen de Développement? Vgl. Schreiben des französischen Ständigen Vertreters an den Außenminister, Betr.: Attitude de la Commission du Marché Commun à l’égard des autorités locales des pays et territoires d’Outre-Mer, 20.10.58, in: MAE, dece 721.
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on noch den europäischen Partnern verborgen.640 In Brüssel und Bonn entstand der Eindruck, dass Paris eine gewisse Trennwand zwischen die Gemeinschaft und den assoziierten Ländern einzuschieben versuche. Das Auswärtige Amt bemerkte anlässlich eines Besuchs afrikanischer Delegationen im Rahmen des EWG-Programms Studien- und Informationsreisen in Bonn: „[Der] Gesamteindruck ist der, daß, was mir Herr Allardt bestätigte, unsere französischen und belgischen Partner uns in dieser ganzen Geschichte sehr misstrauen.“641 Im Mai 1959 kam es im Europäischen Parlament zu einer Kontroverse, als der französische UNR-Abgeordnete Christian de la Malène seine Sicht auf die Rolle, die die EWG in Afrika zu spielen hatte, kundtat. Der langjährige Sekretär de Gaulles sprach sich im Assoziierungsausschuss gegen Reisen der Kommission nach Afrika aus, da örtliche französische Stellen die technische Vorbereitung der Ausschreibungen und Investitionen bewältigen könnten. Auch fielen der Kommission keine wirtschaftspolitischen oder politischen Aufgaben in Afrika zu. Schließlich stehe eine Ausweitung der Tätigkeit der EWG-Kommission auf den gesamten afrikanischen Raum nicht zur Debatte.642 Dieser Beitrag offenbarte auch Tendenzen innerhalb der französischen Regierung, schließlich stand der Parlamentarier dem Premierminister nahe. Offensichtlich wollte die Regierung Debré Frankreich eine Scharnierfunktion in den Beziehungen zwischen der EWG und den Assoziierten sichern, die Rolle der EWG-Kommission auf die eines technischen Exekutivorgans beschränken und schließlich in den assoziierten Ländern die Wahrnehmung etablieren, dass die EWG-Hilfe eine über Frankreich vermittelte sei. Dagegen regte sich auch in Frankreich Widerspruch. So verliehen einige Senatoren während einer Debatte über Europa und Afrika den eurafrikanischen Perspektiven, die sie mit der Assoziierung verbanden, Ausdruck: „C’est l’honneur de la France d’être le ciment fédérateur de cette association. [...] [C]’est parce que la France et l’Afrique restent profondément attachées mais c’est aussi parce que l’association Europe-Afrique peut représenter cette troisième force politique et économique qui sera dans l’avenir le meilleur garant de la paix.“643 Der französische Außenminister Couve de Murville betonte demgegenüber, dass die Entwicklungen in Afrika noch im Fluss seien und daher noch keine Klarheit herrsche, wie die Beziehungen zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten zu gestalten seien.644 Gerade vor dem Hintergrund der sich ab-
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Vgl. AA, Ref. 200, Aufzeichnung für Treffen Adenauer – De Gaulle, 2.3.59, in: PAAA, B 20/234; Schreiben VLR Hartlieb, Auswärtiges Amt, an Generaldirektor Allardt. 10.3.59, in: Ebd.; Schreiben Allardts an Hartlieb, 25.3.59, in: Ebd.; Afrika braucht nicht verloren zu gehen, in: Bonner Bericht, Nr. 11, 12.3.59. AA, Ref. 200 an MD Carstens, Betr.: Besuch afrikanischer Delegationen, 17.3.59, in: Ebd. Vgl. Europäisches Parlament, Ausschuss für Fragen der Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete, Protokoll der Sitzung vom 6. Mai 1959, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 106; Vertretung der BRD bei der EWG und EAG an Auswärtiges Amt, Betr.: Frankreich; Überseeische assoziierte Gebiete, 16.6.59, in: PAAA, B 20/235. Jacques de Maupeou, 17.11.59. Auszug aus der Debatte des französischen Senats vom 17.11.59, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 16. Vgl. Couve de Murville im Senat, 17.11.59, in: Ebd.
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zeichnenden Unabhängigkeit der afrikanischen Länder sollte die französische Regierung der exklusive Gesprächspartner der Afrikaner bleiben.645 Frankreich schloss zwischen 1960 und 1963 mit seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien Kooperationsabkommen, um seine Präsenz und seinen Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent auch in der postkolonialen Zeit zu sichern.646 Das bilaterale Vertragssystem der Kooperation, das die Unmittelbarkeit des kolonialen Herrschaftsverhältnisses ersetzte,647 richtete die wirtschaftlichen und politischen Strukturen des frankophonen Afrika auf die ehemalige Metropole aus und garantierte somit die Kontinuität der franko-afrikanischen Beziehungen.648 Einige Verträge enthielten Texte, die die Beziehungen zur EWG regelten, in anderen fehlte jeglicher Bezug auf die Assoziierung. Staaten wie die Elfenbeinküste, die zunächst nur ihre Unabhängigkeit mit Frankreich verhandelt hatten, wandten sich direkt an Brüssel.649 Im wirtschaftlichen Bereich widersprachen die Kooperationsabkommen zum Teil dem Geist der Assoziierungsbestimmungen. So schlossen die bilateralen Kapitalhilfeabkommen die Hilfe von Seiten anderer Staaten und internationaler Organisationen zwar nicht grundsätzlich aus, schränkten sie aber ein.650 Auf handelspolitischem Gebiet sicherten sich die Kooperationspartner die gegenseitige volle Zollpräferenzbehandlung zu, um den privilegierten Absatz ihrer jeweiligen Produkte zu ermöglichen. Die von bilateralen Gremien, die sich aus Vertretern Frankreichs und des jeweiligen afrikanischen Staates zusammensetzten, beschlossenen Einfuhrprogramme zeitigten diskriminierende Wirkungen, die auch die EWG-Partner Frankreichs betrafen.651 Nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern grundsätzlich erkannte die Kommission
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Vgl. Mille, Représentation Permanente, au SGCI, objet: Relations avec la Communauté Economique Européenne, 5.8.59, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 217. 646 Vgl. hierzu: Ebd., S. 60-66; Jacques Basso: Les accords de coopération entre la France et les Etats africains francophones: leurs relations et leurs conséquences au regard des indépendances africaines (1960-1970), in: Agéron/Michel: L’heure des indépendances, S. 255-284; Scherks: Unabhängigkeit und Souveränität, S. 49-149. Alle ehemaligen afrikanischen Kolonien schlossen mit Frankreich Kooperationsverträge, allerdings nicht alle in allen Bereichen staatlichen Handelns. Selbst Guinea, dessen Beziehungen zu Frankreich angespannt blieben, schloss mit Frankreich am 7. Januar 1959 Kooperationsabkommen in den Bereichen Währung, Handel, Technische Hilfe und kulturelle Zusammenarbeit. Mit seinem Austritt aus der Franc-Zone am 29. Februar 1960 wurden diese hinfällig. Guinea, dessen Regierungschef Sékou Touré übrigens unmittelbar nach der Unabhängigkeit auf die Aufrechterhaltungen enger Bindungen zu Frankreich gehofft hatte, schloss al-lerdings zwischen 1961 und 1963 erneut Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit, Luftverkehr und Technische Hilfe. Lediglich die Republik Togo blieb unter ihrem Regierungschef Sylvanus Olympio auf Distanz zu Paris. Erst unter Präsident Nicolas Grunitzki kamen im Juli 1963 acht Kooperationsverträge zustande. 647 Vgl. BRÜNE: Französische Afrikapolitik, S. 60. 648 Vgl. ebd., S. 65. 649 Vgl. MAE, Note a.s. Accords entre la France et les Etats africains associés à la CEE, 17.8.60, in: MAE, dece 723. Die 1960 geschlossenen Kooperationsabkommen mit Kamerun, Madagaskar, Gabun und Kongo nahmen Bezug auf die Assoziierung mit der EWG, in dem mit der MaliFöderation fehlte jeglicher Hinweis. 650 Vgl. z.B. Wirtschafts-, Währungs- und Finanzabkommen zwischen Frankreich und Dahomey, 24.4.1961, Art. 9, zit. nach SCHERKS: Dekolonisation und Souveränität, S. 59. 651 Vgl. ebd., S. 64 f.; ENGEL, Ulf: Afrikapolitik der BRD, S. 237; BECHER, Ernst: Das Assoziierungsverhältnis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, S. 196 f.
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in den Kooperationsabkommen eine Tendenz, die der Assoziierung, die sich von jeder Form „neokolonialen“ Einflusses distanziere, zuwiderlief.652 Die EWG-Kommission hat ihrerseits schon zu einem frühen Zeitpunkt mit den Assoziierten über die Gestaltung der Beziehungen zur Europäischen Gemeinschaft nach deren Unabhängigkeit gesprochen. Allardt war während der Unabhängigkeitsfeier in Kamerun mit dem Premier Ahidjo zusammengetroffen, der schon im November 1959 eine Unterredung mit Gambelli gehabt hatte. Lemaignen traf sich im März 1960 anlässlich seiner Afrikareise mit dem togolesischen Regierungschef Olympio; van der Lee setzte diese Gespräche über die Gestaltung der Assoziierung anlässlich der Unabhängigkeitsfeier fort.653 Dabei war sie die Kommission bewusst, dass gerade die Frage der unmittelbaren Beziehungen zu den Assoziierten auf französischer Seite mit Argwohn betrachtet wurde.654 Dementsprechend vorsichtig agierte sie und sprach sich allgemein für eine vorläufige Beibehaltung des status quo aus.655 Einige afrikanische Regierungen, wie diejenige Togos, erkannten früh die Perspektiven, die die Beziehungen zur EWG ihnen zu eröffnen versprachen. Als Olympio am 20. April in einem Schreiben an den Kommissionspräsidenten die Absicht bekundete, sich gemäß Art. 238 des EWG-Vertrags neu assoziieren zu wollen,656 rief dies die Intervention Frankreichs hervor.657 In dem Transformationsprozess, den die französische Communauté zu Beginn der 60er Jahre durchlief, bevor sie dann endgültig durch die Kooperationspolitik abgelöst wurde, befürchtete die französische Regierung, dass ihr in der EWG ein
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Vgl. Van der LEE, Jacob: Yaoundé, pour et contre, in: REVUE JURIDIQUE ET POLITIQUE, INDEPENCOOPERATION, 1968, S. 5-23; BRAYER, Gérard: Europe – Tiers Monde. Lomé: une nouvelle coopération douanière? Paris 1989, S. 59 f. Zu dieser Wahrnehmung trug auch die mangelnde Transparenz bei, die Paris in diesem Bereich gegenüber der EWG walten ließ. Vgl. hierzu: Accords signés ou paraphés le 2 avril 1960 entre le Gouvernement de la République Française et le Gouvernement de la République Malgache; Schreiben Lemaignens an den französischen Ständigen Vertreter Gorse, 4.5.60; Schreiben Debrés an Couve de Murville, 16.5.60, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 216. Vgl. EWG, Kommission; Vermerk, Betr.: Reise des Generaldirektors der GD VIII nach Kamerun (29.12.59-6.1.60), 15.1.60, in: HAEG Brüssel BAC 25/1980 1429; Lettre du 4 novembre 1959 du Haut-Commissaire de la République Française au Cameroun au sujet de mission de la C.E.E. au Cameroun, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 224; CEE, Commission, Note, Mission de M. Lemaignen en Haute-Volta, au Dahomey, au Togo et en Côte d’Ivoire, 4.5.60, in: BAC 25/1980 1429; CEE, DG VIII, Rapport sur la mission effectuée par M. van der Lee du 25 avril au 1er mai 1960 à l’occasion de l’indépendance de la République du Togo, 11.5.60, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 224. Vgl. CEE, DG VIII, Rapport sur la mission effectuée par M. van der Lee du 25 avril au 1er mai 1960 à l’occasion de l’indépendance de la République du Togo, 11.5.60. Vgl. Lettre du 4 novembre 1959 du Haut-Commissaire de la République Française au Cameroun au sujet de mission de la C.E.E. au Cameroun; MAE, Télégramme à l’Arrivée, 26.4.60, in: Ebd. Vgl. Schreiben des Premierministers Olympio an den Präsidenten der EWG-Kommission Hallstein, Betr.: Assoziierung der Republik Togo an die EWG, 20.4.60, in: Ebd. Vgl. MAE, Télégramme à l’Arrivée, 26.4.60; Mayoux, Secrétaire Général Adjoint du C.I.C.E.E., an den Ständigen Vertreter Frankreichs bei der EWG, 14.4.60, in: Ebd. Welche Bedeutung Lemaignen dem Gespräch mit Olympio beimaß, zeigt die Tatsache, dass er seine Reisetermine neu abstimmte, um mit dem togolesischen Regierungschef zusammentreffen zu können. Vgl. Schreiben Lemaignens an Olympio, 23.3.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429. DANCE ET
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Konkurrent in Afrika entstehen konnte.658 Wie sehr sie daher die Initiativen des französischen Kommissars missbilligte, tat der französische Staatspräsident im November 1961 persönlich dem Kommissionspräsidenten kund: „Passant au problème africain, le Général de Gaulle observe que la Commission ne saurait se comporter dans ce domaine comme si elle était seule en cause. Les initiatives de M. Lemaignen sont regrettables, car elles affectent directement les accords importants qui ont été passés entre certaines puissances européennes, et notamment la France, et les Etats africains. Il convient donc que, dans ce domaine, la Commission agisse en accord avec Paris.“659 Auch wenn die EWG-Kommission französische Interessen und Empfindlichkeiten in Rechnung stellte, wollte sie die Entwicklungen in Afrika nicht abwarten, sondern als eigenständiger Akteur den sich dort vollziehenden Transformationsprozess mitgestalten.
4.4. Die Zusammenarbeit mit anderen Gebern In ihrem Bestreben, sich als entwicklungspolitischer Akteur in Afrika profilieren, fand die EWG-Kommission auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe zu einer Zusammenarbeit mit verschiedenen internationalen oder regionalen Organisationen und den USA. In den meisten Fällen nahm diese Kooperation die Form eines Informationsaustauschs und regelmäßiger Kontakte zwischen Vertretern der jeweiligen Organisation und der EWG-Kommission vor Ort bzw. in den Zentralen an. Mit dem Büro für Technische Hilfe der Vereinten Nationen ebenso wie mit ihrem Special Fund for Economic Development (SUNFED) schloss die Kommission Abkommen, die einen regelmäßigen Dokumentationsaustausch und Treffen vor Ort oder in Brüssel vorsahen.660 Die Beziehungen zur UN-Wirtschaftskommission für Afrika (ECA/Addis Abeba) gestalteten sich jedoch aufgrund des ungeklärten juristischen Status der EWG-Kommission in dieser Organisation schwieriger.661 658
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Vgl. hierzu das Gespräch zwischen Debré und Hallstein am 23.7.60, in dem der französische Premier äußerte: „Il faut comprendre que la France est ‘chef de file’. Il ne s’agit pas de vouloir une chasse gardée, il ne faut pas de vouloir faire considérer que notre politique est sans défauts. Nous acceptons la porte ouverte et nous acceptons les critiques, mais secrètes. A l’égard de l’Afrique, il ne faut pas deux capitales – Bruxelles ne doit pas concurrencer Paris. Il ne faut pas qu’il y ait de surenchère, il ne faut même pas qu’il puisse y avoir le sentiment que Bruxelles soit un recours contre Paris.“ (Zit. nach: MIGANI, Guia: The Commissioner Robert Lemaignen and the African States: The Origins of the European Development Policy (1958-1961), in: HISTORISCHE MITTEILUNGEN (HMRG), im Auftrag der Ranke-Gesellschaft, Bd. 18/2005, S. 156. Entretien à Paris entre de Gaulle et Hallstein, 16.11.61, in: MAE, Archives du Secrétariat Général 1945-1971, 15. Vgl. CEE, DG VIII, Note pour le Cabinet de M. le Président Hallstein, Objet: Préparation du voyage du Président Hallstein aux Etats-Unis, II g) Koordination der Afrikahilfe der Gemeinschaft mit den Maßnahmen anderer Länder und Organisationen zugunsten Afrikas, 6.4.62, in: BA Koblenz, N 1266/1736. Die ECA hatte beispielsweise die EWG-Kommission zu ihrer Tagung in Addis Abeba im Dezember 1958 nicht eingeladen, während andere Organisationen wie die Panafrikanische Konferenz von Accra, die Arabische Liga und die Kommission für technische Zusammenarbeit in Afrika südlich der Sahara (CCTA) eingeladen waren. Um Informationen sammeln und ggf. Einfluss auf Entschließungen der ECA nehmen zu können, drängte die EWG-Kommission auf eine Teilnahme an den Tagungen dieser UN-Wirtschaftskommission. Vgl. Aufzeichnung,
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Man entsandte gegenseitig Beobachter zu Konferenzen und Sachverständigentagungen. Die Kommission war auf den Tagungen der Wirtschaftskommission in Tanger und in Addis-Abeba 1960 vertreten. Dies erlaubte ihr beispielsweise zu der in der Wirtschaftskommission gegen die EWG vorgebrachte Kritik Stellung zu nehmen. Der Versuch, darüber hinaus mit den Assoziierten zu einer koordinierten Haltung in dieser Organisation zu gelangen, scheiterte jedoch an den Bedenken einiger assoziierter Länder.662 Ein informeller Informationsaustausch entwickelte sich mit der Weltbank und der AID, auch zur Kommission für Technische Zusammenarbeit in Afrika (CCTA) gestalteten sich die Beziehungen vielversprechend.663 Darüber hinaus leistete die EWG-Kommission einen Beitrag zu den Arbeiten der Development Assistance Group innerhalb der OECD664 und nahm an verschiedenen internationalen Konferenzen über Entwicklungsfragen teil. In besonderer Verantwortung sah die Kommission dabei die Gemeinschaft, die im Welthandel mit ihren Rohstoffeinfuhren an erster Stelle stand, für die Lösung von Absatzproblemen und Preisfluktuationen auf den Rohstoffmärkten. Die Kommission arbeitete beispielsweise in der Washingtoner Studiengruppe zur Stabilisierung des Kaffeemarktes mit, nahm an der IX. Tagung der Kommission für den Weltrohstoffhandel 1962 ebenso wie an den Sitzungen des Rohstoffausschusses und der Studiengruppe für Kakao der FAO teil und unterstützte im GATT Beschlüsse zur Förderung des Handels der Entwicklungsländer.665 Eine bemerkenswerte Zusammenarbeit entwickelte sich mit den USA, die bis hin zur Kofinanzierung von Projekten in den assoziierten Ländern reichte. In einem Schriftwechsel zwischen der amerikanischen Regierung und dem Kommissionspräsidenten wurde 1961/62 schließlich eine Zusammenarbeit vereinbart, die auf einem Informationsaustausch und, wenn möglich, auf einer gemeinsamen Studien- und Projekttätigkeit beruhen sollte. Insbesondere wurden die informelle Koordinierung von Entwicklungsprogrammen vor Ort und periodische Zusammenkünfte zwischen Beamten der US-Administration und der EWG-Kommission in Brüssel oder Washington vereinbart.666 Dabei vermittelte die US-Regierung der EWG-Kommission den Eindruck, dass sie im Rahmen dieses Informationsaustausches einen Beitrag zu einer zu-
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Betr.: EWG/ Generaldirektion für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, 15.1.59, in: PAAA, B 20/230. Vgl. Vierter Gesamtbericht (1961), S. 165; Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 231; EWG, Rat, Informatorische Aufzeichnung, Betr.: Arbeitsergebnisse der 3. Tagung der Wirtschaftskommission für Afrika (Addis Abeba, 6.-19. Februar 1961, 27.2.61, in: BA Koblenz, N 1266/1782. Vgl. Note pour le Cabinet de M. le Président Hallstein, 6.4.62; Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 232. Vgl. Vierter Gesamtbericht (1961), S. 163 ff.; Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 230 f.; CEE, Commission, La Coopération technique dans les pvd. La participation des Six pays de la CEE (Communication de M. Lemaignen). Note élaborée à l’intention du DAG, 2.6.60, in: HAEG Brüssel, BAC 26/1969 632; CEE, Commission, Communication au Development Assistance Group. (Note présentée par M. Lemaignen), 17.6.60; in: Ebd. Vgl. Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 228 ff.; Sechster Gesamtbericht (1963), S. 250 f. Vgl. Schreiben von W. Walton Butterworth, Ambassador, United States Mission to the European Communities, an W. Hallstein, 24.3.61, in: BA Koblenz, N1266/1256., Antwortschreiben Hallsteins an Butterworth, 24.3.61, in: Ebd. Vgl. weiterhin: CEE, Commission, GD VIII, Note à l’attention de Monsieur le Président Hallstein, Coopération C.E.E. – U.S.A. en Afrique, 6.4.62, in: N1266/1736.
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sammenhängenden amerikanischen Afrikapolitik leisten könne.667 Schon im Oktober 1960 war eine Delegation der Kommission mit dem Eindruck einer hinsichtlich Afrikas noch orientierungslosen amerikanischen Entwicklungspolitik aus den USA zurückgekehrt, wie ein Beamter der Generaldirektion II, der Lemaignen und Vignes zu den Gesprächen mit der US-Administration begleitet hatte, berichtete: „Les Américains sont fort perplexes. Au fond, ils ne savent que faire en Afrique. Ils semblent désireux de compter sur nous pour les aider à diriger leurs interventions financières et d’aide technique.“668 Sicherlich gewannen die Amerikaner auch durch den Informationsaustausch mit der EWG-Kommission einen differenzierteren Blick ebenso auf die Verhältnisse im frankophonen Afrika wie auf das Assoziierungssystem. Damit einher ging jedoch das Bestreben, Einfluss auf die Gestaltung des zukünftigen Assoziierungssystems zu nehmen und es gerade im handelspolitischen Bereich auf die amerikanische Linie zu bringen.669 Die Kommission hatte wenig Interesse, mit den USA in Konsultation über die zukünftige Assoziierungsregelung zu treten,670 sie war vielmehr an einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der finanziellen und technischen Hilfe interessiert, die schon bald konkrete Resultate brachte.671 Zwei weitere Initiativen, die die Kommission im Sommer 1960 ergriff, sollten dazu beitragen, dass Profil der EWG als entwicklungspolitischer Akteur in Afrika zu schärfen. Einerseits schlug sie einen Regionalplan für technische Zusammenarbeit in Afrika vor, von dem assoziierte und nicht-assoziierte Länder profitieren sollten. Dieser Plan hatten den Colombo-Plan für Süd- und Südostasien672 zum Vorbild. Andererseits machte sie sich den Vorschlag zu Eigen, ein gemeinschaftliches Entwicklungsinstitut zu gründen, eine Idee des EURATOM-Präsidenten Etienne Hirsch. In diesem Projekt sollte sich die Zusammenarbeit der sechs Mitgliedstaaten der EWG und der Kommission auf dem Gebiet der Techni667
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Vgl. Hendus, Vermerk für Herrn Präsident Hallstein über Herrn Lemaignen, Betr.: Rücksprache mit Botschafter Butterworth, 27.2.61, in: BAC 25/1980 213; Schreiben von Hendus an den Präsidenten der Kommission über Herrn Lemaignen, Betr.: Gespräche im State Departement am 2. und 3. März 1961, 6.3.61, in: Ebd. CEE, Direction Générale des Relations Extérieure, Note sur la Mission à Washington du 3 au 7 Octobre 1960, 10.10.60, in: HAEG Brüssel, BAC 1/1971 67. Vgl. EWG, GD VIII, Vermerk für den Herrn Präsidenten, Betr.: Reise von Generaldirektor Hendus nach Washington, 7.3.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 213; Schreiben von Hendus an den Präsidenten der Kommission über Herrn Lemaignen, Betr.: Gespräche im State Departement am 2. und 3. März 1961, 6.3.61. Vgl. weiterhin: Communication de M. Lemaignen, Compte-rendu de la visite d’une délégation des Etats-Unis les 25 et 26 mai 1961 à Bruxelles, objet: Association entre la CEE et les pays associés d’Afrique, 2.6.61, in: Ebd.; Aufzeichnung für Herrn Generaldirektor Hendus, Betr.: Analyse der Gespräche zwischen der Delegation der Regierung der Vereinigten Staaten und Herrn Generaldirektor Hendus am 25. und 26. Mai 1961, 18.7.61, in: Ebd. Vgl. GD VIII, Sekretariat: Vermerk über das Ergebnis der Besprechungen zwischen den Herren Hendus, von Staden, von Stempel, Dr. Meyer und von Stein vom 27.2.61 betreffend Dienstreise nach Washington, 28.2.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 213. Beispiele für mit den USA kofinanzierte Projekte waren ein Projekt gegen die Rinderpest im Tschadbecken und die Transkamerunbahn. Der Colombo-Plan beschlossen auf einer Konferenz der Außenminister der CommonwealthStaaten im Januar 1950 in Colombo, schuf eine regionale Entwicklungszusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern auf den Gebieten der Finanzhilfe und der Technischen Hilfe in Süd- und Südostasien. Er fußte letztlich auf der Koordination einer Serie bilateraler Programme. Zu den Mitgliedstaaten zählten Ceylon, Indien, Pakistan, Malaysia, Singapur, Australien, Neuseeland, Kanada, Großbritannien sowie Japan und die USA.
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schen Hilfe konkretisieren.673 Die EWG-Kommission – in Zusammenarbeit mit der Kommission der EAG und der Hohen Behörde der EGKS – präsentierte den Räten der EWG und EAG im Dezember 1961 ein innovatives Konzept: Das Institut sollte im Bereich der Wirtschaft, Planung, Regionalentwicklung und Industrialisierung – Bereiche also, in denen nach Ansicht der Kommission noch Lücken bestanden – eine eigene Tätigkeit entfalten. Dabei sollte es sowohl der Forschung und Berufsausbildung dienen, als auch die Entsendung von PlanungsFachgruppen in die Entwicklungsländer auf deren Ersuchen organisieren. Ein Novum stellte der Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen den drei Gemeinschaften einerseits und den Entwicklungsländern andererseits dar, der in einer paritätischen Verwaltung Niederschlag finden sollte. Schließlich sollte das Institut einen weltweiten Geltungsbereich haben, für die Aufnahme von Mitgliedern außerhalb der Assoziierten offen sein und sodann in den Teilnehmerländern eng mit einer Reihe angeschlossener Institute – Forschungszentren und Ausbildungsstätten – zusammenarbeiten.674 Auch während Verhandlungen über ein neues Assoziierungsabkommen, die 1961 begannen, stand die Schaffung des Entwicklungsinstituts auf der Agenda.675 Trotzdem blieb ihm der Erfolg versagt. Letztlich waren es konkurrierende Projekte einerseits der ECA, andererseits der OECD, an denen die Verwirklichung eines EWG-Entwicklungsinstituts scheiterte. Denn vor diesem Hintergrund erschien das EWG-Projekt weder den Assoziierten noch den EWG-Mitgliedstaaten als attraktive Alternative.676 Beide Initiativen – der Regionalplan für Afrika und das Entwicklungsinstitut – müssen auch im Kontext der Bestrebungen gesehen werden, die Entwicklungspolitik zu vergemeinschaften.
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Vgl. EWG, Kommission, Das gemeinsame Entwicklungsinstitut, Bericht an die Ministerräte von EWG und EAG, 13.12.61, Anlage III: Bericht der mit der Untersuchung der Grundsätze für die Errichtung eines gemeinsamen Entwicklungsinstituts beauftragten interexekutiven Expertengruppe, 21.8.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 210. Vgl. EWG, Kommission, Das gemeinsame Entwicklungsinstitut, Bericht an die Ministerräte von EWG und EAG, 13.12.61; Plan einer gesamteuropäischen Entwicklungshilfe, in: NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, 22.9.60. Vgl. Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten Afrikanischer Staaten und Madagaskars (Straßburg, 19. bis 24. Juni 1961), Verhandlungen, Ausführliche Sitzungsberichte, Sitzung vom 24. Juni, S. 723; Die Bindungen der EWG zu Afrika. Pläne für ein Entwicklungsinstitut, in: NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, 17.1.62; Note à l’attention de Monsieur le Directeur Général Seeliger, objet: Institut de Développement, 1.6.62, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 210. Vgl. hierzu: CEE, Conseil, Note, objet: Rapport de la Commission de la CEE sur l’Institut Commun de Développement, 11.1.62, in: Ebd.; Copie d’une lettre de Hallstein à Couve de Murville, objet: Rapport sur l’Institut Commun de Développement, 11.1.62, in: Ebd.; Note à l’attention de Monsieur le Directeur Général Seeliger, objet: Institut de Développement, 1.6.62, Annexe: Résolution des Chefs d’Etats et de Gouvernements de l’Union Africaine et Malgache (Bangui, 27/3/1962); Organisation Africaine et Malgache de Coopération Economique, Secrétaire Général, à M. le Président Hallstein, 15.2.62, in: Ebd.; J. Ferrandi, Note à l’attention de M. le Directeur Général, objet: Institut Commun de Développement, 5.2.62, Annexe: Note: Institut Commun de Développement, Le problème de la coordination avec les projets similaires de l’OECDE et des Nations-Unis, in: Ebd.; SGCI, Message pour M. Boegner, objet: Institut commun de Développement, 3.3.62, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 214.
DIE EWG UND AFRIKA
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4.5. Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik Im Herbst 1959 entdeckte die EWG die Entwicklungspolitik als Feld der europäischen Integration. Zwar war mit der Assoziierung ein erster Schritt in diesem Bereich unternommen worden, der aber angesichts der Bedeutung, die der Entwicklungspolitik nunmehr zu Beginn der 60er Jahre beigemessen wurde, nicht mehr weit genug zu gehen schien, wie eine Aufzeichnung der EWG-Kommission, die von den Generaldirektionen Auswärtige Beziehungen, Wirtschaft und Finanzen sowie Überseeische Länder und Gebiete gemeinsam verfasst worden war, feststellte: „In der Tat gewann die Entwicklungshilfe in der letzten Zeit eine solche Wichtigkeit und Dringlichkeit, dass alle Prognosen, die man bei den Verhandlungen anläßlich der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stellen konnte, längst überholt sind.“677 Die mehrheitlich bereits unabhängigen Staaten der Dritten Welt hatten allerdings schon 1955 auf der afro-asiatischen Konferenz von Bandung (Indonesien) ihren Anspruch auf „Entwicklung“ proklamiert und ausdrücklich die Nützlichkeit ausländischer Hilfe zur Erreichung dieses Ziels anerkannt.678 Auch die der Gemeinschaft assoziierten Länder strebten der Unabhängigkeit entgegen. Weiterhin waren neue Institutionen auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe entstanden. Die Vereinten Nationen beispielsweise gründeten 1958 den Special United Nations Fund for Economic Development (SUNFED), der später mit dem bereits 1949 geschaffenen Expanded Program of Technical Assistance (EPTA) im UN-Development Program (UNDP) verschmolzen wurde. Die Weltbank, die schon 1956 zur Förderung von Privatinvestitionen die International Finance Corporation (IFC) gegründet hatte, schuf auf Initiative der USA 1960 die International Development Association (IDA), die Kapitalhilfe zu wesentlich günstigeren Bedingungen vergeben konnte als sie selbst. Schließlich bemühte sich die Eisenhower-Administration, die westlichen Geberländer in einem Common Aid Effort zu einen. Auf Initiative C. Douglas Dillons, Under-Secretary of State, wurde daher 1960 im Rahmen der OEEC mit der Development Assistance Group ein Konsultationsforum über Entwicklungshilfe geschaffen, dem Belgien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal, Großbritannien, USA und die EWG-Kommission angehörten.679
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Vgl. EWG-Kommission, Hilfe für Entwicklungsländer, 25.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980, 204. Vgl. Asiatisch-afrikanische Konferenz in Bandung vom 18. bis 22. April 1955, Schlusskommuniqué, in: EA, 10,1 (1955), S. 7563 f.; RIST, Gilbert: History of Development, S. 81-88. Im Schlusskommuniqué der Konferenz wird „Entwicklung“ in erster Linie als ein ökonomischer Prozess von Produktion und Akkumulation, der durch ausländisches Kapital und die Einführung moderner Technologie gefördert werden konnte, als eine universale Notwendigkeit verstanden. Die japanische Regierung wurde eingeladen, an den Arbeiten teilzunehmen, und die Niederlande traten im Juli 1960 der Gruppe bei. Vgl. zur DAG, die sich im Oktober 1961 als Development Assistance Committee im Rahmen der OECD neu rekonstituierte: OECD, The Story of Official Development. A History of the Development Assistance Committee and the Development Cooperation Directorate in dates, names and figures, by FÜHRER, Helmut. Paris 1996.
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DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1958-1963
Den Ausgangspunkt für eine Initiative zur Vergemeinschaftung der Entwicklungspolitik, die die EWG-Kommission 1960 ergriff, bildete ein Memorandum des belgischen Außenministers Pierre Wigny, das dieser im Oktober 1959 den Mitgliedstaaten präsentierte.680 Nach Ansicht Wignys musste die Integration innerhalb der Europäischen Gemeinschaft der Sechs mit einer parallelen Entwicklung ihrer Außenbeziehungen einhergehen. Ausgehend von einem Verständnis von Entwicklungspolitik als Gebiet der Außenwirtschaftspolitik folgerte er, dass die Gemeinschaft im weltweiten Rahmen an Maßnahmen teilnehmen müsse, die der Lage der Entwicklungsländer Rechnung trugen, beispielsweise auf dem Gebiet der Stabilisierung der Rohstoffpreise oder der Industrialisierung. Der Außenminister entwickelte Grundsätze einer Entwicklungspolitik der Gemeinschaft, die weltweit, aber mit jeweils geographischen Schwerpunkten orientiert sein sollte. Eine Entwicklungspolitik also, die dem Prinzip eines weltweiten Regionalismus folgte. Institutionell sollte diese Politik dem Gedanken einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit durch die Bildung von Assoziationsräten Geltung verschaffen, die paritätisch von der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstatten der jeweiligen Zone besetzt werden sollten. Damit entwickelte Wigny eine Idee, die 1963 in der mit dem Abkommen von Yaoundé erneuerten Assoziierung verwirklicht werden sollte. Afrika bildete auch den Anwendungsfall, auf den der Belgier seine Überlegungen im Folgenden konzentrierte. Er forderte einerseits die Anpassung der Assoziierung an die politische Entwicklung in den assoziierten Ländern und Gebieten – auch geleitet von den belgischen Erfahrungen im Kongo681 , andererseits die Erneuerung des Entwicklungsfonds, der „lediglich den Anfang einer umfassenderen Aktion“682 darstelle. Er zog in Betracht, die Assoziierung auf weitere afrikanische Staaten auszudehnen, räumte aber zugleich den bereits Assoziierten die Priorität unter den zu Begünstigenden
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Vgl. Wigny-Memorandum, Betrachtungen zur Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen den sechs Ländern der Gemeinschaft und zu ihren Außenbeziehungen, Oktober 1959; Aidemémoire pour le Président Hallstein en vue de son entretien du 22 Octobre avec les Présidents des deux autres Communautés et les Représentants Permanents des Six, objet: Utilisation du Mémorandum Wigny pour l’établissement du programme de travail du Comité chargé d’étudier la politique d’aide aux Pays en voie de développement, nicht datiert; Note à l’attention de Monsieur le Président Hallstein, objet: Etat de travaux dans les Services de la Commission sur les questions traitées dans le Mémorandum de M. Wigny, 27.10.59, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980, 1062. Im belgischen Kongo überschlugen sich 1959 die Ereignisse, nachdem dieser lange Zeit von den politischen Entwicklungen in den benachbarten Staaten im subsaharischen Afrika unbeeindruckt gewesen zu sein schien. Anfang Januar kam es in den Vorstädten von Léopoldville zu Unruhen, die wirtschaftliche, soziale und politische Ursachen hatten und in denen sich eine anti-europäische Stimmung manifestierte. Sie leiteten die Entkolonialisierung ein. Am 13. Januar stellte König Bauduin die Unabhängigkeit in Aussicht und die Regierung verkündete ihr Reformprogramm. Beflügelt von ihren bisherigen Erfolgen überboten sich die Abako Kasavubus und der Mouvement National Congolais Lumumbas gegenseitig in ihren Forderungen. Nunmehr war die Rede von Unabhängigkeit für die Jahre 1960 oder 1961. Am 16. Oktober kündigte der Kolonialminister schließlich Wahlen und die Bildung einer Regierung unter dem Vorsitz des Generalgouverneurs an. Vgl. hierzu: ALBERTINI, Rudolf von: Dekolonisation, S. 568-586; SLADE, Ruth M.: Der Belgische Kongo vor der Unabhängigkeit, in: EA 15,1 (1960), S. 303-316. Wigny-Memorandum, Okt. 59.
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ein.683 Die Vorschläge des belgischen Außenministers zielten letztlich darauf, die EWG über die bestehende Assoziierung hinaus zur Trägerin der Entwicklungshilfe für Afrika zu machen und damit der Aktion der Gemeinschaft Vorrang vor der bilateralen Entwicklungshilfe der Mitgliedstaaten zu geben. In der Kommission, in der man die Nähe der Vorschläge Wignys zu den eigenen Vorstellungen zur Kenntnis genommen hatte,684 gingen die Generaldirektionen Auswärtige Angelegenheiten, Wirtschaft und Finanzen sowie Überseeische Länder und Gebiete an die Ausarbeitung einer Aufzeichnung über die EWG und die Hilfe für Entwicklungsländer.685 Angesichts von den USA angestrebten internationalen Besprechungen brachten die Generaldirektionen folgende Argumente für eine Gemeinschaftshilfe vor. Einerseits versprachen sie sich von der Zusammenfassung der einzelnen finanziellen Beiträge der Mitgliedstaaten zu einem Gesamtbetrag ein höheres Gewicht der Gemeinschaft unter den westlichen Gebern, indem man sich in absoluten Zahlen dem Beitrag der finanzkräftigen Länder, wie eben den USA, annäherte. Die „Kräftezersplitterung der Mitgliedstaaten“686 musste sich nach Meinung der Kommission nachteilig auswirken. Andererseits biete eine multilaterale Verwaltung dieser Hilfe innerhalb der EWG die Gewähr dafür, dass sich für einen gleichen Zweck gewährte Hilfeleistungen nicht überschnitten. Mit Blick auf die defizitäre Zahlungsbilanzsituation der USA sah sich die Gemeinschaft darüber hinaus aus wohlverstandenem ökonomischem Eigeninteresse veranlasst, einen Beitrag zum Ausgleich des internationalen Zahlungsverkehrs zu leisten. Die Finanzhilfe an Entwicklungsländer war nach Ansicht der Kommission ein adäquates Instrument hierzu. Schließlich schien die Entwicklungspolitik angesichts der Größe der zu unternehmenden Anstrengungen auf diesem Gebiet687 der Gemeinschaft weitere Aktionsmöglich683 684
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Vgl. ebd. Vgl. Aide-mémoire pour le Président Hallstein. Im Jahr 1959 hatte die Kommission dem Rat zwei Memoranda vorgelegt. In ihrem ersten vom 26. Februar hob sie die Verantwortung der Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern hervor. Im zweiten Memorandum (September 1959) richtete sie den Blick auf Maßnahmen zur Festlegung des Umfangs der Entwicklungshilfe und der dabei einzuschaltenden Organe der Gemeinschaft. Vgl. Dritter Gesamtbericht (1960), S. 270. Vgl. EWG-Kommission, Hilfe für Entwicklungsländer, 25.2.60. Ebd. Vgl. EWG, Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, Zweck und Einzelheiten einer möglichen EWG-Hilfe für die Entwicklungsländer, 10.11.59, Aufzeichnung Nr. 1: Begründung und Modalitäten der Aktion in der EWG für die unterentwickelten Länder, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980, 202. „Man schätzt, daß eine jährliche Steigerung der Produktion um 1 v. H. in den unterentwickelten Ländern Investitionen in Höhe von 3 v. H. dieser Produktion erfordert. [...] Nur in einigen Ländern, die durch die Zufuhr von von außen kommenden Mitteln begünstigt wurden [sic] ist es gelungen, durch die Auslandshilfe dem circulus vitiosus der wirtschaftlichen Stagnation zu durchbrechen und einen Entwicklungsprozeß auszulösen, der sich in der Zukunft verstärken kann. [...] Eine Steigerung des ProKopf-Einkommens um jährlich 2 v. H. (die innerhalb von 10 Jahren das Einkommen dieser Länder um ein Viertel ansteigen ließe) würde eine Kapitalzufuhr von außen her um $ 7,5 Milliarden jährlich erfordern. Interessant ist dabei die Feststellung, daß diese Zahl etwa 1 v. H. des gesamten Volkseinkommens der Industrieländer des Westens entspricht. Im Jahre 1956/57 belief sich der ausländische Kapitalzufluss jeglicher Art (einschließlich der unentgeltlichen Zuwendungen und des Privatkapitals) auf ungefähr 4 Milliarden Dollar jährlich. Der Beitrag der Vereinigten Staaten betrug in diesem Zeitabschnitt weit mehr als die Hälfte der
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keiten zu bieten zusätzlich zu den bereits bestehenden bi- und multilateralen Aktionen. Ein bemerkenswertes Dokument präsentierte der für die Assoziierung zuständige Kommissar Lemaignen im Februar 1960 parallel zu der Aufzeichnung der Generaldirektionen den Mitgliedern der Kommission.688 Vor dem Hintergrund des Transformationsprozesses, den die assoziierten afrikanischen Länder und Gebiete durchliefen, trat der Kommissar dafür ein, die Assoziierung in eine moderne Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren, die vorrangig, wenn auch nicht exklusiv, mit den bereits Assoziierten etabliert werden sollte. Lemaignen unterbreitete damit seinen Kollegen das ambitionierte Programm einer eurafrikanischen Gemeinschaft. Die Schlussfolgerungen und vorgeschlagenen Maßnahmen betrafen, wie ein Vermerk der Generaldirektion II „Wirtschaft und Finanzen“ kritisch anmerkte,689 vornehmlich die Bedürfnisse der schwarzafrikanischen Länder, nicht aber die Indiens oder der Entwicklungsländer Lateinamerikas. Lemaignen, nach dessen Ansicht die Kommission diesen Fragen zu wenig Bedeutung beimaß, wollte mit diesem Dokument das Interesse seiner Kollegen an der Assoziierung und der Entwicklungspolitik im Allgemeinen wecken.690 Die EWG-Mitgliedstaaten nahmen den Vorstoß Wignys zurückhaltender auf als die Kommission. Der belgische Außenminister und sein italienischer Kollege Giuseppe Pella nutzten die Außenministertagung am 13. Oktober 1959,691 um die verschiedenen Dimensionen aufzuzeigen, die eine gemeinsame Politik der Gemeinschaft haben konnte: So schlug Pella die Gründung eines Entwicklungsfonds mit weltweitem Geltungsbereich vor, forderte eine Harmonisierung der Politik der Sechs auf dem Gebiet der Exportkredite und -versicherungen sowie auf dem der Technischen Hilfe und regte Maßnahmen auf dem Gebiet der Zoll-, Handels- und Wirtschaftspolitik an.692 Die Debatte blieb bei Überlegungen grundsätzlicher Art,693 die Außenminister kamen jedoch zu dem Schluss eine aktivere Entwicklungspolitik führen zu müssen, wie der italienische Außenminister und Ratspräsident dem Europäischen Parlament am 25. November berichten konnte.694 Am 23. November verlieh der Rat der Bereitschaft der Gemeinschaft
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Gesamtsumme, und der Anteil der EWG-Länder belief sich auf etwa ein Fünftel.“ Vgl. auch CEE. DG VIII, Coordination des politiques extérieures des Etats-membres de la Communauté à l’égard des pays tiers et notamment des pays sous-développés, 10.11.59, in: Ebd., 1087. Vgl. Aufzeichnung, La Commission Economique Européenne et les pays-sous-développés, 19.2.60, in: HAEG Brüssel, BAC 26/1969, 632. Vgl. CEE, Note, objet: Document de M. Lemaignen concernant «la Commission Economique Européenne et les pays sous-développés», nicht datiert, in: Ebd. Vgl. Lemaignen, Note à l’attention de M. le Président, 2.5.60, in: BA Koblenz, N 1266/1885. Vgl. CEE, Note concernant la réunion des Ministres des Affaires Etrangères des Etats membres des Communautés Européennes tenue à Bruxelles, le 13 octobre 1959, 21.10.59, in: BA Koblenz, B 102/10171. Vgl. BMWi, MinDir Meyer-Cording, Leiter der Europaabteilung, an MR Heise, 20.10.59, in: Anlage: Memorandum des Ministers Pella bei der Tagung der Außenminister am 13.10.59, in: Ebd. Vgl. Heise an Meyer-Cording, Betr.: Gemeinsame Politik der EWG gegenüber Entwicklungsländern, 7.11.59, in: Ebd. Vgl. EWG, Rat, Rede über die Koordinierung der Außenpolitik der sechs Mitgliedstaaten gegenüber den dritten Ländern und insbesondere gegenüber Entwicklungsländern, gehalten
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zu regelmäßigen Konsultationen mit den westlichen Geberländern im Rahmen eines internationalen Hilfsprogramms Ausdruck.695 Die Frage, ob die Gemeinschaft einen eigenen Beitrag zu den internationalen Bestrebungen zur Koordinierung der Entwicklungshilfe leisten konnte, wurde allerdings zunächst an einen Ad-hoc-Ausschuss verwiesen. Im Ausschuss zeigte sich früh, dass die Mitgliedstaaten wenig Interesse an einem gemeinsamen Tätigwerden im Rahmen der EWG hatten. 696 So berichtete der deutsche Legationsrat Wilhelm Hartlieb bereits nach der ersten Sitzung an das Außen- und das Wirtschaftsministerium: „Nach der letzten Sitzung habe ich den Eindruck, daß die Sechs, so wie sie zur Zeit in der Assoziierung weiterer Europäer kurz treten, auch in der Entwicklungshilfe nichts von multilateraler Bedeutung in Angriff nehmen wollen, sondern sich diese Sphäre weiter bilateral reservieren wollen.“697 Dies lag auch an der unterschiedlichen Ausrichtung, die die Mitgliedstaaten einer Gemeinschaftshilfe geben wollten. Während die Kolonialmächte Frankreich und Belgien den assoziierten Ländern und Gebieten Priorität einräumten und daher ebenso wie Italien, das den Mittelmeerraum, Nordafrika und auch den Nahen Osten, im Sinne eines mare nostro im Blick hatte,698 einem regionalen Ansatz das Wort redeten, waren die Niederlande gegen eine regionale Schwerpunktbildung und die Bundesrepublik gegen eine Vorzugsbehandlung Afrikas oder des Nahen Ostens.699 Nach Ansicht der Bundesregierung sollte außerhalb der Assoziierung keine gemeinsame Entwicklungshilfe durchgeführt werden. Einerseits fürchtete sie durch eine auf bestimmte geographische Zonen konzentrierte gemeinschaftliche Entwicklungspolitik eine Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit, andererseits entsprach die Vorzugsbehandlung bestimmter Regionen nicht ihren weltweiten handelspolitischen Interessen. Auch eine gemeinsame Vertretung der EWG- Mitglieder in multilateralen Institutionen wie der Weltbank und der IDA lehnte die
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vom Ratspräsidenten am 25. November 1959 in Straßburg anlässlich des Kolloquiums mit dem Europäischen Parlament, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980, 482. Vgl. EWG, Rat, Beschlüsse des Rates auf seiner 25. Tagung am 23. und 24. November 1959 in Straßburg, Auf dem Gebiet der Außenbeziehungen der Gemeinschaft, 24.11.59, in: Ebd., 1087. Vgl. Erster Bericht des Ad-hoc-Ausschusses zur Prüfung der Probleme im Zusammenhang mit der Hilfe für die Entwicklungsländer, 26.1.60, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980, 203. VLR I Hartlieb an MinDir Carstens und MDgt Klein (BMWi), Betr.: EWG/Gemeinsame Politik gegenüber den Entwicklungsländern, 14.12.59, in: PAAA, B 53/169. Die italienische Regierung zählte zu den nachdrücklichen Verfechtern einer über die Bestimmungen des Vertrags von Rom hinausgehenden Entwicklungshilfe der EWG. Auch außerhalb des organisatorischen Rahmens der EWG, suchte Italien die Partner für dieses Vorhaben zu gewinnen. Im Rahmen einer Messe in Bari lud die italienische Regierung 1960 erstmals Experten zu einem Kolloquium über die Entwicklungspolitik der EWG ein. Im Vorfeld der Verhandlungen über eine neue Assoziierungsregelung fand das Kolloquium 1961 zum zweiten Mal statt. Vgl. BMWi, MR Heise, Vermerk, Betr.: Messeveranstaltung in Bari am 7., 8. und 9. Oktober; Einladung von Minister Colombo an hochgestellte Persönlichkeiten und hohe Beamte zur Teilnahme an Gesprächen über „Die Politik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Bezug auf die Entwicklungsländer“, 15.8.61, in: BA Koblenz, B 102/91309. Vgl. ebd.; MR Heise an MinDir Meyer-Cording, Vermerk, Betr.: Ad-hoc-Ausschuss der Ständigen Vertreter für Fragen der Entwicklungsländer, 14.12.59; BMWi Vermerk, Betr.: Probleme der Entwicklungspolitik in der EWG, 1.4.60, in: Ebd., 10177.
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DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1958-1963
Bundesregierung ab.700 Insbesondere das BMWi wollte das Politikfeld der Entwicklungshilfe dem Einfluss der EWG vorenthalten und betrachtete daher den Begriff „Koordinierung“ mit Skepsis.701 Außerdem war die Bundesregierung gegen eine Bindung weiterer Mittel auf der Gemeinschaftsebene. Entsprechend seinem Mandat befasste sich der Ad-hoc-Ausschuss mit den Problemen der Entwicklungshilfe in den drei Bereichen Handelspolitik, Finanzhilfe und Technische Hilfe. In ihrem Bericht an die Sachverständigengruppe „Wirtschaft und Finanzen“ unterbreitete die Kommission weitreichende Vorschläge über die Förderung des allgemeinen Informationsaustauschs und die Harmonisierung der Garantiebedingungen für Finanz- und Lieferkredite. Diese auf eine stärkere Zentralisierung bei der EWG gerichteten Vorschläge lehnten die Sachverständigen der Mitgliedstaaten ab, begrüßten allerdings die Ideen eines allgemeinen Informationsaustauschs und der Harmonisierung der Garantiebedingungen. Der Rat setzte daher einen „Arbeitskreis zur Koordinierung der Politik auf dem Gebiet der Kreditversicherung, der Bürgschaften und der Finanzkredite“ ein. Frankreich, das durchaus an einer Harmonisierung der Entwicklungspolitik der Sechs interessiert war,702 wollte hier die Entwicklung gemeinsamer Grundsätze für die Gewährung der Finanzhilfe zu vorantreiben. Diesen Bestrebungen traten die Deutschen entgegen, die den Arbeitskreis als fachliches Gremium behandelt sehen wollten, in dem keine, die Mitgliedstaaten bindenden Entscheidungen getroffen werden sollten.703 Auch in der zweiten Sachverständigengruppe „Technische Hilfe“ ergriff die Kommission die Chance zu einer weitreichenden Initiative.704 Sie unterbreitete zwei Vorschläge für Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaften für die Zu700
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Vgl. BMWi, EA 6, Aufzeichnung, Betr.: „Gemeinsame Hilfe für Entwicklungsländer“ – Überlegungen zu einer deutschen Konzeption, 13.11.59, in: Ebd., 10171; BMWi, EA 6, Vermerk, Betr.: Probleme der Entwicklungspolitik in der EWG, 1.4.60, in: Ebd. 10177. Wie eine Aufzeichnung der Europaabteilung feststellte, war der bilaterale Bereich nicht für eine Koordinierung, im Sinne gemeinsamer Beratungen mit Beschlussfassung, innerhalb der EWG geeignet. Einer gegenseitigen Unterrichtung über die bilaterale Entwicklungshilfe könne hingegen zugestimmt werden. Vgl. BMWi, EA 6, Überlegungen zu einer deutschen Konzeption, ebenfalls in: PAAA, B 20/236. Die Haltung des BMWi verhinderte eine unmittelbare Stellungnahme der Bundesregierung zu den Memoranda Pellas und Wignys. Das Auswärtige Amt war ursprünglich für eine Begrüßung eingetreten, da es für eine Abstimmung der EWGLänder über ihre bilaterale Entwicklungshilfe eintrat. Vgl. MR Heise an Leiter der Abt. E, Meyer-Cording, Betr. Gemeinsame Entwicklungspolitik der EWG, 16.11.59, in: BA Koblenz, B 102/10171. Vgl. Note à l’attention de Monsieur le Président de la République, Président de la Communauté, Politique concertée des Six pour l’aide aux pays sous-développés, 27.6.61, in: CHAN, Secrétariat Générale aux Affaires africaines et malgaches (SGAM), 12. Vgl. BMWi, EA 6, Betr.: 8 Sondersitzung des Sonderausschusses Gemeinsamer Markt und Freihandelszone des Bundesrats am 16. Dezember 1960 im Bundeshaus, hier: Tagesordnungspunkt 2: „Entwicklungshilfe im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft“, 6.12.60, in: BA Koblenz, B 102/10178. Vgl. CEE, Commission, La Coopération technique dans les pvd. Proposition pour une action de la CEE (Communication au Comité ad hoc chargé de l’étude des problèmes de l’aide au développement), [VIII/COM (60)83 rev] 28.6.60, in: HAEG Brüssel, BAC 26/1969 632. Vgl. auch: EWG, Kommission, Bericht und Vorschläge der Kommission für den Ad-hocAusschuss über technische Zusammenarbeit in den Entwicklungsländern (Mitteilung von Herrn Lemaignen), 27.5.60, in: HAEG Brüssel, BAC 1/1971 67.
DIE EWG UND AFRIKA
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sammenarbeit mit den Entwicklungsländern auf dem Gebiet der technischen Hilfe. Diese beiden Vorschläge hatten zum Gegenstand: x die Koordinierung, und zwar in Gestalt eines Planes zur regionalen technischen Zusammenarbeit in Afrika (assoziierte und nicht-assoziierte Länder), der den Colombo-Plan705 zum Vorbild hatte; x die Zusammenarbeit in Form eines Entwicklungsinstituts der Gemeinschaft mit weltweitem Wirkungskreis, dessen Aufgabe darin bestehen sollte, auf den Gebieten der Forschung und Ausbildung koordinierend zu wirken und praktische Aufgaben zu lösen.706 Der erste Vorschlag reflektierte also einmal mehr den regionalen, auf Afrika fokussierten, entwicklungspolitischen Ansatz der Kommission,707 wenngleich die Kommission den offenen Charakter dieses Ansatzes betonte, indem sie die Ausdehnung auf weitere Länder und Regionen in Aussicht stellte. Die Bezugnahme auf den Colombo-Plan für Süd- und Südostasien unterstrich nicht nur den regionalen Charakter dieser Aktion, sondern verwies auch auf die zentrale Rolle, die die Kommission bei dieser zu spielen gedachte, indem sie die bei den Mitgliedstaaten verbleibenden Programme für Technische Hilfe koordinierte. Nach Vorschlag der Kommission sollte das Sekretariat zur Koordinierung nämlich zunächst bei einer ihrer Generaldirektion liegen, bevor später einem autonomen Organ, das mit Gebern und Nehmern besetzt sein sollte, diese Aufgabe übertragen werden sollte.708 Bedeutung gewann diese Initiative der Kommission vor dem Hintergrund, dass sich auch die DAG bei ihrem dritten Treffen vom 3. bis 5. Oktober 1960 in Washington mit der Technischen Hilfe befassen sollte. Der Regionalplan für die technische Zusammenarbeit in Afrika hätte das entwicklungspolitische Profil der Gemeinschaft sowohl unter den westlichen Gebern, als auch in Afrika selbst schärfen können. Die Mitgliedstaaten waren allerdings nicht bereit, der Kommission die von ihr angestrebte Koordinierungsfunktion zu übertra-
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Der Colombo-Plan, beschlossen auf einer Konferenz der Außenminister der CommonwealthStaaten im Januar 1950 in Colombo, schuf eine regionale Entwicklungszusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern auf den Gebieten der Finanzhilfe und der Technischen Hilfe in Süd- und Südostasien. Er fußte letztlich auf der Koordination einer Serie bilateraler Programme. Zu den Mitgliedstaaten zählten Ceylon, Indien, Pakistan, Malaysia, Singapur, Australien, Neuseeland, Kanada, Großbritannien sowie Japan und die USA. Siehe Teil C, Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika Schon in einem für die DAG bestimmten Bericht vom 2. Juni 1960, der in unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Initiative im Ad-hoc-Ausschuss stand, stellte die Kommission zunächst fest, dass 40% und damit der größte Teil der Technischen Hilfe nach Afrika gingen. Diese bedeutende Technische Hilfe an Afrika verdankte sich aber nicht etwa den Programmen der UN oder der USA, sondern denen der ehemaligen Kolonialmächte Frankreich, Belgien und Großbritannien. Vor diesem Hintergrund zog die Kommission den Schluss: „Ainsi apparaît en pleine lumière la vocation africaine de l’Europe.“ (CEE, Commission, La Coopération technique dans les pays en voie de développement. La participation des Six pays de la Communauté Economique Européenne (Communication de M. Lemaignen). Note élaborée à l’intention du DAG, 2.6.60, in: HAEG Brüssel, BAC 26/1969 632) Vgl. Commission, La Coopération technique dans les PVD. Proposition pour une action de la CEE, 28.6.60
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DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1958-1963
gen.709 Die Instrumente, mit denen eine Koordinierung der einzelstaatlichen Aktionen angestrebt wurde, sollten vielmehr die beim Rat gebildeten Arbeitsgruppen bilden.710 Die amerikanische Initiative zu einem internationalen Hilfsprogramm war einerseits ein Ausgangspunkt für Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik, die Existenz der Development Assistance Group setzte einer möglichen entwicklungspolitischen Rolle der EWG aber auch Grenzen. Die Bundesrepublik beispielsweise sah die DAG als das zentrale Organ für Entwicklungshilfe an, weshalb für sie eine Koordinierung im Rahmen der EWG nur die Bedeutung einer Vorkoordinierung für die DAG haben konnte.711 Obwohl im Vorfeld der vierten Tagung der DAG, die im März 1961 in London stattfand, erste Schritte
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Vgl. EWG, Rat, Einleitende Aufzeichnung, Betr.: Bericht des Ad-hoc-Ausschusses zur Prüfung der Entwicklungshilfe, 6.10.60, Anlage: Dritter Zwischenbericht des Ad-hoc-Ausschusses, in: HAEG Brüssel, BAC 1/1971, 67. Die Arbeitsgruppe zur Koordinierung der technischen Entwicklungshilfe, die am 19.10.60 vom Rat eingesetzt wurde, legte ein Verfahren für den Austausch von Informationen über die technische Hilfe fest, mittels dessen die bilaterale Politik der Mitgliedstaaten und die der Gemeinschaft koordiniert, Überschneidungen vermieden, die Methoden harmonisiert und zu einem späteren Zeitpunkt konkrete Vorhaben untersucht werden sollten, die gemeinsam durchgeführt werden sollten. Weiterhin untersuchte die Gruppe die Probleme der technischen Zusammenarbeit, die sich in Lateinamerika und anderswo stellten. Bereits im Mai 1961 wurde die Gruppe mit einem gemeinsamen Vorhaben zur Bekämpfung der Rinderpest befasst, das auf regionaler Ebene in Zusammenarbeit mit der CCTA (Kommission für technische Zusammenarbeit in Afrika südlich der Sahara) und der FAO im Tschad-See-Becken durchgeführt werden sollte. Letztlich blieb es bei diesen Ansätzen, ein System zur Koordinierung der einzelstaatlichen Aktionen erarbeitete die Gruppe bis 1963 nicht. Vgl. Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 225 f., EWG, Kommission, Das gemeinsame Entwicklungsinstitut, Bericht an die Ministerräte von EWG und EAG, 13.12.61, Anlage III: Bericht der mit der Untersuchung der Grundsätze für die Errichtung eines gemeinsamen Entwicklungsinstituts beauftragten interexekutiven Expertengruppe, 21.8.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 210; CEE, Commission, DG VIII, Groupe de travail sur l’aide au développement, Annexe II: Inventaire des mesures prises par la C.E.E. ayant une incidence directe ou indirecte sur les pays en voie de développement, in: Ebd., 213. Vgl. auch: Antwort der Kommission auf die schriftliche Anfrage Nr. 109 des Europaabgeordneten Mario Pedini vom 22.11.63, Betr.: Gemeinschaftliche Koordinierung der nationalen Politiken der Mitgliedstaaten gegenüber den assoziierten und nicht-assoziierten Entwicklungsländern, in: Amtsblatt, 27.1.64, S. 149 f./64. Die Arbeitsgruppe zur Koordinierung der Politik auf dem Gebiet der Kreditversicherung, Bürgschaften und Finanzkredite, die vom Rat am 27.9.60 eingesetzt worden war, erarbeitete ein Konsultationsverfahren, das die Möglichkeit einer weitgehenden Harmonisierung der Politik der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Kreditgewährung für den Kauf von Investitionsgütern eröffnete, und schloss zur Angleichung der Kreditversicherungsbedingungen eine Reihe von Abkommen. Darüber hinaus untersuchte sie die Interventionsmöglichkeiten privater Kreditinstitute und der Europäischen Investitionsbank zur Finanzierung mittel- und langfristiger Kredite in Entwicklungsländern. Vgl. Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 227 f.; vgl. CEE, Commission, DG VIII, Groupe de travail sur l’aide au développement, Annexe II: Inventaire des mesures prises par la C.E.E. ayant une incidence directe ou indirecte sur les pays en voie de développement, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 213. Vgl. BMWi, EA 6, Betr.: Sitzung der Sachverständigen für technische Hilfe am 14. und 15. September 1960 in Brüssel, 16.9.60, in: BA Koblenz, B 102/10178; BMWi, EA 6, Betr.: 8. Sitzung des Sonderausschusses Gemeinsamer Markt und Freihandelszone des Bundesrates am 16. Dezember 1960, 6.12.60.
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zur Koordinierung gemacht wurden,712 trat die EWG nicht als solche in der DAG auf, sondern die sechs Mitgliedstaaten und die EWG-Kommission. Der Kommissionspräsident nahm gleichwohl die Ergebnisse der vierten DAG-Tagung713 zum Anlass, um eine Vergemeinschaftung der Entwicklungspolitik zu empfehlen.714 Sein Schreiben an den Ratspräsidenten gipfelte in der Forderung: „Bei der von der DAG grossangelegten Aktion muss die Gemeinschaft eine wesentliche Rolle spielen.“715 Die Mitgliedstaaten verhielten sich gegenüber diesem Vorstoß reserviert. Eine Ratstagung sollte sich im Juli mit der Angelegenheit befassen. Doch schon das Aide-mémoire, das der Vorsitzende des Ausschusses der Ständigen Vertreter verfasste, stellte den politischen Willen der Sechs in Frage, zu einer koordinierten oder gar gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik zu gelangen.716 1962 nahm die Kommission im „Aktionsprogramm der Gemeinschaft für die zweite Stufe“, mit dem sie den Übergang von der Zoll- zur Wirtschaftsunion einleiten wollte,717 die Entwicklungshilfe erneut als Politikfeld in den Blick, das nach ihrer Ansicht koordiniert oder vergemeinschaftet werden sollte. Sie sollte hauptsächlich auf das Ordnen der großen Weltmärkte, insbesondere die Stabilisierung der Rohstoffpreise, und auf die Koordinierung der Investitions- und Kreditprogramme und technischen Zusammenarbeit ausgerichtet sein. Damit resümierte die Kommission ihre Initiativen der letzten Jahre. Erste Äußerung einer gemeinsamen Entwicklungspolitik war nach Ansicht der Kommission die Assoziierung. Eine euphemistische Sichtweise? Der Europaparlamentarier Robert Margulies wandte nicht ganz zu unrecht ein, dass von einer gemeinsamen Politik der Mitgliedstaaten gegenüber den assoziierten Ländern nicht die Rede sein könne, solange sich den weiter bestehenden alten bilateralen Beziehungen fast täglich neue bilaterale Abkommen hinzufügten.718 712 713 714
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Vgl. CEE, Conseil, Note d’information, Objet: Résultat de la 4ème réunion du D.A.G. – Attitude coordonné des Etats membres de la Communauté, 6.4.61, in: PAAA, B 58/51. Vgl. Resolution of the Common Aid Effort, adopted by the Development Assistance Group. 29 March 1961, London, in: OECD: The story of official development assistance, S. 11. Grundsätzlich war Hallstein von der Notwendigkeit überzeugt, gemeinsame Politiken zu entwickeln und die Gemeinschaft in eine bundesstaatsähnliche Richtung voranzubringen. Zu den integrationspolitischen Zielen des ersten Kommissionspräsidenten vgl. LUDLOW, Piers: A Supra-national Icarus? Hallstein, the early Commission and the search for an independent role, in: VARSORI, Antonio: Inside the European Community, S. 37-55. Vgl. weiterhin: KNIPPING; Franz: Rom, 25. März 1957, S. 135; WESSELS, Wolfgang: Walter Hallsteins integrationstheoretischer Beitrag – überholt oder verkannt?, in: LOTH, Wilfried/WALLACE, William/WESSELS, Wolfgang (Hg.): Walter Hallstein – Der vergessene Europäer?, Bonn 1995, S. 281-310. Schreiben des Kommissionspräsidenten W. Hallstein an den Präsidenten des Rates der EWG, Betr.: Gesamtuntersuchung der sich aus der wachsenden Bedeutung der Entwicklungshilfe in der Weltpolitik für die EWG ergebenden Folgen, 26.4.61, in: BA Koblenz, B 102/10178. Vgl. CEE, Conseil, Aide-Mémoire du Président du Comité des Représentants permanents, 16.6.61. Vgl. EWG, Kommission, Memorandum der Kommission zum Aktionsprogramm der Gemeinschaft für die zweite Stufe, 24.10.62, in: BA Koblenz, B 213 BMZ/1077. Vgl. auch: Sechster Gesamtbericht (1963), S. III, 248 f. Vgl. Europäisches Parlament: Sitzungsdokumente 1962-1963: Arbeitsdokument über die Ziele der Gemeinschaft in dem der zweiten Stufe der Übergangszeit des Gemeinsamen Marktes entsprechenden Zeitraum in den Bereichen der Assoziation und der Hilfe für die Entwicklungsländer, ausgearbeitet im Namen des Ausschusses für die Zusammenarbeit mit Entwick-
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Das Aktionsprogramm stellte einen ersten Höhe- und zugleich den vorläufigen Endpunkt des Bestrebens dar, die Entwicklungspolitik über den engeren Rahmen der Assoziierung hinaus zum Gegenstand des europäischen Integrationsprozesses zu machen und damit die bilaterale Entwicklungspolitik der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft zu verlagern. Dennoch zeitigte diese Initiative der Kommission keine Erfolge. Innerhalb der EWG wurde dem Begriff „Koordinierung“ eine unterschiedlich weitreichende Bedeutung beigemessen, die sich von einem einfachen Informationsaustausch bis hin zu einer Abstimmung mit gemeinsamer Beschlussfassung, die in eine gemeinsame Politik mündete, spannte. Weiterhin scheiterte eine gemeinschaftlich betriebene oder zumindest koordinierte Entwicklungspolitik am Willen der Mitgliedstaaten,719 deren Interessen in diesem Politikfeld zu stark divergierten. Während Frankreich sich beispielsweise an einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene interessiert zeigte, ohne die bilateral betriebene Entwicklungspolitik vergemeinschaften zu wollen, hatte die Bundesrepublik kein Interesse an einer über die Assoziierung hinausgehenden gemeinsamen Aktion. So schrieb Erhard an seinen Kollegen, den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der den Vorschlägen der Kommission gegenüber aufgeschlossen war: „Vielmehr geht es darum, bei der Ausarbeitung einer „Entwicklungspolitik“ der EWG mitzuarbeiten (und ihr gleichzeitig die aus dem EWG-Vertrag heraus erforderlichen Grenzen zu setzen), soweit diese Politik nicht schon im Assoziierungsabkommen mit den überseeischen Staaten festgelegt ist.“720 Ohne den politischen Willen, zu einer gemeinsamen Politik zu gelangen, führte auch die Verlagerung der Frage in Expertengremien zu keinen Ergebnissen. In den Ratsarbeitsgruppen behinderten nach anfänglichen Erfolgen Rivalitäten zwischen den nationalen Experten und der Kommission eine konstruktive und um-
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lungsländern von Herrn Robert Margulies, Nov. 1962, in: BA Koblenz, B 213/1077. Nicht nur Frankreich schloss mit seinen ehemaligen Kolonien Kooperationsabkommen. Weitere bilaterale Abkommen zwischen anderen Mitgliedstaaten und den Assoziierten kamen hinzu. Die Bundesrepublik beispielsweise formalisierte ihre Beziehungen zu den unabhängigen afrikanischen Staaten durch bilaterale Abkommen in den Bereichen Handel, Verkehr, Schutz und Förderung von Kapitalanlagen sowie Entwicklungszusammenarbeit. Vgl. ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S. 44 f. Der Bundesregierung beispielsweise ging das Aktionsprogramm der Kommission zu weit, da sie jede über den Wortlaut des Vertrags hinausgehende Verlagerung von Befugnissen auf die Gemeinschaft ablehnte. Was eine gemeinsame Entwicklungspolitik anging, hielt das BMWi einen solchen Schritt für verfrüht. Das Auswärtige Amt vertrat die Ansicht, dass aus außenpolitischen Gesichtspunkten weiterhin an einer weitgehend bilateralen Entwicklungshilfe festgehalten werden müsse. Lediglich das 1961 neu gegründete Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unter Walter Scheel begrüßte die Initiative der Kommission aus integrationspolitischer Sicht. Vgl. BMZ, ORR Dr. Ehm, Dem Herrn Minister vorzulegen, Betr.: Aktionsprogramm der EWG-Kommission für die zweite Stufe, 19.11.62, in: BA Koblenz, B 213/1077; Mitteilung aus dem Kabinettsprotokoll über die 8. Sitzung des Kabinettsauschusses für Wirtschaft am 26.11.62, Betr.: Memorandum der Kommission zum Aktionsprogramm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für die zweite Stufe, Bonn, 2.1.63, in: Ebd. Vgl. Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 7.3.63, in: Ebd., 1078.
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fassende Konzeptionsarbeit.721 Auch in der Kommission erschwerte die Tatsache, dass sich vier Generaldirektionen und zwei Arbeitsgruppen mit Fragen der Entwicklungspolitik befassten, die Formulierung eines kohärenten entwicklungspolitischen Konzepts.722 Die Führung und Koordinierung der entwicklungspolitischen Arbeiten der westlichen Länder übernahm die OECD, in der die nationalen Experten der Entwicklungspolitik ihr vorrangiges Tätigkeitsfeld fanden. Die EWG-Länder und die Kommission hingegen fanden auch in den OECD nicht zu einer abgestimmten oder gar gemeinsamen Haltung, sondern traten getrennt auf.723 Die Erklärung der Kommission zur Frage der Bindung der Entwicklungshilfe vor dem DAC im Februar 1963, die mit den Mitgliedstaaten der EWG nicht abgestimmt war, warf nur ein Schlaglicht auf diese Situation.724 Die Kommission gab die Initiative auf dem Feld der Entwicklungspolitik vorerst auf. 1963 geriet die Europäische Gemeinschaft in die Krise, zunächst in eine Vertrauenskrise, auf die 1965 die Verfassungskrise folgte.
5. Die Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen Länder und Gebiete und ihre Auswirkungen auf die Assoziierung Guinea war die erste französische Kolonie im subsaharischen Afrika, die im Oktober 1958 die Unabhängigkeit erlangte, nachdem sich während des SeptemberReferendums 95% der Wahlberechtigten gegen die Communauté ausgesprochen hatten. Die französisch-guineischen Beziehungen gestalteten sich fortan angespannt und ambivalent. Die französische Regierung verweigerte dem jungen Staat zunächst die diplomatische Anerkennung, sperrte sämtliche Kredite, zog seine Verwaltungsbeamten ab und forderte alle Franzosen zum Verlassen des Landes auf.725 Gleichwohl schlossen Paris und Conakry am 7. Januar 1959 Kooperationsabkommen, die allerdings mit dem Austritt Guineas aus der Franc-Zone am 29. Februar 1960 hinfällig wurden.726 Unmittelbar nach der guineischen Proklamation der Unabhängigkeit warnte die französische Regierung die EWG-Kommission davor, direkte Schritte und Initiativen bei der guineischen Regierung zu unternehmen, die die zukünftigen Beziehungen zwischen der EWG und Guinea präjudizieren könnten.727 Die Kommission nahm daher zunächst eine abwartende Haltung ein. Vor dem Asso721
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Vgl. Schreiben an Karl-Heinz Narjes, Kabinettschef des Kommissionspräsidenten, Betr.: Entwicklungspolitik der Gemeinschaft; Institutionelle und Verfahrensfragen, 16.2.65, in: BA Koblenz, N 1266/1784. Vgl. ebd. Vgl. Schreiben an Narjes, 16.2.65 Siehe Teil C, Kap.3.1.2. Verzögerungen und Probleme: Die Frage der gebundenen Hilfe Vgl. ANSPRENGER, Franz: Politik im Schwarzen Afrika, S. 257. Vgl. auch WOLFRAM, Dieter: Assoziierung der überseeischen Länder an die EWG, S. 71 ff. Guinea wurde erst am 2. Januar 1960 von Frankreich anerkannt. Guinea, dessen Regierungschef Sékou Touré übrigens unmittelbar nach der Unabhängigkeit auf die Aufrechterhaltungen enger Bindungen zu Frankreich gehofft hatte, schloss zwischen 1961 und 1963 erneut Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit, Luftverkehr und Technische Hilfe mit Frankreich. Vgl. Schreiben des Ständigen Vertreters Frankreichs an den Außenminister, Kabinett, 4.10.58 und 31.10.58, in: CAOM, FIDES, Art. 220.
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ziierungsausschuss des Europäischen Parlaments vermied Lemaignen eine Stellungnahme über das gegenwärtige Statut Guineas in der Gemeinschaft. Offensichtlich sah die Kommission die Assoziierung Guineas durch die Erlangung der Unabhängigkeit zumindest in Frage gestellt.728 Sowohl die Kommission als auch die guineische Regierung zeigten sich interessiert, die Assoziierung fortzusetzen.729 Gleichwohl verfolgten beide Seiten dieses Ziel nur halbherzig. Guinea erfüllte keine der ihm aus der Assoziation entspringenden Verpflichtungen, wie Zollsenkungen oder die Beseitigung von Diskriminierungen, nahm aber auch den EEF nicht in Anspruch.730 Die Kommission kam offensichtlich dem von Allardt anlässlich seines Besuchs in Conakry vorgeschlagenen Procedere, ein Schreiben an die guineische Regierung zu richten, um die Fortsetzung der Assoziierung einzuleiten, nicht nach.731 Guinea stellte tatsächlich insofern einen Sonderfall dar, da es aufgrund seiner früh erlangten Unabhängigkeit die Assoziierungsregelung noch nicht in Anspruch genommen hatte. Im Grundsatz stellte sich dennoch schon mit der Unabhängigkeit Guineas die Frage, ob die Assoziierung mit der Unabhängigkeit eines assoziierten Staates hinfällig wurde oder nicht – eine Frage, die die französische Regierung 1958 aus politischen Motiven juristisch verneinte. 732 Lediglich das Europäische Parlament, dessen Assoziierungsausschuss sich bereits am 11. Oktober mit dem Fall Guinea befasste, diskutierte 1958 die komplexe Frage, welche Auswirkungen die Unabhängigkeit eines assoziierten Landes auf die Assoziierung hatte.733 Der Ausschussvorsitzende Walter Scheel sprach sich dafür aus, die politischen Aspekte des Problems von den juristischen zu unterscheiden und getrennt zu untersuchen. Politisch erschien eine Fortsetzung der Assoziierung allein schon aus dem Grund notwendig, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, „dass die EWG neokolonialistische Absichten 728
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Vgl. Schreiben von Raymond Bousquet, französischer Botschafter in Belgien, an den Außenminister, Betr.: Déclaration de M. Allardt sur l’association des territoires d’outre-mer au Marché commun, 28.12.58, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 94. Der Kommissionspräsident betrachtete in einer ersten persönlichen Stellungnahme gegenüber dem Ständigen Vertreter Frankreichs die Assoziierung gar als hinfällig. Vgl. Schreiben des Ständigen Vertreters Frankreichs an den Außenminister, 4.10.58. Vgl. Deutsche Botschaft Dakar, Betr.: Besuch der EWG-Delegation unter Leitung des Botschafters Dr. Allardt in den westafrikanischen Staaten des Französischen Kulturkreises, 4.3.59, in: PAAA, B 20/234. Eine ideologische Sichtweise auf den Gemeinsamen Markt, der insbesondere auch in der guineischen Presse als ein neokolonialistisches, kapitalistisches Unternehmen angegriffen wurde, ebenso wie die panafrikanischen Bestrebungen, die die guineische Regierung verfolgte und die wirtschaftlich in einem gemeinsamen afrikanischen Markt ihren Ausdruck finden sollten, hinderten Guinea, sich an die EWG zu assoziieren. Nach dem Abschluss des neuen Assoziierungsabkommens von Yaoundé 1963 zeigte Regierungschef Sékou Touré erneut Interesse an der Assoziierung. Vgl. AA, VLR I von Stempel, Aufzeichnung, Betr.: Gespräch mit dem Präsidenten der Republik Guinea Ahmed Sekou Touré über die Assoziierung der afrikanischen Länder und Madagaskars mit der EWG, 31.7.63, in: BA Koblenz, N 1266/1754. Vgl. ebd.; Fernschreiben der Ständige Vertretung Frankreichs an Außenministerium, 14.10.60, in: MAE, dece 723. Vgl. Auswärtiges Amt, Carstens, an Botschaften in Paris, Rom, Brüssel, Luxemburg, Den Haag, Tunis, Rabat, 3.2.59, in: PAAA, B 20/230. Vgl. Europäisches Parlament, Ausschuss für Fragen der Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete, Protokoll und Kurzbericht der Sitzung vom 11. Oktober 1958, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 105.
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verfolge und dass sie sich von einem assoziierten Land zurückziehe, sobald dieses die Unabhängigkeit erlange.“734 Unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten kamen die Abgeordneten hingegen zu verschiedenen Auslegungen des EWGVertrages. Während Van der Goes van Naters die Assoziierung als mit der Unabhängigkeit beendet betrachtete und daher die Möglichkeit in Betracht zog, Verhandlungen über eine neue Assoziierung Guineas einzuleiten, vertraten die deutschen und französischen Mitglieder des Ausschusses die Meinung, dass die Assoziierung auch nach der Unabhängigkeit fortbestehe. Sie verwiesen auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatensukzession, nach dem ein unabhängig gewordener Staat Verpflichtungen aus Verträgen, die die Kolonialmacht geschlossen hatte, übernehmen konnte,735 und stellten in Frage, dass das im EWGVertrag genannte Kriterium der „besonderen Beziehungen“ tatsächlich mit der Unabhängigkeit hinfällig werde. Schließlich lag es ihrer Meinung nach bei Guinea zu erklären, ob es die Assoziierung fortzusetzen wünsche oder nicht. Der Italiener Enrico Carboni verwies in diesem Zusammenhang auf die für das 1960 unabhängig werdende italienische Treuhandgebiet Somaliland bestehende Absichtserklärung, die als Präzedenzfall auch für andere unabhängig werdende assoziierte Länder gelten konnte.736 1959 stellte sich zunächst für die beiden UN-Treuhandgebiete Kamerun und Togo die Frage, ob die Assoziierung mit der Unabhängigkeit hinfällig wurde oder nicht. Der französischen Regierung, die sich am 9. Juli 1959 mit den künftigen Beziehungen Kameruns und Togos zur EWG befasste, erschien es politisch wünschenswert, dass sich die beiden Länder für eine Fortsetzung der Assoziierung nach der Unabhängigkeit entschieden, damit das bestehende Assoziierungssystem nicht als Ausdruck eines kolonialen Systems erschien.737 Darüber hinaus stelle die Assoziierung „une garantie non négligeable“738 dar, um die unabhängigen Länder im französischen bzw. europäischen Einflussbereich zu halten. Die als Referenz herangezogene Absichtserklärung hinsichtlich ItalienischSomalilands eröffnete zwei Wege, die Assoziierung fortzusetzen: die Bestätigung der bestehenden Assoziierung oder den Abschluss eines neuen Assoziierungsabkommens nach Art. 238 EWGV. In letzterem Fall hätte es sich um eine Freihandelsassoziation gehandelt, wie sie mit Griechenland und der Türkei 1961 und 1963 realisiert wurde. Vorzuziehen sei aber, dass die Assoziierung so wie sie im Teil IV des Vertrags von Rom und dem Durchführungsabkommen definiert war – zumindest vorläufig beibehalten wurde. Dahinter stand das Bestreben, den unabhängig werdenden Ländern den materiellen Gehalt der bestehenden Assoziierung zu sichern, insbesondere die Leistungen des EEF.
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Vgl. Alain Savary im Assoziierungsausschuss, 11.10.58, in: Ebd. Zur Frage der Staatensukzession vgl.: Europäisches Parlament, Parlamentarische Studie über die Stellung der selbständig werdenden assoziierten überseeischen Länder und Gebiete der EWG, 26.2.60, in: HAEG, BAC 19/1969 100. Vgl. weiterhin: DELORME, Nicole: L’association des Etats africains et malgache, S. 39-41. Siehe Teil B, Kap. 4. Der Vertrag von Rom und die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete Vgl. SGCI: Note sur les Rapports du Cameroun et du Togo et de la Communauté Economique Européenne, 24.7.59, in: 19880053 SGCI, Art. 217. MAE, Direction des Affaires Economiques et Financières, Service de Coopération, Note, a.s. Association du Togo et du Cameroun au Marché Commun, 29.7.59, in: MAE, dece 728.
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Paris sah die Notwendigkeit einer Anpassung des Assoziierungssystems an die neue Situation weniger im finanziellen und handelspolitischen Bereich als vielmehr im institutionellen Bereich, in dem Forderungen seitens der Togos und Kameruns erwartet wurden. Die Assoziierten waren in der EWG nicht eigenständig repräsentiert, Frankreich bildete das Scharnier, über das die Beziehungen zwischen Assoziierten und der Gemeinschaft hergestellt wurden.739 Im Ministerrat wurden die Angelegenheiten der Communauté-Staaten durch den französischen Außenminister bzw. den Ständigen Vertreter Frankreichs vertreten. Die offiziellen Kontakte der Assoziierten zur Kommission liefen normalerweise über Paris. Auch im Europäischen Parlament saß für Frankreich lediglich ein afrikanischer Abgeordneter, der Madagasse Julien Ramizon. Zwar hatte die Kommission Mittel und Wege gefunden, um mit den Assoziierten in direkten Kontakt zu treten, der Ministerrat und die Kommission hatten darüber hinaus einige wenige afrikanische Beamte eingestellt, aber selbst französischerseits konstatierte man, dass sich nunmehr im institutionellen Bereich eine mangelhafte Situation ergab: „Il n’en demeure pas moins que ces contacts sont restés fragmentaires et ne correspondait plus, ni dans l’esprit de nos partenaires, ni semble-t-il dans celui des dirigeants africains, au nouvel état des rapports entre la France et les Etats 740 de la Communauté.“ In dem Bestreben mit der der kamerunschen Regierung eine gemeinsame Position zur Assoziierung zu finden und diese noch vor dem Unabhängigkeitsdatum Kameruns gegenüber der EWG-Kommission zu vertreten, wurden die Beziehungen Kameruns zur EWG zum Gegenstand der französisch-kamerunschen Kooperationsverhandlungen.741 Dabei machte die französische Regierung deutlich, dass sie die Möglichkeit präferierte, die Assoziierung mittels einer gemeinsamen Erklärung Kameruns und der EWG fortzuführen. Auch die institutionellen Fragen kamen zur Sprache. Hier gedachte Frankreich vorläufig seine Scharnierfunktion zu wahren und kam mit Kamerun überein, es vorläufig weiterhin über die französische Delegation bei der EWG zu repräsentieren.742 Auch die Projektpräsentation sollte vorläufig über die Ständige Vertretung Frankreichs erfolgen. Eine Commission Mixte franco-camerounaise sollte alle europäischen Angelegenheiten gemeinsamen Interesses vorkoordinieren. Bereits im August hatte die französische Regierung der EWG-Kommission mitgeteilt, dass sie ihr nach Abstimmung mit Kamerun und Togo und noch vor der Unabhängigkeit der beiden Länder Vorschläge zur Assoziierung unterbreiten werde und sich im Übrigen jede Einmischung der Kommission in die bilateralen Gespräche Frankreichs mit den Ländern verbeten.743 Der kamerunsche Premier 739 740
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Siehe Teil C, Kap. 3.1.1. Die Schaffung des ersten Europäischen Entwicklungsfonds und Teil C, Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika MAE, Direction des Affaires Economiques et Financières, Service de Coopération Economique, Note, a.s. Répercussions de l’évolution politique de la Communauté sur le régime d’association des pays et territoires d’outre-mer au Marché Commun, 21.1.60, in: MAE, dece 722. Vgl. Schreiben des Außenministers an Naudy, Mitglied der französischen Delegation in Yaoundé, Betr.: Association du Cameroun au Marché Commun, 20.10.59, in: Ebd. Vgl. Note sur les relations franco-camerounaises, 8.11.59, in: Ebd. Vgl. Schreiben Milles, Ständige Vertretung Frankreichs, an SGCI, Betr.: Relations avec la Communauté Economique Européenne, 5.8.59, in: Ebd.
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bestätigte am 12. Januar 1960 den Wunsch seiner Regierung, die Assoziierung fortzusetzen, und das diesbezügliche Vorgehen Frankreichs. 744 Die Fortsetzung der Assoziierung gestaltete sich im Fall Kameruns ohne größere Schwierigkeiten. Als der Rat sich am 10. März 1960 mit Kamerun befasste, beschloss er die Assoziierung entsprechend Art. 131 ff. bis zur „Einführung der endgültigen Assoziierungsmodalitäten“ aufrechtzuerhalten,745 so dass der Kommissionspräsident am 6. April Kamerun die Assoziierung bestätigen konnte.746 Damit schien auch die Kommission die These zu vertreten, dass die Unabhängigkeit nicht zwangsläufig ein Aufhören des bestehenden Assoziierungsverhältnisses bedeute. Tatsächlich hatte sie sich aber nicht festgelegt. Eine Erklärung Kommissars Lemaignen anlässlich der Togo-Frage, dass sich sowohl die These eines Fortbestehens der Assoziierung nach Teil IV als auch die These des Erlöschens der bestehenden Assoziierung mit der Unabhängigkeit juristisch vertreten lasse,747 spiegelte auch die unterschiedlichen Haltungen der Kommissionsmitglieder wider. Der belgische Kommissar Rey hielt noch Mitte 1960 an der Notwendigkeit fest, nach der Unabhängigkeit die Assoziierung mit dem jeweiligen Staat nach Art. 238 neu gestalten zu müssen.748 Schon im April 1960 hatte die Kommission in einer ersten offiziellen Äußerung anlässlich der schriftlichen Anfrage des Abgeordneten van der Goes van Naters auf das Verfahren nach Art. 238 für alle unabhängigen Länder verwiesen.749 Offensichtlich wollte sie die neu errungene Souveränität der afrikanischen Staaten durch eine automatische Fortsetzung der Assoziierung nicht beeinträchtigen. Sondierungsgespräche zwischen der Kommission und dem Ausschuss der Ständigen Vertreter im Juni 1960 ergaben, dass die Kommission von einer grundlegenden Veränderung des alten Zustand durch die Erlangung der völkerrechtlichen Souveränität ausging und die Beziehungen der neuen Staaten zur ehemaligen Kolonialmacht nicht mehr als „besondere“ betrachtete.750 Ein Verfahren nach Art. 238 hätte für die Kommission zudem den Vorteil gehabt, dass das Verhandlungsmandat bei ihr gelegen hätte, während der Teil IV des Vertrags von Rom dem Ministerrat die hauptsächliche Verantwortung für die Bestimmung der nachfolgenden, neuen Assoziierung
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Vgl. MAE, Direction des Affaires Economiques et Financières, Service de Coopération, Texte de la lettre à M. Hallstein, 31.12.59, in: MAE, Afrique Levant, Cameroun 15; Copie de la lettre en date du 12 janvier 1960, adressé par le Premier Ministre de l’Etat du Cameroun à M. W. Hallstein, Président de la Commission de la C.E.E., in: Ebd. Vgl. Gorse an SGCI, a.s. Association de Cameroun à la C.E.E., 11.3.60, in: CAOM, FIDES 217. Vgl. auch WOLFRAM, Dieter: Die Assoziierung überseeischer Gebiete an die EWG, S. 99 f. Vgl. Schreiben des Präsidenten Hallstein an Premier Ministre Ahidjo, objet: Application au Cameroun de la 4ème partie du Traité et de la Convention d’application annexe, 6.4.60, in: Ebd.; Vgl. weiterhin: Schreiben Hallsteins an Schaus, Betr. : Application de la IVème partie du Traité et de la Convention d’application relative à l’association des Pays et Territoires d’outremer à la Communauté, 25.2.60, in: Ebd. Vgl. „Die Assoziierung der überseeischen Länder mit dem Gemeinsamen Markt. Erklärungen des Kommissionsmitgliedes Robert Lemaignen“, in: Europäische Gemeinschaft Nr. 38/III (1960). Vgl. Französische Ständige Vertretung Brüssel an Außenministerium, 16.6.60, in: MAE, dece 722. Vgl. Schriftliche Anfrage des Europaabgeordneten Goes van Naters (18.2.60) und Antwort der Kommission (25.3.60), in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 8.4.60, S. 609 ff. Vgl. Französische Ständige Vertretung Brüssel an Außenministerium, 16.6.60.
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gab.751 Dass insbesondere Frankreich aber nicht bereit war, der Kommission die Verhandlungsführung zu überlassen, zeigte sich im Fall Togos im Sommer und Herbst 1960.752 Nach Lemaignen veranlassten Zweckmäßigkeitserwägungen die Kommission schließlich, von einer Fortdauer des bestehenden Assoziierungsverhältnisses auch nach der Unabhängigkeit auszugehen.753 Die Haltung der Kommission in der Kamerun-Frage war also Ausdruck eines Pragmatismus, der darin bestand, den Status quo vorläufig beizubehalten, ohne dabei Anpassungen des bestehenden Systems an die neue Situation auszuschließen, aber letztlich auf die Verhandlungen für eine neue Assoziierung nach 1962 zu setzen.754 Dass der Kommissionspräsident auf der 33. Ratstagung am 20. und 21. Juni 1960 eine der französischen nahe kommende Haltung zur Assoziierungsfrage bezog, verdankte sich vor allem den beiden französischen Kommissaren Lemaignen und Marjolin, die ihren Standpunkt gegen diejenigen in der Kommission, die nach wie vor einer Lösung nach Art. 238 anhingen, durchgesetzt hatten.755 Sowohl Hallstein als auch der französische Außenminister stellten fest, dass die Unabhängigkeit nicht das Ende der Assoziierung bedeute. Beide erkannten zudem die Notwendigkeit, im institutionellen Bereich der neuen Situation Rechnung zu tragen und den Assoziierten die Beteiligung an der Behandlung der sie interessierenden Fragen zu ermöglichen. Sie sprachen sich daher für eine pragmatische Lösung aus, die keine Modifikation des Vertrags von Rom erforderte. Einerseits sollten die unabhängigen Länder bei der EWG vertreten sein, sei es über die Ständige Vertretung Frankreichs oder eine eigene Vertretung, andererseits sollten auf Ebene der Ständigen Vertreter und der Minister Ad-hoc-Treffen stattfinden.756 Diese Ausführungen fanden die Zustimmung der übrigen Mitglieder mit Ausnahme der Niederlande, die sich ihre Haltung vorbehielten. Den Haag widersetzte sich zwar nicht einer vorläufigen Fortsetzung der Assoziie751
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Vgl. auch COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 78. Art. 136 enthielt allerdings keine Bestimmungen zu den Verhandlungen mit den Assoziierten. Nach Art. 228 sollten internationale Abkommen von der EWG-Kommission verhandelt werden. Während der Assoziierungsverhandlungen mit Griechenland nach Art. 238 kam Art. 228 zur Anwendung. Vgl. Außenministerium an Ständige Vertretung Brüssel, 11.6.60, in: MAE, dece 722; EWG, Kommission, Sekretariat, Vermerk für die Mitglieder der Kommission, 14.9.60, in: BAC 19/1969 22; C. von Stempel, DG VIII, Vermerk für Herrn Ferrandi, 21.9.60, in: Ebd. Vgl. Erklärungen des Kommissionsmitglieds Robert Lemaignen, in: Europäische Gemeinschaft Nr. 38/III (1960); Europäisches Parlament, Ausschuss für Fragen der Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete, Protokoll der Sitzung vom 5. Mai 1960, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 106; Van der Lee, DG VIII, Vermerk für den Generaldirektor, 12.9.60, in: Ebd., 22. Im Assoziierungsausschuss warf Lemaignen die Frage auf: „Kann ein unabhängig gewordenes Land, das auf Grund von Artikel 238 um Assoziierung mit der Gemeinschaft ersucht, weiterhin die Unterstützung des FEDOM in Anspruch nehmen oder nicht? Die Juristen der Exekutive verneinen die Frage mit Entschiedenheit [...].“ Nach Van der Lee schloss Art. 238 darüber hinaus ein Präferenzsystem zugunsten der Assoziierten aus. Vgl. Französische Ständige Vertretung Brüssel an Außenministerium, 16.6.60. Vgl. Französische Ständige Vertretung Brüssel an Außenministerium, 12.5.60, in: MAE, dece 734. Vgl. EWG, Rat, Gesamtüberblick über den auf der letzten Tagung der Außenminister am 20. und 21.6.60 in Brüssel erfolgten Gedankenaustausch über die Frage der Assoziierung, 27.6.60, in: HAEG Brüssel BAC 19/1969 22; EWG, Bericht über die 33. Tagung des Ministerrats am 20./21.6.60, in: N 1266/1338; MAE, Note, Conseil des Ministres du 20 juin 1960: Associations des PTOM indépendants, nicht datiert, in: MAE, dece 722.
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rung, fürchtete aber, dass Verpflichtungen eingegangen würden, die künftige Regelungen präjudizierten.757 Nach 1962 wollten die Niederlande die Assoziierung nicht fortsetzen, sondern diese durch eine breiter ausgerichtete, den gesamten afrikanischen Kontinent in den Blick nehmende Entwicklungshilfepolitik der EWG ersetzen.758 Nicht nur aufgrund der nunmehr zu Tage tretenden Opposition der Niederlande gestaltete sich die Fortsetzung der Assoziierung mit Togo schwieriger als mit Kamerun. Die togolesische Regierung wollte ihre neu gewonnene Souveränität nutzen, um sich aus den exklusiven Beziehungen zu Frankreich zu lösen. Daher strebte Regierungschef Sylvanus Olympio, der mit Schreiben vom 20. April 1960 – also sieben Tage vor der formellen Unabhängigkeit Togos den Wunsch Togos nach Fortsetzung der Assoziierung bestätigte, Verhandlungen nach Art. 238 mit der EWG an, ohne damit allerdings wesentliche Änderungen in den Rechten und Verpflichtungen der Assoziation einschließlich des Entwicklungsfonds herbeiführen zu wollen.759 Während eines Gesprächs, das Direktor Van der Lee mit der togolesischen Regierung anlässlich der Unabhängigkeitsfeier führte, stellten der Regierungschef und sein Wirtschaftsminister Coco Hospice klar, dass sie direkte Beziehungen zur EWG etablieren wollten.760 Einerseits betrachtete die togolesische Regierung diese als Ausdruck ihrer Souveränität, die sie auch gegenüber nicht-assoziierten afrikanischen Staaten dokumentieren wollte,761 andererseits bewogen auch handelspolitische Motive das ehemalige Treuhandgebiet, das dem Grundsatz der Offenen Tür verpflichtet war, sich aus der Vormundschaft Frankreichs zu lösen.762 Dass Togo einen anderen Weg beschreiten wollte als Kamerun, konnte Bedeutung erlangen für die Entscheidung anderer unabhängig werdender assoziierter Staaten, wie diese ihre Beziehungen zur EWG gestalten wollten.763 Da die französische Regierung den Kommissar verdächtigte, Togo in seinem Bestreben ermutigt zu haben, direkte Beziehungen zur EWG-Kommission aufzunehmen,764 nahm sie das Schreiben des togolesischen Premiers zum Anlass für
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Vgl. EWG, Rat, Einleitende Aufzeichnung: Anpassung des Assoziationssystem an die politische Entwicklung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, Anlage II: Auffassung der niederländischen Regierung, 9.9.60, in: BA Koblenz, B 136/7957. Gegen die Assoziierung sprachen für Den Haag, dass sie zu einer Spaltung Afrikas in unterschiedliche Gruppierungen beitrage, dass sie die EWG der Kritik aussetze, eine neokolonialistische Politik zu betreiben, und schließlich dass das Präferenzsystem nachteilige Effekte für die ökonomischen und politischen Außenbeziehungen der EWG habe. Vgl. HARRYVAN, Anjo G./VAN Der HARST, Jan: A bumpy road to Lomé. The Netherlands, Association and the Yaoundé Treaties. 1956-1969, in BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard: L’Europe unie et l’Afrique, S. 324 f. Vgl. Schreiben des Premierministers Olympio an den Präsidenten der EWG-Kommission Hallstein, Betr.: Association de la République du Togo à la CEE, 20.4.60, in: CAOM, FIDES, Art. 224. Vgl. CEE, DG VIII: Rapport sur la mission effectuée par M. van der Lee du 25 avril au 1er mai 1960 à l’occasion de l’Indépendance de la République du Togo, 11.5.60, in: Ebd. Vgl. ebd. Vgl. MAE, Télégramme à l’Arrivée, Lomé, 4.5.60, in: MAE, dece 734. CEE, DG VIII : Rapport sur la mission effectuée par M. van der Lee du 25 avril au 1er mai 1960 à l’occasion de l’Indépendance de la République du Togo, 11.5.60. Vgl. Mayoux, Secrétaire Général Adjoint du Comité Interministérielle, an Gorse, 14.4.60, in: Ebd.
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eine Intervention.765 Das Schreiben schien sich allerdings weniger den Gesprächen Lemaignens mit der togolesischen Regierung zu verdanken als vielmehr das Resultat von Gesprächen zu sein, die Generaldirektor Allardt im März in Brüssel mit Coco Hospice geführt hatte. Hier ergab sich ein weiterer Punkt, in dem der deutsche Generaldirektor in Gegensatz zum französischen Kommissar geriet, den Gorse zu den „éléments conservateurs‘“766 in der Kommission zählte.767 In der französischen Regierung verstärkte sich die Wahrnehmung, dass einige in der Generaldirektion VIII Togo zu einem Testfall machen wollten in der Absicht, „jusqu’à l’extrême limite les conséquences de l’indépendance du nouvel état (négociation sur la base de l’article 238, représentation directe du Togo auprès de la CEE et certains même caressent déjà l’idée d’une représentation de la CEE en Afrique)“768 zu ziehen. Als Van der Lee schließlich im Ausschuss der Ständigen Vertreter, der über das Antwortschreiben der Kommission an Olympio debattierte, über seine Gespräche mit der togolesischen Regierung berichten wollte, protestierte der französische Vertreter.769 Paris suchte, den Handlungsspielraum der Kommission zu begrenzen, und reklamierte die exklusive Kompetenz des Rats für das Antwortschreiben an Togo. Hallstein bezog den genau entgegengesetzten Standpunkt.770 Hinter diesen Differenzen zwischen Frankreich und der Kommission über die Togo-Frage verbarg sich nicht nur ein Kompetenzkonflikt zwischen dem Ausschuss der Ständigen Vertreter und der Kommission sondern auch ein genereller institutioneller Konflikt über die Rolle der Kommission bei der Gestaltung der Außenbeziehungen der EWG. Auf der Ratstagung im Juni 1960 wurde schließlich vereinbart, dass das Antwortschreiben der Kommission an Togo, dem Ausschuss der Ständigen Vertreter vor dem Absenden vorzulegen war.771 Am 20. Juli bestätigte Hallstein dem togolesischen Regierungschef die Assoziierung, die bis zur Neuregelung auf Grundlage des Teil IV des Vertrags von Rom und dem Durchführungsabkommen fortgesetzt werden sollte, allerdings eine Anpassung hinsichtlich der Repräsentation Togos bei der EWG erforderte.772 Das Schreiben des Kommissionspräsidenten machte zugleich
765 766 767
768 769 770 771 772
Vgl. MAE, Télégramme à l’Arrivée, 26.4.60, in: Ebd. Französische Ständige Vertretung Brüssel an Außenministerium, 12.5.60. Vgl. Schreiben des französischen Botschafters in der BRD an den Außenminister, Betr.: le „cas Allardt“ et l’association des pays d’outre-mer au Marché Commun, 15.6.60, in: MAE, dece 722. Französische Ständige Vertretung Brüssel an Außenministerium, 12.5.60. Vgl. Gorse an Außenministerium, 18.5.60, in: MAE, dece 734. Vgl. Gorse an Außenministerium, 27.5.60, in: Ebd.; 1. Fernschreiben von Gorse vom 27.5.60, in: Ebd. Vgl. EWG, Rat, Gesamtüberblick über den auf der letzten Tagung der Außenminister am 20. und 21.6.60 in Brüssel erfolgten Gedankenaustausch über die Frage der Assoziierung, 27.6.60. Im Herbst 1960 traf eine togolesische Delegation in Brüssel ein, um die Modalitäten der Vertretung Togos bei der EWG zu verhandeln. Zu weitergehenden Verhandlungen über den institutionellen Bereich, die Togo anstrebte, war die EWG nicht bereit. Vgl. hierzu: Schreiben Olympios an Hallstein. 18.8.60, in: CAOM, FIDES, Art. 224; CEE, Conseil, Note, objet: Communication de la Commission au sujet des conversations avec le gouvernement togolais, 13.9.60, in: Ebd.; Schreiben Hallsteins an Olympio, Betr.: Rencontre entre une délégation togolaise et des représentants des services compétents de la C.E.E. en vue de la représentation directe de ce pays auprès de la C.E.E., 20.10.60, in: Ebd.
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deutlich, dass die EWG als Ganzes und nicht nur die Kommission Gesprächspartner der togolesischen Regierung war – auch ein Erfolg Frankreichs.773 Die Niederlande, die Einwände gegen den Entwurf des Antwortschreibens erhoben hatten,774 standen mit ihrer Haltung zu Assoziierung nicht so allein da, wie ihre isolierte Stellung im Ausschuss und im Rat vermuten ließ. Inhaltlich stand der niederländische Standpunkt dem der Bundesregierung nahe, es ergab sich eine Schnittmenge. Auch Bonn wünschte eine Neubestimmung des Inhalts der Assoziierung, sowohl handelspolitisch als auch auf finanziellem Gebiet. Außerdem wollte die Bundesregierung die Assoziierung für die anglophonen afrikanischen Staaten offen zu halten. Ziel war letztlich die gleichmäßige Behandlung aller afrikanischen Staaten, unabhängig davon, ob diese mit der Gemeinschaft assoziiert waren, dem Commonwealth angehörten oder außerhalb beider Gruppen standen.775 Die Bundesregierung hielt es allerdings nicht für sinnvoll, die Assoziierung an sich nach 1962 in Frage zu stellen.776 Innerhalb der Bundesregierung bestanden durchaus Differenzen über die zur Assoziierung einzunehmende Haltung. Der Bundeskanzler fragte sich, ob die einheitliche Assoziierung der selbständig gewordenen afrikanischen Staaten die EWG in ihrer Substanz veränderte und ihrem eigentlichen Zweck entfremdet, sich vor allem westeuropäischen Interessen zu widmen.777 Das Bundeswirtschaftsministerium opponierte insbesondere gegen den handelspolitischen Teil der Assoziierung. Staatssekretär Müller-Armack vertrat in einer ersten Stellungnahme gegenüber Generaldirektor Allardt im Dezember 1959 die Ansicht, dass kein Grund vorliege, Togo beispielsweise anders zu behandeln als Ghana.778 Das Auswärtige Amt trat demgegenüber für eine Fortsetzung der Assoziierung ein. Es betrachtete die Assoziierung als ein wesentliches Element, um angesichts des Werbens des Ostblocks um die jungen afrikanischen Staaten den afrikanischen Kontinent dem Westen verbunden zu halten.779 Dem Auswärtigen Amt gelang es, diesen Standpunkt im Fall Togos Geltung zu verschaffen. Gleichwohl blieb die juristische Bewertung der Grundlage, auf der die Assoziierung fortgesetzt werden sollte, zwischen und innerhalb der Ressorts umstritten.780 Beide Thesen, 773 774
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Vgl. Note pour le Président de la Communauté, Rapport du Togo avec la Communauté Econo-mique (C.E.E.), 15.9.60, in: Ebd. Vgl. MAE, Télégramme à l’Arrivée, 23.5.60, in: MAE, dece 734; Ständiger Vertreter Frankreichs an Außenministerium, 13.7.60, in: MAE, Europe 189; Französische Botschaft Den Haag an Außenministerium, 15.7.60, in: Ebd. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, hier: Anpassung des Assoziationssystems des Vertrags an die veränderten politischen Verhältnisse in den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten, 12.10.60, in: PAAA, B 20/368. Vgl. AA, Vermerk, Betr.: Holland und die Assoziation der überseeischen Gebiete mit der EWG, 19.10.60, in: PAAA, B 58/170. Vgl. Bundesfinanzministerium, Entwurf eines Antwortschreibens an den Bundeskanzler, 13.9.60, in: PAAA, B 20/368. Vgl. AA, Vermerk, Betr.: Beziehungen der EWG zu den unabhängig werdenden überseeischen Gebieten, 14.12.59, in: PAAA, B 20/240. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, hier: Anpassung des Assoziationssystems des Vertrags an die veränderten politischen Verhältnisse in den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten, 12.10.60. Vgl. auch: „Die Sowjetunion in Afrika – Auszug aus dem Bericht der Botschaft Moskau vom 9.9.1960“, in: Informationsdienst für die Auslandsvertretungen, Heft 189, 14.10.60, in: PAAA, B 20/368 Vgl. MinDir Carstens, Aufzeichnung, Betr. Assoziierung eines selbständig gewordenen Togos mit der EWG, 10.6.60, in: PAAA, B 53/168.
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sowohl die der automatischen Fortsetzung der Assoziierung als auch die der Notwendigkeit einer Neu-Assoziierung, wurden vertreten.781 Ministerialdirektor Carstens vom Auswärtigen Amt zog eine dritte Möglichkeit in Betracht, das vorläufige Fortbestehen des Status quo unter Anpassung an die veränderte Lage, und traf sich darin mit der EWG-Kommission. Seine Vorbehalte galten insbesondere dem Kriterium der „besonderen Beziehungen“, in dem er eine Fortschreibung des kolonialen Mandatssystems erblickte. Für die Neuregelung der Assoziierung nach 1962 empfahl er daher, den Abschluss eines Assoziationsabkommens nach Art. 238 anzustreben.782 Nach Gesprächen mit der französischen und der niederländischen Regierung im Herbst 1960 entschied sich die Bundesregierung für ein zweigleisiges Vorgehen. Einerseits war man sich mit Frankreich darin einig, die Klärung der Rechtsfrage nicht zu forcieren und das Durchführungsabkommen während seiner Laufzeit fortzusetzen,783 andererseits erkannte man die inhaltlichen Übereinstimmungen mit dem niederländischen Standpunkt an. Diesen wollte man im Rahmen einer künftigen Afrikapolitik der EWG Geltung verschaffen und war daher bestrebt, sich hinsichtlich materiellen Gehalts des für die Zeit nach 1962 abzuschließenden Assoziierungsvertrags gegenwärtig nicht zu binden.784 Auch der Rat entschied sich im Oktober zu einer pragmatischen Lösung. Die Mitgliedstaaten trafen sich in ihrem gemeinsamen Interesse an einer Übergangslösung, die weder die rechtliche Basis noch den materiellen Gehalt einer künftigen Assoziierung präjudizierte. Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Kommission standen 1960 erst am Anfang ihrer Positionsbestimmungen zu einer neuen Assoziierung. Schließlich war der Transformationsprozess im frankophonen subsaharischen Afrika in vollem Gang. Am 18./19. Oktober bestätigte der Rat die Ergebnisse seiner Tagung vom Juni. Die Assoziierung sollte bis auf weiteres beibehalten und dabei wie folgt der veränderten Situation angepasst werden: 1. Die unabhängigen Assoziierten reichten ihre wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsvorhaben nach einem noch festzulegenden Verfahren direkt ein; 2. die Staaten konnten bei der Gemeinschaft eine Vertretung einrichten. Die Assoziierten entschieden selbst, ob sie direkte Beziehungen mit EWG aufnahmen oder ob sie es vorzogen, sich vorläufig durch einen Mitgliedstaat vertreten zu lassen; 3. zwischen diesen Vertretungen und dem Ausschuss der Ständigen Vertreter sollten Ad-hoc-Besprechungen geführt werden, an denen Vertreter der Kommission teilnahmen;
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782 783 784
Vgl. ebd.; AA, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung eines selbständig gewordenen Togos, nicht datiert, in: PAAA, B 20/367; BMI an AA; BMWi, BMJ, BMF, Betr.: EWG; Allgemeine Grundsätze einer Assoziierungspolitik, Bezug: Ressortbesprechung im AA am 13.6.60, 22.6.60, in: Ebd. Vgl. MinDir Carstens, Aufzeichnung, Betr. Assoziierung eines selbständig gewordenen Togos mit der EWG, 10.6.60. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Debré-Besuch, 11.10.60, in: PAAA, B 58/163. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: EWG-Assoziierung der überseeischen Gebiete, 14.10.60, in: PAAA, B 58/170; AA, Vermerk, Betr.: Holland und die Assoziation der überseeischen Gebiete mit der EWG, 19.10.60.
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4. ein- bis zweimal im Jahr sollten zwischen dem Ministerrat und den zuständigen Vertretern der assoziierten Staaten Ad-hoc-Besprechungen geführt werden, an denen ebenfalls die Kommission teilnahm.785 Kamerun und Togo bildeten die beiden Präzedenzfälle, nach denen die anderen assoziierten Staaten ihre Beziehungen zur EWG regelten. Dem Beispiel Togos folgend errichteten die Elfenbeinküste, Gabun, Kongo-Léopoldville, Madagaskar, Mauretanien, Niger, Obervolta, Senegal, Somaliland, Tschad und auch Kamerun Vertretungen bei der EWG.786 Der Ministerrat hatte im Oktober eine Art „Ersatzinstitutionalisierung der Assoziation“787 geschaffen. Ad-hoc-Treffen fanden zunächst auf der Botschafterebene statt. Vom Rat als Forum eines Informationsaustauschs mit den Assoziierten gedacht,788 versuchten letztere in den Ad-hoc-Treffen mit den Ständigen Vertretern, Einfluss auf die Handelspolitik und Entwicklungshilfe der Gemeinschaft zu gewinnen. Dass sich auf der ersten Tagung vom 1. bis 3. Juni 1960 ein „echter Dialog“789 zwischen den EWG-Vertretern und denen der Assoziierten entwickelte, verdankte sich auf Seiten der EWG vor allem der Kommission, die zum eigentlichen Gesprächspartner der Assoziierten wurde.790 Dabei nahm die Debatte über die Erörterung verschiedener aktueller Sachfragen wie die Beschleunigung der Interventionen des Entwicklungsfonds oder handelspolitische Maßnahmen auf dem Gebiet der Zölle und Verbrauchssteuern einen grundsätzlichen Charakter an.791 Die Ad-hoc-Treffen wurden somit zum Forum für multilaterale Gespräche, in denen Positionen nicht mehr bilateral über die Kommission, einen EWGMitgliedstaat oder einen assoziierten Staat über- und vermittelt wurden, sondern 785
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Vgl. Vierter Gesamtbericht (1961), S. 149; EWG-Kommission, Sekretariat, Vermerk für die Herren Mitglieder der Kommission, Betr.: Ergänzung zum Bericht über die 38. Tagung des EWG-Rates am 17., 18. und 19. Oktober 1960, 21.10.60, in: BA Koblenz, N 1266/1338. Vgl. Vierter Gesamtbericht (1961), S. 149. Vgl. auch Eröffnungsrede des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter, J. van der Meulen, anlässlich des ersten Treffens des Ausschusses der Ständigen Vertreter mit Vertretern der AASM (1.-3.6.61), Anlage zur Aufzeichnung für Herrn Generaldirektor Hendus, Betr.: Ergebnis-Protokoll der ersten Tagung der Vertreter der assoziierten überseeischen Staaten mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter vom 1. – 3. Juni 1960, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 66. Im Fall Kameruns und Somalias stellte sich 1961 ein zusätzliches Problem, als diese Staaten sich mit ihrem jeweiligen britischen Teil vereinigten. Die Frage war, ob die Assoziierung für das gesamte Gebiet galt oder eine Neuregelung nach Art. 238 erforderlich war. Somalia äußerte am 24.1.61 den Wunsch, assoziiert zu bleiben. Am 2.3.61 entschied der Rat die Aufrechterhaltung des existierenden Assoziierungsverhältnisses. Am 1.10.61 vereinigten sich die beiden Kameruns zur Föderalen Republik Kamerun. Dem somalischen Beispiel folgend wurde die Assoziierungsregelung auf das gesamte Gebiet ausgedehnt. Vgl. hierzu: DELORME, Nicole: L’Association, S. 39 f. WOLFRAM, Dieter: Assoziierung der überseeischen Länder an die EWG, S. 104. Vgl. Eröffnungsrede des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter, J. van der Meulen; Anlage zu: EWG, Kommission, Aufzeichnung für Herrn Generaldirektor Hendus, Betr.: Ergebnis-Protokoll der ersten Tagung der Vertreter der assoziierten überseeische Staaten mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter vom 1. – 3. Juni 1961, 6.6.61. EWG, Kommission, Aufzeichnung, Ergebnis-Protokoll der ersten Tagung, 6.6.61. Vgl. hierzu und zum Folgenden: Ebd.; EWG, Rat: Schlussfolgerungen der ersten Tagung der Vertreter der mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiete mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des Ministerrates der EWG (Brüssel, 1., 2. und 3.Juni 61), 28.6.61, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 67. Vgl. EWG, Kommission, Aufzeichnung, Ergebnis-Protokoll der ersten Tagung, 6.6.61.
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unmittelbar ausgetauscht und gegenübergestellt wurden. Weder die EWG noch die Assoziierten Afrikanischen Staaten und Madagaskar (AASM) bildeten einen monolithischen Block, sondern die zu einzelnen Fragen geäußerten Sichtweisen und Haltungen konnten innerhalb der jeweiligen Gruppe divergieren.792 Die Assoziierten wollten mehr als nur die Fragen gemeinsamen Interesses mit der EWG erörtern; sie wollten Einfluss auf den Entscheidungsprozess der EWG nehmen können. Ausdruck ihres Strebens nach einer engen Zusammenarbeit war beispielsweise ihre Forderung, an laufenden Studien der Dienststellen der Kommission beteiligt zu werden.793 In handelspolitischen Fragen gemeinsamen Interesses verlangten sie, von der EWG konsultiert zu werden. So forderten sie beispielsweise keine weiteren Beschleunigungsmaßnahmen, die sich auf ihre Wirtschaft auswirkten, mehr ohne ihre vorherige Anhörung zu treffen.794 Auch auf die Zollverhandlungen, die die EWG in der sog. Dillon-Runde im Rahmen des GATT führte, versuchten die Assoziierten Einfluss zu gewinnen.795 Offensichtlich wollten die Assoziierten ein Vetorecht für handelspolitische Fragen gemeinsamen Interesses eingeräumt haben. Derart weitgehende Zugeständnisse beabsichtigte die EWG nicht zu machen. Zwar hielt auch sie Konsultationen politisch für geboten, eine Institutionalisierung der Konsultationen oder gar ein Vetorecht der Assoziierten lehnte sie jedoch ab.796 Die zweite Botschaftertagung, die nach mehrmaliger Vertagung schließlich am 10. und 11. November in Brüssel stattfand, diente der Vorbereitung der ersten Ministerkonferenz zwischen der EWG und den Assoziierten am 6./7. Dezember 1961.797 Damit leitete sie direkt zu den Verhandlungen über ein neues Assoziierungsabkommen über. Vor diesem Hintergrund war es den Assoziierten besser als der EWG gelungen, ihre Haltung zu koordinieren, da sie mit Ausnahme Malis bereits einen gemeinsamen Standpunkt zu Fragen der Handelspolitik und der Entwicklungshilfe beziehen konnten. Es zeigte sich, dass die Assoziierten mit hohen Erwartungen in die Verhandlungen gingen. Wie der senegalesische Botschafter Djime Momar Gueye rhetorisch geschickt im Namen der OAMCE konstatierte, ging es darum zu erfahren, „ob Europa über grosszügige Absichtserklä-
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CEE, Commission, Secrétariat, Note à l’attention de M. Hendus, Directeur Général du Développement de l’Outre-mer, 5.7.61, in: Ebd., 68; EWG, Kommission, Aufzeichnung, ErgebnisProtokoll der ersten Tagung, 6.6.61. Vgl. ebd. Vgl. EWG, Rat: Schlussfolgerungen der ersten Tagung der Vertreter der mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiete mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des Ministerrates der EWG (Brüssel, 1., 2. und 3.Juni 61), 28.6.61. Vgl. ebd. Vgl. CEE, Commission, Secrétariat, Note à l’attention de M. Hendus, Directeur Général du Développement de l’Outre-mer, 5.7.61.; EWG, Rat, Aufzeichnung des Präsidenten, Zweite Tagung der Vertreter der assoziierten überseeischen Staaten mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter, 13.6.61, in: Ebd., 68. Vgl. Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 14. November 1961 an den Rat über die Ergebnisse der zweiten Tagung der Vertreter der assoziierten afrikanischen Staaten einschließlich Madagaskars und des Ausschusses der Ständigen Vertreter des EWG-Rates, 13.11.61, in: Ebd. ; A. Herbst, Stellvertretender Leiter des Sekretariats der Kommission, Vermerk für die Herren der Kommission, Betreff: Zweites Treffen der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten und der Vertreter der assoziierten afrikanischen Staaten, 13.11.61, in: Ebd.
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rungen hinaus tatsächlich gewillt ist, Afrika bei der Lösung seiner Entwicklungsprobleme zu helfen.“798 Auch mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen waren die Botschaftertagungen trotz der Kritik der Assoziierten im Einzelnen ein Erfolg. Die EWG präsentierte sich als transparente Organisation, die bereit war, mit den nunmehr unabhängigen afrikanischen Staaten offen die Fragen und Probleme der Assoziierung zu diskutieren.799
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EWG, Rat, Tagung der Vertreter der assoziierten afrikanischen Staaten einschließlich Madagaskars und des Ausschusses der Ständigen Vertreter des Ministerrats der EWG (Brüssel, 10. und 11. November 1961), Rede des Ständigen Vertreters Senegals bei der EWG, 10.11.61, in: Ebd. Vgl. Herbst, Betreff: Zweites Treffen der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten und der Vertreter der assoziierten afrikanischen Staaten, 13.11.61.
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D. DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969 1. Das erste Abkommen von Yaoundé 1.1. Die assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten und die Erneuerung der Assoziierung Die assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten, die sich nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit für Fortsetzung der Assoziierung ausgesprochen hatten, waren bei weitem keine homogene Staatengruppe. Die Staaten unterschieden sich hinsichtlich ihrer politischen und sozioökonomischen Situation und ihres Entwicklungsstands. Während einem Staat wie der Elfenbeinküste mit einer relativ reichen und diversifizierten Agrarwirtschaft, die von afrikanischen Pflanzern und Unternehmern getragen wurde, und seiner weltgewandten politischen Führung, die sich auf eine gut organisierte Massenpartei unter der Leitung Houphouët-Boignys stützte, mit guten Perspektiven in die Unabhängigkeit gegangen zu sein schien, erschienen die Perspektiven eines Staats wie dem Tschad sehr viel zweifelhafter. Seine ethnische und soziokulturelle Teilung in einen von muslimischen Nomaden bewohnten Norden und einem christlich und animistisch geprägten, schwarz-afrikanischen Süden, dessen bäuerliche Bevölkerung Baumwolle als cash crop produzierte, führten bald zu innenpolitischen Konflikten, da der Norden nicht bereit war, die Dominanz einer frankophilen, schwarzafrikanischen Elite in Regierung und Verwaltung hinzunehmen.1 Auch die ökonomischen Entwicklungsaussichten des Landes waren aufgrund seiner geographischen Binnenlage und den naturräumlichen Gegebenheiten in der Sahelzone weit weniger viel versprechend als die eines Elfenbeinküste. Trotz ihrer Heterogenität hatten die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar einige Gemeinsamkeiten. Dazu zählten ihre geographische Nähe und Lage im subsaharischen Afrika. Weiterhin teilten sie Merkmale, aufgrund derer sie als „unterentwickelt“ klassifiziert wurden. Sprachlich und kulturell verband sie darüber hinaus mit Ausnahme Somalias das Französische. Die Mehrzahl war darüber hinaus Mitglied der Franc-Zone. Schließlich waren alle ökonomisch und finanziell mehr oder weniger von der EWG und ihren Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreich, abhängig. Ihre Außenwirtschaftsbeziehungen waren auf Frankreich und die EWG konzentriert, die 70% ihrer Exporte aufnahm.2 Außerdem zählten die EWG und einzelne Mitgliedstaaten zu ihren wichtigsten Entwicklungshilfegebern.3 Ihre handelspolitischen Beziehungen gestalteten die Assoziierten unterschiedlich. Während die in Zollunionen zusammengeschlossenen Länder der ehemaligen Großräume Französisch-Westafrika und Französisch-Äquatorialafrika einen diskriminierenden Außentarif anwandten und dabei Frankreich und der EWG Präferenzen einräumten, blieben andere, namentlich Togo, Kongo-
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Vgl. ANDEREGGEN, Anton: France’s Relationship with Subsaharan Africa. Westport/London 1994, S. 62. Siehe Teil C, Kap. 3.2: Der Ausbau der Handelsbeziehungen. Siehe Teil C, Kap. 3.1.3. Der erste Europäische Entwicklungsfonds (1958-1963) – Tätigkeit und Bilanz
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Léopoldville, Burundi, Ruanda und Somalia, auch nach ihrer Unabhängigkeit dem Prinzip der „offenen Tür“ verpflichtet.4 Auch politisch schlugen die neuen Staaten unterschiedliche Wege ein. Mali beispielsweise, das unter Modibo Keita einen „sozialistischen Entwicklungsweg“ beschritt,5 trat der so genannten Casablanca-Gruppe bei, die sich auf einer afrikanischen Gipfelkonferenz in der marokkanischen Küstenstadt im Januar 1961 konstituierte.6 Insbesondere zwei afrikanische Konfliktherde – Algerien und KongoLéopoldville – veranlassten diese prononciert „antikolonial“ eingestellte Gruppe zu einer Stellungnahme. Sie verurteilte Frankreichs Algerienpolitik als einen „Krieg der kolonialen Wiedereroberung“, stellte sich in der Kongo-Krise auf die Seite der vom kongolesischen Staatspräsidenten abgesetzten, sich gleichwohl parlamentarischen Rückhalts erfreuenden Regierung Lumumba und betrachtete das UN-Engagement im Kongo zunehmend kritisch.7 Weiterhin waren die Casablanca-Staaten der vom ghanaischen Staatschef Kwame Nkrumah vertretenen, panafrikanischen Idee verpflichtet. Die „Union Afrikanischer Staaten“, zu der sich Mali mit Ghana und Guinea zusammengeschlossen hatten, sollte ein Schritt zur Realisierung eines panafrikanischen Bundesstaats sein.8 Ebenso wie andere Mitglieder der Casablanca-Gruppe begrüßte auch Mali die Zusammenarbeit mit Staaten des Ostblocks und nahm verstärkt östliche Entwicklungshilfe an. Dem Einfluss der ehemaligen Metropole versuchte Mali sich zu entziehen und verließ schließlich 1962 die Franc-Zone.9 Den meisten anderen frankophonen Staaten war hingegen daran gelegen, die privilegierten Beziehungen zur ehemaligen Metropole aufrechtzuerhalten. In den Kooperationsverhandlungen mit Frankreich suchten sie den Dekolonisationsprozess in ihrem Sinne zu gestalten. Im Sinne einer schrittweisen Dekolonisation waren sie bereit, Frankreichs residualen politischen, militärischen, ökonomischen und kulturellen Einfluss im Gegenzug für ihren Einfluss auf die französische politische Agenda zu akzeptieren.10 Darauf setzend, dass über die Kooperation mit Frankreich ihre Erwartungen auf wirtschaftliche und soziale Entwicklung erfüllt 4
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Die westafrikanischen Länder hatten sich 1959 zur Union douanière et économique de l’Afrique occidentale (UDEAO) zusammengeschlossen, während diejenigen Zentralafrikas zur Union Douanière Equatoriale (UDE) zusammengefunden hatten. Vgl. hierzu: ONYEFULU, Thomas Obiora: Eurafrica: Neocolonialism or Interdependence. Ann Arbor 1982, S. 427 ff. In den 1950er und 1960er Jahren umfasste der Begriff „Sozialismus“ in Afrika weit gefächerte Bedeutungsinhalte. Vgl. HADJOR; Kofi Buenor: Dictionary of Third World Terms. London 1992, S. 15. Damit ist zunächst ein prononciert afrikanischer Weg der Entwicklung gemeint, der sich nicht den wirtschaftlichen Dogmen der westlichen Industriestaaten oder der kommunistischen Welt unterordnen wollen. Existierende sozialistische Modelle wurden aus afrikanischer Perspektive neu betrachtet und den spezifisch afrikanischen Bedingungen angepasst. In den 1950er und 1960er Jahren umfasste der Begriff „Sozialismus“ in Afrika weit gefächerte Bedeutungsinhalte. Vgl. HADJOR, Kofi Buenor: Dictionary of Third World Terms. London 1992, S. 15. Vgl. Die Konferenzen von Brazzaville (15.-19.12.1960) und Casablanca (3.-7.1.1961), in: EA, 4 (1961), S. D 112-124. Vgl. „Afrikanische Charta“ von Casablanca, in: Ebd., S. D 119 ff. (Zitat, S. D 122). Zu den panafrikanischen Initiativen von Nkrumah vgl. BECKER; Wibke: USA und Transformationsprozess in der ‘Dritten Welt’, S. 143 ff. Vgl. weiterhin: DUFFIELD, Ian: Pan-Africanism since 1940, in: The Cambridge History of Africa, hg. v. J. D. FAGE und Roland OLIVER, Bd. 8: 1940-1975 (hg. v. Michael Crowder. London u. a. 1984, S. 104-126. Vgl. Cambridge History of Africa, Bd. 8, S. 665. Vgl. CHIPMAN, John: French Power in Africa. Cambridge 1989, S. 106-111.
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werden konnten, begaben sie sich in ein Klientelverhältnis zur ehemaligen Metropole.11 Die grundsätzlich und mehrheitlich frankophile Haltung dieser Staaten rührte auch daher, dass die Kolonialherrschaft an den traditionellen Hierarchien der afrikanischen Gesellschaften vorbei eine kleine, französischsprachige Bildungselite hervorgebracht hatte, die nach der Unabhängigkeit die Führung und Verwaltung der Staatsgeschäfte übernahm. Die Beherrschung des Französischen und die Kenntnis der französischen Kultur entschieden über die soziale Stellung in den jungen Staaten und ermöglichten den Zugang zu den wichtigen Positionen in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat.12 Einige wenige wie der senegalesische Präsident Léopold Sédar Senghor hatten eine Ausbildung an französischen Schulen und Universitäten erhalten. Senghor, der später in die Académie Française gewählt wurde, war Klassenkamerad von Georges Pompidou am Lycée Louis-leGrand und studierte an der Sorbonne.13 Französische Kultur wurde zu einem Synonym für Moderne. Zugleich gingen aus dieser Elite aber auch Bestrebungen zur Selbstbehauptung afrikanischer Kultur hervor. Senghor zählte zu den Begründern der Négritude, jener von frankophonen schwarzen Intellektuellen, Schriftstellern und Politikern getragenen literarischen und ideologischen Bewegung zur Begründung einer sozialen und politischen Identität afrikanischer Befreiung und Unabhängigkeit.14 Weniger die Französisierung der afrikanischen Gesellschaften stand also auf der Agenda dieser Eliten als vielmehr die Schaffung einer eigenen Moderne. Einerseits wurde wie im Senegal damit begonnen, afrikanische Traditionen zu reinterpretieren und rekonstruieren, andererseits wurden brauchbare Elemente aus dem europäischen bzw. französischen kulturellen Repertoire adaptiert und modifiziert. Was entstand waren hybride Kulturformen, in denen der kulturelle Einfluss der Ko11
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Ravenhill hat mit Blick auf die Assoziierungsabkommen colletive clientelism wie folgt definiert: „A strategy of collective clientelism refers to a relationship in which a group of weak states combine in an effort to exploit the special ties that link them to a more powerful state or group of states. Through this means they hope to construct an exclusive regime under which they exert a claim on the stronger party in order to preserve or gain particularistic advantages not available to non-associated states. […] For the weaker party, the intention in pursuing a strategy of vertical collaboration is to take advantage of a dialectic of dependency: to exploit their present dependence and special ties in order to gain resources that facilitate a future lessening of dependency.” (RAVENHILL, John: Collective Clientelism: The Lomé Convention and North-South Relations. London 1985, S. 22) Ravenhill sieht die Anwendung dieser Strategie gegenüber der EWG seitens der Assoziierten als Resultat eines Scheiterns der gleichen Strategie gegenüber Frankreich. Demgegenüber scheint es sinnvoll davon auszugehen, dass die Assoziierten diese Strategie gegenüber der EWG und Frankreich parallel verfolgten. In einem Kräftefeld zwischen der EWG und Frankreich hin- und hergerissen, hatten die Assoziierten zu entscheiden, welchen Beziehungen der Vorrang einzuräumen war – den bilateralen mit Frankreich oder den multilateralen mit Europa. Vgl. CHIPMAN, John: French power, S. 82 f. Vgl. ANDEREGGEN, Anton: France’s Relationship, S. 94-97; CARBETT, Edward M.: The French Presence in Black Africa. Washington 1972, S. 40. Vgl. SPLETH, Janice: Léopold Sédar Senghor. Boston 1985; Dies. (Hg.): Critical Perspectives on Léopold Sédar Senghor. Colorado Springs, Colo. 1993; HYMANS, Jacques Louis: Léopold Sédar Senghor. An intellectual biography. Edinburg 1971; Art. Senghor, Léopold Sédar (1906-2001), in: Encyclopedia of African History, Vol. 3, hg. v. Kevin Shillington. New York/London 2005. Vgl. LÖLKE, Ulrich: Kritische Traditionen. Afrika. Philosophie als Ort der Dekolonisation. Frankfurt a. M., S. 53-88, bes. S. 82 f.; NEUGEBAUER, Christian: Einführung in die afrikanische Philosophie. München u. a. 1989; S. 235-243.
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lonialmacht mehr oder weniger umfassend ersetzt wurde. Die Rezeption europäischer bzw. französischer Ideen und Errungenschaften diente auch der Emanzipation von Frankreich und Europa, fügte sich also in das Konzept einer graduellen Entkolonisierung.15 Elf frankophone, afrikanische Staaten und Madagaskar verständigten sich im Dezember 1960 auf der Konferenz von Brazzaville auf gemeinsame Position zu verschiedenen, den afrikanischen Kontinent betreffenden Fragen. Die sich dort konstituierende Brazzaville-Gruppe galt im Unterschied zu den einen Monat später zusammenfindenden Casablanca-Staaten als prowestlich orientiert und vertrat eine Haltung, die zum Thema Kolonialismus/Neokolonialismus wenig profiliert war. Die Stellungnahmen der Konferenz zum Algerienkonflikt und zur Kongo-Krise reflektierten im Grundsatz die französische Linie. Ihr Verständnis von einer interafrikanischen Zusammenarbeit stand im Gegensatz zur panafrikanischen Idee Nkrumahs.16 Nach dem Zerfall der kolonialen Großräume sahen sich die frankophonen Staaten vor die Notwendigkeit zu einer interafrikanischen Zusammenarbeit gestellt. Damit gingen Bestrebungen einher, zu einer afrikanischen Einheit zu gelangen. Uneinigkeit bestand indessen darüber, auf welchem Weg diese ereicht werden sollte. Senghor stand für eine föderalistische Konzeption, während sein ivorischer Gegenspieler Houphouët-Boigny grundsätzlich für eine intergouvernementale Zusammenarbeit eintrat. Diese entsprach nicht nur den Partikularinteressen der Elfenbeinküste, sondern schränkte auch die gerade erlangte Souveränität der jungen Staaten nicht wesentlich ein. Beide Konzeptionen sahen sich zudem durch panafrikanische Tendenzen herausgefordert. Schon seit 1954 warb Nkrumah auch im frankophonen Afrika für die panafrikanische Idee.17 Während er in Guinea die Unterstützung Sekou Touré fand, konnte er Houphouët-Boigny nicht für seine Idee gewinnen. Insbesondere darüber, wie das Verhältnis zur Kolonialmacht zu gestalten sei, konnten die beiden Politiker keine Einigung erzielen. Der damalige französische Minister Houphouët-Boigny erklärte anlässlich eines Besuchs in Accra 1957: „Wir haben das gleiche Ziel: dem afrikanischen Menschen den Aufstieg zu ermöglichen und einen größeren Wohlstand zu verschaffen. Wir haben aber unterschiedliche Wege gewählt, Sie die Unabhängigkeit, wir die Assoziierung mit Frankreich. In zehn Jahren werden wir die Ergebnisse auf beiden Seiten vergleichen.“18 Der antikolonial ausgerichtete Panafrikanismus Nkrumahscher Prägung lehnte assoziative Strategien ab, da diese „neo-kolonialistische“ Abhängigkeitsverhältnisse zum Nachteil der sozioökonomischen Entwicklung der afrikanischen Län15
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Vgl. zu hybriden Phänomenen: FISCHER-TINÉ, Harald: Herbert Spencer und das Satyayuga – “Hybrider Nationalismus” in der Ideologie eines Bildungsexperiments in Britisch-Indien (1902-1922), in DERS. (Hg.): Handeln und Verhandeln. Kolonialismus und transkulturelle Prozesse und Handlungskompetenz. Münster 2002, S. 121-159. Zum Senegal vgl. DIOUF, Mamadou: Senegalese Development, S. 291-319. Siehe auch Teil C, Kap. 2.2. Zum Entwicklungsdiskurs in der EWG Vgl. Die Konferenzen von Brazzaville (15.-19.12.1960) und Casablanca (3.-7.1.1961), in: EA, 4 (1961), S. D 112-118; ANDEREGGEN, Anton: France’s Relationship, S. 66-71. Vgl. GUITON, Raymond Jean: Die Vereinigten Staaten von Afrika als Alternative zur Französischen Gemeinschaft. In: EA, 14 (1962), S. 507-516 Zit. nach: Ebd., S. 508.
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dern befördern würden, und räumte der horizontalen Kooperation zwischen den afrikanischen Ländern Vorrang vor der vertikalen mit den Kolonialmächten ein.19 Insbesondere in Französisch-Westafrika stießen panafrikanische Gedanken Ende der 50er Jahre auf einige Resonanz. Auf einem Kongress der Parti du Regroupement Africain im Juli 1958 in Cotonou erfuhr Senghors föderalistisches Konzept eine Niederlage.20 Houphouët-Boigny gelang es schließlich, im frankophonen subsaharischen Afrika seine Vorstellungen zur interafrikanischen Kooperation sowohl gegenüber dem von Senghor vertretenen Föderalismus als auch gegenüber Nkrumahs Panafrikanismus durchzusetzen.21 Auch um der panafrikanischen Bewegung entgegenzuwirken, fanden die Elfenbeinküste, Dahomey, Niger und Obervolta in der so genannte Entente zu einer zwischenstaatlichen wirtschafts- und entwicklungspolitischen Kooperationsform zusammen. Wenn diese Staaten auch zu bestimmten politischen Fragen wie der Kongo-Krise zu einem gemeinsamen Standpunkt fanden, schloss der ivorische Präsident eine Weiterentwicklung der Entente zu einer Konföderation aus. Über Ansätze zu einer politischen Zusammenarbeit kamen auch die drei der vier der äquatorialafrikanischen Zollunion angehörenden Staaten, die sich zu einer Union der zentralafrikanischen Republiken zusammenschlossen, nicht hinaus. Wirtschaftliche Integrationsschritte über die Sprachgrenzen hinaus unternahm Obervolta, das im Juni 1961 mit Ghana eine Freihandelszone bildete. Das Streben nach einer interafrikanischen Zusammenarbeit kulminierte im frankophonen Afrika in der Gründung der Organisation Africaine et Malgache de Coopération Economique (OAMCE), die als Ergebnis einer Konferenz in Yaoundé im März 1961 gegründet wurde. Die OAMCE schuf den Rahmen für eine großräumige Kooperation auf den Gebieten der Entwicklungs- und Verkehrsplanung, der Investitionsförderung und der Steuergesetzgebung und sollte auf weite Sicht zu der Errichtung einer Freihandelszone oder gar Zollunion führen. Zwölf assoziierte Staaten schlossen sich in ihr zusammen, auch um das zukünftige Verhältnis zur EWG gemeinsam zu gestalten.22 Mit der ein halbes Jahr später ins Leben gerufenen Union Africaine et Malgache (UAM) wurde die wirtschaftliche um eine politische Kooperationsform mit außen- und verteidigungspolitischen Zielsetzungen ergänzt.23 Mit diesen Formen der interafrikanischen Zusammenarbeit setzten die
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Zum Neokolonialismus-Begriff Nkrumahs vgl.: NKRUMAH, Kwame: Neo-Colonialism. The Last Stage of Imperialism. London 1965. Darin definierte er Neokolonialismus wie folgt: „The essence of neo-colonialism is that the State which is to it is, in theorie, independent and has all the outward trappings of international sovereignty. In reality its economic system and thus its political policy is directed from outside.“ (S. IX) Vgl. weiterhin: Ders.: Africa Must Unite. London 1964. Zu Nkrumahs Beitrag zur Neokolonialismus-Debatte in Afrika vgl.: BECKER, Wibke: USA und Transformationsprozess in der ‘Dritten Welt’, S. 187-195. Vgl. GUITON, Raymond Jean: Vereinigte Staaten von Afrika, S. 510 f. Vgl. ANDEREGGEN, Anton: France’s Relationship, S. 69. Der OAMCE gehörten an: Kamerun, ZAR, Kongo-Brazzaville, Elfenbeinküste, Dahomey, Gabun, Obervolta, Madagaskar, Mauretanien, Niger, Senegal und Tschad. Vgl. Vertrag vom 28. März 1961 über die Errichtung einer Afrikanisch-Madagassischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, in: EA, 16 (1961), S. D 481 ff. Vgl. Afrikanische Konferenzen seit Brazzaville und Casablanca, März-Mai 1961. In: Ebd., S. D 475-496; MAE, Note a.s. conférence de Dakar et l’aide à l’Afrique, 20.2.61, in: MAE, dece, Afrique 2127; MAE, Dir. d’Afrique Levant: Note a.s. La conférence économique interafricain de Dakar, 20.2.61, in: Ebd.; BECHER, Ernst: Assoziierungsverhältnis, S. 202-204; ANDEREG-
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afrikanischen Länder den Konzeptionen, in die sie im Zuge ihrer Entwicklung hineingewachsen waren wie der Communauté oder noch ohne ihr eigenes Zutun eingegliedert worden waren wie im Fall der Assoziierung, eigene Konzeptionen entgegen. Vor diesem Hintergrund hatte die Assoziierung einen Projektcharakter; sie musste sich mit diesen afrikanischen Konzeptionen kompatibel erweisen.24 Außerhalb des assoziierten Afrika wurde zum Teil scharfe Kritik an der Assoziierung der afrikanisch-madagassischen Staaten geübt. Schon die erste „Konferenz der afro-asiatischen Völker“ in Kairo, die vom 26. Dezember 1957 bis zum 1. Januar 1958 500 Teilnehmer politischer Organisationen verschiedenster Art besuchten, warf der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor, unter dem Vorwand der Wirtschaftshilfe und der Assoziierung afrikanischer Gebiete eine neue Form kolonialer Herrschaft anzustreben.25 Zur Kritik, dass es sich bei der Assoziierung um einen Neokolonialismus26 handele, trug insbesondere der ghanaische Regierungschef bei, der, nachdem im März 1961 die dritte Konferenz der Afrikanischen Völker in Kairo eine Resolution zum Neokolonialismus gefasst hatte, die Assoziierungspolitik der EWG im Mai vor der ghanaischen Nationalversammlung und im Juli in einem gemeinsamen Kommuniqué mit dem sowjetischen Partei- und Regierungschef Leonid I. Breschnew in diesem Sinne kritisierte.27 Panafrikanisten, die die Assoziierung, in der sie die ökonomische Manifestation der eurafrikanischen Idee erkannten, als Antithese zu ihrer Idee, als Gegenprojekt zu dem von ihnen angestrebten gemeinsamen afrikanischen Markt begriffen,28 trugen ihre Kritik auch in internationale Organisation. Die Wirtschaftskommission für Afrika, die im Februar 1961 zu ihrer dritten Tagung in Addis
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GEN, Anton: France’s Relationship, S. 70; ONYEFULU, Thomas O.: Eurafrica, S. 420-455. Der UAM gehörten die zwölf OAMCE-Staaten sowie Togo und Ruanda an. Vgl. auch: BECHER; Ernst: Assoziierungsverhältnis, S. 204. Vgl. Die Konferenzen von Brazzaville und Casablanca, S. D. 112 f.; GUITON, Raymond Jean: Von Bandung bis Kairo. Das Zustandekommen der afro-asiatischen Zusammenarbeit, in: Ebd., 12 (1961), S. 301-312, hier: S. 311. Der Begriff Neokolonialismus selbst wurde zuerst von der Sowjetunion propagiert. Er tauchte 1956 in der sowjetischen Zeitschrift VOPROSY EKONOMIKI auf und fand schon 1957 Anwendung auf die Assoziierung der EWG in Afrika. Auf der II. Konferenz der Völker Afrikas, die 1960 in Tunis stattfand, formulierten A. Diallo (Guinea) und Ben Barka (Marokko) eine Theorie des Neokolonialismus. Die III. Konferenz der Völker Afrikas (Kairo 1961) definierte Neokolonialismus als „indirekte und subtile Form der Herrschaft durch politische, wirtschaftliche, soziale, militärische und technische Mittel“ und bezeichnete ihn als „schwerste Bedrohung für die afrikanischen Länder“. Vgl. hierzu: Art. „Neokolonialismus“ in: BESTERS, Hans/BOESCH, Ernst E. (Hg.): Entwicklungspolitik . Handbuch und Lexikon. Stuttgart/Berlin 1996, S. 1431 ff. Der Begriff wurde zur Kennzeichnung einer Politik der Fortsetzung kolonialer Herrschaft mit informellen Mitteln durch eine oder mehrere Mächte verwendet, die vornehmlich in den asymmetrischen Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ihren Niederschlag zu finden schien. Vgl. NKRUMAH, Kwame: Address to the Ghana National Assembly, May 30, 1961; Text of the Joint Communiqué of President Nkrumah of Ghana and President Brezhnev of the Soviet Union, July 24, 1961, in: RIVKIN, Arnold: Africa and the European Common Market: a perspective. Denver 1964, S. 35. Zur 1958 in Accra gegründeten Konferenz der Afrikanischen Völker, die Sammelbecken der panafrikanischen Bewegung sein sollte, vgl.: Afrikanische Konferenzen seit Brazzaville und Casablanca, März-Mai 1961, in: EA (16) 1961, S. D 475-477; MARTIN, Guy: Africa and the Ideology of Eurafrica: Neocolonialism or Pan-Africanism?, in: THE JOURNAL OF MODERN AFRICAN STUDIES, 20, 2 (1982), S. 221-238. MARTIN, Guy: Africa and the Ideology of Eurafrica; LINIGER-GOUMAZ, Max: Eurafrique, S. 52.
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Abeba zusammentraf, diskutierte die Auswirkungen der EWG auf die Wirtschaften der afrikanischen Länder.29 Scharfe Kritik äußerten insbesondere Ghana und Guinea, während Tunesien und Tanganjika einer positiven Haltung Ausdruck verliehen. Während der Debatte wurde der Vorwurf erhoben, die Assoziierung sei ein Spaltfaktor Afrikas.30 Im zunehmenden Maße wurden die Präferenzen, die die EWG und die Assoziierten sich gegenseitig einräumten, als Hinderungsgrund für die wirtschaftliche Einigung Afrikas bezeichnet.31 Die Konferenz der Commonwealth-Finanzminister, die im September 1961 in Accra tagte, machte sich diese Kritik zu Eigen und äußerte politische und wirtschaftliche Bedenken gegen den von Großbritannien angestrebten Beitritt zur EWG. Nigeria und Sierra Leone, die noch im Rahmen der Monrovia-Konferenz im Mai 1961 ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Ländern der OAMCE bekundet hatten, trugen diese Kritik mit.32 Auch wenn der senegalesische Vertreter Djime Momar Gueye diese Vorbehalte auf der XIX. Tagung des GATT für die zwölf OAMCEStaaten zurückwies,33 zeigten sich andere assoziierte Staaten von der Kritik beeindruckt. Auf der dritten Tagung der Wirtschaftskommission für Afrika war die Haltung Malis, aber auch Togos und Somalias während der Debatte über die Assoziierung ambivalent.34 In den assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten gelangten die Staat und Gesellschaft führenden Eliten gleichwohl zu einer überwiegend positiven Rezeption der Assoziierung. Dies verdankte sich auch der Tatsache, dass über den Kreis der Regierungen hinaus tonangebende Kräfte aus Wirtschaft und Gesellschaft schon früh in Kontakt mit der EWG gekommen waren.35 Ursprüngliche Vorbehalte schienen sich zu Beginn der 60er Jahre ins Gegenteil verkehrt zu haben. Im Zuge der Unabhängigkeit wurde zwar eine Revision des Assoziierungssystems eingefordert, grundsätzliche Vorbehalte wie die Befürchtung vor einer ökonomischen Domination der EWG scheinen die Rezeption jedoch nicht entscheidend determiniert zu haben.36 Gleichwohl unterschieden sich generati29
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Der dieser Debatte zugrunde liegende Bericht eines dazu besonders eingesetzten Ausschusses kam zu keinen eindeutigen Schlussfolgerungen, listete aber eine Reihe nachteiliger Folgen für assoziierte und afrikanische Länder insgesamt auf. Vgl. EWG-Rat, Informatorische Aufzeichnung, Betr.: Arbeitsergebnisse der 3. Tagung der Wirtschaftskommission für Afrika (Addis Abeba, 6.-19. Februar 1961), 27.2.61, in: BA Koblenz, N 1266/1782. Vgl. ebd. Vgl. Hasselblatt für StS Müller-Armack, Betr.: Deutsche Haltung bezüglich der künftigen Gestaltung der Beziehungen zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten, 30.11.61, in: BA Koblenz, B 136/7966. Vgl. Kommuniqué der Konferenz der Commonwealth-Finanzminister, Accra, 12.-14.9.61, in: EA, 20 (1962), S. D 613 f.; Die Zusammenarbeit der afrikanischen Staaten mit der EWG seit Juni 1961, in: Ebd., S. D 605-614. Vgl. EWG, Der Rat, Generalsekretär Calmes an den Präsidenten des Rates der EWG Erhard, 1.12.61, in Anlage: Accord général sur les tarifs douaniers et le commerce, Parties contractantes, Dix-neuvième session, CEE, Association des territoires d’outre-mer. Déclaration faite par le représentant du Sénégal le 17 novembre 1961, Copie, n.d., in: BA Koblenz, B 102/130217. Vgl. EWG-Rat, Informatorische Aufzeichnung, Betr.: 3. Tagung der Wirtschaftskommission für Afrika. Siehe Teil C, Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika Vgl. beispielsweise: CISC (Confédération Internationale des Syndicats Chrétiens), Congrès de l’Union Panafricaine et Malgache des Travailleurs croyantes, Cotonou (2.-5.5.60), in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429; Note d’information concernant la mission effectuée par M. Stefanie à la 3ème Session Universitaire Ouvrière Africains à Cotonou, 17.5.60, in: Ebd.
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onsbedingt die Rezeptionsmustern. Insbesondere aus der jüngeren Generation blieben Skepsis und Kritik vernehmbar. Dies rührte auch daher, dass die Jugend zu radikaleren Positionen tendierte, was sich beispielsweise in der Aufgeschlossenheit für sozialistische Ideen und der großen Popularität, der sich der guineische Regierungschef Sékou Touré bei ihr erfreute, zeigte.37 Die positive Rezeption der Assoziierung seitens der assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten gründete wesentlich auf einer Erwartung in die Zukunft der Beziehungen zur EWG. Denn in den ersten Jahren hatte die Assoziierung weder im Bereich der Finanzhilfe noch handelspolitisch die erwarteten Effekte gezeitigt und war deshalb auch in die Kritik geraten.38 Gleichwohl wurden erste Vorteile sichtbar. Die ersten EEF-Projekte wurden realisiert; in den Jahren 1960 und 1961 flossen insgesamt 14 Millionen RE in die assoziierten Länder. Handelspolitisch stellte sich ein Trend zur Multilateralisierung der Beziehungen ein, der die Erwartung auf einen erweiterten Absatzmarkt in der EWG bestätigte, auch wenn Frankreich nach wie vor der wichtigste Markt für die assoziierten Länder blieb. Darüber hinaus versprachen die handelspolitischen Initiativen der Kommission wie diejenige zur Stabilisierung der Rohstoffpreise für assoziierte Erzeugnisse viel versprechende Perspektiven.39 Schließlich schien das Assoziierungssystems selbst offen für Ausgestaltungen. Die vielfältigen Kontakte, in die die Assoziierten zur EWG, zu den Mitgliedstaaten und zu den Gemeinschaftsorganen, getreten waren, schärfte ihren Blick für Handlungsspielräume, die sie nutzen konnten, um in den nach wie vor durch asymmetrische Machtverhältnisse geprägten Beziehungen die Assoziierung in ihrem Sinne zu gestalten. Sie waren nicht nur in ein Netzwerk persönlicher Beziehungen eingebunden, sondern hatten auch Einblicke erhalten, wie die Europäische Gemeinschaft funktionierte, und genaue Kenntnisse über das Assoziierungssystem und seine vertraglichen Grundlagen gewonnen. Dadurch gewannen sie Einflussmöglichkeiten, aber auch ein Bewusstsein über die Grenzen der Assoziierungsbeziehungen ebenso wie die Möglichkeiten der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung, die die Assoziierung ihnen eröffnete. Die Assoziierten nutzten neue Formen des Verhandelns, um ihren Einfluss geltend zu machen. Dabei kam den afrikanischen Eliten, die in Kontakt zur EWG traten, zugute, dass sie französisches bzw. europäisches Denken und Sprechen rezipiert hatten. Das Lob des tschadischer Botschafter Adoum Aganaye auf die französische Sprache war eine ausdrückliche Anerkennung dieses Vorteils: „S’il fallait illustrer par un exemple concrèt [sic] les principes généraux de coopération culturelle que je viens d’exposer, il me suffirait de citer mon cas particulier. Car n’est-il pas étonnant que grace [sic] à cet instrument merveilleux qui est la langue française je puis me faire comprendre dans un milieu européen dont je suis différent à plus d’un titre.“40 37
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Vgl. beispielsweise: Bericht über die Afrikareise von Herrn von der Groeben vom 14. April bis 2. Mai 1961 (Tschad, Kamerun, Dahome, Togo, Elfenbeinküste, Senegal), 9.5.61, in: Ebd., 1341. Siehe Teil C, Kap.1.1. Die Haltung der Assoziierten Siehe Teil C, Kap.3.1.3. Der erste Europäische Entwicklungsfonds – Tätigkeit und Bilanz; Kap. 3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen Siehe Teil C, Kap. 3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen Rede des tschadischen Botschafters bei der EWG, Adoum Aganaye, 2.10.61. Anhang zu: CEE, Commission, Cabinet de M. Lemaignen, Note à l’attention de M. Hendus, objet: réunion or-
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Erst durch die Einbettung ihrer Argumente in den europäischen Entwicklungsdiskurs gewannen diese Überzeugungskraft.41 Die Assoziierten bedienten sich mehrheitlich des frankophonen Vokabulars und der frankophonen Grammatik, um am Entwicklungsdiskurs der EWG zu partizipieren und diesen dabei in ihrem Sinne zu manipulieren. Dabei kam dem Manövrieren mit Begriffen eine zentrale Bedeutung zu. Dazu bedienten sie sich einer konstruktiven Methode. Weniger Kritik an oder Vorhaltungen gegenüber den Europäern bestimmten ihre Beiträge; vielmehr definierten sie mittels positiv konnotierter Wendungen ihre Ansprüche an die Assoziierung. Den Anspruch auf die Überwindung kolonialer Wirtschaftsbeziehungen und aufholende Entwicklung dokumentierten sie beispielsweise dadurch, dass sie dem aus der Kolonialzeit stammenden Begriff „complémentarité“ das Adjektiv „dynamique“ beifügten.42 Auch die Hoheit über die Vertragsexegese reklamierten die Assoziierten für sich. In diesem Sinne unterschied Philippe Yacé, Präsident des ivorischen Parlaments, zwischen dem Buchstaben des Vertrags von Rom und seinem Geist.43 Die Assoziierten stellten die Verhandlungen unter zwei Leitmotive, „Kooperation“ und „Solidarität“. Mit dem Begriff „Kooperation“ verbanden sie den Anspruch auf eine gleichberechtigte Partnerschaft. Die Assoziierung sollte auf reziproken Beziehungen gründen, nicht nur hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Partner, sondern auch hinsichtlich der Vorteile, die beide Seiten aus der Assoziierung zogen. Der senegalesische Parlamentarier Lamine Gueye führte auf der Straßburger Konferenz im Juni 1961 den Neologismus „entraide“44 ein, um das Denken in den Kategorien Geber/Nehmer aufzubrechen und den gegenseitigen Nutzen der Kooperation zwischen Europa und Afrika hervorzuheben. Andere betonten in diesem Kontext die Interdependenz der eurafrikanischen Beziehungen:
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ganisée à la diligence du Centre d’Information et d’Etudes de la Communauté Européenne (Venise, 1er au 3 octobre 1961), 30.10.61, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 63. Vgl. zu diesem Aspekt auch: ROTHERMUND, Dietmar: Organisierte Handlungskompetenz: Europas Entwicklung und die außereuropäische Welt, in: FISCHER-TINÉ, Harald: Handeln und Verhandeln, S. 1-10, bes. S. 8. Vgl. Alfred Nany, madagassischer Parlamentarier, in: Conférence de l’Assemblée parlementaire européenne avec les parlements d’Etats africains et de Madagascar, 19 au 24 juin 1961 à Strasbourg, Débats, Compte rendu in extenso, 20.6.61, S. 51. Resolution zum Gemeinsamen Markt, gefasst vom Congrès de l’Union Panafricaine et Malgache des Travailleurs croyantes, Cotonou (2.-5.5.60) in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1429 Vgl. Die afro-europäische Parlamentarier-Konferenz. Der weitere Verlauf der Aussprache über die künftige Gestaltung der Assoziierung mit der EWG, in: Bulletin der Bundesregierung, Nr. 126 (12.7.61), S. 1227 ff.. Yacé nahm Bezug auf die handelspolitische Implementierung der Assoziierung. Schon auf der Konferenz von Yaoundé hatten die OAMCE-Staaten tarifäre und andere Maßnahmen der EWG bedauert, die dem Geist des Vertrags von Rom entgegenliefen. Vgl. Documents relatifs à la Conférence de Yaoundé (26-28 mars 1961), in: Documentation Française, Textes du jour, 18.4.61. Lamine Gueye, Débats, 19.6.61, S. 11. „Mais il s’agit aussi de faire en sorte que ce que nous appelons «aide» - et qui, en réalité, est une entraide – ne soit pas dispensé de manière à donner l’impression qu´ il y a des demandeurs qui reçoivent plus qu’ils donnent ou qu’ils ne peuvent donner. « La façon de donner vaut mieux que ce qu’on donne », dit-on. Quant à moi, je me permettrai d’adopter une autre formule: en réalité, il est difficile de savoir qui donne les plus et qui reçoit le plus.“
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„Paraphrasant à ce propos une pensée chère au Président Houphouët, on peut dire que l’AFRIQUE fut et demeure la chance de l’EUROPE, l’EUROPE est la chance de l’AFRIQUE et que l’une et l’autre ne peuvent plus s’ignorer.“45 Auch die Assoziierten hingen der Idee eines Eurafrika an. Gleichwohl vermieden sie unmittelbar nach der Unabhängigkeit, diesen ambivalenten, verschiedene Bestrebungen umfassenden und daher etwas diffusen Begriff zu gebrauchen.46 In der Assoziierung erkannten sie nichtsdestoweniger eine der postkolonialen Zeit angemessene, entwicklungs- und wirtschaftspolitische Realisierung dieses Konzepts. Zur Begründung einer Kooperation, die auch eine solidarmoralische Dimension haben sollte, nahmen sie Bezug auf eine besondere Verbundenheit zwischen Europa und Afrika Mit der Konstruktion einer eurafrikanischen Solidargemeinschaft verbanden die Assoziierten die Verpflichtung zur Gestaltung einer gemeinsamen, prosperierenden Zukunft.47 Die Kooperationsidee stellte auch eine Antwort auf den von nicht-assoziierten Staaten an die Assoziierung gerichteten Neokolonialismus-Vorwurf. Durch die Hervorhebung des symbiotischen Charakters der Beziehungen suchte man jegliche Unterstellung von Domination zu entkräften.48 Damit wurde nicht nur der Assoziierungsdiskurs stabilisiert, sondern auch der gemeinsame Standpunkt der assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten. In diesem Kontext war bedeutend, dass der Parlamentspräsident Malis auf der Straßburger Konferenz die EWG von neokolonialistischen Absichten freisprach.49 Die Assoziierten legten darauf Wert, dass in der eurafrikanischen Kooperation nicht nur europäische, sondern auch afrikanische Normen und Interessen zur Geltung gelangten. Daher forderten die Assoziierten einen Dialog der Kulturen, um sich über Prinzipien, Form und Inhalte der Assoziierung zu verständigen.50 Sie setzten also wesentlich auf transkommunikative Handlungsstrategien, um ihrer Position Geltung zu verschaffen.51 Zu Beginn der 60er Jahre maßen die gerade unabhängig gewordenen afrikanischen Staaten der Assoziierung an die EWG wesentliche Bedeutung bei. Zwar wollten sie mehrheitlich enge Beziehungen zu Frankreich aufrechterhalten, waren aber nichtsdestoweniger bestrebt, die Exklusivität dieser Beziehungen zu ih45
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Lambert Amon Tanoh, Rapporteur général de la Commission des Finances et des Affaires Economiques de l’Assemblée Nationale du Côte d’Ivoire, Exposé, Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten der afrikanischen Staaten und Madagaskars, Juni 1961, in : HAEG Brüssel, BAC 19/1969/73. Schon Oppermann konstatierte 1960 ein Misstrauen der Assoziierten gegenüber dem Begriff „Eurafrika“. Vgl. OPPERMANN, Thomas: Eurafrika – Idee und Wirklichkeit, in: EA, 23 (1960), S. 695-706, bes. S. 701. Vgl. Amon Tanoh, Exposé, Juni 1961; Rede des senegalesischen Botschafters Djime Momar Gueye im Namen der OAMCE, 2. Tagung zwischen den Vertretern der assoziierten afrikanischen Staaten und dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des EWG-Rats, Brüssel 10.11.11.61, in: HAEG Brüsssel, BAC 19/1969 68. Vgl. ebd. Vgl. Mahamane Alassane Haidara, Débats, 20.6.61, S. 47. Vgl. Rede des tschadischen Botschafters bei der EWG, Adoum Aganaye, 2.10.61. Zum kommunikativen Handeln in den internationalen Beziehungen vgl.: MÜLLER, Harald: Internationale Beziehungen als kommunikatives Handeln. Zur Kritik der utilitaristischen Handlungstheorien, in: ZEITSCHRIFT FÜR INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN 1 (1994), S. 15-44, bes. S. 26; vgl. weiterhin LEHMKUHL, Ursula: Entscheidungsprozesse in den internationalen Beziehungen, S. 197.
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rer ehemaligen Metropole aufzubrechen. Die Zukunft sahen sie jedoch in den Beziehungen zum Gemeinsamen Markt im Rahmen der Assoziierung.52 An die Stelle ihrer Beziehungen zu der ehemaligen Metropole sollten ergänzend oder gar ersetzend die Beziehungen zu einem multilateralen Partner, zur EWG, treten. Die Multilateralisierung entsprach ihrem Bestreben nach einer graduellen Dekolonisation. Dabei verfolgten sie auch gegenüber der EWG eine klientelistische Strategie. Welche Bedeutung die unabhängigen Assoziierten der EWG in ihren Außenbeziehungen beimaßen, zeigte sich vielfach anlässlich der Unabhängigkeitsfeiern. In Togo beispielsweise zählte die Delegation der EWG neben denen Frankreichs, der Bundesrepublik, der Vereinigten Staaten und der Vereinten Nationen zu den Hauptgästen. Olympio und Coco Hospice erklärten Van der Lee, dass ihre Willensäußerung zur Assoziierung ihr einziges Engagement vor dem Datum der Unabhängigkeit darstellte.53 Im Rahmen der Assoziierung tauschten sie einen exklusiven französischen Markt gegen den erweiterten Markt der EWG, zu dem sie einen weniger exklusiven, gleichwohl privilegierten Zugang hatten.54 Damit ging die Erwartung einher, dass die EWG die von Frankreich bisher den assoziierten Staaten gewährten Marktvorteile übernähme. Die Mehrheit der Assoziierten sah im Gemeinsamen Markt ein Surrogat für die im Abbau begriffenen, privilegierten Wirtschaftsbeziehungen mit Frankreich. Sie forderten daher die Beibehaltung der Präferenzen, also den Abbau der Binnenzölle und einen gemeinsamen Außentarif, der die bevorzugte Stellung der Assoziierten auf dem Gemeinsamen Markt gegenüber konkurrierenden, nicht-assoziierten Ländern garantieren sollte. Weiterhin verlangten sie, dass die die Preis- und Absatzgarantien des französischen Markts auf die Gemeinschaft übertragen würden.55 Die Einführung eines Systems zur Preisstabilisierung für tropische Erzeugnisse wurde zu einer zentralen Forderung der AASM. Schließlich wollten sie in handelspolitischen Fragen gemeinsamen Interesses, insbesondere gegenüber nicht-assoziierten Konkurrenten, zu einer ge52
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Vgl. Yacé, Parlamentspräsident der Elfenbeinküste, Rede auf der Römischen Vorkonferenz (24.-26.1.61), zit. nach: Conseil, Note, Annexe, 31.1.61, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 64; Bericht über die Afrikareise von Herrn von der Groeben vom 14. April bis 2. Mai 1961 (Tschad, Kamerun, Dahome, Togo, Elfenbeinküste, Senegal), 9.5.61. Vgl. CEE, Dg VIII, Rapport sur la mission effectuée par . van der Lee à l’occasion de l’Independance de la République du Togo, 11.5.1960. Die Assoziierten hatten eine höhere französische Zollmauer gegen eine niedrigere Präferenz in einem größeren präferentiellen Markt getauscht. Nicht nur der Zollvorteil wurde geringer – er sank von durchschnittlich 8,7% vor 1958 auf 5,1% unter dem gemeinsamen Außentarif, sondern auch die Zahl der Produkte, die sich einer präferentiellen Behandlung erfreuten nahm ab. Vgl. RAVENHILL, John: Collective Clientelism, S. 49. Vgl. EWG, Rat: Schlussfolgerungen der ersten Tagung der Vertreter der mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiete mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des Ministerrates der EWG (Brüssel, 1., 2. und 3.Juni 61), Brüssel, 28.6.61, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 67; EWG, Rat, Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 14. November 1961 an den Rat betreffend die Ergebnisse der zweiten Tagung der Vertreter der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des EWG-Rates, 13.11.61, in: Ebd., 68 und BA Koblenz B 102/130216; 1. Treffen des Ausschuss der Ständigen Vertreter mit Vertretern der AASM, Brüssel, 1.-3.6.61, Ergebnisprotokoll mit Anlagen, in: BAC 19/1969 66 BMWi, Aufzeichnung, Betr.: Zweiten Tagung der Vertreter der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des EWG-Rats am 10./11.11.61 in Brüssel, 13.11.61, in: B 102/130216.
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meinsamen Handelspolitik mit der EWG gelangen.56 Das Streben der assoziierten Staaten, ihre Produkte möglichst weitgehend im Gemeinsamen Markt abzusetzen, rührte auch daher, dass sie Schwierigkeiten hatten, andere Märkte für die über dem Weltmarktpreis produzierten und gehandelten Produkte zu erschließen.57 Auch der angestrebte gemeinsame afrikanische Markt schien aufgrund der ungenügend differenzierten landwirtschaftlichen Produktion und der noch in den Anfängen steckenden Industrialisierung der afrikanischen Ökonomien keine Alternative zur Assoziierung an die EWG zu bieten.58 Dennoch sollte die neue Assoziierungsregelung den wirtschaftlichen Einigungsbestrebungen der Afrikaner Rechnung tragen. Um ihre Handlungsfreiheit zum Abschluss von Handelsabkommen untereinander und mit dritten Ländern zu garantieren, forderten die Assoziierten anstelle eines alle 18 umfassenden Rahmenabkommens den Abschluss eines Bündels bilateraler, gleichwohl auf analogen Prinzipien beruhenden Assoziierungsabkommen mit der EWG.59 Insbesondere Mali, das sich nach eigenem Bekunden durch eine sozialistische Planwirtschaft unterschied, betonte, dass es nur in Gestalt eines bilateralen Wirtschafts- und Handelsvertrags in Beziehung zur EWG treten könne.60 Was den Entwicklungsfonds betraf, forderten die Assoziierten eine Erhöhung der Mittelausstattung, eine Ausweitung der Interventionsbereiche sowie ihre Beteiligung an der Verwaltung des Fonds. Ihr diesbezügliches Insistieren auf Gleichberechtigung ging mit der grundsätzlichen Bereitschaft einher, auch zur Mittelausstattung des Fonds beizutragen.61 Zusätzlich und ergänzend zum EEF forderten sie Hilfen zur Strukturanpassung. Dazu zählten die Einrichtung eines Garantiefonds für private Investitionen, die Schaffung einer Entwicklungsbank für Anleihen an die Assoziierten sowie die Gründung einer gemeinsamen Produktionskasse.62 Auch auf dem Gebiet der Technischen Hilfe begrüßten sie eine Aktion der EWG.63 Leistungen in diesem Bereich durch die EWG entsprachen dem Interesse der Afrikaner, diese Unterstützung zu „denationalisieren“. Anstelle der ehemaligen Metropolen oder anderer bilateraler Geber sollte diese Art der 56 57 58 59
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Vgl. EWG, Rat: Schlussfolgerungen der ersten Tagung (Brüssel, 1., 2. und 3.Juni 61), 28.6.61. Vgl. hierzu auch RAVENHILL, John: Collective Clientelism, S. 25. Vgl. J. M. de Lattre: Gedanken zur Schaffung einer afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: EA 15 (1960), S. 469-476, bes. S. 470. Vgl. MAE, Aufzeichnung, Konferenz von Dakar, 3.2.61, in: MAE, dece, Afrique 2127; Lamine Gueye, Débats, 19.6.61; S. 11. Vgl. zu diesem Aspekt auch: DÉDINGER, Béatrice: L’Allemagne, l’association des pays et territoires d’outre-mer français et la politique communautaire de développement, in: REVUE D’ALLEMAGNE, 31, n° 3-4 (1999), S. 504 ff. Vgl. Die afro-europäische Parlamentarier-Konferenz. Der weitere Verlauf der Aussprache über die künftige Gestaltung der Assoziierung mit der EWG, in: Bulletin, Nr. 126 (12.7.61), S. 1227 ff. Vgl. EWG, Rat, Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 14. November 1961, 13.11.61; EWG, Rat: Schlussfolgerungen der ersten Tagung der Vertreter der mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiete mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des Ministerrates der EWG (Brüssel, 1., 2. und 3.Juni 61), Brüssel, 28.6.61; BMWi, Aufzeichnung, Betr.: Zweiten Tagung der Vertreter der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des EWG-Rats am 10./11.11.61 in Brüssel, 13.11.61. Vgl. ebd. Vgl. Empfehlung der Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten afrikanischer Staaten und Madagaskars vom 24. Juni 1961 zu Problemen der technischen und kulturellen Zusammenarbeit, in: EA, Folge 20/1961, D 610.
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Hilfe multilateralisiert werden.64 Auch in einem weiteren Punkt entsprach die Assoziierung den Entkolonisierungsbestrebungen der Assoziierten, da sie zur so genannten Afrikanisierung der Führungskräfte beitragen sollte.65 In diesem Kontext machten sich die Assoziierten auch das Projekt eines gemeinschaftlichen Entwicklungsinstituts zu Eigen.66 Letztlich sollte die neue Assoziation – als Ganzes betrachtet – den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar zumindest die gleichen Vorteile sichern, wie diejenigen, die sich aus der bisherigen Assoziierung und den bisher von Frankreich eingeräumten, besonderen Vorteilen ergaben.67 Im Zentrum der assoziierten Position stand schließlich noch die Forderung, die Assoziierung mit paritätisch besetzten Gemeinschaftsinstitutionen – einer Assoziationsversammlung, einem Assoziationsrat und -ausschuss sowie einem ständigen Sekretariat - auszustatten. Dahinter stand nicht nur der Anspruch auf eine gleichberechtigte Partnerschaft, sondern auch das Bestreben der Assoziierung neben und gegenüber den franko-afrikanischen Beziehungen ein eigenes Gewicht zu geben. Diese Forderung weist ebenso wie die nach ständigen EWGVertretungen in den AASM68 auf die Bedeutung hin, die die afrikanischen Staaten der Assoziierung zu Beginn der 60er Jahre zumaßen. Dass die Assoziierten sich für eine Öffnung der Assoziierung gegenüber den afrikanischen Commonwealth-Mitgliedern aussprachen und die Verhandlungen zwischen der EWG und Großbritannien begrüßten,69 war vor allem der Kritik der anglophonen Länder an der Assoziierung sowie der Idee der afrikanischen Einheit geschuldet. Trotzdem beharrten sie auf die Wahrung ihrer Privilegien und ihres Besitzstandes im Gemeinsamen Markt und beanspruchten einen bevorzugten Assoziationsstatus, da sie auszeichne, zu den „ersten Assoziationspartnern“ zu zählen.70 Einerseits forderten sie ein Mitspracherecht bei Beitrittsgesuchen afrikanischer Mitbewerber,71 andererseits waren sie bestrebt, das neue Assoziie64 65 66
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Vgl. Rede des Parlamentspräsidenten Kameruns auf der römischen Vorkonferenz (24.26.1.61), in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 64. Lamine Gueye, Débats, 19.6.61; S. 12. Vgl. Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten Afrikanischer Staaten und Madagaskars (Straßburg, 19. bis 24. Juni 1961), Verhandlungen, Ausführliche Sitzungsberichte, Sitzung vom 24. Juni, S. 723. Vgl. Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 14. Nov. 1961 über die Ergebnisse der zweiten Tagung, 13.11.61. Vgl. Arbeitsdokument zu den institutionellen und politischen Formen der Zusammenarbeit ausgestellt von den am 5. Juni 1961 in Ouagadougou versammelten afrikanischen Parlamentariern, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 72. Vgl. EWG, Rat: Entschließungen der Konferenz der Staats- und Regierungschefs Afrikas und Madagaskars am 11.9.61 in Tananarive über die Beziehungen zur EWG, 17.10.61, in: BA Koblenz, B 102/130215; EWG, Rat, Vermerk: Auszug für die Ständigen Vertreter aus dem Bulletin Quotidien d’ Outre-mer der Agentur France-Presse über das Ergebnis der Konferenz in Tananarive, die vom 6. bis 12. September 1961 zwischen den zwölf Staaten der Union Africaine et Malgache stattgefunden hat, 15.9.61, in: Ebd.; Die afro-europäische Parlamentarier-Konferenz. Abgeordnete aus 22 Parlamenten berieten über die künftige Gestaltung der Assoziierung mit der EWG, in: Bulletin, Nr. 124/S. 1205, Juli 1961. Vgl. Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 14. Nov. 1961 über die Ergebnisse der zweiten Tagung, 13.11.61. Vgl. LEGUM, Colin: Pan-Africanism. New York, 2. Aufl. 1965, S. 199-200; ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 30.
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rungsabkommen getrennt von und vor einer Regelung mit den CommonwealthStaaten auszuhandeln.72 Die ehemaligen französischen und britischen Kolonien standen in einem scharfen außenwirtschaftlichen Wettbewerb zueinander. Ghana und Nigeria exportierten Kakao ebenso wie die Elfenbeinküste, während Kenia auf dem Kaffeemarkt mit Kongo und Ruanda konkurrierte. Erdnüsse produzierten und exportierten Gambia ebenso wie Senegal. Tansanias und Kenias Sisalproduktion konkurrenzierte die Madagaskars.73 Schließlich fürchteten die frankophonen Staaten eine Vormachstellung Nigerias.74 Während des Jahres 1961 waren die Assoziierten zu einer gemeinsamen, kohärenten Position zu einer neuen Assoziierungsregelung gelangt.75 Nachdem die OAMCE-Staaten erstmals auf den Konferenzen von Brazzaville und Yaoundé im Dezember 1960 und März 1961 ihre Standpunkte zur Assoziierung koordiniert hatten,76 gelang es auf einem Expertentreffen in der Pariser Botschaft Kameruns, auch mit den anderen Assoziierten eine weitgehende, grundsätzliche Übereinstimmung zu erzielen. Die im Vorfeld der Straßburger Parlamentarierkonferenz in Ouagadougou) zusammengetroffenen afrikanischen Parlamentarier formulierten den gemeinsamen Standpunkt der Assoziierten in fünf Arbeitsdokumenten aus.77 Auf der Konferenz von Tananarive im September 1961 fassten die UAMStaaten nochmals weitere Resolutionen.78 So verfochten die Assoziierten auf der 2. Botschafterkonferenz im November 1961, die unmittelbar der Eröffnung der Verhandlungen auf Ministerebene vorausging, eine gemeinsame Position. Lediglich Mali behielt sich noch die Stellungnahme vor.79 Diese Geschlossenheit der Assoziierten führte auf europäischer Seite zu der Wahrnehmung, sich einer Einheitsfront gegenüberzusehen, die sich im bemerkenswerten Gegensatz zum eigenen Standpunkt der EWG befand, die sich in wesentlichen Fragen noch nicht auf eine gemeinsame Auffassung hatte verständigen können.80 Doch auch hinter der einheitlichen Fassade der Assoziierten verbargen sich konfligierende Interessen und divergierende Haltungen. Allgemein waren die 72 73 74 75 76 77 78
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Vgl. Ministre du Commerce, de l’Industrie et de l’Artisanat Abdoulaye (Sénégal), Communication au Conseil des Ministres, Dakar, 11.12.61, in: CHAN, SGAM, Fonds publics 2612. Vgl. GRILLI, Enzo R.: The European Community and the Developing Countries. Cambridge 1994, S. 17 f. Vgl. CHIPMAN, John: French power, S. 231 f. Vgl. auch: COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 80-82; ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 29-35. Vgl. Documents relatifs à la Conférence de Yaoundé (26-28 mars 1961), in: Documentation Française, Textes du jour, 18.4.61. Vgl. Arbeitsdokumente ausgestellt von den am 5. Juni 1961 in Ouagadougou versammelten afrikanischen Parlamentariern, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 72. Vgl. EWG, Rat: Entschließungen der Konferenz der Staats- und Regierungschefs Afrikas und Madagaskars am 11.9.61 in Tananarive über die Beziehungen zur EWG, 17.10.61; EWG, Rat, Vermerk: Auszug für die Ständigen Vertreter aus dem Bulletin Quotidien d’Outre-mer der Agentur France-Presse über das Ergebnis der Konferenz in Tananarive, 15.9.61. Vgl. Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 14. Nov. 1961 über die Ergebnisse der zweiten Tagung, 13.11.61. Vgl. beispielsweise AA, Abt. 2, Betr.: Sitzung des Kabinettsausschusses für Wirtschaft am 14.12.61, Punkt 3 der Tagesordnung: Vorbereitung der weiteren Verhandlungen über die künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen der EWG und den assoziierten überseeischen Staaten und Gebieten, 13.12.61, in: PAAA, B 53/167; AA, Abt. 2 und 4; Betr.: Verhandlungen über die Neuregelung des Assoziierungsverhältnisses, 29.12.61, in: Ebd.
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OAMCE-Staaten für die Knüpfung enger Beziehungen mit der EWG, während Kongo-Léopoldville, Mali, Togo und Somalia für eine offenere Form der Assoziierung eintraten.81 Während Senegal mit seiner Monokulturwirtschaft für ein exklusives Präferenzsystem zwischen der EWG und den ASSM sowie die Übertragung der in der Franc-Zone bestehenden Marktorganisationen für tropische Produkte auf die EWG eintrat, sprach sich Somalia für ein Präferenzsystem aus, dass den Interessen nicht-assoziierter Länder Rechnung trug. „Open-Door“-Länder wie Togo und Kongo/L. maßen hingegen dem EEF und der Höhe seiner Mittelausstattung wesentliche Bedeutung bei und machten ihre Entscheidung für die Aufrechterhaltung der Assoziierung davon abhängig.82 Auch die politischen Implikationen einer Assoziierung an die EWG waren unter den Assoziierten umstritten. Mali und Kongo-Léopoldville betonten ausdrücklich, daß sie mit der Assoziierung keine Option für den Westen verbänden.83 Mali, das sowohl mit der Sowjetunion als auch mit China kooperierte, machte sogar Vorbehalte gegen die institutionelle Ausgestaltung der Assoziierung geltend.84 Andere AASM verstanden die Assoziierung durchaus als Anbindung an den Westen.85 Die Frage der Nichtpaktgebundenheit hatte internationale Aktualität; die Blockfreien trafen im September 1961 zu ihrem ersten Gipfel in Belgrad zusammen. Trotz dieser Differenzen fanden die Assoziierten in der Auseinandersetzung mit der EWG zu 86 einer grundsätzlich einheitlichen Position zusammen.
1.2. Der Lemaignenplan der EWG-Kommission Dass die Assoziierung zu einer Realität der gemeinschaftlichen Tätigkeit wurde, ist vor allem der Umtriebigkeit der Kommission, namentlich der Generaldirektion VIII, zu verdanken. Sie unternahm verschiedene entwicklungs- und handelspolitische Initiativen, um die bestehende Assoziierung auszugestalten und an neue Entwicklungen anzupassen.87 Darüber hinaus warb die Kommission nicht 81 82 83 84
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Vgl. auch COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 79. Vgl. Bericht des Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 14. Nov. 1961 über die Ergebnisse der zweiten Tagung, 13.11.61. Vgl. Mahamane Alassane Haidara, Débats, 20.6.61; Promontorio (Congo-Léopoldville), Débats, 19.6.61. Vgl. A. Herbst: Vermerk für die Herren der Kommission, Betreff: Zweites Treffen zwischen den Vertretern der assoziierten afrikanischen Staaten und dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des EWG-Rats in Brüssel (10.-11.11.61), Brüssel, 13.11.61, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 68. So betonte Tsiranana, der Staatspräsident Madagaskars, anläßlich eines Besuchs einer Delegation der EWG-Kommission in Tananarive im Spätsommer 1960: „ Die madegassische [sic] Nation hat sich für ein Leben im Rahmen des westlichen Blocks entschieden. Sie hat dies getan, weil sie weiss, welche Wege sie zu den von ihr angestrebten Zielen führen werden, und weil kulturelle, gefühlsmäßige und politische Berührungspunkte sie zu dieser Wahl bestimmten. Man darf die Gefahren nicht unterschätzen, denen sie durch ihre Isolierung ausgesetzt ist. Sich selbst überlassen, könnte unsere Republik, allein allen Gegnern ausgesetzt, sich nicht auf der Seite der Kräfte der freien Welt halten.“ Tsiranana, wörtlich zitiert von Peyrefitte in seinem Bericht über die zweite Studien- und Informationsreise des Assoziierungs-Ausschusses, in: Europäisches Parlament, Verhandlungen, 17.11.60, S. 12. Vgl. auch COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 80. Siehe Teil C, Kap. 3.2 Der Ausbau der Handelsbeziehungen, Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika
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nur in Afrika,88 sondern auch bei den europäischen Mitgliedstaaten für die Assoziierung. Über die engeren Regierungskreise hinaus versuchte sie, eine breitere Öffentlichkeit für die Assoziierungsidee zu gewinnen, und erreichte ein Publikum in Wirtschaft und Wissenschaft, das zumeist besondere Afrika-Interessen hegte.89 Diese Öffentlichkeitsarbeit zeitigte Erfolge. Sowohl die niederländische als auch die deutsche Regierung, die die Kommission im Mai und Juni 1961 zur Assoziierungsfrage konsultierte, stellten ihre ursprünglichen Vorbehalte zurück und stimmten einer Fortsetzung der Assoziierung nach 1962 im Grundsatz zu.90 Auch die Experten aus europäischen Institutionen und Regierungen, aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, die im Oktober 1961 zu einem Kolloquium in Bari zusammentrafen, um vor dem Hintergrund der anstehenden Erneuerung des Assoziierungsabkommens über eine Entwicklungspolitik der EWG zu diskutieren, sprachen sich für die Erneuerung aus.91 Darüber hinaus empfahlen sie eine weltweite Entwicklungspolitik der EWG. Diese Perspektive hatte schon im Herbst 1959 der belgische Außenminister Wigny der EWG zu eröffnen versucht. Im folgenden Jahr ergriff die EWGKommission dann selbst die Initiative für eine Vergemeinschaftung der Entwicklungspolitik.92 Zu Beginn der 1960er Jahre gewann die Gemeinschaft international als entwicklungspolitischer Akteur an Profil. Die USA loteten mit der Kommission sogar die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit in Afrika aus.93 Insbesondere der für die Assoziierung zuständige Kommissar und die Generaldirektion VIII zählten zu den Verfechtern einer auf Afrika konzentrierten Entwicklungspolitik der EWG. Doch war dieser Ansatz innerhalb der Kommission umstritten. An dem ambitionierten Programm einer eurafrikanischen Gemeinschaft, das Lemaignen im Februar 1960 den übrigen Mitgliedern der Kommission präsentierte, wurde von der Generaldirektion II grundsätzliche Kritik geübt.94 Ein solcher hauptsächlich politischen Zielen verpflichteter Ansatz, der den Handelsinteressen der Mitgliedstaaten, in deren Außenwirtschaftsbeziehungen andere Räume bedeutender waren, nicht Rechnung trug, schien der Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen „manquer de réalisme“95. Hinzu kam, dass die regionale Orientierung der Assoziierungsidee immer das Problem der 88 89
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Siehe Teil C, Kap. 4: Die EWG als neuer Akteur in Afrika Vgl. DIMIER, Véronique: The invention of a Directorate General for development (1958-1975), in: SMITH, Andy (Hg.): Politics and the European Commission. Actors, interdependence, legitimacy. London/New York 2004, S. 83-95, bes. S. 91-94. Vgl. CEE, Note pour MM. Membres de la Commission, objet: comptes rendus des consultations de M. Lemaignen à la Haye et à Bonn, 13.7.61 mit Anlagen: DG VIII, Compte rendu: Consultations avec le Gouvernement des Pays-Bas, La Haye le 28 juin 1961 sur le renouvellement de l’association entre la CEE et les Etats d’Outre-Mer; GD VIII, Bericht : Besprechung mit hohen Beamten des Auswärtigen Amts über die künftige Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit der EWG, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1376. Vgl. La politique de la C.E.E. à l’égard des pays en voie de développement (Actes du Colloque de Bari, 7-8 octobre 1961), Rom 1962, S. 37-42, 325-330; siehe auch Teil C, Kap.2.2. Zum Entwicklungsdiskurs der EWG Siehe Teil C, Kap. 4.5 Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik Siehe Teil C, Kap. 4.5 Die EWG als neuer Akteur in Afrika Siehe Teil C, Kap. 4.1. Afrikapolitische Konzeption der EWG-Kommission. Vgl. CEE, Note, objet: Document de M. Lemaignen concernant «la Commission Economique Européenne et les pays sous-développés», nicht datiert, in: HAEG Brüssel, BAC 26/1969 632. Ebd.
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handelspolitischen Diskriminierung nicht-assoziierter Länder in sich barg. Weiterhin erschienen die Modalitäten und Instrumente einer auf das subsaharische Afrika fokussierten Entwicklungspolitik nicht auf Länder in Asien und Lateinamerika, die ein anderes Entwicklungsniveau hatten, übertragbar. Trotz dieser Kritik fand der regionale Ansatz wichtige Anhänger innerhalb der Kommission, zu denen auch der Kommissionspräsident zählte. Die Haltung Hallsteins war bestimmt durch den Kontext des Kalten Kriegs,96 hatte aber auch eine eurafrikanische Dimension. Die Bindungen aus der Kolonialzeit ebenso wie die geographische Nähe verpflichteten Europa, sich Afrika zuzuwenden.97 Aus einer integrationspolitischen Perspektive heraus hatte die Assoziierung zudem den Vorteil, die erste Äußerung einer entwicklungspolitischen Tätigkeit der Gemeinschaft zu sein, auf deren Basis eine gemeinschaftliche Entwicklungspolitik entwickelt werden konnte.98 Die Frage war für den Präsidenten also nicht, „ob wir die Assoziierung fortführen wollen, sondern wie wir sie fortführen. Oder anders: ein politisches Problem, Ja oder Nein zu sagen, stellt sich für unsere Gemeinschaft nicht.“99 Die Erneuerung der Assoziierung war für die Kommission Anlass, ihre bisherigen Modalitäten und Instrumente zu hinterfragen, um das Ausmaß der Neuausrichtung zu bestimmen.100 Dabei wurde die Assoziierungsfrage auch mit schwebenden Fragen der europäischen Integration verquickt, beispielsweise bei der Überlegung, ob die Entwicklungshilfe weiterhin mit Mitteln der Mitgliedstaaten oder mit gemeinschaftseigenen Mitteln finanziert werden sollte.101 Insbesondere der handelspolitische Inhalt der Assoziierung wurde einer Prüfung unterzogen. Die Präferenzen hatten bisher nur wenig Wirkung gezeitigt, aber dennoch auf mehreren Seiten Vorbehalte hervorgerufen. Afrikanischerseits sah sich die Assoziierung dem Vorwurf ausgesetzt, das subsaharische Afrika nach kolonialen Wirtschaftsräumen zu teilen.102 Vom GATT wurde die Assoziierung nur toleriert und auch die weitere Unterstützung durch die USA erschien unsicher.103 Mit Blick auf die Haltung der lateinamerikanischen Staaten und angesichts ihrer eigenen Initiative zur Ordnung der Weltrohstoffmärkte schien die US-Administration im Frühjahr 1961 immer weniger bereit, die zollpolitische Vorzugsbehandlung der Assoziierten zu akzeptieren.104 Innerhalb der EWG opponierten insbesondere die Niederlande und die Bundesrepublik gegen die bestehende Handelsregelung und weitergehende Initiativen der Kommission zur Roh96 97 98
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S. Kap. 4.1. Afrikapolitische Konzeptionen der EWG-Kommission. Vgl. HALLSTEIN, Walter: Europäische Afrikapolitik, Rede an der Universität Tübingen (5.5.61) S. 261-275, bes. S. 265, 274. Vgl. Schreiben des Kommissionspräsidenten W. Hallstein an den Präsidenten des Rates der EWG, Betr.: Gesamtuntersuchung der sich aus der wachsenden Bedeutung der Entwicklungshilfe in der Weltpolitik für die EWG ergebenden Folgen, 2.5.61, in: BA Koblenz, B 102/10178. HALLSTEIN, Walter: Europäische Afrikapolitik, 5.5.61, S. 267. Vgl. Aufzeichnung für Hallstein, Betr.: Übersicht über die von der Kommission zu treffenden Entscheidungen hinsichtlich der Politik gegenüber den assoziierten Gebieten mit Entwurf eines Schreibens an Lemaignen, 27.9.60, in: BA Koblenz, N 1266/1259. Vgl. ebd. Vgl. MAE, Schreiben des Ständigen Vertreters, Betr.: Treffen mit Lemaignen – Zukunft der Assoziierung, 10.12.60, in: MAE, dece 723. Vgl. Marjolin, Protokoll der Kommissionssitzung vom 24.3.61, in: BA Koblenz, N 1266/1338. Siehe Teil C, Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika.
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stoffpreisstabilisierung.105 Auch über die Haltung der französischen Regierung zur Präferenzfrage war man sich innerhalb der Kommission nicht im Klaren.106 Der Sekretär der Kommission, Emile Noël, verlieh der Befürchtung Ausdruck, dass das Auslaufen des französischen Präferenzsystems oder seine Ablösung durch ein Gemeinschaftssystem desintegrierend auf die franko-afrikanische Gemeinschaft wirken könnte. „Er brauchte die Wendung“, wie es in einem Vermerk für Hallstein hieß, „dass der Kommissionsvorschlag Frankreich „die Karotten entzöge“, mit der man die Länder der Communauté in den Stall der französischen Gemeinschaft bringen wolle.“107 Für die Beibehaltung der Präferenzen sprachen demgegenüber sowohl die Tatsache, dass sie integraler Bestandteil der Assoziierung waren, als auch die Bedeutung, die ihnen zahlreiche assoziierte Länder beimaßen.108 Obwohl ihr Vorschlagsrecht für die Erneuerung der Assoziierung nach dem Vertrag von Rom nicht eindeutig war, entschied sich die Kommission die Initiative für die Neuaushandlung zu ergreifen. Einerseits strebte sie eine Vermittlerrolle zunächst zwischen den sechs Mitgliedstaaten an, deren Auffassungen zu der Frage divergierten, andererseits bot ihr eine solche Initiative die Möglichkeit, sich auf dem Feld der Außenbeziehungen der Gemeinschaft zu profilieren.109 Im Dezember nahm Kommissar Lemaignen vor dem Ausschuss der Ständigen Vertreter zur Frage der Zukunft der Assoziierung Stellung.110 Was die handelspolitische Problematik der Assoziierung betraf, deutete der Kommissar eine Lösung in gesamtafrikanischer Perspektive an.111 Lemaignen hob weiterhin die politische Bedeutung der Assoziierung hervor, deren wesentliche Funktion darin bestände, Afrika Europa und dem Westen insgesamt verbunden zu halten. Vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse, wie der Kongo-Krise, zeigte sich Lemaignen überzeugt, dass die jungen, assoziierten afrikanischen Staaten in der Verbindung mit Europa einen dritten Weg jenseits der Blockkonfrontation entdecken würden.112 Nicht nur die Ständigen Vertreter, sondern auch das Kommissarskollegium, das sich im März 1961 erstmals mit der Frage der künftigen Assoziierung beschäftigte,113 maßen der Assoziierung eine wesentliche politische Bedeutung bei. Lemaignen empfahl nichtsdestoweniger, die Assoziierung politisch diskret erscheinen zu lassen, um bei den Afrikanern den Eindruck zu vermeiden, „daß sie für Eintritt ins antikommunist. Lager geworben werden sollen.“114 Zu einzelnen Aspekten der Assoziierung divergierten die Ansichten der Kommissare. Der niederländische Kommissar Mansholt nahm eine gesamtafrika-
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Siehe Teil C, Kap. 3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen. S. Teil D, Kap. 1.3. Die Bundesrepublik und die Assoziierungsfrage. Vgl. Vermerk für den Kommissionspräsidenten, Betr.: Assoziierung der überseeischen Staaten mit der Gemeinschaft, 6.6.61, in: BA Koblenz, N 1266/131. Ebd. Vgl. Aufzeichnung für Hallstein, 27.9.60; Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Gespräch mit Generaldirektor Hendus vom 16.12.60, 27.12.60, in: PAAA, B 20/368. Vgl. Aufzeichnung für Hallstein, 27.9.60. Vgl. MAE, Schreiben des Ständigen Vertreters, Betr.: Treffen mit Lemaignen – Zukunft der Assoziierung, 10.12.60. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Protokoll der Kommissionssitzung vom 24.3.61. Ebd.
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nische Perspektive ein und forderte, die Spaltung in zwei Tarifzonen zu vermeiden. Der Kommissionspräsident wandte demgegenüber ein, dass ihm die Formel von den zwei Afrika unverständlich sei, und stützte damit die Position Lemaignens, der diese Frage unter Hinweis auf die Handlungsspielräume der nunmehr selbständigen afrikanischen Staaten zurückwies. Von der Groeben betonte in Übereinstimmung mit Mansholt, dass eine Koordinierung mit den Commonwealth-Staaten wichtig sei, und allgemein die Frage der Beziehungen zu den Entwicklungsländern weltweit, wenn am Regionalprinzip festgehalten werde.115 Im Übrigen kennzeichnete die Haltung des deutschen Kommissars, der im April 1961 zusammen mit Lemaignen eine zweiwöchige Reise durch sechs assoziierte Staaten unternahm, eine bedingte Nähe zu derjenigen der Bundesregierung. So äußerte er Zweifel, ob die Mitgliedstaaten bereit seien, die Übertragung französischer Marktordnungen auf die Gemeinschaft zu akzeptieren, stellte die Präferenzregelung aber dennoch nicht grundsätzlich in Frage. Nach seiner Afrikareise kam er vielmehr zu dem Schluss, dass die Präferenzen alleine nicht ausreichten, um den Absatz der Produkte der assoziierten Länder im Gemeinsamen Markt zu gewährleisten, und forderte daher ihre Ergänzung um zusätzliche Maßnahmen wie Preisregulierung und Absatzerleichterungen.116 Ihm schwebte allerdings vor, die Assoziierung in ein relativ liberales System zu überführen, „in dem eine mässige Zollpräferenz als das legitime Mittel einer engeren wirtschaftlichen und politischen Assoziation anzusehen wäre.“117 Im Tenor stimmte er mit Lemaignen überein, der ebenfalls um einen Ausgleich in der handelspolitischen Behandlung von Assoziierten und Nicht-Assoziierten nach dem Motto warb: „[L]e maximum d’avantages pour les associés avec le minimum de désavantages pour les non associés.“118 Dem Sonderstatus der Assoziierten sollte im handelspolitischen Bereich nach seiner Auffassung durch die Schaffung der bereits im Vertrag von Rom vorgesehenen Freihandelszone zwischen der EWG und den assoziierten Ländern Ausdruck verliehen werden.119 Obwohl Lemaignen den Präferenzen nach wie vor Bedeutung beimaß, waren sie für ihn doch nur ein Instrument unter anderen. Andere Formen der Hilfe, wie eine Produktionskasse zur Stabilisierung der Rohstoffpreise, erschienen ihm viel versprechende Alternativen zu sein, mit denen eine Präferenzminderung kompensiert werden konnte. Seinem französischen Kollegen Marjolin, dem ohnehin eine Substitution der Präferenzen durch Subvention kaum Vorteile zu bringen schien, gingen die zur Debatte stehenden Kompensationen nicht weit genug. Er mahnte daher die Ausgeglichenheit der handelspolitischen Vorschläge an. Der Vizepräsident der Kommission trat am entschiedensten für eine Beibehal-
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Vgl. ebd. Vgl. Bericht über die Afrikareise von Herrn von der Groeben vom 14.April bis 2. Mai 1961 (Tschad, Kamerun, Dahomey, Togo, Elfenbeinküste, Senegal), 9.5.61, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1341. Ebd. Réponse de M. Lemaignen aux questions de M. le Président. Anlage zu: CEE, Commission, Secrétariat.: Note pour Messieurs les Membres de la Commission, objet: Association des Etats d’outre-mer à la Communauté – Propositions en vue d’une nouvelle convention d’application, 12.3.61, in: BA Koblenz, N 1266/1259. Vgl. ebd.
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tung der Präferenzen ein und opponierte daher gegen eine Senkung des gemeinsamen Außentarifs für tropische Erzeugnisse.120 Grundlage der vier Kommissionssitzungen, die sich zwischen dem 24. März und dem 18. April mit der Frage der künftigen Assoziierung beschäftigten, bildete ein Papier Lemaignens, das dieser ohne das Zutun seiner Generaldirektion mit Unterstützung eines Pariser Studienbüros verfasst hatte.121 Offensichtlich hatte er seine Konzeption auch unabhängig von den Ansichten der französischen Regierung entwickelt.122 Der Kommissar ging eigene Wege, um eine progressive Lösung für die künftige Assoziierung zu finden, die ihr eine Vorreiterrolle in der internationalen Entwicklungspolitik sicherte.123 Der Vorschlag reflektierte seine Einsichten in die Entwicklungsproblematik der assoziierten afrikanischen Länder ebenso wie in die Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Assoziierung.124 Auf der Basis des Lemaignenschen Vorstoßes entwickelte die Kommission ihre Konzeption für die künftige Assoziierung, die sie am 12. Juli 1961 den Mitgliedstaaten unterbreitete.125 Drei Leitgedanken bestimmten den Vorschlag der Kommission. Die Assoziierung sollte auf einer freiwilligen Mitgliedschaft beruhen und den assoziierten Staaten auch künftig die gleichen Vorteile bieten wie bisher. Das Ziel blieb, zur Hebung des Lebensstandards in den assoziierten Ländern durch Umstrukturierung und Modernisierung ihrer Volkswirtschaften beizutragen; dies schloss auch deren Industrialisierung mit ein. 120 121 122
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Vgl. Protokoll (handschriftlich) der 142. Sitzung der Kommission vom 12.4.61, in: Ebd., 1338; „Gefahren aus der euro-afrikanischen Parlamentarierkonferenz“, in: VWD-INFORMATION, 7.7.61. Vgl. Vermerk für Hallstein, Betr.: Dok S/016/61 Konventionsentwurf, 4.1.61, in: BA Koblenz, N 1266/1259. Die eigenständige Haltung des Kommissars führte letztlich dazu, dass die französische Regierung seine Ablösung begrüßte: „M. Ortoli [Industrieminister im Kabinett Debré, Anm. d. Verf.] est venu m’entretenir des questions de personnes qui se posent à la CECA, à l’EURATOM et à la CEE. Le remplacement de M. Lemaignen doit avoir lieu en tout état de cause. […] M. Ortoli pense que, en ce qui concerne la CEE, le candidat français devrait être choisi de telle façon qu’il soit pour M. Marjolin un collaborateur fidèle et non pas un rival. Aussi pense-t-il que le successeur de M. Lemaignen ne devrait pas avoir une trop forte personnalité ni être introduit trop avant dans les mi-lieux politiques.“ (MAE, Note, 7.9.61, in: MAE, Papiers Wormser 35) In diesem Sinne äußerte der Kommissar auf der Straßburger Konferenz im Juni 1961, die neue Assoziierung dürfe nicht unter dem Zeichen des Konservativismus stehen. Vgl. Lemaignen, in: Conférence de l’Assemblée parlementaire européenne avec les parlements d’Etats africains et de Madagascar, 19 au 24 juin 1961 à Strasbourg, Débats, Compte rendu in extenso, 21.6.61, S. 74; Projet d’Intervention de M. Lemaignen aux Réunions Ministérielles euro-africaines et malgaches des 6 et 7 décembre 1961, à Paris, in: BA Koblenz, B 102/130217: „L’association [...] doit prendre sa place à l’avant-garde du mouvement qui [...] se dessine et s’intensifie dans le monde.“ Vgl. Lemaignen, Conférence parlementaire 21.6.61, S. 71-75; Siehe Teil D, Kap. 1.3. Die deutsche Gesamtkonzeption: Lemaignen im Gespräch mit dem deutschen Staatssekretär MüllerArmack. Vgl. EWG, Kommission: Assoziierung der überseeischen Staaten mit der Gemeinschaft. Erwägungen über das neue Assoziierungssystem. (Mitteilung der Kommission an den Rat). 12.7.61, in: BA Koblenz, B 102/130214. Vgl. weiterhin: Fünfter Gesamtbericht (1962), S. 209 f.; La construction de l’Europe. La commission du Marché commun a transmis aux ministres des Six des propositions sur le futur régime d’association avec les pays d’outre-mer, in: LE MONDE, 17.8.61; Die EWG und die assoziierten Überseeländer. Vor einer neuen Tagung des Ministerrats, in: NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, 24.10.61.
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Im handelspolitischen Bereich hielt die Kommission an den Präferenzen fest und schlug vor, die Einführung des gemeinsamen Außentarifs für bestimmte tropische Erzeugnisse zu beschleunigen, gleichzeitig aber auch den Abbau der Binnenzölle, die die Mitgliedstaaten gegenüber den assoziierten Ländern erhoben. Im Sinne der Freihandelszonenregelung sollten die assoziierten Länder gegenüber der EWG reziproke zollpolitische Verpflichtungen übernehmen, aber weiterhin ermächtigt sein, „Schutzzölle“ zu erheben. Gleichwohl trug die Kommission dem Diskriminierungsargument nicht-assoziierter Lieferantenländer Rechnung. Bei drei tropischen Erzeugnissen – Kaffee, Kakao und Bananen – sollte der gemeinsame Außentarif zum 1. Januar 1965 halbiert werden. Mit diesem Vorschlag, der eine tatsächliche Minderung der Zollpräferenz für die Assoziierten bedeutete, setzte die Kommission die schon eingeleitete handelspolitische Wende fort. Einerseits erkannte sie damit die Notwendigkeit an, den gemeinsamen Außenzoll für tropische Produkte zu senken, andererseits machte sie deutlich, dass sie anderen handelspolitischen Maßnahmen zur Erhöhung der Konsums tropischer Erzeugnisse der Assoziierten im Gemeinsamen Markt größere Bedeutung beimaß. So nahm der Abbau der mengenmäßigen Beschränkungen im Handel zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar ebenso einen wichtigen Platz im Kommissionspapier ein wie der Vorschlag, die Verbrauchssteuern für einzelne tropische Produkte, die in der Bundesrepublik und Italien besonders hoch waren, in zwei Etappen bis zum 1. Januar 1965 zu eliminieren. Für die Kommission bestand ein Junktim zwischen dem Abbau der Präferenzzölle und dem Ergreifen anderer absatz- und verbrauchsfördernder Hilfsmaßnahmen. Außerdem war vorgesehen, nachteilige Auswirkungen des Fortfalls der Schutzkontingente, die bisher den Ländern der Franc-Zone den Absatz auf dem französischen Markt sicherten, durch Subventionen auszugleichen. Generell schlug die EWG-Kommission vor, als Hilfsmaßnahmen zugunsten tropischer Erzeugnisse „Konjunkturdarlehen“, die Teilnahme an internationalen Rohstoffabkommen und unmittelbare Produktionsbeihilfen in Aussicht zu nehmen. Während ein europäischer Stabilisierungsfonds, rückzahlbare Vorschüsse an die bestehenden örtlichen Stabilisierungskassen in den AASM zahlen sollte, zählte zu den Hauptaufgaben der zu schaffenden gemeinsamen Produktionskasse die Finanzierung von Programmen zur Diversifizierung der Wirtschaftsstrukturen. Deren auf 25 Millionen Dollar jährlich geschätzter Bedarf sollte aus Beiträgen der Mitgliedstaaten und der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars gedeckt werden. Unter dem Aspekt der Eigenanstrengung sollten die Assoziierten 1% ihres Nationaleinkommens investieren, um ihre Produktion auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu machen. Der Kommissionsvorschlag unterschied also im Sinne von der Groebens zwischen dem Anliegen der Stabilisierung zum Ausgleich konjunktureller und saisonaler Schwankungen und dem der Strukturanpassung, um die assoziierten Ökonomien an die Entwicklung des Weltmarkts anzupassen.126 Insbesondere im letzten Punkt traf er sich somit mit den Vorstellungen der Bundesregierung. Von den tropischen Erzeugnissen unterschied die Kommission schließlich diejenigen, die die Erzeugnisse der EWG-Landwirtschaft konkurrenzierten. Für
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Vgl. Bericht über die Afrikareise von Herrn von der Groeben, 9.5.61.
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diese Kategorie von Erzeugnissen forderte Brüssel, den Interessen der assoziierten Staaten im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik Rechnung zu tragen. Nach wie vor maß die Kommission Investitionen eine Schlüsselstellung für den Entwicklungsprozess der assoziierten Ökonomien bei. Der EEF sollte daher weitergeführt und mit größeren Mitteln als bisher, nämlich 220 Millionen Dollar jährlich, ausgestattet werden. Er sollte künftig nicht nur verlorene Zuschüsse, sondern auch zinsverbilligte Darlehen zu gewähren. Die Europäische Investitionsbank sollte an deren Verwaltung mitwirken. Zum Schutz privater Investitionen wurden die Übernahme von Ausfallbürgschaften durch die Gemeinschaft und die Förderung der Schaffung von Entwicklungsbanken in den AASM, die eine wesentliche Rolle bei der Allokation von Investitionen spielen sollten, in Aussicht genommen. 25 Millionen Dollar jährlich sollten schließlich für eine Intensivierung der Technischen Zusammenarbeit reserviert sein, zudem sollte ein Entwicklungsinstitut gegründet werden. In dem Bestreben die Assoziierung zu einer Entwicklungskooperation auszugestalten, trat die Kommission dafür ein, der Assoziierung ein eigenes institutionelles Gefüge zu geben, das dem Anspruch der Assoziierten auf Gleichberechtigung Rechnung tragen sollte. Als oberstes Organ der Assoziation sollte daher ein paritätisch besetzter, gemeinsamer Ministerrat geschaffen werden, dessen Beschlüsse einstimmig gefasst werden sollten. Insbesondere der Kommissionspräsident hielt es für wichtig, dass in diesem Assoziationsrat ein Willensbildungsprozess zustande komme.127 Unter dem Vorsitz der Kommission sollte ein Assoziationsausschuss die Beschlüsse des Ministerrats vorbereiten. Darüber hinaus sollte jährlich eine parlamentarische Versammlung stattfinden. Während sich die Kommission in handelspolitischen Fragen gemeinsamen Interesses für Konsultationen aussprach, trug der Kommissionsvorschlag im Bereich der Entwicklungshilfe dem Paritätsgrundsatz nur bedingt Rechnung. Zwar sollten Assoziationsrat und -ausschuss hinsichtlich des Entwicklungsfonds Entscheidungs- und Kontrollfunktionen wahrnehmen, die Geschäftsführung des Fonds behielt die Kommission jedoch sich vor. Auch den Gedanken eines Beitrags der assoziierten Staaten zum Entwicklungsfonds, der beispielsweise in den Empfehlungen der Straßburger Konferenz zum Ausdruck kam,128 griff die Kommission in ihrem Vorschlag nicht mehr auf. Somit brach die von der Kommission konzipierte Entwicklungskooperation die traditionelle Rollenverteilung in Geber und Nehmer letztlich nicht auf, auch wenn unter dem Aspekt der Eigenanstrengung ein Beitrag der Assoziierten zur gemeinsamen Produktionskasse gefordert wurde.129 Ohne die Basis des mit dem Vertrag von Rom etablierten Assoziierungssystem zu verlassen, präsentierte die Kommission mit ihrem Vorschlag eine innovative Lösung zu dessen Ausgestaltung, die auf die vielfältigen Herausforderungen 127 128 129
Vgl. Protokoll [handschriftlich] der Kommissionssitzung vom 18.4.61, in: BA Koblenz, N 1266/1338. Vgl. Empfehlungen der Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten afrikanischer Staaten und Madagaskars vom 24. Juni 1961, in: EA, Folge 20/1961, D 612. Vgl. hierzu auch Migani, die zu dem entgegengesetzten Schluss kommt: „The draft Convention which Lemaignen submitted to the Council would set up a real Eurafrican cooperation policy. The African states were not only the beneficiaries of this policy but would contribute to putting it into effect.” (MIGANI, Guia: The commissioner Robert Lemaignen, S. 160). Siehe zum Aspekt der Entwicklungskooperation auch unten Teil D, Kap. 1.4: Frankreich, der Transformationsprozess seines afrikanischen Empire und die Assoziierungsfrage.
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antwortete, vor die sich die Assoziierung zu Beginn der 60er Jahre international, afrikanischerseits, von Seite der EWG-Mitgliedstaaten und vom Anspruch der Kommission selbst her gestellt sah.130 Dass die Assoziierung zu Beginn der 60er Jahre vor allem eine Angelegenheit von Experten war, zeigte auch die Nähe des Kommissionsvorschlags zu den Empfehlungen des Kolloquiums von Bari. Das Kolloquium hatte eine Finanzhilfe in Höhe von 300 Mio. $ jährlich, eine Intensivierung der technischen Zusammenarbeit sowie im Bereich der Handelspolitik eine Aktion der EWG empfohlen, die zu einer Erhöhung der Exporteinnahmen der assoziierten Länder führte und sie vor Fluktuationen der Rohstoffpreise schützte. Zugleich sollte aber die Anpassung der Produktionsstruktur der AASM an die Entwicklung des Weltmarkts fortgesetzt werden.131 Auch mit den Empfehlungen der Straßburger Konferenz ergab sich eine Schnittmenge.132 In Punkten wie den Produktionsbeihilfen, der Erhöhung der Mittel des EEF oder den Assoziationsorganen war die Auffassung der Kommission nahe an den Straßburger Empfehlungen. In der Frage der Zollpräferenz hingegen differierten die Empfehlungen der Konferenz von der Auffassung der Kommission. Während Straßburg die Beibehaltung der Zollpräferenz verlangte, sah der Brüsseler Vorschlag eine partielle Abkehr vor. Die beschleunigte Herbeiführung der Zollpräferenz für die Mehrzahl der tropischen Erzeugnisse der Assoziierten war nur eine Ersatzlösung. Auch den Gedanken von Mindestabsatzgarantien griff die Kommission in ihrem Vorschlag nicht auf. Trotz oder gerade wegen ihres Bemühens um „mittlere Lösungen“133 sah sich die Kommission mit ihrem Vorschlag in der Kritik. Von Seite der Assoziierten wurde die Erosion der Präferenzen und der ihrer Ansicht nach zu überstürzte Abbau des Überpreissystems bedauert. Kritik übten sie auch an der vorgeschlagenen Mittelausstattung des EEF, die sie für zu niedrig hielten, und daran, dass die Kommission ihre direkte Partizipation an der Geschäftsführung des EEF in ihrem Papier nicht vorgeschlagen hatte.134 Frankreich bewertete einige Aspekte des so genannten Lemaignenplans positiv. Dazu zählten beispielsweise, dass die Kommission die Notwendigkeit der Preisstabilisierung zur Vermeidung von Konjunkturschwankungen anerkannte, ein besonderes strukturelles Eingreifen zugunsten der tropischen Erzeugnisse der Assoziierten und Maßnahmen zur Förderung des Verbrauchs vorsah sowie eine vielseitigere Gestaltung der Fi-
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Dennoch blieb der Kommissionsvorschlag auch hinter schon zuvor von der Kommission ergriffenen Initiativen zurück. Zur Frage der Ständigen Vertretungen der EWG-Kommission in den assoziierten Staaten, zu der die Kommission noch auf der Straßburger Konferenz Stellung genommen hatte, schwieg das Kommissionspapier. Siehe hierzu auch Teil C, Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika Vgl. Actes du Colloque de Bari, 7-8 octobre 1961, S. 325-330. Vgl. Europäisches Parlament, Bulletin 1961-1962: Vergleichende Studie der Empfehlungen der Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten afrikanischer Staaten und Madagaskars und den Erwägungen der EWG-Kommission über das neue Assoziierungssystem, 2.10.61, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 10; EWG, Rat, Vermerk, 10.10.61, in Anlage: Übersicht über die Erwägungen der Kommission, die Empfehlungen der Straßburger Konferenz und die Stellungnahmen der Regierungen der Mitgliedstaaten, in: Ebd.; Empfehlungen der Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten afrikanischer Staaten und Madagaskars vom 24. Juni 1961, in: EA, Folge 20/1961, D 605 ff. HALLSTEIN, Walter: Europäische Afrikapolitik, S. 271. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 84.
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nanzhilfe vorschlug.135 Gerade im handelspolitischen Bereich schien der französischen Regierung der Brüsseler Vorschlag sich aber zu sehr vom Vertrag von Rom zu entfernen.136 Frankreich kritisierte die Höhe der Präferenzen als unzureichend und forderte daher als ergänzende Maßnahmen, nach französischem Vorbild die Einfuhr konkurrierender Produkte aus nicht-assoziierten Ländern zu kontingentieren.137 Auch deutscherseits wurde Kritik am Lemaignenplan geübt. Bonn präsentierte parallel zum Vorschlag der Kommission seine eigene Konzeption für eine künftige Assoziierung, die sich als Gegenentwurf zu ersterem entpuppte. 1.3. Die Bundesrepublik und die Assoziierungsfrage 1.3.1. Die Assoziierung im Lichte der deutschen Afrikapolitik Mit der nahenden Unabhängigkeit der afrikanischen Länder stieg auch das Interesse der Bundesrepublik am afrikanischen Kontinent. Im „afrikanischen Jahr“ 1960 sagte die Bundesregierung 17 afrikanischen Staaten Entwicklungshilfeleistungen zu.138 Weiterhin eröffnete die Bundesrepublik allein in diesem Jahr zehn neue Botschaften im subsaharischen Afrika.139 Bereits im Oktober 1959 hatte die französische Regierung ein systematisches Vordringen der Bundesrepublik im schwarzafrikanischen Raum im Rahmen ihrer Entwicklungspolitik registriert. 140 Dass Bonn afrikapolitische Ambitionen hegte, machte im selben Monat eine Botschafterkonferenz in Addis Abeba (Äthiopien) deutlich, zu der das Auswärtige Amt seine auf dem afrikanischen Kontinent akkreditierten Botschafter eingeladen hatte, um die Konzeption der bundesdeutschen Afrikapolitik zu schärfen.141 135
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Vgl. Erklärung des Staatssekretärs im französischen Außenministerium, Georges Gorse, vor dem Ministerrat der EWG über die Zukunft der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar. (51. Tagung des Rates am 24. und 25. Juli 1961), 28.7.61, in: BA Koblenz, B 102/130214. Vgl. ebd. Vgl. EWG, Rat, Vermerk, 10.10.61. Vgl. BOOZ, Rüdiger M. : „Hallsteinzeit“: deutsche Außenpolitik 1955-1972. Bonn 1994, S. 70. Vgl. ENGEL, Ulf: Die Afrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949-1999. Rollen und Identitäten. Hamburg 2000, S. 42. Bereits am 1. Januar wurde die deutsche Botschaft in Kamerun eröffnet. Als weitere folgten: Togo (27.4.), Senegal (20.6.), Madagaskar (27.6.), Somalia (1.7.), Kongo-Léopoldville (25.7.), Elfenbeinküste (7.8.), Kongo-Brazzaville (15.8.), Nigeria (4.10.) und Mali (9.11.). Vgl. Premier Ministre, Service de documentation extérieure et de contre-espionnage (SDECE): Notice d’information: L’expansion de la République Fédérale d’Allemagne en Afrique noire (Juin-Octobre 1959), 19.10.59, in: CAOM, Aff.Pol., 3334/2. In der Forschung herrscht die These vor, dass die Afrikapolitik der BRD vor 1959 relativ konzeptionslos gewesen sei und es sich lediglich um ein Engagement gehandelt habe. Vgl. PODEVINS, Olivier/PREIßINGER, Tanja: Zwischen Hallstein-Doktrin und sozialistischer Solidarität: Das französische Schwarzafrika in den außenpolitischen Konzeptionen der beiden deutschen Staaten, in: REVUE D’ALLEMAGNE ET DES PAYS DE LANGUE ALLEMANDE 31, n° 3-4 (1999), S. 377-390, bes. S. 378. Bereits Mitte der 50er Jahre verfügte die Bundesregierung allerdings über afrikapolitische Konzepte, so dass ihre Afrikapolitik bereits zu diesem Zeitpunkt Gestalt anzunehmen begann. Siehe Teil B, Kap 3 Die BRD und die Assoziierung der Überseegebiete an den Gemeinsamen Markt.. Engel vertritt darüber hinaus die These, dass die Bundesrepublik aus Rücksichtnahme auf die Belange der Kolonialmächte und der USA bewusst auf die politische Gestaltung der bilateralen Beziehungen zu Afrika entlang eines systematischen afrikapolitischen Konzepts verzichtet habe. Vgl. ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S.44. Auch Wilkens geht von
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Schließlich betraf der Dekolonisationsprozess in Schwarzafrika Eckpfeiler der außenpolitischen Konzeption der Bundesregierung, die über den afrikanischen Kontinent hinausreichten.142 Bereits 1956 hatte Außenminister von Brentano dem Bundeskanzler berichtet, dass der Kalte Krieg auch Afrika erreicht habe.143 Die Bundesregierung befürchtete insbesondere, dass im Zuge des Dekolonisationsprozesses ein Machtvakuum auf dem afrikanischen Kontinent entstehe, in das der „Osten“ eindringen könne. In Vorbereitung auf die Botschafterkonferenz entstand daher im Auswärtigen Amt die Idee, die EWG als „kollektive europäische Auffangstelle für die sich auflösenden bilateralen Beziehungen der afrikanischen Länder zu Frankreich, Portugal und Belgien“ zu nutzen.144 Zugleich gewann Afrika auch deutschlandpolitische Bedeutung. Die Politik der Nichtanerkennung gegenüber der DDR sollte auch in den unabhängig werdenden afrikanischen Staaten fortgeführt und zu diesem Zweck die öffentliche bundesdeutsche Entwicklungshilfe systematisch eingesetzt werden.145 Entwicklungshilfe sollte einen positiven Anreiz für das deutschlandpolitische Wohlverhalten der Empfänger bieten.146 Die Ausgangsbedingungen der bundesdeutschen Afrikapolitik erschienen nicht schlecht. Als Vorteil wertete das Auswärtige Amt die Tatsache, dass die deutsche Kolonialherrschaft in Afrika bereits 1918 geendet hatte147 und somit die Beziehungen der Bundesrepublik zu Afrika nicht unmittelbar durch die Dekolonisationsproblematik belastet wurden. Wie Ministerialdirektor Hasso von Etzdorf erläuterte, strebte die Bundesrepublik vor diesem Hintergrund vielmehr eine „natürliche Vermittlerrolle“ zwischen den Bestrebungen der unabhängig werdenden afrikanischen Länder und den Interessen der Kolonialmächte an148 ein Balanceakt. Denn einerseits wurde Ende 1959 das Recht auf Selbstbestim-
142
143 144 145 146
147 148
einer Selbstbeschränkung der bundesdeutschen Afrikapolitik aus. Vgl. WILKENS, Andreas: L’Allemagne et l’Afrique, S. 287. Engel weist allerdings zugleich darauf hin, dass die Rücksichtnahme der Bundesregierung auf die Belange befreundeter Nationen dort ihre Grenze gehabt habe, wo deutschlandpolitische Belange berührt gewesen seien. Damit stellt sich die Frage, wie groß das Interesse der BRD war, sich in Afrika zu engagieren. Nicht nur Handlungsspielräume der BRD in Afrika, sondern auch die finanziellen, administrativen und personellen afrikapolitischen Ressourcen der BRD bestimmten die Größe des politischen und wirtschaftlichen Engagements der Bundesregierung. Vgl. zu diesem Aspekt auch die Hypothese von ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S. 234, 253. Vgl. EIKEL, Markus: Das „Dilemma“ des „natürlichen Vermittlers“. Die bundesrepublikanische Außenpolitik und die französische Dekolonisation in Schwarzafrika (1958-1965), in: REVUE D’ALLEMAGNE ET DES PAYS DE LANGUE ALLEMANDE 31, n° 3-4 (1999), S. 453. Vgl. Bundesminister des Auswärtigen von Brentano an Bundeskanzler Adenauer, 8.12.56, in: MÖLLER, Horst/HILDEBRAND, Klaus: Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, S. 622. AA: „Thesen“ des Referats 307, abgezeichnet vom StS am 13.10.59, zit. nach ENGEL, Ulf: Die Afrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland, S. 230. Vgl. BOOZ, Rüdiger M.: „Hallsteinzeit“, S. 69; GRAY, William Glenn: Germany’s cold war: the global campaign to isolate East Germany, 1949-1969. Chapel Hill N.C. 2003, S. 104 f. Erst im Sommer und Herbst 1961 während des Höhepunkts der Berlinkrise und nach der Belgrader Konferenz der Blockfreien, auf der zahlreiche Delegierte sich dafür aussprachen, die Existenz zweier deutscher Staaten anzuerkennen, rückte die Streichung der Entwicklungshilfe als eine mögliche Konsequenz des Bruchs der Hallstein-Doktrin in den Vordergrund. Vgl. AA, LR I Kahle (Ref. 418), Aufzeichnung: Berlinkrise und Entwicklungspolitik, hier: Überreichung einer Note an die afrikanischen Regierungen, 25.8.61, in: PAAA, B 58/440; GRAY, William Glenn: Germany’s cold war, S. 123-131. Vgl. ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S. 40; EIKEL, Markus: Dilemma, S. 457. Vgl. ebd., S. 453 f., 456 f.
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DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
mung neues Leitmotiv der Bonner Afrikapolitik.149 Andererseits hatte die Bundesregierung die Interessen der alliierten Kolonialmächte in Afrika in Rechnung zu stellen, insbesondere die französischen, da Störfaktoren für den deutsch-französischen Ausgleich, der im Zentrum der bundesdeutschen West- und Europaintegration stand, vermieden werden sollten.150 Diese Rücksichtnahme bedeutete aber nicht die Verleugnung bundesdeutscher Interessen in Afrika, sondern deren Wahrung und Durchsetzung im Dialog und in Abstimmung mit Frankreich, wie Etzdorf anlässlich einer Abteilungsleiterkonferenz über Afrika erläuterte: „Die BRD [sic] muß die berechtigten Interessen und Empfindlichkeiten befreundeter und verbündeter Nationen berücksichtigen. Wir sind aber nicht gesonnen, uns ins Schlepptau nehmen zu lassen, werden vielmehr in freimütiger Konsultation unseren Standpunkt zu wahren und durchzusetzen haben, wenn wir dies im Interesse der afrikanischen Staaten und ihrer Beziehungen zu uns und der westlichen Welt für geboten erachten. Das wäre Afrika-Politik als realistische Funktion der Europa-Politik. Die Rücksichtnahme auf unsere Verbündeten wird uns aber oft dazu zwingen, gegenüber den hochgespannten Erwartungen der Afrikaner eine gewisse Reserve zu zeigen.“151 Bei der Verteidigung ihrer deutschlandpolitischen Belange in Afrika sah sich die Bundesregierung zugleich in der Rolle eines Mandatars des Westens. In den Fokus nahm sie dabei auch Guinea, das nach ihrer Einschätzung zur „ersten Einbruchstelle des Ostblocks in Schwarzafrika“ werden konnte.152 Obwohl Bonn im November 1958 auf den französischen Wunsch Rücksicht nahm, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen aufzuschieben, ging es aus einem Wettlauf mit der DDR im Juli 1959 als Sieger hervor. Im März 1960 intervenierte die Bundesregierung erfolgreich bei Sékou Touré, um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Guinea und der DDR zu verhindern.153 Angesichts der perzipierten diplomatischen und ökonomischen „Offensive“ des Ostblocks in Afrika betrachtete die Bundesregierung es als in ihrem Interesse liegend, die Kolonialmächte in deren Bestreben zu unterstützen, Bindungen zu den afrikanischen Ländern aufrechtzuerhalten.154 Ihrem Verständnis nach sollten dies gleichwohl keine exklusiven Bande mehr sein. Im frankophonen Afrika strebte sie daher besondere Beziehungen zu den ehemaligen deutschen Kolonien Togo und Kamerun an. Das deutsche Interesse wurde auch angeregt und begünstigt durch eine „Germanophilie“ in diesen beiden afrikanischen Ländern, die sich einer zum Teil verklärenden, grundsätzlich positiven Erinnerung der Togolesen und Kameruner an die deutsche Kolonialherrschaft zu verdanken schien.155 Weiterhin strebten die beiden Länder danach, die exklusiven Bezie149 150 151 152 153 154 155
Vgl. GRAY, William Glenn: Germany’s cold war, S. 103. Vgl. EIKEL, Markus: Dilemma, S. 453 f., 457. Ministerialdirektor Hasso von Etzdorf in einer Abteilungsleiterkonferenz des AA über Afrika am 16.7.60. Niederschrift 25.7.60. Zit. nach: ENGEL, Ulf: Afrikapolitikk, S. 232. AA, D 3 an Abt. 1, Vertretung der BRD in Guinea, 17.12.58, zit. nach: EIKEL, Markus: Dilemma, S. 455. Vgl. GRAY, William Glen: Germany’s cold war, S. 107-115; EIKEL, Markus: Dilemma, S. 454 ff.; ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S. 43 f. Vgl. ebd., S. 233. Vgl. MFOM, Direction des Affaires Politiques, Note pour M. le Directeur, Oktober 1957, in: CAOM, Aff. Pol., 3334/2; Notice d’information: L’expansion de la République Fédérale
DAS ERSTE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ
273
hungen zu Frankreich zu lösen und weitere, neue politische und wirtschaftliche Partner zu finden. Bereits im Februar 1959 hatte der kamerunsche Regierungschef Ahidjo in New York erklärt, dass Kamerun nach der Unabhängigkeit nicht um Aufnahme in die Communauté nachsuchen werde.156 Auch der togolesische Regierungschef Olympio ging auf Distanz zu Paris.157 Im April 1960 regte Bundespräsident Heinrich Lübke158 gegenüber dem französischen Botschafter eine deutsch-französische Kooperation in Togo und Kamerun an und begründete das besondere Interesse der Bundesrepublik an diesen beiden Ländern mit den alten Bindungen.159 Zwar betonte die Bundesregierung, nicht in Konkurrenz zu Frankreich treten zu wollen, dennoch alarmierte die Initiative des Bundespräsidenten den französischen Botschafter und die zuständigen Stellen im französischen Außenministerium. Zur Vorsicht mahnten die französische Regierung insbesondere folgende Ereignisse. Die kamerunsche Regierung hatte im selben Monat bei der Bundesregierung für Militärhilfe angefragt. Dass Bonn Paris nicht unverzüglich über diese Anfrage informiert hatte, wurde an der Seine argwöhnisch bemerkt. Dass die Bundesregierung einen Handelsvertrag sowie einen Vertrag über technische Hilfe mit Togo schließen wollte, deutete auf die Bereitschaft, sich nachhaltig in diesem Land engagieren zu wollen. Die französische Regierung fühlte sich dadurch aber in ihren eigenen Bestrebungen gestört, die Beziehungen zu Togo auf eine neue Basis zu stellen. Am Quai d’Orsay schätzte man die Situation als ernst ein und schloss Rückwirkungen auf den deutsch-französischen Ausgleich in Europa nicht aus.160 Der französische Botschafter François Seydoux wies Staatssekretär van Scherpenberg in einer Unterredung am 6. Mai darauf hin, dass jeder Fehltritt der Bundesrepublik in Afrika das deutsch-französische Verhältnis gefährde. Die deutsche Afrikapolitik dürfe die französische nicht stören; Entwicklungshilfe solle nicht in Konkurrenz, sondern ergänzend zur französischen vergeben werden.161 Van Scherpenberg betonte demgegenüber, dass die Bundesregierung eine weitreichende Aktion auf dem afrikanischen Kontinent überall dort beabsichtige, wo es ihr möglich sei. Unter Hinweis auf eine deutsch-britische Kooperation in Afrika bediente er sich der Argumentation, dass die Bundesrepublik als „Anwalt des Westens“ agiere: „[Bonn] servait la cause de l’Occident, d’ailleurs, les Anglais avaient compris le rôle que pourrait ainsi jouer la République Fédérale, au Sou-
156
157 158 159 160 161
d’Allemagne en Afrique noire (Juin-Octobre 1959), 19.10.59. Vgl. zu den unrühmlichen Aspekten der deutschen Kolonialherrschaft in Kamerun und Togo STOECKER, Helmuth: Kamerun 1885-1906, 1906-1914, in: DERS. (Hg): Drang nach Afrika: die deutsche koloniale Expansionspolitik von den Anfängen bis zum Verlust der Kolonien. Berlin 1991, S. 58-74, 142-151; SEBALD, Peter: Togo 1884-1900, 1900-1914, in: ebd., S. 75-83, 152-160. Vgl. DIBENGUE, Augustin: Zur Vormachtstellung Frankreichs im frankophonen Afrika. Die Beziehungen Kameruns zu Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis Anfang der achtziger Jahre im Vergleich. Aachen 1994, S. 294. (=Aachener Studien Sozialwissenschaften, hg. v. Winfried BÖTTCHER). Siehe Teil C, Kap. 5. Die Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen Länder und Gebiete und ihre Auswirkungen auf die Assoziierung. Zur Biographie vgl. MORSEY, Rudolf: Heinrich Lübke – eine politische Biographie. Paderborn 1996. Vgl. MAE, Dir. d’Afrique Levant, Note a.s. Assistance allemande au Cameroun et Togo, 5.5.60, in: MAE, Afrique Levant, Cameroun 13. Vgl. ebd. Vgl. Schreiben von Seydoux an das Außenministerium, 6.5.60, in: Ebd.
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dan, au Ghana, ils lui prodiguaient les encouragements.“162 Der Botschafter, der schon zu Beginn des Gesprächs dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt das prinzipielle Interesse Frankreichs an einer Kooperation mit der Bundesrepublik in Afrika signalisiert hatte, griff daraufhin die Idee einer gegenseitigen Information und Konsultation wieder auf.163 Die Bundesregierung zeigte sich bemüht, die Wogen schnell zu glätten. Deutsch-französische Expertengespräche brachten noch im selben Monat ein informelles Konsultationsverfahren auf den Weg.164 Der Bundesaußenminister fügte zudem den Instruktionen an den Botschafter in Togo hinzu, „dass wir bei jeder Aktivität in diesem Bereich auf eine rechtzeitige Abstimmung mit Frankreich entscheidenden Wert legen müssen. Es sollte nichts geschehen, was in Frankreich etwa den Eindruck erwecken könnte, als wolle die Bundesrepublik in illoyaler Weise noch bestehende freundschaftliche Gefühle der Togolesen gegenüber Deutschland zum Nachteile Frankreichs ausnutzen; oder als wolle Deutschland die durch die Selbständigkeit Togos neugeschaffene Lage zum Nachteil Frankreichs auswerten, um auf diese Weise den französischen Einfluß einzudämmen.“165 Angesichts dieses erkennbaren Willens der Bundesrepublik zur Zusammenarbeit gelangte das französische Außenministerium schon im Juni 1960 zu einer Neubewertung der bundesdeutschen Afrikapolitik. Sah die Afrikaabteilung in ihrer Stellungnahme zur Initiative Lübkes vom Mai noch die Gefahr einer deutschfranzösischen Konkurrenz heraufziehen, wertete man am Quai d’Orsay nunmehr positiv, dass die Initiative zur Kooperation in Togo und in Kamerun von der Bundesregierung ausgegangen war. Keinesfalls habe Paris die Absicht, wie das Außenministerium der französischen Botschaft in Bonn mitteilte, die Bundesrepublik in eine Juniorrolle zu drängen. Gleichwohl hielt man am Vorrang französischer Interessen fest.166 In dem Maße wie Paris seine Beziehungen zum frankophonen subsaharischen Afrika im Rahmen seiner Kooperationspolitik festigte, schwanden auch die französischen Empfindlichkeiten gegenüber einer Konkurrenz europäischer Partner. Nunmehr zeigte sich die französische Regierung bestrebt, zu einer bilateralen Koordinierung der französischen und deutschen Entwicklungshilfe zu gelangen.167 Der Elysée-Vertrag von 1963 sah eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe vor. Zur Entspannung auf französischer Seite trug aber auch die Einschätzung bei, dass die deutsche Entwicklungshilfe nach Afrika
162 163 164
165 166 167
Ebd. Vgl. ebd. Vgl. Ministère des relations extérieures, coopération et développement, Direction de la coopération Culturelle et Technique, Note: Aide allemande bilatérale aux Etats africains et malgache et à la Guinée, 7.10.63, in: CAC, 810443 DCT, Art. 59. Von Brentano an Direktor Abt. 3, Stellungnahme zur Instruktion für den Botschafter in Lomé, 16.5.60. Zit. nach: EIKEL, Markus: Dilemma, S. 457. Vgl. MAE, Direction d’Afrique Levant, Télégramme au Départ, 2.6.60, in: MAE, Afrique Levant, Cameroun 13. Vgl. Direction de la coopération Culturelle et Technique, Note: Aide allemande bilatérale aux Etats africains et malgache et à la Guinée, 7.10.63.
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relativ gering bliebe.168 Schon der französische Botschafter kam nach dem Gespräch mit van Scherpenberg zu dem Schluss, dass den deutschen Bestrebungen noch keine gänzlich ausformulierte Politik zugrunde liege und die von der Bundesregierung für Afrika aufgewandten Mittel gering seien.169 Im Jahr 1961 machte die bundesdeutsche Entwicklungspolitik allerdings einen „Quantensprung“170. Nicht zuletzt um den Forderungen Großbritanniens und insbesondere der USA nach einem „burden sharing“ auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe Rechnung zu tragen,171 hatte der Bundestag der Regierung im Haushaltsplan 1961 eine Summe von insgesamt 4,145 Mrd. DM zur Verfügung gestellt, damit sie in entsprechendem Umfang Hilfszusagen an Entwicklungsländer geben konnte. Dieser vom Parlament gesetzte Rahmen erwies sich jedoch als noch zu klein. Bis Ende 1961 sagte die Bundesregierung Entwicklungshilfeleistungen in Höhe von insgesamt sechs Milliarden DM zu.172 Ein kleiner, nichtsdestoweniger bedeutender Teil der bilateralen deutschen Entwicklungshilfe floss nach Afrika. Bis Ende 1962 hatte die bundesdeutsche Kapitalhilfe für Afrika den Betrag von 1,152 Milliarden DM erreicht; hinzu kamen 268,5 Millionen DM für die Technische Hilfe.173 Knapp ein Drittel dieser Hilfe war für die mehrheitlich frankophonen, mit der EWG assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar bestimmt. Diesen Staaten gegenüber sagte die BRD Kapitalhilfe in Höhe von 321,68 Millionen DM zu und ging Verpflichtungen für Technische Hilfe in Höhe von 81,7 Millionen DM ein. Größere Summen waren für die nordafrikanischen Staaten – allein Ägypten gegenüber wurden Verpflichtungen in Höhe von 258 168
169 170 171
172 173
Vgl. Note: Aide allemande bilatérale aux Etats africains et malgache et à la Guinée, 7.10.63. Im Februar 1963 war Scheel, seit 1961 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, mit seinem französischen Kollegen Raymond Triboulet zusammengetroffen. Scheel bezifferte den Umfang der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe wie folgt. Von den insgesamt 2,35 Mrd DM, die die BRD 1961 vergeben hatte, flössen nur ca. 5% nach Afrika. Darüber hinaus seien 1961 10% der 846 Mio. DM deutsche Privatinvestitionen nach Afrika gegangen. Diese Angaben Scheels verschleierten zumindest den tatsächlichen Umfang der öffentlichen deutschen Entwicklungshilfe, denn 1961 hatte die Bundesregierung weltweit Entwicklungshilfeleistungen in Höhe von insgesamt 6 Mrd. DM zugesagt. Vgl. HEIN, Bastian: Die Westdeutschen und die Dritte Welt. Entwicklungspolitik und Entwicklungsdienste zwischen Reform und Revolte 19591974. München 2006, S. 41. Vgl. Schreiben von Seydoux an das Außenministerium, 6.5.60. Vgl. Hein: Die Westdeutschen und die Dritte Welt, S. 41. Vgl. Vermerk des Bundeskanzleramts, 22.6.60, in: BA Koblenz, B 136/2557; BMWi, Anlage zum Schreiben vom 17.8.60, Vorausschau auf die zukünftige finanzielle Entwicklungshilfe der Bundesrepublik (erarbeitet im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt, AA, BMF, BML und dem BM für wirtschaftlichen Besitz des Bundes auf Grund des Ergebnisses der Staatssekretärbesprechung am 9.8.1960), 17.8.60, in: BA Koblenz, B 102/130227. Vgl. weiterhin: DAMM, Ulrich: Die Bundesrepublik Deutschland und die Entwicklungsländer. Versuch einer Darstellung der politischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu den Entwicklungsländern unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungshilfe. Genf/Coburg 1965, S. 101-111, 127133. Zum amerikanischen Konzept des „burden sharing“, das in engem Zusammenhang mit den Ende der 50er Jahre aufkommenden Zahlungsbilanzproblemen der USA stand, vgl. auch: MEDICK, Monika: „Burden-sharing“ und Devisenausgleich als Problem deutsch-amerikanischer Beziehungen, in: KNAPP, Manfred (Hg.): Die deutsch-amerikanischen Beziehungen nach 1945. Frankfurt/M: 1975, S. 188-227. Vgl. HEIN, Bastian: Die Westdeutschen und die Dritte Welt, S. 41. Vgl. AA an die Botschaften der BRD, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung afrikanischer Staaten und Madagaskars mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Februar 1963. In: BA Koblenz, B 102/ 130232.
DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
276
Millionen DM eingegangen – sowie für die anglophonen Staaten im subsaharischen Afrika bestimmt. Bis Ende 1962 erhielten diese Länder insgesamt 830,6 Mio. DM Kapitalhilfe sowie 186,8 Millionen DM Technische Hilfe.174
Bilaterale bundesdeutsche Kapital- und Technische Hilfe an einzelne afrikanische Staaten (in Mio. DM)175 a) Nicht-assoziierte afrikanische Staaten Kapitalhilfe: Feste Zusagen, Stand: 31.12.62
Technische Hilfe: Eingegangene Verpflichtungen, Rechnungsjahr 1956-62
Ägypten
200
57,8
Äthiopien
23
25,2
Algerien
50
4,6
Ghana
20
6,0
Guinea
50
9,9
Kenia
35
1,1
Liberia
59
9,2
Libyen
30
10,5
Marokko
80
5,4
Nigeria
100
6,9
Uganda
15
0,1
Sierra Leone
10
0,3
Sudan
93,6
15,8
Tanganjika
35
25,3
Tunesien
30
8,7
830,6
186,8
b) Mit der EWG assoziierte afrikanische Staaten
174 175
Kapitalhilfe: Feste Zusagen, Stand: 31.12.62
Technische Hilfe: Eingegangene Verpflichtungen, Rechnungsjahr 1956-62
Burundi
5
0,1
Dahomey
12
1,1
Elfenbeinküste
30
0,2
Gabun
8
0,2
Kamerun
40
9,9
Kongo/Brazzaville
8
0,9
Kongo/Léopoldville
10
15
Madagaskar
25
3,3
Mali
15,68
4,3
Mauretanien
-
1,1
Vgl. ebd. Angaben nach: AA an die Botschaften der BRD, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung afrikanischer Staate und Madagaskars mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Februar 1963. Ein Fehler in der Aufstellung des Auswärtigen Amtes, in der Uganda anstatt Ruanda zu den Assoziierten gezählt wurde, wurde durch den Verfasser korrigiert.
DAS ERSTE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ
277
Niger
12
2,9
Obervolta
12
0,6
Senegal
25
6,4
Somalia
25
12,3
Togo
73
22,4
Ruanda
5
0,1
Zentralafrikanische
8
0,2
321,68
81,7
Republik
Auch zählten einige frankophone Staaten zu den vorrangigen Empfängern bundesdeutscher Entwicklungshilfe. Im subsaharischen Afrika stand Togo an dritter Stelle hinter Nigeria und Sudan. Guinea und Kamerun folgten an fünfter bzw. sechster Stelle. Insbesondere auf dem Gebiet der Technischen Hilfe gelang es der Bundesrepublik, mit verhältnismäßig geringen Mitteln in französische Einflussbereiche einzudringen. In Togo beispielsweise verdrängten deutsche technische Berater französische etwa aus der Leitung der togolesischen Eisenbahn, aus der Leitung einer Schule in Sokode oder im Krankenhaus von Lomé.176 Nach dem so genannten „Gießkannenprinzip“ hatte die Bundesregierung ihre Entwicklungshilfe in Afrika breit gestreut, setzte dabei aber zugleich Prioritäten, die auf einer vielschichtigen Interessenlage gründeten. Die Relevanz, die Bonn dem jeweiligen Land deutschlandpolitisch ebenso wie im Kräftemessen zwischen Ost und West beimaß, zählte ebenso dazu wie in einigen Fällen auch das Bestreben, an koloniale Bande anzuknüpfen. Weiterhin spielten Wirtschafts- und Handelsinteressen in der bundesdeutschen Entwicklungspolitik eine Rolle, die nach wie vor auch in der Tradition der Exportförderung stand. Als bedeutendste afrikanische Lieferländer der BRD etablierten sich in den 60er Jahren Libyen, Südafrika, Nigeria, Sambia, Liberia, Algerien, Tunesien und die Elfenbeinküste. Bei den Ausfuhren war Südafrika mit Abstand der wichtigste Abnehmer deutscher Waren, es folgten Ägypten, Nigeria, Libyen und Algerien.177 Begünstigt wurde der deutsche Afrikahandel auch durch die Unabhängigkeit zahlreicher afrikanischer Länder. Ein positiver Trend setzte 1963 bei den Exporten, bei den Importen erst 1964 ein. Auch die Assoziierungspolitik der EWG schuf günstigere Rahmenbedingungen für den deutschen Afrikahandel im vormals schwer zugänglichen französischen Schwarzafrika.178 Unabhängigkeit und Entwicklungspolitik begünstigten auch das deutsche Anlagegeschäft in Afrika. Neben die traditionellen Handelshäuser und Verkehrsunternehmungen traten industrielle Direktvertretungen, deutsche Bankbeteiligungen und das Beratungswesen.179 Auch die deutschen Direktinvestitionen stiegen
176 177 178 179
Vgl. Direction de la coopération Culturelle et Technique, Note: Aide allemande bilatérale aux Etats africains et malgache et à la Guinée, 7.10.63. Vgl. WINKLER, Gero: Deutsch-Afrikanischer Außenhandel 1933-1983, in: Afrika. 50 Jahre Wirtschaftspartnerschaft 1984, hg. v. Afrika-Verein. Hamburg 1984, S. 193. Vgl. ebd., 192 f. Vgl. KRÄMER, Martin. Die Chronik des Afrika-Vereins 1934-1984, in: Afrika. 50 Jahre Wirtschaftspartnerschaft 1984, hg. v. Afrika-Verein. Hamburg 1984, S. 33 f.
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langsam, aber erkennbar, blieben jedoch insgesamt auf einem relativ niedrigen Niveau.180 Schließlich richtete die Bundesregierung ihren Blick auch darauf, inwieweit sich andere westliche Geber bi- oder multilateral in einem Land engagierten. Im September 1961 einigten sich die Ressorts darauf, dass kein afrikanisches Land mit Ausnahme der Kolonien ohne baldige Aussicht auf Selbständigkeit von einer Entwicklungshilfeleistung ausgeschlossen sein sollte, und weiterhin, dass bei der Bemessung des Umfangs der Hilfe auf Leistungen von anderen Seiten Rücksicht genommen werden sollte, d. h., Länder ohne Anlehnung, z.B. Liberia und Äthiopien, sollten in erster Linie, Commonwealth-Länder in zweiter und EWGAssoziierte wegen des EWG-Entwicklungsfonds in dritter Linie bedacht werden.181 Ursprünglich hatte die Bundesregierung beabsichtigt, sich ergänzend und ausgleichend zum EWG-Entwicklungsfonds in Afrika zu engagieren. Im Rahmen von Gesprächen mit Großbritannien über eine wirtschaftliche Zusammenarbeit in Afrika entstand bereits 1957 im Auswärtige Amt die Idee einer multilateralen Zusammenarbeit in Afrika, die sich auf die selbstständigen afrikanischen Staaten beschränken sollte.182 Überhaupt tendierte die Bundesregierung in den Jahren 1957/58 dazu, der multilateralen Hilfe vor der bilateralen den Vorrang einzuräumen. Die zuständigen Ressorts, die sich während einer Chefbesprechung am 29. September 1958 angesichts der bevorstehenden Jahresversammlung des IWF und der Weltbank sowie die daran anschließende Ostasienreise Erhards auf Grundsätze und ein Arbeitsprogramm der Bundesregierung für die finanzielle Hilfe für Entwicklungsländer einigten, bestätigten diesen Grundsatz.183 Entscheidend war aber zumindest für das Bundeswirtschaftsministerium die weltweite Ausrichtung dieses multilateralen Engagements. Multilaterale Aktionen mit einem regionalen Schwerpunkt wurden hingegen mit Vorbehalt betrachtet. So lehnte die zuständige Abteilung E eine Initiative des Europarats zur Entwicklung Afrikas mit der Begründung ab, dass diese die Bildung eines europäisch-afrikanischen Blocks und eines neuartigen regionalen Garantie- und Zinsbewilligungsfonds vorsehe.184 In dieser Perspektive erschien auch die Assoziierung als regionaler Sonderfall, zu der die Bundesregierung aufgrund der Verpflichtung
180
181 182 183 184
Vgl. Note: Aide allemande bilatérale aux Etats africains et malgache et à la Guinée, 7.10.63. Nach Angaben Scheels waren 1961 10% der 846 Mio. DM deutsche Privatinvestitionen nach Afrika gegangen. Vgl. weiterhin: DERS.: Deutscher Afrika-Handel. Rückblick und Ausblick in kritischer Phase, in: HÖPKER, W. (Hg.): Hundert Jahre Afrika und die Deutschen. Pfullingen 1984, S. 71; SCHULZ, Brigitte H.: Development Policy in the Cold War Era. The two Germanys and SubSahara Africa 1960 – 1985. Münster 1995, S. 108. (=DDR und die Dritte Welt; 3). Vgl. BMWi, Aufzeichnung, Betr.: Fragen der Entwicklungshilfe für Afrika; Bezug: Ressortbesprechung vom 12.9.1961, 13.9.61, in: BA Koblenz, B 102/67433, PAAA, B 58/440. Vgl. BITTERLICH, Eva: Die Entwicklungspolitik der BRD gegenüber Schwarzafrika in den 1950er Jahren. MA-Arbeit, Köln 1998, S. 62. Vgl. Grundsätze und Arbeitsprogramm der Bundesregierung betr. finanzielle Hilfe für Entwicklungsländer, Fassung laut Chefbesprechung vom 29.8.58, in: Ba Koblenz, B 102/10172. Vgl. MR Heise, Betr.: Europäische Initiativen zur Förderung von Entwicklungsländern; künftige Haltung von Abt. E, 28.9.58, in Anlage: Schmidhuber, Aufzeichnung: Europäische Initiativen zur Förderung von Entwicklungsländern, 26.9.58, in: Ebd. Abgelehnt wurde die Empfehlung 159 des Europarats betreffend die Entwicklung Afrikas.
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aus dem Vertrag von Rom ihren Beitrag leistete.185 Hinter dieser Haltung des BMWi stand auch das Bestreben, den Etat für Entwicklungshilfe im Bundeshaushalt angesichts sich mehrender Initiativen verschiedener europäischer Organisationen zur Förderung der Entwicklungsländer möglichst gering zu halten.186 Die öffentliche bilaterale Kapitalhilfe, die die Bundesrepublik nach Afrika vergab, bevorzugte deutlich nicht-assoziierte Länder – wie die oben genannten Zahlen zeigen – und übernahm damit auch jene von der Bundesregierung angestrebte Ausgleichsfunktion zum EEF. Zwar beabsichtigte sie auch, mit frankophonen Staaten im subsaharischen Afrika Handelsabkommen und Rahmenabkommen für wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zu schließen, Kapitalhilfeabkommen wurden aber ursprünglich von ihrer Seite nicht angestrebt. Dies änderte sich 1961.187 Anlässlich der geplanten Reise einer deutschen Wirtschaftsdelegation nach Westafrika setzten sich der Bundeswirtschaftsminister und der Außenminister vor dem Kabinett dafür ein, auch im bilateralen Rahmen Kapitalhilfe an frankophone schwarzafrikanische Staaten zu leisten, obwohl bisher nur wenige konkrete Projektwünsche dieser jungen afrikanischen Staaten an die BRD herangetragen worden waren.188 „Es wäre ferner nicht zweckmäßig, die jungen afrikanischen Staaten ausschließlich auf die Wirtschaftshilfe der früheren Kolonialmächte oder auf den EWG-Entwicklungsfonds zu verweisen. Gerade die früheren französischen Überseegebiete wünschen, in direkte Beziehungen mit der Bundesrepublik zu kommen. Nach der Erlangung der politischen Unabhängigkeit streben diese Staaten eine schrittweise Lösung von den engen wirtschaftlichen Bindungen zu Frankreich an.“189 Dahinter stand also das Bestreben, die Beziehungen auch zu jenen Staaten zu vertiefen, die zum Teil noch zur französischen chasse gardée190 gezählt wurden191. Zudem wurden die Nachteile multilateraler Hilfe auch im Rahmen der EWG deutlich. Offensichtlich trug die Hilfe des EWG-Entwicklungsfonds wenig zur Profilierung der Bundesrepublik in den assoziierten Staaten bei. Bisher schien zu wenig ins Bewusstsein der Empfänger gerückt zu sein, dass der EWG-Entwicklungsfonds sich auch aus deutschen Mitteln speiste. Vielmehr schien die EWGEntwicklungshilfe in den assoziierten Staaten als eine Hilfe auf französisches Geheiß wahrgenommen zu werden. Der SPD-Politiker und Afrikakenner Wischnewski, der im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten dem 185 186 187 188
189 190
191
Vgl. BMWi, E A 6; Aufzeichnung, Betr.: „Gemeinsame Hilfe der EWG an Entwicklungsländer“ – Überlegungen zu einer deutschen Konzeption, 13.11.59, in: PAAA, B 20/236. Vgl. ebd. Vgl. Schreiben des französischen Botschafters, François Seydoux, an Ministère des Affaires Etrangères, 6.2.61, in: MAE, Europe, RFA, 1592. Vgl. BM des Auswärtigen, BM für Wirtschaft, Kabinettssache, Betr.: Kapitalhilfe für die fünf westafrikanische Staaten Elfenbeinküste, Dahomey, Obervolta, Niger, Senegal, 16.2.61, in: Ba Koblenz, B 102/10195b. Ebd. Chasse gardée: der Begriff knüpft an die Metaphorik der Jagd, des Jagdreviers an und kann somit definiert werden als kulturell, wirtschaftlich und politisch abgeschirmtes Revier Frankreichs. Im August 1960 zählte das Auswärtige Amt die folgenden Staaten zur französischen chasse gardée: Mali, Elfenbeinküste, Obervolta, Tschad, Niger, ZAR, Kongo-Brazzaville, Gabun, Kamerun und Madagaskar. Vgl. ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S. 234.
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Deutschen Bundestag 1964 über das neue Assoziierungsabkommen berichtete, zählte dies zu den wesentlichen Problemen der Assoziierung aus deutscher Sicht.192 „Ein zweites Problem spielt für uns [den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Anm. d. Verf.] eine wesentliche Rolle. Es kommt darauf an, daß in Afrika klar und eindeutig bekannt ist, daß es sich um eine europäische Gemeinschaftsleistung handelt, d.h. daß sechs europäische Länder gemeinsam darum bemüht sind, diese nicht unerheblichen Mittel aufzubringen.“193 In Bonn gab es einige, die zu Beginn der 60er Jahre Afrika gerne auf eine Prioritätenliste deutscher Entwicklungshilfe gesetzt hätten. Eine junge Politikergeneration, zu der Walter Scheel, Hans-Jürgen Wischnewski, Erhard Eppler und Egon Bahr zählten, entdeckte den afrikanischen Kontinent, zu dem sie Beziehungen im Rahmen einer Entwicklungszusammenarbeit knüpfen wollte.194 Insbesondere der FDP-Politiker Scheel, Mitglied der Deutschen Afrika-Gesellschaft, tat sich Ende der 50er Jahre als Afrika-Lobbyist hervor. Angeregt von der Gründung einer Entwicklungsbank für Mittel- und Südamerika durch die USA präsentierte Scheel, der „den europäisch-afrikanischen Raum als eine Strukturaufgabe der Europäer“195 betrachtete, 1959 den Plan einer gemeinsamen europäischen Entwicklungsbank für Afrika und den vorderen Orient. Der Vorsitzende des Assoziierungsausschusses, für den die Assoziierung lediglich den Anfang einer europäischen Entwicklungspolitik darstellte, schlug eine Erweiterung dieser bisher im Rahmen der EWG betriebenen Entwicklungspolitik auf Geber- und auf Nehmerseite vor. Dabei betrachtete er Afrika als europäische Gemeinschaftsaufgabe, die auch den wirtschaftlichen Einigungsbestrebungen in Europa neuen Auftrieb geben könnte.196 Die Initiative Scheels fand in den federführenden Bundesministerien durchaus Resonanz. Während Ministerialdirektor Carstens vom Auswärtigen Amt der Plan einer europäischen Entwicklungsbank dem Gang der Dinge vorauszueilen schien,197 verboten nach Ansicht des BMWi letztlich die weltweiten handelspolitischen Interessen der BRD, über die Assoziierung hinaus weitere regionale Bindungen einzugehen.198 Scheel schlug letztlich auch nur einen erweiterten Regionalplan vor, bei dem sich genauso wie bei der Assoziierung das Problem der Diskriminierung dritter Länder stellte.199 Dennoch fand gerade im Wirtschaftsministerium Scheels Plan Fürsprecher. Hierzu zählte beispielsweise der Leiter der Unterabteilung VA (Außenwirtschaft), Fritz Stedtfeld, der Afrika Priorität einräumen wollte: 192 193 194
195 196 197 198 199
Vgl. Wischnewski, 19.2.64, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 4. Wahlperiode, Stenographische Berichte , Bd. 54, S. 5284. Hervorhebung im Original. Ebd. Ähnlich äußerte sich der CDU-Abgeordnete Kopf. Vgl. ebd., S. 5285. Vgl. SCHEEL, Walter: Neue Beziehungen der EWG-Gruppe zu Afrika, in: AUßENPOLITIK 11(1960), 6, S. 379-387; BAHR, Egon: Die Leitbilder der europäischen Politik in Afrika, in: Ebd., 11 (1960), 3, S. 171-183; WILKENS, Gero: L’Allemagne et l’Afrique, S. 295. SCHEEL, Walter: Hilfe für Entwicklungsländer auf europäischer Basis, in: EUROPÄISCHE WIRTSCHAFT, Sonderdruck, nicht datiert. Vgl. ebd. Vgl. Entwurf eines Schreibens MD Carstens an MdB Scheel, 30.7.59, in: PAAA, B 20/235. Vgl. MR Heise, Vermerk für MD Klein, Betr.: Entwicklungshilfe; Koordinierung bei der EWG, Bezug: Sitzung am 17.9.59 bei der Kommission, 11.9.59, in: BA Koblenz, B 102/10172. Vgl. BMWi, E A 6, Aufzeichnung zu einem Aufsatz von Herrn Walter Scheel „Hilfe für Entwicklungsländer auf europäischer Basis“, 15.8.59, in: Ebd.
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„Es kann schlechterdings nicht bestritten werden, daß für die Entwicklungsländer-Hilfe aus der Blickrichtung der Bundesrepublik Prioritäten bestehen und daß dabei die europäischen und afrikanischen Länder eine Vorzugsstellung einnehmen müssen.“200 Diese Überlegung traf sich im Übrigen mit konzeptionellen Bestrebungen im Auswärtigen Amt, Afrika eine höhere Bedeutung in der bundesdeutschen Entwicklungshilfe beizumessen.201 Die deutsche Wirtschaft hingegen war gegen das Projekt einer europäischen Entwicklungsbank.202 Handel und Industrie störte insbesondere die diesem Plan innewohnende Tendenz zur Bürokratisierung und Institutionalisierung und befürwortete stattdessen Überlegungen zur Harmonisierung auf dem Gebiet der Exportkredite und -versicherungen, die zu dieser Zeit in der EWG Gestalt anzunehmen begannen.203 Nichtsdestoweniger griff Scheel 1962 als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Grundgedanken seiner Initiative wieder auf.204 Diesmal unterbreitete er seinen Kollegen Erhard und Schröder den Vorschlag eines im Rahmen der OECD und der ECA koordinierten, entwicklungspolitischen Regionalplans für Afrika, der die zahlreichen bilateralen Projekte ablösen sollte.205 Der Minister zählte zu den Verfechtern des Regionalprinzips in der Entwicklungshilfe, da eine einheitliche konzipierte Politik nur gegenüber den Entwicklungsländern verfolgt werden könne, die „geographisch, wirtschaftlich und kulturell ein einheitliches Leitbild“ verkörperten.206 Referenzpunke für den von ihm vorgeschlagenen Entwicklungsplan waren dementsprechend zwei andere regionale Entwicklungspläne, der Colombo-Plan und die Allianz für Fortschritt. Auch das Bestreben der USA, der BRD in Afrika einen regionalen Schwerpunkt zuzuweisen, veranlasste Scheel zu seiner neuerlichen Afrikainitiative. Im 200
201
202 203 204
205 206
Schreiben Stedtfelds an MdB Scheel, 15.9.59, in: Ebd.. Vgl. weiterhin auch die Aufzeichnung der Abt. E A 6, die auch in diese Richtung argumentierte: BMWi, EA 6, Aufzeichnung zu einem Aufsatz von Herrn Walter Scheel „Hilfe für Entwicklungsländer auf europäischer Basis“, 15.8.59, in: Ebd. Vgl. BITTERLICH, Eva: Die Entwicklungspolitik der EWG, S. 107. Vgl. weiterhin auch die Überlegungen Brentanos vor dem Deutschen Bundestag 1961, regionale Prioritäten in der bundesdeutschen Entwicklungshilfe zu setzen. Brentano, 5.5.61, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 3. Wahlperiode, Stenographische Berichte , Bd. 49, S. 9223. Vgl. ALBERTS, Volker: Die Bundesrepublik Deutschland und die Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft, S. 29. Siehe Teil C, Kap. 4.5. Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit war nach der Bundestagswahl 1961 als neues Ressort entstanden. Für seine Gründung sprachen sowohl sachliche und personelle als auch koalitionsarithmetische Gründe. Insbesondere Kompetenzstreitigkeiten zwischen Auswärtigen Amt und Bundeswirtschaftsministerium um die Entwicklungshilfe und ein kompliziertes Ausschusssystem, das aus einem interministeriellen Lenkungsausschuss für Entwicklungshilfe und den ihm jeweils zugeordneten Referentenausschüssen für TH und Kapitalhilfe bestand, drohten die Wirksamkeit der deutschen Entwicklungshilfe zu beeinträchtigen. Das BMZ hatte den Vorsitz im Lenkungsausschuss, beobachtete die Wirkung der Entwicklungshilfe „im Einvernehmen“ mit den jeweiligen Fachressorts, war zuständig für zwei Durchführungsorganisation der Entwicklungshilfe sowie für alle neu auftretenden Fragen der Entwicklungshilfe, mit denen noch kein Fachressort befasst war. Vgl. DENNERT, Jürgen: Entwicklungshilfe geplant oder verwaltet?, S. 50 f.; HEIN, Bastian: Die Westdeutschen und die Dritte Welt, S. 44-46. Vgl. Schreiben Scheels an Erhard, 13.7.62, in: BA Koblenz, B 102/67433. Ebd.
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September traf der Minister in Washington zu Gesprächen über Fragen der Entwicklungshilfe mit Vertretern der US-Administration zusammen. Dabei versuchten die USA, die BRD zu einer noch engeren Zusammenarbeit mit den Franzosen im frankophonen Afrika zu bewegen. Auch die Frage der Assoziierung afrikanischer Staaten an die EWG hatte in diesen Gesprächen einen breiten Raum.207 Erhard hingegen hatte nicht vor, der amerikanischen Erwartung nach einem regionalen Engagement der bundesdeutschen Entwicklungshilfe in Afrika zu entsprechen: „Daß die Vereinigten Staaten eine mit vielen Mitteln ausgestatteten Initiative der Bundesrepublik in Afrika begrüßen würden, ist angesichts ihrer hohen Verpflichtungen in Südamerika und anderen Teilen der Welt nur zu begreiflich, sollte uns aber nicht zu einer eigenen Initiative veranlassen.“208 Nach Auffassung des Bundeswirtschaftsministers entsprach es gerade nicht den bundesdeutschen politischen und wirtschaftlichen Interessen, die Entwicklungshilfe regional auf Afrika zu konzentrieren.209 Intern stellte man im BMWi nunmehr nämlich die Frage, warum gerade die Bundesrepublik sich in diesem Erdteil so stark exponieren sollte, statt dies eher den Franzosen und Engländern zu überlassen.210 Darüber hinaus fehlten nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministers der BRD die Mittel, um als Initiator eines Entwicklungsplans in Afrika in Erscheinung zu treten.211 Dieser Einschätzung teilte auch Bundesaußenminister Gerhard Schröder, der zugunsten Afrikas nicht die entwicklungspolitischen Verpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber Südamerika und Asien vernachlässigen wollte.212 Weitere Überlegungen spielten für Schröder eine Rolle. Einerseits verbot die Rücksichtnahme auf die Interessen Frankreichs und Großbritannien in Afrika eine einseitige deutsche Initiative, andererseits fehlten nach Ansicht des Außenministers im subsaharischen Afrika noch die Voraussetzungen für einen regionalen Entwicklungsplans nach Vorbild des Colombo-Plans oder des Programms von Punta del Este. Denn die Länder Süd- und Südostasien und die Lateinamerikas seien sich ihrer jeweiligen Gemeinsamkeiten bewusst, während in Schwarzafrika gegenwärtig noch nicht von einer panafrikanischen Einstellung gesprochen werden könne.213 Demgegenüber maß der Bundesaußenminister der Aktion der EWG in Afrika große Bedeutung bei.214 Mit der Assoziierung der frankophonen afrikanischen Staaten sei ein bedeutsamer Anfang gemacht, der auch von den assoziierten Staaten hoch bewertet werde. Die sich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien bietende Aussicht auf eine Assoziierung der afrikanischen 207 208 209 210 211 212 213 214
Vgl. AA, Aufzeichnung zu den Afrika-Besprechungen zwischen BRD und USA in Washington vom 21.-22.9.61, 12.10.61, in: PAAA, B 20/512. Vgl. Antwortschreiben des Bundeswirtschaftsministers an Scheel, 7.9.62, in: Ebd. Vgl. ebd. Vgl. MR Heise an den Leiter der Unterabteilung VC, Betr. Entwicklungsplan für Afrika, 30.8.62, in: Ebd. Vgl. Antwortschreiben des Bundeswirtschaftsministers an Scheel, 7.9.62. Vgl. Abschrift des Antwortschreiben des Bundesaußenministers an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 2.9.62., in: Ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd.
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Commonwealth-Länder eröffne darüber hinaus die Perspektive, dass die Assoziierung zum Band für die afrikanische Einheit werde. Träger afrikanischer Entwicklungsplanung sollte daher die EWG sein, in deren Rahmen – nach Ansicht des Außenministers die Bundesrepublik vornehmlich in Afrika agieren sollte. Dies betraf sowohl das finanzielle Engagement als auch mögliche afrikapolitische Initiativen.215 Schröder wies damit der Assoziierung eine zentrale Rolle für die Afrikapolitik der Bundesregierung. Dementsprechend war auf der zweiten Konferenz der Afrika-Botschafter in Entebbe (Uganda) vom 29. Oktober bis 2. November 1962 die Assoziierung ein zentraler Gegenstand.216 Umso wichtiger war es für Bonn gewesen, die Modalitäten und den geographischen Umfang einer nach dem Auslaufen der aktuellen Assoziierungsregelung zu erneuernden Assoziierung mitzubestimmen.
1.3.2. Die deutsche Gesamtkonzeption Die im EWG-Vertrag vorgesehene Entwicklungshilfe in Gestalt der Assoziierung afrikanischer Länder und Gebiete war für die Bundesregierung ein Sonderfall, zu dem sie sich seinerzeit im Interesse der europäischen Integration verpflichtet hatten. Daher betrachtete sie die Assoziierungsregelung mit skeptischer Zurückhaltung. Adenauer hatte im Juli 1960 die Assoziierung aufgrund der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder in Frage gestellt und in dieser Angelegenheit die Zustimmung des Bundeswirtschafts- ebenso wie des Bundesfinanzministers gefunden.217 Der Bundeskanzler befürchtete insbesondere, dass die Assoziierung die EWG „ihrem eigentlichen Zweck – über die wirtschaftliche Einigung zu einem einheitlichen Europa zu gelangen – zu sehr entfremdet.“218 Neben der Festigung Europas im Innern interessierten den bundesdeutschen Regierungschef darüber hinaus die politischen Rückwirkungen, die die Assoziierung in den nicht-assoziierten Entwicklungsländern hervorrief, insbesondere denjenigen Lateinamerikas, die sich durch die handelspolitische Vorzugsstellung der Assoziierten auf dem Gemeinsamen Markt diskriminiert fühlten.219 Die handelspolitische Komponente der Assoziierung veranlasste auch Erhard, sich gegen eine Fortsetzung der Assoziierung im September 1960 auszusprechen. Mit Blick auf die afrikanischen Commonwealth-Mitglieder plädierte der Bundeswirtschaftsminister ebenso wie sein Kabinettskollege Franz Etzel dafür, die selbstständig 215
Vgl. ebd. Der 1962 gegründete Deutsche Entwicklungsdienst, der dem BMZ unterstand und die Förderung von privaten Investitionen in der Dritten Welt zum Ziel hatte, machte Afrika zum Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Im kleineren Rahmen verfolgte Scheel also seine Afrikainitiative weiter. Das Engagement des Deutschen Entwicklungsdienstes stand übrigens im umgekehrten Verhältnis zum vorherrschenden Trend deutscher Privatinvestitionen, deren Schwerpunkt in Asien und Lateinamerika lag. Vgl. SCHULZ, Brigitte H.: Development Policy in the Cold War Era, S. 178. 216 Vgl. zur Botschafterkonferenz: Bulletin der Bundesregierung, 6.11.62, Nr. 205, S. 1738; ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S. 42 f., 45. 217 Vgl. Schreiben Adenauers an Erhard, 30.7.1960, in: BA Koblenz, B 102/130227; Schreiben Erhards an Adenauer, 14.9.60, in: Ebd.; BMF, Entwurf eines Antwortschreiben an den Bundeskanzler, 13.9.60, in: PAAA, B 20/368. Vgl. auch Teil C, Kap. 5. Die Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen Länder und Gebiete und ihre Auswirkungen auf die Assoziierung 218 Schreiben Adenauers an Erhard, 30.7.60. 219 Vgl. ebd.
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gewordenen Staaten in eine gesamtafrikanische Konzeption einzubinden. Für Erhard war die Assoziierung der afrikanischen Länder ein spätkoloniales Konstrukt, das 1960 nicht mehr zeitgemäß war: „Die Fortführung des bisherigen Assoziationsverhältnisses halte ich mit der von Ihnen [dem Bundeskanzler, Anm. d. Verf.] und mir übereinstimmend geforderten weltoffenen Haltung der EWG nicht für vereinbar. Das wird besonders deutlich bei einem Blick auf die Lage, die sich für die EWG in Afrika ergeben würde. Die EWG würde dann die verschiedenen selbständigen Staaten in Afrika unterschiedlich behandeln, lediglich aus dem historischen Grunde, weil die von ihr begünstigten Staaten vorher in einem Kolonialverhältnis zu einigen ihrer Mitgliedstaaten gestanden haben.“220 Auch im Auswärtigen Amt stellte man sich die Frage, ob die Assoziierung mit den afrikanischen Ländern nach deren Unabhängigkeit fortgesetzt werden sollte. Dem späteren Staatssekretär Rolf Lahr beispielsweise, 1960 Ständiger Vertreter in Brüssel, erschien es wünschenswert, davon freizukommen. Lediglich „um des Zusammengehens mit Frankreich willen“, wie er im August 1962 vor dem Kabinett erläuterte, hatte er die Fortsetzung der Assoziierung befürwortet.221 Schließlich bestand schon seit dem Frühjahr 1959 ein gewisses Quid pro quo zwischen französischer Hilfe in der Berlin- bzw. Deutschlandfrage und deutscher Unterstützung hinsichtlich der europäische Kooperation.222 Die zuständigen Abteilungen und Referate in Bonn maßen weiterhin den Beziehungen der EWG zum frankophonen subsaharischen Afrika eine über europapolitischen Kontext hinausreichende Bedeutung bei. Die Assoziierung wurde als wesentliches Element betrachtet, um angesichts des Werbens des Ostblocks die jungen afrikanischen Staaten dem Westen verbunden zu halten.223 Dahinter stand die implizite Annahme, dass die wirtschaftliche Ausrichtung der jungen afrikanischen Staaten auch Rückwirkungen auf ihre außenpolitische hatte.224 Dass die unabhängig gewordenen bzw. werdenden Assoziierten sich für eine Weiterführung der Assoziierung aussprachen, zeigte Bonn darüber hinaus, dass das Assoziierungsverhältnis trotz seines kurzen Bestehens eine eigene Dynamik zu entfalten begann.225 Daher hatte sich das Auswärtige Amt auf einer Besprechung der Ressorts am 13. Juni 1960 hinsichtlich der Assoziationspolitik in Afrika für eine Aufrechterhaltung der politischen Bindungen und ein behutsames Vorgehen in der Gestaltung
220 221
222 223
224 225
Schreiben Erhards an Adenauer, 14.9.60. Vgl. 40. Kabinettssitzung am 8. August 1962, TO-Punkt 3: Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens zu den Europäischen Gemeinschaften, in: Kabinettsprotokolle der Bundesregierung (1962) online. Vgl. LAPPENKÜPER, Ulrich: Die deutsch-französischen Beziehungen. Von der „Erbfeindschaft“ zur „Entente élémentaire“, II: 1958-1963, München 2001, S. 1894. Vgl. AA, Abt. 2, Aufzeichnung, Betr.: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, hier: Anpassung des Assoziationssystems an die veränderten politischen Verhältnisse in den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten, 12.10.60; „Die Sowjetunion in Afrika – Auszug aus dem Bericht der Botschaft Moskau vom 9.9.1960“, in: Informationsdienst für die Auslandsvertretungen, Heft 189, 14.10.60, in: PAAA, B 20/368. Vgl. zu diesem Aspekt z.B.: AA, Abt. 3, Aufzeichnung, Betr.: Europäisch-afrikanische Parlamentarierkonferenz in Straßburg, 30.6.61, in: BA Koblenz, B 136/7966. Vgl. AA, Abt. 2, Aufzeichnung, 12.10.60.
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der weiteren Beziehungen ausgesprochen.226 Gleichwohl betrachtete man auch dort die gegenwärtige Assoziierung von den politischen Entwicklungen überholt und strebte eine Neubestimmung ihres Inhalts an. Auch das Auswärtige Amt vertrat einer gesamtafrikanischen Perspektive folgend die Auffassung, „dass von Seiten der Gemeinschaft als Endziel ihrer Afrika-Politik eine gleichmäßige Behandlung sämtlicher afrikanischer Staaten angestrebt werden sollte, unabhängig davon, ob diese Staaten mit der Gemeinschaft assoziiert sind, ob sie dem Commonwealth angehören oder ob sie außerhalb beider Gruppen stehen.“227 In dieser Perspektive war auch das Auswärtige Amt für einen Präferenzabbau und Strukturanpassungen der afrikanischen Volkswirtschaften,228 trat jedoch im Gegensatz zum Bundeswirtschaftsministerium dafür ein, vorläufig den Assoziierten weiterhin Präferenzen in der Handels- und Zollpolitik zuzubilligen.229 Doch nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im institutionellen Bereich wollte das Außenministerium dem neuen Status der Assoziierten Rechnung tragen und ihrer Erwartung nach gleichberechtigter Mitsprache bei der Aushandlung der Assoziierung und ihrer paritätischen Vertretung in den für die Assoziierung zu schaffenden Institutionen als Ausdruck ihrer politischen Souveränität entsprechen.230 Angesichts des sowohl von der französischen Regierung als auch von den Assoziierten bekundeten Interesses, die Assoziierung auch über die Unabhängigkeit hinaus fortzusetzen, erschien es der Bundesregierung letztlich auch nicht realistisch, die Assoziierung als solche in Frage zu stellen.231 Gleichwohl sprach sie sich im Oktober 1960 anlässlich des Besuchs des französischen Premiers Debré in Bonn für eine grundlegende Änderung des Assoziationsverhältnisses aus232 und begann noch im selben Monat, eine deutsche Assoziierungskonzeption auszuarbeiten. Auch das BMWi stimmte nunmehr einer Fortsetzung des Assoziierungsverhältnisses nach 1962 zu. Jedoch trat es dafür ein, auf handelspolitischem Gebiet vom System der Präferenzen abzugehen und dafür eine anders geartete handelspolitische Hilfe zu gewähren, die allerdings nicht unmittelbar an Vorschläge des belgischen Botschafters Pierre Forthomme zur Stabilisierung der Preise für Grundstoffe233 anschließen, sondern mehr dem Gedanken der Marketing Boards und Rohstoffabkommen folgen sollte.234 Eine Regelung der Präferenzfrage wurde zudem in Abstimmung mit Großbritannien und dessen Com226 227 228 229 230 231 232 233
234
Vgl. Bundeskanzleramt, Dir. II, Betr.: Allgemeine Grundsätze einer Assoziationspolitik der Gemeinschaft, Vermerk, 14.6.60, in: BA Koblenz, B 136, 7957. AA, Abt. 2, Aufzeichnung, 12.10.60. Vgl. ebd. Vgl. Bundeskanzleramt, Dir. II, Betr.: Allgemeine Grundsätze einer Assoziationspolitik der Gemeinschaft, Vermerk, 14.6.60, in: BA Koblenz, B 136, 7957. Vgl. AA, Ref. 200, EWG/Assoziierung und Entwicklungshilfe, 4.4.60, in: B 20/367. Vgl. AA, Vermerk, Betr.: Holland und die Assoziation der überseeischen Gebiete mit der EWG, 19.10.60, in: B 20/368. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Debré-Besuch, 11.10.60, in PAAA, B 58/170. Vgl. hierzu: CEE, Conseil: Groupe de travail pour les questions concrètes et urgentes de politique commerciale, Note du secrétariat: document de travail élaboré par M. l’Ambassadeur Forthomme concernant les problèmes relatifs à la stabilisation des prix des produits de base. 30.8.58, in: MAE, Papiers Wormser, 71. Vgl. AA, Betr.: EWG-Assoziierung der überseeischen Gebiete, 14.10.60, in: PAAA, B 53/170.
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monwealth-Präferenzen angestrebt.235 Auch die über den Entwicklungsfonds vergebene Finanzhilfe sollte weiter bestehen, allerdings ausgebaut und, wie es hieß, „im Sinne einer echten Entwicklungshilfe“236 verbreitert werden. Denn der EEF erschien als ein zu starres Instrument, das eher auf eine Kolonialverwaltung alten Stils als auf die Entwicklungsbedürfnisse autonomer Gemeinwesen zugeschnitten sei.237 Er sollte nicht mehr nur verlorene Zuschüsse, sondern auch Darlehen vergeben und mit der Europäischen Investitionsbank zu einer „schlagkräftigen Finanzierungseinheit“238 verschmolzen werden. In seine Überlegungen zur Neugestaltung der Assoziierung hatte Bonn sowohl die Haltungen innerhalb und außerhalb der EWG als auch der Assoziierten miteinzubeziehen. Dazu zählten die verschiedenen entwicklungs- und handelspolitischen Initiativen der Kommission, die zum Teil zwar über den Rahmen der Assoziierung hinausreichten, zugleich aber auf die Richtung verwiesen, in der die Kommission die Assoziierung auszugestalten gedachte.239 Am 16. Dezember 1960 trafen Vertreter des Auswärtigen Amts mit Generaldirektor Hendus zu einem Gespräch über die Assoziierung zusammen. Dabei räumte der Generaldirektor ein, dass die Assoziierten die Präferenzen überbewerteten und die ihnen von Frankreich gewährten direkten und indirekten Subventionen letztlich wichtiger für sie seien. Politische, nicht volkswirtschaftliche Gründe sprachen nach Hendus für eine Beibehaltung der Präferenzen.240 Eine paternalistische Haltung offenbarend verglich er die Situation „mit der eines Kindes, dem man einen Luftballon wegnehmen wolle.“241 Differenzierter zu dieser Frage äußerte sich der zuständige Kommissar, der im Mai 1961 zu einer Besprechung mit Staatssekretär Müller-Armack, der erklärtermaßen ein Gegner der Präferenzen war,242 im Wirtschaftsministerium zusammentraf.243 Lemaignen wies nicht nur auf die Bedeutung der Präferenzen für die Assoziierten hin, deren Wirtschaft von einzelnen landwirtschaftlichen Produkten abhängig war, sondern erläuterte zugleich in Grundzügen die wirtschafts- und handelspolitischen Zielsetzungen, die er mit der Assoziierung verband. Der Kommissar strebte nicht nur nach einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität, sondern wollte zugleich die Diversifizierung der Produktionsstruktur der assoziierten Staaten fördern. Er verwies aber auch auf die besonderen Probleme einiger tropischer Produkte, insbesondere Kaffee. Hier sah er eine Lösung des Problems einerseits in einer Erweiterung der Absatzmärkte für Kaffee in der EWG, was den Abbau der Verbrauchssteuern in der Bundesrepublik, Frankreich und Italien voraussetzte, andererseits in einer
235 236 237 238 239 240 241 242 243
Vgl. ebd. Ebd. Vgl. AA, Ref. 200, EWG/Assoziierung und Entwicklungshilfe, 4.4.60. Ebd. Vgl. zur Haltung der Bundesregierung zu diesem Aspekt auch: Teil C, Kap.3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen. Vgl. Teil C, Kap. 4.5. Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik; Teil C, Kap. 3.2: Der Ausbau der Handelsbeziehungen. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Künftige Gestaltung des Assoziierungsverhältnisses mit den selbstständig gewordenen überseeischen Gebieten, 27.12.60, in: PAAA, B 20/368. Ebd. Vgl. AA, Abt. 2, Aufzeichnung zur Ressortbesprechung am 10.11.60, 10.11.60, in: Ebd. Vgl. BMWi, EA 6, Aufzeichnung über die wichtigsten Besprechungsergebnisse anlässlich des Besuchs von Kommissar Lemaignen im BWM am 5. Mai 1961, 9.5.61, in: Ba Koblenz, B 136/7966.
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Stabilisierung der Kaffeepreise durch Ausgleichskassen. Dennoch war die Entwicklungsstrategie des Kommissars nicht nur exportorientiert, sondern setzte zugleich auf Importsubstituierung. Bei Nahrungsmitteln schien ihm eine Verbreiterung der Produktionsbasis wünschenswert, um den Importbedarf der Assoziierten zu verringern. Industrialisierung bedeutete für ihn auch den Aufbau mittlerer Industrien für den eigenen Bedarf.244 Auch wenn Müller-Armack seine weitgehende Übereinstimmung mit den vorgetragenen Gedanken Lemaignens konstatierte, wurde deutlich, dass die Art und Weise, wie die Bundesregierung diese Ziele zu erreichen gedachte, sich grundsätzlich von der der Kommission unterschied. Die Präferenzen sollten nach Ansicht des Staatssekretärs nach und nach völlig beseitigt werden; die von ihm vorgeschlagene Halbierung des gemeinsamen Außenzolls auf tropische Produkte sei nur ein erster Schritt auf dem Weg dorthin. Marktorganisationen waren für ihn nur denkbar in Form freier Vereinbarungen zwischen Industrie und Handel, den Markt für bestimmte Erzeugnisse zu erschließen, sowie vor Ort als „Selbsthilfe in genossenschaftlicher Form“245, wobei wiederum der marktmäßigen Organisation eine große Bedeutung zukomme. Gegen Stabilisierungskassen hegte er gerade deshalb Bedenken, weil der Preis als Steuerungselement ausgeschaltet werde.246 Müller-Armack bejahte, dass die Assoziierten ihre bisherigen Vorteile behielten, wenn dies nicht durch eine Steigerung des Protektionismus, sondern durch eine relativ liberale Politik erreicht werde. Während Lemaignen für die Ausgestaltung der mit dem Vertrag von Rom zwischen Assoziierten und EWG gegründeten Freihandelszone eintrat, die eine gewisse Geschlossenheit gegenüber der übrigen Welt, auch gegenüber anderen afrikanischen Ländern aufzuweisen habe, deutete der Staatssekretär schon an, dass er die Abkehr von der Freihandelszonenregelung zugunsten einer einseitigen Präferenzzone für tropische Produkte der Assoziierten anstrebe.247 Die ursprünglich sowohl von der Kommission als auch von der Bundesregierung ins Auge gefasste Harmonisierung der Präferenzen mit denen des Commonwealth wurde aufgrund amerikanischen Widerstands aufgegeben. Gegenüber Generaldirektor Hendus, der im Frühjahr die USA besuchte, hatte die USAdministration nämlich erklärt, wie Legationsrat von Stempel dem Auswärtigen Amt berichtete, dass sie zwar bereit sei, sich mit den Zollpräferenzen gegenüber den assoziierten Staaten abzufinden, sich jedoch jedem Austausch dieser Präferenzen mit denen des Commonwealth, wie er in den deutsch-britischen Freihandelszonenbesprechungen erwogen worden war, widersetzen werde. Dahinter stand die Befürchtung der USA, dass die Lateinamerikaner eine ähnliche Präferenzzone zwischen den USA und Südamerika fordern könnten.248 Im Grundsatz lehnte die US-Regierung nämlich regionale Präferenzzonen ab, da sie diese auf lange Sicht mit den von ihr angestrebten weltweiten Abkommen zur Ordnung 244 245 246 247 248
Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd.; Bundeskanzleramt, Notiz, „Regulierung der Ausfuhrerlöse im Rahmen der Neuordnung des Assoziierungsverhältnisses“, 16.5.61, in: BA Koblenz, B 136/7966. Vgl. AA, Ref. 200, Betr.: Assoziierung der überseeischen Gebiete, hier: Austausch der Commonwealth-Präferenzen gegen Präferenzen afrikanischer Überseegebiete der EWG, 10.3.61, in: PAAA, B 53/168.
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der Rohstoffmärkte für nicht vereinbar hielt. Daher hatte sie im April 1961 die Initiative zu einer Ordnung der Weltmärkte ergriffen, um für ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch in der westlichen Welt zu sorgen und Preise und Einkommen in den weniger entwickelten Ländern zu stabilisieren.249 Die Assoziierten hingegen suchten in erster Linie in der EWG einen garantierten Absatzmarkt. Eine senegalesische Wirtschaftsdelegation, die im November 1960 auch Bonn besuchte, interessierte vor allem, ob die EWG bereit war, die gleichen Verpflichtungen zu übernehmen, die Frankreich seit Jahrzehnten erfüllte.250 Der deutsche Botschafter in Abidjan wies in einem Schreiben nachdrücklich darauf hin, dass den afrikanischen Ländern Abnahme- und Preisgarantien noch wichtiger seien als Präferenzen.251 Auf der ersten Tagung der Ständigen Vertreter mit den Vertretern der assoziierten Staaten vom 1. bis 3. Juni 1961 bekundeten die Repräsentanten der Assoziierten ihr Interesse am Präferenzsystem. Weiterhin forderten sie, die Preis- und Absatzgarantien des französischen Marktes auf die EWG zu übertragen.252 Damit rückte ins Bewusstsein der Bundesregierung, dass das wirtschaftspolitische Denken der Assoziierten von dirigistischen und protektionistischen Leitbildern französischer Provenienz bestimmt sei.253 Bonn wollte hingegen gerade eine Übertragung der französischen Marktordnungen auf die EWG verhindern.254 Die Bundesregierung, insbesondere das Wirtschaftsministerium, gedachte vielmehr, die Assoziierung im Sinne liberaler Ordnungsvorstellungen umzugestalten. Dennoch trug die deutsche Gesamtkonzeption, die auf einen Entwurf des BMWi vom 9. Juni zurückging, den Anliegen der Assoziierten in begrenztem Maße Rechnung, indem sie eine schrittweise Umgestaltung der Assoziierung vorsah. Bonn war bereit, vorläufig auch als spätkoloniale Relikte identifizierte Institutionen, auf die die Assoziierten Wert legten, fortbestehen zu lassen. Diese Konzessionsbereitschaft verdankte sich 249
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Vgl. Memorandum der USA: Die Probleme und Aussichten für Erzeugung und Absatz tropischer Erzeugnisse. April 1961 (Abschrift, nicht datiert); BMWi, Entwurf eines Vermerks für MinDir. Meyer-Cording, Betr.: Gesamtkonzeption zur Neuregelung der Assoziierung, hier: Vorschläge der USA zum Problem des Absatzes tropischer Erzeugnisse, 7.7.61, in: BA Koblenz, B 102/130214. Vgl. Botschaft der BRD Dakar an AA, Betr.: Senegal und der Gemeinsame Markt – Problem der Assoziierung, 9.11.60; Fernschreiben der Botschaft Dakar, 22.11.60; Schreiben des AA an BMWi und BML, Betr.: Besuch einer Wirtschaftsdelegation aus Senegal, 23.11.60, in: PAAA, B 53/170. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung der überseeischen Gebiete aufgrund des EWGVertrages, 21.11.60, in: Ebd. Vgl. EWG, Rat, Schlussfolgerungen der ersten Tagung der Vertreter der mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiete mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des Ministerrates der EWG (Brüssel, 1., 2. und. 3. Juni 1961), 28.6.61, in: BAC 19/1969 67; A. Herbst: Vermerk für die Herren der Kommission, Betreff: Zweites Treffen der Vertreter der mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiete mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter des Ministerrates der EWG, 13.11.61, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 68. Vgl. hierzu auch die Resolution zur Regulierung der Exporterlöse der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der afrikanischen und madagassischen Staaten von Tananarive (6.-12.9.61), in: MAE, dece 2127. Fernschreiben der deutschen Ständigen Vertretung in Brüssel, Betr.: Tagung der Ständigen Vertreter mit den Vertretern der assoziierten Staaten vom 1. bis 3. Juni, 5.6.61, in: BA Koblenz, B 102/130213. Vgl. Bundeskanzleramt, Notiz: „Regulierung der Ausfuhrerlöse im Rahmen der Neuordnung des Assoziierungsverhältnisses, 16.5.61, in: BA Koblenz, B 136/7966.
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nicht zuletzt den Interventionen des Auswärtigen Amts, das während der Ressortbesprechungen auf Lösungen gedrängt hatte, die „Rücksicht auf die Mentalität der Afrikaner“ nähmen.255 Am 26. Juni akzeptierten die Staatsekretäre einen Entwurf als Grundlage für die deutsche Haltung während der Assoziierungsverhandlungen,256 der dennoch eine weitreichende Umwandlung der aus der Kolonialzeit stammenden Strukturen der assoziierten Volkswirtschaften anstrebte. Die Monokulturwirtschaft, durch die, wie die Vereinigten Wirtschaftsdienste (VWD) am 13. Juli erläuterten, „die Afrikaner gewissermaßen wie mit einer „Goldenen Kette“ an die EWGLänder, vor allem ihre ehemaligen Mutterländer, gebunden sind“,257 sollte einer diversifizierten und ausgewogenen Wirtschaftsstruktur weichen.258 Die deutsche Gesamtkonzeption, der das Kabinett am 21. Juli zustimmte,259 nahm für sich in Anspruch, eine Akzentverschiebung des Assoziierungsverhältnisses hin zu einer „Entwicklungshilfe-Assoziierung“ vorzunehmen.260 Sie stellte damit die neue Assoziierung nochmals unter dekolonisatorische Vorzeichen, diesmal im Sinne einer Förderung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der assoziierten Staaten, nachdem diese die politische schon erlangt hatten. Dies bedeutete für die Bundesregierung die Abkehr von den in ihrer Perzeption koloniale Abhängigkeiten perpetuierenden handelspolitischen Bestimmungen des Vertrags von Rom. Sie befürwortete daher auch als rechtliche Grundlage einer neuen Assoziierungsregelung den Art. 238 EWGV, um nicht mehr an den materiellen Gehalt des Teils IV des EWG-Vertrags gebunden zu sein.261 Bonn schlug eine Reduzierung der Zollpräferenzen vor, die bei den tropischen Erzeugnissen durch Halbierung der Außentarife und gleichzeitige Senkung des Binnentarifs auf Null erreicht werden sollte. Bei allen übrigen Positio255
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Aufzeichnung über die Ressortbesprechung vom 16. Mai 1961 im BMWi betreffend die Neuregelung des Verhältnisses zwischen EWG und den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten, 19.5.61, in: BA Koblenz, B 102/130213. Vgl. BMWi, E A 6, Vermerk, Betr.: Gesamtkonzeption zur Gestaltung des künftigen Assoziierungsverhältnisses der überseeischen Länder in der EWG, 29.6.61, in: B 136/7966; AA, Aufzeichnung, Betr.: Neugestaltung des Assoziationsverhältnisses mit den überseeischen Staaten, 4.7.61, in: PAAA, B 53/170. „Nicht an die goldene Kette: Zollvorteile und EWG-Subsidien gefährden Afrikas Unabhängigkeit“, in VWD (VEREINIGTE WIRTSCHAFTSDIENSTE, AUßENHANDELSDIENST DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMERN UND WIRTSCHAFTSVERBÄNDE), Nr. 28, 13.7.61. Vgl. Gemeinsame Kabinettsvorlage des AA und des BMWi, Betr.: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft; hier: Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den überseeischen Ländern, 15.7.61, in: BA Koblenz, B 136/7965. Vgl. ebd. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Gesamtkonzeption zur Gestaltung des künftigen Assoziationsverhältnisses der überseeischen Länder in der EWG. Unterlage für die Besprechung der Staatssekretäre am 26.6.61, 21.6.61, in: PAAA, B 53/170; BMWi, EA 6; Betr. Kabinettssitzung am 21. Juli 1961; hier TO-Punkt: Kabinettsvorlage des BMWi und AA betr. Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den überseeischen Ländern, 19.7.61, in: BA Koblenz, B 102/130214. Vgl. 155. Kabinettssitzung am 21. Juli 1961, TO-Punkt 3: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft; hier: Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den überseeischen Ländern, BMWi/AA, in: Kabinettsprotokolle der Bundesregierung (1961), online. Vgl. Schnellbrief des Bundeswirtschaftsministers, Betr.: Fortsetzung der Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit der EWG, hier: Rechtsfragen, 20.6.61. In Anlage: Aufzeichnung über die rechtlichen Probleme der Fortsetzung der Assoziierung, in: BA Koblenz, B 136/7966.
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nen des Zolltarifs sollte der Außentarif im Rhythmus des Vertrags Anwendung finden. Die EWG-Mitgliedstaaten sollten von den assoziierten Staaten zollmäßig wie Drittländer behandelt werden, verzichteten also auf Gegenpräferenzen.262 Damit nahm die Bundesregierung Abschied von der in den Römischen Verträgen vorgesehenen Freihandelszone zwischen EWG und Assoziierten. Sie begründete den Verzicht auf die Gegenpräferenzen damit, dass die Assoziierten auf die Einnahmen aus Finanz- und Erziehungszölle angewiesen seien. Diese entwicklungspolitische Argumentation verschleierte allerdings auch die Eigeninteressen eines Industrielandes, das auf lange Sicht seine Industrie vor der Konkurrenz von Niedrigpreiswaren aus den assoziierten Staaten schützen wollte.263 Dahinter stand die Befürchtung, dass die Assoziierten mit fortschreitender Industrialisierung in der Lage sein könnten, den europäischen Markt zumindest auf Teilgebieten zu Preisen zu beliefern, die die europäische Industrie vor schwere Existenzfragen stellen konnte.264 Die deutsche Gesamtkonzeption sah eine Kompensation für den Abbau der Präferenzen vor. Dabei legte die Bundesregierung Wert darauf, die Präferenzen nicht einfach abzukaufen, sondern mittels einer wirksamen Hilfeleistung zur schrittweisen strukturellen Anpassung der assoziierten Volkswirtschaften einen Ausgleich zu leisten.265 Bonn schlug daher eine „Übergangshilfe“ in Höhe von 100 Mio RE vor, die degressive Zahlungen für die Zwecke der Ausgleichskassen, die mittels dieser Hilfe gerade aus ihrem bisherigen System herausgelöst werden sollten, und progressive Zahlungen zum Aufbau einer vielgestaltigen Wirtschaftsstruktur umfassen sollte.266 Der deutsche Vorschlag legte das Schwergewicht auf Entwicklungshilfe im engeren Sinne, d. h. der finanziellen und technischen Hilfe. Aus verhandlungstaktischen Gründen hielt Bonn es für zweckmäßig, die Höhe des zukünftigen Entwicklungsfonds auf den bisherigen Betrag festzulegen. Schließlich sollte sich der deutsche Beitrag innerhalb der von deutscher Seite für die Entwicklungshilfe
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Vgl. Gemeinsame Kabinettsvorlage des AA und des BMWi, 15.7.61. Müller-Armack warf vor dem Hintergrund dieses Problems schon im Gespräch mit Lemaignen im Mai 1961 die Frage einer Ursprungsregelung für nicht-tropische Produkte auf. Vgl. BMWi, EA 6, Aufzeichnung über die wichtigsten Besprechungsergebnisse anlässlich des Besuchs von Kommissar Lemaignen im BWM am 5. Mai, 9.5.61. Vgl. weiterhin: BMWi, EA 6, Aufzeichnung für Staatssekretär Müller-Armack, Betr.: Kabinettssitzung am 21. Juli 1961, 19.7.61. Die Bundesregierung antizipierte damit in ihrer Gesamtkonzeption auch die Befürchtung des BDI in dieser Frage, die Beutler am 27. November 1961 Erhard mitteilte. Vgl. Schreiben Beutlers, BDI, an Erhard, Betr.: Neugestaltung des Assoziierungsverhältnisses zu den afrikanischen Ländern, 27.11.61, in: BA Koblenz, B 102/130216. Bereits am 10. Oktober hatte der BDI in seinen Bemerkungen zum Memorandum der EWG Kommission über die Neugestaltung des Assoziierungsverhältnisses die Frage aufgeworfen, ob die EWG-Staaten auf Dauer in der Lage sein würden, ihre heimischen Märkte unbegrenzt den Erzeugnissen der erst im Aufbau begriffenen Industrien in Afrika zu öffnen. Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie E.V., Abteilung Integration und Entwicklungspolitik, an MR Dr. Heise, BMWi, 3.11.61, in Anlage: Bemerkungen zum Teil II des Memorandums der EWG-Kommission über die Neugestaltung des Assoziierungsverhältnisses, 10.10.61, in: Ebd., 130215. Vgl. Bundeskanzleramt, Aufzeichnung über die Ressortbesprechung am 8. Mai 1961 betr. Neuregelung des Verhältnisses der EWG zu den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten, 9.5.61, in: BA Koblenz, B 136/7966. Vgl. Deutsche Gesamtkonzeption, 15.7.61
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insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 5 Mrd. DM halten.267 Neben verlorenen Zuschüssen sollte der Fonds auch oder sogar primär Darlehen, und zwar solche zu besonders günstigen Bedingungen, zur Verfügung stellen. Darüber hinaus trat die deutsche Seite dafür ein, die Europäische Investitionsbank einzuschalten. Schließlich bestand für die Bundesregierung ein Junktim zwischen dem Abbau der Präferenzen und den vorgeschlagenen finanziellen Maßnahmen.268 Insgesamt sollte das Assoziationsverhältnis den Assoziierten, wenn auch in anderen Formen, die gleichen Vorteile bieten wie bisher. Denn, wie es im vom Auswärtigen Amt verfassten politischen Teil der gemeinsamen Kabinettsvorlage hieß, musste der „[o]berste[] Grundsatz der Afrikapolitik der freien Welt und damit auch der EWG-Mitgliedstaaten [ ] heute der Gesichtspunkt sein, ein Abgleiten des afrikanischen Kontinents oder auch nur einzelner seiner Teile in die Einflusssphäre des Ostblocks zu verhüten.“269 Vor diesem Hintergrund wollte auch die Bundesregierung die Erwartungen der Assoziierten nicht enttäuschen. Dennoch wurde auch noch Mitte 1961 die Fortsetzung der Assoziierung von einigen in Bonn in Frage gestellt. Karl Maria Hettlage, Staatssekretär im BMF, warf Ende Juni auf einer Staatssekretärbesprechung die Frage der Notwendigkeit der Assoziierung der afrikanischen Staaten mit der EWG auf, obwohl keine territorialen Bindungen bestünden,270 und griff damit die Bedenken des Bundeskanzlers auf. Im Januar und nochmals im Juni 1961 hatte das Auswärtige Amt Stellung zu von Adenauer bezüglich der Assoziierung aufgeworfenen Fragen genommen.271 Der bundesdeutsche Regierungschef hatte die politische Bedeutung, die das Auswärtige Amt der Assoziierung beimaß, in Frage gestellt: „Alles tun, um Afrika zu retten: ja. Aber werden durch die Assoziierung diese neuen Staaten Afrikas gerettet werden können?“272 Sodann hatte er die Frage aufgeworfen, ob durch die Assoziierung die EWG und die Kommission nicht finanziell und institutionell an ihre Grenzen gelangten. Aufgrund dieser Befürchtung ließ er im Juli ein Schreiben an den deutschen Kommissionspräsidenten verfassen, das seinen Bedenken Ausdruck verlieh. Schließlich hatte er bundesdeutsche Wirtschaftsinteressen im Blick und fragte nach den Rückwirkungen der Assoziierung auf die Handelsbeziehungen zu den südamerikanischen Märkten.273 Ins Zentrum seiner Antwort stellte das Auswärtige Amt das Interesse aufgrund des Kalten Kriegs Afrika in die westliche Einflusssphäre einzubinden. In diesem Kontext erschien ihm eine entwicklungspolitisch ausgerichtete Assoziierung, die offen für den Bei267 268 269 270 271
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Vgl: Aufzeichnung über die Ressortbesprechung am 8. Mai 1961. 9.5.61. Vgl. Deutsche Gesamtkonzeption, 15.7.61. Ebd. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Neugestaltung des Assoziationsverhältnisses mit der EWG, 4.7.61. Vgl. Schreiben Staatssekretär Carstens an den Bundeskanzler, Bonn 13.1.61, in Anlage: 1. Die Frage der Fortsetzung der Assoziierung afrikanischer Staaten mit der EWG, 9.1.61; 2. Die Rechte der mit der Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten, 22.12.60; 3. Förderung der unterentwickelten Gebiete, 3.1.61, in: BA Koblenz, B 136/7966; Schreiben Carstens an den StS des Bundeskanzleramts, Betr.: Assoziierung der selbständig gewordenen afrikanischen Länder und Hoheitsgebiete mit der EWG, 5.6.61; Staatssekretäre- und Bundeskanzlervorlage, 7.6.61, in Anlage: Aufzeichnungen zu den vom Bundeskanzler aufgeworfenen Fragen, 2.6.61, in: B 136/7965. Notizen des Bundeskanzlers, nicht datiert, in: Ebd.
273 Vgl. ebd.
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tritt weiterer afrikanischer Staaten werden sollte, also eine gesamtafrikanische Perspektive eröffnete, als bedeutsamer Faktor der Stabilisierung Afrikas. Angesichts des vitalen Interesses des Westens an Afrika müssten sich auch aus einer neuen Assoziierungsregelung ergebende Weiterungen der Aufgabe der EWGKommission in Kauf genommen werden. Zumindest in diesem, für den Bundeskanzler zentralen Punkt befriedigte die Antwort des Außenministeriums nicht. Auf Vorschlag Adenauers beschloss das Kabinett am 21. Juli, die Einsetzung eines Sachverständigenbeirats zu prüfen, der sich mit der Frage befassen sollte, ob der EWG und der Bundesregierung genügend sach-verständiges Personal für die mit der Assoziierung und der Entwicklungshilfe zusammenhängenden Aufgaben zur Verfügung stünden.274 Weiterhin räumte das Auswärtige Amt ein, dass südamerikanische Staaten handelspolitische Bedenken gegen die Assoziierung hegten, hielt diese aber für unbegründet; im Auswärtigen Amt hatte man nämlich keine hohe Erwartung in das kurz- und mittelfristige Entwicklungspotential des subsaharischen Afrika. „Die Vorzugsstellung, die wir im Rahmen der Assoziierung den afrikanischen Staaten gewähren, wird nach den Erfahrungen, die wir bisher bei der Entwicklung und Förderung dieser Gebiete gemacht haben, nicht zur Folge haben, daß in verhältnismäßig wenigen Jahren oder Jahrzehnten Pflanzungsareale geschaffen werden, deren Ernten die Produktion der herkömmlichen Anbau- und Liefergebiete verdrängen könnten.“ Vollkommen auszuräumen, vermochte das Auswärtige Amt die Bedenken des Bundeskanzlers nicht. Insbesondere die politische Bedeutung der Assoziierung schätzte er anders ein, wie seine Ausführungen im Kabinett zu den EWGBeitrittsverhandlungen mit Großbritannien, die er mit Vorbehalten verfolgte, verdeutlichten und mit denen er einer auch von den federführenden Bundesministerien ins Auge gefassten EWG-Afrikapolitik eine Absage erteilte: „Noch eins möchte ich Ihnen sagen. Sie sagten, wir hätten die afrikanischen Gebiete mit hineinnehmen müssen, um eine Spaltung Afrikas zu vermeiden. Ich bitte Sie, besehen Sie doch einmal eine Karte von Afrika und bedenken Sie, was da alles passiert! Wie können Sie dann sagen, wir könnten dadurch eine Spaltung vermeiden? Nordafrika wird wahrscheinlich ganz unter französischem Einfluß stehen müssen; in Südafrika ist die Politik ganz anders. Auf das, was Nasser macht, möchte ich noch zu sprechen kommen, auch auf das, was am Kongo passiert und in Katanga mit Tschombe. Also wir haben wirklich nicht den Beruf, eine Spaltung Afrikas zu vermeiden. Erstens sind wir dazu viel zu klein, auch die EWG, selbst eine vergrößerte EWG ist dazu viel zu klein. Zweitens vollziehen sich da Entwicklungen, die ihre Zeit brauchen und denen kein Mensch Einhalt gebieten kann.“275 Am 12. Juli, also dem Tag, an dem auch die Kommission ihre Erwägungen über ein neues Assoziierungssystem dem Rat mitteilte, verteilte Botschafter Lahr die
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Vgl. Kabinettssitzung am 21. Juli 1961. Der Beirat für Entwicklungshilfe bei der Bundesregierung konstituierte sich am 11. Juni 1963. Ihm gehörten 20 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an. Vgl. 40. Kabinettssitzung am 8. August 1962.
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deutschen Vorschläge zu einer Neuregelung der Assoziierung in Brüssel.276 Mit den Empfehlungen der Straßburger Parlamentarierkonferenz lagen somit Mitte 1961, also fünf Monate vor der Eröffnung der eigentlichen Verhandlungen zwischen der EWG und den Assoziierten, drei unterschiedliche Positionsbezüge zur Fortsetzung der Assoziierung vor. Während die Straßburger Empfehlungen auf der einen Seite die maximalen Forderungen formulierten, die noch mit Aussicht auf Erfolg an eine neue Assoziierungsregelung gestellt werden konnten,277 schien die deutsche Stellungnahme im Vergleich zu den beiden anderen das Minimum dessen darzustellen, was den Assoziierten, Frankreich und der EWG-Kommission als noch konstruktives Verhandlungsangebot unterbreitet werden konnte.278 Einigkeit zwischen den drei Stellungnahmen bestand zwar im Grundsatz über die Notwendigkeit, die assoziierten afrikanischen Wirtschaften umzustrukturieren, und weiterhin auch, diesen Prozess durch entsprechende finanzielle Fördermaßnahmen abzustützen. Über die konkreten wirtschaftlichen Inhalte einer neuen Assoziierung gingen die Auffassungen jedoch auseinander.279 Im Gegensatz zur Bundesregierung sprach sich die Straßburger Konferenz für die Beibehaltung der Zollpräferenzen aus. Eine Nähe zur deutschen Position ergab sich lediglich dadurch, dass auch die Parlamentarierkonferenz eine Änderung des gemeinsamen Außentarifs offen ließ für den Fall, dass den Assoziierten Kompensationen, die die Deutschen in Form der Übergangshilfe vorsahen, eingeräumt würden. Die Kommission wiederum wollte den Außentarif nur für drei tropische Produkte senken, während sie für die übrigen Produkte sogar die beschleunigte Herbeiführung der Zollpräferenz befürwortete. Auch hinsichtlich der Sicherung angemessener Einkommen für die Erzeuger tropischer Produkte in den assoziierten Ländern war die Kommission näher an den Vorstellungen der Straßburger Parlamentarier als die bundesdeutsche Regierung. Während nämlich die Kommission und die Parlamentarier den Erzeugern bestimmter tropischer Produkte Beihilfen über Stabilisierungskassen gewähren wollten, hatten für Bonn solche Ausgleichskassen nur Übergangscharakter. Weiterhin war in der deutschen Konzep276
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EWG, Rat: Dokument der Delegation der Bundesrepublik Deutschland über die Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den überseeischen Ländern in der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 12.7.61, in: BA Koblenz, B 102/130214. Vgl. hierzu die für die deutschen Botschaften in den assoziierten Ländern formulierte Stellungnahme des Auswärtigen Amts zur den Resolutionen der Parlamentarierkonferenz: „Im Gegensatz zu diesen ungeduldigen und oft kritischen Äußerungen, die verschiedene afrikanische Sprecher in den Debatten vortrugen, hielten sich die Empfehlungen in maßvollen und realistischen Formen.“ (Schreiben des AA an die Botschaften in Yaoundé, Léopoldville, Mogadischu, Lomé, Tananarive, Brazzaville, Dakar, Bamako, Betr.: Konferenz des Europäischen Parlaments mit afrikanischen Staaten und Madagaskar vom 19. bis 24.6.1961 in Straßburg, 7.7.61, in Anlage: Aufzeichnung der Abt. 2 vom 27.6.61, in BA Koblenz, B 136/7966. Vgl. hierzu: BMWi, Vermerk für MinRat Heise, Betr.: Deutsche Vorstellungen bezüglich der Neuregelung der Assoziierung der überseeischen Länder, Bezug: 52. Tagung der Räte, 22.9.61, in: BA Koblenz, B 102/130215. Vgl. Bundeskanzleramt, Referat 6, Bundeskanzlervorlage, Betr.: Neugestaltung des Assoziierungsverhältnisses der Überseeischen Staaten zur EWG, 18.8.61, in Anlage: Neuregelung der Assoziierung mit den überseeischen Staaten. Vergleichende Darstellung in den wirtschaftsund handelspolitischen Fragen einschließlich Investitionen nach A. dem Kabinettsbeschluss vom 21.7.61, B. der Empfehlung der Konferenz des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten der afrikanischen Staaten und Madagaskars vom 24. Juni 1961, C. der Kommission, niedergelegt in dem Dokument VIII (61) 110 vom 12. Juli 1961, in: Ba Koblenz, B 136/7966.
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tion kein Raum für die in Straßburg geforderten Mindestabsatzgarantien für Erzeugnisse aus den assoziierten Ländern. Zu den in die Kritik geratenen Verbrauchsabgaben auf Kaffee und Kakao, deren Abbau die Kommission und die Straßburger Konferenz forderten, schwieg die Bonner Stellungnahme. Doch nicht nur über die handelspolitischen Inhalte, sondern auch über die Höhe der Finanzhilfe differierten die Ansichten. Während die Bundesregierung den EEF mit Mitteln in gleicher Höhe wie bisher ausstatten wollte, forderten die Parlamentarier in Straßburg allgemein eine Erhöhung und die Kommission konkret die Verdopplung der Mittel des Entwicklungsfonds auf 1,1 Mrd. RE.280 Innerhalb der EWG wurde der deutsche Vorstoß zurückhaltend aufgenommen. Intern lehnte die Kommission die deutsche Gesamtkonzeption, wie der deutsche Legationsrat von Stempel berichtete, sogar als „Antiassoziationspapier“ ab. Die deutschen Vorschläge liefen auf eine bevorzugte Entwicklungshilfe hinaus, entsprächen aber nicht den Prinzipien der Assoziierung.281 Zwar rührte diese harsche Kritik auch daher, dass die von Lahr in Brüssel zirkulierten deutschen Vorschläge noch nicht den politischen Teil enthielten, der vom Auswärtigen Amt in die Kabinettsvorlage eingearbeitet worden war,282 im Kern hatte sie aber das deutsche Bestreben richtig erfasst, die Assoziierung in eine ihres handelspolitischen Inhalts entleerten, aber dennoch privilegierten Entwicklungszusammenarbeit zu überführen. Nicht nur die Kommission, sondern auch die französische Regierung sah die Philosophie der Assoziierung, die gerade durch die handelspolitischen Bestimmungen ihren Sinn erhalte, durch die deutsche Gesamtkonzeption in Frage gestellt, wie Georges Gorse, Staatssekretär im französischen Außenministerium, auf der 51. Ratstagung am 24. und 25. Juli erläuterte.283 Belgien vermied eine klare Stellungnahme. Dennoch machte der belgische Außenminister Spaak deutlich, dass sein Land sich dem französischen eher als dem deutschen Standpunkt anschließen könne.284 Der italienische Minister Emilio Colombo nahm demgegenüber eine vermittelnde Position ein, die auch den internationalen Kontexten Rechnung tragen wollte: „Hinsichtlich der rein wirtschaftlichen Assoziationsaspekte hält er es für einen Irrtum, bei den Verhandlungen mit den afrikanischen Staaten und Madagaskar lediglich von einem internationalen Standpunkt in bezug auf die Unterentwicklung auszugehen. Er schließt sich daher der Auffassung an, das [sic] die ausschlaggebende politische Tatsache, die das Bestehen der gegenwärtigen Assoziationsbeziehungen zwischen der EWG und den assoziierten überseeischen Staaten darstellt, berücksichtigt werden muss. Man darf aber nicht in das entgegengesetzte Extrem verfallen und die internationalen Aspekte der 280 281 282 283
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Vgl. ebd. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Neuregelung des zukünftigen Assoziierungsverhältnisses mit den überseeischen Ländern, 29.7.61, in: PAAA, B 53/170. Vgl. ebd. Vgl. Erklärung des französischen Staatssekretärs Gorses vor dem Ministerrat der EWG über die Zukunft der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar. (51. Tagung des Rats am 24. und 25. Juli 1961), 28.7.61, in: BA Koblenz, B102/130214. EWG, Rat: Erklärung des Stellvertretenden Ministerpräsidenten und Außenministers des Königreichs Belgien Spaak vor dem Ministerrat der EWG über die Zukunft der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar. (51. Tagung des Rats am 24. und 25. Juli 1961), 31.7.61, in: Ebd.
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Frage der Unterentwicklung beiseite lassen. Ohne die wirtschaftliche Entwicklung der zur Zeit assoziierten Länder zu gefährden, muss daher ein allmählicher Abbau der Zollpräferenzen vorgesehen werden, um den diskriminierenden Charakter abzuschwächen, den die Assoziation für Drittländer haben könnte.“285 In den Niederlanden zeichnete sich hingegen eine weitreichende Unterstützung der deutschen Position ab, die in den folgenden Monaten zur Gewissheit wurde.286 Die niederländische Regierung hatte ihre ursprüngliche Opposition gegen eine Fortsetzung der Assoziierung nach 1962 aufgegeben.287 Einerseits war es der EWG bislang nicht gelungen, sich auf eine gemeinschaftliche Entwicklungspolitik oder eine EWG-Afrikapolitik zu verständigen, die die Assoziierung ersetzen hätte können,288 andererseits maß auch Den Haag der Assoziierung politische Bedeutung für die Einbindung der afrikanischen Staaten in eine westliche Einflusszone bei.289 In einem Zusammengehen mit der Bundesregierung sah die niederländische Regierung den Vorteil, die Modalitäten einer neuen Assoziierungsregelung in ihrem Sinne gestalten zu können. Am 23. November, also zwei Wochen vor dem ersten Treffen der EWG mit den Assoziierten auf Ministerebene, überreichte sie der deutschen ein Memorandum, in der sie die Bundesregierung ihrer Unterstützung gerade auch in der Frage der Zollpräferenzen versicherte und eine Koordinierung der deutschen und niederländischen Haltung vor der Ministertagung am 6. Dezember anregte.290 Dieses niederländisch-deutsche Zusammengehen verdankte sich auch dem Bestreben beider Regierungen, mit Blick auf die EWG-Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien eine künftige Assoziierung handelspolitisch auch für afrikanische Commonwealth-Mitglieder offen zu halten. In Bonn hatten Bundeswirtschaftsministerium und Auswärtiges Amt anlässlich der Frage des britischen Beitritts zu einem europapolitischen Schulterschluss gefunden, der sich insbesondere gegen den Bundeskanzler richtete, der einem britischen Beitritt zunehmend reserviert gegenüberstand und stattdessen auf die französische Option setzte.291
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EWG, Rat: Erklärung des Industrie- und Handelsministers der italienischen Republik Colombo vor dem Ministerrat der EWG über die Zukunft der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar, (51. Tagung des Rates am 24. und 25. Juli 1961), 31.7.61, in: Ebd. Vgl. Erklärung des Landwirtschaftsministers des Königreichs der Niederlande Marijnen vor dem Ministerrat der EWG über die Zukunft der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar. (51. Tagung des Rates am 24. und 25. Juli 1961), 31.7.61, in: Ebd.; BMWi, MR Heise an StS Müller-Armack, Betr.: Neuregelung der Assoziierung der überseeischen Länder, Bezug: 183. Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter am 12.9.1961, 14.9.1961, in: Ebd., 130213. Siehe Teil C, Kap. 5. Die Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen Länder und Gebiete und ihre Auswirkungen auf die Assoziierung. Siehe Teil C, Kap. 4.5. Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik. Vgl. HARRYVAN, A.G./VAN DER HARST, J. : A bumpy road to Lomé, S. 325 f. Vgl. AA, Allardt, Leiter Abt. 4, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung afrikanischer Gebiete, 23.11.61, in: B 53/167; F. J. Geldermann, Ambassade van het Koninkrijk der Nederlanden, an Reg.Rat Hasselblatt, BMWi, Betr.: Assoziationspolitik Afrika, 27.11.61, in Anlage: Aufzeichnung, in: BA Koblenz, B 102/130216. Vgl. LEE, Sabine: Germany and the first enlargement negotiations, 1961-1963, in: DEIGHTON, Anne/MILWARD, Alan S. (Hg.): Widening, Deepening and Acceleration: The European Economic
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Doch nicht nur in Bonn und Den Haag, sondern in der EWG insgesamt formierten sich die sog. „Atlantiker“, die eine euroatlantische Gemeinschaft mit Großbritannien und den USA anstrebten, und versuchten, die zukünftige Assoziierung mit ihrer Europakonzeption in Einklang zu bringen.292 Vor diesem Hintergrund gewann die deutsche Haltung zu den Zollpräferenzen zunehmend Anhänger unter den Sechs; auch Belgien und Italien betonten nunmehr mit Blick auf die Commonwealth-Interessen Großbritanniens die Notwendigkeit eines elastisch gestalteten Assoziierungsabkommens.293 Die Assoziierten, die in der EWG ein Surrogat für die im Abbau befindlichen, privilegierten Wirtschaftsbeziehungen mit Frankreich zu finden hofften, nahmen die deutschen Vorschläge zurückhaltend auf. Zwar verliehen afrikanische Staatsmänner wie Léopold Senghor und Mamadou Dia ihrer Überzeugung Ausdruck, wie die deutsche Botschaft in Dakar berichtete, dass die politische Unabhängigkeit eines Landes um die wirtschaftliche ergänzt werden müsse und daher eine Veränderung der gegenwärtigen, aus der Kolonialzeit stammenden ökonomischen Struktur der assoziierten Volkswirtschaften notwendig sei,294 dennoch verbargen sich hinter dieser grundsätzlichen Übereinstimmung mit der deutschen Konzeption andere ordnungspolitische Vorstellungen. Ein Artikel in den „Vereinigten Wirtschaftsdiensten“ spiegelt das Unverständnis wider, mit dem deutsche Wirtschaftskreise und das Bundeswirtschaftsministerium die handelspolitischen Vorstellungen der Assoziierten betrachteten: „In der bisherigen Diskussion zeigt sich eine recht sonderbare Erscheinung: die Regierungen der neuen Länder in Afrika scheinen ihre eigenen wirtschaftlichen Vorteile und Notwendigkeiten nicht zu sehen und sind offenbar in der Ideenwelt der früheren Mutterländer gefangen.“295 Interventionen assoziierter afrikanischer Regierungen wie der madagassischen, die die Bedeutung hervorhoben, die die Assoziierten dem handelspolitischen Inhalt der Assoziierung beimaßen, und die sich daher gegen die deutsche Konzep-
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Community 1957-1963. Baden-Baden/Brüssel 1999, S. 211-223; BANGE, Oliver: The EEC Crisis of 1963. Kennedy, Macmillan, de Gaulle and Adenauer in conflict. London u.a. 2000, S. 52-69. Vgl. zur diesbezüglichen Katalysatorfunktion des britischen Beitrittsgesuchs und zum Gegensatz zwischen Atlantikern und Gaullisten in der BRD: NEEBE, Reinhard: Weichenstellung für die Globalisierung. Deutsche Weltmarktpolitik, Europa und Amerika in der Ära Ludwig Erhard. Köln u. a. 2004, S. 423-448, 516. Vgl. Bundeskanzleramt, Aufzeichnung, Betr.: Neuregelung der Assoziierung der überseeischen Staaten und Gebiete mit der EWG, 24.11.61, in Anlage: I) Empfehlungen der Euroafrikanischen Konferenz vom 24.6.1961, II) Empfehlungen der Konferenz von Tananarive, III) Synopse, IV) Haltung der Mitgliedstaaten und der Kommission bezüglich einzelner wichtiger Teilprobleme der Assoziierungs-Neuregelung, in: BA Koblenz, B 136/7966. Vgl. Botschaft der BRD (Dakar) an AA, Betr.: Reise des Ministerpräsidenten Mamadou Dia nach Jugoslawien, Schweden und Dänemark und der senegalesische Sozialismus, 11.8.61, in: B 102/130214. Vgl. „Nicht an die goldene Kette: Zollvorteile und EWG-Subsidien gefährden Afrikas Unabhängigkeit“, in: VWD, Außenhandelsdienst der Industrie- und Handelskammern und Wirtschaftsverbände, Nr. 28, 13.7.61.
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tion einer „entwicklungspolitischen“ Assoziierung aussprachen,296 führten daher 1961 zu keiner Revision der deutschen Haltung. Letztlich hätte nur eine scharfe Opposition Frankreichs gegen die deutsche Gesamtkonzeption in dieser Phase unmittelbar vor der Eröffnung der Verhandlungen zwischen den Assoziierten und der EWG die Bundesregierung zu einer Revision ihrer Haltung veranlassen können. Diese zeichnete sich aber nicht ab; vielmehr hatte Bonn Hinweise, dass die französische Seite dabei war, ihren Standpunkt zu den Präferenzen zu revidieren.297 Schließlich bestätigte der Bundesregierung die internationale Diskussion über die Handelspolitik westlicher Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern, dass sie auf dem richtigen Weg war. So hatte das Bundeswirtschaftsministerium festgestellt, dass sich die deutsche Gesamtkonzeption auf der Linie der Vorschläge der USA zum Problem des Absatzes tropischer Erzeugnisse vom April bewegte. Die Gedanken der Kennedy-Administration, „vor allem bezüglich der notwendigen Marktausweitung, der Abschaffung der unwirtschaftlichen Produktionen, der degressiven Subventionszahlungen und der progressiven Beträge für die Ausweitung wettbewerbsfähiger Erzeugungsbereiche, berühren sich“, wie Regierungsrat Hasselblatt an MeyerCording schrieb, „mit der deutschen Auffassung zur Neuregelung des Assoziierungsverhältnisses.“298 Auch die Angriffe auf die Präferenzregelung der Assoziierung einiger lateinamerikanischer Länder sowie Mitgliedern des Commonwealth wie Australien und Neuseeland in der Generalversammlung der UNO im November gaben der Bundesregierung Recht. Im selben Monat konnte auf der XIX. Tagung des GATT der brasilianische Versuch, die Präferenzen für GATT-widrig erklären zu lassen, gerade noch abgewehrt werden.299 Weiterhin lagen auch die Stellungnahmen des BDI vom Oktober und November 1961, in der sich der Wirtschaftsverband zwar für die Fortsetzung der Assoziierung, aber gegen die Zollpräferenzen aussprach, auf der Linie der deutschen Gesamtkonzeption.300 Um die deutsche Position in Brüssel zu untermauern, war dem Bundeswirtschaftsministerium daher daran gelegen, den Bundes296
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Memorandum der madagassischen Regierung, übergeben vom madagassischen Innenminister Resampa anlässlich der Besprechung im Auswärtigen Amt am 5.12.61, in: PAAA, B 53/167. Vgl. BMWi, Reg.Rat Hasselblatt für Sts Müller-Armack, Betr.: Deutsche Haltung bezüglich der künftigen Gestaltung der Beziehungen zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten, 30.11.61, in: Ba Koblenz, B 136/7966. Hasselblatt, Vermerk (Entwurf) für MinDir. Meyer-Cording, Betr.: Gesamtkonzeption zur Neuregelung der Assoziierung; hier: Vorschläge der USA zum Problem des Absatzes tropischer Erzeugnisse, 7.7.61, in: BA Koblenz, B 102/130214. Die deutschen Vorbehalte gegen Grundstoffabkommen führten auch zur Kritik an den US-Vorschlägen, die im Gegensatz zur deutschen Gesamtkonzeption nicht die Voraussetzungen dafür zu schaffen vorsähen, wonach solche Warenpreisstabilisierungsabkommen unnötig würden. Vgl. Hasselblatt für StS Müller-Armack, Betr.: Deutsche Haltung, 30.11.61. Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie E.V., Abteilung Integration und Entwicklungspolitik, an MR Heise, BMWi, 3.11.61, in Anlage: Bemerkungen zum Teil II des Memorandums der EWG-Kommission über die Neugestaltung des Assoziierungsverhältnisses, 10.10.61, in: BA Koblenz, B 102/130215; Schreiben Beutlers, BDI, an Erhard, Betr.: Neugestaltung des Assoziierungsverhältnisses zu den afrikanischen Ländern, 27.11.61, in: Ebd., 130216.
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verband der Deutschen Industrie dafür einzuspannen, den Vorstellungen der Bundesregierung auch in den wichtigen Organisationen der europäischen Wirtschaft Rückhalt zu verschaffen.301 Denn lediglich der niederländische Industrieverband teilte die Auffassung des BDI, der französische hingegen trat für die Beibehaltung der Präferenzen ein, während die Stellungnahmen der Industrieverbände der anderen Mitgliedstaaten etwa in der Mitte lagen.302 Auch die Entschließung der Konferenz der Industrie- und Handelskammern der EWG vom 29. November differierte in wesentlichen Punkten, wie den Zollpräferenzen, den Verbrauchssteuern und den Stabilisierungskassen, von der des BDI.303 Als die Ministertagung der EWG und der Assoziierten am 6. Dezember in Paris begann, hatten die Sechs noch zu keiner gemeinsamen Position gefunden. Es lag bei dem amtierenden deutschen Ratspräsidenten, sich zu den Schwierigkeiten in der EWG zu erklären. Erhard wies auf die handelspolitischen Meinungsverschiedenheiten unter den Sechs hinsichtlich Gestaltung der Beziehungen zu den nicht-assoziierten Entwicklungsländern hin, setzte aber zugleich ein positives Signal zur Eröffnung der Verhandlungen, als er die assoziierten afrikanischen Ländern ihrer Vorzugsstellung auch für die künftige Regelung versicherte.304
1.4. Frankreich, der Transformationsprozess seines afrikanischen Empires und die Assoziierungsfrage Die Erneuerung der Assoziierung der mittlerweile unabhängig gewordenen afrikanischen Kolonien Frankreichs mit der EWG war nur ein Aspekt, der den französischen Staatspräsidenten an der europäischen Integration zu Beginn der 60er Jahre interessierte. Dass De Gaulle, der vor seiner Rückkehr an die Macht am 1. Juni 1958 gegen Montanunion, EVG und insbesondere auch gegen den Gemeinsamen Markt gewesen war, sich nunmehr dem europäischen Integrationsprozess zuwandte und ihn zu gestalten suchte, hatte mehrere Gründe.305 Die französische Wirtschaft hatte den Gemeinsamen Markt akzeptiert; zumindest lag er im Interesse des fortschrittlichen und innovativen Teils der Industrie. Auch der Landwirtschaft versprach die europäische Integration Vorteile. Insbesondere Frank301
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Vgl. Entwurf eines Schreibens von Hasselblatt, BMWi, an Dipl. Volksw. N. Welter, BDI, 21.12.61, in: Ebd., 130218. Vor diesem Hintergrund war das BMWi schon zuvor bemüht gewesen, Einfluss auf die Stellungnahme des BDI zu nehmen: „Zu den Bemerkungen des BDI selbst ist zu sagen, daß sie weitgehend auf unserer Linie liegen. Ich habe Herrn Welter einige Verstärkungen vorgeschlagen, [...].“ (Hasselblatt, Vermerk für Herrn Dr. Heise, Betr.: Bemerkungen des BDI zu den Vorstellungen der Kommission, die Neugestaltung der Assoziierung betreffend, 7.11.61, in: Ebd., 130215.) Vgl. Schreiben Beutlers an Erhard, 27.11.61. Vgl. Ständige Konferenz der Industrie- und Handelskammern der Länder der EWG, Entschließung über die Beziehungen zwischen der EWG und den ihr assoziieren überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten angenommen auf der 10. Tagung in Brüssel am 29. November 1961, in: PAAA, B 53/167. Vgl. EWG, Rat, Ministertagung der EWG und der AASM, Paris, 6./7.12.61, Eröffnungsrede des amtierenden Präsidenten des EWG-Rates, Erhard, 4.12.61, in: BA Koblenz, B 102/130217. Vgl. zu De Gaulles Europapolitik: BOSSUAT, Gérard: Faire l’Europe, S. 83-118; BRUNN, Gerhard: Europäische Einigung, S. 129-159; KNIPPING, Franz: Rom, 25. März 1957, S. 128-154.
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reich war an der zügigen Ingangsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) interessiert.306 Neben dem Bestreben, der französischen Wirtschaft mit dem Gemeinsamen Markt den geeigneten Rahmen zur Modernisierung und zum Wiedererstarken zu sichern, maß der französische Präsident dem europäischen Integrationsprozess auch Bedeutung für die internationale Stellung Frankreichs bei. Ein unter informeller französischer Führung stehendes Europa sollte Frankreich die notwendige Grundlage für die Sicherung und den Ausbau der beanspruchten Großmachtposition verschaffen. Angestrebt wurde Europa als dritte Kraft zwischen den beiden Supermächten zu positionieren. Allerdings hatte dieses politische Europa nach De Gaulles Vorstellung nicht supranational verfasst zu sein, sondern auf einer intergouvernementalen Kooperation der westeuropäischen Staaten zu beruhen. Sein im Herbst 1960 vorgestelltes Projekt einer Politischen Union war dementsprechend auch ein Angriff auf die supranationalen Gemeinschaften, deren Organe für ihn lediglich einen technischen Wert zur Vorbereitung und Weiterverfolgung von Entscheidungen der Mitgliedsregierungen, aber keine Rolle als eigenständiger politischer Akteur beanspruchen konnten. Auch deshalb trafen die sog. Fouchet-Pläne307 vom Oktober 1961 und Januar 1962 die Vorbehalte der kleinen Mitgliedstaaten.308 Europa wurde eine Priorität De Gaulles und relativierte insofern ebenso wie die Atombombe die Bedeutung des französischen Empire. Dennoch dominierte die afrikanische Frage bis zur Beendigung des Algerienkonflikts 1962 die französische Politik. Gerade vor diesem Hintergrund wurde Schwarzafrika immer bedeutender; ein Bruch der engen Beziehungen sollte auf jeden Fall vermieden werden.309 Das subsaharische, frankophone Afrika ging im Zuge der Dekolonisierung keineswegs verloren, sondern das französische Empire durchlief hier eher einen Transformationsprozess.310 Zwischen dem 1. Januar und dem 28. November 1960 wurden mit Ausnahme der Französischen Somaliküste alle auf dem afrikanischen Kontinent gelegenen französischen Überseegebiete sowie Madagaskar unabhängig. Während die Communauté 1961 scheiterte, garantierten die zwischen 1960 und 1963 mit den einzelnen afrikanischen Staaten geschlossenen Kooperationsabkommen Frankreichs Einfluss und Präponderanz im frankopho-
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Der Ministerrat einigte sich auf Regelungen der Märkte für Getreide, Schweinefleisch, Geflügel, Eier, Obst, Gemüse und Wein sowie auf die Errichtung eines „Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft“ (EAFGL). Vgl. HENDRIKS, Gisela: The creation of the Common Agricultural Policy, 1958-1963, in: DEIGHTON, Anne/MILWARD, Alan S.: Widening, Deepening and Acceleration: The European Economic Community 1957-1963. BadenBaden 1999, S. 151-166. Der französische Diplomat Christian Fouchet war der Vorsitzende jenes Ausschusses, den eine Pariser Gipfelkonferenz der Sechs im Februar 1961 mit dem Auftrag eingesetzt hatte, Vorschläge auszuarbeiten, wie eine politische Zusammenarbeit der Staats- und Regierungschefs aussehen könne. Vgl. hierzu:: SOUTOU, Georges-Henri: Le Général de Gaulle et le plan Fouchet d’Union politique: un projet stratégique, in: DEIGHTON, Anne/MILWARD, Alan S. (Hg.): Widening, Deepening and Acceleration, S. 55-72; STELANDRE, Yves: Les pays du Benelux, l’Europe politique et les négociations Fouchet, in: Ebd., S. 73-88. Vgl. CHIPMAN, John: French Power; S. 113; VAÏSSE, Maurice: La Grandeur. Politique étrangère du général de Gaulle 1958-1969. Paris 1998, S. 480. Vgl. hierzu auch: KEIGER, J. F. V.: France and the world since 1870. London 2001, S. 211ff.
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nen, subsaharischen Afrika.311 Letztlich tat Frankreich den Schritt von einem formal zu einem informal empire.312 Frankreichs politischer, wirtschaftlicher und kultureller Einfluss in West- und Zentralafrika blieb durchdringend. Das postkoloniale Empire gründete auf der Vorstellung eines französischen Rayonnement und beruhte zum Teil auf informellen politischen Bindungen, zum Teil auch auf der Franc-Zone als gemeinsamen Währungsraum und schließlich auf der französischen Sprachgemeinschaft.313 Somit blieb das afrikanische Empire eine Grundlage französischer Macht und stand nach wie vor in Funktion für die Sicherung und den Ausbau einer französischen Großmachtposition ebenso wie für Frankreichs Gewicht und seine angestrebte Führungsrolle in Europa.314 Vor diesem Hintergrund dachten De Gaulle und Premierminister Michel Debré prononcierter in franko-afrikanischen als in eurafrikanischen Perspektiven.315 Nach wie vor war für sie die Idee eines France-Afrique handlungsleitend, der eurafrikanischen Perspektive kam hingegen nur eine ergänzende Funktion zu. Dabei wurde ihnen schon früh bewusst, dass die Assoziierung der afrikanischen Staaten und Madagaskars an die EWG ambivalente Effekte zeitigte. Die mit der Assoziierung einhergehende Öffnung des Kolonialreichs hatte auch zur Folge gehabt, dass die vormalige Exklusivität französischen Einflusses und französischer Kontrolle im Schwinden begriffen war. So begnügte sich die EWGKommission nicht mit der ihr von Paris zugedachten Rolle eines technischen Exekutivorgans, sondern versuchte sich als eigenständiger Akteur im subsaharischen Afrika zu profilieren.316 Die Assoziierung gewann nicht zuletzt deshalb eine eigene Dynamik, weil sie den Assoziierten schon vor deren Unabhängigkeit die Perspektive eröffnet hatte, ihre Außenbeziehungen zu multilateralisieren. Einige afrikanische Regierungschefs verfolgten darüber hinaus durchaus eurafrikanische Perspektiven und teilten diese, wie der kongolesische Präsident Fulbert
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Siehe Teil C, Kap. 4. Die EWG und Afrika. Die Verträge mit der Mali-Föderation wurden zwei Tage nach der Proklamation der Unabhängigkeit, die mit Kongo, Tschad, der Zentralafrikanischen Republik am Unabhängigkeitstag selbst paraphiert. Der Vertrag mit Kamerun wurde am 13. November 1960 geschlossen, die Verträge mit der Elfenbeinküste, Dahomey, Niger und Obervolta traten hingegen erst am 24. April 1961, die Vereinbarungen mit der Islamischen Republik Mauretanien sogar erst acht Monate nach der Unabhängigkeit am 19. Juni 1961 in Kraft. Erst am 10. Juli unterzeichnete der neue togolesische Präsident Nicolas Grunitzky acht Kooperationsverträge mit Frankreich. Das Kooperationssystem sah eine enge zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich der Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts-, Finanz-, Kultur-, Rechts- und Bildungspolitik vor. Für eine Überblick über die wichtigsten Kooperationsabkommen vgl. SCHERK, Nikolaus: Dekolonisation, S. 59; vgl. weiterhin: BOURGI, Albert: La Politique française de coopération en Afrique: Le cas de Sénégal. Paris 1979; BRÜNE, Stefan: Französische Afrikapolitik, S. 60-66; CHIPMAN, John: French Power; S. 108 ff.; NOUAILLEDEGORGE, Brigitte: La politique française de coopération avec les Etats africains et malgache au sud du Sahara 1958-1978. (Thèse) Bordeaux 1982. Vgl. HAYWARD, Jack: The one and Indivisible French Republic. London 1973, S. 248-253. Siehe auch KEIGER; J.F.K.: The French Empire rather mutated than disappeared. After decolonization there was a continuation by other means. (J. F. V. KEIGER: France and the world; S. 211ff.) Vgl. auch: BRÜNE, Stefan: Französische Afrikapolitik, S. 16; KEIGER, J. F. K.: France and the world, S. 212; ZARTMAN, William I.: Europe and Africa, S. 325-343, hier 333-338. Vgl. auch: CHIPMAN, John: French Power, S. 83 f., 113; BOSSUAT, Gérard: Faire l’Europe, S. 95; VAÏSSE, Maurice: La Grandeur, S. 451 f. Vgl. auch CHIPMAN, John: French Power, S. 84. Siehe Teil C, Kap. 4. Die EWG als neuer Akteur in Afrika.
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Youlou,317 dem französischen Präsidenten mit. Damit sah sich die französische Transformationspolitik vor die Herausforderung gestellt, die Assoziierung in Einklang mit ihren Konzeptionen für Afrika zu bringen. Es galt nicht nur einen Kompromiss zwischen Bilateralismus und Multilateralismus in den Beziehungen zu Afrika zu finden, sondern die EWG für die französische Transformationspolitik nutzbar und die Assoziierung zu einem Element der französischen Afrikapolitik zu machen, d. h., sie in den Dienst für ein zu errichtendes informal empire zu nehmen. Die Assoziierung der afrikanischen Staaten und Madagaskars stellte vor diesem Hintergrund in mehrerer Hinsicht eine zusätzliche Option für die französische Afrikapolitik dar. Zunächst bot sie der französischen Regierung einen alternativen, multilateralen Rahmen zu den bilateralen franko-afrikanischen Beziehungen, der ihre Transformationspolitik ergänzen und angesichts der Offenheit des Dekolonisationsprozesses auch absichern konnte. Dahinter stand das Kalkül, dass diejenigen afrikanische Länder, die dazu tendierten, auf Distanz zur ehemaligen Metropole zu gehen, die EWG als einen Kooperationspartner präferierten, der sich frei von kolonialen Herrschaftsansprüchen präsentierte. Gerade gegenüber Ländern wie Mali, das sich gegenüber französischen Entwicklungshilfeangeboten zurückhaltend zeigte und verstärkt Entwicklungshilfe des „Ostens“ annahm, erschien der EEF als alternative Hilfsquelle.318 Es lag weiterhin im französischen Interesse, wie der technische Berater JeanPierre Hadengue dem französischen Präsidenten im Juli 1961 erläuterte, die Assoziierung zum Ausgangspunkt einer umfassenden regionalen Entwicklungszusammenarbeit zwischen Europa und Afrika zu machen. Das Aufgreifen neuester Tendenzen innerhalb der Assoziierung, nämlich die eurafrikanische Parlamentarierkonferenzen zu institutionalisieren, eröffneten unter Einbindung der OECD die Perspektive, eine solche Zusammenarbeit nach Vorbild des Colombo-Plans auszugestalten. Eine derartige, von der EWG ausgehende Initiative hätte zudem den Vorteil, ähnlichen Bestrebungen Großbritanniens und der USA zuvorzukommen.319 Damit sollten insbesondere das afrikapolitische Engagement der neuen Kennedy-Administration kanalisiert und dem Zugang der USA zum frankophonen Afrika Grenzen gesetzt werden. Gerade De Gaulle betrachtete das amerikanische Interesse an Afrika mit großen Vorbehalten.320 Konkurrenz fürchtete Frankreich im subsaharischen Afrika auch in Gestalt der Commonwealth-Länder, unter denen insbesondere Nigeria aufgrund seines geographischen Gewichts und seines ökonomischen Potentials für die Rolle einer regionalen Vormacht prädestiniert schien. Einerseits bestand die Gefahr, dass dieser anglophone Staat die kleineren frankophonen Staaten seinem Einfluss unterwarf, andererseits war er ein gefährlicher wirtschaftlicher Konkurrent für letz317 318
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Schreiben des Abbé Fulbert Youlou, Président du Congo, an De Gaulle, 7.3.61, in: MAE, Cabinet du ministre, Couve de Murville 114. Vgl. Secrétariat Général aux Affaires Africaines et Malgaches, Relevés des décisions du Conseil pour les Affaires Africaines et Malgaches, 22.6.61, in: CHAN, SGAM, Fonds Foccart, 786. Vgl. Secrétariat aux Affaires Africaines et Malgaches, Note à l’attention de Monsieur le Président de la République, Président de la Communauté. Objet: Préparation de la prochaine réunion des chefs des Etats membres du Marché commun à Bonn, 13.7.61, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 12. Vgl. VAÏSSE, Maurice: La Grandeur, S. 452.
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tere. Am Quai d’Orsay nahm man daher mit Unbehagen die Tendenz zu einer „balkanisation économique“321 im frankophonen Afrika wahr, die auch die Gefahr einer Desintegration des gemeinsamen französisch-afrikanischen Marktes in sich barg. Nicht nur im Außenministerium, sondern auch im Elysée erkannte man vor diesem Hintergrund ein französisches Interesse darin, das Bestreben einiger frankophoner Staaten zu unterstützen, sich wirtschaftlich zu regruppieren, das mit der Gründung der OAMCE im März 1961 erneut zum Ausdruck gekommen war.322 Die Kohärenz dieser Staaten förderte gerade auch ihre Assoziierung an die EWG. In dieser Perspektive schien der europäische Gemeinsame Markt den Assoziierten zudem die attraktivere Alternative zu den Märkten einzelner Commonwealth-Staaten oder gar zu einem gemeinsamen afrikanischen Markt zu offerieren. Dass die Assoziierungspolitik der EWG als zusätzliche afrikapolitische Option für Frankreich in Frage kam, beruhte freilich auf mehreren Voraussetzungen.323 Zunächst durfte die Aktion der EWG in Afrika nicht die Frankreichs konkurrenzieren und damit selbst desintegrierend auf die franko-afrikanischen Beziehungen wirken. Weder De Gaulle noch Debré dachten daran, die privilegierte Position Frankreichs in Afrika zugunsten der EWG aufzugeben. Daher war es für die französische Regierung umso wichtiger, die europäisch-afrikanischen Beziehungen unter Kontrolle zu halten. Auch in den Beziehungen der EWG zu Afrika beanspruchte Frankreich eine Führungsrolle und suchte deren Gestaltung seinem bestimmenden Einfluss zu unterwerfen.324 Einerseits beabsichtigte die französische Regierung daher, der Tätigkeit der EWG-Kommission Grenzen zu setzen. Denn die De Gaullesche Auffassung, „que des décisions politiques ne puissent pas être prises par des autorités «supra-nationales» dirigées par des fonctionnaires sans responsabilités politiques“,325 galt insbesondere auch für Afrika. Vor diesem Hintergrund war Frankreich beispielsweise gegen die Bestrebungen der Kommission, ständige Vertretungen in den assoziierten afrikanischen Ländern zu errichten.326 Andererseits ging es der französischen Regierung auch um die Wahrung ihrer Funktion in den Beziehungen zwischen der EWG und den Assoziierten. Die sich mit Unabhängigkeit der assoziierten Länder etablierenden direkten Beziehungen zwischen diesen und der EWG machten jedoch die Wahrung
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MAE, Note a.s. conférence de Dakar et l’aide à l’Afrique, 20.2.61, in: MAE, dece, Afrique 2127. Vgl. ebd.. Insbesondere der französische Präsident befürwortete auch im politischen Bereich die Bildung größere Einheiten und einer afrikanischen Union. Vgl. VAÏSSE, Maurice: La Grandeur, S. 481. Die ältere französische Afrikaforschung verweist demgegenüber auf Vorbehalte de Gaulles gegenüber Bestrebungen der afrikanischen Staaten, sich zu regruppieren. Vgl. beispielsweise: NOUAILLE-DEGORGE, Brigitte: La politique française de coopération, S. 55 ff. Vgl. Secrétariat aux Affaires Africaines et Malgaches, Note à l’attention de Monsieur le Président de la République, Président de la Communauté. Objet: Préparation de la prochaine réunion des chefs des Etats membres du Marché commun à Bonn, 13.7.61. Vgl. ebd. sowie eine frühere Fassung deren frühere Fassung: Note à l’attention de Monsieur le Président de la République, Président de la Communauté. Objet: Préparation de la prochaine réunion des chefs des Etats membres du Marché commun à Bonn, 11.7.61, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 12. Ebd. Vgl. Note à l’attention de Monsieur le Président de la République, 13.7.61; vgl. hierzu auch Teil C, Kap. 4. Die EWG und Afrika.
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einer solchen Scharnierfunktion für Paris schwieriger.327 Insbesondere Pläne, im Rahmen der Assoziierung eurafrikanische Institutionen zu schaffen, konkurrierten mit denen der französischen Regierung, die franko-afrikanischen Beziehungen nach dem Scheitern der Communauté wiederum institutionell, beispielsweise durch die Schaffung einer Assemblée franco-africaine, abzusichern.328 Die diesbezüglichen Empfehlungen der Straßburger Konferenz gingen über die französischen Erwartungen hinaus und veranlassten daher Debré, den französischen Präsidenten vor einer Entwicklung zu warnen, die die Gefahr einer Desintegration der franko-afrikanischen Beziehungen in sich barg. „Quoiqu’il en soit, la conférence s’est proposée de construire autour de la Communauté Economique Européenne une Communauté Européo-Africaine dotée d’institutions propres. Cette Communauté nouvelle grouperait paritairement la Communauté Economique Européenne et les Etats africains. Dans un tel système, la France ne serait donc plus que l’une des sous-composantes de cette organisation et, dès lors, se trouverait irrémédiablement compromise la construction d’un ensemble franco-africain.“329 Auch auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe wollte der Premierminister der Assoziierungpolitik Grenzen setzen. So hegte er Vorbehalte gegen Bestrebungen, die Interventionsbereiche der europäischen Entwicklungshilfe für die assoziierten Länder auszuweiten. Insbesondere hinter den Empfehlungen der Straßburger Konferenz zur Technischen Hilfe erkannte Debré eine Tendenz, der EWG auch kulturpolitische Aktionsmöglichkeiten in Afrika zu eröffnen. Gerade den Bereich der kulturellen Zusammenarbeit, der sich nicht auf die Praxis der französischen Sprache beschränkte, sondern über die Verbreitung von Lebens- und Denkweisen und Wertevermittlung die Bildung afrikanischer, akkulturierter Eliten zum Ziel hatte, wollte Paris der französischen Kooperationspolitik reservieren.330 Die Technische Hilfe der EWG hatte nach französischen Vorstellungen nicht über die bereits bestehenden Ansätze hinauszugehen.331 So widersetzte sich die französische Regierung auch Bestrebungen, die neue Assoziierungsregelung auf die Euratom auszudehnen.332 327
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Siehe Teil C, Kap. 3.1.1. Die Schaffung des ersten Entwicklungsfonds; Kap. 4: Die EWG als neuer Akteur in Afrika; Teil C, Kap. 5. Die Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen Länder und Gebiete und ihre Auswirkungen auf die Assoziierung. Vgl. CHAN, SGAM, Relevés des décisions du Conseil pour les Affaires Africaines et Malgaches, 22.6.61. Schreiben Debrés an de Gaulle, 28.6.61, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 12. Vgl. hierzu: Deutsche Ständige Vertretung Brüssel, Betr.: 189. Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter am 17./19.10.61 zur Vorbereitung der Ratstagung am 23./24.10.61, 20.10.61, in: BA Koblenz, B 102/130215.Vgl. zum Aspekt der kulturellen Zusammenarbeit in der französischen Entwicklungshilfe auch: NOUAILLE-DEGORGE, Brigitte: La politique française de coopération, S. 40-42. Vgl. hierzu: Teil C, Kap. 3.1.1. Der erste Europäische Entwicklungsfonds Vgl. Deutsche Ständige Vertretung Brüssel, Betr.: 189. Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter am 17./19.10.61 zur Vorbereitung der Ratstagung am 23./24.10.61, 20.10.61. Die Straßburger Konferenz hatte sich dafür ausgesprochen, die Ausdehnung des Assoziierungsverhältnisses auch auf die Europäische Atomgemeinschaft in Betracht zu ziehen. Sie sprach sich damit für ein Wiederanknüpfen an die rechtlichen Bande zwischen der EAG und den Assoziierten aus, die mit deren Unabhängigkeit erloschen waren. Die EAG griff diese Parlamentarierinitiative, die sie für „sachlich geboten und politisch notwendig“ hielt, bereitwillig auf. Ins Auge gefasst wurde eine Zusammenarbeit auf den Gebieten der Radioisotopen und
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Trotz dieser Vorbehalte war die Assoziierung für Frankreich gerade im Bereich der Entwicklungshilfe vorteilhaft. Einerseits stellte der EEF eine zusätzliche Ressource dar, die die nach wie vor hohe, auf Afrika konzentrierte französische Entwicklungshilfe ergänzte. 1962 flossen 1,76% des französischen Nationaleinkommens in die öffentliche Entwicklungshilfe, die zu 96% an die überseeischen Länder der Franc-Zone floss. Gut ein Drittel davon erhielten die Staaten des subsaharischen Afrika und Madagaskar.333 Während die öffentliche bilaterale Hilfe Frankreichs an die afrikanischen und madagassischen Staaten 1962 eine Höhe von 288,1 Mio. $ erreichte, flossen im selben Jahr 50,7 Mio. $ aus dem EEF an die Assoziierten.334 Andererseits eröffnete die Multilateralisierung der Hilfe über die EWG der französischen Entwicklungspolitik auch den Ausweg aus einem Dilemma: Während die französische Entwicklungshilfe ein Schwergewicht auf Infrastrukturprojekte und Budgetbeihilfen lege, konzentrierten sich andere Geber auf so genannte produktive Investitionen. Auch wenn diese Ausrichtung der französischen Hilfe mit Blick auf die strukturellen Defizite der afrikanischen Länder geboten und zudem den Erwartungen der afrikanischen Regierungen zu entsprechen schien, fürchtete Paris sich mittel- und langfristig dem Vorwurf auszusetzen, über seine Entwicklungshilfe verdeckte Abhängigkeiten aufrechtzuerhalten.335 Die französische Regierung beabsichtigte daher ihre finanzielle Hilfe umzustrukturieren und zudem zu reduzieren.336 Vor diesem Hintergrund hatte der EEF nicht nur den Vorteil die europäischen Partner an der Finanzierung von Infrastrukturprojekten zu beteiligen, sondern erlaubte dem französischen FAC darüber hinaus sich zunehmend auf die Förderung produktiver Vorhaben zu verlegen.337 Einflussmöglichkeiten auf die Ausrichtung der bilateralen Hilfe der EWG-Partner wollte sich Frankreich darüber hinaus über die von ihm befürwortete Harmonisierung der Entwicklungspolitik im Rahmen der EWG verschaffen.338 Schließlich zeitigte die Assoziierung auch positive Effekte für die FrancZone, die auch in der postkolonialen Zeit ein wesentliches Element französischen
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der Energieerzeugung. (Vgl. EAG, Heinz L. Krekeler, europäischer Kommissar, an Botschafter Lahr, Ständiger Vertreter der BRD, 24.8.61, in: BA Koblenz, B 102/130215). Vgl. HAYTER, Teresa: French Aid, S. 45 ff. Nach 1962 sank die französische bilaterale, öffentliche Entwicklungshilfe sowohl in absoluten Zahlen als auch gemessen am Nationaleinkommen. Die Unabhängigkeit Algeriens schlug sich statistisch in einem sinkenden Anteil der Länder der Franc-Zone nieder. Der Anteil der afrikanischen und madagassischen Staaten blieb hingegen relativ stabil. 1962 erhielten sie 33,5% der gesamten bilateralen Hilfe Frankreichs; 1963 35,9% und 1964 33,1%. Dabei gliederte sich die französische Entwicklungshilfe wie folgt: 132,2 Mio flossen in Form Technischer Hilfe, 88 Mio als Kapitalhilfe und 67,9 Mio in Form von Budgethilfe ins subsaharische Afrika. Vgl. Table 38 French aid to the African and Malagasy States: figures presented to DAC, net disbursements, official bilateral aid, in: Ebd., S. 166; Table 1.3 Aid to the Associated states by the EEC (in million US dollars), zit. in: LISTER, Marjory: The European Community and the Developing World. The Role of the Lomé Convention. Aldershot/ Brookfield 1988, S. 26. Vgl. Note a.s. conférence de Dakar et l’aide à l’Afrique, 20.2.61. Vgl. Bericht der bundesdeutschen Botschaft in Paris über die Konferenz der französischen Missionschefs frankophoner, schwarzafrikanischer Länder in Paris, 19.10.61, in: BA Koblenz, B 102/130215. Siehe Teil C, Kap. 3.1.3. Der erste Europäische Entwicklungsfonds (1958-1963) – Tätigkeit und Bilanz. Siehe Teil C, Kap. 4.5. Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik.
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Einflusses im subsaharischen Afrika blieb, da sich die über den EEF vergebene Entwicklungshilfe günstig auf die Zahlungsbilanz der Assoziierten auswirkte.339 Skeptisch hingegen betrachtete die Regierung Debré die mit der Assoziierung einhergehende Öffnung des Kolonialreichs im handelspolitischen Bereich. Wie nachdrücklich sie die Afrikainteressen der französischen Wirtschaft zu verteidigen bereit war, illustrierte die Frage der Technischen Kontrolle, die die Ingangsetzung der europäischen Entwicklungshilfe für die Assoziierten direkt zu Beginn erschwerte.340 Angesichts der sich transformierenden frankoafrikanischen Beziehungen tendierte Paris dazu, französische Interessen und französischen Einfluss eifersüchtig zu verteidigen. Zwar hatten französische Unternehmen weiterhin Wettbewerbsvorteile auf den assoziierten, afrikanischen Märkten, dennoch wurde die Franc-Zone durchlässiger341 und damit zeichnete sich die Tendenz ab, dass die französische Industrie nach und nach ihre bevorzugte Stellung verlor. Allerdings blieb eine ganze Reihe Industrien in hohem Maße auf die Überseegebiete angewiesen. Neben der Baumwollindustrie zählten die Bauwirtschaft, die Handelsmarine und die zivile Luftfahrt dazu. Weiterhin lebten 2,5% der werktätigen Bevölkerung von der Produktion für und dem Handelsverkehr mit Übersee.342 Zumindest die Avantgarde der in Schwarzafrika tätigen französischen Überseeunternehmer hatte jedoch ihre Vorbehalte gegen die Einbeziehung der afrikanischen Kolonien bereits mit der Gründung des Gemeinsamen Markts aufgegeben.343 Mit Robert Lemaignen war schließlich einer ihrer profiliertesten Vertreter der für diese Angelegenheit zuständige Kommissar in Brüssel geworden. Diese Avantgarde, die den europäischen Integrationsprozess befürwortete, erkannte die wirtschaftlichen und politischen Perspektiven, die die Assoziierungspolitik eröffnete. Einerseits ging es darum, französischen Einfluss im frankophonen subsaharischen Afrika auch nach 1960 zu sichern – sei es durch die Einbettung der engeren französischen in eine weitere europäische Einflusssphäre oder sei es gar über das vereinigte Europa der Sechs, das an die Stelle der französische Kolonialmacht in Afrika trat.344 Andererseits war diese einflussreiche Gruppierung des grand patronat d’outre-mer, zu der auch Edmond Giscard d’Estaing und Luc Durand-Réville zählten, insbesondere daran interessiert, die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik für die Entwicklung Afrikas in den Dienst zu nehmen.345
339 340 341
342
343 344 345
Vgl. HAYTER, Teresa: French Aid, S. 67. Siehe Teil C, Kap. 3.1.2. Verzögerungen und Probleme. Die wirtschaftliche Verflechtung im Rahmen der Franc-Zone erlangte nach dem 2. Weltkrieg besondere Bedeutung, weil die französische Devisenbewirtschaftung und die mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen auf die gesamte Französische Union ausgedehnt wurden. Nicht nur wurden die Devisen zentral in Paris verwaltet, sondern auch Handelsvertragsverhandlungen exklusiv durch die französische Regierung geführt. Die neuen Staaten der Communauté erhielten hingegen Zollautonomie und das Recht, selbstständig Handelsvertragsverhandlungen zu führen. Vgl. Deutsche Botschaft Paris, Betr.: Entwicklungshilfe Frankreichs für seine Überseegebiete, insbesondere die Staaten der französischen Gemeinschaft, 11.10.60, mit Anlage: Referentenstudie „Die Entwicklungshilfe Frankreichs für seine Überseegebiete, insbesondere die Staaten der Französischen Gemeinschaft“, in: PAAA, B 58/440. Vgl. HODEIR, Cathérine: Stratégies d’Empire, S. 281-301. Vgl. ebd., S. 259, 301. Teil C, Kap.4.1. Afrikapolitische Konzeptionen der EWG-Kommission. Vgl. HODEIR, Cathérine: Stratégies d’Empire, S. 287, 300.
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Die besondere Bedeutung, die das Empire in den 1950er Jahren auch ökonomisch als wichtigster Handelspartner Frankreichs eingenommen hatte, schwand in den 1960er Jahren. Zu Beginn dieses Jahrzehnts begann auch der Anteil Schwarzafrikas für den französischen Außenhandel zu sinken, auch wenn einzelne afrikanische Länder wie die Elfenbeinküste, Gabun oder Kamerun nach wie vor einen hohen Stellenwert behielten. Gingen 1959 noch 28,2% der Exporte Frankreichs ins frankophone Afrika, waren es 1960 27,5% und schließlich 1964 nur noch 15,9%. Ebenso nahmen die französischen Importe von dort, die 1960 noch 20,3% erreichten, ab, auch weil die Grenze der Absorptionsfähigkeit des französischen Markts für bestimmte Produkte (Erdnüsse, Bananen, Kaffee) erreicht wurden.346 Vor diesem Hintergrund wollte Frankreich den assoziierten afrikanischen Ländern einen erweiterten Absatzmarkt in der EWG sichern. Doch auch für Frankreich, das sich wirtschaftlich modernisieren und an der europäischen Integration partizipieren wollte, stellte die Assoziierung quasi eine ökonomische Notwendigkeit dar. Es lag in seinem Interesse, das bestehende Überpreissystem, dessen Marktordnungen und Preisstützungsmaßnahmen zunehmend zur Belastung für Industrie und Verbraucher wurden,347 auf die EWG zu übertragen und dessen Lasten mit den europäischen Partnern zu teilen.348 „Ne pouvant ni renoncer à notre intégration, à chances égales, au sein du Marché Commun, ni laissant disparaître nos liens particuliers avec les Etats africains“349, wie eine Aufzeichnung der Direktion für ökonomische und finanzielle Angelegenheiten des französischen Außenministeriums feststellte, war für Paris die Frage der Fortsetzung der Assoziierung vor allem eine der Modalitäten. Couve de Murville warf im Conseil pour les Affaires Africaines et Malgaches, der sich am 22. Juni 1960 erstmals mit der Frage beschäftigte, die zwei für die französische Position wesentlichen Fragen auf: „[Y] aura-t-il une association des Etats africains au Marché Commun, sous quel régime, après le 1er janvier 1963 ? A cet égard, deux questions essentielles se poseront, selon M. Couve de Murville: le sort du Fonds, c’est-à-dire son renouvellement, son utilisation et son extension à d’autres pays africains, et les débouchés des produits africains compte tenu de la restriction des préférences traditionnelles.“350
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Vgl. FIELDHOUSE, David K.: The West and the Third World, S. 102; HAYTER, Teresa: French Aid, S. 60; CHAN, SGAM, Note sur le commerce des Etats de la zone franc associés à la CEE, nicht datiert, in: CHAN, SGAM, Fonds public 12. Diese Maßnahmen, die ein wichtiges Mittel zur Förderung der Produktion in den überseeischen Ländern und Gebieten darstellten, nahmen den französischen Staatshaushalt nur in geringem Umfang in Anspruch, belasteten dafür aber Industrie und Verbrauch. Seit 1954 bestand eine Marktordnung für pflanzliche Speiseöle für die gesamte Franc-Zone, die u. a. Erdnüsse, eines der Haupterzeugnisse Westafrikas, umfasste. Im selben Jahr wurden für weitere Produkte wie Baumwolle (besonders wichtig für Tschad und ZAR), Kakao und Kaffee Preisstabilisierungskassen und ein Fonds National des Régularisation des Cours des Produits d’Outre-Mer geschaffen, der 1956 noch um einen speziellen Fonds de Soutien des Textiles des TOM für pflanzliche Faserstoffe ergänzt wurde. Siehe Teil C, Kap. 3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen; vgl. weiterhin auch: THOMPSON, Virginia/ADLOFF, Richard: French economic policy in tropical Africa, S. 145. MAE, Note a. s. Avenir de l’association des Etats africains et malgache au Marché Commun, 18.4.61, in: MAE, Papier Wormser, 35. Relevés des décision du Conseil pour les Affaires Africaines et Malgaches, 22.6.61.
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Die französische Regierung bestimmte ihre Position zur Neuregelung der Assoziierung recht spät. Im Dezember 1960 und im Frühjahr 1961 stellten die Referenten im Außenministerium erste Überlegungen zu einer zukünftigen Assoziierung an.351 Nach der Tagung des Conseil pour les Affaires Africaines et Malgaches vom 22. Juni und zur Vorbereitung eines Zusammentreffens der Regierungschefs der EWG-Mitgliedstaaten in Bonn beschäftigte sich im Juli auch der Elysée mit der Frage.352 Am 12. September 1961 legte Paris schließlich seine Haltung zur Erneuerung der Assoziierung fest,353 also zwei Monate nach den offiziellen Vorschlägen der EWG-Kommission und der Bundesrepublik zur Neuregelung der Assoziierung. Nach wie vor waren die Entwicklungen im frankophonen subsaharischen Afrika im Fluss und ließen daher eine vorschnelle Festlegung nicht geboten erscheinen. Darüber hinaus verzögerten aber auch die Wendungen des Algerienkonflikts die Bestimmung der französischen Position. Zwischen April 1961 und Anfang 1962 zeigte Paris eine auffallende Zurückhaltung in Bezug auf seine afrikanischen Angelegenheiten, die von den europäischen Partnern als Zeichen eines Desengagements gedeutet wurden.354 Schließlich hatte De Gaulle selbst am 15. April die Dekolonisation zum Interesse Frankreichs erklärt.355 Die zögerliche Positionsbestimmung hatte ihre Gründe aber auch in der Assoziierung selbst. Französischerseits bestand nämlich angesichts der Reserviertheit einiger EWG-Partner gegenüber der Assoziierung die Auffassung, mit diesen so spät wie möglich in die Diskussion über deren Erneuerung zu treten. Darüber hinaus war die Assoziierung infolge ihres schleppenden Beginns auch bei den Afrikanern in die Kritik geraten. Vor diesem Hintergrund wollte Paris dem laufenden Assoziierungsregime Zeit geben, sich zu bewähren,356 „montrer qu’elle [l’association, Anm. d. Verf.] est fructueuse et utile, montrer qu’elle marche“,357 wie der Generalsekretär des Außenministeriums, Eric de Carbonnel, schon am 8. November 1960 auf der franko-afrikanischen Konferenz erläutert hatte. Nachdem sich Kommissar Lemaignen jedoch am 10. Dezember 1960 vor den Ständigen Vertretern zur Zukunft der Assoziierung erklärt und vorgeschlagen hatte, die Verhandlungen im Frühjahr zu eröffnen,358 hielt man am Quai d’Orsay die Zeit
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Vgl. MAE, Note a.s. Avenir de l’association à la Communauté Economique Européennes des pays et territoires d’outre-mer, 15.12.60, in: MAE, dece 723; Note a.s. Avenir de l’association , in: Ebd., Papiers Wormser, 35 ; Note a.s. Association des Etats africains et malgaches au Marché Commun, 15.5.61, in: Ebd. Vgl. Secrétariat aux Affaires Africaines et Malgaches, Note à l’attention de Monsieur le Président de la République, Président de la Communauté. Objet: Préparation de la prochaine réunion des chefs des Etats membres du Marché commun à Bonn, 13.7.61. Vgl. Premier Ministre, Comité Interministériel pour les Questions de Coopération Economique Européenne, Renouvellement de l’Association à la CEE des PTOM, 28.9.61, in: CHAN, SGAM, Fonds publics, 2612. Vgl. SGCI, Note à l’attention de M. le Secrétaire Général, 27.1.62, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 92; Ständige Vertretung der BRD in Brüssel (Harkort), Betr. Assoziierte afrikanische Gebiete, 8.11.61, in: BA Koblenz, B 136/ 7966. Vgl. Alfred Grosser: Affaires extérieures. La politique de la France 1944/1984. Paris 1984, S. 172. Vgl. Note a.s. Avenir de l’association, 15.12.60. MAE, Réunion en vue des Etats africains à la Communauté Economique Européenne, 8.11.60, in: MAE, Europe 189. Vgl. Ständiger Vertreter an Ministre des Affaires Etrangères, Betr.: Treffen mit Lemaignen – Zukunft der Assoziation, 10.12.60, in: MAE, dece 723.
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für gekommen, auch französischerseits Position zu beziehen.359 Dafür sprachen mehrere Gründe. Die im Oktober 1960 vom EWG-Ministerrat geschaffene Ersatzinstitutionalisierung der Assoziation öffnete den Afrikanern ohnehin die Tür zur Diskussion über die Erneuerung der Assoziierung. Daher erschien es wichtig, baldmöglichst eine gemeinsame franko-afrikanische Position zu dieser Frage zu finden. Weiterhin stellte sich die Frage der geographischen Ausweitung der Assoziierung. Nicht nur die Niederlande und die Bundesrepublik, sondern auch Teile der EWG-Kommission favorisierten eine gesamtafrikanische Lösung. In der Folge des Wigny-Plans eröffnete sich sogar die Perspektive, die Assoziierung in einer weltweiten Entwicklungspolitik der EWG aufgehen zu lassen. Schließlich wurde insbesondere die Gestaltung der handelspolitischen Beziehungen zu einem Problemfeld, da die liberalen Leitbilder Den Haags und Bonns auch in der Kommission Anhänger zu gewinnen begannen.360 Frankreich war demgegenüber gegen eine grundlegende Änderung der laufenden Assoziierungsregelung und nahm vielmehr deren institutionelle Anpassung sowie eine Verbesserung ihrer Modalitäten und Verwaltungsstrukturen in den Blick.361 Im Vordergrund stand dabei, den Assoziierten die Vorteile der bisherigen Assoziierungsregelung zu sichern. Dabei bediente sich Paris des Arguments, dass die Assoziierten nicht für die Erlangung der Unabhängigkeit bestraft, sondern vielmehr für die Bekundung ihres Zusammengehörigkeitsgefühls mit Europa, namentlich der EWG, und dem Westen allgemein belohnt werden sollten.362 Dahinter stand nach wie vor die Konzeption privilegierter Beziehungen zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Ländern, die wiederum ihren Ausdruck in einer erneuerten Assoziierungsregelung finden sollten. Nach französischer Auffassung ging es daher in den Verhandlungen auch nicht um eine Ausweitung der Assoziierung auf weitere Länder. Zwar befürwortete man am Quai d’Orsay prinzipiell eine geographische Ausweitung der EWGEntwicklungshilfe, allerdings nicht in Form der Assoziierung, sondern in Form gesonderter Kooperationsverträge.363 In dem Bestreben, den Assoziierten die exklusiven Vorteile der Assoziierung zu sichern, wollte Frankreich die Probleme der Assoziierung von der Frage des Beitritts Großbritanniens und damit von einer Aus-weitung der Assoziierung auf Staaten des Commonwealth getrennt behandeln. Daher mussten die Verhandlungen über die Erneuerung der Assoziierung einen Abschluss gefunden haben, bevor überhaupt die Frage eines Beitritts von Commonwealth-Ländern konkret wurde.364 Dennoch zog Paris schon früh die Konsequenzen eines solchen Beitritts in Betracht. Nach Ansicht des technischen Beraters des Präsidenten, Jean-Pierre Hadengue, sprachen aus französischer Sicht gegen eine Assoziierung von Commonwealth-Ländern die für Frankreich weniger vorteilhafte Aufteilung der finanziellen Lasten der Assoziierung 359 360 361 362
363 364
Vgl. Note a.s. Avenir de l’association, 15.12.60. Vgl. ebd. Vgl. Note a.s. Association des Etats africains et malgaches au Marché Commun, 15.5.61. Vgl. ebd.; Erklärung des Staatssekretärs im französischen Außenministerium, Herrn Gorse, vor dem Ministerrat der EWG über die Zukunft der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar. (51. Tagung des Rates am 24. und 25. Juli 1961), 28.7.61, in: BA Koblenz, B 102/130214. Vgl. ebd. MAE, Service de Cooperation, Note a.s. Association des Etats africains et malgaches à la C.E.E., 3.2.62, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 2612.
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ebenso wie die Tatsache, dass das Gewicht der frankophonen Staaten in der Assoziierung sinken musste, wenn Staaten wie Nigeria beiträten.365 Was die institutionelle Anpassung anging, stimmte die französische Regierung der Bildung eines Assoziationsrats und eines Assoziationskomitees zu, wobei es deren Aktionsfeld zu präzisieren galt. Außer Frage stand, dass dem Status der nunmehr unabhängigen Assoziierten in der neuen Assoziierungsregelung Rechnung getragen werden sollte, auch und gerade hinsichtlich der Verwaltung des EEF. In Frage stand dahingegen, inwieweit sie an der Verwaltung des Fonds beteiligt werden sollten. Die Überlegungen zu dieser grundlegenden Frage gingen innerhalb der französischen Regierung weit. „En effet,“ wie eine Aufzeichnung für den Präsidenten betonte, „il s’agit de choisir si l’entend que le contrôle des fonds soit assuré par «ceux qui donnent ou par ceux qui reçoivent».“366 Damit war man an einem Kernproblem der künftigen Assoziierungsregelung angelangt; denn an dieser Entscheidung bemaß sich, ob die Assoziierung jenseits der Rhetorik, also in der Praxis, dem Anspruch einer Entwicklungskooperation zwischen Partnern genügte. Ihr Votum zu dieser Frage blieb letztlich hinter diesem Anspruch zurück. Gegenüber Vorschlägen der Kommission, den Fonds gemeinsam mit den Afrikanern zu verwalten, zeigte man sich reserviert,367 lediglich an der Definition der großen Linien der Entwicklungshilfe sollten die Afrikaner nach französischer Auffassung beteiligt werden.368 Weiterhin stellte sich Frankreich hinsichtlich der Erneuerung der Assoziierung auf den Boden des Vertrags von Rom, zu dessen grundlegenden Zielen es auch die Intensivierung und Erweiterung des Handelsaustauschs zwischen der EWG und den Assoziierten zählte.369 Denn nach französischer Auffassung beruhte die ökonomische Entwicklung dieser Staaten wesentlich auf der Beibehaltung und Stabilisierung ihrer Exporterlöse. Gerade in den Bestimmungen auf dem Gebiet des Handelsverkehrs komme, wie Staatssekretär Gorse auf der 51. Ratstagung am 24./25. Juli 1961 erklärte, die Solidarität, die die EWG gegenüber den assoziierten afrikanischen Staaten an den Tag legen wolle, zum Ausdruck; sie verliehen der Assoziierung daher erst ihren Sinn.370 Paris trat für die Ausgestaltung der mit dem Vertrag von Rom zwischen den Assoziierten und der EWG gegründeten Freihandelszone zu einem eurafrikanischen Markt ein, der die Vorteile, die die Assoziierten bisher auf dem französischen Markt genossen,371 über365 366
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370
371
Vgl. SGAM, Note à l’attention de Monsieur le Président de République, Président de la Communauté, 11.7.61. SGAM, Note à l’attention de Monsieur le Président de la République, Président de la Communauté, Préparation des négociations sur le renouvellement de l’association des pays d’outre-mer au Marché commun, 5.9.61, in: Ebd., 12. Vgl. Secrétariat Général du Gouvernement, Compte-rendu du Conseil restreint du mardi 19 septembre 1961. Paris, 25.9.61, in: Ebd., 2612. Vgl. SGCI, Message pour M. Boegner, objet: Renouvellement de l’Association des P.T.O.M.A. – Gestion du F.E.D.O.M., 19.1.62, in: CAC, 19880053 SGCI, art. 92. Vgl. Note à l´ attention de M. le Président de la République, Président de la Communauté, Positions des états membres de la Communauté Economique Européenne à l’égard de l’association des pays africains, 17.2.62, in: SGAM, Fonds publics, 13. Vgl. Erklärung des Staatssekretärs im französischen Außenministerium, Herrn Gorse, vor dem Ministerrat der EWG über die Zukunft der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar. (51. Tagung des Rates am 24. und 25. Juli 1961), 28.7.61. Siehe Teil C, Kap. 3.2. Der Ausbau der Handelsbeziehungen.
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nahm. Dahinter verbarg sich also nach wie vor das Bestreben, den assoziierten afrikanischen Staaten einen privilegierten und erweiterten Absatzmarkt in der EWG zu sichern, zumal Frankreich im Zuge der europäischen Integration verpflichtet war, die auf dem französischen Markt bestehenden Vergünstigungen sukzessive abzubauen,372 da einerseits die Annäherung an den Gemeinsamen Außentarif eine Reduzierung der bilateral eingeräumten Zollpräferenzen zur Folge hatte und Frankreich sich andererseits nicht mehr in der Lage sah, die bestehenden Marktordnungen alleine aufrechtzuerhalten. Die französische Regierung forderte daher Absatz- und Preisgarantien für die tropischen Produkte der assoziierten Staaten, während ihre, europäische Agrarprodukte konkurrenzierende Erzeugnisse im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik berücksichtigt werden sollten.373 Die Errichtung von Marktordnungen und insbesondere die Beibehaltung der Zollpräferenzen zählten damit zu den zentralen Forderungen, mit denen Frankreich in die Assoziierungsverhandlungen ging.374 Dass die Präferenzen jedoch innerhalb der EWG und international in der Kritik standen, konnte auch die französische Regierung nicht ignorieren.375 Insbesondere die Opposition der USA gegen regionale Präferenzzonen machte es für Paris schwieriger, seinen Standpunkt innerhalb der EWG Geltung zu verschaffen.376 Im April 1961 hatte die US-Administration die Initiative zu einer Ordnung der Weltmärkte ergriffen, um für ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch in der westlichen Welt zu sorgen und Preise und Einkommen in den weniger entwickelten Ländern zu stabilisieren. Anlässlich der Konferenz der USA mit den Ländern Lateinamerikas in Punta del Este, auf der der Sprecher Uruguays mit dem Austritt aller lateinamerikanischen Mitglieder aus dem GATT gedroht hatte, falls die EWG ihre Präferenzpolitik zugunsten der Assoziierten nicht ändern werde,377 hatte der neue amerikanische Finanzminister C. Douglas Dillon die EWG schließlich aufgefordert, ihre Zollpräferenzen für tropische Produkte aus den assoziierten Ländern abzuschaffen.378 Dennoch gab es Berührungspunkte zwischen der französischen und amerikanischen Position. Denn auch die USA vertraten angesichts der andauernden Schwäche der Rohstoffprei372
373
374 375 376 377 378
Vgl. Secrétariat Général du Gouvernement, Compte-rendu du Conseil restreint du mardi 19 septembre 1961. Paris, 25.9.61; EWG, Rat: Auszug aus dem Entwurf eines Protokolls über die 52. Tagung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am Montag, den 25., Dienstag, den 26. und Mittwoch, den 27. September 1961 in Brüssel, Künftige Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten überseeischen Gebieten, Erklärung des Ständigen Vertreters Frankreichs bei der EWG, Herrn Boegner, 2.10.61, in: BA Koblenz, B 102/130215; Note à l’attention de M. le Président de la République, Président de la Communauté, Positions des états membres de la Communauté Economique Européenne à l’égard de l’association des pays africains, 17.2.62. Vgl. EWG, Rat: Protokoll über die 52. Tagung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (25.-27.9.61) in Brüssel, Künftige Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten überseeischen Gebieten, Erklärung des Ständigen Vertreters Frankreichs bei der EWG, Herrn Boegner, 2.10.61. Vgl. Note a.s. Avenir de l’association, 18.4.61. Vgl. ebd. Vgl. SGAM, Note à l’attention de M. le Président de la République, Président de la Communauté, 9.8.61, in: CHAN, SGAM, Fonds Foccart, 786. Vgl. Vorstoß gegen Afrika-Präferenzen. US-Agrarminister warnt EWG vor Benachteiligung Südamerikas, in: DIE WELT, 7.9.61. Vgl. SGAM, Note, 9.8.61.
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se die Ansicht, dass der Versuch zu einer Stabilisierung der Preise für die wichtigsten Grundstoffe ein wesentlicher Teil der Bemühungen um eine Entwicklungshilfe für die weniger entwickelten Länder werden müsse.379 Als im Juni Olivier Wormser mit seinem amerikanischen Kollegen, Staatssekretär George W. Ball, in Washington zu einer Diskussion der amerikanischen Vorschläge zusammentraf,380 räumte der Generaldirektor für ökonomische Angelegenheiten am Quai d’Orsay ein, dass die Präferenzen Frankreich keinen Gewinn brächten, sondern im Gegenteil recht teuer seien. Die französische Regierung sei daher bereit, über alle Fragen und Pläne zu sprechen, die das gegenwärtige System ändern oder ersetzen könnten. Da die USA jedoch eine Lösung im weltweiten Rahmen anstrebten und diese letztlich mit regionalen Abmachungen für unvereinbar hielten, während die französische Seite mit Blick auf ihre afrikanischen Klientel regionale Lösungen verteidigte, lehnte Frankreich die amerikanische Initiative letztlich ab.381 Die Bedeutung der Präferenzen wurde also auch in Paris neu bewertet. Maßgebliche Beamte des französischen Außenministeriums wie Wormser und Bernard Clappier, Directeur des Relations économiques extérieures, maßen ihnen keine besondere ökonomische Bedeutung mehr bei, betonten jedoch mit Blick auf die Haltung der assoziierten afrikanischen Staaten ihre politische Bedeutung als Ausdruck der Solidarität Europas mit Afrika und sogar ihre psychologische Bedeutung. Mit letzterem gaben sie allerdings deren Beharren auf den Präferenzen einen Akzent des Irrationalen.382 Auch wenn die Haltung der Assoziierten und ihre Interesse an sicheren und lohnenden Absatzmärkten in der EWG die französische Position wesentlich bestimmte, weitete sich somit der Blick für Alternativen.383 Die Organisation der Rohstoffmärkte in Form von Preisstützungsmaßnahmen erschien zunehmend als eine Option, die eine Reduktion der Präferenzen kompensieren konnte. Damit näherte sich die französische Regierung dem amerikanischen und insbesondere dem deutschen Standpunkt an,384 denn nicht nur die Degressivität dieser Maßnahmen, sondern auch das Prinzip des Absatzes zu Weltmarktpreisen wurden anerkannt.385 Sogar ein Abbau des Präferenzsystems wurde französischerseits in Betracht gezogen. Der Europaparlamentarier und spätere Minister Alain Peyrefitte stellte dem Außenhandelsausschuss des 379 380 381 382 383 384
385
Vgl. Memorandum der USA, Die Probleme und Aussichten für Erzeugung und Absatz tropischer Erzeugnisse, (Abschrift, nicht datiert (April 61)), in: BA Koblenz, B 102/130214. Vgl. Fernschreiben der Deutschen Botschaft (Washington) an das Auswärtige Amt, 6.6.61, in: PAAA, B 53/170. Vgl. MAE, Französische Antwortnote vom 13.7.61 auf das amerikanische Memorandum, in: BA Koblenz, B 102/130214. Vgl. MAE, Fernschreiben (Wormsers) an die französische Ständige Vertretung in Brüssel, 28.5.62, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 2612. Vgl. Note a.s. Avenir de l’association, 18.4.61. Vgl. auch: Erklärung des Staatssekretärs im französischen Außenministerium, Herrn Gorse, vor dem Ministerrat der EWG über die Zukunft der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar. (51. Tagung des Rates am 24. und 25. Juli 1961), 28.7.61. Vgl. Secrétariat Général du Gouvernement, Compte-rendu du Conseil restreint du mardi 19 septembre 1961. Paris, 25.9.61; EWG, Rat: Protokoll über die 52. Tagung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (25.-27.9.61) in Brüssel, Künftige Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten überseeischen Gebieten, Erklärung des Ständigen Vertreters Frankreichs bei der EWG, Herrn Boegner, 2.10.61.
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Europäischen Parlaments in diese Richtung gehende Überlegungen vor. Ihm ging es darum, die Assoziation insgesamt unter die Perspektive der Entwicklungshilfe zu stellen. Maßnahmen zur Strukturanpassung sollten die Zollpräferenzen allmählich ersetzen.386 Präferenzen waren in dieser Perspektive, die stärker die endogenen Faktoren von „Unterentwicklung“ akzentuierte, nur noch ein Instrument unter anderen. Dass dennoch französischerseits gerade in den Außenhandelsbeziehungen zu Entwicklungsländern ein Dirigismus als Zeichen der Solidarität verstanden wurde, machte Armengaud auf der Straßburger Parlamentarierkonferenz deutlich, auf der er sich für Maßnahmen zur Preisstabilisierung aussprach: „Der Widerstand gewisser europäischer Länder, die noch von den Idealen des Kapitalismus und des klassischen Liberalismus beseelt seien, müsse gebrochen werden. Die europäischen Länder müssten ihre althergebrachten Ideen, so billig wie möglich zu kaufen und so teuer wie möglich zu verkaufen, aufgeben.“387 Die Verteidigung des bestehenden Präferenzsystems spielte aber auch im europapolitischen Kalkül Frankreichs eine Rolle. Wie Wormser der französischen Delegation in Brüssel mitteilte, betrachtete Paris die Präferenzfrage auch als Trumpf in den Verhandlungen mit Großbritannien, der gegen einen britischen Beitritt ausgespielt werden konnte.388 Denn die Sicherung der handelspolitischen Sonderstellung der Assoziierten konnte zollpolitische Lösungen für die afrikanischen Commonwealth-Mitglieder im Rahmen der EWG-Englandverhandlungen wesentlich erschweren und damit auch angesichts der von der britischen Regierung gegenüber dem Commonwealth wie dem Unterhaus übernommenen Verpflichtungen den Beitritt Großbritanniens zur EWG selbst.389 In Zeiten, wo die Entwicklungspolitik ganz oben auf der Agenda der westlichen Welt stand, forderte Frankreich eine Erhöhung der EWG-Entwicklungshilfe für die assoziierten Staaten ein. Der EEF sollte daher mit Mitteln in Höhe von 226 Mio. $ jährlich ausgestattet werden und nicht nur Subventionen, sondern auch Darlehen sowie Garantien für Privatinvestitionen übernehmen können.390 Die französische Verhandlungsposition kennzeichnete also eine besondere Nähe zu der der Assoziierten, ohne dabei die eigenen Interessen zu verleugnen. Insbesondere im handelspolitischen Bereich wurde das französische Bestreben deut386
387
388 389 390
Peyrefitte, Außenhandelspolitik und Entwicklungshilfe, Juni 1961. Auch Duvieusart nahm in seinem, mit Unterstützung der Kommission erstellten Bericht für die europäisch-afrikanische Parlamentarierkonferenz Bezug auf die Bedeutung von Maßnahmen zur Strukturverbesserung. Vgl. Duvieusart, Die wirtschaftliche Zusammenarbeit, Juni 1961. Zit. n.: Die afro-europäische Parlamentarier-Konferenz. Abgeordnete aus 22 Parlamenten berieten über die künftige Gestaltung der Assoziierung mit der EWG, in: Bulletin, Nr. 124/S. 1205, Juli 1961. Vgl. Fernschreiben (Wormsers) an die französische Ständige Vertretung in Brüssel, 28.5.62. Vgl. auch: „Querschuß gegen England gescheitert. Expertenverhandlungen EWG-Afrika ab Januar – Gespannter Abschluß der Pariser Konferenz“, in: INDUSTRIEKURIER, 9.12.61. Vgl. Note a.s. Avenir de l’association, 18.4.61; Note a.s. Association des Etats africains et malgaches au Marché Commun, 15.5.61 ; Secrétariat Général du Gouvernement, Compte-rendu du Conseil restreint du mardi 19 septembre 1961. Paris, 25.9.61; EWG, Rat: Protokoll über die 52. Tagung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (25.-27.9.61) in Brüssel, Künftige Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten überseeischen Gebieten, Erklärung des Ständigen Vertreters Frankreichs bei der EWG, Herrn Boegner, 2.10.61.
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lich, den Assoziierten nach wie vor eine Sonderstellung in ihren Beziehungen zur EWG zu sichern. Was die Entwicklungspolitik der EWG anging, dachte die französische Regierung stärker in franko-afrikanischen als in gesamtafrikanischen oder gar weltweiten Dimensionen. Im Übrigen war die Verteidigung der Interessen der Assoziierten auch Teil einer französischen Strategie, die Frankreichs Einfluss im frankophonen Afrika als Schutz- und Führungsmacht auch im postkolonialen Zeitalter gewährleisten sollte. In diesem Sinne hatte Hadengue in einer Aufzeichnung für De Gaulle empfohlen, der französischen Haltung als Zielsetzung zugrundezulegen, „de soutenir des positions qui, sans nuire à ses intérêts, lui conservent la sympathie des Africains et manifestent à leurs yeux sa volonté fondamentale en ce qui les concerne.“391 Im Gegensatz zur Bundesrepublik verzichtete Paris darauf, den EWGPartnern eine Gesamtkonzeption zu unterbreiten. Dies sicherte der französischen Position eine gewisse Flexibilität, die auch Ausdruck des Bestrebens war, die Verhandlungen schnell abzuschließen. Paris führte die Assoziierungsverhandlungen durchaus in dem Bewusstsein, dass sie keinen Raum ließen, um Maximallösungen durchzusetzen. Angesichts der Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien bestand nämlich die Gefahr, die Zeit für einen Kompromiss mit der Bundesrepublik zu verspielen, der den Assoziierten die exklusiven Vorteile, die sie wünschten, sicherte.392
1.5. Die multilateralen Verhandlungen über ein neues Assoziierungsabkommen Im Dezember 1961 wurden schließlich die Regierungsverhandlungen zwischen den Sechs und den 18 über ein neues Assoziierungsabkommen eröffnet und ein Jahr später, am 20. Dezember 1962, das neue Abkommen auf der fünften Ministertagung der EWG und der assoziierten afrikanischen Staaten paraphiert. Dazwischen lag eine langwierige, durch ein komplexes Zusammenspiel von Interessen charakterisierte Verhandlungsphase, die auf mehreren Ebenen ablief.393 In der vertikalen Dimension verhandelten die Sechs und die 18 miteinander, auf den Tagungen der Fachminister und in den von der ersten Ministertagung eingesetzten Lenkungsausschuss und drei Arbeitsgruppen der Sachverständigen, die sich mit den Handelsbeziehungen, der finanziellen und technischen Zusammenarbeit und den Institutionen der Assoziierung befassten.394 Weiterhin gab es auf 391 392 393
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Note à l´ attention de Monsieur le Président de la République, Président de la Communauté, 11.7.61. Vgl. MAE, Service de Coopération, Note a.s. Association des Etats africaines et malgaches à la C.E.E.. Etat des travaux, 3.2.62, in: CHAN, SGAM, Fonds publics, 2612. Cosgrove-Twitchett und Moser haben auf die methodischen Schwierigkeiten hingewiesen, vor die sich eine Analyse dieses multilateralen und multidimensionalen Verhandlungsprozesses gestellt sieht. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 82 f.; MOSER:, Thomas: Eurafrika, S. 466 f. Auch diese neuerliche archivgestützte und multiperspektivische Analyse erhebt nicht den Anspruch, die Yaoundé-Verhandlungen in ihrer ganzen Komplexität nachzuzeichnen. Gleichwohl sollen Interaktions- und Kommunikationsprozesse besonders betont, eine erweiterte Perspektive auf die Verhandlungen eingenommen werden. Der Lenkungsausschuss, die Arbeitsgruppen für Warenverkehr und die für technische und finanzielle Zusammenarbeit nahmen im Februar ihre Arbeit auf. Die Konstituierung der dritten Arbeitsgruppe für institutionelle und administrative Fragen wurde bis nach der zweiten Ministertagung aufgeschoben, da zunächst Fortschritte zu den ersten beiden Problemkreisen
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dieser Ebene halboffizielle und informelle Kontakte zwischen der EWG-Kommission und einzelnen Mitgliedstaaten einerseits und einzelnen assoziierten Staaten andererseits. Darüber hinaus bestimmten die Verhandlungen auch zwei horizontale Dimensionen, in denen die Sechs und die 18 jeweils untereinander verhandelten. Schließlich hatten auch Kontexte wie die EWG-Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien und die handelspolitischen Initiativen der USA innerhalb und außerhalb des GATT Rückwirkungen auf die Assoziierungsverhandlungen.395 Auf der horizontalen Verhandlungsebene der Sechs standen sich kompetitiv zwei Assoziierungskonzeptionen gegenüber, zu deren jeweiligen Exponenten Frankreich und die Bundesrepublik zählten. Die EWG-Mitgliedstaaten, die vor Beginn der Regierungsverhandlungen mit den AASM noch zu keiner gemeinsamen Position gefunden hatten, gingen nunmehr an die Revision der Prinzipien und Verpflichtungen der Assoziierung. Insbesondere im handelspolitischen Bereich galt es angesichts unterschiedlicher ordnungspolitischer Vorstellungen und Interessen einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die Höhe der Präferenzen, die eng damit verbundene Frage nach der Abschaffung des französischen Überpreissystems und schließlich die nach den Kompensationen, die die EWG den assoziierten Staaten für den Verlust ihrer Privilegien im französischen Markt leisten sollte, waren zentrale Verhandlungsgegenstände. Bewegung in die Verhandlungen der Sechs untereinander brachte der Vorschlag einer tel quel-Lösung des niederländischen Außenministers Luns, der von deutscher Seite unterstützt wurde. Luns hatte vor, die bestehende Assoziierungsregelung zu verlängern, um in der Zwischenzeit zusammen mit Großbritannien eine endgültige Lösung zu verhandeln, die auch die afrikanischen und westindischen Commonwealth-Mitglieder mit einschloss.396 Die französische Seite verstärkte daraufhin ihre Bemühungen, mit der deutschen Delegation eine Übereinkunft zu erzielen. Schon seit November kommunizierten die beiden Seiten in bilateralen Gesprächen ihre jeweiligen Vorstellungen zur Neugestaltung der Assoziierung.397 Im so genannten Ortoli-Memorandum vom 6. Februar beharrte Frankreich zwar auf der Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EWG und den AASM, die letzteren trotz des Verlusts der Privilegien auf dem französischen Markt Exporterlöse zumindest in der bisherigen Höhe garantierte. Kompromissbereitschaft signalisierte die französische Seite hingegen hinsichtlich der Präferenzen, deren Abbau möglich sei, wenn andere Regelungen wie Ausgleichs-
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erzielt werden sollten. Vgl. Zweite Ministertagung der EWG und der AASM, 9./10.4.62, Bericht des Lenkungsausschusses an die Zweite Ministertagung (Berichterstatter: Djime Momar Gueye), 9.4.62, in: HAEG Brüssel BAC 19/1969 81. Diese Dimensionen wurden in Anlehnung an Zartman, der als erster die YaoundéVerhandlungen analysiert hat, und Cosgrove-Twitchett identifiziert, Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 54 f.; COSGROVE TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 83. Vgl. Auszugsweise Abschrift über die Ressortbesprechung im AA am 19.2.62, in: BA Koblenz, B 102/130219; SGAM, J.P. Hadengue, Note à l’attention de M. le Secrétaire Général, Etat de la négociation sur le renouvellement du traité d’Association, 27.2.62, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 2612. Vgl. z. B.: Anlage zu einem Entwurf eines Schreibens von Hasselblatt, BMWi, an LR I Mühlen, AA, vom 2.1.62: Inoffizielle Aufzeichnung von französischer Seite zur französischen Grundhaltung und deutsch-französischen Divergenzen hinsichtlich der Assoziierung, in: BA Koblenz, B 102/130218.
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zahlungen oder Kontingente an deren Stelle kämen.398 In einem weiteren Gespräch, das Anfang März in der Residenz des deutschen Botschafters in Brüssel mit den französischen Delegierten Ortoli und Boegner stattfand,399 stellte die französische Seite klar, dass auch ihre handelspolitischen Vorschläge darauf zielten, den Assoziierten den Übergang vom aktuellen System der Franc-Zone zu dem der Weltmarktkonkurrenz zu ermöglichen, ohne die ökonomische und politische Stabilität der afrikanischen Länder zu erschüttern. Frankreich ging allerdings von gestützten und regulierten Weltmarktpreisen für tropische Erzeugnisse aus, auf die es auch im GATT hinwirkte.400 Insofern bestand in diesem Punkt eine von den unterschiedlichen ordnungspolitischen Vorstellungen der Gesprächspartner herrührende kognitive Dissonanz. Erst im Laufe der Verhandlungen löste sich diese schließlich auf Kosten der Kohärenz der französischen Position auf. Nicht nur das surprix-System, sondern auch die Problematik des nach deutschem Dafürhalten überbewerteten Franc CFA, dessen Erörterung im Rahmen der EWG bisher tabuisiert gewesen war, wurde französischerseits zur Diskussion gestellt.401 Damit griff die französische Seite bewusst deutsche Vorbehalte auf und erhob zugleich die Forderung nach neuen Subventionszahlungen von der EWG für die Assoziierten zum Ausgleich des Preis-Kosten-Niveaus zwischen den Staaten der Franc-Zone und dem Weltmarkt.402
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Vgl. Note sur le régime des échanges dans l’Association des Pays et Territoires d’Outre-Mer, Bruxelles, 6.2.62, in: PAAA, B 53/167; BMWi, Vermerk, Betr.: Berücksichtigung der französischen Wünsche (Ortoli-Memorandum) bezüglich der Neuregelung der Assoziierung mit den afrikanischen Staaten, 23.2.62, in: BA Koblenz, B 102/130219. Vgl. Aufzeichnung über die Besprechung in der Residenz von Herrn Botschafter Harkort am 5. März 1962 betreffend Abschluss eines neuen Assoziierungsabkommens mit den afrikanischen Staaten, 6.3.62, in: Ebd., 130220; Conversation franco-allemandes du 5 mars 1962 au sujet du renouvellement de la Convention d’association des Pays et Territoires d’Outre-Mer, nicht datiert, in: SGAM, Fonds public 2612. Vgl. MAE, Projet de note pour le ministre, Négociation pour le renouvellement de la Convention d´ association avec les Etats africains et malgache, 8.6.62, in: MAE, Papiers Wormser 35. Im Zentrum der Problematik der assoziierten Volkswirtschaften der Franc-Zone stand nach deutscher Auffassung, dass der Überseefranken die Abwertung des französische Franken nicht mitgemacht hatte. Stabilisierungskassen oder die Zahlung von Differenzbeträgen korrigierten aus dieser Perspektive letztlich eine falsche Währungsrelation. Dass im Bundeswirtschaftsministerium der Währungsproblematik so viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde, rührte von der Erfahrung mit der Währungsreform von 1948 her, an deren Gelingen Erhard maßgeblichen Anteil gehabt hatte. Als die EWG-Kommission in Person des deutschen Generaldirektors gegenüber der Bundesregierung eine ursächliche Verbindung zwischen der Überbewertung des CFA und Überpreisen für tropische Produkte zurückwies, machte Meyer-Cording deutlich, dass diese Argumentation für den Bundeswirtschaftsminister, der immer den Erfolg der deutschen Währungsreform vor Augen habe, nur schwer verständlich sei. Vgl. Aufzeichnung für die im Ministerrat am 6. Februar 1962 einzunehmende deutsche Haltung mit Bezug auf die Assoziierung der überseeischen Gebiete, 5.2.62, in: Ba Koblenz, B 102/130219; Ergebnisprotokoll über die Besprechung im Auswärtigen Amt mit Kommissar Henri Rochereau am 21. Februar 1962 unter Vorsitz von StS Lahr, in: Ebd., 130220. Vgl. Der BMWi an den StS des Bundeskanzleramts, Betr.: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft; hier: Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den afrikanischen Staaten, Kabinettsvorlage für 28.2.62, 27.2.62, in Anlage: Aufzeichnung betr. Überprüfung der deutschen Auffassung über die Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den afrikanischen Staaten, 27.2.62, in: Ebd.
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Dem deutschen Staatssekretär Lahr ging es demgegenüber mehr um die Frage nach den Lasten des Übergangs, die nicht auf Europa allein ruhen dürften, da ein Teil der eigentlichen Verantwortung bei Frankreich bleibe.403 Damit deutete er schon an, dass eine handelspolitische Übereinkunft nicht auf der Basis einer Ausdehnung des französischen Systems auf die EWG, sondern allenfalls einer übergangsweise bilateralen Weiterführung durch Frankreich selbst zu erzielen sei. Was die Regelung der künftigen Assoziierung betraf, verfügten die Deutschen nicht nur über eine eigene Gesamtkonzeption, sondern stützten ihren Standpunkt mittlerweile auch auf eigene Anschauungen vor Ort und Expertisen, die nicht immer mit denen Frankreichs oder der EWG-Kommission übereinstimmten.404 Im November/Dezember 1961 hatte Ministerialrat Heise (BMWi) eine Reise nach Kamerun unternommen, um „an Ort und Stelle Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse in Produktion und Handel der tropischen Erzeugnisse [zu treffen], die Gegenstand unserer Erwägungen in der Assoziierungspolitik sind.“405 Heise kehrte von dieser Reise mit Einsichten zurück, die die Möglichkeit boten, „die Richtigkeit der deutschen wirtschaftspolitischen Grundhaltung auch für einen Staat in Afrika zu demonstrieren [...].“406 Der Ministerialrat hob unter anderem hervor, dass die Zollpräferenz neben dem Eingreifen der Stabilisierungskassen für den Erzeuger keine Bedeutung habe; seine Einblicke in die Kakao und Kaffeeernte ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass der Absatz dieser Produkte auf dem Weltmarkt vor allem eine Frage ihrer Qualität sei. Gleichwohl merkte er relativierend an, dass die Lage in anderen afrikanischen Ländern anders sein könne und somit in jedem afrikanischen Land und bei jedem Produkt anders zu beurteilen sein werde. Schließlich erschien dem Beamten die „betont privatwirtschaftliche Einstellung“407 der genossenschaftlich organisierten, landwirtschaftlichen Cooperative bemerkenswert. Eine neue handelspolitische Initiative der USA, die an das Memorandum vom Juni 1961 anknüpfte, bot der Bundesregierung zudem erneut die Möglichkeit zu betonen, dass ihre Assoziierungskonzeption die Unterstützung der USA habe.408 Mit ihrem neuen Memorandum vom Februar 1962 versuchte die USRegierung außerhalb des GATT, in dem Verhandlungen zwischen der EWG und den USA über die Senkung des Gemeinsamen Außentarifs stattfanden, direkten Einfluss auf die Assoziierungsverhandlungen zu gewinnen.409 Ihr Anliegen, zusammen mit der EWG, Großbritannien und den assoziierten Ländern ein Programm für tropische Rohstoffe auszuarbeiten, scheiterte an der Opposition 403 404 405 406 407 408 409
Vgl. Conversation franco-allemandes du 5 mars 1962 Vgl. BMWi, MR Heise, Reisebericht über die Reise nach Kamerun vom 29.11.-9.12.61, 2.1.62, in: BA Koblenz, B 102/130219. BMWi, Staatssekretärvorlage für Müller-Armack, 13.6.61, in: Ebd. MR Heise, Reisebericht, 2.1.62 Ebd. Vgl. Ergebnisprotokoll über die Besprechung im Auswärtigen Amt mit Kommissar Henri Rochereau am 21. Februar 1962. Vgl. Amerikanisches Memorandum vom 5.2.62 (Abschrift), in: Ebd., 130219; Allardt, AA, Staatssekretärvorlage, Aufzeichnung, Betr.: Verhandlungen über die Neuregelung des Assoziierungsverhältnisses, 9.2.62, in: Ebd.; Hasselblatt, BMWi, Vermerk, Betr.: Inhalt der Verbalnote der USA zu den Assoziierungsverhandlungen der EWG mit den afrikanischen Staaten, 16.2.62, in: Ebd.
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Frankreichs und Belgiens.410 Im Mai tat die US-Administration gegenüber der französischen Regierung ihre Erwartung kund, dass die neu ausgehandelte Assoziierungsregelung „clearly transitional in character“ 411 sein werde und den Weg offen lasse für nicht diskriminierende, weltweite Handelslösungen für tropische Erzeugnisse.412 Auch die lateinamerikanischen Staaten übten Druck auf die EWG aus, so im Juli 1962 anlässlich einer Kaffeekonferenz in New York, auf der sie die Gemeinschaft zu einer weiteren Senkung des gemeinsamen Kaffeezolls drängten.413 Dass die EWG bereit war, diesen internationalen Kontexten verstärkt Rechnung zu tragen, dokumentierte beispielsweise ein Aktionsplan der Kommission, der besonders Lateinamerika in den Blick nahm.414 Weder der Bundesrepublik noch Frankreich gelang es, ihrer jeweiligen Assoziierungskonzeption im Ministerrat vollständig Geltung zu verschaffen. Die Bundesregierung begann daher, ihre Assoziierungskonzeption in einem wesentlichen Punkt zu revidieren. Mitte Februar schwenkten die Ressorts auf die bisher abgelehnte Freihandelszonenlösung ein.415 Zu dieser Revision trug zunächst bei, dass Bonn auch für die nächste Sitzung des EWG-Ministerrats Anfang März nicht erwartete, dass sich die deutsche Gesamtkonzeption durchsetzte. Sodann wollte die Bundesregierung damit auch den Interessen der Assoziierten Rechnung tragen.416 Die Bedeutung, die die Präferenzen für die Assoziierten als „ein Symbol ihrer Verbindung zur EWG“417 hatten, hatte am 21. Februar noch die EWG-Kommission gegenüber der Bundesregierung hervorgehoben.418 Schon Ende Januar hatte der Präsident des Europäischen Parlaments Furler Bonn über die Kritik an der Haltung der Bundesregierung, insbesondere an der Erhards, informiert, die afrikanische Parlamentarier auf der Tagung des Ständigen paritätischen Ausschusses, den die Straßburger Parlamentarierkonferenz eingesetzt hat-
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Vgl. Fernschreiben der deutschen Ständigen Vertretung Brüssel, 13.4.62, in: Ebd., 130222; MAE, Télégramme au Départ (nach Washington), 21.3.62, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 2612. Schreiben des Foreign Service of the United States of America, American Embassy, Paris (Jacques J. Reinstein, Minister of Economic Affairs), an Olivier Wormser, Director of Economic and Financial Affairs, Ministry of Foreign Affairs, 30.5.62, in: Ebd. Vgl. ebd. Vgl. BMWi, Aufzeichnung, Betr.: Neuregelung der Assoziierung; hier: Senkung des Kaffeeund Kakaozolls, 5.9.62, in: B 102/130229. Die lateinamerikanische Forderung führte dazu, dass innerhalb der EWG der bereits erreichte Kompromiss über die Senkung des gemeinsamen Kaffeezolls wieder in Frage gestellt wurde. Belgien, die Bundesrepublik, Italien und die Niederlande traten dafür ein, den Zoll nunmehr doch, wie ursprünglich schon einmal gefordert, um 50% zu senken; Frankreich hingegen bezeichnete die vereinbarte Senkung um 40% als das Äußerste, was den Assoziierten zugemutet werden könnte. Vgl. Afrikanische Partnerstaaten an der Kasse der EWG, in: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 10.4.62. Vgl. Ergebnis über die Ressortbesprechung im Auswärtigen Amt am 19. Februar 1962 über die Beitritte und Assoziierungen dritter Staaten mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: PAAA, B 53/166. Vgl. AA, Abt. 2, Aufzeichnung, Betr.: Sitzung des Wirtschaftskabinetts am 28. Februar, hier: TO-Punkt: Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den afrikanischen Staaten, 27.2.62, in: Ebd. Ergebnisprotokoll über die Besprechung im Auswärtigen Amt mit Kommissar Henri Rochereau am 21. Februar 1962. Vgl. ebd.
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te, geübt hatten.419 In einem Schreiben an den Bundeswirtschaftsminister vom 3. Februar hob Furler hervor, dass die Assoziierten der Bundesrepublik die Verantwortung für ein Scheitern der Verhandlungen zuschreiben würden.420 Dem Auswärtigen Amt gelang es vor diesem Hintergrund, seiner Perspektive auf die Präferenzfrage Geltung zu verschaffen. Die Assoziierten mit Ausnahme einer Sonderregelung für tropische Erzeugnisse wie dritte Länder zu behandeln, erschien auch der Bundesregierung fortan nicht mehr opportun.421 Für die Freihandelszonenlösung sprach schließlich auch, dass die Briten sie mit Blick auf die Commonwealth-Länder befürworteten.422 Zugleich hatte der Präsident des Europäischen Parlaments als mögliche Kompromisslösung einen von Staatssekretär Müller-Armack im November im Ministerrat formulierten Plan wieder ins Gespräch gebracht, der die Schaffung einer Freihandelszone mit Schutzklauseln auch für die EWG-Staaten vorsah.423 Nachdem die Kommission ebenfalls den sog. Müller-Armack-Plan als geeignete Diskussionsgrundlage empfohlen hatte,424 übernahm Bonn diesen in seine revidierte Assoziierungskonzeption. Vor diesem Hintergrund gelang es der EWG während des Ministerrats am 7. März, eine weitgehende Annäherung über die künftige Handelsregelung im Rahmen der Assoziierung zu erzielen.425 Lediglich die Niederlande, die den Kursschwenk Bonns nicht unmittelbar nachvollziehen wollten, machten nach wie vor grundsätzliche Vorbehalte geltend, stimmten aber schließlich im Mai der Freihandelszonenlösung zu.426 Strittig unter den Sechs blieb damit im handelspolitischen Bereich die Höhe der Senkung des Gemeinsamen Außentarifs für tropische Erzeugnisse. Denn Bonn und die Niederlande, die am Ziel der Einebnung der Präferenzen festhielten, forderten nach wie vor eine Senkung des Außentarifs um 50%. Für Frankreich stellte diese Frage einen wesentlichen Verhandlungsgegenstand dar, bei dem nicht zu früh Konzessionen 419
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Vgl. BMWi, Meyer-Cording, Leiter der Abt. E, Vermerk, Betr.: Gespräch von Herrn Minister mit Präsident Prof. Furler über die Assoziierung der afrikanischen Länder, Bezug: Schreiben von Herrn Präsidenten Furler vom 3. Februar 1962, 26.2.62, in: BA Koblenz, B 102/130220. Vgl. Schreiben Furlers an Erhard, 3.2.62, in: Ebd. Vgl. AA, Abt. 2, Aufzeichnung, 27.2.62. Vgl. Vgl. ebd.; Fernschreiben der deutschen Ständigen Vertretung, Brüssel, 26.2.62, in: Ba Koblenz, B 102/130220. Vgl. Schreiben Furlers an Erhard, 3.2.62. Zum Vorschlag Müller-Armacks vgl. Abschrift, Text des Vorschlags, den Staatssekretär Müller-Armack als amtierender Präsident des EWG-Rates am 14. November 1961 formulierte, in: Ebd. Den Schutzklauseln gegen Einfuhren aus den AASM lag die Befürchtung zugrunde, dass sich diese möglicherweise zu Niedriglohnländern entwickeln konnten. Die deutsche Wirtschaft war sich in dieser Frage nicht einig. Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) hielt diese Schutzklauseln für politisch falsch, der BDI forderte sie. Vgl. Deutscher Industrie- und Handelstag (DIHT), Kurzprotokoll über die gemeinsame Sitzung der Arbeitskreise „Europäische Wirtschaftsintegration“ und „Einfuhrfragen“ in Bonn am 8.3.62, 29.3.62, in: PAAA, B 20/590; BDI, Welter, an den BMWi, z. Hd. MR Heise, 3.7.62, in Anlage: UNICE, Pays en voie de développement, Renouvellment de la Convention d’Association, 27.6.62, in: BA Koblenz, B 102/130227. Vgl. Ergebnisprotokoll über die Besprechung im Auswärtigen Amt mit Kommissar Henri Rochereau am 21. Februar 1962. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Verhandlungen über die Neuregelung der Assoziierung der afrikanischen Staaten mit der EWG, 13.3.62, in: PAAA, B 20/590; SGAM, Note à l’attention de M. le Président de la République, 8.3.62, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1486. Zur Haltung der Niederlande in den Assoziierungsverhandlungen vgl. auch: HARRYVAN/VAN DEN HARST: A Bumpy Road to Lomé, S. 326-328.
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gemacht werden durften.427 In diesem Punkt konnten die Sechs erst im Juni, unmittelbar vor der dritten Ministertagung der EWG und der AASM, Einigkeit herstellen. Auch die Höhe und Modalitäten der finanziellen und technischen Hilfe führten in der EWG zu Kontroversen.428 Frankreich schlug eine Entwicklungshilfe in Höhe von 1,5 Mrd. RE vor, korrigierte seine Forderung jedoch relativ zügig nach unten.429 Die Kommission hielt für die Laufzeit der neuen Assoziierungsregelung eine Hilfe von insgesamt 1,275 Mrd. RE für angemessen. Die Bundesregierung sah hingegen in ihrer Gesamtkonzeption lediglich eine Hilfe von insgesamt 681 Mio. RE vor und die Niederlande blieben mit ihren Vorstellungen einer Hilfe in Höhe von 600 Mio. RE noch darunter.430 Die Assoziierten forderten demgegenüber auf der zweiten Ministertagung mit der EWG eine wesentlich höhere Summe, nämlich 1,8 Mrd. RE.431 Dazu hatten sie die Entwicklungsbedürfnisse ihrer Volkswirtschaften kalkuliert, die eine diversifizierte, neue Interventionsbereiche umfassende Entwicklungshilfe erforderten. Sie führten daher Indikatoren wie das Bevölkerungswachstum an, kalkulierten aber auch die ihnen aus dem Fortfall französischen Preisstützung entstehenden Verluste oder die notwendigen Kompensationen für die Senkung der Präferenzen ein.432 Die EWG hingegen verweigerte sich der Logik über die Identifizierung von Entwicklungsbedürfnissen die Höhe der künftigen, Entwicklungshilfe zu bestimmen. Gorse wies für die Gemeinschaft auf der zweiten Ministertagung der EWG und der assoziierten Staaten im April 1962 das Ansinnen zurück, neue Referenzpunkte für die Hilfe aufzustellen.433 Bezugspunkt für die EWG blieb die Mittelausstattung des ersten EEF. Ihre Vorschläge differierten, weil sie entweder von der Gesamthöhe des ersten EEF oder der Höhe seiner Mittel im letzten Jahr ausgingen oder die Höhe einer zusätzlichen Hilfe unterschiedlich kalkulierten.434 Als sich die französischen, deutschen und niederländischen Vorschläge annäherten, unterbreiteten Belgien und Luxemburg einen Kompromissvorschlag: 581 Mio. RE für den EEF, dazu 150 Mio. RE für Produktionshilfen und weitere 50 für Diversifizierungshilfen. Weitere 50 Mio. RE sollte die Europäische Investitionsbank für Darlehen zur Verfü-
427 428 429 430 431 432 433 434
Vgl. SGAM, Note à l’attention de M. le Secrétaire Général. 5.4.62, in: SGAM, Fonds public, 1486. Vgl. auch: ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 67-74. Vgl. MAE, Projet de note pour le ministre, 8.6.62. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 88. Vgl. BMWi, Hasselblatt an Müller-Armack, Betr.: 2. Tagung des Rats der EWG mit den afrikanischen Staaten und Madagaskar, 11.4.62, in: BA Koblenz, B 102/130222. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 68. Vgl. ebd. In der Spätphase der Verhandlungen wies das Bundeswirtschaftsministerium das Ansinnen des Bundesfinanzministeriums zurück, den Umfang des EEF nach den Entwicklungsbedürfnissen der AASM zu bestimmen. Die Höhe der Finanzhilfe für die erste Assoziierungsphase sei auf politischer Ebene ausgehandelt, wobei allein die Leistungsfähigkeit bzw. -willigkeit der Mitgliedstaaten maßgebend gewesen sei und nicht der Bedürfnisgrad der Assoziierten. „Jedes Abgehen von diesem Prinzip um kurzfristiger Vorteile und geringfügiger Einsparungen willen nach unten kann später unter Heranziehung der gleichen Argumente (z.B. gestiegene Bevölkerungszahl) einen erheblichen Druck seitens der Assoziierten nach oben auslösen, dem man auf Grund des einmal geschaffenen Präzedenzfalles wohl oder übel nachgeben müsste.“ (BMWi, Vermerk, Betr.: Neuregelung des Assoziierungsverhältnisses; hier: Finanzfragen, Betr.: Ressortbesprechung am 29.9.62 im BMF, 28.9.62, in: Ba Koblenz, B 102/130229).
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gung stellen.435 Dennoch befanden sich die Verhandlungen nach dem Ministerrat vom 4. und 5. Juni am toten Punkt.436 Frankreich hatte 850 Mio. plus 90 Mio. Produktionsbeihilfen für Ölfrüchte zu Lasten des Europäischen Agrarfonds gefordert, während die EWG-Partner eine Hilfe über die Gesamtsumme von 780 Mio. RE hinaus für nicht realisierbar hielten.437 Tatsächlich reichten, wie der deutsche Finanzminister feststellte, die angebotenen Beiträge noch nicht aus, um diese Summe aufzubringen.438 Damit stellte sich die Frage des Verteilungsschlüssels. Frankreich und die Niederlande drängten Italien zu einer Verdoppelung seines Beitrags,439 während die BRD, die als größter Nettobeitragszahler auf einen gleichgewichtigeren Verteilungsschlüssel Wert legte, einen über 234 Mio. RE hinausgehenden deutschen Beitrag ausschloss.440 Angesichts dieser Differenzen trat die EWG an die Assoziierten heran, um die dritte Ministertagung der EWG und der AASM auf Anfang Juli zu verschieben. Zwischenzeitlich sollte die Tagung des Ministerrats am 20./21. Juni den Durchbruch bringen. Der dort erzielte Kompromiss unter den Sechs forderte von allen Seiten Zugeständnisse. Auf deutscher Seite musste Staatssekretär Müller-Armack über seine Weisungen hinausgehen und sowohl bei der Höhe des deutschen Finanzbeitrags als auch bei der Höhe der Senkung des Gemeinsamen Außenzolls für einige tropische Erzeugnisse Zugeständnisse machen. Seinen ad referendum abgegebenen Zusagen stimmte das Bundeskabinett schließlich gegen den Widerspruch des Bundesfinanzministers zu.441 Der Kompromiss unter den Sechs kam auch in der Erwartung zustande, auf der für den 4./5. Juli anvisierten Ministertagung der EWG und ASSM die Assoziierungsverhandlungen abschließen zu können.442 Doch die Assoziierten wiesen das Angebot der Gemeinschaft, das u. a. eine Entwicklungshilfe in Höhe von 780 Mio. RE – 730 Mio aus den Beiträgen der Mitgliedstaaten und 50 Mio. von der EIB sowie im handelspolitischen Bereich die zollfreie Einfuhr für tropische Er435 436 437 438
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Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 88 f. Vgl. MAE, Projet de note, 8.6.62. Vgl. Fernschreiben der deutschen Ständigen Vertretung (Brüssel), Betr.: 69. Tagung der Räte der EWG am 4./5. Juni 1962, 6.6.62, in: Ba Koblenz, B 102/130225. Vgl. BMF, Sprechzettel für die 69. Tagung des EWG-Rats am 4./5.6.1962, Betr.: Künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar; hier: Finanzhilfe, 2.6.62, in: Ebd. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 88 f. Vgl. BMF, Sprechzettel für die 69. Ministertagung, 2.6.62; Schreiben von StS Hettlage (BMF) an StS Müller-Armack (BMWi) und StS Lahr (AA), Betr.: EWG/afrikanische Assoziierung, hier: Finanzfragen, 12.6.62, in: BA Koblenz, B 102/130226. Vgl. Der BMWi, Erhard, an den StS im BKamt, Betr.: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft; hier: Beschlussfassung über die Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den afrikanischen Staaten, 28.6.62, In Anlage: Kabinettsvorlage: Darstellung des Ergebnisses der Verhandlungen über die Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den afrikanischen Staaten, in: BA Koblenz, B 136/7965; Der BMF an den StS des Bkamts, Betr.: Beschlussfassung über die Neugestaltung des wirtschaftlichen Inhalts des künftigen Assoziierungsverhältnisses mit den afrikanischen Staaten, Bezug: Ihr Fernschreiben vom 30.6.62, 3.7.62, in: Ebd.; AA, Abt. 2, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung der überseeischen Länder mit der EWG; hier: Stellungnahme zur Kabinettsvorlage des Bundesministers für Wirtschaft vom 28. Juni 1962, 29.6.62, in: PAAA, B 20/591; 35 Kabinettssitzung am 4. Juli 1962, TO-Punkt G, in: Kabinettsprotokolle online. Vgl. z.B. BMWi, Aufzeichnung für Herrn Minister für die Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch, den 27. Juni 1962, 26.6.62, in: BA Koblenz, B 102/130226.
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zeugnisse aus den AASM bei gleichzeitiger Senkung des Gemeinsamen Außenzolls für diese Produkte zwischen 25 und 40% beinhaltete, als nicht befriedigend zurück.443 1961 waren die Assoziierten mit einem ersten Erfolg in die Verhandlungen gegangen. Die Empfehlungen der Straßburger Parlamentarierkonferenz, auf der sich die europäischen Parlamentarier weitgehend mit den Forderungen der Assoziierten solidarisiert hatten, lagen auf der Linie der Verhandlungsposition der Assoziierten und bildeten die Agenda für eine Entwicklungspolitik, die sich durch Gleichberechtigung, Zusammenarbeit, Solidarität und Reziprozität auszeichnen sollte.444 Die Konferenz setzte zudem einen Paritätischen Ausschuss ein, der anlässlich seiner im Januar 1962 in Abidjan, im Mai in Straßburg und im Oktober in Tananarive stattfindenden Tagungen die Verhandlungserfolge an dieser Agenda maß und darüber hinaus bestimmte strittige Fragen aufgriff, um auf deren Lösung Einfluss zu nehmen.445 Wie schon die Empfehlungen der Parlamentarierkonferenz zeichneten auch die des Ausschusses eine besondere Nähe zu den von den Assoziierten während der Verhandlungen eingenommenen Positionen aus. Neben dem Paritätischen Ausschuss bildete das Europäische Parlament ein Forum, in dem Verhandlungsgegenstände parallel zu den laufenden Regierungsverhandlungen öffentlich diskutiert wurden.446 Der Auftakt der Regierungsverhandlungen verlief für die Assoziierten enttäuschend.447 In die erste Ministertagung waren sie mit der Erwartung hineinge443
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Vgl. EWG, Dritte Ministertagung der EWG und der AASM (Brüssel, 4. und 5. Juli 1962), Den assoziierten Staaten auf der dritten Ministertagung unterbreiteter Vorschlag der Gemeinschaft, 18.7.62, in: Ebd., 130228; AA an die Botschaften der BRD, etc., Betr.: 3. Tagung der Minister der mit der EWG assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars und des Rats der EWG am 4./5. Juli 1962, 9.7.62, in: PAAA, B 58/52. Vgl. zur Straßburger Konferenz: VAHSEN, Urban: La Conférence parlementaire eurafricaine de Strasbourg (19-24 juin 1961), in: BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard(Hg.): L’Europe unie et l’Afrique, S. 375-392; PACIFICI, Lorenzo: La conférence parlementaire eurafricaine (Strasbourg, 19-24 juin 1961), in: JOURNAL OF EUROPEAN INTEGRATION HISTORY, 9/1 (2003), S. 37-59. Vgl. Ständiger Paritätischer Ausschuss, Sitzungsprotokoll, Abidjan, 9.1.62, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 42; Europäisches Parlament/Parlamente der afrikanischen Staaten und Madagaskars, Ständiger Paritätischer Ausschuss (Straßburg, 14.-16.5.62), Empfehlung, in: Ebd., 41; Parlement Européen, Documents de séance, Europäisches Parlament, Sitzungsdokumente 1962-1963, Empfehlung des Ständigen Paritätischen Ausschusses (Tananarive, 3.-5.10.62), in Ebd. Vgl. Europäisches Parlament, Sitzungsdokumente 1961-1962, Bericht im Namen des Ausschusses für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern über die von dem Ständigen Paritätischen Ausschuss am 10. Januar in Abidjan angenommene Empfehlung von Herrn Geralmo Lino Moro, 19.2.62, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 42; Vom Europäischen Parlament am 28. Juni 1962 angenommene Entschließung betreffend die vom Ständigen Paritätischen Ausschuss am 15. Mai 1962 in Straßburg angenommene Empfehlung sowie über die aktuellen Assoziierungsprobleme, die damit im Zusammenhang stehen (Dok. 32), Brüssel, 30.6.62, in: Ebd. ; Rapport fait au nom de la commission pour la coopération avec des pays en voie de développement sur la recommandation adoptée par la Commission paritaire permanente à Strasbourg le 15 mai 1962 ainsi que sur les problèmes actuels de l’association qui s’y rattachent. (Rapporteur: M. van der Goes van Naters), 26.6.62, in: Ebd., 41. Vgl. EWG, Kommission; Bericht über die 2. Tagung der Minister am 9., 10. und 11. April 1962 in Brüssel, 13.4.62, in: Ebd., 81. Insbesondere Senegal, das die Präferenzen und Marktorganisationen der Franc-Zone auf die EWG übertragen wollte, zeigte sich enttäuscht. Vgl. Ministre du Commerce, de l’Industrie et de l’Artisanat Abdoulaye (Sénégal), Communication en Conseil des Ministres, Dakar, 11.12.61, in: CHAN, SGAM 2612; Botschaft der BRD (Dakar) an AA,
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gangen, die EWG auf klare und konkrete Richtlinien festlegen zu können, auf deren Grundlagen die Modalitäten einer neuen Assoziierung verhandelt werden konnten. Ihr zusammen mit Frankreich unternommener Versuch, die EWG darauf zu verpflichten, ihnen eine Sonderstellung unter den Entwicklungsländern einzuräumen, scheiterte jedoch. Am Ende der Konferenz stand ein vage formulierter Text zu den Grundsätzen und Zielen der Assoziierung, der unter holländisch-belgischen Einfluss zustande gekommen war und eine Festlegung auf eine handelspolitische Bevorzugung der Assoziierten zu Lasten anderer Entwicklungsländer vermied.448 Dabei semantisierten die Assoziierten den Text grundsätzlich anders als die EWG. Während erstere eine Fortdauer und Stärkung der Assoziierung,449 die sie aus dem Vertrag von Rom herleiteten, anstrebten, tendierte die sich entwickelnde europäische Position in Richtung einer Lockerung und Öffnung der Assoziierung.450 Auch auf der zweiten Ministertagung der EWG und der AASM am 9. und 10. April erschienen die Ausgangspositionen der Europäer und Afrikaner noch sehr verschieden. In den handelspolitischen Fragen wurde zwar eine grundsätzliche Annäherung erzielt; Forderungen der Assoziierten nach einer engen Koordinierung der Handelspolitik wies die EWG zurück. Weder wollte die Gemeinschaft ein Mitbestimmungsrecht bei der Senkung der EWG-Außentarife konzedieren, noch den weitreichenden Forderungen der Assoziierten für die Gemeinsame Agrarpolitik zustimmen.451 Vor besondere Schwierigkeiten stellte die Verhandlungsführung der Assoziierten die Uneinigkeit der EWG, die noch nicht zu einer homogenen Verhandlungsposition gelangt war. Verhandlungstaktisch machte die EWG erfolgreich ihre Uneinigkeit transparent, indem sie den Kompromisscharakter ihrer derzeitigen Position herausstellte und damit de facto ein Verhandeln ihrer Position ausschloss.452 Vorteilhaft für die Assoziierten war in der asymmetrischen Verhandlungssituation, in der die Afrikaner in der Rolle der Nachfrager und die EWG in der des Gebers waren, dass sie von den Europäern als Einheit wahrgenommen wurden. Ihr Bestreben war es daher, die Einheitlichkeit ihrer Position auch während der Verhandlungen aufrechtzuerhalten oder gar zu stärken. Im Februar 1962 trafen
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Betr.: Besuch des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Professor Furler, in Dakar, 8.1.62, in: PAAA, B 53/167. Vgl. Tagung der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars und des Rates der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft, Endgültiges Dokument: Grundsätze und Ziele des neuen Assoziationsabkommens, Dok. 21, 7.12.61, in: BA Koblenz, B 102/130218; SGAM, Note à l’attention de M. le Président de la République, Président de la Communauté, Conférence Eurafricaine de Paris, 8.12.61, in: CHAN, SGAM 1486; Selbstbewusste Afrikaner pochen auf Präferenzen, in: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 9.12.61; Querschuß gegen England gescheitert. Expertenverhandlungen EWG-Afrika ab Januar – Gespannter Abschluß der Pariser Konferenz, in: INDUSTRIEKURIER, 9.12.61. Vgl. z. B. Zweite Ministertagung (Brüssel, 9./10.4.62), Antwort des Wirtschaftsministers der Bundesrepublik Kamerun, Victor Kanga, an den Präsidenten des Ministerrats der Europäischen Gemeinschaften, Couve de Murville, 9.4.62, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 81. Vgl. auch: ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 40. Vgl. EWG, Kommission, Bericht über die 2. Ministertagung, 13.4.62. Vgl. beispielsweise die vom madagassischen Wirtschaftsminister gegenüber dem deutschen Botschafter geäußerte Kritik an diesem Verhandlungsstil nach der Maxime „Take it or leave it“: Deutsche Botschaft Tananarive an AA, Betr.: Assoziierung Madagaskars mit der EWG, 31.7.62, in: PAAA, B 20/591a.
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daher OAMCE-Staaten und die übrigen Assoziierten zusammen, um sich auf drei Arbeitsprinzipien zu verständigen: abwechselnder Vorsitz zwischen Europäern und Afrikanern in den Arbeitsgruppen, schnelle Verhandlungsfortschritte und eine gemeinsame afrikanische Front. Die UAM-Staaten ihrerseits koordinierten im März 1962 anlässlich des Zusammentreffens der Staats- und Regierungschefs in Bangui (ZAR) erneut ihre Haltungen. Sie bekräftigten ihre Verhandlungsgrundsätze wie die Aufrechterhaltung der bestehenden Präferenzen und Vorteile der Assoziierung als Mittel zur Entwicklung, Diversifizierung und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften auf dem Weltmarkt und schärften ihre Verhandlungsposition auch im Detail. So forderten sie eine Preisstabilisierung für tropische Produkte und Marktgarantien durch die Einführung von Kontingenten für nicht-assoziierte Wettbewerber seitens der EWG, die nicht niedriger sein sollten als die bisherigen des französischen Markts.453 Dennoch waren auch die Bemühungen der Assoziierten um die Homogenität ihrer Position nicht vollkommen erfolgreich. Schon im Februar hatte die togolesische Regierung erklärt, keine Präferenzpreise mehr für tropische Erzeugnisse reklamieren zu wollen.454 Auf der zweiten Ministertagung der EWG und der AASM betonte die kongolesischen Delegation (Kongo/Léopoldville) die zu berücksichtigenden besonderen Interessen ihres Landes, dessen handelspolitisches System nach dem open-door-Grundsatz organisiert war.455 Vollständig offensichtlich wurden die Eigeninteressen jedes einzelnen assoziierten Landes in der Spätphase der Verhandlungen bei der Festlegung des Aufteilungsschlüssels für die im neuen Abkommen vorgesehenen Produktions- und Diversifizierungsbeihilfen in Höhe von 230 Mio. RE, über den sich die Assoziierten nicht einigen konnten. An dieser Frage traten die Rivalitäten zwischen den Staaten offen zutage. Die OAMCE-Staaten machten den vier Nicht-OAMCE mit einem nicht-diskriminierenden Zolltarif ihren Anteil streitig, aber auch innerhalb der OAMCE konnte man sich nicht über die jeweiligen Anteile und die ihnen zugrunde liegenden Kriterien verständigen. Am Ende stand ein durch den EWG-Ratspräsidenten Colombo vermittelter Kompromiss, der insbesondere auch der Rivalität zwischen Senegal und Elfenbeinküste Rechnung trug.456 Den Verhandlungen lagen somit vielfältige Interaktionen zugrunde. Sowohl auf der vertikalen als auch den horizontalen Ebenen versuchten die einzelnen Akteure Einfluss auf die Haltung des jeweils anderen zu gewinnen. Die französische Regierung hatte beispielsweise Informationen, dass hinter der handelspolitischen Desolidarisierung Togos mit den Ländern der UAM ein deutscher Berater stand.457 Die deutsche Regierung verfolgte mit Interesse die laufenden Verhandlungen zwischen deutschen Bananenimporteuren und kamerunschen und ivori453
454 455 456 457
Vgl. Räte der EG, Dokumentationsblatt Nr. 31/62, Konferenz der UAM von Bangui, 30.3.62, in: B 102/130221; SGAM, Hadengue, Note à l’attention de M. le Secrétaire Général, 12.3.62, in: SGAM 2612; ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 32 f. Vgl. Fernschreiben der französischen Botschaft (Lomé) an MAE, 13.2.62, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 2612. Vgl. 2ème réunion Ministérielle (Bruxelles, 9 et 10 avril 1962), Intervention faite par la délégation du Congo (Léopoldville), 10.4.62, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 81. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 51 f., 73 f. Vgl. Fernschreiben der französischen Botschaft (Lomé) an MAE, 13.2.62. Zum Einfluss europäischer Berater vgl. auch: MÜLLER-ARMACK, Alfred: Auf dem Weg nach Europa, S. 186 f.; ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 38.
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schen Exporteuren.458 In den zwei Wochen zwischen Bangui und der zweiten Ministertagung der EWG und der AASM unternahmen afrikanische Botschafter Demarchen bei den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland, der Niederlande und – angesichts der handelspolitischen Initiativen – auch bei der USAdministration.459 Am 29. März trafen die Botschafter mit der Bundesregierung zusammen. Dieses Treffen illustriert beispielhaft die Schwierigkeiten der Assoziierten, ihrer Position Geltung zu verschaffen. Auch mit der Bundesregierung waren sie einig in den Zielen der neuen Assoziierung, hinsichtlich ihrer Modalitäten blieben aber die Differenzen bestehen. Schwierigkeiten bereitete den Assoziierten vor allem, dass Bonn über eine mit ihren allgemeinen Zielen kompatible Gesamtkonzeption zur Assoziierung verfügte, die sich nunmehr auch auf eigene Expertisen stützte. Einerseits war die Bonner Regierung von der Richtigkeit ihrer wirtschaftpolitischen Grundhaltung in der Assoziierungsfrage überzeugt, andererseits hatte sich insbesondere im Bundeswirtschaftsministerium der Eindruck verfestigt, dass die afrikanischen Regierungen mehrheitlich „ohne jede Nuancierung im Fahrwasser der französischen Vorschläge und Wünsche bleiben.“460 Dies hatte auch damit zu tun, dass die assoziierten Gesprächspartner von Vertretern der Bundesregierung als Interessenvertreter einer abgehobenen Elite wahrgenommen wurden – als Kompradoren, die in erster Linie die Sicherung und den Ausbau ihrer Stellung und ihres Wohls im Auge hatten.461 In den multilateralen Verhandlungen mit den Sechs legten die Assoziierten auf eine kooperative Verhandlungsatmosphäre Wert. So konnte der Botschafter Gueye einerseits die Schwerfälligkeit der Verhandlungen auf der Sachverständi-
458
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461
Vgl. Aufzeichnung für StS Müller-Armack, Betr. 69. Tagung des EWG-Rates am 4./5. Juni 1962; hier: künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, 2.6.62, in: BA Koblenz, B 102/130225. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 39. MR Heise, Reisebericht, 2.1.62; vgl. weiterhin: BMWi, Stichworte für einen Vortrag über das neue Assoziierungsabkommen zwischen der EWG und den afrikanischen Staaten und Madagaskar, 4.2.62, in: B 102/130232. Vgl. Das Bild, das beispielsweise Staatssekretär Müller-Armack von afrikanischen Politikern und Regierungsvertretern hatte, hatte sich in den sechs Jahren zwischen den Verhandlungen zur Gründung von EWG und Euratom und den Assoziierungsverhandlungen 1961/62 erheblich gewandelt. 1956 war sein Bild geprägt von der Persönlichkeit Houphouët-Boignys gewesen, dessen Auftreten ihn im Château de la Muette aufgrund der „Paarung von Begeisterung für die afrikanische Sache mit persönlicher Bescheidenheit“ beeindruckt hatte. Im Kontrast dazu nahm er das Auftreten der afrikanischen Delegationen während der Verhandlungen 1962 wahr: „Unverkennbar war, daß die afrikanischen Delegationen mit gepflegten Schneideranzügen und prunkvollen Uhren und Ringen von der durchweg einfachen Aufmachung der europäischen Delegierten stark abstachen.“ Seine Ressentiments brachte er in seinen Memoiren auf den Punkt, indem er eine dem englischen Verteidigungsminister Denis Healey zugeschriebene Wendung aufgriff: „‘Entwicklungshilfe ist es, wenn die Armen der reichen Länder für die Reichen der armen Länder zahlen müssen.’ In der Tat war es immer ein Problem, daß zu viel an Entwicklungshilfe in den Händen der machthabenden Schichten verblieb, anstatt ihrem wirklichen Zweck zugute zu kommen.“ Vgl. MÜLLER-ARMACK, Alfred: Auf dem Weg nach Europa, S. 187 f. (Zitate: 187, 188 f.) Auch Heise stellte in seinem Reisebericht einen Zusammenhang zwischen der Haltung der kamerunischen Regierung in der Assoziierungsfrage und deren Abhängigkeit in ihrer „Gesamtexistenz [...]von dem Weiterbestehen der zu Grunde liegenden Beziehungen mit Frankreich“ her. (MR Heise, Reisebericht, 2.1.62)
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genebene kritisieren,462 andererseits aber die „herzliche Atmosphäre gegenseitigen Verständnisses“463 herausstellen, der der madagassische Wirtschaftsminister Rabemananjara auf der zweiten Ministertagung sogar eine historische Bedeutung beimaß.464 Die Afrikaner wussten, dass das Procedere der Verhandlungen über ihren Verhandlungserfolg mit entschied. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, griffen die sie auf verschiedene rhetorische Mittel zurück, die vom Appell bis zur Drohung reichten. Sie erinnerten die Europäer an ihre afrikanische Berufung. Insbesondere der aus Frankreich stammende Wirtschaftsminister der Elfenbeinküste Saller benutzte das positive Bekenntnis zur afrikanisch-europäischen Zusammenarbeit, um weitgehende Forderungen an die EWG zu stellen.465 Rabemananjara appellierte an die gemeinsame Verantwortung der europäischen und afrikanischen Regierungen, die Erwartungen der assoziierten Völker nicht zu enttäuschen.466 Damit warnte er implizit auch vor den Folgen einer Destabilisierung der afrikanischen Gesellschaften. Außerdem machten die Assoziierten über die Definition ihrer Situation der „Unterentwicklung“ ihren Anspruch auf „Entwicklung“ geltend.467 Damit wiesen sie zugleich auf die Asymmetrien hin, die der Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern trotz ihres Anspruchs auf formelle Gleichberechtigung zugrunde lagen, und forderten Konzession wie Schutzklauseln zur Industrialisierung, die ihrer Situation Rechnung trugen. Schließlich versuchten die Assoziierten den Text der Schlussdokumente der Ministertagungen durch Ergänzungen und Umformulierungen in ihrem Sinne zu modifizieren und eigene Akzente zu setzen. So ließen die Assoziierten folgende Änderungen in das Schlussdokument der ersten Ministertagung einfügen468, das weitgehend die Vorschläge der Gemeinschaft übernahm.469 Zunächst wurde ein ausführlicher Bezug auf die im Vertrag von Rom festgesetzten Grundsätze aufgenommen. Sodann wurden die Vorschläge der Gemeinschaft zu den Wirtschafts- und Handelsfragen erweitert. Während die Gemeinschaft lediglich von einer „Verbesserung der Vermarktung der tropischen Erzeugnisse“470 gesprochen hatte, enthielt das Schlussdokument auch die Forderung nach einer Verbes462 463 464 465
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Vgl. Bericht des Lenkungsausschusses an die zweite Ministertagung (Berichterstatter: Djime Momar Gueye), 9.4.62 Ebd. Vgl. Rede des Ministers der Republik Madagaskar J. Rabemananjara auf der zweiten Ministertagung des Rates der EWG und der AASM, 9.4.62, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 81. Vgl. AA, Abt. 2, Aufzeichnung: Inoffizieller Besuch des Staatspräsidenten der Elfenbeinküste, Houphouët-Boigny, in der Bundesrepublik, hier: Verhältnis der Elfenbeinküste zur BRD, 7.6.62, in: PAAA, B 53/165. Vgl. Rede des Ministers der Republik Madagaskar J. Rabemananjara auf der zweiten Ministertagung, 9.4.62. Vgl. Von den assoziierten Staaten und Madagaskar am 6. April 1962 im Lenkungsausschuss vorgelegte Erklärung, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 81; Intervention faite par la délégation du Congo (Léopoldville), 10.4.62. Vgl. Tagung der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars und des Rates der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft, Endgültiges Dokument: Grundsätze und Ziele des neuen Assoziationsabkommens, 7.12.61, in: BA Koblenz, B 102/130218. Vgl. BMWi, Aufzeichnung für StS Müller-Armack, Betr.: Sitzung des Kabinettsausschusses für Wirtschaft am 14.12.61, hier: Bericht über das Ergebnis der Pariser Konferenz des Ministerrats der EWG mit den Ministern der afrikanischen Staaten und Madagaskars (6. und 7.12.61), 14.12.61, in: B 136/7966; B 102/130218. Ebd.
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serung der Rentabilität der tropischen Produkte. Der Begriff Rentabilität war offen für Interpretationen, da diese sowohl über Kostensenkung als auch Preiserhöhung erreicht werden kann. Auch die Forderung der Assoziierten, Zölle im Hinblick auf ihre Industrialisierung und Haushaltslage erheben zu können, hatte präjudizierende Wirkung, wenn sie so ausgelegt wurde, dass eine Freihandelszone für alle Erzeugnisse zwischen der EWG und den AASM begründet werden sollte – ein Vorhaben, das die Deutschen und die Niederländer zu diesem Zeitpunkt noch ablehnten.471 Gerade die schwierigen Debatten über die Freihandelszonenlösung in den Sachverständigengremien zeigten, wie genau die Assoziierten die Vor- und Nachteile dessen abwogen, was sie forderten und konzedierten. Die EWG musste beispielsweise zur Kenntnis nehmen, dass von Seiten der Assoziierten durchaus Vorbehalte gegen die Freihandelszonenlösung bestanden. Vor der dritten Ministertagung erkannten die assoziierten Sachverständigen im Lenkungsausschuss das System der Freihandelszone zwar im Grundsatz an, verlangten jedoch Abänderungen einerseits für die open-door-Staaten Togo und Kongo/L., andererseits für einige Bestimmungen des Zoll- und Kontingentabbaus, bei denen die EWG auch auf Seite der Assoziierten eine beschleunigte Liberalisierung forderte. Die Assoziierten erklärten demgegenüber, sie seien nicht bereit, die völlige Nicht-Diskriminierung zu gewähren, so lange die EWG sich nicht geschlossen an der Garantie der Devisenbilanz beteilige, wie sie Frankreich einräume.472 Die Frage, inwieweit die EWG die Garantien und den Schutz des französischen Markts übernehme, war ein heikler, von den assoziierten wiederholt zur Sprache gebrachter Verhandlungsgegenstand. Eine Lösung zeichnete sich erst ab, als Frankreich sich auf der dritten Ministertagung am 4./5. Juli bereit erklärte, bilateral übergangsweise das System der Preis- und Absatzgarantien fortzuführen.473 Dennoch nahmen die Verhandlungen auf der dritten Ministertagung eine konfrontative Wende. Der ivorische Wirtschaftsminister forderte im Namen der 18 Assoziierten eine Erhöhung der Finanzhilfe um 30 Mio. auf insgesamt 810 Mio. RE, 580 Mio. für die Fortführung des EEF und 230 Mio. für Diversifizierungshilfen. Als die EWG dieser Forderung nicht entsprechen wollte, brachen die Afrikaner die Verhandlungen ab. Eine abschließende Ministerkonferenz wurde zwar für den Herbst anvisiert; die Tagung endete jedoch ohne Schlusskommuniqué und auch in den Sachverständigenausschüssen wurden die Gespräche während des Sommers ausgesetzt.474 Die Verhandlungen drohten zu scheitern. In bilateralen Gesprächen vermittelten die Assoziierten den Sechs den Ernst der Lage. Der Botschafter Dahomeys ließ das Auswärtige Amt wissen, „daß die Afrikaner 471 472 473
474
Vgl. ebd. Vgl. Entwurf eines Berichts über die fünfte Tagung des Lenkungsausschusses am 29. Juni 1962 in Brüssel, 9.8.62, in: BA Koblenz, B 102/130228. Vgl. EWG, Kommission, Sekretariat, Vermerk für die Mitglieder der Kommission, Betr.: Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit den afrikanischen Staaten, nicht datiert, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 85; ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 48 f. Vgl. Dritte Ministertagung der EWG und der AASM (Brüssel, 4. und 5. Juli 1962), Zusammenfassung des Vorschlags, den der Wirtschaftsminister der Elfenbeinküste, Herr Saller, im Namen der achtzehn assoziierten Staaten vorgelegt hat, 5.7.62, in: B 102/130228; AA an die Botschaften der BRD, etc., Betr.: 3. Tagung der Minister der mit der EWG assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars und des Rats der EWG am 4./5. Juli 1962, 9.7.62, in: PAAA, B 58/52.
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zur Zeit durchaus zweifelten, ob sie die Assoziation weiterführen wollten.“475 Die Abwanderungsoption der Assoziierten erschien wahrscheinlicher, insoweit sich die Perspektive der Sechs auf die Attraktivität des Assoziierungsangebots zu wandeln begann. Der deutsche Industriekurier kam in seiner Ausgabe vom 13. September zu dem Schluss: „Die Vorteile, die die Staaten Afrikas durch eine Assoziation zu erwarten haben, sind – im Hinblick auf ihre zukünftige Entwicklung – relativ klein, wenn man von einem momentanen Erfolg absieht.“476 Einige assoziierte Regierungen brauchten allerdings ihrerseits den Verhandlungserfolg, um innenpolitisch nicht in Bedrängnis zu geraten. Der madagassische Wirtschaftsminister, in dessen Land eine die EWG ablehnende Opposition Druck ausübte,477 suchte schon Ende Juli um ein informelles Gespräch mit der Bonner Regierung nach, um die Verhandlungen aus der Sackgasse zu führen.478 Rabemananjara forderte eine Geste von europäischer Seite – nämlich die von den Assoziierten geforderte Erhöhung der Finanzhilfe um 30 Mio. RE, also 5%. Um dieses Zugeständnis zu erreichen, scheute er auch nicht davor zurück, paternalistische Stereotype zu bedienen: „Um den Fortgang der Verhandlungen insbesondere angesichts der ‘kindlichen Dickköpfigkeit der Afrikaner, die nun ihrerseits ‘alles oder nichts’ forderten, und ferner um ihm selbst seine mühsame Vermittlerstellung zu erleichtern, hielt R. nun eine ‘Geste’ von europäischer Seite für unabdingbar.“479 Weiterhin stellte er den Ausgang der Assoziierungsverhandlungen in den weiteren Kontext der afrikapolitischen Interessen der BRD und wies darauf hin, dass diese eher als die Niederlande, die „offensichtlich das Spiel der Engländer“ trieben,480 auf den Goodwill der 18 afrikanischen Staaten angewiesen sei.481 Ende Juli beantragte die französische Delegation im EWG-Ministerrat, den Assoziierten symbolisch entgegenzukommen.482 Kommissionspräsident Hallstein befürwortete den französischen Vorschlag zur Erhöhung der Finanzhilfe ebenso wie Italien, das zurzeit die Präsidentschaft im Rat innehatte; Belgien war zu einer Prüfung bereit. Die Niederlande und Deutschland sprachen sich dagegen aus. Die Bundesregierung wollte zunächst die angekündigten, schriftlichen Stellungnahmen der assoziierten Regierungen zu dem auf der dritten Ministertagung von der Gemeinschaft unterbreiteten Gesamtvorschlag abwarten.483 Das Auswärtige
475 476 477
478 479 480 481 482 483
Vgl. AA, Ref. 200, Vermerk, Betr.: Erneuerung der Assoziierung, 9.8.62, in: PAAA, B 20/591a. Misstrauen gegenüber Assoziation, in: INDUSTRIEKURIER, 13.9.62. Vgl. Schreiben der Botschaft der BRD in Tananarive, Betr.: Pressekonferenz des Staatspräsidenten Tsiranana über die Ergebnisse der 4. Ministertagung zwischen EWG und ASSM, 16.11.62, in: PAAA, B 53/363. Vgl. Deutsche Botschaft (Tananarive) an AA, Betr.: Assoziierung Madagaskars mit der EWG, 31.7.62. Ebd. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. Schreiben der deutschen Ständigen Vertretung (Brüssel), Betr.: 77. Tagung des EWGRates am 24.7.62, 26.7.62, in: BA Koblenz, B 102/130228. Vgl. Der BMZ [i. V. Vialon] an AA, BMWi, BMF, Betr.: Neuregelung des Assoziationsverhältnisses der EWG mit den afrikanischen Staaten und Madagaskar; hier: Höhe des Entwicklungsfonds und Einsetzung eines Regierungsausschusses, Bezug: Schnellbrief des BMF vom 20.7.1962, 27.7.62, in: Ebd.
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Amt begann gleichwohl im August zu prüfen, wie die Finanzhilfe um 30 Mio. RE erhöht werden konnte.484 Mitte September tagten die Staaten der UAM in Libreville (Gabun) und schlugen die Wiederaufnahme der Verhandlungen für den 11. und 12. Oktober vor.485 Parallel dazu richteten die afrikanischen Regierungen aufeinander abgestimmte Antwortnoten an die EWG, in denen sie ihren Standpunkt nochmals untermauerten. Die senegalesische Regierung wiederholte Sallers auf der dritten Ministertagung gestellten Forderungen und stellte diese dem Angebot der Gemeinschaft gegenüber, das nach ihrem Dafürhalten im Widerspruch zur Endentschließung der Pariser Ministertagung vom Dezember 1961 stand.486 Nicht nur hinsichtlich der Mittelausstattung des EEF erschien es ihr angesichts der neuen Aufgaben, die sie seit der Unabhängigkeit übernommen hatte, zu niedrig, sondern auch hinsichtlich der Produktions- und Diversifizierungsbeihilfen. In letzteren erblickten die Assoziierten nämlich einen Ausgleich für die Beseitigung der auf dem französischen Markt bestehenden Preisgarantien. Daher kamen sie zu dem Schluss, dass ihnen ein Verlust von 200 Mio. $ entstehe, wenn an die Stelle der bisher von Frankreich gewährten Hilfe eine multilaterale Hilfe der Gemeinschaft trete.487 Trotz dieser Divergenzen zwischen den Afrikanern und den Europäern war nunmehr der Weg frei für den Abschluss der Verhandlungen. Auf der vierten Ministertagung am 23. und 24. Oktober einigten sich beide Seiten auf einen Kompromiss, auf dessen Basis das neue Assoziierungsabkommen auf der fünften und letzten Ministertagung am 19. und 20. Dezember 1962 paraphiert werden konnte. Der Erfolg verdankte sich auch einen gewandelten Verhandlungsstil der Europäer. Spaak drängte in der vierten Ministertagung mit den AASM vorausgehenden EWG-Ratssitzung auf kooperative Lösungen. Nachdem der belgische Außenminister die historische Bedeutung der Aufgabe, die 18 dauerhaft an die EWG zu binden, hervorgehoben hatte,488 forderte er: „Die Delegationen der assoziierten Staaten dürften bei den Verhandlungen nicht das Gefühl haben, sie seien lediglich hergekommen, um den Willen der Gemeinschaft zur Kenntnis zu nehmen, er hoffe vielmehr, dass eine wirkliche Diskussion eintrete, bei der es der Gemeinschaft möglich sein werde, den Anliegen der assoziierten Staaten, soweit sie berechtigt seien, zu entsprechen. Eine auf dem Grundsatz der Gleichheit beruhende Einigung, die von Ländern 484
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Vgl. Allardt, Leiter der Abt. 4, Aufzeichnung, Betr.: Erhöhung der Finanzhilfe für die der EWG assoziierten afrikanischen Staaten, 22.8.62; Abt. 2, Aufzeichnung, Betr.: Entwicklungsfonds der EWG, 30.8.62, in: Ebd. Vgl. Schlusskommuniqué der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der AfrikanischMadagassischen Union in Libreville, in: EA, 22 (1962), S. D. 549 f.; EWG, Rat, Vermerk, Betr.: Antwort der Regierung von Senegal im Anschluss an die Ministertagung vom 4. und 5. Juli 1962, 21.9.62, in: B 102/130229; AA, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung, hier Erhöhung des Beitrags der Finanzhilfe im Rahmen der neuen Assoziierung, 21.9.62, in: PAAA, B 20/591a. Vgl. Schreiben Gueyes vom 19.9.62, Anlage zu: EWG, Rat, Vermerk, 21.9.62, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 85. Vgl. ebd. Vgl. AA an die Botschaften der BRD, Generalkonsulate und Konsulate, Vertretung der BRD bei den Europäischen Gemeinschaften, Betr.: 4. Tagung der Minister der mit der EWG assoziierten Staaten Afrikas und Madagaskars und des Rates der EWG am 23./24. Oktober 1962, 30.10.62, in: PAAA, B 58/337.
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Europas und den 18 Staaten [...] in einer freimütigen Aussprache erzielt werde, werde im übrigen in den internationalen Organisationen als ein Ereignis von weltweiter Bedeutung betrachtet“489 Schon im Mai 1962 war die EWG-Kommission bemüht gewesen, dem Paritätsgrundsatz in ihrem Entwurf des neuen Assoziierungsabkommens Rechnung zu tragen.490 So hatte sie im Bereich der Handelspolitik eine Koordinierung zwischen EWG und ASSM vorgeschlagen. Was die Verwaltung des EEF anging, wollte sie die Assoziierten im Assoziierungsausschuss vor ihrer Entscheidung und der des Rats über die Finanzierung der so genannten wirtschaftlichen Vorhaben konsultieren. Im Oktober hingegen musste Kommissar Rochereau erkennen, dass die Vorschläge der Mitgliedstaaten in die entgegengesetzte Richtung gingen.491 Insbesondere im Bereich der finanziellen und technischen Hilfe tendierten sie dahin, die Entscheidung fast ausschließlich den europäischen Institutionen vorzubehalten. Weiterhin beobachtete der Kommissar ein damit einhergehendes Bestreben bei den Mitgliedstaaten, die Stellung der Kommission im neuen Assoziierungssystem zu marginalisieren. Insbesondere die Frage eines EEF-Ausschusses, über den die Mitgliedstaaten an der Verwaltung des Fonds partizipieren wollten, führte innerhalb der EWG zu einer Kontroverse, in der die Kommission ihre Prärogative zu wahren versuchte.492 In der Schlussphase komplizierte schließlich noch eine deutsche Störung die Verhandlungen. Die Bundesregierung wollte der so genannten HallsteinDoktrin493 auch im Rahmen der Assoziierung Geltung verschaffen.494 Mitte November verlangte sie daher im EWG-Ministerrat, eine dahingehende verbindli489 490 491
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EWG, Rat, Entwurf eines Protokolls über die Sitzung des Rates der EWG im engeren Rahmen anlässlich der 4. Ministertagung (23./24.10.62), 21.2.63, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 86. CEE, Commission, Avant-projet de convention relative à l’association des états d’outre-mer à la Communauté Economique Européenne, 22.5.62, in: BA Koblenz, B 102/130224. Vgl. Kom, Sek: Vermerk für die Mitglieder der Kommission, 10.11.62, Betreff: Mitteilung von Rochereau über die Hauptpunkte des Entwurfs des Abkommens; Mitteilung Rochereaus, 18.10.62, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 87. Vgl. ebd.; EWG, Kommission, Arbeitsdokument über die Verwaltung des Europäischen Entwicklungsfonds, 8.11.62, in: B 102/130330. Die Frage wurde beispielsweise auch innerhalb der Bundesregierung kontrovers diskutiert. In dem Bestreben, die Europäischen Gemeinschaften und damit auch ihre Organe zu stärken, widersetzte sich das Auswärtige Amt zunächst diesem Vorhaben. Das BMZ, das das Vorhaben befürwortete, bestritt, dass mit dem Ausschuss die Rechte der Kommission eingeschränkt werden sollten. Vielmehr sollte der Ausschuss der Koordinierung bi- und multilateraler entwicklungspolitischer Maßnahmen in der EWG dienen. Dabei verwies das BMZ auch auf das deutsche Interesse, Einfluss darauf zu nehmen, dass künftig nicht mehr der Subventionscharakter bei den EEF-Hilfen im Vordergrund stehe. Vgl. AA an den BMWi, an den BMF, Betr.: Neuregelung des Assoziierungsverhältnisses der afrikanischen Staaten und Madagaskars mit der EWG, hier: Ausschuss von Regierungsvertretern, 8.10.62, in: B 20/591a; StS Vialon, BMZ, an StS Lahr, AA, 12.11.62, in: PAAA, B20/592. Diese besagte kurz gefasst: Wenn ein Staat, der diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik unterhalte, dennoch diplomatische Beziehungen zur DDR knüpfen wolle, könne die Bundesregierung dies als „unfreundlichen Akt“ ansehen. Vgl. hierzu: BOOZ, R. M.: „Hallsteinzeit“: deutsche Außenpolitik 1955-1972. Bonn 1994. Vgl. CEE, Conseil, Note, objet: Avenir des relations entre la Communauté et les Etats associés, in: MAE, Papier Wormser, 35; Kommission, Sekretariat, Vermerk für die Mitglieder der Kommission: Schwierigkeiten politischer Natur, die vor dem Abschluss des Abkommens mit den assoziierten afrikanischen Staaten behoben werden müssen, 10.12.62, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 27.
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che Erklärung in das Sitzungsprotokoll des Rats aufzunehmen. Die EWG-Partner reagierten zurückhaltend. Einerseits befürchteten sie, dass eine solche Erklärung, die im Gegensatz zur bisherigen politischen Diskretion der Assoziierung stand, obschon geheim gehalten, den afrikanischen Staaten bekannt werden und dort verärgerte Reaktionen hervorrufen könne. Andererseits wollten insbesondere die Niederlande und Frankreich die Gemeinschaft nicht für deutschlandpolitische Belange instrumentalisieren lassen.495 Tatsächlich blieben die erwarteten Reaktionen der Assoziierten nicht aus. Gegenüber den Regierungen Senegals und Malis, die sich durch die deutsche Erklärung angesprochen fühlten, stellte die Bundesregierung klar, dass kein gegen sie gerichtetes Misstrauen Anlass zu der Erklärung gewesen sei.496 Kritiker der Assoziierung wie die ghanaische Regierung sahen sich in ihren Vorbehalten bestätigt. Staatssekretär Dei-Anang erklärte gegenüber dem deutschen Botschafter, die ghanaische Regierung werde herausstellen, dass den assoziierten afrikanischen Staaten „political strings“ angelegt würden.497 Obwohl Bonn angesichts dieser Reaktionen kurz überlegte, von weiteren Erörterungen im Rat abzusehen, beschäftigte die Frage die Minister auch noch im Dezember. Am 17. Dezember nahm der Rat im engeren Rahmen schließlich eine Erklärung des deutschen Staatssekretärs Lahrs ohne Aussprache zur Kenntnis, in der kein expliziter Bezug mehr auf die DDR genommen wurde: „Sollte ein assoziierter Staat gegenüber der Gemeinschaft oder einem Mitgliedstaat Maßnahmen ergreifen, die die freundschaftlichen Beziehungen, welche die Grundlage der Assoziation bilden, ernstlich gefährden könnten, so prüft der EWG-Rat die Lage der Beziehungen mit diesem Staat sowie die im
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Vgl. MAE, Télégramme au Départ, 12.12.62, in: Ebd.. Die Bundesregierung hatte die Niederländer schon im September zu dieser Frage kontaktiert. Deren Zurückhaltung führte dazu, dass das Auswärtige Amt Überlegungen zu einem Vetorecht bei der Gewährung der Finanzhilfe zunächst wieder fallen ließ. Vgl. AA, Schreiben, Betr.: Assoziierung der ASSM; hier: Verhalten im Fall der Anerkennung der Sowjetzone durch ein assoziiertes Land, 25.9.62, in: PAAA, B 53/363. Vgl. AA, Aufzeichnung, StS-Vorlage, Betr.: Assoziierung afrikanischer Staaten, Bezug: Deutsche Erklärung für den Fall der Anerkennung der SBZ durch einen assoziierten Staat, 29.11.62, in: PAAA, B 20/592; AA, Aufzeichnung, Betr.: Folgen der SBZ-Anerkennung durch einen assoziierten überseeischen Staat auf das Assoziationsverhältnis, 29.11.62, in: Ebd. Ihm Rat führte Staatssekretär Lahr vom Auswärtigen Amt Äußerungen eines Vertreters eines afrikanischen Staates in Bonn an, die Anlass zu dieser Erklärung gäben. Vgl. Deutsche Ständige Vertretung Brüssel, Betr.: 84. Tagung der Räte der Europäischen Gemeinschaften am 13.11.62, 14.11.62 in: Ebd. Im französischen Außenministerium mutmaßte man, dass hinter den Erklärungen Spannungen zwischen der BRD und Ghana standen, da dieses beabsichtige, eine Ständige Wirtschaftsvertretung in Ost-Berlin zu errichten. Vgl. MAE, Télégramme à l’Arrivée, 11.12.62, in: MAE, Papiers Wormser, 35. Rückblickend scheint diese Erklärung die vom Auswärtigen Amt seit 1964 betriebene Politisierung der Entwicklungshilfe vorwegzunehmen. Auch die europäischen Verbündeten sollten in diesem Kontext zur deutschlandpolitischen Solidarität gedrängt werden. Vgl. BM AA Schröder an Bundeskanzler, Internationale Konferenzen de Entwicklungsländer und die Deutschlandfrage, 4.9.64, in: BA Koblenz, B136, 2933; PAAA, Informationsdienst, Bd. 96, Aufzeichnung Abt. III, 16.1.65; BOOZ, Rüdiger: Hallsteinzeit. Vgl. Botschaft der BRD (Accra) an das AA, Betr.: Verhalten der Bundesregierung bei evt. Anerkennung der DDR durch der EWG assoziierte Staaten; hier: Ghanaische Kritik, 4.12.62, in: BA Koblenz, B 102/130332.
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Rahmen des Assoziierungsabkommens gegebenenfalls zu treffenden Maßnahmen.“498 Für die Bundesregierung hatte der Rat damit stillschweigend zugestimmt,499 ein Gentlemen´s Agreement zwischen den Außenministern Schröder und Couve de Murville garantierte Bonn darüber hinaus, dass Frankreich sich zusammen mit der BRD einer Fortführung der Hilfe widersetzen werde, falls ein assoziierter Staat die DDR anerkenne.500 Die Verhandlungen unter den Sechs gingen auch nach der Paraphierung des Assoziierungsabkommens weiter. Nachdem De Gaulle am 14. Januar 1963 sein Veto gegen einen EWG-Beitritt Großbritanniens eingelegt hatte, erzwangen Italien und die Niederlande eine Vertagung der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens. Während die Regierung Fanfani sich aufgrund einer Regierungskrise außerstande erklärte, vor den Parlamentswahlen in April das Abkommen zu unterzeichnen, verlangte Den Haag eine über den Beitrittsartikel 58 des neuen Abkommens hinausgehende Absichtserklärung des Ministerrats zur Assoziierung neuer Länder, bevor es das Vertragswerk unterzeichnete. Die Niederländer griffen damit eine deutsche Initiative wieder auf, die den Commonwealth-Mitglieder Ghana, Nigeria, Sierra Leone, Kenia, Uganda, Tanganjika, Jamaika sowie Trinidad und Tobago den Abschluss eines Assoziierungsabkommens nach Art. 238 EWGV sichern sollte. Die niederländische Obstruktionspolitik gab der Assoziierung darüber hinaus einen neuen Akzent, insofern die vom Rat während seiner 100. Tagung am 5. April 1963 abgegebene Erklärung neue Standards für den Beitritt zur Assoziierung etablierte. Die Absichterklärung machte Ländern mit vergleichbarer ökonomischer Struktur und Produktion wie den assoziierten Ländern das Angebot, entweder dem neuen Assoziierungsabkommen beizutreten oder ein Assoziationsabkommen sui generis nach Art. 238 abzuschließen oder ein einfaches Handelsabkommen. 501 Damit waren nicht mehr nur ehemalige koloniale Bindungen an einen Mitgliedstaat der EWG Kriterium für die Assoziierung, sondern auch der Entwicklungsstand des zu assoziierenden Landes. Auf der 100. Tagung des Ministerrats bekannte sich auch der deutsche Außenminister Schröder zur Assoziierung und resümierte zugleich die deutsche Position: „Und nun ein Wort zu Afrika. Der Assoziierungsvertrag muss nach unserer Meinung – und wir haben sie in diesem Kreise ja schon vorgetragen – so bald wie möglich unterzeichnet werden. Es wäre falsch, wenn wir unsere innereuropäischen Differenzen auf dem Rücken der Afrikaner austragen wollten. [...] Wir glauben, dass wir hierbei ein besonderes Opfer bringen, weil wir zusammen mit Frankreich die höchsten Beiträge aufbringen, ohne auch nur entfernt vergleichbare Vorteile wie Frankreich zu haben. Wir unterzeichnen auch keineswegs ohne Bedenken; denn die Präferenzzonen helfen zwar dem einen, schaden aber dem anderen und bedeuten daher noch lange keine Lösung des Entwicklungsproblems im ganzen. Der Vertrag bringt, und das gehört zu seinen Schattenseiten, Trennungslinien in Afrika in Erscheinung, die eigentlich 498 499 500 501
Schreiben der deutschen Ständigen Vertretung (Brüssel), 18.12.62, in: PAAA, B 20/593. Vgl. ebd. Vgl. MAE, Télégramme au Départ, 17.12.62, in: MAE, Papiers Wormser, 35. Vgl. BRAYER, Gérard: Europe – Tiers Monde, S. 84.
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als überholt angesehen werden sollten. Der Vertrag überträgt auf die Gemeinschaft – wenn auch in einem degressiven Verfahren – Massnahmen, die aus einem überholten Zeitabschnitt stammen. Trotz dieser Bedenken, die ich noch einmal wiederholt haben wollte, sind wir der Meinung, dass der Vertrag baldmöglichst unterzeichnet werden sollte; wir haben trotz Bedenken zu dieser Assoziierung aus der europäischen politischen Verantwortung gegenüber Afrika immer ja gesagt.“502 Angesichts der Beunruhigung und des Befremdens auf Seiten der Assoziierten über die Rückwirkungen, die der innergemeinschaftliche Disput auf das Zustandekommen des Assoziierungsabkommen zu zeitigen drohte,503 hatte der Bundesaußenminister ein Interesse, die Eigenheiten der deutschen Position nochmals zu akzentuieren. Auch wenn er sich nicht von der niederländischen Initiative distanzierte war es doch ein ernsthaftes Anliegen der Bundesregierung, während der EWG-Krise zum Zustandekommen des Assoziierungsabkommens beizutragen.504 Das Auswärtige Amt hatte daher eine zwischenzeitlich in Erwägung gezogene Ersatzlösung verworfen und sich stattdessen auf die Linie festgelegt, die Niederländer zur Unterzeichnung des Abkommens zu drängen.505 Diese Haltung fand auch die Unterstützung der in der Handelskammer Hamburg und im Afrika-Verein organisierten deutschen Übersee- und Afrikainteressen.506 502
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EWG, Rat: Vermerk, Betrifft: Erklärung des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Schroeder, auf der 100. Tagung des EWG-Rates im Rahmen des allgemeinen Gedankenaustauschs über die künftige Politik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 5.4.63, in: BA Koblenz B 213/1077. Vgl. Verbalnote vom 28.1.63, die das Außenministerium der Bundesrepublik Kamerun an den Botschafter Italiens in Yaoundé gerichtet hat, in: B 102/130232; EWG-Rat an L. Erhard, Stellvertreter des Bundeskanzlers und BMWi, 8.2.63, in Anlage: Wortlaut eines Telegramms über die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens, das der amtierende Präsident der UAM, Léon M’BA, im Namen der zwölf assoziierten afrikanischen Staaten einschließlich Madagaskar, am 8.2. an den Präsidenten des EWG-Rates gerichtet hat, in: Ebd.; Räte der Europäischen Gemeinschaften, Generalsekretariat, Dokumentationsblatt Nr. 43/63, Afrikanische Stimmen zur Vertagung der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit den afrikanischen Staaten, 15.3.63, in: Ebd., 130233 Im Januar/Februar 1963 schien auch Bonn eine Obstruktionspolitik zu verfolgen. In Brüssel kursierten Gerüchte, dass auch die BRD das Abkommen bis zum Zustandekommen einer Absichtserklärung hinsichtlich dritter Staaten nicht unterzeichnen wollte. Vgl. Deutsche Ständige Vertretung Brüssel, Betr.: Tagung der Räte der Europäischen Gemeinschaften am 24. Januar 1963, 24.1.63, in: BA Koblenz, B 102/130232; SGAM, Note à l’attention de M. le Président de la République, Président de la Communauté, Rumeurs bruxellois, in: CHAN, SGAM 13. Im März fand die Bundesregierung dann in eine Vermittlerrolle zwischen der französischen und niederländischen Position. Gegenüber dem französischen Botschafter machte die Bundesregierung deutlich, dass sie zwar für die niederländischen Vorschläge sei, jedoch eine Abschwächung in Richtung einer Absichtserklärung für notwendig halte. Darüber hinaus war sie dafür, keine Verbindung zwischen der Absichtserklärung und der Unterzeichnung des Abkommens zu ziehen. Vgl. MAE, Télégramme à l’Arrivée (Margerie), Bonn 13.3.63, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1486. Vgl. AA, Abt. I, Aufzeichnung, Betr.: Ersatz des Abkommens über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, 4.2.63, in: PAAA, B 20/723; Abt. I, Aufzeichnung, Betr.: Ersatzlösung für das Assoziationsabkommen, Bezug: Handschriftliche Weisung des Herrn Staatssekretär auf der anliegenden Aufzeichnung der Abt. I vom 4.2.63, 18.2.63, in: Ebd. Vgl. AA, VLR I v. Stempel, Aufzeichnung, Betr.: Besprechung mit dem Syndikus der Handelskammer Hamburg und Mitglied des Vorstandes des deutschen Afrika-Vereins, Herrn Dr.
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Am 20. Juli 1963 wurde das neue Assoziierungsabkommen schließlich in Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns, unterzeichnet.
1.6. Résumé: Das Abkommen von Yaoundé und seine vielseitigen Perspektiven Dem Anspruch der Afrikaner auf Gleichberechtigung wurde während den Verhandlungen formal Rechnung getragen, de facto fanden sie aber zwischen ungleichen Partnern statt. Am Ende stand dennoch ein für beide Seiten tragfähiger Kompromiss, dessen Konvergenzpunkt allerdings näher beim ursprünglichen Angebot der Europäer als bei den Forderungen der assoziierten afrikanischen Staaten lag.507 Auf beiden Seiten waren auch in den horizontalen Verhandlungsebenen die Interessen vielfältig und ordnungspolitische Vorstellungen unterschiedlich. Gleichwohl teilten die Verhandlungspartner einen Normenkanon, mit dem sie in die Verhandlungen gingen. Um die Vorstellung einer Entwicklungskooperation zwischen Europa und Afrika kreiste eine Reihe aufeinander bezogener Überzeugungen von der Verantwortung Europas für Afrika, von der Komplementarität der beiden Kontinente, von der Reziprozität der Vorteile, die beide Seiten aus der Zusammenarbeit zogen, und von der Interdependenz der Kooperationspartner. Während die Assoziierten in der Nachfragerrolle mit einer gemeinsamen Position in die Verhandlungen mit der EWG gingen, gelang es den Sechs erst während der Verhandlungen, untereinander einen Kompromiss auszuhandeln, den sie im Juni auf der dritten Ministertagung den Assoziierten als Angebot der EWG unterbreiten konnten. Auf der horizontalen Verhandlungsebene der Sechs standen zwei entwicklungspolitische Konzeptionen miteinander im Wettbewerb, zu deren jeweiligen Exponenten Frankreich und die Bundesrepublik zählten. Der protektionistisch und dirigistisch orientierten Assoziierungskonzeption der französischen Regierung, die gerade im handelspolitischen Bereich eine Intensivierung und Erweiterung der Assoziierung auf der Grundlage des Vertrags von Rom anstrebte, stellte Bonn eine marktwirtschaftlich orientierte, weniger exklusive Gesamtkonzeption gegenüber, die mit dem Anspruch, einen Beitrag zur wirtschaftlichen „Dekolonisierung“ zu leisten, die Integration der assoziierten Volkswirtschaften in den Weltmarkt zum kurzfristig zu erreichenden Ziel erhob. Das schließlich den Assoziierten unterbreitete Angebot war der erste Ausdruck einer entwicklungspolitischen Identität der EWG. Bereits in den zweieinhalb Jahren zuvor – beginnend mit der Initiative des belgischen Außenministers Wigny und den entwicklungs- und afrikapolitischen Initiativen der Kommission – hatte die EWG als entwicklungspolitischer Akteur an Profil gewonnen. Die Europäer präsentierten sich als ein von neokolonialen Herrschaftsansprüchen freier Kooperationspartner, indem sie ein langfristig orientiertes entwicklungspolitisches Konzept in den Vordergrund stellten. Dieses fokussierte zunächst auf Afrika, aber nicht mehr nur auf die schon assoziierten Länder, sondern ließ die Tür offen für andere afrikanische Entwicklungsländer. Darüber hinaus wohnte der
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Jantzen, 15.3.63, in Anlage: Verlautbarung des Afrika-Vereins; Vermerk, Betr.: Ständige Konferenz, Tagung des Assoziierungsausschusses in Dakar/Senegal im März 1963, 11.3.63, in Ebd., 724. Vgl. ZARTMAN, William I.: Trade Negotiations, S. 50 f.
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schließlich gefundenen neuen Assoziierungsregelung das Potential inne, zu einem über den afrikanischen Raum hinausreichenden Prototypen für eine Entwicklungspolitik der EWG mit anderen Weltregionen zu werden. In diesem Sinne stellte Hallstein auf der fünften und letzten Ministertagung fest: „[...] dieses Assoziationsabkommen ist die erste konkrete und spektakuläre Bestätigung dessen, was wir innerhalb der Ziele der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten verstanden und bekannt haben, nämlich unseren Beitrag zu einer modernen, den Gegebenheiten und Notwendigkeiten unserer Zeit entsprechenden Entwicklungspolitik.“508 Vor dem Hintergrund der 1961 proklamierten ersten UN-Entwicklungsdekade verhandelte die EWG auch in dem Bewusstsein, dass die Verhandlungen und das neue Abkommen Modellcharakter für die Gestaltung von Nord–Süd–Beziehungen beanspruchen konnten.509 Auch waren sich die sechs EWG-Länder über die zentrale politische Bedeutung einer fortgesetzten Assoziierung im Kontext des Kalten Kriegs und vor dem Hintergrund der erst kürzlich erlangten Unabhängigkeit der assoziierten afrikanischen Staaten einig. Wirtschaftlich maßen die einzelnen EWG-Partner dem assoziierten Teil Afrikas unterschiedliche Bedeutung bei; in den Außenhandelsbeziehungen der Gemeinschaft zeichnete sich hingegen schon zu Beginn der 60er Jahre ab, dass andere Regionen, Länder und Märkte für die EWG wichtiger waren als die Assoziierten. Gleichwohl gab es Erwartungen in einen Zukunftskontinent Afrika, insbesondere aufgrund seiner Bodenschätze, an die auch die Assoziierten anknüpfen konnten.510 Schließlich verbanden führende Politiker, wie der italienische Ratspräsident Colombo, mit der Assoziierung eurafrikanische Perspektiven. In der gleichberechtigen Zusammenarbeit des Europa der Sechs mit den unabhängigen afrikanischen Staaten erblickten sie eine erste wirtschaftliche Konkretion einer Eurafrikanischen Gemeinschaft. Deren Besonderheit lag für die Exponenten dieser Idee darin, dass sie aus der Kolonialzeit stammende Bindungen und Strukturen erbte. „Ich glaube“, so Colombo, „dass diese Erinnerung an die Kultur und die Tradition, dass vor allem das, was wir in unserem innersten Bewusstsein tragen, uns die Gewissheit gibt, dass wir eine Gemeinschaft des Geistes besitzen, die deshalb kein flüchtiger Schatten, sondern eine Realität ist, die immer tiefgrei-
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Ansprache Hallsteins, Anlage zu: Protokoll über die Sitzung zur Paraphierung des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar anlässlich der fünften Ministertagung (Brüssel, 19./20.12.62), 1.3.63, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 89; vgl. weiterhin EWG, Kommission, Memorandum der Kommission zum Aktionsprogramm der Gemeinschaft für die zweite Stufe, 24.10.62, in: BA Koblenz B 213 BMZ/1077. Vgl. auch: Sechster Gesamtbericht (1963), S. III, 248 f. Siehe auch Kap. 4.5. Ansätze zu einer gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik Vgl. EWG, Rat, Entwurf eines Protokolls über die Sitzung des Rates der EWG im engeren Rahmen anlässlich der 4. Ministertagung (23./24.10.62), 21.2.63. Vgl. Boubou Hama, Conférence de l’Assemblée parlementaire européenne avec les parlements d’Etats africains et de Madagascar, 19 au 24 juin 1961 à Strasbourg, Débats , 21.6.61, S. 93-97; Atangana; Débats, 23.6.61,. S. 149-152; LINIGER-GOUMAZ, Max: Eurafrique, S. 26 f.
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fender wird, um schliesslich den grossen Traum der Einheit und enger Beziehungen einer Eurafrikanischen Gemeinschaft zu verwirklichen.“511 Die mit dem neuen Assoziierungsabkommen ausgebauten multilateralen eurafrikanischen Beziehungen konkurrierten mit den bilateralen franko-afrikanischen. Insofern erstere sich desintegrierend auf die Beziehungen Frankreichs zu seinen ehemaligen Kolonien auszuwirken drohten, blieben auch die erwarteten Effekte der neuen Assoziierung für Frankreich ambivalent.512 Wesentliche Inhalte der franko-afrikanischen Kooperationsabkommen, die bisher enge Handelsbeziehungen durch Abschirmung auch vor der Konkurrenz der fünf EWG-Partner garantiert hatten, verloren während der Laufzeit des neuen Abkommens an Bedeutung und sollten schließlich ganz verschwinden.513 Politisch bewertete Paris positiv, dass das neue Abkommen „un facteur «d’amarrage de l’Afrique à l’Europe»“514 sei, erkannte gleichwohl aber auch die Gefahr, dass die neue Assoziierung die Lockerung der franko-afrikanischen Beziehungen befördern könne. Insbesondere gegenüber dem institutionellen Rahmen der neuen Assoziierung behielt die französische Regierung ihre Skepsis. Insgesamt sah sich Frankreich, was seinen Einfluss in Afrika anging, vor einer offenen Situation.515 Zu den Positiva zählte, dass es gelungen war, die europäischen Partner trotz mancher Vorbehalte zu einem Burden Sharing zu bewegen, das über das bisherige Maß hinausging,516 insofern sie nicht nur weiterhin zum Europäischen Entwicklungsfonds beitrugen, sondern darüber hinaus im Rahmen der Produktionsbeihilfen auch die tropische Agrarproduktion der Assoziierten subventionierten und damit zum Abbau des auf der französischen Wirtschaft lastenden Überpreissystems beitrugen. Für die Assoziierten erwies sich die EWG in ihrer Heterogenität als schwieriger Verhandlungspartner. Dennoch gelang es ihnen, Handlungsspielräume zu nutzen, um die neue Assoziierungsregelung in ihrem Sinne zu gestalten. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft hatten sie Fürsprecher, die – obschon auch ihre eigenen Interessen verfolgend – mehr oder weniger weitgehend oder auch nur teilweise die Interessen der Assoziierten verfochten. Dazu zählten Frankreich, das Europäische Parlament, das mit seinen Initiativen in diesem Politikfeld auch sein eigenes institutionelles Profil erweitern wollte, und die EWG-Kommission, die ihre entwicklungspolitischen Ambitionen über ein Zusammengehen mit den assoziierten Entwicklungsländern verwirklichen wollte. Das Verdienst, das die Kommission, die sowohl als Ratgeberin als auch als Verfechterin assoziierter Interessen präsent gewesen war, am Verhandlungserfolg trug, erkannten die Assoziierten am Ende explizit an.517 Auf der Straßburger Konferenz war es 511
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Vgl. Ansprache Colombos, Anlage zu: Protokoll über die Sitzung zur Paraphierung des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar anlässlich der fünften Ministertagung (Brüssel, 19./20.12.62), 1.3.63. Vgl. SGAM, Note à l’attention de M. le Président de la République, Président de la Communauté, objet: Association des pays africains au Marché Commun, 27.12.62, in: CHAN, SGAM, fonds public, 13. Sowohl die präferentielle Zollbehandlung Frankreichs in den assoziierten Ländern als auch eine beträchtliche Zahl mengenmäßiger Beschränkungen auf nicht aus Frankreich stammende Importe in den AASM liefen aus oder endeten. Vgl. HAYTER, Teresa: French aid, S. 77-79. SGAM, Note à l’attention de M. le Président de la République, 27.12.62. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Ansprache Aguilles, Wirtschafts- und Planungsminister der Republik Gabun, Anlage zu: Protokoll über die Sitzung zur Paraphierung des Assoziierungsabkommens zwischen der
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den afrikanischen Parlamentariern zusammen mit dem Europäischen Parlament gelungen, öffentlichkeitswirksam die Agenda der Assoziierungsverhandlungen aufzustellen. Die Assoziierten partizipierten nicht nur am Entwicklungsdiskurs der EWG, sondern gestalteten ihn mit. Ihre Verhandlungs- und Gestaltungsmacht lag im Bereich der Normen und Ziele, in dem sie einen Kanon mit der EWG teilten. „Kooperation“ und „Solidarität“ machten sie zu Leitmotiven der Verhandlungen; die eurafrikanische Perspektive besonderer Beziehungen hielten sie aufrecht, um sich eine privilegierte Entwicklungshilfe der EWG zu sichern. Trotz der Asymmetrien in den Beziehungen konnten sie auch erfolgreich auf klassische Verhandlungsmethoden zurückgreifen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Ihre Abwanderungsdrohung nach der dritten Ministertagung erschien real und trug wesentlich dazu bei, die Verhandlungen einer kooperativen Lösung zuzuführen. Trotz der Kritik im Einzelnen schlossen die Assoziierten das neue Abkommen mit der EWG in der Überzeugung, dass die Assoziierung insgesamt zu ihrem Vorteil und mit ihren Entwicklungsbestrebungen kompatibel war. In diesem Sinne bekannte sich der kamerunsche Präsident Amadou Ahidjo anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens in Yaoundé zur Assoziierung: „In diesem Abkommen, das ein ausgewogenes Ganzes frei gewährter Vorteile auf der Grundlage der Gegenseitigkeit darstellt, erblicken wir auch einen Weg zu grösserer Unabhängigkeit durch eine optimale Entwicklung der wirtschaftlichen Hilfsquellen unserer Staaten und durch eine materielle, moralische und geistige Bereicherung unserer Völker, denn bei diesem Zusammenarbeiten zwischen Europa und Afrika, diesem ‚Rendezvous des Gebens und Nehmens‘, um in den Worten der Dichterphilosophen zu sprechen, sind in erster Linie stets die Interessen unserer Völker berücksichtigt worden. Die kräftige Ausweitung unseres Handels innerhalb eines geordneten und sinnvoll geschützten Wirtschaftsraums, die qualitative und quantitative Verbesserung unserer landwirtschaftlichen und industriellen Produktion [...] sowie die Hilfe, die es uns ermöglichen wird, mit guten Erfolgsaussichten allmählich aus der Phase einer gestützten Wirtschaft in das Stadium der Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten hineinzuwachsen, all dies wird nach unserer festen Überzeugung eine ganz beträchtliche Anhebung des Einkommens unserer Mitbürger bewirken.“518 Auch in einem weiteren Punkt wurde das Abkommen519 den Erwartungen der Afrikaner gerecht und ermöglichte, wie der senegalesische Minister Djime Momar Gueye feststellte, „aus den Abgründen des Kolonialstatus heraus heute zur
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519
EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar anlässlich der fünften Ministertagung (Brüssel, 19./20.12.62), 1.3.63. Ansprache des Präsidenten der Republik Kamerun, Amadou Ahidjo, 20.7.63, Anlage zu: Ministertagung der EWG mit den AASM, Protokoll der feierlichen Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen in Jaunde (Kamerun) am 20.7.63 , 31.10.63, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 89. Das Abkommen ist publiziert im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Vgl. Abkommen über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. 93 (1964), S. 1431-1472. Für eine detaillierte Darstellung und Analyse der Inhalte des Abkommens vgl.: DELORME, Nicole: L’Association, S. 54-72; COSGROVE –TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 97-114.
DAS ERSTE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ
337
Zusammenarbeit mit den Kolonisatoren“ zu gelangen.520 Der Assoziierung wurde ein eigener institutioneller Rahmen gegeben. Darin lag ihre Originalität der neuen Assoziierung und damit wurde der Anspruch auf eine gleichberechtigte Entwicklungspartnerschaft am augenscheinlichsten dokumentiert. Die Assoziationsorgane, die im Wesentlichen auf Forderungen und Vorschlägen der Assoziierten, des Europäischen Parlaments und der EWG-Kommission zurückgingen, waren die wesentliche Innovation der Yaoundé-Assoziierungsregelung. Folgende Institutionen wurden geschaffen: ein Assoziationsrat, der von einem Assoziierungsausschuss in seiner Arbeit unterstützt wurde, eine Parlamentarische Konferenz der Assoziierung und ein Schiedsgericht. Zentrale Bedeutung kam dem Assoziationsrat zu, dem die Mitglieder des EWG-Ministerrats, der EWG-Kommission und ein Regierungsmitglied jedes assoziierten Staates angehörten. Seine Hauptaufgabe war, die Implementierung des Yaoundé-Abkommens zu überwachen. Er hatte das Recht, bindende Entscheidungen auf den Gebieten des Niederlassungsrechts, der Ursprungsregelungen für assoziierte Erzeugnisse und der handelspolitischen Konsultationen zu fällen. Zu seiner herausragenden Kompetenz zählte, einmal im Jahr die allgemeine Ausrichtung der finanziellen und technischen Zusammenarbeit zu bestimmen. Darüber hinaus war er gerade im Bereich der Handelspolitik das Konsultationsforum zwischen EWG und AASM. In seinen Aufgaben unterstützt wurde der Rat vom nach Vorbild des Ausschusses der Ständigen Vertreter gebildeten Assoziationsausschuss, der die Kontinuität der Zusammenarbeit zwischen den Ratstagungen sicherstellte. Im Juli 1964 übertrug der Rat dem Ausschuss einen Großteil seiner Kompetenzen. Die Parlamentarische Konferenz, die an die Straßburger Konferenz anknüpfte und quasi ihre Institutionalisierung war, trat einmal im Jahr zusammen. Sie konnte Resolution fassen und unterzog dem vom Assoziationsrat erstellten jährlichen Tätigkeitsbericht einem Examen. Inwieweit die Gleichheit der Partner formell blieb bzw. zur Realität wurde, hing wie schon in den Assoziierungsverhandlungen auch davon ab, inwieweit die Assoziierten Handlungsspielräume trotz der Asymmetrien in den Beziehungen zwischen Gebern und Nehmern zu eröffnen und nutzen verstanden. Jedenfalls verfügte die Assoziierung nunmehr über Foren, in denen die Assoziierten ihren Interessen und Prioritäten Ausdruck verleihen und denen der EWG gegenüberstellen konnten. Auch wenn die Kompetenzen der Institutionen, insbesondere die des Assoziationsrats, hinter den im Vorfeld und während der Verhandlungen in den Blick genommenen zurückblieben, war doch ein erster Schritt getan, auf dessen Basis die Beziehungen zwischen Gebern und Nehmern weiterentwickelt werden konnten. Im Bereich der Finanzhilfe und der Technischen Hilfe wurden zahlreiche Initiativen der Kommission der letzten Jahre formalisiert. Der EEF wurde fortgesetzt und gleichzeitig seine Interventionsbereiche diversifiziert. Der Fonds vergab nicht mehr nur Subventionen, sondern auch Darlehen über die Europäische Investitionsbank. Wie der Thorn-Bericht des Europäischen Parlaments 1964 hervorhob, konnte das Abkommen im Bereich der finanziellen und technischen Hil520
Ansprache von Djime Momar Gueye, Anlage zu: Protokoll über die Sitzung zur Paraphierung des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar anlässlich der fünften Ministertagung (Brüssel, 19./20.12.62), 1.3.63. Vgl. weiterhin auch: Ansprache des Präsidenten der Republik Kamerun, Amadou Ahidjo, 20.7.63.
DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
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fe aufgrund seines umfassenden und innovativen Instrumentariums Modellcharakter beanspruchen. Denn die Gemeinschaft konnte sowohl verlorene Zuschüsse als auch Darlehen zu normalen und besonderen Konditionen, Zinsvergütungen und kurzfristige Vorschüsse an Stabilisierungskassen in den AASM vergeben.521 Der EEF behielt jedoch seine ergänzende Funktion zu den bilateralen Entwicklungshilfen der EWG-Mitgliedsländer. Dies verdeutlicht auch ein Blick auf seine Mittelausstattung. Insgesamt stellte die Gemeinschaft 800 Mio. RE für die Laufzeit des neuen Abkommens zur Verfügung. Davon kamen 730 Mio. RE den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar zu Gute und 70 Mio. den noch abhängigen assoziierten Gebieten, deren Assoziierung auf Basis des Vertrags von Rom ebenfalls fortgesetzt wurde.522 64 Mio. RE standen den unabhängigen assoziierten Staaten und 6 Mio. RE den abhängigen Gebieten in Form von Darlehen der EIB zur Verfügung. EDF II: Grants and loans (in millions u/a)523 AASM 1 EDF: Subsidies
Dependent Associates
Total
620
60
680
46
4
50
2 EIB: Loans
64
6
70
Total
730
70
800
Special Loans
Eine ganze Reihe Interventionen wurde nunmehr möglich, nicht mehr nur im traditionellen Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Investitionen, sondern darüber hinaus auch in den Bereichen Technische Hilfe, Produktions- und Diversifizierungsbeihilfen und für Maßnahmen zur Preisregulierung. Die Produktionsund Diversifizierungsbeihilfen, für die eine Summe von 230 Mio. RE zur Verfügung stand, waren eine wesentliche Innovation des ersten Yaoundé-Abkommens. Während erstere die schrittweise Kommerzialisierung der Produkte der Assoziierten zu auf dem Weltmarkt konkurrenzfähigen Preisen erleichtern sollten, waren die Diversifizierungshilfen zum Abbau der Monokulturen und zum Aufbau einer vielgestaltigen Wirtschaftsstruktur bestimmt. Auch der Adressatenkreis der Hilfe weitete sich. Nicht nur die Regierungen, Behörden und öffentlichen Einrichtungen der assoziierten Staaten,524 sondern auch private Unternehmen, Institute, Genossenschaften, Agrarproduzenten und in besonderen Fällen auch Stipendiaten und Praktikanten wurden zum Empfängerkreis gezählt.
521 522
523 524
Vgl. Europäisches Parlament, Bericht von Gaston Thorn, Dok. 65, 13.9.63, S. 28. Vgl. Beschluss des Rats vom 25. Februar 1964 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. 93, S. 1472-1490/64. EEC, Commission, An Association of Free Peoples. Brussels 1965, zit. nach: COSGROVETWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 104. Dazu zählten, wie im Abkommen definiert wurde, juristische Personen, die nicht in erster Linie einen Erwerbszweck verfolgten, von allgemeinem oder sozialem Interesse waren und in den assoziierten Staaten der Kontrolle der öffentlichen Hand unterlagen. Vgl. Abkommen über die Assoziation, Art. 24, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (1964), S. 1439.
DAS ERSTE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ
339
Die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe blieb exklusiv bei der EWG. Der Assoziationsrat bot lediglich ein Forum, in dem Geber und Nehmer die Prioritäten der Hilfe diskutieren konnten. Neu war ein EEF-Komitee, über das die EWGMitgliedstaaten sich direkt an der Projektauswahl beteiligten, ohne dass der Ministerrat eingeschaltet werden musste. Die Kommission, bei der nach wie vor die Leitung des Fonds lag, hatte den Vorsitz im Komitee und führte das Sekretariat. Auch die von der EIB finanzierten Projekte überwachte die Kommission, nachdem die Finanzierungsentscheidung, die sie zusammen mit der EIB und dem EEF-Komitee traf, gefallen war. Somit blieb ihre Stellung im Vergabeprozess auch unter dem neuen Assoziierungsabkommen zentral. Zu den beiden größten Beitragszahlern des EEF zählten nach wie vor Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland, die zusammen 67,5% der insgesamt 730 Mio. RE des neuen EEF aufbrachten. Italien hatte seinen Beitrag mit 100 Mio. RE mehr als verdoppelt, während die Beiträge Belgiens und der Niederlande leicht gesunken waren. Comparative contributions to EDF I and II (millions u/a)525 EDF I 1958–63
EDF II 1964–69
France
200
246,5
West Germany
200
246,5
Belgium
70
69
Netherlands
70
66
40
100
Italy Luxembourg Total EDF EIB aid Overall total
1,25
2
581,25
730
––
70
581,25
800
Das Abkommen schuf eine Reihe paralleler Freihandelszonen zwischen der EWG auf der einen und jedem assoziierten Staat auf der anderen Seite. Nach wie vor erfreuten sich die Assoziierten eines präferentiellen Zugangs zum Gemeinsamen Markt, auch wenn der EWG-Außenzoll für eine Anzahl tropischer Produkte wie Kaffee, Kakao oder Tee um bis zu 40% reduziert wurde. Am Grundsatz des schrittweisen Abbaus von Handelsschranken auf beiden Seiten wurde festgehalten. Die EWG-Mitgliedstaaten beseitigten mit Inkrafttreten des Abkommens die Einfuhrzölle für eine Reihe einzeln aufgezählter tropischer Erzeugnisse aus den assoziierten Ländern. Was die nicht-tropischen Erzeugnisse anging, bauten die EWG-Mitgliedstaaten ihre Zölle nach den Regeln des EWG-Vertrags und den vereinbarten Beschleunigungen ab, die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar hingegen nur um jährlich 15%. Schutzklauseln garantierten beiden Seiten Abweichungen von den Prinzipien der Freihandelszone. Der Bundesregierung gelang es darüber hinaus, die bestehende Sonderregelung für deutsche Bananenimporte beizubehalten, auch wenn die Assoziierten nunmehr zuvor über
525
Zusammengestellt nach: Commission of the European Communities, European Development Aid. Brussels 1971, S. 36, zit. nach: COSGROVE-TWICHETT, Carol: Europe and Africa, S. 118.
340
DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
ihre Lieferfähigkeit konsultiert werden mussten.526 Im Unterschied zur bisherigen Regelung konnten die Assoziierten ihrerseits auch Kontingente einführen oder beibehalten. Den ursprünglichen Bestrebungen, zu einer eng koordinierten handelspolitischen Zusammenarbeit zu gelangen, hatten sich die deutsche und die niederländische Seite erfolgreich widersetzt. An ihre Stelle trat die Verpflichtung zur gegenseitigen Berücksichtigung der Interessen. So verpflichtete sich die EWG bei der Gestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik, die Interessen der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars zu berücksichtigen. Das Yaoundé-Abkommen ließ den Assoziierten im Gegensatz zu den Römischen Verträgen, die ursprünglich die Schaffung einer Freihandelszone unter den seinerzeit noch abhängigen assoziierten Ländern und Gebieten vorgesehen hatte, die Freiheit ihre handelspolitischen Beziehungen untereinander und zu dritten Ländern zu organisieren. Es war mit den bestehenden Zollunionen, UDEAO und UDEAC, kompatibel und ermöglichte auch den „open-door“-Staaten, ihr Handelssystem zumindest während der ersten drei Jahre der Laufzeit uneingeschränkt beizubehalten. Weiterhin wurde auch der insbesondere von einigen afrikanischen Commonwealth-Mitgliedern geübten Kritik Rechnung getragen, dass die Assoziierung der Schaffung eines gemeinsamen afrikanischen Markts entgegenstehe. Im Bereich der Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Zahlungsbestimmungen trug das neue Abkommen schließlich zur handelspolitischen Dekolonisierung bei, indem es auf der Basis der Prinzipien der Nichtdiskriminierung und Gleichheit die französische Monopolstellung zu brechen anstrebte.527 Den Entwicklungsoptimismus zu Beginn der ersten UN-Entwicklungsdekade, der auch den Yaoundé-Verhandlungen zugrunde lag, reflektierte die Präambel des Abkommens, in der die Vertragsparteien ihren Willen bekundeten, „gemeinsam ihre Bemühungen um den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt ihrer Länder fortzusetzen.“528 Mit dem Verständnis von Entwicklung 526
527 528
Die AASM forderten, dass ihre steigende Produktion auch auf dem deutschen Markt abgesetzt werden müsste. Die Bundesregierung bezweifelte demgegenüber die Lieferfähigkeit der assoziierten Länder. Verhandlungen deutscher Bananenimporteure mit Kamerun hatten ergeben, dass auch Kamerun nicht in der Lage war, die erforderlichen Mengen zu liefern. Insgesamt hatte die BRD 1962 467100 t Bananen importiert. Zu ihren Hauptlieferantenländern zählten Ecuador, Columbien, Guatemala, Honduras, die Dominkanische Republik und die Kanarischen Inseln. Nur 5400 t Bananen waren im gleichen Zeitraum von der Elfenbeinküste, aus Kamerun, den französischen Antillen (Guadeloupe) und dem Kongo eingeführt worden. Vgl. zu den Verhandlungen über die Höhe des bundesdeutschen Zollkontingents für Bananen: BMWi, E A 6, Betr.: Zollkontingent für Bananen gem. Ziff. 6 des Bananenprotokolls, 14.6.63; E A 6, Vermerk, Betr.: Verlauf der Konsultationen mit den assoziierten Staaten und den Mitgliedstaaten am 25. Juni 1963 in Brüssel gem. Ziff. 6 des Bananenprotokolls und gem. Anhang IX zum Assoziationsabkommen, 26.6.63; Ständige Vertretung BRD, Vermerk, Betr.: Zollkontingent für Bananen gem. Ziff. 6 des Bananenprotokolls im Anhang zum EWGVertrag, Brüssel, 27.6.63; Ad hoc Zusammenkunft EWG-AASM mit Bananenausfuhr, Bericht über die Ad hoc Zusammenkunft zwischen Vertretern der Gemeinschaft und der assoziierten Staaten, die Bananen exportieren, am 25. Juni 1963, 10.7.63; Schreiben des Ständigen Vertreters der BRD bei der EWG, Harkort, an den Vorsitzenden des Ausschusses der Ständigen Vertreter und Ständigen Vertreter der Niederlande bei den Europäischen Gemeinschaften, Spierenburg, Betr.: Zollkontingent für Bananen gem. Ziff. 6 des Bananenprotokolls, 23.7.63, in: PAAA, B 20/725. Vgl. weiterhin: „Warenverkehr. Kampf um Bananen“, in: HANDELSBLATT, 3.7.63. Vgl. hierzu auch: COSGROVE-TWICHETT, Carol: Europa and Africa, S. 100 f. Abkommen über die Assoziation, in: Amtsblatt, Nr. 93, S. 1432/64.
AUF DEM WEG NACH YAOUNDÉ II
341
als interdependenten Prozess, von dem beide Seiten profitierten, ging die Überzeugung von der Möglichkeit einer aufholenden Entwicklung der assoziierten Staaten einher, zu deren „wirtschaftliche[n] Unabhängigkeit“529 die Assoziierung beitragen sollte. Obschon innovativ geriet die neue Assoziierungsregelung in den assoziierten afrikanischen Staaten in die Kritik. Selbst Ahidjo sah sich in seiner Festrede anlässlich der Unterzeichnung veranlasst, dieser Kritik Ausdruck zu verleihen. Ihm ging das neue Abkommen auf dem Gebiet der Preisstabilisierung nicht weit genug.530 Auch Kommissar Rochereau räumte im ABIDJAN MATIN ein, dass die neue Regelung noch keine befriedigende Antwort auf die Fragen der Absatzmärkte und Exporteinkünfte gebe. Weiterhin sei fraglich, ob die Produktionsund Diversifizierungsbeihilfen bereits innerhalb der Laufzeit des Abkommens Effekte zeitigten.531 Der Kommissar richtete deshalb seine Erwartungen in die Zukunft und begriff die neue Regelung nur als Übergangsetappe „au cours de laquelle la forme même de la coopération future entre la Communauté et l’outre– mer devra être discutée, élaborée, définie.“532 In diesem Sinne verstanden auch die Assoziierten das neue Abkommen als ein Aktionsprogramm, wie der Wirtschaftsminister Obervoltas erläuterte, zur Intensivierung der Beziehungen auf allen Gebieten.533 Die Assoziierten setzten ebenso wie die Kommission auf den Dialog, auf die fortgesetzten Verhandlungen in den Assoziationsorganen, um die Assoziierung in ihrem Sinne auszugestalten. In der Tat ermöglichte das Abkommen aufgrund seiner Ambivalenz eine Ausgestaltung in verschiedene Richtungen. So beruhte beispielsweise das Verhandlungsergebnis in dem Punkt der Produktions- und Diversifizierungsbeihilfen auf einer Zweideutigkeit. Während es sich dabei für die Europäer um vorläufige Maßnahmen handelte, sahen die Afrikaner darin ein Stück einer eurafrikanischen Marktorganisation, die noch institutionalisiert werden musste und in Zukunft ein wesentlicher Aspekt der Beziehungen Europas zu Afrika sein sollte.534 Gerade dieser Ambivalenz, die Interpretationsspielräume eröffnete, verdankte sich letztlich der Verhandlungserfolg. Das neue Abkommen trat am 1. Juni 1964 mit fünfjähriger Laufzeit in Kraft.
2. Auf dem Weg nach Yaoundé II 2.1. Die Assoziierung Nigerias und der Staaten der ostafrikanischen Gemeinschaft Mit den Beitrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EWG hatte sich auch die Frage nach einer Ausdehnung der Assoziierung auf das Commonwealth gestellt. Die Assoziierungsfrage bildete einen komplexen Verhandlungs529 530 531 532 533
534
Ebd. Vgl. Ansprache des Präsidenten der Republik Kamerun, Amadou Ahidjo, 20.7.63. Vgl. Un Europe outre-mer. Un nouveau contrat par Henri Rochereau, membre de la Commission exécutif du Marché Commun, in: ABIDJAN MATIN, 21.1.63. Ebd. Vgl. Ansprache des Wirtschaftsministers der Republik Obervolta, Moise Traore, 20.7.62, Anlage zu: Ministertagung der EWG mit den AASM, Protokoll der feierlichen Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen in Jaunde (Kamerun) am 20.7.63 , 31.10.63, in: HAEG Brüssel, BAC 19/1969 89. Vgl. SGAM, Note à l’attention de M. le Président de la République, 27.12.62.
342
DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
gegenstand, schließlich umfasste das Commonwealth sowohl abhängige als auch unabhängige Länder der nördlichen und der südlichen Hemisphäre. Der Commonwealth-Handel mit Industrie- und Entwicklungsländern in verschiedenen Weltregionen betraf im Gegensatz zu dem der EWG mit den ehemaligen Kolonien der Mitgliedsstaaten nicht überwiegend tropische, sondern konkurrierende Agrarprodukte und gewerbliche Erzeugnisse. Gegenüber den ursprünglichen Vorstellungen Großbritanniens, das allen Commonwealth-Mitgliedern die Assoziierung mit der EWG ermöglichen wollte,535 gelang es den Sechs letztlich, einer differenzierten Regelung Geltung zu verschaffen. Der gemeinsame Außentarif sollte auf die gewerblichen Produkte aus den Dominions Kanada, Australien und Neuseeland Anwendung finden,536 während gegenüber den asiatischen Ländern Indien, Pakistan und Ceylon ein schrittweiser Abbau der Empire-Präferenzen und deren Ersetzung durch Handelsabkommen mit der EWG vorgesehen wurde. Nachdem die letzteren somit im Frühjahr 1962 von einer Assoziierungsregelung ausgeschlossen worden waren,537 erzielten die Sechs und die Briten im Sommer 1962 Übereinstimmung über die Assoziierung der Länder Afrikas und der Karibik mit der EWG.538 Während die abhängigen Territorien nach dem vierten Teil des Vertrags von Rom assoziiert werden sollten, wurde für die unabhängigen Commonwealth-Mitglieder eine Assoziierung zu den Bedingungen des neuen Assoziierungsabkommens zwischen den assoziierten Staaten Afrikas und Madagaskars und der EWG vorgesehen. Doch auch eine Ausdehnung der Assoziierung auf die afrikanischen Commonwealth-Länder brachte Probleme mit sich.539 So bedeutete die Bildung einer Präferenzzone mit den Commonwealth-Ländern für die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar eine Minderung ihrer Präferenz im Gemeinsamen Markt. Die frankophonen und anglophonen Länder des subsaharischen Afrika waren bei tropischen Erzeugnissen nicht nur Konkurrenten auf dem Weltmarkt,540 sondern einzelne anglophone Staaten zählten zu den wichtigsten Produzenten bestimmter tropischer Agrarerzeugnisse. Nigeria und Ghana produzierten beispielsweise dreiviertel der weltweiten Kakaoernte. Ihre Einbeziehung in eine Assoziierungsregelung verschärfte die Diskriminierungsproblematik gegenüber anderen tropischen Erzeugerländern Lateinameri535
536
537 538
539
540
Vgl. Conférence entre les Etats membres des Communautés Européennes et les Etats tiers ayant demandé l’adhésion à ces Communautés. Résumé succinct de l’état des négociations, 21.5.62, in: HAEG Florenz, BAC 24/1967 6. Vgl. hierzu: ROBERTSON, Paul L./SINGLETON, John: Britain, the Dominions and the EEC, 1961-63, in: DEIGTHON, Anne/MILWARD, Alan S.: Widening, Deepening and Acceleration, S. 107-123. Vgl. Sechster Gesamtbericht (1963), S. 219 f., COSGROVE-TWITTCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 144. Vgl. Conférence entre les Etats membres des Communautés Européennes et les Etats tiers ayant demandé l’adhésion à ces Communautés, 10ème Session Ministérielle, 1.-5.8.62 , Procèsverbal und Déclaration, in: HAEG Florenz, BAC 24/1967 7. Vgl. Kommission, Sekretariat: Demande d’adhésion de la Grande-Bretagne. Problèmes du Commonwealth: Comment les concilier avec l’association des Etats africains et malgache? (Communication de M. Lemaignen), 22.11.61, in: Ebd., 6; Premier Ministre, SGCI, Extension éventuelle de l’association aux Etats africains du Commonwealth: Essai de recensement des problèmes, nicht datiert, in: MAE, dece 2104; MAE, Compte-rendu de la réunion francobritannique du 2 février 1962, mit Anlage: Note N° 2, nicht datiert, in: Ebd., 2105. Siehe auch Teil D, Kap. 1.1. Die assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten und die Erneuerung der Assoziierung
AUF DEM WEG NACH YAOUNDÉ II
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kas und Asiens und stellte damit nach Ansicht der französischen Regierung das der Assoziierung zugrunde liegende Präferenzsystem an sich in Frage.541 Im Bereich der Entwicklungshilfe stellte sich die Frage nach der Erhöhung des EEF, des britischen Beitrags und der Aufteilung der EEF-Mittel zwischen Commonwealth-Ländern und AASM.542 Vor diesem Hintergrund hatte man im Pariser Außenministerium schon früh die Möglichkeit zweier Assoziationen ins Auge gefasst einerseits zwischen den Sechs und den bereits Assoziierten, andererseits zwischen einer um Großbritannien erweiterten EWG und den Commonwealth-Ländern.543 Mit Ausnahme Sierra Leones wiesen die unabhängigen afrikanischen Commonwealth-Staaten jedoch im September 1962 auf einer Commonwealth-Konferenz in London das Assoziierungsangebot zurück.544 Dass Ghana das Angebot ablehnte, konnte angesichts der politischen und ideologischen Kritik des ghanaischen Regierungschefs, der selbst nicht zur Konferenz erschien, nicht überraschen.545 Auch Nigeria und Tanganjika lehnten eine Assoziierung mit der EWG ab. Die Verhandlungsführung Großbritanniens, das während der Verhandlungen mit der EWG über den Status des Commonwealth auch dessen unabhängigen Mitglieder nicht konsultierte und das Assoziierungsangebot im Grunde genommen auf einer take-it-or-leave-it-Basis unterbreitete,546 wird diese Staaten in ihren Vorbehalten gegen die Assoziierung bestärkt haben. Mit Assoziierung konnotierten sie einen „halbkolonialen“ und gegenüber dem eines Vollmitglieds minderwertigen Status. Sensibel zeigten sie sich auch für die Problematik, über ökonomische Bande politische Anlehnung herzustellen. Der nigerianische Premierminister hielt die Assoziierung vor diesem Hintergrund mit der von Nigeria verfolgten Politik der Blockfreiheit für nicht vereinbar. Schließlich behinderte in den Augen der afrikanischen Commonwealth-Mitglieder die Assoziierung eher eine afrikanische Einigung, als dass sie sie förderte. Ihnen war nicht einsichtig, warum auf dem Weg zur afrikanischen Einheit ein Umweg über Europa gemacht werden sollte.547 541 542
543 544 545 546 547
Vgl. Premier Ministre, SGCI, Extension éventuelle de l’association aux Etats africains du Commonwealth. Vgl. Conférence entre les Etats membres des Communautés Européennes et les Etats tiers ayant demandé l’adhésion à ce Communautés, Comité des Suppléants: Texte d’une déclaration faite le 29 mars par Sir Pierson Dixon au sujet du problème de l’ association, in: BAC 24/1967 6; Comité des Suppléants, 4./5.4.62: Texte d’une déclaration faite au nom de la délégation britannique par Sir Eric Roll, Objet: Association: prélèvements sur le Fonds de Développement d’Outre-mer , Données concernant l’assistance du Royaume-Uni aux pays sousdéveloppés, in: Ebd.; Rapport sur l’état de la négociation approuvé par les Suppléants, 12.4.62, in: Ebd.; MAE, Compte-rendu de la réunion franco-britannique du 15 mars 1962, in: MAE, dece 2105. Vgl. MAE, Compte-rendu de la réunion franco-britannique du 2 février 1962, mit Anlage: Note N° 2. Vgl. hierzu: COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 144; RAVENHILL, John: Collective Clientelism, S. 73 f.; ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 77 f. Siehe auch Teil D, Kap. 1.1. Die afrikanischen und madagassischen Staaten und die Erneuerung der Assoziierung. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 144; RAVENHILL, John: Collective Clientelism, S. 73 f. Vgl. Verbalnote der Botschaft der Föderation Nigeria an AA vom 17.1.63, in Anlage: Statement to Parliament by the Right Hon. Prime Minister on Nigeria’s relationship with the European Economic Community, 24th September, 1962, in: PAAA, B 20/915.
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DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
Vor dem eigenen Parlament zeigte sich der nigerianische Premier um eine differenzierte und sachliche Erörterung der politischen und ökonomischen Vorund Nachteile einer Assoziierung mit der EWG vor dem Hintergrund des erwarteten Beitritts Großbritanniens bemüht. Er stellte die erwarteten Nachteile auf dem britischen Markt ebenso in Rechnung wie den wachsenden Wettbewerb der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskars zu Nigeria in der EWG. Auch auf die ökonomischen Konsequenzen eines Verzichts auf Entwicklungshilfe aus dem EEF wies er hin.548 Dieser Verzicht erschien ihm aber umso leichter möglich, als er die Entwicklungsstrategie der EWG ablehnte. Diese nahm er als eine Fortschreibung des kolonialen Gütertauschs wahr, da sie die Assoziierten in die Rolle des Rohstofflieferanten für die hochindustrialisierte Europäische Gemeinschaft dränge und somit den Industrialisierungserfordernissen der afrikanischen Staaten nicht gerecht werde. Einer vertikalen Kooperationsstrategie mit der EWG stellte er die Strategie einer horizontalen, interafrikanischen Kooperation gegenüber, die auf die Schaffung eines inneren Markts, der groß genug zur Aufnahme von Industrieprodukten sei, zielte.549 Im Übrigen maß der Premier einer regionalen Entwicklungskooperation gegenüber den Initiativen zur Regulierung der Weltmärkte für tropische Erzeugnisse nur mehr nachgeordnete Bedeutung bei. „I went on to make the point, Mr. President, that the Problems which now confront developing countries are of so far–reaching and so profound a nature that the issue of association with the Community had become relatively insignificant. It was our view that the most pressing requirement of developing countries was expanding world markets for their export products at reasonable prices. […] It is therefore our intention to press for measures aimed at stabilising world prices of agricultural commodities coupled with assured markets in the European Economic Community and the rest of the world.”550 Vor diesem Hintergrund warb der Premier vor dem nigerianischen Parlament für einen alternativen Kurs, der auf weltweite Vereinbarungen setzte, zugleich aber im regionalen Rahmen auch darauf, einen vorteilhaften Marktzugang zur EWG zu verhandeln. Nach Scheitern der Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien eröffnete die Absichtserklärung des EWG-Ministerrats von April 1963 den afrikanischen Commonwealth-Mitgliedern drei Möglichkeiten, um in Beziehung zur EWG zu treten.551 Eine mit dieser Erklärung einhergehende positive Rezeption des neuen Assoziierungsabkommens mit den 18 sowie der Assoziierung Griechenlands, die ein alternatives Assoziierungsmodell aufzeigte, dessen Schwerpunkt auf einem präferentiellen Handelssystem lag, führte zu einer partiellen Neubewertung, so dass einigen anglophonen afrikanischen Staaten auch eine Assoziierung mit der EWG, die gleichwohl „weniger formell“ als die der 18 sein sollte,552 als Option er548 549 550 551 552
Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd. Siehe auch. Teil D, Kap. 1.5. Die Verhandlungen Gespräch zwischen Bundesminister Schröder und dem tanganjikischen Botschafter Tibandebage, 17.5.63, in: Akten zur Auswärtigen Politik der BRD, S. 554-556, Zitat: S. 555.
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schien. Der nigerianische Botschafter bei der EWG, Pius Okigbo, erläuterte rückblickend: „It began to emerge that the concept of association was sufficiently elastic to permit a relationship that was neither neo–colonialist nor subordinate.“553 Im September bzw. November 1963 teilten Nigeria und die ostafrikanischen Staaten Kenia, Tanganjika und Uganda der Gemeinschaft mit, ihre wirtschaftlichen Beziehungen zur EWG auf der Grundlage der Absichtserklärung vertiefen zu wollen. Während der exploratorischen Gespräche, die Nigeria Ende November 1963 mit der EWG-Kommission führte, machten die Nigerianer deutlich, dass sie dieselben handelspolitischen Vorteile wie die AASM im Gemeinsamen Markt eingeräumt bekommen wollten. Einen Beitritt zum Yaoundé-Abkommen schlossen sie hingegen vorwiegend aus politischen Gründen aus und sprachen sich stattdessen für eine eigenständige Assoziierung mit reziproken Rechten und Pflichten entsprechend der zweiten Möglichkeit der Absichtserklärung aus.554 Der größte anglophone Staat im subsaharischen Afrika war ein wichtiger Handelspartner der Gemeinschaft bzw. einzelner EWG-Mitgliedstaaten. Als Lieferant tropischer Produkte stand Nigeria bei Kakao an zweiter, bei Palmöl an dritter und bei Tropenhölzern an vierter Stelle.555 Im subsaharischen Afrika zählte Nigeria zu den am schnellsten wachsenden Märkten Frankreichs556 und der Bundesrepublik. Mitte der 60er Jahre war die Bundesrepublik der zweitwichtigste Handelspartner Nigerias. Deutsche Firmen hatten einen Hauptanteil an der Industrialisierung des Landes.557 Handelsinteressen sowie das Bestreben, sich mittels Investitionen in Nigeria zu engagieren, sprachen auch nach Ansicht der Handelskammer Hamburg für eine Assoziierung des Commonwealth-Landes.558 In seiner Stellungnahme für das Auswärtige Amt äußerte der Syndikus der Handelskammer Bedenken hinsichtlich deren handelspolitischen Rückwirkungen auf die Assoziierung mit den afrikanischen Staaten selbst als auch hinsichtlich der Beziehungen der EWG zu nicht-assoziierten Ländern.559 Im BMWi teilte man die Bedenken, im Auswärtigen Amt wurde man sich der Bedeutung einer liberalen Handelspolitik der EWG mit der Ausweitung der Gemeinschaft und der Zahl der Assoziierten bewusst.560 Die Bundesregierung maß der Assoziierung Nigerias vor allem politische Bedeutung bei. Nach ihrer Ansicht trug sie zur Beseitigung der Spaltung Afrikas bei, förderte die Zusammenarbeit und den Handel zwischen den afrikanischen Staaten und zog die Assoziierung weiterer afrikanischer Staaten unvermeidlich nach sich.561 Bonn betrachtete ebenso wie Den Haag eine 553 554
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OKIGBO, Pius: Africa and the Common Market. Evanston 1967, S. 116. Vgl. Vertretung der BRD bei der EWG an AA, Betr.: Beziehungen EWG-Nigeria, 2.12.63, in: PAAA, B 20/915; AA, Abt. 1, Aufzeichnung, Betr.: Besuch des nigerianischen Botschafters bei der EWG, Pius Nwabufo Charles Okigbo, 20.9.63, in: Ebd. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 80. Vgl. RAVENHILL, John: Collective Clientelism, S. 38. Vgl. AA, Länderaufzeichnung über die Bundesrepublik Nigeria, Stand: 1.4.66, in: B 20/1208. Vgl. Schreiben der Handelskammer Hamburg, Jantzen, an das AA, VLR I v. Stempel, 18.5.63, in: PAAA, B 20/915. Vgl. ebd. Vgl. AA, Ref. III A 2 an Ref. I A 2, Betr.: Handelspolitische Fragen der Assoziierung, Bezug: Schreiben der Handelskammer Hamburg vom 18. Mai, 5.6.63, in: Ebd. Vgl. AA, Ref. I A 2, Beziehungen zu Nigeria, insbesondere die politischen Aspekte und die britische und amerikanische Reaktion auf eine zollpolitische contre-partie Nigerias für die Öffnung des Marktes der Gemeinschaft, 15.7.64, in: PAAA, B 20/917.
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Assoziierung Nigerias als Testfall für die Offenheit der Assoziierung. 562 Sie würde das Ansehen der EWG nicht nur in Afrika, sondern auch international fördern. Schließlich zählte Nigeria in internationalen Foren bisher zu den handelspolitischen Kritikern der EWG und der Assoziierung.563 Auf der ersten UN-Welthandelskonferenz in Genf (23. März - 15. Juni 1964) trat Nigeria für nicht-reziproke Handelsregelungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ein564, während die EWG die Assoziierung gegen die auf der Konferenz geäußerte Kritik am regionalen Entwicklungsansatz verteidigte und sie als wirksames Instrument der Entwicklungszusammenarbeit zwischen Nord und Süd präsentierte.565 Schon seit November 1961 setzten sich Nigeria und Frankreich im GATT auseinander, da Nigeria dort die sofortige Abschaffung von Zöllen auf tropische Produkte forderte, was von Frankreich als Angriff auf die Assoziierung interpretiert wurde, zumal Nigeria zur selben Zeit die Übereinstimmung der Assoziierungsregelung mit den GATT-Regeln in Frage stellte.566 Die Konfrontation zwischen Nigeria und Frankreich beschränkte sich aber nicht auf handelspolitische Fragen: Nigeria unterbrach nach dem dritten französischen Atomwaffentest in der Sahara die diplomatischen Beziehungen zu Paris, erst 1966, im Jahr der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EWG, nahmen Paris und Lagos nach Vermittlung des ivorischen Präsidenten Houphouët-Boigny die Beziehungen wieder auf.567 Zudem konkurrierten Frankreich und Nigeria um Einflusszonen in Westafrika, so dass Frankreich dem Bestreben Nigerias entgegentrat, zu einer afrikanischen Vormacht zu werden, zumal es darin eine Gefahr für den Zusammenhalt der franko-afrikanischen Gemeinschaft erblickte.568 Auch im Hinblick auf die Assoziierung hatte Frankreich kein Interesse an einer Ausweitung über den Kreis der Yaoundé-Assoziierten hinaus, da dies zu einer Schwächung der Position der 18 im Gemeinsamen Markt führte. Somit stimmte Paris in dem Bestreben, die Interessen der Alt-Assoziierten zu schützen, dem Verhandlungsmandat für die EWG-Kommission erst zu, als Übereinkunft mit den übrigen EWG-Mitgliedern bestand, dass der Gehalt des Yaoundé-Abkommens nicht beeinträchtigt und in den Verhandlungen der Tatsache Rechnung getragen würde, dass Nigeria im Commonwealth Präferenzen genoss. Nach französischer Auffassung musste daher Nigeria im Falle einer Assoziierung schlechter gestellt werden als die Alt-Assoziierten.569
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Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 108. StS Lahr erwartete von einer baldigen Aufnahme der Assoziierungsverhandlungen positive Auswirkungen auf die Haltung Nigerias bei der ersten Welthandelskonferenz, die vom 23. März bis 15. Juni 1964 in Genf tagte. Vgl. VLR I v. Stempel an die deutsche Botschaft Lagos, Betr.: Haltung Nigerias auf der Welthandelskonferenz in Genf, 6.5.64, in: PAAA, B 20/917. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 83. Vgl. Achter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft (1965), S. 6; FREY-WOUTERS, Adele E.: The European Community and the Third World, S. 217 ff. Vgl. CURZON, Gerard: Multilateral Commercial Diplomacy, S. 238 f., 283; ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 83. Vgl. BRÜNE, Stefan: Französische Afrikapolitik, S. 79; VAÏSSE, Maurice: La grandeur, S. 498. Vgl. ebd., S. 495 ff.; NOUAILLE-DEGORGE, Brigitte: La politique de coopération, S. 60. Vgl. Présidence de la République, Secrétariat Général pour la Communauté et les Affaires Africaines et Malgaches, Note: Problèmes posés par un éventuelle association du Nigeria au Marché Commun, 9.6.64, in: CHAN, SGAM, fonds public 1486; AA an die Botschaften in Lagos, Dar-es-Salam, Nairobi, 17.4.64, in: B 20/1052.
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In den zweijährigen, sich über mehrere Runden erstreckenden Verhandlungen zwischen Nigeria und der EWG stellte sich insbesondere das Problem der Reziprozität.570 Die Commonwealth-Präferenzen, die Nigeria auf dem britischen Markt eingeräumt wurden, erforderten keine Gegenpräferenzen. Daher forderte Nigeria den Verzicht der EWG auf Gegenpräferenzen, da deren Einräumung eine Abkehr vom nicht-diskriminierenden Zolltarif für Nigeria bedeutet hätte. Nigeria hatte in diesem Kontext auch die Haltung der USA und Großbritanniens zu berücksichtigen, die eine Diskriminierung auf dem nigerianischen Markt nicht hinzunehmen bereit waren.571 Gestärkt wurde die nigerianische Position durch die Schlusserklärung der Welthandelskonferenz in Genf, die das Prinzip der Nichtreziprozität in Handelsvereinbarungen zwischen entwickelten und unterentwickelten Ländern proklamierte.572 Zudem wich auch das GATT 1965 mit der Aufnahme eines neuen Teils, „Bestimmungen über Handel und Entwicklung“, von seinen Grundprinzipien der Gegenseitigkeit und Nichtdiskriminierung zugunsten der Entwicklungsländer ab. Der aufgrund der Kritik der Entwicklungsländer am GATT aufgenommene Teil IV sah vor, dass Entwicklungsländer keine Gegenleistungen für Zollsenkungen oder Beseitigung nicht-tarifärer Handelshemmnisse seitens der Industrieländer erbringen mussten.573 Während der dritten Verhandlungsrunde zwischen Nigeria und der EWG im Frühjahr 1965 bestand Paris Frankreich hatte den neuen GATT-Teil nicht unterzeichnet574 darauf, dass Nigeria der EWG „avantages commerciaux réels“ einräume.575 Die Bundesrepublik und die übrigen EWG-Mitglieder erblickten darin eine Verzögerungstaktik, die den Fortgang der Verhandlungen mit Nigeria zu gefährden geeignet war.576 Ihnen genügte es demgegenüber, wenn dem Reziprozitätsprinzip nominell Rechnung getragen wurde.577 Die Assoziierten stütz570 571
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Zu den Assoziierungsverhandlungen mit Nigeria vgl.: ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 80-93. Im Sommer 1965 erreichten die EWG die Demarchen der USA und Großbritanniens, mit denen diese beiden Länder ihrer Opposition gegen den Abschluss eines Präferenzabkommens zwischen Nigeria und der EWG Ausdruck verliehen. Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Assoziierung Nigerias mit der EWG; hier: amerikanische Demarche, 25.6.65, in: PAAA, B 20/1206; DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 302. Vgl. GLISMANN, Hans-Hinrich: Weltwirtschaftslehre, S. 137 ff.; GOSOVIC, Branislav: UNCTAD Conflict and Compromise. The Third World’s Quest for an Equitable World Economic Order through the United Nations. Leiden 1972, S. 29-35. Darüber hinaus proklamierte Teil IV folgende Ziele: 1. die Ausfuhrerlöse der Entwicklungsländer zu erhöhen, 2. die Preise für Rohstoffe auf den Weltmärkten auf einem angemessenen Niveau zu stabilisieren, 3. den Zugang von Fertigerzeugnissen aus Ländern der Dritten Welt auf den Märkten der Industrieländer zu verbessern. Vgl. GATT, Teil IV, Art. XXXVI „Grundsätze und Ziele“ (dt. Übers.), in: Bratschi: Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT), S. 106 f.. Vgl. Achter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft, S. 363. Vgl. MAE, Note a.s. C.E.E. – Nigeria, 2.4.65, in: MAE, dece 2128. Vgl. AA, I A 2, Betr.: Verhandlungen über das Abkommen zwischen der EWG und Nigeria, 5.5.65, in: PAAA, B 20/1205; AA, Abt. 1, Betr.: Beziehungen zwischen der EWG und Nigeria, hier: Französische Haltung, 18.5.65, in: Ebd., 1206. Dass es Frankreich nicht nur um das Prinzip ging, sondern verhandlungstaktische Erwägungen dahinter standen, wurde offensichtlich, als Frankreich sein Einlenken an Fortschritte in den Assoziierungsverhandlungen mit den beiden Maghreb-Staaten Tunesien und Marokko band. Im BMWi verfolgte man demgegenüber die damit beginnende Entfernung von den Grundlagen des Yaoundé-Abkommens mit Skepsis. MR Heise warnte vor den nachteiligen Folgen eines Verzichts auf Gegenpräferenzen in den Verhandlungen mit Nigeria und Ostafrika, da
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ten hingegen die französische Position. Als sie im Assoziationsrat entsprechend der Bestimmung des Yaoundé-Abkommens zur Assoziierung Nigerias konsultiert wurden, stellten sie die Möglichkeit einer Assoziierung ohne Gegenleistungen in Frage. Darüber hinaus verlangten sie an der Festsetzung von Kontingenten für die vier Hauptexportprodukte Nigerias beteiligt zu werden, um ihre Interessen zu schützen.578 Die Assoziierten fürchteten nicht nur um ihre handelspolitischen Privilegien, sondern auch, dass Standortvorteile zu einer für sie nachteiligen Konzentration europäischer Investitionen auf den nigerianischen Markt führten.579 Auch wenn assoziierte Staaten Vorbehalte gegen die wirtschaftliche Vormacht Nigerias hatten, konnten sie sich dennoch einer Assoziierung des Commonwealth-Staates aufgrund der Idee der afrikanischen Einheit nicht grundsätzlich widersetzen.580 Um die Standpunkte der Assoziierten zur Kenntnis zu nehmen und ihre Befürchtungen zu zerstreuen, kontaktierten die Kommission und die nigerianische Regierung im November 1964 die 18 Assoziierten. Nigeria stellte dabei insbesondere seinen Verzicht auf Finanzhilfe aus dem EEF als Geste des guten Willens heraus.581 Das Abkommen mit Nigeria wurde schließlich am 16. Juli 1966 in Lagos unterzeichnet. 92% der Ausfuhr der EWG kam die Meistbegünstigung im bedeutenden nigerianischen Markt zugute, auf 26 Waren, bei denen die EWG ohnehin der Hauptlieferant war, räumten ihr die Nigerianer eine Präferenz zwischen 2 und 5% ein. Dieser maß die Gemeinschaft jedoch nur symbolischen Wert bei, zumal Nigeria seine Zölle in Form von Fiskalabgaben beibehielt und somit eine Freihandelszone zwischen der EWG und dem Commonwealth-Staat eher Fiktion blieb. Die Vorstellung von Reziprozität war damit, wie eine Aufzeichnung des Auswärtigen Amts feststellte, „teuer bezahlt“.582 Dennoch hatte nach Ansicht der Bundesregierung das Abkommen mit Nigeria Signalwirkung für die YaoundéAssoziierung: handelspolitisch deutete es einen Paradigmenwechsel an, da das regional begrenzte Präferenzsystem an Wert zu verlieren schien.583 Nigerianische Exporte hatten zollfreien Zugang zum Gemeinsamen Markt. Vier Exportprodukte – Kakao, Erdnussöl, Palmöl und Sperrholz, die mit denen der Assoziierten konkurrierten wurden kontingentiert. Im Gegensatz zum Yaoundé-Abkommen sah das Lagos-Abkommen keine finanzielle und technische Hilfe vor. Auch die
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dieses Entgegenkommen zum Präjudiz für die Assoziierungsverhandlungen mit den Maghreb-Staaten zu werden drohte. Vgl. MR Heise an MD Estner, Betr.: Die laufenden Verhandlungen und Vorbesprechungen über die Assoziierung verschiedener afrikanischer Staaten, 23.3.65, in: BA Koblenz, B 102/130244. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 168 f. Der Generalsekretär der OAMCE, Jules A. Razafimbahiny, verlieh diesem wirtschaftlichen Vorbehalt gegen eine Assoziierung Nigerias beispielsweise gegenüber dem Vorstandsmitglied des deutschen Afrikavereins, Günther Jantzen, Ausdruck. Vgl. Schreiben der Handelskammer Hamburg an das AA, 18.5.63. Vgl. hierzu die Rundfrage des französischen Außenministeriums bei den Botschaften: MAE, Telegramme au Depart, Paris, 9.6.64; Télégramme à l’Arrivée, Yaoundé, 18.6.64; Télégramme à l’Arrivée, Brazzaville, 24.6.64; Antwort des Außenministeriums der ZAR an den Hohen Repräsentanten Frankreichs, Roger Barberout, 13.7.64, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1486. Vgl. SGAM, Schreiben des Chefs de la Mission d’Aide et de Coopération in Dahomey an den Generalsekretär für afrikanische Angelegenheiten, 23.12.64, in: Ebd. AA, Aufzeichnung der Abt. I vom 24.6.66, Assoziierungsabkommen EWG – Nigeria, in: PAAA, B 20/1209. Vgl. ebd.
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institutionellen Bande waren lockerer als die zu den Yaoundé-Assoziierten und reflektierten die geringe Neigung Nigerias zu einer politischen Zusammenarbeit mit der EWG. Das Abkommen trat letztlich nicht in Kraft, da Luxemburg und Frankreich es vor dem Hintergrund des 1967 ausgebrochenen nigerianischen Bürgerkriegs, in dem Frankreich seit Sommer 1968 die sezessionistische Provinz Biafra offiziell unterstützte, nicht ratifizierten.584 Gleichwohl stellte das Lagos– Abkommen einen Präzedenzfall für die Verhandlungen der EWG mit den ostafrikanischen Staaten dar. Bereits vor der Absichtserklärung des EWG-Ministerrats von April 1963 war im März eine ostafrikanische Delegation zu exploratorischen Gesprächen mit der EWG–Kommission in Brüssel eingetroffen.585 Noch auf der Londoner Commonwealth-Konferenz hatte der tanganjikische Vizepräsident Rashidi Kawawa Kritik an den politischen Implikationen der Assoziierung geübt, die er zudem als Bedrohung für den gemeinsamen ostafrikanischen Markt wahrnahm. Die wachsende handelspolitische Konkurrenz der 18 Assoziierten sowie die Suche nach neuen Märkten ließ die tanganjikische Regierung jedoch im Frühjahr 1963 zu einer Neubewertung einer Assoziierung mit der EWG kommen. Ebenso wie Nigeria präsentierten die drei ostafrikanischen Staaten ihre Kandidatur für eine Assoziierung nach Art. 238 des EWG-Vertrags, optierten also für die zweite Möglichkeit der Absichtserklärung. Die Verhandlungen waren langwieriger als die mit Nigeria; erst am 26. Juli 1968 unterzeichneten die Verhandlungspartner ein Assoziierungsabkommen in Arusha (Tansania), dem Sitz der Organisation der Ostafrikanischen Gemeinschaft.586 Dies rührte auch daher, dass beide Seiten diesen Verhandlungen keine Priorität einräumten. Während die Europäische Gemeinschaft den Verhandlungen mit Nigeria größere Bedeutung beimaß, wurden die Ostafrikaner vom Herbst 1965 bis Frühjahr 1966 durch eine Initiative der ECA zur Gründung eines größeren regionalen Marktes in Ostafrika von den Verhandlungen mit der EWG abgelenkt.587 Die EWG-Krise des leeren Stuhls verzögerte ebenso wie bei Nigeria die Verhandlungen. Doch auch die ostafrikanischen Partner hatten Schwierigkeiten, ihre gemeinsame Position zu koordinieren. Ein noch heiklerer Gegenstand als in den Verhandlungen mit Lagos war die Frage der Gegenpräferenzen. Die Ostafrikaner verweigerten der Gemeinschaft zunächst unter Berufung auf die Welthandelskonferenz und das GATT jegliche Gegenpräferenzen. Insbesondere Frankreich und die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar nahmen demgegenüber einen festen Standpunkt ein, so dass die Verhandlungen erst erfolgreich zu Ende geführt werden konnten, als die Organi-
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Vgl. Dritter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaften (1969), S. 398. Zur Rolle Frankreichs im Biafrakonflikt vgl. BRÜNE, Stefan: Französische Afrikapolitik, S. 80; VAÏSSE, Maurice: La grandeur, S. 495 ff. Vgl. East African Common Service Organization an die EWG-Kommission, 15.3.63 mit Anlage: EWG-Kommission, Memorandum der Organisation, 12.3.63, in: PAAA, B 102/130233; MAE, Note a.s. mission des pays est africain, 21.3.63, in: MAE, dece 2128. Zu den Verhandlungen zwischen der EWG und der ostafrikanischen Gemeinschaft vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 93-106; RAVENHILL, John: Collective Clientelism, S. 77. Vgl. Zweiter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaften (1968), S. 392. Schon im Mai 1963 hatte der tanganjikische Botschafter den deutschen Außenminister auf eine mögliche Erweiterung der ostafrikanischen Wirtschaftsunion mit Njassaland, Nordrhodesien und eventuell sogar Südrhodesien hingewiesen. Vgl. Gespräch zwischen Bundesminister Schröder und dem tanganjikischen Botschafter Tibandebage, 17.5.63.
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sation der Ostafrikanischen Gemeinschaft während einer zehnmonatigen Verhandlungspause im Frühjahr 1967 ihre Opposition gegen den Reziprozitätsgrundsatz aufgab.588 Wie bereits beim Abkommen von Yaoundé und während der Verhandlungen mit Nigeria589 geschehen, versuchte die Bundesrepublik auch eine Assoziierung der ostafrikanischen Staaten für deutschlandpolitische Belange zu instrumentalisieren. 1964 wurde diese Frage angesichts der Spannungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der neuen Republik Tansania erstmals konkret, als Tansania zu einem Hauptaustragungsort des deutsch-deutschen Gegensatzes in Afrika wurde.590 Im Fall Tansanias geriet die Hallstein-Doktrin, die im Zentrum der bundesdeutschen Außenpolitik stand, in Konflikt mit der Bonner Assoziierungskonzeption, die im Grundsatz eine Ausweitung der Assoziierung auf weitere afrikanische Staaten befürwortete. Sie drohte somit, diese Assoziierungskonzeption zu konterkarieren. Die deutsch-tansanischen Spannungen standen im Kontext einer Diskussion um die Politisierung der Entwicklungshilfe, die in der Bundesrepublik 1965 anlässlich des Besuchs des DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht in Ägypten einen Höhepunkt erreichte.591 Das Auswärtige Amt präsentierte ein Konzept mit dem Titel „Das Verhältnis von Außen– und Entwicklungspolitik“, nach dem diejenigen Länder, die die Deutschlandpolitik der Bundesregierung unterstützten, mehr Entwicklungshilfe erhalten sollten als Länder, die daran Zweifel ließen. Allerdings sollten auch diese so hohen Zuwendungen erhalten, dass der Entzug im politischen Krisenfall ein wirksames Druckmittel darstellte.592 Die Entwicklungshilfe sollte insgesamt wesentlich aufgestockt und die für die Vergabe von Kapitalhilfe aufgestellten Kriterien den au588
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Das Assoziierungsabkommen sah schließlich für 59 Produkte, die zusammen 15% des ostafrikanischen Gesamtexports aus der EWG repräsentierten, eine Präferenzmarge zwischen 2 und 9% vor. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of trade negotiations, S. 106. Vgl. StS Lahr an Eurogerma Brüssel, Bezug: 377. Tagung des Ausschusses der St. V.; hier: TOPunkt: Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Nigeria, 15.3.66, in: PAAA, B 20/1207. Zum Hintergrund: Im April 1964 vereinigten sich die Republik Tanganjika und der Inselstaat Sansibar zur Republik Tansania. Damit ergab sich für die BRD die folgende Problemlage: In Sansibar hatte am 12.1.64 ein sozialistisch orientierter Revolutionsrat unter Abeid Karume die Macht übernommen und umgehend die DDR anerkannt. Die BRD wandte die HallsteinDoktrin passiv an und verzichtete auf Beziehungen zu der afrikanischen Insel. Da die BRD aber in Tanganjika diplomatisch vertreten war, wäre die neue gemeinsame Republik das erste Land gewesen, das nach der UdSSR zu beiden deutschen Staaten offizielle Beziehungen unterhalten hätte. Die BRD drohte daher mit sofortiger Einstellung der Militärhilfe und weiteren Konsequenzen, falls dieser Zustand aufrechterhalten würde. Da Karume auf Beziehungen zur DDR beharrte, hatte der tansanische Präsident Julius Nyerere nur geringen Handlungsspielraum, auch wenn er die Anerkennung der DDR mit der Politik der Blockfreiheit für unvereinbar hielt. Im Februar 1965 wurde folgender Kompromiss gefunden: die DDR-Botschaft auf Sansibar wurde in ein Konsulat zurückgestuft, gleichzeitig aber wurde ein DDR-Generalkonsulat in Dar es Salam für die gesamte Republik Tansania errichtet. Dieser Kompromiss war für beide deutsche Staaten nicht vollständig befriedigend: die DDR musste auf ihre erste Botschaft in Afrika wieder verzichten, aber Bonn musste damit leben, dass nur de jure die Anerkennung vermieden werden konnte. Bonn stellte die Militärhilfe für Tanganjika in Höhe von 40 Mio. DM ein. Nyerere wies daraufhin auch die Bonner Wirtschafts- und Entwicklungshilfe zurück. Vgl., S. 76; ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S. 117-145. Vgl. auch BOOZ, Rüdiger M.: Hallsteinzeit, S. 70 f. Vgl. AA, Verhältnis von Außen- und Entwicklungspolitik – Aufzeichnung der Abteilung III vom 16. Januar 1965, in: AA, Informationsdienst (1965), Bd. 96.
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ßenpolitischen Notwendigkeiten angepasst werden. „Über Bord werfen sollten wir auch“, so das Auswärtige Amt, „das marktwirtschaftliche Lehrgut, das wir seit den Gründungsjahren der Entwicklungspolitik mit uns schleppen.“593 Gleichzeitig wurde empfohlen, die europäischen Verbündeten zur deutschlandpolitischen Solidarität zu drängen. Die afrikanischen Länder sollten nicht darüber im Zweifel gelassen werden, dass sie bei nichtkonformen Verhalten keine Hilfe mehr aus dem EEF zu erwarten hatten.594 Schon im Vorfeld der ersten Verhandlungsrunde hatte Kommissar Rochereau auf Veranlassung der deutschen Ständigen Vertretung die ostafrikanische Delegation darauf hingewiesen, dass gespannte Beziehungen zu einem EWGMitgliedstaat nicht ohne Rückwirkungen auf Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen bleiben könnten.595 In der Hoffnung, eine befriedigende Regelung der Frage des Generalkonsulats der DDR finden zu können, widersetzte sich die Bundesregierung der Aufnahme der Verhandlungen im März 1965 nicht. Im Laufe der zweiten Verhandlungsrunde 1966/67 trat noch ein weiterer Aspekt hinzu: Die BRD hatte kein Interesse daran, den losen Zusammenhalt der drei ostafrikanischen Staaten und die Union zwischen Tanganjika und Sansibar einer Belastungsprobe auszusetzen. Insbesondere wollte sie sich nicht in den Ruf bringen, Spannungen innerhalb der ostafrikanischen Gemeinschaft zu fördern.596 Dennoch war das Auswärtige Amt auch Ende 1966 noch nicht an einem baldigen Abschluss der Verhandlungen interessiert, da sich dann das Problem stellte, dem Assoziierungsabkommen mit den drei ostafrikanischen Staaten zu widersprechen, weil keine freundschaftlichen Beziehungen mit Tansania bestanden. Im Dezember 1967 regte die Deutsche Botschaft in Dar es Salam vor dem Hintergrund der Neuorientierung der Ostpolitik – 1967/68 nahm die BRD diplomatische Beziehungen zu Rumänien und Jugoslawien auf – eine Änderung der politischen Einstellung der BRD zu Tansania an;597 während der dritten Verhandlungsrunde hatte Bonn schließlich keine Einwände mehr gegen die Paraphierung und Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der ostafrikanischen Gemeinschaft. Auch das Arusha-Abkommen enthielt in der Präambel den Hinweis auf die „freundschaftlichen Beziehungen“.598 Das im Juli 1968 in Arusha unterzeichnete Assoziierungsabkommen mit den drei ostafrikanischen Staaten, das gleichzeitig mit dem Abkommen von Yaoundé am 31. Mai 1969 ablaufen sollte, trat nicht mehr in Kraft. Stattdessen handelten die EWG und die Ostafrikanische Gemeinschaft Anfang Juli 1969 ein neues Assoziierungsabkommen aus, das am 24. September 1969 wiederum in Arusha un593 594
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Ebd. [Hervorhebung im Original] Vgl. ebd. Das Wirtschaftsministerium stand dieser Konzeption skeptisch gegenüber und erkannte darin den Versuch der außenpolitischen Usurpation der Entwicklungshilfe. Vgl. BMWi, G. Keiser, Leiter der Abt. V, an StS Langer, Vermerk, 8.2.65, in: BA Koblenz, B 102/62122. Vgl. Weisung des AA an die Ständige Vertretung in Brüssel, 25.2.65, in: B 20/1193; AA, I A2, Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Ostafrika, 29.9.67, in: Ebd., 1194. Vgl. ebd.; AA, I B3 an I A2, Verhandlungen zwischen den drei ostafrikanischen Ländern und der EWG über eine Assoziierung besonderer Art, 9.12.66, in: Ebd. Vgl. Deutsche Botschaft Dar-es-Salaam an AA, 8.12.67, in. Ebd. Vgl. AA, I A 2, Beziehungen EWG zu Ostafrika, Deutsche Haltung im Rat, 28.2.68, in: Ebd., 1456; Abt. 1, Aufzeichnung, Betr.: Fortsetzung der Assoziierungsverhandlungen zwischen der EWG und Ostafrika, 23.4.68, in: Ebd.
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terzeichnet wurde. Das zweite Arusha-Abkommen hatte eine parallele Laufzeit mit dem zweiten Abkommen von Yaoundé.599 Wie im Lagos-Abkommen erhielten ostafrikanische Exporte freien Zugang zum Gemeinsamen Markt mit Ausnahme der Produkte, die mit denen der Yaoundé-Assoziierten konkurrierten (Kaffee, Gewürznelken, Ananaskonserven), für die Kontingente festgesetzt wurden. Eigene Assoziationsorgane wurden geschaffen, aber keine finanzielle oder technische Hilfe von Seiten der Europäischen Gemeinschaft vorgesehen.600 Bei einem weiteren afrikanischen Commonwealth-Staat kamen die Gespräche über erste Sondierungen nicht hinaus. Obwohl sich Sierra Leone als einziges unabhängiges afrikanisches Commonwealth-Mitglied schon im September 1962 für eine Assoziierung mit der EWG ausgesprochen hatte, zeigte die Gemeinschaft kein Interesse an einer Assoziierung dieses politisch als relativ bedeutungslos eingestuften Landes, zumal die Handelsinteressen im Rahmen einer Assoziierung sehr klein waren. Auch die Finanzkrise Sierra Leones wird zu dieser Zurückhaltung beigetragen haben.601 1969 traten neben den erneuerten Abkommen von Yaoundé und Arusha auch die Assoziierungen mit den beiden nordafrikanischen Marokko und Tunesien in Kraft.602 Somit kam es zu einer Reihe unterschiedlicher Assoziierungen, die eigenständig nebeneinander bestanden. Bemerkenswert ist gleichwohl, dass es sich um Assoziierungen handelte, die neben der Handelspolitik auch die Bereiche Niederlassungsrecht, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie die Agrarpolitik betrafen und zudem jeweils über einen institutionellen Rahmen verfügten. Sie unterschieden sich damit von den Handelsabkommen, die die Gemeinschaft beispielsweise im Jahr darauf mit Israel oder dem Iran schloss. In die umfassendste Assoziierungsregelung blieben vorerst die 18 Yaoundé-Assoziierten eingebunden. Die Bundesrepublik Deutschland war von Anfang an bemüht gewesen, die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und die afrikanischen Asso599 600 601
602
Vgl. Dritter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaften (1969), S. 396. Vgl. ebd.; s. 396 ff. Vgl. Olivier Gassouin, frz. Botschafter in Sierra Leone, an den Ministre des Affaires étrangères, A/s. La Sierra Leone et la Communauté Economique Européenne, 25.2.64, in: MAE, dece 2128 ; Gassouin an MAE, a.s. Demande d’accession de la Sierra Leone à la Communauté Economique Européenne, 16.6.66, in: Ebd.; Schreiben des Außenministers an Gassouin, a.s. Sierra Leone et le Marché Commun, 27.6.66, in: Ebd.; MAE, Service de Coopération, Télégramme au Départ [nach Freetown], 3.8.66, in: Ebd.; Gasouin an MAE, 6.9.66, in: Ebd. Erst 12 Jahre nach der mit dem Vertrag von Rom einhergehenden Absichtserklärung der EWG-Mitgliedstaaten kam somit die Assoziierung dieser beiden Maghreb-Staaten zustande. Insbesondere die Schwierigkeiten, die EG-Agrarinteressen mit den konkurrierenden der südlichen Mittelmeerländer in Einklang zu bringen, spielten eine Rolle. Mit Algerien wurde ein gesonderter Weg beschritten, der erst 1973 zu einem ersten Abkommen führte. 1976 wurden schließlich mit den drei Maghreb-Staaten jeweils einzeln Kooperationsabkommen geschlossen. Diese waren das Resultat einer neuen „global“ konzipierten Mittelmeerpolitik der EG, die ihren Ausgang von einem Gipfel in Paris im Oktober 1972 nahm und kohärente Beziehungen zu allen Mittelmeerstaaten herstellen wollte. Obwohl die Kooperationsabkommen von 1976 nicht mehr nur Handel, sondern auch finanzielle und technische Hilfe umfassten, waren sie kein Äquivalent zu dem 1975 mit den AKP-Staaten geschlossenen Abkommen von Lomé. Vgl. GRILLI, Enzo R.: European Community and the developing countries, S. 180-197; SCHUMACHER, Tobias: Die Maghrebpolitik der Europäischen Union: Gemeinschaftliche Assoziierungspraxis gegenüber Algerien, Marokko und Tunesien. Wiesbaden 1998, S. 23-79.
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ziierungskandidaten in einem einheitlichen Assoziierungsabkommen zusammenzufassen. Bonn befürwortete den Beitritt Nigerias zum Yaoundé-Abkommen, um einer Zersplitterung der Assoziierungspolitik entgegenzuwirken.603 Im Einklang mit der EWG-Kommission trat die Bundesregierung sodann dafür ein, dass die Nigerianer und die AASM zumindest gemeinsame Assoziierungsinstitutionen bildeten. Nigeria schloss aber einen gemeinsamen institutionellen Rahmen sowohl mit den Alt-Assoziierten als auch mit den ostafrikanischen Assoziierungskandidaten aus.604 Im deutschen Sinne wurde zumindest die Laufzeit der Abkommen von Lagos und Arusha mit der des Yaoundé-Abkommens synchronisiert und somit die Perspektive auf ein Rahmenabkommen mit Ablauf dieser Abkommen aufrechterhalten. Auch inhaltlich wurden die Voraussetzungen für ein gemeinsames Assoziierungsabkommen geschaffen, selbst wenn die NeuAssoziierten keine finanzielle und technische Hilfe von der Gemeinschaft erhielten. So billigte der EG-Ministerrat im Frühjahr 1969 den Vorschlag der Kommission, im neuen Abkommen mit den ostafrikanischen Staaten die Handelsregelung eng an die mit den AASM auszuhandelnde Regelung anzulehnen. Auch der Vorschlag, den ostafrikanischen Ländern Finanzhilfe zu gewähren, fand prinzipiell Zustimmung.605 Die Kommission stand einer Ausweitung der Assoziierung grundsätzlich positiv gegenüber. Anlässlich des zweiten britischen Beitrittsgesuchs vom Mai 1967 sprach sie sich dafür aus, Commonwealth-Länder vergleichbarer Wirtschaftsund Produktionsstruktur unter der Voraussetzung zu assoziieren, dass sie bereit seien, die der Assoziierung zugrunde liegenden reziproken Rechte und Pflichten einzugehen, und dass die Interessen der AASM gewahrt würden.606 Dennoch hielt sie Ende der 60er Jahre an der Zweckmäßigkeit getrennter Assoziierungsabkommen mit den verschiedenen afrikanischen Staaten und Staatengruppen fest. Einer niederländischen Initiative, gemeinsame Verhandlungen mit den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, Nigeria und den ostafrikanischen Staaten zu führen, widersprach sie daher Mitte 1968.607 Vor dem Hintergrund der Probleme, die eine einheitliche Assoziierung aufwarf, sah sie in der Vervielfältigung der Assoziierungsabkommen eine notwendige Übergangslösung.608 Bei einer einheitlichen Assoziierung stellte sich zunächst die Frage der Erhöhung der Mittel für die Entwicklungshilfe, die bisher nur gegenüber den 18 603
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Vgl. BMWi, E A 6, Betr.: Assoziierung Nigerias mit der EWG (Dok. S/43/64 (EANA 2)], Vermerk über die Ressortbesprechung am 11. Februar 1964, 17.2.64, in: B 20/915; AA, I A 2, Staatssekretärbesprechung am 16.10.68; TO-Punkt: Erneuerung des Assoziierungsabkommens von Jaunde, 11.10.68, in. Ebd., 1602. Vgl. AA, Ref. I A 2, Betr.: Besprechung der Staatssekretäre am 6.5.64; hier: Beziehungen zwischen der EWG und Nigeria, 30.4.64, in: PAAA, B 20/915. Vgl. BMWi, Vermerk über die Ressortbesprechung am 11. April im BMWi unter Leitung von MDgt. Dr. Everling, Betr.: Erneuerung der Abkommen von Jaunde und Arusha, 22.4.69, in: BA Koblenz, B 102/130263 Vgl. Commission of the European Communities: Opinion on the Applications for Membership received from the United Kingdom, Ireland, Denmark and Norway for submission to the Council, Sept. 67, S. 92 f. Vgl. Fernschreiben der Ständigen Vertretung der BRD in Brüssel an AA, Betr.: Sitzung der Gruppe AASM am 13.6.68, 20.6.68, in: BA Koblenz, B 213/1126. Commission des Communautés Européenes: Problèmes du renouvellement de la convention de Yaoundé (Communication de la Commission au Conseil), 3.4.1968, in: BA Koblenz, B 102/130 253.
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assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten geleistet worden war. Angesichts einer bei den Mitgliedstaaten in der zweiten Hälfte der 60er Jahre verstärkten Tendenz, Entwicklungshilfe möglichst bilateral zu vergeben und die Mittel für den EEF zu begrenzen,609 waren die Aussichten für eine Erhöhung schlecht; eher war mit Initiativen einzelner EG-Mitglieder zu einer Umverteilung im Rahmen der bestehenden Mittelausstattung des EEF zwischen Alt- und NeuAssoziierten zu rechnen. Als sich mit der Erneuerung des Arusha-Abkommens 1969 erstmals die Frage einer finanziellen und technischen Zusammenarbeit mit den ostafrikanischen Staaten stellte, schloss die Kommission daher aus, dass die dafür notwendigen Mittel von der Hilfe für die AASM abgezogen würden.610 Sodann war nach wie vor die Frage der handelspolitischen Diskriminierung nichtassoziierter Länder und die internationalen Reaktion auf eine Ausweitung der Assoziierung in Rechnung zu stellen. Im Oktober 1968 wies GATT-Generaldirektor Olivier Long anlässlich eines Zusammentreffens mit Kommissionspräsident Rey und den Kommissaren Deniau und Mansholt darauf hin, dass sich die GATT-Vertragsparteien zwar mit dem Yaoundé-Abkommen abgefunden hätten, eine Ausdehnung der Präferenzzone auf die ostafrikanischen Länder und Nigeria nach wie vor auf heftigem Widerstand stoße.611 Auch die erwarteten Rückwirkungen auf die Yaoundé–Assoziierung selbst blieben problematisch. Insbesondere Frankreich war vor diesem Hintergrund für getrennte Assoziierungen eingetreten. Paris, das vorrangig in franko-afrikanischen Dimensionen dachte, war bestrebt, den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, die Vorteile der Yaoundé-Assoziierung und damit einen „statut d’apparence privilégiée“ zu sichern.612 Zu Beginn des neuen Jahrzehnts, als sich ein britischer Beitritt zur EG abzeichnete, wurde die französische Position getrennter Assoziationen innerhalb der EWG zunehmend unhaltbar. Auch die Kommission trat nunmehr für eine einheitliche Assoziierung ein, die die AASM und die Commonwealth-Staaten Afrikas, der Karibik und des indischen Ozeans umfassen sollte.613 Zwar hatte Frankreich den Rat im Mai 1970 auf die Erklärung verpflichtet, dass eine mit der Erweiterung der 609
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In Bonn wies Bundesfinanzminister Schiller seinen Kollegen Wischnewski, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, auf den Widerspruch hin, einerseits die Mittel für die Erneuerung des EEF begrenzen zu wollen, andererseits aber für eine Ausweitung des Kreises der Empfängerländer von EWG-Entwicklungshilfe einzutreten. Vgl. Schreiben Schillers an Wischnewski, Betr.: Erneuerung des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und den mit ihr assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar (AASM); hier: finanzielle und technische Zusammenarbeit (Hilfe) im Rahmen eines eventuellen dritten Europäischen Entwicklungsfonds, 30.8.68, in: BA Koblenz, B 213/1127. Vgl. Kommission der EG: Probleme bei der Erneuerung des Abkommens von Arusha (Mitteilung der Kommission an den Rat). 20.3.69, in: Ebd., 1128. Tatsächlich gingen die Absichten der Bundesregierung in die Richtung, eine Beteiligung der ostafrikanischen Staaten an der Finanzhilfe durch eine entsprechende Verminderung der Finanzhilfe an die AASM zu finanzieren. BMZ, RR Langerbein an StS, Betr.: Sitzung des Staatssekretärenausschuss für Europafragen am 3.12.68 im AA, hier: Tagesordnungspunkt Erneuerung des Abkommens von Jaunde, 29.11.68, in: Ebd. Vgl. Fernschreiben der deutschen Ständigen Vertretung in Brüssel, Betr.: Besuch des Generaldirektors des GATT bei der Kommission, 15.10.68, in: BA Koblenz, B 102/130256. SGAM, Note a/s. L’association des pays africains et malgaches et l’élargissement de la Communauté, 26.1.71, in: SGAM, Fonds public, 1513. Vgl. Secrétariat d’Etat aux Affaires Etrangères, Propositions de la Commission pour l’Association du Commonwealth à la C.E.E., 14.4.70, in: Ebd.
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Gemeinschaft eventuell einhergehende Ausdehnung der Assoziierung nicht zu einer Schwächung der Beziehungen mit den Alt-Assoziierten führen dürfe. 614 Gleichwohl wurde in Paris erwartet, dass ein Beitritt der Commonwealth-Länder zur Assoziierung, diese in ihrem Gehalt verändern, sie insbesondere ihres handelspolitischen Inhalts berauben werde. An der Seine war man überzeugt, dass mit einem britischen Beitritt das Yaoundé-System an seinem Ende angelangte.615
2.2. Deutsch-französischer Bilateralismus und die Assoziierung 1963 wurde nicht nur die Zusammenarbeit der sechs EWG-Partner mit den assoziierten afrikanischen und madagassischen Staaten mit dem Yaoundé-Abkommen auf eine neue Grundlage gestellt, sondern auch eine deutsch-französische Zusammenarbeit im frankophonen, subsaharischen Afrika im engeren Rahmen des Elysée-Vertrags institutionalisiert, da dieser unter anderem eine Kooperation auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe festschrieb.616 Angesichts der „Talfahrt der deutsch-französischen Beziehungen“ in den folgenden Jahren,617 die durch Konflikte in der Bündnis- und Europapolitik bestimmt waren,618 erscheint es umso bemerkenswerter, dass gerade die Entwicklungskooperation in Afrika zu den wenigen Teilbereichen zählte, in denen der deutsch-französische Vertrag in den 60er Jahren Erfolge zeitigte. Auch in den Jahren zunehmender Entfremdung 1965/66 erkannten beide Seiten den Wert der Zusammenarbeit in diesem Bereich an.619 1967 regte Hans-Jürgen Wischnewski, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Großen Koalition, die wieder die Annäherung an Frankreich suchte,620 gegenüber seinem Kollegen Staatsminister Yvon Bourges an, die Kooperation zu vertiefen.621 614 615 616 617 618
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Vgl. Ratserklärung vom 12.5.70, zit. in: SGAM, Note a/s. L’association des pays africains et malgaches et l’élargissement de la Communauté, 26.1.71. Vgl. Secrétariat d’Etat aux Affaires Etrangères, Propositions de la Commission pour l’Association du Commonwealth à la C.E.E., 14.4.70. Vgl. hierzu: ENGEL, Ulf: Afrikapolitik der BRD, S. 238 ff. BAUER, Johannes: Die deutsch–französischen Beziehungen 1963–1969. Aspekte de Entwicklung nach Abschluss des Vertrags vom 22. Januar 1963. Diss. Bonn 1980, S. 223. Vgl. ebd.; GERBET, Pierre: Le rôle du couple France–Allemagne dans la création et développement des Communautés Européennes, in: PICHT, Robert/WESSELS, Wolfgang: Deutsch–französischer Bilateralismus und europäische Integration, S. 69–120, bes. 89 ff.; HILDEBRAND, Klaus: Von Erhard zur Großen Koalition 1963–1969. Stuttgart/Wiesbaden 1984, S. 170–183 (=Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, hg. v. Karl Dietrich BRACHER, Theodor ESCHENBURG Joachim C. FEST, Eberhard JÄCKEL); LAPPENKÜPER, Ulrich: Die deutsch–französischen Beziehungen. Von der „Erbfeindschaft“ zur „Entente élémentaire“, II: 1958–1963, München 2001, S. 1753–1760, 1905–1910; VAÏSSE, Maurice: La grandeur, S. 542–670. Vgl. MAE, Direction des Affaires Economiques et Financières: Note a.s. Coopération franco– allemande dans le domaine de l´ aide aux pays sous–développés, 27.1.66; Serv. de Coop.: Note a.s. Coopération franco–allemande dans le domaine de l´ aide aux pays sous–dévéloppés, 4.7.66, in: MAE, Europe–RFA 1503; ENGEL, Ulf: Afrikapolitik, S. 243 ff. Vgl. TÜRK, Henning: Die Europapolitik der Großen Koalition 1966–1969. München 2006. (=Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 93) Vgl. BMZ, Niederschrift über die Gespräche anlässlich des Besuchs des Staatsministers Yvon Bourges bei Herrn Bundesminister Wischnewski am 11. Dezember 1967, 18.12.67, in: PAAA, B
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Die Initiative des Bundesministers entsprach einem von beiden Regierungen befürworteten Bilateralismus in der Entwicklungspolitik. Weder auf deutscher noch auf französischer Seite bestand die Absicht, wie sich die beiden Minister bestätigten, das Verhältnis von bilateraler zu multilateraler Hilfe wesentlich zugunsten der multilateralen Hilfe zu verschieben.622 1964, also in dem Jahr, als ein unter Leitung des ehemaligen Ministers Jeanneney erstellter Entwicklungshilfebericht eine Ausweitung der multilateralen Hilfe empfahl,623 flossen 98% der französischen öffentlichen Entwicklungshilfe über bilaterale Kanäle, 1967/68 waren es 94% und 1969 90%.624 In der Bundesrepublik liefen zu der Zeit ungefähr 20% der bundesdeutschen Entwicklungshilfeleistungen multilateral, während 80% auf bilateralem Weg vergeben wurden.625 Nicht nur mit dem französischen Partner wollte Wischnewski die entwicklungspolitische Zusammenarbeit intensivieren. Im Vorfeld der zweiten Welthandelskonferenz, die im Februar 1968 in Neu-Delhi begann, traf er zu bilateralen Gesprächen sowohl mit dem niederländischen EWG-Partner als auch mit anderen westlichen Gebern, wie Großbritannien und den USA, zusammen.626 Wischnewski führte diese Gespräche ergänzend zu denen in der OECD, die sich seiner Ansicht nach für eine Koordinierung des westlichen Standpunkts als nicht ausreichend erwiesen hatte. Eine Koordinierung im engeren Rahmen der EWG war für den Minister keine Option, da es keine gemeinsame Entwicklungspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gab.627 Sein Vorgänger Scheel hatte 1963 zumindest für den assoziierten afrikanischen Raum noch andere Perspektiven verfolgt. Um die Entwicklungspolitik der EWG gegenüber den AASM in möglichst engen Einklang mit den bilateralen Entwicklungshilfemaßnahmen der EWG-Mitgliedstaaten in diesen Ländern zu bringen, war der Minister mit seinem französischen Kollegen übereingekommen, den Regierungsausschuss beim EEF zu einer Art „Regional-DAC“ auszugestalten, in dem entwicklungspolitische Grundsätze erarbeitet werden sollten.628 Der deutsch-französischen intergouvernementalen Kooperation sollte in diesem Kon-
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20/1197; MAE, Note a.s. Coopération franco–allemand dans le domaine de l’aide aux pays sous–développés, 26.1.68, in: MAE, Europe–RFA 1503. Vgl. BMZ, Niederschrift, 18.12.67 Zum Jeanneney–Bericht vgl. z.B.: BOSSUAT, Gérard: French Development Aid and Cooperation under De Gaulle, in: CONTEMPORARY EUROPEAN HISTORY, 12,4 (2003), S. 431–456, hier: S. 449; CHIPMAN, John: French power, S. 193–198; NOUAILLE–DEGORGE, Brigitte: La politique française de coopération, S. 251 f., VAÏSSE, Maurice: La grandeur, S. 480–486. Angaben nach BOSSUAT, Gérard: French Development Aid, S. 443. Vgl. Stellungnahme Wischnewskis vor dem Deutschen Bundestag zu den Großen Anfragen der CDU/CSU und SPD einerseits und zu der der FDP andererseits, 11.10.67, in: Stenographische Berichte des Deutschen Bundestags, 5. Wahlperiode (1965), S. 6247. Vgl. Deutsch-niederländische Gespräche über Entwicklungspolitik zwischen de Ministern Wischnewski und Udink vom 10.–11.1.68 in Den Haag, in: BA Koblenz, B 213/698; Wischnewski, Deutscher Bundestag, 8.11.67, in: Stenographische Berichte des Deutschen Bundestags, 5. Wahlperiode 1965, Bd. 65, S. 6230. Vgl. Wischnewski, Deutscher Bundestag, 31.5.68, in: Stenographische Berichte des Deutschen Bundestags, 5. Wahlperiode 1965, Bd. 67, S. 9678 f. Vgl. BMZ, Niederschrift über die Besprechung des BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem französischen Kooperationsminister Raymond Triboulet, am 4./5. November 1963 in Bonn, 6.12.63, in: BA Koblenz, B 213/1085.
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text die Funktion der Vorkoordinierung aller im Rahmen der EWG zu treffenden Maßnahmen zukommen, darüber hinaus sollte sie aber auch der engen Abstimmung der außerhalb der EWG auf bilateralem Gebiet zu treffenden Entwicklungshilfemaßnahmen dienen.629 Die ersten Gespräche zeigten zugleich die Grenzen der Zusammenarbeit auf. Dem französischen Kooperationsminister Raymond Triboulet erschienen ihre Ziele „schüchtern und eng begrenzt“.630 Anvisiert wurde ein Informationsaustausch über die Konzeption, Struktur und Schwerpunkte der jeweiligen Hilfsprogramme nicht nur auf der Ebene der Ministerien, sondern auch über die Botschaften und Entwicklungsdienste vor Ort. Konsultationen bei der Planung und Durchführung von Vorhaben sollten in gemeinsamen Finanzierungsplänen münden. Eine Ausdehnung der gouvernementalen Kooperation auf die privatwirtschaftliche Ebene wurde angestrebt.631 Der Ausweitung der Zusammenarbeit über den afrikanischen Raum hinaus setzten hingegen auch die konzeptionellen Unterschiede der Entwicklungspolitiken Frankreichs und Deutschlands Grenzen. In die erste UN-Welthandelskonferenz gingen die beiden Länder mit divergierenden Konzepten.632 Auch die Konsultationen vor der zweiten Welthandelskonferenz führten zu keiner Vereinheitlichung der Standpunkte, gleichwohl entdeckten die Partner einige Konvergenzpunkte.633 Der vom Quai d’Orsay ursprünglich anvisierte geographische Rahmen für die deutsch-französische Entwicklungskooperation realisierte sich nicht.634 Insbesondere gegenüber dem Drängen der Franzosen zu einer Kooperation in Lateinamerika die französische Entwicklungspolitik wandte sich nach 1963 zunehmend der gesamten Dritten Welt635 zu zeigten sich die Deutschen zurückhaltend.636 Der Schwerpunkt der deutsch-französischen Zusammenarbeit lag im frankophonen Schwarzafrika. Dort zeitigte sie konkrete Resultate.637 In Kamerun und 629 Vgl. Niederschrift über die Besprechung des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem französischen Minister für Zusammenarbeit, M. Triboulet, am 21.3.1963 in Paris, in: Ebd. 630 TRIBOULET, Raymond: Frankreichs Entwicklungshilfe in Zusammenarbeit mit Deutschland, in: AFRIKA HEUTE, hrsg. v. Deutsche Afrika-Gesellschaft e.V., 15.10.63 631 Vgl. ebd. 632 Vgl. Roland Margerie, französischer Botschafter in der BRD, an Außenminister: La coopération franco–allemande dans le domaine de l’aide aux pays en voie de développement, 20.12.63, in: MAE, Europe–RFA 1662. 633 Vgl. MAE, Note a. s. Coopération franco–allemande dans le domaine de l’aide aux pays sous– développés, 26.1.68, in: Ebd., 1503. 634 Vgl. MAE, Note a.s. Application du Traité sur la coopération franco–allemande dans le domaine de l’aide, 9.9.63, in : Ebd., 1662. Als Kooperationsländer wurden im schwarzafrikanischen Raum insbesondere Obervolta, Togo, Kamerun und Kongo Brazzaville in Auge gefasst. Darüber hinaus sollte sich die Kooperation auch auf Griechenland und die Türkei, den Iran sowie Argentinien und Brasilien erstrecken. 635 Vgl. hierzu: VAÏSSE: La grandeur, S. 453–460, 501 ff. 636 Vgl. Deutsch–französische Regierungsbesprechungen, 4.7.64, in: Akten zur Auswärtigen Politik, S. 777 ff.; Aufzeichnung von StS Lahr, 6.10.64, in: Ebd.; S. 1115–1124 MAE, Note a. s. Coopération franco-allemande dans le domaine de l’aide aux pays sous-développés, 23.5.65, in: MAE, Europe-RFA 1662. 637 Vgl. MAE, Note a.s. Coopération franco–allemande dans le domaine de l’aide aux pays sous– développés, 4.7.67, in: Ebd., 1503.
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im Tschad verfolgten die Partner beispielsweise gemeinsam Vorhaben in der Textilindustrie gegen die Konkurrenz eines sino-japanischen Konsortiums.638 In der Elfenbeinküste realisierten sie ein Hafenprojekt.639 Außerdem wurden allgemeine Probleme der Assoziierung sowie einzelne, im Rahmen des EEF zu realisierende Projekte zum Gegenstand der Konsultationen. So brachte Scheel schon anlässlich seines zweiten Zusammentreffens mit Triboulet die Frage der Beteiligung deutscher Firmen an den Aufträgen des EEF zur Sprache.640 Das deutsche Interesse an der Zusammenarbeit im frankophonen Afrika bestand zunächst im Zugang zu nach wie vor abgeschirmten Märkten. In afrikanischen Ländern der Franc-Zone wurden deutsche Firmen durch Einfuhrkontingente, Abnahmeverpflichtungen für französische Waren, Devisenbeschränkungen und auch Praktiken der Marktverdrängung diskriminiert. In einigen afrikanischen Ländern der Franc-Zone verstießen Bestimmungen der mit Frankreich geschlossenen Kooperationsabkommen gegen das Abkommen von Yaoundé.641 Vor diesem Hintergrund machte Bonn die Beziehungen Frankreichs zu seinen ehemaligen Kolonien ebenso wie die Organisation der Franc-Zone zum Gegenstand der deutsch-französischen Konsultationen.642 Die Stellung des assoziierten Afrika im deutschen Außenhandel war zwar nach wie vor marginal, dennoch eröffneten sich dort Wachstumsmärkte. Im ehemals französischen Afrika zählte die Elfenbeinküste vor Kongo, Gabun, Kamerun, Senegal und Madagaskar zum Haupthandelspartner der BRD.643 Die deutschen Importe aus den AASM stiegen zwischen 1960 und 1964 um 156%, die Exporte nahmen sogar um 217% zu. Dabei entsprachen die deutschen Ausfuhren in die assoziierten Länder weitgehend der üblichen deutschen Exportstruktur. Es handelte sich größtenteils um Produkte des Maschinen-, Apparate- und Kraftfahrzeugbaus.644 Deutsche Firmen wie 638 Vgl. Deutsch–französische Besprechungen, 4.7.64; MAE, Direction d’Europe Centrale: Note a.s. de l’application du Traité de Coopération depuis le rencontre des Chefs d’Etat et de Gouvernement à Bonn, les 3 et 4 juillet 1964, 20.11.64, in: MAE, Europe–RFA 1600. 639 Vgl. MAE, Note a.s. Coopération franco–allemande dans le domaine de l’aide aux pays sous– développés, 26.1.68. 640 Vgl. BMZ, Niederschrift über die Besprechung des BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem französischen Kooperationsminister Raymond Triboulet, am 4./5. November 1963 in Bonn, 6.12.63. 641 Vgl. VLR I von Stempel, Reisebericht, Dienstreise vom 19. – 30. Juli 1963 nach Jaunde und Conakry, 31.7.63, in: BA Koblenz, B 102/130235; AA an das BMWi, Betr.: die französischivorischen Handelsbeziehungen und das euro-afrikanische Assoziierungsabkommen vom 20. Juli 1963, 15.11.63 in Anlage Ergänzungsbericht der Botschaft Abidjan, in: Ebd., 130238; Schreiben des BMWi an AA (Entwürfe), Betr.: Französisch-ivorische Handelsbeziehungen, 28.11. und 12.12.63, in: Ebd.; Botschaft der BRD, Jaunde, an AA, Betr.: Zusammenarbeit der Sechs in Afrika; hier: Stellungnahme des Belgischen Botschafters Luycks zu der Position Frankreichs in Kamerun, 2.4.64, in: Ebd., 130239. 642 Vgl. Der BMWi, Niederschrift über deutsch-französische Konsultationsgespräche über Fragen der Sonderbeziehungen Frankreichs zu seinen ehemaligen Kolonien, 21.3.64, in: Ebd. 643 Vgl. MAE, Direction des Affaires Africaines et Malgaches: Aide allemande à l’Afrique noire francophone, 15.9.67, in: MAE, Europe–RFA 1592. 644 Vgl. Vgl. BMWi, Aufzeichnung: Darstellung der wirtschaftlichen Grundzüge der Assoziierung der 18 afrikanischen Staaten und Madagaskars mit der EWG sowie die praktische Handhabung im Regierungsausschuss nach Art. 11 des EWG-internen Finanz– und Verwaltungsabkommens zur Jaunde-Konvention, 28.5.65, in: BA Koblenz, B 102/130245.
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Krupp, Mannesmann oder Werner engagierten sich in West- und Zentralafrika und hegten Erwartungen in Afrika als zukünftigen Markt.645 Neben die wirtschaftlichen Interessen traten die politischen. Die HallsteinDoktrin und der Kalte Krieg blieben Konstanten der Bonner Afrikapolitik, auch wenn sich gegen Ende des Jahrzehnts ein allmähliches Abrücken von der Doktrin abzeichnete.646 Bereits 1959 war eine Zusammenarbeit des deutschen und französischen Außenministeriums im Bereich der Technischen Hilfe auf der Arbeitsebene zustande gekommen, die auf eine Initiative Bonns zurückging, das an der Zusammenarbeit auch vor dem Hintergrund der Nichtanerkennungspolitik gegenüber der DDR interessiert war. 1964 intervenierte Paris bei der dahomeischen Regierung, die einen Vertrag über die Errichtung von Handelsvertretungen mit Ost-Berlin zu schließen beabsichtigte.647 Frankreichs Interesse an der Kooperation lag zunächst im burden sharing mit dem deutschen Partner auch außerhalb der Assoziierung. Zudem hatte Frankreich ein Interesse, Einfluss auf die Entwicklungsprojekte verbündeter Staaten zu gewinnen, da es letztlich über seine Budgethilfe Verpflichtungen mitfinanzierte, die den afrikanischen Mitgliedern der Franc-Zone aus dem Unterhalt dieser Projekte entstanden. Sodann wollte Paris dem Vorrang französischer Interessen im frankophonen Afrika Geltung verschaffen und eine deutsch-französische Konkurrenz vermeiden.648 Doch auch wenn Bonn seine Bereitschaft demonstrierte, sich mit Paris zu koordinieren, wahrte es seine eigenen Interessen. Die deutschen Wirtschaftsinteressen entwickelten ohnehin eigene Initiativen. Im Kongo realisierte die Werner-Gruppe eine ursprünglich als deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt geplante Errichtung einer Zementfabrik allein. In Zentralafrika trat Krupp, im Senegal Mannesmann in Konkurrenz zur französischen Industrie.649 Der Firma Mannesmann eröffnete sich im Frühjahr 1964 die Möglichkeit, ein Großprojekt im Senegal zu realisieren. Die mit diesem Projekt verbundene so genannte Mannesmann-Affäre galt als Beleg für die Ineffizienz des EEF und seine Offenheit für politische Manipulation.650 Doch gerade diese Angelegenheit scheint weniger eine symptomatische Erscheinung als vielmehr ein singulärer Fall gewesen zu sein. Die Trinkwasserversorgung der senegalesischen Metropole Dakar zählte zu den vorrangigen Projekten der senegalesischen Regierung. Mannesmann hatte vorgeschlagen, Dakar mit Wasser aus dem Lac de Guiers über ein
645 Vgl. MAE, Direction des Affaires Africaines et Malgaches: Aide allemande à l’Afrique noire fran–cophone, 15.9.67; Pierre Basdevant, Ministre plénipotentiaire chargé du Consulat Général de France, an Seydoux, a.s. L´ Afrique noire vue par un Allemand, 30.4.68, in: Europe–RFA 1592. 646 Vgl. AA, Aufzeichnung, Betr.: Entwicklungshilfe für Afrika südlich der Sahara, 23.4.69, im Anhang: Leitgedanken zur deutschen Afrikapolitik (Afrika südlich der Sahara), in: PAAA, B 58/745; Französischer Botschafter in Bonn an Außenminister, a. s. La politique africaine du Gouvernement Fédéral, 22.5.68, in: MAE, Europe-RFA 1592. 647 Vgl. MAE, Dir. des Affaires Africaines et Malgaches, Télégramme au Départ (Cotonou), 24.9.64, in: MAE, dece 2127. 648 Vgl. MAE, Note a.s. Relations franco–allemandes en matière de coopération technique, 16.3.63, in: MAE, Europe–RFA 1662. 649 Vgl. MAE, Direction des Affaires Africaines et Malgaches: Aide allemande à l’Afrique noire francophone, 15.9.67. 650 Vgl. MAILAFIA, Obadiah: Europe and economic reform in Africa, S. 59 f.
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Leitungssystem aus Stahlrohren zu versorgen.651 Das Unternehmen sollte 78 Mio. DM kosten und unterbot damit ein konkurrierendes französisches Angebot um die Hälfte. Mannesmann verfügte nach einem gescheiterten Russlandgeschäft über große Bestände an Stahlrohren.652 Am 4. Mai 1964 fasste die senegalesische Regierung den Beschluss, das Düsseldorfer Unternehmen mit der Durchführung des Lac de Guiers-Programms zu beauftragen und verzichtete auf weitere Ausschreibungen.653 Präsident Senghor, der persönlich in die Gespräche mit Mannesmann eingebunden war, befürwortete das Projekt aus mehreren Gründen. Zunächst fügte es sich in das senegalesische Entwicklungsprogramm, da mit ihm Randprojekte im Bereich des Zuckeranbaus und der Viehzucht einhergingen. Weiterhin versprach es die Schaffung von 1700 bis 2000 Arbeitsplätzen für senegalesische Jugendliche, denen die krisengeschüttelte senegalesische Landwirtschaft keine Perspektive bot. Schließlich hatte Senghor, der ohnehin bestrebt war, nicht alle großen Projekte an Franzosen zu vergeben, Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der deutschen Firma, dieses Projekt in der kurzen Zeit von eineinhalb Jahren zu realisieren.654 Nicht zuletzt, weil der senegalesische Präsident das Projekt auch gegen französische Widerstände durchsetzte,655 wurde es untrennbar mit seiner Person verbunden. Die Finanzierung stand jedoch auf tönernen Füßen. Um die von dem deutschen Unternehmen geforderte Anzahlung in Höhe von 25% des Gesamtbetrags aufzubringen, wollte die senegalesische Regierung den EEF um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss ersuchen.656 Dass der EEF sich überhaupt mit dem Projekt befasste, verdankte sich der Tatsache, dass der Direktor des Fonds schon einige Monate zuvor einen Finanzbeitrag in Aussicht gestellt hatte, wenn die ausführende Firma aus der EWG komme, obwohl der Fonds normalerweise kein Vorhaben fördern konnte, für die keine Ausschreibungen stattfanden. Die Kommission lehnte dennoch das Projekt ab, da die Brüsseler Experten Zweifel an seiner technischen Realisierbarkeit hatten.657 Hier geriet die Brüsseler Expertise in Gegensatz zur senegalesischen, die das MannesmannProjekt für die vorteilhafteste Lösung hielt und darin Unterstützung von der deutschen Regierung erfuhr.658
651 Vgl. FS der Botschaft Dakar, 30.4.64, AA, III B 3 an Ref. I A 2, Betr.: Projekt der Trinkwasserversorgung Dakar; hier: Möglichkeiten eines Finanzbeitrags der EWG, 8.5.64, in: PAAA, B 20/910. 652 Vgl. AFRICA CONFIDENTIAL, 9, 17.3.1967, S. 8. 653 Vgl. FS der Botschaft Dakar, 4.5.64, in: PAAA, B 20/910. 654 Vgl. FS der Botschaft Dakar, 30.4.64. 655 Die französische Regierung finanzierte mit 15 Mio. DM eine konkurrierende DakarWasserleitung. Vgl. ebd.; FS deutsche Botschaft Dakar, 23.2.65, in: Ebd., 1214. 656 Vgl. FS der Botschaft Dakar, 30.4.64, AA, III B 3 an Ref. I A 2, Betr.: Projekt der Trinkwasserversorgung Dakar; hier: Möglichkeiten eines Finanzbeitrags der EWG, 8.5.64. Die Firma Mannesmann selbst hatte Ende April 1964 beim Hermes-Ausschuss eine Bürgschaft beantragt. 657 Gegen das Projekt sprachen der schwankende Wasserpegel des Sees sowie die Einschätzung, dass die Trinkwasserversorgung Dakars einfacher durch näher gelegene artesische Grundwasservorkommen gesichert werden konnte. Vgl. AA an BMWi, BMZ, BML, Vertretung der BRD bei der EWG, Betr.: Senegal; hier Mannesmann-Projekt (Lac de Guiers), 12.11.64, in: PAAA, B 20/910. 658 Vgl. AA, Leiter der Abt. III, Aufzeichnung; Betr.: Senegal; hier: Wasserversorgung der Stadt Dakar, 31.5.65, in: PAAA, B 20/1214.
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In der Folgezeit wurde das Vorhaben zu einem Politikum. Sowohl Bonn als auch Dakar intervenierten in Brüssel, aber auch in Paris, da eine französische Einflussnahme hinter der Ablehnung vermutet wurde.659 Die Bundesregierung stellte das Projekt dabei in den Kontext der problematischen deutschen Beteiligung an Aufträgen des EEF und machte es zu einem Gegenstand der deutschfranzösischen Konsultationen. Zwar konnten die Franzosen, die von Anfang an keinen Hehl aus ihren Einwänden gemacht hatten, nicht für ein deutsch-französisches Gemeinschaftsunternehmen gewonnen werden, wohl aber zur Aufgabe ihrer ursprünglichen Opposition und schließlich für die Unterstützung des Vorhabens im EEF-Komitee.660 Damit war eine wesentliche Hürde genommen. Die Kommission betrachtete nach den Interventionen das Projekt verstärkt unter politischen Gesichtspunkten. Der niederländische Vizepräsident Mansholt fürchtete, dass Senegal im Falle einer Ablehnung nach dem Osten abspringe, und sah daher das Vorhaben unter dem Aspekt der Belohnung der senegalesischen Regierung für politisches Wohlverhalten gegenüber dem Westen allgemein, aber auch in der Deutschlandpolitik.661 Rochereau war demgegenüber aus grundsätzlichen Erwägungen dafür, das Vorhaben abzulehnen. Er fürchtete, einen Präzedenzfall zu schaffen, der die Gefahr berge, dass die Kommission die Kontrolle über den EEF weitgehend verliere. Da es sich jedoch um eine deutsche Firma handelte, zögerte auch er, das Projekt ein zweites Mal abzulehnen.662 Im Kreis um Hallstein beobachtete man zudem die Bonner Tendenz zu bilateraler, projektgebundener Entwicklungshilfe mit Sorge. Rückwirkungen auf die deutsche Bereitschaft, zu einem dritten EEF beizutragen, schienen im Fall einer negativen Entscheidung nicht auszuschließen.663 Die Zustimmung der Kommission wurde schließlich von der Bundesregierung mit einem Beitrag aus deutscher Kapitalhilfe zur Finanzierung des Projekts teuer erkauft.664 Auch von den EWG-Partnern erntete Bonn Kritik. Ihr Versuch, auf semi-offiziellen Wegen dem Entwicklungsfonds das Mannesmann-Vorhaben aufzudrängen, stand im Widerspruch zu ih-
659 Vgl. FS deutsche Botschaft Dakar, 7.4.65, in: Ebd.; StS Lahr, Betr.: Gespräch mit Generaldirektor Wormser in Paris am 26. März 1965; hier: Wasserversorgungsprojekt Dakar, 30.3.65, in: Ebd.; Schreiben Jean de Lagarde, Ambassadeur Extraordinaire et Plénipotentiaire, Haut Représentant de la République Française, an M. Couve de Murville, MAE, Direction des Affaires et Malgaches, Dakar, 7.4.65, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 223; Africa Confidential, 9, 17.3.1967, S. 8. 660 Vgl. Note a.s. Coopération franco–allemande dans le domaine de l´ aide aux pays sous– développés, 23.5.65, in: MAE, Europe–RFA 1662; Note a. s. Septième réunion du Comité franco–allemand sur l’aide aux pays sous–développés, 2.7.65, in: Ebd.; StS Lahr, Betr.: Gespräch mit Generaldirektor Wormser in Paris am 26. März 1965; hier: Wasserversorgungsprojekt Dakar, 30.3.65; AA, Leiter der Abt. III, Aufzeichnung; Betr.: Senegal; hier: Wasserversorgung der Stadt Dakar, 31.5.65, In: PAAA, B 20/1214; FS Eurogerma Brüssel, 28.6.65, in: Ebd. 661 Vgl. FS deutsche Botschaft Dakar, 7.4.65 662 Vgl. EWG-Kommission, Dem Herrn Präsidenten, Betr.: Besuch von Herrn Rochereau, 7.6.66, in: BA Koblenz, N 1266/1258. 663 Vgl. ebd. 664 Aus der Bindungsermächtigung 1965 stellte die Bundesregierung 10 Mio. DM zur Verfügung. Vgl. AA an BMWi, BMZ, BMF, Betr.: Senegal; hier: Wasserversorgung Dakar (MannesmannProjekt), 15.9.65, in: PAAA, B 20/1214; Vertretung der BRD bei der EWG/EAG, Betr.: Mannesmann-Projekt Trinkwasserversorgung Dakar, 27.9.65, in: Ebd.
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ren Initiativen gegen angebliche Diskriminierungen bei der Auftragsvergabe des EEF.665 Die Frage der Auftragsbeteiligung deutscher Firmen an den Ausschreibungen des EEF wuchs sich 1966/67 ebenso zu einem Politikum aus. Die Debatte, die nahtlos an die im Vorfeld und während der Verhandlung des Yaoundé-Abkommens geführte anknüpfte,666 erlangte eine neue Qualität, da von verschiedenen Seiten die Zukunft des EEF von einer den deutschen Erwartungen entsprechenden Auftragsbeteiligung deutscher Firmen abhängig gemacht wurde. Im Jahr der so genannten kleinen Rezession verband die FDP-Fraktion ihre Große Anfrage zur Entwicklungspolitik mit dem Antrag: „[...] Die Bundesregierung wird aufgefordert, an der Finanzierung des dritten EWG-Entwicklungsfonds nur unter der Voraussetzung teilzunehmen, daß die Wirtschaft der Bundesrepublik an den zu vergebenden Aufträgen entsprechend dem deutschen Finanzanteil beteiligt wird.“667 Schon 1966 hatte die Frage in der Presse ein größeres Echo gefunden. Der MÜNCHNER MERKUR berichtete im April von einer an den EEF gerichteten Kritik des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit: „Minister Scheel droht mit Kürzung des deutschen Beitrags“.668 CHRIST UND WELT titelte im Sommer des Jahres „Einsatz ohne Gewinn“,669 während im HANDELSBLATT ein Vertreter der deutschen Bauindustrie ungleiche Wettbewerbsbedingungen für die niedrige deutsche Beteiligung verantwortlich machte.670 Der BDI stellte schließlich im November 1966 eine weitere deutsche Beteiligung am EEF in Frage, wenn sich die Lage für die deutsche Industrie nicht bessern sollte.671 Ein dreiviertel Jahr später sprach die SAARBRÜCKER ZEITUNG von einer „Ärgerliche[n] Bilanz“672 und die
665 Vgl. BMWi, Vermerk, 4.8.66, in: Ba Koblenz, B 213/1140. 666 Siehe auch Teil C, Kap. 3.1.2. Verzögerungen und Probleme 667 Anfrage der FDP-Fraktion zur Entwicklungspolitik am 11.10.67 im Bundestag. Vgl. Stenographische Berichte des Deutschen Bundestags, 5. Wahlperiode 1965, Bd. 65, S. 6240, Drucksache V/2144. Der dem Ausschuss für Entwicklungshilfe für Beratung überwiesene Antrag, ging in dessen Bericht in abgemilderter Form ein. „Die Bundesregierung wird ferner aufgefordert, im Falle von Verhandlungen über die Bildung eines 3. Europäischen Entwicklungsfonds nachdrücklich für eine Regelung einzutreten, mit der erreicht werden kann, daß die deutsche Wirtschaft stärker und in einer ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Weise an den zu vergebenden Aufträgen beteiligt wird.“(Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Entwicklungshilfe (16. Ausschuss) über den Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Entwicklungspolitik – Drucksache V/2144, Umdruck 285, Drucksache V/2349 (neu), 13.12.67, in: BA Koblenz, B 213/1142) Der Antrag des Ausschusses entsprach damit der Formulierungshilfe, die ihm vom BMZ in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts an die Hand gegeben worden war. Vgl. MR Ehm, Ministervorlage, Betr.: Sitzung des Ausschusses für Entwicklungshilfe am 16.11.67; hier: Antrag der FDPFraktion zur Großen Anfrage; hier: Ziffer 2 des FDP-Antrags: Europäischer Entwicklungsfonds, 14.11.67, in: Ebd. 668 MÜNCHNER MERKUR, 21.4.66 669 CHRIST UND WELT, 22.7.66 670 Vgl. HANDELSBLATT, Nr. 163, 26./27.8.66 671 Vgl. INDUSTRIEKURIER, 29.11.66 672 SAARBRÜCKER ZEITUNG, 14.8.67
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DIE WELT zog im Januar 1968 das Fazit: „Deutsche kamen zu kurz – EWG-Entwicklungsfonds von Franzosen am stärksten genutzt“.673 Während der deutsche Beitrag zum EEF ebenso wie der Frankreichs 34% ausmachte, lag der deutsche Anteil an den Aufträgen des Fonds 1962 bei knapp 4% und 1966 bei gut 9%. Demgegenüber hatten französische Firmen in dieser Zeit rund 44% aller Fondsaufträge gewinnen können. Dabei war die deutsche Auftragsbeteiligung in den drei großen Ausgabenbereichen des Fonds durchaus unterschiedlich: während der Anteil bei Liefergeschäften sowie bei Studien und Technischen Hilfsleistungen rund 20% betrug, lag er beim Bauleistungssektor, dem bei weitem größten Ausgabenbereich des EEF, 1962 bei 2% und verbesserte sich bis 1966 auf knapp 5%.674 Bauleistungen
Lieferungen
Studien, technische Kontrolle und Bauaufsicht
zusammen
Mai 62
-
-
-
3,96%
31.12.63
2,02%
22,83%
23,35%
6,78%
31.12.64
1,42%
25,59%
22,81%
6,10%
31.12.65
4,55%
21,82%
23,84%
8,77%
31.12.66
4,79%
20,9%
22,31%
9,14%
Die Gründe hierfür waren mannigfaltig. Zunächst hatten französische Firmen nach wie vor Wettbewerbsvorteile im ehemaligen Kolonialreich, insbesondere wenn sie über Niederlassungen vor Ort verfügten. Weiterhin blieben die afrikanischen Länder der Franc-Zone trotz der Assoziierungsbestimmungen auch gegenüber den EWG-Partnern durch zoll- und steuerpolitische sowie devisenwirtschaftliche Maßnahmen abgeschirmte Märkte. Darüber hinaus versuchten französische Berater und Firmen vor Ort zum Teil, nichtfranzösischen Mitbewerbern den Marktzugang zu verwähren. Eine wesentliche Rolle spielte auch das mangelnde Interesse der deutschen Industrie, insbesondere der Bauindustrie, am Afrikageschäft. Bauunternehmern erschienen EEF-Aufträge unrentabel.675 Eine unzureichende Kenntnis der afrikanischen Märkte trug ebenso dazu bei wie die Wahrnehmung, dass sie ausländischer, nicht französischer Konkurrenz verschlossen seien.676 Auch die bis 1965 andauernde Hochkonjunktur der deutschen 673 DIE WELT, 29.1.68 674 Vgl. Der BMZ an den Vorsitzenden des Ausschusses für Entwicklungshilfe des Deutschen Bundestages, Walter Leisler Kiep, Betr. Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Aufträgen aus dem Europäischen Entwicklungsfonds, 25.10.67. In: Anlage: BMZ, Beteiligung der deutschen Wirtschaft an den Aufträgen aus dem Europäischen Entwicklungsfonds, 23.10.67, in: BA Koblenz, B 213/1142. 675 In diesem Sinne äußerte sich beispielsweise der Vorstandvorsitzende der Philipp-Holzmann AG 1968. Vgl. z. B. Mez, Dipl.-Volkswirt, Sprecher der deutschen Delegation in Brüssel, Vermerk, Betr.: Europäischer Entwicklungsfonds; hier: Vortrag von Generaldirektor Hendus zum Thema „Europäische Afrikapolitik – Chancen und Risiken“ am 2. Dezember im Bonner Büro der Europäischen Gemeinschaften, 20.12.68, in: BA Koblenz, B 213/1140. 676 Vgl. Schreiben des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungsländer, Janssen, an den BMZ Wischnewski, 30.10.67, in: Ba Koblenz, B 213/1142; Wettbewerbslage mindert deutsches Interesse. Brüssels Europa–Kommission kritisiert deutsche Industrie, jetzt Bevorzugung bei Angeboten, in: DIE RHEINPFALZ, 22.2.64; Risiko zu hoch kalkuliert? EWG untersucht europäische Entwicklungshilfe, in: DER TAGESSPIEGEL, 13.3.64.
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Wirtschaft führte gerade im Fall der Bauindustrie dazu, dass das Auslandsgeschäft vernachlässigt wurde. Dieses hatte in den zurückliegenden zehn Jahren nur einen Anteil von 1% am deutschen Gesamtbauvolumen ausgemacht.677 Im Fall des EEF hatten deutsche Firmen zu den 267 Projekten, die der Fonds im Bausektor bis Dezember 1966 ausgeschrieben hatte, 35 Einzelangebote abgegeben und an 38 weiteren Ausschreibungen im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften mit anderen Firmen aus den EWG-Partnerländern beteiligt. Italienische Baufirmen, die in der Franc-Zone ebenso marktfremd waren, hatten im selben Zeitraum 71 Einzelangebote abgegeben.678 Die deutschen Wirtschaftsverbände, namentlich der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, der BDI sowie die in der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsländer zusammengefassten Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft679, machten die Frage der deutschen Auftragsbeteiligung zum Gegenstand von Gesprächen mit der Bundesregierung und der EWG-Kommission, befassten den Dachverband der europäischen Arbeitgeber, die Union des Industries de la Communauté Européenne (UNICE), mit der Frage und führten Gespräche mit französischen Wirtschaftsvertretern.680 Nicht nur die gesamte Vergabepraxis des EEF von der Projektauswahl über die Modalitäten der Ausschreibung bis hin zur bankmäßigen Abwicklung der Vorhaben stellten die deutschen Lobbyisten auf den Prüfstand und veranlassten ihre Untersuchung auf diskriminierende Bestimmungen und Praktiken, sondern sie strebten auch eine Änderung der Vertragsgrundlagen des Yaoundé-Abkommens in ihrem Sinne an.681 Die Bundesregierung unterstützte die Initiativen der deutschen Wirtschaft soweit sie ihren ord677 Vgl. z. B. Schreiben des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie e.V. an das BMWi, 9.5.67, in: Ba Koblenz, B 213/1142. 678 Vgl. Der BMZ an den Vorsitzenden des Ausschusses für Entwicklungshilfe des Deutschen Bundestages, Walter Leisler Kiep, Betr. Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Aufträgen aus dem Europäischen Entwicklungsfonds, 25.10.67. 679 BDI, DIHT, Bundesverband des privaten Bankgewerbes, Bundesverband des Deutschen Groß– und Außenhandels mit der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Exportvereine. 680 Vgl. BMWi, Vermerk, Betr.: Beteiligung deutscher Baufirmen an den Ausschreibungen für Vorhaben des EWG-Entwicklungsfonds, hier: Besprechung zwischen Vertretern des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie und des BMWi am 10. Dezember 1964 im BMWi über Vorschläge des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie für eine Übergangslösung zur Verbesserung des Ungleichgewichts zwischen Aufkommen und Bauauftragsvergaben im Europäischen Entwicklungsfonds, 20.12.65, in: BA Koblenz, B 213/1140; Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsländer, Ergebnisvermerk über eine Besprechung über Fragen des Europäischen Entwicklungsfonds, 20.9.66, in: Ebd.; Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsländer, Der Vorsitzende, Janssen, an den BMWi, Schiller, 10.3.67, in: Ebd., 1142; Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsländer, Schreiben des Vorsitzenden an den BMZ, Wischnewski, 14.8.68, in: Ebd., 1128; Hauptverband der Deutschen Bauindustrie an AA, Betr.: EEF, 17.12.68, in: PAAA, B 20/1615. 681 Vgl. Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungsländer, Janssen an Wischnewski, 30.10.67, in: BA Koblenz, B 213/1142. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie gab der Bundesregierung sogar ein in seinem Auftrag erstelltes Rechtsgutachten an die Hand. Vgl. Rechtsgutachten erstattet von Professor Dr. Ernst Steindorff, Vorstand des Instituts für europäisches und internationales Wirtschaftsrecht in München [im Auftrag des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie e.V., Frankfurt], 21.6.66, in: Ebd., 1140; BMZ, MR Goltz, an das BMWi, Betr.: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, hier Ausschreibungsverfahren für die Projekte des Entwicklungsfonds, 22.8.66, in: Ebd.
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nungspolitischen Vorstellungen nicht entgegenstanden. Insbesondere das BMWi lehnte, unterstützt vom Auswärtigen Amt, eine Abkehr vom Grundsatz des freien Wettbewerbs und gleichen Zugangs zu den Ausschreibungen des EEF ab ebenso wie Vorschläge, die in seinen Augen auf eine „Zwangskartellierung“ hinausliefen.682 Die Bundesregierung wollte die Frage auf der Assoziierungsagenda an zentraler Stelle zu positionieren.683 Zu diesem Zweck intervenierte sie auf mehreren Ebenen. Zunächst war sie bestrebt, durch Interventionen gegenüber den Dienstsstellen der EWG-Kommission und Initiativen auf Ratsebene die Ausschreibungsund Vergabebedingungen im deutschen Sinne zu optimieren; sodann machte sie die Auftragsbeteiligung deutscher Firmen zum Gegenstand der deutsch-französischen Konsultationen; schließlich ergriff sie auch Initiativen gegenüber der Privatwirtschaft. Einerseits ging es darum, die deutsche Industrie zur Entfaltung eines nachhaltigeren Interesses an EEF-Aufträgen zu bewegen, andererseits die Kooperationsbereitschaft der französischen im Rahmen der deutsch-französischen Gespräche zu fördern.684 In Abstimmung mit Paris gelang es der Bundesregierung, eine Ratsentschließung auf den Weg zu bringen, in der die Kommission aufgefordert wurde, die Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen bei Vorhaben in den assoziierten Ländern zu verbessern.685 Gegenüber Brüssel und Paris konnte Bonn dabei auch auf die innenpolitischen und parlamentarischen Schwierigkeiten verweisen, die sich aus der nicht 682 Vgl. AA, Abt. 1, Aufzeichnung, Betr.: Europäischer Entwicklungsfonds; hier Beteiligung deutscher Firmen an Auftragsvergaben, 8.9.66, in: PAAA, B 20/1183; BMWi, Vermerk, Betr.: Beteiligung deutscher Baufirmen an den Ausschreibungen für Vorhaben des EWG-Entwicklungsfonds, hier: Besprechung zwischen Vertretern des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie und des BMWi am 10. Dezember 1964 im BMWi über Vorschläge des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie für eine Übergangslösung zur Verbesserung des Ungleichgewichts zwischen Aufkommen und Bauauftragsvergaben im Europäischen Entwicklungsfonds, 20.12.65, in: BA Koblenz, B 213/1140; BMZ, MR Ehm an Minister, Betr.: Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Aufträgen des Europäischen Entwicklungsfonds; hier: Einführung einer Lieferbindung nach Maßgabe der Finanzbeiträge, 3.5.66, in: Ebd. Die deutsche Bauindustrie hatte vorgeschlagen, Angebote zu größeren Projekten Firmenkonsortien vorzubehalten. 683 Vgl. BMZ, Ministervorlage, Betr.: Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Aufträgen des Europäischen Entwicklungsfonds, 3.5.66, in: Ebd.; BMZ, MR Goltz, an das BMWi, Betr.: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, hier: Ausschreibungsverfahren für die Projekte des Entwicklungsfonds, 22.8.66. 684 Vgl. Bundesminister Wischnewski an den Vorsitzenden des Ausschusses für Entwicklungshilfe des Deutschen Bundestages, Walter Leisler Kiep, Betr. Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Aufträgen aus dem Europäischen Entwicklungsfonds, 25.10.67, in: Ebd., 1142. 685 Vgl. Fernschreiben der Deutsche Botschaft Paris , Betr.: Zehnte Sitzung des deutschfranzösischen Ausschusses für Entwicklungspolitik, 24.10.66, in: BA Koblenz, B 213/1142; Mez, Vermerk, Betr.: Bilaterales deutsch-französisches Expertengespräch über Probleme des Europäischen Entwicklungsfonds; hier: Vorbereitende Ressortbesprechung am 15.12.66 im BMWi, 30.12.66, in: Ebd.; BMWi an die Vertretung der BRD bei der EWG und der EAG, Betr.: Beziehungen zwischen der EWG und den AASM; hier: Bericht der Gruppe AASM/FIN an den Ausschuss der Ständigen Vertreter über die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen im Rahmen der vom Europäischen Entwicklungsfonds finanzierten Vorhaben, Bezug: Weisung zur 409. Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter am 5., 6. und 9. Januar 1967, 31.1.67, in: Ebd.
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den Erwartungen entsprechenden Beteiligung deutscher Firmen an den Aufträgen des Fonds ergaben.686 Die öffentliche Kampagne gegen den EEF war jedoch für die Befürworter der Entwicklungshilfe, die mit dem Sparkurs des Tandems Strauß und Schiller weiter in die Defensive gerieten, ein zweischneidiges Schwert.687 Denn sie verstärkte die Legitimationskrise, in die die Entwicklungspolitik in der bundesdeutschen Öffentlichkeit geraten war,688 indem sie den wirtschaftspolitischen Nutzen der Entwicklungshilfe für die Bundesrepublik, die Entwicklungshilfeminister Scheel ebenso wie sein Nachfolger Wischnewski betonten, in Frage stellte. Wischnewski schrieb der Entwicklungshilfe zwar keine unmittelbar konjunkturpolitische Bedeutung zu, hob aber angesichts der Wirtschaftsrezession verstärkt ihre Bedeutung für die Sicherung von Arbeitsplätzen aufgrund der aus ihr resultierenden Aufträge hervor. 689 Für den Minister lag die Brisanz der Frage weniger darin, dass eine Erneuerung des EEF in Frage gestellt wurde. Schon unter seinem Vorgänger wurde eine Rebilateralisierung des deutschen Beitrags als Option erwogen.690 Vielmehr beunruhigten ihn die möglichen Rückwirkungen dieser Kampagne auf die bilaterale, bundesdeutsche Entwicklungshilfe, da mit ihr auch eine grundsätzliche Infragestellung der Entwicklungshilfe einherging.691 Wie Scheel verfolgte auch Wischnewski die Frage der deutschen Auftragsbeteiligung mit besonderem Nachdruck. Nachdem er dazu im Bundestag auf die Anfrage der FDP hin am 11. Oktober 1967 Stellung genommen hatte, regte er innerhalb der Bundesregierung an, die deutsche finanzielle Beteiligung am nächsten EEF von der Lösung dieser Frage abhängig zu machen.692 Gegenüber seinem 686 Vgl. Ehm, BMZ, an MR Moltrecht, Vertretung der BRD bei der EWG, 14.7.67, in: Ebd.; BMZ, Niederschrift über die Gespräche anlässlich des Besuches des französischen Staatsministers Yvon Bourges bei Herrn Bundesminister Wischnewski am 11. Dezember 1967, 18.12.67, in: PAAA, B 20/1197. 687 Schon der Vorgänger von Franz-Josef Strauß, Rolf Dahlgrün, hatte im Sommer 1966 seinem Kabinettskollegen Kurt Schmücker mitgeteilt: „Auch ich halte es bei der gegebenen Haushaltslage für sehr schwierig, unsere hohen Beitragsleistungen zu dem Europäischen Entwicklungsfonds innenpolitisch weiterhin zu rechtfertigen, wenn der Anteil der Beteiligung deutscher Firmen an den mit Fondsmitteln finanzierten Vorhaben nicht entscheidend vergrößert wird.“(Schreiben des Bundesfinanzministers an den Bundeswirtschaftsminister, Betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft; hier: Beteiligung deutscher Firmen an den Ausschreibungen des Entwicklungsfonds für die assoziierten afrikanischen Staaten, 17.8.66, in: BA Koblenz, B 213/1140); vgl. weiterhin: Hein: Die Westdeutschen und die Dritte Welt, S. 94. 688 Vgl. hierzu: HEIN, Bastian: Die Westdeutschen und die Dritte Welt, S. 97–104. 689 Vgl. Stellungnahme Wischnewskis vor dem Deutschen Bundestag zu den Großen Anfragen der CDU/CSU und SPD einerseits und zu der der FDP andererseits, 11.10.67, in: Stenographische Berichte des Deutschen Bundestags, 5. Wahlperiode (1965), S. 6250. 690 Vgl. MR Ehm an Minister, Betr.: Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Aufträgen des Europäischen Entwicklungsfonds, 16.6.66, in: B 213/1140. 691 Vgl. MinDirig Jentsch (BMWi) an MD Sonnenhol, BMZ, 4.10.66: Aktenvermerk, Betr.: Bessere deutsche Beteiligung am Europäischen Entwicklungsfonds, in: Ebd. 692 Vgl. BMWi, Vermerk für MR Heise, Betr.: EWG-Entwicklungsfonds; hier: Errichtung eines 3. Fonds, 8.11.67, in: BA Koblenz, B 102/130251. Das BMWi hatte Bedenken. Im Jahr darauf brachte sodann das Auswärtige Amt vor Beginn der Verhandlungen zur Erneuerung des Yaoundé-Abkommens einen Vorschlag ein, der eine deutsche Mindestbeteiligung an den Aufträgen des dritten EEF sicherstellen sollte. Vgl. BMWi, Vermerk für MR Heise, Betr.: Erneue-
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französischen Kollegen, Staatsminister Yvon Bourges, betonte er im Dezember, dass die Frage eine schwere Hypothek für die Erneuerung der Assoziierung darstelle.693 Vor diesem Hintergrund zählte Paris die Auftragsbeteiligung deutscher Firmen im Frühjahr 1968 zu den wesentlichen Fragen, die sich bei der Erneuerung der Assoziierung stellten.694 Sowohl die französische Regierung als auch die Spitzen der französischen Industrie waren daher um eine kooperative Lösung der Frage bemüht und willens, der deutschen Industrie den Zugang zu den afrikanischen Märkten zu erleichtern. Dass sich noch während der Laufzeit des ersten Yaoundé-Abkommens der Anteil deutscher Firmen an den Aufträgen des EEF deutlich erhöhte, wurde im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit denn auch als ein Erfolg der deutsch-französischen Zusammenarbeit in Afrika verbucht.695 Von 10% im Jahr 1967 stieg der deutsche Auftragsanteil auf über 13% 1969. Bei den Bauleistungen hatte er sich in den zwei Jahren mehr als verdoppelt.696 Im Rahmen des zweiten Entwicklungsfonds erhielt die deutsche Bauindustrie bis 1969 24% der EEF-Aufträge in diesem Sektor, während ihr Anteil an diesem Ausgabenbereich beim ersten Entwicklungsfonds nur 3,21% betrug.697 Damit erreichte der deutsche Anteil an allen Aufträgen des zweiten EEF bis 1969 23,45%, während der deutsche Beitrag zu den Mitteln dieses Fonds bei 34% lag.698 Auch gegenüber der EWG-Kommission hatte die Bundesregierung in dieser Angelegenheit beständig Druck ausgeübt und ihre Beteiligung an einem dritten EEF in Frage gestellt.699 Der Direktor des EEF kritisierte diese Haltung öffentlich als „Sparkassendenken“.700 Doch der deutsche Beitrag zum EEF hatte noch eine weitere Dimension, auf die Scheel im April 1966 aufmerksam machte. Ein viertel Jahr, nachdem mit dem Luxemburger Kompromiss die Krise des leeren Stuhls beigelegt und Frankreich in die Gemeinschaft zurückgekehrt war, verquickte der Minister die Frage mit dem Fortschritt der europäischen Integration.701 Scheel fiel
693 694
695 696
697 698 699
700 701
rung des Abkommens von Jaunde, 6.6.68, in: Ebd., 130253; BMWi an die Referate IA2 (AA), VB1 (BMF), IIA2 (BMZ), Betr.: Beteiligung der deutschen Wirtschaft an den Aufträgen des Europäischen Entwicklungsfonds, 29.10.68, in: BA Koblenz, B 213/1128. Vgl. Niederschrift über die Gespräche anlässlich des Besuches des französischen Staatsministers Yvon Bourges bei Herrn Bundesminister Wischnewski am 11. Dezember 1967. Vgl. Premier Ministre, SGCI, Note, Inventaire des principales questions qui se posent dans la per–spective du renouvellement de la Convention de Yaoundé, 29.2.68, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1512. Vgl. Afrikahilfe in der Praxis – Die Leistungen des Europäischen Entwicklungsfonds, in: DAS PARLAMENT, 7.8.68. Vgl. BMWi, EA 6, Vermerk, Betr. Beteiligung deutscher Firmen an den Ausschreibungen des Europäischen Entwicklungsfonds, 13.4.70, in: BA Koblenz, B 102/130290. Lag der deutsche Anteil an den Bauleistungen 1967 noch bei 6,7%, erreichte er 1969 ca. 13,8%. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. BMZ, MR Ehm an Minister, Betr.: Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Aufträgen des Europäischen Entwicklungsfonds, 16.6.66; Ehm an MR Moltrecht, Vertretung der BRD bei der EWG, 14.7.67. FERRANDI, Jacques, Direktor des EEF: Die Politik des Europäischen Entwicklungsfonds. Um eine gerechte Auftragsvergabe, in: EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT Nr. 16/1967. Kritik am EEF-Minister Scheel droht mit Kürzung des deutschen Beitrags, in: M ÜNCHNER MERKUR, 21.4.66. Im Juni wies ein Vertreter des BMZ Generaldirektor Hendus nochmals auf
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damit in die Perspektive von 1957 zurück, als die Bundesregierung der Assoziierung vor allem aufgrund ihres Interesses am Zustandekommen der EWG zugestimmt hatte. Aus diesem Blickwinkel wurde die Assoziierung als eine deutsche Vorleistung für den europäischen Integrationsprozess gesehen, der nunmehr als Folge der De Gaulleschen Politik zu erstarren schien. Generaldirektor Hendus, der die Bedeutung der Assoziierung als gemeinschaftlichen Aktionsbereich anlässlich einer Veranstaltung des Presse- und Informationsdienstes in Bonn erläuterte, betonte demgegenüber das Eigengewicht, dass die Assoziierung gewonnen habe und damit dem bloßen innergemeinschaftlichen des do ut des entzogen sei.702 Über den Rahmen der Europapolitik hinaus betreffe die Assoziierung, die zum Gegenstand afrikanischer Erwartungen und Wünsche geworden sei, die außenpolitischen Interessen jedes Mitgliedstaates. Auch für die Bundesrepublik stelle sie ein politisches Kapital dar. Darüber hinaus ging der deutsche Generaldirektor auf die Bedeutung der Assoziierung für den europäischen Integrationsprozess ein. Sie sei, obschon eigentlich eine Nebenaufgabe der Gemeinschaft, in weit höherem Maße Gegenstand integrierten Gemeinschaftshandelns geworden als die meisten, genuinen Gemeinschaftsaufgaben. Im Bereich der Außenbeziehungen eile sich hier der Integrationsprozess quasi selbst voraus, da die Gemeinschaft in ihrem Rahmen eigene Akteursqualitäten entwickelt habe. Schließlich löse die Assoziierung afrikanischer Commonwealth-Länder antizipierend ein Teilproblem eines EWG-Beitritts Großbritanniens.703 Am Ende der Ära Hallstein dominierte in der Kommission eine realpolitische Perspektive auf die Assoziierung. Der aus der Krise des leeren Stuhls resultierende, begrenztere Handlungsspielraum der Kommission, die deutschfranzösische Zusammenarbeit in Afrika außerhalb der Assoziierung, die Tendenz unter den Mitgliedstaaten zur bilateralen Entwicklungspolitik sowie die Etablierung der OECD als entwicklungspolitische Arena der europäischen und allgemein westlichen Geber führte zu einer Politik des Möglichen, die darauf zielte, die Assoziierung als Aktionsbereich der Gemeinschaft zu erhalten. Desillusioniert und in bemerkenswerten Kontrast zu den afrika- und entwicklungspolitischen Ambitionen, die die EWG-Kommission zu Beginn des Jahrzehnts gehegt hatte, wurde nunmehr eine eurafrikanische Berufung geleugnet und die Versuche, eine gemeinschaftliche Assoziierungsdoktrin zu entwickeln, für gescheitert erklärt.704 Die Aussicht auf eine signifikante Fortentwicklung der Assoziierung schien somit schlecht, zumal De Gaulle mit seinem zweiten Veto vom 27. November 1967 einen Beitritt Großbritanniens zur Gemeinschaft noch einmal in die Ferne rückte.
diesen Zusammenhang hin. Vgl. Ehm an Minister, Betr.: Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Aufträgen des Europäischen Entwicklungsfonds, 16.6.66. 702 Vgl. EWG, Kommission, GD VIII, Vortrag gehalten von Herrn Hendus, Generaldirektor für Überseeische Entwicklungsfragen, am 10. Oktober 1966 bei einer Veranstaltung des Presse– und Informationsdienstes in Bonn, in: PAAA, B 20/1196. 703 Vgl. ebd. 704 Vgl. ebd.
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2.3. Das zweite Abkommen von Yaoundé Anfang 1968 sprachen sich die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar grundsätzlich dafür aus, die Assoziierung zu erneuern. Auf ihrer Ministerkonferenz, die am 12. und 13. Januar in Niamey (Niger) stattfand, wurden die bisherigen Ergebnisse der Assoziierung gleichwohl kontrovers diskutiert. Dem von Obervolta eingebrachten Antrag, die Zufriedenheit über das bisher Erreichte festzustellen, widersetzte sich vor allem Senegal, dessen Außenhandelsminister bemerkte, dass, auch wenn die Assoziation sich auf einigen Sektoren als nützlich erwiesen habe, dies in anderen Bereichen eben nicht der Fall gewesen sei.705 Immerhin kamen Mitte der 60er Jahre ein Fünftel der gesamten Entwicklungshilfe der westlichen Geber an die AASM aus dem EEF.706 Für einige assoziierte Staaten war die Bedeutung des Entwicklungsfonds sogar noch wesentlich größer. In Mali zählte der EEF beispielsweise zu den vier größten Kapitalgebern, der zudem noch vornehmlich Infrastrukturprojekte zu interessanten Konditionen da in Form nicht–rückzahlbarer Zuschüsse finanzierte.707 Das Interesse dieses Staates an der Assoziierung gründete daher hauptsächlich auf der Finanzhilfe. Andere hingegen, wie der Senegal, die nach wie vor im Gemeinsamen Markt ein Surrogat für die im Abbau begriffenen, privilegierten Wirtschaftsbeziehungen mit Frankreich sahen, maßen dem handelspolitischen Inhalt der Assoziierung größere Bedeutung bei.708 Zwar entsprach die Gemeinschaft, nachdem die französische Marktorganisation für Erdnüsse weggefallen war, mit der Einführung von Preisstabilisierungssubventionen für Ölsaaten und ölhaltige Früchte den besonderen Interessen Senegals und einiger anderer assoziierter Staaten, für die diese Erzeugnisse eine wichtige Devisenquelle waren, andere hingegen verloren, wie Kongo-Brazzaville und Madagaskar für ihre Zuckerexporte, mit der fortschreitenden europäischen Integration ihren privilegierten Zugang zum französischen Markt, ohne dafür kompensiert zu werden. Insgesamt erschienen die handelspolitischen Resultate der Assoziierung enttäuschend.709 Zwischen 1959 und 1965 hatten die Einfuhren der EWG aus dem assoziierten Teil Afrikas um 34% zugenommen, die Ausfuhren der EWG nach den AASM waren um 41% gestiegen. Im gleichen Zeitraum steigerte die EWG jedoch ihre Einfuhren aus den nichtassoziierten Ländern des subsaharischen Afrika um 48% und ihre Ausfuhren dorthin sogar um 63%.710 Ab Mitte der 60er Jahre stagnierte der Afrika-Handel der EWG, während der Handel mit den Entwicklungsländern Lateinamerikas 705
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Vgl. Schreiben des französischen Botschafters in Niamey an den Außenminister, Betr.: Conférence des E.A.M.A. des 12 et 13 janvier 1968 à Niamey, 18.1.68, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1512; Botschaft der BRD, Niger, an das AA, Betr.: Ministerkonferenz der 18 assoziierten Staaten am 12. und 13. Januar 1968 in Niamey, 20.1.68, in: BA Koblenz, B 213/1126. Vgl. Commission des Communautés européennes, Problèmes du renouvellement de la convention de Yaoundé (Communication de la Commission au Conseil), 3.4.68, in: BA Koblenz, B 102/130251. Vgl. Schreiben der deutschen Botschaft in Bamako an AA, 7.10.68, in: PAAA, B 20/1602. Vgl. Jean de Lagarde, Ambassadeur Extraordinaire et Plénipotentiaire, Haut Représentant de la République Française au Sénégal, an MAE, Direction des Affaires Africaines et Malgaches, 10.1.68, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1512. Vgl. Lehren aus Yaoundé, in: NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, 8.9.68; EWG-Assoziierungen – Handelshilfe für Jaunde-Staaten bisher ohne Erfolg, in: DER VOLKSWIRT, 9.12.66. Vgl. ebd.
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und Asiens deutlich wuchs.711 Dabei war die EWG für die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar der bedeutendste Markt. 62,2% ihrer Gesamtausfuhr in die westlichen Industrieländer entfielen 1966 auf den Gemeinsamen Markt. Die Europäische Gemeinschaft war zudem nicht nur der Hauptabnehmer der AASM, sondern auch ihr Hauptlieferant.712 Vor diesem Hintergrund hatte der nigersche Präsident und amtierende Präsident der Organisation Commune Africaine et Malgache (OCAM)713, Hamani Diori, schon im Oktober 1966 scharfe Kritik an der Assoziierung geübt. Anlässlich der bevorstehenden Tagung des Assoziationsrats kritisierte Diori gegenüber der EWG-Kommission, dass die Zuwachsrate der Exporte der AASM in die EWG hinter der nicht-assoziierter Entwicklungsländern zurückgeblieben sei. Außerdem drohe die sich öffnende Preisschere zwischen Rohstoffen und Industrieerzeugnissen die Vorteile der Assoziierung zunichte zu machen. Da der nigersche Präsident die im Rahmen der Assoziierung den AASM eingeräumte Zollpräferenz ohnehin als ungenügend betrachtete, forderte er einen organisierten Markt für die Exporte der Assoziierten mit gestützten Preisen in der EWG.714 Seinen Versuch, noch während der Laufzeit des ersten Yaoundé-Abkommens, die Marktorganisationen der Franc-Zone auf die EWG zu übertragen, schien 1966/67 noch nicht einmal die französische Regierung bereit, offiziell zu unterstützen.715 Der französische Europaparlamentarier Armengaud griff hingegen den Vorstoß Dioris auf und verfasste einen Bericht, in dem er vorschlug, die Zollpräferenzen mit einer Reihe von Marktorganisationen für verschiedene Produkte sowie mit Preis– und Absatzgarantien zu kombinieren. Die bisher über den EEF vergebenen Produktionsbeihilfen sollten auf ein neues, autonomes Finanzierungsorgan, den Fonds de stabilisation des produits tropicaux de l’Association, übertragen werden.716 Entgegen der vorherrschenden Tendenz in der EWG, die Verkaufspreise der AASM auf Weltmarktniveau abzusenken und deren Zollschutz im Gemeinsamen Markt weiter abzubauen, leitete diese Initiativen das Bestreben, zum Überpreissystem nach französischem Vorbild zurückzukehren. Obwohl der Bericht während der Parlamentarischen Konferenz der Assoziation, die 1967 in Straßburg tagte, auf Resonanz stieß,717 schienen die Aussichten, dass die Assozi-
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Vgl. Afrika-Handel der EWG stagniert, in: DIE WELT, 23.9.66. Vgl. BMWi, Aufzeichnung Die OCAM war die Nachfolgeorganisation der kurzlebigen Union Africaine et Malgache de Coopération Economique (UAMCE), die ihrerseits 1964 die UAM ersetzt hatte, da letztere inkompatibel mit der im Mai 1963 gegründeten, gesamtafrikanischen Organization of African Unity (OAU) gewesen war. Vgl. AA. Aufzeichnung, Betr.: Kritik des Präsidenten der Republik Niger an den Ergebnissen der Assoziation EWG/AASM, 10.11.66, in: BA Koblenz, B 102/130247; AA, Aufzeichnung, Einstellung der OCAM zur Assoziierung der AASM mit der EWG und Auswirkungen auf die künftige Entwicklung der Assoziierung, 20.7.67, in: PAAA, B 20/1197. Vgl. G. Barrère, Secrétariat Général pour la Communauté et les Affaires Africaines et Malgaches, Note à l’attention de M. le Secrétaire Général, 28.7.67, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1512; Schreiben André Armengauds an Jacques Foccart, Secrétaire Général pour les Affaires Africaines et Malgaches, 4.7.67, in: Ebd. Vgl. Rapport sur les solutions qui peuvent favoriser la commercialisation à l’intérieure de la C.E.E. des produits des Etats associés à des prix stables et rémunérateurs, Rapporteur: André Armengaud, (Dok. 20), 20.11.67. Vgl. auch DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 251 f.
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ierung in diese Richtung ausgestaltet wurde, angesichts des internationalen, aber auch gemeinschaftlichen Kontextes gering. In der so genannten „Kennedy-Runde“ des GATT, zu der vom Mai 1964 bis Mai 1967 die Vertreter von 40 Staaten zu multilateralen Zollsenkungsverhandlungen in Genf zusammentrafen, hatte die EWG an einer Liberalisierung des Welthandels mitgewirkt und sich als weltoffene, liberale Handelsmacht präsentiert.718 Auf dem Agrarsektor hielt die Gemeinschaft hingegen am Protektionismus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) fest,719 der auch die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar betraf. Diejenigen Agrarprodukte der Assoziierten, die mit denen der europäischen Agrarproduktion konkurrierten, sowie landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse stellte die Gemeinschaft nämlich nicht unter ihren protektionistischen Schutz. International nahm die Kritik am handelspolitischen Inhalt der Assoziierung zu. Das hauptsächliche Forum hierfür wurde die 1964 eingerichtete UN-Conference on Trade and Development (UNCTAD), die im Februar/März 1968 zu ihrer zweiten Tagung in Neu-Delhi zusammentrat. Die UNCTAD, die nach globalen Lösungen für die Entwicklungsprobleme in der Dritten Welt strebte, stand in grundsätzlicher Opposition zu regionalen Präferenzsystemen zwischen Industrie– und Entwicklungsländern. Für ihren Generalsekretär, Raúl Prebisch, war das Yaoundé–Abkommen ein neokolonialistisches Residuum, das er als beispielhaften Ausdruck einer Tendenz zur Schaffung von Nord-Süd-Einflusszonen kritisierte.720 Die anlässlich der Welthandelskonferenz gegründete so genannte Gruppe der 77, in der sich Entwicklungsländer zusammengeschlossen hatten, um zu gemeinsamen Grundpositionen zu gelangen, war über die Assoziierungsfrage gespalten. Die lateinamerikanischen Mitglieder gerieten über diese Frage in Gegensatz zu den afrikanischen. AASM und afrikanischen Commonwealth-Staaten hatten in der Präferenzfrage zu einer gemeinsamen Position gefunden, die auf der stillen Übereinkunft beruhte, keine Kritik an den Regionalpräferenzen der jeweils anderen zu üben.721 In Neu-Delhi gerieten die Afrikaner dennoch in die Defensive. Auch die USA betrachteten regionale Präferenzsysteme als einen Anachronismus. Auf der Welthandelskonferenz erkannte der amerikanische Delegierte Eugene Rostow in der Assoziierung ein Hindernis für die Entwicklung des Handels zwischen Entwicklungs- und Industrieländern und kritisierte sie als kontraproduktiv zu den weltweiten Versuchen der Förderung der Entwicklungsländer.722 Bereits im April 1967 hatte Präsident Johnson die Absicht der USA erklärt, an einem allgemeinen Präferenzsystem zugunsten der Entwicklungsländer teilzunehmen, das keine Gegenpräferenzen für Industrieländer beinhalten sollte. In bilateralen Gesprächen erkannte Rostow gleichwohl die Nützlichkeit der Assoziierungsregelung für die Zeit an, bis weltweite Lösungen realisiert waren. Gegenüber der Bundesregierung räumte der amerikanische Unterhändler ein, dass 718
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COPPOLARO, Lucia: The European Economic Community in the GATT negotiations of the Kennedy Round (1964-1967): global and regional trade. In: VARSORI, Antonio (Hg.): Inside the European Community, S. 347-366. Vgl. KNIPPING, Franz: Rom, 25. März 1957, S. 153 f. Vgl. DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 287. Vgl. GOSOVIC, Branislav: UNCTAD – Conflict and Compromise. The Third World’s Quest for an Equitable World Economic Order through the United Nations. Leiden 1972, S. 279 ff. Vgl. DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 287.
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Bonn gar nichts anderes übrig geblieben sei, als für die ehemaligen afrikanischen Besitzungen der EWG-Partner eine Assoziierung mit der Gemeinschaft vorzusehen. Auch das Abkommen von Yaoundé könne nicht ersatzlos auslaufen.723 Die zweite Welthandelskonferenz gelangte schließlich trotz heftiger Angriffe zu keiner Verurteilung der Assoziierung. Die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar hatten – unterstützt von einigen Commonwealth-Ländern – erfolgreich ihrer Position Geltung verschafft, solange an den Regionalpräferenzen festzuhalten, bis weltweite Lösungen etabliert seien. Im Bereich der Agrarprodukte und Grundstoffe machten sie daher keine Konzessionen, stimmten aber der Schaffung eines allgemeinen Präferenzsystems für Fertig– und Halbfertigwaren zu.724 Die Ergebnisse der Neu-Delhi-Konferenz, die die Entwicklungsländer angesichts ihrer hohen Erwartungen an die zweite UNCTAD enttäuschten,725 sowie die bescheidenen Resultate, die die Bemühungen um den Abschluss internationaler Rohstoffabkommen bisher gezeitigt hatten,726 bestärkten die Assoziierten vielmehr in ihrer Überzeugung, die Vorteile des Yaoundé-Abkommens nicht für die bloße Aussicht auf eine weltweite Lösung ihrer Probleme aufzugeben.727 Auch wenn die Assoziierten regionalen Regelungen vor weltweiten den Vorrang gaben, glichen ihre Deutungsmuster der Entwicklungsproblematik in zentralen Aspekten denen der anderen Mitglieder der Gruppe der 77. So suchten die AASM die von der zweiten Welthandelskonferenz anvisierte Preisstabilisierung für Rohstoffe schon seit Jahren im Rahmen der Assoziierung zu verwirklichen. Die Welthandelskonferenz lieferte den Assoziierten außerdem Argumente, um die Beibehaltung ihrer besonderen Beziehungen zur EWG zu rechtfertigen. Sie erkannte beispielsweise an, dass es verschiedene Grade von Unterentwicklung gebe und dass besondere Maßnahmen für die ärmsten Länder der Dritten Welt, zu denen auch die assoziierten afrikanischen Staaten mehrheitlich gehörten, er– forderlich seien.728 Die Beibehaltung und Ausgestaltung des Präferenzsystems zählte zu den zentralen Forderungen, mit denen die AASM in die Assoziierungsverhandlungen mit der Gemeinschaft gingen.729 Die Assoziierten dachten etwa an die Schaffung eines Preisgarantiesystems und einer gemeinsamen Agrarmarktordnung mit der EWG. Die als Auslaufmodell konzipierten Produktionsbeihilfen sollten verlängert werden, da die Mehrzahl der assoziierten Staaten ihre Produktion während der Laufzeit des ersten Yaoundé-Abkommens nicht ausreichend hatten 723 724 725 726
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Vgl. StS Lahr, Betr.: Präferenzen für Entwicklungsländer, 15.9.67, in: PAAA, B 20/1197. Vgl. DELROME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 293 ff. Vgl. SCHULZ, Heinz Friedrich: Die zweite Konferenz für Handel und Entwicklung in Neu-Delhi, in: EA 10 (1968), S. 367-374. Lediglich für Kaffee war ein Übereinkommen zustande gekommen. 1968 wurde im Rahmen der Vereinten Nationen auch über ein internationales Zucker-Abkommen verhandelt, dem die EWG nicht beizutreten beabsichtigte. Vgl. Zweiter Gesamtbericht (1968), S. 420 ff. Vgl. Die Assoziation afrikanischer Staaten mit der EWG, in: NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. 28.5.68 Vgl. DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 293. Vgl. hierzu und zum Folgenden: AA, Abt. 1, Aufzeichnung, Betr.: Erneuerung des Assoziierungsabkommens von Jaunde, 6.9.68, in: PAAA, B 20/1602; Botschaft der BRD in Niamey an AA, Betr.: Ministerkonferenz der 18 assoziierten Staaten am 12. und 13. Januar 1968 in Niamey, 20.1.68, in: BA Koblenz, B 102/130252; BMZ, Aufzeichnung für Minister, Betr.: Erneuerung des Jaunde-Abkommens, hier: Tagung der Vertragsparteien auf Ebene der Minister am 19. Dezember 1968 in Brüssel mit besonderer Berücksichtigung der Darlegungen der AASM, 21.1.69, in: BA Koblenz, B 213/1129.
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diversifizieren können und nach wie vor abhängig von ein oder zwei Hauptexportprodukten blieben. Angesichts ihres steigenden Kapitalbedarfs, der Preissteigerungen bei Ausrüstungsgütern und des Bevölkerungswachstums forderten die afrikanischen Assoziierten eine Erhöhung des EEF auf 1,2 Mrd. RE. In den Kontext der internationalen Diskussion über eine neue Arbeitsteilung zwischen Nord und Süd fügte sich die wiederum von Assoziierten erhobene Forderung nach Förderung ihrer Industrialisierung.730 Zur Lösung ihrer Entwicklungsprobleme setzten führende Staatsmänner der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar wie Senghor gegen Ende der ersten Entwicklungsdekade auf eine Vertiefung der „coopération verticale“ mit der EWG,731 gleichwohl machten die Assoziierten auch die Förderung der interafrikanischen Kooperation dem Zeit– geist entsprechend zum Gegenstand der Verhandlungsagenda.732 In den EWG-Mitgliedstaaten zeigte man hingegen kaum Enthusiasmus für die Entwicklungspolitik im Allgemeinen und die Assoziierung im Besonderen. Die öffentliche Entwicklungshilfe der OECD-Länder stagnierte in absoluten Zahlen und sank – gemessen am BSP – sogar von 0,55% auf 0,39% zwischen 1960 und 1969. Selbst die traditionell hohen französischen Entwicklungshilfeleistungen fügten sich in diesen Trend und sanken in dem genannten Zeitraum von 1,38% auf 0,69%. Zwar blieb die französische bilaterale Hilfe an die ASSM zwischen 1961 und 1969 annähernd konstant, nach 1965 erhöhte sich jedoch die Hilfe an Länder außerhalb der Franc-Zone als Folge einer sich der Dritten Welt insgesamt zuwendenden französischen Entwicklungspolitik. Haushaltszwänge veranlassten die französische Regierung darüber hinaus im Jahr 1965, die Kapitalhilfeleistungen zeitweilig drastisch zu kürzen. Der Bilateralismus blieb bis Ende der 60er Jahre ein charakteristischer Zug der französischen Entwicklungspolitik. Die im Jeanneney-Bericht empfohlene Ausweitung der multilateralen Hilfe hatte primär den auf das frankophone Afrika konzentrierten Europäischen Entwicklungsfonds im Sinn.733
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Diori erörterte mit De Gaulle und Debré anlässlich seines Besuchs in Paris im Herbst 1968 Möglichkeiten einer Übersiedlung europäischer Konsumgüterindustrien nach Afrika. Vgl. Für eine erneuerte Assoziierung – Dokumente und Presseausschnitte zur Rundreise Hamani Dioris vom 19.9.-11.10.68 durch die sechs Mitgliedstaaten, in: BA Koblenz, B 102/130274. Vgl. Schreiben des senegalesischen Präsidenten Léopold Senghor an de Gaulle, 18.2.64, in: CHAN, Fonds privé Foccart, 132; Schreiben Senghors an die deutsche Botschaft Dakar, 3.6.69, in: BA Koblenz, B 102/130266. Die interafrikanische Kooperation verlief unterschiedlich erfolgreich. Kleine Märkte und die unzureichende Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Staatengruppen auf den Gebieten des Handels, der Kommunikation und Verkehrswege blieben die hauptsächlichen Entwicklungshindernisse. Innerhalb der AASM waren die Integrationsbemühungen unterschiedlich erfolgreich. Auch verhinderten Rivalitäten zwischen den Staaten den Erfolg. Die Elfenbeinküste verfolgte beispielsweise eine Industrialisierungspolitik auf Kosten Senegals, was letztlich zum Scheitern der UDEAO als Zollunion beitrug. Der zentralafrikanische Gegenpart UDEAC setzte hingegen die Integration erfolgreich um. Nach und nach wurde eine Art gemeinsamer zentralafrikanischer Markt und ein Rahmen für die Harmonisierung von Entwicklungsplänen, der Verkehrs- und Industrialisierungspolitik geschaffen. Vgl. ONYEFULU, Thomas O.: Eurafrica, S. 427 ff. Vgl. hierzu: VAÏSSE,. Maurice: La grandeur, S. 455, 487 ff.; NOUAILLE-DEGORGE, Brigitte: La politique de coopération, S. 75-99; HAYTER, Teresa: French Aid, S. 190; BOSSUAT, Gérard: French Development Aid, S. 442 f. Zahlen nach Vasse.
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Gegen den Trend in der OECD stiegen die bundesdeutschen Entwicklungshilfeleistungen und überschritten 1968 erstmals die von der ersten UNCTAD ausgegebene Richtgröße von 1% des Volkseinkommens für öffentliche und private Leistungen.734 Dennoch wurde die Entwicklungshilfe auch hier zum Gegenstand von Sparmaßnahmen und haushaltspolitischen Kontroversen.735 Als Diori im September 1968 Bonn besuchte, wies ihn der Bundeskanzler persönlich darauf hin, dass die Bundesregierung hinsichtlich eines künftigen Beitrags zum EEF auf die Bedürfnisse des eigenen Haushalts Rücksicht nehmen müsse.736 Hinter dieser Äußerung verbarg sich auch das Bestreben, die begrenzten Mittel möglichst weitgehend für die bilaterale Hilfe zu reservieren.737 41,2% der deutschen technischen Hilfe gingen zwischen 1956 und 1965 nach Afrika, bei der bilateralen Kapitalhilfe der Bundesrepublik standen die afrikanischen Staaten hingegen nicht an erster Stelle. Auf der Liste der wichtigsten Empfänger deutscher Kapitalhilfe bis 1968 belegten die nordafrikanischen Länder Ägypten, Marokko und Tunesien die Plätze 9 bis 11; als erster Staat im subsaharischen Afrika folgte Ghana auf Platz 19, während die frankophonen afrikanischen Länder unter ferner liefen rangierten.738 Auf den Entwicklungsenthusiasmus zu Beginn des Jahrzehnts folgte in der zweiten Hälfte der 60er Jahre eine gewisse Ernüchterung. Ab 1967 wurde deutlich, dass die erste UN-Entwicklungsdekade ihre Wachstumsziele verfehlen würde.739 Die Kluft zwischen Nord und Süd wurde größer. Eine ECA-Studie, auf die auch der OCAM-Präsident gerne Bezug nahm, hatte statistisch für das subsaharische Afrika festgestellt, dass beim gegenwärtigen Rhythmus der Wirtschaftsentwicklung die afrikanischen Staaten den derzeitigen Lebensstandard der Europäer frühestens in 270 Jahren, im ungünstigsten Fall in 350 Jahren erreichen würden.740 Als heraufziehende Probleme für die nächste Entwicklungsdekade zeichneten sich die Verschuldung der Entwicklungsländer und das Bevölkerungswachstum in der Dritten Welt ab.741 In der öffentlichen und veröffentlichten Meinung wuchs die Kritik an der Entwicklungshilfe. Sowohl in der Bundesrepu-
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Vgl. ONYEFULU, Thomas O.: Eurafrica, S. 312. Vgl. HEIN, Bastian: Westdeutsche und Dritte Welt, S. 104-110. Vgl. AA, Abt. 1, Aufzeichnung, Betr.: Erneuerung des Abkommens von Jaunde, hier: Ergebnisse des Besuchs des Präsidenten Hamani Diori am 19./20. September 1968, 27.9.68, in: PAAA, B 20/1602. Vgl. Schreiben des BMF, 29.4.68, in: Anlage Finanzpolitische Überlegungen im Zusammenhang mit der Verlängerung des Abkommens von Jaunde., in: BA Koblenz, B 213/1126. Vgl. SCHMIDT, Heide-Irene: Pushed to the Front, S. 499, 501. Vgl. hierzu beispielsweise: Rede von Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller vor der zweiten Welthandelskonferenz am 5. Februar 1968 in Neu-Delhi, in: BMWi TN Nr. 5646, 7.2.68 (B 102/130252); Dans beaucoup de pays en voie de développement le taux de croissance reste infé-rieures à 2,5% l’an, in: MONDE DIPLOMATIQUE, n° 168, März 1968. Vgl. Für eine erneuerte Assoziierung – Dokumente und Presseausschnitte zur Rundreise Hamani Dioris vom 19.9.-11.10.68 durch die sechs Mitgliedstaaten, in: BA Koblenz, B 102/130274. Vgl. beispielsweise: Schreiben des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit Wischnewski an Bundeskanzler Kiesinger, Betr.: Anforderungen an die deutsche Entwicklungshilfe in den nächsten 5-10 Jahren, 7.5.68, in: B 20/1615; PAUNET, Micheline: Les Etats bénéficiaires souhaitent un réaménagement de l’aide financière internationale, in: MONDE DIPLOMATIQUE, n° 168, März 1968.
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blik als auch in Frankreich war Entwicklungshilfe wenig populär.742 1965 erfasste das Hexagon eine neue Welle des Cartierismus. Schon im Dezember 1963 hatte ein der demokratischen Linken angehörender Senator, Edouard Bonnefous, in einem Buch mit dem Titel „Les milliards qui s’envolent, l’aide financière aux pays sous-développés“ die hohen Ausgaben für Entwicklungshilfe kritisiert und argumentiert, dass diese Mittel für die innere Entwicklung Frankreichs fehlten. Neben der Kritik an fehlgeleiteter Entwicklungshilfe743 wurden vor allem von Seiten liberaler Wirtschaftswissenschaftler grundsätzliche ordnungspolitische Einwände vorgebracht. Die deutsche Tageszeitung FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bot dem englischen Volkswirtschaftsprofessor Peter Thomas Bauer im November 1966 Gelegenheit, der deutschen Öffentlichkeit seine Thesen über Sinn und Unsinn von Kapitaltransfers in die Länder der Dritten Welt darzubieten.744 Afrika wurde in der europäischen Öffentlichkeit allgemein als krisengeschüttelt wahrgenommen. Wie das niederländische ALLGEMEEN DAGBLAD anlässlich des Besuchs des OCAM-Präsidenten im Herbst 1968 feststellte, dachte der Leser, der in seiner Zeitung etwas von Afrika las, zuallererst an Aufstände, an Korruption, an Offiziere, die zur Macht streben, und an Volksgruppen die sich gegenseitig zu vernichten suchen.745 Außerhalb Frankreichs zog ab 1967 vor allem der nigerianische Bürgerkrieg um die Provinz Biafra die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Im assoziierten frankophonen Afrika wurden 1963 drei Regierungschefs gestürzt,746 1965/66 kam es zu vier weiteren Staatstreichen in Dahomey, der Zentralafrikanischen Republik, Obervolta und Kongo-Léopoldville. Bereits 1964 sah Frankreich sich veranlasst, in Gabun zu intervenieren, als gegen Präsident Léon M’Ba geputscht wurde; 1968/69 folgten weitere militärische Interventionen im Tschad und in Kongo-Brazzaville.747 Was die Entwicklungshilfe nach Afrika und insbesondere die Assoziierung anging, machten französische Journalisten eine Desolidarisierungskampagne aus, die Interessengruppen von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet gegenüber einigen Regierungen der EWG-Mitgliedstaaten verfolgten.748 Als Beispiel wurde eine Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsländer, in der Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft zusammengefunden hatten, zur Erneuerung der Assoziierung angeführt, in der die Arbeitsgemeinschaft empfohlen hatte, den regionalen Präferenzraum allmählich einzuebnen und den Über-
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Vgl. HEIN, Bastian: Westdeutsche und Dritte Welt, S. 102 ff.; BOSSUAT, Gérard: French Development Aid, S. 451 ff.; VAÏSSE, Maurice: La grandeur, S. 485 f.; JOUVE, Edmond: La politique africaine de Général de Gaulle devant l’opinion publique française, in: La politique africaine de Général de Gaulle (1958-1969). Actes du Colloque organisé par la Centre Bordelais d’Etudes Africaines et l’Institut Charles de Gaulle, Bordeaux 19-20 octobre 1979. Paris 1980, S. 100-113. Vgl. z. B.: Zahlen für Sünden der Vergangenheit. Die Entwicklungshilfe steht vor einer neuen Belastungsprobe. Viele „politische“ Projekte haben sich als kostspielige Fehlschläge erwiesen, in: DIE ZEIT, 26.4.68. Vgl. BAUER, Peter Thomas: Die Entwicklungshilfe – ein einziger Fehlschlag, in: FAZ, 16./17.11.1966. Vgl. Artikel aus ALLGEMEEN DAGBLAD, in: Für eine erneuerte Assoziierung, S. 68. Sturz von Hubert Maga in Dahomey, von Sylvanus Olympio in Togo und von Fulbert Youlou in Kongo (Brazzaville). Vgl. VAÏSSE, Maurice: La grandeur. S. 490-492. Vgl. Artikel aus COMBAT, in: Für eine erneuerte Assoziierung, S. 50 f.
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gang zu weltweiten Lösungen vorzubereiten.749 Auch vor diesem Hintergrund unternahm OCAM-Präsident Hamani Diori im September und Oktober 1968 seine Rundreise durch sechs Mitgliedstaaten, um für die Assoziierung öffentlich und gegenüber den Regierungen zu werben. Diori knüpfte dabei an eurafrikanische Ideen an, um die Solidarität in den Beziehungen zwischen Europa und Afrika besonders herauszustellen und eine Vertiefung der Beziehungen einzufordern.750 Auf der Ebene der Public Relations wurde die Reise ein Erfolg; in der veröffentlichten Meinung wurde die Assoziierung als ein positives Unternehmen rezipiert.751 Auch die Bilanz der Assoziierung, die die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Kommission zogen, war positiv. Für Bonn ergab sich „ein im großen und ganzen positives Bild“.752 Die europäisch-afrikanische Kooperation habe, wie der Afrika-Verein in einem Memorandum für die Bundesregierung konstatierte, indirekt zu einer politischen Stabilisierung geführt und sich nach der Unabhängigkeit zu einer Art „Entwicklungsallianz“ entwickelt.753 Für die Kommission hatte die Assoziierung mehrfach als Gleichgewichtsfaktor in Afrika gewirkt und das „Entstehen eines gefährlichen Vakuums“ vermieden.754 Die Position der Kommission kennzeichnete wiederum eine besondere Nähe zu der der Assoziierten, wenngleich auch ihr Bemühen um eine Mittlerrolle innerhalb der EWG und zwischen EWG und AASM eine Konstante blieb. Ihr Bestreben ging dahin, das Yaoundé-Abkommen ohne tiefgreifenden inhaltlichen Veränderungen um weitere fünf Jahre zu verlängern.755 Brüssel war auch unter dem Druck der USA und der UNCTAD nicht bereit, vollkommen vom Präferenzsystem der Assoziierung abzukehren. Vielmehr griff die Kommission zu dessen Rechtfertigung das Argument auf, dass die Assoziierten in ihrer Mehrzahl zu den am wenigsten entwickelten Ländern zählten. Die von der Welthandelskonferenz geforderten, weltweiten, allgemeinen Präferenzen erschienen ihr zudem mit den regionalen Sonderpräferenzen kompatibel zu sein. Einerseits sollte – so die Vorstellungen in Brüssel – den Belangen nicht assoziierter Entwicklungsländer Rechnung getragen werden, indem auch ihnen eine Präferenz auf den Gemeinsamen Außenzoll gewährt wurde, andererseits sollten die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar ihren privilegierten Zugang zum Gemeinsamen Markt durch die Einräumung von Nullzöllen behalten.756 749
750 751 752 753 754
755 756
Vgl. Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsländer (Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Deutscher Industrie- und Handelstag, Bundesverband des privaten Bankgewerbes, Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels mit der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Exporteurvereine), Stellungnahme zur Erneuerung der Assoziierung der AASM an die EWG, Köln, 12.8.68, in: Ba Koblenz, B 213/1126. Vgl. Für eine erneuerte Assoziierung – Dokumente und Presseausschnitte zur Rundreise Hamani Dioris vom 19.9.-11.10.68 durch die sechs Mitgliedstaaten Vgl. ebd. AA, IA 2, Staatssekretärbesprechung am 16.10.68; TO-Punkt: Erneuerung des Assoziierungsabkommens von Jaunde, 11.10.68, in: PAAA, B 20/1602. Vgl. Afrika-Verein e.V., Memorandum zur Frage der Assoziierung afrikanischer Gebiete an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Februar 1968, in: BA Koblenz, B 213/1126. Vgl. Commission des Communautés européennes, Problèmes du renouvellement de la convention de Yaoundé (Communication de la Commission au Conseil), 3.4.68, in: BA Koblenz, B 102/130253. Vgl. ebd. Vgl. BMWi, Notiz, Betr.: Verlängerung der Jaunde-Konvention, 2.4.68, in: Ebd.
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Das Präferenzsystem der Assoziierung, das nach der bisherigen Erfahrung für sich alleine nur von begrenztem Wert gewesen war, sollte um eine Reihe von Maßnahmen ergänzt werden: Beihilfen zur Verbesserung der Produktion in den AASM, Beihilfen zur Förderung des Absatzes und der Vermarktung der Erzeugnisse aus den assoziierten Ländern in der EWG und schließlich Beihilfen zur Abschwächung der Folgen eines Preisrückgangs bei bestimmten Erzeugnissen.757 Auch wenn der Kommission ihre Forderung nach Beibehaltung der Produktionsbeihilfen im Verlauf der Verhandlungen mit Blick auf die Haltung der Mitgliedstaaten aufgeben musste, unternahm sie auf dem Gebiet der Preisstabilisierung eine bemerkenswerte Initiative. Ins Gespräch wurde eine Intervention der EWG für solche Erzeugnisse der Assoziierten gebracht, für die kein internationales Abkommen bestand: Fiel der Weltmarktpreis unter einem bestimmten Referenzpreis, sollten Stützungszahlungen erfolgen.758 Für Agrarerzeugnisse, die unter die Regelungen der GAP fielen, forderte die Kommission, den Interessen der Assoziierten in besonderer Form Rechnung zu tragen. Ihre Vorschläge reflektierten gleichwohl schon einen Kompromiss zwischen der für die Assoziierung und der für die Agrarpolitik zuständigen Generaldirektion. Die Berücksichtigung der Interessen der Assoziierten sollte die der Landwirtschaft der Gemeinschaft nicht konfligieren. Ein vertraglich festgesetztes, besonderes Preisniveau sollte den AASM einen Vorteil in Form höherer Ausfuhrerlöse verschaffen, darüber hinaus sollte für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse der AASM eine großzügige Regelung gefunden werden, die den Assoziierten den gleichen kommerziellen Vorteil wie den Mitgliedstaaten der EWG gegenüber dritten Ländern garantieren sollte. Letzteren Vorschlag stellte die Kommission in den Kontext der Förderung der Industrialisierung der assoziierten Länder, die erklärte Politik der Gemeinschaft war.759 Was den EEF anging, forderte sie dessen Fortsetzung unter Verbesserung und Anpassung seiner Durchführungsmodalitäten und einer Erhöhung seiner Mittel.760 Frankreich begab sich traditionell in die Rolle eines Anwalts der Assoziierten und trat ebenso wie die Kommission für eine Verlängerung des gegenwärtigen Assoziierungsabkommens unter weitgehend unveränderter Beibehaltung seiner Inhalte ein.761 Nach den Vorstellungen der französischen Regierung sollte das Präferenzsystem beibehalten und ausgestaltet werden. Die von den Assoziierten im Rahmen der Freihandelszonenregelung gewährten Gegenpräferenzen stellten für sie eine Grundlage der Assoziierung dar. Schließlich hatte auch die französische Wirtschaft ein besonderes Interesse an den Gegenpräferenzen bekundet und 757
758
759 760 761
Vgl. Commission des Communautés européennes, Problèmes du renouvellement de la convention de Yaoundé, 3.4.68; Europa als Absatzmarkt für europäische Erzeugnisse. Vortrag von M. Rochereau, Mitglied der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, anlässlich des „Wirtschaftstags Berlin“ im Rahmen der Importausstellung „Partner des Fortschritts“ am 4.10.68, in: BA Koblenz, B 102/130255. Vgl. BMWi, Notiz, 2.4.68; AA, Abt. 1, Aufzeichnung, 11.9.68, in: PAAA, B 20/1602. Eine Preisgarantie sollte damit nicht einhergehen und die dafür zur Verfügung stehenden Mittel plafoniert sein. Vgl. Commission des Communautés européennes, Problèmes du renouvellement de la convention de Yaoundé, 3.4.68. Vgl. ebd. Vgl. SGAM, Note, Renouvellement de la Convention de Yaoundé, 20.6.69, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1512.
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in ihnen den eigentlichen Wert der Assoziierung erkannt.762 Im Zentrum der französischen Position stand vor diesem Hintergrund eine Verstärkung des handelspolitischen Gehalts der Assoziierung. In der Gemeinsamen Agrarpolitik wollte allerdings auch Paris, Ausnahmen zugunsten der AASM nicht zur Regel erheben. Das Landwirtschaftsministerium fürchtete Störungen des Gemeinsamen Agrarmarkts und warnte davor, grundlegende Prinzipien der Gemeinsamen Agrarpolitik in Frage zu stellen. Den Interessen der AASM sollte vielmehr fallweise in Form von dérogations oder durch finanzielle Kompensationen Rechnung getragen werden.763 Was den dritten EEF anging, trat Frankreich während der Verhandlungen zusammen mit den assoziierten afrikanischen Staaten für eine Erhöhung auf 1 bis 1,2 Mrd. RE ein. In diesem Punkt wollte Paris die Erwartungen seiner assoziierten Klientel nicht enttäuschen; das Finanzministerium hatte sich ursprünglich gegen eine Erhöhung ausgesprochen.764 In Bonn waren die Ressorts im Februar 1968 übereingekommen, die Assoziierung fortzuführen.765 Ausschlaggebend war dabei die politische Bedeutung gewesen, die die Bundesregierung der Assoziierung beimaß. Das Engagement der Bundesrepublik im Rahmen der Assoziierung förderte nicht nur ihr Ansehen im assoziierten Teil Afrikas,766 sondern hatte sich auch in deutschlandpolitischen Belangen als nützlich erwiesen. Sowohl auf dem afrikanischen Kontinent als auch in der UNO konnte Bonn grundsätzlich mit der Unterstützung der Assoziierten rechnen. Die Große Koalition, die um ein intaktes Verhältnis zu Frankreich bemüht war, stellte schließlich auch das französische Interesse an der Assoziierung in Rechnung.767 Wirtschaftlich hingegen spielten die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar nach Einschätzung des BMWi nur eine untergeordnete Rolle. 1967 betrug der wertmäßige Anteil des Handels mit den AASM am gesamten bundesdeutschen Außenhandel nur etwa 0,6%.768 Die Bundesregierung ging mit dem Ziel in die Verhandlungen, die handelspolitisch unerwünschten Regionalpräferenzen weiter abzubauen.769 Mit diesem Anliegen sah sie sich diesmal nicht nur in Übereinstimmung mit den USA, sondern auch mit den von den Entwicklungsländern auf der zweiten Welthandelskonferenz zum Ausdruck gebrachten Bestrebungen. Für die Bonner Regierung hatte Neu-Delhi gezeigt, dass die Zeit regionaler Präferenzsysteme an ihr Ende 762 763
764 765
766 767 768 769
Vgl. Schreiben von Luc Durand-Reville, CNPF, an Yves Bourges, Secrétaire d’Etat aux Affaires Etrangères chargé de la Coopération, 18.11.68, in: Ebd. Ministère de l’Agriculture, Note, objet: La Politique Agricole Commune et le renouvellement de la Convention de Yaoundé, nicht datiert, in: Ebd.; J. Pinchon, Directeur du Cabinet, Ministère de l’Agriculture, objet: renouvellement de la Convention de Yaoundé, 28.3.68, in: Ebd. Vgl. Secrétariat Général pour les Affaires Africaines et Malgaches, Note à l’attention de M. le Secrétaire Général, Renouvellement de la Convention de Yaoundé, 21.11.68, in: Ebd. Vgl. Ergebnisprotokoll der Staatssekretärbesprechung im Bundeskanzleramt am 12.2.68, Betr.: Der innere Aufbau der Europäischen Gemeinschaften, 12.2.68, in: BA Koblenz, B 102/120251. Vgl. AA, Ref. I B 3, Vermerk, Betr.: Abschiedsbesuch des tschadischen Botschafters bei dem Herrn Bundesminister am 25.3.64, 8.4.64, in: PAAA, B 20/910. Vgl. BMWi, Aufzeichnung für Minister, Betr.: Besuch des Präsidenten der Republik Niger am 20.9.68, 13.9.68, in: Ba Koblenz, B 102/130255. Vgl. BMWi, Aufzeichnung, Betr.: Besuch des Staatspräsidenten von Niger, Hamani Diori, bei Herrn Minister am 20. September 1968, 12.9.68, in: Ebd. Vgl. StS von Dohnanyi, BMWi, an MdB Heinrich Aigner, Betr.: Erneuerung des JaundeAbkommens, 29.8.68, in: BA Koblenz, B 102/130254.
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gelangte.770 Mittelfristig schwebte ihr vor, die AASM-Präferenzen in einem allgemeinen Präferenzsystem für Entwicklungsländer aufgehen zu lassen.771 Vor diesem Hintergrund war sie 1968 bereit, dem Yaoundé-System eine Nachspielzeit zu geben. Allerdings sollten die Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs für tropische Erzeugnisse nochmals wesentlich gesenkt werden und weiterhin die Gemeinschaft auf Gegenpräferenzen von den Assoziierten verzichten. Die von der Kommission vorgeschlagene weitgehende Berücksichtigung der Interessen der Assoziierten in der GAP lehnte die Bundesregierung ebenso ab wie Festpreise und Marktordnungen für tropische Erzeugnisse.772 Bonn trat für die Beibehaltung der Mittelausstattung des EEF auf bisherigem Niveau ein, war aber insgeheim bestrebt, eine Degression einzuleiten.773 Was die Ausrichtung des Fonds anging, forderte es eine Verlagerung auf produktive Vorhaben. Zur Begründung führte die Bundesregierung die Budgetbelastungen an, die den AASM aus dem Unterhalt der schwerpunktmäßig vom EEF geförderten Infrastrukturprojekte entstanden.774 Die von Bonn anvisierte Konsolidierung im Bereich der Infrastruktur bedeutete zugleich eine Hinwendung zu Industrialisierungsinvestitionen, war aber auch verquickt mit der Frage der deutschen Auftragsbeteiligung an den Projekten des EEF. Weiterhin war der Bundesregierung an einer Angleichung der Vergabepraxis des EEF an Weltbank-Standards gelegen. Erhard Eppler, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, forderte auch Infrastrukturprojekte nach IDA-Standards zu finanzieren und damit eine Abkehr von der Finanzierung à fonds perdu.775 Insbesondere die handelspolitische Seite ihrer Vorschläge brachte der Bundesrepublik aber auch den Niederlanden, die auf deutscher Linie lagen, die Kritik der Assoziierten ein. Rabemananjara erhob gegen die beiden EWG-Länder den bereits aus den vorherigen Verhandlungen bekannten Vorwurf, sie wollten die Assoziierung in einen einfachen Vertrag über finanzielle und technische Hilfe umwandeln,776 und der Finanzminister der Elfenbeinküste, Konan Bedie, kritisierte, in der Frage der Gegenpräferenzen dem Druck der Dritten Welt und der Angelsachsen nachgegeben zu haben.777 770 771 772
773
774 775 776 777
Vgl. AA, Vermerk für Referat I A 2, Betr.: Präferenzgewährung an Entwicklungsländer und „Gegenpräferenzen“, 29.4.68, in: PAAA, B 20/1456. Vgl. BMZ, StS-Vorlage, Betr.: Erneuerung des Assoziationsabkommens von Jaunde, 12.6.68, in: BA Koblenz, B 213/1126. Vgl. StS von Dohnanyi an MdB Heinrich Aigner, 29.8.68; MR Heise, Betr.: Tagung des EGRates und Tagung der Vertragsparteien auf Ministerebene am 26./27.6.69; hier: Erneuerung des Jaunde-Abkommens, 2.7.69, in: Ba Koblenz, B 102/130271. Vgl. Schreiben des Außenministers an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 26.7.68, in: BA Koblenz, 213/1126; Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an Wischnewski, Betr.: Erneuerung des Assoziierungsabkommens, hier: finanzielle und technische Zusammenarbeit im Rahmen eines eventuellen dritten Europäischen Entwicklungsfonds, 30.8.68, in: Ebd., 1127; BMWi, MR Heise an StS von Dohnanyi, Betr.: Sitzung des Staatssekretärenausschusses für Europafragen am 3. Dezember 1968, 28.11.68, in: BA Koblenz, B 102/130257. Vgl. AA, Abt. 1, Aufzeichnung, 11.9.68; StS von Dohnanyi an MdB Heinrich Aigner, 29.8.68. Vgl. Entwicklungspolitik aus der Realität. Handelsblatt-Gespräch mit Bundesminister Dr. Eppler, in: HANDELSBLATT, 21.2.69. Vgl. Schreiben der Botschaft der BRD Tananarive, Betr.: Brüsseler Besprechungen über die Erneuerung des Assoziationsabkommens von Yaoundé, 7.1.69, in: PAAA, B 20/1602. Vgl. SGAM, Note à l’attention de M. le Président de la République, Renouvellement de la Convention de Yaoundé, 1.4.69, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 1512.
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Die Frage der Gegenpräferenzen war ein heikler Verhandlungsgegenstand, über den sowohl die EWG als auch die AASM gespalten waren. Schließlich wurde mit dieser Frage über den handelspolitischen Inhalt und die zukünftige Ausrichtung der Assoziierung entschieden. Unter den EWG-Mitgliedstaaten standen sich Frankreich, für das die Freihandelszone ein Eckpfeiler der Assoziierung darstellte, auf der einen Seite und die BRD und die Niederlande auf der anderen Seite gegenüber, während Belgien, Italien und Luxemburg eine vermittelnde Position einnahmen.778 Bonn und Den Haag befürchteten einerseits ein Scheitern des im Rahmen der zweiten UNCTAD anvisierten allgemeinen Präferenzsystems, falls die erneuerte Assoziierung sich mit diesem Vorhaben inkompatibel erweisen sollte, andererseits auch, dass den Assoziierten die Märkte anderer Industrieländer, insbesondere der USA, verschlossen blieben, wenn sie diese auf ihren Märkten diskriminierten. Die Assoziierten ihrerseits maßen einem allgemeinen Präferenzsystem für Fertig- und Halbfertigwaren keine große Bedeutung bei, denn sie waren als Exporteure hauptsächlich agrarischer und mineralischer Rohstoffe mehr an den Präferenzen der EWG interessiert. Den Gegenpräferenzen maßen sie hingegen als Ausdruck der gleichberechtigten Partnerschaft mit der EWG Bedeutung bei.779 Schließlich wurde eine Erklärung, die Teil des Assoziierungsabkommens wurde, abgegeben, dass dessen Bestimmungen der Teilnahme der Assoziierten an einem allgemeinen Präferenzsystem nicht entgegenstünden.780 Die Forderung der Assoziierten nach einem regionalen Preisstabilisierungsschema im Rahmen des neuen Abkommens fand innerhalb der EWG in Frankreich und der Kommission Fürsprecher, während die Bundesrepublik und die Niederlande in Opposition dazu verharrten. Die EWG-Mitgliedstaaten erzielten im Laufe der Verhandlungen Einverständnis darüber, die bereits unter dem ersten Yaoundé-Abkommen degressiv gestalteten Preisstützungsmaßnahmen in Form der so genannten Produktionsbeihilfen nicht mehr in das neue Abkommen zu übernehmen.781 Die Forderung der AASM, Preisstützungsmaßnahmen ausdrücklich in den Verwendungskatalog der Gemeinschaftshilfe einzubeziehen, lehnte die EWG ab.782 Doch auch Deutschland geriet mit seiner rigorosen Ablehnung von Preisstützungsmaßnahmen jeglicher Art in die Isolation.783 Der gefun778
779
780 781 782 783
Vgl. Neue EWG-Verhandlungen mit afrikanischen Partnern. Drittes Abkommen wird vorbereitet. Stärkere Exporte nach Europa gewünscht. Präferenzen umstritten, in: FAZ, 20.12.68; BMWi, MR Heise, Betr.: 66. Tagung des Rates der EG am 25. März 1969 in Brüssel, 21.3.69, in: BA Koblenz, B 102/130262. Dennoch erklärten sich drei assoziierte Staaten – Niger, Mauretanien und Senegal – in einer ersten Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung im Herbst 1968 zum Verzicht auf Gegenpräferenzen bereit. Die anderen nahmen keine Stellung oder antworteten ausweichend. Madagaskar wies darauf hin, dass die Gegenpräferenzen für andere EWG-Mitgliedstaaten durchaus vorteilhaft seien. Vgl. AA, Abt. 1, Aufzeichnung, Betr.: Erneuerung des Assoziierungsabkommens von Jaunde; hier: Einstellung der Regierungen der Assoziierten zu den Fragen eines einheitlichen Assoziierungsabkommens und schrittweisen Abbaus der Gegenpräferenzen, 22.10.68, in: PAAA, B 20/1602. Vgl. Dritter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften (1969), S. 377. Vgl. BMWi, Sitzung des Staatssekretärenausschusses für Europafragen am 6. Mai 1969; Einleitende Aufzeichnung, 2.5.69, in: BA Koblenz, B 102/130264. BMWi, BMF, 71. Tagung des Rates der Europäischen Gemeinschaften am 26. Juni 1969 in Luxemburg, 25.6.69, in: Ebd., 130270. Vgl. BMZ, Aufz., Erneuerung des Jaunde-Abkommens, Hier: Sitzung der Gruppe AASM/FIN am 7.3.69, 21.3.69, in: BA Koblenz, B 213/1129.
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dene Kompromiss war schließlich ein Reservefonds in Höhe von 80 Mio. RE, der bei außergewöhnlichen Preisstürzen auf dem Weltmarkt für die AASM bereitstand. Einerseits stellte diese Nothilfe eine Versicherung gegen starke Baissen der Rohstoffpreise dar, die grundsätzlich schon vom OCAM-Generalsekretär, Diakha Dieng, anlässlich der Konferenz in Niamey ins Auge gefasst worden war, falls regionale Rohstoffabkommen im Rahmen der Assoziierung nicht durchsetzbar sein sollten,784 andererseits vollzog die Assoziierung mit der Aufgabe der Produktionshilfen die Abkehr von einer systematischen Preisstützung. Fortan stellte diese eine Sonderhilfe dar.785 Die Höhe des EEF wurde letztlich unter den Sechs ausgehandelt. Der Einfluss der AASM blieb begrenzt. Zum Kriterium für die Bemessung der Höhe des EEF wurde nicht – wie von den Assoziierten vorgeschlagen – das Bruttoinlandsprodukt der EWG-Mitgliedstaaten.786 Seine Höhe bestimmte nach wie vor die Beitragsleistung, zu der die einzelnen Mitgliedstaaten sich verpflichteten. Die schwierigen Verhandlungen unter den Sechs führten schließlich zu einer Erhöhung um 25%. Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland zahlten in den dritten EEF jeweils 298,5 Mio. Re ein, Belgien und die Niederlande jeweils 80 Mio. Re, Italien, das seinen Beitrag auf Drängen der anderen EWG-Mitglieder noch einmal wesentlich erhöhte, 140 Mio. Re und Luxemburg 2,4 Mio. Re. Damit erreichte der dritte EEF ein Gesamtvolumen vom 900 Mio. Re; mit den von der EIB zur Verfügung gestellten 100 Mio. Re erreichte die Gemeinschaftshilfe an die AASM damit 1 Mrd. Re..787 Nach siebenmonatigen Verhandlungen konnte das neue Assoziierungsabkommen Ende Juni 1969 in Luxemburg paraphiert und im Monat darauf in Yaoundé unterzeichnet werden.788 Das zweite Yaoundé-Abkommen setzte im Wesentlichen das erste fort. Weniger neue als vielmehr eine Verschiebung der Akzente kennzeichneten es. Die Förderung der Industrialisierung sowie die der überregionalen, interafrikanischen Zusammenarbeit wurden stärker betont.789 Handelspolitisch wurde der Trend zu einer weiteren Erosion der Präferenzen fortgesetzt. Auf Drängen der BRD und der Niederlande wurde eine weitere Senkung des Gemeinsamen Außentarifs für eine Reihe tropischer Produkte, zu denen Rohkaffee, Kakaobohnen und rohes Palmöl zählten, festgeschrieben.790 Für Agrarprodukte, die unter die Regelungen der GAP fielen, verpflichtete sich die EWG, den Assoziierten günstigere Regelungen einzuräumen als nicht-assoziierten Ländern. Eine bemerkenswerte Neuerung waren Hilfen für Vermarktung und Verkaufsförderung der Erzeugnisse aus den assoziierten Ländern in der EWG.791 Auf eines der Hauptanliegen der Assoziierten, nämlich die Siche-
784
785 786 787 788 789 790 791
Vgl. Botschaft der BRD Niamey an AA, Betr.: Ministerkonferenz der 18 assoziierten Staaten am 12. und 13. Januar 1968 in Niamey, 20.1.68, Beilage 3: Diakha Dieng, Perspectives concernant le renouvellement de la convention de Yaoundé. Vgl. auch: DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 258. Vgl. Schreiben des französischen Botschafters in Niamey an Außenminister, Betr.: Conférence des EAMA des 12 et 13 janvier 1968 à Niamey, 18.1.68, in: CHAN, SGAM, Fonds public 1512. Vgl. COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 118. Vgl. Dritter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaften (1969), S. 375. Vgl. ebd., S. 377 f. Vgl. ebd., S. 376 Vgl. ebd. S. 376 f.
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rung ihrer Exporteinkünfte, gab das zweite Yaoundé-Abkommen hingegen nur eine sehr begrenzte Antwort. Jacques Ferrandi, Direktor des EEF, sprach mit Blick auf den handelspolitischen Inhalt der erneuerten Assoziierung von einem „désengagement économique“ und fügte hinzu: „On voit se dissoudre progressivement, comme sucre dans l’eau, tout ce qui sur le plan commercial faisait l’originalité […] de l’Association.“792 In der Tat schien mit dem zweiten Yaoundé-Abkommen, ein Aufgehen der Assoziierung in weltweite Lösungen auf den Weg gebracht. Von dem insbesondere von afrikanischer Seite verfolgten Projekt, die Assoziierung zu einem gemeinsamen eurafrikanischen Markt auszugestalten, entfernte sich das neue Abkommen. Ordnungspolitisch schien sich der Trend zu marktwirtschaftlichen und liberalen Grundsätzen in der Assoziierung durchzusetzen. Doch wie das Wasser durch den sich auflösenden Zucker einen besonderen Geschmack bekommt, versüßt wird, blieben auch die an die Tradition des französischen Überpreissystems anknüpfenden protektionistischen und dirigistischen Grundsätze ein Element der Assoziierung, das ihre Besonderheit ausmachte. Sie wurden allerdings weniger offensichtlich.
3. Die Assoziierungspolitik 1963–1975 3.1. Verhandeln in den eurafrikanischen Institutionen Die Abkommen von Yaoundé eröffneten vielfältige Möglichkeiten zur Ausge– staltung der Beziehungen zwischen der EWG und den AASM, ihr realer Wert hing aber letztlich von den Bedingungen ab, unter denen sie operierten. Die Assoziationsorgane boten einen einzigartigen Rahmen für die Entwicklungszusammenarbeit. Mit dem Assoziationsrat, dem Assoziationsausschuss und der Parlamentarischen Konferenz wurde der Dialog zwischen den Partnern institutionalisiert. Die Frage nach den Kompetenzen eines Sekretariats des Assoziationsrats machte jedoch schon zu Beginn der Kooperation deren institutionellen Grenzen deutlich. Die Assoziierten wollten ein permanentes Exekutivorgan, das Politik initiieren konnte, während die Europäer für ein reines Verwaltungsorgan optierten. Der schließlich gefundene Kompromiss trug den Bestrebungen der Afrikaner nach gemeinsamer Gestaltung der Assoziierung nur formal Rechnung. Das Sekretariat wurde mit zwei Generalsekretären besetzt, seine Befugnisse aber auf Verwaltungsaufgaben beschränkt.793 Nur der Form halber wurden die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar zu der Assoziierung der Ostafrikanischen Gemeinschaft drei Tage vor Unterzeichnung des Arusha-Abkommens
792
FERRANDI, Jacques: Le renouvellement de la Convention de Yaoundé. Une Association intelligente, in: LE MONDE, 29.7.69. 793 Vgl. EWG, Rat, Aufzeichnung, Betr.: Paritätisches Sekretariat des Rates und des Assoziationsausschusses, Standpunkt [Konzeption] der Gemeinschaft, 23.6.64, in: BA Koblenz, B 102/130240; EWG, Rat, Aufzeichnung, Betr.: Paritätisches Sekretariat des Assoziationsrates, 17.7.64 , in: Ebd., 130241; EWG-Rat, Aufzeichnung, Betr.: Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den AASM. Paritätisches Sekretariat der Assoziation und Sekretariat der AASM, 18.3.65, in: Ebd., 130244. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of Trade negotiations, S. 167 f.
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konsultiert794 und die OCAM fand sich vor Beginn der Verhandlungen über eine Erneuerung des Yaoundé-Abkommens 1968 in einer Rolle wieder, die eigentlich dem Assoziationsrat zugekommen wäre.795 Gerade im handelspolitischen Bereich kamen Assoziationsrat und -ausschuss jedoch Bedeutung zu.796 Ihnen fiel die Aufgabe zu, Leerstellen des Assoziierungsabkommens mit Inhalten zu füllen bzw. Leitlinien zu konkretisieren. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es eine Ursprungsregelung für Erzeugnisse aus den AASM zu bestimmen. Gerade für die aufstrebende afrikanische Verarbeitungsindustrie, die auf importierte Rohstoffe angewiesen war, war die Bestimmung wichtig, da sie darüber entschied, ob ihre Erzeugnisse das Prädikat „Ursprungsprodukt“ für sich reklamieren konnten und somit unter die Freihandelszonenregelung der Assoziierung fielen.797 Auch die Berücksichtigung der Interessen der Assoziierten bei der Ausarbeitung der Gemeinsamen Agrarpolitik, die das erste Yaoundé-Abkommen lediglich grundsätzlich festschreiben konnte, wurde zum Gegenstand von Konsultationen und teilweise von heftigen Kontroversen im Assoziationsrat.798 Das erste Abkommen von Yaoundé war im Hinblick auf die so genannten homologen und konkurrierenden Agrarprodukte der AASM vom Liberalisierungsgrundsatz der Assoziierung abgewichen. Während der 1965er Tagung des Assoziationsrats bestanden die Assoziierten daher mit Nachdruck darauf, dass ihren Interessen Rechnung getragen werde. Die EWG war zwar bestrebt, dem Anliegen der AASM zu entsprechen, ohne aber die Prinzipien der Gemeinsamen Agrarpolitik in Frage zu stellen. Auf Fall-zu-Fall-Basis wurde daher eine Regelung herbeigeführt, die für die Assoziierten vorteilhafter war als die für nicht-assoziierte Länder, letztlich aber eine Minderung ihrer Präferenz zur Folge hatte. Auch für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte der Assoziierten schlug die EWG ein Schema vor, das den assoziierten Erzeugnissen eine Behandlung zwischen der innergemeinschaftlichen und der dritter Länder sicherte. Die Assoziierten verlangten demgegenüber die zollfreie Einfuhr ihrer landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnisse in den Gemeinsamen Markt. In dieser Frage kollidierte das Interesse der AASM an der Entwicklung ihrer Nahrungsmittelindustrie mit dem Interesse der Gemeinschaft, die europäische Industrie zu schützen. Dennoch war die EWG bereit, zwei Verarbeitungserzeugnisse, Tapioka und Schokolade, die die AASM nach der Gemeinschaft hauptsächlich exportierten, zollfreien Zugang einzuräumen. Damit entsprach sie allerdings nicht den Erwartungen der Assoziierten, die keine Einzelfälle, sondern Prinzipien aushandeln wollten.799 Zudem nutzten die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar die Assoziationsorgane als Forum, um eine Vertiefung der Beziehungen voranzutreiben. So versuchten sie anlässlich der Konsultationen über die Zollsenkungs794 795 796
797 798 799
Vgl. DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 304. Vgl. auch: Botschaft der BRD, Niger, an das AA, Betr.: Ministerkonferenz der 18 Assoziierten Staaten am 12. und 13. Januar 1968 in Niamey, 20.1.68, in: BA Koblenz, B 213/1126. Vgl. zu den Verhandlungen in den eurafrikanischen Institutionen insbesondere Zartman, der schon 1971 seine ausführliche Analyse auf nicht-öffentlich zugängliche EWG-Quellen stützen konnte: ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 162–199. Vgl. hierzu: DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 102 f.; ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 169–174. Vgl. ebd.; S. 183 f.; DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 122–138. Vgl. ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 183 f.
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384
verhandlungen in der „Kennedy-Runde“, eine eurafrikanische Koordinierung in handelspolitischen Fragen einzuleiten – ein Ansinnen, das von der Gemeinschaft, die ihre Handlungsfreiheit nicht zugunsten der Assoziierten einschränken wollte, zurückgewiesen wurde.800 Die Parlamentarische Konferenz der Assoziation begleitete die Konsultationen im Rat und im Ausschuss durch anregende Beiträge und hielt die Themen der Assoziierung in der Öffentlichkeit. Diori nutzte dieses Forum, um 1966 eine erste handelspolitische Bilanz der Assoziierung zu ziehen und alternative, ordnungspolitische Ausgestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen.801 Im Kontext der Assoziierungsverhandlungen 1969 führte die im Januar desselben Jahres diesmal in Tananarive tagende Konferenz eine lebhafte Debatte über die Probleme der Industrialisierung der AASM.802 Die Interaktion von Ideen und Interessenkonflikten, die in den eurafrikanischen Institutionen zum Tragen kam, trug zur Fortentwicklung der Assoziierung bei. Insbesondere den Assoziierten bot sich hier ein Forum, in dem sie ihre Deutungsmuster im Hinblick auf die eurafrikanischen Beziehungen ausbreiten konnten; dadurch eröffneten sie sich Gestaltungsspielräume, da die EWG gezwungen wurde, auf die Anliegen der AASM Antworten zu finden. Doch wenn auch die Assoziationsorgane einen kooperativen Rahmen für Geber–Nehmer-Beziehungen darstellten, konnte dies nicht verschleiern, dass der Einfluss der EWG auf die Assoziierung de facto größer war als der der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar.803
3.2. Der Europäische Entwicklungsfonds Während der Jahre 1964 bis 1974 wuchs die Gemeinschaft in die Rolle des bedeu– tendsten Gebers für die AASM. Lag der Anteil der EWG an der gesamten westlichen Hilfe der Assoziierten 1962 noch bei 8,7%, betrug er zehn Jahre später 18,2%. Die multilaterale Hilfe der EWG und die bilateralen Hilfen der sechs Mitgliedsländer zusammengenommen repräsentierten sogar 80% der gesamten Hilfe, die die afrikanischen assoziierten Staaten empfingen.804 Die Fokussierung der Gemeinschaftshilfe auf die Assoziierten führte dazu, dass dorthin jährlich Entwicklungshilfe in Höhe von 8 $ pro Kopf floss, während die restliche Dritte Welt im Durchschnitt 4 $ pro Kopf erhielt.805 Dabei konnten die Konditionen der finanziellen und technischen Zusammenarbeit im Rahmen der Assoziierung auch im Vergleich zur multilateralen Hilfe anderer Geber wie der Weltbank als günstig gelten. Nach wie vor kennzeichnete ein hoher Anteil an Subventionen die vom EEF gewährte Hilfe. Hinter den UN-Agenturen war die EWG die größte multilaterale Quelle für nicht-rückzahlbare Zuschüsse.806
800 801 802 803 804 805 806
Vgl. DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 276. Vgl. ebd., S. 82. Siehe Teil D, Kap. 2.3. Das zweite Abkommen von Yaoundé Vgl. ebd., S. 83 f. Vgl.auch: COSGROVE-TWICHETT, Carol: Europe and Africa, S. 121. Vgl. hierzu auch: BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration, S. 232; COSGROVETWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 131. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 132.
DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1963–1975
385
Innerhalb der Gruppe der AASM profitierten einige Staaten mehr von der EEF-Hilfe als andere. Madagaskar, Kamerun, Senegal, Elfenbeinküste und Zare erhielten mehr als 8% der Gesamtsumme der drei Entwicklungsfonds zusammengenommen. Die ungleiche Verteilung der EEF-Mittel auf die einzelnen assoziierten Staaten war insbesondere mit Blick auf einige Sahelländer wie Tschad, Obervolta und Mauretanien, deren Anteile sanken, problematisch.807 Gleichwohl etablierte sich der EEF auch in diesen Ländern. Im Tschad war der Fonds beispielsweise Mitte der 70er Jahre der bedeutendste multilaterale Geber.808 Breakdown of EDF aid by country (31 December 1973)809 Country
EDF 1
EDF 2
EDF 3 .000 u/a
Burundi
5.058
18.921
26.966
Cameroon
52.515
51.597
50.574
Central African Republic
17.806
25.309
28.010
Chad
28.442
32.759
26.739
Congo
24.498
19.308
19.287
Dahomey (now Benin)
20.674
21.874
22.095
Gabon
17.501
20.230
18.042
Ivory Coast
39.769
55.901
39.242 50.390
Madagascar
57.097
69.235
Mali
42.340
32.479
41.021
Mauretania
15.432
18.000
15.157
Niger
31.115
30.578
40.477 28.460
Rwanda
5.078
20.226
Senegal
42.867
59.692
46.162
Somalia
9.773
25.344
22.588
Togo
15.815
18.793
24.526
Upper Volta
29.521
29.118
30.327
Mauritius
–
–
1.596
Zaire
18.021
72.055
44.849
Total
473.282
621.419
576.508
Über die Hälfte der ersten drei Entwicklungsfonds flossen in Infrastrukturinvestitionen. Weitere Konstanten der Tätigkeit des EEF blieben die ländliche Entwicklung, Stipendien– und Praktikantenprogramme sowie Soforthilfen. Gleichwohl gab es sektorale Verschiebungen; darüber hinaus wurden neue Akzente gesetzt. So rückte während der Laufzeit des zweiten Entwicklungsfonds die landwirtschaftliche Modernisierung ins Zentrum der Entwicklungshilfe. Beim dritten EEF gewannen schließlich Industrialisierungs- und Marktfördermaßnahmen weiter an Gewicht. Die 1973/74 aus dem EEF finanzierte außerordentliche Hilfe für die 807 808
809
Vgl. BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration, Vgl. L. Daller, französischer Botschafter im Tschad, an J. Sauvagnargues, MAE, Direction des Affaires Africaines et Malgaches, a/s: L’aide de la communauté international à la République du Tchad, 3.5.76, in: CAC, 19840224, Art. 11. Mauritius war 1972 als erster anglophoner Staat dem Yaoundé-Abkommen beigetreten. Commission of the European Communities: European Development Fund. Brussels 1976. Zit. nach: COSGROVE-TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 138.
DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
386
von einer Dürrekatastrophe besonders betroffenen Sahelstaaten war zugleich Ausdruck der neuen Aufmerksamkeit, die die Kommission den am wenigsten entwickelten Ländern unter den Assoziierten schenkte.810 Development aid under association (as at 31 December 1973)811 Sector
EDF 1
EDF 2 %
EDF 3 %
%
Industrialisation
4.175
0,73
40.225
5.61
45.598
7.15
Tourism
–
–
25
–
1.631
0.26
Rural production
94.108
16.49
266.919
37.19
188.966
29.63
Trade promotion
–
–
1.484
0.21
6.645
1.04
Transport communi-
248.390
43.51
231.841
32.30
238.786
37.45
cations Education training
111.043
19.45
70.092
9.77
66.328
10.40
Health
50.028
8.76
29.292
4.08
5.836
0.92
Water engineering,
48.429
8.48
49.814
6.94
30.231
4.74
urban infrastructure Exceptional aids
–
–
475
0.07
29.734
4.66
Miscellaneous
14.729
2.58
27.505
2.83
23.908
3.75
Total decisions
570.902
100
717.672
100
637.663
100
Reserve
1.028
–
15.316
–
–
–
Not yet committed
304
–
6.028
–
267.337
–
Total*
572.234
–
739.016
–
905.000
–
Das Instrumentarium des Fonds wurde im Laufe der Jahre immer flexibler und diversifizierter. Der EEF konnte nunmehr auch lang laufende Kredite mit besonders niedriger Verzinsung über die EIB gewähren. Die Europäische Investitionsbank konnte darüber hinaus Kredite zu marktüblichen Zinsen an die AASM vergeben. Eine wesentliche Neuerung war unter Yaoundé II zudem die mögliche Beteiligung an Risikokapital. Während der Laufzeit des ersten Yaoundé-Abkommens vergab die EIB 15 soft loans in Höhe von 46,3 Mio. RE aus den Mitteln des EEF. Zu den begünstigten AASM zählten Elfenbeinküste, Kongo-Kinshasa, Gabun, Madagaskar, Mauretanien, ZAR und Tschad. 45% der Kredite flossen in die Verkehrsinfrastruktur, 20% in den Energiesektor; 30% wurden in agrar-industrielle Projekte und 5% in die verarbeitende Industrie in küstenfernen Regionen investiert. Darüber hinaus vergab die Europäische Investitionsbank in sechs assoziierten Ländern812 insgesamt 16 Kredite in Höhe von 48,9 Mio. RE zu marktüblichen Konditionen, die in rentable und Devisen einbringende Unternehmen investiert wurden. Zumeist handelte es sich um Industrieprojekte im Exportsektor. Obwohl die EIB ihr Kre810
811
812
Vgl. EGKS, EWG, EAG, Kommission: Siebenter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaften 1973. Brüssel/Luxemburg 1974, S. 425 ff.; Dies.: Achter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften 1974. Brüssel/Luxemburg 1975, S. 263. Commission: European Development Fund, zit. nach: COSGROVE–TWITCHETT, Carol: Europe and Africa, S. 136. 1st EDF 9,016,000 u/a transferred to the second EDF; 2nd EDF 730,000 u/a; 3rd EDF 5,000,000 u/a increase on the accession of Mauritius to the Yaoundé Convention. Kamerun, Kongo-Brazzaville, Elfenbeinküste, Gabun, Mauretanien und Senegal.
DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1963–1975
387
ditvolumen von 70 Mio. RE für die Assoziierten unter Yaoundé I nicht ausschöpfte, leistete sie einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der AASM, insbesondere was die Schaffung von Arbeitsplätzen und Deviseneinnahmen anging. Unter Yaoundé II wurden ihre Mittel für marktübliche Kredite auf 100 Mio. RE aufgestockt.813 Die Assoziierten setzten im Übrigen eigene Akzente im Umgang mit den Hilfsangeboten der Gemeinschaft. So erkannte das dahomesche Wirtschaftsministerium grundsätzlich die Bedeutsamkeit der während des zweiten EEF zur Verfügung gestellten Diversifizierungshilfe an, da sie zum Aufbau einer vielseitigeren Wirtschaftsstruktur beitragen sollte: Nicht zuletzt angesichts außenwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die durch ein Überangebot agrarischer Rohstoffe auf dem Weltmarkt und eine Verschlechterung der Terms of Trade gekennzeichnet waren, schien es der dahomeschen Regierung opportun, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dahomey optierte dennoch für die gleichzeitig angebotene Produktionsbeihilfe, der es kurz- und mittelfristig wesentliche Bedeutung für die Stabilisierung seiner Exporterlöse beimaß.814 „[L]e soutien par l’aide extérieure des prix agricoles constituera“, wie eine Aufzeichnung des dahomeschen Wirtschaftsministerium schlussfolgerte,“durant un certain temps encore la manière la plus sûre et la plus rapide d’améliorer les termes de l’échange. C’est aussi, dans l’immédiat et les prochaines années. le seul moyen d’assurer des prix équitables au paysan. Un tel point de vue, basé sur les réalités, devrait conduire chez nous à affecter à la diversification, sinon la part minimale des crédits imposés par la Convention d’Association à la CEE […] du moins un proportion nettement minoritaire par rapport aux aides à la production.“815 In den assoziierten Staaten stachen die vom EEF finanzierten Projekte durch ihre hohe Qualität hervor, die sich an europäischen oder nordamerikanischen Standards orientierte. Dies machte gleichwohl nicht nur ihre Realisierung, sondern auch ihren Unterhalt kostenintensiv. Das Bestreben Bonns, während der Verhandlungen zum zweiten Yaoundé-Abkommen eine stärkere Ausrichtung des dritten Entwicklungsfonds auf produktive Vorhaben, die ihre Unterhaltskosten selbst erwirtschafteten, festzuschreiben und zu einer Konsolidierung im Bereich der Infrastruktur zu gelangen, reflektierte diesen Sachverhalt.816 Dennoch schienen die Projekte generell, wie sich der EEF-Regierungsauschuss anlässlich einer
813
814
815 816
Vgl. hierzu: WILLAERT, Emilie: La Banque Européenne d’Investissement. son rôle dans le financement d’investissements en Afrique et dans la réalisation d’objectifs communautaires envers les pvd, in: BITSCH, Marie-Thérèse/BOSSUAT, Gérard: L’Europe et l’Afrique, S. 411-432, bes. S. 420 ff. Vgl. République du Dahomey, Ministère du Commerce, de l’Economie et du Tourisme, Note relative à la gestion des Aides Financières aux états associés prévues par la Convention d’Association à la C.E.E., nicht datiert, in: CHAN, SGAM, Fonds public, 96. Ebd. Vgl. StS von Dohnanyi, BMWi, an MdB Heinrich Aigner, Betr.: Erneuerung des JaundeAbkommens, 29.8.68, in: BA Koblenz, B 102/130254. Siehe auch Teil D, Kap.2.3. Das zweite Abkommen von Yaoundé.
388
DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
Inspektionsreise nach Gabun und Kongo im Frühjahr 1970 überzeugen konnte, „technisch in bester Verfassung“ gewesen zu sein.817 Der entwicklungspolitische Ansatz des EEF wurde vielfach mit der Methode Jacques Ferrandis, der seit 1963 einflussreicher Direktor des EEF war, gleichgesetzt. Ferrandis Ansatz war erklärtermaßen pragmatisch, d. h., er verfolgte eine Politik des fallweise Vorgehens und setzte auf persönliche Beziehungen zu den assoziierten Regierungen.818 Nicht nur innerhalb der Kommission,819 sondern auch nach außen propagierte der Direktor des EEF seine Methode erfolgreich. Deutscherseits wurde vor diesem Hintergrund das Fehlen einer Doktrin für den EEF moniert. Die EWG habe es unterlassen, wie ein Referent im Bundeswirtschaftsministerium vermerkte, „für ihre Aktion in Afrika philosophische und ökonomische Leitsätze aufzustellen, die den afrikanischen Gegebenheiten angepasst sind.“820 In der Tat war die Generaldirektion VIII mit den afrikanischen Regierungen sehr gut vernetzt.821 Gerade der Direktor des EEF pflegte Kontakte mit afrikanischen Staatsführern von Bokassa bis Senghor. Über diese persönlichen Beziehungen hinaus knüpfte die Generaldirektion VIII auch institutionalisierte Bande zu den assoziierten Staaten, wie die technische Hilfe und Kontrolle illustriert. 1964 gründete die Kommission Association Européenne de Coopération (AEC), eine private Gesellschaft belgischen Rechts, die für die Kommission Aufgaben übernahm, die sie mit ihrem eigenen Personal nicht mehr bewältigen konnte. Die AEC übernahm die technische Kontrolle und Abrechnung der Entwicklungsvorhaben vor Ort. Zu diesem Zweck nahm sie Fachkräfte unter Vertrag, die als Agenten der Kommission den Kontakt vor Ort herstellten und zwischen den verschiedenen Interessen vermittelten.822 Als Regulativ wurde der EEF-Verwaltung mit dem ersten Abkommen von Yaoundé ein Regierungsausschuss zur Seite gestellt, der die Vergabepolitik der Kommission für die Regierungen der Mitgliedstaaten transparent machen und ihrem Einfluss unterwerfen sollte. Der Ausschuss wurde zwar nicht zu einer Plattform von Gesprächen, um innerhalb der EWG gemeinsame entwicklungspolitische Konzeptionen zu erarbeiten, wie dies Scheel und Triboulet 1963 anvisiert hatten,823 seine Rolle blieb aber auch nicht darauf beschränkt, auf Finanzebene 817
818
819 820
821 822
823
RR Langerbein, BMZ, Bericht über die Inspektionsreise des Regierungsausschusses beim Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) nach Gabun und Kongo (K) vom 13. bis 26. März 1970, 27.4.70, in: BA Koblenz, B 213/1118. In der Forschung vertritt Dimier diese These, vgl. z. B.: DIMIER, VÉRONIQUE: Constructing Conditionality: The Bureaucratization of EC Development Aid. in: EUROPEAN FOREIGN AFFAIRS REVIEW 11 (2006), S. 265. Vgl. DIES.: Administrative reform as political control. Lessons from DG VIII, 1958–1975. BMWi, Vermerk, Betr.: Die Verwendung der Finanzmittel des Europäischen Entwicklungsfonds, Brüssel, 26.1.68, in: BA Koblenz, B 102/130251. Vgl. auch die Kritik im BMZ an der Person Ferrandi: „Diesem ehemaligen französischen Kolonialbeamten geht es bei Projekten im Zweifelsfall mehr um französische politische Interessen als um rationale entwicklungsökonomische Fundierung eines Projektes.“ (ORR Langerbein, BMZ, Betr.: Programmierungen durch den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), 13.11.70, in: BA Koblenz, B 213/1118) Vgl. DIMIER, Véronique: The invention of a Directorate General for development (1958–1975), S. 89. Vgl. BMZ, Aufzeichnung für Minister, Betr.: Europäischer Entwicklungsfonds, hier: technische Kontrolle und Überwachung laufender Projekte, 7.1.66, in: B 213/1140. Zur AEC vgl. weiterhin: CAC, 19880053 SGCI, Art. 102. Siehe Teil D, Kap. 2.2. Deutsch-französischer Bilateralismus und die Assoziierung
DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1963–1975
389
die Tätigkeit der Kommission zu bestätigen. Die Kommission hatte hier die von ihr zur Förderung vorgesehenen Projekte sachlich zu begründen. In verschiedenen Fällen entstanden daraus entwicklungspolitische Grundsatzdebatten über Finanzierungsmodalitäten,824 Entwicklungsprioritäten in einzelnen AASM oder die Bedeutung einzelner Interventionsbereiche. Mehrfach wies der Ausschuss präsentierte Projekte zurück. So stimmten die Niederlande, Belgien, die Bundesrepublik und Luxemburg gegen ein Eisenbahnprojekt in Kamerun, da die Kommission nicht bereit war, eine Finanzierung über die Europäische Investitionsbank prüfen zu lassen.825 Im Fall des Vorhabens eines neuen Flughafens für Bamako wandte die deutsche Delegation ein, dass ein solches Projekt in einem Land wie Mali keine Priorität haben könne826 Einwände machten die deutsche, niederländische und luxemburgische Delegationen auch gegen Vorschüsse an eine Ausgleichskasse der OCAM für Zucker geltend. In der anschließenden Debatte betonte Frankreich die Bedeutung des afrikanisch-madagassischen Zuckerabkommens, das das erste konkrete Übereinkommen zur Regulierung der Preise unter den Assoziierten darstelle und eine wirkliche ökonomische Solidarität zwischen produzierenden und konsumierenden Ländern etabliere.827 Die entwicklungspolitische Tätigkeit der Kommission bestimmte im Übrigen auch von Beginn an ein technokratisches Selbstbild, das eine nach technischen Sachzwängen vergebene Hilfe zur Leitlinie erhob.828 Vor diesem Hintergrund schritt die Rationalisierung der Tätigkeit des EEF auch in der zweiten Hälfte der 60er Jahre weiter fort. Innerhalb der Kommission gab es eine Gruppe von Beamten, zu der der Leiter der Direktion Entwicklungsstudien Jean Durieux zählte, die den Methoden Ferrandis sehr kritisch gegenüberstanden.829 Diese blieb um die methodische Präzisierung der Vergabepraxis bemüht, wie die Studie von 1965 dokumentierte, die die Übereinstimmung der Kriterien des EEF mit denen anderer bi- und multilateraler Geber konstatierte.830 Ende der 60er Jahre intensivierten sich zudem die Kontakte zwischen der Kommission und der Weltbank831; Weltbankstandards beeinflussten daher die Vergabepolitik des EEF zunehmend. 1970 begann die Kommission ihre im Rahmen des EEF vergebene Entwicklungshilfe zu programmieren.832
824
825 826 827 828 829 830
831 832
Vgl. Communauté Economique Européenne, Commission, Comité du Fonds Européen de Développement, Compte rendu de la séance du 16 novembre 1965 (12e réunion), in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 43; Divergences de vues au FED, Extrait de la revue n° 429 Europe France Outre Mer, nicht datiert, in: CAC, 940171 DOM–TOM Affaires économiques, Art. 197. Vgl. Telex Boegner an SGCI, 26.6.65, in: CAC, 19880053 SGCI, Art. 42. Vgl. Commission des Communautés Européennes, Comité du Fonds Européen de Développement, Compte rendu de la séance du 8 juillet 1968 (34ème réunion), in: Ebd., Art. 50. Vgl. Commission des Communautés Européennes, Comité du Fonds Européen de Développement, Compte rendu de la séance du 8 juillet 1968 (35ème réunion), in: Ebd. Siehe hierzu Teil C, Kap. 3.1.3. Der erste Europäische Entwicklungsfonds (1958–1963) – Tätigkeit und Bilanz Vgl. DIMIER, Véronique: Bureaucratization of EC Development Aid, S. 268. Vgl. CEE, Etudes, Les critères d’appreciation des projets soumis au Fonds européen de développement. Bruxelles 1965. Siehe auch Teil C, Kap. 3.1.3. Der erste Europäische Entwicklungsfonds (1958–1963) – Tätigkeit und Bilanz Vgl. z. B. EWG, Kommission, Aufzeichnung über den Besuch Rochereaus bei der Weltbank, 10.10.69, in: HAEG Brüssel, BAC 25/1980 1395. Vgl. BMZ, Betr.: Programmierungen durch den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), 13.11.70.
DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
390
Mit dem britischen Beitritt zur Gemeinschaft und dem Amtsantritt des neuen Kommissars Claude Cheysson, der 1973 die Generaldirektion VIII als Teil einer weiteren Reform der EG-Entwicklungspolitik und mit Blick auf das noch zu verhandelnde neue Abkommen von Lomé reformierte, ging schließlich auch die Ära Ferrandi ihrem Ende entgegen833 und gleichzeitig mit ihr auch eine Phase der Assoziierungspolitik.
3.3. Die handelspolitische Bilanz der Assoziierung 1963–1975 Handelspolitisch ging mit Yaoundé ein System besonderer wirtschaftlicher Beziehungen zu einem offeneren über, das auf die progressive Integration der assoziierten Volkswirtschaften in den Weltmarkt zielte. Die Assoziierung führte zu einem Abbau kolonialreichswirtschaftlicher Residuen auch in den bilateralen Beziehungen der assoziierten Staaten zu ihren ehemaligen Metropolen. Das Präferenzsystem der Franc-Zone wurde graduell eliminiert. Gleichwohl ließen die Progressivität der Handelsregelung und die begrenzten Kompetenzen der EWG den bilateralen Beziehungen eine wichtige Rolle.834 Frankreich behielt Vorteile im afrikanischen Markt. 1959 stammten 65,8% aller Exporte der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nach den AASM aus Frankreich; 1969 lag der französische Anteil an den Exporten noch bei 59,4%.835 Als Importeur verlor Frankreich hingegen an Bedeutung. Absorbierte der französische Markt 1959 noch 53% aller Exporte der Assoziierten in den Gemeinsamen Markt, waren es 1969 nur noch 38,8%.836 Die Multilateralisierung der wirtschaftlichen Beziehungen schritt fort, so dass die Gemeinschaft tatsächlich zu einem erweiterten Absatzmarkt für die Assoziierten wurde. Die Bedeutung anderer Mitgliedstaaten für den Handel der assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar nahm zu. Evolution de la part relative de la France et des autres Etats membres dans les exportations toutes destinations des EAMA anciennes colonies françaises (en %)837 Pays
A l’époque de l’indépendance année
France
autres CEE
Lors du renouvellement de Yaoundé année
France
autres CEE
Sénégal
1964
84
4
1968
77
9
Mali
1959
72
–
1968
16
12
Tchad
1960
69
3
1969
80
3
République
1960
65
II
1969
51
13
Togo
1960
62
18
1969
34
52
Cameroun
1959
60
20
1968
34
37
Dahomey
1960
58
7
1968
37
17
Madagascar
1960
56
6
1968
36
8
Congo Brazza
1960
28
51
1968
15
50
Centraficaine
833 834 835 836 837
Vgl. DIMIER, Véronique: Bureaucratization of EC Development Aid, S. 274 f. Vgl. BRAYER, Gérard: Europe – Tiers Monde, S. 59. Vgl. ebd., S. 62. Vgl. ebd., S. 61. Ebd. (1) Diese Zahl bezieht sich auf gesamte Franc-Zone
DIE ASSOZIIERUNGSPOLITIK 1963–1975
391
Côte d’Ivoire
1960
53
25
1968
35
Gabon
1960
51
26
1968
35
29 16
Mauritanie
1962
48
12
1967
20
45
Haute-Volta
1962
18
2
1969
13
8
Vor den Realitäten des Weltmarkts konnte die Assoziierung die afrikanischen Staaten letztlich nicht schützen. Seit Mitte der 50er Jahre verschlechterten sich die Terms of Trade für tropische Produkte. Mitte der 60er Jahre stagnierten die Werte auf dem niedrigsten Niveau seit Ende des Zweiten Weltkriegs. 1965 war ein katastrophales Jahr für Kaffee und Kakao.838 Die Präferenzen boten den Assoziierten keinen ausreichenden Schutz. Der Anteil aller AASM an der EG-Einfuhr sank von 13,4% (1958) auf 9,2% (1973). Negativ war die Tendenz insbesondere für Niger, Senegal, Kamerun, Tschad, Somalia und Madagaskar, während Mali, Obervolta, Dahomey, die ZAR, Gabun, Kongo, Ruanda und Burundi ihre Marktanteile auf niedrigem Niveau behaupten konnten. Bei Mauretanien, Elfenbeinküste und Zare zeichnete sich kein klarer Trend ab.839 Die Exporte der Assoziierten nach dem Gemeinsamen Markt wuchsen zwischen 1958 und 1971 um durchschnittlich 6,2% und blieben damit unter dem Durchschnitt der gesamten Dritten Welt, deren Anteil bei 7,7% lag.840 Unter den AASM hatten dabei einige eine herausragende Marktstellung in der EWG. 1972 realisierten allein Zare und die Elfenbeinküste die Hälfte aller Exporte der AASM nach der EWG.841 Da der präferentielle Ansatz von den Kooperationspartnern schon in der ersten Hälfte der 60er Jahre als unzulänglich perzepiert wurde, wurde er um alternative Maßnahmen wie die Produktions- und Diversifizierungsbeihilfen oder Maßnahmen zur Verkaufsförderung ergänzt. Andere Maßnahmen und Entwicklungen unterhöhlten hingegen das Präferenzsystem. Der gemeinschaftliche Außenzoll für tropische Produkte wurde parallel zum Inkrafttreten der beiden Yaoundé-Abkommen gesenkt. Die Etablierung der Gemeinsamen Agrarpolitik schränkte die Wirkung des Präferenzsystems weiter ein. Zudem unterlagen nicht alle Produkte der AASM dem präferentiellen Marktzugang. Die Exportstruktur der assoziierten Länder wandelte sich nicht grundlegend. 70% der Gesamteinfuhren der Gemeinschaft aus den AASM entfielen auf nur acht Produkte: Kupfer, tropische Hölzer, Kaffee, Kakao, Erdnüsse, Erdnussöl, Eisen und Bananen. 15 assoziierte Staaten bestritten ihre Ausfuhr zu über 70% mit nur drei Produkten. Dennoch verzeichneten einige wenige Staaten Diversifizierungserfolge. Zu ihnen zählten Gabun, Dahomey, die Elfenbeinküste und Senegal. Lediglich die beiden letzten exportierten auch Halbfertig– und Fertigerzeugnisse in nennenswerten Umfang.842 Die Bedeutung der Handelspartner füreinander – die EWG einerseits, die AASM andererseits – war unterschiedlich. Während die assoziierten Länder für die EWG insgesamt nur einen peripheren Markt darstellten, war die Bedeutung des Gemeinsamen Markts für die AASM hoch. In
838 839 840 841 842
Vgl. ebd., S. 130; ZARTMAN, William I.: Politics of Trade Negotiations, S. 164. Vgl. BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration, S. 159. Vgl. ebd., S. 116. Klammert man den Faktor Erdöl aus, ergab sich für die Assoziierten ein etwas günstigeres Bild. Vgl. auch BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration, S. 126. Vgl. BRAYER, Gérard: Europe – Tiers Monde, S. 117. Vgl. BÖTTCHER, Dieter: Entwicklung durch Integration, S. 136–141.
DIE ABKOMMEN VON YAOUNDÉ 1963 UND 1969
392
ihren Außenhandelsbeziehungen verblieben sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Gemeinschaft.843 Trotzdem trug die Assoziierung zur wirtschaftlichen Dekolonisierung über die Multilateralisierung der Handelsbeziehungen, ihre Öffnung zum Weltmarkt und die progressive Eliminierung kolonialreichswirtschaftlicher Residuen in den eurafrikanischen Beziehungen bei.844
843
Vgl. ebd., 131 f.
844 Vgl. auch: BRAYER, Gérard: Europe – Tiers Monde, S. 59 f.
E. AUSBLICK 1. Neue entwicklungspolitische Initiativen in den 1970er Jahren und das erste Abkommen von Lomé Die beginnenden 70er Jahre waren eine Zeit des europa- und entwicklungspolitischen Neubeginns. Von der Haager Konferenz, zu der die Staats- und Regierungschefs sowie die Außenminister der sechs EG-Mitglieder im Dezember 1969 zusammentrafen, gingen neue Impulse für die europäische Integration aus.1 Den Haag öffnete den Weg für einen britischen Beitritt, von dem sich insbesondere auch die Kommission neue Anstöße für die Assoziierung versprach,2 da eine erweiterte EG auch ihre bisherigen entwicklungs- und afrikapolitischen Ansätze zu überdenken hatte. Hinter dem Gipfel stand aber auch die Ambition, eine neue europäische Identität zu begründen, die auch für die junge Generation Identifikationsangebote bereitstellte. Stark beeinflusst wurde dieses Vorhaben von der 68er–Bewegung.3 Die 68er zeichnete gerade auch ihre Sympathie für und ihr Interesse an den Belangen der Dritten Welt aus.4 Zu Beginn der zweiten UN-Entwicklungsdekade rückte die Entwicklungspolitik ins Zentrum des Gemeinschaftsinteresses. Antworten auf die Entwicklungsprobleme des Südens zu finden, war in den Augen des Kommissionspräsidenten Sicco Mansholt die zentrale Herausforderung für Westeuropa.5 Bereits 1971 hatte die EWG das Allgemeine Präferenzsystem für Fertigwaren aus der Dritten Welt eingeführt. Im Oktober desselben Jahres hatte die Kommission – anknüpfend an die Initiativen der frühen 60er Jahre – angeregt, eine globale, gemeinschaftliche Entwicklungspolitik zu erarbeiten.6 Der Pariser Gipfel vom Oktober 1972, der im Vorfeld der ersten Erweiterung des Gemeinsamen Markts stattfand, stellte einen Wendepunkt auf diesem Weg dar.7 Die Staats- und Regierungschefs erklärten die Absicht der Gemeinschaft, sich in einer Entwicklungspolitik zu engagieren, die nicht mehr nur Afrika, sondern der gesamten Dritten Welt zugewandt sein soll1 2
3 4 5 6
7
Vgl. GERBET, Pierre: Construction, S. 300–308; KNIPPING, Franz: Rom, 25. März 1957, S. 156– 161. Vgl. CE, Conseil, Lettre de M. Jean Rey, Président de la Commission des Communautés européennes à M. Maurice Couve de Murville, Président du Conseil des Communautés européennes, en date du 8 avril 1968, Objet: Communication de la Commission au Conseil concernant les problèmes du renouvellement de la Convention de Yaoundé (article 60 de la Convention), 9.4.68, in Anlage: Commission des Communautés européennes, Problèmes du renouvellement de la convention de Yaoundé (Communication de la Commission au Conseil), 3.4.68, in: BA Koblenz, B 102/130253. Vgl. BITSCH, Marie-Thérèse: Le sommet de La Haye. L’initiative française, ses finalités et ses limites, in: JOURNAL OF EUROPEAN INTEGRATION HISTORY 9,2 (2003), S. 83–99. Vgl. GARAVINI, Giuliano: The Colonies Strike Back: The Impact of the Third World on Western Europe, 1968–1975, in: CONTEMPORARY EUROPEAN HISTORY, 16,3 (2007), S. 303–306. Vgl. „Qui est Mansholt? Quel est son plan?“ (RTL [Prod], 8 avril 1972, RTL, Paris, in: EUROPEAN NAVIGATOR (www.ena.lu, 20.6.2008) Vgl. Kommission der EG, Informatorische Aufzeichnung, Memorandum über eine gemeinschaftliche Entwicklungspolitik der Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklung der Dritten Welt, Brüssel, Juli 1971, in: BA Koblenz, B 213/2677; EGKS, EWG, EAG, Kommission: Fünfter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaften (1971). Brüssel/Luxemburg 1972, S. 376–381. Vgl. LE NAËLOU, Anne: Politiques européennes de développement, S. 25 f.
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AUSBLICK
te.8 Dabei nahm die Gemeinschaft insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder in Blick. Die Pariser Erklärung reflektierte auch einen zwischen Paris und Bonn im Vorfeld gefundenen Kompromiss, nach dem Frankreich eine weltweite Ausrichtung der EWG-Entwicklungshilfe nicht mehr grundsätzlich ausschloss, während die Bundesrepublik auch für die Zukunft einer Schwerpunktbildung auf Afrika und den Mittelmeerraum zustimmte.9 Auf dem Gipfel wurde folglich nicht das Ende der Assoziierungspolitik besiegelt, sondern dem regionalen Ansatz ein weltweiter an die Seite gestellt. In den folgenden Jahren schuf sich die EG das Instrumentarium für eine Interventionspolitik außerhalb des Rahmens der Assoziierung. 1974 stimmte der Rat im Grundsatz einer finanziellen und technischen Hilfe der Gemeinschaft an nicht-assoziierte Entwicklungsländer zu.10 Mit dem so genannten „Fonds Cheysson“ beteiligte sich die EG an einer Sonderhilfe für die von der Energiekrise am meisten betroffenen Entwicklungsländer. Der Beitritt Großbritannien, Irlands und Dänemarks am 1. Januar 1973 stärkte jedoch das Lager derjenigen in der Gemeinschaft, die für eine weltweite Entwicklungspolitik eintraten. Die Mondialisten verquickten ihr Anliegen mit der Frage einer neuen, um die Commonwealth-Mitglieder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks erweiterten Assoziierung.11 London war bemüht, bei den EG-Partnern seiner Auffassung Geltung zu verschaffen, dass der Assoziierung nur noch Übergangscharakter auf dem Weg zu einer weltweiten Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft zukomme. Namentlich Bonn schloss sich dieser Auffassung an, während Frankreich, Belgien und Italien am regionalen Ansatz festhielten.12 Für die Kommission waren hingegen regionaler und weltweiter Ansatz komplementär. Der zuständige Kommissar Jean–François Deniau war Anhänger des Yaoundé-Modells, das er auch an die Herausforderungen, die ein erweiterter Kreis der Assoziierten mit sich brachte, für anpassungsfähig hielt. Eine innovative Erweiterung dieses Modells stellte für ihn ein Schema zur Stabilisierung der Exporterlöse für Grundstoffe dar.13 Erst unter seinem Nachfolger Claude Cheysson wurde die Assoziierungskonzeption der Kommission offener und in ihrer Orientierung globaler. Die Alt-Assoziierten und neu zu Assoziierenden fanden noch vor Beginn der Verhandlungen zu einer gemeinsamen Position zusammen, obwohl einige frankophone Assoziierte zunächst am Yaoundé-Modell festhalten wollten, während ein Teil der Commonwealth-Staaten gerade dagegen Vorbehalte hegte. Unter den anglophonen Staaten hatte die Assoziierung an Attraktivität gewonnen, da auch nach der dritten UN-Welthandelskonferenz in Santiago globale Lösungen für ih8
9 10 11
12 13
Vgl. Déclaration du Sommet de Paris, in: Bulletin des Communautés européennes, n° 10 (Oktober 1972), S. 15–16; Schlusserklärung der EWG-Gipfelkonferenz in Paris, 20. Oktober 1972, in: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 23.10.72. Vgl. AA, Betr.: Ergebnisse der Europäischen Gipfelkonferenz in Paris am 19. und 20. Oktober 1972, 3.11.72, in: PAAA, B 20/1974. Vgl. EGKS, EWG, EAG, Kommission: Achter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften (1974). Brüssel/Luxemburg 1975, S. 268 f. Vgl. hierzu: PALAYRET, Jean-Marie: Mondialisme contre régionalisme: CEE et ACP dans les négociations de la convention de Lomé 1970–1975, in: VARSORI: Inside the European Community, S. 369–397. Vgl. ebd.; S. 374, FREY-WOUTERS, Adele E.: European Community and Third World, S. 21. Vgl. Mémorandum de la Commission au Conseil sur les relations futures entre la Communauté, les actuels EAMA, et les pays d’Afrique, des Caraïbes, des océans indien et pacifique, visés au proto–cole n° 22 des actes d’Adhésion, 4.4.73, in: HAEG Florenz, EN 335.
NEUE ENTWICKLUNGSPOLITISCHE INITIATIVEN
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re Entwicklungsprobleme nicht in greifbare Nähe gerückt waren. Eine Assoziierung an die EG versprach demgegenüber, solche Lösungen im regionalen Rahmen vorwegzunehmen.14 Die Verhandlungsmacht der Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) lag aber nicht nur darin begründet, dass sie zu einer gemeinsamen Front zusammenfanden, sondern auch und vor allem im veränderten internationalen Kontext. Die im Oktober 1973 ausbrechende Öl-Krise bedeutete eine Zäsur. Sie erschütterte die in die Krise geratenden westlichen Industriegesellschaften in ihren Grundfesten. Die „limits of growth“, die der Club of Rome schon 1972 analysiert hatte, und die Notwendigkeit eines „sustainable development“ rückten ins Bewusstsein. Insbesondere aber machte die Krise die Interdependenz in den weltwirtschaftlichen Beziehungen offensichtlich.15 Die Rohstoffsicherung, die bis 1973 nicht als ernsthaftes Problem betrachtet worden war,16 wurde zu einem zentralen Anliegen der Industrienationen. Die Jahre 1972 bis 1974 kennzeichnete ein regelrechter Rohstoffboom. Nicht nur das von der Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC) verteuerte Öl erlebte Preissprünge, sondern auch eine Reihe anderer Rohstoffe, zu denen Kupfer und Zink, aber auch Phosphate, Holz und Kaffee zählten. In den westlichen Industrienationen wurde erwartet, dass auch andere Rohstoffproduzenten sich nach dem Vorbild der OPEC zu Rohstoffkartellen zusammenschlössen und die Rohstoffpreise weiter nach oben trieben. Die aus dieser Situation entstehende neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer kulminierte im April 1974 in der Forderung nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung, die darauf zielte, weltwirtschaftliche Verwerfungen zu nivellieren und den Entwicklungsländern eine gerechtere Teilhabe an den Erträgen der Weltwirtschaft zu garantieren. Vor diesem Hintergrund wurden die Verhandlungen zwischen EG und AKP-Staaten, die im Juli 1973 begonnen hatten,17 unter neuen Vorzeichen geführt. Die letzteren näherten sich der Europäischen Gemeinschaft nunmehr auf Augenhöhe. Teilweise erschienen die Vorzeichen geradezu umgekehrt. So war in den Verhandlungen 1968/69 ein Anliegen der AASM gewesen, für ihre Exporte die Meistbegünstigung im Gemeinsamen Markt zu erhalten. Die EWG hatte dieses Anliegen seinerzeit zurückgewiesen.18 1974 forderten nunmehr Frankreich und Italien, das Meistbegünstigungsprinzip für die EWG auf den Märkten der AKP-Staaten ein, und zwar nicht nur für Exporte, sondern gerade auch für den Zugang zu den Rohstoffen.19 Sich der Solidarität der Assoziierungspartner in der Rohstofffrage zu versichern, wurde zum Hauptanliegen der EG. Dies bot den AKP-Staaten die Möglichkeit, diesmal erfolgreich die Ausgestaltung der Assoziierung mit Instrumenten anzustreben, die auf Prinzipien beruhten, von denen die Yaoundé-Abkommen sich bereits verabschiedet zu haben schienen. Insbesondere 14 15 16
17 18 19
Vgl. PALAYRET, Jean-Marie: Mondialisme contre régionalisme, S. 375–379. Vgl. GARAVINI, Guiliano: The Colonies Strike Back, S. 310–313. Auch vor 1973 wusste man in den EWG-Ländern zwar darum, dass Europa nicht über genügend sichere Lieferquellen bei einigen Rohstoffen, insbesondere Öl und Mineralien, für die steigenden Bedürfnisse der modernen Industrie verfügte; dennoch wurde die Rohstofffrage zwischen 1960 und 1973 nicht als virulentes Problem der absehbaren Zukunft betrachtet. Vgl. FREY-WOUTERS, Adele E.: European Community and Third World, S. 80. Zu den Lomé–Verhandlungen vgl. PALAYRET, Jean-Marie: Mondialisme contre regionalisme; FREY-WOUTERS, Adele E.: European Community and Third World, S. 13–33. Vgl. DELORME, Nicole: L’association des états africains et malgache, S. 120 f. Vgl. PALAYRET, Jean-Marie: Mondialisme contre régionalisme, S. 391.
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AUSBLICK
gegen die Vorbehalte Bonns einigten sich die Verhandlungspartner auf ein Schema zur Stabilisierung der Exporterlöse für Rohstoffe.20 Dabei verstanden die zu assoziierenden Commonwealth-Länder, die die Verhandlungen mit der EWG auch immer im weiteren Kontext des Nord-Süd-Dialogs betrachteten, die räumliche und zeitliche Vorwegnahme eines solchen Schemas als Erprobungsstufe für weltweite Lösungen. Auch in einem weiteren Punkt wurde die Assoziierung mit den weltweiten Tendenzen in Einklang gebracht. Obwohl Frankreich in den Verhandlungen zum Ausdruck gebracht hatte, dass es die Reziprozität in den Handelsbeziehungen als grundlegend für die Assoziierung betrachtete, verzichtete die Gemeinschaft schließlich auf Gegenpräferenzen von Seiten der AKP-Staaten, die ohnehin die Commonwealth-Staaten nicht einzuräumen bereit waren. Nach 18–monatigen Verhandlungen konnte das neue Abkommen am 28. Februar 1975 in Lomé (Togo) unterzeichnet werden. Einerseits stand das neue Abkommen in der Tradition seiner Vorgänger, andererseits öffnete es sich aber für die entwicklungspolitischen Herausforderungen, die in den 70er Jahren virulent wurden. Mit Lomé wurde eine umfassendere Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und der EG etabliert als unter den Yaoundé-Vorgängerabkommen. Zu den wesentlichen Innovationen zählte einerseits das Exporterlösstabilisierungsprogramm STABEX, das für eine begrenzte Anzahl von Agrarprodukten und Eisenerz aus den AKP-Staaten die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen vorsah. Bemerkenswert war auch die in das Abkommen aufgenommene Konzeption einer industriellen Kooperation. Lomé schien damit Antworten auf drängende Fragen der Nord-Süd-Beziehungen gegeben zu haben. Dies führte unmittelbar zu einer überwiegend positiven Rezeption, die die von den Vertragspartnern formulierte Rezeptionsvorgabe perpetuierte, mit Lomé sei der Weg zu neuen Beziehungen zwischen Industrie– und Entwicklungsländern beschritten worden.21 Das Abkommen erreichte zudem eine breitere Öffentlichkeit, die für Belange der Dritten Welt in höherem Maße sensibilisiert war als in der vorhergehenden Dekade. Ein Verdienst Lomés blieb, die entwicklungspolitische Identität der Gemeinschaft geprägt zu haben; auf die Suche nach dieser Identität hatte sich die EWG – wie gezeigt wurde – schon zu Beginn der 1960er Jahre gemacht.
20
21
Vgl. BMWi, Vermerk, Betr.: Stabilisierung der Erlöse aus Grundstoffexporten der assoziierten Länder, 2.8.73, in: BA Koblenz, B 136/7959; Ergebnisvermerk der Ressortbesprechung am 6.8.73 über die künftigen Beziehungen der Gemeinschaft zu den bisherigen Assoziierten und den assoziablen Staaten sowie über die weitere deutsche Verhandlungslinie, 14.8.73, in: Ebd. Vgl. Interviews von Renaat van Elslande, belgischer Kooperationsminister, und F. François, jamaikanischer Botschafter in: LE COURRIER, n° 28, Novembre-décembre 1974.
F. ANHANG Abkürzungsverzeichnis AA AASM AEC AID AKP (ACP) AOF BA Koblenz BDI BDFD BGBl BIP BKamt BMF BMWi BMZ BSP CAC CAOM CCTA CEE CISL CISC CFA CHAN CNPF CECA
Auswärtiges Amt Assoziierte afrikanische Staaten und Madagaskar Association Européenne de Coopération Agency for International Development African, Carribean and Pacific Group of States Afrique occidentale française Bundesarchiv Koblenz Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich Dokumente Bundesgesetzblatt Bruttoinlandsprodukt Bundeskanzleramt Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Bruttosozialprodukt Centre des archives contemporaines Centre des archives d’outre-mer Commission de coopération technique en Afrique au Sud de Sahara Communauté Economique Européenne Confédération Internationale des Syndicats Libres Confédération Internationale des Syndicats Chrétiens Colonies françaises d’Afrique, seit 1962 Communauté financière africaine Centre historique des archives nationales Conseil national du patronat français Communauté Européenne du Charbon et de l’Acier
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ANHANG
DAC DAG DDF DIHT DOM-TOM
Development Assistance Commitee Development Assistance Group Documents Diplomatiques Français Deutscher Industrie- und Handelstag Départements et Territoires d’OutreMer
EA EAG EAMA ECA EEF (EDF/FED)
Europa-Archiv Europäische Atomgemeinschaft Etats africains et malgaches associés Economic Commission for Africa Erster Europäischer Entwicklungsfonds Europäische Investitionsbank European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Emile Noël Expanded Program of Technical Assistence Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäische Atomgemeinschaft Europäische Zahlungsunion
EIB EFTA EG EGKS EN EPTA EWG EURATOM EZU
FAC FAO FIDES
FNL FOM FRUS GAP GATT GD HAEG HMRG
Fonds d’Aide et de Coopération Food and Agricultural Organization of the United Nations Fonds d’Investissements pour le Développement Economique et Social des Territoires d’Outre-Mer Front de la Libération Nationale France d’Outre-Mer Foreign relations of the United States Gemeinsamen Agrarpolitik General Agreement on Tariffs and Trade Generaldirektion Historisches Archiv der EG Historische Mitteilungen im Auftrag der Ranke-Gesellschaft
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ICA
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IWF
International Cooperation Administration International Development Association International Finance Corporation Institut Français d’Opinion Publique Institut des Sciences Economiques Appliquées Internationaler Währungsfonds
MAE MD MdB MinDirig MR MRP MS
Ministère des Affaires Etrangères Ministerialdirektor Mitglied des Deutschen Bundestags Ministerialdirigent Ministerialrat Mouvement Républicain Populaire Mitgliedstaaten
OAU OCAM
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IDA IFC IFOP ISEA
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StS
Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes produit national brut Pays et Territoires d’Outre-Mer Régie Abidjan-Niger Regierungsdirektor Rassemblement Démocratique Africain Rechnungseinheit Regierungsrat Secrétariat Général pour les Affaires Africaines et Malgaches Secrétariat Général du Comité Interministériel pour les Questions de Coopération Economique Européenne Staatssekretär
ANHANG
400 SUNFED
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UAM UAMCE
Union Africaine et Malgache Union Africaine et Malgache de Coopération Economique Union Douanière Equatoriale Union Douanière et Economique des Etats de l’Afrique Centrale Union Douanière et Economique de l’Afrique Occidentale unit of account Union Générale des Travailleurs d’Afrique Noire UN-Conference on Trade and Development UN-Development Program Union des Industries de la Communauté Européenne United Nations Organization Union pour la Nouvelle République Union des Populations du Cameroun Union Panafricaine des Travailleurs Croyants
UDE UDEAC UDEAO ufa UGTAN UNCTAD UNDP UNICE UNO UNR UPC UPTC
VDMA
VWD
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Vortragender Legationsrat I. Klasse (nur Auswärtiges Amt) Vereinigte Wirtschaftsdienste
ZAR
Zentralafrikanische Republik
VLR I
Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Unveröffentlichte Quellen Bundesarchiv Koblenz (Ba Koblenz) Bestand Bundeskanzleramt (B136) Bestand Bundesministerium für Wirtschaft (B102) Bestand Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (B213) Nachlass Walter Hallstein (N1266) Organisationsplan des Bundesministeriums für Wirtschaft
Centre des archives contemporaines (CAC) DOM-TOM (940341) DOM-TOM Affaires économique (940171) Ministère de l’industrie hydrocarburant (19790516) Minstère des relations extérieures (810443) Congo – Dossier des chargés de mission (19850154) Tchad – Dossier des chargés de mission (19850150) Tchad – Dossier des chargés de mission (19840224) SGCI (19880053) SGCI Coopération et développement (198600488) Centre des archives d’outre-mer (CAOM) Direction des Affaires Economiques Direction des Affaires Politiques du Ministère FOM Ministres FOM FIDES Centre historique des archives nationales (CHAN) Secrétariat général des Affaires Africaines et Malgaches Fonds «privé»: Archives de Jacques Foccart, Secrétaire général à la Présidence de la République pour la Commu-nauté et les Affaires africaines et malgaches Secrétariat général de la Communauté, puis pour les Affaires africaines et malgaches Fonds «public»
EG-Archive Historisches Archiv der Europäischen Gemeinschaft Brüssel (HAEG)
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C.E.E. Commission – Direction Générale VIII. Pays et territoires d’Outre-mer (BAC19/1969) Aides aux Pays en voie de développement (BAC 25/1980) Historisches Archiv der Europäischen Gemeinschaft Florenz Adhésion du Royaume-Uni (BAC 24/1967 7) Depositum Emile Noël (EN) Ministère des Affaires Etrangères, Paris Afrique Levant Archives du Sécretariat Général 1945-1971 Cabinet du Ministre Sous-série: Couve de Murville Direction des Affaires Economiques et Financières Service de Coopération Economique Direction Economique Papiers Wormser Europe 1944-1960 Sous-série: République Fédérale d’Allemagne Europe 1944-1960, vol. 1: Questions internationales européennes
Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA) Bestand Abteilung 2 (B10) Bestand Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Politische Abteilung (B20) Bestand Frankreich (B24) Bestand Wirtschaftliche Organisation (B53) Bestand Entwicklungspolitik (B58)
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DANKSAGUNG Die Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln angenommen. Die Disputation fand am 12. November 2008 statt. Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Jost Dülffer für die hervorragende Betreuung meiner Arbeit und das Erstgutachten. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Jürgen Elvert, dem Zweitgutachter, der die Arbeit in die Reihe Studien zur Geschichte der Europäischen Integration aufgenommen hat, und weiterhin Prof. Dr. Marc Frey sowie Dr. Thomas Roth für ihre anregenden Kommentare. Die Recherchen zu dieser Arbeit führten mich in mehrere Archive: die Historischen Archive der EG-Kommission in Brüssel und Florenz, die Centres des Archives Contemporaines und des Archives d’Outre-Mer in Fontainebleau und Aix-en-Provence, den Centre Historique des Archives Nationales sowie das Archiv des französischen Außenministeriums in Paris. In der Bundesrepublik besuchte ich das Bundesarchiv in Koblenz sowie das Politische Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin; der Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung stellte Zeitungsartikel zur Verfügung. Allen Mitarbeitern dieser Institutionen möchte ich für ihre Unterstützung danken. Besonders erwähnen möchte ich unter ihnen Joceline Collonval, Pascal Geneste und Jean-Marie Palayret. Für die finanzielle Unterstützung beim Verfassen der Arbeit bin ich der Graduiertenförderung des Landes Nordrhein-Westfalen zu Dank verpflichtet. In diesem Zusammenhang möchte ich Prof. Dr. Wolfgang Wessels für die Unterstützung meines Promotionsvorhabens danken. Ein besonderer Dank gilt meiner Mutter und meinen Schwestern.
Köln, 2. September 2009
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ZUR REIHE „STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER EUROPÄISCHEN INTEGRATION“ Mit zunehmendem Abstand zum Beginn des europäischen Integrationsprozesses nimmt die Bedeutung der Geschichtswissenschaften im Spektrum der wissenschaftlichen Erforschung des Europäischen Integrationsprozesses zu. Auch wenn die übliche dreißigjährige Sperrfrist für Archivmaterial weiterhin ein Hindernis für die Erforschung der jüngeren Integrationsgeschichte darstellt, werden die Zeiträume, die für die Wissenschaft zugänglich sind, kontinuierlich größer. Heute können die Archive zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bis hin zur ersten Erweiterung eingesehen werden; in einem Jahrzehnt wird ein aktengestütztes Studium der Rahmenbedingungen der Mittelmeererweiterung und der Entstehung der Einheitlichen Europäischen Akte möglich sein. Darüber hinaus ist der Beitrag der Geschichtswissenschaften auch heute schon Rahmen der Erforschung der jüngsten Integrationsgeschichte nicht mehr zu übersehen. Ihre Methodenvielfalt hilft dabei, die durch Sperrfristen der Archive entstandenen Probleme auszugleichen. Allerdings findet der einschlägige geschichtswissenschaftliche Diskurs in der Regel immer noch im nationalstaatlichen Kontext statt und stellt damit, so gesehen, gerade in Bezug auf die europäische Geschichte einen Anachronismus dar. Vor diesem Hintergrund haben sich Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa und darüber hinaus dazu entschlossen, eine Schriftenreihe ins Leben zu rufen, die die Geschichte der Europäischen Integration nicht nur aus einer europäischen Perspektive beleuchtet, sondern auch einem europäischen Publikum vorlegen möchte. Gemeinsam mit dem Verlag Franz Steiner wurde deshalb die Schriftenreihe Studien zur Geschichte der Europäischen Integration (SGEI) gegründet. Ein herausragendes Merkmal dieser Reihe ist ihre Dreisprachigkeit – Deutsch, Englisch und Französisch. Zu jedem Beitrag gibt es mehrsprachige ausführliche und aussagekräftige Zusammenfassungen des jeweiligen Inhalts. Damit bieten die Studien zur Geschichte der Europäischen Integration interessierten Leserinnen und Lesern erstmals einen wirklich europäischen Zugang zu neuesten geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Geschichte der Europäischen Integration.
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ABOUT THE SERIES “STUDIES ON THE HISTORY OF EUROPEAN INTEGRATION” With increasing distance to the process of European integration, there is a growing significance of the historical sciences within the range of the scientific research on the European integration process. Even if the usual blocking period for archive sources is still an obstacle for researching the more recent history of integration, the periods which are accessible for the sciences are continuously becoming more extended. Today, the archives on the foundation of the European Coal and Steel Community are accessible as far as to the first extension; in one decade it will be possible to gain access to the appropriate files for studying the history of the prerequisites of the Mediterranean extension and the development of the Single European Act. Furthermore, already today the contribution of historic sciences in the context of researching the most recent history of integration cannot be overlooked. Their variety of methods helps with balancing problems resulting from the blocking periods for archives. However, usually the relevant historic discourse still happens in the context of national states and is thus, if we like to see things this way, rather an anachronism in respect of European history. Against this background, researchers from all over Europe and beyond have decided to found a series of publications which intends not only to shed light on the history of European integration from a European point of view but also to present this to a European audience. For this reason, together with the Franz Steiner Publishing House the series of publications Studies on the History of European Integration (SHEI) was founded. One outstanding feature of this series will be its trilingualism – German, English and French. For every contribution there will be extensive and telling summaries of the respective contents in several languages. Thus, by Studies on the History of European Integration interested readers will for the first time be offered a really European approach at most resent historic insights in the field of the history of European integration.
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CONCERNANT LA SÉRIE „ETUDES SUR L’HISTOIRE DE L’INTeGRATION EUROPÉENNE“ L’importance des recherches historiques ne cesse d’augmenter au sein de l’éventail qu’offrent les recherches scientifiques sur le processus d’intégration européenne, et ce à mesure que le recul par rapport au début du processus d’intégration européenne se fait de plus en plus grand. Même si le délai d’attente habituel de trente ans pour la consultation des archives constitue encore un obstacle pour les recherches sur l’histoire récente de l’intégration, les périodes accessibles à la recherche se révèlent de plus en plus étendues. A l’heure actuelle, les archives datant de la fondation de la Communauté Européenne du Charbon et de l’Acier jusqu’au premier élargissement peuvent être consultées ; d’ici dix ans, une étude documentée des conditions générales de l’élargissement méditerranéen et de la conception de l’Acte unique européen sera possible. La contribution des recherches historiques dans le cadre de la recherche sur l’histoire toute proche de l’intégration est dès à présent remarquable. La diversité de méthodes utilisées permet en effet de régler des problèmes engendrés par le délai de blocage des archives. Toutefois, le débat historique s’y rapportant s’inscrit encore généralement dans le contexte de l’Etat-nation et représente, de ce point de vue, un anachronisme par rapport à l’histoire européenne. C’est dans ce contexte que des chercheuses et chercheurs de toute l’Europe et au-delà ont décidé de lancer une série d’ouvrages qui mettent en lumière l’histoire de l’intégration européenne non seulement dans une perspective européenne, mais qui se veut également accessible à un large public européen. Cette série d’ouvrages, intitulée Etudes sur l’Histoire de l’Intégration Européenne (EHIE), a été créée en collaboration avec la maison d’édition Franz Steiner. Le caractère trilingue de cette série – allemand, anglais et français – constitue une particularité exceptionnelle. Chaque contribution est accompagnée de résumés plurilingues, détaillés et éloquents sur le contenu s’y rapportant. Les Etudes sur l’Histoire de l’Intégration Européenne offrent pour la première fois aux lectrices et lecteurs intéressés un accès réellement européen aux avancées historiques les plus récentes dans le domaine de l’histoire de l’intégration européenne.