Essen [Reprint 2020 ed.] 9783112356883, 9783112356876

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Essen [Reprint 2020 ed.]
 9783112356883, 9783112356876

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DEUTSCHE

LANDE

herausgegeben

/ DEUTSCHE

von Burkhard

KUNST Meier

MÜNSTER. WESTWERK

PAUL J O S E P H

CREMERS

ESSEN

DEUTSCHER K U N S T V E R L A G

BERLIN

IN H A L T EINLEITUNG

5

D A S MÜNSTER

11

DIE A B T E I W E R D E N U N D IHRE K I R C H E N

28

D A S S T I F T S W A I S E N H A U S IN S T E E L E

34

.

S C H L O S S B A U T E N UND HERRENSITZE

36

INDUSTRIELANDSCHAFT

44

.

.

.

.

DIE E N T W I C K L U N G Z U R G R O S S S T A D T

48

KIRCHENBAUTEN

60

SIEDLUNGEN

67

KUNST, MUSEEN UND D E N K M A L E R

77

E S S E N , B I L D U N D G L E I C H N I S D E S I N D U S T Rl E R A U M S

83

Es l i e f e r t e n : das Papier Scheufeien, Oberlenningen; die Druckstöcke Bendix & Lemke, den Druck Felgentreff & Co., den Einband Biblos, alle in Berlin. Copyright 1937 by Deutscher Kunstverlag, Berlin.

A L T E S T E D A R S T E L L U N G DER S T A D T . T E I L B I L D D E S B A R T H E L - B R U Y N - A L T A R S IM M Ü N S T E R

EINLEITUNG Es ist vielleicht eine geschichtliche Ironie von nicht geringem Reiz, daß Essen an der Ruhr, bekannt als eine der bedeutendsten Industriestädte der neuen Zeit, was soviel heißt wie ein Kraftzentrum unermüdlich schöpferischer wie schaffender Energien, in seiner historischen Vergangenheit ausgerechnet von Frauenhand regiert worden ist. Durch neun Jahrhunderte, vom frühesten Mittelalter angefangen bis in die Sturmjahre der französischen Revolution, waren Frauen als legale Herrscherinnen in Essen zuhause. Sie regierten zum Ruhme ihres Stiftes, zuweilen von eigenem Können begnadet, doch mehr durch hohe und höchste Gunst der Verwandtschaft und Schutzherrschaft größerer Herren der Geschichte gefördert. Die Namen derer, die nach Frauenart mit Eifersucht und religiösem Fanatismus regierten, treten in der Erinnerung zurück vor jenen, die die Geschichte heute noch mit größter A c h t u n g nennt. Frauen aus den königlichen Geschlechtern der sächsischen und salischen Herrscherhäuser waren es, die hier als erste Fürstäbtissinnen den Grundstein dieser nahezu ein Jahrtausend dauernden Herrschaft legten. Sie sicherten darüber hinaus kraft ihres glanzvollen Namens dem Essener Stift neben Herford, Quedlinburg oder Gandersheim einen besonderen Ruf in Zeit und Zukunft. Denn es zeigte sich in den Tagen der sinkenden Kaisermacht, daß nicht zuletzt deshalb um Essens Unabhängigkeit durch sieben Jahrzehnte bis ans Ende des dreizehnten Jahrhunderts gerungen wurde, weil auf ihm noch der Glanz aus größten Tagen deutschen Kaisertums zu ruhen schien. Wechselvolle Schicksale blieben nicht aus. A u s der ursprünglich abgeschiedenen Pflegestätte christlicher

Frömmigkeit, dazu ausersehen, die Blüte

weiblichen

Hochadels zu erziehen, waren reichsunmittelbare Fürstinnen weltlicher Herrlichkeit geworden, die sich immer mehr in den Kreis der großen politischen Mächte 5

einbezogen fanden. Um das Jahr 1100 war wohl seit den Tagen der Gründung (852)

E S S E N , EINE K L E I N E L A N D S T A D T MIT H A N D E L UND W E I T B E K A N N T E R G E W E H R I N D U S T R I E . EIN BILD UM 1790

der größte Besitzstand an Land und Gut erreicht, dem ein aufblühendes handwerkliches Leben im Schatten der Stiftsburg und des wachsenden Münsters fördernd zur Seite trat. Hunderte von mittelgroßen und kleinen Unterhöfen, zumeist zwischen Ruhr und Lippe gelegen, zeugten für die schenkende Gunst der verwandten Herrscher und geneigten Kirchenfürsten, wodurch ein kulturbewußter Wohlstand des Stifts wie ein wirtschaftlicher Aufstieg der werdenden Stadt begründet war. Und mit dem Wohlstand stieg der streitbare Wert, die politische Rolle von Stift und Stadt Essen. Dem Aufbegehren der Stadtvögte folgte das Unabhängigkeitsverlangen der Ministerialien, die ihre Amtspflichten des Reiches in Lehnsrechte ihrer Person zu wandeln bemüht waren. Die unruhigste Zeit brach an, als Essen um 1244 seine Gerichts- und Militärgewalt dem mächtigen Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden zu übergeben gezwungen war und somit unmittelbar in den ganz Westdeutschland erschütternden Machtkampf zwischen Reich und Kirche hineingezogen wurde. Dieser Kampf dauerte durch sieben Jahrzehnte und endete mit dem Sieg der Reichsgewalt, so daß am Ende das Stift trotz schwerster Gefahren sich selbständig und gerettet sah. A u s den Händen Rudolf von Habsburgs empfing Engelbert von der Mark, der Sieger von Worringen, für treue Waffendienste die Essener Vogtei, wodurch sie zunächst an die Hausmacht eines der bedeutendsten Fürsten seiner Zeit fiel, das Stift jedoch in den nachfolgenden Jahrhunderten seiner politischen Bedeutung nach „zu einem bloßen Anhängsel eines mächtigen Fürstentums" herabsank, wie es sein erster Geschichtsschreiber Konrad Ribbeck gekennzeichnet hat. Um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ist das städtische A n w e s e n auf das Sechsfache des alten Umfangs gestiegen. Zwei Wasserläufe, im Osten die Berne, im Westen die Lindenbeke, behindern eine übliche Ringform der mittelalterlichen

6

S T A D T A N S I C H T UM 1857. DIE S T A D T M A U E R I S T G E F A L L E N , IM H I N T E R G R U N D E DIE S C H O R N S T E I N E DER KRUPPSCHEN GUSS-STAHLFABRIK

Stadtentwicklung um die Burgmitte und so entsteht, noch heute wahrnehmbar, eine damals naturgemäße Erweiterung in nordsüdlicher Richtung. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts zählt Essen etwa dreitausend Köpfe. Im Brennpunkt seiner städtebaulichen Entwicklung steht um diese Zeit das nach einer

schicksals-

reichen Baugeschichte 1305 vollendete Münster. In enger A n l e h n u n g an das Atrium des Münsters war seit früher Zeit eine Taufkapelle Johannes des Täufers erwähnt worden, die zu diesem Zeitpunkt bereits einen Erweiterungsbau erfahren hat. Um 1438 fällt Essen einer verheerenden Feuersbrunst zum Opfer. Gegen Ende des nächsten Jahrhunderts ist das Weichbild der Stadt jedoch wieder um mehrere bauliche Wahrzeichen reicher. Neben dem Münster und dem Neubau der Johanniskirche, die um 1471 ihre heutige Gestalt erhält, ragt am Marktplatz der Giebel des Rathauses und der Glockenturm der Marktkirche hoch.

Der langgestreckte Bau

der fürstlichen Wohnung, Befestigungswerke wie Tore und Türme, Windmühle, Kauf- und Gewerbehallen, von denen nichts auf unsere Zeit gekommen ist, belebten das spätmittelalterliche Bild dieser Stadt. Ein wirtschaftlich strebsames, jeder geistigen und sittlichen Erneuerung zugewandtes Bürgertum bevölkerte die Stadt an der Schwelle des Luther-Jahrhunderts. Es behauptete sich sogar durch viele und langwierige Kämpfe gegen das Stift, das durch die westfälischen Fehden, durch den Wahlstreit feindlicher Äbtissinnen in seinem Ansehen bedeutend verloren hatte. In seinem Kampf gegen die Bevormundung durch die Krummstabherrschaft und um die religiöse Freiheit erstritt es sich nach einer einjährigen Auseinandersetzung auch mit der calvinischen Glaubenslehre 1563 den Sieg des lutherischen Bekenntnisses, das selbst im Stiftskapitel überwiegende Anhängerschaft gewann, bis Elisabeth vom Berge der katho7

lischen Sache 1604 wieder die Oberhand sicherte. Trotz allen Bürgerfleißes und

allen Strebens aber fiel Essen doch zurück gegen die Macht und Geltung naher Hansestädte wie Dortmund, Soest und Münster. Es traten die Nachteile einer abhängigen, häufig die Fronten wechselnden Familien- und Erbpoiitik bei der Äbtissinnenwahl zutage. Es schien in allem so, als sei die aufbrechende Kraft eines freien Bürgertums an der Wurzel gehemmt. Die großen Kulturschaffenden Zeiten waren vorüber, die sprechenden Zeugnisse eines bedeutenden Bauwillens fanden keine Nachfolge. So ist die politische Geschichte Essens in noch flüchtigeren Strichen, als diese ohnehin schon knappe Darstellung es mit sich bringt, bald zu Ende erzählt. Die vorletzte Äbtissin Franziska Christina aus dem Hause PfalzSulzbach, die von 1726 bis 1776 regierte, eine Tante des kunstliebenden Fürsten Karl Theodor, versuchte in ihrem Schloß Borbeck eine Art von prunkvoller Hofhaltung zu entfalten, die ganz und gar höfisch bedingt war, somit einem abgeschlossenen Zirkel galt und der städtischen Kulturentfaltung im schönsten Sinne nicht dienen konnte. Das fürstäbtissliche Waisenhaus in Steele, eine ehrenwerte Stiftung auf dem Gebiete umsichtig geregelter Waisenhauserziehung war ihr Werk und erhielt ihrem Namen eine dankbare Erinnerung bis auf unsere Tage. 1801 kam das Stift durch den Frieden von Luneville an Preußen. Schon einmal hatte der werdende preußische Staat die Geschicke des Stiftes bestimmt, als die Äbtissin Anna Salome sich mit Hilfe französischer Truppen der Stadtherrschaft in Essen zu bemächtigen suchte, ein Handstreich, der an dem Schutz des Stiftsvogtes der Stadt, des Großen Kurfürsten von Brandenburg, scheiterte. 1806 wurde Essen dem Großherzogtum Berg zugesprochen. 1813 ging es dann endgültig in Preußen auf. Und es brach nach so vielen Nöten und Kriegsschäden, verursacht durch Auswirkungen der Kriegszüge Ludwig XIV., des Dreißigjährigen Krieges, selbst der friderizianischen Feldzüge, die auch Essen alle mehr oder weniger fühlbar heimsuchten, eine lange Zeit des Friedens an. Das neue Leben eines großen wirtschaftlichen Jahrhunderts, das Essen Weltruf verschaffen sollte, wurde in gewissem Sinne wohl durch die letzte Fürstäbtissin Maria Kunigunde, Prinzessin von Sachsen, mitangebahnt, als sollte dadurch das historische Gesetz jener seltsamen Ironie, von der wir eingangs sprachen, noch einmal gleichnishaft zu seinem Recht kommen. Maria Kunigunde, die mit ihrem Bruder Clemens Wenzeslaus, dem Kurfürst-Erzblschof von Trier und Bischof von Augsburg, den einbrechenden Stürmen der französischen Revolutionsheere weichen mußte, hat der preußischen Regierung im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin bei der Schiffbarmachung der Ruhr offene Hand gelassen, hat, wie Konrad Ribbeck ihr nachsagt, weiterhin eifrig den Verkehrsstraßenbau gefördert, Eisenhütten angekauft und anlegen lassen, aus denen die spätere Gute-Hoffnungshütte entstanden ist. Die Geschichte der Stadt Essen im neunzehnten Jahrhundert muß noch geschrieben werden. Es wäre die Geschichte einer Stadtwerdung aus allerkleinsten Anfängen heraus zu einer weltbekannten Industriehauptstadt, gleich einem bevölkerungsmäßigen, wirtschaftlichen und gewerblichen Aufstieg, für den es in de/ alten Welt so leicht kein Gegenbeispiel gibt. Diese Entwicklung, gefördert durch das Einbezogensein in ein immer mächtiger aufstrebendes Staatswesen, gründete sich in vorderster Linie auf Bergbau, Eisenindustrie und die unaufhörlich wachsende Bedeutung der Kruppschen Gußstahlfabrik. Sie war, da auch diesen Zeitläufen Krisen nicht erspart blieben, undenkbar ohne die besten altbürgerlichen Tugenden entbehrungsvoller Selbstlosigkeit, strebender Sparsamkeit und uner-

DIE INDUSTRIESTADT W A C H S T .

9

IM V O R D E R G R U N D

DIE B E R G I S C H - M A R K I S C H E E I S E N B A H N L I N I E . (1865)

müdlicher Schaffenskraft. Sowohl Friedrich als auch der große Alfred Krupp stellten darin für Generationen ihres eigenen Geschlechtes wie einer ganzen Stadt das unvergängliche Beispiel auf. Es schien in allem so, als wollte diese Stadt Jahrhunderte versäumten Lebens und Schaffens wieder gut machen, als wollte sie aus der lange genug ertragenen Rolle, am Rand der mächtigen Zeitentwicklung zu stehen, jetzt selbst in den Brennpunkt aufrücken. Das mittelalterliche Essen zählte dreitausend Köpfe, nach 400 Jahren war die Einwohnerzahl der Stadt nur um tausend Köpfe gewachsen. Fünfzig Jahre später waren aus 4000 Einwohnern 10000 geworden. Zwanzig Jahre später, 1870, hatte sich die Zahl verfünffacht. Zu Beginn unseres Jahrhunderts zählte man 182000 und seit dem 1. August 1929, seit der Vereinigung der Stadt mit dem ehemaligen Landkreis Essen, geht es von 649770 Einwohnern langsam auf die Millionenstadt zu. Daß die Kultur, an ein organisches Wachstum durch das Gesetz ihrer Art gebunden, dieser rasenden Vorwärtsbewegung und ständigen Veränderung des soziologischen Umkreises nicht beikam, ist nur zu verständlich. Wenn in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts auf dem Verwaltungswege preußischer Baugeist Schinkelscher Prägung in Essen Platz griff und das neue Rathaus des Kommunalbaumeisters H. J. Freyse, sowie klassizistische Reihenhäuser und prächtige Wohnbauten des reichen Industriepatriziertums in edlem nachklassischem Kunststil entstehen ließ, so fehlte es später wohl an Zeit, sich solchem Geschmacksluxus hinzugeben. Es wurde gebaut, so viel wie nötig und so schnell wie möglich. Zu einer bodenständigen Theaterkultur ermangelte es gleichfalls an vielem Notwendigen, denn reisende Gesellschaften, die Düsseldorfer Nachbarbühne und Theaterunternehmungen spielten in Gastwirtslokalen und Casinogesellschaften, bis der Gewerke Friedrich Grillo durch letzten Willen seiner Vaterstadt 1892 das Stadttheater schenkte, in dem heute die Oper residiert. Bildungsbestrebungen und Wohlfahrtsunternehmungen, wiederum genau wie das wirtschaftliche Entwicklungsbild der Stadt an das führende Beispiel der Firma Krupp geknüpft, traten um die Wende des Jahrhunderts wirksamer in den Vordergrund. Das Theater, der Musikverein, das Städtische Orchester und sein festliches Heim der Saalbau, die Bibliotheken, das Heimat- und Kunstmuseum wurden Träger und Mittler einer langsam sich entfaltenden volkstümlichen Kulturbewegung. In diese Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts fällt dann eines der größten Krisenmomente für Stadt und Jndustrie: die durch Versailles befohlene und kontrollierte Sofort-Umstellung der Kruppschen Werke, ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der industriellen

F R A N Z I S K A C H R I S T I N A . D I E V O R L E T Z T E F Ü R S T A B T I S S I N V O N E S S E N . G E M Ä L D E V O N H . S C H M O L Z (1772) IM W A I S E N H A U S Z U S T E E L E

Tätigkeit überhaupt und ihr Ergebnis: ein Ruhmesblatt schöpferischer Industrieführung, deutschen Ingenieurkönnens und deutscher Arbeiterintelligenz. Im neuen Deutschland werden alsdann alle Ströme wirtschaftlichen, gewerblichen und kulturellen Aufwärtsstrebens unter einer starken, zielsicheren Stadtführung zusammengebracht. Eine neue Zeit großer Hoffnungen und Möglichkeiten bricht an, sie steht für das moderne Essen, mehr noch als einst für das berühmte Stift der großen Frühzeit auf der mächtigen Grundlage eines geeinten Reichs und einer volkhaft verbundenen Gemeinschaft.

10

EIN E S S E N E R P L A N M I T H O H E I T S G R E N Z E N U N D P F A R R E I O R D N U N G V O M J A H R E 1783

DAS

MÜNSTER

Genau im Mittelpunkt des Essener Stadtkerns liegt das Münster. Wie von dem Zentrum seiner kirchlichen Gewalt aus in alter Zeit das Stift seine Herrschaft entfaltete, so wirkte auch durch spätere Jahrhunderte sein Standort wie eine Kernzelle, um die herum sich das städtebauliche Leben entwickelte; zunächst im allseitigen Umkreis der Burg, dann innerhalb der Stadtmauer und nach ihrer Niederlegung leider in einem Wachstum ohne Plan und Regel bis in die jüngste Zeit hinein. Das Münster steht auf Resten einer Basilika (873), die als Kirchenbau die um das Jahr 852 durch Bischof Altfrid erfolgte Gründung des Essener Stifts begleitete. A l s Bauwerk stellt dieses Münster nach seiner Vollendung Im Jahre 1305 wie viele andere eine abgekürzte Chronik der großen Stilepochen mittelalterlicher Baukunst dar. Frühromanische, hochromanische und gotische Formen stehen 11

deutlich wahrnehmbar nebeneinander.

A D O L F - H I T L E R - P L A T Z M I T M Ü N S T E R U N D G R O S S B A U T E N DER A L T E N U N D N E U E N Z E I T : B U R G G Y M N A S I U M , LICHTBURG (LINKS) UND BAEDEKERHAUS (RECHTS)

Dicht umgeben von dem brandenden Verkehrslärm der Großstadt, umbaut von den Wahrzeichen eines modernen Geschäfts- und Gesellschaftslebens, liegt das Münster eingebettet in die Ruhe seines tausendjährigen Lebens. Die zierliche Schönheit seines architektonischen Umrisses gibt sich vom höhergelegenen südlichen Standort des Adolf-Hitler-Platzes recht wohl zu erkennen, doch der ehrwürdigste und baugeschichtlich wichtigste Teil des Münsters, das W e s t w e r k , Ist erst vom Binnenhof, dem Atrium aus, den Blicken offenbar. Ähnliche Anlagen wie diese besitzt Deutschland nur wenige. Der Zusammenhang mit dem früher vollendeten

12

D A S W E S T W E R K DES M Ü N S T E R S V O M E N D E DES 10. J A H R H U N D E R T S . ( A T R I U M ) A U S DER Z W E I T E N H & L F T E D E S 11. J A H R H U N D E R T S

DER NÖRDLICHE

SÄULENGANG

Kaiserdom zu Aachen (805) drängt sich dem Betrachter auf durch die gleiche zentrale A u s r i c h t u n g der achteckigen Anlage mit ihren Bogenstellungen, Pfeilern und Säulen. A b e r alles tritt In Essen faßbarer und gedrungener, man kann nicht sagen größer, aber wohl wirkungsnäher in Erscheinung. Die starke ursprüngliche Kraft dieser dem Wesen nach urdeutschen Kunst des frühromanischen Stils, die ausgewogene Ordnung aller Dinge zwischen Himmel und Erde, die sie widerspiegelt, und die königliche Würde, die von ihrem Dasein ausgeht, sind hier in Essen auf eine zwingende Form gebracht. Einfachheit und Erhabenheit sind die wesentlichen 13

Kennzeichen dieser Kunst, so wirkt sie bis auf den heutigen Tag.

M Ü N S T E R . A T R I U M U N D O S T W A N D DER J O H A N N I S K I R C H E MIT K R U Z I F I X UM 1400

Ein W o r t zur B a u g e s c h i c h t e selbst beleuchtet das w e c h s e l v o l l e S c h i c k s a l dieser Kirche, wie auch den u n e n t w e g t e n W i l l e n f r ü h e r G e s c h l e c h t e r , ein b e g o n n e n e s W e r k zu einem b e d e u t e n d e n Ende zu f ü h r e n . A l t f r i d s Basilika, die s c h o n im großen und ganzen die volle Breite des heutigen Baues aufwies, w u r d e 946 d u r c h Brand zerstört. S o f o r t b e g a n n Ä b t i s s i n H a d w i g mit dem W i e d e r h e r s t e l l u n g s w e r k und 950 war das M ü n s t e r w i e d e r a u f g e b a u t . D o c h nimmt man an, daß dieser rasche N e u b a u seine Nachteile z e i t i g t e ;

denn die berühmte Ä b t i s s i n M a t h i l d e ( 9 7 1 - 1 0 1 1 ) ,

die

Enkelin O t t o s des Großen, setzte s i c h für eine v o l l k o m m e n e N e u e r r i c h t u n g d e s

14

M Ü N S T E R . G O T I S C H E S L A N G H A U S MIT B L I C K A U F DAS F R Ü H R O M A N I S C H E

frühromanischen

WESTWERK

B a u e s ein, den dann die kunstfreudige Ä b t i s s i n Theophanu

im Jahre 1051 vollendete. Zwischen 1180 und 1200 findet der Forschung nach der A u s b a u des spätromanischen Querschiffes und Vorchors statt. Im Jahre 1265, nach einer anderen Lesart 1275, vernichtete eine neue Feuersbrunst die Kirche, von deren Zerstörung nur das Westwerk, das Querschiff nebst Vorchor ausgenommen wurden. Das neue gotische Langhaus wird gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts geschaffen worden sein. Eine Urkunde läßt als den Zeitpunkt der Vollendung 15

das Jahr 1305 erscheinen.

M Ü N S T E R . K R Y P T A , N Ö R D L I C H E W A N D A R K A D E IM O S T T E I L UM 1000

Das Innere des Münsters, das in der Vielstimmigkeit seiner Gliederungen und Stilformen nicht mit der gleichen Unmittelbarkeit den Eindruck des Außenbaus zu wiederholen vermag, beschreibt Georg Dehio mit den treffenden Worten: „ W o h l erhalten ist der Westbau mit zweigeschossiger Nonnenempore. Seine fast gesucht künstliche Raumdisposition reduziert den Aachener Zentralbau auf ein Halbpolygon. A u c h das Langhaus hatte Emporen über den durch tiefe Nischen gegliederten

16

M Ü N S T E R . A N T I K E S Ä U L E IM W E S T W E R K , IN O T T O N I S C H E R Z E I T A U S I T A L I E N I M P O R T I E R T

Seitenschiffen. Im Detail herrschen antike Reminiszenzen vor, vereinzelt finden sich auch schon Würfelkapitelle." Wer dem verzweigten Formenspiel des inneren Westbaus und seiner Ubergänge nicht so genußreich zu folgen vermag, wird bei der klaren, eindrucksvollen Schönheit des gotischen L a n g h a u s e s doch den hohen künstlerischen Reiz des Ganzen verspüren, das sich in der gesteigerten Form des 17

Hochchors mit einer sinfonisch starkenZusammenfassung allerBauglieder vollendet.

M Ü N S T E R S C H A T Z . B R O N Z E - K R U Z I F I X U S D E S Z W E I T E N M A T H I L D E N K R E U Z E S A U S DER Z W E I T E N H Ä L F T E D E S 11. J A H R H U N D E R T S

Nicht das Essener Münster allein zählt zu den Meisterschöpfungen frühmittelalterlichen Kunstvermögens, in seinem Innern birgt es einen wahren Schatz von Kleinodien, die uns heute die Kunstleistung der großen ottonischen Zeiten als A u s druck einer allumfassenden frühdeutschen Kultur erscheinen lassen. Das älteste Stück des berühmten Münsterschatzes ist eine illustrierte Evangelienhandschrift, vielleicht noch aus den Gründungsjahren Bischof Altfrids, da der stilistische Cha-

18

M Ü N S T E R S C H A T Z . F U S S DES E R S T E N M A T H I L D E N K R E U Z E S , M I T EINER D A R S T E L L U N G S E I N E R S T I F T E R , DER Ä B T I S S I N M A T H I L D E U N D I H R E S B R U D E R S H E R Z O G O T T O . UM SSO

rakter zwischen ausgesprochen ornamentaler Abstraktion und Tierbildnerei die Entstehungszeit dieses Schriftkunstwerks zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert vermuten läßt. Den Kern des Schatzes bilden die goldenen Vortragekreuze, bekannt als die beiden M a t h i l d e n k r e u z e , das T h e o p h a n u k r e u z und das vierte Prozessionskreuz. Sie alle, besonders das erste Mathildenkreuz, ergänzen das schöp19

ferische Bild jener großen Bauzeit auf dem Gebiet des Kunsthandwerks. Diese

M Ü N S T E R S C H A T Z . LINKER Q U E R A R M DES V O N DER ÄBTISSIN T H E O P H A N U G E S T I F T E T E N K R E U Z E S , U M 1060

Werke zeigen neben der erhabenen Strenge und Größe des Stilgefühls einen bewundernswerten Reichtum des Materials wie eine Beherrschung der verschiedenartigsten Techniken. Und sie geben auf diese Art einen überzeugenden Beweis für die Weltgeltung der deutschen Goldschmiedekunst jener Epoche. „ D a s erste Kreuz trägt auf dem mit Goldblech beschlagenen Holzkern in der Mitte den Corpus Christi in Treibarbeit, zu seinen Füßen eine Schlange, darunter eine kleine Emailletafel mit der Darstellung der Äbtissin Mathilde und ihres Bruders, des Herzogs Otto. Gerahmt wird diese Vorderseite des Kreuzes von einem Besatz aus Filigran, gefaßten Steinen und Perlen. Die Rückseite des Kreuzes ist mit gravierten Ranken, dem A g n u s Dei und den vier Evangelistensymbolen geschmückt."

(Wilhelm-

Kästner.) Ein Glanzstück ist ferner der siebenarmige B r o n z e l e u c h t e r ( S . 2 2 ) , den Mathilde zusammen mit dem Prachtschwert und der goldenen Maria für Essen

2 0

MÜNSTERSCHATZ.

K R E U Z , G E S T I F T E T V O N DER Ä B T I S S I N T H E O P H A N U .

UM 1050. H Ö H E 4 5 Z E N T I M E T E R

arbeiten ließ. Die K u n s t w i s s e n s c h a f t vermutet, daß das zweite Mathildenkreuz ob seiner g r ö b e r e n A r t der T e c h n i k um 100 J a h r e später, also gegen 1100 von einer g l e i c h n a m i g e n Ä b t i s s i n Mathilde in A u f t r a g gegeben w o r d e n ist, aber sie ist allgemein der A u f f a s s u n g , daß die b e s o n d e r e Stilart der Essener Kreuze, als den bed e u t e n d s t e n S t ü c k e n des M ü n s t e r s c h a t z e s , die sich von gleichzeitig 21

berühmten

G o l d s c h m i e d e w e r k s t ä t t e n in Köln, A a c h e n oder T r i e r u n t e r s c h e i d e n , auf eine ein-

M Ü N S T E R . TEILBILD DES S I E B E N A R M I G E N B R O N Z E L E U C H T E R S .

UM 1000

heimische W e r k s t a t t schließen läßt. Diesen Z u s a m m e n h a n g w e i s t W i l h e l m - K ä s t n e r auf G r u n d stilistischer U n t e r s u c h u n g e n auch für den auf Geheiß einer Ä b t i s s i n Mathilde gefertigten

siebenarmigen

B r o n z e I e u c h t e r nach

und f i n d e t damit

gleichzeitig die Z e i t b e s t i m m u n g der Entstehung desselben zu Lebzeiten der ersten Mathilde und nicht zu der hundert J a h r e später amtierenden g l e i c h n a m i g e n Ä b t i s s i n . „ A u f f ä l l i g sind z u n ä c h s t die reichen, mit Tiermotiven belebten Ranken, die d e n e n des S c h w e r t e s — bei aller B e a c h t u n g der Notwendigkeit anderer F o r m b e h a n d l u n g infolge des schwereren Materials — besonders nahestehen. Die B i l d u n g des Sockels mit den vier kleinen Eckfigürchen

als S i n n b i l d e r der H i m m e l s r i c h t u n g e n ,

den

Klauenfüßen und dem Besatz kleiner Masken sind ebenfalls s t i l i s t i s c h e Erschein u n g e n der o t t o n i s c h e n Zeit. D a m i t ist der Essener s i e b e n a r m i g e Leuchter das f r ü h e s t e mittelalterliche Beispiel seiner A r t . " Zur gleichen Zeit, um das Jahr 1000, entstand das P r a c h t s c h w e r t

der Ä b t i s s i n n e n .

Die in G o l d b l e c h

getriebene

S c h e i d e des etwa 80 cm langen u n d etwa 8 cm breiten S c h w e r t e s zeigt auf beiden Seiten in reliefplastischer W e i s e ein reizvolles Rankenbildwerk von a n m u t i g bew e g t e m Linienfluß.

2 2

M Ü N S T E R S C H A T Z . DAS P R A C H T S C H W E R T DER Ä B T I S S I N N E N , DIE S C H W E R T S C H E I D E A U S G E T R I E B E N E M G O L D B L E C H . U M 1000

Die gleichen Ubereinstimmungen, wie sie zwischen dem ornamentalen Rankenwerk des Bronzeleuchters und des Prachtschwertes bestehen, wiederholen sich auf der Ebene der Stilhaltung im Ganzen aller Arbeiten. Das erste Mathildenkreuz, der Leuchter, das Schwert, die goldene Maria, sie stehen nicht nur im engsten zeitlichen Zusammenhang eines vermutlich geschlossenen Auttrages der großen Äbtissin Mathilde an die Essener Werkstatt, sondern sie sind auch Zeugnisse einer gemeinsamen künstlerischen Geisteshaltung. Bei all diesen Kunstwerkenfindetsich in hohemMaße ein überlegenes Gefühl fürdas innereGleichgewicht zwischenTech23

nikundStil,zwischenMaterialundKomposition. Und gerade in dieserausgewogenen

M Ü N S T E R S C H A T Z . M A R I E N B I L D . U M 1000. G E T R I E B E N E S G O L D B L E C H A U F H O L Z K E R N . A U G E N A U S Z E L L E N S C H M E L Z . HÖHE 75 ZENTIMETER

Ruhe und Schönheit des Stils, der auf seine Art über den Umweg byzantinischer Anklänge ein helmliches Griechentum in das deutsche Lebensgefühl ottonischer Zeit hineinträgt, glaubt die Kunstgeschichte das unverkennbare Wesensmerkmal der Essener Werkstatt gefunden zu haben. Mit Recht glaubt sie darum an einen Zusammenhang dieser Werkstätte und ihrer Arbeiten mit dem W e r d e n e r B r o n z e k r u z i f i x u s . Wenn man will, Ist e i n stilistischer Weg und e i n künstlerischer Stil von dem getriebenen Corpus Christi des ersten Essener Mathildenkreuzes bis zu diesem hochromanischen Bildwerk sichtbar, das wir zu den größten Leistungen plastischer Kunst des frühen deutschen Mittelalters

2 4

W E R D E N . A B T E I K I R C H E . R O M A N I S C H E R K R U Z I F I X U S . E N D E DES 11. J A H R H U N D E R T S . B R O N Z E . H Ö H E 1 METER

zählen möchten. Wenn der Zusammen hang der Werke fast über ein Jahrhundert hinweg gegeben ist, dann ist hier zweifellos die Vollendung erreicht. Nicht nurdeshalb, weil sich d e r f o r m e n d e T r i e b aus den edelsten Fesseln desKleinkunstwerks löstund jetzt zur freien Großplastik aufsteigt, vielmehr weil alles das, was oben zu Ehren eines Essen er Stils gesagt wurde, hierauf einen A u sdruck gebracht ist, dessen sprechende Kraft die Zeiten überdauerte. Freilich scheint der Geist der Antike einem strengeren Schönheitsideal gewichen zu sein. A b e r ihr heimliches Wesen ist auch hier noch deutscher A r t im Tiefsten gemäß in dem stilschöpferischen Willen, das innerlich 25

Große an das äußerlich Edie und Einfache zu binden.

MÜNSTER.

EHEMALIGER

HOCHALTAR,

GEMALT

1525

VON

BARTHEL

BRUYN.

M A R I A . T E I L B I L D DER GEBURT CHRISTI

Der Altar des Barthel Bruyn wurde in besonderem Auftrag für die Münsterkirche in dreijähriger Arbeit von 1522—25 geschaffen. Es gereicht jenen verarmten und politisch unerfreulichen Zeiten zur Ehre, daß sie die Mittel für ein so kostbares Werk zu beschaffen wußten. Die besondere A r t des Auftrages hat auf dem Tafelwerk Zeugnisse hinterlassen, für die wir heute dankbar sind, finden wir doch hier außer einem Bildnis der zeitgenössischen Fürstäbtissin Margarete von Beichlingen die älteste

Darstellung

der Stadt

E s s e n , auf der das Steeler Tor, die Stadt-

mauer, Münsterkirche und Marktkirche zu sehen sind (Bild S. 3). Freilich steht das kleine, schmächtige Stadtbild vor dem romantisch angehauchten Hintergrund einer

26

M Ü N S T E R . E H E M A L I G E R H O C H A L T A R , G E M A L T 1525 V O N B A R T H E L B R U Y N . T E I L B I L D DER K R E U Z A B N A H M E

Felsenlandschaft, gekrönt von hoch- und höchstgelegenen Burgfesten — ein landschaftliches Phantasiegebilde, für das die Wirklichkeit wohl so gut wie gar keine Veranlassung geboten hat. Weshalb der Altarauftrag nach Köln fiel, läßt sich daraus vermuten, daß die Essener Ä b t i s s i n verwandtschaftliche Beziehung zum Kölner Domkapitel unterhielt. Das Essener Altarwerk weist einen Meister von hohen Graden aus, der an den Niederländern gelernt hatte, doch leider zeitlebens in den Traditionen der Kölnischen Malerschule verblieb, während im Süden des Reiches, im Umkreise Dürers, zu gleicher Zeit eine fruchtbare Auseinandersetzung mit den Problemen der italienischen Formensprache bereits begonnen hatte. Wenn es auch richtig ist, daß die überladene Ornamentik, dieses selbstgefällige Spiel der Oberfläche und äußerlichen Zutat an Kostüm und Kopfschmuck, einen Krisenzustand, zumindest ein Verfallsmoment zu erkennen gibt, so steht dem jedoch eine frische natürliche Kompositionsgabe und in den Gruppenszenen eine Anlage zur volkstümlichen Charakterisierung gegenüber, die den lebensnahen Porträtisten Barthel Bruyn verrät. Vollends in dem Altarteil der K r e u z a b n a h m e waltet eine gesetzreiche Kunst der Gruppengliederung, nicht zuletzt eine so sprechende Menschendarstellung, daß alle konventionelle Verhaltenheit zurückbleibt hinter der persönlichen und kraftvollen Kunst dieses Altarwerks, auf das die Essener Münsterkirche 27

mit Recht so stolz ist.

B L I C K A U F W E R D E N U N D DIE A B T E I K I R C H E

DIE

ABTEI

WERDEN

UND

IHRE

KIRCHEN

Jeder, der diese Landschaft an der Ruhr zwischen Essen und Werden zum erstenmal sieht, und sei er weitgereist, ist ergriffen von dem eigenen zauberhaften Reiz dieser waldgekrönten Hügel, die das Flußtal umschließen. Seine Vollendung erfährt dieses Landschaftsbild angesichts der alten Abteistadt Werden, die heute zu Essen gehört. Bei der Werdener Abteikirche ist die in stolzer Kraft gegliederte Kunst der romanischen Bauform mit der A n m u t dieser ganzen Landschaft eine Einheit von einzigartiger Wirkung eingegangen.

Die Abteikirche liegt nicht auf

der Höhe, vielmehr eingebettet in den Schutz von Hügeln und Wäldern, die gleich einem schützenden A r m die alte Stadt und ihre Kirchen umschließen. gerus-Abteikirche

Die L u d -

kommt an Alter und Bedeutung dem Essener Münster nicht

nur gleich, sondern hat wohl die ruhmreichste Baugeschichte von allen Kirchen dieses Landes zu verzeichnen.

Bereits der Hl. Ludgerus, der aus reichem friesi-

schem Geschlechte stammte, hatte aus eigenen Mitteln den Bau dieser Klosterkirche der Benediktinermönche begonnen.

Nach 60jähriger Bauzeit wurde sie

von seinen Nachfolgern vollendet und 875 als Salvatorkirche geweiht.

Ihr Kern

war ein in karolingischer Zeit (799—804) errichtetes Oratorium in der Form eines Dreikonchenraumes.

Nach 804, als Werden Bistum geworden war, begann die

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W E R D E N . A B T E I K I R C H E , V O M H E I L I G E N L I U D G E R ( + 8 0 9 ) G E S T I F T E T , ALS S A L V A T O R K I R C H E 8 7 5 G E W E I H T , 1275 V O L L E N D E T

Arbeit an einem umfangreichen Neubau, aus dem als Salvatorkirche eine dreischiffige, querschifflose Basilika mit halbkreisförmiger A p s i s hervorging. Im Jahre 943 vollendete A b t Hildegrlm II. den massiven Bau einer selbständigen Vorkirche, der sogenannten Peterskirche. Uber ihrem Mittelbau erhebt sich der Westturm; nach Westen wurde eine doppelgeschossige Vorhalle angebaut. A l s 1256 eine Feuersbrunst die Salvatorkirche vernichtete, blieb die massive Peterskirche fast vollständig verschont. Nach 20 Jahren war die Wiederaufrichtung durchgeführt und dieser Neubau vereinigte die Peterskirche nunmehr harmonisch mit dem Ganzen. Dabei wurde, wie die heutige Gestalt der Kirche es zeigt, im Osten ein Querschiff vorgelegt, über dessen Vierung sich ein Turm erhebt. So entstand eine kreuzförmige Gewölbebasilika mit Längsemporen, in den Formen des rheinischen Ubergangsstils geschaffen. Uber den Stilwert der Innenraumerneuerungen (die erste 1884—1893), besonders die der letzten Zeit (1907-1910) läßt sich streiten. Eindrucksvoll und unberührt davon bleibt der prachtvolle Barockaltar aus der Zeit um 1700, der auch das überkommene Mobiliar in barockem Stil zugehört.

Das

Altarbild des Marienaltars stammt von Theodor Mintrop, der aus Werden gebürtig 29

ist und als später Nazarener in die Kunstgeschichte seiner Zeit eingegangen ist.

W E R D E N . L U C I U S K I R C H E , 995 B E G O N N E N . S Ü D W A N D D E S C H O R E S

Erwähnenswert sind die Steinreliefs der Krypta aus dem 11. Jahrhundert. Von dem herrlichsten

Stück

romanischer

Bronzebildkunst

hierzulande,

dem

Werdener

Kruzifixus, war schon die Rede (S. 25). Das Original wird in der Sakristei aufbewahrt, während eine getreue Nachbildung an einer Pfeilerwand der Kirche aufgehängt ist. DieWerdenerLu ci u ski r c h e (995) ist heute nicht mehr als eine beklagenswerte Ruine ihrer einstigen Schönheit, die kaum noch ahnen läßt, was hier einmal vor den gewaltsamen Umbauten von 1570 und 1775 sowie dem Abbruch im 19. Jahr-

30

W E R D E N . A B T E I K I R C H E . B L I C K V O N DER S Ü D E M P O R E A U F DAS W E S T W E R K

hundert gestanden hat. Der ursprüngliche Bau war eine Pfeilerbasilika mit Westturm und drei Apsiden. In den neunziger Jahren wies zuerst Prof. Wilh. Effmann auf die hohe geschichtliche Bedeutung dieses Bauwerkes hin und legte aus Trümmern das Halbrund des Chores wieder frei. In der Folge wurden wertvolle Wandmalereien entdeckt, um deren dauerhafte Rettung im Rahmen dieser ganzen Kirchenwiederherstellung die rheinische Denkmalpflege aufs beste bemüht ist. 31

Eine nicht weniger eigenartige Geschichtschronik ist an die A b t e i W e r d e n , die

WERDEN. ABTEIKIRCHE. MITTELSCHIFF, VIERUNG UND CHOR

einstige Residenz des Abtes von Werden, geknüpft. Dieser wahrhaft fürstliche Wohnsitz, der das Borbecker Gartenschloß der Essener Ä b t i s s i n in den Schatten stellte, wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (1745—1794) mit der ganzen repräsentativen Freude des barocken Zeitalters errichtet (Bild S. 34). Frei von jeder stilistischen Uberladung tritt der dreigeschossige Hauptbau, von zwei niedriger gehaltenen Flügelbauten gerahmt, mit einem beherrschenden Mittelstück schönheitsvoll und würdig in Erscheinung. Leider wurde das kostbare Baudenkmal 1811

3 2

W E R D E N . A B T E I K I R C H E . B L I C K IN DEN V I E R U N G S T U R M

zur Strafanstalt verwandelt und durch Umbau verschandelt. Zur Zeit der französischen Ruhrbesetzung bekam das Haus, das nicht mehr den Zwecken einer Strafanstalt diente, noch einmal einen traurigen Ruhm. In seinen dunklen engen Zuchthauszellen wurden Schlageters Kameraden mit anderen Opfern der Franzosenherrschaft gefangen gesetzt. Es b l e i b t d e r Z u k u n f t w o h l a l s notwendige Aufgabevorbehalten, dieses Bauwerk in den Zustand seiner ursprünglichen Schönheit zurück33

zuversetzen.

A B T E I W E R D E N , DIE R E S I D E N Z D E S F Ü R S T A B T E S V O N W E R D E N . B E G O N N E N 1745, V O L L E N D E T 1794

DAS

STIFTSWAISENHAUS

IN

STEELE

Im Steeler Waisenhaus hängt ein Bild der Fürstäbtissin Franziska Christina, das so recht den Wandel der Zeiten zeigt (S.10). Franziska Christina tritt uns als eine nach der Mode gekleidete Fürstin entgegen, ihr zur Seite auf einem Tisch, aber in Reichweite ihrer rechten Hand, liegt die Stiftskrone mit den Ordensbändern. Die lange hermelinbesetzte Mantelschleppe hält ein reichbetreßter Mohrenknabe.

Diese

junge Wittelsbacherin aus dem verarmten Nebenzweig Pfalz-Sulzbach kam 1717 mit 21 Jahren zur Würde und Herrschaft einer Essener Stiftsäbtissin. Sie hat in Schloß Borbeck versucht, eine von kleinfürstlichem Glanz umgebene Hofhaltung in Stil und Geist ihrer Rokoko-Zeit zu führen. Und man sagt ihren 50 Regierungsjahren Gutes nach. Das Beste jedenfalls, das sie schuf und hinterließ, war die Stiftung des S t e e l e r W a i s e n h a u s e s .

Sie erstellte damit in dem befreundeten

Orte Steele nicht nur ein recht ansehnliches Bauwerk, sie füllte nicht nur die sozial und religiös empfundene Lücke einer neben dem protestantischen Waisenhaus fehlenden katholischen Anstalt aus, sondern sie gab mit ihrer Schöpfung einen wertvollen Entwicklungsbeitrag zu einer für damalige Verhältnisse sehr bedeutsamen Erziehungsfrage. Um die Waisenhausform war um das Jahr 1779 ein öffentlicher Streit ausgebrochen. Die Vorwürfe richteten sich nicht nur gegen die Tatsache, daß Waisenhäuser seit dem Mittelalter ein gemeinsames Asyl für

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W A I S E N H A U S S T E E L E , EINE S T I F T U N G D E R F Ü R S T t t B T I S S I N F R A N Z I S K A C H R I S T I N A . E R B A U T 1764-65

Kinder, für alte gebrechliche und sogar gebresthafte Leute waren, vielmehr galt die Anklage der Tatsache, daß der Aufenthalt unter solch gesundheits- und erziehungswidrigen

Umständen mit einem Heimerwerbswesen verknüpft wurde,

das jeder einigermaßen vernünftigen Kinder- und Waisenpflege Hohn sprach. Die Steeler Gründung trat bewußt auf die Seite der neuen Forderungen, die nicht zuletzt nach einem hygienischen Wohnen und Leben riefen. Das Stiftswaisenhaus der Fürstäbtissin Franziska Christina führte einen pädagogischen

Erziehungs-

und Tagesplan ein, der entgegen den religiösen Exzessen veralteter Waisenhauspflege auch der Schulbildung

und handwerklichen

Unterweisung

neben der

Religion ein vernünftiges Maß zuwies und in seiner Gesamtheit als beachtenswerter Musterschulbetrieb gelten durfte. Franziska Christina machte selbst bei dem A u f b a u und der praktischen Durchführung dieser damals sehr modernen Erziehungsmethodik

nicht halt, sondern sie gründete Schul- und

Prüfungs-

kommissionen, die eine dauerhafte Wirkung und Leistung dieses Steeler Schulbetriebs garantieren sollten. Um sich eine Vorstellung von den öffentlichen Halbjahresprüfungen der Zöglinge zu machen, seien die Prüfungsfächer des „bürgerlichen Unterrichts" aufgezählt und zwar gehörten hierzu: Lesen, Schönschreiben, 35

Deutsche

Sprachlehre,

Rechtschreibung,

schriftliche Aufsätze und Rechnen.

S C H L O S S B O R B E C K , R E S I D E N Z DER E S S E N E R

SCHLOSSBAUTEN

UND

STIFTS ÄBTISSINNEN.

E R B A U T IM 14. J A H R H U N D E R T , ERN E U E R T 1744

HERRENSITZE

Im Stadtteil Steele stand außer dem Waisenhaus seit 1699 eine bevorzugte Residenz der Essener Fürstäbtissinnen, sie wurde im 19. Jahrhundert abgetragen. Das zweite Wohnschloß der Stiftsherrinnen steht heute noch im Stadtteil B o r b e c k und besitzt wegen seiner freien Lage und seines zugehörigen Parks in seiner neuen Eigenschaft als Gasthaus, neben dem Schloß Baldeney an den Ufern des Baldeneysees einen volkstümlichen

Ruf unter den erhaltenen

Schloßbauten

Groß-Essens. Schloß Borbeck schaut auf eine bewegte Hausgeschichte zurück. Bereits 1227 kam der Oberhof der Ritter von Borbeck in den Besitz der Essener Äbtissinnen. 1493 wird zur Zeit der Wahlstreitigkeiten das Schloß zum Mittelpunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen der feindlichen Äbtissinnen, 1584 verwüsteten die Spanier den Bau. Die Äbtissin Elisabeth von Manderscheid, aus dem mächtigen Eifeler Grafengeschlechte stammend, läßt 1588 den Bau in sieben-

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S C H L O S S H U G E N P O E T A N DER R U H R , B E S I T Z DES F R E I H E R R N V O N F Ü R S T E N B E R G

jähriger A r b e i t wieder aufrichten. Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges ist das Haus so verfallen, daß Wiederherstellungsarbeiten nötig werden, ehe Salome II. ihre Residenz nach Borbeck verlegt. Unter der

Pfalz-Sulzbachischen

Ä b t i s s i n wird das Schloß dann ,,zu zwei unterschieden Malen erneuert und ansehnlich vergrößert" — so wie es auf unsere Zeit überkommen ist als ein von einem Park umschlossener rechteckiger Bau mit drei Geschossen, umzogen von Wassergräben und von fröhlich barocken Giebeln und Turmhauben gekrönt. Nach der Säkularisation ging das Schloß 1804 in die Herrschaft der Grafen von der ReckeVolmarstein über und 1827 kam es in den Besitz der Freiherren von Fürstenberg, die wenige Jahre später (1831) auch Herren auf S c h l o ß H u g e n p o e t wurden, einem der schönsten Schlösser des alten Essener Landkreises. Schloß Hugen37

poet, eine Wasserburg an der Ruhr, noch heute Fürstenbergischer Familienbesitz,

S C H L O S S H U G E N P O E T . M A R M O R D I E L E A U S D E M J A H R E 1696

liegt auf ehemaligem Essener Landkreisgebiet, unmittelbar an der großen Verkehrsstraße Essen-Kettwig v. d. Brücke — Düsseldorf. Im Mittelalter brannte die alte Burg aus, die 1647 wieder aufgerichtet wurde und schon damals, nicht zu vergessen eine spätere Wiederherstellung im 19. Jahrhundert, das Aussehen erhielt, das heute den Wanderer wie den Vorbeifahrenden begeistert. Der Grund dafür ist in der wohlgeordneten Harmonie der Gesamtanlage, dem reizvollen Umrißbild, sowie in der maßvollen Gliederung des Herrschaftshauses zu suchen. Im Innern

38

S C H L O S S H U G E N P O E T . R E N A I S S A N C E K A M I N A U S S C H L O S S H O R S T V O N J O I S T DE LA C O U R T (1578)

verspricht schon die Eingangshalle mit dem festlichen F r e i p o r t a l aus Marmor (1696) nicht zu Unrecht wahre Schätze einer kunstgeschichtlich wertvollen Raumgestaltung. A l s Kabinettstücke dieser A r t sind die Kamine von Hugenpoet anzusehen, wahre Meisterwerke ihrer Schöpfer, insbesondere der

Renaissance-

k a m i n von Joist de la Court (1578), der über dem bewegt erzählenden Reichtum der trojanischen Geschichten, des Parisurteils und der Pyramus und Thisbe39

Szene eine W e l t von edler, klar gemessener Schönheit erstehen läßt. Es ist von

E C K T U R M DES HERRENHAUSES AUF HUGENPOET

diesen Kaminen wohl nicht zuviel gesagt, wenn Paul Clemen sie „in Aufbau und Ausführung die glänzendsten Werke der unter niederländischem Einflüsse stehenden Spätrenaissance in den Rheinlanden und Westfalen" nennt. Hugenpoet gegenüber, ein paar hundert Schritte näher auf Essen zu, liegt S c h l o ß L a n d s b e r g , einst mit seinem mittelalterlichen Bergfried und dem neueren Herrenhaus (1666) die Straße und das Flußtal beherrschend,

heute vom friedlichen

Schutz hoher Laubwälder umhegt, so daß von unten kaum noch ein freier Blick

4 0

S C H L O S S L A N D S B E R G A N D E R R U H R . IM B E S I T Z V O N A U G U S T

THYSSEN

auf das Ganze möglich ist. Landsberg hat wohl neben Horst und Borbeck die abwechslungsreichste und sicherlich abenteuerlichste Geschichte von allen Ruhrschlössern zu erzählen. Es ginge zu weit, wollte man hier ausführlich die Chronik aller Herren aufreihen, die hier gesessen haben. Kaiserliche und Schweden, Bergische Truppen und Franzosen, Brandenburger und Münsterische gingen hier gewaltsam ein und wieder aus. Der erste Burgherr, der rechtens hier saß, war Philipp von Werden, Ritter von Landsberg, der jüngste ist A u g u s t Thyssen, der 41

die Burg Landsberg 1903 erwarb.

SCHLOSS

HORST.

E R B A U T 1558 — 78

DURCH

NIEDERLÄNDISCHE

KÜNSTLER.

DER A L L E I N E R H A L T E N E EINGANGSFLÜGEL

Schloß H o r s t hat nie zu Essen gehört; aber da es hart an der jetzigen Nordgrenze der Stadt liegt und von Essen aus gern besucht wird, gebührt ihm ein Platz in diesem Buch. Richard Klapheck's Wiederherstellungsforschungen haben uns bewiesen, welche architektonische Größe einst mit diesem Baufragment verbunden war, das sich heute in Gestalt des erhaltenen Eingangsflügels unseren Augen noch darbietet. Es wäre das Interessanteste an deutscher Renaissancekunst gewesen, was wir heute in Westdeutschland hätten zeigen können. Vier Flügel mit vier mächtigen quadratischen Ecktürmen umschlossen nach französischen Vorbildern den Innenhof dieser Residenz des ehemaligen kurkölnischen Marschalls Rütger von der Horst. Der prächtige Renaissancegiebel des Hofes, der

42

S C H L O S S S C H E L L E N B E R G , E H E M A L I G E R H E R R E N S I T Z DES E R B D R O S T E S IM F Ü R S T E N T U M E S S E N

dekorative Reichtum an ornamentalem Schmuckwerk der Außenfront, der Portale und Türen, nicht zuletzt die Kamine, jetzt z. T. in Schloß Hugenpont (S. 39), sie offenbarten insgesamt eine der stilvollsten und geschlossensten Leistungen niederrheinischer Renaissancekunst. Es gibt noch einige Schloßbauten und Herrensitze, die die Stadt Essen in ihre besondere Obhut genommen hat: das ehemalige Schloß Baldeney und Schloß Schellenberg, das erste als anziehenden Gastaufenthalt am neuen Baldeneysee, das zweite im Dienst der

Kinderfürsorge.

Schloß S c h e 11 e n be r g , einst Sitz des Erbdrostes im Fürstentum Essen, des Freiherrn von Vittinghoff gen. Schell, vielfach erweiterter Burg- und Herrenhausbau, wurde erst durch eine umfassende Wiederherstellung seiner neuen Aufgabe 4 3

dienlich gemacht.

L A N D S C H A F T S B I L D A N D E R R U H R MIT V I L L A H Ü G E L

INDUSTRIELANDSCHAFT über die Art, wie eine I n d u s t r i e l a n d s c h a f t auszusehen hat, macht sich jeder seine eigenen Gedanken, besonders dann, wenn er nicht in einer solchen Landschaft zu Hause ist und sie nur „genau vom Hörensagen" kennt. Die Essener Umgebung, die jedermann in der ganzen Welt ohne weiteres in dem Zustand einer riesig besiedelten und reichlich trostlosen Industrielandschaft vermuten würde, gehört zu den größten Überraschungen, die Essen zu bieten hat. Menschenwerk ist da nicht sonderlich im Spiel, man hat es bis vor wenigen Jahren sogar mit Nachdruck versäumt oder vermieden, hier großzügig nachzuhelfen. Nein, es ist eine gottgeschaffene Natur, die sich im Süden und Südosten der Stadt von den Höhen hinab mit ebensoviel kraftvollem Wachstum wie anmutigem Aufbau ihrer Umrißlinien vor den Blicken auftut. Die Ruhr, die erst von Mülheim ab schiffbar wird und dann kurz vor der Mündung zwischen dem Rhein-Herne-Kanal und dem

44

HAUPT VERWALTUNGSGEBÄUDE

DER

FRIED.

KRUPP

A. G.

INMITTEN

DER

HALLEN

UND

WERKANLAGEN

Duisburger Hafen mit der Kraft und Geduld eines wahren Titanen Jahr für Jahr etwa dreizehneinhalb Millionen Tonnen an Fracht befördert, diese Ruhr war bei Essen ein ausgesprochenes Idyll, bis das Werdener Stauwerk auch hier die Wasserwirtschaft zu ihrem Recht kommen ließ, dabei aber gleichzeitig den B a l d e n e y s e e schuf, der den Essenern die Möglichkeit des Segelyachtsports und aller Wassersportfreuden in erhöhtem Maße geschenkt hat. Inmitten dieser Landschaft liegt auf der umwaldeten Kuppe einer den Randerhebungen vorgelagerten Höhe V i l l a H ü g e l , seit 1870-72 der Wohnsitz der Familie Krupp. Hier hat insbesondere der große „ A l f r e d Krupp, soweit ihn nicht seine Gesundheit zu längerer Abwesenheit nötigte, den Abend seines Lebens zugebracht, von hoher Warte aus sein Werk leitend und die Pflicht der Gastfreund4 5

schaff gegen seine Beamten, die Geschäftsfreunde und die zahlreichen Besucher,

V I L L A H Ü G E L , D E R W O H N S I T Z D E R F A M I L I E K R U P P . E R B A U T 1870 - 7 2 V O N B A U I N S P E K T O R

RASCH

welche ihn und sein Werk zu ehren herbeikamen, in würdigster Weise ausübend". Diesem Alfred Krupp war es beschieden gewesen, fast durch zwei Menschenalter hindurch die Gußstahlfabrik zu leiten und nach den schweren Fehlschlägen und Kämpfen der Frühzeit zu einem Weltunternehmen emporzuführen.

Ein selbst für

sachliche Naturen ergreifendes Denkmal dieser deutschen Werksgeschichte ist das heute inmitten der Kruppschen Gußstahlfabrik stehende S t a m m h a u s , überragt von mächtigen Fabrik- und Verwaltungsbauten. Es wurde 1818 von Friedrich Krupp als Aufseherwohnung errichtet, er selbst aber bezog es 1824 und starb darin 1826. Sein Sohn Alfred Krupp bewohnte es mit seiner Mutter und seinen Geschwistern bis Anfang der vierziger Jahre und vertauschte es dann mit einem daneben errichteten, größeren Wohnhaus, das später abgerissen wurde. Alfred und sein Sohn Friedrich Alfred Krupp behielten auch in späteren Jahren ihre

4 6

D A S „ S T A M M H A U S " DER K R U P P S C H E N G U S S - S T A H L F A B R I K , 1818 V O N F R I E D R I C H K R U P P G E B A U T

Arbeitszimmer in dem kleinen „Stammhaus" bei. In Erinnerung an die schweren Kämpfe um den A u f b a u dieses Unternehmens schrieb Alfred Krupp im Jahre 1873 unter eine A b b i l d u n g des Stammhauses die ergreifenden W o r t e : „ V o r fünfzig Jahren war diese Arbeiterwohnung die Zuflucht meiner Eltern. Möchte Jedem unserer Arbeiter der Kummer fern bleiben, den die Gründung dieser Fabrik über 4 7

uns verhängte."

S T E E L E R T O R U N D ( R E C H T S ) DIE D A M A L I G E P O S T S T A T I O N MIT DER W A G E N S T E L L E G E G E N Ü B E R . P H O T O G R A P H I E U M 1865

DIE

ENTWICKLUNG

ZUR

GROSSSTADT

Was dieses Kruppsche Beispiel eines einzigartigen Aufstiegs für die Stadt Essen im 19. Jahrhundert und weit darüber hinaus bedeutete, läßt sich ohne weiteres verstehen, denn beide, Gußstahlfabrik und Stadt, rückten nach und nach in die höhere Beziehung einer Schicksalsgemeinschaft auf, wie sie ähnlich in vergangenen Zeiten zwischen Stift und Stadt bestanden hatte. Und dennoch stand Essen im vergangenen Jahrhundert als Stadtgebilde mit seinen verantwortlichen A u f gaben der städtebaulichen, kulturellen und gewerblichen Entwicklung im Schatten

48

M A R K T K I R C H E . E R S T E R B A U 1066, U M B A U 1786

Krupps, weit entfernt, sich von dessen schöpferischer Initiative antreiben zu lassen. Krupp war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Weltunternehmen und Essen so gut wie eine Kleinstadt. Man soll das ruhig aussprechen, um damit gleichzeitig das beispiellose Entwicklungstempo der neuen Zeitabschnitte von 1900 und 1920 und der jüngsten Bewegung seit 1933 zu kennzeichnen, die Essen nunmehr im vollen Bewußtsein seiner lebendigen Gegenwartsaufgaben antritt. 49

Man muß sogar auf diesen bedeutsamen Unterschied der Entwicklung von der

E H E M A L I G E K L A S S I Z I S T I S C H E B Ü R G E R H A U S E R DER T R E N T E L G A S S E

friedlichen Kleinstadt um 1900 zur energiedurchpulsten

Großstadt von

heute

hinweisen, um trotz aller Irrtümer und Schwächen der Vorkriegszeit das Verdienst der jüngsten Generation an diesem Fortschritt der Dinge festzuhalten. Ein vielfach aufstrebendes Leben auf allen Gebieten der wirtschaftlichen und gewerblichen Entfaltung, des Kunst- und Bildungslebens, des Städtebaus und vorzüglich des sozialen Wohnbauwesens hub nach 1900 an. Alles dies wurde nach der Unterbrechung durch den Weltkrieg von 1920 ab in ein neues Stadium einer fieberhaft großzügigen Schnellentwicklung hineingetrieben, der auch die letzten Zeugen altgeruhsamer B ü r g e r b a u t e n , so an der Kapuziner- und Trenteigasse und am damaligen Burgplatz weichen mußten. Es war die Zeit amerikanisch anmutender Großbau- und Hochhaustendenzen. Es mag richtig sein, daß diese Zeit von ungesunden allgemeinen Finanzvoraussetzungen ausging, das geschah ringsum nicht anders, aber es kündigte sich, wenn auch führungslos, ein Leistungswille im Leben dieser Stadt an, dem man nicht wie dem vorigen Jahrhundert den Vor-

50

D E U T S C H L A N D H A U S . S T A H L S K E L E T T B A U V O N J A K O B K O E R F E R , 1929

51

wurf eines Mangels an Initiative machen konnte. Mit dem Wirtschafts- und Verkehrsleben hielt auch das Kulturleben gleichen Schritt. Es versuchte, sich einen erfolgreichen Platz unter den anerkannten Kulturstädten des Westens zu erringen. Theater und Orchester bekamen einen erstklassigen Ruf. Das Museum der Stadt wurde im Zusammenhang mit dem Ankauf der weltbekannten Osthaus-Sammlung als M u s e u m F o l k w a n g in einem modernen Erweiterungsbauzwischen Bismarckund Goethestraße untergebracht^. 78). Es kündeten sich vielerlei Entwicklungskräfte an, vielerlei Tragendes und Trächtiges, denen nur dieZusammenfassung, die Richtungseinheit der verantwortlichen Willensmächte fehlten. Von zwei Stellen aus wurde in dieses erregte Kräftebild ein ordnender Geist und Richtungswille hineingetragen. Der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk wurde unter den Händen seines Schöpfers Dr. ing. Robert Schmidt zu der ersten zwischengemeindlichen Ordnungsinstanz der großen bezirklichen Verkehrswege. Und zum zweiten ist es das geschichtliche Verdienst Dr. Reismann-Grones, bereits viele Jahre vor 1933 dem

A D O L F - H I T L E R - P L A T Z . LINKS B A E D E K E R H A U S , R E C H T S D E N K M A L K A I S E R W I L H E L M S I. IM H I N T E R G R U N D DIE T Ü R M E D E S R A T H A U S E S U N D DER J O H A N N I S K I R C H E

verwahrlosten Zustand eines planlosen Städtebauens in Essen durch einen systematisch geführten Aufklärungskampf ein Ende gemacht zu haben, mit dem Erfolg des Durchbruchs einer von klar gesehenen Zielen und Kräften getragenen Entwicklungspolitik auf weiteste Sicht. Und zwar gereicht es diesem seit 1933 durchgeführten Programm zur besonderen Ehre, das hier lebenswichtige Thema einer bevorzugten Grünzonenpolitik, verbunden mit der Schaffung zahlreichster Kinderplätze und Kinderspielschutzgebiete in den Vordergrund gestellt zu haben. Nachdem so im Laufe der Zeit alle Zeugen einer so maßvoll und vorbildlich wirkenden Stilepoche wie des Klassizismus in Essen der Spitzhacke zum Opfer gefallen waren, stand die neueste Baukunst hier sozusagen einem traditionsunbeschwerten Neuland gegenüber. So blieb es nicht aus, daß der revolutionierende Wille der Nachkriegsarchitektur im wirtschaftlichen Auftrieb Essens nicht nur

5 2

D A S B A E D E K E R H A U S A M A D O L F - H I T L E R - P L A T Z , EIN MIT R A U H B O S S I E R T E N M U S C H E L K A L K S T E I N E N VERK L E I D E T E R E I S E N B E T O N B A U , E R R I C H T E T 1 9 2 7 - 2 8 N A C H DEN E N T W Ü R F E N D E S H O C H B A U A M T E S U N T E R E R N S T B O D E . B I L D N E R I S C H E R S C H M U C K V O N JOSEF E N S E L I N G

einen dankbaren Boden für seine Baulust und seine Stilbewegung fand, sondern es ist unverkennbar, daß das hierzuland wirksame Element des ingenieurmäßigen Denkens klärend und fördernd in die Diskussion und Praxis der modernen Bautätigkeit eingegriffen hat. So blieb Essen vor schlimmen Irrtümern und Ausschreitungen bewahrt, auch wenn es, in einem durchaus positiven Sinne gesagt, dem problematischen Spannungsreichtum innerhalb der modernen Architektur bereitwillig Raum zur Entfaltung ließ. So entstanden ihrem technischen und stilistischen A u s d r u c k nach durchaus verschiedene Großbauten, die den verzweigten Herkunftslinien der modernen Architektur auf ihre Weise nachgingen: dem Vorbild der neuholländischen Backsteinarchitektur mit ihren großen Flächen und würfelartigen Gliederungen auf der einen Seite und den verputzten oder mit Vorsatz53

steinen versehenen Eisenbetonbauten auf der anderen Seite.

H A U P T P O S T G E B Ä U D E . F R O N T A N DER M A R K I S C H E N S T R A S S E . E R B A U T V O N H O E L T Z 1930

In diesem Zusammenhang fällt zunächst wegen seiner Lage am Hauptbahnhofsplatz das H a u s d e r T e c h n i k auf (früher Börse, Arch. Prof. Körner), das in monumentalem Backsteinstil

nach den beiden Fronten der Hansastraße

Bachstraße in einem grundverschiedenen

Rhythmus seinen Aufbau

und

gliedert.

Während an der Hansastraße über einem hochgezogenen Arkadengang der Oberbau wie eine mächtige Truhe lagert, zeigt die Bachstraßenfront ein durch Rück-

5 4

STADTBÜCHEREI, ZUGLEICH EINGANG Z U M SCHAUSPIELHAUS. UND JAKOB SCHNEIDER

E R B A U T 1929 V O N G E O R G M E T Z E N D O R F

Sprünge und betont vertikale Linien bewegtes Bild. Das

Deutschlandhaus

(Arch. Koerfer, S. 51), das als Großgeschäftsbau öffentliche Verwaltungszweige, Privatunternehmungen und Geschäftsräume beherbergt, vertritt den T y p u s des Ingenieurbaues unter den Essener Hochhäusern. Das, was hier der Architektur unterworfen scheint, ist vom Zweckbaumäßigen her bestimmt und daher auf die 55

einfachste und klarste Ausdrucksform gebracht. Die Bauten am Adolf-Hitler-Platz,

OPERNHAUS. GESTIFTET VON DEM GEWERKEN

FRIEDRICH

GRILLO,

E R B A U T V O N H. S E E L I N G 1 8 9 0 - 9 2 . R E C H T S DIE S T A D T S P A R K A S S E

darunter vorallem das Baedekerhaus(S.53) und die Lichtburg, die beide unter der Oberleitung des Hochbauamtes geschaffen worden sind, dienen nicht weniger als das Deutschlandhaus dem neuzeitlichen Verkehrs- und Geschäftsleben, doch versucht ihre architektonische Form im kulturhaften Sinne eine persönlichere Note hervorzukehren, wie es im Zusammenhang mit der Platzwand der ehrwürdigen Münsterkirche verständlich wird. In gleichem Sinne ist der S p a r k a s s e n n e u b a u

56

K A P U Z I N E R G A S S E . R E C H T S DIE S T A D T S P A R K A S S E , E R B A U T V O N S C H N E I D E R (1929), IM H I N T E R G R U N D D A S D E U T S C H L A N D H A U S

GEORG

METZENDORF UND

JAKOB

(Arch. Metzendorf u. Schneider; Plastiken hier und am Baedekerhaus Prof. Enseling) jenen Leistungen neuzeitlicher Architektur gleichzusetzen, bei denen typisches Stilbild und persönlicher Gestaltungswille in eine harmonische Form gebracht wurden. Dieselben Architekten schufen den in dersauberen Frontwirkung so ansprechenden Neubau der S t a d t b ü c h e r e i , die gleichzeitig den repräsenta-

57

tiven Straßeneingang für das vollkommen erneuerte S c h a u s p i e l h a u s abgegeben hat (S. 55).

V E R W A L T U N G S G E B Ä U D E DES S I E D L U N G S V E R B A N D E S R U H R K O H L E N B E Z I R K . E R B A U T V O N A. FISCHER 192S

W i e b e w e g t das neue A r c h i t e k t u r b i l d Essens ist, das zeigen so v e r s c h i e d e n a r t i g e Z w e c k b a u t e n wie die A u s s t e l l u n g s h a l l e V, der größte H a l l e n b a u des In f o r t s c h r i t t l i c h e m A u s b a u b e f i n d l i c h e n A u s s t e l l u n g s g e l ä n d e s der S t a d t neben einem so f o r m a l i s t i s c h a u s g e w o g e n e n

Stilwerk, dem

Lyzeumsbau

für

Bredeney

( A r c h . Prof. Fischer), der u n g e f ä h r den äußersten Punkt der s t i l i s t i s c h e n M o d e r n e in Essen darstellt. J e d e n f a l l s ist das V e r w a l t u n g s g e b ä u d e des bandes

Siedlungsver-

R u h r k o h l e n b e z i r k , vom gleichen A r c h i t e k t e n errichtet, in der klaren

und d u r c h s i c h t i g e n

O r d n u n g der Flächen u n d B a u k ö r p e r s o w i e ihrer

Formen

eines der besten Z e u g n i s s e m o d e r n e n B a u s c h a f f e n s in Essen, ein Urteil, das s i c h a u c h g e g e n ü b e r der z w e c k d i e n l i c h e n G r u n d r i ß a n l a g e und der f o r m a l e n f ü h r u n g der I n n e n r a u m g e s t a l t u n g des ganzen Hauses b e w ä h r t .

Durch5 8

A U S S T E L L U N G S H A L L E V, DER G R Ö S S T E H A L L E N B A U D E S E S S E N E R A U S S T E L L U N G S G E L Ä N D E S

L Y Z E U M B R E D E N E Y . E R B A U T VON A L F R E D FISCHER 1931

59

(1926-27)

'f

M E L A N C H T H O N K I R C H E V O N O T T O B A R T N I N G . D I E E H E M A L I G E S T A H L K I R C H E DER P R E S S A IN K Ö L N , 1928

KIRCHENBAUKUNST Neben diesen Profanbauten war Essen zu gleicher Zeit um den neuen K i r c h e n b a u s t i l bemüht, so daß hier in der Folge zahlreiche Bauten beider christlicher Bekenntnisse entstanden sind. Die neue Kirchenbaukunst stellt wohl eines der umstrittensten Kapitel innerhalb der neuen Architekturgeschichte dar, weil die

60

DIE S T A H L K I R C H E V O N O T T O

BARTNING

Erneuerung des architektonischen Wollens in unserer Zeit ausschlaggebend vom modernen Zweckbau, vom materialtechnischen, stilistischen und konstruktiven Denken aus bestimmt wurde, was soviel heißt, als daß ihm die Wurzel einer höheren weltanschaulichen, also religiös gerichteten Triebkraft fehlen mußte. In der protestantischen Kirchenbaukunst kam diesem Mangel ein anderes Moment zu Hilfe. Es traten hier richtungweisende Tendenzen einer parallel laufenden inneren Erneuerung des Gottesdienstes auf, die sich auf ein untrennbares Zusammen61

gehen von christozentrischer Ordnung des Gottesdienstes und der Gotteshaus-

DIE A U F E R S T E H U N G S K I R C H E V O N O T T O B A R T N I N G , 1929

architektur bezogen. Dieser auf den Mittelpunkt der Predigtkirche gerichteten Architektur gaben Prof. Bartnings Entwürfe wohl den überzeugendsten und auffallendsten Ausdruck. So verschaffte Essen, das schon aus der Vorkriegszeit am Moltkeplatz eine kleine Steinkirche von Bartning besaß, dem neuen Wollen Bartnings die Möglichkeit, zwei große Kirchenbaupläne zu verwirklichen. Die von der Kölner Pressa-Ausstellung

her bekannte

Stahlkirche

wurde in Essen-

Holsterhausen als Melanchthonkirche aufgebaut und ihrer höheren Bestimmung geweiht; und zum anderen Male schuf Bartning am Kurfürstenplatz die vollkommen zentral geschlossene Anlage der A u f e r s t e h u n g s k i r c h e , die ebenso wie die Stahlkirche, vielleicht noch in stärkerem Maße als sie, über das Neuartige ihrer Stahlskelettkonstruktionen

hinaus in ihren wesentlichen

Vorzügen

erst

vom

Erlebnis des Innenraums und seiner liturgischen Aufgabe her erkannt werden kann.

62

DIE A U F E R S T E H U N G S K I R C H E VON O T T O BARTNINQ

63

DIE E N G E L B E R T K I R C H E V O N D O M I N I K U S B Ö H M , 1935-36

Dominikus Böhm nimmt im neuzeitlichen katholischen Kirchenbau als charaktervoller Sucher und Erneuerer eine gleichbedeutende Stellung ein wie Bartning in der religiösen Baukunst des Protestantismus. Eine der jüngsten und man muß auch sagen reifsten Schöpfungen Böhms ist die Essener E n g e l b e r t k i r c h e , die 1936 geweiht wurde. Ihr Formbild nimmt auf den ersten Blick etwas von dem wehrhaften Aussehen westfälischer Dome zusammen mit der massiven Wucht norddeutscher Backsteinkirchen wieder auf. Aber Böhm vereint überkommene Elemente zu einem eindrucksvollen Stil, der unserer Zeit gemäß ist. Dieser Stil verzichtet auf be-

64

DIE E N G E L B E R T K I R C H E V O N D O M I N I K U S B Ö H M , 1935-36

wegte Auflockerung der Flächen, auf Schmuckreiz des Steinmaterials und er fügt in streng geschlossenen Flächen und mächtigen Baukörpern den Außenbau. Der Innenraum zeigt eine hohe Basilika mit kassettierter Holzdecke. Das Querschiff bildet kurz vor dem apsidenartig ausgebauten Chor auf beiden Seiten einen Emporenteil aus, so daß die liturgische Ordnung der gottesdienstlichen Handlungen sich stärkstens um den Altar zusammenzieht, ein architektonischer Vorgang, der 65

auch im höheren Sinne des religiösen Lebens richtungweisend zu wirken vermag.

W A L D A U F DER

MARGARETHENHÖHE

66

G A R T E N S T A D T M A R G A R E T H E N H Ö H E . G E S T I F T E T V O N F R A U M A R G A R E T H E K R U P P 1906. E R B A U T V O N G E O R G METZENDORF

SIEDLUNGEN Die Gartenstadtsiedlung M a r g a r e t h e n h ö h e gilt in der neuzeitlichen Siedlungsgeschichte als eine der interessantesten und wertvollsten Lösungen. Sie hat diesem Ruf gegenüber kritischen Fachbesuchern aus aller Welt, Städtebauern, Ingenieuren und Architekten, standhalten müssen und hat es mit Erfolg getan. Die Siedlung Margarethenhöhe ist eine Stiftung der Frau Margarethe Krupp, die im Jahre 1906 mit einem Baukapital von 1 Million Mark und einem Baugelände von 50 ha beschlossen wurde, die dann 1909 unter der Führung des Architekten Prof. Georg Metzendorf ihre erste von heute 27 Bauperioden begann. A l s „Margarethe-KruppStiftung fürWohnungsfürsorge" steht diese Siedlung somit im engsten Zusammenhang mit dem großzügigen Siedlungswerk, das die Fried. Krupp A.-G. in einer organischen Entwicklung bereits 1865 ausgesprochener, weit voraus schauender 67

Gedanken Alfred Krupps geschaffen hat. Unter den vielen Kruppschen Siedlungen

G A R T E N S T A D T M A R G A R E T H E N H Ö H E . S T E I L E S T R A S S E . B A U P E R I O D E 1910

nehmen der F r i e d r i c h s h o f (1899 bis 1906) und der A l f r e d s h o f (1893 bis 1918) als zu den größten Stadtsiedlungen gehörig wohl deshalb einen besonderen Raum ein, weil hier der Versuch gelungen ist, auf kostspieligem Baugelände verschiedengeschossige Wohnhäuser luft- und lichtumspült, um große Hof-, Spielund Rasenplätze herum zu gruppieren. Anders die M a r g a r e t h e n h ö h e . Von Wald und freier Natur umschlossen, im Inneren allenthalben von Baumreihen

und

Gartenwerk freundlich aufgelichtet, so entfaltet diese Gartenstadtsiedlung ihre volle Bedeutung jedoch erst in ihrer sinnvoll gegliederten und gruppierten Gesamtplanung. Hinzu kommt eine von Baujahr zu Baujahr sich steigernde Verbesserung der Wohnungsgrundrisse und Nutzwerte sowie eine Vervollkommnung des Formbildes im Innern und Äußern. In welchem Maße diese fortschrittliche Steigerung vor sich geht, ist am besten aus den Bauzeitbildern von 1910 und

68

MARGARETHENHÖHE. VOLKSSCHULE.

E R B A U T 1928 V O N G E O R G M E T Z E N D O R F U N D J A K O B S C H N E I D E R

K R U P P S C H E S I E D L U N G L E H N S G R U N D , BAUJAHR 1 9 3 5 - 3 6

1935 zu ersehen. Unmittelbar an die Margarethenhöhe und ihre herrlichen W a l d u n g e n schließt sich die Kruppsche S i e d l u n g am L e h n s g r u n d an, die ausschließlich zur Ruhe gesetzten Direktoren und leitenden Angestellten vorbehalten ist. Doch stellen die zahlreichen Siedlungen der Firma Krupp, die nach einer Statistik von 1929 in Essen allein 9698 W o h n u n g e n umfaßten, nur einen Teil des großen Essener Siedlungswerkes dar, an dem die Stadt, dann Industrie, Bergbau, gemeinnützige und private Wohnungsgesellschaften beteiligt sind. Zu den namhaftesten Siedlungen gehört der am Essener Stadtwald gelegene E i h o f , eine Idyllische A n l a g e geschlossener Baureihen von Einfamilienhäusern, die im Zusammenhang mit dem Gartenteil jeweils eine persönliche Note hervorkehren.

70

S T A D T W A L D S I E D L U N G E I H O F 1920-21

72

BOTANISCHER

73

GARTEN

D A H L I E N A R E N A IM G R U G A - P A R K ( G R O S S E R U H R L & N D I S C H E G A R T E N B A U A U S S T E L L U N G 1 9 2 9 )

Essens Gartenbaukultur ist seit der G r u g a (Große Ruhrländische

Gartenbau-

ausstellung 1929) nicht nur zu einem bestimmenden Moment des neuen Städtebauprogramms, sondern ebenso zu einem verkehrswerbenden Anziehungspunkt von Rang geworden. Die seit jener Ausstellung bestehende Gruga, eine abwechslungsreich terrassierte Gartenanlage von phantasievollem Reichtum der Formen und gärtnerischen Leistung, bildet zusammen mit dem B o t a n i s c h e n

Garten

einen Wertposten der Stadt Essen in heutiger Zeit. Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, was Essen auf dem Gebiet der neuen Friedhofsform geleistet hat. Der Waldfriedhof von Essen-West und der T e r r a s s e n friedhofvon Essen-Schönebeck

sind

großgärtnerische Anlagen von ehr-

würdigster Prägung, die zweifellos als Vorbilder Toten- und Heldenehrung anzusprechen sind.

künftiger Stätten

deutscher 7 4

GRUGA. EINGANG VON DEN A U S S T E L L U N G S H A L L E N

75

S T A D T G A R T E N . BILDWERK VON G E O R G K O L B E

76

M U S E U M H E I M A T , IM E H E M A L I G E N P A L A I S W A L D T H A U S E N

KUNST,

MUSEEN

UND

DENKMÄLER

Die Museen der Stadt Essen stammen weder ihren Sammlungen noch Ortlichkeiten nach aus großen Zeiten vergangener Kultur, es sind alles Schöpfungen unserer Zeit. In drei großen Museen bietet Essen seinen Volksgenossen

und

fremden Besuchern die Möglichkeit, das hier erworbene und gesammelte Kunstund Bildungsgut zu genießen. Im R u h r l a n d m u s e u m am Westbahnhof, dem Museum für Natur- und Völkerkunde, faßt Essen seit etwa 30 Jahren alles zusammen, was aus urzeitlichen, vor- und frühgeschichtlichen Epochen des engeren und weiteren Gebiets bis zur Völkerwanderung als Funde, Fundberichte, teils im Original, teils in stilvollen Nachbildungen oder Bildkompositionen und Statistiken wichtig erscheinen kann. Dieses Museum ist gedacht als ein lebendiger A n s c h a u ungsunterricht

der

Erdgeschichtskunde

germanisch-deutscher

Vergangenheit

und wird In solchem Sinne geleitet und fortentwickelt. Das Essener Museum 77

Heimat,

jetzt im ehemaligen

Palais Waldthausen

untergebracht, öffnet den

L I C H T H O F IM R U H R L A N D - M U S E U M

Blick in die reiche Stadt- und Lebensgeschichte Essens. Da aus Alt-Essen fast alle Wahrzeichen baulicher A r t der neuen Zeit geopfert worden sind, wuchs dem Museum durch die Initiative seines früheren Leiters Kunoldt die besondere Aufgabe zu, in Zeichnungen und Modellen ein Archiv naturgetreuer Nachbildungen des vergangenen Essener Lebens zu sein. Das F o l k w a n g m u s e u m endlich, mit seinen großen und weitgerühmten Schätzen an neuzeitlicher Malerei, Bildhauerei und Handzeichnungen, dann aber auch an ausgewählten Stücken großer Kunstepochen Griechenlands, Asiens, des Orients, Alt-Amerikas wie des deut-

78

FOLKWANG-MUSEUM. ARCHITEKT EDMUND KÖRNER. B R U N N E N DES BILDHAUERS GEORG MINNE

sehen Mittelalters, stellt in diesem Kreis das moderne Kunstmuseum dar. Nach dem Willen seines Gründers, des Hagener Großindustriellen Osthaus, von dessen Erben Stadt und Stifter im Jahre 1922 das Museum erwarben, sollte es der A b s i c h t dienen, „ i n einer industriebetreibenden Bevölkerung Verhältnisse zu schaffen, unter denen es leichter sein würde, Mensch unter Menschen zu sein". Es ist verständlich, daß ein solches W u n s c h b i l d dem höchsten Ideal eines volkhaften Museumsdienstes zustrebt, ein Ziel, an dessen ständiger Verwirklichung das 7 9

Museum, seine Führung und seine Freunde, unaufhörlich arbeiten.

FOLKWANGMUSEUM. ARCHITEKT EDMUND KÖRNER

In gleicher Richtung einer im besten Sinne volkstümlichen Kunsterziehung dient das Unternehmen, an bedeutsamen Stellen der Stadt p l a s t i s c h e

Kunstwerke

ö f f e n t l i c h aufzustellen. So steht in d e r G r u g a eine Wildpferdegruppe des Bildhauers Fritz von Graevenitz, im Stadtgarten eine weibliche Figur von Georg K o l b e (Bild S. 76) und im Ehrenhof des Folkwangmuseums ein Bildwerk von Josef E n s e l i n g .

B I L D W E R K V O N J O S E F E N S E L I N G IM E H R E N H O F DES F O L K W A N G M U S E U M S

„Die Erde ist nicht für feige Völker da" — dieser Spruch, der iri den Sockel des erzenen Bildwerks eingemeißelt wurde, könnte über das einstige Geschichtsbuch dieser Stadt als Leitwort gesetzt werden. A m wenigsten ist diese Erde von Kohle und Eisen für feige Menschen da, hier ist ein starkes, ringendes Geschlecht zu Hause, das sich in notvoller, aber nichtsdestoweniger großer Arbeit seine und 81

damit unser aller Zukunft baut.

| j ( j p p| ¿ I S I N Df: N IN DEN M\ R Z f p * ¿L \J m ÄrLOTNETR § t { N>v Ort NFP DANNMAUSER Äti NASSAU DASSEL^^;, W!tl. V -CrRTEiK-JI DOETSCrr IN:'":1 PAULV FiNSTrRBimrn iL; :" poTTHörr h a h m a c h e r I l M t t i riSUtHOFr HEUBACM LTHTSs'JSCrtÖSNFCLC JAPPELT • .fst:>1 SCHRODtR KtKlER* >t VOSSWINKL MOHLENÖrtK •SB?! fV/OITER v ^nbcrSTA ATL.SICH ERHEI TS» TMOLFN ( • KLOSE tP WEISSENTtein flwUER PPfNionrp ROTHFP r DOMKE. : iWWANEB KOHNEMANN SCHAF EP KUTSCMNA THUN • LIPKA B E N Z EL 1 BAHR BEHRCNDS » UEDTKE DIX . . II' 1 KLEIN M vom cn- STAAT" L H ¿HAns^EL. I Ü T S ^ N E R ! SIw f i t R n £\T: :

G E D E N K T A F E L A M W A S S E R T U R M FÜR DIE IM R U H R K A M P F G E F A L L E N E N V O N 1920

Unter den Denkmälern der Blutzeugen, die für die Freiheit und A u f e r s t e h u n g gefallen sind, darf eines nicht vergessen werden. Es ist kein Kunstwerk, nur eine schlichte Gedenktafel am Wasserturm. Sie ruft für kommende Zeiten die Erinnerung wach an den heldenhaften Kampf und Tod, den an dieser Stelle der Stadt viele Männer der damaligen Essener Einwohnerwehr sowie der Polizei und Schutzmannschaft in der A b w e h r der kommunistischen Revolte in den Märztagen 1920 erlitten haben.

82

BLICK VOM HEISSIWALD AUF DAS RUHRTAL UND DEN BALDENEYSEE

ESSEN,

BILD

UND

GLEICHNIS

DES

INDUSTRIERAUMS

In den Bildern, die hier jetzt folgen, rollt noch einmal das in seinem Spannungsreichtum schier unfaßbare Gesicht dieses Industrieraums ab. Ein anmutiges Idyll, von Fluß und See, von waldreichen Höhen und grünen Tälern gezeichnet, an Reiz der Natur mit jeder landschaftlichen Schönheit vergleichbar, steht hier dicht neben den eisernen, feuersprühenden Giganten der Hochöfen und der disziplinierten, kraftvollen Monumentalität der großen Zechenbauten.

Essen mit seinen Fehlern

und Irrtümern der Vergangenheit, wie auch mit seinem führenden Marschschritt in die Zukunft geht allen Industriestädten voran als Bild und Gleichnis. Aus der Tiefe dieser Erde dringt das Gesetz der Kohle nach oben. In seinem allgewaltigen, nährenden Namen wurde die Erde aufgerissen und durchstoßen, wurden die Städte groß und größer, bis sie fast aneinanderwuchsen. Turm reihte sich an Turm, Kamin an Kamin. Die Wohnsiedlung floh vor dem Werk und war doch eines Tages von ihm umschlossen. Das Grünland, stolzer Besitz, wo es die Natur von selber gab und planvoll gefördert im Inneren der Städte, treibt dennoch in einem gewaltigen Strom von Menschensiedlung und Menschenarbeit. Das darf nicht übersehen werden, auch wenn das Wunschbild der Städteführer und Städtebauer das angestaute Großstadtbild von heute in ein weitgestecktes Gartengroßland 83

verwandeln will.

Noch stehen wir im Gleichnis des Bildes, das das neue Jahr-

W E R D E N E R U F E R S T R A S S E A M B A L D E N E Y S E E , DER SEIT 1931 D U R C H DIE S T A U U N G DER R U H R B E I W E R D E N ENTSTAND

hundert geprägt. Dieser Siedlungsraum hat im Vergleich mit organisch gewachsenen und kulturhaft gewordenen Lebensräumen seine Fehler, seine Schwächen. Zugegeben, er hat vieles versäumt und manches verdorben. In Städten wie diesen erinnern noch Reste an den Marktflecken, an die Kleinstadt von einst, während hundert Schritte weiter modernstes Leben zu seinem Rechte kommt. Dieser Raum, in dem diese Stadt lebt, hat auch einmal einen einzigartigen Mut zur unschönen

8 4

Sachlichkeit bewiesen, aber es wäre ein törichtes Vergehen, wollte man ihn nur auf diese Fehler von einst oder auf den Vorzug der naturverwobenen Schönheit und Grünflächenpolitik von heute festlegen, denn das eine wie das andere bleibt nebeneinander bestehen. Wer diesen Raum so sieht, hat ihn nie verstanden. Wer vor ihm nur wie ein Flüchtling in die grünen Stadtrandsiedlungen flieht, hat nicht verdient, in ihm zu leben. Erst aus der scheinbar so widerspruchsvollen Harmonie von Maschinenwirklichkeit

und

Naturromantik

klärt sich das wahre Bild des

Ruhrgebiets auf. Vom A u g e her wird es stets eine verwirrende Vielfalt der Erscheinungen bleiben. Sein einziges Gesetz löst sich für jeden erst in dem geistigen Bewußtsein der bedingungslosen Einheit aller Glieder und in der Erkenntnis, daß die menschliche Energie planvoll war, die dieses einst so friedlich schöne Stück Erde aus allen Fugen gerissen hat, daß seine Entstellung letzten Endes um einer neuen sinnvollen Ordnung der volkswirtschaftlichen Vorgänge willen geschehen ist — und endlich: daß das, was man einmal seine „Häßlichkeit" genannt hat, das Sinnbild einer neuen, zweckvollen Schönheit in den Daseinsformen dieses Jahr85

hunderts geworden ist.

Z E C H E B O N I F A C I U S IN E S S E N - K R A Y .

E R B A U T 1929 V O N F R I T Z S C H U P P U N D M A R T I N K R E M M E R

Wer diesen Raum so sieht — denn es ist ja etwas anderes, ob man den historischen Ablauf einer Geschichtsentwicklung zeichnet oder das lebendige Dasein der Gegenwart einzufangen und zu verstehen sucht — wird von seiner harten, unwiderbringlichen Großartigkeit angefallen werden, so daß es als Lebensbild und Schaffenstempo nicht mehr aus A u g e und Erlebnis zu treiben ist. Es ist dann nicht mehr tragisch, den zerstörten Verlauf der Grünlandheimat von einst zu verfolgen. Es

86

KRUPPSCHES HOCHOFENWERK

stört eben keinen mehr, ¡n den Citys neben Hochhäusern die zweigeschossigen Überbleibsel aus der Gründerzeit zu finden, wie man es in Essen an der Kapuzinergasse und vielerorts noch sehen kann. Die sichtbaren und noch mehr die unsichtbaren Energiegewalten der Umwelt reißen auch dieses kleine Haus in den größeren Maßstab des ganzen Raumes. Und dieser Raum ist wie gesagt nicht allein Gesetzen einer sichtbaren Schönheitslehre unterworfen. Er gleicht in seinem Wesen vielmehr einem Kraftfeld, dessen unsichtbare Energien sich in Leistung ver87

wandeln wollen.

KRUPPSCHES

HOCHOFENWERK

88

Z E C H E Z O L L V E R E I N . E R B A U T 1627-1932 V O N F R I T Z S C H U P P U N D M A R T I N K R E M M E R .

SCHACHTGEBÄUDE

Und diesem Wesen schaffender Kraft hat das Land an der Ruhr eine großartige Ausdrucksform in seinen reinen Ingenieurbauten gegeben. Hier entstand aus dem gigantischen Willen zur höchsten Arbeitsleistung heraus zugleich so etwas wie ein neues Weltbild ästhetischer Schönheit, die hier geboren wurde, eine Schönheit des Werkgebildes im praktischen und alltäglichen Dienst der Menschheit. Zugegeben, es gibt viele Industriezentren in Europa und darüber hinaus, und die Grundlagen der Ingenieurbauweise sind überall gleichstark vom Zweckmäßigen bedingt. Aber man suche ein Kohlengebiet, ein Eisenland, in denen aus der verwirrenden Technik und Formenfülle einer Hochofenanlage, einer Großzeche oder Großkokerei soviel konstruktive Planung und Ordnung, ja soviel ästhetische Gliederung und damit S c h ö n h e i t d e s G a n z e n 89

sichtbar wird, wie es bei diesen

Werken der Fall ist, von denen wir hier nur einige der besten im äußeren Bildezeigen.

Z E C H E ZOLLVEREIN, DIE G R Ö S S T E UND M O D E R N S T E S C H A C H T A N L A G E EUROPAS. BLICK A U F DIE G E S A M T A N L A G E MIT D E R K O H L E N W Ä S C H E U N D DEM F E I N K O H L E N T U R M

Wer kann sich der Einsicht verschließen, daß aus einer solchen das Außen und Innen bis ins Letzte formenden Ingenieurbaukunst der geistige Wille des deutschen Menschen erkennbar wird, daß es in richtiger Einordnung der Werte ein k u l t u r h a f t e r , d e u t s c h e r Wille ist, der eine stahlharte Zweckmäßigkeit so eng an die edleren, größeren Gesetze des Lebens bindet. So betrachtet, hat sich diese Stadt, deren geschichtliches und gegenwärtiges Bild auf diesen Blättern gezeigt wurde, nie aus dem Gesetz ihrer großen Vergangenheit entfernt. Sie hat sich im schöpfe-

9 0

SÜDLICHE R U H R Z E C H E BEI N A C H T

91

rischen Geiste erneuert, indem sie half, neuen Zeiten neue Formen zu schenken. Sie wurde darin Vorbild für alle. Essen war schon einmal Kulturzentrum des Gebietes in ottonischer Zeit. Seine kulturelle Vergangenheit in frühester Zeit ist groß, doch seine politische Geschichte beginnt im Zeitalter von Kohle und Eisen. Dieses Zeitalter wird zum Schicksal dieser Stadt und sie selbst zum führenden Bild eines ganzen Lebensraums.

FLUGHAFEN

ESSEN-MÜLHEIM

BILDERNACHWEIS WERBEAMT DER STADT E S S E N : 6, 6, 7, 9 (Fot. Cramer), 10, 11, 12 ( H a n s a - L u f t b i l d , freigeg. RLM 5517), 28, 29, 34, 35, 48, 50, 55, 5f, 59, 64, 65, 67 (Hamburger-Luftbild, freigeg. RLM 6026), 68, 69 unten, 71 oben, 73 oben (Hansa-Luftbild, freigeg. RLM 23548), 74, 79, 80, 83, 86, 88—92. STADTSIEDLUNGSAMT, E S S E N : 60, 62. KURT HEGE, ESSEN: 14, 30—32, 36 - 4 4 , 46, 5 1 - 5 4 , 57, 66, 69 oben, 70, 71 unten, 72, 73 unten, 75 oben, 76—78, 81,82, 85, 87. A. RENGER-PATZSCH, E S S E N : Titel, 13, 15—23, 25—27, 33, 49, 58, 63, 84. FRIED. KRUPP A.G., E S S E N : 45, 47.

H A U S DER R H E I N I S C H E N HEIMAT, K Ö L N : 24.

NÖLTING, E S S E N : 75 unten.

FLUGHAFEN

ESSEN-MÜLHEIM

BILDERNACHWEIS WERBEAMT DER STADT E S S E N : 6, 6, 7, 9 (Fot. Cramer), 10, 11, 12 ( H a n s a - L u f t b i l d , freigeg. RLM 5517), 28, 29, 34, 35, 48, 50, 55, 5f, 59, 64, 65, 67 (Hamburger-Luftbild, freigeg. RLM 6026), 68, 69 unten, 71 oben, 73 oben (Hansa-Luftbild, freigeg. RLM 23548), 74, 79, 80, 83, 86, 88—92. STADTSIEDLUNGSAMT, E S S E N : 60, 62. KURT HEGE, ESSEN: 14, 30—32, 36 - 4 4 , 46, 5 1 - 5 4 , 57, 66, 69 oben, 70, 71 unten, 72, 73 unten, 75 oben, 76—78, 81,82, 85, 87. A. RENGER-PATZSCH, E S S E N : Titel, 13, 15—23, 25—27, 33, 49, 58, 63, 84. FRIED. KRUPP A.G., E S S E N : 45, 47.

H A U S DER R H E I N I S C H E N HEIMAT, K Ö L N : 24.

NÖLTING, E S S E N : 75 unten.