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German Pages 359 [360] Year 2016
Martin Bunte Erkenntnis und Funktion
Kantstudien-Ergänzungshefte
Im Auftrag der Kant-Gesellschaft herausgegeben von Manfred Baum, Bernd Dörflinger und Heiner F. Klemme
Band 189
Martin Bunte
Erkenntnis und Funktion Zur Vollständigkeit der Urteilstafel und Einheit des kantischen Systems
ISBN 978-3-11-048802-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-048949-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-048826-5 ISSN 0340-6059 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Meiner Mutter in Dankbarkeit zugeeignet
Inhalt Vorwort
IX
Einleitung. Kants System der Erkenntnis Kapitel . .. .. . .. .. . .. ... .. ..
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I. Funktionen der Erkenntnis 13 Die Idealfunktionen des reinen Verstandes 20 Reiner Verstand und bloße Verstandesform 20 Handlungen und Funktionen des reinen Verstandes 36 49 Die Realfunktionen des reinen Verstandes Kernprobleme des transzendentalen Schematismus 51 Die transzendentalen Schemata 61 75 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes Die Aufgabe der metaphysischen Deduktion 76 Erklärung und Definition der Kategorie 80 Die Ableitung der Kategorien aus den logischen Funktionen Die Struktur und Substruktur der Kategorien 99
83
107 Kapitel II. Transzendentale Subjektivität . Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft 111 .. Der Ort der Ideenlehre: Die Formale und Transzendentale Dialektik 112 122 .. Die oberen Erkenntnisvermögen: Verstand und Vernunft .. Die Vernunft als Prinzipienvermögen 126 .. Die Vernunft als logisches Vermögen 133 .. Die Vernunft als transzendentales Vermögen 139 .. Die Ideen als Einheitsfunktionen des Verstandes und der Vernunft 149 . Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes 159 ... Bemühungen um den Vollständigkeitsbeweis im Anschluss an Klaus Reich 160 ... Bedingungen zu einem Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel 164 ... Die vierfache Komplexion des Apperzeptionsbegriffes 169 .. Die Struktur der Apperzeption in der transzendentalen 201 Deduktion ... Bestimmungstheoretischer Vollständigkeitsbeweis 205
VIII
Inhalt
Kapitel III. Transzendentale Objektivität 231 234 . Aufstieg zur Erfahrung .. Empfindung und Affektion 234 .. Wahrnehmung und Synthesis 238 .. Erfahrung und Einheit 240 243 .. Die kategoriale Spiegelstruktur der Apperzeption . Das Problem der Affektion durch das Ding an sich 251 253 .. Das Tetralemma des affizierenden Gegenstandes .. Affektion als freie Dependenz 257 Exkurs: Der transzendentale Symbolismus 263 263 A) Der Symbolismus als Realfunktion zweiter Ordnung B) Die Linie als Symbol der Zeit 268 C) Die Handmühle als Symbol der Tyrannis 270 272 D) Der beseelte Körper als Symbol der Republik E) Das Naturgesetz als Symbol des Freiheitsgesetzes 274 F) Das Schöne als Symbol des Sittlichguten 278 286 . Das Problem des Dinges an sich .. Das Ding an sich als Grund und Aufgabe der Erkenntnis 288 .. Das Ding an sich im Verhältnis zum Gegenstand in der Erscheinung 303 Schlussbetrachtung und Ausblick
314
Literaturverzeichnis 318 Primärliteratur 318 Sekundärliteratur 320 A) Kants Einteilung der Logik
335
B) System des transzendentalen Schematismus
336
C) Vollständige Tafel aller transzendentalen Funktionen, Begriffe und 337 Grundsätze D) Ableitungsschema der Verstandesfunktionen Namenregister Sachregister
341 345
339
Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt die überarbeitete Version meiner Dissertationsschrift dar. Ursprünglich als Arbeit über Kants transzendentale Dialektik angelegt zeigte sich alsbald das Potential zur Lösung einer viel umfassenderen Problemstellung. Obgleich daher der Analyse der dialektischen Vernunft gewissermaßen eine Schlüsselfunktion zukommt, trat diese hinter dem neuen Anliegen zurück, ausgehend von Kants Begriff der Funktion im Zusammenhang mit dem Grundproblem der Erkenntnis die zwei großen Fragen der kantischen Philosophie zu beantworten: Erstens: Ist die Urteilstafel beweisbar vollständig? Zweitens: Gibt es eine Möglichkeit die Affektion durch das Ding an sich im Rahmen des kritischen Standpunktes konsistent denken zu können? Bei der Beantwortung beider Fragen war die Einsicht leitend, dass sie, da sie auf das Herz des kantischen Systems zielen, nicht en passant beantwortet werden können, sondern nur auf Basis einer grundständigen Interpretation der Kritik der reinen Vernunft, welche die metaphysische sowie die transzendentale Deduktion der Kategorien als auch die der Ideen einschließt. Dass eine solche Arbeit nicht ohne den Zuspruch und die Hilfe Anderer entstehen konnte, versteht sich von selbst. An erster Stelle gebührt mein Dank natürlich meinem Doktorvater Prof. Dr. Walter Mesch sowie dem Zweitgutachter der Dissertation Prof. Dr. Klaus Blesenkemper. Des Weiteren danke ich meinen guten Freunden und Mitgliedern des privaten Studienkreises zur kantischen Philosophie Dr. Carl-Gerhard Crummenerl, Fabian Völker M. A., Dr. Ingo Marthaler, Dr. Antonio Gimenez, Sebastian Konietzko M. A., Jan Tiekenheinrich StR. und Gerolf Kebernik B. A. Ebenfalls gilt mein Dank den Mitgliedern der „Internationalen Gesellschaft für Transzendentalphilosophie e. V.“ Dr. Michael Gerten und Dr. Kai Gregor für die anregenden Gespräche im gemeinsamen Bemühen um die Philosophie Kants und Fichtes. Einen besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. Helmut Girndt für sein unterstützendes Interesse an dieser Arbeit sowie Herrn Martin Wilmer B. A. Für ihre Geduld während des Schreibprozesses sowie die aufwendige Korrektur des Manuskriptes bin ich nicht zuletzt meiner Frau Nora zu größter Dankbarkeit verpflichtet. Dass mein alter Lehrer und Freund Franz-Josef Nettelnbreker die Drucklegung dieser Schrift nicht mehr erleben konnte, erfüllt mich mit großem Bedauern. Martin J. F. Bunte Münster, den 31.03. 2015
Einleitung. Kants System der Erkenntnis Die Dualität von Subjekt und Objekt bildet das Grunddatum aller Erkenntnis.¹ Dieses epistemische Grundverhältnis, in welchem sich das Subjekt erkennend auf das Objekt als Gegenstand bezieht,² ist einerseits in jeder Erkenntnissituation immer schon vorfindlich, andererseits ist der Philosophie die Einsicht in den Grund seiner Möglichkeit als Aufgabe gesetzt. Die Erhellung der ursprünglichen, dualen Erkenntnissituation bildet daher den eigentlichen Inhalt der Epistemologie. Ihre Aufgabe besteht dementsprechend nicht darin, über das Ob der Erkenntnis zu befinden, denn dieses setzt sie immer schon voraus, sondern nach ihrem Wie und Was zu fragen.³ Zwei weitere Bestimmungen sind Gegenstand der wissenschaftlichen Reflexion auf das immer schon gegebene duale Erkenntnisverhältnis von Erkennendem und Erkanntem: Erstens die Relation von Subjekt und Objekt hinsichtlich der Frage nach Modus und Bedeutung des Erkennens. Dabei sind die zwei Hinsichten des Begriffes des Erkennens zu berücksichtigen: Zum einen kann Erkennen passivisch – „etwas wird erkannt“ – zum anderen aktivisch verstanden werden – „etwas, respektive jemand erkennt“. Diese doppelte Hinsicht des Begriffes entspricht der Amphibolie der Erkenntnisrelation. Einerseits muss sich das Subjekt als dasjenige, welches zu erkennen sucht, aktiv dem Objekt zuwenden, andererseits muss sich das Objekt, welches sich zu erkennen gibt, dem Subjekt als Gegenstand darbieten. Vom Blickwinkel des Objektes aus kehrt sich das Verhältnis von Aktivität und Passivität im Prozess des Erkennens jedoch um. So muss das von der Perspektive des Subjekts aus gesehene, passive Sichdarbieten des Objektes als
Dies gilt auch für nicht-duale Erkenntnistheorien, welche die letztliche Identität von Subjekt und Objekt annehmen, da auch diese ihren Ausgang vom ursprünglichen Befund der Dualität der Erkenntnissituation nehmen. Wartenberg liefert eine treffende Beschreibung des epistemischen Grundverhältnisses: „Jede Erkenntnisthätigkeit richtet sich auf einen Gegenstand; sie ist eine ideale Beziehung zwischen dem erkennenden Subjekt und einem Objekt, welches dem ersteren als etwas Selbstständiges, dessen Willkür Entzogenes, d. h. in seiner besonderen Natur von diesem nur Anzuerkennendes, gegenübersteht, und sie vollendet sich in einem Urteil,welches vom erkennenden Subjekt über die bestimmte Beschaffenheit des betreffenden Objekts mit dem Bewusstsein der Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit gefällt wird, d. h. mit dem Bewusstsein, dass über den Gegenstand, auf welchen die Erkenntnis sich jeweilig richtet, nur so und nicht anders geurteilt werden muss, und dass alle erkennenden Subjekte über den selben Gegenstand in der selben Weise urteilen müssen.“ Wartenberg (), S. f. Cf. Rickert (), S. .
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Gegenstand von diesem her als Aktivität gedacht werden.⁴ Das Objekt muss, um für das Subjekt Gegenstand werden zu können, auf das Subjekt eine Wirkung ausüben, d. h. dieses affizieren. Die Tätigkeit des Subjektes, sich auf den Gegenstand erkennend zu beziehen, ist ebenso vom Objekt aus gesehen ein Erleiden, insofern dieses durch das Subjekt als Objekt bestimmt wird. So setzt beispielsweise die Tätigkeit des Sehens einerseits die aktive, bewusste Zuwendung des Betrachters zum Gesehenen voraus. Das Gesehene bildet hier das sich dem Sehen bloß Darbietende. Andererseits nötigt das Gesehene dem Sehenden seine Ansicht, qua seiner Eigenschaft Licht zu emittieren oder zu reflektieren, auf. Das Sehen erscheint so als passive Aufnahme eines gegebenen Eindrucks. Der zweite epistemologische Grundbegriff bezieht sich auf das Ziel des Erkennens, i. e. die Erkenntnis selbst. Erkenntnis im eigentlichen Sinne schließt den Begriff der Wahrheit mit ein; sowohl in formaler, als auch materialer Hinsicht. Die formale Seite bezieht sich auf die Bestimmung des Verhältnisses von Subjekt und Objekt in der wahren Erkenntnis gemäß dem Grundsatz der adaequatio intellectus ad rem.⁵ Mit dem korrespondenztheoretischen Prinzip der Erkenntnis ist zwar ein allgemeines und auch notwendiges Kriterium der Wahrheit gefunden, jedoch qualifiziert sich dieses nicht eo ipso zu einem hinreichenden. So setzt jede Erkenntnisbemühung im Prinzip den formalen Grundsatz immer schon voraus, ohne dass durch diesen schon die Wahrheit einer Erkenntnis ermittelt würde.⁶ Für die Bestimmung einer Erkenntnis ist daher die Angabe eines hinreichenden Kriteriums ihrer Wahrheit weit wesentlicher. Anders als das notwendige kann dieses jedoch nicht in der Form der Übereinstimmung wahrer Erkenntnis mit
Die Wechselseitigkeit von Aktivität und Passivität findet sich bereits bei Descartes in Rückgriff auf Aristoteles (Phys, III, ; b; S. ff.): „Et pour commencer, je conſidere que tout ce qui ſe fait ou qui arrive de nouveau, eſt generalement appellé par les Philoſophes une Paſſion au regard du ſujet auquel il arrive, & une Action au regard de celuy qui fait qu’il arrive. En forte que, bien que l’agent & le patient ſoient ſouvent fort differens, l’Action & la Paſſion ne laiſſent pas d’eſtre tousjours une meſme choſe, qui a ces deux noms, à raiſon des deux divers ſujets auſquels on la peut raporter.“ „Jedoch, um zu beginnen, stelle ich fest, daß alles, was geschieht oder sich ereignet, allgemein von den Philosophen ein Leiden genannt wird in Hinsicht auf dasjenige, das macht, daß es geschieht; dergestalt daß, obgleich das Tätige und das Leiden nicht aufhören immer ein und dieselbe Sache zu sein, die diese zwei Namen hat aufgrund der zwei verschiedenen Gegenstände, auf die man sie beziehen kann.“ LDS, AT, XI, ; S. f. Dieser Grundsatz ist als formaler aufzufassen, sofern der Erkenntnisgegenstand in der Bestimmung durch die von ihm ausgesagte Eigenschaft das Subjekt eines prädikativen Urteils bildet. Die formale Voraussetzung der wahren Erkenntnis stellt daher die logische Verbindungsmöglichkeit, mithin Widerspruchsfreiheit von Prädikat und Subjekt im Begriff des Gegenstandes dar. Bezüglich des formallogischen Wahrheitskriteriums als notwendiger Bedingung wahrer Erkenntnis. Cf. Wagner (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. .
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ihrem Gegenstand gefunden werden. Ein hinreichendes Wahrheitskriterium muss sich daher auf den Inhalt der Erkenntnis selbst, genauer auf die Übereinstimmung des Vorstellungsinhalts des Begriffes mit den Gegenstandseigenschaften beziehen. Ein solches materiales Wahrheitskriterium, welches dabei im Gegensatz zum formalen eine positive, d. h. verifizierende Funktion haben soll, kann jedoch niemals gleichzeitig allgemeine Gültigkeit besitzen.⁷ Wenn Wahrheit in der Übereinstimmung einer Erkenntnis mit ihrem Gegenstande besteht, so muß dadurch dieser Gegenstand von andern unterschieden werden; denn eine Erkenntnis ist falsch, wenn sie mit dem Gegenstande, worauf sie bezogen wird, nicht übereinstimmt, ob sie gleich etwas enthält, was wohl von andern Gegenständen gelten könnte. Nun würde ein allgemeines Kriterium der Wahrheit dasjenige sein, welches von allen Erkenntnissen, ohne Unterschied ihrer Gegenstände, gültig wäre. Es ist aber klar, daß, da man bei demselben von allem Inhalt der Erkenntnis (Beziehung auf ihr Objekt) abstrahiert, und Wahrheit gerade diesen Inhalt angeht, es ganz unmöglich und ungereimt sei, nach einem Merkmale der Wahrheit dieses Inhalts der Erkenntnisse zu fragen, und daß also ein hinreichendes, und doch zugleich allgemeines Kennzeichen der Wahrheit unmöglich angegeben werden könne. Da wir oben schon den Inhalt einer Erkenntnis die Materie derselben genannt haben, so wird man sagen müssen: von der Wahrheit der Erkenntnis der Materie nach läßt sich kein allgemeines Kennzeichen verlangen, weil es in sich selbst widersprechend ist.⁸
Das Argument lässt sich logisch rekonstruieren: (1) Erkenntnis ist genau dann wahr, wenn ihr Inhalt, i. e. die Summe der im Begriff synthetisierten Teilvorstellungen, mit den objektiven Merkmalen des Gegenstandes übereinstimmt. (2) Wenn Gegenstände unterschiedliche Merkmale, respektive Eigenschaften aufweisen, sind sie materialiter verschieden. (3) Soll es jedoch ein allgemeines Wahrheitskriterium geben, so muss dieses ausnahmslos von allen Gegenständen gelten. (4) Nun spezifiziert sich die wahre Erkenntnis gemäß den Eigenschaften ihres Gegenstandes, ergo kann es, anders als das formale, kein materiales Wahrheitskriterium geben, welches gleichzeitig allgemein ist. Zur Diskussion der formalen und materialen Wahrheit in der Kantforschung cf. Natterer (), S. ff., Zum formalen Kriterium cf. außerdem Scheffer (), S. ff. Scheffer (op. cit, S. 62) weist zu Recht darauf hin, dass Kant die Kategorien als Kriterien wahrer Erkenntnis ausweist, sofern diese „zur Wahrheit, d. i. der Übereinstimmung unserer Begriffe mit dem Objekte führen“ KrV, A 642 | B 670; S. 708. Dies muss jedoch dahingehend relativiert werden, dass dieses „führen“ auf die Kategorien nur als Bedingung der Möglichkeit wahrer Erkenntnis, d. h. als notwendiges, nicht als hinreichendes Wahrheitskriterium verweist. Da die Kategorien jedoch gleichzeitig erkenntniskonstitutiv sind, stellen sie keine bloß formal-notwendigen, sondern material-notwendigen Bedingungen wahrer Erkenntnis dar. KrV, A f. | B ; S. f.
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Einleitung. Kants System der Erkenntnis
Trotz der Abweisung eines allgemeinen, hinreichenden Wahrheitskriteriums, welches anders als das formale nicht bloß negativ, sondern auch positiv verwandt werden kann, hat dies nicht zur Folge, dass die Wissenschaft in Gänze die Vorstellung der Wahrheit ihrer Sätze und Begriffe aufzugeben hätte. Allein sie kann diese nicht voraussetzen. Erkenntnisse werden in der Wissenschaft nicht durch einfaches Ableiten aus Grundsätzen gewonnen, sondern durch ein konstruktivsynthetisierendes Verfahren, dessen falsifikatorische Instanz die Erfahrung darstellt. Für Kant ist es daher wesentlich, den synthetischen, d. h. erkenntniserweiternden Charakter wissenschaftlicher Aussagen zu betonen:⁹ Nun ist hieraus klar: 1) daß durch analytische Urteile unsere Erkenntnis gar nicht erweitert werde, sondern der Begriff, den ich schon habe, aus einander gesetzt, und mir selbst verständlich gemacht werde. 2) daß bei synthetischen Urteilen ich außer dem Begriffe des Subjekts noch etwas anderes (X) haben müsse, worauf sich der Verstand stützt, um ein Prädikat, das in jenem Begriffe nicht liegt, doch als dazugehörig zu erkennen.¹⁰
Die Wissenschaft strebt vielmehr danach, ihre Erkenntnislücken aufzufüllen, um ein epistemisches Kontinuum der vollständigen Bestimmung aller Gegenstände durch ihre Begriffe zu schaffen: „Denn dieses X ist die vollständige Erfahrung von dem Gegenstande, den ich durch einen Begriff A denke, welcher nur einen Teil dieser Erfahrung ausmacht.“¹¹ Die Vollständigkeit der empirischen Erkenntnis bildet letztlich das Ziel der Wissenschaft. Die Idee der Erfahrungstotalität als Erkenntnisideal kann sich zwar nicht zu einem allgemeinen Wahrheitskriterium qualifizieren, sofern ihre Vorstellung in individuo keinen erfahrbaren Gegenstand abbildet, ihr Begriff definiert jedoch das Ziel allen wissenschaftlichen Forschens, i. e. die Idee des systematischen, d. h. nicht bloß aggregativen Zusammenhanges aller Erkenntnis. Die Systematizität und Totalität der Erkenntnis als vollständige Erfassung und Erfüllung aller objektiven Bestimmungsrücksichten, i. e. die inhaltliche Übereinstimmung der im Begriff synthetisierten Vorstellungen mit den Gegenstandsmerkmalen, ist daher nicht im Sinne eines konstitutiv zu gebrauchenden Kriteriums auf die Erfahrungsgegenstände anzuwenden. Andernfalls hieße dies einen Gegenstand bereits allein durch seinen Begriff denkend in der Anschauung erfassen zu können. Der Begriff eines Gegenstandes ist daher nur auf die Vorstellung seiner Totalität hin als erweiterbar zu denken.
Dieser schließt nach Kant bekanntlich ebenfalls die „reinen Wissenschaften“, wie beispielsweise die Mathematik mit ein. Ob die Mathematik jedoch als apriorische Wissenschaft synthetische Aussagen enthält, ist Gegenstand einer lebhaften Forschungsdiskussion gewesen, welche bis heute anhält. Cf. Höffe (), S. f. KrV, A f.; S. . KrV, A ; S. .
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Aus dem bisher Erörterten ergeben sich für die Bestimmung eines Wahrheitskriteriums je zwei Qualifikationen, formal oder material, mit jeweils zwei Möglichkeiten, hinreichend oder notwendig. Aus dieser vollständigen Disjunktion lassen sich so vier mögliche Kriterien folgern, welche sich alle in der Kritik der reinen Vernunft wiederfinden: Wahrheitskriterium formal notwendig
material hinreichend
Übereinstimmung Übereinstimmung mit den mit dem Begriff formalen Gesetzen des des GegenstanDenkens des
notwendig
hinreichend
Übereinstimmung mit den materialen Gesetzen des Denkens
Übereinstimmung mit der Totalität des Gegenstandes
Dem formal-notwendigen Wahrheitskriterium ist in einem Urteil dann entsprochen, wenn sich sein Inhalt auf die durch den Begriff analytisch ausgesagte Teilvorstellung richtet und damit der logischen Bedingung des ausgeschlossenen Widerspruchs genügt. So wird ein Teller dann richtig als kreisförmig erkannt, wenn die Eigenschaft des Kreises, i. e. die Konstanz des Halbmessers, augenscheinlich auf die Form des Tischgeschirres übertragen werden kann. Wichtig ist hierbei, dass die erkannte Eigenschaft in der Prädikation „x ist ein Kreis“ nicht eine begrifflich kontingente ist. Das im bloß formalen Prinzip der Adäquation ausgesagte Kriterium bezieht sich nicht auf den kontingenten Inhalt der Vorstellung des Einzelgegenstandes, sondern jederzeit auf die Form seines Begriffes. Das formale Prinzip der Übereinstimmung ist demnach ein vornehmlich logisches: Was aber das Erkenntnis der bloßen Form nach (mit Beiseitesetzung alles Inhalts) betrifft, so ist eben so klar: daß eine Logik, so fern sie die allgemeinen und notwendigen Regeln des Verstandes vorträgt, eben in diesen Regeln Kriterien der Wahrheit darlegen müsse. Denn,was diesen widerspricht, ist falsch, weil der Verstand dabei seinen allgemeinen Regeln des Denkens, mithin sich selbst widerstreitet. Diese Kriterien aber betreffen nur die Form der Wahrheit, d. i. des Denkens überhaupt, und sind so fern ganz richtig, aber nicht hinreichend. Denn obgleich eine Erkenntnis der logischen Form völlig gemäß sein möchte, d. i. sich selbst nicht widerspräche, so kann sie doch noch immer dem Gegenstande widersprechen. Also ist das bloß logische Kriterium der Wahrheit, nämlich die Übereinstimmung einer Erkenntnis mit den allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zwar die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit: weiter aber kann die Logik nicht gehen, und den Irrtum, der nicht die Form, sondern den Inhalt trifft, kann die Logik durch keinen Probierstein entdecken.¹²
KrV, A f. | B f.; S. .
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Im Gegensatz zum formal-notwendigen findet sich das formal-hinreichende Wahrheitskriterium nur in den Wissenschaften, in denen der Rekurs auf die bloße Form einer Erkenntnis hinreichend ist, ihre Wahrheit zu verbürgen. Das formalhinreichende Wahrheitskriterium gilt daher nur für diejenige Erkenntnis aus Begriffen, deren Gegenstand wir selbst in der Anschauung konstruiert haben, so wie die der Geometrie und Arithmetik.¹³ Die Mathematik gibt uns ein glänzendes Beispiel, wie weit wir es, unabhängig von der Erfahrung, in der Erkenntnis a priori bringen können.¹⁴
Wesentlich für die Transzendentalphilosophie Kants als wissenschaftstheoretisches Fundierungsprogramm ist die Möglichkeit der Angabe eines material-notwendigen Wahrheitskriteriums. Allein durch dieses sind a priori synthetische Urteile in den Wissenschaften überhaupt erst möglich. So muss nach Kant jedes Urteil über eine mögliche Erfahrung deren Übereinstimmung mit der kategorialen
Zur Erkenntnis in der Mathematik cf. Nobel (). KrV, A | B ; S. . Ähnliches sagt Kant an einer späteren Stelle der Kritik, wo er mathematische und philosophische Erkenntnis unterscheidet: „Die Mathematik gibt das glänzendste Beispiel, einer sich, ohne Beihülfe der Erfahrung, von selbst glücklich erweiternden reinen Vernunft. Beispiele sind ansteckend, vornehmlich für dasselbe Vermögen, welches sich natürlicherweise schmeichelt, eben dasselbe Glück in anderen Fällen zu haben,welches ihm in einem Falle zu Teil worden. Daher hofft reine Vernunft, im transzendentalen Gebrauche sich eben so glücklich und gründlich erweitern zu können, als es ihr im mathematischen gelungen ist, wenn sie vornehmlich dieselbe Methode dort anwendet, die hier von so augenscheinlichem Nutzen gewesen ist. Es liegt uns also viel daran, zu wissen: ob die Methode, zur apodiktischen Gewißheit zu gelangen, die man in der letzteren Wissenschaft mathematisch nennt, mit derjenigen einerlei sei, womit man eben dieselbe Gewißheit in der Philosophie sucht, und die daselbst dogmatisch genannt werden müßte. Die philosophische Erkenntnis ist die Vernunfterkenntnis aus Begriffen, die mathematische aus der Konstruktion der Begriffe. Einen Begriff aber konstruieren, heißt: die ihm korrespondierende Anschauung a priori darstellen. Zur Konstruktion eines Begriffs wird also eine nicht empirische Anschauung erfordert, die folglich, als Anschauung, ein einzelnes Objekt ist, aber nichts destoweniger, als die Konstruktion eines Begriffs (einer allgemeinen Vorstellung), Allgemeingültigkeit für alle mögliche Anschauungen, die unter denselben Begriff gehören, in der Vorstellung ausdrücken muß. So konstruiere ich einen Triangel, indem ich den diesem Begriffe entsprechenden Gegenstand, entweder durch bloße Einbildung, in der reinen, oder nach derselben auch auf dem Papier, in der empirischen Anschauung, beidemal aber völlig a priori, ohne das Muster dazu aus irgend einer Erfahrung geborgt zu haben, darstelle. Die einzelne hingezeichnete Figur ist empirisch, und dient gleichwohl, den Begriff, unbeschadet seiner Allgemeinheit, auszudrücken, weil bei dieser empirischen Anschauung immer nur auf die Handlung der Konstruktion des Begriffs, welchem viele Bestimmungen, z. E. der Größe, der Seiten und der Winkel, ganz gleichgültig sind, gesehen, und also von diesen Verschiedenheiten, die den Begriff des Triangels nicht verändern, abstrahiert wird.“ KrV, A 712 f. | B 741 f.; S. 763 f.
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Verstandesstruktur prätendieren.¹⁵ Da die Kategorien als reine Verstandesbegriffe einen Anschauungsbezug a priori vindizieren, bilden sie, anders als die bloß logischen Funktionen des Verstandes, nicht nur formal-, sondern auch materiallogische Grundsätze.¹⁶ Die Unmöglichkeit eines material-hinreichenden Wahrheitskriteriums wurde bereits oben diskutiert. Es wird sich jedoch zeigen, dass diesem in Gestalt des transzendentalen Ideals aufgrund seines regulativen Gebrauchs in der Anleitung des Verstandesgebrauchs eine wesentliche Funktion im Theoriegebäude Kants zukommt.¹⁷ Ausgehend von der bisherigen Analyse des epistemischen Grundverhältnisses lassen sich vier Grundbegriffe ausmachen, deren Aufklärung jeder Epistemologie zur Aufgabe vorgelegt ist: Erstens der Begriff des Subjektes, zweitens der des Objektes, drittens die Erkenntnis ermöglichende Relation von Subjekt und Objekt und viertens die systematische Einheit der Erkenntnis. Die Erfüllung dieser Aufgabe wird durch die kritische Philosophie einerseits erst ermöglicht, andererseits zusätzlich erschwert. So unterscheidet Kant den transzendentalen Grund der Erfahrungsmöglichkeit, welcher die für sich genommen unerkennbare, obgleich notwendige Bedingung aller Erkenntnis darstellt, von dem durch diesen ermöglichten empirischen Erkenntnisgegenstand. Dies wirft Folgeprobleme auf, die es zu klären gilt. Anhand eines Schemas lässt sich dies verdeutlichen:
Scheffer ist im Grundsatz durchaus zuzustimmen, wenn er die Kritik der reinen Vernunft als den Versuch der Aufstellung eines allgemeinen Wahrheitskriteriums und als Beweis von dessen Gültigkeit interpretiert (cf. Scheffer (), S. .), sofern die Kritik nach den apriorischen Bedingungen der Erkenntnis, ihren Grenzen und dem Begriff ihrer Vollständigkeit fragt. Cf. Kap. ... Cf. Kap. ...
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Abb. 1: Kants System der Erkenntnis im Überblick
Nach Kant sind das empirische Subjekt und Objekt (S, O) von ihren transzendentalen Gegenstücken (S’, O’) zu unterscheiden. Letztere sind in dem Sinne transzendental zu nennen, als dass sie zwar einerseits erfahrungsermöglichend, jedoch andererseits gleichzeitig erfahrungsübersteigend sind. Der Bereich möglicher Erfahrung, welcher in der Idee die systematische Einheit aller Erfahrungsmöglichkeiten (Σ) ausmacht, ist daher auf die empirische Sphäre beschränkt. Aus dieser Konstellation von Erfahrungsgegenstand und nichterfahrbarem Erfahrungsgrund ergibt sich letztlich das zu klärende Grundproblem des kritischen Idealismus, welches sich in der Frage zusammenfassen lässt: Wie kann das Transzendente transzendentale Bedeutung besitzen?¹⁸ Mit diesem ursprünglichen Grundproblem ist ein Aufgabenkomplex verbunden, der eine Interpretation, die auf das Ganze des kantischen Systems zielt, der Reihe nach zu beantworten hat. Die erste Frage betrifft die Möglichkeit der Erkenntnis eines Gegenstandes überhaupt. Wie kann das transzendentale Objekt zum Gegenstand der Erkenntnis werden, wenn dieses außerhalb der Sphäre möglicher Gegenstände liegt? Ist die Annahme eines transzendentalen Gegenstandes überhaupt notwendig oder stellt
Ein ähnlicher Problemaufriss findet sich bei Rickert (), S. : „Eine Untersuchung, die sich mit dem Transzendenten in der Weise beschäftigt, daß sie seine Bedeutung für die Objektivität der Erkenntnis untersucht oder nach den transzendenten Gegenständen als letzten Maßstäben der Erkenntnis fragt, nennen wir transzendental, und deshalb ist die vom Transzendenzproblem ausgehende Philosophie des Erkennens am besten als Transzendentalphilosophie zu bezeichnen.“
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diese nicht vielmehr eine überflüssige Verdopplung der Gegenstände dar? Um sich der Beantwortung der Frage nach Sinn und Bedeutung des transzendentalen Gegenstandes annähern zu können, muss zuallererst geklärt werden, was Kant unter dem Begriff des „Erkennens“ versteht. Erkennen heißt in erster Linie, Begriff und Anschauung in einem Urteil zu verbinden. Dieses Urteilen meint in dem Fall jedoch kein bloß logisches Prädizieren von Begriffen, sondern ein reales Bestimmen von Gegenständen und deren Eigenschaften. Erkennen ist daher nichts anderes als die Synthesis von Wahrnehmung zu den Gegenständen der Erfahrung nach den objektiven Gesetzen des Verstandes. Hierin liegt der Grund, dass Kant im obersten Grundsatz aller synthetischen Urteile die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung, i. e. der empirischen Erkenntnis, mit den Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung identifizieren kann.¹⁹ Damit also der transzendentale Gegenstand erkannt,²⁰ d. h. durch die Denktätigkeit des Subjekts zur Einheit einer Vorstellung gebracht werden kann, muss dieser vor aller Denktätigkeit dem Subjekt als erkenntnisfunktional bestimmbarer Gegenstand in der Anschauung schon gegeben sein.²¹ Dass dies der Fall ist, zeigt Kant in der transzendentalen Ästhetik, indem er feststellt, dass Raum und Zeit als Anschauungsformen vor jeder Anschauung eines einzelnen Gegenstandes notwendig als Grund derselben vorhergehen müssen.²² Mit der Situierung des Gegenstandes in Raum und Zeit als Bedingung der Möglichkeit seiner Erkennbarkeit durch die Bestimmungstätigkeit des Subjektes ist die zweite Frage verbunden: Worin bestehen die ursprünglichen Handlungen des Subjektes im Erkenntnisprozess und welches sind ihre Regeln? An diese Frage schließt sich ein Folgeproblem an: Wie werden aus den bloß subjektiven Regeln, respektive Funktionen des Denkens (F), objektive Funktionen der Bestimmungen der Gegenstände? Die Antwort auf diese, für die transzendentale Logik entscheidende Frage, soll die sogenannte metaphysische Deduktion der Paragraphen 9 – 12 der Kritik der reinen Vernunft liefern. Dort stellt Kant die Tafel der subjektiven Funktionen des Denkens und die Tafel der transzendentalen Grundbegriffe, Cf. KrV, A ; S. . und KrV, A | B ; S. . Erkennen ist hier im emphatischen Sinne als Erkenntniserweiterung durch Gegenstandsbestimmung zu verstehen. Dies schließt sowohl Denken als auch Anschauen mit ein. Der Gegenstand ist damit in erster Linie Grund und Aufgabe des Erkenntnisprozesses. Diese vorfindliche Stellung des Gegenstandes gilt es transzendental zu reflektieren, d. h. die Möglichkeitsbedingungen des Bestimmens einzusehen. Liebrucks (), S. spricht in Anschluss an Praus (), S. davon, dass „wir mit den Mitteln der formalen Logik immer schon in einer gedeuteten Welt leben.“ Dies lässt sich insofern auf die formalen Bedingungen der Anschauungen erweitern, sofern uns „Welt“ als Gegenstand ohne die Anschauungsformen nicht begegnen könnte. Cf. KrV, A | B f.; S. . und KrV, A | B ; S. .
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i. e. die Urteils- und Kategorientafel, einander gegenüber. Obgleich Kant dabei ihre Konkordanz fordert, zeigt er jedoch nirgends, wie die Kategorien aus den Urteilsformen im Einzelnen zu gewinnen sind. Die Aufgabe der Interpretation muss dementsprechend darin bestehen zu demonstrieren, wie eine solche Ableitung gelingen kann.²³ Es wird dabei zu zeigen sein, dass die Kategorien als Funktionen sowohl einen subjektiven, als auch objektiven Teil besitzen (FS,O), welche dem Subjekt die Bestimmungsmöglichkeit des Objektes eröffnen.²⁴ Mit der Bestimmung der Funktionen des Denkens ist wiederum eine zweiteilige Frage verbunden: Erstens, woher stammen die Funktionen; zweitens, sind diese aus ihrem Ursprung vollständig ableitbar?²⁵ Dass die Funktionen subjektiven Ursprungs sein müssen, ist aus der transzendentalphilosophischen Grundperspektive unmittelbar klar. Die Regeln, nach denen sich die Wahrnehmungen zur Erfahrung zusammensetzen, sind Begriffe und haben als solche ihren Ursprung in der Spontaneität des transzendentalen Subjektes als Wirkung auf das Empirische. Da die spontane Verstandestätigkeit nur die Verbindungsformen, nicht die Materie der Erkenntnis liefert, muss zusätzlich zu dieser die rezeptive Sinnlichkeit hinzukommen. Dies bedeutet für die Interpretation vier weitere zu klärende Verhältnisse: 1. Wie kann das Verhältnis (α) des transzendentalen Objektes zum transzendentalen Subjekt als Affektion gedacht werden? 2. Wie kann das Verhältnis (β) des transzendentalen zum empirischen Subjekt als Selbstaffektion gedacht werden? 3. Wie kann die notwendige Korrelation von Affektion (α) und Selbstaffektion (β) plausibel gemacht werden? 4. Wie kann das nicht-orientierte Verhältnis (γ) von transzendentalem und empirischem Objekt vorgestellt werden? Im Folgenden wird im losen Durchgang durch die Kritik der reinen Vernunft versucht werden, Kants System der Erkenntnis zu rekonstruieren.²⁶ Dabei steht die Es besteht durchaus ein Dissens in der Kantforschung über die Möglichkeit einer solchen Ableitung. Cf. Schwyzer (), S. ff. Da die logischen Funktionen in den Urteilen die Basis für die Kategorialität des Verstandes bilden, stellen diese die eigentliche Tiefenstruktur des Denkens und der Wahrnehmung dar. Anders als Visser () dies meint, müssen die „organischen und psychischen Bedingungen der Denkfunktionen“ (op. cit., S. ) daher als empirische Nebenbedingungen betrachtet werden, was deren Impakt auf die Rationalität jedoch nicht in Abrede stellt. Cf. KrV, A | B ; S. . In der Frage der Rekonstruktion der kantischen Philosophie unter dem Gesichtspunkt ihrer Einheit schließen wir uns der Interpretationshaltung Grayeffs an: „Was wir zugrunde legen, ist nur die Einheit überhaupt des Kantischen Systems, und dabei stützen wir uns auf Kants oft wieder-
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Leitthese im Zentrum, dass sich in den Funktionen des Denkens die dreigliedrige, epistemische Grundstruktur von Subjekt, Objekt und systematischer Einheit widerspiegelt, aufgrund deren „ihre Tafel vollständig sei, und sie das ganze Feld des reinen Verstandes gänzlich ausfüllen.“²⁷ Da die Urteils-, respektive Kategorientafel den gründenden Mittelpunkt der gesamten Architektur von Kants kritischem System bildet, ist die Frage ihrer Vollständigkeit unmittelbar mit der Rechtfertigungsfähigkeit der Transzendentalphilosophie als Wissenschaft verknüpft.²⁸ Folglich muss die Antwort auf das Vollständigkeitsproblem gleichzeitig die transzendentalen Zusammenhänge des Erkenntnissystems offenbaren. Nun kann diese Vollständigkeit einer Wissenschaft nicht auf den Überschlag, eines bloß durch Versuche zu Stande gebrachten Aggregats, mit Zuverlässigkeit angenommen werden; daher ist sie nur vermittelst einer Idee des Ganzen der Verstandeserkenntnis a priori und durch die daraus bestimmte Abteilung der Begriffe, welche sie ausmachen, mithin nur durch ihren Zusammenhang in einem System möglich.²⁹
Ausgehend von der Leitthese der Verbindung der epistemischen Grundsituierung mit den Funktionstafeln bildet die Diskussion von Kants Begriff der Funktion den Beginn der Untersuchung. Danach wird deren subjektiver Ursprung und zuletzt deren objektive Anwendung zu diskutieren sein: Im ersten Kapitel wird die Frage nach dem Ursprung der Kategorien aus den Funktionen zu Urteilen erörtert. Im zweiten Kapitel werden die elementaren Denkfunktionen, die in der Urteilstafel niedergelegt sind, aus einem ursprünglichen Prinzip abgeleitet. Es wird gezeigt, dass sich die Urteilstafel erstens aus der Apperzeption ableiten lässt und zweitens deren Vollständigkeit bewiesen werden kann. Den Schlüssel zum Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel bildet dabei die Prinzipienstruktur der Tafel selbst, welche das ursprüngliche, epistemische Grundverhältnis abbildet. Im dritten Kapitel wird zuletzt die Art des Gegebenseins des Objektes auf seine transzendentalen Grundlagen hin analysiert. Dabei wird die Vollständigkeit der Urteilstafel ein weiteres Mal beleuchtet. Hernach muss die Frage nach der Mög-
holte eigene Äußerungen wie auf die innere Wahrscheinlichkeit einer solchen Auffassung.“ Grayeff (), S. . „So liegt also jeder Interpretation eine Vorstellung der Vernunft als zusammenhängenden Denkens zugrunde, jedenfalls in einem jeden abgeschlossenen Teile eines Werkes, jedenfalls dem Streben nach.“ op. cit. S. . KrV, A | B ; S. . Gisela Lorenz’ These der konstitutiven Bedeutung der Kategorientafel für Kants Systemarchitektur (cf. Lorenz (), S. ) wird sich dementsprechend durch die Aufweisung der inhärenten Struktur der Tafel bestätigen. Cf. KrV, A f. | B ; S. .
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Einleitung. Kants System der Erkenntnis
lichkeit des Gegebenseins selbst diskutiert werden, welche das sogenannte Affektionsproblem betrifft, das es im Sinne Kants zu lösen gilt. Als letztes muss die Möglichkeit des Gegenstandes selbst thematisiert werden. Hierbei führt das Problem des offenen Verhältnisses des Dinges an sich zum Erfahrungsgegenstand zur Frage nach der Einheit der empirischen Erkenntnis. Erst danach kann entschieden werden, ob Kants System der Erkenntnis vollständig, respektive in sich geschlossen ist.
Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis Das System der Kategorien bildet gemeinsam mit der Lehre von der Idealität der Anschauungsformen die Grundlage für Kants gesamte Philosophie der Erkenntnis. Umso schwerer wiegt es, dass gerade über dieses Kernstück der Transzendentalphilosophie innerhalb der Kantforschung größte Uneinigkeit herrscht.¹ Die Ursache hiervon sind bestimmte Interpretationsschwierigkeiten, welche insbesondere mit der Frage einer adäquaten Auslegung der sogenannten metaphysischen Deduktion verbunden sind. Dort versucht Kant die Kategorien, welche die Elementarbegriffe des reinen Verstandes darstellen, am Leitfaden der Urteilstafel aufzufinden. Er spricht in diesem Zusammenhang von der „Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe“². Entdeckung muss hier im literalen Sinne als „EntDeckung“, d. h. als Aufklärung über die wesentliche Struktur des Verstandes begriffen werden. Die Auffindung dieser Elementarbegriffe sei bisher allenfalls zufällig gelungen. Dies gilt beispielsweise für Aristoteles, der nach Kant die Kategorien bloß „aufraffte“³, d. h. ohne Regel, gleichsam zufällig, auf gewisse Stammbegriffe des Verstandes gestoßen sei. Das willkürliche Zusammenbringen verschiedener, für grundlegend gehaltener Prinzipien ist jedoch unverträglich mit dem wissenschaftlichen Fundierungsanspruch der Philosophie. Die Stammbegriffe des Verstandes müssen daher nach einem Prinzip aufgefunden werden.⁴ Dieses Prinzip ist nach Kant in der Verstandeshandlung des Urteilens zu finden. Um aber ein solches Prinzip auszufinden, sah ich mich nach einer Verstandeshandlung um, die alle übrigen enthält und sich nur durch verschiedene Modifikationen oder Momente unterscheidet, das Mannigfaltige der Vorstellung unter die Einheit des Denkens überhaupt zu bringen, und da fand ich, diese Verstandeshandlung bestehe im Urteilen.⁵
Aus der Verstandeshandlung des Urteilens, welche die Vorstellungen unter die Einheit des Denkens bringen soll, ist so gleichzeitig das System des Verstandes zu gewinnen. Die vollständige Tafel aller Kategorien ließe sich also dann finden, wenn alle Verstandesfunktionen aufgefunden werden können.
Einen Überblick über die Diskussion der kantischen Kategorienlehre liefern Lorenz (), S. ff. und Natterer (), S. f. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . cf. Proleg. AA IV, ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. Proleg. AA IV, ; S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Hier lag nun schon fertige, obgleich noch nicht ganz von Mängeln freie Arbeit der Logiker vor mir, dadurch ich in den Stand gesetzt wurde, eine vollständige Tafel reiner Verstandesfunktionen, die aber in Ansehung alles Objektes unbestimmt waren, darzustellen.⁶
Zwei große Fragen sind mit dieser Methode Kants verbunden. Die erste Frage, ist die berühmt-berüchtigte Frage nach der Vollständigkeit der Urteilstafel. Wie kann Kant sichergehen, dass er alle Funktionen des Verstandes vollständig auflistet? Die Antwort, welche er im zweiten Teil des Zitates zu geben scheint, nämlich dass die Tafel der Urteilsfunktionen bereits bei den Logikern seiner Zeit vorfindlich war und nur gewisser Korrekturen bedurfte, scheint mit dem eigenen Anspruch, die Kategorien aus einem Prinzip herzuleiten, im Widerspruch zu stehen, wie bereits früh gesehen wurde. Obgleich der Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel im Rahmen einer genetischen Deduktion⁷ der Kategorien erst Gegenstand des nächsten Kapitels sein wird, sei jedoch an dieser Stelle bereits auf zweierlei verwiesen: Erstens bezeichnet die Urteilshandlung nicht selbst das Prinzip, sondern wird von Kant nur als Mittel der „Ausfindung“ desselben ausgemacht.⁸ So bezieht sich die Urteilshandlung auf die „Einheit des Denkens“, indem sie Vorstellungen unter diese bringt. Das Prinzip ist also nicht in der Urteilshandlung selbst zu suchen, sondern in dem Bezug, den diese auf die Einheit des Denkens hat. Wie noch zu zeigen sein wird, weist die Einheit des Denkens eine Struktur auf, welche das Urteilen in Bezug auf dieselbe erst ermöglicht. Die Urteilsfunktionen können demnach abgeleitet werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Einheitsstruktur des Denkens und die Struktur der Urteilstafel in einem genetischen Verhältnis zu einander stehen. Der zweite Hinweis auf die Vollständigkeit der Urteilstafel steckt im Begriff des „Prinzips“ selbst. Kant scheint den Begriff nur im allgemein gebräuchlichen Sinne zu verwenden, i. e. als Ursprung oder Grund. Tatsächlich deutet sich jedoch hier bereits eine engere und theoretisch aufgeladene Bedeutung des Prinzipienbegriffs an, sofern sich Prinzipien nach Kant als Metaregeln auf die Einheit des Regelgebrauchs überhaupt beziehen.⁹ Wenn also
Proleg. AA IV, f.; S. . Metz (), S. f., Anm. , vertritt in historischem Vorgriff auf Fichte die These, dass Kant zwar noch nicht selbst eine vollständige Genetisierung der Kategorien vorgenommen habe, seine Kategoriendeduktion jedoch gleichwohl nicht bloß faktisch sei. Ihr ließe sich vielmehr „die präzise Mitte zwischen beiden Denktypen zusprechen.“ Metz’ Auffassung ist bezüglich der transzendentalen Deduktion nicht inkorrekt, übersieht jedoch die Möglichkeit, die bloßen, d. h. unschematisierten Kategorien als logische Funktionen der kognitiven Selbstbestimmung wiederum als deren Momente aufzufassen und so zu genetisieren. Dieses wesentliche Detail ist offenbar Gisela Lorenz entgangen,welche die Verstandeshandlung mit dem Prinzip identifiziert, cf. Lorenz (), S. . Cf. Kap. ...
Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
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nachgewiesen werden kann, dass die Einheit des Denkens eine notwendige Prinzipieneinheit darstellt, welche identisch ist mit der Tafel der Urteilsfunktionen, dann kann deren Vollständigkeit als bewiesen gelten.¹⁰ Zum Zwecke der gegenwärtigen Untersuchung muss diese Frage jedoch vorerst zur Seite geschoben werden. Der zweiten Frage, deren Beantwortung dieses Kapitel gewidmet ist, wurde zwar im Laufe der Philosophiegeschichte eine weit geringere Aufmerksamkeit zuteil, sie ist jedoch von der gleichen systematischen Bedeutsamkeit,¹¹ wie die Frage der Vollständigkeit der Urteilstafel: Wie werden aus den logischen Funktionen die reinen Begriffe des Verstandes? Aufgrund der Schwierigkeit dieser Ableitung gab und gibt es eine starke Strömung in der Kantforschung, welche die Ableitbarkeit der Kategorien aus den Urteilsformen gänzlich in Abrede stellt.¹² Ehrenberg¹³ unterscheidet in diesem Zusammenhang drei Standpunkte bezüglich der Möglichkeiten einer Deduktion der Kategorien: Erstens „die Ableitung aus den Urteilsformen“¹⁴, welche Ehrenberg zufolge mit der eigentlichen Position Kants identisch sei; zweitens die Ableitung „aus der transzendentalen Apperzeption“¹⁵ als dem Standpunkt Fichtes¹⁶ und drittens „die aus den Grundsätzen“¹⁷, i. e. die Position des Neukantianismus,
Ein solcher Vorgriff auf die Prinzipientheorie findet sich schon in § der Kritik der reinen Vernunft, wo Kant die „Transzendentalphilosophie der Alten“ (KrV, B ; S. ) diskutiert, deren Begriffe jedoch „falsch gedolmetscht“ (ibid.) seien. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Transzendentalie des „unum“ als qualitative Einheit, i. e. „Einheit des Begriffes“ (KrV, B ; S. ) zu. Die Bedeutung der Transzendentalien für die Urteilstafel hebt Baumanns (), S. , richtigerweise hervor: „Die Transzendentalien konstituieren das Logische, den systematischen Zusammenhang der logischen Funktionen und der logischen Vermögen.“ Tonelli (), S. , bezeichnet sie als eine der „traditionellen Hauptfragen der Kantforschung.“ Ihre Bedeutung im Lichte der Interpretationsgeschichte betont ebenfalls Lorenz (), S. ff. Mainzer (), S. , hält diese Frage für „ein typisches Scheinproblem der Kant-Interpreten.“ Mit Blick auf das kantische Begründungsprogramm eines Systems der Transzendentalphilosophie handelt es sich jedoch durchaus nicht um ein Scheinproblem, sondern um eine zentrale Frage. Cf. Ehrenberg (), S. . Ehrenberg (), S. . Ehrenberg (), S. . Wie in Kapitel .. zu zeigen sein wird, widersprechen sich die Standpunkte eins und zwei nur hinsichtlich ihrer Ableitungsebene. Ehrenberg (), S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
namentlich die Cohens und Stadlers.¹⁸ Schulthess betont ebenfalls die eminente Bedeutung der Frage der metaphysischen Deduktion: Es ist eine der umstrittensten Fragen der Kant-Forschung, ob Kant die Kategorientafel von der Tafel der Grundsätze oder von der Urteilstafel her aufgefunden habe. Diese Frage ist entscheidend für die Interpretation der Transzendental-Philosophie. Geht man davon aus, daß etwa die Analogien der Erfahrung die Newtonschen Prinzipien der Mechanik zur Vorlage haben, so gewinnt der Titel ’Transzendental-Philosophie’ – wie etwa bei Cohen – eine wissenschaftstheoretische Bedeutung.¹⁹ Geht man hingegen von der Urteilstafel aus bei der Festlegung der Kategorien, so versucht man die Transzendental-Philosophie als Ontologie des Subjektes zu verstehen.²⁰
Neben den Versuchen, die Kategorien aus den transzendentalen Grundsätzen und nicht aus den Urteilsformen abzuleiten, gibt es Interpreten, welche die Argumentationsrichtung Kants umkehren, sodass nicht die Kategorien aus den Urteilsformen zu gewinnen sind, sondern umgekehrt.²¹ Diese Auffassung ist aus demselben Grund zurückzuweisen, wie die Interpretation Cohens.²² Vuillemin²³ dagegen versucht nicht nur die Urteilstafel, sondern die gesamte Logik Kants von der Kategorientafel, respektive von der kritischen Philosophie her zu verstehen.²⁴ Heimsoeths historischer Ansatz, nach dem in „Wahrheit [] alle zwölf Kategorien Kants, samt ihren Obertiteln, dem Denker durch sein ganzes Leben gegenwärtig [sind] als Prägungen der überlieferten Ontologie, samt den darauf
Diese Aufzählung ließe sich um eine vierte Position ergänzen, i. e. die Ableitung der Kategorien aus den Reflexionsbegriffen, wie sie Johannes Heinrichs versucht, wobei er jedoch den Boden der kantischen Philosophie, namentlich den des kantischen Kategoriensystems verlässt, cf. Heinrichs (). Gurwitsch nimmt in der Frage, ob die Kritik der reinen Vernunft eine „Theorie des Geistes“ oder eine wissenschaftstheoretische Begründung der Newtonsche Physik sei, eine mittlere Position ein, welche unserer Ansicht nach die philosophische Absicht der Kritik der reinen Vernunft treffend zusammenfasst: „Selbst wenn man nicht, wie es die Marburger Neu-Kantische Schule getan hat, die Kritik der reinen Vernunft ausschließlich als Theorie der mathematischen Naturwissenschaft auffasst […], sondern in ihr vor allem eine Theorie des Geistes sieht, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß eine der vornehmsten Aufgaben dieser Theorie des Geistes eben darin besteht, die Newtonsche Naturwissenschaft zu begründen, sie ihrer Möglichkeit nach verständlich zu machen, und damit eine definite Rechtfertigung ihrer Geltung zu geben.“ Gurwitsch (), S. f. Schulthess (), S. . Zu Schulthess cf. Brandt (), S. f. So beispielsweise Sickenberger (), Steckelmacher (), S. ff., Hauck (), S. , Tonelli (), S. , Malter (), S. und Freudinger (), S. . Einen ähnlichen Einwand formuliert Krüger (), S. . Cf. Vuillemin (). Op. cit. S. .
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Bezug nehmenden Bereichen der Metaphysica specialis“²⁵, erscheint ebenfalls ungeeignet, das Problem der Kategoriendeduktion zu lösen. So ist nach Heimsoeth die metaphysische Deduktion nur eine Frage der richtigen „Auswahl“²⁶ bestimmter Begriffe aus einem schon vorhandenen Kanon. Selbst wenn der Begriff der „Auswahl“, welchen Heimsoeth in Anschluss an Delekat²⁷ verwendet, historisch zutreffend ist, so bleibt jedoch die philosophisch interessante Frage nach einem geeigneten Auswahlkriterium. Dieses kann jedoch nichts anderes sein als das gesuchte Prinzip, aus dem Kant seine Tafel der logischen und diskursiven Elementarfunktionen gewinnt. Das Auswahlkriterium kann daher selbst nicht wiederum historisch, sondern nur systematisch begründet werden. Jeglicher Versuch, die Urteils- respektive Kategorientafel (allein) aus der historischen Kontingenz zu begreifen, läuft darauf hinaus, die Tafel selbst als kontingent anzusehen. Eine solche Interpretation kastriert sich jedoch von vornherein selbst, indem sie sich einerseits des Mittels, i. e. die Methode einer systematischen Rekonstruktion des kantischen Arguments, andererseits auch ihres eigenen Zieles beraubt, nämlich Kant vom Standpunkt seines Systems aus zu verstehen. Die Interpretation der Urteils- und Kategorientafel muss daher in erster Linie von innen heraus geführt werden, indem ihre inhärente Logik zum Vorschein gebracht wird. Der historische Zugang kann demgegenüber nur äußerlich bleiben. Unserer Ansicht nach besteht trotz aller Schwierigkeiten, welche mit dem Ableitungsprogramm der metaphysischen Deduktion verbunden sind, nicht der geringste Zweifel daran, dass Kant mit der metaphysischen Deduktion eine Begründungsabsicht der Kategorien verfolgt.²⁸ Eben diese betont auch Wagner: „Der gesamte Inhalt der ’Kategorientafel’ (sogar mit einem Vollständigkeitsanspruch) wird in der ’metaphysischen Deduktion’ der Kategorien aus der Formallogik der Urteilsverhältnisse gewonnen.“²⁹ Alle Interpretationsansätze dagegen, welche die metaphysische Deduktion der Kategorien aus den formalen Funkionen umkehren, oder die Grundsätze an
Heimsoeth (), S. . Heimsoeth (), S. . Cf. Delekat (), S. . Ebenso geht Dryer (), S. von einem Ableitungsverhältnis von Urteilsformen und Kategorien aus: „The question with which it is confronted is simply what justification there is for using of objects any concepts which are derived from logical functions of judgement […].“ Dyer geht jedoch in der Annahme fehl, dass die Ableitung der Kategorien ein Ableitungsverhältnis von kategorialen Begriffen aus Verbindungsbegriffen darstellt: „categorial concepts are derived from connective concepts“ (op. cit. S. ). Die sogenannten Urteilsformen, so wurde gezeigt, sind noch keine Begriffe, sondern bloße Funktionen, sofern sie als Begriffe eine Anschauung als Bezugspunkt haben müssten. Wagner (), S. . Ebenso auch Rotenstreich (), S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
den Anfang stellen möchten, lassen Kants eigene Ausführung zur Gewinnung der Kategorien im Lichte einer Art didaktischer Täuschung erscheinen, welche jedoch mit Kants strengem Anspruch, was die Bedeutung der eigenen Systemarchitektur angeht, konfligiert. In den Prolegomena gibt Kant auf die Frage nach dem Ursprung der Kategorien folgende Antwort: Ich bezog endlich diese Funktionen zu urteilen auf Objekte überhaupt, oder vielmehr auf die Bedingung, Urteile als objektiv-gültig zu bestimmen, und es entsprangen reine Verstandesbegriffe, bei denen ich außer Zweifel sein konnte, daß gerade nur diese und ihrer nur soviel, nicht mehr noch weniger, unsere ganze Erkenntnis der Dinge aus bloßem Verstande ausmachen können. Ich nannte sie billig nach ihrem alten Namen Kategorien […].³⁰
Die Schwierigkeit der Ableitung resultiert aus zweierlei: Erstens ist der Begriff der logischen Funktion in Urteilen unklar. Die zweite Schwierigkeit, welche eng mit der ersten verbunden ist, betrifft die scheinbar unbewiesene Behauptung Kants: „Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedruckt, der reine Verstandesbegriff heißt.“³¹ Malzkorn weist richtig darauf hin, dass diese „Identitätsbehauptung“³², zumindest in der metaphysischen Deduktion von Kant nur thetisch versichert ist.³³ Im Prinzip ist der Schlussfolgerung Malzkorns zuzustimmen, dass der Beweis der Identitätsbehauptung erst mit Nachweis des kategorialen Gegenstandsbezuges in der transzendentalen Synthesis geleistet wird, jedoch weist auch dort Kant nicht im Einzelnen nach, wie der Übergang von logischer Funktion zur Kategorie gelingt. Es müsste eine Art transzendentalen Algorithmus geben, nach dem jede Kategorie aus der jeweiligen Urteilsfunktion gebildet werden könnte. Dass ein solcher Algorithmus sehr wohl angegeben werden kann, dafür jedoch nicht nur die transzendentale Deduktion, sondern auch das Schematismuskapitel herangezogen werden muss, ist zentrale Aufgabe der Untersuchung innerhalb dieses Kapitels. Die Aufgabe der Ableitung der Kategorien aus den logischen Funktionen zu Urteilen setzt dabei die Beantwortung verschiedener Teilschwierigkeiten voraus:
Proleg. AA IV, ; S. . KrV, A | B , S. . Malzkorn (), S. . Auch Lorenz sieht das Zuordnungsproblem von Funktion und Kategorie unzureichend gelöst, erweitert dieses jedoch um den Zusammenhang von Kategorie, Schema und Grundsatz. Cf. Lorenz (), S. ff., f.
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1. Was versteht Kant unter dem Begriff „Funktion“? Obgleich Kant eine Definition des Funktionsbegriffes gibt, ist dessen Einordnung bis heute strittig, was vornehmlich auf Kants eigene, scheinbar inkonsistente Verwendung des Begriffes zurückzuführen ist. Aufgabe der Interpretation muss es daher sein, den Begriff der Funktion in Bezug auf seine Bedeutungsvarietät zu erläutern und diese in einem System zur Einheit zu bringen. Die zweite Interpretationsschwierigkeit betrifft die Begriffs- und gleichzeitige Funktionsnatur der Kategorien. Als Begriffe müssen diese einen Anschauungsinhalt aufweisen. Da Anschauungen aber generell auf Affektion beruhen, d. h. der Rezeptivität der Sinnlichkeit, die Kategorien jedoch ihren Ursprung gänzlich in der spontanen Tätigkeit des Verstandes haben sollen, konfligiert die Begriffsnatur zum einen mit der Theorie ihres Ursprungs in der reinen Verstandestätigkeit, zum anderen mit ihrer Aufgabe als Funktionen, die Verknüpfung der Wahrnehmungen zu Erfahrungen zu ermöglichen. Dementsprechend betrifft die Interpretationsaufgabe einerseits die Durchsichtigmachung der Doppelnatur der Kategorien, was die Angabe einer definitorischen Erklärung derselben erfordert, andererseits führt sie auf die Frage nach ihrem Anschauungsinhalt. Diese Aufgabe kann in Form einer Frage auch folgendermaßen formuliert werden: 2. Wie können Kategorien Funktionen und Begriffe sein? Da Kant die mit den Kategorien verknüpfte Anschauung mit den transzendentalen Schemata identifiziert, führt dies unmittelbar auf die Frage der adäquaten Interpretation derselben. 3. Was sind die Schemata der Kategorien? Wie gezeigt werden wird, sind die Schemata ebenfalls Funktionen, jedoch keine logisch-idealen, sondern figural-reale. Trotz dieser Differenz wird darüber hinaus einsichtig gemacht, dass diese hinsichtlich der Einheit des Verstandes identisch sind mit den logischen Funktionen. Die vierte Frage bezieht sich letztlich auf die Verbindung von Ideal- und Realfunktion in der Kategorie. 4. Wie werden die Kategorien aus den Urteilsformen gebildet? Es wird dabei bewiesen werden, dass sich die Kategorien modallogisch aus den Urteilsformen ableiten lassen. Mit diesem Nachweis ist die Aufgabe der metaphysischen Deduktion abgeschlossen, sodass als nächstes die Frage zu klären ist,
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
ob die logischen Funktionen selbst ableitbar sind. Dies wird den Übergang zum zweiten Kapitel bilden.
1.1 Die Idealfunktionen des reinen Verstandes Gegenstand dieses Gliederungsabschnittes bilden die Funktionen und Handlungen des Verstandes als Urteilsvermögen. Den Schwerpunkt der Interpretation wird dabei der Funktionsbegriff bilden.³⁴ Es wird zu zeigen sein, dass sowohl der Begriff der Funktion als auch der Begriff der logischen Verstandeshandlung nur vor dem Hintergrund ihrer Beschaffenheit als bestimmungs-logische Operatoren, respektive Operationen der Begriffsbildung zu verstehen sind. Kants verschiedentlicher Gebrauch des Funktionsterminus wird dabei als sachangemessen, seine verschiedenen Interpretationen innerhalb der Kantforschung als je teilrichtig erwiesen.
1.1.1 Reiner Verstand und bloße Verstandesform Der Argumentationsgang der Kritik der reinen Vernunft hebt von den äußeren Bestimmungen des erkenntnisfunktionalen Objektes als transzendental bestimmbarem Gegenstand in Raum und Zeit an, um seinen „höchste(n) Punkt“³⁵ in der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption zu gewinnen.³⁶ Dieser Gang der Argumentation führt dabei notwendig über die Diskussion des Funktionsinventars des menschlichen Geistes als eines endlichen Verstandes. Kant weist in der transzendentalen Ästhetik nach, dass Raum und Zeit als subjektive Anschauungsformen die „Affektibilitätsarten“³⁷ des rezeptiven Erkenntnisstammes darstellen. Die Affektion durch das transzendentale Objekt wird notwendig als raum-zeitliches Affiziertsein des erkenntnisfunktionalen Subjektes
Leiber (), S. , beschreibt das kantische Programm der transzendentalen Logik treffend als „eine funktionalistische Analyse und Beschreibung der informationsverarbeitenden Prozesse des kognitiven Systems Mensch.“ Eine ähnliche Ansicht findet sich bereits bei Krausser (), S. f. Obgleich diese kybernetische Interpretation nicht gänzlich unzutreffend ist, darf die transzendentalphilosophische Analyse nicht als anthropologische oder gar psychologistische missverstanden werden. Sie ist im strengen Sinne eine logische, sofern sie eine theoretische Reflexion auf die Geltungsbedingungen des Denkens selbst darstellt. KrV, B ; S. . Zum Interpretationsgang der Kritik der reinen Vernunft cf. Baumanns (), S. ff. Baumanns (), S. .
1.1 Die Idealfunktionen des reinen Verstandes
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erwiesen.³⁸ Mit dieser Hereinnahme des Objektes in die Erkenntnis- und Bestimmungssphäre des Subjektes wird der transzendentale Gegenstand zum Erkenntnisobjekt in der Empfindung. Die Anschauungsformen ermöglichen dabei als Bedingungen der Möglichkeit infinit limitierbarer spatialer und temporaler Extensionalität die präkategoriale Empfindung als Mannigfaltigkeit in der Anschauung.³⁹ Damit aus dem so gewonnenen Empfindungsmaterial, welches durch Raum und Zeit in seiner ungeordneten Vielheit erst möglich wird, nun Wahrnehmung werden kann, ist es notwendig, dieses im empirischen Bewusstsein zu einer Einheit zu synthetisieren. Die raum-zeitlichen Affektibilitätsformen als Möglichkeitsbedingungen der Vielheit fordern also gerade durch ihren Einschränkbarkeitscharakter die Einheitsfunktionen als „quantifizierende Einschränkungsarten“⁴⁰ in ihrem ursprünglichen Sinne als „Ur-Teile“⁴¹ zum Komplement.⁴² Es ist daher wesentlich zu sehen, dass die zwei Erkenntnisstämme trotz ihrer Heteronomie in ihrem Verhältnis auf die Möglichkeitsbedingungen der Erkenntnis korreliert sind. Ergo stehen die mit ihnen verbundenen Erkenntnisgründe, Affektion und Funktion, in einem Verweisungszusammenhang, in dem Rezeptivität und Spontaneität durch ihre jeweiligen Formen miteinander verknüpft sind.⁴³ Gleichwohl gilt es, die Möglichkeit der Verbindung im Ganzen sowie die Notwendigkeit der einzelnen Verknüpfungen von Denk- und Anschauungsform im Besonderen transzendental-deduktiv einsichtig zu machen. Die Doppelnatur der Erkenntnis als Synthese von Anschauung und Begriff spiegelt sich in der inhärenten Struktur des Subjektes als passives, d. h. selbst- und fremdaffektibeles Subjekt⁴⁴ auf der einen und spontanes, d. h. autonomes und
Wie Affektion als solche möglich ist, bleibt noch unausgesprochen, sofern die Bezugnahme auf diese in der transzendentalen Ästhetik bloß in dem Verweis auf ihre Assertion als Erkenntnisnotwendigkeit besteht. Unserer Ansicht nach reicht es dennoch nicht aus, die Notwendigkeit einer primordialen „Empfindungskausalität“ einfach zu postulieren (cf. Baumanns (), S. ), sondern diese muss zumindest von der Möglichkeit ihres Begriffes her einsichtig gemacht werden. Dass dies auf Basis des kantischen Textes gelingen kann, wird in Kapitel .. demonstriert werden. Cf. Kap. ... Die Analogie zum Begriffspaar ἄπειρον und πέρας liegt nahe. Baumanns (), S. . Die Einheit von transzendentaler Ästhetik und Analytik im System der Transzendentalphilosophie betont ebenfalls Grayeff (), S. : „So ist offenbar, daß das Kantische System einheitlich ist und daß Kant nichts anderes lehrt, als daß das Bewußtsein, indem es sich selbst bestimmt, zugleich Zeit und Raum bestimmt und somit das geordnete Bild der Erscheinungen spontan hervorbringt.“ Cf. Baumanns (), S. . Eine Diskussion der sogenannten Selbstaffektion und ihrer Erklärung wird erst im Kapitel .. geleistet werden können.
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
heautonomes Subjekt auf der anderen Seite wider. Beide Vermögen der Rezeptivität und Spontaneität, i. e. Sinnlichkeit und Verstand, sind sowohl hinsichtlich ihres Charakters als Vermögen bestimmter Vorstellungen, nämlich Anschauungen und Begriffe, als auch hinsichtlich ihres Grundes irreduzibel, obgleich sie sich komplementär zueinander verhalten. Alle Anschauungen, als sinnlich, beruhen auf Affektionen, die Begriffe also auf Funktionen.⁴⁵
Das komplementäre Verhältnis der beiden Erkenntnisgründe schließt damit zum einen eine Doppelbestimmung der Vorstellung als einer intellektuellen Anschauung⁴⁶ oder eines intuitiven Begriffes aus. Gleichzeitig impliziert die komplementäre Relation ein korrelatives Abhängigkeitsverhältnis, welches im Erfahrungszusammenhang bei Setzung des einen, gleichzeitig die Setzung des anderen fordert.⁴⁷ Affektion, sofern sie den Grund der Anschauung bildet, und Funktion, sofern sie den Grund der Begriffe darstellt,⁴⁸ sind also in jeder Erkenntnis miteinander verbunden.⁴⁹ Gerade der für Kant so zentrale Begriff der Funktion ist ausgesprochen schillernd, was zu einigen Kontroversen innerhalb der Kantforschung geführt hat. Dies liegt vornehmlich an der Mehrdeutigkeit von Kants Definition des Funktionsbegriffes sowie den daraus resultierenden, scheinbar verschiedenen Verwendungsweisen in Bezug zum anderen Zentralbegriff des Urteils. Ich verstehe aber unter Funktion die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen. Begriffe gründen sich also auf der Spontaneität des Denkens, wie sinnliche Anschauungen auf der Rezeptivität der Eindrücke.⁵⁰
KrV, A | B ; S. . Der Begriff der „intellektuellen Anschauung“ ist hier natürlich im kantischen Sinne aufzufassen als Fähigkeit eines archetypischen Intellekts. Jedes Vermögen für sich genommen benötigt das andere dennoch auf keine Weise. Cf. KrV, A f. | B ; S. . Hoeppner hat mit seiner Annahme einer „Grund-Folge-Relation“ von Funktion und Begriff und der daraus resultierenden Unterscheidung recht. Daraus folgt jedoch nicht, dass Funktionen für sich genommen bereits „Akte der Begriffsbildung“ im Sinne der Jäsche-Logik darstellen, cf. Hoeppner (), S. .Vielmehr beruhen die Begriffe auf Funktionen, sofern die Funktionen die Begriffsbildung ermöglichen. Dies gilt in gewissem Sinne auch für die nicht-empirische Erkenntnis, beispielsweise die reine Mathematik. Diese setzt zumindest die Selbstaffektion als Bestimmung des empirischen Ichs hinsichtlich seiner reinen Anschauung voraus (cf. Kap. ..). Umgekehrt erweist sich dabei der Verstand gleichzeitig als Realisat der Sinnlichkeit, cf. KrV, A | B , S. . KrV, A | B , S. .
1.1 Die Idealfunktionen des reinen Verstandes
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Was ist also unter dem Terminus „Einheit der Handlung“ zu verstehen? Schon eine rein semantische Überlegung lässt drei Möglichkeiten zu: Einmal kann sich der Begriff der Einheit attributiv auf den der Handlung beziehen.⁵¹ Die Funktion wird dann als diejenige Einheit verstanden, welche in der Handlung zu finden ist. Als solche bezeichnet sie die Regel der mentalen Urteilstätigkeit.⁵² Zweitens kann sie als das Resultat der Urteilshandlung aufgefasst werden.⁵³ Unter dem Begriff der Funktion wird dann diejenige Einheit gefasst, welche durch die Handlung erst hervorgebracht wird. Die Funktion kann damit letztlich mit dem Ziel der Handlung identifiziert werden, i. e. mit der durch sie generierten Ordnung, respektive Form einer diskursiven Vorstellung. ⁵⁴ Als dritte Möglichkeit kann die Funktion als Handlungseinheit verstanden,⁵⁵ d. h. als die unter einer Regel stehende Handlung selbst.⁵⁶ Auf den ersten Blick scheinen die drei Deutungen des Begriffes nicht miteinander vereinbar zu sein, so dass es notwendig wäre, sich für eine der drei Möglichkeiten zu entscheiden. Dagegen spricht jedoch Kants eigene Verwendung des Funktionsbegriffes. So ist bereits Paton aufgefallen, dass Kant den Begriff der Funktion in allen drei Bedeutungen in Bezug auf die Urteilshandlung verwendet:
Cf. Hoeppner (), S. . Diese These vertritt beispielsweise Longuenesse: „How can we relate the present formulation: ’“function of unity,“ with that „unity of the act“ (A | B ) by means of which Kant defined earlier „functions“ themselves? I suggest that „function of unity“ (Funktionen der Einheit) should be understood as „functions bringing unity into…“.“ Longuenesse (), S. . Ebenso Aportone: „Es lässt sich festhalten, daß Kant in der Urteilstafel die Grundfunktionen der Urteilshandlung, welche die Erkenntnis von Gegenständen und Sachverhalten bestimmt, darzustellen beabsichtigt.“ Aportone (2009), S. 207. Cf. Hoeppner (), S. f. Cf. Jäsche-Logik, AA IX, . Hoeppner scheint mit seinem Begriff der Funktion als „Typus einer mentalen Aktivität“ diese Lesart zu präferieren: „Eine Funktion ist demnach nicht als eine bestimmte Eigenschaft mentaler Aktivität zu verstehen, sondern als eine [sic] Typ mentaler Aktivität“ Hoeppner (), S. . In dieser Verwendung des Funktionsbegriffes eröffnet sich eine interessante Perspektive auf Lorenzens Zentralbegriff der Protologik, i. e. der schematischen Operation: „Wir wollen allgemein jedes Handeln, das sich nach irgendwelchen Regeln, nach einem festen Schema, vollzieht, ein schematisches Operieren nennen. Mit dem schematischen Operieren sind wir jetzt bei dem Ansatzpunkt der Protologik. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei vorweg bemerkt, daß keineswegs jede schematische Operation als eine protologische bezeichnet werden soll. Wenn eine Mauer gebaut wird, wird auch schematisch operiert, da ja die Steine nach einem Schema aufeinandergesetzt werden. Dies hat mit Logik jedoch nichts zu tun. Wir befinden uns aber sofort auf dem Wege zur Logik, wenn wir das schematische Operieren zum Gegenstand unserer weiteren Untersuchungen nehmen.“ Lorenzen (/), S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
(1) [] functions of unity are to be found in judgements; (2) [] judgements are functions of unity; and (3) [] a function is the unity of an act which (I believe) is judgement.⁵⁷
Hierbei stehen der Interpretation prinzipiell zwei Wege offen, auf diesen Befund zu reagieren: Die erste und leichtere Möglichkeit besteht darin, einfach anzunehmen, dass Kant sich selbst über den richtigen Gebrauch seines eigenen Begriffes im Unklaren war. Diese Interpretation müsste jedoch in Kauf nehmen, dass einer der zentralen Begriffe Kants damit eine Ambivalenz aufweist. Die andere Möglichkeit besteht darin, die scheinbare Ambivalenz des Funktionsbegriffes als notwendig und sachgerecht zu erweisen; eine ungleich schwerere Aufgabe, deren Lösung jedoch für die Frage nach der Konsistenz der kantischen Erkenntnistheorie unentbehrlich ist. Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt darin, die Art und Weise zu untersuchen, wie sich die Funktion auf die Handlung beziehen kann, um diese zur Einheit zu bringen. Diese Beziehung der Funktion auf die Handlung kann nun keine andere sein als eine Bestimmung der Handlung. Damit ist klar, dass die Beziehung der Funktion auf die Urteilstätigkeit notwendig auf den dreifachen Gebrauch des Funktionsbegriffes führt (vgl. Abbildung 2):
Abb. 2: Schematische Darstellung des bestimmungslogischen Zusammenhanges der Dimensionen des Funktionsbegriffes
Paton (), I, S. .
1.1 Die Idealfunktionen des reinen Verstandes
1.
2.
3.
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Die Handlung muss durch die Funktion als bestimmbar gedacht werden. Die Vorstellung der Bestimmbarkeit der Handlung bedingt notwendig die Vorstellung, dass die Funktion sich als Regel auf diese bezieht.⁵⁸ Die Handlung muss durch die Funktion als bestimmend gedacht werden. Das Bestimmende der Handlung durch die Funktion verweist auf ihren Handlungscharakter. Die Funktion ist auch Handlung, sofern sie im Denkakt als Modus desselben präsent ist.⁵⁹ Die Handlung muss durch die Funktion als bestimmt gedacht werden.
Die Funktion als Bestimmung der Handlung bildet notwendig die dritte Dimension der Funktion, i. e. die durch die Funktion in der Handlung hergestellte Einheit. Alle drei Dimensionen des Funktionsbegriffes sind bestimmungslogisch notwendig miteinander verknüpft. Sie können daher auch nicht getrennt werden, da alle drei Verwendungen sich gegenseitig logisch fordern.⁶⁰ Die Unterscheidung von Funktion und Form⁶¹, also der im Urteil realisierten Einheit, wie sie beispielsweise Peter Schulthess⁶² und Michael Wolff⁶³ vorschlagen, aberriert damit den ursprünglichen Sinn des kantischen Funktionsbegriffes.⁶⁴ Die Funktion kann also als eine Regel definiert werden, (1) welche als Modus einer auf ein gegebenes Vorstel-
Wie Prien richtig sieht, versteht Kant unter dem Begriff der Regel die Gesetzmäßigkeit einer Handlung, cf. Prien (), S. . In den Prolegomena bezeichnet Kant die Momente auch als Modifikationen der Urteilshandlung, cf. Proleg. AA IV, ; S. . Eine ähnliche Struktur findet sich bereits im Titel der Kritik der reinen Vernunft. So wird die Vernunft erstens als durch die Kritik bestimmt gedacht, sofern sie Gegenstand der Kritik ist; zweitens als bestimmend, sofern die Vernunft selbst kritisch ist und drittens muss die Kritik selbst als das Ergebnis der bestimmenden Selbstkritik der Vernunft gedacht werden. Von systematischem Interesse ist die bestimmungslogische Triadik ebenfalls für die praktische Philosophie. So lässt sich mit ihr eine Perspektive auf eine adäquate Interpretation des sogenannten „Faktums der Vernunft“ (KpV, A 56; AA IV, 55; S. 36) entwickeln. Statt, wie in den bisherigen Interpretationsversuchen, den Genitiv entweder als genitivus objektivus – cf. Beck (1960/61), S. 279 – oder als genitivus subjetivus – cf. Schöndorf (1995), S. 185 – zu verstehen, lässt sich dem Problem des „Faktums“ bestimmungslogisch begegnen: Erstens bezeichnet das Faktum der Vernunft eine Bestimmung des Willens; zweitens muss der Wille als bestimmend durch das Faktum gedacht werden und drittens bildet das Faktum selbst diese Bestimmung des Willens. Cf. Malzkorn (), S. . Cf. Schulthess (), S. . Cf. Wolff (), S. ff. Gegen Wolff cf. auch Baumanns (), S. f.
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lungsmaterial angewandten Bestimmungshandlung (2) dieses zu einer dieser Regel gemäßen formalen Einheit im Denken bringt (3).⁶⁵ Die Ansicht Priens⁶⁶, dass Kant unter der Funktion als Einheit der Handlung nur die Subsumtionshandlung versteht, ist aus zwei Gründen abzulehnen: Zum einen aus der generellen Verfehlung des Funktionsbegriffes; zum anderen setzt nach Kant jede Subsumtion schon den Verstand als Regelvermögen und damit die Regel, nach der zu subsumieren ist, bereits voraus. Subsumieren kann die Urteilskraft also nur dann, wenn ihr durch den Verstand bereits Regeln vorgegeben sind, nach denen sie subsumieren kann. Wenn der Verstand überhaupt als das Vermögen der Regeln erklärt wird, so ist Urteilskraft das Vermögen, unter Regeln zu subsumieren, d. i. zu unterscheiden, ob etwas unter einer gegebenen [Hervorhebung, M. B.] Regel (casus datae legis) stehe, oder nicht. Die allgemeine Logik enthält gar keine Vorschriften für die Urteilskraft, und kann sie auch nicht enthalten. Denn da sie von allem Inhalte der Erkenntnis abstrahiert: so bleibt ihr nichts übrig, als das Geschäfte, die bloße Form der Erkenntnis in Begriffen, Urteilen und Schlüssen analytisch auseinander zu setzen, und dadurch formale Regeln [=Funktionen, M. B.] alles Verstandesgebrauchs zu Stande zu bringen. Wollte sie nun allgemein zeigen, wie man unter diese Regeln subsumieren, d. i. unterscheiden sollte, ob etwas darunter stehe oder nicht, so könnte dieses nicht anders, als wieder durch eine Regel geschehen. Diese aber erfordert eben darum, weil sie eine Regel ist, aufs neue eine Unterweisung der Urteilskraft, und so zeigt sich, daß zwar der Verstand einer Belehrung und Ausrüstung durch Regeln fähig, Urteilskraft aber ein besonderes Talent sei, welches gar nicht belehrt, sondern nur geübt sein will.⁶⁷
Der ähnliche Vorschlag Hoeppners, die Funktion nicht als spezifizierte, sondern als komplexe Aktivität, entsprechend den Handlungen der Begriffsbildung im Sinne der drei in der Jäsche-Logik gelisteten Tätigkeiten der Komparation, Reflexion und Abstraktion zu verstehen,⁶⁸ verfängt daher in doppelter Hinsicht nicht: Erstens ignoriert seine exklusivistische Interpretation die zwei anderen stets mitpräsenten Dimensionen des Funktionsbegriffes. Zweitens ist es gerade die Spezifikation der Urteils- als Bestimmungshandlung, welche die besondere Funktion ausmacht.⁶⁹ Die Funktion ist nichts weniger als eine komplexe Hand-
Priens hat daher unrecht, wenn er meint, dass Kant mit dem Begriff der „Einheit der Handlung“ keine allgemeine Definition des Funktionsbegriffes vorlegt, sondern nur eine kontextuelle Angabe einer „ganz bestimmten Funktion“ (Prien (), S, ). Prien (), S. . KrV, A f. | B f.; S. f. Cf. Hoeppner (), S. . Hierauf wies bereits Natorp (), S. f. hin: „Übrigens verdient beachtet zu werden, daß Kant von seiner vielgestaltigen Synthesis als das Ursprünglichere und überhaupt Ursprüngliche die „synthetische Einheit“ (Einheit der Synthesis, das heißt was ihr Einheit gibt) unterscheidet, die
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lung.Vielmehr stellen die Funktionen die Elementarmodi des Denkens dar, welche die komplexen Einheitsbestimmungen der Anschauungsmannigfaltigkeit durch die Begriffe, respektive auch die Bildung derselben erst ermöglichen. Der § 6 der Logik nach Jäsche⁷⁰, welchen Hoeppner als Beweis für seine These der Funktion als komplexer Handlung anführt, belegt daher geradezu das Gegenteil seiner Annahme. So ist die von ihm gewählte Zuordnung der Tätigkeiten des Verstandes in der logischen Begriffsbildung – Komparation, Reflexion und Abstraktion – als Qualität, Quantität und Relation zwar durchaus zutreffend⁷¹, jedoch setzen gerade diese die Bestimmung der Handlung durch die Elementarfunktionen voraus. Bereits Vuillemin⁷² weist auf den Umstand hin, dass der Gang der Begriffsbildung der Jäsche-Logik gemäß den „drei Funktionen der reinen Synthesis“⁷³ bereits gewisse logische Operationen, beispielsweise die der Implikation und Quantifizierung, voraussetzt.⁷⁴ Vuillemin meint hierin eine „der zahlreichen logischen Unstimmigkeiten der Lehre Kants“⁷⁵ zu erblicken. In der Tat besteht dann eine Unstimmigkeit, wenn man, wie Hoeppner, die drei Funktionen der reinen Synthesis mit den logischen Funktionen in den Urteilen identifiziert, da erstere wiederum Operationen, also logische Handlungen, respektive Funktionen voraussetzen, welche durch sie doch erst begründet werden sollen. Der Widerspruch lässt sich leicht vermeiden, wenn man auf diese Identifikation verzichtet. Allerdings folgt daraus notwendig, dass unklar bleibt, wie die Urteilsfunktionen an der Einheit der Synthesis beteiligt sind. Dieses Problem kann jedoch erst gelöst
als „Funktion“, als „Handlung“ ihm also erst das Letztbestimmende, Schöpferische des Denkens eigentlich darstellt.“ Jäsche-Logik, AA IX, . Cf. Hoeppner (), S. . Das Problem der drei Synthesen in der Vorstellung des Gegenstandes wird in Kap. 3.1 in Bezug auf die kategoriale Struktur des empirischen Denkens aufgegriffen werden. Hoeppners Zuordnung ist zwar prinzipiell zutreffend, jedoch ist sie in Bezug auf die, an der Genesis der Erfahrung beteiligten Elementarfunktionen hin zu differenzieren. Vuillemin (), S. . Op. cit., S. . Nach Vaihinger verwirft Kant die Lehre der dreifachen transzendentalen Synthesis, indem von ihm die drei Synthesen in Auflage B „wieder in das Gebiet der psychologia communis hinabgestossen und aus der Transscendentalphilosophie hinausgewiesen [werden], in die sie sich in jenem Abschnitt unrechtmäßigerweise gedrängt haben.“ Vaihinger (), S. . Vaihingers These einer Zurücknahme der Lehre der dreifachen Synthesis zugunsten der transzendentalen Apperzeption ist sicherlich im Kern richtig. Kant kann diese Lehre auch entsprechend unbeschadet revidieren, da die drei transzendentalen Synthesen eben nicht mit den Funktionen der Urteile zu verwechseln sind, sofern die Urteilsformen als bloße Funktionen der Einheit bezüglich ihres synthetischen, respektive analytischen Gebrauchs invariant sind. Op. cit. S. .
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werden, wenn gezeigt werden kann, wie die Funktionen zu Urteilen mit dem Grund der Einheit der Synthesis, i. e. der Apperzeption zusammenhängen.⁷⁶ Vorerst reicht es, sich klar zu machen, dass Begriffe nach Kant auf Funktionen, d. h. auf einem Komplex von (vier) verschiedenen Urteilen beruhen, welche wiederum je drei Formen besitzen können und nicht bloß auf einer einzelnen komplexen Bestimmungshandlung, die diesen Namen trägt. Diese Verbindung von Handlung und Funktion wird im nächsten Gliederungsabschnitt zu thematisieren sein. Neben diesen Einwänden gegen Hoeppners Interpretation des Funktionsbegriffes sind darüber hinaus Priens Bedenken gegen die Darstellung der Begriffsbildung durch Jäsche selbst zu erwähnen, welche wiederum Hoeppner bekanntlich zur Interpretationsgrundlage dienen. Nach Prien verwechsele Jäsche „die Handlungen, durch die eine empirisch vorgegebene Materie zu Begriffen aufgefunden wird, mit den Handlungen, durch die eine Vorstellung, die als schon gegeben betrachtet wird, allgemein gemacht wird.“⁷⁷ Jäsche konfundiert also, Prien zufolge,⁷⁸ die Handlung, mit der eine Gemeinsamkeit unter Gegenständen gefunden wird, mit der Handlung der Begriffsbildung.⁷⁹ Unserer Ansicht nach hat Prien mit seiner Analyse recht. Diese findet sich in der Unterscheidung von transzendentaler und empirischer Deduktion in der Kritik der reinen Vernunft bestätigt: Ich nenne daher die Erklärung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen können, die transzendentale Deduktion derselben, und unterscheide sie von der empirischen Deduktion, welche die Art anzeigt, wie ein Begriff durch Erfahrung und Reflexion über dieselbe erworben worden, und daher nicht die Rechtmäßigkeit, sondern das Faktum betrifft, wodurch der Besitz entsprungen.⁸⁰
Cf. Kap. .. Prien (), S. . cf. Prien (), S. . Ros (), S. , kritisiert ebenfalls die drei Schritte der Begriffsbildung, bezieht diese jedoch auf die Traditionsverhaftung von Kant selbst. Die in der Jäsche-Logik niedergelegte Lehre vom empirischen Ursprung der Begriffe widerspräche Kants eigentlichem, kritischem Begriffskonzept einer „argumentativen Funktion“, die „als eine Art Bezugspunkt für die methodisch überprüfbare Klassifikation von konkreten einzelnen Gegenständen, und damit auch für den methodisch überprüfbaren Gewinn prädikativer Urteile“ diene. Diese Kritik Ros’ ist durchaus richtig, trifft jedoch die Reflexion nicht in demselben Maße, wie Komparation und Abstraktion, deren besondere Rolle in der Begriffsbildung in Bezug auf die Kategorien noch zu erörtern sein wird. Darüber hinaus ist durchaus fraglich, inwieweit die einzelnen Inhalte der Jäsche-Logik mit Kants eigenen Ansichten identisch sind (cf. Stuhlmann-Laeisz (), S. , Anm. ), so dass Ros’ Vorwurf der Selbstwidersprüchlichkeit Kant nicht zwingend treffen muss. KrV, A | B ; S. .
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In der Tat ist die Reflexion der „zentrale logische Akt“⁸¹ der Begriffsbildung und somit nicht gleichwertig mit Komparation und Abstraktion. Dass die Reflexion sowohl für die Bildung der empirischen Begriffe als auch für die der Kategorien verantwortlich ist, wird in 1.3.3 bezüglich der einzelnen Kategorien erörtert sowie in 2.2.5 mit Verweis auf die transzendentale Reflexionsstruktur der Apperzeption bewiesen. Funktionen sind als Regeln immer auf ein Regelvermögen angewiesen. Dieses Vermögen ist das des Verstandes. Dessen erste definitorische Fassung ist bloß abgrenzend gegenüber seinem komplementären Vermögen: Der Verstand wurde oben bloß negativ erklärt: durch ein nichtsinnliches Erkenntnisvermögen. Nun können wir, unabhängig von der Sinnlichkeit, keiner Anschauung teilhaftig werden. Also ist der Verstand kein Vermögen der Anschauung.⁸²
Da der Verstand nun kein Vermögen der Anschauungen sein kann, Erkenntnis i. w. S. für den Menschen jedoch entweder durch Anschauungen oder durch Begriffe möglich ist, muss der Verstand ein Vermögen der Begriffe sein.⁸³ Es gibt aber, außer der Anschauung, keine andere Art, zu erkennen, als durch Begriffe. Also ist die Erkenntnis eines jeden, wenigstens des menschlichen, Verstandes eine Erkenntnis durch Begriffe, nicht intuitiv, sondern diskursiv.⁸⁴
Dass der Mensch nur über diese beiden Erkenntnisvermögen verfügt, mag angesichts der Nichtnotwendigkeit seiner spezifischen Natur kontingent sein, innerhalb des wechselseitigen Bedingungsgefüges von Sinnlichkeit und Verstand ist
Prien (), S. . KrV, A f. | B f.; S. . Es ist zwischen den Vorstellungsarten – Anschauungen und Begriffen – und ihren entsprechenden Vorstellungsvermögen – Sinnlichkeit und Verstand – zu unterscheiden, cf. Prien (), S. . Priens Annahme, dass alle Vorstellungen nicht ausschließlich nur von einem Vermögen hervorgebracht werden, ist einerseits richtig, was die Form der jeweiligen Vorstellung angeht, andererseits bezüglich ihres Inhaltes jedoch mindestens missverständlich. So basieren alle Anschauungen nach Kant auf Affektion, cf. KrV, A | B ; S. . Die Affektion wiederum hat jedoch einen Grund, der außerhalb des Subjektes in der Sphäre des Ansichs liegt. Die Möglichkeit der intuitiven Vorstellungen hängt also damit direkt, die der diskursiven damit indirekt von Bedingungen ab, welche nicht mit den Vermögen des Gemüts selbst gegeben sind. In diesem Sinne spricht Kant auch von den Vermögen und ihren spezifischen Formen nur als Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung, d. h. von notwendigen, nicht jedoch hinreichenden Bedingungen der Erkenntnis. Die Vorstellung hat also einen vom Vermögen derselben unabhängigen Grund, ist jedoch als Vorstellung quo ad nos nur durch das jeweilige Vermögen möglich. KrV, A | B .; S. .
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dies jedoch keineswegs der Fall. Nur durch ihre Verbindung kann Erkenntnis, in ihrer spezifisch menschlichen Erkenntnisform, überhaupt zustande kommen. Die Kontingenz betrifft also nur die transzendentalen Voraussetzungen des Erkenntnisapparates als Ganzen, nicht jedoch das notwendige Verhältnis der Erkenntnisvermögen untereinander.⁸⁵ Erkenntnis aus Begriffen ist nur möglich, wenn der Verstand die Begriffe operationalisierbar macht. Dies geschieht dadurch, dass er Begriffe in einem Urteil gebraucht. Von diesen Begriffen kann nun der Verstand keinen andern Gebrauch machen, als daß er dadurch urteilt.⁸⁶
Begriffe sind für Kant immer conceptus communes. Sie beziehen sich niemals direkt auf einen bestimmten Gegenstand, wie eine Anschauung, sondern bezeichnen immer eine Vielheit möglicher Objekte, auf die der Begriff Anwendung findet. Der Begriff etabliert eine Einheit der Vorstellungsmannigfaltigkeit, indem er deren Vielheit unter sich qua einer Urteilshandlung subsumiert. Urteile sind demnach Handlungen, durch die mittels Regeln, i. e. Funktionen, die Anschauungsmannigfaltigkeit unter, oder im Falle eines reflektierenden Urteilsgebrauchs, auf einen Begriff gebracht wird.⁸⁷ Der Begriff selbst stellt dabei die Bedingung der Anwendung dieser Regel in einem mittel- oder unmittelbaren Urteil dar.⁸⁸ Es ist der Verstand als Urteilsvermögen, welcher dabei die Bedingung der Möglichkeit des
Unserer Ansicht nach gilt dies ebenfalls von den Kategorien, von denen Kant versichert, dass ein Grund hinsichtlich ihrer Anzahl und Eigenart nicht gegeben werden kann, cf. KrV, B f.; S. . Das System der Kategorien mag im Ganzen kontingent sein, ohne dass damit gesagt wäre, dass die Elemente und die Struktur des Systems in Bezug auf dieses selbst kontingent sind. KrV A | B ; S. . Der Fall des reflektierenden Urteilsgebrauchs findet sich erst in der Kritik der Urteilskraft vollends systematisch entwickelt. cf. KrV, A | B ; S. . Es ist Hoeppner daher darin nicht zuzustimmen, dass nach Kant nur Begriffe als Regeln gebraucht werden können, cf. Hoeppner (2011), S. 200. Sowohl Begriffe als auch Urteile können als Regel dienen, cf. Malzkorn (1999), S. 28. Dies erklärt sich bereits daraus, dass die Begriffe „Begriff“ und „Urteil“ in einem ’korrelativen Verhältnis’ zueinander stehen, wie Kynast (1925), S. 140 deutlich macht: „[Ein] Begriff ist nichts anderes als ein Geltungszusammenhang von Urteilen, eine Geltungseinheit von Urteilen, wie das Urteil eine Geltungseinheit von Begriffen ist“. Die Geltungseinheit ist dabei als Abstraktion vom „’lebendigen Denken’ eines die Begriffe erkennenden Subjektes gedacht.“ (ibid.). Kynast weist damit vollkommen zutreffend darauf hin, dass die Formen der logischen Geltungseinheiten in einem abstraktiven Verhältnis zu den Funktionen der kognitiven Operationen des (transzendentalen) Subjektes stehen. An dieser Stelle ist damit bereits auf die Primordialität der letzteren verwiesen, welche es in Kapitel 2.2 herauszuarbeiten gilt.
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erkenntnisfunktionalen Gebrauchs der Begriffe innerhalb möglicher Urteile bewirkt. Alle Urteile sind demnach Funktionen der Einheit unter unsern Vorstellungen, da nämlich statt einer unmittelbaren Vorstellung eine höhere, die diese und mehrere unter sich begreift, zur Erkenntnis des Gegenstandes gebraucht, und viel mögliche Erkenntnisse dadurch in einer zusammengezogen werden. Wir können aber alle Handlungen des Verstandes auf Urteile zurückführen, so daß der Verstand überhaupt als ein Vermögen zu urteilen vorgestellt werden kann.⁸⁹
Urteile sind für Kant im Allgemeinen Aussageweisen. Das einfachste Urteil, auf welchem letztlich alle anderen basieren, sofern es „die Materie der übrigen Urteile ausmacht“⁹⁰, ist das kategorische der Form p(x& Alle anderen Urteilsarten sind Spezifikationen dieser allgemeinen Urteilsform, hinsichtlich des Gültigkeitsumfangs des kategorischen Urteils (Quantität)⁹¹, hinsichtlich seiner prädikativen Form (Qualität), hinsichtlich anderer Urteile in komplexen Urteilen, i. e. Schlüssen (hypothetische oder disjunktive Urteile), oder letztlich in Bezug auf die Bedingung des Urteilsvermögens überhaupt (Modalität).⁹² Die Urteilstafel listet nun gemäß diesen vier Bestimmungshinsichten alle logisch möglichen Konkretionen des kategorischen Elementarurteils auf. Gleichzeitig liefert damit die Urteilstafel eine Liste aller vier logischen Bestimmungshandlungen ⁹³ und der Gesetze ihrer Einheit.⁹⁴ Die in der Urteilstafel gelisteten Urteilsformen sind also gleichzeitig die Formen des reinen Verstandes, welche sich durch die gänzliche Abstraktion von aller Materie des Urteils gewinnen lassen:⁹⁵ KrV, A | B ; S. . Jäsche-Logik, AA IX, . cf. Natterer (), S. . Die Ansicht Sickenbergers (), S. , dass „die Quantität […] nicht eine Urteilsfunktion, sondern eine ihr vorausgehende Form des Subjektes“ darstelle, ist daher zurückzuweisen. Nach Joël sind „Alle Urteilsformen der Kantischen Tafel [] wesentlich Entscheidungen über Giltigkeit [!] und gerade als solche zu unterscheiden“, Joël (), S. . Diese Einschätzung deckt sich mit der unseren, obgleich Joël nicht direkt auf das kategorische Urteil als Materie der Gültigkeitsentscheidung verweist. Brandt verweist zu Recht auf die Verbindung der vier Kategorientitel zu den tres mentis operationes des Verstandes als Begriffs-, Urteils-, und Schlussvermögen, ergänzt um eine vierte, i. e. die Methodik der Verstandeserkenntnis, cf. Brandt (), S. ff. und Brandt (), S. . Auf die Beziehung der Dreiteilung des oberen Erkenntnisvermögens zu den Momenten der Modalität weist Pissis (2012), S. 36, Anm. 4 hin. Der Doppelaspekt des Urteils als statische Verknüpfungsform und dynamische Verbindungsfunktion ist wesentlich zum Verständnis der kantischen Logik, cf. Joël (), . Gegen die Identifikation von Urteils- und Verstandesform spricht sich Schulthess (), S. , aus.
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Wenn wir von allem Inhalte eines Urteils überhaupt abstrahieren, und nur auf die bloße Verstandesform [Hervorhebung, M. B.] darin Acht geben, so finden wir, daß die Funktion des Denkens in demselben unter vier Titel gebracht werden könne, deren jeder drei Momente unter sich enthält.⁹⁶
Für Kant sind Urteilsformen immer Verstandesformen, insofern sie dem Verstand als einem regelsetzenden Vermögen entspringen. Es ist also der Verstand, welcher die Vorstellungsmannigfaltigkeit informiert, indem er diese in einem Urteil gemäß seiner eigenen Gesetze zur Einheit bringt. Die bloße Form des Verstandes bildet die höchste Abstraktionsstufe des Denkens, da sie weder Begriffe noch Grundsätze enthält. Damit ist jedoch ein Problem verbunden. Da Kant die Urteilsformen als Verstandesfunktionen fasst, setzt er voraus, dass der Verstand in Ansehung seiner bloßen Form ein Vermögen darstellt, welches Funktionen besitzt, die die Verwendung von Begriffen in Urteilen ermöglichen, ohne dass dem Verstand als bloßem Urteilsvermögen bereits Begriffe gegebenen wären. Dies gilt insbesondere für die Kategorien als die reinen Verstandesbegriffe, welche nun gerade erst durch die Urteilsfunktionen gefunden werden sollen.⁹⁷ Die Funktionen des Verstandes können also insgesamt gefunden werden, wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollständig darstellen kann.⁹⁸
Aportone scheint dieses Problem im Ansatz erkannt zu haben.⁹⁹ Der Schluss jedoch, den er hieraus zieht, nämlich dass die Kategorien nicht aus den Urteils-
KrV, A | B ; S. . Das erste Hauptstück der Analytik der Begriffe trägt die Grundidee des Weges von den Urteilsformen zu den Kategorien bereits im Titel: „Leitfaden zur Entdeckung der reinen Verstandesbegriffe“. Zum Begriff des „Leitfadens“ und seiner Bedeutung für die Architektur in der Kritik der reinen Vernunft, cf. Baumanns (), S. . Mit Bezug auf den zentralen Apperzeptionsstandpunkt fasst Baumanns die Leitfadenbedeutung der Urteilstafel folgendermaßen zusammen: „Die Urteilstafel der formalen Logik fungiert als Leitfaden zur Kategorientafel, weil sich die Tafeln wie die Außen- und Innenansicht der Einen Apperzeptionsstruktur zueinander verhalten.“ Baumanns (), S. . Der scheinbare Widerspruch, dass die Urteilsformen, durch ihre „größere Nähe zur Erkenntnisrealität“ (ibid.) die Außenstellung einnehmen, die auf die anscheinend ursprünglichere, kategoriale Verstandesstruktur verweist, löst sich auf, wenn man bedenkt, dass es sich bei den jeweiligen Urteilsformen und Kategorien um verschiedene Resultate ein und derselben Funktion handelt. Die Natur der kognitiven Funktionen und die Bedeutung der Identität von Urteilsform und reiner Kategorie (Notion) kann jedoch erst dann völlig begriffen werden, wenn gezeigt worden ist, wie diese aus der ursprünglichen Handlung des Denkens abgeleitet werden kann. Dies zu zeigen, wird jedoch erst Aufgabe des Kapitels .. sein. KrV, A | B ; S. . Cf. Aportone (), S. f.
1.1 Die Idealfunktionen des reinen Verstandes
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funktionen gebildet werden,¹⁰⁰ sondern dass diese nur die ratio cognoscendi der Kategorien darstellen,¹⁰¹ welche selbst die „Tiefengrammatik“¹⁰² des Verstandes bilden, kehrt den Sinn des kantischen Argumentes in Gänze um. Der Kern der transzendentalphilosophischen Überlegung besteht, im Gegensatz zur Annahme Aportones, nun gerade darin, dass Kant zu zeigen versucht, dass die subjektiven Denkformen in Verbindung mit den gleichursprünglichen subjektiven Anschauungsformen objektive Bestimmungen der Erfahrung und ihrer Gegenstände darstellen.¹⁰³ Bereits im Grund-Folge-Argument („Alle Begriffe beruhen auf Funktionen.“),¹⁰⁴ kommt dies zum Ausdruck. Die Aufgabe der vollständigen Deduktion besteht nun gerade darin, a priori zu zeigen, dass auf bestimmten Funktionen, den Elementarbestimmungen der Urteilshandlungen, bestimmte Begriffe beruhen, welche die grundlegenden Verknüpfungsgesetze der Wahrnehmungen bilden.¹⁰⁵ Der Verstand als Vermögen der Begriffe und der Verstand als Urteilsvermögen scheinen sich also gegenseitig zu fordern, insofern Begriffe ohne ihre prädikative Verwendung in einem Urteil in Bezug auf eine Vorstellungsvielheit sinnlos, Urteile ohne Begriffe jedoch gänzlich leer wären.¹⁰⁶ Innerhalb der formalen Logik stellt letzteres kein Problem dar, da die wesentliche Eigenschaft der formalen Logik ja gerade in der Abstraktion der Urteilsformen von konkreten Inhalten besteht, welche durch Variablen in den formalen Sprachen der Logik substituiert wer-
Aportone (), S. . Aportone (), S. . Aportone (), S. . Dieser Bergriff ist in der Hinsicht durchaus treffend, dass die Kategorien als Begriffe Grundfunktionen der Gegenstandsbestimmung darstellen. Als solche bestimmen sie gleichsam die „Syntax“ der Erfahrungssätze. Darauf, dass dies durch die bloße Gegenüberstellung von Urteilsformen und Kategorien noch nicht geleistet ist, wurde bereits hingewiesen. cf. KrV, A | B ; S. . Prien sieht ebenfalls eine Schwierigkeit darin, dass Kant den Ursprung der Begriffe aus den Funktionen fordert, obgleich die Funktionen als Urteile die Begriffe wiederum voraussetzen müssten, cf. Prien (), S. . Obgleich Prien im Gegensatz zu Aportone in Übereinstimmung mit Kant die Ableitbarkeit der Verstandesbegriffe aus den Urteilsfunktionen annimmt, ist sein Lösungsansatz aufgrund seiner Fehlinterpretation des Funktionsbegriffes (cf. S. ) ebenfalls verfehlt. Dies ist offensichtlich analog zu dem Verhältnis von Begriffen und Anschauungen, welche ja gerade durch das Urteil verbunden werden sollen. Bereits Steckelmacher (), S. , weist auf diesen Umstand hin und sieht ebenfalls richtig, dass die Lösung in der Apperzeption zu suchen ist, obgleich sein Lösungsversuch durch den Verweis auf die dreifache Synthesis, welche er vor die Urteilsfunktionen setzt, in die Irre geht.
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den.¹⁰⁷ Kants Analyse ist jedoch nicht rein formal-logisch, sondern in erster Linie transzendental-logisch, da sie die notwendigen Bedingungen des Denkens, respektive des Verstandes aufweisen soll.¹⁰⁸ Kann der Verstand also sinnvoll als ein Vermögen beschrieben werden, welches bloße Denkfunktionen besitzt,¹⁰⁹ oder ist der Verstand immer zuerst Begriffsvermögen?¹¹⁰ Für letztere Bestimmung spricht die Reihenfolge der vermögenstheoretischen Überlegungen Kants, welcher den Verstand zuerst als Begriffsvermögen und hernach als Vermögen zu urteilen fasst.¹¹¹ Gegen diese und damit für die erste Interpretation lässt sich jedoch anführen, dass die Aufgabe der metaphysischen Deduktion gerade in der Auffindung der Kategorien, also der reinen Begriffe des Verstandes aus den Funktionen zu urteilen besteht.¹¹² Dies spräche dafür, dass der Verstand als ein reines Urteils-
Die Frage, ob die formale Logik tatsächlich rein extensional aufzufassen ist, wurde in der Geschichte der Philosophie kontrovers diskutiert, cf. Buhl (), S. ff. ebenso Schulte (), S. . Eley (), S. , weist richtig auf die Fundierungsfunktion der Transzendentalphilosophie in ihrem Verhältnis zur Logik hin: „Logik kann nur durch transzendentale Logik ihren Grund finden“. Enskat (), S. , versteht Kants Begriff des Vermögens als „Kompetenz“. So ist „jeder, der die ermittelten logischen Funktionen korrekt zu benutzen weiß, [] mit dem entsprechenden Vermögen begabt.“ op. cit., S. . Enskat konfundiert mit dieser Lesart Kants eigentliche, in der transzendentalen Analytik vorgenommene Analyse des transzendentalen Konstitutionsrahmens der Möglichkeit des logischen Verstandesgebrauchs mit der Frage seiner korrekten Anwendung. Letztere ist jedoch nicht mehr Teil der Transzendentalphilosophie im engeren Sinne, sondern der empirischen Psychologie. „Eine allgemeine Logik heißt aber alsdann angewandt, wenn sie auf die Regeln des Gebrauchs des Verstandes unter den subjektiven empirischen Bedingungen, die uns die Psychologie lehrt, gerichtet ist. Sie hat also empirische Prinzipien, ob sie zwar insofern allgemein ist, daß sie auf den Verstandesgebrauch ohne Unterschied der Gegenstände geht. Um deswillen ist sie auch weder ein Kanon des Verstandes überhaupt, noch ein Organon besonderer Wissenschaften, sondern lediglich ein Kathartikon des gemeinen Verstandes.“ KrV, A | B f.; S. f. Ehrenberg formuliert eine ähnliche Kritik an Hegels Gebrauch der Kategorien: „Es frägt sich also, ob die einzelne Kategorie ohne einen bestimmten ausserhalb der Kategorie liegenden Inhalt noch philosophische Objektivität (Wahrheit) besitzen kann, zumal wenn die Kategorienlehre am Anfang des Systems steht und die anderen Begriffe, auf die sich die Kategorien potenziell beziehen, noch gar nicht entwickelt sind. Dieses Bedenken gegen die Logik Hegels führt mich auf den Gedanken, die Kategorientafel im konkreten Zusammenhang mit den Inhalten der philosophischen Disziplinen zu deduzieren.“ Ehrenberg (), S. . Malzkorn geht davon aus, dass dem logischen Begriff des Verstandes eine bloß heuristische Funktion zukommt. Die Bestimmung des Verstandes als ursprüngliches Begriffsvermögen ginge dementsprechend seiner Bestimmung als Urteilsvermögen voran, cf. Malzkorn (), S. . Wie Aportone (), S. , Anm. , richtig bemerkt, ist diese Ansicht vor allem in der englischen, respektive amerikanischen Kantforschung vertreten: Cf. Allison (), S. ; Young (), S. .
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vermögen vorgestellt werden könne, ohne gleichzeitig schon Begriffsvermögen zu sein. Auf der Ebene der vermögenstheoretischen Überlegungen kann dieses Problem noch nicht gelöst werden, da der korrelative Zusammenhang innerhalb des Verstandes von Begriffs- und Urteilsvermögen unauflösbar ist. Damit der Verstand als ein rein spontanes Vermögen bloßer (vorbegrifflicher) Funktionen erwiesen werden kann, muss gezeigt werden, dass er sich bereits als reines, (noch) nicht begriffliches Funktionsvermögen auf einen Gegenstand bezieht, der als logisches Objekt einer reinen Reflexion, weder als (inhaltlich fixierter) Begriff noch als Anschauung gegeben ist. Dieser Gegenstand kann nun kein anderer sein als das Denken selbst.¹¹³ Erst in der Durchleuchtung der Reflexionsstruktur des Denkens, welches sich denkend selbst zum Gegenstand macht, kann der Verstand als spontaner Grund seiner Funktionen erwiesen werden.¹¹⁴ Andernfalls ist es nicht einsichtig, wie die Urteilsformen gleichzeitig Verstandesfunktionen sein können, welche in ihrer Funktionsnatur eben nicht nur bloß formale Abstraktionen, sondern ursprüngliche Handlungen des Verstandes darstellen und damit transzendentale Bedeutung besitzen.¹¹⁵ Die Erfüllung dieser Aufgabe setzt eine Analyse voraus, welche an dieser Stelle noch nicht geleistet werden kann, da weitere Schritte nötig sind zum Erreichen jenes Punktes, von dem aus die Verstandesfunktionen genetisch abgeleitet werden können. Bereits hier kann jedoch schon eine wesentliche Bestimmung der Funktionen des Verstandes zu urteilen gefasst werden. Die bloßen Verstandes-, respektive Urteilsfunktionen sind rein subjektive Bestimmungen des Denkens, insofern ihr Bezug auf die objektive Anschauungsmannigfaltigkeit erst durch ihre Anwendung im Urteilen realisiert wird. Die bloßen Verstandesfunktionen bilden also den idealen Hintergrund des realen Verstandesgebrauchs. In Abgrenzung zu den anderen Funktionen des Verstandes, welche in den folgenden zwei Hauptgliederungsabschnitten untersucht werden,
„Die Überlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenständen selbst zu tun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen, sondern ist der Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen können.“ KrV, A | B ; S. . Die Verbindung der Urteilstafel zur Tafel der Reflexionsbegriffe wird im nächsten Kapitel zu diskutieren sein, indem die Abkünftigkeit der ersteren aus letzterer bewiesen wird, cf. Kap. 2.2.5. Hoffmann (), S. , weist in seiner Rezension von Brandts Buch über die kantische Urteilstafel von darauf hin, dass es für eine Erklärung der Urteilstafel nötig wäre, „das Urteilen als selbsthaften und funktional selbstbestimmenden Prozeß zu denken, dessen auch formale Instanzen (die Urteilsformen) sich, wenn schon nicht unmittelbar dem Fokus einer transzendentalen Apperzeption, so doch der eigenen inneren Logik dieses Prozesses verdanken.“ Dass dies gelingen kann, insbesondere mit Blick auf die transzendentale Apperzeption, wird in Kapitel .., i. e. der bestimmungslogische Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel, gezeigt. cf. Schulthess (), S. f.
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sollen die Urteilsfunktionen als die bloß logischen Funktionen des Verstandes daher Idealfunktionen genannt werden.
1.1.2 Handlungen und Funktionen des reinen Verstandes Der Verstand handelt als Vermögen des Gemüts, indem er denkt. Denken ist aber nichts anderes als Vorstellungen in Urteilen zu verbinden. Ergo bestehen die genuinen Handlungen des Verstandes in Urteilen, „so daß der Verstand überhaupt als ein Vermögen zu urteilen vorgestellt werden kann.“¹¹⁶ Erkenntnis im eigentlichen Sinne besteht darin, dass der Verstand über einen Gegenstand in der Anschauung urteilt, d. h. eine Bestimmung desselben durch einen Begriff vornimmt.¹¹⁷ Diese Bestimmung kann notwendig oder nicht-notwendig im Begriff des Gegenstandes enthalten sein; im ersten Falle ist das Urteil analytisch, in zweiten synthetisch. Entweder das Prädikat B gehört zum Subjekt A als etwas, was in diesem Begriffe A (versteckter Weise) enthalten ist; oder B liegt ganz außer dem Begriff A, ob es zwar mit demselben in Verknüpfung steht. Im ersten Fall nenne ich das Urteil analytisch, in dem andern synthetisch. Analytische Urteile (die bejahende) sind also diejenige, in welchen die Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt durch Identität, diejenige aber, in denen diese Verknüpfung ohne Identität gedacht wird, sollen synthetische Urteile heißen. Die erstere könnte man auch Erläuterungs-, die andere Erweiterungsurteile heißen, weil jene durch das Prädikat nichts zum Begriff des Subjekts hinzutun, sondern diesen nur durch Zergliederung in seine Teilbegriffe zerfallen, die in selbigen schon (obgleich verworren) gedacht waren: da hingegen die letztere zu dem Begriffe des Subjekts ein Prädikat hinzutun, welches in jenem gar nicht gedacht zwar, und durch keine Zergliederung desselben hätte können herausgezogen werden.¹¹⁸
KrV, A | B ; S. . Prien weist sachrichtig darauf hin, dass Erkenntnis im eigentlichen Sinne für Kant immer die Form eines Urteils hat, cf. Prien (), S. ff., . KrV, A f. | B ; S. . Ros (1991), 158 f., nimmt richtigerweise den Terminus „Begriff des Subjekts“ zum zentralen Punkt seiner Interpretation des synthetischen Urteils. Er versteht unter diesem Ausdruck den „an der Subjektstelle des Urteils mitgenannte[n] Begriff, unter den die konkreten einzelnen Gegenstände … fallen, die das primäre Objekt des Urteils sind“. Dieser Terminus sei daher nicht so zu deuten, „als sei damit der Begriff der mit dem Urteil angesprochenen konkreten einzelnen Gegenstände als solcher gemeint.“ (op. cit. 159). Diese Lesart ist im Kern richtig, jedoch kommt dem (vollständigen) Begriff des Einzelgegenstandes eine wesentliche Rolle zu, insofern dieser, obzwar nur in der Idee als Ideal, den focus imaginarius der logischen Determination darstellt (cf. Kap. 3.3.1.). Da Ros diese wesentliche Funktion des Urteilens im Denken, nämlich das annähernde Bestimmen des Begriffes, um diesen mit seinem Gegenstand in der Anschauung zur Überein-
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Diese Differenz ist unabhängig von der Form des Urteils, respektive von der der Bestimmungshandlungen zugrunde liegenden Funktion.¹¹⁹ So sind die beiden Urteile „Alle Körper sind ausgedehnt.“¹²⁰ und „Alle Körper sind schwer.“¹²¹ formal identisch, jedoch ist nach Kant der Begriff der Ausdehnung im Gegensatz zum Begriff der Schwere bereits durch den Begriff des Körperseins mit ausgesagt.¹²² Aus der bloßen Form des Urteils lässt sich also der Unterschied analytischer und synthetischer Urteile nicht ablesen.¹²³ Urteilen oder Denken ist dem menschlichen Verstand nicht nach Belieben möglich; ihm sind Grenzen in der Bestimmung seines Gegenstandes gesetzt. Diese Grenzen sind vornehmlich durch die Logik definiert. Über die Frage, wie Kants Begriff der Logik aufzufassen ist, respektive welchen Status ihre Regeln als Gesetze des Verstandes besitzen, besteht in der Kantforschung Uneinigkeit. So versteht Prien Kants Begriff von den Regeln der Logik präskriptiv, d. h. die „Logik
stimmung zu bringen, weitestgehend ignoriert, kommt er zu dem falschen Schluss, dass Kant unter einem synthetischen Urteil keine Erweiterung eines Begriffes, sondern den Übergang zu einem neuen Begriff versteht, cf. op. cit. S. 167 f. Reich (), S. , betont diese Indifferenz der formalen Logik „gegen den Unterschied des Grundes eines Urteils, ob analytisch […] oder synthetisch“ wider Kiesewetter. 1x K (x& 6 A(x& K: Körper; A: Ausdehnung. 1x K (x& 6 S(x& K: Körper; S: Schwere. Tuschling () diskutiert in seinem Aufsatz die Frage, ob analytische und synthetische Urteile ineinander umwandelbar seien. In seiner durch Quine geschulten Kritik am logischen Empirismus kommt er zu dem Schluss, dass die Unterscheidung analytisch/synthetisch (op. cit., S. ) und die von apriori/empirisch (op. cit., S. ) hinfällig sei. Dieser nicht nur für den logischen Empirismus, sondern auch für den transzendentalen Idealismus verheerenden Konsequenz dieser logisch-begrifflichen Einebnung, versucht Tuschling zugunsten des letzteren durch eine „Empirisierung“ der transzendentalen Grundsätze zu entgehen (cf. op. cit., S. ), welche er mit Blick auf das Opus postumum auch im Sinne Kants als gerechtfertigt ansieht. Als Konsequenz betont Tuschling die bleibende Bedeutung und Aktualität der Frage nach der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori als grundlegende Frage einer allgemeinen Wissenschaftstheorie (cf. op. cit., S. ). Tuschlings interessanter Vorschlag kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden, sofern er den interpretierend-rekonstruktiven Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengt. An dieser Stelle sei jedoch auf die Problemverwandtschaft zwischen dem von Tuschling diskutierten Problem des Opus postumum, i. e. der „Antizipation des eigentlich Empirischen“ (cf. op. cit., S. 330) und dem Problem der γ-Relation (cf. Einleitung, S. 8 ff.), i. e. der Beziehung des Dings an sich zum Ding in der Erscheinung verwiesen (cf. Kap. 3.3.2). Dass der Begriff der Schwere nicht ebenfalls notwendig für alle Körper gelten kann, ist auch nach der Unterscheidung Kants keineswegs ausgeschlossen, obgleich er in cartesianischer Tradition die extensio für das konstitutive Merkmal des Körperbegriffes hält. Begriffe sind prinzipiell bestimmungsoffen für ihre Erweiterung, cf. KrV, A ; S. und B f.; S. .
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beschreibt nicht, welche Gemütshandlungen wir wirklich vollziehen, sondern sie gibt an, welche wir vollziehen müssen, um überhaupt zu denken.“¹²⁴ Folgerichtig meint Prien hieraus die Konsequenz ziehen zu können, dass Kant einen „schwachen Psychologismus“ in der Logik vertrete.¹²⁵ Tatsächlich ist der Begriff des Psychologismus gänzlich unangebracht.¹²⁶ Die formalen Regeln des Denkens betreffen nicht die psychische, sondern die transzendentale Dimension des Denkens, dessen Struktur durch das epistemische Grunddatum in seiner triadischen Struktur – Subjekt, Objekt, Totalität – bestimmt ist. So betont Mall richtig, dass „Kants Apriori die Gesetzlichkeit des reinen Bewußtseins bekundet, wobei es sich nicht um das psychologische, sondern um das transzendentale Bewußtsein handelt.“¹²⁷ Die Regeln der Logik haben daher zwar einen subjektiven Ursprung, dieser liegt jedoch eben nicht in der empirischen Konstitution des Denkens, sondern in der transzendentalen Bedingung des Denkenkönnens und hat daher strenge transsubjektive Gültigkeit.¹²⁸ Der konstitutionsidealistische Ansatz der Transzendentalphilosophie Kants ist daher nicht mit den vermögenstheoretischen Überlegungen der subjektiven Deduktion auf eine Stufe zu stellen.¹²⁹ Kant betont dies selbst, indem er auf die unabhängige Gültigkeit der objektiven von der subjektiven Deduktion hinweist,¹³⁰ sofern die „subjektive Deduktion [] sich nicht mit der Gültigkeitsfrage [befaßt],“¹³¹ jedoch zur „vollständigen Behandlung dieser Frage [beiträgt].“¹³² Die subjektive Deduktion, welche die Möglichkeit des Denkens in Bezug auf die subjektiven Vermögen erweisen soll, bildet dabei zwar die Möglichkeit des Übergangs von transzendentalphilosophischen zu psycho- und anthropologischen Überlegungen im transzendentalphilosophischen System, dieser Verweisungszusammenhang revoziert dabei jedoch weder ihre systematische Trennung noch den Ursprung der Tran-
Prien (), S. . Prien (), S. . Eine ähnliche Ansicht vertritt ebenfalls Ros (), S. . Stuhlmann-Laeisz (), S. , spricht ebenfalls vom Psychologismus mit Verweis auf Freges Kritik desselben. Mall (), S. . Cf. Rosales (), S. : „Die reine allgemeine Logik unterscheidet sich demnach von der angewandten Logik als empirische Denkpsychologie.“ Es kann daher auch nicht die Rede davon sein, dass, wie Rosales (), S. meint, die „’objektive Deduktion’ nicht ohne die ’subjektive Deduktion’ möglich [ist].“ Cf. KrV, A XVII; S. . Baumanns (), S. . Baumanns (), S. .
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szendentalphilosophie in der Logik, d. h. in der Formalwissenschaft von den Regeln des Denkens.¹³³ Die Gesetze des Denkens betreffen zuallererst die logischen Grundgesetze: Den Satz der Identität¹³⁴, den des ausgeschlossenen Widerspruches¹³⁵, den des ausgeschlossenen Dritten¹³⁶ und den Grundsatz des zureichenden Grundes. Bemerkenswerterweise finden sich diese jedoch offensichtlich nicht in der Urteilstafel wiedergegeben.¹³⁷ Der Grund für diesen scheinbaren Mangel besteht darin, dass die Urteilstafel keine hierarchisierte Darstellung der formal-logischen Axiomatik bildet. Kant stellt in der Tafel der logischen Formen eine Synopsis aller logischen Operationen vor. In der Einteilung der Tafel in Titel und Momente ist, gemäß der schon diskutierten Amphibolie des Funktionsbegriffes als Einheitshandlung und Handlungseinheit – Realisierungs- und Realisationseinheit (realisierte Einheit) können im Begriff der Handlung zusammengefasst werden – zweierlei ausgesprochen. Zum einen bezeichnen die Titel die Bestimmungshandlungen, zum anderen Bestimmungsrücksichten. Die Momente selbst sind dementsprechend einerseits Einheiten der logischen Handlungen, andererseits Formen der Bestimmungsrücksichten. Die Frage der Vollständigkeit der vier Titel¹³⁸ soll an dieser Stelle noch zurückgestellt werden, da ihre Beantwortung den Begriff des Verstandes als transzendentalen Einheitsgrund voraussetzt, welcher noch nicht auf der Ebene der bloßen Verstandesfunktionen zu möglichen Urteilen gefunden werden kann,¹³⁹ zugunsten der Frage, was die spezifischen Einheitsfunktionen des Denkens in den Urteilsformen darstellen. Nach Schulthess liefert der formale Aspekt den Rahmen zur Auffindung der Einheiten der Urteile.¹⁴⁰ Trotz der von uns nicht geteilten Ansicht der Differenzthese von Form und Funkion innerhalb der Urteilstafel, ist die Frage relevant, worin sich die spezifische Einheit
cf. dagegen Bird (), S. f. Die Ansicht von Enskat (), S. , dass die subjektive Deduktion aus diesem Grunde nicht transzendental zu nennen sei, ist dennoch zurückzuweisen. „Satz der Identität: „Was immer ist, ist“ (identisch mit sich selbst)“. Weissmann (), S. . „Satz vom Widerspruch: „Nichts kann“ (gleichzeitig) „ sein und nicht sein““. Weissmann (), S. . „Satz vom ausgeschlossen Dritten: „Jedes Ding muß (gleichzeitig) „entweder sein oder nicht sein“.“ Weissmann (), S. . cf. Brandt (), S. , weist zu Recht darauf hin, dass der Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel dementsprechend auch die Ableitung der Logikgesetze mit einschließen müsste. Bezüglich der Möglichkeit der Ableitung der logischen Axiome cf. Natterer (2003), S. 107. Die Frage der Vollständigkeit der Urteilstafel ist eminent mit der Frage der Vollständigkeit der vier Urteilstitel verbunden, cf. Wolff (), S. f. Cf. Kap. ... cf. Schulthess (), S. .
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der Handlung innerhalb der Urteilsformen äußert. Mit dieser Aufgabe ist die Frage verbunden, inwiefern die von Kant aufgestellte Tafel überhaupt einen vollständigen Überblick über die logischen Funktionen liefert.¹⁴¹ So ist auffällig, dass Kant in der Urteilstafel sowohl die Konjunktion (a + b& als auch die Adjunktion (a * b& nicht zu den logischen Elementarformen zählt, im Gegensatz zur Kontravalenz (a⊻b&,¹⁴² welche heute nicht mehr zu den eigenständigen Aussageformen gezählt wird.¹⁴³ Mit Blick auf die eigentliche Funktion der Urteilsformen, nämlich als Einheit der Verstandeshandlung die Einheit der Vorstellungsmannigfaltigkeit zu etablieren, lässt sich dieser angebliche Mangel jedoch sinnvoll begründen. Die Urteilsformen beziehen sich auf die Einheit des vorgestellten Gegenstandes in der Erfahrung. Sie sind also wesentlich logische Gegenstandsbestimmungen,¹⁴⁴ mithin Protokategorien, ¹⁴⁵ so dass Kant auch mit Fug und Recht von der Urteilstafel als einer „transzendentalen Tafel [Hervorhebung, M. B.] aller Momente des Denkens in den Urteilen“¹⁴⁶ sprechen darf. Am Beispiel der Quantität wird dies deutlich. Kant unterscheidet in der quantitativen Bestimmung eines Urteils im Gegensatz zur klassischen Syllogistik das singuläre vom allgemeinen Urteil:¹⁴⁷ Die Logiker sagen mit Recht, daß man beim Gebrauch der Urteile in Vernunftschlüssen die einzelnen Urteile gleich den allgemeinen behandeln könne. Denn eben darum, weil sie gar keinen Umfang haben, kann das Prädikat derselben nicht bloß auf einiges dessen, was unter
Die Urteilstafel gehörte zu den schon früh sehr stark kritisierten Elementen der kantischen Philosophie, cf. Joël (), S. ff. Das nach Kant sogenannte „disjunktive Urteil“ (a⊻b& kann auch mittels Konjunktion und Adjunktion dargestellt werden als /(a + b& * (a + /b&. cf. Tetens (), S. . Diese Interpretation der Urteilsformen fügt sich nahtlos in die philosophische Grundlinie der Kritik der reinen Vernunft, deren Grundthema Zöller (), S. als „die apriorische Beziehung von Vorstellungen auf Gegenstände, oder kurz: die apriorische Gegenstandsbeziehung“ ausmacht. Dem Einwand, Kants Urteilstafel sei in sich schon deshalb hinfällig, da sie Prädikaten-, Aussagen- und Klassenlogik mische (cf.Vuillemin (), S. ), lässt sich demnach erfolgreich entgegentreten, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Urteilsformen tatsächlich elementare Bestimmungsfunktionen des reinen Denkens darstellen. Dies gilt auch für Körners Einwurf gegen Kants Tafel der logischen Grundformen „since Kant’s acceptance of this logic [die aristotelische Logik, M. B.] plays an important role in his attempt at proving the uniqueness of the Categories and of the ideas of theoretical reason, its abandonment for a different logic or in favour of a logical pluralism is bound to undermine Kant’s account of the relationship between the forms of judgement and the Categories and between the forms of inference and the Ideas.“ Körner (), S. . Zur Kritik der zeitgenössischen Logik an Kants Urteilstafel cf. Mainzer (), S. . KrV, A | B ; S. . In klassischer Schreibweise werden beide durch den Ausdruck SaP wiedergegeben.
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dem Begriff des Subjekts enthalten ist, gezogen, von einigem aber ausgenommen werden. Es gilt also von jenem Begriffe ohne Ausnahme, gleich als wenn derselbe ein gemeingültiger Begriff wäre, der einen Umfang hätte, von dessen ganzer Bedeutung das Prädikat gelte. Vergleichen wir dagegen ein einzelnes Urteil mit einem gemeingültigen, bloß als Erkenntnis, der Größe nach, so verhält sie sich zu diesem wie Einheit zur Unendlichkeit, und ist also an sich selbst davon wesentlich unterschieden. Also, wenn ich ein einzelnes Urteil (iudicium singulare) nicht bloß nach seiner innern Gültigkeit, sondern auch, als Erkenntnis überhaupt [Hervorhebung, M.B], nach der Größe, die es in Vergleichung mit andern Erkenntnissen hat, schätze, so ist es allerdings von gemeingültigen Urteilen (iudicia communia) unterschieden, und verdient in einer vollständigen Tafel der Momente des Denkens überhaupt (obzwar freilich nicht in der bloß auf den Gebrauch der Urteile untereinander eingeschränkten Logik) eine besondere Stelle.¹⁴⁸
Die zwei verschiedenen Arten, die Einheitsfunktion im Urteilen zu gebrauchen, machen es notwendig das iudicium singulare vom iudicium commune zu differenzieren. Die bloß extensionale, allgemeine reine Logik, welche nur nach der „inneren Gültigkeit“ des Schlusses fragt, kann zwischen dem singulären und dem universalen Urteil nicht unterscheiden. In beiden Fällen wird ein Prädikat vollumfänglich von einer Menge ausgesagt, wobei im Falle des Einzelurteils diese Menge lediglich ein Element besitzt. Dass Kant dennoch beide Urteile von einander zu unterscheiden für notwendig hält, liegt daran, dass die transzendentale Logik die Urteilsformen nicht nur hinsichtlich ihrer Gültigkeit, sondern in Bezug auf ihre erkenntniskonstitutive Funktion beurteilt und gemäß dieser differenziert.¹⁴⁹ Es ist daher wesentlich, dass Kant in der Urteilstafel die Urteils- als Verstandesformen listet.¹⁵⁰ Im Gegensatz zur formalen versucht die transzendentale Logik den Ursprung der Urteilsformen aus dem Verstand selbst aufzuweisen. Damit greift der Anspruch der transzendentalen Logik über den der formalen hinaus, welche vom Ursprung ihrer Regeln abstrahieren kann. Genau dieser „transzendentale Aspekt“¹⁵¹ rechtfertigt die Erweiterung der quantitativen Urteilsform um ein weiteres Element.¹⁵² Georg Klaus wendet gegen Kant ein, dass dieser den wesentlichen Unterschied der Einzelurteile zu den besonderen und allgemeinen nicht nennt, nämlich dass
KrV, A | B f.; S. f. Nach Joël sind „die Kantischen Urteilsformen nicht starre Klassen, sondern Stufen des Denkens, ’Momente’ seiner Entfaltung.“ Joël (), S. . cf. KrV, A | B ; S. . Schulthess (), S. . Riehl (), I; S. , sieht in Kants Modifikation der logischen Tafel eine Verletzung der von ihm ursprünglich instruierten gänzlichen Übereintreffung von Logistik und Erkenntnislogik. Riehl übersieht offensichtlich die transzendentale Bedeutung, welche Kant bereits der logischen Tafel beimisst, so dass diese hinsichtlich der allgemeinen Logik ebenfalls Priorität besitzt.
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die singulären Urteile im Gegensatz zu den beiden anderen keine Variablen enthalten.¹⁵³ Unabhängig davon, dass Kant natürlich noch nicht mit der heute üblichen Formalisierung logischer Ausdrücke arbeitet, kann dieser Vorwurf auch inhaltlich abgewiesen werden. Die Urteilsformen sind als Erkenntnisfunktionen wesentlich logische Gegenstandsbestimmungen. Gegenstände sind durch, respektive in der Anschauung gegeben. Da eine Anschauung immer einzeln ist, liegt in der Bestimmung eines Gegenstandes also genau dann ein singuläres Urteil vor, wenn durch einen Begriff ein Gegenstand in der Anschauung bezeichnet, respektive die konkrete Anschauung unter diesen Begriff subsumiert wird. Der Vorstellung des Konkretums als Gegenstand in der Anschauung liegt dabei die Idee der Totalität einer aktualen, d. h. gegebenen Bestimmungsganzheit, zugrunde, welche im Denken durch die potentiell unendliche Begriffsreihe der logischen Determination abgebildet wird. Da nur einzelne Dinge oder Individuen durchgängig bestimmt sind, so kann es auch nur durchgängig bestimmte Erkenntnisse als Anschauungen, nicht aber als Begriffe, geben; in Ansehung der letzteren kann die logische Bestimmung nie als vollendet angesehen werden.¹⁵⁴
Die Unabgeschlossenheit der Begriffsreihe gilt dabei nur in Rücksicht auf die logische Determination des Gegenstandes, nicht für dessen Abstraktion. Es lässt sich also ein allgemeinster Begriff einer Entität vorstellen, nicht jedoch ein Begriff, welcher die Vorstellung des Gegenstandes in toto zum Inbegriff hätte.¹⁵⁵ Die Kontinuität des Begriffsgefüges lässt daher weder einen Begriff als niedrigste noch als nächste Art zu. Die höchste Gattung ist die, welche keine Art ist (genus summum non est species), sowie die niedrigste Art die, welche keine Gattung ist (species, quae non est genus, est infima). Dem Gesetz der Stetigkeit zufolge kann es indessen weder eine niedrigste, noch eine nächste Art geben.¹⁵⁶
So subsumiert der Begriff „Eisen“ verschiedene Gegenstände in der Anschauung, welche durch die im Begriff ausgedrückte empirische Regel als aus Eisen beste-
Klaus (), S. . Jäsche-Logik, AA IX, . Die Vorstellung der aktualen Totalität in concreto, respektive in individuo bildet den epistemologischen Hintergrund für das System der transzendentalen Ideen. Dies wird in Kapitel . in Bezug auf den Begriff des transzendentalen Gegenstandes ausführlicher zu diskutieren sein. Jäsche-Logik, AA IX, .
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hend erkannt werden.¹⁵⁷ Nun kann der Begriff des Eisens selbst wiederum durch andere Begriffe bestimmt werden. Ausgehend von der allgemeinsten Bestimmung eines Körpers überhaupt, i. e. sein Ausgedehntsein, respektive seine Teilbarkeit, über die Bestimmung seiner Materie im Allgemeinen, im Falle des Eisens als Metall, bis hin zum Begriff, der konkrete Anschauungen unter sich fasst. In der so entstehenden Bestimmungshierarchie lässt sich der Gebrauch des allgemeinen Urteils über das besondere bis hin zu Einzelurteilen, in dem der Verstand sich auf die Totalität des in der Anschauung vorgestellten Gegenstandes bezieht, anhand Abbildung 3 nachvollziehen.¹⁵⁸
Abb. 3: Struktur der Bestimmungshierachie
Die erste Bestimmung des Körpers besteht in der Erfassung seiner wesentlichen, nicht abstrahierbaren Eigenschaft, i. e. seine Ausgedehntheit, repektive
Diese Regel ist identisch mit dem Schema des Begriffes, cf. Kap. ... Die Totalität des im Einzelurteil vorgestellten Gegenstandes kann durch keinen Begriff vollständig gefasst werden. Nach unten bleibt die Bestimmungsfolge gemäß dem Gesetz der Kontinuität des Bestimmungsinhaltes (cf. Jäsche-Logik. AA IX, ) unabgeschlossen. Die Unauffindbarkeit einer letzten „untersten Spezies (species infimas)“, ist auch schon für Leibniz einschlägig, cf. Neue Abhandlungen, Buch II, Kap. , S. . Vuillemin (1960), S. 315, kritisiert das Kontinuitätsgesetz der logischen Determination, welches aus Kants Differenz der Erkenntnisquellen entspringt. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass Kant „jedes schöpferische Vermögen der Spontaneität des Verstandes leugnet“. Dieser Vorwurf ist aus kantischer Perspektive natürlich zurückzuweisen, sofern Kant nur die Materie der Begriffe, nicht jedoch deren Form von der spontanen Verstandesleistung ausnimmt. Dagegen betont Schorr (1965), S. 518, den gerade positiven Beitrag, den Kants Urteils- und Begriffslehre zum Begründungsproblem der Logik liefern kann.
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Teilbarkeit. Der Prädikatsbegriff der Teilbarkeit hat notwendig einen größeren Umfang als der Subjektbegriff des Körpers, sofern er beispielsweise auch Zahlen einschließt. Die Teilbarkeit als Prädikat genommen bezeichnet die wesentliche Teilvorstellung, welche den Erkenntnisgrund des gesamten Begriffes des Körpers bildet. Ein Merkmal ist dasjenige an einem Dinge, was einen Theil der Erkenntnis desselben ausmacht, oder – welches dasselbe ist – eine Partialvorstellung, sofern sie als Erkenntnisgrund der ganzen Vorstellung betrachtet wird. Alle unsere Begriffe sind demnach Merkmale und alles Denken ist nichts anderes als ein Vorstellen durch Merkmale.¹⁵⁹
Als ausgedehnt Teilbares steht der Begriff des Körpers als Artbegriff unter dem Gattungsbegriff des Teilbaren. Von allen Körpern gilt daher notwendig: Wenn etwas ein Körper (K) ist, dann ist es auch teilbar (T). Gattung und Art unterscheiden sich dabei hinsichtlich des Umfanges und Inhaltes ihrer Begriffe. Diese stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander. Das „Reziprozitätsgesetz“¹⁶⁰, wie es Jäsche in § 7 seiner Darstellung der kantischen Logik darlegt, besagt, dass mit zunehmender Spezifizierung die Allgemeinheit eines Begriffes abnimmt und umgekehrt. Ein jeder Begriff, a l s T h e i l b e g r i f f , ist in der Vorstellung der Dinge enthalten als E r k e n n t n i s g r u n d , d. i. als Merkmal sind diese Dinge unter ihm enthalten. In der ersten Rücksicht hat jeder Begriff einen I n h a l t , in der anderen einen U m f a n g . Inhalt und Umfang eines Begriffes stehen gegen einander in umgekehrtem Verhältnisse. Je mehr nämlich ein Begriff u n t e r sich enthält, desto weniger enthält er i n s i c h und umgekehrt.¹⁶¹
Aus dem bloß logischen Gebrauch der Begriffe geht jedoch noch nicht hervor, dass der Begriff der Teilbarkeit in einem Erfahrungsurteil nicht als Subjekt gebraucht werden kann, sondern nur als Prädikat. 1. Zugestanden: daß die Tafel der Kategorien alle reine Verstandesbegriffe vollständig enthalte und eben so alle formale Verstandeshandlungen in Urteilen, von welchen sie abgeleitet und auch in nichts unterschieden sind, als daß durch den Verstandesbegriff ein Objekt in Ansehung einer oder der andern Funktion der Urteile als bestimmt gedacht wird (z. B. so wird in dem kategorischen Urteile: der Stein ist hart, der Stein für Subjekt und hart als Prädikat gebraucht, so doch, daß es dem Verstande unbenommen bleibt, die logische Funktion dieser Begriffe umzutauschen und zu sagen: einiges Harte ist ein Stein; dagegen wenn ich es mir im
Jäsche-Logik, AA IX, . Prien (), S. . Jäsche-Logik, AA IX, .
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Objekte als bestimmt vorstelle, daß der Stein in jeder möglichen Bestimmung eines Gegenstandes, nicht des bloßen Begriffs, nur als Subjekt, die Härte aber nur als Prädikat gedacht werden müsse, dieselbe logische Funktionen nun reine Verstandesbegriffe von Objekten, nämlich als Substanz und Akzidens, werden); […] .¹⁶²
Hierin liegt bereits der Grund des Fehlgehens eines nicht auf die Sinnlichkeit verwiesenen, hypostasierenden Verstandes-, respektive Vernunftgebrauchs der Begriffe. 2. zugestanden: daß der Verstand durch seine Natur synthetische Grundsätze a priori bei sich führe, durch die er alle Gegenstände, die ihm gegeben werden mögen, jenen Kategorien unterwirft, mithin es auch Anschauungen a priori geben müsse, welche die zur Anwendung jener reinen Verstandesbegriffe erfoderliche Bedingungen enthalten, weil ohne Anschauung kein Objekt, in Ansehung dessen die logische Funktion als Kategorie bestimmt werden könnte, mithin auch keine Erkenntnis irgend eines Gegenstandes und also auch ohne reine Anschauung kein Grundsatz, der sie a priori in dieser Absicht bestimmte, stattfindet; 3. zugestanden: daß diese reine Anschauungen niemals etwas anders, als bloße Formen der Erscheinungen äußerer oder des innern Sinnes (Raum und Zeit), folglich nur allein der Gegenstände möglicher Erfahrungen sein können; so folgt: daß aller Gebrauch der reinen Vernunft niemals worauf anders, als auf Gegenstände der Erfahrung gehen könne, und, weil in Grundsätzen a priori nichts Empirisches die Bedingung sein kann, sie nichts weiter als Prinzipien der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sein können.¹⁶³
Ohne den anschauungsbezüglichen Gebrauch der Kategorien, namentlich hier den der Substanz, wird aus einem bloßen Adhärens ein (Un‐)Ding. Das Teilbare existiert schlechterdings in der Welt nicht, sondern nur Teilbares. Solche zur Begriffsverwirrung führenden Hypostasen zu vermeiden, ist Aufgabe der kritischen Philosophie, in welcher sich Begriffsgebrauch und Anschauungsbezug prinzipiell nicht trennen lassen. Unter den Körpern gibt es nun auch solche, welche die Eigenschaft besitzen, metallisch (M) zu sein. Von den metallischen Körpern gilt natürlich auch das, was von allen Körpern gilt, i. e. ihre Teilbarkeit. Es existiert damit eine Gruppe von Körpern, welche die Eigenschaft haben aus Metall zu bestehen. Auch die metallischen Körper lassen sich nun selbst wiederum unterscheiden. So besitzt Blei andere physikalische Eigenschaften als Eisen, beispielsweise das höhere spezifische Gewicht oder den niedrigeren Schmelzpunkt. Eisen und Blei lassen sich dementsprechend hinsichtlich ihrer Eigenschaften in der Anschauung gut auseinander halten. Die konkrete Anschauung des Eisenkörpers lässt sich durch das
MAN, AA IV, ; S. . MAN, AA IV, ; S. .
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System der Begriffe vorläufig bestimmen, nämlich als Anschauung eines metallischen Körpers. Wissenschaftlicher Fortschritt ist identisch mit der inhaltlichen Fortbestimmung der Begriffe konkreter Anschauungen.¹⁶⁴ Dabei ist das singuläre Urteil entscheidend für die Verbindung der Anschauung mit ihrem Begriff und so für das Denken überhaupt.¹⁶⁵ Die Konjunktion gehört aus demselben Grund, weswegen das einzelne Urteil neben dem allgemeinen zu den elementaren Urteilsfunktionen zu zählen ist, nicht zu diesen. Die Funktionen in den Urteilen bilden logische Gegenstandsbestimmungen, indem sie diese Teilvorstellungen in Begriffen miteinander verbinden.¹⁶⁶ Für die Konjunktion gilt dies nicht. Das konjunktive Urteil verbindet nur Aussagen, d. h. Urteile über Gegenstände. Die Funktion des konjunktiven Urteils gehört also nicht zu den elementaren Bestimmungsfunktionen.¹⁶⁷ Ebenso verhält es sich mit der Adjunktion. Im Unterschied zu den disjunktiven Urteilen, respektive der Kontravalenz, kann die Adjunktion auch dann wahr sein, wenn beide ihrer Aussagen wahr sind. Im Gegensatz also zur Kontravalenz besitzt die Adjunktion keine bestimmungstheoretische Eindeutigkeit, weswegen sie auch nicht zu den elementaren Funktionen gezählt wird. Der bestimmungstheoretische Hintergrund der Urteilsformen lässt sich ebenfalls deutlich anhand der Limitation ablesen:¹⁶⁸ Eben so müssen in einer transzendentalen Logik unendliche Urteile von bejahenden noch unterschieden werden, wenn sie gleich in der allgemeinen Logik jenen mit Recht beigezählt sind und kein besonderes Glied der Einteilung ausmachen. Diese nämlich abstrahieret von allem Inhalt des Prädikats (ob es gleich verneinend ist) und sieht nur darauf, ob dasselbe dem Subjekt beigelegt, oder ihm entgegengesetzt werde. Jene aber betrachtet das Urteil auch nach dem Werte oder Inhalt dieser logischen Bejahung vermittelst eines bloß verneinenden Prädikats, und was diese in Ansehung des gesamten Erkenntnisses für einen Gewinn verschafft.¹⁶⁹
Die transzendentale Logik listet die Urteilsformen gemäß dem Inhalt der logischen Verbindung. Dieser Inhalt ist identisch mit dem bestimmungs-, also dem erkenntnisfunktionalen Gebrauch der Urteilsform durch den Verstand. Im unend-
Die wesentliche Bedeutung des singulären Urteils für die moderne Naturwissenschaft betont Joël (), S. . Cf. Stuhlmann-Laeisz (), S. . Joël hat daher durchaus recht,wenn er die wesentliche Neuerung durch die kantische Theorie des Urteils „in seiner Umschaltung aus analytischer Statik in synthetische Dynamik und das heißt in reine Funktion“ sieht. Joël (), S. . Ähnlich auch bei Krüger (), S. . Zur Kontroverse um das „Unendliche Urteil“ cf. Joël (), S. ff. KrV, A | B ; S. .
1.1 Die Idealfunktionen des reinen Verstandes
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lichen Urteil wird nun eine Negation affirmierend gebraucht. Mittels der formalen Logik ist dieser prädikative Gebrauch einer Negation nicht zu beschreiben. Im Gegensatz zum negativen Urteil wird im unendlichen einem Begriff nicht ein Prädikat abgesprochen, so dass der Begriff in seinem Umfang verringert wird, sondern der Begriff wird einer Bestimmungssphäre zugeordnet. Erst die Anwendung des limitierenden Urteils ermöglicht damit den systematischen Gebrauch des Verstandes, indem diese ihm ermöglicht seine Begriffe einzuteilen und gegeneinander abzugrenzen. Kant erläutert die Form des unendlichen Urteils anhand des Begriffes der Seele: Hätte ich von der Seele gesagt, sie ist nicht sterblich, so hätte ich durch ein verneinendes Urteil wenigstens einen Irrtum abgehalten. Nun habe ich durch den Satz: die Seele ist nicht sterblich, zwar der logischen Form nach wirklich bejahet, indem ich die Seele in den unbeschränkten Umfang der nicht sterbenden Wesen setze.Weil nun von dem ganzen Umfange möglicher Wesen das Sterbliche einen Teil enthält, das Nichtsterbende aber den andern, so ist durch meinen Satz nichts anders gesagt, als daß die Seele eines von der unendlichen Menge Dinge sei, die übrig bleiben, wenn ich das Sterbliche insgesamt wegnehme. Dadurch aber wird nur die unendliche Sphäre alles Möglichen in so weit beschränkt, daß das Sterbliche davon abgetrennt, und in dem übrigen Umfang ihres Raums die Seele gesetzt wird. Dieser Raum bleibt aber bei dieser Ausnahme noch immer unendlich, und können noch mehrere Teile desselben weggenommen werden, ohne daß darum der Begriff von der Seele im mindesten wächst, und bejahend bestimmt wird. Diese unendliche Urteile also in Ansehung des logischen Umfanges sind wirklich bloß beschränkend in Ansehung des Inhalts der Erkenntnis überhaupt, und in so fern müssen sie in der transzendentalen Tafel aller Momente des Denkens in den Urteilen nicht übergangen werden, weil die hierbei ausgeübte Funktion des Verstandes vielleicht in dem Felde seiner reinen Erkenntnis a priori wichtig sein kann.¹⁷⁰
Die drei in einem Urteil vorkommenden Bestimmungsmöglichkeiten, Quantität, Qualität und Relation, teilen die Eigenschaft, dass sie den Inhalt einer durch ein Urteil ausgedrückten Erkenntnis in Ansehung je einer ihrer logischen Elementarfunktionen bestimmen. Die Bestimmung der Form des Inhalts durch diese drei Titel der Urteilsformen ist vollständig, so dass die Bestimmung des Urteils gemäß der Modalität nichts mehr zu dieser hinzufügt. Die Modalität der Urteile ist eine ganz besondere Funktion derselben, die das Unterscheidende an sich hat, daß sie nichts zum Inhalte des Urteils beiträgt (denn außer Größe, Qualität und Verhältnis ist nichts mehr, was den Inhalt eines Urteils ausmachte), sondern nur den Wert der Kopula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht.¹⁷¹
KrV, A f. | B ; S. f. KrV, A | B f.; S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Die Modalität bestimmt also, indem sie „den Wert der Kopula“, i. e. die im Urteil gesetzte Einheit in Bezug auf das Denken ermittelt, als Urteilsfunktion den Wert anderer Funktionen. Schulthess fasst daher den Sinn der modalen Urteile treffend, wenn er sie als „Funktionen von Funktionen“ bezeichnet.¹⁷² Der Gebrauch der Modalität durch den Verstand als Urteilsvermögen ist daher metafunktional. Mit der Modalität nimmt der Verstand auf den Inhalt seiner Urteile Bezug, indem er sie reflexiv auf seine eigene Gesetzesstruktur bezieht. Die Modalität setzt daher jedes Urteil gemäß ihrer Funktion in ein Verhältnis zum Denken selbst. Problematische Urteile sind solche, wo man das Bejahen oder Verneinen als bloß möglich (beliebig) annimmt. Assertorische, da es als wirklich (wahr) betrachtet wird. Apodiktische, in denen man es als notwendig ansieht.¹⁷³
Die drei verschiedenen Urteilsformen der Modalität bilden eine aufsteigende Reihe, indem die durch ein Urteil gesetzte Prädikation in ihrer Gewissheit von der bloßen Possibilität bis hin zur Apodiktizität aufsteigt. Sie zeichnen den Aufstieg des Denkens von einer bloß hypothetischen Annahme über die Verifikation dieser Hypothese bis hin zur Einsicht ihrer notwendigen Wahrheit. Weil nun hier alles sich gradweise dem Verstande einverleibt, so daß man zuvor etwas problematisch urteilt, darauf auch wohl es assertorisch als wahr annimmt, endlich als unzertrennlich mit dem Verstande verbunden, d. i. als notwendig und apodiktisch behauptet, so kann man diese drei Funktionen der Modalität auch so viel Momente des Denkens überhaupt nennen.¹⁷⁴
Dass Kant zwischen die problematischen¹⁷⁵ und apodiktischen Urteile¹⁷⁶ die assertorischen setzt, ist insofern bemerkenswert, als sich die Modallogik gerade dadurch auszeichnet, nicht-assertorisch zu sein. Ein assertorischer Ausdruck¹⁷⁷ besitzt dementsprechend auch keinen Modaloperator. Dass Kant den bloß assertorischen Urteilen dennoch eine eigene Funktion zuordnet, liegt, ebenso wie bei den singulären, den unendlichen und den disjunktiven Urteilen, darin begründet, dass Kant die Assertion als eine eigenständige Verstandesform begreift, welche in der Bestimmungs- und Erkenntnistätigkeit des Verstandes eine eigene, ursprüngliche Handlung darstellt.
Cf. Schulthess (), S. . KrV, A f. | B ; S. . KrV, A | B ; S. f. ◊p(x& * /◊p(x& &p(x& * /&p(x& p(x& * /p(x&
1.2 Die Realfunktionen des reinen Verstandes
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Mit der Bestimmung der Urteilsformen als Protokategorien ist ein wesentlicher Schritt in Richtung zur Bestimmung der Kategorien getan. Damit die logischen Funktionen als kategoriale Gegenstandsbestimmungen der Wahrnehmungsinhalte ihre transzendentale Funktion jedoch erfüllen können, d. h. als objektivierende nicht nur als reflektierende Funktionen,¹⁷⁸ bedürfen die Idealfunktionen eines realen Komplements, nicht als Funktionen der Urteils-, sondern der Einbildungskraft.
1.2 Die Realfunktionen des reinen Verstandes Die Kategorien bilden die Grundbegriffe des Verstandes. Mit der Festlegung der Begriffsnatur der Kategorien ist jedoch ein wesentliches Problem verbunden. Alle Begriffe, also auch die Kategorien, beruhen auf Funktionen. Für die reinen Verstandesbegriffe gilt dies jedoch in besonderem Maße, da die Kategorien jeweils auf den elementaren Funktionen zu Urteilen beruhen, was im Einzelnen noch für jeden reinen Verstandesbegriff zu zeigen sein wird. Alle Begriffe beziehen sich nun direkt oder indirekt auf die Anschauung. Nun gilt jedoch für jede (besondere) Anschauung, dass diese in einer Affektion der Sinnlichkeit gründet. Ergo muss für jeden Begriff gelten, dass in ihm einerseits ein spontaner Anteil liegt, welcher sich auf mindestens eine Funktion des Verstandes bezieht, andererseits dass ihm ein rezeptiver Teil zu eigen ist, auf den diese Tätigkeit ordnend Bezug nimmt. Jeder Begriff muss daher, sofern er objektive Realität und Gültigkeit besitzen soll, sowohl einen Funktions- als auch einen Affektionsanteil besitzen.¹⁷⁹ Diese Überle „Die Funktion des Denkens, sofern dasselbe in der Synthesis sich bethätigt, ist sonach eine doppelte: Das Denken subsumiert die von der Anschauung abgezogenen Begriffe unter den reinen Verstandesbegriffen und erzeugt Erfahrungsurteile, es verknüpft die Anschauungen nach Massgabe der reinen Verstandesbegriffe und erzeugt Erfahrungsobjekte; im ersten Falle verhält sich das Denken reflektierend, im letzten objektivierend; dort ist das Denken empirisch, die fertige Erfahrungswelt beurteilend, hier ist es transscendental, diese Erfahrungswelt bedingend und schaffend.“ Wartenberg (), S. . Cf. außerdem Wartenberg (), S. . In der Kontroverse über die Notwendigkeit einer Differenzierung von „objektiver Gültigkeit“ und „objektiver Realität“, wie sie zum Beispiel Meerbote (), S. ff. vertritt, scheint uns Sandberg () S. f. mit seiner Ansicht recht zu haben, „that no important difference is to be found between objective validity and objective reality, that they are in fact merely different ways of thinking about what Kant in other contexts refers as opposed to logical possibility.“ Die Unmöglichkeit einer präzisen Scheidung beider Begriffe geht schon daraus hervor, dass die objektive Realität als gegenständlicher Anschauungsinhalt einer Vorstellung konstitutiv von der Gültigkeit der intuitiven und diskursiven Einheit der Vorstellung dependiert. Objektive Gültigkeit bezeichnet also diejenige Geltung einer Vorstellung, ohne die eine Empfindungsmannigfaltigkeit nicht zum Gegenstand einer möglichen Wahrnehmung, d. h. zum Objekt einer Vorstellung werden könnte, cf.
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gung führt im Falle der Kategorien jedoch auf das Problem, dass sie nun gerade diejenigen Begriffe darstellen sollen, welche gänzlich aus der spontanen Tätigkeit des Verstandes a priori entspringen und dabei die Verknüpfungsformen aller Vorstellungsmannigfaltigkeit bilden. Den Kategorien ermangelt es also zum einen eines solchen Affektionsanteils, wie ihm andere Begriffe zu eigen sind, da ihr Ursprung gänzlich in der spontanen Tätigkeit des Verstandes gesetzt ist; zum anderen bilden sie selbst als Verknüpfungsformen Funktionen der synthetischen Einheit.¹⁸⁰ Wie können die Kategorien jedoch einerseits Begriffe sein, wenn sie andererseits selber Funktionen sind, auf denen Begriffe bekanntermaßen allein beruhen sollen? Aportone unterscheidet vor diesem Hintergrund die Termini „Verstandesbegriffe“ und „Kategorien“: In dieser Hinsicht könnte man die terminologische Unterscheidung von reinen Verstandesbegriffen und Kategorien verschärfen, die Kant innerhalb einer eher unbestimmt gelassenen Quasi-Synonymierelation zwar anklingen läßt, aber nicht ausdrücklich vollzieht. Auf diese Weise kann der erste Ausdruck eindeutig auf die Verstandesfunktionen der Synthesis, und der zweite auf ihre begriffliche Vorstellung, die wiederum im logischen Verstandesgebrauch als Funktion der Erfahrungsurteilen [sic!] anzuwenden ist, Bezug nehmen.¹⁸¹
Es ist bereits aus der Bezeichnung „Verstandesbegriff“ nicht einsichtig, warum sich dieser Terminus auf die Verstandesfunktion, der Begriff „Kategorie“ sich jedoch auf die begriffliche Vorstellung derselben beziehen soll. Eine begriffliche Differenzierung von „Verstandesbegriff“ und „Kategorie“ scheint allenfalls sinnvoll, insofern Kant unter dem ersten Terminus nicht nur die Prädikamente, sondern auch die Prädikabilien fasst.¹⁸² Da Kant jedoch die abgeleiteten Begriffe des reinen Verstandes nicht zum Gegenstand der Kritik der reinen Vernunft macht und daher den Titel der reinen Verstandesbegriffe dort nur auf die Kategorien bezieht, erweist sich die von Aportone gezogene Differenzierung als nicht zielführend. Neben diesen textkritischen Bedenken scheint es jedoch wesentlicher zu sein, dass Aportones Unterscheidung den Kern des Problems unberührt lässt, i. e. die Frage, wie die Kategorie Begriff sein kann, wenn sie gleichzeitig Verstandes-
Kap. .. und ... Objektive Realität bezeichnet dementsprechend den gegenständlichen Inhalt einer möglichen Wahrnehmung in der Anschauung. Der „Affektionsanteil“ der Kategorien kann erst wirklich verstanden werden, wenn die die Kategorien mitbestimmende Affektion als Selbstaffektion eingesehen wird, cf. Kap. .. und Kap. ... Aportone (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. .
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funktion sein soll. Diese Frage zu beantworten, ist Aufgabe der sogenannten metaphysischen Deduktion. Für die Lösung dieser Aufgabe muss zweierlei erwiesen werden: Erstens, die Kategorien besitzen einen sinnlichen Anteil, welcher seinen Ursprung jedoch nicht in der Affektion des rezeptiven Vermögens hat, sondern in der Spontaneität des Verstandes. Dieser muss daher selbst eine Funktion des Verstandes sein, in diesem Falle jedoch keine bloß ideale, sondern eine reale, i. e. auf die Sinnlichkeit bezogene Denk-, respektive Urteilsfunktion. Zweitens, diese Realfunktionen des Verstandes in Bezug auf die Sinnlichkeit müssen identisch sein mit den Idealfunktionen des Denkens. Glücklicherweise liefert Kant selbst den Schlüssel zur Lösung diese Problems in Gestalt des transzendentalen Schematismus. Die Ableitung der Kategorien aus der Urteilsform, welche Kant im Leitfadenkapitel skizziert hat, kann daher nur unter Einbeziehung des Schematismuskapitels vollends gelingen. Der folgende Abschnitt wird sich dementsprechend erstens mit den Interpretationsfragen des Schematismuskapitels beschäftigen, zweitens mit dem Nachweis, dass es sich bei den Schemata zum einen um Funktionen handelt, zum anderen, dass diese identisch sind mit den in der Urteilstafel niedergelegten Gesetzen der kognitiven Handlungen.¹⁸³
1.2.1 Kernprobleme des transzendentalen Schematismus Bereits Schopenhauer spricht vom Schematismuskapitel als „dem wunderlichen „Hauptstück vom Schematismus der reinen Verstandesbegriffe“, welches als höchst dunkel berühmt ist, weil kein Mensch je hat daraus klug werden können“.¹⁸⁴ Trotz Kants eigener Versicherung, dass es sich hier um einen wichtigen und unentbehrlichen Teil der transzendentalen Kritik handele,¹⁸⁵ ist wiederholt seine Redundanz sowie Inkohärenz Gegenstand der Diskussion geworden.¹⁸⁶ So erklärt Curtius das Schematismuskapitel für redundant, insofern eine thematische Doppelung zu § 24 der transzendentalen Deduktion vorliege. Diese gründe sich in Kants Absicht, die Architektonik der Kritik der reinen Vernunft anhand der Ordnung der Erkenntniskräfte (Sinnlichkeit – transzendentale Ästhetik, Verstand – transzendentale Logik, Urteilskraft – Schematismus, Vernunft – Dialektik) nachzubilden. Der Grund der Einführung des transzendentalen Schematismus liege
Der Hauptgliederungsabschnitt . basiert auf den Vorarbeiten meiner Magisterarbeit. Schopenhauer (), S. . Cf. Proleg. § , A , S. . Zur neueren Rezeption cf. „. Forschungsübersicht“ In: Detel (), S. – .
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daher „in dem Zwang, den die von Kant gewählte Systematik auf die schriftstellerische Darstellung seiner Gedanken ausübte.“¹⁸⁷ Gerhard Seel formuliert in seinem Kommentar zum Schematismus-Kapitel drei Hauptproblemfelder, die mit Kants Verwendung des Schemas in der Kritik der reinen Vernunft einhergehen. 1. 2. 3.
Ist das Schematismus-Kapitel angesichts der Ergebnisse der transzendentalen Deduktion überflüssig? Sind die Schemata begrifflicher oder anschaulicher Natur? Wie ist die Verbindung von Schema und Begriff zu rechtfertigen?¹⁸⁸
Die Antwort auf die erste Frage scheint angesichts des § 24, in dem Kant die transzendentale Deduktion mit der Klärung der Anwendung der Kategorien auf die Gegenstände der Sinne abschließt, positiv auszufallen. Dort zeigt er, dass die Mannigfaltigkeit der sinnlichen Anschauung als Repräsentat innerhalb einer spontan tätigen Einbildungskraft (produktive Einbildungskraft) zur Möglichkeit einer Erfahrungserkenntnis synthetisiert wird. Die Maßgabe zur Regel einer solchen figürlichen Synthesis a priori (synthesis speciosa) von Anschauungen kann jedoch nicht aus diesen selbst als Wahrnehmungserkenntnis gemäß bloßer Assoziativgesetzlichkeit gewonnen werden, sondern muss sich in dem subjektiven Bestimmungsgrund der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption innerhalb der kategorialen Verstandesordnung gründen. Diese Synthesis des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung, die a priori möglich und notwendig ist, kann figürlich (synthesis speciosa) genannt werden, zum Unterschiede von derjenigen, welche, in Ansehung des Mannigfaltigen einer Anschauung überhaupt in der bloßen Kategorie [Hervorhebung, M. B.] gedacht würde, und Verstandesverbindung (synthesis intellectualis) heißt; beide sind transzendental, nicht bloß weil sie selbst a priori vorgehen, sondern auch die Möglichkeit anderer Erkenntnis a priori gründen. Allein die figürliche Synthesis, wenn sie bloß auf die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption, d. i. diese transzendentale Einheit geht, welche in den Kategorien gedacht wird, muß, zum Unterschiede von der bloß intellektuellen Verbindung, die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft heißen.¹⁸⁹
Hier ist bereits die Unterscheidung von schematisierter und unschematisierter, „bloßer“ Kategorie einschlägig. Die bloße Kategorie ist diejenige, welche die Verbindung von Vorstellungen gemäß der bloßen Verstandesform (synthesis intellectualis) ermöglicht. Sie ist als solche identisch mit der logischen Funktion zu
Curtius (), S. . Cf. Seel (), S. . KrV, B ; S. .
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urteilen. Dass Kant für die Urteilsfunktionen bisweilen den Titel der bloßen Kategorie, respektive der Notio, verwendet, hat mit ihrer besonderen transzendentalen Bedeutung, sofern der „reine[] Begriff allein die Form des Denkens eines Gegenstandes überhaupt“¹⁹⁰ ausmacht, zu tun. Die letztliche Begründung des identitären Verhältnisses von Urteilsfunktion und bloßer Kategorie bei ihrer gleichzeitigen Differenzierbarkeit kann jedoch erst nach der Klärung des Begriffs eines „Gegenstandes überhaupt“ geliefert werden.¹⁹¹ An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass für Kant die bloße Kategorie nicht Mittel der Gegenstandserkenntnis sein kann: „Es ist etwas sehr Bemerkungswürdiges, daß wir die Möglichkeit keines Dinges nach der bloßen Kategorie einsehen können, sondern immer eine Anschauung bei der Hand haben müssen, um an derselben die objektive Realität des reinen Verstandesbegriffs darzulegen.“¹⁹² Da die Rezeptivität der sinnlichen Vorstellungsleistung qua Anschauungsform des inneren Sinnes bereits durch die Distinktionsmöglichkeit des Ungleichzeitigen – im Gegensatz zur Synopsis des Distinkten als Gleichzeitiges im Raum – temporal präfiguriert ist,¹⁹³ findet die Determination des inneren Sinnes durch die Spontaneität der Verstandesleistung notwendig als kategoriale Zeitbestimmung statt.¹⁹⁴ Dadurch hat Kant bereits in § 24 der Kritik der reinen Vernunft die objektive Realität der Kategorien durch den Grund ihrer Anwendung auf Gegenstände in der Anschauung als Erscheinungen durch die Modifikation des inneren Sinnes demonstriert. Das, was den inneren Sinn bestimmt, ist der Verstand und dessen ursprüngliches Vermögen, das Mannigfaltige der Anschauung zu verbinden, d. i. unter eine Apperzeption (als worauf selbst seine Möglichkeit beruht) zu bringen.¹⁹⁵
Er greift dies in der Einleitung zur transzendentalen Doktrin der Urteilskraft erneut auf, indem er klar macht, dass ein wesentliches Merkmal des Schemas als Teil der transzendentalen Logik eben darin besteht, dass der schematisierte Begriff im Gegensatz zum empirischen keines a posteriorischen Beweisgrundes bedarf noch einen solchen zulässt.
KrV, A | B ; S. . Cf. Kap. ... KrV, B ; S. . Zur Schwierigkeit der simultanen Apprehension cf. Vaihinger (), II, . Cf. KrV, A – | B – ; S. und KrV, A – | B – ; S. f. Cf. Schulte (1972), S. 79. KrV, B , S. .
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Es hat aber die Transzendental-Philosophie das Eigentümliche: daß sie außer der Regel (oder vielmehr der allgemeinen Bedingung zu Regeln), die in dem reinen Begriffe des Verstandes gegeben wird, zugleich a priori den Fall anzeigen kann, worauf sie angewandt werden sollen. Die Ursache von dem Vorzug, den sie in diesem Stücke vor allen anderen belehrenden Wissenschaften hat, (außer der Mathematik) liegt eben darin: daß sie von Begriffen handelt, die sich auf ihre Gegenstände a priori beziehen sollen, mithin kann ihre objektive Gültigkeit nicht a posteriori dargetan werden;[…].¹⁹⁶
Zur Verifikation der Realität der Kategorien wird also nicht die Ausweisung eines Anwendungsfalles in der Erscheinung benötigt, da ihnen bereits „die korrespondierende Anschauung gegeben“¹⁹⁷ ist. Die unterstellte Doppelung, aus der die angenommene Redundanz des Schematismuskapitels resultiert, erklärt sich aus der Annahme, Kant versuche mit der Einleitung zur transzendentalen Doktrin die Deduktion zum Abschluss zu bringen. Tatsächlich liegt dieser Schluss ausgehend vom Auftakt des Schematismuskapitels als Erklärungsabsicht nahe. Nun sind aber die reinen Verstandesbegriffe, in Vergleichung mit empirischen (ja überhaupt sinnlichen) Anschauungen, ganz ungleichartig, und können niemals in irgend einer Anschauung angetroffen werden. Wie ist nun die S u b s u m t i o n der letzteren unter die erste, mithin die Anwendung der Kategorien auf Erscheinungen möglich […].¹⁹⁸
Baumanns¹⁹⁹ weist jedoch zu Recht darauf hin, dass der Schematismus keineswegs den Abschluss der transzendentalen Deduktion der Kategorien zur Aufgabe habe. Vielmehr ist es so, dass Kant in § 24 die Bedingung zur Möglichkeit der Anwendung des Kategoriensystems aus der transzendentalen Zeitbestimmung in toto erklärt, jedoch nicht quo modo die Anwendung der einzelnen Urteilsformen möglich sein soll. Dementsprechend greift das Schematismuskapitel zwar den Beweisgegenstand der Deduktion auf und vollendet diese, insofern es die Anwendungsprinzipien der einzelnen Kategorien aufweist,²⁰⁰ ohne jedoch den Beweisgrund aus der transzendentalen Einbildungskraft zu revozieren oder zu substituieren.²⁰¹
KrV, A | B ; S. . KdU, § , B ; AA V, ; S. . KrV, A | B ; S. . Cf. Baumanns (), S. . Cf. Detel (), S. . „Es ist nur die kategorienspezifische Konkretion der figürlichen Synthesis, ihre nähere tafelförmige Ausgestaltung.“ Baumanns (), S. .
1.2 Die Realfunktionen des reinen Verstandes
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Dahlstrom versteht im Anschluss an einen Auszug aus den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft das Schematismuskapitel als Beantwortung der Frage nach dem „Wie“ der Kategoriengültigkeit.²⁰² Denn, wenn bewiesen werden kann: daß die Kategorien, deren sich die Vernunft in allem ihrem Erkenntnis bedienen muß, gar keinen anderen Gebrauch, als bloß in Beziehung auf Gegenstände der Erfahrung haben können (dadurch daß sie in dieser bloß die Form des Denkens möglich machen), so ist die Beantwortung der Frage, wie sie solche möglich machen, zwar wichtig genug, um diese Deduktion, wo möglich, zu vollenden, aber in Beziehung auf den Hauptzweck des Systems, nämlich die Grenzbestimmung der reinen Vernunft, keineswegs notwendig, sondern bloß verdienstlich. ²⁰³
Die transzendentale Deduktion widme sich im Gegenzug ausschließlich der Demonstration, „daß die Kategorien Bedingungen a priori der Möglichkeit der Erfahrung sind“²⁰⁴. Tatsächlich lässt sich die Antwort auf die Frage nach dem Wie bereits in § 24 der Kritik der reinen Vernunft, zumindest in genera, wiederfinden. Das Schematismuskapitel dient dagegen unserer Ansicht nach der Ausarbeitung der in § 24 gegebenen Antwort in concreto, d. h. in Bezug auf die einzelnen Kategorien. Dahlstroms Schlussfolgerung, dass Detels Ansatz das Schematismuskapitel als „Ausarbeitung“ der Deduktion zu verstehen, nicht erklären könne, warum „die Schematismuslehre nicht zufällig ist“²⁰⁵, verfängt dagegen in keiner Weise. Freuler sieht eine modale Differenz in der Beziehung von Deduktion und Schematismuskapitel.²⁰⁶ So liefere die Deduktion lediglich die Bedingung des Kategoriengebrauchs als „problematische Anwendung“²⁰⁷, das Schematismuskapitel jedoch die „assertorische Anwendung“²⁰⁸ der Kategorien. Freulers modale Zuordnung der einzelnen Beweisstufen erscheint kontestabel, insofern die Deduktion keine Hypothese über den erfahrungskonstitutiven Gebrauch anstellt, welche bezüglich der jeweiligen Kategorien verifikationsbedürftig wäre.²⁰⁹ Dennoch ist seine grundlegende Auffassung des transzendentalen Schematismus als kategorienspezifische Konkretion der figurativen Synthesis durchaus sachrichtig.
Dahlstrom (), S. ff. MAN, AA IV, ; S. . Dahlstrom (), S. . Dahlstrom (), S. . Freuler (), S. . Freuler (), S. . Freuler (1991), S. 404. Freuler (), S. . Cf. Baumanns (), S. .
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Ähnlich sieht dies auch Dryer: „In the Transcendental Deduction Kant makes no mention of specific logical functions of judgement or of specific categories. His argument does not depend on specifying what they are. In the Deduction he is only concerned with whether there is any objection to using purely intellectual concepts of any objects that are observed. After setteling this question in the Deduction, he seeks to set forth in the Schematism conditions under which specific categorial concepts may be used […].“²¹⁰ Dass es Kant in der transzendentalen Deduktion nicht um einzelne Kategorien, sondern um den allgemeinen Nachweis des Verstandes als ratio cognoscendi und essendi der Erfahrungsgegenstände gegangen ist, lässt sich gegen Hoppes Vorwurf gegen Kant einwenden, dieser gebe „die reinen Verstandesbegriffe als Kandidaten für Kategorien vor und such[e] nun [] eine solche Analyse der Gegenstandsbeziehung unserer Erkenntnis zu liefern, die gerade diese Verstandesbegriffe als Kategorien aufzufassen gestattet.“²¹¹ Kant geht es in der transzendentalen Deduktion eben nicht um den Nachweis, dass „gerade diese Verstandesbegriffe“ Kategorien sind. Vielmehr setzt er die Vollständigkeit der Kategorientafel in Beziehung auf die Tafel der logischen Funktionen bereits vor der transzendentalen Deduktion voraus, welche im Anschluss die Legitimität ihrer Anwendung in genera demonstrieren soll. Hoppe ist zumindest darin recht zu geben, dass dieses Verfahren Kants zu der bekannten Schwierigkeit führt, dass die Vollständigkeit der Tafel bloße Thesis bleibt, sofern sie nicht im Rekurs auf den Zielpunkt der transzendentalen Deduktion als bewiesen angesehen werden darf. Zur Beantwortung der zweiten Frage muss Kants verschiedene Verwendung des Schemabegriffes geklärt werden.²¹² Sein Konzept des Schemas ist zuallererst von dem des Bildes zu unterscheiden. Da sich ein Bild immer nur auf einen bestimmten Begriff, respektive Gegenstand bezieht, dessen Abbild es darstellt, bleibt es in seiner Singularität als Ektyp immer hinter der Allgemeinheit seines Begriffes zurück. Kant verdeutlicht diese Differenz von Bild und Schema am Beispiel des Dreiecks. Dryer (), S. f. Hoppe (), S. . Nach Walsh (/), S. , lassen sich zwei verschiedene Perspektiven auf das Schema unterscheiden. Einmal ein „static point of view“, in dem das Schema als mittelndes Drittes in der Subsumtion gedacht, zum anderen ein „dynamic point of view“, von dem aus der Aspekt des Schemas als Produktionsregel einer bildlichen Vorstellung verstanden wird. Spindler hat bereits dreißig Jahre vor Walsh auf den Einheitsgrund dieses doppelten Gebrauchs hingewiesen: „Das Schema ist das Mittel, dem Begriffe Bilder zu verschaffen; jedes mittelst seiner erzeugte Bild ist unter den Begriff subsumierbar: folglich besteht der Vorgang der Subsumtion mittelst des Schemas in der Ermittlung, ob das Bild des Gegenstandes mittelst des Schemas des Begriffs in der Einbildungskraft erzeugt werden kann.“ Spindler (), S. .
1.2 Die Realfunktionen des reinen Verstandes
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Dem Begriffe von einem Triangel überhaupt würde gar kein Bild desselben jemals adäquat sein. Denn es würde die Allgemeinheit des Begriffes nicht erreichen, welche macht, daß dieser für alle, recht- oder schiefwinklichte etc. gilt, sondern immer nur auf einen Teil dieser Sphäre eingeschränkt sein.²¹³
Das bildliche Prototypon eines Begriffes muss daher so beschaffen sein, dass es von allen distinkten Bestimmungen seines Bildes abstrahiert. Eine solche Abstraktion in einem Bilde selbst fassen zu wollen, überfordert jedoch schlichtweg die Vorstellungskraft. Durch das Schema wird daher dem Begriff kein Bild unterlegt, sondern es ermöglicht erst der Einbildungskraft als Konstruktionsvorschrift einen Begriff in der Anschauung bildhaft darzustellen. Diese Vorstellung nun von einem allgemeinen Verfahren der Einbildungskraft, einem Begriff sein Bild zu verschaffen, nenne ich das Schema zu diesem Begriff.²¹⁴
Am Beispiel der Zahl „5“ erläutert Kant die Tätigkeit der Einbildungskraft beim Vorgang des Schematisierens. Das Schema ist zwar „jederzeit nur ein Produkt der Einbildungskraft“²¹⁵, aber nicht so, dass diese dem Begriff nur eine einzige Anschauung unterlegte. So bildet das Aneinanderreihen von fünf Punkten (…..) lediglich das Bild der Zahl. Die Leistung der Einbildungskraft besteht jedoch vielmehr darin, durch die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung nach Maßgabe der Verstandesformen die Einheit der Sinnlichkeit herzustellen. So hat sie nicht das Bild selbst, sondern die Methode seiner Erzeugung zur Aufgabe. Im Falle der Zahl Fünf ist es also nicht die Punktreihe, sondern die progressive Addition von distinkten Einheiten, welche das Schema der Zahl ausmacht.²¹⁶ Dieses kann ad indefinitum für jede denkbare Zahl einer abzählbaren Menge angewandt werden, also auch für solche Zahlen, die nicht mehr für die Vorstellungskraft in
KrV, A | B ; S. . Über die Tatsache hinaus, dass das Beispiel des Dreiecks einen Allgemeinplatz philosophischer Bildsprache darstellt, scheint Kant hier Bezug auf die Diskussion um Lockes Begriff der abstrakten Idee zu nehmen, cf. Locke: Versuch ü. d. m. Verstand, IV.7.9; S. 263. Berkeley: Abhandlung ü. d. Prinzipien, §§ 6 ff.; S. 7 ff. Hume: Traktat ü. d. m. Natur, I.I.7; S. 30 ff. Zur besonderen Bedeutung Berkeleys cf. Moreau (1988). KrV, A | B f.; S. . KrV, A | B ; S. . Das Schema einer beliebigen Zahl n, wobei gilt n ∈ ℕ, kann als infinite Reihe der folgenden Form verstanden werden: n
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einem Bilde fassbar sind.²¹⁷ Insgesamt beinhaltet das Schematismuskapitel der Kritik der reinen Vernunft dabei drei Klassen von Schemata²¹⁸: 1. 2. 3.
Schemata reiner Sinnesbegriffe Schemata empirischer Begriffe Schemata reiner Verstandesbegriffe²¹⁹
Im ersten Fall liefert das Schema die „Anschauung reiner Gestalten im Raume“²²⁰, i. e. solcher der Geometrie. Es stellt sich dabei die Frage, ob diese Leistung der Einbildungskraft identisch sei mit der geometrischen Konstruktion einer Figur. Wenn dies der Fall wäre, müsste es mehrere Schemata ein und desselben Begriffes geben, in Abhängigkeit von den multiplen Erzeugungsmöglichkeiten eines durch ihn bezeichneten Bildes. Im Falle des Triangels wären dies vier, da ein Dreieck durch die Angabe der Längen seiner Seiten (SSS), zweier Winkel und einer Seite (WSW), des Scheitelwinkels und zweier Seiten (SWS) sowie zweier Seiten und des gegenüberliegenden Winkels konstruiert werden kann.²²¹ Kant scheint jedoch die Möglichkeit multipler Realisationen eines Bildes durch eine Vielfalt von Schemata für einen Begriff auszuschließen, da er stets den Singular verwendet („das Schema des Triangels“²²², „eine Regel der Synthesis“²²³). Das Schema des Dreiecks kann daher nicht mit einer seiner Konstruktionsregeln äquivalent sein, sondern bezieht
Dies kann als Antwort auf Descartes verstanden werden, der die Einbildungskraft auf die Möglichkeit bildlicher Vorstellbarkeit beschränkt und so vom Verstand abgrenzt. Kant weist damit zu Recht darauf hin, dass die Leistung der Einbildungskraft über das bildliche Vorstellungsvermögen hinausgeht. Obgleich also die Einbildungskraft nicht in der Lage ist, das Bild einer tausendseitigen Figur vorzustellen, ist es ihr dennoch möglich, das Schema eines solchen Polygons zu bilden (cf. Med. VI, ; AT VII, f.; S. .):
Cf. KrV, A | B ; S. . Da die drei Klassen zusammen die Gesamtheit aller Begriffsarten bilden, ist die Frage, welche Dahlstrom (), S. , stellt, „ob Kant eine allgemeine Theorie des Schematismus entwickeln wollte“, zu bejahen. KrV, A | B ; S. . Konstruktionsmöglichkeiten des Dreiecks:
KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. .
1.2 Die Realfunktionen des reinen Verstandes
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sich lediglich auf die Topologie dreier Punkte, deren Verbindung durch drei Geraden gedacht wird. Wenn ich sage: durch drei Linien, deren zwei zusammengenommen größer sind, als die dritte, läßt sich ein Triangel zeichnen; so habe ich hier die bloße Funktion der produktiven Einbildungskraft, welche die Linien größer und kleiner ziehen, imgleichen nach allerlei beliebigen Winkeln kann zusammenstoßen lassen.²²⁴
Die Konstruktion verschiedener Dreiecke in der Anschauung durch die Variation der Seitenlängen bildet also genau diejenige Funktion der produktiven Einbildungskraft, i. e. das Schema eines Dreiecks, nach welchem gemäß dem Begriff eines Triangels, welcher die Restriktion der möglichen Längenverhältnisse im Dreieck enthält – zwei der drei nicht parallelen Seiten müssen länger als eine Seite sein – beliebig viele Dreiecke konstruiert werden können.²²⁵ Begriff und Schema lassen sich insofern trennen, als dass der Begriff, wie Bussmann richtig hervorhebt, als „Bedingung der Schemaherstellung“²²⁶ fungiert. Das Schema des Zirkels scheint im Gegensatz zu dem des Dreiecks tatsächlich identisch mit seiner geometrischen Konstruktionvorschrift zu sein, da ein Kreis nur auf eine Art in der Ebene konstruiert werden kann, nämlich mittels der Kreistrajektorie durch die Bewegung eines Punktes A um einen fixen Punkt M mit konstantem Halbmesser r. Kant weist darauf hin, dass die Vorstellung eines Kreises oder einer Linie im Begriffe nur durch die Idee ihrer gedanklichen Erzeugung denkbar ist. Wir können uns keine Linie denken, ohne sie in Gedanken zu ziehen, keinen Zirkel denken, ohne ihn zu beschreiben, […].²²⁷
Das Schema des Zirkels bildet so das hodologische Interpretament seiner Genesis als Cursus, gemäß der im Begriff des Kreises ausgesagten Konstanz des Halb-
KrV, A f. | B ; S. . Ähnliches sagt auch Fichte (), S. , in der Einleitungsvorlesung zur Wissenschaftslehre : „Das freie Construiren des Dreiecks wird beschränkt durch das Wesen, den Begriff des Dreiecks selbst. Also spitzige wenigstens, und Einen stumpfen oder rechten.“ Bussmann (), S. . KrV, B , S. . „Auf diese sukzessive Synthesis der produktiven Einbildungskraft, in der Erzeugung der Gestalten, gründet sich die Mathematik der Ausdehnung (Geometrie) mit ihren Axiomen, welche die Bedingungen der sinnlichen Anschauung a priori ausdrücken, unter denen allein das Schema eines reinen Begriffs der äußeren Erscheinung zu Stande kommen kann;“ KrV, A 163 | B 204; S. 262.
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messers. Die Konstruktion reiner Sinnesbegriffe durch ihr Schema geschieht also durch die Einbildungskraft nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit.²²⁸ Schwieriger scheint da die Lösung der Frage nach der Natur der empirischen Schemata, da Gegenstände oder Bilder der Erfahrung als Einzelnes, bzw. Besonderes notwendig weit hinter der Allgemeinheit des durch sie bezeichneten Begriffes bleiben. Das empirische Konzept bezieht sich dabei selbst nie auf den konkreten Gegenstand einer gemachten Erfahrung, sondern bezeichnet nur im Allgemeinen die Regel zur Vergegenwärtigung seines Gegenstandes. Der Begriff vom Hunde bedeutet eine Regel, nach welcher meine Einbildungskraft die Gestalt eines vierfüßigen Tieres allgemein verzeichnen kann, ohne auf irgend eine einzige besondere Gestalt, die mir die Erfahrung darbietet, oder auch ein jedes mögliche Bild, was ich in concreto darstellen kann, eingeschränkt zu sein.²²⁹
Die Möglichkeit zur Realisation von Wahrnehmungserkenntnis, welche der empirische Schematismus als psychologischer, mithin also nicht transzendentaler Konstituent eines identifizierenden und induzierenden Verstandes bezogen auf die sinnliche Mannigfaltigkeit²³⁰ liefert, ist als okkulte Fakultät der menschlichen Natur nicht abschließend zu klären. Dieser Schematismus unseres Verstandes, in Ansehung der Erscheinungen und ihrer bloßen Form, ist eine verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre | Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abraten, und sie unverdeckt vor Augen legen werden.²³¹
Mit dem Verweis auf das Schema empirischer Begriffe lässt sich jedoch ein anderes problematisches Konzept, nämlich das der Normalidee, besser verstehen.²³² Sowohl der Schematismus der Sinnesbegriffe wie auch die Normalidee als quantitatives Mittelmaß besitzen als Produkte der Einbildungskraft eine mono-
Bussmann (), S. , weist richtig auf die Tatsache hin, dass sich die Konstruktion des Bildes gemäß dem Schema im Raume mittels der Einbildungskraft vollzieht, indem er den instrumentalen Charakter der Einbildungskraft gegenüber der landläufigen Ansicht der Interpreten betont, welche fälschlich „häufig die Einbildungskraft als ’Heimatort’ der Schemata angeben“ (ibid.). KrV, A | B ; S. . Aus dieser Unterscheidung erklärt sich auch die Angemessenheit der kantischen Differenz von reproduktiver und produktiver Einbildungskraft. Im Gegensatz hierzu cf. Hilmer (), S. f. KrV, A | B f.; S. f. Zum Begriff der Normalidee cf. Bunte (), S. f.
1.2 Die Realfunktionen des reinen Verstandes
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grammatische Struktur²³³, welche als subjektive (psychologische) Erkenntnisbedingung deren Applikationsfähigkeit auf Gegenstände der Sinne erst ermöglicht. Als Konstruktions-, respektive Identifikationsregel des Schönen in einer Gattung stellt so die Normalidee das empirische Schema des Schönen dar. Vice versa lässt sich aus der Bildungsregel der Normalidee trotz der von Kant insinuierten Opazität des empirischen Schematismus auf die Bedingung von dessen Möglichkeit schließen.²³⁴ Wenn die Normalidee aus der Mediation verschiedener Größen- und Längenverhältnisse in der Gestalt einer Tiergattung hervorgeht, so scheint die durch die Anwendung des empirischen Schemas vollzogene Identifikation einer solchen in der anamnetischen Erkenntnis zu liegen, durch das mittelnde Verstandesvermögen qualitative Affinitäten und quantitative Relationen innerhalb einer Gattung zu spezifizieren.
1.2.2 Die transzendentalen Schemata Das Kernstück des Schematismuskapitels, der transzendentale Schematismus reiner Verstandesbegriffe, i. e. der Kategorien, birgt die größte interpretatorische Schwierigkeit. Die Frage scheint offen, wie unter der Kondition des Schemas als eines allgemeinen Verfahrens zur Unterlegung eines Begriffes mit einer Anschauung, die transzendentale Anwendung des Schematismus auf die Begriffe des reinen Verstandes möglich sein könne, insofern „das Schema eines reinen Verstandesbegriffs etwas [ist], was in gar kein Bild gebracht werden kann“²³⁵, welches mithin also weder die Produktion noch die Subsumtion eines solchen unter einen Begriff abzweckt. Das transzendentale Schema stellt im Gegensatz zum empirischen bloß eine „reine Synthesis, gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen überhaupt, die die Kategorie ausdrückt“²³⁶, dar. Fraglich wird damit, ob die von Kant zuvor vorgelegte Definition eines Schemas sowohl das transzendentale als auch das empirische umfasst.²³⁷ Die Unmöglichkeit, mittels des transzendentalen Schemas ein Bild in der Anschauung nach einem Begriffe zu generieren, erklärt sich aus dessen besonderer Modifikationsleistung. Die Schemata der Sinnesbegriffe, reiner wie empirischer, beziehen sich als Subsumtions- und Bildungsregeln
Cf. Bunte (), S. f.; cf. KrV, A | B ; S. . Dahlstrom (), S. , hat mit seiner Ansicht recht, dass Kant sich mit seiner Rede von der ’verborgenen Kunst’ nur auf die Bildung empirischer Schemata bezieht. Die Bildungsregeln der transzendentalen Schemata sind dagegen a priori aufzufinden. KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. . Cf.. La Rocca (), S. .
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auf die Modifikation der raum-zeitlichen Topologie der Anschauungsformen. Der Raum bildet dabei die conditio sine qua non ihrer bildlichen Darstellbarkeit, insofern er selbst „das reine Bild aller Größen vor dem äußeren Sinne“²³⁸ ist. Ein Bild kann eben nur im Raume und nicht in der Zeit vorgestellt werden. Im Gegensatz hierzu vollzieht der transzendentale Schematismus eine Modifikation der reinen Zeittopologie nach Maßgabe einer durch die Kategorie bestimmten Regel. Der transzendentale Schematismus stellt daher nicht direkt die praeceptio constructionis eines Bildes in der Anschauung zu einem Begriffe dar, liefert aber dennoch die Bedingung zur Möglichkeit einer solchen, insofern die kategoriale Bestimmung der Zeittopologie durch das Schema Erfahrungserkenntnis überhaupt erst ermöglicht.²³⁹ Das transzendentale Schema vindiziert daher keine unmittelbare Verbindung zur räumlichen Anschauungsform.²⁴⁰ Franzwa interpretiert die Frage nach der Notwendigkeit eines räumlichen Schemas als Möglichkeit der temporalen Objektifikation, welche die phänomenale Seite des kantischen Ansatzes fordert.²⁴¹ Dies ist im Prinzip richtig, jedoch übersieht er, dass Kant das Schema als reine Bildungsregel gebraucht. Da es für Kant wesentlich ist, dass die transzendentalen Schemata nicht die Aufgabe haben, die Kategorien in ein Bild zu bringen, da sich die Kategorien jeglicher bildlichen Darstellung in der Anschauung widersetzen, ist ein räumliches Schema der Kategorie unmöglich, obgleich die Gegenstände und Prozesse in der Anschauung, auf welche sich die Kategorien mittels der Schemata beziehen, eine raum-zeitliche Struktur aufweisen.²⁴² Das Fehlen räumlicher Schemata der Kategorien ist daher keine willkürliche Auslassung Kants, wie beispielsweise Smith meint,²⁴³ sondern wesentliches, mithin konstitutives Merkmal des transzendentalen Schematismus.²⁴⁴ Kant ordnet den zwölf KrV, A | B ; S. . Cf. La Rocca (), S. . Die Betonung liegt an dieser Stelle auf der Unmöglichkeit, dies mittels des Schemas selbst zu leisten. Im Folgenden wird dies jedoch von Seiten des Symbolismus her zu diskutieren sein, cf. Exkurs: Der transzendentale Symbolismus. Zur Diskussion über die Bedeutung des Raumes für den transzendentalen Schematismus cf. Franzwa (), S. f. Gegen Franzwas Interpretation der Notwendigkeit der Aufnahme des Raumbezuges in den transzendentalen Schematismus cf. Mudroch (), S. ff. Ebenfalls betont Haas (), S. „die sachliche notwendige“ Priorität der Zeit. Cf. Haas (), S. . An dieser Stelle sei bereits auf den Umstand verwiesen, dass sich die Kategorien lediglich der direkten, bildlichen Darstellung widersetzen. Dass es eine indirekte Darstellung geben kann, wird sich mit Bezug auf Kants Verwendung des Symbols zeigen. Cf. Exkurs: B) Die Linie als Symbol der Zeit. Cf. Smith (), S. . Dahlstrom (), S. , erkennt ebenfalls diese Bedeutung der Bildlosigkeit für den transzendentalen Schematismus.
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Kategorien neun Schemata zu (vgl. Anhang B). Der Schematismus generiert dabei eine Ordnung der Mannigfaltigkeit der sensualen Inhalte, indem er das Punktkontinuum des zeitlichen Nachs gemäß dem Verstand zu einer kategorial bestimmten Zeittopologie einschränkt.²⁴⁵ Die Unendlichkeit der Zeit bedeutet nichts weiter, als daß alle bestimmte Größe der Zeit nur durch Einschränkungen [Hervorhebung, M. B.] einer einigen zum Grunde liegenden Zeit möglich sei. Daher muß die ursprüngliche Vorstellung Zeit als uneingeschränkt gegeben sein. Wovon aber die Teile selbst, und jede Größe eines Gegenstandes, nur durch Einschränkung bestimmt vorgestellt werden können, da muß die ganze Vorstellung nicht durch Begriffe gegeben sein (denn die enthalten nur Teilvorstellungen), sondern es muß ihnen unmittelbare Anschauung zum Grunde liegen.²⁴⁶
Dass die einzuschränkende Zeit als Form des inneren Sinnes für Kant nicht selbst bereits eine Kontinuität der Sukzession darstellt, ist wesentlich für das Verständnis der Beziehung von Synthesis und Anschauungsform.²⁴⁷ So weist Zschocke richtig darauf hin, dass die Begriffe von Raum und Zeit der transzendentalen Ästhetik allein „die ’Direktion’ des ’Nach’ und ’Neben’“ angeben.²⁴⁸ Das „Nach-Einander“²⁴⁹ fordere schon die „Hülfe der Synthesis“²⁵⁰.²⁵¹ Diese spezielle Dahlstrom (), S. , betont richtigerweise, dass die „Anwendung der Kategorien auf die reine Mannigfaltigkeit der Zeit (also die durch das transzendentale Schema ausgedrückte Zeitbestimmung) [] die Bedingung der Anwendung der Kategorie auf Erfahrung überhaupt (d. h. eben diese Zeitbestimmung) nicht voraus[setzt].“ KrV, A | B f.; S. . Dies bestätigt die These Meschs (), S. , demzufolge der transzendentale Schematismus in seinem Bezug zur Unendlichkeit der einschränkbaren Anschauungszeit eine Parallele zum platonischen Zeitbegriff bildet: „Der scheinbar so rätselhafte Schematismus erweist sich als kantische Adaption der alten Auffassung Platons, dass Zeit ein nach Zahlen voranschreitendes Bild der im Einen verharrenden Zeit Ewigkeit sei (Timaios, d).“ Zschocke (), S. . Zschocke (), S. . Zschocke (), S. . Die Bedeutung der Differenzierung der synthesislosen reinen Form der Anschauung und der bereits unter dem Einheitsaspekt der Spontaneität verstandenen reinen Anschauung kann nicht genug betont werden, da deren Ineinssetzung zu einer vollständigen Verschiebung der Argumentationslinie der Kritik der reinen Vernunft, speziell der transzendentalen Deduktion führt. So erklärt beispielsweise Baum () zwar richtig, dass der Grund allen Verbindens gemäß § in der Apperzeption liegt, diese jedoch, um den Gegenstand zur begrifflichen Einheit zu führen, eine Einheit voraussetzt, welche durch die Anschauung gegeben ist (op. cit., S. f.). Das Ziel der transzendentalen Deduktion bestehe daher einerseits darin, die objektive Gültigkeit der Kategorien in Bezug auf die synthetische Einheit der Apperzeption nachzuweisen (op. cit., S. – ), als auch zweitens den Nachweis über die Restriktion dieser Funktion auf Gegenstände möglicher Erfahrung, d. h. auf die in der Anschauung möglichen Verbindungen (op. cit., S. ), zu erbringen.
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„Hülfe der Synthesis“ kann unserer Ansicht nach in der quantitativen Modifikation der temporalen Anschauungsform zur Zeitreihe gesehen werden. Durch diese entsteht die „formale Anschauung“²⁵² aus der Form der Anschauung.²⁵³ Dass die Der erste Teil der Analyse ist durchaus zutreffend, der zweite beruht jedoch auf einem Missverständnis, welches durch die Kritik der reinen Vernunft systematisch bedingt ist und zwei Wurzeln hat: Die erste liegt in der bekannten Schwierigkeit der transzendentalen Ästhetik, bezüglich der Begriffe von Raum und Zeit. Im Falle der reinen Form der Anschauung, welche den vornehmlichen Gegenstand der metaphysischen Erörterung der transzendentalen Ästhetik bildet, ist wesentlich, dass Raum und Zeit als Formen der Anschauung keine Sukzessions- oder Extensionskontinua darstellen. Sie bilden eine Ordnung des Neben und Nach. Das Nacheinander und das Nebeneinader sind damit bereits Qualifikationen, welche durch den Verstand in die Anschauung kommen. Nun ist interessant, dass Baum zwar die Unterscheidung zwischen reiner Anschauung und reiner Form der Anschauung macht, letzterer jedoch bereits das Neben- und Nacheinander zuschreibt: „Der Raum (und Zeit) ist also beides: Form der Anschauung als pures Mannigfaltiges im Nebeneinander und formale Anschauung als synthetische Einheit des Mannigfaltigen.“ (op. cit., S. ). Dies führt auf die fatale Konsequenz, dass die Apperzeption zwar alleiniger Grund der Verbindung des Mannigfaltigen sein soll, die Einheit der Anschauungsformen jedoch neben sich hat. Damit kommt der Interpretation der Restriktionsthese Kants für die Kategoriengültigkeit eine andere Bedeutung zu. Die Kategorien sind damit nicht mehr auf die Erfahrung restringiert, weil sie der alleinige Grund der Verknüpfung der Vorstellungsmannigfaltigkeit in der Erfahrung sind, sofern durch diese Verknüpfung Vorstellungen als Gegenstandsvorstellungen allein möglich sind, sondern die Kategorien sind auf bestimmte in der Anschauung gegebene Vorstellungsverknüpfungen restringiert, welche sie zur Einheit der Erfahrung synthetisieren können. Entsprechend schreibt Baum S. : „Das heißt umgekehrt nicht, daß beliebige Vorstellungsverbindungen empirisch gegebenen Materials durch den Verstand, weil sie ja alle unter der synthetischen Einheit der Apperzeption stehen, auch objektiv sind. Sondern nur diejenigen sind es, deren (durch den Verstand gar nicht gegebenes) Anschauungsmannigfaltiges den durch den Verstand hervorgebrachten synthetischen Einheiten der Form a priori der Gegenheit [sic!] einer Anschauungsmannigfaltigkeit der Art gemäß ist, daß sie in in sie hineinpassen.“ Diese These wurde bekanntlich ähnlich auch von D. Henrich vertreten, welche jedoch nach unserem Dafürhalten mit Kant nicht zu rechtfertigen ist, sofern sie die kantischen Theorie der konstitutiven Restriktion der Erfahrungseinheit zur restriktive Konstitutionstheorie umwandelt. Die zweite Wurzel liegt in einem Fehlschluss der transzendentalen Deduktion selbst, welcher in Kap. 3.3.2 ausgiebig behandelt werden wird. Zschocke (), S. . Neben Zschocke kennzeichnet ebenfalls Bussmann (), S. und , Kants Begriff der Zeit als Anschauungsform richtig: „Vielmehr stellen die Schemata Resultate des Schematisierens dar, das seinerseits eine Rückwendung des Verstandes auf sich selbst ist, wodurch und wobei mittelst der produktiven Einbildungskraft dem puren Nach – dem reinen Mannigfaltigen – der Zeit eine Ordnung gegeben wird, die den jeweiligen Kategorien entspricht.“ Op. cit., S. . Ferrarin kennzeichnet die Zeit als bloße Anschauung ebenfalls richtig: „Time is given, as the indeterminate form of our intuition (as the possibility of a serial order): but the order of the succession (its sense) is the result of our posting a relation among representations.“ Ferrarin (1995), S. 143.
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Sukzession der Zeit erst durch die Synthesis hervorgebracht wird, bestätigt sich mit Blick auf § 24: Bewegung, als Handlung des Subjekts (nicht als Bestimmung eines Objekts), folglich die Synthesis des Mannigfaltigen im Raume, wenn wir von diesem abstrahieren und bloß auf die Handlung Acht haben, dadurch wir den inneren Sinn seiner Form gemäß bestimmen, bringt so gar den Begriff der Sukzession zuerst hervor.²⁵⁴
Die Einschränkung der Zeit durch die Kategorie der Quantität ermöglicht so aus der Unendlichkeit der indefiniten Zeit als reiner Anschauungsform die Einheit der Synthesis homologer Anschauungen, i. e. die Zahl, als Grundlage einer jeden bestimmten Zeit herzustellen, sofern sie als Folgeordnung an den Erscheinungsgegenständen wahrgenommen werden kann.²⁵⁵ Das Schema der Quantität stellt damit die sequenzielle Ordnung in der Zeittopologie her. Das transzendentale Schema der Qualität schränkt im Gegensatz zu dieser nicht die extensionale, sondern die intensionale Zeitdimension ein. Realität und Negation bilden so die Zeitbestimmungen der leeren und der erfüllten Zeit.²⁵⁶ Bereits Zschocke²⁵⁷ und Curtius²⁵⁸ weisen auf das Missverhältnis der neun Schemata in Bezug zur Zwölfzahl der Kategorien hin. Dass Kant sämtliche Subkategorien der Quantität durch das eine Schema der Zahl darstellt, scheint noch sinnfällig, in Bezug zur Qualität jedoch mutet die Auslassung des Schemas der Limitation seltsam willkürlich an. Aus der Synthese des Schemas der Realität und Die Unterscheidung von „Nach“ und „Nach-Einander“ wird in der Diskussion der Erfahrungsgenese im Übergang von Empfindung zur Wahrnehmung (der Empfindung) eine wichtige Rolle spielen. Die Minimalbestimmung des Raumes als spatiales Auseinanderseinkönnen, respektive als gleichzeitiges „Neben“ ist wesentlich für die abstraktive Beziehung des Raumes als Form der Anschauung zu den in ihm enthaltenen Gegenständen. Ihren Charakter als „Gegenstände“ erhalten sie also nicht durch eine raum-zeitliche Vororganisation in der Empfindung, sondern nur durch ihre Verbindung in der Wahrnehmung. Cf. dagegen Glouberman (1975), S. 318; 329. Zum Komplex der Wahrnehmung cf. Kap. 3.1.2. KrV, B ; S. . Mesch (), S. , betont daher korrekt, „dass die Schemata das einfache Zeitverständnis der Ästhetik auf entscheidende Weise ergänzen. Zeit ist für Kant nicht nur die strukturlose Anschauungszeit der Ästhetik, sondern auch die strukturierte Erfahrungszeit der Schemata.“ Die Negation scheint der eigentliche, logische Ort des „Nichts“ zu sein, sofern das Nichts a priori immer auf ein Seiendes bezogen sein muss, cf. „Prinzip der Positivität“, Cramer (/), S. f. Vallenilla (1965), S. 343, plädiert dennoch dafür, dass mit Kant eine „Idee des Nichts […], das nicht das bloße Ergebnis einer Negation ist“, erfasst werden könne. Cf. Zschocke (), S. . Cf. Curtius (), S. .
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der Negation ließe sich jedoch ein Limitationsschema bilden. Die unbestimmte Zeit würde dabei eingeschränkt, ihr Umfang bliebe jedoch derselbe. Dieses hypothetische Zeitschema einer umschließenden Zeit entspräche damit der Bestimmung Kants für die unendlichen Urteile.
Abb. 4: Hypothetisches Schema der Limitation
Dieses Schema kann gedeutet werden als das „Nie-zu-einer-Zeit-Sein“.²⁵⁹ Über den Grund, warum Kant selbst kein Schema der Limitation angibt, kann allenfalls spekuliert werden. Eventuell war Kant sich selbst über die zeitliche Bedeutung der Kategorie im Unklaren. Fakt ist, dass Kant die Kategorie der Limitation in der Kritik der reinen Vernunft vornehmlich in ihrer unschematisierten Form als logische Funktion des unendlichen Urteils gebraucht. Als solche wird sie in Bezug auf das transzendentale Ideal noch eine wichtige Rolle spielen.²⁶⁰ Im Gegensatz zu den mathematischen entspricht den einzelnen Subkategorien der dynamischen Verstandesbegriffe jeweils ein Schema. Die Schemata der Relation beziehen sich auf die Modifikation der Sequenzialität der zeitinhärenten Ereignisse, indem diese eine Zeitordnung etablieren. Persistenz des Realen bildet das Schema der Substanz; Sukzession, sofern diese unter eine Regel fällt, das der Kausalität. Synchronizität von Bestimmung und Bestimmten als kausale Wechselseitigkeit der Substanzen in Ansehung ihrer Akzidenzien markiert das Schema der Gemeinschaft, respektive das der Wechselwirkung. Die transzendentale Zeitbestimmung durch die Modalität schränkt die unendliche Anschauungsform auf die Möglichkeit eines Zeitinbegriffs ein, insofern diese die Möglichkeit eines Ereignisses, dessen Wirklichkeit oder Notwendigkeit in einem indefiniten, definiten oder infiniten Zeitraum realisiert. Der Kern der Ausgangsfrage des Schematismuskapitels, wie nun die Anwendung der (einzelnen) Kategorien auf die Erscheinungsgegenstände möglich sein könne, ist mit dem Verweis auf die transzendentale Zeitbestimmung noch nicht hinreichend beantwortet. Dieser betrifft die Natur des Schemas, entweder als Gegenstand der Sinnlichkeit oder des Begriffsvermögens. Die Problemlage, die den systematischen Hintergrund für die Einführung des transzendentalen Schematismus bildet, nämlich die Heteronomie von Rezeptivität und Spontaneität,
Cf. Kap. ... Cf. Kap. ...
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stellt damit die zentrale Schwierigkeit des Schematismus selbst dar. Für Kant ist das Problem der Anwendung der Kategorien auf die Erscheinung eine Frage der richtigen Subsumtion der letzteren unter die ersteren.²⁶¹ Das Schema bildet dabei das tertium comparationis, welches mit beiden eine gewisse Homologie besitzt. Nun ist es klar, daß es ein Drittes geben müsse, was einerseits mit der Kategorie, andererseits mit der Erscheinung in Gleichartigkeit stehen muß, und die Anwendung der ersteren auf die letzte möglich macht. Diese Vorstellung muß rein (ohne alles Empirische) und doch einerseits i n t e l l e k t u e l l , andererseits s i n n l i c h sein. Eine solche ist das transzendentale Schema.²⁶²
Es ist von verschiedenen Autoren darauf hingewiesen worden, dass es eine solche „Gleichartigkeit“ von Verstand und Sinnlichkeit, deren Irreduzibilität Kant nicht müde wurde in der transzendentalen Analytik zu betonen, nicht geben könne. Nach Smith gibt es nur zwei Alternativen: Entweder sind Verstandeskategorien und sinnliche Anschauungen nicht vermittelbar, in diesem Fall wäre Kants System der Transzendentalphilosophie unhaltbar, oder Verstand und Sinnlichkeit sind bereits verbunden, was die Frage der Vermittlung redundant machte, aber auch Kants sorgfältige Trennung von Rezeptivität und Spontaneität revozierte. if category and sensous intuition are really heterogeneous, no subsumption is possible; and if they are not really heterogeneous, no such problem as Kant here refers to will exist.²⁶³
Curtius stellt die Schwierigkeit der von Kant vorgelegten Gleichsetzung von Anwendung und Subsumtion ins Zentrum. So gehorche der von ihm so genannte Subsumtions-Schematismus nicht der allgemeinen Bestimmung eines subsumierenden Urteils, nämlich der Identität der Ordnungsreihen der im Subsumtionsurteil verknüpften Gegenstände. Bei einer vollständigen Distinktion, wie diejenige, welche offensichtlich zwischen Begriff und Anschauung besteht, kann es dementsprechend kein Drittes geben (tertium non datur).²⁶⁴ Die Zeit als ein solches zu benennen, stellt für Curtius daher eine sophistische Erschleichung dar.²⁶⁵ Im Gegensatz zu Smith bedeutet die angenommene Inkonsistenz des Schematismuskapitels für Curtius jedoch kein vitioses Problem, da der Anspruch des Cf. KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. . Smith (), S. . Zschocke zieht daher den vermeintlich folgerichtigen Schluss, dass es sich beim transzendentalen Schema nur um eine Verbindung von Begriff und Anschauung handele und nicht um das gesuchte Dritte dieser Verbindung. Kant löse das Problem „dadurch höchst einfach, indem er es ignoriere.“ Zschocke (), S. . Curtius (), S. f.
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Schematismus, die Anwendungsmöglichkeit der Kategorien auf die Gegenstände der Erscheinung zu demonstrieren, bereits in § 24 der Analytik hinreichend erfüllt sei. Seel meint das Problem der Vermittlungsleistung des Schemas in Anschluss an Allison²⁶⁶ dadurch zu lösen, dass er der transzendentalen Subsumtion eine syllogistische Form (maior, minor, conclusio)²⁶⁷ unterlegt, in welcher das Schema den Mittelbegriff bildet. Die Schemata wären damit „Begriffe von strukturellen Eigenschaften (wie z. B. „regelmäßig auf einander“ folgen oder „beharren“)²⁶⁸. Die Anwendung des Schemas ließe sich daher am Beispiel der Kausalität folgendermaßen explizieren: Maior: Minor:
Alles, was regelmäßig aufeinander folgt, ist kausal verbunden. Diese (hic et nunc datur) Konstellation von Sinnesdata folgt regelmäßig aufeinander. Conclusio: Diese (hic et nunc datur) Konstellation von Sinnesdata ist kausal verbunden.²⁶⁹
Diese an sich einleuchtende Interpretation des Schematismus stellt zwar eine begriffliche Explikation des Subsumtionsurteils dar, greift allerdings durch die Ineinssetzung von logischer und transzendentaler Subsumtion zu kurz. Der eigentlich zu klärende Zusammenhang von Begriff (Kategorie) und Anschauung (Erscheinungsgegenstand) als Aufdeckung der Anwendung des ersteren auf die letztere bleibt ungeklärt, insofern das Schema,wenn es Teil des Begriffsvermögens wäre, wiederum ein Drittes bräuchte, um auf die Gegenstände der Erscheinung appliziert werden zu können.²⁷⁰ Die Schwierigkeit der transzendentalen Subsumtion als eben die zu klärende Möglichkeit der Anwendung eines Begriffes auf eine Anschauung mittels des Schemas als ein tertium comparationis, welches als solches beiden ähnlich sein solle, wird damit nur aufgeschoben auf die Möglichkeit, das Schema selbst als einen Begriff auf eine Anschauung applizieren zu können, was wiederum zum Vergleich ein Mittleres benötigte. Wollte man das
Allison (), S. ff. ((p 6 q& + (q 6 r&& 6 (p 6 r& Seel (), S. . Cf. diese Explikation des Schemas bezüglich der ersten Relationskategorie bei Seel (), S. . Eine ähnliche Explikation von Kategorie und Schema unter Einbeziehung des Grundsatzes legt Krausser (), S. , vor. Zu diesem Schluss kommt ebenfalls Spindler, ohne dies jedoch als Problem aufzufassen, sofern bloß gelten muss, „daß das ’transzendentale Schema’ gleich allen anderen Allgemeinbegriffen, die einen Sinn haben, überhaupt ein Schema hat“ Spindler (), S. .
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Schema selbst vice versa als reine Anschauungen deuten,²⁷¹ so stünde man mutatis mutandis vor demselben Problem, in dem das Schema als Anschauung selbst wiederum ein Schema bräuchte, um mit dem Begriff verbunden zu werden. Sowohl die Interpretation des Schemas als Begriff wie auch als Anschauung scheitern daher an derselben Stelle, d. h. am Problem, die Verbindung zwischen den heteronomen Vermögen des Verstandes und der Sinnlichkeit zu vermitteln. Bei Curtius ist jedoch ein wichtiger Hinweis zu finden,wie das Schema als Mittleres zwischen Anschauung und Begriff zu denken sei. So deutet er das Schema treffend als die Funktion eines Begriffes. ²⁷² Er versteht dies im mathematischen Sinne.²⁷³ So stellt eine Funktion eine Abbildungsregel²⁷⁴ einer gegebenen Größe x des Argumentbereichs auf eine andere y als Bildmenge gemäß einer Regel in Form eines mathematischen Terms t(x)=y dar. Die Funktion lässt sich so aus dem Termabstraktum der Zuordnung x → t(x) als f = [x → t(x)] fassen. Übertragen auf den Schematismus bedeutet dies, dass das Schema als Funktion zu dem ihm korrespondierenden Begriffe, im Falle des transzendentalen also die Kategorie, eine Projektion des transzendentalen Arguments auf eine Anschauung bildet.²⁷⁵ Das transzendentale Schema stellt so eine Bijektion der Kategorie auf eine durch diese bestimmte Zeitform dar. Das Verhältnis von Kategorie und Schema wird im Folgenden zu klären sein. Kant bestimmt in § 20 die Rolle der Kategorie als Einheitsgrund der sensualen Mannigfaltigkeit im Bewusstsein als logische Urteilsfunktion. [A] Diejenige Handlung des Verstandes aber, durch die das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen (sie mögen Anschauungen oder Begriffe sein) unter eine Apperzeption überhaupt gebracht wird, ist die logische Funktion der Urteile (§ 19). [B] Also ist alles Mannigfaltige, so fern es in Einer empirischen Anschauung gegeben ist, in Ansehung einer der logischen Funktionen zu urteilen bestimmt, durch die es nämlich zu einem Bewußtsein überhaupt gebracht wird. [C] Nun sind aber die Kategorien nichts andres, als eben diese Funktionen zu urteilen, so fern das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in Ansehung ihrer bestimmt ist (§ 13).²⁷⁶
In der Teilaussage A macht Kant nochmals deutlich, was er bereits in § 19 ausgeführt hat, nämlich dass ein Urteil nicht bloß die Bestimmung des Verhältnisses zweier Begriffe zueinander zum Ziele hat, sondern „gegebene Erkenntnisse zur
Cf. Allison (), . Cf. Curtius (), S. . Eine ähnliche Interpretation findet sich bei Stuhlmann-Laeisz (), S. ff. Cf. Artikel: Funktion. In: HWPh II, S. . Krausser (), S. , spricht vom Schema als „Zuordnungsregel“. KrV, B ; S. .
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objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen.“²⁷⁷ Objektiv ist diese Einheit nur, sofern der Zusammenhang gegebener Erkenntnisse nicht Ausdruck bloßer phänomenaler Wahrnehmungs-gesetzlichkeit ist, die in Abhängigkeit zur subjektiven Konstitution steht, sondern wenn gemäß der notwendigen Einheit der Apperzeption die Synthesis der Anschauungen hergestellt wird und so objektiven Regeln gehorcht. Eben diese Urteilshandlung identifiziert Kant mit der logischen Funktion der Urteile. ²⁷⁸ Teilaussage B bringt zum Ausdruck, dass alle Mannigfaltigkeit der Sinneserkenntnis, sofern diese Teil der empirischen Anschauung sein soll, bereits kategorial durch diejenige Verstandesbestimmung geordnet ist, durch welche sie sich einem Bewusstsein überhaupt zum sinnlichen Referenzpunkt der Verstandeshandlung präsentiert. Damit ist auf die objektive Transzendentalität der Kategorie verwiesen, die sowohl den Realisations- als auch Restriktionsgrund der empirischen Erkenntnis auf die Gegenstände möglicher Erfahrung darstellt.²⁷⁹ Die Bestimmung der Kategorie in der Teilaussage C besitzt eminente Bedeutung für die Interpretation des Schemas. Die Kategorien können nach Kant nun „insgesamt gefunden werden, wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollständig darstellen kann.“²⁸⁰ Die Urteilsformen als bloß logische Funktionen vindizieren selbst jedoch noch keinen Anschauungsbezug. Die Kategorien als Begriffe des reinen Verstandes unterliegen dagegen der Kondition, dass sie sich als Prädikamente der transzendentalen Logik notwendig auf ein Mannigfaltiges der Sinnlichkeit (a priori) beziehen müssen²⁸¹, respektive dass das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung, sofern dieses als Erscheinung gegeben ist, eben durch diesen Bezug, den Kant im Schematismuskapitel explizit macht, unter der kategorialen Bestimmung stehe. Die so genannten unschematisierten Kategorien bezeichnen daher keineswegs Gegenstände, sondern befähigen den Verstand als seine Funktionen in ihrer Anwendung auf die reine Form der Sinnlichkeit, Begriffe gemäß den Urteilsfunktionen zu bilden.²⁸²
KrV, B ; S. . Cf. Carl (), S. ff. Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Die genaue Ableitung der einzelnen Kategorien wird im nächsten Gliederungsabschnitt erfolgen. Cf. KrV, A f. | B ; S. . Ähnlich Mainzer (), S. : „Das Kategoriensystem stellt ein formales Urteilssystem dar, das mit einem (re‐)konstruierbaren Gültigkeitsbereich (einer konstruktiven Semantik) versehen ist.“
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Also sind die Kategorien, ohne Schemate, nur Funktionen des Verstandes zu [Hervorhebung, M. B.] Begriffen, stellen aber keinen Gegenstand vor. Diese Bedeutung kommt ihnen von der Sinnlichkeit, die den Verstand realisiert, indem sie ihn zugleich restringiert.²⁸³
Das Schematismuskapitel hat dennoch nicht die Aufgabe, aus den reinen Denkformen im Sinne der transzendentalen Deduktion die reinen Verstandesbegriffe zu bilden.²⁸⁴ Dies folgt auch nicht notwendig aus der Zurückweisung der Annahme, dass es sich bei den unschematisierten Kategorien bereits um Gegenstandsbegriffe handele; diese sind tatsächlich identisch mit den logischen Funktionen der Urteilstafel.²⁸⁵ Die Kategorie ohne Schema stellt daher nichts anderes vor als das Vermögen des Verstandes diese zu bilden. Es gibt also keine Kategorien ohne Schemata, sofern es sich bei diesen um die reinen Verstandesbegriffe handeln sollte. Aus diesem Grund existiert die Kategorie als Verstandesbegriff niemals ohne das Gesetz ihrer Anwendung durch die bestimmende (subsumierende) Urteilskraft. Die bestimmende Urteilskraft unter allgemeinen transzendentalen Gesetzen, die der Verstand gibt, ist nur subsumierend; das Gesetz ist ihr a priori vorgezeichnet, und sie hat also nicht nötig, für sich selbst auf ein Gesetz zu denken, um das Besondere in der Natur dem Allgemeinen unterordnen zu können.²⁸⁶
Die notwendige Verbindung von Schema und Kategorie ist daher schon zu Beginn des Schematismuskapitels vorausgesetzt und wird dort in Bezug auf die Erscheinung expliziert.²⁸⁷ Bezogen auf die Fassung des Schemas als (figurale) Funktion der Kategorie liegt es deshalb nahe, Funktion und Begriff der Sache nach als untrennbar anzusehen.²⁸⁸
KrV, A | B ; S. . Cf. Seel (), S. . Die Bedeutung der reinen Kategorie als Urteilsform betont besonders Haas (), S. f. Danach ist der „Widersinn der reinen Kategorie als Urteilsform […] nichts Geringeres als das die Wahrheit ansprechende Denken selbst.“ Das „die Wahrheit ansprechende Denken“, so wird sich zeigen, ist in erster Linie eine Selbstansprache des Denkens. KdU Einleitung IV., B XXVI; S. . Damit ist der dritte Problemkomplex des Schematismus redundant. Detel macht dies klar, indem er Schema und schematisierte Kategorie gleichsetzt, cf. Detel (), S. . Dies ist der Sache nach richtig, lässt jedoch das Schema als Mittel zur Anwendung der Kategorie unterbestimmt. Ebenfalls in diese Richtung deutet die von Dahlstrom (1984), S. 49, ausgemachte Äquivalenz von Kategorienbesitz und Kategorienanwendung. Das Problem der Möglichkeit des vorkategorialen Wahrnehmungsurteils scheint jedoch eine allzu leichtfertige Identifikation beider zweifelhaft zu machen, cf. hierzu Kap. 3.1.3.
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Die Frage nach der Möglichkeit der Subsumtion der Anschauungen unter die Kategorien, eine der Kernschwierigkeiten des Schematismuskapitels, lässt sich mit Verweis auf diese Deutung des Schemas lösen. Das Schema liefert als Funktion der Kategorie die Regel zur transzendentalen Subsumtion als Applikation.²⁸⁹ Die Subsumtion folgt damit als ein Algorithmus der kategorialen Regel, indem durch diese das Mannigfaltige mittels der Einbildungskraft permutativ nach Maßgabe der Verstandesformen geordnet wird.²⁹⁰ Aus dem Zeitchaos der bloßen Distinktionsmöglichkeit der Zeitmomente konstruiert der Verstand eine Ordnung, indem er eine Zeittopologie etabliert. Durch diese Anwendung seiner reinen Begriffe erweist sich der Verstand als gesetzgebendes Vermögen.²⁹¹ Für die Bildung der Kategorien aus den Verstandesfunktionen ist die eigentlich interessante Frage, in welchem Verhältnis nun die idealen Funktionen des Urteilsvermögens und die Schemata, welche die Funktionen der Einbildungskraft darstellen, stehen. Die naheliegende Antwort wäre, dass die beiden Typen von Funktionen zusammen die Kategorien als reine Verstandesbegriffe bilden. Diese Antwort setzt jedoch voraus, dass es neben dem Verstand als Urteilsvermögen noch die Einbildungskraft gäbe, welche als gleichberechtigtes Vermögen an der Bildung der Kategorien beteiligt ist. Dies ist jedoch, zumindest was die B-Auflage der Kritik der reinen Vernunft angeht, nicht der Fall.²⁹² So weist Baumanns zu Recht Cf. Kang (), S. . Flach (), S. , fasst die Funktion des Schemas ähnlich: „Die Quintessenz der Kantischen Schematismuslehre besteht demnach in der Lehre, daß Gegenstände empirisch nur in wahrnehmungsgestützten gesetzmäßigen Aussagen erkannt werden können. Es geht um die Funktionsgleichungen, in denen die Wahrnehmungen interpolativ zusammengefaßt werden. Das ist konstitutiverweise so.Weil es konstitutiverweise so ist, kennt die Erfahrungserkenntnis sichere Grundsätze.“ Die Interpretion Kraussners, nach der das transzendentale Schema eine bloß nachgeordnete Funktion als Zuordnungsregel besitzt, insofern die „Schemata [] Regeln [sind], nach denen ’gegebenen’ (= nicht willkürlich produzierten) sinnlichen Mannigfaltigkeiten, falls sie gewisse ’Kennzeichen’ (B ) aufweisen, gewisse Kategorien zugeordnet werden, nach denen die betroffenen sinnlichen Mannigfaltigkeiten zu bestimmten anschaulichen Konfigurationen (z. B. Dingen und Vorgängen mit Eigenschaften und Relationen) re-konstruiert – Kant sagt: ’konstruiert’ werden“, Krausser (), S. , ignoriert genau diese dynamisch-produktive Funktion des transzendentalen Schemas. Die Schemata sind eben als transzendentale Funktionen Bedingungen der Möglichkeit der Konfiguration. Genau hierin irrt Mal wenn er meint, „daß auch bei Kant [ebenso wie bei Hume, M. B.] die Rolle der Einbildungskraft wichtiger und zentraler ist als die des Verstandes“ Mall (), S. . Da die Einbildungskraft für Kant die sich aktiv auf die Sinnlichkeit beziehende Seite des Verstandes darstellt, indem sie die Vorstellungsmannigfaltigkeit in der Wahrnehmung zur objektiven Einheit des Gegenstandes in der Erfahrung gemäß ihrem kategorialen Funktionsinventar synthetisiert, kann der Ursprung der Kategorien auch nicht unbeschadet im Sinne Humes in „einen wunderbaren und nicht weiter erklärbaren Instinktprozeß in uns“ (op. cit., S. .), wie Mall
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darauf hin, dass es so etwas wie eine selbsttätige Einbildungskraft nicht gebe.²⁹³ Die Einbildungskraft stellt lediglich ein Moment der Urteilskraft dar, sofern diese sich auf einen Gegenstand als Erscheinung, mithin also auf den Anschauungscharakter und nicht den Begriffscharakter des Dings bezieht.²⁹⁴ Das Urteilsvermögen, respektive die Urteilskraft und die Einbildungskraft sind demnach nur zwei Seiten ein und desselben spontanen Vermögens. Es ist ein und dieselbe Spontaneität, welche dort, unter dem Namen der Einbildungskraft, hier des Verstandes, Verbindung in das Mannigfaltige der Anschauung hineinbringt.²⁹⁵
Die Schemata als Realfunktionen des Verstandes bilden demnach das sinnliche Spiegelbild der Idealfunktionen. Bezüglich ihres Funktionscharakters sollte daher für die Schemata als Realfunktionen des Verstandes dasselbe gelten, wie für die bloß logischen Funktionen. Auch die Realfunktionen müssen also ebenfalls Einheiten der Handlungen darstellen. Kant spricht bekanntlich im Zusammenhang mit dem Schematismus im Allgemeinen von einer Regel zur Produktion eines Bildes. Der transzendentale Schematismus dient zwar nicht, wie der empirische, der Produktion eines Bildes, dennoch ist ihnen der Verfahrenscharakter als Produktionsschema gemein. Spindler unterscheidet in Bezug auf das letztere „das Verfahren, dessen Produkt das Schema ist, das Schema selbst als allgemeines Verfahren und endlich das Verfahren, dessen Produkt das Bild ist.“²⁹⁶ Analoges lässt sich entsprechend vom transzendentalen Schema feststellen: Erstens das Verfahren, respektive die Regel zur Produktion des Schemas, zweitens die Handlung, welche unter dem Schema steht und drittens das Schema als Ergebnis
meint, verlegt werden. Malls Parallelisierung von Kants Begriff der Einbildungskraft und Humes Begriff der „Imagination“ (cf. op. cit., S. .) greift ebenfalls zu kurz. Indem Mall Kants eigene Beschreibung der Einbildungskraft für seine Parallelisierungsthese heranzieht, ignoriert er, dass sich Kant mit der Fassung der Einbildungskraft als einer „blinden […] Funktion der Seele“ (KrV, A | B ; S. .) – ein Gedanke, welchen er im Schematismuskapitel erneut aufgreift („eine verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele“ cf. KrV, A | B ; S. ) – auf ihre allgemeine, empirische Funktion bezieht. Dies geht bereits daraus hervor, dass Kant im folgenden Textabschnitt des von Mall aufgegriffenen Zitates (KrV, A | B ; S. .) die besondere Beziehung von reiner Synthesis und reinem Begriff als einer Synthesis nach Begriffen thematisiert. Rosales (), S. , meint dagegen, dass Kant die Einbildungskraft auch noch in der Auflage B als eigenständiges Vermögen verstehe. Diese Annahme ist jedoch unserer Ansicht nach weder vom Text gedeckt, noch scheint sie harmonisierbar mit dem Fokus der B-Deduktion auf den Verstand, respektive auf die Apperzeption. Cf. Baumanns (), S. . KrV, B ; S. . Spindler (), S. f.
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der Handlung. Die Handlung des Schematisierens, i. e. die Schemaherstellung und die in den einzelnen Schemata ausgeführte, sind also im selbst zugewandten Denken als Momente der rekursiven Bestimmungshandlung in der Zeit bereits aufgehoben. So wird die von Bussmann²⁹⁷ insinuierte Trennung von Schemata und Schematismus wiederum auf der Ebene der funktionalen Handlungseinheit des Bestimmungsdenkens zur Einheit geführt. Es ist damit leicht zu sehen, dass für die Realfunktion als Einheit der Handlung dasselbe gilt, wie für die Idealfunktion, sofern die Realfunktionen ebenfalls eine inhärente triadische Bestimmungsstruktur aufweisen. Die Schemata sind daher im Sinne Detels²⁹⁸ gleich den Kategorien nichts anderes als die auf die Sinnlichkeit angewandten Urteilsfunktionen. Ein sachlicher Unterschied zwischen Kategorie und bloßem Schema sollte dabei jedoch nicht unterschlagen werden. Kant lässt bekanntlich in der bloß logischen Bestimmung einen nicht-kategorialen Gebrauch der Urteilsfunktionen zu.²⁹⁹ Für die Schemata als Realfunktionen des Verstandes als Einbildungskraft³⁰⁰ sollte daher ähnliches gelten. Kant spricht nur an einer Stelle der Kritik der reinen Vernunft von einer Anwendung „bloßer Schemata“ auf die reproduktive Einbildungskraft.³⁰¹ Die Notwendigkeit ihrer Annahme lässt sich jedoch in der nichtobjektiven Verknüpfung von Wahrnehmungen innerhalb bloßer Wahrnehmungsurteile ausführen.³⁰² Kant spricht in den Prolegomena von einer bloß „logischen Verknüpfung der Wahrnehmung“ im Gegensatz zur kategorialen des Erfahrungsurteils. Es scheint also so zu sein, dass Kant den Typus des Wahrnehmungsurteils bloß in Rücksicht auf die inhaltlich unbestimmte Form der logischen Verknüpfung entwirft. Freudinger hätte dementsprechend recht, wenn er das Wahrnehmungsurteil dahingehend bestimmt, dass es „keinen schematisierten Verstandesbegriff“ voraussetzt.³⁰³ Damit wäre das Problem des Wahrnehmungsurteils entschärft. Die eigentliche Problematik des Wahrnehmungsurteils besteht jedoch nicht in seiner Natur als bloß logische Verknüpfung in einem Urteil, sondern darin, wie Wahrnehmungen als verknüpft gedacht werden können, wenn die Kategorien den Grund aller Synthesis bilden. Die mit Kants Begriff des
Cf. Bussmann (), S. f. Cf. Detel (), S. . Cf. Kap. ... Cf. KrV, A f. | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. Proleg., AA IV, ; S. . Cf. Kap. 3.1.4. Cf. Freudinger (), S.
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Wahrnehmungsurteils verbundene Schwierigkeit trifft daher weniger den Verstand als Urteils-, denn als Einbildungskraft. Bussmann spricht von den „Schemata einzeln und allein für sich genommen“³⁰⁴, d. h. ohne Schematisierungsverfahren der Kategorien „von selbstreferentiellen Anwendungen der Kategorien in der Zeit“, welche die Entstehung „allgemeiner Zeitbilder mit kategorialer Struktur“³⁰⁵ hervorbringen. Obgleich also die Kategorien und die Schemata beide Male Anwendungen der Urteilsfunktionen auf die Formen der Sinnlichkeit darstellen, ist der Gebrauch der Kategorien jederzeit objektiv, wohingegen die bloße Verknüpfung von Wahrnehmungen durch die Realfunktionen der Einbildungskraft dies nicht notwendigerweise ist. Die Aufgabe des letzten Gliederungsabschnittes dieses Kapitels wird nun darin bestehen, das Zusammenwirken von Urteils- und Einbildungskraft als Verstand in der Einheit von logischer und figuraler Funktion als Kategorie darzustellen.
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes In den Gliederungsabschnitten 1.1 und 1.2 wurde der Verstand als Formvermögen diskutiert; zum einen in Bezug auf die Urteilsformen, zum anderen in Bezug auf die transzendentalen Schemata. Beide wurden als (Einheits‐)Funktionen des Verstandes ausgewiesen, einerseits hinsichtlich des Verstandes als Urteilsvermögen, andererseits als Einbildungskraft, wobei betont wurde, dass die zwei Vermögen der Urteils- und Einbildungskraft jeweils nur zwei Perspektiven des Verstandes als Vermögen der Gegenstandserkenntnis darstellen. Sowohl die Idealals auch die Realfunktionen sind für sich genommen jedoch noch keine hinreichenden Erkenntnisfunktionen. Die Anwendung der bloßen Verstandesformen verstattet keine Erkenntnis darüber, ob von einem Begriff nur ein prädikativer oder substantiver Gebrauch gemacht werden kann.³⁰⁶ Andererseits ist auch die Anwendung des bloßen Zeitschemas noch nicht hinreichend, um Erkenntnis zu konstituieren und perpetuieren. So ist die Wahrnehmung der steten Abfolge zweier Ereignisse, wie in dem von Kant in den Prolegomena gegebenen Beispiel des sich durch die Sonne erwärmenden Steines,³⁰⁷ noch keine Erfahrungser-
Bussmann (), S. . Bussmann (), S. . Cf. Kap. ... Cf. Proleg., AA IV, ; S. .
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kenntnis.³⁰⁸ Erst wenn dem Beobachter der Zusammenhang von Erwärmung und eingehender Wärmestrahlung als kausale, mithin naturgesetzlich notwendige³⁰⁹ Relation bewusst wird, wandelt sich die bloße Wahrnehmungserkenntnis der Synopsis zweier Ereignisse zur Erfahrungserkenntnis. Damit aus der Wahrnehmung einer zeitlichen Sukzession von Ereignissen die Erfahrung ihrer notwendigen Verknüpfung wird, bedarf es mehr als der Realisation ihrer Abfolge, nämlich der Anwendung einer Kategorie, in diesem Fall der der Kausalität. Kategorien sind für Kant reine Verstandesbegriffe,³¹⁰ welche als diskursive, also begriffliche Funktionen, d. h. als „Regeln des verknüpfenden Denkens“³¹¹ die Einheit der Wahrnehmungen als Erfahrung ermöglichen. Es muss also die Frage beantwortet werden, wie der Verstand von seinen bloßen Funktionen zu seinen Begriffen gelangt.
1.3.1 Die Aufgabe der metaphysischen Deduktion Kategorien beruhen, wie alle Begriffe, auf Funktionen. Bei den reinen Verstandesbegriffen handelt es sich um einen speziellen Typus von Begriffen, insofern diese auf den elementaren Funktionen des Denkens beruhen. Der Verstand besitzt daher auch kein angeborenes Begriffsinventar, im Sinne der rationalistischen ideae innatae. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Kategorien auch nicht um Gegenstandsbegriffe handelt. Was dem Verstand eignet, ist seine spezielle denkgesetzliche Form, von der aus er zu begrifflichen, apriorischen Bestimmungen gelangt. In der sogenannten metaphysischen Deduktion der Kategorien versucht Kant zu zeigen, wie die Kategorien aus den Funktionen des Verstandes zu Urteilen gewonnen werden können. Dies ist deshalb möglich, weil es sich um dieselbe Funktion handelt, welche einerseits die Einheit in einem Urteil konsti-
Die Tatsache, dass Ereignisse determiniert sind, heißt noch lange nicht, dass sie kausal verbunden sein müssen. Ein schönes Beispiel hierfür liefert Max Born (), S. : „Mir scheint, daß diese Gleichsetzung von Determinismus und Kausalität willkürlich und verwirrend ist. Es gibt deterministische Beziehungen, die nicht kausal sind – zum Beispiel jeder Fahrplan oder jede Programmfolge. Um einen ganz banalen Fall zu nehmen: Aufgrund eines Varieté-Programms kann man wohl die Reihenfolge der Auftritte voraussagen, wird aber schwerlich behaupten, daß die Akrobaten von Szene Nr. die Liebesszene Nr. verursacht haben.“ Cf. Wartenberg (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Wartenberg (), S. .
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tuiert, andererseits der bloßen Synthesis in einer Anschauung, d. h. in der Anschauung eines Vorstellungsgegenstandes, Einheit verleiht.³¹² Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedruckt, der reine Verstandesbegriff heißt. Derselbe Verstand also, und zwar durch eben dieselben Handlungen, wodurch er in Begriffen, vermittelst der analytischen Einheit, die logische Form eines Urteils zu Stande brachte, bringt auch, vermittelst der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in der Anschauung überhaupt, in seine Vorstellungen einen transzendentalen Inhalt, weswegen sie reine Verstandesbegriffe heißen, die a priori auf Objekte gehen, welches die allgemeine Logik nicht leisten kann.³¹³
Nur durch die kategoriale Vindikation des apriorischen Objektbezuges vermag der Verstand durch die ihm eigenen Denkfunktionen, respektive Formen sich bestimmend und damit erkennend auf einen Gegenstand als Vorstellung zu beziehen. Damit antizipiert Kant in der metaphysischen Deduktion bereits das Ergebnis der transzendentalen Deduktion, nämlich die Notwendigkeit der apperzeptionsgemäßen Apprehension.³¹⁴ Der Verstand bestimmt die Synthesis der Vorstellungen, indem er die ihm eigenen Einheitsfunktionen im Denken als Einheitsformen der transzendentalen Einbildungskraft realisiert und damit die temporale Struktur des inneren Sinnes determiniert. Dass dies überhaupt möglich ist, erklärt sich aus der Identität des idealen und realen Verstandesgebrauchs, also des Verstandes als Urteils- und Einbildungskraft.³¹⁵ Weniger auf der vermögenstheoretischen als auf der begrifflichen Ebene scheint die Frage jedoch nicht hinreichend geklärt zu sein, wie die zwei protokategorialen Formen des Urteilsvermögens und der Einbildungskraft, die Urteilsformen und Schemata, sich im Begriff der Kategorie verbinden, respektive wie aus den bloßen Verstandesformen begriffliche Gegenstandsbestimmungen werden. Nach Kant können die „Funktionen des Verstandes […] insgesamt gefunden werden, wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollständig dar-
Erst mit Blick auf die synthesis speciosa der produktiven Einbildungskraft wird das Verhältnis von Einheit und Synthesis als Synthesis gemäß der durch den Begriff als Bedingung gesetzten Regel transparent. Da Henrich genau dieses produktive Vermögen des Verstandes ignoriert, geht seine Interpretation einer vor dem Bewusstseinsakt liegenden Synthesis, welche durch den Verstand zu einer apperzeptionsgemäßen Einheit gebracht wird, gänzlich in die Irre, cf. Henrich (), S. . Ebenso äußern sich Wagner (), S. f. und Baumanns (), S. gegen Henrich, S. , Anm. . KrV, A | B f., S. f. Cf. KrV, B f., S. . Miles spricht von der „Selbigkeit der einigenden Verstandeshandlungen selbst im logischen und realen Gebrauch.“ Miles (), S. .
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stellen kann.“³¹⁶ Nach dieser von einigen Autoren missverstandenen Passage³¹⁷ sind die Kategorien als Verstandesfunktionen aus den Urteilsfunktionen zu gewinnen. Zu diesem Zweck stellt Kant in den §§ 9 und 10 die Kategorientafel der Tafel der logischen Funktionen gegenüber.³¹⁸ In der Gegenüberstellung scheint sich Kant zum einen auf die Evidenz ihres Zusammenhanges zu berufen, zum anderen gibt er in § 11 in den sogenannten „artigen Betrachtungen“ Hinweise zur Konkordanz der beiden Tafeln als auch zu ihrer trichotomischen Struktur.³¹⁹ Trotz dieser Hinweise Kants klaffen in der Argumentation der metaphysischen Deduktion zwei große Lücken. Erstens gibt Kant dort keine Definition der Kategorie. Der Definitionen dieser Kategorien überhebe ich mich in dieser Abhandlung geflissentlich, ob ich gleich im Besitz derselben sein möchte. Ich werde diese Begriffe in der Folge bis auf den Grad zergliedern, welcher in Beziehung auf die Methodenlehre, die ich bearbeite, hinreichend ist. In einem System der reinen Vernunft würde man sie mit Recht von mir fordern können; aber hier würden sie nur den Hauptpunkt der Untersuchung aus den Augen bringen, indem sie Zweifel und Angriffe erregten, die man, ohne der wesentlichen Absicht etwas zu entziehen, gar wohl auf eine andre Beschäftigung verweisen kann. Indessen leuchtet doch aus dem wenigen, was ich hievon angeführt habe, deutlich hervor, daß ein vollständiges Wörterbuch mit allen dazu erforderlichen Erklärungen nicht allein möglich, sondern auch leicht sei zu Stande zu bringen. Die Fächer sind einmal da; es ist nur nötig, sie auszufüllen, und eine systematische Topik, wie die gegenwärtige, läßt nicht leicht die Stelle verfehlen, dahin ein jeder Begriff eigentümlich gehört, und zugleich diejenige leicht bemerken, die noch leer ist.³²⁰
Die von Kant genannten Gründe, dass eine Definition der Kategorien einerseits eine offene Flanke für den Einfall der Gegner der kritischen Philosophie liefert und KrV, A | B ; S. . So z. B. von Wolff, cf. Kap. .., S. . Cf. Anhang C. Trotz der Anmerkungen wurde immer wieder Kritik an der notwendigen Verbindung bestimmter Urteilsformen zu bestimmten Kategorien geäußert. So ist des öfteren angemerkt worden, dass insbesondere die Gegenüberstellung des allgemeinen Urteils mit der Kategorie der Einheit kontraintuitiv sei. Cf. Brandt (), S. f., Frede/Krüger (), S. , Longuenesse (), S. f. Sickenberger (/), S. , thematisiert die Zuordnung von Kategorie und Urteilsform ausgehend von der seiner Ansicht nach ursprünglicheren Kategorie, sieht diese jedoch in Bezug auf die singulären und partikulären ebenfalls als problematisch an. Die Richtigkeit der Zuordnung begründet dagegen Pissis korrekt mit dem Verweis auf die Vorstellung der Totalität in Ansehung der Bestimmung des Einzelgegenstandes, cf. Pissis (2012), S. 43. Ebenfalls betont Höffe, dass es Kant in der Kategorie der Allheit um den Inhalt eines Begriffes geht, im Urteil jedoch um den Umfang, welche gemäß dem Reziprozitätsgesetz in einem umgekehrten Verhältnis zueinander stehen, so dass die entsprechende Zuordnung gerechtfertigt ist, cf. Höffe (2004), S. 131. KrV, A f. | B f., S. .
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sich andererseits die Kritik angesichts ihrer vorbereitenden Natur für ein System der Transzendentalphilosophie sowieso der Notwendigkeit einer Definition entheben könne, ist in Ansehung der Zentralität des Begriffs der Kategorie und ihrer in § 14 gegebenen Erklärung wenig überzeugend. Der tiefere Grund für Kants Verzicht auf eine Definition an dieser Stelle mag eher darin begründet liegen, dass die Kategorien neben den Urteilsformen noch die reinen Zeitformen voraussetzen, welche Kant jedoch erst im Anschluss an die transzendentale Deduktion entwickelt. Dies gilt insofern, als die Kategorie ohne Schema, wie bereits betont wurde, nur die Möglichkeit ihrer Begriffsbildung, i. e. eine bloß logische Funktion darstellt. Diese Ansicht findet sich im dritten Hauptstück „Der transzendentalen Doktrin der Urteilskraft“ in der Ausgabe A bestätigt: Oben, bei Darstellung der Tafel der Kategorien, überhoben wir uns der Definitionen einer jeden derselben dadurch: daß unsere Absicht, die lediglich auf den synthetischen Gebrauch derselben geht, sie nicht nötig mache, und man sich mit unnötigen Unternehmungen keiner Verantwortung aussetzen müsse, deren man überhoben sein kann. Das war keine Ausrede, sondern eine nicht unerhebliche Klugheitsregel, sich nicht so fort ans Definieren zu wagen, und Vollständigkeit oder Präzision in der Bestimmung des Begriffs zu versuchen oder vorzugeben, wenn man mit irgend einem oder andern Merkmale desselben auslangen kann, ohne eben dazu eine vollständige Herzählung aller derselben, die den ganzen Begriff ausmachen, zu bedürfen. Jetzt aber zeigt sich: daß der Grund dieser Vorsicht noch tiefer liege, nämlich, daß wir sie nicht definieren konnten, wenn wir auch wollten, sondern, wenn man alle Bedingungen der Sinnlichkeit wegschafft, die sie als Begriffe eines möglichen empirischen Gebrauchs auszeichnen, und sie vor Begriffe von Dingen überhaupt (mithin vom transzendentalen Gebrauch) nehmen, bei ihnen gar nichts weiter zu tun sei, als die logische Funktion in Urteilen, als die Bedingung der Möglichkeit der Sachen selbst anzusehen, ohne doch im mindesten anzeigen zu können, wo sie denn ihre Anwendung und ihr Objekt, mithin wie sie im reinen Verstande ohne Sinnlichkeit irgend eine Bedeutung und objektive Gültigkeit haben könne.³²¹
Technisch gesehen erfüllt sich daher der Anspruch der metaphysischen Deduktion, nämlich die vollständige deduktive Ausweisung aller reinen Verstandesbegriffe aus den logischen Funktionen, erst mit dem Verweis auf ihren zeitlichen Sinn, d. h. mit dem Schematismuskapitel. Das zweite Hauptproblem der metaphysischen Deduktion besteht darin, dass Kant nicht wirklich zeigt, wie aus den Urteilsformen die Kategorien werden.³²² Zwar ist mit der transzendentalen Deduktion in genera gezeigt, wie die Kategorien und damit die Urteilsformen objektive Bedeutung besitzen, jedoch nicht wie aus den einzelnen logischen Funktionen in Urteilen die ihnen zugehörigen reinen
KrV, A f., S. ff. Allenfalls ist ihre ’eindeutige Entsprechung’ bloß gefordert, cf. Frede/Krüger (), S. .
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Verstandesbegriffe werden. Dieses Problem wird auch nicht gelöst, wenn man das Schematismuskapitel zum Programm der metaphysischen Deduktion hinzunimmt, respektive das Schematismuskapitel als Wiederaufnahme des deduktiven Programms der metaphysischen Erörterung des Verstandes begreift. Die Schwierigkeit wird darüber hinaus umso größer durch die Tatsache, dass Kant den zwölf logischen Funktionen nur neun temporale gegenüberstellt. Die Aufgabe der metaphysischen Deduktion kann also nur dann als erfüllt gelten, wenn in der Perspektive auf ³²³ den höchsten Einheitspunkt der transzendentalen Deduktion, i. e. die transzendentale Apperzeption, von jeder einzelnen logischen Funktion die Notwendigkeit ihrer „Verwandlung“³²⁴ zu einem Begriff des reinen Verstandes gezeigt werden kann.
1.3.2. Erklärung und Definition der Kategorie Kant liefert zwar in der metaphysischen Deduktion keine Definition der Kategorien, jedoch gibt er Hinweise, sich dieser anzunähern. Kategorien sind zuallererst Begriffe. Diese Tatsache mag auf den ersten Blick trivial anmuten, jedoch sind mit dieser Bestimmung bereits zwei wesentliche Differenzierungen mit ausgesprochen. Zum einen sind die Kategorien durch ihre Begriffsnatur von den intuitiven Vorstellungen zu differenzieren, zum anderen jedoch auch von der bloß logischen Funktion, auf der sie beruhen. Kategorien bezeichnen also gegenüber den bloßen Verstandesfunktionen, welche Kant in der Urteilstafel listet, ein „Mehr“. Dieses Hinzukommende ist ebenfalls durch die Bestimmung der Kategorien als Begriffe mit ausgesagt, nämlich eine Anschauung als Inhalt des Begriffes, ohne die der Begriff nichts bezeichnete, mithin also leer wäre.³²⁵ Begriffe sind für Kant immer mit hypotypisierenden Funktionen verbunden, d. h. Regeln der Verknüpfung von Vorstellungen in der Anschauung.³²⁶ Im Gegensatz nun zu den anderen Begriffen zeichnen die Kategorien sich dadurch aus, dass sie reine Begriffe sind.³²⁷ Rein sind sie insofern, als dass sie nicht auf einen Gegenstand in der Erfahrung rekurrieren, sondern die reine Sinnlichkeit selbst zur Materie haben. Die Kategorien sind daher transzendental im doppelten Wortsinne.
Die transzendentale Apperzeption bildet zwar den höchsten Punkt der transzendentalen Deduktion, so dass das Ergebnis der metaphischen Deduktion diese antizipiert, jedoch soll der Beweis der Ableitbarkeit der Kategorien hier von den Urteilsformen her geleistet werden. Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Entweder durch ein Schema oder ein Symbol, cf. KdU, § , B ; AA V, ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. .
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Sie ermöglichen einerseits die Möglichkeit der Erfahrung, andererseits sind sie Begriffe, welche die Möglichkeit der Einbildungskraft zur bildhaften Darstellung übersteigen. Welcher Stoff bietet sich dementsprechend der hypotypotischen Funktion der Einbildungskraft angesichts der reinen Verstandesbegriffe dar? Die Antwort wurde im vorherigen Hauptgliederungsabschnitt gegeben, i. e. die Form des inneren Sinnes, also die Zeit selbst. Jede Kategorie hat also ihr entsprechendes transzendentales Schema zum Gegenstand, ohne dass dieser ein Bild in der Anschauung bezeichnen würde. Die Kategorien sind daher Verknüpfungsweisen der Anschauungsformen.³²⁸ Die vorherige Überlegung führt auf den nächsten Schritt in der Bestimmung der Kategorien. Die Schemata sind nun selbst wiederum Funktionen des Verstandes als Einbildungskraft, nämlich seine Realfunktionen. Die schematisierte Kategorie verbindet also Ideal- und Realfunktion zu einer dritten, nämlich einer diskursiven Funktion.³²⁹ Die Tafel der Kategorien liefert daher, wie Höffe richtig geschrieben hat, kein „transzendentales Vokabular“, sondern eine „transzendentale Grammatik“³³⁰. Als solche sind die Kategorien die Bedingung der Möglichkeit einer Erkenntnis als Erfahrung, i. e. ein regelgeleitetes Erfassen der empirischen Wirklichkeit.³³¹ Im Gegensatz zu den Urteilsformen sind die Kategorien nicht bloß formale Funktionen, sondern haben die reinen Zeitformen zum Gegenstand. Sie sind darüber hinaus auch keine bloßen Wahrnehmungssynthesen, sondern ihnen kommt zusätzlich ein gesetzmäßiger Charakter zu. Als Ergebnis der Untersuchung lassen sich die reinen Verstandesbegriffe daher folgendermaßen allgemein definieren: Die Kategorien sind intensionale, d. h. material-logische Funktionen des Verstandes, die als Begriffe einen apriorischen Anschauungsbezug vindizieren. ³³² Die Kategorien sind daher anders als die Urteilsfunktionen nicht nur Funktionen der Einheit, d. h. Funktionen zur bloß logischen Verknüpfung, son-
Die Anschauungsformen stehen hier durchaus zu Recht im Plural, sofern Raum und Zeit in einem, wenn auch nur indirekten Darstellungsverhältnis zueinander stehen. „Das reine Bild aller Größen (quantorum) vor dem äußern Sinne, ist der Raum; das reine Schema der Größe aber (quantitatis), als eines Begriffs des Verstandes, ist die Zahl, welche eine Vorstellung ist, die die sukzessive Addition von Einem zu Einem (Gleichartigen) zusammenbefaßt.“ KrV, A | B ; S. f. Zum Darstellungsverhältnis der Zeit zum Raum, cf. Exkurs: B) Der Raum als Symbol der Zeit. Cf. Miles (), S. . Höffe (), S. . Cf. Kap. .. Krausser (), S. fasst die (unschematisierten) Kategorien als „Regeln der synthetischen Verarbeitung, die aus sinnlich ’gegebenem’ Mannigfaltigen Gegenstände der Wahrnehmung und Erfahrung konstituiert.“ Kraussners Definitionsvorschlag ist zwar im Grunde richtig, trifft jedoch erst auf die schematisierte Kategorie zu.
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dern Funktionen der synthetischen Einheit.³³³ Kants eigene Erklärung der Kategorien bestätigt diese Definition: Sie [die Kategorien, M. B.] sind Begriffe [α] von einem Gegenstande überhaupt [β], dadurch dessen Anschauung [γ] in Ansehung einer der logischen Funktionen [δ] zu Urteilen als bestimmt angesehen wird [ε].³³⁴
Die Kategorien sind also als Begriffe [α] mit den logischen Funktionen identisch [δ], sofern sie sich auf die Anschauung beziehen [γ] und diese dadurch bestimmen [ε].³³⁵ Hierdurch sind sie Bestimmungen eines Gegenstandes, sofern dieser überhaupt zum Objekt einer Erkenntnis als Erfahrung werden kann [β]. Treffend formuliert es auch Paton: A pure concept is not merely a concept of the form of thought; it is a concept of the form of thought as related to and determining an object. ³³⁶
Mit der Definition der Kategorie als diskursiver Verstandesfunktion ist bereits einiges im Bemühen um Kants Philosophie der Erkenntnis gewonnen.³³⁷ Die Beantwortung der wichtigsten Frage der metaphysischen Deduktion steht jedoch noch aus: Wie können nun die Kategorien aus den bloßen Verstandesfunktionen,
Diese Unterscheidung findet sich in der Differenz von synthesis speciosa und intellectualis: „Diese Synthesis des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung, die a priori möglich und notwendig ist, kann figürlich (synthesis speciosa) genannt werden, zum Unterschiede von derjenigen, welche, in Ansehung des Mannigfaltigen einer Anschauung überhaupt in der bloßen [Hervorhebung, M. B.] Kategorie gedacht würde, und Verstandesverbindung (synthesis intellectualis) heißt; beide sind transzendental, nicht bloß weil sie selbst a priori vorgehen, sondern auch die Möglichkeit anderer Erkenntnis a priori gründen.“ Cf. KrV, B ; S. . Den Funktionscharakter der Kategorien betont ebenfalls Stuhlmann-Laeisz (1987), S. 7, ohne jedoch den wesentlichen Unterschied zwischen den Funktionen der bloßen und der synthetischen Einheit zu erwähnen. KrV, A | B ; S. . Cf. MAN, AA IV, ; S. . Paton (), I, . Ähnlich bestimmt Baumanns die Kategorie in Anschluss an Kants eigene Erklärung: „Hiernach ist die einzelne „Kategorie“ eine der Funktionen des bestimmungsfunktionalen Bedingungsdenkens im Hinblick auf irgendeine Anschauungsform.“ Baumanns (), S. . Die von Baumanns unternommene Unterscheidung der Nominal- von der Realbedeutung der Kategorie, welche im ersten Sinne „die in zwölf Momenten spezifizierte logisch-funktionale Konstitution der generellen Gegenstandsanschauung“ (ibid.) meint, scheint mit Bezug auf die generell diskursive und damit apriori anschauungsbezogene Natur der Kategorie als reine Gegenstandsbestimmung wenig zielführend zu sein, insbesondere was die Rekonstruktion ihrer Entwicklung von ihrem subjektiven Ursprung als kognitive Form zur objektdeterminativen Funktion betrifft.
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auf denen sie beruhen, im Einzelnen gewonnen werden, d. h. wie kann jede einzelne Kategorie vor dem Hintergrund ihrer allgemeinen Bestimmung definiert werden? Die Frage kann auch mit Blick auf die Funkionen der Einbildungskraft so formuliert werden: Wie verbinden sich Ideal- und Realfunktion, respektive wie bekommt ein formal-logischer Ausdruck einen temporalen Sinn? Der nächste Gliederungsabschnitt soll diese Frage beantworten.
1.3.3 Die Ableitung der Kategorien aus den logischen Funktionen Es wurde bisher gezeigt, inwiefern die elementaren Urteilsformen identisch sind mit den Verstandes- und damit den Denkformen. Denken heißt Vorstellungen, d. h. Begriffe und Anschauungen, miteinander zu verbinden. Die Urteilsformen sind damit nicht nur Einheitsfunktionen in Urteilen, sondern zugleich Synthesisformen der Anschauung.³³⁸ Damit ist die Quelle des Übergangs der Urteilsformen zu den reinen Verstandesbegriffen bereits ausgemacht: das Denken. Im Denkvollzug ist der Verstand immer schon auf die gleichursprüngliche Form des inneren Sinnes verwiesen. Die logische Form des Urteilens und die zeitliche Form seines Vollzuges sind im Denkakt von jeher verbunden.³³⁹ Erst durch diese Kopplung der Formen des Denkens und Anschauens ist gegenstandsbezogenes Erkennen möglich. So war die Funktion des kategorischen Urteils die des Verhältnisses des Subjekts zum Prädikat, z. B. alle Körper sind teilbar. Allein in Ansehung des bloß logischen Gebrauchs des Verstandes blieb es unbestimmt, welcher von beiden Begriffen die Funktion des Subjekts, und welchem die des Prädikats man geben wolle. Denn man kann auch sagen: Einiges Teilbare ist ein Körper. Durch die Kategorie der Substanz aber, wenn ich den Begriff eines Körpers darunter bringe, wird es bestimmt: daß seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prädikat betrachtet werden müsse; und so in allen übrigen Kategorien.³⁴⁰
Erst durch die zeitliche Indizierung der formalen Prädikation wird aus dem bloßen Urteil – jeder Körper ist ein Teilbares – das Erkenntnisurteil, alle Körper haben die Eigenschaft teilbar zu sein. Zur Form des kategorischen Urteils kommt damit eine Bestimmung hinzu, welche nicht in der bloßen Form des Urteils liegt. Dies ist die
Cf. Frede/Krüger (), S. . Den selbstreferentiellen Bezug des Verstandes im transzendentalen Schematisieren der Kategorien stellt Bussmann zu Recht ins Zentrum seiner Interpretation, cf. Bussmann (), S. ff.; . KrV, B f., S. .
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Bestimmung der Kopula, welche das Prädikat mit dem Subjekt verbindet. Nun besteht die zentrale Wendung des transzendentalen Idealismus darin, dass alle objektiven Bestimmungen des Erfahrungsgegenstandes zuallererst Bestimmungen des Erfahrungssubjektes sind. Der Wert der Kopula wird daher nicht in Bezug auf das transzendentale Objekt der Erfahrung bestimmt, sondern in Relation zum Erkenntnisvermögen, respektive zur formalen- und erkenntnislogischen Konstitution des Subjekts. Diese ist nun keine andere als der Verstand selbst. Zu diesem Zweck gibt es eine eigene Funktion des Verstandes, die Modalität:³⁴¹ Die Modalität der Urteile ist eine ganz besondere Funktion derselben, die das Unterscheidende an sich hat, daß sie nichts zum Inhalte des Urteils beiträgt (denn außer Größe, Qualität und Verhältnis ist nichts mehr, was den Inhalt eines Urteils ausmachte), sondern nur den Wert der Kopula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht.³⁴² Die Kategorien der Modalität haben das Besondere an sich: daß sie den Begriff, dem sie als Prädikate beigefüget werden, als Bestimmung des Objekts nicht im mindesten vermehren, sondern nur das Verhältnis zum Erkenntnisvermögen ausdrücken. Wenn der Begriff eines Dinges schon ganz vollständig ist, so kann ich doch noch von diesem Gegenstande fragen, ob er bloß möglich, oder auch wirklich, oder, wenn er das letztere ist, ob er gar auch notwendig sei? Hiedurch werden keine Bestimmungen mehr im Objekte selbst gedacht, sondern es frägt sich nur, wie es sich (samt allen seinen Bestimmungen) zum Verstande und dessen empirischen Gebrauche, zur empirischen Urteilskraft, und zur Vernunft (in ihrer Anwendung auf Erfahrung) verhalte?³⁴³
Die beiden Zitate bezeichnen auf den ersten Blick dieselbe Verwendung der Modalität. Im ersten bezieht sich jedoch die modale Bestimmung des Urteils auf das Denken als logisches Vermögen zu Urteilen, im zweiten auf das Denken als materiales Vermögen zu erkennen. Mittels der modalen Prädizierung wird aus der bloßen Form zu Urteilen die kategoriale Erkenntnisform, da sich die Modalität im Erkenntnisurteil nicht allein auf die logische Funktion, sondern auch gleichzeitig auf die temporale Vollzugsform des Denkens beziehen muss. Alle Kategorien werden sich daher über die Modalprädikation, in ihrem temporalen Sinn, aus den bloßen Urteilsfunktionen ableiten lassen. In ihren Schemata spiegelt sich diese besondere Funktion der Modalität wider, die formale Urteilsfunktion mit der zeitlichen Form des Denkens zu den Kategorien zu verbinden, indem diese die Bedingung zeitlichen Denkens überhaupt bezeichnet. Zur Lösung der gesetzten Aufgabe, alle Kategorien aus den Urteilsformen abzuleiten, ist es daher notwendig, die temporale Bedeutung der Modalfunktio-
Cf. Schönrich (), S. . KrV, B f., S. . KrV, A | B , S. .
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes
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nen zu klären. Die erste und grundlegendste Bedingung des Denkens ist die Übereinstimmung des Gedachten mit der Form des inneren Sinnes überhaupt. Dieser Bedingung entspricht das Schema der Möglichkeit: Das Schema der Möglichkeit ist die Zusammenstimmung der Synthesis verschiedener Vorstellungen mit den Bedingungen der Zeit überhaupt (z. B. da das Entgegengesetzte in einem Dinge nicht zugleich, sondern nur nacheinander sein kann), also die Bestimmung der Vorstellung eines Dinges zu irgend einer Zeit.³⁴⁴
Die Modaloperatoren der Möglichkeit (◊) und Unmöglichkeit (¬◊) sollen daher im Folgenden die Konjunktivität und Disjunktivität einer Vorstellung mit der Form des inneren Sinnes anzeigen. Der Übergang von der Urteilsform des problematischen Urteils der Form ◊p(x& * /◊p(x& zur Kategorie der Möglichkeit oder Unmöglichkeit ist in diesem Fall recht simpel, sofern der Term der Urteilsfunktion nicht um einen Modaloperator ergänzt werden muss. Die Kategorie der Möglichkeit kann daher ebenfalls als ◊p(x& * /◊p(x& dargestellt werden, nur dass der Möglichkeit oder Unmöglichkeit im Falle der Kategorie ein temporaler Sinn zukommt. Dabei ist es wesentlich zu sehen, dass auch im Fall der Ableitung der Modalkategorien aus ihrer bloßen Urteilsform, durch die Anwendung der rein intellektualen Verknüpfung auf die Form des inneren Sinnes, Anschauungs- und Gedankenformen als jeweils unabhängig, wiewohl gleichursprünglich vorausgesetzt sind. Weil in uns aber eine gewisse Form der sinnlichen Anschauung a priori zum Grunde liegt, welche auf der Rezeptivität der Vorstellungsfähigkeit (Sinnlichkeit) beruht, so kann der Verstand, als Spontaneität, den inneren Sinn durch das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen der synthetischen Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen, und so synthetische Einheit der Apperzeption des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung a priori denken, als die Bedingung, unter welcher alle Gegenstände unserer (der menschlichen) Anschauung notwendiger Weise stehen müssen, dadurch denn die Kategorien, als bloße Gedankenformen, objektive Realität, d. i. Anwendung auf Gegenstände, die uns in der Anschauung gegeben werden können, aber nur als Erscheinungen bekommen; denn nur von diesen sind wir der Anschauung a priori fähig.³⁴⁵
Die Modalkategorien sind also selbst noch einmal Gegenstand einer Ableitung als Anwendung der reinen Gedankenform der bloß intellektualen Beziehung einer Vorstellung auf den reinen Verstand, auf die allem Vorstellen zugrundeliegende Form des Anschauens, i. e. die Zeit.
KrV, A f. | B ; S. . KrV, B f.; S. f.
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Mit dem Schema der Notwendigkeit verhält es sich ähnlich, wie mit dem der Modalität. So sind die Formulare für das apodiktische Urteil &p(x& * /&p(x& und das der Kategorie identisch. Es ändert sich hier ebenfalls nur der Sinn, welcher der Modalität im Ausdruck des apodiktischen Urteils zukommt. So ist nach Kant der temporale Sinn der Notwendigkeit Sein zu aller Zeit. Das Schema der Notwendigkeit ist das Dasein eines Gegenstandes zu aller Zeit.³⁴⁶
Die zweite Kategorie der Modalität, die Wirklichkeit, wurde hier mit einer gewissen Absicht übersprungen. Die heutige Modallogik kennt nur zwei Modalbegriffe, nämlich Möglichkeit und Notwendigkeit.³⁴⁷ Die beiden Begriffe können außerdem durch den jeweilig anderen dargestellt werden, so dass gilt: &p(x& 3 /◊/p(x& Das assertorische Urteil p(x&, welches Kant für die zweite Modalfunktion nimmt, zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es nicht modal bestimmt ist. Auf der Ebene der Kategorien besitzt jedoch jedes der Momente von Kants dreiwertiger Modallogik einen eigenen temporalen und transzendentalen Sinn.³⁴⁸ So hat auch die Kategorie der Wirklichkeit ein eigenes Schema, respektive existiert für die Idealfunktion der Assertion eine eigene Realfunktion: Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer bestimmten Zeit.³⁴⁹
Die Hereinnahme der Wirklichkeit in die transzendentale Logik als eigene modale Bestimmung³⁵⁰ führt zu der Konsequenz, dass zwischen der temporalen Bedeutung von Möglichkeit und Notwendigkeit eine dritte Form hinzukommt. In der transzendentalen Logik ist daher der Ausdruck /◊/p(x& nicht notwendig formal äquivalent mit ◊p(x&, sondern kann sich auch auf die Kontingenz einer Prädikation angesichts eines tatsächlichen, aber nicht als notwendig vorgestellten
KrV, B f.; S. f. Vuillemin (), S. konstatiert daher in aller Schärfe eine Verwechslung Kants der eigentlichen modalen Logik mit der gewöhnlichen. Die Bedeutung der Wirklichkeit für die vollständige Bestimmung der logischen „Sphäre der [] Modalität“ betont ebenfalls Nicolai Hartmann (), S. f. KrV, B f.; S. f. Eine hochinteressante Verteidigung der drei kantischen Modalkategorien liefert Jochim () in Anschluss an Lorenzens protologische Überlegungen. Jochim erörtert in seinem Artikel die Bedeutung der Möglichkeit der Modalprädikation in Bezug auf die Modalbestimmung physikalischer Größen in Abhängigkeit zu ihrer CPT-Varianz, respektive Invarianz.
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes
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Sachverhaltes beziehen.³⁵¹ Die Negation der Wirklichkeit, respektive des Daseins eines Gegenstandes kann als das Zusammenstimmen seiner Nichtexistenz mit der Form der Zeit identifiziert und dementsprechend durch ◊/p(x& dargestellt werden. Für alle drei Kategorien gilt das trichotomische Grundgesetz, dass die erste Kategorie durch Setzung – Möglichkeit bedeutet Seinkönnen in der Zeit, d. h. zeitliches Gesetztseinkönnen – die zweite Kategorie durch Entgegensetzung – Dasein bedeutet Aufhebung der Möglichkeit durch die Wirklichkeit – und die dritte Kategorie durch Kombination der beiden ersten – Notwendigkeit bedeutet Aufhebung der Möglichkeit durch Wirklichkeit zu aller Zeit – gebildet werden. In der Übersicht ergibt sich daher für die Modalität folgendes Schema: Modalität Urteilsform
Kategorie
Problematisches Urteil
◊p( x &
Möglichkeit/ Unmöglichkeit
◊p( x & * /◊p( x &
Assertorisches Urteil
p( x &
Dasein/ Nichtsein
/◊/p( x & * ◊/p( x &
Apodiktisches Urteil
&p( x &
Notwendigkeit/ Zufälligkeit
&p( x & * /&p( x &
Die modalen Zeitschemata bilden die grundlegenden Zeitformen, mit denen alle anderen Kategorien gebildet werden können, da die Modalität „die Zeit selbst, als das Correlatum der Bestimmung eines Gegenstandes, ob und wie er zur Zeit gehöre enthalte und vorstellig mache.“³⁵² Da nun jede Kategorie genau ein transzendentales Schema besitzt, welches jeweils den temporalen Wert ihrer Kopula angibt, d. h. die Bestimmung der Möglichkeit einer Vorstellung in Bezug auf die zeitliche Form des Denkens, was nichts anderes ist als ihre modale Bestimmung, sollten sich alle Kategorien aus der modalen Bestimmung der Urteilsform ableiten lassen. Mit dieser Forderung ist jedoch ein Problem verbunden. Kant gibt leider nur neun transzendentale Schemata an, so dass eine eindeutige Zuordnung von Kategorien und Schemata unmöglich scheint. Dieses Problem wäre für die Systematik der transzendentalen Elementarbegriffe allerdings fatal, sofern diese als diskursive Funktionen des Verstandes nun gerade die notwendige Verbindung idealer und realer Funktionen Nach Hartmann (), S. , gilt: „dasjenige, dessen Unwirklichkeit ausgeschlossen ist, ist eben damit notwendig.“ Diese Einschätzung erweist sich demnach auch mit Blick auf die kantischen Kategorien als gerechtfertigt. KrV, | B ; S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
darstellen sollen.³⁵³ Diese Schwierigkeit trifft vor allem die Kategorien der Quantität. Kant gibt für diese nur ein temporales Schema an, i. e. die Zahl als Zeitreihe. Das reine Schema der Größe aber (quantitatis), als eines Begriffs des Verstandes, ist die Zahl, welche eine Vorstellung ist, die die sukzessive Addition von Einem zu Einem (Gleichartigen) zusammenbefaßt. Also ist die Zahl nichts anders, als die Einheit der Synthesis des Mannigfaltigen einer gleichartigen Anschauung überhaupt, dadurch, daß ich die Zeit selbst in der Apprehension der Anschauung erzeuge.³⁵⁴
Die Vorstellung der Zahl als Regel der „sukzessiven Addition“ bildet das Schema der Quantität überhaupt. Wie kann also die Zahlvorstellung als allgemeines Schema der Quantität zu den besonderen Schemata der einzelnen Kategorien spezifiziert werden?³⁵⁵ Dieses Problem lässt sich dadurch lösen, dass innerhalb
Die Schemata der Sinnlichkeit realisieren allererst die Kategorien als diskursive Funktionen, cf. KrV, | B ; S. . KrV, A f. | B ; S. f. Die Erklärung des Zahlschemas von Frede/Krüger (), S. , in Bezug auf die Kategorien der Quantität scheint auf den ersten Blick zutreffend: „Es ist nach dieser Anweisung Kants kaum mehr anders möglich, als Einheit durch die Eins, Vielheit durch die Vereinigung von Einsen und Einsen durch eine Zusammenfassung von Einsen zu einer bestimmten Anzahl zu schematisieren.“ Dies scheint sich mit Kants eigener Erklärung in § der Kritik der reinen Vernunft zu decken: „So ist der Begriff einer Zahl (die zur Kategorie der Allheit gehört) nicht immer möglich, wo die Begriffe der Menge und der Einheit sind (z. B. in der Vorstellung des Unendlichen) […]“ KrV, B ; S. . Kant scheint sich selbst in seinen Anmerkungen zu den Kategorien in Widerspruch zu der von ihm im Schematismuskapitel entwickelten Systematik zu setzen, wo er den Kategorien der Quantität in toto und nicht bloß der Kategorie der Allheit die Zahl als Schema zur Seite stellt. Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, die von Kant insinuierte Zuordnung von Kategorien und Urteilsformen der Quantität zu verstehen, stellt er doch dem singulären Urteil die Allheit und dem allgemeinen Urteil die Einheit entgegen. Man kann daher entweder wie Frede und Krüger in aller Härte eine widersprüchliche Position in Bezug auf die Zuordnung annehmen oder versuchen, Kants Position zu plausibilisieren. So ist es wichtig zu sehen, dass es Kant in den Zahlschemata nicht um die Zuordnung der Kategorien zu bestimmten Zahlen oder gar Zahlbildern geht, sondern um ihr Produktionsschema in der Zeitreihe. Gegen die Zuordnung der Quantitätsmomente mit Zahlen sprach sich aus demselben Grund bereits Heimsoeth (), S. , aus. Ausgehend von dieser allgemeinen Bestimmung der Zahl wird der erkenntnislogische Sinn des Quantitätsschemas deutlich. So ist mit der Kategorie der Allheit die Vorstellung des Erreichens eines bestimmten Grenzwertes in der Synthesis gedacht, was mit der völligen Durchbestimmung eines Gegenstandes im Begriff identisch ist. Für Kant ist es nun wesentlich, dass das Infinitum der aktualen Unendlichkeit, welches sich in der Vorstellung der Totalität der Bestimmungsrücksichten eines Gegenstandes der Erkenntnis findet, nicht im Durchlauf durch die potentielle Unendlichkeit der Bestimmungen ad indefinitum erreicht werden kann. Letztere hat gleichwohl in Bezug auf erstere Grenzwertcharakter. Der mit der Kategorie der Allheit vorgestellte Begriff der Totalität, so die
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des Zahlbegriffes zwischen computans und computatum differenziert wird; eine begriffliche Differenzierung, auf die Kant verzichtet. Das computans soll die Regel bezeichnen, nach welcher die sukzessive Addition der Einheiten vonstatten geht. So bildet die Zahl „5“ die Regel, welche die Addition von beliebigen Einheiten bis zum Erreichen des Grenzwertes „5“ vorschreibt. Mit dem computatum soll dagegen das bezeichnet werden, was Referent der sukzessiven Addition ist.³⁵⁶ Das allgemeine Urteil 1x p(x& bestimmt bekanntlich den Umfang des kategorischen Urteils in der Form, alle x haben die Eigenschaft / Bestimmung p. Was bedeutet dies nun bezogen auf die Zeit? In Bezug auf die Zeit lässt sich die Bestimmung durch die Form des allgemeinen Urteils so fassen: Wann immer ein x existiert, besitzt es die Eigenschaft p. Das Subjekt der Prädikation p(x& wird hier in Bezug auf das Prädikat als zeitlich notwendig, d. h. wirklich zu aller Zeit gedacht. Durch die Zahl als Zeitschema des allgemeinen Urteils wird also die Einheit des Gegenstandes durch die Zeit in Bezug auf die von ihm prädizierte Eigenschaft gedacht. Das Gezählte, die verschiedenen Eigenschaften, werden so in Bezug auf die zu erreichende Einheit des Gegenstandes in seiner Bestimmung gedacht. Da also in der Kategorie der Einheit die Wirklichkeit des Gegenstandes x zu aller Zeit (≔ && in der Prädikation der Eigenschaft p(x& ausgedrückt wird, lässt sich die Kategorie durch den Ausdruck &0x p(x& darstellen, d. h. bezogen auf die angeschaute Zeit³⁵⁷ existiert der Gegenstand mit der Eigenschaft p allzeitig, d. i. notwendig. Die Anwendung der quantitativen Funktion der Einheit auf die Zeit bedeutet damit die Allzeitigkeit der zu bestimmenden Gegenstandseinheit gegenüber den wirklichen Bestimmungen. Genau entgegengesetzt zum Verhältnis von Prädikat und Subjekt in der zeitlichen Bestimmung des allgemeinen ist das Schema des besonderen Urteils 0x p(x&. In der Anwendung der Urteilsfunktion des besonderen Urteils auf die Zeit
Pointe der kantischen Theorie, kann daher niemals im Erkennen gegeben, sondern folgerichtig diesem immer nur aufgegeben sein. Cf. Kap. ... Die Unterscheidung von computans und computatum findet sich sinngemäß bereits bei Wolfgang Cramer als „Differenz von zählender und gezählter Zahl. Die Zahl ist einzig. Aber gleichwohl sind viele en, nämlich viele als gezählte Elemente. Die Zahl kann nicht zu sich addiert werden, denn Addiertes muß verschieden sein. Aber ein als Gezähltes kann zu einem anderem als Gezähltem addiert werden.“ Cramer (/), S. . Der Zusatz „angeschaut“ ist insofern bedeutsam, als dass die modale Prädikation „notwendig = allzeitig“ nicht als ewig missverstanden werden darf, sofern zwar ein Urteil notwendig sein kann, hieraus jedoch nicht auf die Notwendigkeit des Urteils selbst geschlossen werden kann, da dieses mit der Aufhebung seines Subjekts ebenfalls in toto aufgehoben wird: „Die unbedingte Notwendigkeit der Urteile aber ist nicht eine absolute Notwendigkeit der Sachen.“ KrV, A f. | B f.; S. . Dieser Grundsatz bildet bekanntlich den Kern der kantischen Kritik des ontologischen Gottesbeweises.
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überhaupt bezieht sich hier die Urteilsfunktion im Gegensatz zum allgemeinen Urteil nicht auf die sukzessive Einheit der Zeitreihe in Bezug auf die Vorstellungsgegenstände, sondern auf deren Bestimmung innerhalb der angeschauten Zeit. Da nun Bestimmungen immer Bestimmungen von Gegenständen sind, kann die zeitliche Einheit der Gegenstandsbestimmung nur in der Vielheit der Gegenstände liegen. Der zeitlogische Sinn der Kategorie der Vielheit ist also dem der Einheit entgegengesetzt, sofern die gezählte Zahl hier nicht die der Vielheit der Eigenschaften in Bezug auf die Einheit des Gegenstandes als Subjekt des Urteils darstellt, sondern die Vielheit der Gegenstände, welche eine Einheit hinsichtlich einer Eigenschaft, d. h. des Prädikates bilden. Die Kategorie der Vielheit findet daher ihre Anwendung durch das Schema der Zahl, im Gegensatz zur Kategorie der Einheit, nicht durch das Zählen von Eigenschaften, welche von einem Gegenstand prädiziert werden, d. h. in Bezug auf diesen eine (Gegenstands‐)Einheit ausmachen, sondern im Zählen von Gegenständen, welche Denotate einer bestimmten Eigenschaft bilden. Während im Falle der Anwendung der Kategorie der Einheit, beispielsweise in Bezug auf einen Baum, das Prädikat „grün“ als Gegenstandbestimmung eines Baumes vorgestellt wird, bezieht sich die synthetische Verknüpfung von Eigenschaft und Gegenstand in der Anwendung der Kategorie der Vielheit auf die Eigenschaft „grün“ auf viele Gegenstände in der Anschauung, welche in dieser Hinsicht übereinstimmen. Beide Kategorien stehen dementsprechend in einem unauflöslichen, da korrelativen Verweisungszusammenhang, welcher sich in der bloß anders spezifizierten Anwendung desselben Schemas äußert. Der zeitlogische Sinn der Kategorie der Einheit bezeichnet infolgedessen die zeitliche Einheit des Gegenstandes verschiedener Prädikate, der zeitlogische Sinn der Kategorie der Vielheit die zeitliche Einheit des Prädikates verschiedener Gegenstände. Die zweite Quantitätskategorie lässt sich daher analog zur ersten als 0x &p(x& darstellen.³⁵⁸ Die dritte Quantitätskategorie, die Allheit, verbindet die beiden vorangegangenen. So ist nach Kant Allheit oder Totalität „nichts anders als die Vielheit als Einheit betrachtet“³⁵⁹. Im Begriff der Totalität verbinden sich die beiden vorherigen kategorialen Bestimmungen des Erfahrungsgegenstandes, d. h. die Einheit des Gegenstandes und die seiner Bestimmungen, zur Einheit des vollständigen
An dieser Stelle kann bemerkt werden, dass die Vielheit auch bei der größtmöglichen Differenz ihrer Elemente, wie sie in der bloßen Mannigfaltigkeit vorliegt, dennoch eines Elementes der Einheit bedarf, sei es ihrer Synopsis im Raum oder ihres Bezuges auf das Vorstellungssubjekt. Dass es absolute Vielheit ohne Bezug zur Einheit schlechterdings nicht geben kann, ist eine philosophische Grundeinsicht seit Platon. KrV, B ; S. . Wesentlich wird diese Bestimmung der Allheit für die Idee des transzendentalen Ideals.
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Erfahrungsgegenstandes: Zu aller Zeit ist x durch die Bestimmung p als Einheit aller Bestimmungen zu aller Zeit gedacht: &0x &p(x&. In der Vorstellung der Totalität eines Objektes nimmt das Denken die Idee der Vollständigkeit seiner Bestimmungsganzheit in Anspruch, welche durch den Begriff als pars pro toto bezeichnet wird.³⁶⁰ Erst die Vorstellung der Totalität ermöglicht wissenschaftliche, d. h. synthetische Erkenntnis, unter dem Regulativ der vollständigen Erfahrung ihres Gegenstandes.³⁶¹ Mit dem Zeitschema der Totalität ist die letzte Kategorie der Quantität hinreichend bestimmt. Allen drei Kategorien liegt, wie von Kant insinuiert, die Vorstellung der sukzessiven Addition in der Zeitreihe, i. e. das Schema der Zahl, zugrunde. Jedoch konnte erst durch die Differenzierung des computans, also des Ursprungs der in der Zeitreihe gesetzten schematisierten Einheit, also der Einheit, an der, bzw. durch welche gezählt wird, vom computatum, i. e. der durch diese Einheit bezeichneten Vorstellung, also jenen Einheiten, welche gezählt werden, in Bezug auf ihre Position im Erfahrungsurteil als dessen Subjekt oder Prädikat das allgemeine Schema kategorial spezifiziert werden. In eine Übersicht gebracht ergibt sich daher für die Quantität folgendes Bild: Quantität Urteilsform
Kategorie
Allgemeine Urteile
1x p( x &
Einheit
&0x p( x &
Besondere Urteile
0x p( x &
Vielheit
0x &p( x &
Einzelne Urteile
p(a&
Allheit
&0x &p( x &
Mit der Ableitung der Kategorien der Qualität sind weniger Schwierigkeiten verbunden als mit denen der Quantität; dennoch ist auch diese nicht unproblematisch. Dies liegt vornehmlich daran, dass Kant auf die Angabe eines eigenen Zeitschemas für die Limitation verzichtet. Auch wenn das Schema aus der Bildungsregel der kategorialen Trichotomie erschlossen werden kann, scheint kein systematischer Grund für diese Auslassung vorzuliegen.³⁶² Die erste Urteilsform der Qualität ist die des bejahenden Urteils: p(x&. Rein formal unterscheidet es sich weder vom kategorischen noch vom assertorischen Urteil. Das Spezifische des bejahenden Urteils liegt jedoch in seiner Funktion im Verstand. Die Funktion des bejahenden Urteils spezifiziert die Verbindung von
Cf. KrV, A ; S. . Cf. KrV, A ; S. . Cf. Kap. ...
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Vorstellungen in einem möglichen Urteil als zueinander gehörend.³⁶³ Ob es sich bei einem Urteil um ein kategorisches handelt, ist daher von der qualitativen Bestimmung der Verknüpfung unabhängig. Ein kategorisches Urteil kann also bejahend, verneinend oder unendlich sein, ohne dass diese Bestimmung sich auf seinen Status als kategorisches Urteil auswirken würde. Die Anwendung der Funktion des bejahenden Urteils auf die Zeit führt zur Vorstellung der sogenannten „erfüllten Zeit“³⁶⁴. Realität meint das Dasein eines Erkenntnisgegenstandes, „dessen Begriff an sich selbst ein Sein (in der Zeit) anzeigt.“³⁶⁵ Im Begriff des Gegenstandes liegt also in diesem Fall der Grund der Möglichkeit seiner Übereinstimmung mit der Form der Zeit. Dies unterscheidet die reale von der bloß modalen Bestimmung des Gegenstandes, obgleich ihre jeweiligen Formen – ◊p(x&– ebenfalls identisch sind. Man könnte an dieser Stelle einwenden, dass die Realität eine größere Affinität zur Kategorie der Wirklichkeit habe. Dies mag auf den ersten Blick auch der Fall sein, jedoch unterscheiden sich beide dahingehend, dass die Bestimmung des Gegenstandes als eines wirklichen dessen Aktualität voraussetzt. Dies ist nun gerade dadurch, dass die Bestimmung der Realität durch den Begriff, d. h. nicht erst durch die (konkrete) Anschauung angezeigt wird, allerdings nicht gemeint.³⁶⁶ Notwendigkeit ist ebenfalls keine Option, da aus dem Begriff eines Gegenstandes schlechterdings nicht sein Dasein als notwendiges, d. h. ein Dasein zu aller Zeit in der Anschauung angezeigt ist.³⁶⁷ Die zweite Urteilsform bildet das verneinende Urteil. Die entsprechende Kategorie des negativen Urteils ist die der Negation. Analog zur Realität zeigt der Verstandesbegriff der Negation dasjenige an, „dessen Begriff ein Nichtsein (in der Zeit) anzeigt.“³⁶⁸ Negation ist also im Gegensatz zur Realität dasjenige, welches, im reinen Verstandesbegriff überhaupt, nicht der Empfindung korrespondiert.³⁶⁹ Zeitlogisch ist hier die Möglichkeit des Nichtseins gedacht, d. h. die Übereinstimmung des Nichtseins mit der Möglichkeit der Zeit überhaupt. Dass hier nicht die Notwendigkeit des Nichtseins, also die generelle Nichtübereinstimmung mit der Zeit, in Anspruch genommen wurde, ergibt sich daraus, dass die Negation des Cf. Kap. ... KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. . Zur Bedeutung der begrifflichen Unterscheidung von Wirklichkeit und Realität cf. Holzhey (). Für die Ablehnung der Beweisbarkeit der Existenz Gottes ist dies ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. Aus dem bloßen Begriff eines Gegenstandes lässt sich nicht auf seine Existenz schließen, „sofern die absolute Notwendigkeit des Urteilens [] nur eine bedingte Notwendigkeit der Sache, oder des Prädikats im Urteile [ist].“ KrV, A f. | B f.; S. . KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. .
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Daseins eines Dinges oder einer Eigenschaft in der Zeit nicht die Möglichkeit seines Seins zu irgendeiner Zeit ausschließt. Im Gegenteil: Realität und Negation sind zusammengenommen vielmehr Bedingung der Möglichkeit zeitlicher Veränderung. Daher ist ein Verhältnis und Zusammenhang, oder vielmehr ein Übergang von Realität zur Negation, welcher jede Realität als ein Quantum vorstellig macht, und das Schema einer Realität, als der Quantität von etwas, so fern es die Zeit erfüllt, ist eben diese kontinuierliche und gleichförmige Erzeugung derselben in der Zeit, indem man von der Empfindung, die einen gewissen Grad hat, in der Zeit bis zum Verschwinden derselben hinabgeht, oder von der Negation zu der Größe derselben allmählich aufsteigt.³⁷⁰
Gleichwohl setzen Realität und Negation als Bestimmungen des Zeitinhalts die Unendlichkeit des Zeitinbegriffs, respektive den inlimitierten Einschränkbarkeitscharakter der Zeit voraus.³⁷¹ Mit der dritten Kategorie, der Limitation, ist das bereits erwähnte Problem verbunden, dass Kant kein Zeitschema ihres Begriffes angibt. Mit Blick auf das im vorherigen Hauptgliederungsabschnitt konstruierte Zeitschema³⁷² lässt sich das Problem der Ableitung angehen. Im unendlichen Urteil wurde die Negation einer Bestimmung affirmierend gebraucht. In Bezug auf die Zeit hieß dies, dass einerseits auf die zeitliche Erstreckung einer möglichen Empfindung und damit auf die im Begriffe angezeigte Übereinstimmung der Anschauung mit der Zeit rekurriert wird, andererseits diese Bestimmung eine generelle Unmöglichkeit zum Ausdruck bringt. Für die Kategorie der Limitation bedeutet dies, dass sie den Grund einer Unmöglichkeit im Begriffe anzeigt. Ihre Form entspricht daher der der Unmöglichkeit /◊p(x& mit dem bereits in Bezug auf die Differenz von Realität und Möglichkeit diskutierten Unterschied der Bestimmungshinsicht der Funktionen. Hieraus ergibt sich für die Qualität folgende Übersicht: Qualität Urteilsform
Kategorie
Bejahende Urteile
p( x &
Realität
◊p( x &
Verneinende Urteile
/p( x &
Negation
◊/p( x &
Unendliche Urteile
(/&p( x &
Limitation
/◊p( x &
KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. Kap. ..
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Die Kategorien der Relation sind für das transzendentalphilosophische Grundlegungsprogramm von Metaphysik und Naturwissenschaft von besonderer Bedeutung, beinhalten sie doch ihre wesentlichen Grundbegriffe: Den für die Metaphysik zentralen Begriff der Substanz, den der Kausalität für die Physik als Wissenschaft von der unbelebten Natur und den der Wechselwirkung für die Biologie als Wissenschaft von der belebten Natur. Die erste Relationskategorie ist die der Substanz. Ihr kommt, wie dem kategorischen Urteil, eine besondere Stelle im System der Erkenntnis zu, bildet sie doch die Basis, auf welche sich die anderen zwei Funktionen des Verstandes beziehen. Dies spiegelt sich auch in der Bedeutung ihres transzendentalen Schemas wider. Zwar ist die Modalität, welche die Übereinstimmung einer Vorstellung mit der Zeit selbst bestimmt, für das System der diskursiven Funktionen grundlegend, jedoch für sich genommen nicht ausreichend, um Erfahrung als kategorial bestimmte Wahrnehmung zu begründen. Es bedarf darüber hinaus noch eines Korrelates in der Empfindung, welches als Substrat mit der modalen Zeitbestimmung korrespondiert, nämlich der Substanz:³⁷³ Das Schema der Substanz ist die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit, d. i. die Vorstellung desselben, als eines Substratum der empirischen Zeitbestimmung überhaupt, welches also bleibt, indem alles andre wechselt. (Die Zeit verläuft sich nicht, sondern in ihr verläuft sich das Dasein des Wandelbaren. Der Zeit also, die selbst unwandelbar und bleibend ist, korrespondiert in der Erscheinung das Unwandelbare im Dasein, d. i. die Substanz, und bloß an ihr kann die Folge und das Zugleichsein der Erscheinungen der Zeit nach bestimmet werden.)³⁷⁴
Die Idealfunktion der Kategorie der Substanz ist identisch mit der kategorischen Urteilsform, i. e. die Verbindung von Subjekt und Prädikat in einem Urteil. Die Realfunktion liefert nun zu dieser das temporale Korrespondat in der Synthesis, i. e. Persistenz. Persistent ist die Bestimmung des allzeitigen Seins an einem Empfindungsgegenstand. Dieser Zusatz unterscheidet die Kategorie der Substanz von der der Notwendigkeit, sofern sich letztere auch nicht notwendig direkt auf das Empfindungsmaterial beziehen muss, wie im Falle der Notwendigkeit bestimmter Naturgesetze. Der Begriff der Substanz ist korreliert mit dem des Akzidenz. Das Akzidenz als Eigenschaftsbestimmung ist eben dasjenige, welches nicht die Eigenschaft der Persistenz aufweist. Das Dasein des Akzidenz ist also im
Die Kategorie der Substanz ist daher auch die Bedingung der Zeitwahrnehmung, cf. KrV, B f. Zschocke (), S. , vertritt aus diesem Grund die Ansicht, dass die Kategorie der Substanz direkt aus der Anschauungsform der Zeit abgeleitet werden kann. Dies ist jedoch, wie sich durch die hier dargelegte Ableitung über die Modalität zeigt, nicht der Fall. KrV, A | B ; S. f.
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes
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Gegensatz zu dem der Substanz kein zeitlich notwendiges, sondern nur ein mögliches. Die temporale Fassung des Substanzbegriffes verweist auf eine weitere, gleichermaßen wichtige Bestimmung der Substanz und ihres Akzidenz, nämlich als subsistierende und adhärierende Bestimmungen. Nur durch die zeitliche Bestimmung einer Prädikation ist diese Unterscheidung an einem Gegenstand überhaupt möglich. So setzt Teilbarkeit, als zeitliche Möglichkeit, in der Empfindung immer einen Gegenstand als Teilbares, mithin als temporal Notwendiges voraus. Im Begriff der Substanz, respektive dem der Substanzialität, wird die kategorische Verbindung von Subjekt und Prädikat – p(x& – durch die zeitliche Instantiierung der Prädikation hinsichtlich ihrer Notwendigkeit – &0x – und Möglichkeit – ◊p(x& – bestimmt: Es existiert notwendig ein x, für welches gilt, x ist möglicherweise p: &0x◊p(x&. Die Substanz wird in Bezug auf ihr Akzidenz als das zeitlich durchgehend Existierende gedacht, wohingegen das Dasein des Akzidenz in Bezug auf die Substanz als bloß möglich gedacht wird. Es ist an dieser Stelle wichtig, die Wechselseitigkeit dieser Bestimmung zu betonen, welche nicht als Ontologismus zu interpretieren ist, sondern sich allein aus der Reflexion über die Verknüpfung eines Gegenstandes mit seinen Eigenschaften ergibt. Erst durch diese Bestimmung der Zeitstufen wird aus einem beliebigen kategorischen Urteil ein Erkenntnisurteil. Die zweite Kategorie der Relation, die der Kausalität, bildet die Zentralkategorie der Physik. Die Physik als Wissenschaft fragt nach den Gesetzmäßigkeiten der Naturvorgänge und versucht auf deren Basis, Vorhersagen zukünftiger Beobachtungen zu machen. Es ist wesentlich für diese Aufgabe, dass die Prozesse in der Natur eine kausale Verknüpfung aufweisen, mithin Naturereignisse nicht willkürliche, einmalige Setzungen darstellen.³⁷⁵ Der Kausalität entspricht auf der Ebene der bloßen Verstandesfunktion das sogenannte hypothetische Urteil der Form p(x&⟶q(x&. Mit dem Schema bekommt diese Form der Verknüpfung eine zeitliche Bedeutung: Immer wenn x als p gesetzt ist, dann ist x als q gesetzt; an einem Ding folgen also Bestimmungen notwendig nacheinander. Das Schema der Ursache und der Kausalität eines Dinges überhaupt ist das Reale, worauf, wenn es nach Belieben gesetzt wird, jederzeit etwas anderes folgt. Es besteht also in der Sukzession des Mannigfaltigen, in so fern sie einer Regel unterworfen ist.³⁷⁶
Dass dies für die Natur als Ganzes zu gelten hat, wird damit nicht gesagt. KrV, A | B ; S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Der Zusatz, „in so fern sie einer Regel unterworfen ist“, ist für die Bestimmung einer kausalen Verknüpfung wesentlich. Am berühmten Beispiel des sich erwärmenden Steines lässt sich dies gut verdeutlichen. Die sukzessiven Zustände des Gegenstandes, kalt und warm, folgen einander dadurch notwendig, dass ein Körper sich gemäß des Stefan-Boltzmann-Gesetzes bei Sonneneinstrahlung notwendigerweise erwärmt.³⁷⁷ Die Änderung der Wärmequalität ist damit als Sukzession notwendig durch das Naturgesetz als allgemeine Regel kausal determiniert. Die Form der Kausalität kann daher als eine zeitlich verstandene strenge Implikation wiedergegeben werden: &(p(x&⟶q(x&&.³⁷⁸ Die dritte und letzte Kategorie der Relation ist die der Wechselwirkung, respektive der Gemeinschaft. Ihr entspricht auf der idealen Funktionsebene das disjunktive Urteil. Diese Zuordnung besitzt auf den ersten Blick nicht dieselbe Evidenz, wie dies bei den übrigen Kategorien und ihren idealen Verstandesformen der Fall ist. Von einer einzigen Kategorie, nämlich der der Gemeinschaft, die unter dem dritten Titel befindlich ist, ist die Übereinstimmung mit der in der Tafel der logischen Funktionen ihm korrespondierenden Form eines disjunktiven Urteils nicht so in die Augen fallend, als bei den übrigen.³⁷⁹
Dass es sich bei beiden dennoch um dieselbe Verstandesfunktion handelt, kann eingesehen werden, wenn man die Funktion der disjunktiven Bestimmung versteht. Im disjunktiven Urteil wird vorausgesetzt, dass sich die verwendeten Bestimmungen in Form des „entweder … oder“ gegenseitig ausschließen. Hieraus folgt, dass, wenn eine Prädikation in einem disjunktiven Verbund von Urteilen affirmativ ist, alle anderen negativ sein müssen: p(x&⊻q(x&⊻r(x&, nun ist p(x&, also gilt: /q(x& + /r (x&. Um sich dieser Übereinstimmung zu versichern, muß man bemerken: daß in allen disjunktiven Urteilen die Sphäre (die Menge alles dessen, was unter ihm enthalten ist) als ein Ganzes in Teile (die untergeordneten Begriffe) geteilt vorgestellt wird, und, weil einer nicht unter dem andern enthalten sein kann, sie als einander koordiniert, nicht subordiniert, so daß sie einander nicht einseitig, wie in einer Reihe, sondern wechselseitig, als in einem Aggregat,
Die Kenntnis um die der notwendigen Sukzession zugrundeliegenden Regel unterscheidet das Wahrnehmungs- vom Erkenntnisurteil. Der Modaloperator ist daher implizit durch den Verweis auf die Jederzeitigkeit der kausalen Verknüpfung in Kants Begriff der Kausalität enthalten, cf. Rohs (), S. . Wyller (), S. , betont zu Recht die Differenz des kantischen Kausalitätsbegriffes gegenüber „anti-modalen Begriffen der Kausalität.“ KrV, B f.; S. .
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes
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bestimmen (wenn ein Glied der Einteilung gesetzt wird, alle übrige ausgeschlossen werden, und so umgekehrt), gedacht werden.³⁸⁰
Diese Funktion wechselseitiger Bestimmung ist es, welche Kategorie und bloße Urteilsform gemein haben. Nun wird eine ähnliche Verknüpfung in einem Ganzen der Dinge gedacht, da nicht eines, als Wirkung, dem andern, als Ursache seines Daseins, untergeordnet, sondern zugleich und wechselseitig als Ursache in Ansehung der Bestimmung der andern beigeordnet wird (z. B. in einem Körper, dessen Teile einander wechselseitig ziehen, und auch widerstehen), welches eine ganz andere Art der Verknüpfung ist, als die, so im bloßen Verhältnis der Ursache zur Wirkung (des Grundes zur Folge) angetroffen wird, in welchem die Folge nicht wechselseitig wiederum den Grund bestimmt, und darum mit diesem (wie der Weltschöpfer mit der Welt) nicht ein Ganzes ausmacht. Dasselbe Verfahren des Verstandes, wenn er sich die Sphäre eines eingeteilten Begriffs vorstellt, beobachtet er auch, wenn er ein Ding als teilbar denkt, und, wie die Glieder der Einteilung im ersteren einander ausschließen und doch in einer Sphäre verbunden sind, so stellt er sich die Teile des letzteren als solche, deren Existenz (als Substanzen) jedem auch ausschließlich von den übrigen zukommt, doch als in einem Ganzen verbunden vor.³⁸¹
Im Gegensatz zur Kausalität ist die Wechselwirkung keine einseitig, sondern eine zweiseitig orientierte Verknüpfung, so dass bei Setzung des einen notwendig die des anderen erfolgt und umgekehrt. Durch die Kategorie der Gemeinschaft ist dementsprechend nichts anderes als der Begriff einer wechselseitigen Kausalität bezeichnet. Das Schema der Gemeinschaft (Wechselwirkung), oder der wechselseitigen Kausalität der Substanzen in Ansehung ihrer Akzidenzen, ist das Zugleichsein der Bestimmungen der einen, mit denen der anderen, nach einer allgemeinen Regel.³⁸²
Die formale Darstellung der Kategorie lässt sich daher leicht aus der der Kausalität ermitteln: ( p(x& 6 q(x&& + (q(x& 6 p(x&&! ., &(p(x& 3 q(x&& So wie die Kausalität die Zentralkategorie der Physik ist, so ist die Wechselwirkung die der Biologie, da diese die Grundlage des finalen, respektive teleologischen Denkens bildet.
KrV, B ; S. . KrV, B f; S. f. KrV, A | B f; S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Organismen sind als lebende Wesen im Gegensatz zur toten Materie nicht allein durch den Begriff der Kausalität zu erfassen, da ihre Teile in Bezug auf ihr Ganzes in einem kausalen Nexus wechselseitig miteinander verbunden sind. Zu einem Körper also, der an sich und seiner innern Möglichkeit nach als Naturzweck beurteilt werden soll, wird erfordert, daß die Teile desselben einander insgesamt, ihrer Form sowohl als Verbindung nach, wechselseitig, und so ein Ganzes aus eigener Kausalität hervorbringen, dessen Begriff wiederum umgekehrt (in einem Wesen,welches die einem solchen Produkt angemessene Kausalität nach Begriffen besäße) Ursache von demselben nach einem Prinzip, folglich die Verknüpfung der wirkenden Ursachen zugleich als Wirkung durch Endursachen beurteilt werden könnte. In einem solchen Produkte der Natur wird ein jeder Teil, so, wie er nur durch alle übrige da ist, auch als um der andern und des Ganzen willen existierend, d. i. als Werkzeug (Organ) gedacht: welches aber nicht genug ist (denn er könnte auch Werkzeug der Kunst sein, und so nur als Zweck überhaupt möglich vorgestellt werden); sondern als ein die andern Teile (folglich jeder den andern wechselseitig) hervorbringendes Organ, dergleichen kein Werkzeug der Kunst, sondern nur der allen Stoff zu Werkzeugen (selbst denen der Kunst) liefernden Natur sein kann: und nur dann und darum wird ein solches Produkt, als organisiertes und sich selbst organisierendes Wesen ein Naturzweck genannt.³⁸³
Leben kann nur als organische Ganzheit erfasst und gedacht werden. Diese wesentliche Eigenschaft unserer Reflexion über die Natur der lebendigen Körper steht der wissenschaftlichen Absicht, Naturvorgänge aus linearen Kausalketten heraus zu erklären, nach Kant unüberwindlich entgegen, so dass sich schwerlich jemals ein Newton des Grashalms ³⁸⁴ finden dürfte, dem dies gelänge. Man kann diese Passage eines kritisch gefassten Begriffes des Naturzwecks als Entgegnung auf die Kritik Spinozas lesen, in der sich dieser gegen die Vorstellung einer Naturteleologie wendet: Nam id, quod revera causa est, ut effectum considerat, et contra. Denique id, quod natura prius est, facit posterius.³⁸⁵
Zweckverhältnisse kehren, so Spinoza, die Zeitverhältnisse in der Natur um, so dass Naturzwecke unmöglich seien. Dem würde Kant weitestgehend zustimmen.³⁸⁶ So ist die Annahme der Wechselwirkung im Organismus auch nach Kant
KdU § , B f.; AA V, f.; S. f. Cf. KdU § , B ; AA V, ; S. . Ethik, Pars Prima, XXXVI, Appendix; p. . Cf. KdU § 73, B 325 f.; AA V, 393 f.; S. 303 f. Ehrenberg (), S. , weist aus eben diesem Grund darauf hin, dass der Begriff des „Zweckes“ keine Kategorie sein könne und daher zu Recht nicht in der Kategorientafel gelistet wird.
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes
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lediglich heuristisch. Diese soll durch die Erforschung der lebendigen Natur sukzessive zugunsten linearer Erklärungen aus kausalen Zusammenhängen zurückgedrängt werden. Gleichwohl entspringt die Vorstellung des Naturzwecks der Reflexionsnatur des menschlichen Verstandes, weshalb ihr in subjektiver Hinsicht, d. h. als nicht-konstitutive Regel der Reflexion, transzendentale Notwendigkeit zukommt. Mit der Kategorie der Wechselwirkung ist nun die letzte Kategorie aus der Urteilstafel gefunden, so dass sich für die Relation im Ganzen folgendes Bild ergibt: Relation Urteilsform
Kategorie
Kategorische Urteile
p( x &
Substanzialität
&0x◊p( x &
Hypothetische Urteile
p( x &⟶q( x &
Kausalität
&(p( x &⟶q( x &&
Disjunktive Urteile
p( x &⊻q( x &⊻r ( x &
Wechselwirkung
&(p( x & 3 q( x &&
Die Kategorien sind damit im Ganzen abgeleitet. Dass allein die Kategorie der Modalität für die Ableitung der Kategorien aus den Urteilsformen zu gebrauchen war, ergab sich daraus, dass die Modalität die Besonderheit besitzt, dass sie „nichts zum Inhalte des Urteils beiträgt, sondern nur den Wert der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht.“³⁸⁷ Jeder andere Versuch, die Kategorien, beispielsweise über die Qualität abzuleiten, hätte daher unweigerlich den Inhalt derselben verändert.
1.3.4 Die Struktur und Substruktur der Kategorien Mit der (metaphysischen) Deduktion der Kategorien über die Modalprädikation sind darüber hinaus noch zwei wichtige Erkenntnisse verbunden: Erstens gibt die Verbindung von Modalität und Kategorienbildung Auskunft über den Ursprung des Kategoriensystems als Ganzes. Zweitens lässt sich das Verhältnis von Urteilsfunktion, Schema und Begriff in der Kategorie besser verstehen. Was den ersten Punkt angeht, so wird klar, was die Spontaneität in der Begriffsbildung, speziell die der Genesis der reinen Verstandesbegriffe eigentlich meint. Die Modalität bestimmt das Verhältnis eines Urteils hinsichtlich seiner
KrV, A | B ; S. .
100
Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Gültigkeit. Der Maßstab dieser Bestimmung ist nun für Kant kein dem Verstand äußerlicher. So zeigt die Modalität den „Wert der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt“ an. Der Verstand, respektive das Denken ist demnach sich selbst der Maßstab in der modalen Bestimmung seiner Urteile. Genau hierin spricht sich seine Eigenart als spontanes Vermögen aus, i. e. die Fähigkeit des Verstandes, sich bestimmend auf sich selbst zu beziehen. Diese Fähigkeit bildet den Schlüssel zur Bildung der Kategorien aus den Urteilsformen und, wie sich im Folgenden zeigen wird, auch zur Ableitung der Urteilsformen selbst. Indem der Verstand sich selbst bestimmt, hat er natürlich dreierlei Hinsichten: Erstens ist er selbstbestimmend; zweitens ist er Objekt seiner eigenen Bestimmung, i. e. er ist sich selbst Bestimmbares, sowie drittens ist er das Ergebnis seiner eigenen Bestimmung, i. e. Bestimmtheit, welche Bestimmung und Bestimmbarkeit umfasst. Alle drei Momente des Verstandes finden sich im kantischen Begriff des Verstandes wieder: Der Verstand ist sowohl Urteils- als auch Einbildungskraft und gleichzeitig bildet er die Verbindung beider Vermögen. Damit ist leicht zu sehen, dass die Trias der Verstandesfunktionen bestimmungstheoretisch zu deuten ist: 1.
Der Verstand muss durch die Funktionen als bestimmend gedacht werden.
Diese Funktionen, durch die der Verstand sich bestimmend denkt, sind diejenigen, welche alle Handlungen des Verstandes bestimmen, i. e. die logischen „Funktionen der Einheit in den Urteilen“,³⁸⁸ insofern sich „alle Handlungen des Verstandes auf Urteile zurückführen [lassen], so daß der Verstand überhaupt als ein Vermögen zu urteilen vorgestellt werden kann.“³⁸⁹ Für den Verstand als Objekt seiner Selbstbestimmung muss weiterhin gelten: 2.
Der Verstand muss durch die Funktionen als bestimmbar gedacht werden.
Die Vorstellung des Verstandes als Objekt einer Bestimmung zu denken, ist insofern schwieriger, als der Gegenstand der Verstandesbestimmung die Sinnlichkeit darstellt, der Verstand daher in Bezug zur Sinnlichkeit immer nur als bestimmend vorgestellt werden muss. Der Verstand kann sich also nicht selbst in der Weise zum Gegenstand haben, wie er die Sinnlichkeit zum Inhalte hat. Er muss daher, auch wenn er Bestimmbares seiner Selbstbestimmung ist, für die Sinnlichkeit immer noch bestimmendes sein. Der Schlüssel zur Lösung dieser Schwierigkeit liegt in der bereits beschriebenen Zweiseitigkeit des Verstandes als Vermögen der Gegenstandserkenntnis, zum einen in Betonung seiner erkenntnis-,
KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. .
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes
101
zum anderen in Betonung seiner gegenstandskonstitutiven Bedeutung, i. e. als Urteils- und als Einbildungskraft.³⁹⁰ Es ist ein und dieselbe Spontaneität, welche dort, unter dem Namen der Einbildungskraft, hier des Verstandes, Verbindung in das Mannigfaltige der Anschauung hineinbringt.³⁹¹
Der Verstand als Einbildungskraft bildet zusammen mit der zeitlichen Form aller Vorstellungen als Inhalte des inneren Sinnes das gegenstandskonstitutierende Vermögen des Verstandes. Die Einbildungskraft erweist sich dabei für die Sinnlichkeit bestimmend, weil sie selbst bestimmt ist durch die Form des Verstandes.³⁹² Mit dieser Antwort ist auch die Lösung eines wesentlichen Problems verbunden, welches sich aus dem veränderten Status der Einbildungskraft in der Auflage B ergibt. Während in der Auflage A die Einbildungskraft noch ein eigenständiges, vermittelndes Vermögen zwischen der Sinnlichkeit und dem Verstand darstellt, fällt die zu erbringende Vermittlungsleistung in Auflage B allein dem Verstand zu.³⁹³ Das hierdurch zugunsten des Verstandes entstandene Ungleichgewicht bezüglich der jeweiligen Erkenntnisleistungen der Vermögen kann nur gerechtfertigt werden, wenn der Verstand einerseits bestimmend in Bezug auf die Sinnlichkeit und andererseits bestimmbar in Bezug auf die reinen Funktionen des Denkens gedacht wird. Da nun alle unsere Anschauung sinnlich ist, so gehört die Einbildungskraft, der subjektiven Bedingung wegen, unter der sie allein den Verstandesbegriffen eine korrespondierende Anschauung geben kann, zur Sinnlichkeit; so fern aber doch ihre Synthesis eine Ausübung der Spontaneität ist, welche bestimmend, und nicht, wie der Sinn, bloß bestimmbar ist, mithin a priori den Sinn seiner Form nach der Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen kann, so ist die Einbildungskraft so fern ein Vermögen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen, und ihre Synthesis der Anschauungen, den Kategorien gemäß, muß die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft sein, welches eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit und die erste Anwendung desselben (zugleich der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung ist.³⁹⁴
Cf. Kap. ... KrV, B ; S. . Dieser Zusammenhang ist eng mit dem Problem der sogenannten Selbstaffektion verbunden, auf das jedoch erst in Kap. .. eingegangen werden kann. Metz (), S. , weist treffend auf den Umstand hin, dass mit der „Neubestimmung der produktiven Einbildungskraft“ ebenfalls eine „verwandelte Konzeption des reinen Verstandes einhergeht“. KrV, B f.; S. f.
102
Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Dass die durch den Verstand zu erbringende Vermittlungsleistung nicht dazu führt, dass sich der Verstand mit sich selbst in einen Widerspruch setzt, indem er einerseits als Spontaneität rein bestimmend, zum anderen als Einbildungskraft zur Sinnlichkeit gehörend, d. h. als bestimmbar gedacht werden muss, lässt sich nur begreifen, wenn die in der Einbildungskraft gelegene Bestimmbarkeit allein der Selbstbestimmung des Verstandes zukommt. Übereinstimmend mit dem bereits Erörterten lässt sich daher die transzendentale Einbildungskraft fassen als die Selbstbestimmung des Verstandes im Modus der Zeit. Dieser Zusammenhang lässt sich auf den fundamentalen Grundsatz bringen: Ohne vorherige Selbstbestimmung keine Bestimmung, d. h. ohne Heautonomie keine Autonomie. Dieser Fundamentalsatz wird sich für alles Weitere als maßgeblich erweisen. Der Verstand als vollständiges Vermögen ist daher nichts anderes als das sich bestimmend bestimmt denkende Denken. Für die Funktionen des Verstandes, die Kategorien, gilt daher: 3. Der Verstand muss durch die Funktionen als bestimmt gedacht werden.
Abb. 5: Schematische Darstellung des bestimmungslogischen Zusammenhanges der Verstandesfunktionen
Guyer irrt sich daher, wenn er Kant für die Gleichsetzung der Kategorien und Urteilsfunktionen kritisiert: Also ist alles Mannigfaltige, so fern es in Einer empirischen Anschauung gegeben ist, in Ansehung einer der logischen Funktionen zu urteilen bestimmt, durch die es nämlich zu einem Bewußtsein überhaupt gebracht wird. Nun sind aber die Kategorien nichts andres, als
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes
103
eben diese Funktionen zu urteilen, so fern [Hervorhebung, M. B.] das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in Ansehung ihrer bestimmt ist (§ 13).³⁹⁵
So sagt Guyer von diesem Zitat: „This, of course, simply violates Kant’s original constraint that the categories cannot simply be identified with the logical functions of judgement, though they must stand in some kind of connection with the latter which may well serve as a clue to their discovery.“³⁹⁶ Ausgehend von dem in diesem Kapitel Erarbeiteten lässt sich sehr genau sehen, warum Guyers Kantkritk ins Leere läuft. Erstens kann nicht von einer simplen Identifikation die Rede sein. Dies ist bereits aus dem angeführten Zitat durch den restriktiven Sinn der Konjunktion „so-fern“ ersichtlich. Zweitens ist die Verbindung von Kategorie und Urteilsform, respektive -funktion nicht derart, dass diese lediglich einen Hinweis zur Entdeckung der Kategorien liefert. Die logischen Funktionen sind vielmehr Konstitutiva der Kategorien. Das Identitätsverhältnis von logischer und transzendentaler Funktion ist daher vor dem diskutierten Hintergrund nicht nur gerechtfertigt, sondern nimmt vielmehr eine argumentative Schlüsselstellung in Kants Erkenntnislogik ein.³⁹⁷ Das kantische Kategoriensystem weist so eine weitaus höhere Komplexität auf, als es prima facie den Anschein hat: So enthält die Kategorientafel vier Titel mit je drei Modi, i. e. Funktionen, welche nach dem trichotomischen Bildungsgesetz in einem Bedingungszusammenhang stehen, welcher sich bestimmungslogisch rekonstruieren lässt, was Kant zur Verteidigung der kategorialen Dreierordnung in der Kritik der Urteilskraft expliziert: Man hat es bedenklich gefunden, daß meine Einteilungen in der reinen Philosophie fast immer dreiteilig ausfallen. Das liegt aber in der Natur der Sache. Soll eine Einteilung a priori geschehen, so wird sie entweder analytisch sein, nach dem Satze des Widerspruchs; und da ist sie jederzeit zweiteilig (quodlibet ens est aut A aut non A). Oder sie ist synthetisch; und, wenn sie in diesem Falle aus Begriffen a priori (nicht, wie in der Mathematik, aus der a priori dem Begriffe korrespondierenden Anschauung) soll gefühlt werden, so muß, nach demjenigen, was zu der synthetischen Einheit überhaupt erforderlich ist, nämlich 1) Bedingung, 2) ein Bedingtes, 3) der Begriff, der aus der Vereinigung des Bedingten mit seiner Bedingung entspringt, die Einteilung notwendig Trichotomie sein.³⁹⁸
KrV, B ; S. . Guyer (), S. . Riehl hat zwar durchaus Recht, wenn er sagt: „Kategorien sind logische Funktionen in ihrer bestimmten Anwendung, der Anwendung auf Anschauungen“ – Riehl (), I; S. . – jedoch lässt erst der Verweis auf die logische Vorgängigkeit der Selbstbestimmung des Verstandes die Bestimmtheit seiner Anwendung auf Anschauungen einsichtig werden. KdU Einleitung IX, B LVII; AA V, ; S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Die Kategorien teilen sich demnach auf in Bedingung, Bedingtes und den Begriff aus der Vereinigung beider, welcher das Bedingte unter der Bedingung darstellt. Besonders erhellend ist in diesem Zusammenhang eine Reflexion Kants, welche die trichotomische Ordnung der Kategorien mit der des Bewusstseins in Verbindung bringt. Hinsichtlich der genetischen Deduktion der reinen Funktionen des Denkens wird diese ebenfalls von großer Bedeutung sein. Es sind darum [nur] drey logische Functionen [von] unter einem gewissen Titel, mithin auch drey Categorien: Weil [die] zwey derselben die Einheit [des Bewustseyns [der] zweyer oppositorum] des Bewustseyns an zween oppositis zeigen, die dritte aber beyderseits Bewustseyn wiederum verbindet. Mehr arten der Einheit des Bewustseyns lassen sich nicht denken. Denn es sey a ein Bewustseyn, welches ein mannigfaltiges Verknüpft, b ein anderes, welches [dasse] auf entgegengesetzte Art verknüpft: so ist c die Verknüpfung von a und b.³⁹⁹
Ausgehend von der Definition der Kategorien als Einheitsbestimmungen der Handlung (=Funktionen), lässt sich die kategoriale Trichotomie als Bildungsgesetz verstehen. Die erste Kategorie jedes Titels ist ergo die in den Handlungen des Verstandes als Bedingung gesetzte, mithin also als die Bestimmung der Handlung. Durch sie wird die Handlung, welche sich im jeweiligen Titel ausdrückt, als bestimmend vorgestellt. Die zweite Kategorie wird in den Handlungen des Verstandes als Bedingtes, der Bedingung entgegengesetzt. In ihr ist also die Handlung als durch die erste Bestimmung bestimmbar gedacht. Die dritte Kategorie wiederum geht aus der Verbindung von Bedingung und Bedingtem als das Bedingte unter der Bedingung hervor. Im dritten Moment jedes Titels wird dementsprechend die Verstandeshandlung als Ergebnis der Bestimmung, d. h. als Bestimmtes gedacht. In § 11, den sogenannten „artigen Betrachtungen“ über die Kategorientafel, erläutert Kant diesen Zusammenhang in der 2. Anmerkung: Daß allerwärts eine gleiche Zahl der Kategorien jeder Klasse, nämlich drei sind, welches eben sowohl zum Nachdenken auffordert, da sonst alle Einteilung a priori durch Begriffe Dichotomie sein muß. Dazu kommt aber noch, daß die dritte Kategorie allenthalben aus der Verbindung der zweiten mit der ersten ihrer Klasse entspringt. So ist die Allheit (Totalität) nichts anders als die Vielheit als Einheit betrachtet, die Einschränkung nichts anders als Realität mit Negation verbunden, die Gemeinschaft ist die Kausalität einer Substanz in Bestimmung der andern wechselseitig, endlich die Notwendigkeit nichts anders, als die Existenz, die durch die Möglichkeit selbst gegeben ist. Man denke aber ja nicht, daß darum die dritte Kategorie ein bloß abgeleiteter und kein Stammbegriff des reinen Verstandes sei. Denn die Verbindung der ersten und zweiten, um den
AA XVIII, S. , Refl. .
1.3 Die diskursiven Funktionen des reinen Verstandes
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dritten Begriff hervorzubringen, erfordert einen besonderen Actus des Verstandes, der nicht mit dem einerlei ist, der beim ersten und zweiten ausgeübt wird.⁴⁰⁰
In der Quantität wird die Einheit also als bestimmendes Moment auf das ihm entgegengesetzte Moment der Bestimmbarkeit der Vielheit angewandt, um die Kategorie der Allheit als die in der Vielheit präsente Einheit zu bilden. Diese trichotomische Struktur fand sich in allen Ableitungen des vorherigen Gliederungsabschnittes. In ein allgemeines Schema gebracht stellt sich dieses folgendermaßen dar:
Abb. 6: Schematische Darstellung des bestimmungslogischen Zusammenhanges der Kategorientitel und ihrer Momente
Die trichotomische Trias bleibt, wie gezeigt wurde, nicht auf die Ebene der Verstandeshandlungen, die Verstandestitel beschränkt. Sie setzt sich fort auf der Ebene der einzelnen Kategorien. So weist jede der zwölf kategorialen Funktionen wiederum eine trichotomisch geordnete Substruktur auf. Bei dieser handelt es sich zum einen um die beiden Protokategorien, i. e. die Ideal- und Realfunktion, zum andern um die Kategorie als Begriff, mithin als die eigentliche, erfahrungskonstitutive, da begriffliche Transzendentalfunktion selbst. Jede Kategorie für sich bildet damit eine bestimmungslogisch zusammenhängende Trias von Urteilsfunktion, Schema und Begriff. Da jede der in der Kategorie zusammenhängenden
KrV, B ; S. .
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Kapitel I. Funktionen der Erkenntnis
Funktionen für sich beschrieben werden kann, weisen diese wiederum für sich als Einheit der Handlung eine Trichotomie auf. Die Kategorientafel besitzt daher mit ihren vier Titeln zu je drei Momenten als je drei Verstandesfunktionen mit je drei Dimensionen 108 verschiedene Rücksichten! Die für den Ursprung der Tafel als Ganzes und damit die für die genetische Ableitung der Kategorien entscheidende Frage, wie der Verstand selbstbestimmend sein kann und wie die Selbstbestimmung des Verstandes letztlich zu verstehen ist, wurde bisher nur für die einzelnen Kategorien, nicht jedoch für den Verstand selbst gezeigt. Um diese Frage zu beantworten, ist es notwendig, die Ebene der einzelnen Titel zu verlassen und die Handlungen des Verstandes als Denkakte selbst im Zusammenhang zu begreifen. Der Begriff der unschematisierten Kategorie spielt hierbei die entscheidende Rolle, um die Möglichkeit der Selbstbezüglichkeit des Verstandes, respektive des selbstdenkenden Denkens begreiflich zu machen. Es wurde betont, dass die Kategorien ohne ihr Schema, die sogenannten Notionen, identisch sind mit den bloßen Urteilsfunktionen. Kants Einführung eines eigenen Begriffes für die unschematisierten Kategorien scheint dieser Ansicht entgegenzustehen. Diesem möglichen Einwand kann jedoch leicht entgegen getreten werden, wenn man sich klar macht, dass die Bedeutung der Modalität ohne ihr zeitliches Schema „nur den Wert der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht.“⁴⁰¹ Die Kategorien ohne Schema sind daher identisch mit den Urteilsformen, welche in Beziehung auf das Denken überhaupt modal qualifiziert werden. Hieraus folgt, dass der Gegenstand der Notionen kein Objekt einer möglichen Erfahrung sein kann, sofern ein solches die Formen der Anschauung gleich notwendig mit voraussetzt. Ungeachtet dessen muss es sich bei einer kategorialen Bestimmung nicht nur um eine bloß logische handeln, sondern um eine transzendentale. Der gesuchte Bestimmungsgegenstand, respektive die Bestimmungshandlung ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, das Denken, beziehungsweise dessen reflexive Selbstbestimmung. Deren Erhellung und der Nachweis, dass diese den Ursprung der Denkfunktionen bildet, ist Aufgabe des nächsten Kapitels.
KrV, A | B ; S. .
Kapitel II. Transzendentale Subjektivität Kants Bild der kopernikanischen Wende bildet wohl den bekanntesten Topos seiner Philosophie. Dieses bezieht sich auf die Homologie der Koordinatentransformation in der Darstellung des Sonnensystems und des Grundgedankens der Transzendentalphilosophie, wonach es nicht die Gegenstände sind,welche die Quelle der Gesetze bilden, nach denen sich die Erfahrung auszurichten hat, sondern vielmehr das Subjekt, welches die Erscheinungsform der Gegenstände gemäß der ihm eigenen Regeln bestimmt. Diese Grundkonstellation macht es natürlich notwendig zu zeigen, wie es möglich ist, dass die bloß subjektiven Regeln des Denkens objektive Bedeutung für die Gegenstände der Erfahrung haben können. Die Lösung ist Kant zufolge in der Einheit der Apperzeption zu finden, die den „transzendentalen Grund der notwendigen Gesetzmäßigkeit aller Erscheinungen in einer Erfahrung“¹ bildet.² Es ist schon früh aufgefallen, dass er die andere, für das System der Transzendentalphilosophie ebenso entscheidende Frage, wie die der Deduktion der Kategorien, nämlich woher die Funktionen des Denkens überhaupt stammen, respektive wie sie ermittelt werden könnten, nicht beantwortet.³ Damit scheint im Gefüge der kantischen Philosophie etwas Wesentliches zu fehlen. Dies erscheint umso schlimmer, da diese Fehlstelle nicht nur ein Randthema der Transzendentalphilosophie betrifft, sondern deren gesamtes Fundament. Die Frage nach dem Ursprung der Kategorien ist eng verknüpft mit der Frage der Vollständigkeit der Urteilstafel, respektive der Ableitbarkeit der dort gelisteten logischen Funktionen, aus denen die Kategorien gebildet werden. Obgleich Kant den Anspruch auf die Vollständigkeit an systematisch exponierter Stelle erhebt,⁴ liefert er jedoch augenscheinlich keinen Beweis für seine Behauptung. Für die Kantforschung bildet die Stellung zum Vollständigkeitsproblem aufgrund dessen Zentralität die wohl wichtigste Interpretationsentscheidung. In der Sache sind zwei Fragen, das Vollständigkeitsproblem betreffend, zu unterschieden: 1. Ist die Urteilstafel de facto vollständig? 2. Ist die Vollständigkeit der Tafel beweisbar?
KrV, A ; S. f. Die Frage der transzendentalen Deduktion wird im Folgenden unter der Perspektive der apperzeptiven Reflexionsstruktur ebenfalls aufgenommen. Zur Geschichte der Vollständigkeitsfrage der Urteilstafel cf. Baumanns (), ff. Cf. KrV, A | B ; S. ; KrV, A | B ; S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Aus ihrer jeweiligen Haltung zu diesen beiden Fragen lassen sich die jeweiligen Grundhaltungen der Kantinterpreten klassifizieren. Die erste Fraktion, wie beispielsweise weite Teile der analytischen Schule, beantwortet beide Fragen negativ. Der Grundtenor dieser Richtung besteht darin, die Urteilstafel als zeitgebundenen Anachronismus zu betrachten, so dass ihr, in Anbetracht der Entwicklungen innerhalb der modernen Logik, keine Beachtung mehr geschenkt werden müsse. Diese Ansicht ist mit einer mehr oder minder vollständigen Ablehnung der gesamten kantischen Philosophie verknüpft, so dass man hier von einer dekonstruktiv-kritischen Haltung sprechen könnte.⁵ Die zweite Interpretationshaltung besteht darin, die Frage nach der Vollständigkeit der Urteilstafel zu bejahen – zumindest hinsichtlich ihrer Aufgabe innerhalb der Kritik der reinen Vernunft – jedoch ihre Beweisbarkeit zu verneinen. Diese Ansicht, für die Lorenz Krüger⁶ als paradigmengebend bezeichnet werden kann, könnte man die orthodox-affirmative Haltung nennen.⁷ Für sie spricht, dass sie scheinbar die größte Nähe zum eigentlichen Textbefund und damit zu Kants eigener Position aufweist. So nimmt Krüger Kants eigene Aussage zur Zahl und Ordnung der Kategorien zum Anlass, die Frage ihrer Ableitung als unkritische, mithin dogmatische abzuweisen: Von der Eigentümlichkeit unsers Verstandes aber, nur vermittelst der Kategorien und nur gerade durch diese Art und Zahl derselben Einheit der Apperzeption a priori zu Stande zu bringen, läßt sich eben so wenig ferner ein Grund angeben, als warum wir gerade diese und keine andere Funktionen zu Urteilen haben, oder warum Zeit und Raum die einzigen Formen unserer möglichen Anschauung sind.⁸
Nach diesem Zitat scheint also der Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel von vornherein ausgeschlossen.⁹ Andererseits scheint der Anspruch der Systematizität der Transzendentalphilosophie gegen die Ablehnung der Beweisbarkeitsthese zu
Cf. hierzu das Verdikt Carnaps über Kant: „Alle Philosophie im alten Sinne, knüpfe sie nun an Plato, Thomas, Kant [Hervorhebung, M. B.], Schelling oder Hegel an, oder baue sie eine neue „Metaphysik des Seins“ oder eine „geisteswissenschaftliche Philosophie“ auf, erweist sich vor dem unerbittlichen Urteil der neuen Logik nicht etwa nur als inhaltlich falsch, sondern als logisch unhaltbar, daher sinnlos.“ Carnap (), S. . Cf. Krüger (). Baumanns () und Brandt () können beide als prominente Vertreter einer affirmativorthodoxen Lesart angesehen werden, wobei Brandt von der Urteilstafel allein als einer „Hauslogik für die Kritik der reinen Vernunft“ spricht, Brandt (), S. . KrV, B ; S. . Ehrenberg hatte bereits Jahre vor Krüger dieses Kantwort zum Anlass genommen, die Ableitung der Urteilstafel als nicht zum kritischen System der kantischen Philosophie gehörig abzuweisen, cf. Ehrenberg (), S. .
Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
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sprechen, dem eine affirmative Interpretation Rechnung zu tragen hätte.¹⁰ Dem Anspruch der Apodiktizität, den Kant selbst mit seiner Philosophie erhebt, kann dementsprechend auch nicht durch bloße Plausibilisierungsbemühungen¹¹ entsprochen werden. Damit befindet sich eine affirmative Kantinterpretation in einem Dilemma zwischen gebotener Texttreue einerseits und dem Anspruch einer systematischen Transzendentalphilosophie andererseits, die, wenn man so will, ihrem „Geist“ gerecht wird.¹² Einem möglichen Lösungsansatz, welcher aus diesem Dilemma führt, entspricht die dritte der vier möglichen, grundlegenden Interpretationshaltungen. Diese leugnet die Vollständigkeit der Urteilstafel in ihrer jetzigen Form, hält sie jedoch für reformierbar,¹³ so dass von dieser neuen Tafel ein Beweis im Sinne Kants erbracht werden könnte. Ein solcher Beweis „auf eigene Faust“¹⁴, wie er beispielsweise von Johannes Heinrichs versucht wurde, muss sich jedoch gänzlich von der Kritik der reinen Vernunft als Textgrundlage lösen. Diese Haltung könnte man eine kritisch-konstruktive nennen, welche Kant zum Ausgangspunkt eigenen (neukantischen) Philosophierens nimmt. Trotz seiner offensichtlichen Attraktivität führt dieser Ansatz zu einer verheerenden Konsequenz. Die Urteilstafel kann nicht losgelöst vom kantischen Programm der Transzendentalphilosophie als ganzer betrachtet werden, da sie die Grundlage der Kategorien, der transzendentalen Grundsätze und damit des gesamten Erkenntnissystems bildet, wie im vorherigen Kapitel demonstriert wurde.¹⁵ Eine Änderung auf der Ebene der Urteilsfunktionen wäre dementsprechend keine bloß lokale Modifikation, sondern brächte das gesamte System der kantischen Transzendentalphilosophie zum Einsturz.
Krüger (), S. , erhebt den Einwand, dass eine Ableitung der Urteilsfunktionen dem Grundgedanken der kritischen Philosophie widerspräche. Gegen diese Auffassung Krügers spricht jedoch, dass die Nichtableitbarkeit des Systems der (transzendentalen) Logik als Ganzes nicht die Ableitung ihrer Elemente innerhalb des Systems verunmöglicht. Brandts Arbeit ist hier das beste Beispiel, cf. Brandt (). Bereits hier sei darauf hingewiesen, dass die Frage nach der Vollständigkeit der Urteilstafel auf das Problem ihrer systematischen und damit logisch notwendigen Einheit und Abgeschlossenheit zielt. Die Frage, warum wir überhaupt ein solches System logischer Operationen besitzen und ob gar ein gänzlich anderes vorstellbar wäre, liegt vollständig außerhalb der Sphäre einer uns möglichen Erkenntnis. Allein auf diese Überlegungen geht das obige Zitat, deren Beantwortungsmöglichkeit Kant ganz folgerichtig abweist. Cf. Tetens (), S. f., Driesch (), Zu Driesch cf. Lehmann (), S. f. Cf. Reich (), S. und Brandt (), S. . Diese besondere Bedeutung der Kategorientafel für das gesamte System Kants hebt besonders Ehrenberg (), S. f. hervor.
110
Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Die vierte Interpretationsrichtung versucht das Dilemma zwischen Texttreue und Systematik ebenfalls im Sinne Kants zu lösen und zwar in schärfster Konsequenz, indem sie sowohl die Vollständigkeit als auch deren Beweisbarkeit aus den Prinzipien der kantischen Philosophie heraus annimmt. Diese Interpretationshaltung könnte man die affirmativ-rekonstruktive nennen. Deren maßgeblicher Vertreter ist sicherlich immer noch Klaus Reich¹⁶, der sich in seiner berühmten Dissertation die Aufgabe gesetzt hatte, aus dem Wenigen, was Kant in der Kritik der reinen Vernunft, den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft und den handschriftlichen Reflexionen über die Urteile und ihre Tafel geäußert hatte, zu einem Beweis ihrer Vollständigkeit zusammenzutragen. Gegen den Vorschlag Reichs wurden jedoch, besonders von der Seite der orthodoxen Kantexegese, sowohl schwerwiegende methodische als auch inhaltliche Einwände geltend gemacht, so dass die Reichsche Interpretation heute allgemein als überholt gilt.¹⁷ Die wesentliche Leistung Reichs bleibt jedoch unbeschadet des Scheiterns seines Beweisversuches, nämlich den Weg gewiesen zu haben, dem ein möglicher Beweisgang zu folgen hat: Wenn es einen strengen Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel im Sinne der Transzendentalphilosophie gibt, so ist dieser von der ursprünglichen Einheit der Apperzeption her zu führen. Dies führt zur Konsequenz, dass die Frage der Vollständigkeit der Urteilstafel eng mit der Frage nach dem transzendentalen Subjekt, respektive dem transzendentalen Selbstbewusstsein verbunden ist.Wenn dies der Fall ist, so steht zu erwarten, dass sich der Beweisschlüssel dort befindet, wo Kant die Frage des transzendentalen Subjektes, respektive die der reinen Apperzeption, allererst diskutiert, i. e. im Paralogismuskapitel der transzendentalen Dialektik. Für den Vollständigkeitsbeweis ist daher zweierlei zu leisten: Erstens gilt es, die transzendentale Dialektik im Allgemeinen und das Paralogismuskapitel im Besonderen hinsichtlich positiver Theorieelemente zu untersuchen, welche Aufschluss über die Struktur des transzendentalen Selbstbewusstseins und der Urteilstafel geben. Diese werden in Kants Prinzipienlehre auszumachen sein.¹⁸ Zweitens ist das Ergebnis dieser Untersuchung auf Kants Begriff der Apperzeption in der transzendentalen Analytik, respektive in der Deduktion anzuwenden.¹⁹ Dabei wird sich zeigen, dass Kants Diskussion der transzendentalen Paralogien den Schlüssel zur Reflexionsstruktur des transzendentalen Selbstbewusstseins liefert, aus der die Urteilstafel insgesamt abgeleitet werden kann.²⁰
Cf. Reich (). Ähnliches gilt auch für den Versuch von Wolff (). Cf. Kap. .. Cf. Kap. .. und ... Cf. Kap. ...
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft Jede Interpretation der Apperzeption, welche von der transzendentalen Dialektik ihren Ausgang nimmt, ist mit dem wesentlichen Problem konfrontiert, dass Kant in der Dialektik vornehmlich eine kritische Absicht verfolgt, welche sich komplementär zum konstruktiven Sinn der transzendentalen Analytik verhält. Sie muss daher erstens nachweisen können, dass Kant in der Dialektik neben seiner negativen auch eine positive Absicht verfolgt.²¹ Zweitens obliegt es ihr, zwischen dem, was Kant im Zuge seiner Kritik der rationalistischen Pneumatologie, zurückweist und den positiven Bestimmungen des transzendentalen Subjektes zu unterscheiden. Erst dann kann entschieden werden, ob sich dem Paralogismuskapitel ein konstruktiver Sinn abringen lässt, der sich als Schlüssel zu Kants Theorie des Bewusstseins gebrauchen lässt. Auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen, sind jedoch zuvor gewisse Probleme und Interpretationsschwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Die erste Aufgabe besteht darin zu entscheiden, was den Ursprung des dialektischen Scheins, speziell in Bezug auf die erste Idee der Seele bildet.²² Als Ergebnis wird sich herausstellen, dass es nicht die Vernunft an sich selbst ist, die den dialektischen Schein produziert, sondern ihr verfehlter Gebrauch, welcher jedoch durch die Vernunft selbst induziert und nezessiert ist.²³ Hernach gilt es, die Vernunft als Vermögen, speziell in ihrer Beziehung zum Verstand, zu bestimmen.²⁴ Dabei wird gezeigt werden, dass die Vernunft ein besonderes Vermögen des Verstandes darstellt, auf die eigenen Regeln reflexiv Bezug nehmen zu können.²⁵ Dieses allgemeine Ergebnis gilt es danach zu spezifizieren; einmal in Bezug auf die Vernunft als logisches Vermögen zu schließen,²⁶ zum anderen als transzendentales Vermögen, welches eigene Begriffe hervorbringt.²⁷ In Bezug auf das logische und das transzendentale Vermögen der Vernunft gilt es plausibel zu machen, wie aus den drei logischen Schlussformen die drei Grundbegriffe der Vernunft (Seele, Welt und Gott) gebildet werden können. Dies betrifft Mit Bezug auf den Anhang der transzendentalen Dialektik scheint es auf den ersten Blick leicht zu sein, dies zu zeigen, cf. Baumanns (), S. . Es herrscht in der Kantforschung dennoch Uneinigkeit darüber, welche Elemente der Dialektik dem kritischen oder dem zu kritisierenden Standpunkt angehören. Dies betrifft vornehmlich Kants Begriff des obersten Vernunftprinzips, cf. Pissis (), S. , Anm. . Cf. Kap. ... Ähnlich auch bei Malter (), S. . Cf. Kap. ... Cf. Kap. ... Cf. Kap. ... Cf. Kap. ...
112
Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
das alte Problem der sogenannten metaphysischen Ideendeduktion.²⁸ Es wird dabei gezeigt werden, dass Kants Lehre der drei Ideen und ihrer Deduktion nach dem Beispiel der Kategorien²⁹ mitnichten artifiziell oder gar völlig willkürlich sei.³⁰ Vielmehr besitzen Kategorien- und Ideentafel eine sehr viel engere Bindung als dies bisher in der Forschung diskutiert wurde, sofern die Ideen Funktionen der Einheit, sowohl der Vernunft als auch des Verstandes, darstellen.³¹ Der aus dieser Konsequenz erwachsene natürliche Zirkel, dass die Vernunft als Einheitsvermögen der Regeln deren Einheit bereits immer schon voraussetzt, bildet dabei den Übergang zur Ableitung der Verstandesfunktionen aus der ursprünglichen Einheit der Apperzeption.
2.1.1 Der Ort der Ideenlehre: Die Formale und Transzendentale Dialektik Kants Ideenlehre bildet den zweiten Teil der transzendentalen Logik, i. e. die transzendentale Dialektik.³² Sie dient in erster Linie der Auseinandersetzung mit den ewigen Streitigkeiten auf dem „Kampfplatz der Metaphysik“³³ zum Zwecke ihrer endgültigen Befriedung, so dass endlich „Friede unter den Philosophen durch die Ohnmacht der theoretischen Beweise“³⁴ herrsche.³⁵ Allein der Titel „Kampfplatz“ für den Ort des Streites in der Metaphysik suggeriert die Rechtlosigkeit, mithin die Barbarei innerhalb der Auseinandersetzung um ihre zentralen Themen Seele,Welt und Gott. Dieser Barbarismus in der Metaphysik fordert daher den Gesetzgeber, i. e. die Vernunft in Gestalt der kritischen Philosophie heraus,
Gleichzeitig betrifft dies natürlich auch die Frage der Vollständigkeit der Ideentafel. Wie noch zu zeigen sein wird, hängt diese mit der weit populäreren Frage der Vollständigkeit der Urteilstafel wesentlich zusammen. Cf. KrV, A | B ; S. . Nach Strawson (), S. , ist die „logische Systematik [der Dialektik, M. B.] wenig mehr als eine philosophische Kuriosität.“ Ebenso cf. Bennett (), S. ff. Cf. Kap. ... Über die Einteilung der transzendentalen Logik cf. KrV, A | B , S. . Cf. KrV, A VIII, S. . Kant, Immanuel:Verkündigung des nahen Abschlusses eines Traktates zum ewigen Frieden in der Philosophie. In: „Was ist Aufklärung?“, hrsg. v. Horst D. Brandt, Hamburg , S. . Dieser rein negativen Auffassung der transzendentalen Dialektik (cf. Kalter (), S. und Grier (), S. .) wird im Folgenden entgegengetreten, insofern die Dialektik nicht nur die nichterfüllbaren Erkenntnisansprüche zurückweist, sondern darüber hinaus Einblick in Kants prinzipientheoretische und damit auch systematische Überlegungen gibt. Ähnlich auch Baumanns (), S. , und Fischer (), S. , Anm..
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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über die Rechtmäßigkeit der Ansprüche der Kombattanten gemäß der Tatsachen (Quid facti) und gültiger Rechtslage (Quid iuris) zu entscheiden.³⁶ Die transzendentale Dialektik ist von der formalen zu unterscheiden. Als Teil der allgemeinen reinen Logik³⁷ ist die formale Dialektik materialiter indifferent bezüglich Apriorität oder Empirizität. Im Gegensatz dazu ist sie formaliter jedoch notwendig a priori. A fortiori gilt dies auch für die ihr zugehörige Dialektik. Anders verhält es sich in Bezug auf die transzendentale Dialektik. Hier gilt das Gebot der Apriorität sowohl formaliter als auch materialiter. Für die Analyse und Interpretation der transzendentalen Paralogismen wird die Frage nach dem Unterschied der transzendentalen und logischen Fehlschlüsse von grundlegender Bedeutung sein. Mit Blick auf das Unterscheidungsmerkmal von formaler und transzendentaler Dialektik kann man bereits sehen, dass deren jeweilige Fehlschlüsse sich hinsichtlich ihres Grundes unterscheiden müssen: Der logische Paralogismus besteht in der Falschheit eines Vernunftschlusses der Form nach, sein Inhalt mag übrigens sein, welcher er wolle. Ein transzendentaler Paralogismus aber hat einen transzendentalen Grund: der Form nach falsch zu schließen. Auf solche Weise wird ein dergleichen Fehlschluß in der Natur der Menschenvernunft seinen Grund haben, und eine unvermeidliche, obzwar nicht unauflösliche, Illusion bei sich führen.³⁸
Es muss daher einen materialen, da transzendentalen Grund geben, logisch, also formal falsch zu schließen. Aufgrund dieser Verbindung von formaler und materialer Logik herrscht eine gewisse Kontroverse über den Zusammenhang von logischem und transzendentalem Paralogismus. Man kann hierbei drei grundlegende Ansichten, ergänzt um eine vierte, aufzeigen, um das Verhältnis logischer und transzendentallogischer Schlussfiguren innerhalb der Dialektik zu bestimmen. Konkret geht es dabei um die Frage, ob es sich bei den transzendentalen Paralogismen um formal gültige Schlüsse handelt oder nicht: a) Transzendentaler Paralogismus und logischer Paralogismus bilden zwei disjunkte Klassen. b) Der transzendentale Paralogismus beruht auf einem logischen Paralogismus. c) Der logische Paralogismus beruht auf einem transzendentalen Paralogismus. d) Logischer und transzendentaler Paralogismus haben denselben Ursprung.
Cf. Höffe (), S. f. Cf. Anhang A. KrV, A | B ; S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Ad a): Diese Ansicht wird von Alfons Kalter vertreten. Dieser kommt nach seiner Analyse der logischen Form des vierten Paralogismus zu dem Schluss, dass keine formale Falschheit vorliege, sondern eine materiale.³⁹ Der vierte Paralogismus stelle vielmehr einen gültigen Schluss im Modus Barbara dar, dessen Prämisse allein im minor falsch sei. Dies zeige sich daran, dass Kant nicht den Schluss auf eine wechselnde Bedeutung des Mittelbegriffs hin untersucht, um so eine mögliche quaternio teminorum nachzuweisen, sondern die Prämisse im minor auf ihre Wahrheit hin überprüft. Nach Kalter kann also ein transzendentaler Paralogismus vorliegen, ohne dass damit ein logischer Paralogismus einhergehen müsse. Es ist jedoch bereits an dieser Stelle offensichtlich, dass die These Kalters der Versicherung Kants widerspricht, dass es sich beim transzendentalen Paralogismus um einen formal falschen Schluss handele, dem eine transzendentale Ursache zugrunde liege. Ad b): Die Ansicht, dass der transzendentale Paralogismus auf einem formalen beruhe, setzt voraus, dass dieser bloß ein besonderer Fall eines Paralogismus der allgemeinen reinen Logik sei. Stuhlmann-Laeisz vertritt diese Interpretation.⁴⁰ In Ansehung des Verhältnisses von transzendentaler und reiner Logik scheint es auf den ersten Blick sinnvoll, in diese Richtung hin zu argumentieren; besteht doch augenscheinlich der Unterschied nur darin, dass für die transzendentale Logik die Einschränkung gilt, dass s o w o h l die Regeln a l s a u c h die Gegenstände a priori sein müssen. Zwei Dinge sprechen jedoch dagegen. Zum einen bilden die Logik des allgemeinen und des besonderen Verstandesgebrauchs zwei unterschiedliche Äste der Logik, so dass in Kants Einteilung der Wissenschaft der Verstandesregeln kein Hinweis auf eine Hierarchisierung zu finden ist.⁴¹ Zum anderen sind die Funktionen der allgemeinen reinen Logik nur formal-ideale, die der transzendentalen Logik auch material-reale. Beide beruhen also auf jeweils spezifischen Handlungen des Verstandes, deren Verbindung ja allererst eine mittels Deduktion zu zeigende ist. A fortiori kann also auch der transzendentale Paralogismus als Teil der transzendentalen Dialektik die logischen Paralogismen nicht zum genus proximum ⁴² haben.
Cf. Kalter (), S. und Klimmek (), S. f., Anm. . Cf. Stuhlmann-Laeisz (), S. . Die transzendentale Logik ist nicht einfach identisch mit der formalen Logik, sofern diese zusätzlich um die äußeren Bedingungen von Raum und Zeit erweitert wird, sondern bezieht sich auf die apriorische Bestimmung der Anschauungsformen durch die logischen Formen des Denkens. Cf. Anhang A. Cf. Stuhlmann-Laeisz (), S. . Gegen Stuhlmann-Laeisz, cf. Klimmek (), S. , Anm. .
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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Ad c): Klimmeks Vorschlag, dass der formale Paralogismus auf dem transzendentalen basiere, ist hier schon überzeugender als die zwei vorherigen Alternativen.⁴³ Danach beruhen die v i e r einzelnen Paralogismen, die aufgrund der in ihnen enthaltenen quaternio terminorum solche der reinen allgemeinen Logik sind, auf dem e i n e n transzendentalen Paralogismus, welcher identisch sei mit dem Schluss „von dem transzendentalen Begriffe des Subjekts, der nichts Mannigfaltiges enthält, auf die absolute Einheit dieses Subjekts selber, von welchem ich auf diese Weise gar keinen Begriff habe.“⁴⁴ Diese Interpretation ist jedoch ebenfalls problematisch. Kant spricht offensichtlich von den Paralogismen der reinen Vernunft im Plural, dies ist bereits aus dem Titel des ersten Hauptstückes des zweiten Buches der transzendentalen Dialektik ersichtlich. Zweitens insinuiert das obige Zitat, dass die Paralogismen der reinen Vernunft formal falsche Schlüsse darstellen, die wegen eines transzendentalen Grundes gezogen werden.⁴⁵ Somit kann Klimmek nicht aufzeigen, wie sich formaler und transzendentaler Fehlschluss in den v i e r transzendentalen Paralogismen zueinander verhalten.⁴⁶ Ad d): Um der Schwierigkeit des Verhältnisses von logischem und transzendentalem Paralogismus begegnen zu können, seien drei Vorannahmen gemacht, welche den interpretatorischen Rahmen der Untersuchung abstecken: (1) Es gibt vier transzendentale Paralogismen. (2) In jedem Paralogismus gibt es einen transzendentalen Grund der formalen Falschheit. (3) In jedem Paralogismus gibt es einen formalen Fehlschluss.⁴⁷ Da Klimmek von bloß e i n e m transzendentalen Paralogismus ausgeht, auf welchem die Möglichkeit der vier logischen Fehlschlüsse der Vernunft beruht,⁴⁸ erfüllt seine Interpretation nur die Bedingungen (2) und (3). Kalters materiale Deutung des transzendentalen Fehlschlusses ignoriert die Bedingung (3) und den
Cf. Klimmek (), S. . KrV A | B ; S. f. Cf. Klimmek (), S. . Cf. Klimmek (), S. , Anm. . Der tiefere Grund hierfür liegt in Klimmeks Konzeption der subjektiven Deduktion, die später diskutiert wird. Unserer Ansicht nach entspricht jede dieser Annahmen der offensichtlichen Intention Kants, so dass nicht diese Grundsätze, sondern die Abweichung von diesen erklärungsbedürftig scheinen. Cf. Klimmek (), S. .
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zweiten Teil der zweiten Bedingung, i. e. die formale Falschheit im transzendentalen Paralogismus. Stuhlmann-Laeisz hingegen lässt die Prämisse (2) unerfüllt.⁴⁹ Das Problem lässt sich nur lösen, wenn gezeigt werden kann, wie eine materiale Bestimmung zu formaler Falschheit führen kann. Dies weist auf den Kern des Problems: Handelt es sich bei den transzendentalen Paralogismen wirklich um formal falsche Schlüsse?⁵⁰ Die Wahrheit, respektive Falschheit eines logisch gültigen Schlusses hängt bekanntlich nur von der Wahrheit oder Falschheit seiner Prämissen ab. Wenn wir nun mit Klimmek⁵¹ unter Kants Begriff der „formalen Falschheit“ die logische Ungültigkeit eines Schlusses verstehen, dann lässt sich das Geforderte schwerlich erweisen, da auch eine falsche Prämisse nichts an der logischen (formalen) Gültigkeit eines Schlusses verändert.⁵² Grier bemerkt richtig, dass „any erroneous (transcendental) application of pure concepts commits, on Kant‘s view, a formal error.“⁵³ Der Begriff der formalen Falschheit reicht daher über das hinaus, was seit Frege landläufig als Ungültigkeit eines Schlusses verstanden wird. Die formale Falschheit bildet zuallererst den Gegensatz zur materialen. Ein Beispiel für einen materialiter fehlerhaften Schluss liefert Descartes: Wenngleich nämlich die eigentliche oder formale Falschheit sich […] nur in Urteilen findet, so gibt es doch eine gewisse materiale Falschheit in den Ideen, wenn sie ein Nicht-Ding gleich wie ein Ding darstellen. So sind z. B. die Ideen, die ich von der Wärme und Kälte habe, nur so wenig klar und deutlich, daß ich aus ihnen lernen kann, ob Kälte nur Abwesenheit der Wärme oder Wärme nur Abwesenheit der Kälte, oder ob beide reale Qualitäten sind oder keine von beiden. Nun kann es aber keine Ideen geben, die nicht Dinge darstellen wollen. Wenn es nun wahr ist, daß Kälte nichts anderes ist als Abwesenheit der Wärme, so wird die Idee, die sie mir wie etwas Reales und Positives darstellt, nicht mit Unrecht als falsch bezeichnet und dasselbe gilt für die übrigen Fälle.⁵⁴
Ein material falscher Schluss liegt also dann vor, wenn aus einem Privativum ein Positivum, also aus einem Nicht-Ding ein Ding gemacht wird. Im Gegensatz zur materialen Falschheit eines Schlusses liegt der Grund der Ungültigkeit (i. w. S.), i. e. der formalen Falschheit, nicht in der fehlerhaften Anwendung eines Begriffes
Stuhlmann-Laeisz () erkennt richtig den Grund der formalen Falschheit der transzendentalen Paralogismen in der quaternio terminorum, übersieht jedoch den transzendentalen Grund, insofern er das notwendige Vorstellungsverhältnis von reinem und schematisiertem Begriff als bloße Verwechslung deutet. Kalter (), S. , Bennett (), S. , und Ameriks (), S. f. bestreiten dies. Cf. hierzu auch Grier (), S. . Cf. Klimmek (), S. , Anm. . Zum Begriff der formalen Falschheit bei Kant cf. Pissis (), S. . Grier (), S. . Med. III, AT VII, ; S. .
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mittels einer Denkhandlung auf einen Gegenstand, sondern in der Denkhandlung selbst. Beiden ist jedoch gemein, dass im materialen Fehlschluss, wie im formalfalschen Schluss, aus einem Nicht-Ding ein Ding wird. In Bezug auf die erste Klasse von Fehlschlüssen wird dabei ein Privativum zum Ding, im Falle der letzten eine bloße Denkform. Es muss nun im Folgenden gezeigt werden, wie aus dem dialektischen Gebrauch transzendentaler Grundsätze die formale Ungültigkeit eines Schlusses, im Sinne der formalen Falschheit Kants, entspringt. Der Grundfehler a l l e r dialektischen Schlüsse liegt in dem Versuch, von der bloßen Form der Verwendung eines Begriffes in einem Urteil⁵⁵ oder einem Schluss ohne Zuhilfenahme der Anschauung zu einer inhaltlichen Bestimmung desselben zu kommen. Da Begriffe für Kant immer Allgemeinbegriffe sind,⁵⁶ ist ihre Konkretion an eine (mögliche) Anschauung gebunden. Allein durch ihre allgemeine Verwendung lässt sich daher kein besonderer Gegenstand bestimmen. In der Dialektik, sowohl der allgemein-reinen wie auch in der transzendentalen, liegt also der Fehler im Gebrauch der formalen Regeln zur Erkenntniserweiterung als Erkenntnis des Besonderen aus einem bloß Allgemeinen. Für Kant ist die logische Gültigkeit, i. e. die korrekte Anwendung der formalen Regeln, nur die negative Bedingung der Wahrheit, insofern ein Urteil mit den Gesetzen des Verstandes übereinstimmen muss.⁵⁷ Die Überprüfung anhand der Erfahrung bildet in allen Fällen die conditio sine qua non für die Wahrheit eines Urteils. Falsch urteilt man daher für Kant schon dann, wenn man vom reinen Denken einen erfahrungsunabhängigen Gebrauch macht.⁵⁸ Weil aber die bloße Form des Erkenntnisses, so sehr sie auch mit logischen Gesetzen übereinstimmen mag, noch lange nicht hinreicht, materielle (objektive) Wahrheit dem Erkenntnisse darum auszumachen, so kann sich niemand bloß mit der Logik wagen, über Gegenstände zu urteilen, und irgend etwas zu behaupten, ohne von ihnen vorher gegründete Erkundigung außer der Logik eingezogen zu haben, um hernach bloß die Benutzung und die Verknüpfung derselben in einem zusammenhangenden Ganzen nach logischen Gesetzen zu versuchen, noch besser aber, sie lediglich darnach zu prüfen. Gleichwohl liegt so etwas Verleitendes in dem Besitze einer so scheinbaren Kunst, allen unseren Erkenntnissen die Form des Verstandes zu geben, ob man gleich in Ansehung des Inhalts derselben noch sehr leer und arm sein mag, daß jene allgemeine Logik, die bloß ein Kanon zur Beurteilung ist, gleichsam wie ein Organon zur wirklichen Hervorbringung wenigstens zum Blendwerk von
Heute würden wir eher von Aussagen sprechen, cf. Tetens (), S. . Cf. KrV A | B , S. . Cf. Einleitung. Auch die reine Mathematik bezieht sich nach Kant auf eine zumindest mögliche Erfahrung, insofern sie sich der reinen Anschauungsformen für ihre Sätze bedienen muss.
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objektiven Behauptungen gebraucht, und mithin in der Tat dadurch gemißbraucht worden. Die allgemeine Logik nun, als vermeintes Organon, heißt Dialektik. ⁵⁹
Allein aus der formalen Logik lassen sich keine Erkenntnisse gewinnen. Eine characteristica universalis, respektive mathesis universalis, mit der sich, wie Leibniz es sich vorstellte, philosophische Probleme „ausrechnen“ ließen, kann es also nicht geben.⁶⁰ Zu einem wirklichen Organon können nur Regeln a priori wie a posteriori dienen, die zur Anleitung des Erfahrungsgewinns nutzbar sind.⁶¹ Da die allgemein-reine Logik über die Gesetze des reinen Verstandes hinaus keinen Erkenntnisfortschritt generiert, sondern sich in ihrem dialektischen Missbrauch nur den Anschein eines solchen gibt, handelt es sich bei ihr nur um eine „Logik des Scheins“. So verschieden auch die Bedeutung ist, in der die Alten dieser Benennung einer Wissenschaft oder Kunst sich bedienten, so kann man doch aus dem wirklichen Gebrauche derselben sicher abnehmen, daß sie bei ihnen nichts anders war, als die Logik des Scheins. Eine sophistische Kunst, seiner Unwissenheit, ja auch seinen vorsätzlichen Blendwerken den Anstrich der Wahrheit zu geben, daß man die Methode der Gründlichkeit, welche die Logik überhaupt vorschreibt, nachahmete, und ihre Topik zu Beschönigung jedes leeren Vorgebens benutzte. Nun kann man es als eine sichere und brauchbare Warnung anmerken: d a ß die allgemeine Logik, a l s Organon betrachtet, jederzeit eine Logik des Scheins, d. i. dialektisch sei [Hervorhebung, M. B.]. Denn da sie uns gar nichts über den Inhalt der Erkenntnis lehret, sondern nur bloß die formalen Bedingungen der Übereinstimmung mit dem Verstande, welche übrigens in Ansehung der Gegenstände gänzlich gleichgültig sein: so muß die Zumutung, sich derselben als eines Werkzeugs (Organon) zu gebrauchen, um seine Kenntnisse, wenigstens dem Vorgeben nach, auszubreiten und zu erweitern, auf nichts als Geschwätzigkeit hinauslaufen, alles, was man will, mit einigem Schein zu behaupten, oder auch nach Belieben anzufechten.⁶²
Wie Kant selbst sagt, ist die „allgemeine Logik, als Organon betrachtet, jederzeit eine Logik des Scheins“. Das Adverb „jederzeit“ deutet darauf hin, dass die Logik unabhängig davon, ob ihre Schlüsse gültig oder ungültig sind, sofern sie einen äußeren Gebrauch als Organon erfährt, zu einer Logik des Scheins mutiert.⁶³ Paralogien sind daher k e i n e notwendige Bedingung für den dialektischen Ver-
KrV, A f. | B ; S. f . Cf. Menzel (), S. . Dass Kant hier das „Neue Organon“ Bacons vorschwebt, ist offensichtlich. Zur vorkantischen Verwendung des Titels „Organon“ cf. Tonelli (), S. ff. KrV, A f. | B f.; S. f. Ähnlich auch Pissis (), S. .
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standes-, respektive Vernunftgebrauch.⁶⁴ Es zeigt sich also, dass Kant für die regelgemäße Anwendung der Logik ein äußeres Kriterium heranzieht. Dieser Bedingung entspricht nach Kant der Ort der Dialektik im System der Philosophie, indem sie der bloßen Kritik zugerechnet und ihr damit sämtlicher konstruktiver Sinn abgesprochen wird. Eine solche Unterweisung ist der Würde der Philosophie auf keine Weise gemäß. Um deswillen hat man diese Benennung der Dialektik lieber, als eine Kritik des dialektischen Scheins, der Logik beigezählt, und als eine solche wollen wir sie auch hier verstanden wissen.⁶⁵
Reine und transzendentale Dialektik kommen in der fehlerhaften Anwendung des Urteilsvermögens überein und haben als solche auch denselben Ursprung. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass die transzendentale Logik einen a priori-Bezug zu ihrem Gegenstand herstellt. Der korrekte Gebrauch der transzendentalen Logik ist daher unmittelbarer Garant wahrer Erkenntnis, da er die Bedingungen der Erkenntnis selbst a priori bestimmt. Dies deckt sich mit der Charakterisierung des material-notwendigen Wahrheitskriteriums, wie sie in der Einleitung vorgenommen wurde.⁶⁶ Der Teil der transzendentalen Logik also, der die Elemente der reinen Verstandeserkenntnis vorträgt, und die Prinzipien, ohne welche überall kein Gegenstand gedacht werden kann, ist die transzendentale Analytik, und zugleich eine Logik der Wahrheit. Denn ihr kann keine Erkenntnis widersprechen, ohne daß sie zugleich allen Inhalt verlöre, d. i. alle Beziehung auf irgend ein Objekt, mithin alle Wahrheit.⁶⁷
Gerade diese Funktion der transzendentalen Logik ist es jedoch, welche ihren Missbrauch bedingt. Wenn mittels der transzendentalen Logik Gegenstandsbestimmungen a priori möglich sind, so scheint die Vernunft in der Lage zu sein, die transzendentale Logik um einen Gegenstandsbereich zu erweitern, welcher jenseits möglicher Erfahrung liegt. Es ist gerade diese falsche Verwendung der transzendentalen Logik, welche Kant in der transzendentalen Dialektik zum Ziel seiner Kritik hat. Weil es aber sehr anlockend und verleitend ist, sich dieser reinen Verstandeserkenntnisse und Grundsätze allein, und selbst über die Grenzen der Erfahrung hinaus, zu bedienen, welche doch einzig und allein uns die Materie (Objekte) an die Hand geben kann, worauf jene
Dies wird schon dadurch bestätigt, dass nicht alle dialektischen Sätze Paralogismen enthalten. KrV, A | B ; S. . Cf. Einleitung. KrV, A f. | B ; S. .
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reine Verstandesbegriffe angewandt werden können: so gerät der Verstand in Gefahr, durch leere Vernünfteleien von den bloßen formalen Prinzipien des reinen Verstandes einen materialen Gebrauch zu machen [Hervorhebung, M. B.], und über Gegenstände ohne Unterschied zu urteilen, die uns doch nicht gegeben sind, ja vielleicht auf keinerlei Weise gegeben werden können. Da sie also eigentlich nur ein Kanon der Beurteilung des empirischen Gebrauchs sein sollte, so wird sie gemißbraucht, wenn man sie als das Organon eines allgemeinen und unbeschränkten Gebrauchs gelten läßt, und sich mit dem reinen Verstande allein wagt, synthetisch über Gegenstände überhaupt zu urteilen, zu behaupten, und zu entscheiden. Also würde der Gebrauch des reinen Verstandes alsdenn dialektisch sein.⁶⁸
Kant markiert hier die Differenz der legitimen transzendentalen Grundbegriffe und Grundsätze zu den illegitimen des dialektischen Gebrauchs des Verstandes (!).⁶⁹ Wie in Kapitel 1.3 gezeigt wurde, basieren die reinen Verstandesbegriffe auf der Verbindung von Ideal- und Realfunktionen des Denkvermögens. Möglichkeit und Art ihrer Synthese mittels des „transzendentalen Algorithmus“ konnten in Kapitel 1.3.3 demonstriert und damit die metaphysische Deduktion der Kategorien rekonstruiert werden. Es ist genau dieser Nachweis, die Schematisierung der bloßen Kategorie, welcher in der transzendentalen Dialektik nicht gelingt, respektive nicht gelingen kann. Der Übergang von der idealen zur realen Anwendung der Kategorie erfolgt in der Dialektik eben nicht durch die Anwendung eines Schemas, sondern wird durch den reinen Verstand selbst hergestellt. Da jedoch ohne Schema nur die bloße Funktion zu möglichen Urteilen gegeben ist, so bleibt der Begriff, auf dessen Bestimmung die Dialektik abzielt, schlechterdings leer. Auf Basis des Schematisierungsproblems reiner Verstandesbegriffe lässt sich die Schwierigkeit ausmachen, wie die reinen Vernunftbegriffe in der Trias der transzendentalen Ideen einen notwendigen transzendentalen Schein evozieren:⁷⁰ Von rein formalen Prinzipien wird ein materialer, also erkenntniswirksamer Gebrauch gemacht, d. h. es findet eine Anwendung eines temporalen Schemas statt, und zwar ohne dass diesem so gewonnenen Begriffe ein Gegenstand in einer möglichen Anschauung gegeben wäre. Die quaternio besteht demnach in der Verwendung der Kategorie als formales Prinzip, i. e. als logische Funktion im maior und der Kategorie als diskursive, respektive reale Funktion der Einbildungskraft im
KrV, A | B ; S. . Über den Unterschied von Verstand und Vernunft wird im folgenden Gliederungsabschnitt .. zu verhandeln sein. Dieser Schein ist an sich bereits von täuschender Natur. Die Unterscheidung zwischen einem legitimen transzendentalen und einem „betrügerischem Schein“, wie sie Malter (), S. , vorschlägt, ist daher abzulehnen.
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minor. ⁷¹ Die Ausgangsfrage nach der Verbindung von logischem und transzendentalem Paralogismus lässt sich aus dieser falschen Anwendung des Verstandes ebenfalls erklären. Dieser Zusammenhang lässt sich dementsprechend konkretisieren: Wie entspringt aus dem äußeren Fehlgebrauch des Denkvermögens die (innere) Ungültigkeit der Vernunftschlüsse? Wie die meisten Interpreten der transzendentalen Dialektik richtig gesehen haben, handelt es sich bei dem von Kant insinuierten sophisma figurae dictionis ⁷² um eine quaternio terminorum. ⁷³ Die doppelte Verwendung des Mittelbegriffs ergibt sich aus dem materialen Gebrauch der bloß formalen Regeln des bloßen Verstandes. Dies gilt sowohl für den logischen als auch den transzendentallogischen Paralogismus. Beide haben insofern denselben Ursprung. Der transzendentale Paralogismus borgt jedoch im Gegensatz zum logischen seine Überzeugungskraft nicht nur aus dem bloß logischen Schein seines formal falschen Arguments. Seine scheinbare Validität entspringt einer Subreption eines transzendentalen Schemas im minor, welche den Grund der quaternio terminorum darstellt. Die formale Falschheit des Paralogimus ergibt sich damit zwar einerseits aus der materialen Falschheit des Mittelsatzes, wie Kalter gesehen hat, bezieht sich jedoch auf die extensionale Verbindung der Wahrheitswerte des wahren Ober- und des falschen Untersatzes im hypothetischen Vernunftschluss.⁷⁴ Die Falschheit der Konklusion ist daher formal bedingt.
Mendus (), S. , hat daher recht mit ihrer Interpretation: „On my interpretation the point of the chapter on the Paralogisms is to emphasize that the rationalists are wrong in claiming that the soul is simple, substantial, indestructible, etc. In making such claims they confuse a true trivial analytic proposition with a more exciting synthetic proposition.“ Die bloß logischen Funktionen, welche den formalen Hintergrund der Einheit der Apperzeption bilden, werden mit den synthetischen Funktionen der Einheit, i. e. den Kategorien verwechselt. Genau hierdurch entsteht die Illusion einer erkenntniserweiternden Bestimmung des Apperzeptionssubjekts als eines Gegenstandes. KrV, B ; S. . Cf. Grier (), S. , Horstmann (), S. , Stuhlmann-Laeisz (), S. . Natterer spricht gar von einer quinternio, Natterer (), S. . Menzel (), S. , verweist in seiner Interpretation des hypothetischen Urteils als materiale Implikation mit Bezug auf Jäsche, AA IX, f., richtig auf die von Kant insinuierte, nichttraditionelle, bloß extensionale Abhängigkeit der Wahrheitswerte.
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2.1.2 Die oberen Erkenntnisvermögen: Verstand und Vernunft Für das Verständnis der Ideen ist die Einsicht in die Natur der Vernunft obligat. Die Vernunft ist ihrer allgemeinen Bestimmung nach das (mittelbare) Schlussvermögen.⁷⁵ Im Unterschied also zum Verstand bezieht sich die Vernunft nicht auf Gegenstände einer möglichen Erfahrung, mithin auf Anschauungen als singuläre Vorstellungen, wie der Verstand, sondern auf die Begriffe derselben, also auf allgemeine Vorstellungen.⁷⁶ Auf Basis dieser medialen Funktion lässt sich die Vernunft durch den Bezug auf ihre zwei Anwendungsbereiche in zwei verschiedene Vermögen differenzieren: Die Vernunft als theoretisches und als praktisches Vermögen (cf. Abb. 7). Als praktische Vernunft nimmt sie unmittelbaren Einfluss auf die Bestimmung unseres Willens, indem sie diesen einem (formalen) Prinzip unterwirft, dem kategorischen Imperativ: „Handele so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“⁷⁷ Durch die a priori Bestimmung des Willens nimmt die Vernunft damit mittelbar bestimmenden Bezug auf die Gestaltung der Maximen, die, selbst subjektiv, empirische Verhaltensregeln darstellen. Die Vernunft wirkt damit als apriorisches Vermögen in die empirische Gestaltungsebene praktischen Handelns hinein. Die praktische Vernunft liefert so ein Prinzip zu einer Willensbestimmung a priori. Die theoretische Vernunft weist dieselbe mittel- und unmittelbare Bezugsstruktur auf. Im Gegensatz zur praktischen Vernunft nimmt diese jedoch nicht auf ein praktisches Vermögen Bezug, sondern auf ein theoretisches. Da die Vernunft als mittelbares Urteilsvermögen nicht unmittelbar auf den eigentlichen Gegenstand aller theoretischen Erkenntnisbemühungen, den Anschauungsgegenstand, referieren kann, sondern nur auf den allgemeinen Begriff von einem Gegenstand, bezieht sich die Vernunft unmittelbar auf den Verstand. Die theoretische Vernunft ist also unmittelbares Bestimmungsvermögen des Verstandes und besitzt dadurch auch einen mittelbaren Gegenstandsbezug. Mit dieser Bestimmung des theoretischen Vernunftvermögens sind jedoch weitere Fragen verbunden: In welchem Verhältnis stehen Verstand und Vernunft als Erkenntnisvermögen zueinander? Bildet die Vernunft ein vom Verstand unabhängiges Erkenntnisvermögen? Mit Bezug auf die Produkte der jeweiligen Vermögen lässt sich die Frage auch so formulieren: Wie verhalten sich Verstandesund Vernunftbegriffe zueinander?
Cf. KrV, A | B ; S. . Ein Schluss im eigentlichen Sinne ist nach Kant ein mittelbares Urteil. Cf. KrV, A | B , S. . KpV, A ; AA IV, ; S. .
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Abb. 7 Einteilung der Vernunft
Es lassen sich im Groben zwei Interpretationslinien unterscheiden: Erstens diejenige, welche auf die Unterscheidung Kants von Verstand und Vernunft insistiert. Vertreter dieser Differenzthese ⁷⁸ sind u. a. Smith⁷⁹, Miles⁸⁰, Malzkorn⁸¹, Heimsoeth⁸², Malter ⁸³ und im abgeschwächten Sinne auch Marx⁸⁴. Vertreter einer Identitäts- oder Interdependenzthese von Verstand und Vernunft sind beispielsweise Kirchner⁸⁵ und Klimmek⁸⁶. Prima facie scheint die Zustimmung zur Diffe-
Cf. Klimmek (), S. f. Cf. Smith (), S. . Cf. Miles (), S. . Cf. Malzkorn (), S. , Anm. und S. . Cf. Heimsoeth (), S. f. Cf. Malter (), S. . Cf. Marx (), S. . „Die Ideen sind nicht im Wesen von den Begriffen verschieden, sondern sind nur weitere umfassende Gedanken zur Ordnung und Grundlegung des Wissens. Ein über die Anlage zur apperzeptiven Gedankenbildung hinausgehendes geistiges Vermögen ist nicht nachzuweisen.“ Kirchner (), Art.: Verstand und Vernunft. Klimmek (), S. ff. Auf Klimmeks Interpretation der Vernunftideen als bis ins Unbedingte erweiterte Kategorien wird in Gliederungsabschnitt .. innerhalb der Problemdiskussion der metaphysischen Ideendeduktion einzugehen sein.
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renzthese geboten zu sein, entspringen der Vernunft doch sogar eigene Begriffe.⁸⁷ So spiegelt sich Kants Unterscheidung von Verstand und Vernunft bereits im Aufbau der Kritik der reinen Vernunft wider: Verstand – Analytik, Vernunft – Dialektik. Die damit einhergehende epistemologische Depotenzierung der Vernunft zugunsten des Verstandes durch ihren Verweis in den Bereich bloßer Kritik (im Unterschied beispielsweise zum aristotelischen Verständnis des Begriffspaares von νόησις und διάνοια) spricht ebenfalls für eine strikte Differenz beider Vermögen. Das Hauptunterscheidungmerkmal von Verstand und Vernunft besteht demnach darin, dass die Vernunft im Gegensatz zum Verstand keine objektiven, transzendentalen Grundsätze enthält, mit denen sich diese in einem Bezugs- und Bestimmungsverhältnis auf die Gegenstände der Erfahrung beziehen kann. Wir nennen diese Vermögen Verstand und Vernunft, vornehmlich wird die letztere ganz eigentlich und vorzüglicher Weise von allen empirisch bedingten Kräften unterschieden, da sie ihre Gegenstände bloß nach Ideen erwägt und den Verstand darnach bestimmt, der denn von seinen (zwar auch reinen) Begriffen einen empirischen Gebrauch macht.⁸⁸
Angesichts dieser scheinbar klaren Unterscheidung der Vermögen nimmt es Wunder, dass Kant bisweilen beide Begriffe synonym verwendet. Heimsoeth führt diese Ungenauigkeiten auf ältere Entwicklungsstufen des Textes zurück, in welchen Kant die Unterscheidung von Verstand und Vernunft noch nicht zur letzten Klarheit geführt habe.⁸⁹ Heimsoeths These der unterschiedlichen Textstufen muss man nicht in jedem Fall unterstützen,⁹⁰ jedoch scheint Kants doppelte Verwendung des Vernunftbegriffes, einmal im engeren, einmal im weiteren Sinne (i. w. S.), unabweisbar. Ausgehend von dieser Unterscheidung kann der Verstand der Vernunft i. w. S. untergeordnet werden. Die Vernunft i. w. S. wäre dementsprechend identisch mit dem Begriffs-, bzw. Urteilsvermögen im weiteren Sinne.Vernunft i.e. S. und der Verstand sind demnach nur zwei Spezifikationen des einen diskursiven Vermögens zu urteilen. Ich verstehe hier aber unter Vernunft das ganze obere Erkenntnisvermögen, und setze also das Rationale dem Empirischen entgegen.⁹¹
Cf. KrV, A | B ; S.. KrV, A | B , S. . Cf. Heimsoeth (), S. . Da diese Arbeit keine entwicklungsgeschichtliche Analyse der Kritik der reinen Vernunft darstellt, kann hier nicht der Ort sein, diese im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. KrV, A | B , S. .
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Die Vernunft i. w. S. bezeichnet also die Gesamtheit des oberen Erkenntnisvermögens, bestehend aus dem mediaten und immediaten Urteilsvermögen.⁹² Der Verstand als Vermögen unmittelbarer Urteile und die Vernunft i. e. S. als mittelbares Urteilsvermögen, welches Kant auch Schlussvermögen nennt, bilden demnach keine zwei verschiedenen Grundvermögen.⁹³ Kant fasst dieses Verhältnis von Verstand und Vernunft bereits in dieser Weise in seiner Syllogismusschrift: eben so leicht fällt es auch in die Augen, daß Verstand und Vernunft, d. i. das Vermögen, deutlich zu erkennen, und dasjenige, Vernunftschlüsse zu machen, keine verschiedene Grundfähigkeiten sein. Beide bestehen im Vermögen zu urteilen; wenn man aber mittelbar urteilt, so schließt man.⁹⁴
Das Problem der Unterscheidung des Verstandes- und Vernunftvermögens ist jedoch mit dem Verweis auf den doppelten Gebrauch des Vernunftbegriffes keineswegs zur Befriedigung gelöst, denn die eigentliche Frage zielte darauf ab, wie sich Verstand und Vernunft in dem konstatierten hierarchischen Bestimmungsverhältnis (Abb. 8) zueinander verhalten, entweder als dependente oder als independente Erkenntnisvermögen. Aus dem bisher Erörterten lässt sich eine erste, vorläufige Konsequenz ziehen: Zwischen dem Vermögen des Verstandes und dem der Vernunft besteht keine absolute Differenz. Erstens bilden beide jeweils Subklassen des oberen Erkenntnisvermögens (Verstand oder Vernunft i. w. S.). Verstand und Vernunft sind damit Konkretisierungen des allgemeinen Urteils- und diskursiven Denkvermögens. Zweitens ist die Annahme einer absoluten Distinktion im Sinne zweier von einander unabhängiger Erkenntnisvermögen, mit Blick auf die grundlegende Dualität der Erkenntnisstämme, bereits als Fehldeutung auszumachen. Drittens stehen Verstand und Vernunft in einem Bestimmungsverhältnis. Aus der Analyse dieser Bestimmungsrelation lässt sich die zweite These entwickeln: Zwischen Verstand und Vernunft besteht eine reziproke Interdependenz, insofern die Vernunft sich die Begriffe des Verstandes zu Gegenständen macht. ⁹⁵
Ebenso gut kann vom Verstand i. w. S. gesprochen werden. So kann das Urteil als unmittelbarer Schluss aufgefasst werden; vice versa der Schluss als mittelbares Urteil. Vernunft i. w. S. und Verstand i. w. S. sind daher äquivok, cf. Malzkorn (), S. . Mit Urteilen im besonderen meint Kant ausschließlich kategorische Urteile der Form p(x&. Urteile im weiteren Sinne schließen auch die hypothetischen p(x& 6 q(x& und disjunktiven p(x&⊻q(x& ein, die im strengen Sinne Schlüsse darstellen, da sie als komplexe Urteile das kategorische Elementarurteil voraussetzen. Cf. Kap. .. Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren, AA II, . Schulte (), S. , weist ebenfalls auf diese Selbstbezüglichkeit der Vernunft beim logischen Schließen hin.
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Abb. 8: Zusammenhang von mittel- und unmittelbarem Urteilsvermögen Die Vernunft bezieht sich niemals geradezu auf einen Gegenstand, sondern lediglich auf den Verstand, und vermittelst des selben auf ihren eigenen empirischen Gebrauch, schafft also keine Begriffe (von Objekten), sondern ordnet sie nur, und gibt ihnen diejenige Einheit, welche sie in ihrer größtmöglichen Ausbreitung haben können, d. i. in Beziehung auf die Totalität der Reihen, als auf welche der Verstand gar nicht sieht, sondern nur auf diejenige, dadurch allerwärts R e i h e n der Bedingungen nach Begriffen z u Stande k o m m e n . ⁹⁶
Es wird nun zu zeigen sein,wie sich dieses Verhältnis des Verstandes als Vermögen der Begriffe⁹⁷ und Regeln⁹⁸ und der Vernunft als das der Prinzipien⁹⁹ in Bezug auf die Frage nach der Möglichkeit einer Deduktion der reinen Vernunftbegriffe verhält.
2.1.3 Die Vernunft als Prinzipienvermögen Nachdem im vorherigen Gliederungsabschnitt das Verhältnis der oberen Erkenntnisvermögen zueinander beschrieben wurde, gilt es nun, diese in Bezug auf
KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. .
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ihre Elemente miteinander zu vergleichen. In welchem Verhältnis stehen also Begriffe, Regeln und Prinzipien? Das Verhältnis der Regeln zu den Begriffen wurde im ersten Kapitel ausgiebig behandelt. Dort sind Regeln allgemein als Funktionen gefasst worden. Diese konnten sich zum einen auf das logische Verhältnis der Begriffe untereinander in möglichen Urteilen beziehen, die Idealfunktionen; zum anderen auf die Relation der Begriffe zu ihrem Anschauungsinhalt, die Realfunktionen. Ihre Synthesis zu den reinen, begrifflichen Funktionen, den Kategorien, wurde in Kapitel 1.3 beschrieben. Wenn also eine Deduktion der reinen Vernunftbegriffe, der Ideen¹⁰⁰, nach Analogie der Kategoriendeduktion überhaupt gelingen soll, so sollte sich dieser deduktive Dreischritt ebenfalls in der Ideendeduktion wiederfinden. Folgerichtig sollte auch die Vernunft eine zum Verstand analoge Struktur aufweisen. Es müssen sich also zwei Arten des Vernunftgebrauchs unterscheiden lassen: Ein logischer und ein transzendentaler.¹⁰¹ Das erstere Vermögen ist nun freilich vorlängst von den Logikern durch das Vermögen mittelbar zu schließen (zum Unterschiede von den unmittelbaren Schlüssen, consequentiis immediatis,) erklärt worden; das zweite aber, welches selbst Begriffe erzeugt, wird dadurch noch nicht eingesehen. Da nun hier eine Einteilung der Vernunft in ein logisches und transzendentales Vermögen vorkommt, so muß ein höherer Begriff von dieser Erkenntnisquelle gesucht werden, welcher beide Begriffe unter sich befaßt, indessen wir nach der Analogie mit den Verstandesbegriffen erwarten können, daß der logische Begriff zugleich den Schlüssel zum transzendentalen, und die Tafel der Funktionen der ersteren zugleich die Stammleiter der Vernunftbegriffe an die Hand geben werde.¹⁰²
Diesen „höheren Begriff“ der Vernunft findet Kant in der Bestimmung des obersten Erkenntnisvermögens als Prinzipienvermögen, im Unterschied zum Verstand als Regel-, respektive Gesetzesvermögen.¹⁰³ Wir erkläreten, im erstern Teile unserer tranzendentalen Logik, den Verstand durch das Vermögen der Regeln; hier unterscheiden wir die Vernunft von demselben dadurch, daß wir sie das Vermögen der Prinzipien nennen wollen.¹⁰⁴
Malzkorn (), S. f., weist zu Recht auf die Ambiguität des Ideenbegriffes bei Kant hin, welcher einerseits den deduzierten Begriff, andererseits den transzendenten Gegenstand (Seele, Welt, Gott) bezeichnet. Da es uns an dieser Stelle um die Struktur des Begriffes geht,verwenden wir die Termini Idee und Prinzip synonym. Cf. KrV, A | B , S. f. KrV, A | B , S. . Der transzendentale Verstand ist bekanntlich die gesetzgebende Instanz der natura formaliter spectata, cf. KrV, B ; S. . KrV, A | B ; S. .
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Es lassen sich demnach vier Bestimmungen und Verwendungen des Vernunftbegriffes ausmachen: 1. 2. 3. 4.
Die Vernunft i. w. S. als Schlussvermögen, welche den Verstand als Vermögen immediater Schlüsse einschließt. Die Vernunft als Prinzipienvermögen. Die Vernunft als mittelbares Schlussvermögen. Die Vernunft als transzendentales Vermögen.
Mit Blick auf die Frage nach dem Verhältnis von Verstand und Vernunft war im letzten Gliederungsabschnitt die Vernunft im ersten Sinne thematisiert worden. Die gegenwärtige Aufgabe besteht nun darin, auf Basis des zweiten Vernunftbegriffes Kants Begriff des Prinzips zu klären und diesen vom Begriff der Regel zu differenzieren. Die Bestimmungen der Vernunft im dritten und vierten Sinne werden in den folgenden zwei Abschnitten zu behandeln sein, um die Frage nach der sogenannten metaphysischen Deduktion der Ideen zu klären. An die Deduktion der Vernunftbegriffe schließt sich die Frage nach ihrem objektiven Gebrauch an, die auf die fünfte Dimension des Vernunftbegriffes verweist: 5.
Die Vernunft als (mittelbares) objektives Vermögen.¹⁰⁵
Das Problem des Unterschiedes von Verstand und Vernunft lässt sich mit Blick auf ihre Funktionen als Frage nach der Differenz von Regel und Prinzip umformulieren. Sowohl Verstandesregeln als auch Vernunftprinzipien kommen darin überein, dass sie synthetisierende Funktionen des Denkens sind, welche auf die Einheit der Erkenntnis, respektive der Erfahrung abzielen. Die Verstandeseinheit ist die Einheit von Anschauung und Begriff innerhalb einer Erkenntnis. Diese Synthesis ist das Ergebnis der produktiven Einbildungskraft, welche mittels der schematischen Realfunktion Anschauungen unter Begriffe subsumiert. Die transzendentalen, diskursiven Elementarfunktionen bedingen die synthetische Einheit des Verstandes, welcher damit zugleich ein funktionales Vermögen der Einheit der Erscheinung darstellt. Die Vernunfteinheit ist von der des Verstandes wesentlich unterschieden. Im Gegensatz zum Verstand synthetisiert die Vernunft nicht die Mannigfaltigkeit des Empfindungsmaterials zur Erfahrungs-, i. e. Erkenntniseinheit, sondern bezieht sich als Einheitsvermögen auf den Verstand und seine Regeln selbst. Die Vernunfteinheit ist damit die Einheit der Verstandesregeln, also die Einheit der Verstandesfunktionen.
Cf. Kap. ...
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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Der Verstand mag ein Vermögen der Einheit der Erscheinungen vermittelst der Regeln sein, so ist die Vernunft das Vermögen der Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien. Sie geht also niemals zunächst auf Erfahrung, oder auf irgend einen Gegenstand, sondern auf den Verstand, um den mannigfaltigen Erkenntnissen desselben Einheit a priori durch Begriffe zu geben, welche Vernunfteinheit heißen mag, und von ganz anderer Art ist, als sie von dem Verstande geleistet werden kann.¹⁰⁶
Die Charakterisierung der Vernunfteinheit als Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien bestimmt damit die Vernunft als sekundäres Formvermögen, sofern die Vernunft an die Begriffe und damit auch an die Formen des Verstandes gebunden ist. Trotz dieser Bestimmung der Vernunft ist damit jedoch noch keineswegs die Nachrangigkeit der Vernunft gegenüber dem Verstand ausgesprochen, da die Möglichkeit der Gleichursprünglichkeit nicht ausgeschlossen, die Vernunft also nicht nur als ein bloß „subalternes Vermögen“¹⁰⁷ aufzufassen ist. Zu den Verstandesfunktionen, die als Gesetze der elementaren Bestimmungshandlungen des Erkenntnisvermögens beschrieben wurden,¹⁰⁸ tritt durch die Vernunft eine weitere Handlung hinzu, die Bestimmungsregeln selbst wiederum unter Gesetze zu bringen. Das Prinzip subsumiert unter sich diskursive Regeln. Prinzipien sind daher Bestimmungen von Bestimmungen, mithin Funktionen von Funktionen. In der Tat ist Mannigfaltigkeit der Regeln und Einheit der Prinzipien eine Forderung der Vernunft, um den Verstand mit sich selbst in durchgängigen Zusammenhang zu bringen, so wie der Verstand das Mannigfaltige der Anschauung unter Begriffe und dadurch jene in Verknüpfung bringt.¹⁰⁹
Die Mannigfaltigkeit des Empfindungsmaterials M E von Erscheinungen E1 bis E n als M E ≔ "E 1 ! E2 ! # # # ! E n } lässt sich durch den funktionalen Zusammenhang mit einer beliebigen Regel R als R(M E & darstellen. In Bezug auf die kategorialen Elementarbestimmungen gilt zusätzlich, dass die Regel R mit dem Index m erstens auf die vier Bestimmungshandlungen des Verstandes bezogen sein muss, so dass für m gelten muss:
KrV, A | B ; S. . KrV, A | ; S. . Cf. Kap. ... KrV, A | ; S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
1 2 m 2 4;¹¹⁰ zweitens, dass R in Ansehung eines der drei Momente n einer Verstandeshandlung bestimmt sein muss. Daher gilt für die transzendentale Regel: Rnm 4 1 2 m 2 4! 1 2 n 2 3 ¹¹¹ Am Beispiel der Kausalität mag dies deutlich werden. Gegeben sei eine Menge ME, welche die Elemente E1 und E2 enthält, so dass gilt: M E ≔ "E 1 ! E2 7. Nun soll zwischen E1 und E2 eine kausale Relation R23 bestehen.¹¹² Die allgemeine Form der Kausalität ist als strikte Implikation bekannt: □(p(x)→q(x)). Der Funktionszusammenhang kann dementsprechend folgendermaßen geschrieben werden: R23 $ (M E ≔ "E1 ! E 2 7& ≔ &(E 1 6 E2 & Die Vernunfteinheit synthetisiert dagegen eine Menge von Regeln M R . Die Verbindung von Prinzip und Regel kann analog zum Verhältnis von Regel und Erscheinung beschrieben werden. Die Menge MR, für die allgemein gilt: M R ≔ "R1 ! R2 ! # # # ! Rn }, soll in einem Prinzip P vereinigt werden, so dass für P gilt P(MR). Da P in jedem Fall eine polysyllogistische Schlussfigur supponiert,¹¹³ muss P die Form einer der drei elementaren Schlussfiguren haben. P hat also entweder einen kategorischen, hypothetischen oder disjunktiven Vernunftschluss zur Grundlage, so dass gilt: Pn3 4 1 2 n 2 3.¹¹⁴ In allgemeiner Form kann der Zusammenhang von Prinzip und Regel also folgendermaßen dargestellt werden: ! ! P $ P n3 Rnm M E ≔ "E 1 ! E2 ! # # # ! E n 74 1 2 m 2 4! 1 2 n 2 3! o 5 ℕ&& In ein Schema gebracht sieht dieses Verhältnis folgendermaßen aus:
Mit den Bestimmungshandlungen sind die Kategorientitel Quantität, Qualität, Relation und Modalität gemeint, cf. Kap. ... Zur kategorialen Dodekas, cf. KrV, A | B ; S. . Die Kausalität ist das zweite Moment des dritten Titels. Der Polysyllogismus ist entweder als Pro- oder Episyllogismus möglich, davon abhängig ob sich das Prinzip im maior oder in der conclusio des Vernunftschlusses findet. Hiervon hängt auch die Verwendung des Prinzips in konstitutiver oder regulativer Absicht ab. P hat immer die Form eines Schlusses, so dass P immer auf den Relationstitel bezogen ist.
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
131
Abb. : Subsumtionsstruktur von Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft
Ein gutes Beispiel für diesen abstrakten Zusammenhang von Regel und Prinzip ist Newtons Entdeckung des allgemeinen Gesetzes der Gravitation.¹¹⁵ Newtons genuine Leistung bestand darin, dass er die bis dahin als getrennt geglaubten Bewegungsgesetze der Gestirne und irdischen Körper auf ein gemeinsames, physikalisches Prinzip zurückgeführt hat.¹¹⁶ Er erwies damit die aristotelische Trennung von trans- und sublunarer Sphäre als unhaltbar. Prinzipientheoretisch kann Newtons Mechanik als die Entdeckung des Zusammenhangs zweier Bewegungsformen verstanden werden, welche durch ein Prinzip vereinigt werden können. Newton gelang es nachzuweisen, dass die annähernd kreisförmige Bahnbewegung der Himmelskörper¹¹⁷ nur eine besondere Form des allgemeinen Prinzips aller Bewegungen darstellt, sofern jede Bewegung eines Körpers unverändert beibehalten wird, wenn keine äußere Kraft auf diesen wirkt. Die Bahnbewegung der Planeten ist deswegen elliptisch, weil die zentripedal wirkende Gravitationskraft der Sonne im Brennpunkt auf diese ausgeübt wird und sie zusammen mit der zentrifugalen Gegenkraft als Trägheitswirkung auf stabilen Bahnen hält. Das allgemeine Bewegungsprinzip prinzipiiert somit alle besonderen Bewegungsgesetze: lineare Translation, Wurf- und Kreisbahnen. In Bezug auf die Ausgangsfrage des Verhältnisses von Verstand und Vernunft ergibt sich aus der Bestimmung des Prinzips als ideale, respektive diskursive Metafunktion eine neue Perspektive. Wenn Vernunft und Verstand keine voneinander getrennten Vermögen darstellen und der Verstand im Allgemeinen das
Ebenso sieht Malzkorn die Newtonsche Mechanik als beispielhaft für die prinzipientheoretischen Überlegungen Kants, cf. Malzkorn (), S. . Hegel nimmt ebenfalls das allgemeine Gravitationsgesetz zum Beispiel für die Vereinigung bestimmter Gesetze, cf. PdG, GW IX, ; S. . Die Ellipsenbahn der inneren Planeten ist annähernd kreisförmig.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Vermögen der Regeln ist, Prinzipien jedoch nichts anderes sind als Regeln, die auf Regeln Bezug nehmen, dann ist die Vernunft nicht nur kein vom Verstand unabhängiges Vermögen, sondern eine besondere Fähigkeit des Verstandes selbst. Mit dem Prinzip bezieht sich der Verstand auf seine eigenen Gesetze. Indem er dies tut, gibt der Verstand sich selbst Prinzipien zur Subsumierung seiner Regeln. Dieses rekursive Vermögen des Verstandes ist es, welches Kant Vernunft nennt.¹¹⁸ Wenn diese Interpretation der Vernunft richtig ist, dann sollte die Vernunft als Vermögen Regeln zu synthetisieren bereits in der Analytik vorkommen. Dies widerspräche jedoch prima facie der landläufigen Interpretation, dass die Analytik allein vom Verstande, die Dialektik jedoch von der Vernunft handele.¹¹⁹ Dies wird sich als Scheinwiderspruch herausstellen. Als Vernunft verbindet der Verstand Regeln zu Prinzipien. Der Verstand übt dabei eine synthetisierende Handlung aus, indem er transzendentale Elementarfunktionen miteinander verbindet. Genau dieser spezielle synthetisierende Akt findet sich bereits in der Tafel der Kategorien. Denn die Verbindung der ersten und zweiten, um den dritten Begriff hervorzubringen, erfordert einen besonderen Actus des Verstandes, der nicht mit dem einerlei ist, der beim ersten und zweiten ausgeübt wird.¹²⁰
Erst durch die Interpretation der Vernunft als Metavermögen¹²¹ des Verstandes kann begriffen werden, was Kant unter dem „besonderen Actus des Verstandes“ verstanden hat. Anhand des Beispieles der Newtonschen Bewegungslehre wurde die Prinzipienbildung in der Wissenschaft erläutert. Im Gegensatz zur Naturwissenschaft, die immer allgemeinere Gesetze der Natur sucht, gewinnt die klassische Metaphysik ihre Erkenntnisse a u s Prinzipien. Ich würde daher Erkenntnis aus Prinzipien diejenige nennen, da ich das Besondre im Allgemeinen durch Begriffe erkenne. So ist denn ein jeder Vernunftschluß eine Form der Ableitung einer Erkenntnis aus einem Prinzip. Denn der Obersatz gibt jederzeit einen Begriff, der da macht, daß alles, was unter der Bedingung desselben subsumiert wird, aus ihm nach
Ähnlich auch Heimsoeth (/), S. : „Die reine Vernunft […] beschäftigt sich also in Wahrheit nur mit sich selbst, ihre Einheit ist nicht das System der Gegenstände, sondern unserer Verstandeserkenntnisse“, und Pissis (), S. : „Die Vernunft ist der Verstand selbst, insofern er auf seine Bedingungen reflektiert.“ Pissis (), S. , betont dagegen die Bedeutung der Vernunft für das „ganze Unternehmen der transzendentalen Analytik […] die reine Verstandeserkenntnis „bis zu ihren ersten Keimen und Anlagen im menschlichen Verstande“ zu verfolgen.“ KrV, B , S. . Malzkorn (), S. , spricht von einem „meta-erfahrungswissenschaftliche(n) Gebrauch“ der Vernunft.
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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einem Prinzip erkannt wird. Da nun jede allgemeine Erkenntnis zum Obersatze in einem Vernunftschlusse dienen kann, und der Verstand dergleichen allgemeine Sätze a priori darbietet, so können diese denn auch, in Ansehung ihres möglichen Gebrauchs, Prinzipien genannt werden.¹²²
Mit dem Bestreben, Erkenntnis des Besonderen aus dem Allgemeinen gewinnen zu wollen, ist die Möglichkeit der Missbräuchlichkeit der Vernunft in Bezug auf die Erkenntnis bereits gegeben. Die Vernunft kann unter sich nur die Verstandesregeln fassen und sich somit nur indirekt auf den Gegenstand der Anschauung beziehen. Der fehlgeleitete Gebrauch der Vernunft und damit der Ursprung der dialektischen Selbstverstrickung besteht daher darin, dass das transzendental-subjektive Vermögen der Vernunft als transzendental-objektives, d. h. dass die Vernunft als Verstand gebraucht wird.¹²³ Nach der Klärung des diskursiven Vernunft- und Verstandesvermögens und ihres Zusammenhanges ist die Suche nach den Grundfunktionen der Vernunft die nächste Aufgabe. Diese transzendentalen Prinzipien werden im Sinne einer metaphysischen Deduktion als begriffliche Funktionen aus dem ideallogischen Urteilsvermögen zu gewinnen sein. Die Analogie zur Deduktion der reinen Verstandesbegriffe weist jedoch eine erhebliche Schwierigkeit auf, was bereits aus dem eben geschilderten Ursprung der dialektischen Fehlleistung hervorgeht. Es stehen den Vernunftbegriffen keine Realfunktionen zur Seite. Ob und wie eine solche metaphysische Deduktion der Vernunftbegriffe gelingen kann, mithin wie aus dem logischen Vermögen der Vernunft ein transzendentales wird, ist daher eine in der Kantforschung höchst umstrittene Frage, der in den folgenden Gliederungsabschnitten nachgegangen wird.
2.1.4 Die Vernunft als logisches Vermögen Der formale Gebrauch der Vernunft als logisches Vermögen ist von dem des Verstandes zu unterscheiden. Als solches war die Vernunft bereits als Vermögen mittelbarer Schlüsse im Gegensatz zum Verstand charakterisiert worden.¹²⁴ Es KrV, A | B ; S. f. Malter (), S. , weist richtig auf den Umstand hin, dass die leitende Absicht der transzendentalen Dialektik nicht bloß in der „Zurückweisung des Anspruchs der Vernunft auf eine (vermittels des Satzes vom Grunde gewonnene) transzendent-konstitutive (dogmatische) Metaphysik wolffianischer Prägung“ besteht, sondern in erster Linie in der Freilegung der,wie Malter es nennt, metaphysischen Intention und ihrer angemessenen Artikulation innerhalb einer transzendental-regulativen Metaphysik. Cf. KrV, A f. | B , S. f.
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besteht ein Unterschied zwischen dem, „was unmittelbar erkannt, und dem, was nur geschlossen wird.“¹²⁵ Trotzdem besteht hierüber eine gewisse Konfusion, welche nach Kant aus der Gewöhnung unseres Gemütes, beständig Schlüsse zu ziehen, entspringt.¹²⁶ Das Schlussfolgern wird uns gleichermaßen so zur zweiten Natur, dass wir uns der Tatsache nicht mehr gewahr sind, dass wir überhaupt Schlüsse ziehen. So stellt der Satz, dass drei nicht-parallele Geraden drei Winkel einschließen, einen unmittelbar zu erkennenden Zusammenhang dar. Im Gegensatz dazu ist der Satz, dass die Innenwinkelsumme des durch die Geraden gebildeten Dreiecks 180° beträgt, geschlossen, obgleich er sich als eine Erkenntnis eo ictu geriert.¹²⁷ Kant greift mit seiner Unterscheidung von Verstandes- und Vernunftschlüssen diese Verwirrung über die mittel- und unmittelbaren Schlüsse auf. Der immediate Schluss unterscheidet sich vom mediaten darin, dass das Konsequenz bereits im Antecedenz des maior inkludiert ist. Die Vermittlung durch den Begriff im minor ist daher nur eine scheinbare. Bei jedem Schlusse ist ein Satz, der zum Grunde liegt, und ein anderer, nämlich die Folgerung, die aus jenem gezogen wird, und endlich die Schlußfolge (Konsequenz), nach welcher die Wahrheit des letzteren unausbleiblich mit der Wahrheit des ersteren verknüpft ist. Liegt das geschlossene Urteil schon so in dem ersten, daß es ohne Vermittelung einer dritten Vorstellung daraus abgeleitet werden kann, so heißt der Schluß unmittelbar (consequentia immediata); ich möchte ihn lieber den Verstandesschluß nennen.¹²⁸
Im Beispielurteil „Alle Menschen sind sterblich, Sokrates ist ein Mensch, also ist Sokrates sterblich“ beruht die Apodiktizität des Verstandesschlusses nicht auf der korrekten Anwendung der syllogistischen Form, sondern auf der Unmittelbarkeit des Schlusses. Negativ formuliert könnte man also sagen, dass es sich bei dem Verstandesschluss nicht im eigentlichen Sinne um einen Schluss handelt, da die Konklusion nicht geschlossen wurde.¹²⁹ Im Gegensatz zum Verstandesschluss ist im Vernunftschluss die Konklusion nicht im Antecedenz enthalten, so dass ein neuer Begriff im minor hinzukommen muss. In jedem Vernunftschlusse denke ich zuerst eine Regel (maior) durch den Verstand. Zweitens subsumiere ich ein Erkenntnis unter die Bedingung der Regel (minor) vermittelst der Ur-
KrV, A | B , S. . KrV, A | B , S. . Cf. KrV, A | B , S. . KrV, A | B ; S. . Cf. auch KrV, B , Anm. ; S. .
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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teilskraft. Endlich bestimme ich mein Erkenntnis durch das Prädikat der Regel (conclusio), mithin a priori durch die Vernunft. ¹³⁰
Die Unterscheidung von Verstandes- und Vernunftschluss lässt sich an zwei Beispielen des modus ponens erläutern: Verstandesschluss: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch.
Vernunftschluss: Alle Menschen sind sterblich. Alle Gelehrten sind Menschen.
Also ist Sokrates sterblich.
Also sind alle Gelehrten sterblich.
Ausgehend von der bloßen Form der zwei Syllogismen besteht kein Unterschied zwischen ihnen. Beide Syllogismen sind Beispiele des Modus Barbara.¹³¹ Es besteht jedoch eine wesentliche Differenz bezüglich der Extension des minor in beiden Urteilen. Im Verstandesschluss besteht der Mittelbegriff in einem Individualbegriff, im Vernunftschluss dagegen in einem Artbegriff. Der minor des Verstandeschlusses ist daher ein singuläres Urteil, der maior dagegen ein allgemeines. Entgegen der Praxis der Logiker unterscheidet Kant diese beiden Urteile, i. e. das judicium singulare und die judicia communia. ¹³² In der Gegenüberstellung des aristotelischen und des modernen prädikatenlogischen Formulars wird die Differenz zwischen beiden Urteilen deutlich: Syllogismus:
Verstandesschluss:
Vernunftschluss:
MaP SaM SaP
1x(M( x & 6 S( x && M(Sok"& M(Sok"& 6 S(Sok"&
1x(M( x & 6 S( x && 1x(G( x & 6 M( x && 1x(G( x & 6 S( x &&
Sokrates ist als ein Element der Menge aller Menschen bereits durch die erste Prämisse als sterblich ausgewiesen. Im Gegensatz zum Verstandesschluss enthält der Vernunftschluss eine Prämisse, die nicht bereits im maior vorhanden ist. Die Menge aller Gelehrten ist kein Element, sondern eine Teilmenge der Menge aller Menschen. Da Sokrates ein Element der Menge aller Gelehrten ist, ist er damit ein
KrV, A | B ; S. . Zur Kontroverse, ob es sich im ersten Falle um eine a- oder i-Prämisse im minor handelt cf. Bucher (), S. . Cf. KrV, A | B , S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Element der Menge aller Menschen, für die gilt, dass alle ihre Elemente sterblich sind.¹³³ Mit der Unterscheidung der Verstandes- und Vernunftschlüsse sind zwei wichtige Differenzierungen verbunden. Erstens handelt es sich trotz der formalen Identität der beiden Schlüsse um zwei verschiedene kognitive Handlungen des denkenden Subjektes, nämlich einer Verstandes- und einer Vernunfthandlung. Die Verstandeshandlung besteht in der Subsumtion eines Gegenstandes einer möglichen Erfahrung, hier die Person des Sokrates, unter die „Bedingung der Regel“, i. e. der terminus medius „Mensch“.¹³⁴ Im Vernunftschluss erfolgt keine Subsumtion eines Objektes der Anschauung unter die Bedingung einer Regel, i. e. das Subjekt der Regel, in diesem Fall der Begriff „Mensch“. Die eigentümliche Handlung im Vernunftschluss besteht vielmehr darin, dass der Verstand als Urteilskraft¹³⁵ die Regel des Untersatzes unter die Regel des Obersatzes subsumiert und damit das „Prädikat der Regel“ im maior, die diskursive Bestimmung des Subjekts, in der Konklusion auf das begriffliche Subjekt bezieht.¹³⁶ Die Konklusion ist damit Produkt der Handlung des Verstandes, welcher sich selbst auf seine Regeln bestimmend bezieht. Dieses Vermögen des Verstandes hatten wir bereits als Vernunft identifiziert. Mit dieser Tätigkeit des Verstandes als Vernunft ist die zweite wichtige Unterscheidung der Schlussarten verbunden. Der Verstandesschluss ist eine Erkenntnis aus Regeln, der Vernunftschluss eine aus Prinzipien. Der formale Unterschied zwischen beiden besteht also in ihrem jeweiligen Gebrauch in Bezug auf eine Subsumtion von Anschauungen
Bazil sieht in dieser Schlussfigur ebenfalls einen Vernunftschluss, cf. Bazil (), S. , ebenso Pissis (), S. f. Beide können sich auf A | B berufen,wo Kant den Satz „Cajus ist sterblich“ offenbar als Vernunftschluss aus dem Satz „Alle Menschen sind sterblich“ entwickelt: „Den Satz: Cajus ist sterblich, könnte ich auch bloß durch den Verstand aus der Erfahrung schöpfen. Allein ich suche einen Begriff, der die Bedingung enthält, unter welcher das Prädikat (Assertion überhaupt) dieses Urteils gegeben wird (d. i. hier den Begriff des Menschen); und nachdem ich unter diese Bedingung, in ihrem ganzen Umfange genommen (alle Menschen sind sterblich), subsumiert habe: so bestimme ich darnach die Erkenntnis meines Gegenstandes (Cajus ist sterblich).“ Der scheinbare Widerspruch zur Unterscheidung von Verstandes- und Vernunftschluss lässt sich jedoch leicht auflösen, wenn klar ist, dass es Kant hier um die Fähigkeit des Schließens, i. e. des Bestimmens aus einer von einem Begriff abgeleiteten Regel und nicht aus der Erfahrung überhaupt geht. Vuillemin (), S. , macht dies deutlich: „Eine solche Unterscheidung [der mittelbaren und unmittelbaren Schlüsse, M. B.] betrifft keineswegs die Natur der Sätze, deren Wahrheitswert es festzustellen gilt, sondern einzig und allein die Art und Weise, wie wir dahin gelangen müssen.“ Bazil (), S. , weist zu Recht auf die Identität des Grundes und des termini medii hin. Zur Identität von Verstand, Urteils- und Einbildungskraft cf. Kap. ... Die Vernunft tendiert nicht auf die Einheit der Anschauung, sondern auf die der Begriffe, wie Schmaucke (), S. f., richtig schreibt.
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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oder Erkenntnissen, also Regeln, die a posteriori oder a priori geschlossen wurden. Synoptisch lässt sich das Ergebnis also folgendermaßen festhalten: Verstandesschluss: Maior: Alle Menschen sind sterblich. Minor: Sokrates ist ein Mensch. Conclusio: Sokrates ist sterblich. Vernunftschluss:
Regel/Begriff Anschauung Begriff
Verstand Sinnlichkeit Urteilskraft
Maior: Minor: Conclusio:
Prinzip/Regel Erkenntnis/Regel Erschlossene Regel
Verstand Urteilskraft Vernunft¹³⁷
Alle Menschen sind sterblich. Alle Gelehrten sind Menschen. Alle Gelehrten sind sterblich.
Nach Kant existieren genau drei Arten von Vernunftschlüssen. Diese drei Klassen leiten sich von den logischen Relationen ab, die durch die Regeln, respektive Prinzipien vorgestellt werden und die zwischen dem Subjekt, i. e. der Bedingung der Erkenntnis und der Erkenntnis selbst, also der im Erkenntnisurteil stattfindenden Prädikation, vermitteln. Das Verhältnis also, welches der Obersatz, als die Regel, zwischen einer Erkenntnis und ihrer Bedingung vorstellt, macht die verschiedenen Arten der Vernunftschlüsse aus. Sie sind also gerade dreifach, so wie alle Urteile überhaupt, so fern sie sich in der Art unterscheiden, wie sie das Verhältnis des Erkenntnisses im Verstande ausdrücken, nämlich: kategorische oder hypothetische oder disjunktive Vernunftschlüsse.¹³⁸
Die Art des Vernunftschlusses ist demnach dadurch bestimmt, welches Urteil im Obersatz steht.¹³⁹ Die drei Arten des Vernunftschlusses, dies sind die drei verschiedenen Relationen zwischen dem Prinzip und der subsumierten Regel, entsprechen genau eindeutig den Elementarrelationen des Verstandes als reinem Urteilsvermögen. Dies kann mit Blick auf die Natur der Vernunft als Metavermögen des Verstandes nicht überraschen. Der Verstand bezieht sich mit eben den Regeln auf sich selbst, mit denen er sich auf Gegenstände in der Anschauung bezieht. Die erste Art des Vernunftschlusses, den kategorischen Vernunftschluss, hat Kant bereits selbst als Beispiel eingeführt. Der Satz „Alle Menschen sind sterblich.“ stellt ein kategorisches Urteil im Obersatz dar, so dass der gesamte Schluss ein kategorischer Vernunftschluss ist. Entsprechend gilt für den hypothetischen und
Cf. Renaut (), S. f. KrV, A | B ; S. . Der Vernunftschluss ist durch die Prinzipienverwendung einer Regel gegeben, welche die Art des Vernunftschlusses aus dem Obersatz bestimmt und nicht, wie Renaut meint, durch die Art der Konklusion, cf. Renaut (), S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
den disjunktiven, dass jeweils ein hypothetisches oder disjunktives Urteil die Regel des Obersatzes bildet. Der hypothetische Vernunftschluss bildet ein Konditional mit der Bedingung im Obersatz und der Konklusion als Folge: 1. 2. 3.
Wenn alle Menschen (M) sterblich (S) sind, dann existiert kein Mensch, der unsterblich (U) ist. Nun sind alle Gelehrten (G) Menschen. Also existiert kein Gelehrter, der unsterblich ist.
Analog muss dies ebenfalls für den disjunktiven Vernunftschluss gelten: 1. 2. 3.
Entweder ist ein Mensch sterblich oder unsterblich. Nun sind alle Menschen sterblich. Also existiert kein Mensch, der unsterblich wäre.
Prädikatenlogisch lässt sich dies folgendermaßen darstellen: Hypothetischer Vernunftschluss:
Disjunktiver Vernunftschluss:
1x(M( x & 6 S( x && 6 /0x(M( x & + U( x && 1x(G( x & 6 M( x && /0x(G( x & + U( x &&
1x(M( x & 6 S( x &⊻U( x && 1x(M( x & 6 S( x && /0x(M( x & + U( x &&
Die Vernunft bezweckt die systematische Einheit des Denkens. Sie erreicht dies, indem sie Regeln daraufhin vergleicht, ob der Wahrheitsgehalt einer Regel abhängig ist von dem einer anderen. Dies ist dann der Fall, wenn die Extension des Subjektes einer Regel als Prinzip den Umfang der Bedingung einer anderen Regel inkludiert, so dass die Assertion der durch sie vorgestellten Prädikation durch das Prinzip mit vorgestellt wird, mithin aus dem Prinzip heraus erkannt werden kann. So wird die Sterblichkeit der Menge aller Gelehrten erkannt, wenn klar ist, dass die Menge aller Gelehrten eine Teilmenge aller Menschen darstellt, für die gilt, dass jedes Element sterblich ist. Wenn, wie mehrenteils geschieht, die Konklusion als ein Urteil aufgegeben worden, um zu sehen, ob es nicht aus schon gegebenen Urteilen, durch die nämlich ein ganz anderer Gegenstand gedacht wird, fließe: so suche ich im Verstande die Assertion dieses Schlußsatzes auf, ob sie sich nicht in demselben unter gewissen Bedingungen nach einer allgemeinen Regel vorfinde. Finde ich nun eine solche Bedingung, und läßt sich das Objekt des Schlußsatzes unter der gegebenen Bedingung subsumieren, so ist dieser aus der Regel, die auch für andere Gegenstände der Erkenntnis gilt, gefolgert.¹⁴⁰
KrV, A f. | B ; S. .
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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Als systematisches Vermögen strebt die Vernunft dabei die größte Einheit ihrer Sätze an.¹⁴¹ Man sieht daraus: daß die Vernunft im Schließen die große Mannigfaltigkeit der Erkenntnis des Verstandes auf die kleinste Zahl der Prinzipien (allgemeiner Bedingungen) zu bringen und dadurch die höchste Einheit derselben zu bewirken suche.¹⁴²
Dieses Bestreben der Vernunft führt auf die drei nicht mehr abzuleitenden Prinzipien hin, die sogenannten transzendentalen Ideen. Strittig ist jedoch, ob und wenn ja, wie diese irreduziblen Prinzipien zu gewinnen, respektive aus dem formal-logischen Vernunftgebrauch, welcher sich in den drei Schlussarten erschöpft, metaphysisch zu deduzieren sind.Wie werden aus den logischen die begrifflichen Funktionen der Vernunft? Dies ist die wesentliche Grundfrage, um die Vernunft als transzendentales Vermögen erweisen zu können.
2.1.5 Die Vernunft als transzendentales Vermögen Kant möchte die Begriffe der reinen Vernunft analog zu denen des Verstandes auffinden. Er muss also im Rahmen einer „metaphysischen Deduktion der Ideen“ zeigen, wie von den bloß ideal-logischen Funktionen der Vernunft als Schlussvermögen zu einem begrifflich-erkenntnisfunktionalen Gebrauch der Vernunft als transzendentalem Vermögen zu gelangen ist.¹⁴³ Die metaphysische Deduktion der
Kant nennt als Beispiel die Vorstellung eines Rechtsprinzips zur Grundlage der Legitimität aller bürgerlichen Gesetze: „Es ist ein alter Wunsch, der, wer weiß wie spät, vielleicht einmal in Erfüllung gehen wird: daß man doch einmal, statt der endlosen Mannigfaltigkeit bürgerlicher Gesetze, ihre Prinzipien aufsuchen möge; denn darin kann allein das Geheimnis bestehen, die Gesetzgebung, wie man sagt, zu simplifizieren.“ KrV, A | B ; S. . KrV, A . | B ; S. . Dass Kant die Ideen metaphysisch zu deduzieren sucht, wird von vielen Kantinterpreten mit Blick auf das Leitfadenkapitel der transzendentalen Analytik angenommen, cf. Malzkorn (), S. ff., Pissis (), S. f., Anm. nennt neben Malzkorn noch Zocher (), S. , Grier (), und Schmaucke (), ff. Zocher (1958), S. 56, sieht im Anhang zur transzendentalen Dialektik einen zweiten Anlauf der metaphysischen Ideendeduktion, für welche „andere logische Formen die Basis der Ableitung abgeben“, um so zu den drei Systematisierungsformen (Homogenität, Spezifikation und Kontinuität; KrV, A 658 | B 686; S. 720) zu gelangen. Neben der Tatsache, dass Zocher nicht zeigt, welche „anderen logischen Formen“ hier einschlägig sein sollten, ist durchaus nicht zu sehen, warum Kant im Anhang zur transzendentalen Dialektik, wo es ihm um die transzendentale Deduktion der Ideen als subjektive Prinzipien geht,welche dort mit Blick auf die Kritik der Urteilskraft Funktionen der reflektierenden Urteilskraft darstellen, das bereits abgeschlossene Programm der metaphy-
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Ideen bildet, so wie die der Kategorien, die Voraussetzung ihrer transzendentalen Deduktion, sofern erst durch die metaphysische Deduktion gezeigt wird, dass die Vernunft ein Inventar ursprünglicher Begriffe enthält.¹⁴⁴ Das Wie ihres Gebrauchs, respektive die Demonstration ihrer Erkenntnisrelevanz dagegen bildet die Aufgabe einer transzendentalen Deduktion.¹⁴⁵ An dieser Stelle lohnt es sich, kurz auf die Frage der transzendentalen Ideendeduktion einzugehen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Unentbehrlichkeit der Ideen für die Erfahrung zu demonstrieren. Damit ist ein Problem verbunden, welches aus der Nichtdarstellbarkeit der Ideen erwächst. Bondeli bringt dies in ein treffendes Bild: Man steht hier, bildlich gesprochen, vor dem Problem, ein Werkzeug vorliegen zu haben, das den Gegenständen der Erfahrung nie angemessen sein kann und dem dennoch in irgendeiner Weise eine Funktion mit Bezug auf diese Gegenstände zugebilligt werden muß.¹⁴⁶
Diese Funktion der Ideen besteht in ihrem regulativen Gebrauch. Dass Kant die Ideen tatsächlich als regulative Prinzipien des Verstandesgebrauchs deduziert,
sischen Deduktion erneut aufgreifen sollte. Im Falle des undialektischen, respektive heuristischen Ideengebrauchs dienen diese zur Anleitung eines systematischen Erkenntnisgewinns, indem das oberste Prinzip der Vernunft, spezifiziert durch die drei in den Ideen vorgestellten Totalitäten, zu den Postulaten des theoretischen Verstandesgebrauchs modifiziert wird. Von einer „Kontamination verschiedener Begriffe von ’Idee’“ (a.a.O., S. 57), wie sie Zocher annimmt, kann daher nicht die Rede sein, sondern allenfalls von einer in der Kritik der reinen Vernunft noch nicht in Gänze zu Ende geführten Lösung des Applikationsproblems der durch die Vernunft vorgestellten Totalität auf die in der Sinnlichkeit gegebenen Mannigfaltigkeit. Die hierfür notwendige, mittelungsfähige Realfunktion fasst Kant jedoch erst in der dritten Kritik. Schmaucke (2002), S. 30, meint, dass die metaphysische Deduktion ausgehend von der Form der Vernunftschlüsse nur für den hypothetischen Schluss gelingen könne, so dass nur von einer „partielle[n] Triftigkeit des Programms der metaphysischen Deduktion“ (ibid.) die Rede sein könne. Da Schmaucke die Zweischrittigkeit der Ideendeduktion ignoriert, verliert dieser Einwand jedoch seine Gültigkeit. Pissis (2012), S. 66 f., und Klimmek (2005), S. 7 ff., lehnen dagegen den Begriff der metaphysischen Deduktion für die Ideen ab, da die Ideen im Gegensatz zu den Kategorien nicht gefundene, sondern geschlossene Begriffe seien. Dieser Einwand ist zwar richtig, er steht jedoch der Deduktion der Ideen nicht im Weg, da diese zwar als Begriffe einerseits geschlossen sind, andererseits auf einer rein reflektierten Begriffsstruktur des Verstandes selbst gründen. Dieses Paradox wird erst mit dem Nachweis dieser Reflexionsstruktur aufgelöst werden können, cf. Kap. 2.2.5. Cf. Grier (), S. . Zur Konfusion von metaphysischer und transzendentaler Ideendeduktion in Bezug auf ihre Subjektivität, respektive Objektivität cf. Zocher (), S. und Bondeli (), S. . Bondeli (), S. .
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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stellt Caimi¹⁴⁷ zutreffend mit Bezug auf den Anhang zur transzendentalen Dialektik heraus: Denn das Gesetz der Vernunft, sie [die prinzipiengemäße, i. e. Systematische Einheit der Natur, M. B.] zu suchen, ist notwendig, weil wir ohne dasselbe gar keine Vernunft, ohne diese aber keinen zusammenhangenden Verstandesgebrauch, und in dessen Ermangelung kein zureichendes Merkmal empirischer Wahrheit haben würden, und wir also in Ansehung des letzteren die systematische Einheit der Natur durchaus als objektivgültig und notwendig voraussetzen müssen.¹⁴⁸
Die Ideen als regulative Prinzipien können deshalb als (subjektiv) transzendental deduziert gelten, da Kant ihre Unentbehrlichkeit für einen systematischen Verstandesgebrauch, respektive damit einhergehend der zusammenhängenden Erfahrungserkenntnis erweist.¹⁴⁹ Bondeli kritisiert den instrumentalistischen Begriff der Unentbehrlichkeit, sofern darunter „unentbehrliche Nützlichkeit“ zu verstehen sei.¹⁵⁰ Nach ihm ist daher der Begriff der Unentbehrlichkeit, welcher den Begriff der Notwendigkeit mit sich führt, in Bezug auf die bloß hypothetisch anzunehmende Notwendigkeit der Ideen zu relativieren.¹⁵¹ Tatsächlich kann erst mit dem Rekurs auf eine gelungene metaphysische Deduktion und mit dem Nachweis, welche Relevanz den Ideen in Bezug auf den Kategoriengebrauch zukommt, die Bedeutung der Notwendigkeit der Ideen eingeschätzt werden. Es wird sich dabei zeigen, dass den Ideen in regulativer Hinsicht zwar eine bloß hypothetische Notwendigkeit zukommt, diese jedoch auf eine Struktur im Denken verweisen, die der Notwendigkeit der Kategorien in Bezug auf ihre Bedeutung für die Erkenntnis in nichts nachsteht.¹⁵² Das Problem der metaphysischen Deduktion der reinen Vernunftbegriffe sowie dessen Lösung formuliert Kant analog zu denen der reinen Verstandesbegriffe: Die Form der Urteile (in einen Begriff von der Synthesis der Anschauungen verwandelt) brachte Kategorien hervor, welche allen Verstandesgebrauch in der Erfahrung leiten. Eben so können wir erwarten, daß die Form der Vernunftschlüsse, wenn man sie auf die synthetische Einheit der Anschauungen, nach Maßgebung der Kategorien, anwendet, den Ursprung be-
Cf. Caimi (), S. . KrV, B , S. . Cf. Caimi (), S. . Bondeli (), S. f. Cf. Bondeli (), S. . Mit einem solchen Nachweis ist auch eine ergänzende Position für die Begründung der Unentbehrlichkeit der theoretischen Ideen durch die praktische Postulatenlehre, wie sie Bondeli (), S. f., annimmt, zumindest für die theoretische Philosophie, redundant.
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sonderer Begriffe a priori enthalten werde, welche wir reine Vernunftbegriffe, oder transzendentale Ideen nennen können, und die den Verstandesgebrauch im Ganzen der gesamten Erfahrung nach Prinzipien bestimmen werden.¹⁵³
Die metaphysische Deduktion der Verstandesbegriffe aus den Urteilsfunktionen wurde anhand der Anwendung derselben auf die apriorische Form der Sinnlichkeit mittels des transzendentalen Schematismus als Realfunktion der Kategorie demonstriert.¹⁵⁴ Dieses Verfahren lässt sich allerdings nicht ohne Weiteres auf die Deduktion der reinen Vernunftbegriffe übertragen. Das Problem der Übertragbarkeit ergibt sich aus der Bestimmung der Ideen als Prinzipien, mithin also als Begriffe, die als Bedingungen zu Regeln nicht unmittelbar einen Anschauungsbezug vindizieren, sondern sich auf das Verstandesvermögen selbst beziehen, d. h. auf die „synthetische Einheit der Anschauungen, nach Maßgebung der Kategorien“¹⁵⁵. Im Gegensatz zum transzendentalen Grundgedanken, dass die logisch-idealen Grundregeln der Erkenntnis gleichzeitig zu den objektiv-realen Bestimmungen des Gegenstandes führen, dass also die subjektiven Bedingungen der Erfahrung gleichzeitig objektive Bestimmungen des Gegenstandes der Erfahrung darstellen, bleibt die Vernunft im Prinzipiengebrauch auf das Subjekt selbst beschränkt. Eine Deduktion, wie Kant sie für die Kategorien vorlegt, kann also von den reinen Vernunftbegriffen weder gelingen noch schlechterdings gefordert werden, sofern diese sich nicht auf einen Gegenstand in der Anschauung direkt beziehen, sondern auf die Form seiner Gegenstandserfahrung. Daher schließt Kant auch für die Ideen eine objektive Deduktion aus: Von diesen transzendentalen Ideen ist eigentlich keine objektive Deduktion möglich, so wie wir sie von den Kategorien liefern konnten. Denn in der Tat haben sie keine Beziehung auf irgend ein Objekt, was ihnen kongruent gegeben werden könnte, eben darum, weil sie nur Ideen sind. Aber eine subjektive Anleitung derselben aus der Natur unserer Vernunft konnten wir unternehmen, und die ist im gegenwärtigen Hauptstücke auch geleistet worden.¹⁵⁶
Bei einer Deduktion der reinen Vernunftbegriffe kann es sich also nicht um eine objektive, sondern nur um eine subjektive Deduktion handeln, d. h. die Ideen sollen durch die Deduktion nicht als objektive, erfahrungs- und gegenstandskonstitutive Funktionen aufgewiesen werden.¹⁵⁷ Die Ideen sind als Bedingungen
KrV, A | B ; S. . Cf. Kap. ... Cf. KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. . Malter (), S. , weist auf den Umstand hin, dass eine „objektive Deduktion“ der Ideen nur in Bezug auf die Gültigkeit der Vernunft als praktisches Vermögen in Gestalt der Postula-
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der Möglichkeit der Erfahrung also nicht zugleich Bedingungen des Gegenstandes der Erfahrung, sondern Bedingung der Möglichkeit der Reflexion des Erfahrungsgegenstandes. Trotz der Tatsache also, dass die Ideen nicht als objektive Regeln ausgewiesen werden können, ist ihre Deduktion dennoch transzendental.¹⁵⁸ Der begrifflich-funktionale Gebrauch der Vernunft bezieht sich daher nicht unmittelbar auf die Vorstellung des Gegenstandes in der Anschauung. Der konzeptuale Vernunftgebrauch in der Prädikation ist insofern auch nicht determinativ, als dass die Extensionalität des Begriffes durch die Konkretion auf ein bestimmtes Objekt restringiert würde.Vielmehr setzt die Vernunft hinsichtlich der Quantität der Bestimmbarkeit ihrer Begriffe (Extension) ihre (größte) Allgemeinheit (universalitas), hinsichtlich der Qualität der Bestimmung (Intension) ihre Allheit (universitas) voraus.¹⁵⁹ Der Vernunftbegriff wird daher, wie im Obersatze des Vernunftschlusses, in seinem größtmöglichen Umfange gedacht. In seinem logischen Gebrauch als Prinzip stellt der Vernunftbegriff im immediaten Schluss den Exponenten einer polysyllogistischen Schlusskette dar, welche in Bezug auf die im Begriff vorgestellte Bedingung als Bedingungsreihe gedacht wird. Diese Reihe wird transzendental nun so vorgestellt, dass sie als Bedingungstotalität mit der Position der Bedingung durch den Begriff im Exponenten mitgesetzt wird. Der Gegenstand im Begriff der Vernunft wird daher als Ursprung seiner Bestimmungstotalität selbst als unbedingt vorgestellt, so dass der Vernunftbegriff mit dem Begriff des Unbedingten identisch ist. Also ist der transzendentale Vernunftbegriff kein anderer, als der von der Totalität der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten. Da nun das Unbedingte allein die Totalität der Bedingungen möglich macht, und umgekehrt die Totalität der Bedingungen jederzeit selbst unbedingt ist: so kann ein reiner Vernunftbegriff überhaupt durch den Begriff des Unbedingten, so fern er einen Grund der Synthesis des Bedingten enthält, erklärt werden.¹⁶⁰
Im Unterschied zum rein logischen Gebrauch der Vernunft wird daher der Begriff also nicht nur bloß als Exponent progressiver oder regressiver Sorites verwendet, sondern seine Bedingung, welche den Ursprung der durch den Begriff explizierten Bedingungsreihe bildet, wird als Bestimmungstotalität gedacht. Dass diese To-
tenlehre vollzogen werden kann. Diese stellte demnach „so etwas wie die echte (von der Kritik der reinen Vernunft nicht lieferbare) „objektive“ Deduktion der Ideen“ dar. Mit den Ideen als subjektiv-transzendentalen Prinzipien ist bereits die Perspektive auf ihren symbolisch-regulativen Gebrauch in der Kritik der Urteilskraft vorausgewiesen, cf. KdU § , B ff; AA V, ff.; S. . Cf. KrV, A | B , S. . KrV, A | B , S. .
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talität nur im Begriffe, nicht in der Anschauung¹⁶¹ dargestellt werden kann, sofern diese nicht Gegenstand einer möglichen Erfahrung sein kann, ist Thema und Ergebnis der transzendentalen Dialektik. Als subjektiv-transzendentale Prinzipien sind daher die begrifflichen Vernunftfunktionen von einem objektiven Gebrauch in erkenntniskonstitutiver Absicht ausgeschlossen. Wie können nun aus den bloßen Schlussformen der Vernunft erkenntnisleitende Begriffe werden, wenn diese nicht durch die Konstruktion eines apriorischen Anschauungsbezuges mittels einer Realfunktion in solche „verwandelt“, d. h. metaphysisch deduziert werden können? Diese Schwierigkeit bildet den sachlichen Hintergrund, warum die Zweifel an der Homologie der metaphysischen Deduktionen von Verstandes- und Vernunftbegriffen innerhalb der Kantexegese Zweifel an dem Gelingen der metaphysischen Ideendeduktion hervorgerufen haben. Die Skepsis hierüber wird noch dadurch gestärkt, dass Kant scheinbar zwei alternative Deduktionsstrategien vorlegt. Einmal scheint er die Trias aus den drei polysyllogistischen Schlussfiguren abzuleiten. Dies trüge auch der geforderten Entsprechung der Deduktion der Ideen zu der der Kategorien Rechnung: So viel Arten des Verhältnisses es nun gibt, die der Verstand vermittelst der Kategorien sich vorstellt, so vielerlei reine Vernunftbegriffe wird es auch geben, und es wird also erstlich ein Unbedingtes der kategorischen Synthesis in einem Subjekt, zweitens der hypothetischen Synthesis der Glieder einer Reihe, drittens der disjunktiven Synthesis der Teile in einem System zu suchen sein.¹⁶²
Von diesem Punkt scheint es jedoch noch nicht einsichtig, wie aus den drei Arten des Unbedingten der Synthesis die drei transzendentalen Ideen geschlossen werden. Warum sollte ausgerechnet die Idee der Seele dem Unbedingten in der kategorischen Synthesis, die Idee des Weltganzen dem hypothetischen und die Idee Gottes dem Unbedingten in der disjunktiven Synthesis entsprechen? Es muss also geklärt werden, wie der „subtile Übergang“¹⁶³ von der formalen Logik zur Metaphysik gelingen kann. Mit dem bloßen Verweis auf drei Arten des Vernunftschlusses scheint dabei jedoch kein konsistenter Übergang von den bloßen Schlussformen weder als epi-¹⁶⁴ noch als prosyllogistischer¹⁶⁵ Regress zu den begrifflichen Ideen möglich.
Die Anschauung ist für sich selbst ein Totum, cf. Jäsche-Logik, AA IX, . KrV, A | B ; S. . Renaut (), S. . Malzkorn (), S. , weist darauf hin, dass im Falle der Idee der Seele „einem Aufsteigen in der Reihe der „Bedingungen“ zu einer gegebenen „bedingten“ Erkenntnis ein Absteigen durch Episyllogismen in einem Kettenschluß“ entspricht. Die Schwierigkeit, welche Malzkorn richtig
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Nach Ansicht verschiedener Autoren unternehme Kant im dritten Abschnitt des ersten Buches der transzendentalen Dialektik, dem „System der transzendentalen Ideen“, einen zweiten Anlauf zur Deduktion der Ideen. In der zweiten Deduktionsstrategie versuche er die Ableitung der Ideen nicht über die bloßen Schlussformen, sondern über die verschiedenen Relationen, welche die Vorstellungen im Allgemeinen besitzen können:¹⁶⁶
sieht, ergibt sich jedoch nur aus der einseitigen formallogischen Interpretation der Ideendeduktion. Klimmek (), S. ff., geht von einem prosyllogistischen Regress des Untersatzes aus. Dies wird zu Recht von Pissis (), S. , Anm. , zurückgewiesen. Dieser ist der Meinung, dass die Vernunft mittels eines prosyllogistischen Regresses des Obersatzes zu den Ideen der Vernunft gelangt: „Wenn nämlich der Regress bei einem Schlusssatz ’S ist P’ und diesem eine Reihe von Zwischengliedern, d. h. von Bedingungen, unter denen P gilt, eingeschoben wird: S – X– X –…– P, so wäre das Unbedingte im Subjekt S des anfänglichen Schlusssatzes zu suchen, als der obersten Bedingung der Reihe. Den Halt solcher logischen Reihen verbürge ein S, dem die Totalität der Bedingungen der Prädikation inhäriere. Den Abschluss ermöglicht daher der Gedanke einer Substanz, welche ’kein Accidens mehr von einem anderen ist’ (V-MP-L/Pölitz, ).“ Pissis (), S. . Zwar ist Pissis darin zuzustimmen, dass sich Kants Ideenbildung als ein prosyllogistischer Regress geriert, jedoch ist bereits das von ihm verwendete Zitat der Logiknachschrift von Pölitz verräterisch. Kein Einzelgegenstand kann Akzidenz von etwas anderem sein. Ein Stuhl ist nicht Akzidenz eines Tisches, obgleich beide zur Summe derselben Einrichtungsgenstände gezählt werden können. Eine beliebige, rein logische und nicht transzendentallogische kategorische Bestimmungsreihe führt auch nicht zwangsläufig zum Begriff des Ichs als Subjekt all meiner Vorstellung. So ließe sich die Reihe aus Kapitel 1.1.2 bis zum allgemeinsten Begriff von Gegenständlichkeit, einem Etwas, i. e. ein Ding (cf. Jäsche-Logik, AA IX, 95, 97), fortführen. Der Begriff des Dinges bildet demnach den obersten Abschnitt der Reihe, nicht der des Ichs, respektive der Seele. Zur Ableitung der Ideen reichen daher die bloßen Schlussformen, respektive das Prinzip der Auffindung des Unbedingten noch nicht aus. Die Schlussformen bedürfen daher etwas, worauf sie angewandt werden können, wobei dieses Etwas nicht ein beliebiger Gegenstand, sondern die Bedingung für Gegenständlichkeit überhaupt sein muss, i. e. das Denken selbst. Cf. Natterer (), S. , in Übereinstimmung mit Schmucker (), S. : „Da nun Kant auf diesem Weg [mittels der aufsteigenden Reihe der Prosyllogismen, M. B.] eine gleichartige oder gleichsinnige Ableitung der Vernunftideen nicht gewinnen konnte, löst er hier in der Kritik der reinen Vernunft das Problem gewissermaßen durch einen coup de force, indem er nun formell die ganze Ableitung der drei Vernunftideen an den Struktur- und Gegenstandsbereichen des Kritizismus ansetzt, womit die Ableitung aus den Syllogismusformen der formalen Logik im Grunde überflüssig wird.“ Cf. ebenso Bazil (1995), S. 88 f., Pissis (2012), S. 51, und, mit Einschränkung seiner speziellen Interpretation, auch Klimmek (2005), S. 48. Bennett (1974), S. 3, vertritt bezüglich der Ideendeduktion die Ansicht, „that is just Kant‘s undignified attempt to derive his choice of topics from the structure of human reason rather than the philosophical preoccupations then current in the German universities.“
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Nun ist das Allgemeine aller Beziehung, die unsere Vorstellungen haben können, 1) die Beziehung aufs Subjekt, 2) die Beziehung auf Objekte, und zwar entweder als Erscheinungen, oder als Gegenstände des Denkens überhaupt. Wenn man diese Untereinteilung mit der oberen verbindet, so ist alles Verhältnis der Vorstellungen, davon wir uns entweder einen Begriff, oder Idee machen können, dreifach: 1. das Verhältnis zum Subjekt, 2. zum Mannigfaltigen des Objekts in der Erscheinung, 3. zu allen Dingen überhaupt.¹⁶⁷
Kant stellt hier eine grundlegende Zweiteilung der Vorstellungsverhältnisse vor: Einmal in Bezug auf das Subjekt, einmal in Bezug auf das Objekt. Diese erste Einteilung ist eine kontradiktorische. Vom Standpunkt des Subjekts aus bezeichnet sie zum einen die Relation der Vorstellungen, in denen das Subjekt das Vorgestellte als sich selbst zugehörig denkt, zum anderen solche, auf welche dies nicht zutrifft. Diese werden durch das Subjekt dem Objekt zugehörig gedacht. Die erste Einteilung betrifft also die Entgegensetzung: Dem Subjekt zugehörig, dem Nicht-Subjekt = Objekt zugehörig. Die Vorstellungen in Bezug auf das Objekt der Erkenntnis sind selbst noch einmal unterteilt: Erstens in Vorstellungen in Bezug auf ein Objekt als Erscheinung, zweitens in Bezug auf ein Objekt als Gegenstand des Denkens überhaupt. Diese zweite Einteilung der Vorstellungen ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Erstens bezieht sie sich auf das spezifische Vermögen, mit denen das Objekt vorgestellt wird: Zum einen als Vorstellung des Anschauungsvermögens, zum anderen als Vorstellung des Denkvermögens. Zweitens ist diese Einteilung hierarchisierend, da synthetisierend. In der Verbindung der ersten Einteilung in Subjekt und Objekt mit der Untereinteilung der Beziehung der Vorstellung auf das Vorstellungsobjekt wird dies deutlich. So ist das erste Verhältnis dasjenige zum Subjekt, das zweite dasjenige zum Mannigfaltigen des Objekts in der Erscheinung und das dritte das Verhältnis zu allen Dingen überhaupt. Das dritte Moment inkludiert also das subjektive Selbst- und das objektive Fremdverhältnis, respektive synthetisiert beide in der Vorstellung ihrer Allheit. An dieser Stelle ist die trichotomische Struktur der Kategorien mit ihrem dialektischen Hintergrund von Position, Negation und Synthesis¹⁶⁸ bereits als Grundlage der Ideentrias erkennbar. Darüber hinaus wird klar, dass der kategorialen Trichotomie übergeordnete Einheitsfunktionen (Subjekt, Objekt, Totalität) entsprechen, die, so wird zu zeigen sein, identisch sind mit einer bestimmten Funktion der Idee. Mit dem Bezug auf die Relationen der Vorstellung lassen sich nun die reinen Begriffe der Vernunft ermitteln: Nun haben es alle reine Begriffe überhaupt mit der synthetischen Einheit der Vorstellungen, Begriffe der reinen Vernunft (transzendentale Ideen) aber mit der unbedingten synthetischen
KrV, A f. | B f., S. . Cf. Kap. ...
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Einheit aller Bedingungen überhaupt zu tun. Folglich werden alle transzendentale Ideen sich unter drei Klassen bringen lassen, davon die erste die absolute (unbedingte) Einheit des denkenden Subjekts, die zweite die absolute Einheit der Reihe der Bedingungen der Erscheinung, die dritte die absolute Einheit der Bedingung aller Gegenstände des Denkens überhaupt enthält.¹⁶⁹
Wenn mit dem Verweis auf die drei möglichen Verhältnisse der Vorstellungen zu ihren Objekten die Deduktion der Ideen als Klassenbegriffe¹⁷⁰ als abgeschlossen betrachtet werden darf, ist damit die Absicht der Deduktion der Ideen parallel zu den Kategorien aus den reinen Urteils-, respektive Schlussformen als gescheitert anzusehen,¹⁷¹ es sei denn, es bestünde die Möglichkeit, die zwei Ableitungswege als zwei Schritte derselben Deduktion explizit zu machen.¹⁷² Da die Ableitung der Ideen parallel zu der der Kategorien laufen soll, scheint eine Gegenüberstellung beider Deduktionen angebracht. Kernthese der Funktionsanalyse der reinen Verstandesbegriffe war die Ableitung der begrifflichen Funktionen des Verstandes (Kategorien) aus seinen idealen Funktionen durch die temporal indizierte Form des Denkens, KrV, A | B ; S. . Dass die Ideen drei Klassen von Begriffen bezeichnen, ist wesentlich für die Natur des Vernunftbegriffes als Prinzipien, welche regel-, respektive begriffsubsummierend sind. Für Kant ist jedoch die Betonung ihrer Einheit als Begriffe entscheidend. Es ist daher legitim, von der Dreiheit der Ideen auszugehen, welche unter sich jeweils vier kategoriale Bestimmungen enthalten, die einen unbedingten Gebrauch bestimmen. Trotz Klimmeks richtigem Blick auf die Ideen als Klassenbegriffe ist ihm darin nicht zu folgen, statt der drei, zwölf Ideen anzunehmen, cf. Klimmek (), S. .Vor Klimmek verwies bereits Heimsoeth (/), S. , auf den Begriff der „Klasse“ in Bezug auf die drei Ideen: „Das System der transzendentalen Ideen gliedert sich in drei Klassen, davon die erste die absolute (unbedingte) Einheit des denkenden Subjekts, die zweite die absolute Einheit der Reihe der Bedingungen der Erscheinung, die dritte die absolute Einheit der Bedingung aller Gegenstände des Denkens überhaupt enthält.“ Bazil (), S. , hält aus diesem Grund das ursprüngliche Vorhaben Kants für gescheitert. Dass dies von der Forschung immer wieder postuliert, aber nicht demonstriert wurde, ist für Klimmek (), S. , wesentliches Kennzeichen einer affirmativen Kantinterpretation. So sagt beispielsweise Wundt () S. f.: „[…] Kant [unterscheidet] nun kategorische, hypothetische und disjunktive Vernunftschlüsse. Aus ihnen ergeben sich die drei Vernunftbegriffe, die als ebensoviele Aufgaben dem Verstandesgebrauch gestellt sind. Sie stellen jedesmal ein Unbedingtes dar zu der Reihe der Bedingungen im Verstandesgebrauch oder, wie Kant es aus ausdrückt, als Grund der Synthesis des Bedingten. Dies Unbedingte kann gesucht werden als kategorische Synthesis im Subjekt, als hypothetische Synthesis für die Glieder einer Reihe und endlich als disjunktive Synthesis für die Teile in einem System. Diese Einteilung verbindet Kant dann mit einer anderen, indem er die Beziehung, welche durch den Vernunftschluß hergestellt wird, entweder als solche aufs Subjekt oder als solche auf Objekte annimmt und im zweiten Falle auf Objekte entweder als Erscheinungen oder als Gegenstände des Denkens überhaupt.“ Wundt erkennt völlig zutreffend die Struktur der metaphysischen Ideendeduktion, versäumt jedoch, und hierin ist Klimmek Recht zu geben, deren innere Notwendigkeit zu demonstrieren.
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welche sich in der „tafelförmigen Ausgestaltung“¹⁷³ des transzendentalen Schematismus, den Realfunktionen der reinen Verstandesbegriffe, wiederfindet. Die Kategorien als Begriffe, respektive als begriffliche Funktionen, sind daher erst wirklich gefunden, wenn neben ihrem ideal-funktionalen Gehalt ihr Affektionsteil, also ihre realfunktionale Bedeutung ermittelt wurde. Durch die bloße Synopsis der sogenannten metaphysischen Deduktion der Verstandesbegriffe, in welcher „der Ursprung der Kategorien a priori überhaupt durch ihre völlige Zusammentreffung mit den allgemeinen logischen Funktionen des Denkens dargetan“¹⁷⁴ wurde, ist die Analyse und Ableitung ihrer Begriffsnatur wesentlich unabgeschlossen.¹⁷⁵ Die Dreischrittigkeit (Ideal-, Real- und Transzendentalfunktion) zur Auffindung der Kategorien als begriffliche Funktionen des reinen Verstandes lässt sich nach Kants eigener Versicherung¹⁷⁶ auf die Deduktion der Ideen übertragen. Den idealen Funktionen des bloßen Verstandes, den Urteilsformen, entsprechen die Schlussarten der bloßen Vernunft. Diese sind gemäß des logischen Gebrauchs der Vernunft dreifach: kategorisch, hypothetisch und disjunktiv. Die Verwendungen der Bedingung der Regel im Exponenten wird jedoch im Vernunftschluss im Unterschied zu seiner Verwendung im Verstandesurteil als unbedingt gedacht. Mit dem Verweis auf die Schlussarten sind daher noch nicht die transzendentalen Begriffe der Vernunft gefunden, sondern lediglich die Form, unter der die Ideen gedacht werden müssen, nämlich einmal als Unbedingtes einer kategorischen, hypothetischen oder disjunktiven Reihe.¹⁷⁷ Die Ableitung der Ideen erfordert darüber hinaus die Anwendung der Schlussarten „auf die synthetische Einheit der Anschauungen nach Maßgebung der Kategorien“¹⁷⁸, also auf den Verstand, respektive das Denken selbst. Im Gegensatz zu den Begriffen des Verstandes, welche sich über die produktive Einbildungskraft a priori auf die Anschauung beziehen, liegt der Gegenstand der Vernunft nicht in der Sinnlichkeit, sondern im Verstand. Dies kann mit Blick auf die vorangegangene Fassung der Vernunft als Prinzipienvermögen durchaus nicht überraschen. Den reinen Schlussarten auf der Seite des logischen Gebrauchs der Vernunft müssen also Funktionen auf der Seite der Vernunft als transzendentalem
Cf. Baumanns (), S. . KrV, B , S. . In diesem Sinne ist die metaphysische Deduktion der Kategorien als begriffliche Funktionen erst mit dem Nachweis ihres a priorischen Anschauungsbezuges wirklich vollständig. Die Ansicht Baumanns, dass die Kategorien in ihrem Einschränkungscharakter als Strukturbegriffe durch das raum-zeitliche Apeiron der transzendentalen Ästhetik als Ur-Teile gefordert sind, scheint damit erst im Nachweis ihrer Realfunktion erfüllt zu sein, cf. Baumanns (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A f. | B ; S. . KrV, A | B ; S. S. .
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Vermögen entsprechen, welche dasselbe leisten, wie die Schemata für die Begriffe des Verstandes. Diese sind natürlich die durch den Verstand gesetzten Vorstellungsverhältnisse, sofern sich die Vernunft in der gleichen Weise auf den Verstand bezieht, wie dieser sich auf die Sinnlichkeit.¹⁷⁹ Die Ideen sind dadurch in toto ermittelt und abgleitet worden, dass das Unbedingte in Rücksicht auf eine der Vorstellungsrelationen aufgefunden wurde: Erstens die ursprüngliche Einheit des denkenden Subjektes, zweitens die Totalität der Bedingungsreihe des Erfahrungsobjektes und drittens die Totalität des Gegenstandes einer Vorstellung überhaupt. Kant legt also mitnichten zwei Ableitungsstrategien vor, sondern führt allein das Projekt der Ideendeduktion in Analogie zur Deduktion der Kategorien durch. Im Überblick stellt sich dies folgendermaßen dar: Funktionstyp
Kategorien
Ideen
Idealfunktionen Realfunktionen Transzendentalfunktionen
Urteilsformen Schemata Kategorien
Schlussarten Vorstellungsverhältnisse Ideen
2.1.6 Die Ideen als Einheitsfunktionen des Verstandes und der Vernunft Nachdem die Ideentrias aus den Vernunftschlüssen erfolgreich deduziert werden konnte, gilt es, die reinen Vernunftbegriffe in Bezug auf die durch sie generierte Einheit der Vernunft zu untersuchen. Die Vernunfteinheit wurde bereits als „Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien“¹⁸⁰ gefasst. Aus dieser Definition ergibt sich die Frage, wie die Verstandesregeln angesichts der transzendentalen Ideen zu einer Einheit gefasst werden können. Hiermit sind drei weitere Fragen verbunden: (1) Welche Art der Verstandesregeln werden unter die Ideen als Prinzipien gefasst? (2) Welche Konkordanz besteht zwischen den Ideen und den Verstandesregeln, d. h. welche Verstandesregeln werden unter welche Ideen subsumiert? (3) Welchen Bezug hat die aufzuweisende Einheitsstruktur zur metaphysischen Deduktion? Ad (1):Kant legt in der Dialektik eine „Stufenleiter“ der Vorstellungen vor, in welcher er vom allgemeinsten Begriff einer Vorstellung überhaupt (repraesenta-
Cf. KrV, A | ; S. . KrV, A | B ; S. .
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tio)¹⁸¹ zu den höchsten Einheitsbegriffen des reinen Verstandes und der reinen Vernunft fortschreitet: Die Gattung ist Vorstellung überhaupt (repraesentatio). Unter ihr steht die Vorstellung mit Bewußtsein (perceptio). Eine Perzeption, die sich lediglich auf das Subjekt, als die Modifikation seines Zustandes bezieht, ist Empfindung (sensatio), eine objektive Perzeption ist Erkenntnis (cognitio). Diese ist entweder Anschauung oder Begriff (intuitus vel conceptus). Jene bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand und ist einzeln; dieser mittelbar, vermittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann. Der Begriff ist entweder ein empirischer oder reiner Begriff, und der reine Begriff, so fern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen Bilde der Sinnlichkeit), heißt Notio. Ein Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, ist die Idee, oder der Vernunftbegriff.¹⁸²
Diese hierarchische Struktur der Vorstellungen lässt sich als Stufenleiter folgendermaßen darstellen:
Abb. : Stufenleiter der Vorstellungen
Die Vorstellung im allgemeinsten Sinne schließt die präreflexive Form der Empfindung als bloße Affektionswirkung mit ein (cf. Cohen (), S. .) und unterscheidet sich so von der bewussten Vorstellung im engeren Sinne. Zum sogenannten Affektionsproblem cf. Kap .. KrV, A | B f.; S. .
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In diesem System der Vorstellungen findet sich der Schlüssel zum Verständnis der transzendentalen Vernunftbegriffe, genauer in der Beziehung, welche diese zu denen des Verstandes haben. Kant definiert die Idee als einen „Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt“. Die Notio bezeichnet den reinen Verstandesbegriff, „so fern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen Bilde der Sinnlichkeit)“. Er ist also identisch mit der sogenannten unschematisierten Kategorie, mit deren Begriff ein Interpretationsproblem verbunden ist. Im ersten Kapitel wurde die Kategorie als begriffliche Funktion durch ihre beiden Elemente charakterisiert, zum einen die reine, respektive bloße Funktion der Einheit in Urteilen, zum andern das Schema als transzendentale Determinante der Zeit. Dass die Kategorie aus diesen beiden Teilen zu bestehen hat, ergibt sich aus ihrer begrifflichen Natur, welche einen Funktions- und einen Affektionsanteil, im Falle der Kategorie einen realfunktionalen Teil, erfordert. Aus diesem Grund liefe der Begriff der unschematisierten Kategorie entweder auf einen Widerspruch hinaus, dadurch dass Kant seine fundamentale Fassung der Zweiteiligkeit des Begriffes durch die Einführung einer neuen nicht auf die Sinnlichkeit bezogenen Begriffsart revozieren müsste;¹⁸³ oder aber der Begriff der Notio bezeichnete schlicht die Urteilsform, so dass die Einführung eines neuen Begriffes für ein bekanntes Konzept Redundanz in Kants System bedeuten würde.¹⁸⁴ Wie kann also der Begriff der Notio als unschematisierte Kategorie plausibel gemacht werden, ohne dass eine der beiden negativen Konsequenzen in Kauf genommen werden müsste? A minori gilt dies natürlich auch für den Begriff der Idee als Einheitsprinzip, sofern die Idee aus, respektive in der Einheit der Notionen bestehen soll. Die erste Interpretationsvariante weist fundamentale Schwierigkeiten auf, durch deren Inkaufnahme das Fundament der kantischen Philosophie, die Doppelständigkeit der Erkenntnisstämme, in Frage gestellt würde. Mit Blick auf das Ganze der Transzendentalphilosophie muss diese Variante daher verworfen werden. Die vordringliche Interpretationsaufgabe besteht also darin, zu zeigen, dass Kant mit dem Begriff der Notio die Urteilsformen meint, auf diese jedoch in einer Weise referiert, welche die Einführung eines eigenen Begriffes rechtfertigt. Den Schlüssel zur Antwort liefert Kants zweischrittige Deduktion der Ideen. Wenn die Ideen als Prinzipien aus Notionen bestehen sollen, dann muss zwischen den Ideen und den Notionen eine gewisse Homologie vorfindlich sein.
Für die Systeme Lockes und Berkeleys ist dies durch die Einführung des notio-Begriffes offensichtlich der Fall. Auch die reinen Begriffe der praktischen Vernunft fordern eine Darstellungsmöglichkeit in der Sinnlichkeit, wenn auch nur indirekt per analogiam, d. h. mittels symbolischer Hypotypose. Düsing entgeht damit die systematische Problematik, welche mit der Vorstellung eines reinen, nicht auf die Sinnlichkeit bezogenen Begriffes mitgegeben ist, cf. Düsing (), S. .
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Wenn also die Ideen als Prinzipien mit den Schlussformen bezogen auf die Vorstellungsrelationen identisch sind, so werden die Notionen identisch sein mit den Urteilsformen bezogen auf die Vorstellungsrelationen.¹⁸⁵ Als solche „sind sie bloß Formen des Verstandesgebrauchs in Ansehung der Gegenstände überhaupt und des Denkens, ohne doch durch sie allein irgend ein Objekt [in der Anschauung, M. B.] denken oder bestimmen zu können.“¹⁸⁶ Notionen sind daher, wie die Ideen reine Einheitsbegriffe, mithin reine (ideale) Funktionen. Sie sind als solche identisch mit den Funktionen zu Urteilen, insofern sie sich auf das Denken, respektive auf einen Gegenstand überhaupt, d. h. also auf Gegenständlichkeit in ihrer bloß logischen Möglichkeit beziehen. In den Notionen spiegelt sich das Denken denkend wieder, indem es sich selbst zum logischen Objekt macht.¹⁸⁷ Da das Denken sich hier jedoch nicht auf die Anschauung beziehen kann, kann aus der bloß logischen Bestimmung keine Erkenntnis erwachsen. Um einem möglichen Missverstand des hier behandelten Ideenbegriffes entgegenzuwirken, scheint es an dieser Stelle notwendig, den abstrakten Gebrauch der Idee als Prinzip von ihrem dialektischen Gebrauch zu unterscheiden.¹⁸⁸ Die Ideen sind als Einheitsprinzipien selbst nicht identisch mit dem dialektischen Schein! Erst durch ihren (schematischen) Bezug auf die Sinnlichkeit kommt dieser zustande. Die Sinnlichkeit, dem Verstande untergelegt, als das Objekt, worauf dieser seine Funktion anwendet, ist der Quell realer Erkenntnisse. Eben dieselbe aber, so fern sie auf die Verstandeshandlung selbst einfließt, und ihn zum Urteilen bestimmt, ist der Grund des Irrtums.¹⁸⁹
Der transzendentale Schein entsteht durch den objektiven Gebrauch der Ideen, indem diese als Bestimmungen der Dinge an sich selbst vorgestellt werden. Die Ideen lassen einen solchen Gebrauch jedoch nicht zu, da ihrem Begriff, der eine
Dies ist unmittelbar klar, wenn man die temporale Bedeutung der Modaloperatoren abstrahiert, über die wir die Kategorien aus den Urteilsformen gebildet haben. Zurück bleibt dann das Verhältnis, welches „nur den Wert der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht.“ KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. . Damit ist eine wesentliche Forderung des ersten Kapitels bezüglich der Urteilsformen erfüllt, cf. Kap. ... Baumanns (), S. , Anm. ., weist darauf hin, dass „dialektischer Mißverstand“ und „dialektischer Mißbrauch“ zu unterscheiden sind: „Die Ideen als konstitutive Prinzipien mißzuverstehen, muß nicht mit einem faulen und perversen Gebrauch derselben in der Naturerkenntnis einhergehen.“ KrV, A | B , Anm. ; S. .
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Totalität expliziert, keine Gegenstände in der Erscheinung adäquat sein können. Da aus Begriffen allein ohne einen Bezug auf eine mögliche Anschauung nun aber keine Erkenntnis gewonnen werden kann, können die bloßen Ideen auch keine Quelle der Erkenntnis sein. Dies heißt jedoch nicht, dass sie zur Erkenntnis nichts beitragen. So wird in der reflektierenden Tätigkeit der Urteilskraft die Idee als Regulativ in Bezug auf die Einheit der Vorstellungen gedacht.¹⁹⁰ Die Vorstellung dieser Einheit ist wiederum conditio sine qua non wissenschaftlichen, d. h. systematischen Denkens. Sowohl für den erkenntnisanleitenden, heuristischen als auch für den täuschenden, dialektischen Gebrauch der Ideen ist jedoch die logische Form der Ideen als Prinzipien entscheidend. Alle (schematisierten) Begriffe der Vernunft setzen dementsprechend den abstrakten Gebrauch der Idee voraus, i. e. die logische Verknüpfung der Elementarfunktionen. Diese ist weder Schein noch Regulativ, sondern Bedingung der Vollständigkeit unseres Denkens und damit unseres Verstandesgebrauchs.¹⁹¹ Ad (2): Die Ideen bilden auf der unschematisierten Prinzipienebene ein System der Notionen, insofern die Notionen von der Bedingung des Vernunftbegriffes im Exponenten dependieren.¹⁹² Die Folgeaufgabe wird daher sein, die formale Notionsstruktur der Ideen anhand der in der Dialektik niedergelegten Ideenstruktur aufzudecken. Kant gibt hierzu bereits einen ersten Hinweis, wenn er sagt: Sie [die Ideen, M. B.] sind nicht erdichtet, sondern durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, und beziehen sich daher notwendiger Weise auf den ganzen Verstandesgebrauch.¹⁹³
Worin besteht dieses „Ganze“ des Verstandesgebrauchs, oder besser wie kann der Verstandesgebrauch überhaupt ein „Ganzes“ ausmachen? Wenn man der Struktur der Urteils- und Kategorientafel folgt, welche alle Bestimmungsmöglichkeiten und Cf. Kap. ... Zochers Schluss, dass sich drei Hinsichten des Ideengebrauchs finden, ein nicht-gegenständlicher, ein quasi-gegenständlicher und ein gegenständlicher, i. e. dialektischer (cf. Zocher (), S. ), deckt sich so mit unserer Analyse der Ideen erstens als bloße Prinzipien, zweitens als metaschematisierte (cf. Exkurs: Transzendentaler Symbolismus) und drittens als schematisierte Ideen. Dies resultiert jedoch nicht aus einer „mangelnde[n] Einheitlichkeit in der Konzeption der Ideenbegriffe“ (ibid.), sondern aus der idealen und realen Funktionsstruktur des oberen Erkenntnisvermögens. Natterer sieht ebenfalls die Möglichkeit eines abstrakten Ideenbegriffes, sofern „die formalen Schlussverfahren durchaus in ultimative Endbegriffe münden, die aber in der Logik nur in ihrer logischen Funktion behandelt werden, unter methodischer Abstraktion von ihrem indirektem Gegenstandsbezug.“ Natterer (), S. . KrV, A | B , S. .
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-weisen eines Gegenstandes listen, ist ein Objekt der Erkenntnis erst dann in Gänze bestimmt, wenn ihm in Rücksicht aller vier Titel mindestens ein Moment zugeordnet werden kann.¹⁹⁴ Dementsprechend wird das „Ganze“ des Verstandesgebrauchs in Bezug auf die Ideen ebenfalls in der vollständigen Bestimmung des Vernunftbegriffes durch alle vier Titel des Verstandes hindurch bestehen. Es ist daher für die Vollständigkeit der Idee entscheidend, wenn diese durch alle vier Titel des Verstandes mit jeweils mindestens einem Moment bestimmt wird, im Falle der Ideen durch je vier Notionen. Die entscheidende Frage liegt nun darin, welche vier Notionen welcher Idee entsprechen, mithin welche Verbindung sich aus den Paralogismen, Antinomien und den Gottesbeweisen zwischen der Tafel der Ideen und der Tafel der Kategorien eruieren lässt. Die erste transzendentale Idee, die Idee der Seele, fasst unter sich die vier sogenannten transzendentalen Paralogismen: Erstens den Paralogismus der Substantialität, zweitens den der Simplizität, drittens den der Identität und viertens den des Verhältnisses der Seele zu möglichen Gegenständen im Raum.¹⁹⁵ Wenn man die Paralogismen der Reihe nach durchgeht, so stellt man fest, dass jedem Paralogismus je eine bestimmte Kategorie entspricht. Die Idee der Seele subsumiert somit der Reihe nach erstens die Kategorie der Substantialität, zweitens die der Realität, drittens die der Einheit und viertens die der Möglichkeit. Auffällig ist nun, dass die erste Idee die jeweils ersten Momente der Trichotomie unter sich fasst. Mit Blick auf das Antinomienkapitel lässt sich von der zweiten Idee, der Idee des Weltganzen, Analoges feststellen. In den vier Antinomien lässt sich wiederum der (verfehlte) Gebrauch von vier Kategorien finden, diese sind Vielheit (1. Antinomie), Negation (2. Antinomie), Kausalität (3. Antinomie) und Wirklichkeit (4. Antinomie).¹⁹⁶ Es ist leicht zu sehen, dass für die zweite Idee Gleiches gilt, wie für die erste, nämlich dass diese durch den dialektischen Gebrauch der jeweils zweiten Momente bestimmt ist. Die Zuordnung der jeweils dritten Momente in der Struktur des transzendentalen Ideals besitzt zwar nicht dieselbe Evidenz, ist jedoch ebenfalls nachweisbar.¹⁹⁷ Im Überblick über die drei Es ist eine offene Frage, ob Kant für die Bestimmungsvollständigkeit eines Objektes angenommen hat, dass dieses in Rücksicht genau eines Momentes einer jeden Urteilsklasse (cf. Paton (), I, S. f.) oder mindestens eines Momentes (cf. Wolff (), S. ) gedacht werden muss. Unserer Ansicht nach kannte Kant bereits die Bestimmungsmöglichkeit in Rücksicht auf zwei Momente derselben Klasse. Im Falle der Notwendigkeit des ästhetischen Urteils scheint beispielsweise eine Kombination eines apodiktischen und assertorischen Urteils vorzuliegen. Gleichwohl mutet es so an, als ob Kant jeweils von genau einem Moment als Leitbestimmung ausgeht, mit dem ein weiteres Bestimmungsmoment verbunden sein kann. Die ausführliche Diskussion der Paralogismen erfolgt in Kap. .. Dies wird ausführlicher in Kap. . diskutiert werden. Cf. Kap. ...
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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transzendentalen Ideen zeigt sich also, dass sich jede auf jeweils ein Quadrupel reiner Verstandesbegriffe bezieht, von dem jedes Element demselben Moment zugeordnet ist.¹⁹⁸ So ist die erste transzendentale Idee durch die jeweils vier ersten Kategorien, bzw. Momente M – I 1SeeleSeele $ "M 11 ! M 12 ! M 13 ! M 14 7–, die zweite durch die jeweils vier zweiten – I 2Welt $ "M 21 ! M 22 ! M 23 ! M 24 7– und die dritte durch die jeweils vier dritten Verstandesbegriffe bestimmt –I 3GottGott $ "M 31 ! M 32 ! M 33 ! M 34 7.¹⁹⁹ Hieraus ergibt sich folgende Ordnung:
Quantität Qualität Relation Modalität
Seele
Welt
Gott
Einheit Realität (= Ich)²⁰⁰ Substanz Möglichkeit (= mögliches Dasein)
Vielheit Negation (= Nicht-Ich)²⁰¹ Kausalität Dasein (= wirkliches Dasein)
Allheit Limitation (=Absolutheit)²⁰² Gemeinschaft Notwendigkeit (= notwendiges Dasein)
Ausgehend von der grundlegenden Definition der Ideen als Begriffe, welche aus Notionen bestehen, muss der in der transzendentalen Dialektik beschriebene erkenntniskonstitutive Missbrauch der Ideen auf ihre Schematisierung, i. e. die Darstellung der Notionen in der Anschauung zurückgeführt werden. Von ihrem subreptiven Gebrauch lässt sich jedoch durch die Abstraktion der schematischen Hypotypisierung die ursprüngliche, da logisch frühere Notionsstruktur aus der vernunftgemäßen Einheitsfunktion der Ideen als Prinzipien rekonstruieren. Mit dem Nachweis der Prinzipieneinheit der Notionsstruktur durch die bloßen Ideen sind jedoch zwei wichtige Punkte verbunden: Erstens muss die metaphysische Deduktion der Ideen ausgehend von der durch sie reflektierten Einheitsstruktur der Verstandesregeln als durch diese erst ermöglicht begriffen werden. Da die Vernunft nur ein (in theoretischer Hinsicht) reflektierendes Vermögen darstellt, muss die durch sie gefundene Einheit auf einen logisch notwendigen Zusam-
Der Grund für diese Ordnung wird im nächsten Gliederungsabschnitt gegeben. Nikolai Klimmek hat nach Wissen des Autors erst als erster auf die Eindeutigkeit dieser Zuordnung hingewiesen, cf. Klimmek (), S. . Die Fichteschen Begriffe Ich, Nicht-Ich und absolutes Ich sind nicht deckungsgleich mit dem kantischen Begriffsgefüge, sofern es sich bei Kant nur um relative Setzungen im Denken handelt (cf. Kap. ..). Die Welt ist dasjenige, welches materialiter dem Ich als Subjekt der Vorstellungen als Referenzpunkt gegenübersteht, cf. hierzu Kap. ... Zur Legitmitiät des Absolutheitsbegriffes bei Kant cf. KrV, A f. | B f.; S. f., und Heimsoeth (), S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
menhang verweisen.²⁰³ Die Vernunft kann damit nur diejenigen Regeln zur Einheit bringen, welche in ihrem logischen Verbund diese erst ermöglichen. Die Einheit der Regeln wird zwar aus dem Prinzip erkannt, jedoch nicht durch das Prinzip gesetzt. Als Konsequenz dieser im Folgenden zu diskutierenden Interpretationsfrage wird zweitens zu klären sein, worin der bloße Vernunftbegriff der Seele als der ersten Idee in seiner reinen Notionsstruktur besteht. Dieser kann indes in nichts anderem liegen als im Begriff der ideal-funktionalen Subjektivität, i. e. der Apperzeption.²⁰⁴
Abb. 11: Ordnungsgefüge der Kategorientafel
Mit dem Bezug auf die reflektierende Urteilskraft rechtfertigt Kant den Gebrauch der Vernunft in Hinblick auf die besonderen Naturgesetze als Regulativ, cf. KdU, B XXVI; AA V, ; S. . Natterer betont richtigerweise, dass der Gegenstand der kantischen Kritik nicht die Existenz des kognitiven Subjektes betrifft, „sondern nur und genau apodiktische Behauptungen zur Geistseele als ontologisches Subjekt“. Natterer (), S. .
2.1 Die kantische Prinzipienlehre – Die Funktionen der Vernunft
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Ad (3): Die metaphysische Deduktion der Ideen kann mit dem Verweis auf die zwei Deduktionsschritte als abgeschlossen betrachtet werden. An der Abgeschlossenheit der metaphysischen Ideendeduktion ändert sich auch durch die Frage nach der konkreten Struktur der Notionseinheiten prinzipiell nichts. Analog wurde durch das Schematismuskapitel ebenfalls nicht das Ergebnis des § 24 der Kritik der reinen Vernunft revoziert, respektive substituiert.²⁰⁵ Es ist an dieser Stelle also nicht das Ziel der Interpretation, das Ergebnis der metaphysischen Deduktion in Frage zu stellen noch ihr Unternehmen von neuem zu beginnen, sondern es gilt, den Grund, respektive den Ursprung der durch die Ideen gestifteten Einheit vom Begriff dieser Einheit neu zu fassen. Die Kategorientafel ist in verschiedenen Hinsichten eingeteilt (s. Abb. 11), bzw. die Kategorien bilden untereinander unterschiedliche Einheiten. So umfasst die Viererteilung die Kategorieneinheit der vier Titel (Quantität, Qualität, Relation, Modalität). Die erste Zweiteilung bildet die Einheit der Kategorien erstens als Gegenstandsbestimmungen und zweitens als Bestimmungen der Existenz derselben, entweder in Beziehung auf einander (Relation) oder im Verhältnis auf die Bedingungen des Verstandes (Modalität). Kant nennt die eine Kategoriengruppe mathematisch, die andere dynamisch.²⁰⁶ Die zweite Zweiteilung betrifft eher die Urteilsebene der Kategorien, und zwar zwischen denjenigen Bestimmungen, welche sich auf den Inhalt eines Urteils beziehen (Quantität, Qualität und Relation) und solche, welche bloß auf seine Form Bezug nehmen (Modalität).²⁰⁷ Die vierte Einteilung, nämlich die Einheit der jeweiligen Momente gleichen Indizes, deutet sich zwar schon in der trichotomischen Struktur der logischen und erkenntnisfunktionalen Bestimmungsmomente an,²⁰⁸ jedoch wird sie erst durch die Einführung der Ideentrias zur begrifflichen Einheit gebracht. Vordringliche Frage ist also, ob die Einheit der Notionen, respektive die der Kategorien erst durch eine besondere Handlung der Vernunft zustande kommt, oder ob diese Einheit bereits in der Verstandesstruktur vorhanden ist. Leitet sich also die Einheit der Verstandesregeln aus der Vernunfteinheit ab,²⁰⁹ oder setzt die Vernunfteinheit die Einheit der Verstandesregeln voraus, welche diese nur noch auf Begriffe zu bringen braucht? Es ist leicht zu sehen, dass beide Lösungen sich wechselseitig zur Konsequenz haben, so dass die Interpretation notwendig auf einen Zirkel führt: Um die Einheit des Verstandes zu erzeugen, muss die Vernunft sich der Verstandesregeln – in einem unbedingten Gebrauch – bedienen.Wenn dies so ist, dann muss die Einheit des Verstandes aber
Cf. Kap. ... Cf. KrV, B ; S. . Cf. KrV, A f. | B f.; S. . Cf. KrV, B ; S. . Cf. Marx (), S. .
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bereits vor der Vernunfthandlung im Verstand selbst angelegt sein, da die Einheitsfunktion der Vernunft die faktische Einheit der Verstandesfunktionen logisch präsupponiert. Dieser Zirkel kann auch nicht dadurch aufgelöst werden, dass eine der Teilannahmen sich entweder als falsch oder aber als subsumierbar unter die andere erweist. Aufgabe der Interpretation muss also sein zu zeigen, dass es sich bei diesem Zirkel um einen notwendigen Zirkel handelt. Dies gelingt nur, wenn einsichtig gemacht werden kann, dass das Prinzip der Einheit des Verstandes und die reine Vernunfthandlung, respektive als Ergebnis die Vernunfteinheit als ihr Ergebnis letztlich identisch sind. Der erste Schritt zur Lösung dieser Schwierigkeit wurde bereits durch die Bestimmung der Vernunfthandlung als rekursive Verstandestätigkeit gemacht. Der Verstand als Denkvermögen im Allgemeinen nimmt als Vernunft auf seine eigenen Regeln Bezug, indem er diese unter allgemeine Regeln subsumiert oder von besonderen Regeln auf allgemeinere Gesetze reflektiert.²¹⁰ Der Verstand schafft also Einheit unter den Erscheinungen, indem er diese gemäß den Schemata Begriffen subsumiert, die Vernunft generiert eine Ordnung der Begriffe als Regeln, indem sie diese unter ein bestimmtes Prinzip stellt, welches im Begriff der Idee vorgestellt wird. Für die Verstandeshandlungen gilt, dass sie der Form nach der absoluten Einheit des Verstandes entspringen.²¹¹ Diese Einheit muss sich auf den Verstand als bloßes, mithin nicht auf die Sinnlichkeit bezogenes Vermögen beziehen, also den bloßen Verstand als reines Urteilsvermögen. Das Urteilsvermögen selbst ist wiederum durch die bloßen, d. h. unschematisierten Kategorien, die Urteilsfunktionen strukturiert. Die gestellte Aufgabe lässt sich daher nur lösen, wenn von der logischen Einheit des Verstandes gezeigt werden kann, dass diese ihren Ursprung in einer reinen, selbstbezüglichen Handlung des Verstandes hat. Diese gesuchte Handlung kann nun natürlich keine andere sein als die der Apperzeption. Damit ist die Untersuchung zu ihrem Kern gelangt: Der vollständigen Herleitung aller Urteils- und damit aller Verstandesfunktionen aus der ursprünglichen Struktur der Subjektivität, der Apperzeption. Mit Blick auf die Problemlage der metaphysischen Deduktion deuten sich sowohl das Problem als auch die Lösung der Frage nach der Einheit des Verstandes bereits an. So wurde der Verstand im Ausgang von Kapitel in 1.3.4 beschrieben als das sich bestimmend bestimmt denkende Denken. Galt dies in der metaphysischen Deduktion der Kategorien aus den logischen Funktionen des Verstandes nur für die einzelnen Begriffe, so greift die Frage nach der genetischen Deduktion weiter. Nicht nur die Selbstbestimmung des Denkens mittels seiner
Cf. KdU, B XXVI, AA V, ; S. f. KrV, A | B ; S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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logischen Funktionen, welche für die metaphysische Deduktion noch als gegeben angesehen wurden, steht zur Disposition, sondern die Herkunft der Funktionen selbst. Da die Funktionen selbst Modi der vier Bestimmungshandlungen darstellen, welche in den vier Titeln der Kategorientafel ausgedrückt sind, müssen diese Handlungen als Modi einer ursprünglichen Handlung ausgewiesen werden. Dass diese ebenfalls nur in der Selbstbestimmung des Denkens zu finden sein kann, ist Kern der folgenden Untersuchung. Es zeigt sich also, dass die Lösung der metaphysischen Deduktion bereits einen Vorgriff auf die genetische Deduktion darstellt.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes Die Apperzeption für den Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel zu nutzen, stellt keine neue Strategie dar. Den hierbei wegweisenden wie paradigmengebenden Ansatz bildet natürlich die Dissertation von Klaus Reich aus dem Jahre 1932. Der hier vorgelegte Beweisgang unterscheidet sich jedoch fundamental sowohl von dem Reichs als auch von den Ableitungsstrategien anderer Interpreten, sofern dieser vom Paralogismuskapitel der transzendentalen Dialektik und nicht von der transzendentalen Deduktion seinen Ausgang nimmt. Für diese prima facie ungewöhnlich anmutende Strategie gibt es mehrere Gründe: So besteht die primäre Aufgabe der transzendentalen Deduktion nicht in der Analyse des Selbstbewusstseins. In der Deduktion geht es vielmehr darum, die Gültigkeit der reinen Verstandesbegriffe für die Gegenstände der Erfahrung zu demonstrieren. Die Deduktion nimmt dabei nicht von der Apperzeption als apriorischer Struktur des Selbstbewusstseins ihren Anfang, sondern sie läuft in ihrer Beweisführung vielmehr auf die Apperzeption als ihren „höchsten Punkt“ zu. Setzt man also die Apperzeption an den Anfang der Deduktion, kehrte man die Richtung der kantischen Beweisführung um. Das Paralogismuskapitel dagegen hat den Vorteil, dass sich Kant in diesem direkt mit der Subjektivität, respektive mit dem Denken derselben beschäftigt. Er tut dies in der Dialektik primär unter dem Gesichtspunkt der Missbräuchlichkeit des Vernunftvermögens, welche in der Hypotypisierung des bloßen Vernunftbegriffs besteht. Bevor es jedoch zu den bekannten Fehlschlüssen der Vernunft in Bezug auf die Sinnlichkeit kommen kann,²¹² muss der „Gegenstand“ des Irrtums, die logische Form der Vernunfteinheit, idealiter vorhanden sein. Die Apperzeption in ihrer formalen Struktur ist
Die Vernunft irrt für sich genommen nie, sondern nur in Bezug auf die Sinnlichkeit, cf. KrV, A | B f.; S. .
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daher die logische Voraussetzung für den subreptiven Begriff des Selbstbewusstseins als Seele, i. e. die apperceptionis substantiatae. ²¹³ Von diesem lässt sich demnach die ursprüngliche Notionsstruktur der Apperzeption selbst ermitteln und damit auf die Urteilsfunktionen aus den Vollzugsweisen der Form des apperzeptiven Selbstbewusstseins schließen. Der Beweis kann jedoch dann erst als abgeschlossen betrachtet werden, wenn gezeigt werden kann, dass sich die Urteilsfunktionen aus der Selbstbestimmung des sich apperzipierenden Subjekts logisch gegenseitig fordern, so dass eine Ableitungsreihe der Urteilsformen erkennbar wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die Reihenfolge der Ableitung in der Reihenfolge der Paralogismen der Seelenidee wiederfindet. Die Deduktion der A und B Auflage wird anschließend diese Folgeordnung der Verstandeshandlungen (Relation, Qualität, Quantität und Modalität) geprüft. Es wird sich zeigen, dass sich diese ursprüngliche Ordnung der Kategorien sowohl in der transzendentalen Deduktion der Auflage von 1781 als auch in der von 1787 wiederfindet. Darüber hinaus wird diese Reihenfolge, mit Blick auf die Gliederungsabschnitte 3.1 und 3.3, auch in der Genesis der Erfahrung und in Bezug auf das transzendentale Objekt als Correlatum des Erfahrungsgegenstandes²¹⁴ eine grundlegende Rolle spielen.
2.2.1. Bemühungen um den Vollständigkeitsbeweis im Anschluss an Klaus Reich Der Beweis der Vollständigkeit der kantischen Urteilstafel gilt als eines der zentralen Desiderate der Kantforschung, dessen Bedeutung für die kantische Philosophie, insbesondere die Kritik der reinen Vernunft, in ihrer systematischen Relevanz kaum zu unterschätzen ist,²¹⁵ da sich sämtliche Bestimmungen Kants von der theoretischen über die praktische Philosophie bis hin zur Ästhetik, direkt oder indirekt auf die Urteilstafel beziehen.²¹⁶ Dass Kant gerade an diesem wichtigen Punkt der Kritik keinen Beweis für die Abgeschlossenheit der elementaren Urteilsformen vorlegt, wurde daher schon früh als zentrale Leerstelle (neben dem ungeklärten Begriff der Affektion) empfunden. Der scheinbare Widerspruch zu Kants eigener Forderung, dass die Kategorien nicht bloß „aufzuraffen“ sind, wie
KrV, A ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. Brandt (), S. . Diese systematische Bedeutung der Urteils-, respektive Kategorientafel betont besonders Lorenz (), S. ff.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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dies seiner Meinung nach Aristoteles getan habe,²¹⁷ sondern diese aus einem Prinzip abzuleiten sind,²¹⁸ verstärkte diese kritische Tendenz. Der wirkungsmächtigste Kritiker Kants ist sicherlich Hegel. Nach ihm habe Kant sich selbst dessen schuldig gemacht, was er Aristoteles’ Kategorienlehre vorwirft, nämlich die Kategorien bloß aufgegriffen zu haben. Die Vielheit der Kategorien aber auf irgend eine Weise wieder als einen Fund, zum Beyspiel aus den Urtheilen, aufnehmen, und sich dieselben so gefallen lassen, ist in der That als eine Schmach der Wissenschaft anzusehen […].²¹⁹ Die Kantische Philosophie begeht hierin eine weitere Inkonsequenz: sie entlehnt für die transzendentale Logik die Kategorien als sogenannte Stammbegriffe aus der subjektiven Logik, in welcher sie empirisch aufgenommen worden. Da sie letzteres zugibt, so ist nicht abzusehen, warum die transzendentale Logik sich zum Entlehnen aus solcher Wissenschaft entschließt und nicht gleich selbst empirisch zugreift.²²⁰ Glücklicherweise finden sich in der gewöhnlichen Logik die verschiedenen Arten des Urteils bereits empirisch angegeben vor. Urteilen aber ist Denken eines bestimmten Gegenstandes. Die verschiedenen schon fertig aufgezählten Urteilsweisen liefern also die verschiedenen Bestimmungen des Denkens. ²²¹
Diese Kritik Hegels wird an Schärfe noch von Windelband übertroffen. Seiner Ansicht nach „raffe“ Kant die Urteilsformen nicht einmal aus der Empirie auf, sondern finde sie in den Logiklehrbüchern seiner Zeit.²²² Damit wäre dem ursprünglichen Anspruch Kants, die Urteilsformen aus einem Prinzip gefunden zu haben, die größtmögliche Absage erteilt worden.
Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . PdG, GW IX, ; S. . Wissenschaft der Logik, GW XXII, . Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, GW XX, Cf. Windelband (), S. , Reich (), S. , Anm. , Wolff (), S. f., Janke (), S. . Hauck (), S. , vertritt dagegen die Ansicht, dass es sich bei der Urteilstafel um eine relativ eigenständige Leistung Kants handelt. Menne () kommt zu dem Schluss, dass Kants Urteilstafel weder dem Stand der Logik zur Zeit Kants (cf. op. cit., S. ) noch dem Stand der heutigen Logik (cf. op. cit., S. ) entspräche. „Wissenschaftstheoretisch“ sei also „das System der zwölf Verstandes-Kategorien unbegründet“ (ibid.), insofern selbiges auf der Urteilstafel fußt (cf. op. cit., S. .). Darauf, dass diese Einschätzung Mennes selbst unbegründet ist, sofern sie sich einseitig auf die bloß formal-logische Seite der Urteilstafel bezieht und damit ihre transzendental-logische Bedeutung ignoriert, welche in den Urteilsformen bereits angelegt ist, wurde mit Rücksicht auf ihre bestimmungslogische Funktion bereits hingewiesen (cf. Kap. ..). Dies wird sich auch im Folgenden mit Blick auf ihre Ableitung bestätigen.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
In summa kommen die Kritiker Kants darin überein, dass Kant keine genetische Ableitung der Kategorien unternommen habe, in der er deren Bedeutung und Gültigkeit aus einem Prinzip entwickelte, sondern die Kategorien bloß faktisch aufweist. Der Kern der kantischen Kritik erweise sich damit selbst als dogmatisch. Die ersten Kantianer, namentlich Reinhold und Fichte,²²³ versuchten daher dem Mißstand der fehlenden Ableitung durch die Einführung eines erstens Prinzips oder Grundsatzes²²⁴ abzuhelfen, von dem aus die Urteilsfunktionen, respektive Kategorien abgeleitet werden könnten.²²⁵ Dies führte bekanntlich im Laufe des deutschen Idealismus zu einer kreativen Bewegung, welche jedoch in ihren Ausgestaltungen mit dem ursprünglichen System des kritischen Idealismus wenig gemein hatte. In Anschluss an Hegel können zwei Haupttendenzen der Kantexegese und -kritik gefunden werden. Die eine, negative, verwirft die Urteilstafel, respektive die Art und Weise, mit der Kant sie vorlegt, in Gänze und bemüht sich um eine eigene Strategie zur Auffindung der elementaren Verstandesformen.²²⁶ Die andere, affirmierende zweifelt zwar nicht an der Gültigkeit oder Vollständigkeit der Urteilstafel, jedoch an der Möglichkeit ihrer Ableitung, so dass die Urteilsfunktionen als „’schlichte Voraussetzungen’ neben der Apperzeptionseinheit“²²⁷ stehen.²²⁸ Gerade im Gegensatz zu Fichte, der seine eigene Philosophie bekanntlich als Fundamentierungsprogramm des kantischen Systems verstand, zeigt sich der Konflikt um den kritischen Idealismus besonders frappant. So nahmen viele Kantianer zwar die Lücken im kantischen System, vornehmlich das Vollständigkeits- und Affektionsproblem, als (fundamentale) Schwierigkeiten wahr, zogen daraus jedoch nicht die Konsequenz, Fichtes Wissenschaftslehre zu folgen. Vor diesem Hintergrund wirkte die Dissertation von Klaus Reich aus dem Jahre 1932 geradezu als Befreiungsschlag, mit dem sich die kantische Philosophie gegen die Einwürfe der Fichtianer einerseits als auch gegen die der Hegelianer andererseits behaupten konnte.²²⁹
Zu Fichtes Deduktion der Kategorien cf. Janke (), S. ff. So bei Reinhold der „Satz des Bewusstseins“. Cf. Fichte () passim und Fichte (), S. . Fichtes Egologie und Hegels Dialektik sind hier beispielhaft. Wittek (), S. . So auch Heidegger: „In der Tat entwickelt Kant die Mannigfaltigkeit der Funktionen im Urteil nicht aus dem Wesen des Verstandes. Er legt vielmehr eine fertige Tafel vor, die nach den vier „Hauptmomenten“ Quantität, Qualität, Relation, Modalität gegliedert ist. Ob und inwiefern gerade diese Momente im Wesen des Verstandes gründen, wird gleichfalls nicht gezeigt.“ Heidegger (), S. f. Ähnlich in jüngerer Zeit: Baumanns (), S. , Lorenz (), S. ff. Ein guter Überblick über die Geschichte der Versuche, die Vollständigkeit der Urteilstafel zu demonstrieren, findet sich bei Brandt (), S. ff., und Baumanns (), S. ff.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
163
Nahezu alle Arbeiten²³⁰, die in jüngerer Zeit über die Frage der Vollständigkeit verfasst wurden, orientieren sich daher im positiven wie im negativen Sinne vornehmlich an der Reichschen Dissertation;²³¹ letzteres gilt für Reinhard Brandt²³², ersteres trifft auf Michael Wolff²³³ zu.²³⁴ Reichs Grundthese, dass sich die Titel und Momente der Urteilstafel aus der Einheit der Apperzeption herleiten ließen, kann dementsprechend als paradigmengebend bezeichnet werden. Brandt nimmt eine besondere Stellung unter den Kritikern der Reichschen These ein.²³⁵ Die Bedenken gegen diese betreffen sowohl Inhalt als auch Methode. Methodisch ist Reichs Vorgehen der Rekonstruktion eines von Kant intendierten, jedoch nicht umgesetzten Beweises der Vollständigkeit²³⁶ anhand von „apokryphen“ Fragmenten der sogenannten Reflexionen zweifelhaft.²³⁷ Nach Brandt muss sich der Beweis, wenn er denn zu finden sein sollte, innerhalb der A-Auflage der Kritik der reinen Vernunft befinden und zwar noch innerhalb des Leitfadenkapitels. Der Erläuterungstext (A 71– 76) müsse die Gründe für die Vollständigkeit der Momente geben.²³⁸ Reich stütze sich dagegen auf den Begriff der Apperzeption, welcher erstens seine prominente Stellung erst in der B-Auflage bekommt und zweitens in dem für Brandt maßgeblichen Leitfadenkapitel gar nicht vorkomme. Wolff hält dagegen, dass die Apperzeption mit dem Begriff des Verstandes identisch und als solche im Leitfadenkapitel zu finden sei.²³⁹ Generell sind die Einwände und Bedenken Brandts gerechtfertigt. Inwieweit durch diese jedoch ein Vollständigkeitsbeweis ausgeschlossen ist, wird im Folgenden zu zeigen sein. Auf der Basis von Brandts Kritik an Reich lässt sich allerdings ein Forderungskatalog erstellen, welcher die Paradigmen für einen möglichen Beweis liefern kann.
Der interessante aber nichtkantische Ansatz zum Beweis der Vollständigkeit von Ralf Wingendorf kann hier leider nicht diskutiert werden, cf. Wingendorf () und Baumanns (), S. . Cf. Reich (). Cf. Brandt (). Cf. Wolff (). Cf. Baumanns (), S. ff. Cf. Baumanns (), S. . Cf. Reich (), S. f. Cf. Brandt (), S. . Cf. Brandt (), S. . Cf. Wolff (), S. .
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2.2.2. Bedingungen zu einem Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel Den bisherigen Beweisversuchen und Einwänden lassen sich Bedingungen für den Vollständigkeitsbeweis entnehmen. Erstens sind Brandts methodische Einwände gegen Reich zu berücksichtigen: (1) Der Vollständigkeitsbeweis muss auf Basis der A-Auflage der Kritik der reinen Vernunft geführt werden. Es ist Brandt darin zu folgen, dass angesichts der eminenten Bedeutung der Urteilstafel Kant die Idee ihrer Vollständigkeit bereits in der A-Auflage gehabt haben müsse. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die B-Auflage für den Vollständigkeitsbeweis in Bezug auf die Klarheit der Beweisstruktur keine Relevanz besitzt. Mit der zweiten These konkretisiert Brandt die erste und verschärft diese noch: (2) Die Beweisgründe für die Vollständigkeit müssen im Leitfadenkapitel zu finden sein. Es ist evident, dass sich die Beweisgründe an demselben Ort befinden müssen, wie der Beweisgegenstand. Dies ist ein Gebot wissenschaftlicher Vernunft, welchem Kant entsprochen haben dürfte. Damit geht jedoch keineswegs einher, dass der Beweis selbst dort zu finden sein müsse.²⁴⁰ Im Leitfadenkapitel geht es Kant eben nicht um die genetische Deduktion der Urteilstafel und den Beweis ihrer Vollständigkeit, sondern um die Auffindung der Kategorien. Das zur Bestätigung der Ableitungsabsicht der Urteilstafel von Wolff herangezogene Zitat²⁴¹ ist dementsprechend auch nicht in der von ihm insinuierten Weise zu interpretieren. Die Funktionen des Verstandes können also insgesamt gefunden werden, wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollständig darstellen kann. Daß dies aber sich ganz wohl bewerkstelligen lasse, wird der folgende Abschnitt vor Augen stellen.²⁴²
Mit dem Ausdruck „vor Augen stellen“ betont Kant die Kongruenz der Urteils- und Kategorientafel. An dieser Stelle ist noch keine Rede von einer Deduktion der
Baumanns betont den „exzessiven Charakter“ der Bemühungen Brandts, sich gänzlich in seiner Beweisführung auf das Leitfadenkapitel stützen zu wollen und damit Kants eigenen Hinweis, sich der „Idee des Ganzen zu bemächtigen“ (cf. KrV, A | B , S. .), zu ignorieren, cf. Baumanns (), S. . Wolff (), S. . KrV, A | B , S.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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Kategorien als Begriffe aus den elementaren Urteilsformen, sondern es wird nur auf die synoptische Evidenz ihrer Kongruenz Bezug genommen.²⁴³ Die Interpretation Wolffs, dass Kant aus den Urteilsformen, die Urteilsfunktionen ableiten wolle, beruht auf einem von Baumanns²⁴⁴ als unkantisch erwiesenen Beweisfundament, i. e. seine Unterscheidung zweier „ineinandergeschobener Tafeln“.²⁴⁵ Mit den „Funktionen des Verstandes“ sind die Kategorien gemeint, die als begriffliche Funktionen des Verstandes als Denkvermögen aus den logischen Funktionen des Verstandes als Urteilsvermögen gewonnen werden. Das Zitat ist daher nicht „änigmatisch“²⁴⁶, sondern greift die vorher von Kant eingeführte Unterscheidung des Verstandes als Denk- und Urteilsvermögen auf und bezieht sich damit direkt auf die Absicht der metaphysischen Deduktion. Zusätzlich zu diesen äußeren Bedingungen müssen zweitens für den Vollständigkeitsbeweis selbst bestimmte systematische Paradigmen erfüllt sein: So bildet die Ableitung der Urteilsformen aus einem Prinzip sicherlich die zentrale Forderung. Erst wenn die einzelnen Verstandesfunktionen als Grundbegriffe der Transzendentalphilosophie „nach einem Prinzip“²⁴⁷ ermittelt werden, kann der Beweis als geglückt gelten. Dass es sich nicht um eine Vielheit verschiedener Prinzipien handeln kann, ist darüber hinaus durch den logischen Gebrauch der Vernunft postuliert, welche die Rückführung der Regeln auf die kleinst mögliche Anzahl an Prinzipien fordert.²⁴⁸ Für den gesuchten Vollständigkeitsbeweis der Urteilstafel gilt also: (3) Alle Urteilsfunktionen müssen aus einem Prinzip abgeleitet werden. Die Forderung, dass die Ableitung der Begriffe des reinen Verstandes aus einem Prinzip zu geschehen hat, stellt Kant selbst. Die Transzendentalphilosophie hat den Vorteil, aber auch die Verbindlichkeit, ihre Begriffe nach einem Prinzip aufzusuchen; weil sie aus dem Verstande, als absoluter Einheit [Hervorhebung, M. B.], rein und unvermischt entspringen, und daher selbst nach einem Begriffe, oder Idee [Hervorhebung, M. B.], unter sich zusammenhängen müssen. Ein solcher Zusammenhang aber gibt eine Regel an die Hand, nach welcher jedem reinen Verstandesbegriff seine Stelle und allen insgesamt ihre Vollständigkeit a priori bestimmt werden kann, welches alles sonst vom Belieben, oder vom Zufall abhängen würde.²⁴⁹
Cf. Brandt (), S. . Cf. Baumanns (), S. . Wolff (), S. . Cf. Brandt (), S. . KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . KrV, A | B , S. .
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Diese Textstelle ist von ausgesprochener Wichtigkeit für die Frage der Vollständigkeit, da sie die entscheidenden Hinweise darauf gibt, die zum bestimmungslogischen Vollständigkeitsbeweis führen werden, nämlich erstens worin das Prinzip besteht, aus dem die reinen Verstandesbegriffe abzuleiten sind; zweitens in welchem Zusammenhang die Verstandesbegriffe zueinander stehen; drittens, wo der Beweis der Vollständigkeit zu lokalisieren ist.²⁵⁰ Aus dem dritten Paradigma lassen sich weitere, direkt mit diesem verbundene Bedingungen für das Gelingen des Vollständigkeitsbeweises ableiten. Wenn gefordert wird, dass sich der gesuchte Beweis nur erbringen lässt, wenn die Urteilsformen aus einem Prinzip abzuleiten sind, dann scheiden prima facie erstens solche Versuche aus, welche nicht die begriffliche Einheit des Prinzips berücksichtigen, zweitens solche, welche die Transzendentalität des gesuchten Prinzips missachten. Das Prinzip kann also erstens nicht eine zufällige, aggregative Einheit bilden, sondern diese muss sich notwendig aus dem Begriff des Prinzips selbst ergeben. Zweitens kann das Prinzip nicht einfach empirisch aufgefunden werden, sondern als transzendentales muss es sich notwendig in der Subjektstruktur finden lassen. Wenn man dies zusammen nimmt, dann kommt als das gesuchte Prinzip nur die Apperzeption selbst in Frage. Wenn die Urteilstafel also aus einem Prinzip abgleitet werden soll, dann kann dieses Prinzip nur identisch sein mit der Apperzeption. Daher ergibt sich aus der Bedingung (3) notwendig: (3a) Alle Urteilsfunktionen müssen aus der Apperzeption abgeleitet werden. Mit der Prämisse, die Urteilstafel aus der Apperzeption abzuleiten, sind natürlich die bereits mit dem Reichschen Versuch verbundenen Probleme und Einwände verknüpft, die es zu lösen und zu entkräften gilt. Darüber hinaus lassen sich noch zwei weitere Bedingungen formulieren, die für die Ableitung der Urteilsformen aus der Apperzeption notwendig erfüllt sein müssen: Eine direkte und eine auf die Interpretation bezogene.²⁵¹ Wenn die Ableitung gelingen soll, dann muss unmittelbar gelten, dass „transzendentales Bewußtsein bzw. Apperzeption einerseits und die logische Form als das Verhältnis zum transzendentalen Bewußtsein andererseits“²⁵² in einem Ableitungsverhältnis zueinander stehen. Mit Bezug auf die Reflexivität des transzendentalen Bewusstseins lässt sich dieses Ableitungsverhältnis der Urteilsformen als Verbindungsarten der Vorstellungen in einem
Der dritte Punkt betrifft auch die weiteren Bedingungen () und (), nämlich die immanente Ordnung der Urteilsfunktionen. Diese wird unter Punkt () diskutiert. Die hier genannten Bedingungen finden sich in ähnlicher Form bei Brandt, der diese jedoch für unüberwindlich hält, cf. Brandt (), S. f. Wittek (), S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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möglichen Urteil konkretisieren, so dass sich als zweite Folgebedingung von (3) ergibt: (3b) Alle Verbindungsarten der Vorstellungen mit der Apperzeption müssen sich aus der reflexiven Struktur der Apperzeption selbst ergeben. Für die Binnenstruktur der Ableitung der Urteilsformen lassen sich wiederum zwei Bedingungen finden. Die erste betrifft das Verhältnis der einzelnen Momente zu ihren Titeln. Die einzelnen Urteilsformen und Kategorien sind bekanntlich als Momente vier verschiedenen Titeln untergeordnet. Diese Beziehung der drei Momente zu ihren Titeln ist wesentlich zum Verständnis der Tafeln überhaupt. Die vier Titel sind nicht bloße Klassen, welche je drei Elemente enthalten,²⁵³ sondern ihre Elemente sind darüber hinaus M o m e n t e der Titel. Ein Moment ist immer wesentlich „Moment von“. Das Moment-sein impliziert also nicht die bloße Subsumtion unter etwas, sondern Bestimmung von etwas. Die Urteilstitel, welche die elementaren Bestimmungshandlungen bezeichnen, sind daher bestimmt durch die Gesetze dieser Handlung, respektive fixiert durch die reinen Verstandesfunktionen.²⁵⁴ Die reinen Verstandesbegriffe sind daher Momente der reinen Verstandeshandlungen, sofern sie die Regeln der Verstandeshandlungen bezeichnen. Der Vollständigkeitsbeweis muss also zum einen dieser logischen Reihenfolge von Handlung und Fixierung der Handlung, d. h. von Titel und Moment folgen, zum anderen muss er der Trichotomie der Verstandesfunktionen Rechnung tragen, also ihr Ableitungsverhältnis als Momente innerhalb der Titel berücksichtigen. Als vierte Bedingung muss dementsprechend folgendes gewährleistet sein: (4) Die trichotomisch geordneten Urteilsformen müssen aus ihrem Titel gewonnen werden. Die vierte Bedingung blieb auf das Ableitungsverhältnis der Momente innerhalb ihres jeweiligen Titels beschränkt. Ein Vollständigkeitsbeweis, so er denn zu führen sein sollte, muss jedoch auch zeigen können, wie sich die reinen Verstandesbegriffe über ihre jeweiligen Titel, einerseits zum Prinzip der Ableitung, der Apperzeption, andererseits innerhalb einer Ableitungsreihe zueinander verhalten. Es muss also gezeigt werden können, wie erstens die Titel und zweitens die Momente auseinander zu gewinnen sind. Damit ergibt sich als fünfte Bedingung: Zum Klassenbegriff der Kategorientitel und Ideen, cf. Klimmek (), S. . cf. Kap. ... Es findet sich bei Kant ebenfalls eine Theorie freien Schematisierens, welche wesentlich für das Verständnis seiner Ästhetik ist, cf. Exkurs: F) Das Schöne als Symbol des Sittlichguten, S. .
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(5) Die Urteilsformen müssen eine deduktive Ableitungsstruktur aufweisen. Die sechste und letzte Bedingung betrifft sowohl indirekt die Methode als auch direkt die Systematik des Vollständigkeitsbeweises. Brandt insistiert mit einigem Recht darauf, dass, wenn „die Urteilstafel aus dem Ich produziert“²⁵⁵, wird, nicht klar ist, woher die Regeln für diese Ableitung stammen sollen. Kant, so scheint es, gibt hierzu dem Interpreten keinen Hinweis an die Hand. Es hat also den Anschein, als dass nur die Möglichkeit bestünde, eine Ableitung im Sinne Reichs „auf eigene Faust“²⁵⁶ zu versuchen. Dann jedoch, so Brandt, müsse auf jegliche Kantinterpretation, respektive auf den Anspruch, eine solche geliefert zu haben, verzichtet werden.²⁵⁷ Wie also einerseits eine Ableitung der Urteilsformen überhaupt im kantischen Sinne vollständig gelingen kann und dabei andererseits diese Vollständigkeit unabhängig vom gewünschten Ergebnis, nämlich der Listung aller Urteilsformen, als bewiesen gelten darf, ist eine zentrale Schwierigkeit der Interpretation. Trotz unserer Grundannahme, dass Kant sehr wohl Hinweise auf die Ableitungsregel der Urteilsformen gegeben hat, ist Brandt darin Recht zu geben, dass die Versicherung der Vollständigkeit der Ableitung nicht nur davon abhängen darf, dass das Ziel, die Urteilstafel, erreicht wurde. Es muss für einen tatsächlichen Vollständigkeitsbeweis ein logisches Kriterium geben, welches die Geschlossenheit der Ableitung verifiziert. Daher gilt: (6) Die Vollständigkeit ist erst dann bewiesen, wenn die Annahme eines weiteren Momentes einen logischen Widerspruch implizierte. Mit dieser Forderung muss der Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel gleichzeitig der Beweis ihrer logischen Geschlossenheit sein. Der Verweis auf die bloße Assertion aller Momente und Titel reicht nicht aus, um diese Geschlossenheit hinreichend zu demonstrieren. Nach Brandt ist es für eine wirkliche Ableitung der Urteilstafel aus der Apperzeption notwendig, dass neben den bekannten Urteilsformen der Tafel auch die Grundsätze der Logik aus der ursprünglichen Einheit der Apperzeption zu gewinnen sind.²⁵⁸ Da Kant nicht explizit auf diese Notwendigkeit hinweist, jedoch eine solche Herleitung sinnvoll erscheint, wird noch zu zeigen sein, dass der Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel die Ableitung der logischen Grundsätze mitliefert. Damit dies überhaupt gelingen kann, muss darüber hinaus gezeigt
Brandt (), S. . Reich (), S. . Cf. Brandt (), S. . Cf. Brandt (), S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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werden, dass aus dieser, wenngleich sekundären Beweisabsicht keine petitio principii für die gesamte Beweisstruktur folgt, indem die logischen Grundsätze für den gesuchten Beweis der Vollständigkeit etwa bereits vorausgesetzt wären. Als zusätzliche Bedingung für den Beweis kann daher unter siebtens Folgendes gefasst werden: (7) Die elementaren logischen Grundsätze müssen mit dem Prinzip der Einheit der kantischen Urteilstafel gegeben sein. Aus dem bisher Gesagten lässt sich für die bisherigen Bemühungen, die Vollständigkeit der Urteilstafel zu beweisen, ein negatives Resümee ziehen. Keiner der bisherigen Versuche erfüllt alle sieben Bedingungen: Reichs Versuch ist methodisch zweifelhaft, sofern die Bedingungen (1) und (2) nicht erfüllt werden. Zwar erfüllt er durch seine Ableitung der Tafel der Urteilsformen aus der Apperzeption die Bedingung (3), jedoch trägt er weder der trichotomischen Ordnung in Bezug auf die Verhältnisstruktur der Momente in Ansehung ihrer Titel Rechnung (4), noch weist seine Interpretation eine kohärente Bedingungsstruktur innerhalb der Urteilstafel selbst auf, so dass die Bedingung (5) nicht erfüllt sein kann. Brandt bemüht sich im Gegensatz zu Reich um methodisch-hermeneutische Einsichtigkeit. Da er jedoch die Urteilstafel nicht aus einem Prinzip ableitet, sondern vom apophantischen Musterurteil p(x& her entwickelt, bleiben die Bedingungen (3) bis (5) unberücksichtigt. Wolffs elaborierter Ansatz, der eine Reformulierung der Reichschen Grundidee auf Basis der Kritik Brandts anstrebt, erfüllt die Bedingungen (1) bis (3). Unabhängig von der kontestabelen Prämisse der ineinander geschobenen Formen- und Funktionstafel resultiert jedoch aus Wolffs Ablehnung der Idee einer Deduktion der Urteilsformen²⁵⁹ die Nichterfüllung der Bedingungen (4) bis (5). A minori erfüllen alle drei Interpretationsstrategien nicht die logische Bedingung (6) und auch nicht die Zusatzbedingung (7).
2.2.3. Die vierfache Komplexion des Apperzeptionsbegriffes Den ersten Schritt zum Vollständigkeitsbeweis der Urteilsformen bildet die Analyse ihres Ableitungsprinzips, also der Apperzeption. Da ihr Begriff eng mit Kants Projekt der transzendentalen Deduktion der Kategorien verbunden ist, stellt es für das Verständnis der Apperzeption und ihrer Beziehung auf das transzendentale Wolff (), S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Subjekt der Erkenntnis eine Notwendigkeit dar, ihre Funktion innerhalb der Deduktion auf ihre Möglichkeit hin zu bestimmen. Der aus dieser Analyse gewonnene Begriff der Apperzeption ist danach auf seine inhärente, kategoriale Struktur zu untersuchen, um damit seine Verzahnung mit der Tafel der Urteilsformen offenzulegen.²⁶⁰ Erst danach kann versucht werden, die Tafel der Urteilsfunktionen aus der inhärenten Notionsstruktur der Apperzeption abzuleiten. Damit der Beweis dieser Ableitbarkeit der Urteilsformen aus der ursprünglichen Einheit der Apperzeption jedoch erbracht werden kann, muss von dieser dreierlei gezeigt werden: I.
Die Einheit der Apperzeption stellt eine Prinzipieneinheit dar und ist damit im weitesten Sinne aus einer Vernunfttätigkeit gewonnen, wie sie in 2.1 beschrieben wurde.²⁶¹
Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, kann die Einheit der Verstandesregeln aus der Apperzeption als reflexive Denkhandlung einsichtig gemacht werden. II. Die Einheit der Apperzeption ist identisch mit dem Einheitsprinzip des Verstandes. Von dieser Bedingung hängt die Möglichkeit ab, die von Kant selbst geforderte Verbindlichkeit der Transzendentalphilosophie einzulösen, „ihre Begriffe nach einem Prinzip aufzusuchen; weil sie aus dem Verstande, als absoluter Einheit, rein und unvermischt entspringen […].“²⁶² Erst mit der Erfüllung der dritten Bedingung jedoch ist der Boden für den Vollständigkeitsbeweis der Urteilstafel vollends bereitet: III. Diese Einheit der Apperzeption muss als der reine, unschematisierte, d. h. bloße Verstand selbst erwiesen werden. Erst vor dem Hintergrund der dritten Bedingung kann die Identität von apperzeptiver Notions- und formaler Verstandesstruktur verständlich werden. Dem Erreichen dieser Zwischenziele auf dem Weg zum Vollständigkeitsbeweis sind jedoch Widerstände in den Weg gesetzt. Diese betreffen einerseits das Be-
Im Gegensatz zu Guyer (), S. ff., vertreten wir die Ansicht, dass die Apperzeption keineswegs einen (formal‐)leeren Begriff darstellt, sondern bereits in der transzendentalen Deduktion ihre Prinzipienstruktur offenbart. Zur Kritik an Guyer, cf. Baumanns (), S. f. Pissis (), S. , bezeichnet die Apperzeption unumwunden als Begriff eines Unbedingten und damit als Idee. KrV, A | B , S..
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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weisziel der transzendentalen Deduktion und damit einhergehend ihren Beweisgang. Kant geht es in der transzendentalen Deduktion primär nicht um die Analyse der Apperzeption und der von ihr abhängigen Urteilsformen, sondern um die Frage, wie die Kategorien apriorische Bestimmungen des Erfahrungsgegenstandes sein können, mithin wie „subjektive Bedingungen des Denkens [] objektive Gültigkeit“²⁶³ haben sollten. Die Legitimität der „Konnexion von Affektion und Funktion“²⁶⁴, i. e. die begriffliche, innerkategoriale Korrelation der subjektursprünglichen Idealfunktionen des bloßen Urteilsvermögens und der objektbezogenen Realfunktionen der produktiven Einbildungskraft muss, über die bloße Apophansis ihrer Relation in der metaphysischen Deduktion hinaus, mittels einer transzendentalen eigens erwiesen werden. Andererseits ist der Begriff der Apperzeption selbst wohl eines der am schwierigsten zu fassenden Theorieelemente der kantischen Philosophie. Ursache hiervon ist zum einen die „äußerst schmale Textbasis“²⁶⁵, auf die sich eine Interpretation der Apperzeption stützen kann, zum anderen die Ambiguität²⁶⁶ des Apperzeptionsbegriffes selbst, welche diesen trotz seiner Zentralität für die kantische Philosophie insgesamt derart schillernd erscheinen lässt. Diese inneren Gründe für die Intransparenz des Begriffs der Apperzeption liegen in verschiedenen, letztlich nicht vollständig geklärten Verhältnissen der Apperzeption zu anderen Elementen der kantischen Theorie. Diese gilt es aufzudecken und transparent zu machen. Die erste wesentliche Bestimmungshinsicht der Apperzeption ist ihre Verbindung zum Subjekt der Vorstellungen einerseits, d. h. zu demjenigen, welches sich im Erkenntnisakt seine Vorstellungen als Prädikate zuschreibt, andererseits zum Objekt der Vorstellungen, also demjenigen, welches im Erkenntnisakt Referent der Vorstellung in der Erscheinung ist. Der Vorstellungsgegenstand, sofern er aus der Perspektive des transzendentalen Subjektes und nicht des transzendentalen Objektes gedacht wird, bezieht sich zum einen auf die Art und Weise seiner Gegebenheit, zum anderen auf die subjektive Bedingung der Möglichkeit seines Gegebenseins als Erfahrungsgegenstand.²⁶⁷ Somit lassen sich bereits drei grundlegende Verhältnisse der Apperzeption eruieren, die es zu bestimmen gilt: Erstens ist das Verhältnis des apperzeptiven Selbstbewusstseins zum transzen-
KrV, A | B ; S. . Baumanns (), S. . Horstmann (), S. . Cf. Guyer (), S. ff., und zu Guyer cf. Natterer (), S. ff. Natterer erkennt die Ambiguität des Apperzeptionsbegriffes richtig als „Äquivalenz (in der kantischen Theorie) von Einheit des Objektes und Einheit des Bewusstseins“, Natterer (), S. . Das Gegebensein des Erfahrungsgegenstandes von der Perspektive des transzendentalen Objektes im Durchgang durch die Sinnlichkeit wird in Kapitel . zu diskutieren sein.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
dentalen Subjekt als Reflexionsobjekt dieses Bewusstseins aufzuklären; zweitens die Beziehung der Apperzeption zu den Erkenntnisvermögen dieses Subjekts und drittens das Verhältnis der Apperzeption zu den Vorstellungen des Subjekts als Gegenstandsbewusstsein. Da durch den Bezug der Vorstellungen auf die Einheit der Apperzeption die Verbindung des rezeptiv Gegebenen und der verstandesfunktionalen Synthesis erst etabliert wird, kann der Bezug der Apperzeption auf die Sinnlichkeit nur mittels ihrer Verbindung mit den oberen Erkenntniskräften begriffen werden. Daher ist zunächst die Verbindung der Apperzeption mit den oberen Erkenntnisvermögen zu betrachten, namentlich dem Verstand als Urteilsund Bestimmungsvermögen des Gegenstandes, i. e. als transzendentale Einbildungskraft. Hieraus ergibt sich die Bestimmungsnotwendigkeit der Apperzeption in vierfacher Hinsicht: (a) (b) (c) (d)
Im Verhältnis zum Subjekt Im Verhältnis zur bloßen Verstandesform Im Verhältnis zur Einbildungskraft (als dem reinem Verstand)²⁶⁸ Im Verhältnis zu den Vorstellungen
Das Besondere, welches sich in der Analyse der Apperzeption in Rücksicht auf diese vier Verhältnismöglichkeiten findet, besteht darin, dass sich durch diese anscheinend widersprechende Bestimmungen der Apperzeption finden lassen, wie sich anhand der Analyse des § 16 der transzendentalen Deduktion nachweisen lässt. So charakterisiert Kant die Apperzeption einerseits in Hinblick auf die Vorstellung der ursprünglichen Einheit des Subjekts als das „Ich denke“. Das: Ich denke, muß alle meine Vorstellungen begleiten können; denn sonst würde etwas in mir vorgestellt werden, was gar nicht gedacht werden könnte, welches eben so viel heißt, als die Vorstellung würde entweder unmöglich, oder wenigstens für mich nichts sein. Diejenige Vorstellung, die vor allem Denken gegeben sein kann, heißt Anschauung. Also hat alles Mannigfaltige der Anschauung eine notwendige Beziehung auf das: Ich denke, in demselben Subjekt, darin dieses Mannigfaltige angetroffen wird.²⁶⁹
Das von Kant hier vorgelegte Argument, dass der Bezug auf die Vorstellung des Ich denke notwendig sei, da ohne diesen jede Anschauung als Vorstellung unmöglich wäre, lässt sich folgendermaßen rekonstruieren: (1) Wenn X eine Vorstellung ist, dann muss X von der Vorstellung „Ich denke“ begleitet werden können. Bekanntermaßen bildet die Einbildungskraft kein autonomes Erkenntnisvermögen in der Auflage B, cf. Kap. ... KrV, B f.; S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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(2) Wenn X nicht von der Vorstellung „Ich denke“ begleitet werden kann, dann kann X nicht gedacht werden. (3) Wenn X nicht gedacht werden kann, dann ist X entweder keine Vorstellung oder X kann für mich keine Vorstellung sein.²⁷⁰ (4) Also muss jede Vorstellung von der Vorstellung „Ich denke“ begleitet werden können.²⁷¹ (5) Es existiert eine Vorstellung, welche vor jedem Denken liegt: Anschauung.²⁷² (6) Nun muss es nach (4) möglich sein, dass jede Vorstellung von dem „Ich denke“ begleitet wird. (7) Es ist also nicht möglich, dass eine Anschauung nicht vom „Ich denke“ begleitet werden kann. (8) Also ist der Bezug jeder Anschauung auf das „Ich denke“ notwendig,²⁷³ (sofern sie vom selben Subjekt gedacht wird.)²⁷⁴ Der hier von Kant explizierte Konstitutionszusammenhang der Möglichkeit einer Vorstellung mit der Notwendigkeit des vorstellungsermöglichenden Bezuges der Anschauung auf die nicht-empirische, da auf einem Aktus der Spontaneität beruhende Begleitvorstellung des Cogitos bildet die erste Erklärung der Apperzeption, welche er reine Apperzeption nennt. Diese Vorstellung aber ist ein Aktus der Spontaneität, d. i. sie kann nicht als zur Sinnlichkeit gehörig angesehen werden. Ich nenne sie die reine Apperzeption, um sie von der empirischen zu unterscheiden, oder auch die ursprüngliche Apperzeption, weil sie dasjenige Selbstbewußtsein ist, was, indem es die Vorstellung Ich denke hervorbringt, die alle anderen muß
Kant lässt in diesem Schritt bewusst offen, ob es eine Vorstellung von etwas geben kann, was von uns niemals vorgestellt werden kann. Klassische Kandidaten für nichtmenschliche Träger solcher Vorstellungen wären Gott, die Engel, Adam vor dem Sündenfall oder sogar außerirdische Intelligenzen. Die Möglichkeit der Begleitvorstellung der Apperzeption im Kontrast zur Wirklichkeit ihres Begleitens ist von großer Bedeutung für die gesamte Theorieanlage von Kants Lehre des transzendentalen Selbstbewusstseins und wird dementsprechend im Folgenden eine große Rolle spielen, insbesondere in der Auseinandersetzung mit dem von Klass problematisierten Rahmen seiner adäquaten Interpretation am Ende dieses Gliederungsabschnittes. Das Vorgängige der Anschauung muss in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Synthesis gelesen werden, welches alles Denken abzweckt. Dies wird im Zusammenhang der Unterscheidung der Empfindungsmannigfaltigkeit vor und in der Wahrnehmung wesentlich sein. Cf. Kap. .. und ... Aus dem „nicht-möglich, dass nicht“ folgt modallogisch die Notwendigkeit und vice versa. Die Notwendigkeit des Bezuges muss, um logisch zwingend zu sein, als Notwendigkeit des Begleitenkönnens und nicht des Begleitens aufgefasst werden.
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begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann.²⁷⁵
Bemerkenswert an dieser weiteren Erklärung ist, dass Kant von der Erklärung der Nichtempirizität der synthetisierenden Ichvorstellung direkt zu ihrem Ursprung in der Spontaneität überleitet, ohne dabei zwischen dem Gegründetem, i. e. der hervorgebrachten Vorstellung des „Ich denke“, und seinem Grund, i. e. die sie hervorbringende Spontaneität als ursprüngliche Apperzeption, zu unterscheiden. Im Ausdruck „oder auch“ deutet sich dagegen eine Synonymitätsbeziehung an. Damit liegt es nahe, die Apperzeption mit dem Ich als Subjekt der apperzeptiven Vorstellung des eigenen Denkaktes zu identifizieren.²⁷⁶ Dies brachte viele Autoren, wie beispielsweise Heimsoeth,²⁷⁷ dazu, die Vorstellung der ursprünglichen Apperzeption mit der gänzlich unerkennbaren Idee des Ichs an sich selbst zu identifizieren, woraus sich die Unerkennbarkeit der Apperzeption selbst ergebe.²⁷⁸ „Was ich von mir erkenne, kann immer nur das (auf Grund zeitlicher Anschauung im inneren Sinne) „bestimmbare“ Ich sein: „empirische“ Apperzeption und nicht die reine.“²⁷⁹ Ebenso versteht Peter Rohs die transzendentale Apperzeption „als gleichbedeutend mit „Ich“ oder „Selbst““.²⁸⁰ Eine andere Interpretation, welche jedoch im Kern der Gleichsetzung von Apperzeption und apperzipierendem Subjekt folgt, ist die Rolf-Peter Horstmanns. Dieser versucht, die Relation von Apperzeption und denkendem Subjekt als dynamisch-prozessuale gleichursprünglich zu denken.²⁸¹ In Entgegnung der an Jacobi anschließenden Kantkritik an der Lehre von der Unerkennbarkeit der Ansichstruktur und der damit einhergehenden Virtualität von Welt- und Selbsterfahrung versucht Horstmann deutlich zu machen, dass diese auf einer fehlgeleiteten, substantialistischen
KrV, B ; S. . Rosales (), S. , dagegen bestimmt die Apperzeption als Grund der eigentlichen Zugänglichkeit des Subjektes zu sich selbst, ohne jedoch erkenntnisermöglichend zu sein. Ähnlich auch Sturma (), S. . Cf. Heimsoeth (), S. f., gegen die Auffassung von Heimsoeth cf. Zobrist (), S. , Anm. . Die Differenz von transzendentalem Subjekt und transzendentaler Apperzeption wird für den bestimmungstheoretischen Vollständigkeitsbeweis von Bedeutung sein. Ebenso betont Wolfgang Cramer die Differenz: „Kant hat das Subjekt nicht mit dem Bewußtsein oder Denken identifiziert. Hätte er das getan, dann würde seine Lehre vom transzendentalen Subjekt und seiner Unerkennbarkeit keinen Sinn haben.“ Cramer (), S. . Heimsoeth (), S. . Rohs (), S. Cf. Horstmann (), S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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Vorstellung der Apperzeptionseinheit beruhe.²⁸² Er vertritt dagegen die Position, dass Apperzeption und Synthesis der Vorstellungsmannigfaltigkeit in einer Art kogenetischer Korrelation zueinander stünden.²⁸³ Der Akt des Aufnehmens geht einher mit der Konstitution dessen, in das aufgenommen wird, d. h. die Einheit der Apperzeption wird im Aufnehmen von Mannigfaltigem selbst erst hergestellt.²⁸⁴
Horstmanns Ansatz hat den scheinbaren Vorteil, dass sich die Relation (a), i. e. die Beziehung der Apperzeption auf das Subjekt des transzendentalen Bewusstseins, auf die Beziehung der Vorstellungseinheit zur Mannigfaltigkeit reduzieren lässt (d).²⁸⁵ Damit scheint einerseits die Annahme einer logisch vorgängigen Einheit der Apperzeption, andererseits die Annahme eines transzendenten Grundes des Transzendentalen überflüssig. Das transzendentale Subjekt der Vorstellung wird in Horstmanns Interpretation so zum bloßen Adhärens der Verbindung von Apperzeptionseinheit und Vorstellungmannigfaltigkeit degradiert.²⁸⁶ Diese Verbindung illustriert Horstmann durch das Bild der Gravitationsbindung innerhalb eines Doppelplanetensystems, wie sie beispielsweise zwischen Pluto und seinem Mond Charon besteht. Wie es kein Gravitationszentrum ohne gravitierende Körper gäbe, so gibt es auch keine Einheit der Apperzeption ohne (empirisch gegebene) inhaltsvolle Vorstellungen, und umgekehrt: wie es keine gravitierenden Körper ohne ein Gravitationszentrum gäbe, so gibt es auch für das Subjekt keine Vorstellungsinhalte, ohne dass es zu ihnen eine Einheit der Apperzeption gibt.²⁸⁷
Horstmann bezeichnet dies als „dynamisch-prozessuales“²⁸⁸ Modell der Einheit der Apperzeption. Er betont damit mit einem gewissen Recht den transzendentalen Aspekt der Apperzeption, wobei die Bedeutung des Transzendentalen des
Cf. Horstmann (), S. . Ähnliches hatte bereits Gurwitsch (), S. ff., vorgeschlagen. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer „aktivistische[n] und funktionalistische[n] Auffassung des Geistes bei Kant“, op. cit. S. . Horstmann (), S. . Ein ähnlicher Vorschlag findet sich bei Rosales (), S. : „So sind die Synthesis der Einbildungskraft und das Bewußtsein ihrer Einheit als wirkliche Handlungen die Bedingung der Möglichkeit, daß der Akt der Apperzeption zur Wirklichkeit kommt.“ Die ebenfalls mit einer solch exklusivistischen Interpretation verbundene Ablehnung der Möglichkeit des Transzensus wird noch zu diskutieren sein. Horstmann (), S. . Horstmann (), S. .
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Selbstbewusstseins hierbei hinsichtlich seiner Einheitsfunktion in Bezug auf die Gegenstandskonstitution aus der Anschauungsmannigfaltigkeit zu spezifizieren ist. Genau diese Funktion findet sich im Folgeabschnitt des § 16 erörtert. Ich nenne auch die Einheit derselben die transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins, um die Möglichkeit der Erkenntnis a priori aus ihr zu bezeichnen. Denn die mannigfaltigen Vorstellungen, die in einer gewissen Anschauung gegeben werden, würden nicht insgesamt meine Vorstellungen sein, wenn sie nicht insgesamt zu einem Selbstbewußtsein gehörten […].²⁸⁹
Die dynamisch-prozessuale Auffassung der transzendentalen Apperzeption, findet sich dagegen im zweiten Teil des Zitates durchaus nicht bestätigt, sofern Kant dort klar macht, dass die synthetische Einheitsfunktion der Apperzeption hinsichtlich ihrer Möglichkeit die logische Vorgängigkeit der Bedingungen, gemäß derer sich die Synthesis vollzieht, voraussetzt. Die Apperzeption ist daher als Geltungsgrund der objektiven Einheit des Erfahrungsgegenstandes in Gestalt eines Bewusstseins, respektive Denk- und Erkenntnisaktes formale Voraussetzung jeden besonderen Erkenntnisvollzuges. …, d. i. als meine Vorstellungen (ob ich mich ihrer gleich nicht als solcher bewußt bin) müssen sie doch der Bedingung notwendig gemäß sein, unter der sie allein in einem allgemeinen Selbstbewußtsein zusammenstehen können, weil sie sonst nicht durchgängig mir angehören würden. Aus dieser ursprünglichen Verbindung läßt sich vieles folgern.²⁹⁰
Mit seinem Konzept bewegt sich Horstmann in einem Problemfeld, dessen Frontverlauf einerseits zwischen der Beziehung von Synthesis und Einheit der Apperzeption verläuft, andererseits zwischen der bloß funktional-formalen Auffassung der Apperzeption²⁹¹ und ihrer subjekt-zentrierten, substantialistischen Vorstellung.²⁹² Eine der schärfsten Formulierungen einer formal-funktionalistischen Interpretation liefert Cassirer: „Wir fragen hierbei nicht nach dem be-
KrV, B ; S. . KrV, B f.; S. . Rickert (), S. , spricht in diesem Zusammenhang vom „erkenntnistheoretischem Subjekt“. Zur Kritik an Rickerts Begriff eines „unpersönlichen Subjekts“ cf. Thyssen (/), S. . Funktionalistische Auffassungen der Apperzeption lassen sich ebenfalls finden bei: Lünemann (), S. , Heinrichs (), S. , Satura (), S. , Heidemann (), S. f., Marx (), S. , Hoppe (), S. und Baumanns (), S. . Zur Übersicht cf. Natterer (), S. . Im Zusammenhang mit der Diskussion von „Kants Ich-Theorie“ innerhalb des Paralogismuskapitels spricht Horstmann von einer gegenstands- und einer handlungsbezogenen Deutung der Apperzeption als Hintergrund des Seelenbegriffes, cf. Horstmann (), S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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stimmten aktuellen Vollzug des Gedankens in einem empirischen Individuum, sondern einzig und allein nach den allgemeinen logischen Erfordernissen jedes derartigen Vollzuges. Die Vorstellungen könnten nicht „meine“ Vorstellungen werden, wenn sie nicht der Bedingung notwendig gemäß wären, unter der sie allein in einem „allgemeinen Selbstbewußtsein“ zusammenstehen können.“²⁹³ Nach Cassirer bezeichnet daher die die Apperzeption ein „systematisches Ganze reiner logischer Bedingungen, die an einem Inhalt erfüllt sein müssen, sofern er zum Inhalt des Bewußtseins gemacht werden soll.“²⁹⁴ Die Kontroverse über eine dynamische oder formale Interpretation des transzendentalen Selbstbewusstseins zeigt sich exemplarisch in der Frage des Verhältnisses von Synthesis und Einheit der Apperzeption. Für diese Frage erweist sich wiederum die Diskussion Guyers und Van Cleves, ob das logische Prius der Einheit oder der Synthesis zuzusprechen sei, als beispielhaft. In seiner Kritik der transzendentalen Deduktion vertritt Guyer die These der Priorität der Einheit der Apperzeption, konstatiert jedoch, dass diese nicht das von Kant Insinuierte zu leisten vermag, i. e. die Begründung notwendiger, apriorischer Formen als Bedingungen der Möglichkeit jeder Gegenstandserkenntnis. So lege Kant nach Guyer zwei konfligierende Deduktionsstrategien vor: „On one, some sort of direct examination of the necessary conditions of a claim to knowledge of an object will show that such a claim presupposes a priori knowledge of the categories […]. On
Cassirer (), S. . Cassirer (), S. . Ähnlich auch S. : „Auch die Einheit des Bewußtseins vermögen wir nur dadurch zu erkennen, daß wir sie zur Möglichkeit der Erfahrung unentbehrlich brauchen. [] Hier kommt es wiederum zum schärfsten Ausdruck, daß das „Selbst“, von dem die Kritik spricht und mit welchem sie es allein zu tun hat, nicht als eine metaphysische Tatsache gegeben, sondern lediglich als ein logisches Requisit ermittelt ist, – daß ihm kein anderes Sein zukommt, als das Sein der Bedingung.“ Gegen Cassirers Deutung wendet sich Seebaß (1989), S. 324 f. Dieser schlägt vor, die Apperzeption als gänzlich identisch mit dem empirischen Selbstbewusstsein aufzufassen. Dem Selbstbewusstsein käme dann das Prädikat „transzendental“ nur in Rücksicht auf seine Funktion zu, Einheit in der Vorstellungsmannigfaltigkeit zu generieren. Beide Apperzeptionsbegriffe stellen zwar gleichermaßen Verkürzungen des kantischen dar, jedoch hat die Interpretation Cassirers der Seebaß’ zweierlei voraus: Erstens erfasst Cassirer die wesentliche Funktion des kantischen Begriffes adäquat. Zweitens enthält Seebaß’ Gleichsetzung des empirischen mit dem transzendentalen Selbstbewusstsein ein wesentlich unkantisches Element, welches ihn zu der Annahme verleitet, Kant als „methodischen Solipsisten“ (op. cit., S. 331.) zu verstehen; eine Interpretation, welche der methodischen Grundhaltung der Kritik der reinen Vernunft geradezu entgegengesetzt ist, cf. Höffe (2004), S. 34 ff. Darüber hinaus versagt Seebaß’ Interpretation vollständig, Aufklärung über die transzendentale, d. h. erkenntnis- und gegenstandskonstitutive Bedeutung des Selbstbewusstseins zu geben, so dass „regelhafte Zusammenhänge“ stets als vorausgesetzt zu denken sind, cf. op. cit, S. 333.
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the other, a consideration of some essential feature of self-consciousness will show that it is subject to certain necessary conditions which – because any representations of objects at all must naturally be transmitted through self-consciousness – are therefore also constraints on any possible claim of knowledge of external objects […].“²⁹⁵ Die erste Strategie verfolge Kant in den Prolegomena; die zweite in der Kritik der reinen Vernunft. Letztere scheitere jedoch daran, da Kant „does not successfully derive necessary conditions for any knowledge of objects from necessary conditions for self-consciousness or – as he calls it – apperception which may be discovered independently of prior assumptions about the character of knowledge of objects. Instead, he just identifies the „transcendental“ or „objective“ „unity of apperception“ (B 139) with knowledge of objects, and thus collapses the second strategy into the first […].“²⁹⁶ Nach Guyer besteht also das Problem der transzendentalen Deduktion darin, dass Kant zwar die zweite Strategie als Argumentationsrichtung vorgibt, diese jedoch nicht ausführt, d h. die Annahme notwendiger apriorischer Begriffe der Gegenstandserkenntnis nicht im Rekurs auf die Apperzeption begründet, sondern schlicht die Übereinstimmung von transzendentaler Apperzeption und Gegenstandswissen konstatiert. „Kant instead just identifies transcendental apperception with knowledge of objects and borrows the necessary conditions for apperception from which he was supposed to begin directly from a priori concepts of objects with which he was supposed to conclude.“²⁹⁷ Gegen die Kritik Guyers an Kant wendet sich Van Cleve mit dem Argument, dass Guyer das Verhältnis von Synthesis und Einheit der Apperzeption umkehre: „Now I agree with Guyer that Kant asserts the implication synthesis – unity of apperception. But I think Kant asserts this only because he believes synthesis produces such unity – not because (as Guyer would have it) synthesis has unity as antecedent condition. In other words: according to Guyer, unity is prior to synthesis as its logical precondition, whereas according to me, synthesis is prior to unity as its only possible cause.“²⁹⁸ Van Cleve verwechselt offensichtlich die Einheit, welche logische Bedingung der Synthesis ist, mit der Einheit, welche in der Vorstellungsmannigfaltigkeit durch die Synthesis produziert wird. Entsprechend wendet Baumanns gegen diese Kritik Van Cleves an Guyer ein, „daß ’Identität-der-Apperzeption’ und ’Synthesis’ in einer Wechselbedingtheit nach Art der Prinzip-Prinzipat-Struktur stehen, so daß die Synthesis des in einer Anschauung gegebenen Mannigfaltigen der Identität der Apperzeption als prinzi
Guyer (), S. . Guyer (), S. . Guyer (), S. . Van Cleve (), S. , cf. Baumanns (), S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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piierter Grund gemäß B 134 f. verbunden ist.“ Das sich aus dieser Konstellation ergebende (scheinbare) Paradoxon, dass die logische Einheit selbst wiederum nur in der durch die Synthesis gesetzte präsent ist, wird sich erst auflösen, wenn erstens der vollständige Begriff der Apperzeption als Vollzugsform der Einheit begriffen – cf. Kap. 2.2.3 – und zweitens die Beziehung der Apperzeption zu den Kategorien verstanden wird – cf. Kap. 2.2.4 und 2.2.5. Tatsächlich bleibt die transzendentale Deduktion dann problematisch, wenn das Verhältnis von Einheit, Synthesis und deren Verbindung zum kategorialen Verstandesapparat unverstanden bleibt. Erst wenn gezeigt wird, dass alle Gegenstände der Wahrnehmung kategorial geordnet sind, weil sie gemäß der Einheit der Apperzeption apprehendiert werden, d. h. dass die Synthesis durch die Apperzeption sich notwendig gemäß der Kategorien vollzieht, kann die transzendentale Deduktion gemäß der von Guyer ausgemachten zweiten Strategie als geglückt gelten. In der Auseinandersetzung um den zutreffenden Begriff der Apperzeption zeigt sich das ganze Dilemma um eine adäquate Interpretation der transzendentalen Deduktion, von der Baumanns die Ansicht vertritt, dass zu dieser „nicht eine grundlegend neue Einsicht [] innerhalb der jüngeren Diskussion erzielt worden [sei].“²⁹⁹ Oberstes Desiderat muss es daher sein, eine Interpretation vorlegen zu können, welche idealerweise sowohl die Diskussion um Kants Begriff der Apperzeption sinnvoll beenden, als auch Kants Projekt der transzendentalen Deduktion fundieren kann. Die meisten der bisherigen Interpretationen blenden jedoch jeweils bestimmte Aspekte der Apperzeption aus, so dass die Erfüllung dieser Aufgabe auf Basis exklusivistischer Interpretationskonzepte nicht gelingen kann. Dass es sich hier nicht um eine Frage der richtigen Interpretationsentscheidung, sondern im Kern um ein textimmanentes Sachproblem handelt, ist bereits der kurzen, schon diskutierten Passage des § 16 zu entnehmen. Dort liefert Kant selbst vier verschiedene Lesarten der Apperzeption, welche verschiedene Kantinterpreten unterschiedlich gewichten. So definiert Kant die Apperzeption im ersten Teil des Paragraphen als begleitende Vorstellung des „Ich denke“: 1.
Die Apperzeption als Aktus der Spontaneität ist dasjenige Selbstbewusstsein, welches als Vorstellung des „Ich denke“ alle anderen Vorstellungen begleiten können muss.
Als Aktus der Spontaneität kann die Apperzeption keine Anschauung sein. Es muss sich bei ihr also um einen Begriff oder – wobei das „oder“ hier nicht exklusiv zu verstehen ist – eine Funktion handeln.
Baumanns (), S. .
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Zweitens definiert Kant die Apperzeption als ursprünglich, sofern sie die Vorstellung des „Ich denke“, welche gemäß der vorherigen Festlegung als Aktus der Spontaneität gefasst wurde, hervorbringen soll. Die Apperzeption bringt sich so scheinbar selbst hervor: 2.
Die Apperzeption ist dasjenige Selbstbewusstsein, welches die Vorstellung des „Ich denke“ erst hervorbringt.
Drittens bestimmt Kant die Apperzeption hinsichtlich ihrer transzendental-konstitutiven Funktion als Selbstbewusstsein, welches in einem korrelativen Akt die Einheit der Vorstellung des Ichs wie die des im Erkenntnisakt als Correlatum mitgesetzten Gegenstandes als Objekt der Vorstellungsmannigfaltigkeit bedingt. 3.
Die Apperzeption ist dasjenige Selbstbewusstsein, welches die Einheit der Mannigfaltigkeit herbeiführt.
Viertens ergibt sich gleichsam notwendig aus der Bestimmung der Apperzeption als transzendentales Selbstbewusstsein, dass die Apperzeption die formale Voraussetzung bilden muss, gemäß der sich jeder Erkenntnisakt nur vollziehen kann. 4.
Die Apperzeption ist dasjenige Selbstbewusstsein, welches die formale Voraussetzung aller Erkenntnis eines beliebigen, d. h. allgemeinen Selbstbewusstseins bildet.
Eine Auslegung, welche diese vier verschiedenen Aspekte in einer konsistenten Lesart vereinigen möchte, muss daher die Apperzeption als Ganzes fassen können. Sie muss darüber Auskunft geben können, was die Apperzeption als transzendentales Selbstbewusstsein in Bezug auf das sich selbst bewusst werdende Subjekt sowie auf den sich bewusst zu machenden Gegenstand bedeutet. Außerdem muss sie darüber aufklären können, welche Rolle die Zeitlichkeit als Form des inneren Sinns und als Bedingung der Identität in Bezug auf die Apperzeption einnimmt. Kommt dem inneren Sinn tatsächlich eine „apperzeptionsmitermöglichende Funktion“ zu, wie Mohr in Anschluss an Baumanns³⁰⁰ behauptet,³⁰¹ oder ist die Apperzeption grundsätzlich nur als atemporale Form oder gar als reine Intelligenz zu verstehen?³⁰² Wie könnte eine solche, vom inneren Sinn unabhängige Form der Apperzeption verständlich gemacht werden? Wie lässt sich der
Cf. Mohr (), S. . Nach Krausser (), S. , beispielsweise enthält die „’Einheit der Apperzeption’ [] in sich die Differenzierung des Ganzen aller zeitlichen Zusammenhänge“. Cf. Heidemann (), S. .
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Affektionsbezug von Apperzeption und innerem Sinn als Selbstaffektion³⁰³ in diesem Kontext plausibel machen? Es ist leicht zu sehen, dass diese Fragen mit den oben gefundenen vier Bestimmungsaspekten zusammenhängen. Wenn die Apperzeption in den genannten vier Rücksichten bestimmt werden kann, dann sollten die Fragen nach Form, Tätigkeit und Zeitlichkeit der Apperzeption ebenfalls zu beantworten sein. Der entscheidende Schritt zur Lösung der Apperzeptionsfrage ist bereits im ersten Kapitel gemacht worden. Dort wurden die Kategorien als begriffliche Funktionen aus dem Bezug von idealer und realer Verstandeshandlung gewonnen. Nun soll die Apperzeption der ermöglichende Grund dieser Verbindung sein. Es ist also zu vermuten, dass Kants Konzept des transzendentalen Selbstbewusstseins als Brückenfunktion einen real-temporalen und ideal-logischen Sinn aufweist. Es muss daher erstens nachgewiesen werden, wo sich diese Hinsichten auf die Apperzeption im Text nachweisen lassen, und zweitens wie die Synthesis dieser beiden Aspekte zu denken ist. Zur Beantwortung der ersten Frage, lohnt es sich, die Folgerungen, welche Kant in § 16 aus den vier Bestimmungen der Apperzeption – rein, ursprünglich, transzendental und allgemein – zieht, genauer zu betrachten. Zuallererst betont Kant die Nichtableitbarkeit der durchgängigen Identität der Apperzeption, i. e. die sich in allen Vorstellungen durchhaltende Vorstellung des Ichs als Subjekt seiner Vorstellungen aus der Mannigfaltigkeit der Anschauungen. Nämlich diese durchgängige Identität der Apperzeption, eines in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen, enthält eine Synthesis der Vorstellungen, und ist nur durch das Bewußtsein dieser Synthesis möglich.³⁰⁴
Zur besseren Übersicht der kantischen Argumentation soll diese jeweils im Anschluss analysiert werden. (1) Identität (= Einheit der Apperzeption)³⁰⁵ in der Vielheit (= der Mannigfaltigkeit der Anschauung)³⁰⁶ ist nur in der Einheit (= Synthesis) der Vorstellungen anzutreffen.
Cf. KrV, B ; S. . KrV, B ; S. . Diese Einheit muss als numerische Einheit spezifiziert werden. Bei der hier gemeinten Vielheit kann es sich nur um eine solche handeln, welche vor jeder Synthesishandlung des Verstandes, respektive der Einbildungskraft liegt, welche als Empfindungsmannigfaltigkeit erster Ordnung zur Einheit der Mannigfaltigkeit in der Wahrnehmung eines geistigen Aktes der Synthesis bedarf.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
(2) Die Einheit der Mannigfaltigkeit ist nur in Bezug auf die Einheit des Bewusstseins vorstellbar. (3) [Also kann die Einheit des Bewusstseins nicht der Einheit der Mannigfaltigkeit entnommen werden.] Kant spezifiziert im weiteren diese Einheit des Bewusstseins, indem er das empirische Bewusstsein als Kandidat eines synthesisfähigen Selbstbewusstseins ausschließt, sofern es als intentionales Bewusstsein (intentio recta) an eine je besondere Perzeption gebunden ist und damit nicht die Rolle eines aufgrund seiner nummerischen Einheit sich in allen Vorstellungen durchhaltenden Identitätsbewusstseins einnehmen kann. Denn das empirische Bewußtsein, welches verschiedene Vorstellungen begleitet, ist an sich zerstreut und ohne Beziehung auf die Identität des Subjekts. Diese Beziehung geschieht also dadurch noch nicht, daß ich jede Vorstellung mit Bewußtsein begleite, sondern daß ich eine zu der andern hinzusetze und mir der Synthesis derselben bewußt bin.³⁰⁷
(4) Wenn die Einheit des Bewusstseins aus der Einheit der Mannigfaltigkeit der Vorstellungen entnommen wäre, so wäre sie empirisch. (5) Das empirische Bewusstsein begleitet jeweils eine besondere Vorstellung. (6) Also hat das empirische Bewusstsein einer bestimmten Vorstellung keinen Bezug zur Identität des Subjekts. (7) Also kann die Einheit (=Identität) des Bewusstseins nicht aus dem empirischen Bewusstsein je bestimmter Vorstellungen abgeleitet werden, sondern nur aus dem Bewusstsein der Verbindung derselben zur Einheit. Das Bewusstsein der Identität ist also noch nicht aus der Vorstellung der bloßen Begleitung einer Vorstellung mit der Vorstellung ihrer Meinigkeit abzuleiten, sondern nur aus der Verbindung der Vorstellungen miteinander in Bezug auf die Vorstellung ihrer Einheit in einem Bewusstsein. Synthesis und Bewusstsein der Synthesis bzw. der synthetischen Einheit sind also der Sache nach nicht zu trennen.³⁰⁸ Hieraus folgert Kant, dass die analytische Einheit des Bewusstseins, also diejenige, welche empirisch in der Vorstellungsmannigfaltigkeit gefunden werden kann, nur unter der Voraussetzung einer synthetischen Einheit möglich
KrV, B ; S. . Dies kann als Bestätigung der horstmannschen These der korrelativen Genesis verstanden werden, welche jedoch – und hier liegt unsere eigentliche Absicht gegründet, nicht in der generellen Ablehnung derselben – in gewisser Weise das Problem der Apperzeption um die vorausgesetzte Form verkürzt, nach der sich diese Einheit vollzieht, nämlich als Synthesis in der Anschauungsmannigfaltigkeit.
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ist, sofern dieses synthetische Bewusstsein, die Einheit in der Mannigfaltigkeit erst bewirkt, auf welche sich das Bewusstsein in der Vorstellung seiner analytischen Einheit bezieht. Ohne die Vorstellung der Identität des Bewusstseins ist die Vorstellung der jeweiligen Meinigkeit einer besonderen Vorstellung unmöglich. Die synthetische Einheit des Bewusstseins erweist sich so als Bedingung der Möglichkeit der analytischen. Also nur dadurch, daß ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinden kann, ist es möglich, daß ich mir die Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle, d.i. die analytische Einheit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgend einer synthetischen möglich.³⁰⁹
(8)
Wenn die Identität des Bewusstseins gedacht werden soll, dann setzt dies die Vorstellung der Verbindung der Vorstellungen voraus (nach 1). (9) Nun ist die Verbindung der Vorstellungen nicht durch das (empirische) Bewusstsein der einzelnen Vorstellungen möglich (nach 7). (10) Also ist das analytische Bewusstsein der einzelnen Vorstellung als deren Verbindung mit der Vorstellung der Identität des Bewusstseins nur möglich, wenn ein synthetisches Bewusstsein vorausgesetzt ist. Diesen Gedanken der Notwendigkeit eines synthetischen Bewusstseins als Bedingung der Möglichkeit eines analytischen, welches die Meinigkeit meiner Vorstellungen im besonderen wie im allgemeinen zum Inhalt hat, expliziert Kant in Bezug auf die Möglichkeit der Synthesis der Vorstellungen in einem Bewusstsein, welches das Bewusstsein der Verbindung der Vorstellungen selbst und nicht bloß das der im und mit dem Bewusstsein verbundenen Vorstellungen ist. Der Gedanke: diese in der Anschauung gegebene Vorstellungen gehören mir insgesamt zu, heißt demnach so viel, als ich vereinige sie in einem Selbstbewußtsein, oder kann sie wenigstens darin vereinigen, und ob er gleich selbst noch nicht das Bewußtsein der Synthesis der Vorstellungen ist, so setzt er doch die Möglichkeit der letzteren voraus, d.i. nur dadurch, daß ich das Mannigfaltige derselben in einem Bewußtsein begreifen kann [Hervorhebung, M. B.], nenne ich dieselbe insgesamt meine Vorstellungen; denn sonst würde ich ein so vielfarbiges verschiedenes Selbst haben, als ich Vorstellungen habe, deren ich mir bewußt bin.³¹⁰
(11) Eine Vorstellung ist genau dann meine Vorstellung, wenn sie in einem Selbstbewusstsein vereinigt ist oder werden kann. (12) Das Bewusstsein der Meinigkeit der Vorstellungen ist noch nicht identisch mit dem ihrer Verbindung (nach 5 und 9).
KrV, B ; S. . KrV, B ; S. f.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
(13) Die Vorstellung der Meinigkeit der Vorstellungen setzt jedoch eine Verbindung der Vorstellung mit der Vorstellung ihrer Einheit im Bewusstsein der Möglichkeit nach voraus (nach 10). (14) Also setzt die Vorstellung der Meinigkeit die Identität des Selbstbewusstseins voraus, andernfalls gäbe es keine Identität des Bewusstseins in den einzelnen Vorstellungen. Hinsichtlich der Stellung des Bewusstseins der Verbindung der Vorstellungen, welche gleichermaßen den Grund der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen wie der Identität in der Vorstellung dieses Bewusstseins bildet, gilt, dass dieses jedem konkret erfassten und erfassenden Denkakt vorangehen und somit a priori sein muss. Synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungen, als a priori gegeben, ist also der Grund der Identität der Apperzeption selbst, die a priori allem meinem bestimmten Denken vorhergeht.³¹¹
(15) Ohne die synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungen a priori gäbe es keine Identität der Apperzeption (nach 7). (16) Ohne die Vorstellung der Identität der Apperzeption gäbe es keine analytische Vorstellung der Meinigkeit einer bestimmten Vorstellung (nach 14). (17) Die synthetische Einheit muss daher jedem bestimmten Denken einzelner Vorstellungen vorausgehen. Der folgende Abschnitt ist von außerordentlicher Wichtigkeit für die Bestimmung der Apperzeption hinsichtlich der erfahrungskonstitutiven Funktion des Verstandes im Allgemeinen wie seiner Bedeutung als Vermögen, Vorstellungen zu verknüpfen, d. h. zu urteilen im Besonderen. Verbindung liegt aber nicht in den Gegenständen, und kann von ihnen nicht etwa durch Wahrnehmung entlehnt und in den Verstand dadurch allererst aufgenommen werden, sondern ist allein eine Verrichtung des Verstandes, der selbst nichts weiter ist, als das Vermögen, a priori zu verbinden, und das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen unter Einheit der Apperzeption zu bringen,welcher Grundsatz der oberste im ganzen menschlichen Erkenntnis ist.³¹²
(18) Verbindungen können nicht in den Wahrnehmungen, d. h. mittels des rezeptiven Vermögens gefunden werden.
KrV, B ; S. . KrV, B f.; S. .
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(19) Also müssen die Verknüpfungen der Wahrnehmungen, bzw. der Empfindungen in der Wahrnehmung eine Leistung des Verstandes sein. (20) Der Verstand ist das Vermögen, gegebene Vorstellungen a priori zu verbinden, d. i. zu urteilen. (21) (Nun setzt alle Verbindungstätigkeit die Einheit/Identität der Apperzeption voraus (nach 10).) (22) Also besteht alles Urteilen darin, das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen unter die Einheit der Apperzeption zu bringen.³¹³ Der in (22) vorgestellte Grundsatz sei nun nach Kant zwar einerseits selbst analytisch, erkläre jedoch die Synthesis. Warum der Grundsatz der notwendigen Einheit analytisch sein soll, ist nicht leicht zu sehen, ergibt sich jedoch aus der Bedingung der Analytizität eines Satzes, bzw. Urteils, sofern dieser eine Identität als Erläuterung zum Ausdruck bringt.³¹⁴ Dieser Grundsatz, der notwendigen Einheit der Apperzeption, ist nun zwar selbst identisch, mithin ein analytischer Satz, erklärt aber doch eine Synthesis des in einer Anschauung gegebenen Mannigfaltigen als notwendig, ohne welche jene durchgängige Identität des Selbstbewußtseins nicht gedacht werden kann.³¹⁵
(23) (Ein Satz ist genau dann analytisch, wenn er mit sich selbst identisch ist.) (24) Ohne Synthesis des in einer Anschauung gegebenen Mannigfaltigen kann es keine Identität des Selbstbewusstseins geben. (25) Ohne Bezug auf die Identität des Selbstbewusstseins kann es keine Synthesis des Mannigfaltigen geben. (26) Die Identität der Apperzeption und die Synthesis des Mannigfaltigen sind daher bedeutungsgleich. Dieser Schluss, der im Text selbst nur durch „und“ angehängt und daher nicht demonstriert wird, scheint auf den ersten Blick durchaus nicht plausibel. Zwar ist es offensichtlich, dass alle Vorstellungen aufgrund der Tatsache, dass sie Vorstellungen sind, unter der Bedingung der Einheit des Selbstbewusstseins stehen, es sind jedoch viele Urteile denkbar – wobei es sich dabei wohl um die meisten handeln dürfte – welche nicht auf diese Verknüpfung einer Vorstellung mit der Vorstellung der Identität des Selbstbewusstseins zielen. Kant müsste daher zeigen, dass die Art und Weise, wie der Verstand Vorstellungen miteinander verknüpft, d. h. denkt bzw. urteilt, in Gänze auf die Einheitsvollzüge der Apperzeption zurückzuführen ist. Das „Wie“ des Denkens, welches sich in den Kategorien ausdrückt, muss daher in seinem notwendigen Zusammenhang mit der allgemeinen Bedingung des Denkens überhaupt, i. e. der Zugehörigkeit zum selben Bewusstsein, demonstriert werden. Der Satz „Alle Körper sind ausgedehnt.“ ist bekanntlich deshalb analytisch, weil die Ausdehnung zum Begriff des Körpers gehört. Das analytische Urteil muss also nur ein reines Erläuterungsurteil des Begriffes sein, auf welchen es sich bezieht. KrV, B ; S. .
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(27) Wenn also die Mannigfaltigkeit der Anschauung in einem Urteil verknüpft werden soll, ist dies nicht möglich ohne den Bezug auf die Identität der Apperzeption. (28) Also ist die Identität der Apperzeption notwendig für alle Verknüpfungen der Mannigfaltigkeit in der Anschauung. In dem darauf folgenden Abschnitt weist Kant die Möglichkeit ab, dass die Mannigfaltigkeit durch die Vorstellung des Ichs gegeben sein könnte. Der Verstand bezieht daher das Mannigfaltige in der Anschauung auf das ihm eigene formale Prinzip der Einheit, welches sich in der Apperzeption ausdrückt, ohne dass ihm gleichzeitig die Mannigfaltigkeit als Inhalt durch ihn selbst gegeben wäre. Zur letzteren benötigt der Verstand ein eigenes, ihm fremdes, rezeptives Vermögen. Denn durch das Ich, als einfache Vorstellung, ist nichts Mannigfaltiges gegeben; in der Anschauung, die davon unterschieden ist, kann es nur gegeben und durch Verbindung in einem Bewußtsein gedacht werden. Ein Verstand, in welchem durch das Selbstbewußtsein zugleich alles Mannigfaltige gegeben würde, würde anschauen; der unsere kann nur denken und muß in den Sinnen die Anschauung suchen.³¹⁶
(29) Die Vorstellung des Ich ist einfach, d. h. in ihr ist nichts Mannigfaltiges gegeben. (30) Alle Verbindungen des Verstandes in einem Bewusstsein beziehen sich auf diese Einheit des Ich (nach 22). (31) Das Mannigfaltige ist daher nur in der Anschauung gegeben. (32) Ein Verstand, in dem die Mannigfaltigkeit mit der Vorstellung ihrer Einheit gegeben wäre, würde daher anschauen. Am Ende des § 16 fasst Kant seine bisher gewonnenen Ergebnisse zu dem Schluss zusammen, dass das Bewusstsein unseres mit sich identischen Selbst hinsichtlich der Vielheit seiner Inhalte nichts anderes ist als die Vorstellung der Einheit aller Vorstellungen in demselben Bewusstsein, welches daher als Voraussetzung jedes Bewusstseins einer besonderen Vorstellung nichts anderes zum Inhalt hat als die notwendige Synthesis a priori, durch welche jene zur Einheit in einem Denk-, respektive Urteilsakt gebracht werden oder werden können. Ich bin mir also des identischen Selbst bewußt, in Ansehung des Mannigfaltigen der mir in einer Anschauung gegebenen Vorstellungen, weil ich sie insgesamt meine Vorstellungen nenne, die eine ausmachen. Das ist aber so viel, als, daß ich mir einer notwendigen Synthesis derselben a priori bewußt bin, welche die ursprüngliche synthetische Einheit der Apper-
KrV, B ; S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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zeption heißt, unter der alle mir gegebene Vorstellungen stehen, aber unter die sie auch durch eine Synthesis gebracht werden müssen.³¹⁷
(33) Das Bewusstsein der Identität des Selbst in Bezug auf die Vielheit in der Anschauung ist als notwendiges möglich, da die Vorstellung der Meinigkeit der Vorstellungsvielheit nur in Bezug auf die Einheit des Ich möglich ist (nach 22 und 30). Dies ist gleichbedeutend mit: (34) Das Bewusstsein der Identität des Selbst ist identisch mit dem Bewusstsein a priori einer notwendigen Synthesis. (35) Das Bewusstsein dieser Synthesis heißt: ursprüngliche (nach 10 und 17) synthetische (nach 28) Einheit (nach 30 und 32) der Apperzeption. (36) Alle Vorstellungen stehen unter der Bedingung dieser Einheit (nach 14 und 17) und müssen gleichzeitig unter diese Einheit gebracht werden (nach 22). Die erste Frage, wo sich die von uns bestimmten vier Hinsichten der Apperzeption finden lassen, lässt sich im Ergebnis des § 16, nämlich dem vollständigen Begriff der Apperzeption, ausmachen als „ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption“³¹⁸. Dieser steht im Zusammenhang mit den vier Bestimmungen des transzendentalen Selbstbewusstseins: Erstens als reine Apperzeption ³¹⁹, welche identisch ist mit der Vorstellung des „Ich denke“. Zweitens als ursprüngliche Apperzeption, welche „die Vorstellung des Ich denke hervorbringt“³²⁰. Die Einheit der ursprünglichen Apperzeption bezeichnet Kant auch als transzendentale Einheit des Selbstbewusstseins ³²¹, welche in Bezug auf die Vorstellungsmannigfaltigkeit als vorgängige synthetische Einheit ³²² gedacht werden muss. Die Trennlinie der zwei gesuchten Hinsichten der Apperzeption als Bedingung der idealen und realen Grundfunktion des Verstandes verläuft also offenbar zwischen der Apperzeption als ursprünglicher Einheit und der Apperzeption als ursprünglich synthetischer Vorstellung dieser Einheit, wobei die „Nahtstelle“ zwischen diesen beiden Aspekten offensichtlich im synthetischen Charakter der Einheit besteht. Dass die Einheit der Apperzeption von ihrem synthetischen Charakter abstrahiert werden kann und noch logisch vor dieser liegen soll, mag prima facie unkantisch erscheinen, wird jedoch klarer, wenn man auf Kants allgemeine Definition der Synthesis blickt:
KrV, B f.; S. f. KrV, B ; S. . KrV, B ; S. . KrV, B ; S. . KrV, B ; S. . KrV, B ; S. .
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Die Synthesis überhaupt ist, wie wir künftig sehen werden, die bloße Wirkung der Einbildungskraft, einer blinden, obgleich unentbehrlichen Funktion der Seele, ohne die wir überall gar keine Erkenntnis haben würden, der wir uns aber selten nur einmal bewußt sind. Allein, diese Synthesis auf Begriffe zu bringen, das ist eine Funktion, die dem Verstande zukommt, und wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschaffet.³²³
Die Einheit der Apperzeption und ihre Synthesis sind, wie bei den anderen reinen Verstandesbegriffen, Korrelate, welche getrennt voneinander entweder bloße Gedanken- oder reine Anschauungsformen (Synopsen)³²⁴ wären.³²⁵ So bliebe von der Synthesis der Apperzeption nur die reine Einheit der Handlung, mithin ihre rein ideale Funktion übrig, durch die sie die Sinnlichkeit bestimmt denkt. Weil nun der Verstand in uns Menschen selbst kein Vermögen der Anschauungen ist, und diese, wenn sie auch in der Sinnlichkeit gegeben wäre, doch nicht in sich aufnehmen kann, um gleichsam das Mannigfaltige seiner eigenen Anschauung zu verbinden, so ist seine Synthesis, wenn er für sich allein betrachtet [Hervorhebung, M. B.] wird, nichts anders, als die Einheit der Handlung [=Funktion, M. B.], deren er sich, als einer solchen, auch ohne Sinnlichkeit bewußt ist, durch die er aber selbst die Sinnlichkeit innerlich in Ansehung des Mannigfaltigen, was der Form ihrer Anschauung nach ihm gegeben werden mag, zu bestimmen vermögend ist.³²⁶
Dies entspricht exakt dem Begriff der qualitativen Einheit, welchen Kant im wenig beachteten § 12 entwickelt. Dort macht er klar, dass diesem nur „formale[] Bedeutung als zur logischen Forderung in Ansehung jeder Erkenntnis gehörig“³²⁷ zukommt. Die qualitative Einheit des Selbstbewusstseins ist damit als die bloß formale Askriptionsbedingung einer Vorstellung für ein Bewusstsein überhaupt, d. h. für ein beliebiges Bewusstsein ausgemacht. Erst durch die Korrelation von Synthesis und Einheit wird diese in Bezug auf das Selbstbewusstsein überhaupt transzendental, also erkenntniskonstitutiv im eigentlichen Sinne sein.³²⁸ Damit ist die zweite Frage, wie ideale und reale Funktion in der Apperzeption zusammenhängen, konkretisiert, nämlich wie die Einheit der Apperzeption als synthetisch, respektive synthetisierend gedacht werden kann. Bekanntermaßen löst Kant diese
KrV, A | B ; S. Cf. KrV, A ; S. . Zum Verhältnis von Synthesis und Einheit und seiner scheinbaren Umkehrung cf. Kap. ... KrV, B ; S. . KrV, B , S. . Der Einheit des Selbstbewusstseins geht daher mitnichten eine Synthesis vorher, wie Dieter Henrich dies annimmt, cf. Henrich (), S. . Ohne die (logische) Einheit des Selbstbewusstseins ist die Synthesis der Vorstellungsmannigfaltigkeit undenkbar. Dieser These widerspricht ebenfalls Baumanns (), S. . S. , Anm. .
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Aufgabe dadurch, dass er aus der notwendigen Zugehörigkeit der Vorstellungen zur ursprünglichen Einheit der Apperzeption die „durchgängige Identität der Apperzeption“³²⁹ innerhalb eines Mannigfaltigen in der Anschauung folgert.³³⁰ Dadurch dass nun alle Vorstellungen zur selben Einheit des Selbstbewusstseins gehören müssen, werden diese gemäß der Form dieser Einheit synthetisiert.³³¹ Der Schluss besteht also darin, dass sich die Synthesis der Vorstellung zur Vorstellungseinheit als Genesis einer kohärenten Wirklichkeitserfahrung notwendig gemäß der Einheit der Apperzeption zu vollziehen hat.³³² Die Form der Synthesis der Vorstellungen ist identisch mit der Form der Apperzeption als Einheit. Diese ist nun natürlich diejenige Form, welche durch die Tafel der Urteilshandlungen und deren Gesetze, die Urteilsformen, gegeben ist. Umgekehrt ist daher „ein Urteil nichts andres [], als die Art gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen“³³³ (siehe (22)). Das zentrale Problem hierbei besteht natürlich darin, dass auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, ob und wenn ja, wie sich die Urteilsfunktionen aus der Apperzeption logisch ergeben könnten;³³⁴ eine Annahme, die bekanntlich viele Kant-Interpreten ablehnen.³³⁵ Die abstraktive Auffassung von Synthesis und Einheit auf der Ebene der Apperzeption ermöglicht die Verbindung des dynamisch-prozessualen mit dem formalen Aspekt der Apperzeption im transzendentalen Selbstbewusstsein. Die
KrV, B ; S. . Cf. KrV, B , S. . Die innere Notwendigkeit dieser Ableitung wird im nächsten Gliederungsabschnitt gezeigt. Hierin liegt eine wesentliche Unterscheidung in der Bestimmung der Apperzeption. Erst durch diese wird verständlich, wie die Apperzeption gleichzeitig überindividuelle Form eines Bewusstseins überhaupt und individuelles Bewusstsein sein kann. Das, was Metz (), S. , Anm. , dagegen die „nicht-individuelle Synthesis“ nennt, stellt gemäß unserer Interpretation die je eigene individuelle Synthesis gemäß der überindividuellen Bewusstseinsform dar. Diese Klärung hat drei Vorteile: Erstens kann verstanden werden, wieso die Einheit logisch vor der Synthesis steht, sofern die Synthesis Prinzipiat der Einheit ist. Die Einheit ist die Form des Synthesisvollzuges. Zweitens wird erklärbar, wie Synthesis und Einheit korreliert sind: Die Einheit ist nur Einheit, sofern sie in der Synthesis vollzogen wird. Drittens erklärt dies, warum die Einheit durch die Synthesis in der Mannigfaltigkeit erst präsent wird, sie ist Konkretion der Einheit in der sinnlichen Mannigfaltigkeit. Cf. KrV, B ; S.. KrV, B ; S. . So schreibt Guyer (), S. : „As in the Prolegomena, Kant leaves obscure the method for discovering the categories as conditions for the application of logical functions of judgment. We see only that we cannot go directly from the logical functions of judgment to rules for connecting empirical intuitions for subsumption under the former, but we are not told what the method for discovering the objectively valid categories of the understanding is.“ Cf. Baumanns (), S. .
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Einheit als bloße Form der Synthesis sowie die Synthesis als Vollzugsform der Einheit korrelieren dabei notwendig in der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperzeption.³³⁶ Wie lässt sich nun mit Blick auf die vier gesuchten Relationen der Apperzeption – zum Subjekt, zur bloßen Verstandesform, zum reinen Verstand und zur Vorstellungsmannigfaltigkeit – diese Unterscheidung fruchtbar machen? Bisher wurde die korrelative Gegensatzpaarung eines formalen und eines dynamischen Aspekts der Apperzeption untersucht. Um jedoch tatsächlich das transzendentale Selbstbewusstsein in allen vier Bestimmungshinsichten zu fassen, reicht dies noch nicht aus. Neben der Beziehung von Form und Effizienz innerhalb der Apperzeption ist eine weitere, senkrecht zu dieser Relation stehende Differenz zu untersuchen, i. e. die Apperzeption in ihrer funktions- und damit gegenstandsreferentiellen Bedeutung als Bewusstsein der Synthesis der Vorstellungsmannigfaltigkeit sowie in ihrem Bezug zum transzendentalen Subjekt als Vorstellung der Identität eines durchgängigen Selbstbewusstseins. So kann die Apperzeption einerseits in erkenntnisfunktionaler Hinsicht als Einheitsgrund der Erfahrung, andererseits in Hinblick auf die Reflexionsstruktur des transzendentalen Subjekts begriffen werden.³³⁷ Dies spiegelt sich in der Zweiteilung der transzendentalen Deduktion ab § 20 wider. Baumanns macht weitestgehend einsichtig, dass dort die Argumentation der Deduktion von der Frage nach dem „Daß“ der Kategoriengültigkeit durch die Versicherung der urteilsförmigen Struktur der Apperzeption zur Beantwortung der Frage nach ihrem „Wie“ übergeht.³³⁸ Erst mittels der produktiven Einbildungskraft als logischem Gegenstandsvermögen des Verstandes lässt sich die Möglichkeit ihres erkenntnis-, respektive realfunktionalen Anschauungsbezuges eruieren. Wie ist nun die Beziehung der Apperzeption zum Verstand selbst zu deuten? Zwei Möglichkeiten sind denkbar. Zum einen könnte man von einer Identität von Apperzeption und Verstand ausgehen. Eine populäre Aussage Kants scheint dies anzudeuten:
An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Einheitsfunktionen innerhalb der Urteile unabhängig von der Analytizität, respektive Synthetizität des jeweiligen Urteils sind, cf. Kap. ... Diese von uns als senkrecht aufgefasste Paarung mag der Grund sein, warum der wissenschafts- und bewusstseinstheoretischen Auslegung der Deduktion, welche Baumanns als interpretatorische Grundausrichtungen ausmacht, durch deren jeweilige spezifische Verengung auf ihre Deutungsperspektive das Ganze des transzendental-philosophischen Konzeptes der Apperzeption entgeht, cf. Baumanns (), S. . Cf. Baumanns (), S. f. An dieser Stelle sei jedoch nochmals betont, dass im Gegensatz zu Baumanns die Ausgestaltung der Urteilsformen aus der Apperzeption als Prinzip nötig sein muss. Die Urteilstafel ist nicht einfach mit, sondern durch die Apperzeption gegeben.
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Und so ist die synthetische Einheit der Apperzeption der höchste Punkt, an dem man allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik, und, nach ihr, die Transzendental-Philosophie heften muß, ja dieses Vermögen ist der Verstand selbst.³³⁹
Das Zitat legt augenscheinlich die These von der Identität von Apperzeption und Verstand nahe. Es existieren jedoch ebenfalls Stellen, welche gegen eine schlichte Identifikation sprechen. So sagt Kant von der Apperzeption im Zusammenhang der Erörterung des Begriffs der Deduktion: Sie [die Deduktion, M. B.] ist die Darstellung der reinen Verstandesbegriffe (und mit ihnen aller theoretischen Erkenntnis a priori) als Prinzipien der Möglichkeit der Erfahrung, dieser aber, als Bestimmung der Erscheinungen in Raum und Zeit überhaupt,– endlich dieser aus dem Prinzip der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperzeption, als der Form des Verstandes in Beziehung auf Raum und Zeit, als ursprüngliche Formen der Sinnlichkeit.³⁴⁰
Die Apperzeption scheint hier als bloße Form des Verstandes angesprochen zu werden und nicht als der Verstand selbst. Gestützt wird diese Differenzannahme durch die Definition des Verstandes in Auflage A: Die Einheit der Apperzeption in Beziehung auf die Synthesis der Einbildungskraft ist der Verstand, und eben dieselbe Einheit, beziehungsweise auf die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft, der reine Verstand.³⁴¹
Wie lässt sich also das Verhältnis von Apperzeption und Verstand konsistent fassen? Im ersten Zitat spricht Kant nicht einfach davon, dass Apperzeption und Verstand schlichtweg gleichzusetzen seien, sondern davon, dass die synthetische Einheit der Apperzeption als Vermögen mit dem Verstand identisch sei. Die Frage ist natürlich, was die Apperzeption nun als Vermögen bedeutet, respektive worin ihre Tätigkeit als Vermögen besteht. Mit Blick auf die Absicht der Deduktion ist dies leicht zu beantworten. Es besteht in der Fähigkeit der Apperzeption, Vorstellungen zur synthetischen Einheit gemäß der Ordnung der reinen Verstandesbegriffe zu bringen.³⁴² Kant spricht daher in diesem Zusammenhang auch konsequent von der synthetischen Einheit der Apperzeption. Da, wie gezeigt wurde, sich der synthetische Charakter der Apperzeption auf ihren Einheitsvollzug
KrV, B ; S. . KrV, B f.; S. . KrV, A ; S. . Schulte (), S. , fasst dementsprechend das „Ich denke“ als „die Grundsynthesis von Verstand und Synthesis“.
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bezieht, ist es klar, dass der Verstand als synthetisierendes Vermögen die Einheit der Apperzeption als Vollzugsform supponiert.³⁴³ Das zweite Zitat verdeutlicht diesen Zusammenhang von Apperzeption und Verstand. Wichtig ist hierbei der Nachsatz, welcher sich auf die Prinzip-PrinzipatStruktur von Apperzeption und Verstandesbegriff bezieht. Die Gültigkeit der Verstandesbegriffe wird, nachdem sie als Bestimmungen der raumzeitlichen Erscheinungsmannigfaltigkeit erwiesen worden sind, „aus dem Prinzip der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperzeption, als der Form des Verstandes in Beziehung auf Raum und Zeit, als ursprüngliche Formen der Sinnlichkeit“³⁴⁴ deduziert. Die ursprünglich synthetische Einheit der Apperzeption ist hierbei erstens Prinzip der Deduktion, zweitens Form des Verstandes und zwar sofern er sich bereits als Erkenntnisvermögen auf die ursprünglichen Formen der Sinnlichkeit bezieht. Als synthetische Einheit, welche die ursprüngliche Vorstellung des „Ich denke“ hervorbringt, ist die Apperzeption also Form des schematisierten Verstandes. Der Zusatz „schematisiert“ ist insofern wichtig, als dadurch deutlich wird, dass Kant sich hier auf die Frage der Kategoriengültigkeit bezieht.Wenn man also von der gleichursprünglichen Form der Sinnlichkeit abstrahiert, auf welche der Verstand als Bestimmungsvermögen a priori Bezug nimmt, um die Apperzeption in ihrer bloßen Einheit zu fassen, so wird klar, dass diese in der Form der Möglichkeit des bloßen Verstandesvollzugs besteht; dies aber ist der bloße Verstand, als reines Urteilsvermögen. Das dritte Zitat bestärkt diese Interpretation. Obgleich die Einbildungskraft in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft kein eigenständiges Erkenntnisvermögen mehr bildet,³⁴⁵ ist die Struktur der Apperzeptions-Verstandes-Relation in der Deduktion der Auflage B homolog. Ausgehend von unserer These, dass die Apperzeption als bloße Einheit identisch ist mit der Form des Verstandes, mithin mit dem bloßen Verstand selbst,³⁴⁶ lässt sich die Definition des Verstandes als die „Einheit der Apperzeption in Beziehung auf die Synthesis der Einbildungskraft“³⁴⁷ explizieren als die bloße Verstandesform in Beziehung auf das synthetische Gegenstandsvermögen des Verstandes als Ein-
Nach Schulte (), S. , tritt diese Funktion der Apperzeption an die Stelle der syllogistischen Gründungsfunktion des aristotelischen Logos, „in der die sinnliche Mannigfaltigkeit durch die Kategorien (als die bestimmten Synthesisweisen) zum Erfahrungsgegenstand wird, der im Urteil ansprechbar und bestimmbar ist. Die universelle Zeitform, in der dies Seiende erscheint, ist die synthetische Einheit der Apperzeption, das Ich.“ KrV, B f.; S. . Cf. KrV, B ; S. . Der Zusammenhang von Realisierungs- (Funktion/Handlung) und Realisationseinheit (Form) wurde bereits im ersten Kapitel erörtert. KrV, A ; S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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bildungskraft.³⁴⁸ Die in der metaphysischen Deduktion präsupponierte Korrelation von Ideal- und Realfunktion innerhalb der reinen Verstandesbegriffe ist damit transzendental aus dem Verhältnis der Apperzeption als Form der synthetischen Einheit zum synthetisierenden Vollzug dieser Einheit deduziert. Die Ideal- und Realfunktion sind damit im Rekurs auf die Ideal- und Realstruktur der Apperzeption fundiert. Die bisherige Analyse erlaubt nun die Apperzeption in jeder der vier Rücksichten zu bestimmen und in ein Schema zu bringen:³⁴⁹
Abb. : Die vierfache Komplexion der Apperzeption³⁵⁰
Die Bestimmung der Apperzeption in horizontaler Linie bezog sich auf die Frage, ob die Apperzeption als Form der Vorstellungsmannigfaltigkeit vorhergehen muss, oder ob diese sich mit der Einheit der Mannigfaltigkeit erst konstituiert.³⁵¹ Es
Mall (), S. , betont zu Recht, dass die „Einbildungskraft [] die Quelle aller Synthese [ist].“ Düsing (), S. , kommt in seiner Analyse der vier grundlegenden Bedeutungen der Einheit zu einem ähnlichen Schema. Der Bezug der vierfachen Komplexion zu den Kategorientiteln wird erst im nächsten Gliederungsabschnitt erörtert. Die Überleitung von einem „rein logische[n] Standpunkt“ zu einer „dynamischen Auffassung“ der Apperzeption, welche Rescher (), S. , im Opus postumum erblickt, ist also bereits in der Bewusstseinstheorie des transzendentalen Subjektes der Kritik der reinen Vernunft angelegt.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
wurde gezeigt, dass auf die Apperzeption notwendig beides zutreffen muss, einerseits als die Vollzugsform der Apperzeption, andererseits als ihr Vollzug selbst. Die zweite Bestimmungsrücksicht betraf die Apperzeption in Rücksicht auf das transzendentale Subjekt. So bildet die Apperzeption einerseits die Form der Reflexivität, zum anderen ist sie gleichzeitig Grund der erkenntnisfunktionalen Einheit des Verstandes.³⁵² Durch die Kombination der zwei Gegensatzpaarungen lassen sich nun vier Grundaspekte der Apperzeption ermitteln.³⁵³ So ist auf Seiten der formal-logischen Apperzeption der subjektbezügliche Begriff der ursprünglichen Apperzeption zu finden, i. e. „der formale Satz der Apperzeption: Ich denke“.³⁵⁴ Dieser Aspekt bezeichnet die bloße Form des reinen, selbstbezüglichen
Natterer weist ebenfalls auf diese Doppelbedeutung der Apperzeption hin: „Kant fasst unter dem Sachverhalt Ich denke () das transzendentale Subjekt Ich als Subjekt und Bewusstsein der Akte des Denkens. Dieses Ich denke bedeutet () auch die Akte des Denkens und bezeichnet die logischen Funktionen.“ Natterer (), S. . Eine ähnliche Differenzierung findet sich auch bei Rotenstreich: „Self-awareness is not only in this sense, as the verbal meaning would imply, the awareness of the self of himself, but also correlate in terms of the manifold and in terms of the dependence of that manifold on the apperception.“ Rotenstreich (1981), S. 337. Cf. ebenfalls op. cit., S. 338 f., 341. Sturma (a), S. , spricht von einer dreifachen Komplexion: „Damit hat sich aus der Erkenntniskritik eine Begriffskonstellation ergeben, der zufolge Selbstbewußtsein ein komplexes Phänomen ist, das sich zusammensetzt aus dem egozentrischen Ursprung der Reflexion, dem empirischen Gehalt des jeweiligen Bewußtseinszustandes, in Bezug auf den Selbstbewußtsein vorliegt, und einem intentionalen Korrelat, das sich auf das Verhältnis desjenigen zur raumzeitlichen Welt bezieht, der jeweils Selbstbewußtsein hat.“ Sturma spricht damit bereits wesentliche Aspekte der tatsächlich vierfachen Komplexion aus: . Den ursprünglichen selbstreflexiven Bezug, . Den apperzeptiven Bezug auf eine gegebene Vorstellung im Bewusstsein. . Den intentionalen Bezug, welchen er jedoch hinsichtlich des Vollzugs des sich beziehenden Denkens (Synthesis) und dessen Form (Einheit) nicht eigens differenziert. Auch Choi (1996), S. 26, unterscheidet verschiedene Dimensionen der transzendentalen Apperzeption, welche sie in drei Gegensatzpaarungen antithetisch gegeneinander stellt. So sei die Apperzeption (1) die ursprünglich synthetische Einheit der Mannigfaltigkeit, wohingegen sie (2) gleichzeitig das Bewusstsein der analytischen Einheit des eigenen Selbst darstelle. Diese Gegensatzpaarung entspricht der Entgegensetzung auf der vertikalen Achse von Reflexion und Intention. Weiterhin sei die Apperzeption (3) eine rein intellektuelle Vorstellung, wohingegen sie ebenfalls (4) den empirischen Satz aus „Ich bin“ ausdrücke. Auch diese Unterscheidung Chois findet sich in der Analyse des transzendentalen Selbstbewusstseins wieder, i. e. einmal als ursprüngliche Reflexivität, zum anderen als im Aktus des Reflektierens produzierte Vorstellung des Ich. Zwischen der Einheit als bloßer Form und der Synthesis als Vollzug der Form unterscheidet Choi jedoch ebenfalls wie Sturma nicht. Dagegen weist sie (5) darauf hin, dass die Apperzeption einerseits der Aktus des Subjekts, sei sein Dasein zu bestimmen, andererseits keine bestimmten Prädikate des Subjekts enthielte. Dieser Umstand wird im folgenden Gliederungsabschnitt von Bedeutung sein. KrV, A ; S. .
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Denkens. Als bloß logische Form des Verstandes, d. h. des Denkens überhaupt, macht diese Fassung der Apperzeption die Transzendentalphilosophie, welche diese als höchsten Punkt hat, von vornherein gegen den Einwand des Solipsismus immun; die Apperzeption ist die transindividuelle, logische Form des je-eigenen (autoreferentiellen) Denkens.³⁵⁵ Dieser abstraktesten Stufe der Apperzeption entspricht auf funktionaler Ebene der Verstand als bloßes Urteilsvermögen.³⁵⁶ Es handelt sich auf dieser Ebene also noch nicht um anschauungsbezogenes Denken, sondern um die bloße Form des (Selbst‐)Denkens überhaupt.³⁵⁷ Im Gegensatz zu Kant macht Fichte diese notwendige Stufe der Apperzeption explizit: „es ist zuförderst ein reines Denken das sich bestimmt: dieses wird in der Synthesis durch die Einbildungskraft hindurchgesehen und selbst versinnlicht.“³⁵⁸ Hier ist auch der Schlüssel zu Kants Lehre von der sogenannten Selbstaffektion zu finden:³⁵⁹ Er [der Verstand, M. B.] also übt, unter der Benennung einer transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft, diejenige Handlung aufs passive Subjekt, dessen Vermögen er ist, aus, wovon wir mit Recht sagen, daß der innere Sinn dadurch affiziert werde. Die Apperzeption und [Hervorhebung, M. B.] deren synthetische Einheit ist mit dem inneren Sinne so gar nicht einerlei, daß jene vielmehr, als der Quell aller Verbindung, auf das Mannigfaltige der Anschauungen überhaupt unter dem Namen der Kategorien, vor aller sinnlichen Anschauung auf Objekte überhaupt geht; dagegen der innere Sinn die bloße Form der Anschauung, aber ohne Verbindung des Mannigfaltigen in derselben, mithin noch gar keine bestimmte Anschauung enthält, welche nur durch das Bewußtsein der Bestimmung desselben durch die
Thyssen (/), S. , formuliert den Einwand, dass die Auffassung, dass „die Statuierung eines transzendentalen Subjekts stets nur die generelle Fassung, ein allgemeines Sosein, das sich an den Einzelrealitäten findet“ darstelle, sich notwendig dem Solipsismusvorwurf aussetze: „[I]st das einzelne Cogito-Ich die einzige je mir sichere Realität und ist das transzendentale Subjekt nur etwas, ein Sosein an ihm (ein „Faktor“), so hängen die anderen Iche eben auch von diesem meinem Sosein ab, sind mein cogito“ (Ibid). Die Apperzeption als Form des Denkens ist keineswegs ein bloßer Faktor des „Cogito-Ich“, sondern logische Bedingung, dass sich das Denken als Ich selbst ansprechen kann. Alles Denken als selbst zuschreibendes Denken hat die Form der Apperzeption, respektive artikuliert sich als Cogito in der Apperzeption. Vice versa ist die Form des Denkens nur im Denken präsent, so dass sich die Apperzeption als Artikulationsform der Selbstansprache des „Cogito-Ichs“ erst durch diese realisiert,was jedoch nicht dazu berechtigt, ihr Verhältnis im Sinne Thyssens umzukehren. Cf. Natterer (), S. . Zobrist betont daher richtig, „dass die ursprüngliche Apperzeption eine jeder Zeitlichkeit überhobene ’transzendentale Vorstellung’ ist.“ Zobrist (), S. . Fichte (), AA IV, , AA IV, , ; S. . Affektion und Selbstaffektion sind miteinander in einer bestimmten Weise korreliert, so dass die Selbstaffektion als Erkenntniskonstitutiv erst mit Blick auf die Affektion verstanden werden kann, cf. Kap. ..
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transzendentale Handlung der Einbildungskraft (synthetischer Einfluß des Verstandes auf den inneren Sinn), welche ich die figürliche Synthesis genannt habe, möglich ist.³⁶⁰ Der Verstand findet also in diesem nicht etwa schon eine dergleichen Verbindung des Mannigfaltigen, sondern bringt sie hervor, indem er ihn [den inneren Sinn, M. B.] affiziert. ³⁶¹
Wie ist also der Begriff der Affektion des inneren Sinnes durch den Verstand, respektive durch die Apperzeption zu verstehen; d. h. wie verbindet sich die Form der Verbindung mit der Form der Anschauung? Ausgehend von dem bisher Dargelegten kann dies nur bedeuten, dass sich die Form der synthetischen Einheit im Denkvollzug der Apperzeption als „Aktus“ des transzendentalen Selbstbewusstseins aktualisiert, sofern sie a priori auf die Form des inneren Sinnes notwendigen Bezug nimmt. Selbstaffektion ist daher nichts anderes als die affektionsinduzierte Aktualisation der formalen Ichstruktur in Bezug auf die temporale Konstitution des Selbstbewusstseins. Der „synthetische[] Einfluß des Verstandes auf den inneren Sinn“ geschieht dabei notwendig gemäß der Form der synthetischen Einheit der Apperzeption, da die Form der Apperzeption, „die jeder Erfahrung anhängt und ihr vorhergeht“³⁶², mit der Form des Verstandes identisch ist. Durch die notwendige Korrelation der Synthesis mit ihrer Einheit als idealer Form versinnlicht sich die Apperzeption bereits dadurch, dass sie im Denken als Akt vollzogen wird. Die Identität der Apperzeptionseinheit in ihrem objektiven Bezug als ideale Einheit der Urteilshandlungen konstituiert also notwendig bereits durch ihren reinen Vollzug im Denken die Synthesis der Vorstellungen in Ansehung der Anschauungsform des inneren Sinnes als temporale Information. Da die Apperzeption nun selbst nur „in der Tat“, d. h. im Denken existiert,³⁶³ das Denken sich jedoch nur in Bezug auf die gleichursprüngliche Form des inneren Sinnes vollziehen kann, ist die Apperzeption als synthetische Einheit immer schon als zeitliche gedacht.³⁶⁴ Selbstaffektion bedeutet daher den Vollzug der Apperzeption in Rücksicht auf eine Vorstellung, die als die eigene gedacht wird; ergo ist die Be-
KrV, B f.; S. . KrV, B ; S. . KrV, A ; S. . Apperzeption als actus purus B ; Frank (), . Das von Zobrist (), S. , konstatierte Schwanken Kants zwischen „dem ’Ich’ der transzendentalen Apperzeption und dem ’Ich’ des empirischen Selbstbewusstseins“ in der Erörterung des dritten Paralogismus lässt sich so der Sache nach rechtfertigen. So kann zwar in Bezug auf den Formalismus der ursprünglichen Apperzeption nur von einer bloß „logischen Identität des Ich“ (KrV, A ; S. ) die Rede sein, als Einheit der Synthesis ist deren Vorstellung jedoch immer schon temporal denotiert. Heim (), S. , betont dagegen die Einheit von intellektueller und temporaler Form der Apperzeption.
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wusstwerdung mit der temporalen Bewusstseinshandlung in einem Bewusstseinvon immer schon verkoppelt. Die vier Bedeutungen der Apperzeption in ihrer Komplexion lassen sich ebenfalls aus der Selbstbestimmungsstruktur der Apperzeption als Funktion und Begriff gewinnen: Die Apperzeption ist reine Handlung der Selbstbestimmung; insofern ist sie ursprünglich. In der Apperzeption bezieht sich das Denken auf seine eigene Einheit; somit bildet die Apperzeption als Funktion gleichzeitig die Regel der Verknüpfungen einer nicht durch sie selbst gegebenen Mannigfaltigkeit in der Anschauung. Sie muss daher einerseits als Funktion des Denkens in Bezug auf sich selbst bloße Funktion der Einheit sein, andererseits in Bezug auf die durch die Sinnlichkeit gegebene Mannigfaltigkeit reine Funktion der synthetischen Einheit. Schließlich ist die Apperzeption begleiten könnender Begriff, wenn die durch ihre Funktion zur Einheit synthetisierte Mannigfaltigkeit zur Vorstellung einer durchgängigen Identität gebracht wird. Die zu Beginn dieses Gliederungsabschnittes aufgestellten drei Forderungen, dass die Einheit der Apperzeption erstens eine Prinzipieneinheit darstellen solle, dass sie zweitens mit dem Einheitsprinzip des Verstandes und drittens mit dem reinen, unschematisierten, d. h. bloßen Verstand selbst identisch sei, können durch die Analyse des Apperzeptionsbegriffes als erfüllt gelten. So konnte gezeigt werden, dass die Apperzeption als synthetisierende Funktion eine formale Einheit aufweisen muss, welche der Synthesis der Mannigfaltigkeit als Form logisch vorherzugehen hat. Die Einheit der Apperzeption, welche die logische Form der Reflexivität und damit gleichzeitig die des Verstandes darstellt, sofern dieser als Einheitsvermögen auf seine eigenen Regeln Bezug nimmt, bildet damit das Principium der Verstandesregeln.³⁶⁵ Die Apperzeption kann daher als Einheitsprinzip der Regeln des reinen Verstandes begriffen werden. Die Prinzipienstruktur in Bezug auf die durch sie zur Einheit gebrachten Verstandesregeln muss natürlich erst im Durchgang durch die Apperzeptionsstruktur gezeigt werden. Ein entscheidendes Interpretationsziel auf dem Weg zum Vollständigkeitsbeweis wurde jedoch bereits erreicht, indem die Apperzeption als formal-logisches Prinzip des Verstandes ausgewiesen werden konnte. Damit konnte gezeigt werden, dass die Apperzeption die Prinzipieneinheit (I) des Verstandes (II) darstellt, welche auf erkenntnisfunktionaler Ebene identisch ist mit dem Verstand als bloßem Urteilsvermögen (III).
„Nun ist die Einheit des Mannigfaltigen in einem Subjekt synthetisch: also gibt die reine Apperzeption ein Principium der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in aller möglichen Anschauung an die Hand.“ KrV, A f.; S. f. Cf. auch KrV, A ; S. .
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Die hier vorgelegte integrative Analyse der Apperzeption liefert die Möglichkeit, bestimmte Schwierigkeiten der Interpretation zu lösen. Dies soll, bevor das Hauptthema der Untersuchung wieder aufgegriffen wird, anhand der sieben zentralen Interpretationsfragen, welche Klass als „Framework for Reading Kant on Apperception“³⁶⁶ ausmacht, demonstriert werden: „What is apperception: a mere thought, empirical knowledge or a special nonempirical (Cartesian) knowledge?“³⁶⁷ Diese Frage zielt auf das Problem der Einordnung der Vorstellung des „Ich denke“. Den Hintergrund des Problems bildet die Frage der korrekten Zuordnung der apperzeptiven Vorstellung des „Ich denke“ zur Sphäre der Begriffe oder Anschauungen einerseits, andererseits in Bezug zur Sphäre der empirischen und der apriorischen Vorstellungen. Begrifflich wurde die Apperzeption als Vorstellung des „Ich denke“ von der bloßen Form des Ausdruckes und seiner transzendentalen Funktion unterschieden. So wurde der Vorstellung des Cogito im Schema der vierfachen Komplexion die Stelle einer subjektiv-dynamischen Vorstellung zugewiesen. Das „Ich denke“ bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Vorstellung a priori, welche an allen Vorstellungen angetroffen werden kann. ³⁶⁸ Insofern wird der Begriff des Selbstbewusstseins in einer beliebigen Vorstellung durch die Inachtnahme seiner Meinigkeit angetroffen. Die Vorstellung und das Urteil über die Zugehörigkeit der Vorstellung, welche diese mit dem Index der Meinigkeit versieht, sind demnach gleichursprünglich. Die maßgebliche Schwierigkeit kommt nun dadurch zustande, dass Kant die Apperzeption selbst wiederum als Bedingung der Möglichkeit der Meinigkeit der Vorstellungen bezeichnet. Ein beliebiges x wäre demnach genau dann eine Vorstellung, d. h. Gegenstand meines Bewusstseins, wenn x von einer Vorstellung y begleitet würde, für welche gilt, dass y die Vorstellung der Zugehörigkeit von x zu
Klass (). Klass (), S. . Gegenüber der ersten Auflage scheint Kant in diesem Punkt seine Ansicht geändert zu haben: „Dieses Bewußtsein kann oft nur schwach sein, so daß wir es nur in der Wirkung, nicht aber in dem Actus selbst, d. i. unmittelbar mit der Erzeugung der Vorstellung verknüpfen: aber unerachtet dieser Unterschiede, muß doch immer ein Bewußtsein angetroffen werden, wenn ihm gleich die hervorstechende Klarheit mangelt, und ohne dasselbe sind Begriffe, und mit ihnen Erkenntnis von Gegenständen ganz unmöglich.“ KrV, A f.; S. . Obschon hier eine im Vergleich zur Auflage B stattfindende Verschiebung von Kants Verständnis der transzendentalen Apperzeption von einer bewusstseins- zugunsten einer funktionstheoretischen Bedeutung festzustellen ist, lässt sich doch derselbe Grundgedanke feststellen: Nicht die Deutlichkeit eines aktualen Selbstwissens, sondern die Bedeutung der Apperzeption als Einheitsgarant der Vorstellungen steht im Zentrum der kantischen Überlegung. Die in der ersten Auflage von Kant vorgeschlagene Lösung einer steten Präsenz des Bewusstseins, auch bei verschiedentlicher Abschattung desselben, steht dabei noch ganz in der rationalistischen Tradition Leibnizens.
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meinem Bewusstsein enthält. Diese Annahme führt auf zwei Konsequenzen: Erstens müsste jede Vorstellung von einer Vorstellung ihrer Zugehörigkeit zum Bewusstsein begleitet sein, was Kant offensichtlich mit seiner Rede vom bloßen „begleiten können“³⁶⁹ des „Ich denke“ nicht im Sinn hatte.³⁷⁰ Selbst wenn man die Notwendigkeit des Begleitens der Apperzeption für jede Vorstellung annähme, beispielsweise in Gestalt einer vorbewussten, dunklen Vorstellung, welche zwar jede andere Vorstellung begleitet, jedoch selbst nicht immer vollumfänglich registriert werden müsste, bliebe ein zweites, vitioses Problem übrig: Eine Vorstellung wäre nur qua einer Vorstellung möglich.³⁷¹ Die hier vorgelegte Lösung bestand in der Auffassung, dass die Apperzeption in ihrer transzendentalen Funktion als Form des Denkens die Möglichkeit des Begleitens einer Vorstellung mit dem Bewusstsein seiner Meinigkeit erst ermöglicht. Die Stärke des kantischen Arguments besteht nun darin, dass Kant die transzendentale Funktion der Apperzeption einerseits als apriorische Bedingung des Denkens und andererseits als Bedingung des empirischen Selbstbewusstseins entwirft, ohne hieraus ein ursprüngliches Wissen über die Natur unserer Subjektivität im Sinne des Cartesischen Cogitos abzuleiten. Die zweite Frage Klassens lässt sich ebenfalls mit Bezug auf die Unterscheidung des dynamischen und des formalen Aspekts der Apperzeption beantworten: „What is apperception: mere accompainment or the thought/knowledge of identity?“³⁷² Klass versteht diese Frage vor dem Hintergrund des bereits diskutierten Problems der Möglichkeit, respektive der Notwendigkeit des Begleitens unserer Vorstellungen von der Vorstellung des Cogito. Die Apperzeption als Form des Denkens ist Bedingung der Möglichkeit aller Vorstellungen und insofern in jeder Vorstellung präsent. In Bezug auf die Apperzeption bedeutet dies notwendig ihr Gedachtwerden als Identität, was im nächsten Gliederungsabschnitt diskutiert wird. Hiervon unabhängig ist jedoch ihre ständige Mitpräsenz als Vorstellung. Klass’ dritte Frage betrifft den Bezug der Apperzeption zum sich apperzipierenden Subjekt: „What is apperception: Is the ’I’ in ’I think’ an essential indexical?“, d. h. drückt die Vorstellung des „Ich denke“ eine Art des Selbstwissens aus? Die Frage kann nur teilweise bejaht werden. Sie ist zu verneinen, insofern wir uns
KrV, B ; S. . „Diese Vorstellung [=Ich, M. B.] mag nun klar (empirisches Bewußtsein) oder dunkel sein, daran liegt hier nichts, ja nicht einmal an der Wirklichkeit desselben; sondern die Möglichkeit der logischen Form alles Erkenntnisses beruhet notwendig auf dem Verhältnis zu dieser Apperzeption als einem Vermögen.“ KrV, A , Anm. ; S. . In dieser Gestalt ist sie sogar absurder als Nietzsches Spott, dass Kant die Möglichkeit von Vorstellung „vermöge eines Vermögens“ erkläre. Jenseits von Gut und Böse, , MusA XV, . Klass (), S. .
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selbst nur in der Form des Denkens, welche mit der Apperzeption identisch ist, bekannt werden können. Kant leugnet also, dass wir durch die Introspektion einen privilegierten Erkenntniszugang zu unserer An-sich-Natur als denkendes Wesen besitzen. Auch das sich selbst denkende Denken, ist auf die Möglichkeit des Denkens, i. e. die logische Form, in der sich Denken überhaupt realisiert, restringiert. Damit verbunden scheint jedoch auch für Kant ein Um-sich-wissen, d. h. ein Wissen um das Faktum meines denkenden Bezuges auf die Erscheinung.³⁷³ Dagegen bin ich mir meiner selbst in der transzendentalen Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen überhaupt, mithin in der synthetischen ursprünglichen Einheit der Apperzeption, bewußt, nicht wie ich mir erscheine, noch wie ich an mir selbst bin, sondern nur daß ich bin [Hervorhebung, M. B.].³⁷⁴
Man kann dieses Um-sich-wissen des Denkens durchaus, wie Crone dies tut,³⁷⁵ als ein „phänomenales Selbstbewusstsein“ bezeichnen, ohne dass hieraus für die kantische Lehre des transzendentalen Selbstbewusstseins, zumindest wenn man den von Kant selbst gesetzten kritischen Rahmen seiner Philosophie nicht überschreiten möchte, ein theoretischer Gewinn gezogen werden könnte.³⁷⁶ Die vierte Frage greift den Problemgrund der drei vorherigen Fragen direkt auf: „What is required by the principle: Must there be constant accompaniment by the ’I think,’ the mere possibility of accompaniment or knowledge of that possibility?“³⁷⁷ Diese Frage lässt sich ebenfalls mit Verweis auf die Unterscheidung von Form und Vorstellung beantworten: Allen Vorstellungen muss die Form des Denkens notwendig zu eigen sein, um überhaupt Vorstellung sein zu können, mutatis mutandis alle Vorstellungen müssen von der Vorstellung des „Ich denke“ als Begriff dieser Form begleitet werden können. Damit ist gleichzeitig Klass’ fünfte Frage mitbeantwortet: „What is required by the principle: What is the scope of the ’all’? Which representations must I be able to apperceive?“³⁷⁸ Sofern ein Gegenstand Objekt einer Vorstellung ist, steht er unter der Form des ursprünglichen Selbstbewusstseins. Die sechste Frage Klassens bezieht sich auf den synthetischen Charakter der Apperzeption: „What is the logical status of the apperception principle: Is it analytic or synthetic?“³⁷⁹ In der Analyse der „ursprünglich synthetischen Einheit
Cf. Schöndorf (), S. . KrV, B ; S. . Crone (), S. . Dies betont ebenfalls Crone (), S. f. Klass (), S. . Klass (), S. . Klass (), S. .
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der Apperzeption“ wurde auf die Beziehung von Synthesis und Einheit Bezug genommen. Einheit, im Allgemeinen als bloße Form eines Gedankens, wird durch die logische Funktion zu urteilen erreicht. Diese Funktion des Denkens ist unabhängig von der Analytizität oder Synthetizität seines Denkinhaltes, sondern wird erst im Vollzug des Denkens relevant. Die Form der Apperzeption ist daher indifferent gegenüber der Synthetizität des Apperzipierens in Gestalt des „Ich denke“, mit dem die Meinigkeit des Gedachten markiert wird. Die siebte Frage bezieht sich auf den logischen Status der Apperzeption als Prinzip der kantischen Philosophie: „What is the logical status of the apperception principle: Does Kant have (or need) an agrument for it?“³⁸⁰ Wie Klass richtig anführt, hängt die Antwort auf diese Frage weitestgehend davon ab, welche Antwort auf die sechs vorherigen Fragen gegeben wurde.³⁸¹ Das Besondere der in dieser Arbeit vorgelegten, integrativen Interpretation des kantischen Prinzips der Apperzeption besteht genau darin, gezeigt zu haben, dass erstens die verschiedenen Interpretationen in ihrer scheinbaren Widersprüchlichkeit aus der Verabsolutierung eines bestimmten Aspektes der Apperzeption resultieren; und zweitens, dass die Frage nach dem eigentlichen logischen Status der Apperzeption deswegen bisher nicht beantwortet werden konnte, da die Aufweisung des systematischen Zusammenhanges der verschiedenen Aspekte der Apperzeption nicht gezeigt wurde. Den Grund dieses Zusammenhanges gilt es nun zu durchleuchten.
2.2.4 Die Struktur der Apperzeption in der transzendentalen Deduktion Nachdem die Apperzeption in ihrer vierfachen Komplexion analysiert und als Prinzipieneinheit ausgewiesen wurde, muss das nächste Ziel auf dem Weg zu einem Beweis der Abgeschlossenheit des Systems der elementaren Erkenntnisfunktionen darin bestehen, eine Struktur in der Apperzeption nachzuweisen. Wenn die Tafel der Urteilsformen aus der Apperzeption ermittelt werden können soll,³⁸² kann diese nicht eine bloße Leerform der Reflexivität sein, zu der die Klass (), S. . Cf. Klass (), S. . Zobrist (), S. , spricht zwar davon, dass die Kategorien „’Ausfaltungen’ der ursprünglich-synthetischen Einheit des transzendentalen Selbstbewusstseins“ darstellen, „indem dieses die Kategorien als spezifische Einheitsfunktionen aus sich entlässt“, insistiert jedoch darauf, dass die „einzelnen Kategorien [] indessen nicht aus der ursprünglich-synthetischen Apperzeptionseinheit als solchen [sic!] ableitbar [sind].“ Er begründet dies damit, dass die Kategorien innerhalb der metaphysischen Deduktion aus den Urteilsfunktionen, nicht aber aus der Apperzeption gewonnen werden. Dies ist zwar richtig, jedoch keineswegs ein Einwand gegen eine Ableitung der Urteilsformen aus der Apperzeption, cf. Kap. ...
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Urteilsformen hinzutreten.³⁸³ Wenn die Apperzeption eine inhärente urteilslogische Struktur aufweisen soll, dann ist zu vermuten, dass diese bereits in der transzendentalen Deduktion nachweisbar ist. Die mit Blick auf die transzendentale Dialektik nachgewiesene Einheit der Momente mit gleichem numerischen Index innerhalb der drei transzendentalen Ideen als Prinzipien³⁸⁴ sollte sich daher idealerweise auch in der transzendentalen Deduktion wiederfinden und zwar so, dass die Reihenfolge der Momente der Reihenfolge der Paralogismen entspricht (Relation, Qualität, Quantität, Modalität). Ziel des Gliederungsabschnittes muss es daher sein, zu zeigen, dass Kant die Apperzeption durch die jeweils ersten Momente der Urteilstafel bestimmt. Dass dem so ist, lässt sich bezüglich der Auflage A durch folgenden Auszug demonstrieren: (A) Diese ursprüngliche und transzendentale Bedingung ist nun keine andere, als die transzendentale Apperzeption. Das Bewußtsein seiner selbst, nach den Bestimmungen unseres Zustandes, bei der inneren Wahrnehmung ist bloß empirisch, jederzeit wandelbar, es kann kein stehendes oder bleibendes Selbst in diesem Flusse innerer Erscheinungen geben, und wird gewöhnlich der innere Sinn genannt, oder die empirische Apperzeption. (B) Das was notwendig als numerisch identisch [Hervorhebung, M. B.] vorgestellt werden soll, kann nicht als ein solches durch empirische Data gedacht werden. Es muß eine Bedingung sein, die vor aller Erfahrung vorhergeht, und diese selbst möglich macht, welche eine solche transzendentale Voraussetzung geltend machen soll. (Γ) Nun können keine Erkenntnisse in uns stattfinden, keine Verknüpfung und Einheit derselben untereinander, ohne diejenige Einheit des Bewußtseins, [Hervorhebung, M. B.] welche vor allen Datis der Anschauungen vorhergeht, und, worauf in Beziehung, alle Vorstellung von Gegenständen allein möglich ist. (Δ) Dieses reine ursprüngliche, unwandelbare Bewußtsein will ich nun die transzendentale Apperzeption nennen. Daß sie diesen Namen verdiene, erhellt schon daraus: daß selbst die reinste objektive Einheit, nämlich die der Begriffe a priori (Raum und Zeit) nur durch Beziehung der Anschauungen auf sie möglich sein. Die numerische Einheit dieser Apperzeption liegt also a priori allen Begriffen ebensowohl zum Grunde, als die Mannigfaltigkeit des Raumes und der Zeit den Anschauungen der Sinnlichkeit.³⁸⁵
Die erste Bestimmung der Apperzeption im Sinnabschnitt (A) wird nur negativ in Bezug auf ihr empirisches Gegenstück angedeutet. „Das Bewußtsein seiner selbst“, welches die transzendentale im Gegensatz zur empirischen Apperzeption auszeichnet, kann nicht aus der Wahrnehmung der inneren Zustände durch den inneren Sinn abgeleitet werden. Die transzendentale Apperzeption muss also der empirischen als Bedingung ihrer Möglichkeit vorhergehen. Wie sie dies tut, ist mit
S. , Anm. Cf. Kap. ... KrV, A f.; S. .
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Blick auf die bisherigen Ergebnisse der Analyse leicht zu sagen, nämlich indem sie die ideale Struktur der empirischen Selbstwahrnehmung als die transzendentale Form des Verstandes bildet. Die erste genuine Funktion der transzendentalen Apperzeption besteht in der Bedingung der Möglichkeit des Selbstbewusstseins als reflexives Selbstverhältnis. Die erste Bestimmung des transzendentalen Selbstbewusstseins muss demnach eine solche der Relation sein. Diese vollzieht sich im Denken durch ein kategorisches Urteil. Nur wenn man die Apperzeption als transzendentales Vermögen konzipiert, besitzt die Vorstellung der numerischen Identität des Selbst Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit kann hinwiederum aus ersichtlichen Gründen nicht den empirischen Data des Vorstellungsfluxus entnommen werden. Die numerische Identität des Selbst ist mit der Kategorie der Einheit verknüpft. (B) Es hat also den Anschein, als ob Kant die quantitative Bestimmung der Apperzeption vor die qualitative setzt. Diese Reihenfolge wird jedoch im nächsten Absatz (Γ) relativiert, indem Kant klar macht, dass Erkenntnisse und deren Verknüpfung erst durch den Bezug auf die qualitative Einheit des Bewusstseins stattfinden können. Dies muss dementsprechend auch für die Vorstellung des eigenen Ichs als numerisch identisch gelten, sodass die Bestimmung gemäß der Qualität logisch der der Quantität vorhergehen muss.³⁸⁶ Mit der Bestimmung des Selbstbewusstseins hinsichtlich der Qualität erweist sich das Selbstbewusstsein als die vorstellungsermöglichende Instanz, d. h. „worauf in Beziehung, alle Vorstellung von Gegenständen allein möglich ist.“ Gegenstandserkenntnis ist also nur möglich, wenn der Gegenstand zum Gegenstand einer Vorstellung bestimmt wird. Als Bedingung der Möglichkeit von Gegenständlichkeit überhaupt ist damit die Apperzeption gleichzeitig Bedingung der Möglichkeit der Realität einer Vorstellung. Die Bestimmung in Ansehung der Modalität zu finden, ist nicht ganz so offensichtlich, wie es bei den drei vorhergegangenen der Fall gewesen ist. Dies liegt nicht zuletzt an dem besonderen Status, welchen die Modalität als Kategorie besitzt.³⁸⁷ Dessen ungeachtet findet sich im Sinnabschnitt (Δ) ein Verweis auf die Bestimmung der Apperzeption in Bezug auf das erste Moment der vierten Kategorie. So macht Kant klar, dass selbst die reinsten Begriffe – dies sind natürlich die Kategorien – nur an Hinblick auf die Apperzeption möglich sind. Die Kategorien als Gegenstandsbestimmungen im Erkenntniszusammenhang von Subjekt und Objekt sind nur in Beziehung auf die Apperzeption möglich. Beachtenswert und für den zu erbringenden Vollständigkeitsbeweis wichtig ist hier die Perspektivierung,
Die enge Verbindung von Einheit und Identität betont besonders Baumanns (), S. f. Cf. Kap. ...
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nämlich der Blick von den reinen Verstandesbegriffen auf ihre Möglichkeitsbedingung, die Apperzeption. Mit der Modalität sind alle vier Kategorientitel in Bezug auf die Apperzeption gefunden. Außerdem zeigt sich nicht nur, dass in der Bestimmungsstruktur der Apperzeption das jeweils erste Moment eines jeden Titels ausschlaggebend gewesen ist, sondern dass diese die gesuchte Reihenfolge bilden. In der Ausgabe B findet sich diese Ordnung der Kategorien im Durchgang der Bestimmung der Apperzeption ebenfalls. So ist die Apperzeption zuallererst Selbstbewusstsein, insofern sie als ursprüngliche Apperzeption dasjenige Bewusstsein bildet, welches die Vorstellung des „Ich denke“ hervorbringt.³⁸⁸ Diese Vorstellung ist also das Ergebnis eines selbstreflexiven Aktes, dessen formale Struktur durch die Form des transzendentalen Selbstbewusstseins gegeben ist. An die Bestimmung der Apperzeption als Selbstbewusstsein schließt sich unmittelbar ihre Kategorisierung als (transzendentale) Einheit an.³⁸⁹ Die Apperzeption ist also die Form eines selbstbezüglichen Vorstellungsaktes, welche alle Vorstellungen als notwendig zur Einheit des Selbstbewusstseins zugehörig denkt. Aus dieser Charakterisierung ist die notwendige numerische Einheit zu folgern, i. e. die durchgängige Identität der Apperzeption.³⁹⁰ Mit dieser Folgerung kommt ein neues Element, nämliche temporale Indizierung der Apperzeption als persistente Vorstellung. Diese ermöglicht einerseits die Synthesis der Vorstellungen zur Erfahrung, andererseits führt sie notwendig zur substantialistischen Ich-Vorstellung, welche in letzter Konsequenz die Paralogismen der transzendentalen Dialektik hervorbringt.³⁹¹ Die vierte und letzte Bestimmungsrücksicht der Apperzeption findet sich im Gegensatz zu den drei ersten nicht unmittelbar in der Exposition des Apperzeptionsbegriffes in § 16, sondern erst später in § 26. Dort erklärt Kant die Apperzeption hinsichtlich der durch sie ermöglichten naturgesetzlichen Bestimmungen mittels der Kategorien: Jetzt soll die Möglichkeit, durch Kategorien die Gegenstände, die nur immer unseren Sinnen vorkommen mögen, und zwar nicht der Form ihrer Anschauung, sondern den Gesetzen ihrer Verbindung nach, a priori zu erkennen, also der Natur gleichsam das Gesetz vorzuschreiben und sie so gar möglich zu machen, erklärt werden.³⁹²
KrV, B ; S. . KrV, B ; S. . KrV, B ; S. . Auf der begrifflich-strukturellen Ebene ist die Vorstellung der Identität jedoch sehr wohl von ihrem zeitlichen Begriff zu abstrahieren. Dies wird im nächsten Gliederungsabschnitt wesentlich sein. KrV, B ; S. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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Die Möglichkeit des allgemeinen Erfahrungsgebrauchs der reinen Verstandesbegriffe legt Kant durch die notwendig apperzeptionsgemäße Synthesis der Apprehension dar, welche sich in der Möglichkeit des Begleitenkönnens der Vorstellung des „Ich denke“ ausdrückt. Da das Objekt der Erkenntnis als Gegenstand der Erfahrung im Bewusstsein immer schon unter den formalen Bedingungen der Sinnlichkeit, speziell der des inneren Sinnes steht, die Kategorien nun aber mittels des Verstandes als Einbildungskraft über ihre Realfunktion einen apriorischen Anschauungsbezug herstellen, wird der Gegenstand in der Erfahrung notwendig gemäß der Kategorien apprehendiert. Damit steht das Mannigfaltige, noch bevor es zum Bewusstsein gelangt, schon unter den formalen Bedingungen des Selbstbewusstseins.Vorstellungen sind also nur in Bezug auf die Apperzeption hin möglich. Ähnlich wie in Deduktion A findet hier also derselbe Wechsel der Perspektive statt, insofern die Möglichkeit der Vorstellung in Bezug auf die Apperzeption expliziert wird. Dies wird im Folgenden sowie im Übergang zu Kapitel drei eine wesentliche Rolle spielen. Die Apperzeption wird sowohl in der Deduktion von 1781 als auch in der von 1787 durch dieselben Momente bestimmt, die denen des Paralogismuskapitels entsprechen. Diese kategoriale Bestimmtheit der Apperzeption lässt sich bereits in der im vorherigen Gliederungsabschnitt dargelegten vierfachen Komplexion des Apperzeptionsbegriffes wiederfinden. So drückt die Apperzeption als ursprüngliche Form des Selbstbewusstseins die logische Relation der Vorstellungen als Prädikate zum Subjekt der Vorstellungen aus. Mit dieser Relation der Vorstellungen auf das Subjekt ist auch ihre Beziehung auf das Subjekt als qualitative Einheit sowie in der Synthesis der Vorstellungen der Begriff der Identität dieser Einheit in jeder Vorstellung mitgegeben. Mit der Apperzeption als erkenntnisermöglichende, da alle Vorstellungen begleitende Vorstellung ist ebenfalls die Apperzeption hinsichtlich der Modalität bestimmt.
2.2.5. Bestimmungstheoretischer Vollständigkeitsbeweis Der Schlüssel zum Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel³⁹³ findet sich im Begriff des Verstandes „als absoluter Einheit“³⁹⁴, insofern dieser das gesuchte Prinzip bildet, aus dem die Begriffe und damit a fortiori die Urteilsfunktionen abzuleiten sind. Den Verstand als Ableitungsprinzip der Urteilstafel zu nehmen, wurde bereits von Michael Wolff vorgeschlagen. So identifiziert er den reinen
Das Schema der Ableitung findet sich in Anhang D. KrV, A | B ; S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Verstand auf Basis von B 134 mit der Apperzeption selbst. Damit, so Wolff, wäre das heuristische Kriterium erfüllt, welches wir als Bedingung (2) des Vollständigkeitsbeweises anführten, i. e. dass sich sein Beweisgrund im Leitfadenkapitel finden müsse, da Kant dort bekanntlich vom Verstand spreche.³⁹⁵ Baumanns kritisiert diese Gleichsetzung, da die Apperzeption die Bedingung des Verstandesgebrauchs als ihren Ursprung darstelle und nicht den Verstand selbst bezeichnen würde.³⁹⁶ Diese Kritik Baumanns’ an Wolff ist berechtigt, trifft jedoch nicht den Kern der Sache. Kant spricht nämlich nicht einfach vom Verstand, sondern von der absoluten Einheit des Verstandes. Unserer These nach ist diese tatsächlich identisch mit der Apperzeption, welche wiederum den Ursprung des Verstandesgebrauchs bildet. Die Apperzeption ist dabei, so wird zu zeigen sein, als Grund der absoluten Einheit des Verstandes identisch mit der reinen Form des Verstandes, dem bloßen Verstand als reinem Urteilsvermögen. Dieser Zusammenhang kündigt sich bereits im Anfang der transzendentalen Analytik an: Der reine [=bloße, M. B.] Verstand sondert sich nicht allein von allem Empirischen, sondern so gar von aller Sinnlichkeit völlig aus. Er ist also eine vor sich selbst beständige, sich selbst genugsame, und durch keine äußerlich hinzukommende Zusätze zu vermehrende Einheit. Daher wird der Inbegriff seiner Erkenntnis ein unter einer Idee [Hervorhebung, M. B.] zu befassendes und zu bestimmendes System ausmachen, dessen Vollständigkeit und Artikulation zugleich einen Probierstein der Richtigkeit und Echtheit aller hineinpassenden Erkenntnisstücke abgeben kann.³⁹⁷
Es gilt daher nach Kants eigener Beschreibung, diese absolute Einheit des Verstandes als Prinzip, respektive Idee aufzufinden. Als Idee vindiziert die Einheit des Verstandes einen Gebrauch desselben, wie er in Kapitel 2.1 beschrieben wurde.³⁹⁸ Ausgehend vom obigen Zitat beinhaltet die Aufgabe des zu erbringenden Vollständigkeitsbeweises die Beantwortung zweier Fragen: 1. 2.
Worin besteht die reine, unvermischte und absolute Einheit des Verstandesbegriffs? Wie hängen die Urteilsfunktionen unter sich zusammen?
Cf. Wolff, (), S. . Cf. Baumanns (), S. . Ebenso kritisiert Malzkorn an Wolffs Interpretation, dass Kant im Leitfadenkapitel nicht, wie von Wolff behauptet, vom Verstand i. w. S., i. e. vom gesamten oberen Erkenntnisvermögen, sondern nur vom Verstand i. e. S. spreche, cf. Malzkorn (), S. , Anm. . Diese Kritik ist unserer Ansicht nach zutreffend. KrV, A | B ; S. . Auf den Zusammenhang von Verstandessystematik und Vernunft bereits zu Beginn der Analytik weist auch Pissis (), S. , hin.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
207
Mit den Prädikaten „rein“ und „unvermischt“ ist klar, dass es sich hier nicht nur um reine Begriffe, d. h. um solche a priori handelt; a priori sind die Verstandesbegriffe als transzendentale auch in Bezug auf die apriorische Form der Sinnlichkeit. Durch die Prädizierung ist vielmehr klar, dass hier überhaupt kein Bezug zur Sinnlichkeit vindiziert wird. Ohne die transzendentale Zeitdetermination mittels der Schemata als dem Affektionsteil der reinen Verstandesbegriffe bleiben jedoch von den Kategorien allein ihre bloß logischen Funktionen zurück, die Urteilsformen.³⁹⁹ Die gesuchte absolute Einheit in der Idee besteht also allein in der Einheit der Urteilsformen. Im Paralogismuskapitel der transzendentalen Dialektik findet sich eine solche jedoch auf den ersten Blick nicht. Kant geht es dort vielmehr darum, den subreptiven Gebrauch der Vernunft als Ursprung der bloß angemaßten Erkenntnisse der Metaphysik aufzuzeigen und zu dekonstruieren. Den Ursprung des transzendentalen Fehlschlusses in den Paralogismen der reinen Vernunft bezeichnet Kant als apperceptionis substantiatae. ⁴⁰⁰ Der Fehlschluss in Bezug auf die Apperzeption besteht darin, dass diese zu einem zeitlichen Bewusstsein der Persistenz einer Ichheit hypostasiert wird. Die Apperzeption als „der Grund der Möglichkeit der Kategorien“⁴⁰¹ wird so als zeitlich indiziertes Bewusstsein eines sich bewusst werdenden Gegenstandes, einer Substanz, gedacht. Der Ursprung dieser Versinnlichung der Apperzeption liegt im Denken selbst, da das Denken in seiner Tätigkeit auf seine doppelständige Natur von Sinnlichkeit und Urteilsvermögen verwiesen ist. Der subreptive Gebrauch der Vernunft von der kategorialen Struktur der Apperzeption führt so zur Hypostasierung eines fingierten Gegenstandes. Man siehet aus allem diesem, daß ein bloßer Mißverstand der rationalen Psychologie ihren Ursprung gebe. Die Einheit des Bewußtseins, welche den Kategorien zum Grunde liegt, wird hier für Anschauung des Subjekts als Objekts genommen, und darauf die Kategorie der Substanz angewandt. Sie ist aber nur die Einheit im Denken, wodurch allein kein Objekt gegeben wird, worauf also die Kategorie der Substanz, als die jederzeit gegebene Anschauung voraussetzt, nicht angewandt, mithin dieses Subjekt gar nicht erkannt werden kann.⁴⁰²
Dieser Hypostasierung, welche durch die schematische Hypotypisierung⁴⁰³ des transzendentalen Selbstbewusstseins geschieht, liegt jedoch die formale Struktur der Apperzeption zu Grunde, nur dass diese nicht durch die Kategorien in Bezug auf eine mögliche Erfahrung zu bestimmen ist, sondern in ihrer absoluten Einheit
KrV, A | B f.; S. . KrV, A ; S. . KrV, A ; S. . KrV, B f.; S. . Cf. KdU § , AA V, ff.; S. ff.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
das Denken als Tätigkeit des kategorialen Verstandes überhaupt erst ermöglicht. Da also die Subreption auf der tatsächlichen Apperzeptionsstruktur aufbaut, ließe sich diese rekonstruieren, wenn man die zeitliche Bestimmung der subreptivtemporalen Indizierung vom hypostasierten Bewusstsein abstrahierte, also die Schematisierung aufhöbe. Im Ergebnis stünde die reine Struktur des transzendentalen Selbstbewusstseins, da die Apperzeption, wie Kant sagt, nur „nackte Verstandesbegriffe“⁴⁰⁴ enthält, also unschematisierte Kategorien (Notionen),⁴⁰⁵ mithin die bloßen Urteilsfunktionen der reinen Verstandesbegriffe. An dieser Stelle sind damit bereits zwei Vorbedingungen des Vollständigkeitsbeweises erfüllt: Erstens konnte gezeigt werden, dass Kant mit dem gesuchten Prinzip als Ursprung der Urteilsformen tatsächlich die Apperzeption meinte. Zweitens konnte dargelegt werden, dass die Apperzeption als begleiten könnende Vorstellung des Ich strukturell durch die jeweils ersten Momente bestimmt ist. Da das jeweils zweite Moment aus der Negation des ersten und das dritte Moment aus der Synthesis der ersten beiden gebildet wird, welche jeweils für sich wiederum begriffliche Einheiten bilden, nämlich Welt und Absolutheit (Gott), ist das logische Prius der Apperzeption bewiesen.⁴⁰⁶ Dies ist ein wesentlicher Schritt, jedoch noch nicht hinreichend, um die Vollständigkeit der Urteilstafel und ihre logische Geschlossenheit zu demonstrieren. Es muss noch geklärt werden, wie die Strukturmomente „rein und unvermischt entspringen, und daher selbst nach einem Begriffe, oder einer Idee, unter sich zusammenhängen“⁴⁰⁷. Hier sind wiederum zwei Fragen zu beantworten, wenn der Vollständigkeitsbeweis gelingen soll: 1. 2.
Wie sind Titel und Momente der Urteilstafel aus der Apperzeption zu gewinnen? In welcher logischen Reihenfolge ergeben sich Titel und Momente aus der Apperzeption?⁴⁰⁸
Der Grundgedanke des bestimmungstheoretischen Beweises der Vollständigkeit besteht in der Idee, dass sich die Titel und Momente aus der reflexiven Bestimmung der Apperzeption ergeben und zwar so, dass die vier jeweils ersten Momente der Urteilstafel die Apperzeption logisch exhaurieren. Jede Form der Bestimmung KrV, A . Cf. Heimsoeth (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. f. Die Nähe zu Fichtes Bestimmung von Ich und Nicht-Ich ist hier augenfällig. Es wird jedoch später noch gezeigt werden, dass Kant und Fichte sich in einem wesentlichen Punkt, nämlich in der Differenz der Apperzeption zum Begriff des Ichs, unterscheiden. KrV, A | B , S. . Cf. die Bedingung () des Vollständigkeitsbeweises.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
209
besteht bekanntermaßen aus drei logischen Elementen: Erstens die zu bestimmende Bestimmbarkeit – bei Kant ist dies die „Bedingung der Regel“⁴⁰⁹ – zweitens die Handlung der Bestimmung, das Bestimmen – in der die Funktion als Regel angewandt wird, und drittens das Ergebnis der Bestimmung, die Bestimmtheit, welche wiederum zur Bestimmbarkeit einer weiteren, anschließenden Bestimmungstätigkeit wird.⁴¹⁰ Die Bestimmungshandlung hat so die logische Form einer Schlusskette, in der das ursprünglich zu Bestimmende die Stelle des Exponenten einnimmt, wobei der Exponent eines Vernunftschlusses die Bedingung der Regel progressiver oder regressiver Sorites⁴¹¹, also prosyllogistischer oder episyllogistischer Vernunftschlüsse bildet.⁴¹² Die Kernthese des bestimmungstheoretischen Beweises besteht nun darin, dass die ursprüngliche Apperzeption im Exponenten einer episyllogistischen Vernunfthandlung als einer ursprünglich rekursiven Verstandeshandlung steht, aus welcher sich alle Titel mit den jeweiligen Momenten als notwendige Bestimmungen logisch ergeben.⁴¹³ Die Apperzeption als formale Struktur des Selbstbezuges enthält dabei die Urteilsformen in der Gestalt der Reflexionsbegriffe als Strukturelemente, welche sich wechselseitig bestimmungslogisch necessieren. Im Idealfall ergeben sich die Elemente der Urteilstafel (Titel und Momente) in einer logisch abgeleiteten Reihe mit der ursprünglichen Apperzeption in ihrem Exponenten.
KrV, A , S. . Die Bedingung der Regel bezeichnet den im Maior stehenden Begriff (Bspw. „Mensch“, dessen wesentliche Eigenschaft die Sterblichkeit ist.), unter dem im Minor eine bestimmte Erkenntnis („Alle Gelehrten sind Menschen.“) im Vernunftschluß subsumiert wird. Der Begriff erfährt so eine Bestimmung durch die im Minor gesetzte Erkenntnis („Einige Menschen sind Gelehrte.“), aus welcher ein Schluss gezogen werden kann („Alle Gelehrten sind sterblich.“). Cf. Schwabe (), S. . Cf. Jäger (), S. . Cf. KrV, A | B f.; S. f. Cf. Reich (1948), S. 68. Dass die Apperzeption den höchsten Punkt darstellt, auf den die Kritik der reinen Vernunft hinführt und an den sie erst ihre Argumentation aufhängt, ist als Argument gegen die Bemühungen Reichs u. a., die Urteilstafel aus der Apperzeption abzuleiten, angeführt worden, cf. Baumanns (), S. ff.; Brandt (), S. . Der hier vorgelegte Vollständigkeitsbeweis lässt diesen Einwand als gerechtfertigt zu. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass die Einheitsstruktur der Apperzeption, auf welche die Kritik der reinen Vernunft in der Deduktion als höchsten Punkt (cf. KrV, B .) zusteuert, bereits in der Urteilstafel als principium der Einheit des Verstandes vorausgesetzt ist und in ihrer Struktur ausgehend von ihrer Verwendung als Prinzip transparent gemacht werden kann. Dass für den Vollständigkeitsbeweis der Begriff des „Exponenten“ zentrale Bedeutung hat, erkannte bereits Reich (), S. . Sein Beweisversuch schlägt jedoch eine gänzlich andere Richtung ein als der hier vorgelegte Beweis.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Ist aber eine vollständig (und unbedingt) gegebene Bedingung einmal da, so bedarf es nicht mehr eines Vernunftbegriffs in Ansehung der Fortsetzung der Reihe; denn der Verstand tut jeden Schritt abwärts, von der Bedingung zum Bedingten, von selber.⁴¹⁴
Mit der Apperzeption als dem Ursprung der gesuchten Reihe ist bereits ein Problem verbunden, welches sich aus dem substantialistischen Missverständnis der Apperzeption ergibt, i. e. ihre problematische Gleichsetzung mit dem transzendentalen Subjekt.⁴¹⁵ Die Apperzeption ist jedoch eben nicht identisch mit dem „bestimmbaren Ich“. Sie ist nicht das Objekt des (Selbst‐)Bestimmens im Sinne des Fichteschen Gebrauches des Ichs, sondern die Form dieses Bestimmens selbst.⁴¹⁶ Die Apperzeption kann nach Kant nicht deswegen zum Objekt der Erkenntnis werden, weil sie gänzlich unerfahrbar wäre. Dies ist in Anbetracht der Vollständigkeit ihrer logischen Durchbestimmung durch die Urteilsmomente auch de facto nicht der Fall, sondern sie eignet sich deswegen nicht zur Vergegenständlichung, weil sie selbst das Medium allen Denkens und damit aller Erfahrung ist.⁴¹⁷ Dasjenige, was durch die reine Apperzeption zum empirischen Selbstbewusstsein bestimmt wird, „dieses Ich, oder Er, oder Es (das Ding), welches denkt“⁴¹⁸, ist das eigentlich unbekannte des Ichs an sich selbst =X. Daß aber das Wesen, welches in uns denkt, durch reine [=bloße, M. B.] Kategorien, und zwar diejenigen, welche die absolute Einheit unter jedem Titel derselben ausdrücken, sich selbst zu erkennen vermeine, rührt daher. Die Apperzeption ist selbst der Grund der Möglichkeit der Kategorien, welche ihrerseits nichts anderes vorstellen, als die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung, sofern dasselbe in der Apperzeption Einheit hat. Daher ist das Selbstbewußtsein überhaupt die Vorstellung desjenigen, was die Bedingung aller Einheit, und doch selbst unbedingt ist.⁴¹⁹
Jedes Bewusstsein des uns unbekannten Grundes unseres Selbstbewusstseins kann daher nicht im Modus der Reflexion gefunden werden. Der „innere Träger dieses Lebens, ’die Seele selbst’“⁴²⁰ qualifiziert sich – zumindest nach Kant – nicht zum Gegenstand einer möglichen Erfahrung, es scheint jedoch keinen Anlass für
KrV, A | B . Cf. Kap. ... Als Form des Selbstbestimmens ist sie daher auch vom Subjekt des Selbstbestimmens als Absolutes, so wie Cramer (/), S. ; es versteht, verschieden. Es ist ein wesentliches Merkmal der kritischen Analyse Kants, dass diese vor dem eigentlichen, transzendenten Grund der Selbstbestimmung stehen bleibt. Cf. KrV, A ; S. , cf. Pissis (), S. f. KrV, A | B ; S. . KrV, A ; S. . Frank (), S.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
211
die Annahme zu geben, dass mit Kant die Frage nach einem präreflexiven Grund des Selbstbewusstseins generell abgewiesen werden müsste. Sie übersteigt jedoch den von Kant gesetzten Rahmen einer kritischen Transzendentalphilosophie.⁴²¹ Die Transzendentalphilosophie Kants ist ihrem Wesen nach nicht-spekulativ, insofern sie ihren Anfang in der (Erkenntnis‐)Logik und nicht in der Evidenzerfahrung eines „unmittelbaren Vorhandenseins“⁴²² nimmt. Simon Franks Feststellung, „[d]aß das Seelenleben, eine uns unmittelbar unzugängliche Tiefe hat – das erfahren wir mindestens mit derselben Evidenz, mit der wir wissen, daß eine für uns verschlossene Schachtel oder ein verschlossenes Zimmer einen Innenraum enthält, trotzdem wir nicht imstande sind darin einzudringen.“⁴²³, hätte also durchaus Kants Zustimmung finden können, ohne dass er dies zwingend zum Prinzip gemacht hätte. Liebrucks bringt diesen Zusammenhang mit Kant auf die treffende Formel:⁴²⁴ „Bei Kant ist Selbstbewußtsein nicht Selbsterkenntnis.“⁴²⁵ Aus dem kritischen System Kants, welches die Erkennbarkeit des Dings an sich selbst und damit auch das des sich selbst denkenden Wesens verneint,⁴²⁶ erwächst die paradox anmutende Schwierigkeit, dass die alles Denken begleitende und bestimmende Form⁴²⁷, nämlich die Apperzeption als die ursprüngliche und notwendige Einheit des (Selbst‐)bewusstseins,⁴²⁸ eine Bestimmbarkeit voraussetzt, welche gänzlich unerkannt bleibt, da diese durch den diskursiv-transzendentalen Charakter der Apperzeption nicht als bestimmt gedacht werden kann.⁴²⁹ Nach Heimsoeth bezeichnet der Begriff des „Wesens“ bei Kant „im strengen Sinne des Arguments: ein Seiendes (Ding, Wesen), welches und insofern es „denkt“ und sich im Denken seiner selbst bewußt ist.“⁴³⁰ Kaulbach merkt dazu an,
Cf. Choi (), S. : „Und das Bewußtsein meiner selbst ist also das Bewußtsein meines ursprünglichen Daseins, ohne daß es zur Erkenntnis meiner selbst wird.“ Frank (), S. . Frank (), S. . Cf. ebenfalls Sturma (a), S. . Liebrucks (), S. . Cf. KrV, B ; S. : „Das Bewußtsein seiner selbst ist also noch lange nicht eine Erkenntnis seiner selbst […].“ Rosefeldt (2000), S. 68 f., sieht in der Unerkennbarkeit des Ich-Grundes einen negativen wie positiven Sinn: Negativ, da keine Erkenntnis des Ich durch eine (intellektuelle) Anschauung möglich ist, auf die sich der Begriff „Ich“ beziehen könnte. Positiv, insofern Selbstbewusstsein nicht auf eine Form der Anschauung angewiesen sei. Cf. KrV, B , S. f. Cf. KrV, B f.; S. f. Cf. KrV, B , S. . Cf. Heimsoeth (), S. f. Heimsoeth (), S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
„daß die kritische Philosophie Kants das theorationalistische Wesensdenken in eine Krise durch die Restriktion der Erkenntnis auf „Erscheinung“ gebracht hat.“⁴³¹ Dies ist sicherlich richtig, Kant verweist jedoch ebenfalls auf den transzendenten Grund des Erscheinenkönnens der Gegenstände im Subjekt, „d. i. das übersinnliche Substrat aller seiner Vermögen (welches kein Verstandesbegriff erreicht), folglich das, auf welches in Beziehung alle unsere Erkenntnisvermögen zusammenstimmend zu machen, der letzte, durch das Intelligibele unserer Natur gegebene Zweck ist […].“⁴³² Kaulbach scheint dagegen den Begriff des „Wesens“ auch in seiner kritischen Verwendung in Gänze abzulehnen, weswegen nach ihm Kants eigentliches Interesse in Bezug auf die Hypostasierung der Apperzeption darin liegen müsste, „die Rede von Dingen an sich zu differenzieren, so daß deutlich würde, daß das Ich der transzendentalen Apperzeption weder Erscheinung noch „Ding“ an sich, welches doch immer noch transzendentaler Gegenstand wäre und Substanzcharakter hätte (Substantia noumenon), genannt werden darf.“⁴³³ Liebrucks meint dagegen zutreffend: „Sowohl die Dinge wie das Subjekt müssen wir uns als noumenale Hypokeimena denken.“⁴³⁴ Die neuere Ansicht Zobrists, dass Kant den Begriff des „Ichs“ in die Selbstreferenzialität auflöst,⁴³⁵ lässt sich damit ebenfalls zurückweisen. Es ist zwar unzweifelhaft, dass Kant den Rückgriff vor die Reflexion auf das Bestimmbare des sich selbst reflektierend Bestimmenden deswegen für unmöglich erklärt, weil dieses das Gegebensein des Ichs vor der eigentlichen Handlung des Bestimmens voraussetzt, obgleich das Ich nur in der Apperzeption, d. h. in der Bestimmungshandlung präsent ist. Daraus folgt jedoch keineswegs, dass das Ich der Apperzeption keinen Verweisungscharakter auf eine ihr zugrunde liegende Entität hätte. Diese ist jedoch von der theoretischen Philosophie her nur als X ansprechbar. Anders verhält es sich hierbei mit der praktischen Philosophie. In ihr bekommt das X der Apperzeption im Begriff der Person, respektive Persönlichkeit eine inhaltliche Bestimmung als imputables Freiheitswesen.⁴³⁶ In der Frage nach Kants Begriff der Seele als eines denkenden Wesens an sich selbst scheint Pardey mit seiner Deutung richtig zu liegen, welche er in Bezug auf die Unsterblichkeitsfrage entwickelt.⁴³⁷ So treffen Kants Einwände sowohl die rationalistische Seelenlehre als auch deren materialistische Gegenentwürfe. Kant erweist damit die Frage der Seele und ihrer
Kaulbach (), S. . KdU § , Anm.; B ; AA V, ; S. . Kaulbach (), S. . Liebrucks (), S. . Cf. Zobrist (), S. ff., . Cf. RGV, B ; AA VI, ; S. . Cf. Pardey (), S. f.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
213
Unsterblichkeit als unentscheidbar durch die theoretische Philosophie, um sie in der praktischen Philosophie erneut, und in diesem Falle positiv, aufgreifen zu können. Dass Kant den Anfang des Bestimmungsprozesses der Reflexivität in eine Handlung des Bestimmens, i. e. des Apperzipierens setzt, in der das Subjekt nicht (Selbst‐)Bestimmbares, sondern nur logisch Nicht-Prädizierbares ist, bildet den Hauptunterschied zu Fichte, der die ursprüngliche Tathandlung als Selbstbestimmung einer „unbestimmten und unbestimmbaren Unendlichkeit, durch das Vermögen des Bestimmens zur Endlichkeit“⁴³⁸ fasst. Fichte greift damit in der Wissenschaftslehre über das Ich der Apperzeption Kants hinaus. Für die Apperzeption im Sinne Kants als ersten und ursprünglichsten Begriff des Verstandes, welcher das „Vehikel aller Begriffe überhaupt“⁴³⁹ bildet, gilt das, was für alle reinen Begriffe des Verstandes gilt, und zwar noch im besonderen Maße: Verstandesbegriffe werden auch a priori vor der Erfahrung und zum Behuf derselben gedacht; aber sie enthalten nichts weiter, als die Einheit der Reflexion über die Erscheinungen, in so fern sie notwendig zu einem möglichen empirischen Bewußtsein gehören sollen.⁴⁴⁰
Die Apperzeption als ursprüngliche Einheit, mithin als Grund der Einheit der Reflexion, ist, wie alle Verstandesbegriffe, ein Reflexionsbegriff. ⁴⁴¹ Als ein solcher supponiert die Apperzeption die Möglichkeit der Verhältnissetzung von Vorstellungen durch eine relationale Tätigkeit des Denkens, in diesem Fall in Beziehung auf das Subjekt des Gedankens selbst.⁴⁴² Der Beweis der Vollständigkeit der Urteilsformen aus der Apperzeption muss daher die Reflexionsstruktur des transzendentalen Selbstbewusstseins zugrunde legen, welche in der Tafel der Reflexionsbegriffe angelegt ist.⁴⁴³ Die Überlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenständen selbst zu tun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen, sondern ist der Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu
Fichte (), SW I, . KrV, A | B ; S. . KrV, A | B f.; S. . Cf. Heimsoeth (), S. . Heinrichs (), S. f., hat daher mit seiner These völlig recht, wenn er die Reflexionshandlung zum Ursprung der Kategorientafel erklärt. Pissis (), S. , bezeichnet die transzendentale Reflexion zu Recht als „den hohen Punkt, aus dem das ganze Geschäft der Kritik der reinen Vernunft in Angriff genommen wird. Dieser Standpunkt ist eigentlich der Standpunkt der Vernunft, die auf die Bedingungen der Verstandeserkenntnis reflektiert […].“
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Begriffen gelangen können. Sie ist das Bewußtsein des Verhältnisses gegebener Vorstellungen zu unseren verschiedenen Erkenntnisquellen, durch welches allein ihr Verhältnis unter einander richtig bestimmt werden kann.⁴⁴⁴
Kant gebraucht hier den Titel der Reflexion im weiteren Sinne, sofern er ebenfalls die zeitliche Dimension des Bewusstseins als tätige Einbildungskraft in Bezug auf dessen Form mit einschließt. Dies ist verständlich, ausgehend von der eigentlichen Absicht des Amphiboliekapitels in Anschluss an die Analytik der Grundsätze, welche Kant ebenfalls in Bezug auf die Verhältnisbestimmung von reinem Verstand und innerem Sinn ermittelt. Man wird aber wohl bemerken: daß ich hier eben so wenig die Grundsätze der Mathematik in einem Falle, als die Grundsätze der allgemeinen (physischen) Dynamik im andern, sondern nur die des reinen Verstandes im Verhältnis auf den innern Sinn (ohne Unterschied der darin gegebenen Vorstellungen) vor Augen habe, dadurch denn jene insgesamt ihre Möglichkeit bekommen.⁴⁴⁵
Für die Ermittlung der Ableitungsordnung der Urteilsformen aus der Reflexionsstruktur der Apperzeption ist die Konkordanz der Urteilstafel und der Tafel der Reflexionsbegriffe entscheidend, sofern die Titel der Urteilstafel, i. e. die elementaren Urteilshandlungen, gleichzeitig als Reflexionen über die Verhältnisbestimmungen der Vorstellungen mit den Erkenntniskräften aufgefasst werden können, da Kant die Tafel der Reflexionsbegriffe parallel zu der Tafel der Urteilshandlungen listet. Die Handlung, dadurch ich die Vergleichung der Vorstellungen überhaupt mit der Erkenntniskraft zusammenhalte, darin sie angestellt wird, und wodurch ich unterscheide, ob sie als zum reinen Verstande oder zur sinnlichen Anschauung gehörend unter einander verglichen werden, nenne ich die transzendentale Überlegung. Das Verhältnis aber, in welchem die Begriffe in einem Gemütszustande zu einander gehören können, sind die der Einerleiheit und Verschiedenheit, der Einstimmung und des Widerstreits, des Inneren und des Äußeren, endlich des Bestimmbaren und der Bestimmung (Materie und Form). Die richtige Bestimmung dieses Verhältnisses beruhet darauf, in welcher Erkenntniskraft sie subjektiv zu einander gehören, ob in der Sinnlichkeit oder dem Verstande. Denn der Unterschied der letzteren macht einen großen Unterschied in der Art, wie man sich die ersten denken solle.⁴⁴⁶
KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. f.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
215
Für den Beweis der Vollständigkeit der Urteilstafel aus der Apperzeption ist jedoch nur die reine Form der transzendentalen Reflexion entscheidend.⁴⁴⁷ Dementsprechend muss zu den Reflexionsbegriffen die entsprechende Form der Reflexionshandlung aufgesucht werden, welche wiederum der elementaren Urteilshandlung der Titel zu entsprechen hat. Die erste Reflexionsform betrifft die Identität des Gegenstandes einer Vorstellung: 1. Einerleiheit und Verschiedenheit. Wenn uns ein Gegenstand mehrmalen, jedesmal aber mit eben denselben innern Bestimmungen (qualitas et quantitas), dargestellet wird, so ist derselbe,wenn er als Gegenstand des reinen Verstandes gilt, immer eben derselbe und nicht viel, sondern nur ein Ding (numerica identitas); ist er aber Erscheinung, so kömmt es auf die Vergleichung der Begriffe gar nicht an, sondern, so sehr auch in Ansehung derselben alles einerlei sein mag, ist doch die Verschiedenheit der Örter dieser Erscheinung zu gleicher Zeit ein genügsamer Grund der numerischen Verschiedenheit des Gegenstandes (der Sinne) selbst.⁴⁴⁸
Da jede Bestimmung der numerischen Identität letztlich nach der transzendentalen Deduktion von der Einheit des Bewusstseins abhängt, indem das Bewusstsein das Ich als durchgängiges Subjekt, seine Vorstellungen jedoch als Prädikate denkt, lässt sich die Reflexion auf die Identität eines Gegenstandes apperzeptionslogisch als Reflexion der Vorstellungen in Bezug auf die numerische Einheit des Subjektes darstellen. Formal bedeutet dies die quantitative Bestimmung der Relation des Subjektes zu seinen Prädikaten (S$P&. Der zweite Reflexionsbegriff betrifft die Überlegung bezüglich des in der Vorstellung gedachten realen Gehaltes hinsichtlich seiner Übereinstimmung oder seines Widerstreites mit dem Subjekt der Vorstellung. Für die Realität einer Vorstellung, welche einen rein intellektuellen Ursprung besitzt, d. h. aus einer reinen Verstandestätigkeit gewonnen wird, gilt dabei die Besonderheit, dass diese keinerlei Widerstreit zulässt. Die Realität einer rein reflexiv gewonnenen Vorstellung muss daher jederzeit in Einstimmung mit ihrem subjektiven Ursprung im Bewusstsein als dessen eigene Vorstellung gedacht werden. 2. Einstimmung und Widerstreit.Wenn Realität nur durch den reinen Verstand vorgestellt wird (realitas noumenon), so läßt sich zwischen den Realitäten kein Widerstreit denken, d. i. ein solches Verhältnis, da sie in einem Subjekt verbunden einander ihre Folgen aufheben […].⁴⁴⁹
Der Vorschlag von Enskat (), S. , die Urteilsformen im Rahmen der subjektiven Deduktion aus der (empirischen) Konstitution der Vorstellungsvermögen abzuleiten, ist daher zurückzuweisen. KrV, A | B ; S. . KrV, A f. | B ; S. .
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Die Reflexion auf die Einstimmung oder den Widerstreit einer Vorstellung zum Verstand bezeichnet demnach als rein formale Urteilshandlung die qualitative Bestimmung der Relation des Subjektes zu seinen Prädikaten hinsichtlich deren Affirmation (S ) P&, respektive Negation (S ) /P&. Der dritte Reflexionstitel bestimmt das Verhältnis eines Erkenntnisgegenstandes bezüglich seiner Innerlichkeit, respektive Äußerlichkeit. Dabei ist vor allem die Frage nach der Innerlichkeit des Vernunftgegenstandes für die Diskussion des transzendentalen Selbstbewusstseins von Interesse: 3. Das Innere und Äußere. An einem Gegenstande des reinen Verstandes ist nur dasjenige innerlich, welches gar keine Beziehung (dem Dasein nach) auf irgend etwas von ihm Verschiedenes hat.⁴⁵⁰
In Bezug auf die Frage nach der Reflexionsstruktur des transzendentalen Selbstbewusstseins geben die Reflexionsbegriffe des Inneren und Äußeren die Überlegung des Verhältnisses von Zugehörigkeit, respektive Nichtzugehörigkeit des Gegenstandes der Vorstellung zum vorstellenden Subjekt. Als solche bildet die Reflexion über die Innerlichkeit des Vorstellungsgegenstandes den Ausgangspunkt des reflexiven Selbst-verhältnisses, mit dem das Bewusstsein seine Vorstellungen als die seinen erkennt. Dies entspricht der allgemeinen Urteilsform der Relation, respektive des kategorischen Urteils P (s&, beziehungsweise /P (s&.⁴⁵¹ Die vierte, der Modalität zugeordnete Reflexion betrifft die Materie und die Form der Erkenntnis, respektive das Bestimmbare und die Bestimmung in einem Verstandesurteil. Kant weist zu Recht darauf hin, dass diese Unterscheidung für die Möglichkeit aller anderen Reflexionen wesentlich ist. 4. Materie und Form. Dieses sind zwei Begriffe, welche aller andern Reflexion zum Grunde gelegt werden, so sehr sind sie mit jedem Gebrauch des Verstandes unzertrennlich verbunden. Der erstere bedeutet das Bestimmbare überhaupt, der zweite dessen Bestimmung (beides in transzendentalem Verstande, da man von allem Unterschiede dessen,was gegeben wird, und der Art, wie es bestimmt wird, abstrahiert). Die Logiker nannten ehedem das Allgemeine die Materie, den spezifischen Unterschied aber die Form. In jedem Urteile kann man die gegebenen Begriffe logische Materie (zum Urteile), das Verhältnis derselben (vermittelst der Kopula) die Form des Urteils nennen. In jedem Wesen sind die Bestandstücke desselben (essentialia) die Materie; die Art, wie sie in einem Dinge verknüpft sind, die wesentliche Form. Auch wurde in Ansehung der Dinge überhaupt unbegrenzte Realität als die Materie aller Möglichkeit, Einschränkung derselben aber (Negation) als diejenige Form angesehen, wodurch sich ein Ding vom andern nach transzendentalen Begriffen unter-
KrV, A | B ; S. . Hypothetisches und disjunktives Urteil als Verknüpfungen von Urteilen setzen bekanntlich das kategorische Elementarurteil voraus.
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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scheidet. Der Verstand nämlich verlangt zuerst, daß etwas gegeben sei (wenigstens im Begriffe), um es auf gewisse Art bestimmen zu können.⁴⁵²
Die Reflexion auf das Verhältnis von Bestimmbarem und Bestimmung bildet sowohl den wesentlichen Schlüssel in der Erörterung des Funktionsbegriffes als auch in der Lösung des Problems der metaphysischen Deduktion. In der Diskussion des Funktionsbegriffes als Einheit der Handlung wurde auf die bestimmungslogisch notwendige Dreiheit der Funktion als Handlung, Regel und Form verwiesen. Kants Auffassung der vierten Reflexion auf das Bestimmbare und die Bestimmung bestätigt nun diese Interpretation, sofern Bestimmung sowohl die Handlung des Bestimmens als auch das Ergebnis der Handlung, i. e. die Form einschließt. Ebenso findet sich hier die metaphysische Ableitung der Kategorien mittels der Modalität bestätigt.⁴⁵³ So besteht die transzendentale Aufgabe der Modalität in der Verhältnissetzung der reinen Denkfunktion als das Bestimmende auf die reine Zeitform als das zu Bestimmende. Das Ergebnis, die Kategorie, kann daher in gewisser Hinsicht als Bestimmtes aufgefasst werden, insofern sie aus einer Bestimmung gewonnen wurde. Sie stellt jedoch für sich genommen eine reine Bestimmung dar, sofern die Kategorie als Ergebnis in der Anschauung nicht ein Bild durch die Einbildungskraft darstellt, sondern eine (real‐)funktionale Bestimmung des inneren Sinnes. Für die Bestimmung der apperzeptiven Reflexionsstruktur ist die Überlegung von Bestimmbarem und Bestimmung wiederum von zentraler Bedeutung, da sie dem Reflexionsprogress des Selbstbewusstseins zugrunde liegt. Für das „Gegebensein“ des transzendentalen Selbstbewusstseins im Begriffe ist dabei jedoch die wichtige Einschränkung zu machen, dass sich dieses selbst nur auf ein Verhältnis bezieht und insofern nicht als Objekt dem Bewusstsein gegeben ist. Für die reine Form der Modalreflexion lässt sich das Verhältnis von Materie und Form als das Verhältnis des zu bestimmenden Begriffes zur Möglichkeit ihrer Verknüpfung durch Kopula bestimmen. Da die Möglichkeit durch das Subjekt der Prädikation, im Falle der Apperzeption entsprechend das Subjekt der Vorstellung, gesetzt ist, die Reflexion der Bestimmungsmöglichkeit jedoch das Prädikat betrifft, bezieht sich die Modalreflexion auf die Verhältnissetzung des Prädikates zum Subjekt (P$S&. Die Konkordanz der Tafel der Reflexionsbegriffe und der der Urteilsfunktionen, respektive der vier Titel der Tafel, stellt sich unter Einbeziehung der Form des
KrV, A f. | B f.; S. . Cf. Kap. ...
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
im Reflexionsbegriff reflektierten Verhältnisses demnach synoptisch folgendermaßen dar: Reflexionsbegriff
Form der Reflexion
Urteilstitel
Einerleiheit und Verschiedenheit Einstimmung und Widerstreit Innerlichkeit und Äußerlichkeit Bestimmbares und Bestimmung
S$P S ) P * /P P (S& P$S
Quantität Qualität Relation Modalität
Aus der Analyse der Reflexionsbegriffe lässt sich der Schlüssel der Entwicklung der kategorialen Formen aus der ursprünglichen Einheit der Apperzeption entnehmen, insofern diese als Form eines Bewusstseins überhaupt mit der Form der kognitiven Handlung des reflexiven Selbstverhältnisses identifiziert werden kann. Dabei erscheint es prima facie paradox, aber vom Standpunkt der kritischen Philosophie unumgänglich, dass Kant in der Bestimmung der Subjektivität nicht von einem zu Bestimmenden, einer res cogitans im cartesischen Sinne, anfängt, sondern von einer Bestimmungshandlung. Auf dieser abstraktesten Ebene des Selbstbewusstseins als Selbstbestimmung des Denkens ist daher von jedem gegenständlichen oder gar personalen Sinn des Gedachten abzusehen. Die Apperzeption bildet hier allein die Form der selbstbezüglichen Bestimmungshandlung des Denkens. In diesem ersten Reflexionsakt des Denkens tritt sich das Denken denkend gegenüber, es wird sich selbst als Denken denkend bewusst. Es nimmt dabei einerseits die Stelle des Subjekts ein, welches sich im Reflexionsakt als denkend begreift, zum andern die des Prädikats, welches sich im Selbstdenken als das Gedachte, d. h. als Vorstellung versteht, wobei es gleichzeitig auf das Verhältnis zwischen beiden als Identität reflektiert. In der Reflexion setzt sich das Subjekt zu sich selbst, respektive zu seinen Vorstellungen derart in Beziehung, dass es auf die Innerlichkeit⁴⁵⁴ seiner Bewusstseinsakte Bezug nimmt. In abstracto ist diese Handlung identisch mit dem Titel der Relation. ⁴⁵⁵ Es ist genau diese ursprüngliche Handlung innerhalb der Apperzeption, welche das erste Element der Bestimmungskette ausmacht. Aus der ersten Handlung des apperzipierenden Bewusstseins des sich selbst als Denken bewusstwerdenden Denkens, i. e. dem ersten sich ins Verhältnis Setzen
Cf. KrV, A | B ; S. . Im Gegensatz zu Baumanns sehen wir in dieser formal-logischen Bestimmung der Apperzeption eine nicht nur zulässige, jedoch künstliche Abstraktion, sondern einen wesentlichen Schlüssel zum Verständnis des apperzeptiven Selbstbewusstseins und seiner bestimmungsfunktionalen Handlungen, cf. Baumanns (), S. , Anm. .
2.2 Die Apperzeption als Einheitsgrund des Verstandes
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des Subjektes zu seinen Vorstellungen⁴⁵⁶ als reiner Bestimmungstätigkeit folgt als bestimmungslogische Konsequenz die Bestimmtheit, i. e. die Explikation der Elementarhandlung dieser Setzung durch die Anwendung einer Regel in Gestalt einer Urteilsfunktion. Im Denken begreift sich das Subjekt als identisch mit seiner Vorstellung als Denken. Diese Identität, das Denken denkt sich als Denken, sagt das Denken jedoch noch denkend aus. Es bestimmt sich also durch die Vorstellung seines Denkend-Seins als Denken. Dabei begreift es, indem es auf die Handlung des Bestimmens reflektiert, dass es in jeder Prädikation notwendig die Stelle des Subjekts einnehmen muss. Selbst wenn das Denken das Denken des Denkens selbst wiederum reflektiert, tut es dies als Denken. Durch die reine Verstandeshandlung des reflektierenden In-Beziehung-Setzens als Relation bestimmt sich so das in der Apperzeption sich selbst bewusst werdende Denken in einem kategorischen Urteil als Subjekt seiner Vorstellungen, welches nicht wiederum Prädikat ist.⁴⁵⁷ Die reine Bestimmungshandlung der ursprünglichen Apperzeption bringt damit in einem „Actus der Spontaneität“⁴⁵⁸ die Vorstellung des „Ich denke“ hervor, i. e. die personale Form der Vorstellung des Subjekts im Denken, die als begleitende Vorstellung in jeder besonderen mitpräsent sein muss.⁴⁵⁹ Die Apperzeption bestimmt als ursprüngliche und transzendentale Bedingung der Einheit des Denkens das Ich als absolutes Subjekt:
Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B f.; S. . KrV, B und KrV, A . Patten geht in seiner Interpretation allein von der Apperzeption als begleitende (Mit‐)Vorstellung des „Ich denke“ aus, „which illuminates the critical anti-Cartesian force Kant so clearly expects from them. It is this resulting interpretation which I term „Kant‘s Cogito“.“ Patten (), S. . Er liegt mit seiner Einschätzung nicht falsch, jedoch führt die Verkürzung des kantischen Apperzeptionsbegriffes zu systematischen Problemen. Wenn die Apperzeption nur bloß begleitende Vorstellung aller anderen Vorstellungen ist, trägt dann jede Vorstellung notwendig einen apperzeptiven Index, d. h. ist jede Vorstellung notwendig von dem aktualen Bewusstsein ihrer Zugehörigkeit zur Vorstellungssphäre des Ichs begleitet? Anders gesagt, ist also Perzeption ohne Apperzeption unmöglich? Kant selbst scheint in dieser Frage vorsichtiger zu sein, insofern er bloß von der Möglichkeit des Begleitenkönnens spricht, cf. KrV, B ; S. . Gleichwohl scheint es notwendig zu sein, damit die von Kant insinuierte Einheitsfunktion der Apperzeption in Beziehung auf alle Vorstellungen erfüllt ist, diese Frage zu bejahen, cf. Patten (), S. . Mit der Unterscheidung des formalen und des dynamischen Aspekts der Apperzeption lässt sich dieses Problem bereits von vornherein umgehen. Es ist nicht nötig, dass das „Ich denke“ jede konkrete Vorstellung begleitet, d. h. denken kann auch außerhalb der besonderen Inachtnahme der Meinigkeit des Denkvollzuges stattfinden. Dennoch vollzieht sich jede geistige Handlung, insofern es sich bei diesen immer um Handlungen des Denkens handelt, innerhalb des durch die Form der Apperzeption gesetzten konstitutiven Rahmens der Denkmöglichkeit.
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Ich, als ein denkend Wesen, bin das a b s o l u t e S u b j e k t aller meiner Urteile.“⁴⁶⁰
Der Begriff absolut weist auf das Fehlen des korrelativen Abhängigkeitsverhältnisses von Subjekt und Prädikat hin. „Absolutes Subjekt“ ist dasjenige, welches formaliter nicht als Prädikat von einem anderen ausgesagt werden kann.⁴⁶¹ Das absolute Subjekt ist nun identisch mit dem reinen (unschematisierten) Begriff der Substanz: Dasjenige, dessen Vorstellung das absolute Subjekt unserer Urteile ist und daher nicht als Bestimmung eines anderen Dinges gebraucht werden kann, ist Substanz.⁴⁶²
Da der bloße Begriff der Substanz nur auf seine Anwendung in einem Urteil verweist, welches wesentlich Subjekt und Prädikat beinhaltet, von dem ein formal austauschbarer Gebrauch gemacht werden kann, muss es eine Bestimmung geben, welche eine ursprüngliche Subjektivität fordert, die nicht in der rein formalen Bestimmung des Dinges liegt. Diese Vorstellung transzendiert jedoch den auf eine mögliche Erfahrung restringierten Gebrauch der Kategorien. Aus der Denknotwendigkeit, das Ich als absolutes Subjekt aller Denkhandlungen vorzustellen, folgt für Kant eben nicht, dass das Ich der Apperzeption als Substanz aufgefasst werden darf. Die Bestimmung als absolutes Subjekt ist eben nicht identisch mit einem kategorial bestimmten Begriff, sondern allein eine logisch notwendige Funktion des Denkens, aus dem keine inhaltliche Bestimmung des Gedachten gefolgert werden kann.⁴⁶³
KrV, A ; S. . Im ersten Paralogismus wird die logische Notwendigkeit, das Subjekt des Selbstbewusstseins als logisch unbedingtes Subjekt in Urteilen zu denken, zur Substantialität der Seele hypostasiert. Erst der Bezug auf die Zeitform in der Kategorie hierarchisiert Subjekt und Prädikat zu Substanz und Akzidenz, cf. KrV, B ; S . KrV, A ; S.. In den Prolegomena legt Kant diesen Zusammenhang anschaulich dar: „Man hat schon längst angemerkt, daß uns an allen Substanzen das eigentliche Subjekt, nämlich das, was übrig bleibt, nachdem alle Akzidenzen (als Prädikate) abgesondert worden, mithin das Substantiale selbst, unbekannt sei, und über diese Schranken unsrer Einsicht vielfältig Klagen geführt. Es ist aber hierbei wohl zu merken, daß der menschliche Verstand darüber nicht in Anspruch zu nehmen sei: daß er das Substantiale der Dinge nicht kennt, d. i. vor sich allein bestimmen kann, sondern vielmehr darüber, daß er es, als eine bloße Idee, gleich einem gegebenen Gegenstande bestimmt, zu erkennen verlangt. Die reine Vernunft fordert, daß wir zu jedem Prädikate eines Dinges sein ihm zugehöriges Subjekt, zu diesem aber, welches notwendigerweise wiederum nur Prädikat ist, fernerhin sein Subjekt und so forthin ins Unendliche (oder so weit wir reichen) suchen sollen. Aber hieraus folgt, daß wir nichts, wozu wir gelangen können, vor ein letztes Subjekt halten sollen, und daß das Substantial selbst niemals von unserm noch so tief eindringenden Verstande,
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Die Bestimmung der Subjektivität als absolute ist wesentlich für das Verstehen der Apperzeption und ihrer inneren Struktur, sofern „das Selbstbewußtsein überhaupt die Vorstellung desjenigen [ist, M. B.], was die Bedingung aller Einheit und doch selbst unbedingt ist“⁴⁶⁴. Nur die Unmöglichkeit, das Subjekt jeder Vorstellung als Prädikat zu denken, bedingt die Ursprünglichkeit der Apperzeption als logisches Selbstverhältnis und markiert damit den Anfang ihrer Explikationskette durch die übrigen Titel und Momente des Denkens überhaupt hindurch. Da das absolute Subjekt die Notion der Substanzkategorie darstellt, mithin deren reine, unschematisierte Form, ist nicht nur der erste Titel, sondern ebenfalls die erste Urteilsform gewonnen, i. e. das kategorische Urteil, da, wie bereits erörtert wurde, die unschematisierte Kategorie und ihre jeweilige Urteilsform identisch sind, mit der Einschränkung, dass in der unschematisierten Kategorie das Denken selbst durch die logische Funktion gedacht wird. Der Titel „Relation“ (die erste Bestimmungshandlung der Apperzeption) und die „kategorische Urteilsform“ (die Regel der ersten Bestimmungshandlung der Apperzeption) sind damit als die beiden ersten Elemente der Apperzeptions-
selbst wenn ihm die ganze Natur aufgedeckt wäre, gedacht werden könne; weil die spezifische Natur unseres Verstandes darin besteht, alles diskursiv, d. i. durch Begriffe, mithin auch durch lauter Prädikate zu denken, wozu also das absolute Subjekt jederzeit fehlen muß. Daher sind alle realen Eigenschaften, dadurch wir Körper erkennen, lauter Akzidenzen, sogar die Undurchdringlichkeit, die man sich immer nur als die Wirkung einer Kraft vorstellen muß, dazu uns das Subjekt fehlt. Nun scheint es, als ob wir in dem Bewußtsein unserer selbst (dem denkenden Subjekt) dieses Substantiale haben, und zwar in einer unmittelbaren Anschauung; denn alle Prädikate des inneren Sinnes beziehen sich auf das Ich, als Subjekt, und dieses kann nicht weiter als Prädikat irgendeines andern Subjekts gedacht werden. Also scheint hier die Vollständigkeit in der Beziehung der gegebenen Begriffe als Prädikate auf ein Subjekt nicht bloß Idee, sondern der Gegenstand, nämlich das absolute Subjekt selbst, in der Erfahrung gegeben zu sein. Allein diese Erwartung wird vereitelt. Denn das Ich ist gar kein Begriff, sondern nur Bezeichnung des Gegenstandes des inneren Sinnes, so fern wir es durch kein Prädikat weiter erkennen, mithin kann es zwar an sich kein Prädikat von einem andern Dinge sein, aber ebensowenig auch ein bestimmter Begriff [Hervorhebung, M. B.] eines absoluten Subjekts, sondern nur, wie in allen andern Fällen, die Beziehung der inneren Erscheinungen auf das unbekannte Subjekt derselben. Gleichwohl veranlaßt diese Idee (die gar wohl dazu dient, als regulatives Prinzip alle materialistische Erklärungen der inneren Erscheinungen unserer Seele gänzlich zu vernichten) durch einen ganz natürlichen Mißverstand ein sehr scheinbares Argument, um, aus diesem vermeinten Erkenntnis von dem Substantiale unseres denkenden Wesens, seine Natur, so fern die Kenntnis derselben ganz außer den Inbegriff der Erfahrung hinaus fällt, zu schließen.“ Proleg. § 46, 134 ff.; AA IV, 333 f.; S.111 ff. KrV, A ; S. .
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struktur aufgewiesen. Das Ich in einem Aktus der Reflexion (Relation) bestimmt sich als absolutes Subjekt aller seiner Urteile (kategorisches Urteil).⁴⁶⁵ Diese Bestimmung des Ichs als Absolutum ist von wesentlicher Bedeutung für die Apperzeption als Bewusstsein, eines „Bewusstseins-von“, in Beziehung auf den grundsätzlichen Einwurf, der gegen jede Reflexionstheorie des Selbstbewusstseins erhoben werden kann, welche Henrich als „Fichtes ursprüngliche Einsicht“⁴⁶⁶ bezeichnet: Die Reflexionstheorie des Ich will aber nicht die Deutlichkeit, sondern den Ursprung des Selbstbewußtseins erklären. Durch diesen Anspruch gerät es in einen Zirkel. Sie kann ihn nur ignorieren, ihm aber niemals entweichen. Ich soll der sein, der sich reflektierend auf sich besinnt. Also muß der, welcher die Reflexion in Gang bringt, selbst schon beides sein, Wissendes und Gewußtes. Das Subjekt der Reflexion erfüllt somit die ganze Gleichung Ich = Ich. Doch durch Reflexion sollte sie erst zustandekommen.⁴⁶⁷
Kants Formulierung des absoluten Subjektes erfüllt genau jene Grundbedingung einer ursprünglichen Selbstheit, welche der Fichtesche Term der Selbstidentität des Ichs aussagt. Da im apperzeptiven Bewusstsein das Ich sich als logisch Erstes erkennt, kann dieses Bewusstsein nicht selbst iteriert werden zu einem Bewusstseinsgegenstand. Durch die Auffindung des logischen Grundsatzes einer nicht-prädizierbaren Subjektivität erweist sich die Apperzeption selbst als ursprüngliches Bewusstsein. Kants Theorie des Selbstbewusstseins ist daher gegen Fichtes Einwurf immun, dass diese sich ebenfalls in einem infiniten Regress der Selbstbespiegelung des Bewusstseins verlieren müsse,⁴⁶⁸ sofern sie das Ich zwar nicht von seinem „ursprünglichen Wesen“ her versteht,⁴⁶⁹ jedoch von seiner ursprünglichen Bestimmung.Von einer vorschnellen Identifikation von Kants Begriff des absoluten Subjektes und Fichtes Begriff des (absoluten) Ichs⁴⁷⁰ muss jedoch Abstand genommen werden,⁴⁷¹ sofern sich beide in drei wesentlichen Punkten
Cf. Anhang C. Henrich (). Henrich (), S. . „Das Ich der bisherigen Philosophen ist nur ein Spiegel, nun sieht der Spiegel nicht, darum wird bei ihnen das Anschauen, das Sehen nicht erklärt, es wird bei ihnen nur der Begriff des Abspiegelns gesetzt.“ Fichte (), AA IV, (). Cf. Henrich (), S. . Zum Begriff des absoluten Ichs als absolutes Subjekt cf. Hammacher (), S. f. Das absolute Ich als Prinzipium des absoluten Wissens, welches Setzung und Gegensetzung im Wissen ermöglicht, wird dessen ungeachtet in der Ordnung der dritten Reihung eine entscheidende Rolle spielen.
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unterscheiden.⁴⁷² Die Nichtprädizierbarkeit des Subjekts der Form S(s& und die Identität des Ichs: Ich = Ich besitzen zwar beide ursprüngliche, d. h. irreduzible Gewissheit und können so zum Anfang einer Deduktion genommen werden, Kants Begriff des absoluten Subjektes stellt jedoch im Gegensatz zum ersten Grundsatz der Wissenschaftslehre nur ein logisches und kein spekulatives Prinzip dar.⁴⁷³ Hierin mag der tiefere Grund liegen, warum Kant Fichtes Wissenschaftslehre zu Anfang als eine bloß formale Logik aufgefasst hat.⁴⁷⁴ Zweitens stellt die Apperzeption eine bloße, jedoch in sich strukturierte Leerform dar, obgleich sie den Ursprung aller anderen Denkformen bildet. Drittens ist der Satz der absoluten Subjektivität des transzendentalen Bewusstseins ein bloß negativer Satz. Kant lässt in ihm bewusst, in Übereinstimmung mit der kritischen Anlage seines Systems, die Frage nach einer positiven Voraussetzung seiner Gültigkeit aus.⁴⁷⁵ Heckmanns Einwand zugunsten der Restituierung einer vorkritischen Seelenmetaphysik gegen Kants Argument wider die Objektivierungsmöglichkeit des transzendentalen Selbstbewusstseins verfängt in doppelter Hinsicht nicht. Er nimmt folgendes Kantwort zum Anlass seiner (Meta‐)Kritik: Das Subjekt der Kategorien kann also dadurch, daß es diese denkt, nicht von sich selbst als einem Objekte der Kategorien einen Begriff bekommen; denn, um diese zu denken, muß es sein reines Selbstbewußtsein, welches doch hat erklärt werden sollen, zum Grunde legen.⁴⁷⁶
Heckmann meint hier ein Verbot eines „kognitiven intentionalen Selbstbezug[es]“⁴⁷⁷ des Subjektes zu erkennen:
Diese Unterscheidung zwischen kritischem und spekulativem Denken ist auch dann zu beachten, wenn man mit Weidenbach annimmt, „dass die grundlegende Tendenz des Idealismus, nämlich die Entsubstanzialisierung des einzelnen Subjekts, auch im Pantheon menschlichen Denkens und Fühlens im weitesten Sinne gebietet.“ Weidenbach (), S. . Insofern hat Kaulbach in Anschluss an Heimsoeth recht, wenn er sagt: „In Kants Ideenlehre geschieht die Rechtfertigung des Denkens vom Absoluten, welches gleichwohl nicht die Perspektive der endlichen Vernunft menschlicher Subjektivität transzendiert.“ Kaulbach (), S. . „Denn reine Wissenschaftslehre ist nichts mehr oder weniger als bloße L o g i k , welche mit ihren Principien sich nicht zum Materialen des Erkenntnisses versteigt, sondern vom Inhalte derselben als reine Logik abstrahirt, aus welcher ein reales Object herauszuklauben vergebliche und daher auch nie versuchte Arbeit ist, sondern wo, wenn es die Transscendental=Philosophie gilt, allererst zur Metaphysik übergeschritten werden muß.“ AA XII, . Ein spekulatives Denken, welches begründungstheoretisch noch vor die Transzendentalphilosophie gelangen möchte, müsste von eben einer solchen positiven Voraussetzung anheben. KrV, B ; S. f. Heckmann (), S. .
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Es gibt demnach keine erkennende Reflexion, in der ich-qua-Subjekt mich selbst zum Gegenstand der Erkenntnis gewinne, denn was ich da, wenn überhaupt, zum Gegenstand gewinne, das bin nicht Ich-qua-Subjekt, sondern das Ich-das-Subjekt-qua-Objekt oder Ich-quaSubjekt/Objekt.⁴⁷⁸
Das Argument, welches Heckmann dem nun entgegenstellt, besteht darin, dass Kant keine Antwort darauf gebe, warum „ich (als Subjekt) nicht mit mir selbst (als Subjekt/Objekt) identisch bin“⁴⁷⁹. Zwei Gründe lassen sich gegen Heckmann anführen. Der erste betrifft seine Lesart des Verbotes, der zweite seine Explikation des vermeintlichen Verbotsgrundes. So ist es gerade nicht der intentionale Selbstbezug, den Kant verbietet. Die Apperzeption bildet vielmehr die reale Form dieses Selbstbezuges als Selbstbewusstsein. Im Opus postumum macht Kant dies noch einmal deutlich: Das Bewußtsein meiner Selbst (apperceptio) ist der Act des Subjects sich selbst zum Object zu machen und bloß logisch (Sum) ohne Bewußtsein des Gegenstandes (apprehensio simplex).⁴⁸⁰
Seine Struktur wiederum stellt die reale, d. h. in ihrer Art an sich selbst bestehende Form unserer Ich-Vorstellung dar. Damit ist die Identität des Ichs-qua-Subjekt mit der des Ichs-qua-Objekt – S(s&; Ich = Ich – evident. Wogegen Kant sich jedoch wendet, ist die Objektivierung dieser Vorstellung, i. e. die Idee, dass aus dieser Identität eine Erkenntnis des Ichs als die eines Gegenstandes folgt. Gegenstände werden durch die Kategorien gedacht. Kategorien sind wiederum die Vollzugsformen, mit denen Vorstellungen zur Einheit der Apperzeption gebracht werden.⁴⁸¹ Die Apperzeption bildet also den Grund der Einheit unter unseren Vorstellungen. Wollte sich also das Ich, welches sich nur durch die Apperzeption denkt, d. h. zur Vorstellung macht, zum Gegenstand, also zum Objekt einer kategorialen Bestimmung machen, würde aus dem Ich der Apperzeption ein kategorial zu bestimmender Gegenstand einer Einheit, wobei sie gleichzeitig den Grund dieser Einheit bildet.⁴⁸² Als bloß formales Prinzip ist dagegen nichts ein Heckmann (), S. . Heckmann (), S. . OP, AA XXII, . „Die Apperzeption ist selbst der Grund der Möglichkeit der Kategorien, welche ihrer Seits nichts anderes vorstellen, als die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung, so fern dasselbe in der Apperzeption Einheit hat.“ KrV, A , S. . Grier verweist richtig darauf hin, dass für Kant der Fehler in der Vergegenständlichung des Selbstbewusstseins durch den schematischen Gebrauch der Kategorien liegt: „the ’’transcendental concept’’ ’’I think’’ is erroneously taken to supply (by itself) a concept of an object (i.e. the soul)“. Grier (), S. „Thus, his claim is that in applying the concept of substance to the ’’I’’,
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zuwenden. Die Apperzeption ist Grund der Einheit ihrer eigenen Vorstellung, sofern sich Vorstellung und Grund der Vorstellung in Bezug auf die Apperzeption nur als formaler und dynamischer Aspekt des transzendentalen Selbstbewusstseins voneinander unterscheiden. Problematisch wird dies erst, wenn die Apperzeption zum Erkenntnisgegenstand gemacht werden soll.⁴⁸³ Die Verdinglichung der Apperzeption führt dann dazu, dass sich das reine Selbstbewusstsein als Erklärungsgrund des Ichs als Gegenstand der Selbsterklärung immer schon voraussetzt. Mit dem „Ich denke“ ist dem Bewusstsein eine erste Vorstellung gegeben, auf deren Verhältnis es hinsichtlich ihrer Einstimmung ⁴⁸⁴, respektive ihres Widerstreits⁴⁸⁵ der Vorstellungen als Prädikate mit dem Subjekt derselben zu reflektieren gilt. Die Bestimmung des apperzeptiven Selbstbewusstseins als absolute Subjektivität des Ichs fordert logisch eine weitere Bestimmung. Aus der relationalen Bestimmung des Ichs als absolutes Subjekt ergibt sich dabei die notwendige Vorstellung von dessen Einheit in Bezug auf all seine Vorstellungen „so fern sie in einem Bewußtsein müssen verbunden werden können; denn ohne das kann nichts dadurch gedacht oder erkannt werden, weil die gegebene Vorstellungen den Actus der Apperzeption, Ich denke, nicht gemein haben, und dadurch nicht in einem Selbstbewußtsein zusammengefaßt sein würden.“⁴⁸⁶ Der Grund der Notwendigkeit dieses bestimmungslogischen Übergangs ist von Heimsoeth in Bezug auf den ersten und zweiten transzendentalen Paralogismus richtig charakterisiert worden: Im Gegensatz zum ersten Paralogismus geht es im zweiten nicht um den Bestand, sondern um die Handlungen der Substanz.⁴⁸⁷ Heimsoeth nennt jedoch nicht den bestimmungslogischen, respektive den formalen Grund für die Reihenfolge von Substantialität und qualitativer Einheit in Bezug auf die Reflexionsstruktur der Apperzeption. So geht die Reflexion logisch von der absoluten Subjektivität aus. Jede Vorstellung muss demnach als Prädikat dieses einen Subjektes der Vorstel-
the rational psychologist is implicitly assuming that the ’’I’’ is an object which could be subsumed under the (schematized) category of substance.“ Op. cit. S. . Koßler verbindet das Problem der Vergegenständlichung mit der Auffassung der Apperzeption, i.e. dem „Ich denke“ als Urteil: „Daß hier [A , M. B.] die Apperzeption erstmals als Urteil formuliert wird, hat allerdings seinen Grund, denn die Urteilsform verleitet dazu, das Ich als ein denkendes Wesen und Gegenstand des inneren Sinnes vom Körper und von allem Empirischen überhaupt getrennt zu betrachten.“ Koßler (), S. . KrV, A f. | B ; S. . KrV, A f. | B ; S. . KrV, B f.; S. . Der transzendentale Paralogismus macht aus dieser formalen Bestimmung der Apperzeption die Idee der Notwendigkeit der Simplizität der Seelensubstanz, cf. KrV, A ; S. . Cf. Heimsoeth (), S. .
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lungen gedacht werden können. Damit eröffnet sich die Notwendigkeit, das Verhältnis von Subjekt und Prädikat hinsichtlich ihrer Einheit im Denken zu reflektieren. Die relationale Bestimmung des Subjekts des Denkens zu sich selbst als Absolutes in Beziehung zu seinen Vorstellungen als Gedachtes #S(s& ) P&! fordert daher die qualitative Bestimmungshandlung hinsichtlich der Einstimmung, respektive des Widerstreits des Realen in der Vorstellung, welche die Vorstellungen eines identischen Subjekts in einem affirmierenden Urteil, i. e. als Bestimmung des Realen in Einstimmung mit dem Bewusstsein ausweisen. Dies ist leicht zu sehen, sofern das Denken als Denken, d. h. nicht als eine einem bestimmten Gedachten bloß anhaftende Bestimmung, jedem konkreten Denkakt notwendigerweise formaliter vorausgehen muss. Das Denken bedingt so die qualitative Einheit aller Vorstellungen, sofern sie als Vorstellungen nur Gedachtes in Bezug auf das Denken sind. Das Subjekt ist jederzeit Subjekt seiner Vorstellungen, die Vorstellungen sind jederzeit Vorstellungen des (einen) Subjekts.⁴⁸⁸ Die qualitative Einheit des Denkens, welche wie bereits in 2.2.3 erörtert, die formale Bedingung der Askription eines bestimmten Denkinhaltes bildet, sofern ihr „formale[] Bedeutung als zur logischen Forderung in Ansehung jeder Erkenntnis gehörig“⁴⁸⁹ zukommt, ist damit aus der Bestimmung der absoluten Subjektivität des Denkens abgeleitet. Mit der qualitativen Bestimmung der Vorstellungen in Bezug auf die Form der Apperzeption ist der zweite Bestimmungsschritt getan und gleichzeitig ist der Titel der Qualität, respektive die Reflexion auf die Einstimmung der Vorstellung (die zweite Bestimmungshandlung der Apperzeption) und das affirmierende Urteil (die Regel der zweiten Bestimmungshandlung der Apperzeption) gefunden. Die qualitative Einheit des Denkens fordert notwendig als nächsten Schritt die Explikation der Einheit in Bezug auf den einzelnen Gedanken. Nachdem sich das im Denken apperzipierende Subjekt in Bezug auf sich selbst (S ) S& und seine Prädikate (S ) P& bestimmt hat, folgt als logisch dritter Schritt die Bestimmung des Verhältnisses des Subjekts zu seinen Prädikaten (S$P&. Ich bin mir also des identischen Selbst bewußt, in Ansehung des Mannigfaltigen der mir in einer Anschauung gegebenen Vorstellungen, weil ich sie insgesamt meine Vorstellungen nenne, die eine ausmachen.⁴⁹⁰
Die logische Form des kategorischen Urteils p(x& und des affirmierenden Urteils p(x) sind identisch. Die eine betont jedoch die logische Relation des Subjekts zu seinem Prädikat, die andere die (affirmierende) Prädikation des Prädikats von seinem Subjekt. KrV, B , S. . KrV, B ; S. .
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Die transzendentale und nicht bloß formale Apperzeption bestimmt alles Mannigfaltige der Anschauung durch ihre ursprünglich-synthetische Einheit. Das ist aber so viel, als, daß ich mir einer notwendigen Synthesis derselben a priori bewußt bin, welche die ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption heißt, unter der alle mir gegebene Vorstellungen stehen, aber unter die sie auch durch eine Synthesis gebracht werden müssen.⁴⁹¹
Diese begleitet in der Vorstellung des „Ich denke“ alle anderen Vorstellungen. Die qualitative Einheit des Denkens bedeutet damit in Bezug auf die Inhalte des Denkens eine quantitative, sofern diese für alle Vorstellungen Bedingung der Möglichkeit ihres Vorstellungseins, respektive Gedankenseins ist, worin sich die Notwendigkeit des Bezugs jeder Vorstellung auf die Apperzeption ergibt, „denn sonst würde etwas in mir vorgestellt werden, was gar nicht gedacht werden könnte, welches eben so viel heißt, als die Vorstellung würde entweder unmöglich, oder wenigstens für mich nichts sein.“⁴⁹² In Bezug auf die Quantität (die dritte Bestimmungshandlung der Apperzeption) sind demnach alle Vorstellungen Prädikate des vorstellenden Subjektes,⁴⁹³ sodass mit dem allgemeinen Urteil (die dritte Regel der Bestimmungshandlung der Apperzeption) das dritte Strukturmoment der formalen Apperzeption als Grundlage ihres bestimmungsfunktionalen Gebrauches zur Einheit des Denkens gefunden ist.⁴⁹⁴ Im vierten und letzten logischen Bestimmungsschritt der Apperzeption muss die im dritten Schritt gewonnene Bestimmung – das Subjekt der Apperzeption ist das Subjekt aller Vorstellungen als Prädikate – nun durch das notwendige Verhältnis der Prädikate zum Subjekt des Denkens (P$S& neu bestimmt werden. Kant bestimmt den reinen Verstand als Grund der Möglichkeit der Verknüpfung der Vorstellungen durch die Kategorien. In der metaphysischen Deduktion wurde der Ursprung der Kategorien a priori überhaupt durch ihre völlige Zusammentreffung mit den allgemeinen logischen Funktionen des Denkens dargetan, in der transzendentalen aber die Möglichkeit derselben als Erkenntnisse a priori von Gegenständen einer Anschauung überhaupt (§§ 20, 21) dargestellt. Jetzt soll die Möglichkeit, durch Kategorien die Gegenstände, die nur immer unseren Sinnen vorkommen mögen, und zwar nicht der Form ihrer Anschauung, sondern den Gesetzen ihrer Verbindung
KrV, B f.; S. f. KrV, B f.; S. . Hieraus wird im Paralogismus die Vorstellung der personalen Identität der Seele abgeleitet, cf. KrV, A , S. . Wie in Auflage A (cf. Kap. ..) vertauscht Kant in der Darstellung die logisch notwendige Reihenfolge von qualitativer und numerischer Einheit, obgleich er deren logische Vorgängigkeit selbst an prominenter Stelle betont, cf. KrV, B ; S. .
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nach, a priori zu erkennen, also der Natur gleichsam das Gesetz vorzuschreiben und sie sogar möglich zu machen, erklärt werden.⁴⁹⁵
Die Vorstellungen müssen also im Grunde ihrer Möglichkeit mit den Gesetzen des Denkens übereinstimmen.⁴⁹⁶ Jeder Gedanke ist als Gedanke nur möglich in Bezug auf das Denken, respektive die Apperzeption.⁴⁹⁷ Durch die vierte Bestimmungshandlung der Modalität – die Bestimmung der Kopula⁴⁹⁸ des Prädikats in Bezug auf die Form des Denkens überhaupt – wurde die Apperzeption in Bezug auf die Möglichkeit der Prädikation einer Vorstellung bestimmt.⁴⁹⁹ Es ist leicht zu sehen, dass damit die Bestimmungsmöglichkeiten erschöpft sind. Der erste Bestimmungsschritt bestimmte das Subjekt der Apperzeption als absolutes Subjekt (S$S& mit der Relation und dem kategorischen Urteil als Ergebnis. Der zweite bestimmte das Subjekt in Bezug auf seine Prädikate (S ) P&, sodass die Qualität und das affirmierende Urteil gefunden wurden. Hernach wurde die Bestimmung des Verhältnisses des Subjekts zu seinen Prädikaten notwendig (S$P&, welche das allgemeine Urteil als Bestimmung der Quantität aufwies, und im vierten Schritt wurden die Prädikate in Bezug auf das Subjekt bestimmt (P$S&, sodass die Modalität und das problematische Urteil gefunden wurden. Ein weiteres Verhältnis ist logisch nicht mehr denkbar, da Subjekt und Prädikat als korrelative Begriffe nun in allen möglichen Verhältnissen bestimmt sind.⁵⁰⁰ Die für Reich⁵⁰¹ zentrale Bestimmung, „daß ein Urteil nichts andres sei, als die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen“⁵⁰², respektive dass die „logische Form aller Urteile [] in der objektiven Einheit der Apperzeption [bestehe, M. B]“⁵⁰³ bekommt mit Blick auf die Urteilstafel als reflexive, respektive logische Explikationsstruktur der Apperzeption einen Sinn als objektiv-transzendentale Funktion der Subjektivität ausgehend von ihrer Selbstbestimmung als logisches Absolutum.
KrV, B f.; S. f. Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, B f.; S. . Cf. Kap. ... Eine Idee, die den Gesetzen des Denkens widerspricht, wie beispielsweise der eckige Kreis, kann erst gar nicht zur Vorstellung werden, sondern bezeichnet ein nihil negativum, cf. KrV, A | B ; S. . Ein Verhältnis, wie P zu P, würde den korrelativen Charakter von Subjekt und Prädikat verletzen. Es ist dagegen gerade die Bestimmung des Subjektes als absolute, welche die Explikationskette der bestimmungslogischen Selbstbestimmung des Denkens ermöglicht. Reich (), S. . KrV, B ; S. . KrV, B ; S. .
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Es ergibt sich, dass die Apperzeption hinreichend durch alle vier Titel mit der Relation im Exponenten und den jeweils ersten Momenten bestimmt ist. Dies entspricht der in der transzendentalen Deduktion und Dialektik gefundenen Reihenfolge der Erörterung der Strukturmomente (Relation, Qualität, Quantität, Modalität). Da nun die jeweils zweiten und dritten Momente aus dem ersten gewonnen werden können und die Bedingungen (4) bis (6) zur Vollständigkeit der Urteilstafel erfüllt sind, kann diese als erwiesen gelten.⁵⁰⁴ Die Zusatzbedingung (7)⁵⁰⁵ erweist sich durch den mit dem ersten Schritt mit gesetzten Satz der Identität des Subjektes mit seiner ursprünglichen Vorstellung ebenfalls als erfüllt, sofern dieser sowohl den Satz der Identität als auch den Satz des ausgeschlossenen Widerspruchs impliziert. Der Ausgang des Beweises der Vollständigkeit führt jedoch auch in eine scheinbar paradoxe Situation. Dadurch dass in der Ableitung der Urteilsfunktionen die Apperzeption an den Anfang gesetzt wurde, kehrt das Fichtesche Problem eines präreflexiven Grundes in neuer Gestalt zurück. Da die Apperzeption nur ein formales, nicht spekulatives Prinzip darstellt, bleibt gänzlich offen, ob unser System der Kategorien auf festem oder sandigen Grund steht. Es ist sogar denkbar, dass, wenn das Ich der Apperzeption nicht die Erscheinungsform eines „realen“ Subjektes bildet, sondern bloß eine beigeordnete Funktion, respektive Vorstellung ist, der Verstand gleichsam schwerelos über einem Abgrund schwebt. Diese Situation ergibt sich durch die Umkehrung der kantischen Argumentation, welche, wie Baumanns richtig betont, eine „Hänge-Konstruktion“ darstellt.⁵⁰⁶ Kant hat jedoch unserem Verständnis nach an der Existenz eines realen, jedoch für die theoretische Vernunft unerkennbaren Grundes des Selbstbewusstseins keinen Zweifel. Dieser findet sich auch im Begriff des „transzendentalen Substrates“, der Einheit von Subjekt und Objekt als Vollerfüllung des Subjekts wieder.⁵⁰⁷ In diesem
() Die trichotomisch geordneten Urteilsformen müssen aus ihrem Titel gewonnen werden. () Die Urteilsformen müssen eine deduktive Ableitungsstruktur aufweisen. () Die Vollständigkeit ist erst dann bewiesen, wenn die Annahme eines weiteren Momentes einen logischen Widerspruch implizierte. Cf. Kap. ... () Die elementaren logischen Grundsätze müssen mit dem Prinzip der Einheit der kantischen Urteilstafel gegeben sein. Cf. Baumanns (), S. . Cf. Kap. ... Hughes’ Ansicht, „Only incidentally [Hervorhebung, M. B.] does Kant address himself to a ’substratum theorist’“ (Hughes (), S. ) ist daher zurückzuweisen. Ebenfalls erweist sich in diesem Lichte Rotenstreichs Interpretation einer bloß negativen Bedeutung des Substratbegriffes, zumindest mit Blick auf das Ganze des kantischen Systems als zweifelhaft: „The distinction between the position of subject and the position of substratum is relevant here only because Kant wants to maintain the view that there is no line continuity from subject to soul.“ Rotenstreich (), S. .
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Kapitel II. Transzendentale Subjektivität
Sinne gleichen sich Ende und Anfang der Transzendentalphilosophie, welche ihren ersten Grund in der Affektion, ihren letzten Bezugspunkt im unbekannten Ich hat. Insofern ändert sich an der Transzendenz der fundamentalen Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie auch nach Umkehrung ihrer Argumentationsrichtung nichts. Im Folgenden gilt es nun, die kategoriale Struktur des Denkens hinsichtlich des Objektes der Erkenntnis zu erhellen. Es wird sich dabei zeigen, dass dieselbe Reflexionsstruktur bei der Bestimmung des Erkenntnisgegenstandes zum Tragen kommt mit der Besonderheit, dass sich die Bestimmung des Objektes spiegelbildlich zur Reflexionsstruktur des Subjektes verhält. Die nachweisbare Symmetrie der Reflexionsstrukturen von Subjekt und Objekt wird dabei mit Blick auf die Vorstellung ihrer Totalität die Geschlossenheit des kantischen Systems der Kategorien aufweisen können.
Kapitel III. Transzendentale Objektivität Alle Erkenntnis beruht wesentlich auf Erfahrung.¹ Dass Kant diesen Grundgedanken des Empirismus affirmiert, jedoch in Reaktion auf Hume gleichzeitig die Notwendigkeit sieht, diesen um apriorische Bestimmungen als Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung zu ergänzen, weist auf die doppelseitige Natur seines Denkens hin. Diese findet sich bereits im Zwillingstitel der kritischen Philosophie: Kants System ist sowohl transzendentaler Idealismus als auch empirischer Realismus.² Seine Philosophie ruht auf zwei Säulen: Dem Subjekt als objektive Bedingung der Einheit unserer Vorstellungen³ und dem Objekt als je subjektivem Grund für die Möglichkeit derselben: Erstere betrifft den Gültigkeitsgrund der transzendentalen Voraussetzung der Erkenntnis, welche Kant in die Sphäre der Subjektivität legt, letztere betrifft den kontingenten Anstoß unserer Erkenntnisvermögen in der Genesis der Erfahrung. Nun ist es nach Kant klar, dass die Möglichkeit der Erkenntnis auf die Sphäre der Erscheinung restringiert ist, sofern der Verstand diese erst aufspannt, indem er die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung setzt. Jeder Gebrauch des Verstandes über diese Sphäre hinaus bedeutete dementsprechend einen selbst übersteigenden Gebrauch von den erfahrungsermöglichenden Funktionen.⁴ Der Verstand ist demnach auf die Immanenz seines Gebrauchs in der empirischen Sphäre restringiert, trotzdem sind seine Funktionen nicht innerhalb dieser Sphäre situiert. Für das eigentliche Ziel unserer Erkenntnisbemühung, nämlich Erkenntnis von einem Gegenstand, d. h. Erfahrung zu gewinnen, liegt in dieser Konstellation jedoch eine nicht aufgelöste Schwierigkeit. Zwar konnte gezeigt werden, wie der Verstand zu seinen Bestimmungen gelangt als auch wie diese im Allgemeinen wie im Besonderen zu objektiven Funktionen der Gegenstandskonstitution werden. Der Grund der Selbsttätigkeit des Verstandes ist jedoch noch keineswegs eingesehen, so dass noch zu verstehen bleibt, erstens wie das Denken sich hinsichtlich eines von ihm Unterschiedenen bestimmt, zweitens wie das Denken auf die Verschiedenheit des Grundes reflektieren kann und drittens wie dieser Grund in sich selbst aufzufassen ist. Dass hier der Verweis auf die Erfahrungsimmanenz des
Cf. KrV, B ; S. . Zschocke (), S. f., irrt daher, wenn er den transzendentalen Idealismus und den empirischen Realismus als Antipoden entgegensetzt. Der Gegensatz zum transzendentalen Idealismus besteht vielmehr im transzendentalen Realismus. Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B f.; S. .
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
Verstandesgebrauchs allein nicht ausreicht, um den objektiven Grund des subjektiven Erfahrungsanstoßes zu begreifen, ergibt sich bereits aus Kants Rede vom Gegenstand in der Erscheinung. Dieser präsupponiert nach dem bisher Dargelegten nämlich zweierlei, einerseits die Möglichkeit der objektiven Affektion durch die dem Subjekt transzendenten Dinge an sich selbst, i. e. dasjenige, was erscheint als der vom Denken unabhängige Grund seiner Tätigkeit, als auch der subjektiven Affektibilität, welche die notwendige Bedingung des für uns Erscheinenkönnens des Gegenstandes bildet. Das Ding an sich ist also gleichzeitig transzendenter Grund und transzendentale Bedingung der Erscheinung.⁵ Die Grundintuition Kants ist also nicht nur eine empirische, sondern auch eine realistische.⁶ Wartenberg fasst diesen Zusammenhang richtig auf: „Kants Idealismus ist die Konsequenz seines Apriorismus, während der Ausgangspunkt seiner Erkenntnistheorie entschieden realistisch ist.“⁷ Der zweite Name des kantischen Systems wurde mit Blick auf die Geschichte der deutschen Philosophie, welche vermeinte, sich gänzlich von den Fesseln des Gegenstandes lösen zu können, nahezu in Gänze ausgeblendet und außer Recht gesetzt. Kant wurde damit zum Gründungsvater einer Philosophie, die der realistischen Grundintuition⁸ seiner eigenen geradezu diametral entgegensteht.⁹ Dies hat, wie kaum ein anderer, Erich Adickes in aller Schärfe gesehen: Es liegt eben,was die Existenz der Dinge an sich betrifft, für Kant überhaupt kein Problem vor. Sie ist ihm eine unbewiesene Prämisse, von der er ausgeht, als sei sie so sicher wie der sicherst bewiesene Grundsatz. Nichts ist für die philosophischen Systeme so bezeichnend, wie die unbewiesenen Prämissen, auf denen sie aufgebaut sind, und nichts läßt in die geheimsten Herzkammern ihrer Schöpfer einen so tiefen Blick tun wie gerade sie. In unserem Fall beweisen sie,wie stark die realistische Tendenz in Kant war, und wie fern ihm deshalb jeder extreme Idealismus liegen mußte.¹⁰
In den ersten beiden Kapiteln wurde bisher vornehmlich die Möglichkeit der Erfahrung vom Subjekt her diskutiert. Dies ändert sich in diesem Kapitel insoweit, als dass in ihm nun die Möglichkeit der Erkenntnis aus der Perspektive des Objektes, respektive des Dinges an sich zur Betrachtung gestellt wird (Kap. 3.1). Ohne Der Begriff „Ding an sich“ ist daher nicht bloß negativ aufzufassen, wie Prauss (), S. , meint: „Die Dinge ’an sich selbst’ betrachten heißt mithin nichts anderes als die Dinge ’nicht als Erscheinungen’ zu betrachten.“ Cf. Frank (), S. ff. Wartenberg (), S. . Heimsoeth (/), S. , spricht von einem „metaphysischen Rest-Realismus“. Cf. Heimsoeth (/), S. ff. Adickes (), S. .
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diesen Wechsel der Perspektive bliebe der problemorientierte Rekonstruktionsversuch von Kants Philosophie der Erkenntnis notwendig unvollständig. Die Bedeutung der Frage nach dem transzendentalen Gegenstand fasst Thomsen treffend zusammen: Das Problem vom Ding an sich oder vielmehr von der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, so wie Kant dieselbe gestellt hatte, ist eins der fundamentalen Probleme des Kritizismus, ein Knotenpunkt, wo viele Fäden sowohl der Erkenntnistheorie als der Ethik Kants zusammenstossen.¹¹
Für die Rekonstruktion der funktionalen Struktur des empirischen Denkens, welches vom Objekt her begriffen werden soll, ist die Änderung der Blickrichtung ebenfalls bedeutsam. Die Reflexion über das empirische Denken ist zuerst keine Reflexion über das Denken, das sich denkend bestimmt. Sie nimmt ihren Anfang also nicht von einem ursprünglich bestimmenden Selbstverhältnis, sondern von dem Faktum des Bestimmtseins durch ein anderes. So kann der Versuch, die transzendentale Struktur des objektiven Denkens offenzulegen, nicht wie die Enthüllung der kategorialen Struktur der Apperzeption als der bestimmungslogischen Ausentfaltung eines ursprünglichen Grundsatzes im Exponenten, im Falle der transzendentalen Subjektivität die Nichtprädizierbarkeit des absoluten Subjektes aller Vorstellungen, geschehen. Sie muss vielmehr vom ursprünglichen Gegebensein des Gegenstandes in der Erfahrung ihren Anfang nehmen, d. h. von einem Daseienden in der sinnlichen Gewissheit. Erst wenn diese Aufgabe gelöst und die transzendentale Struktur des empirischen Denkens offengelegt und als notwendig demonstriert wurde, kann im zweiten Schritt nach der Möglichkeit des Gegebenseins des Gegenstandes in der Erfahrung selbst gefragt werden. Hierin liegt die Bedingung der Möglichkeit, dass sich das Denken aus seinem Bestimmtsein durch ein Anderes entfalten kann (Kap. 3.2). Dabei handelt es sich um die alte Frage nach der Möglichkeit der Affektion durch das sogenannte Ding an sich. Im dritten Schritt ist die Vorstellung des Dinges an sich selbst zu thematisieren (Kap. 3.3.1). Erst wenn die Struktur der Vorstellung des transzendentalen Objektes mittels der kognitiven Elementarfunktionen in seiner Bedeutung für das Denken
Thomsen (), S. . Er kommt allerdings zu dem Schluss, dass das Problem des Dinges an sich, respektive das Problem der Affektion mit Kant nicht mehr zu lösen sei, da sich dieses erst durch Kants eigene Inkonsequenz in dieser Frage ergeben hätte: „Das Ding an sich sammelt alle metaphysischen Anläufe bei Kant und erzeugt trotz alles Kritizismus eine Metaphysik, die zuguterletzt nicht viel besser wurde als die alte, von Kant zersetzte.“ Op. cit., S. 247.
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einsichtig gemacht werden konnte, ist es viertens möglich, die Frage nach Verbindung, respektive Vergleichbarkeit des Gegenstandes in der Erscheinung mit dem Ding an sich zu erörtern (Kap. 3.3.2). Die Richtung der Untersuchung vollzieht sich daher im Ganzen von innen nach außen: Sie hebt von der Reflexion der subjektiven Bedingungen der Objektivität im Denken (3.1) an. Danach reflektiert sie die Bedingung der Möglichkeit des Gegebenseins eines Objekts in Bezug auf das Denken (3.2), um schließlich die Frage nach der Möglichkeit eines Gegenstandes für das Denken stellen zu können (3.3).
3.1 Aufstieg zur Erfahrung Alles empirische Denken zielt auf die Erkenntnis seines Gegenstandes, also auf Erfahrung. Die Erfahrung bildet dementsprechend die höchste epistemische Stufe der Gegenstandserkenntnis. Die Epistemologie hat daher im Wesentlichen zwei Fragen zu beantworten: Erstens, worin besteht das Spezifische der empirischen Erkenntnis, welches sie von der bloßen Wahrnehmung unterscheidet? Zweitens, wie wird aus dem Empfindungsmaterial Erfahrung generiert? Nun ist es klar, dass beide Fragen nur aus der transzendentalen Konstitution des Erfahrungssubjektes beantwortet werden können, sofern diese die Bedingung der Möglichkeit der Gegenstandserkenntnis darstellt. Die Struktur der Genesis der empirischen Erkenntnis muss daher in der kategorialen Struktur des empirischen Denkens angelegt sein, welche affektionsinduziert zur Entfaltung gelangt. Die Analyse der Erfahrungsgenese muss daher die Offenlegung eben dieser Struktur zur Aufgabe haben.
3.1.1 Empfindung und Affektion Ziel und Zweck aller Erkenntnis ist letztlich immer das Konkrete. Konkretes, mithin Gegenständliches ist dabei sowohl unmittelbarer Anfang als auch mittelbare Aufgabe des Erkenntnisprozesses. Im ersten Sinne, sofern es als Gegenstand das Gemüt affiziert, im zweiten Sinne, sofern es Bestimmungsobjekt der Erkenntnistätigkeit ist. Der Modus, in dem sich das Konkretum dem menschlichen Erkenntnisvermögen darbietet, ist die Anschauung. Anschauungen sind daher der Endzweck allen sinnfähigen Erkennens. Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntnis auf Gegenstände beziehen mag, so ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe unmittelbar bezieht, und
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worauf alles Denken als Mittel abzweckt, die Anschauung. Diese findet aber nur statt, so fern uns der Gegenstand gegeben wird; dieses aber ist wiederum, uns Menschen wenigstens, nur dadurch möglich, daß er das Gemüt auf gewisse Weise affiziere.¹²
Affektion ist diejenige Art und Weise, wie sich das transzendentale Objekt dem Gemüt als Wirkung präsentiert. Die Wirkung selbst, also dasjenige, welches sich als Ergebnis der Affektion dem Verstande darbietet, ist Empfindung. Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstellungsfähigkeit, so fern wir von demselben affiziert werden, ist Empfindung. Diejenige Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht, heißt empirisch. Der unbestimmte Gegenstand einer empirischen Anschauung heißt Erscheinung. ¹³
Empfindung ist daher immer zweierlei. Zum einen ist der Inhalt der Empfindung dasjenige, was sich als Wirkung des Extramentalen (praeter nos)¹⁴ dem empfindungsfähigen Subjekt via Affektion als objektiver Referent in der Erscheinung darbietet.¹⁵ Als solche ist der Empfindungsinhalt subjektiv nicht antizipierbar, mithin kontingent.¹⁶ Zum anderen setzt die Möglichkeit der Empfindung formaliter die Affektibilität des Subjekts durch das Objekt voraus. Dies ist nur möglich, wenn das transzendentale Objekt bereits erkenntnisfunktional bestimmt ist.¹⁷ Dass es sich so verhält, hat Kant in der Transzendentalen Ästhetik gezeigt, insofern jeder Gegenstand als Objekt bereits in Raum und Zeit situiert, respektive die Empfindungsmannigfaltigkeit die Formen spatialer und temporaler Differenzierbarkeit präsupponiert.¹⁸
KrV, A | B ; S. . KrV, A f. | B ; S. f. Zum Begriff des praeter nos in Abgrenzung zum ante nos cf. Kap. ... Die Empfindung stellt insofern das „Eigentlich-empirische“ dar, MAN, AA IV, ; S. ., cf. Proleg. AA, ; S. . Prauss (1991), S. 76, sieht genau hierin einen vorkritischen, cartesianischen Atavismus in Kants Theorie. Unserer Ansicht nach handelt es sich jedoch bei der Annahme der subjektiven Unverfügbarkeit der objektiven Empfindungsquelle nicht um ein Überbleibsel einer zu überwindenden Position, sondern um ein zentrales, realistisches Kennzeichen des kritischen Idealismus, was jedoch die bekannte Frage nach der Möglichkeit der transzendentalen Affektion aufwirft. Diese wird ausgiebig im nächsten Hauptgliederungsabschnitt 3.2 zu diskutieren sein. An dieser Stelle wird der Begriff der Affektion bloß assertorisch gebraucht. Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. Baumanns (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Nach Karin Michel geht die räumliche Relation den Relata vorher, cf. Michel (), S. . Diese Ansicht ist in der Sache richtig, sollte jedoch dahingehend präzisiert werden, dass der Raum (und auch die Zeit) von den Relata unabhängige Bedingungen der Relationalität überhaupt sind, ohne dabei notwendig schon Relationen zu sein. Cf. Henrich (),
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In der Erscheinung nenne ich das, was der Empfindung korrespondiert, die Materie derselben, dasjenige aber, welches macht, daß das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhältnissen geordnet werden kann, nenne ich die Form der Erscheinung.¹⁹
Die bloße Empfindung, i. e. Vorstellung überhaupt (repraesentatio),²⁰ stellt die Grundlage der Wahrnehmung (perceptio)²¹ dar, ohne bereits schon mit dieser identisch zu sein.²² Sie bildet lediglich das Material der Wahrnehmung, auf welches sich das empirische Bewusstsein im Wahrnehmungsprozess bezieht.²³ Als solches hat die Empfindung noch keinen gegenständlichen Charakter, soweit der Begriff des Gegenstandes die Einheit des Objekts in der Wahrnehmung bezeichnet.²⁴ Bloße Empfindung, sofern sie also unabhängig von der apprehensiven Synthesis der Einbildungskraft in der Wahrnehmung für sich genommen wird, ist ihrem Wesen nach präsynthetisch, d. h. sie gibt nur die reine Mannigfaltigkeit der Affektionsmomente wieder. Sie ist in diesem Sinne auch nicht protensiv, sofern die einzelne Empfindung ohne die Apprehension eben nur ein Momentum darstellt. Die Apprehension, bloß vermittelst der Empfindung, erfüllet nur einen Augenblick (wenn ich nämlich nicht die Sukzession vieler Empfindungen in Betracht ziehe).²⁵
Empfindung allein hat noch keine quantitative Bestimmung als extensionale Größe, sofern die Empfindung ohne die sukzessive Synthesis durch die kategoriale Zeitbestimmung keine objektive Wahrnehmungseinheit generiert.²⁶ Als etwas in der Erscheinung, dessen Apprehension keine sukzessive Synthesis ist, die von Teilen zur ganzen Vorstellung fortgeht, hat sie also keine extensive Größe; der Mangel der Empfindung in demselben Augenblicke würde diesen als leer vorstellen, mithin = 0.²⁷
S. : „In der transzendentalen Ästhetik selbst finden sich zwei Begriffe, welche den Status von Raum und Zeit charakterisieren: Sie sind einerseits „reine Anschauungen“, andererseits subjektive „Form“ oder „Bedingung der Sinnlichkeit“. Diese Charakterisierung sind nicht bedeutungsgleich. Die zweite gibt vielmehr eine Erklärung für die Möglichkeit der ersten.“ KrV, A | B ; S. . KrV, A | B f.; S. . KrV, A | B f.; S. . Cf. Abb. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, B ; S. . KrV, A | B ; S. . Bussmann vergleicht die Empfindungsvielheit treffend mit einem „Mückenschwarm“, auf welche allein die sinnliche Ordnung des „Nach“ und des „Nebens“ zutrifft, cf. Bussmann (), S. . KrV, A | B ; S. .
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Gleichwohl bilden die Empfindungen als Teil der Erscheinung die Bedingung der Möglichkeit der extensionalen Bestimmung der Anschauung. Eine extensive Größe nenne ich diejenige, in welcher die Vorstellung der Teile die Vorstellung des Ganzen möglich macht (und also notwendig vor dieser vorhergeht.)²⁸
Wesentlich setzt also die Synthesis der Empfindungsmomente ihre Differenzierbarkeit als Teile der Erscheinung im empirischen Bewusstsein voraus. Die quantitative Bestimmung eines Gegenstands in der Anschauung als extensionale Größe ist damit notwendig mit der raum-zeitlich differenzierbaren Vielheit der Empfindungsmannigfaltigkeit verkoppelt.²⁹ Da viele Interpreten, wie beispielsweise Böhme,³⁰ die wesentliche, da für die transzendentale, respektive kategoriale Struktur des empirischen Denkens entscheidende Differenz von Empfindungsvielheit und der Empfindungsmannigfaltigkeit in der Wahrnehmung nicht sehen, ist für sie die Empfindung per se bereits intensiv.³¹ Dies hat vornehmlich den Grund, dass der Sukzessionscharakter der Zeit, welcher erst durch die Verbindung von Anschauungsform und Quantität zu Stande kommt,³² von ihnen bereits in die Anschauungsform selber gelegt wird. Aus der Bedingung zeitlichen „Nachs“ wird so die des „Nacheinanders“.³³ Stuhlmann-Laeisz³⁴ bildet hier eine Ausnahme, indem er zwei Typen von Mannigfaltigkeit unterscheidet: Eine „Mannigfaltigkeit erster Art“³⁵, i. e. das „einer sinnlichen Anschauung gänzlich unverbunden und strukturlos dargebotene Mannigfaltige“³⁶ und ein Mannigfaltiges, welches die Kategorie als vorgängige Verbindung voraussetzt.³⁷ Diese terminologische Unterscheidung StuhlmannLaeisz’ deckt sich mit unserer Analyse. Die Mannigfaltigkeit der Empfindung vor der Wahrnehmung ist eben jene, welche als Vielheit noch nicht zur Einheit ins (empirische) Bewusstsein gehoben wurde.³⁸ Es ist dennoch wichtig zu bemerken, KrV, A | B ; S. . Nicht die einzelne, sondern die Vielheit der Empfindung benötigt Raum und Zeit zur Differenziation. Cf. Baumanns (), S. , . Cf. Böhme (). Cf. Böhme (), S. . Cf. Kap. ... So auch bei Böhme (), S. . Cf. Stuhlmann-Laeisz (), S. , und Stuhlmann-Laeisz (), S. . Stuhlmann-Laeisz (), S. . Stuhlmann-Laeisz (), S. . Cf. Stuhlmann-Laeisz (), S. . López-Fernández (), S. , irrt daher, wenn er meint: „Nimmt man ein Haus wahr, dann wird einem dadurch die Mannigfaltigkeit unmittelbar gegeben.“ Das einzige, was unmittelbar am Gegenstand gegeben ist, ist die Empfindung als dessen Affektionswirkung.
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dass die Vielheit des Empfindungsmannigfaltigen im Denken die Kategorie der Vielheit in der Apperzeption ebenfalls voraussetzt. Der transzendentale Konstitutionsrahmen der Erkenntnis in Bezug auf Empfindung und Wahrnehmung findet auf psychologischer Ebene seine Bestätigung. Tatsächlich geht die Vielheit der Vorstellungen in der Empfindung der synthetischen Wahrnehmung von Gegenständlichkeit als Einheit voraus. Letztere wird in der frühkindlichen Entwicklung erst im sechsten, respektive siebten Lebensjahr ausgebildet. Vorher bleibt die Wahrnehmung der Wirklichkeit im Wesentlichen fragmentiert, so dass Gegenstände, welche tatsächlich Einheiten bilden, als Vielheiten gesehen und entsprechend dargestellt werden.³⁹
3.1.2 Wahrnehmung und Synthesis Die einzelne Empfindung bildet für sich genommen eine „absolute Einheit“.⁴⁰ Sie ist, wie im vorherigen Abschnitt erörtert, nulldimensional; sie weist also die Eigenschaft eines Punktes auf. Aufgrund der Nulldimensionalität der präperzeptiven Empfindung sind diese weder protentional noch retentional verbunden. Die bloße Empfindung ist daher auch an sich selbst keines Grades fähig, da ihr in der Augenblicklichkeit ihres rezeptiven Seins keine innere Zeitlichkeit zukommt.⁴¹ Um Intensivität, d. h. graduelle Bestimmbarkeit aufweisen zu können, müssen die Empfindungen in Bezug aufeinander verglichen werden können. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Empfindungen in ein Kontinuum gesetzt und damit miteinander zeitlich verbunden sind. Dies findet jedoch noch nicht auf der Ebene bloßer Empfindungen, sondern erst auf der Ebene der Wahrnehmung statt. Jede Anschauung enthält ein Mannigfaltiges in sich, welches doch nicht als ein solches vorgestellt werden würde, wenn das Gemüt nicht die Zeit, in der Folge der Eindrücke auf einander unterschiede: denn als in einem Augenblick enthalten, kann jede Vorstellung niemals etwas anderes, als absolute Einheit sein.⁴²
Die Zeit ist also in doppelter Hinsicht für die Mannigfaltigkeit des Wahrnehmungsmaterials bedeutsam. So setzt einerseits die in jeder Anschauung präsente Empfindungsmannigfaltigkeit formal die Vielheit einzelner Eindrücke zum Inhalt der Wahrnehmung voraus, andererseits ist die Mannigfaltigkeit nur im temporalen
Cf. Schenk-Danzinger (), S. . KrV, A ; S. . Cf. Baumanns (), S. . KrV, A ; S. .
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Sukzessionskontinuum als Mannigfaltigkeit vorstellbar.⁴³ Die Anschauungsform des inneren Sinnes ist daher zum einen Bedingung der Möglichkeit der quantitativen Vielheit in der Empfindungsmannigfaltigkeit und damit der extensionalen Bestimmung der Anschauung, sofern die Zeit das notwendige Kriterium temporaler Unterscheidbarkeit bildet; zum anderen ist sie die Bedingung der Möglichkeit der qualitativen Einheit des Wahrnehmungsmaterials, indem die Zeit durch ihren infiniten Einschränkungscharakter der Empfindungssukzession einen intensiven Grad verleiht, indem sie die Verknüpfung der Empfindungen und damit ihre Komparabilität hinsichtlich ihrer Intensität erst ermöglicht. Damit nun aus diesem Mannigfaltigen Einheit der Anschauung werde, (wie etwa in der Vorstellung des Raumes) so ist erstlich das Durchlaufen der Mannigfaltigkeit und denn die Zusammennehmung desselben notwendig, welche Handlung ich die Synthesis der Apprehension nenne, weil sie gerade zu auf die Anschauung gerichtet ist, die zwar ein Mannigfaltiges darbietet, dieses aber als ein solches, und zwar in einer Vorstellung enthalten, niemals ohne eine dabei vorkommende Synthesis bewirken kann.⁴⁴
Zwei Schritte sind vorausgesetzt, dass aus der Empfindungsvielheit eine Mannigfaltigkeit zum Gegenstand einer Anschauung wird. Erstens das „Durchlaufen der Mannigfaltigkeit“. Die präperzeptiven Empfindungen setzen in ihrer Vielheit die Zeit nur als Unterscheidungskriterium zeitlichen Außersichseins voraus. Sie sind also insofern schon Mannigfaltiges, sofern sie zeitlich differenzierbare Momente bilden. Diesen Momenten fehlt es jedoch gänzlich an Einheit. Sie bedürfen der Zeit nur als äußerer Bedingung, sofern ihre Pluralität überhaupt möglich sein soll. Das Durchlaufen muss sich daher auf eine innere zeitliche Bestimmung der Empfindungen als Teil der Wahrnehmung gemäß der lex continua realitatis be-
Frede/Krüger (), S. f. weisen richtig darauf hin, dass die „Mathematik des Diskreten […] nach Kant die notwendige Voraussetzung der Geometrie als metrische Wissenschaft von dem in unserer Anschauung gegebenen Raum aufgefaßt wird.“ Die Primordialität des (infinitesimal) Diskreten ist sowohl in der Mathematik für Kant als auch in der Synthesis der Erfahrungseinheit bestimmend. Da die indefinite Kleinheit der Ausdehnung der einzelnen Empfindungen infinitesimal gedacht werden muss, bildet der Wahrnehmungsatomismus nicht länger eine Schwierigkeit. Kants Analyse der notwendigen Bedingungen ist eben eine transzendentale, keine Wahrnehmungspsychologische. Damit erübrigen sich einerseits der Vorwurf des Atomismus, den Wahsner (), S. , gegen Baumanns’ Interpretation erhebt, andererseits Auslegungen des kantischen Wahrnehmungsbegriffes, wie Wenzel (), S. , welche zur Vermeidung eines anzunehmenden Wahrnehmungsatomismus die Empfindungsmannigfaltigkeit erster und zweiter Ordnung konfundieren. KrV, A ; S. .
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ziehen.⁴⁵ Die Empfindungen werden im Durchlauf also zu protensiven Wahrnehmungsinhalten verbunden und hernach zur Einheit des Anschauungsgegenstandes synthetisiert.⁴⁶ Erst durch die apprehensive Synthesis, also durch die Aufnahme der Empfindungsmannigfaltigkeit in das zeitlich-empirische Bewusstsein wird aus dieser der Gegenstand einer Wahrnehmung. Der intensive Grad der Empfindung als ihr Werden in der Zeit betrifft daher letztlich nicht diese selbst, wie Baumanns richtig erkennt, sondern nur die Bestimmtheit der Empfindung in Hinblick der graduellen In- und Dekrementierung der Empfindungen in zeitlicher Sukzession.⁴⁷ Die Wahrnehmung konstituiert durch die Aufnahme der quantitativen Vielheit der Empfindungen in das empirische Bewusstsein die qualitative Einheit des Wahrnehmungsgegenstandes. Da nun das Reale in der Empfindung als Ergebnis der transzendentalen Affektion einen vom Subjekt der Empfindung unabhängigen Grund besitzt,⁴⁸ bezeichnet die durch die apprehensive Synthesis gefasste, objektive Einheit des Gegenstandes materialiter ein Kontrapositum zur apperzeptiven Einheit des empfindungsfähigen Subjektes.⁴⁹ Sie ist damit nicht nur bloßes Korrelat der Einheit des Bewusstseins, sondern „wahres Correlatum [], d. i. Ding an sich selbst“⁵⁰ des sich in der Erscheinung präsentierenden Gegenstandes. Dies ist wesentlich für Kants Kritik am Idealismus.⁵¹
3.1.3 Erfahrung und Einheit Wahrnehmung allein liefert noch keine empirische Erkenntnis, i. e. Erfahrung. Diese ist vielmehr auf die Verknüpfung (nexus)⁵² der Wahrnehmungen in einem Urteil angewiesen. Die Verknüpfung der Wahrnehmung ist daher die notwendige
Das Durchlaufen der Mannigfaltigkeit ist unserer Ansicht nach der Punkt, an dem das zeitliche Stellensystem der Anschauungsform „in Bewegung kommt“, also die Form eines Flusses annimmt. Die Verbindung verschiedener Wahrnehmungen zu einer Anschauung als eines „ganzheitlichen Anblicks“ (Hoppe (), S.) ist demgegenüber sekundär. Cf. Baumanns (), S. . Wartenberg irrt daher in seiner Einschätzung der Erscheinungen, als „blosse Modifikationen unseres Bewusstseins, […] die zu der Welt der Dinge an sich in keiner Beziehung stehen.“ Wartenberg (), S. . Cf. Wartenberg (), S. . „Alle intensive Größe muß doch zuletzt auf extensive gebracht werden.“ Refl. , AA XVIII, . KrV, A | B ; S. . Cf. Klemme (), S. . KrV, A | B , Anm. ; S. .
3.1 Aufstieg zur Erfahrung
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Bedingung der Erfahrung. Diese ist für sich genommen nur ein notwendiges, nicht hinreichendes Kriterium, da Wahrnehmungen auf zweierlei Arten miteinander verknüpft werden können: zum einen subjektiv durch Assoziation, zum anderen objektiv in der Rekognition der Vorstellungen. Den Wahrnehmungsnexus des ersten Falles bezeichnet Kant in den Prolegomena als Wahrnehmungs-, den des zweiten Falles als Erfahrungsurteil. Empirische Urteile, sofern sie objektive Gültigkeit h a b e n , sind Erfahrungsurteile; die aber, so nur subjektiv gültig sind, nenne ich bloße Wahrnehmungsurteile. Die letzteren bedürfen keines reinen Verstandesbegriffs, sondern nur der logischen Verknüpfung der Wahrnehmungen in einem denkenden Subjekt. Die ersteren erfordern jederzeit über die Vorstellungen der sinnlichen Anschauung noch besondere, i m Verstande ursprünglich erzeugte Begriffe, welche es eben machen, daß das Erfahrungsurteil objektiv gültig ist.⁵³
Für das Wahrnehmungsurteil gilt also, dass eine bloß logische Verknüpfung der Vorstellungen im Subjekt stattfindet. Im Falle eines Wahrnehmungsurteils über einen sich erwärmenden Gegenstand lässt sich dementsprechend allein sagen, dass sich der Gegenstand, wenn er der Sonne ausgesetzt ist, erwärmt. Das Wahrnehmungsurteil enthält also nur die Feststellung der konditionalen Relation der Wahrnehmungen untereinander. Die objektive Seite des Wahrnehmungsurteils wiederum enthält lediglich die stets zu beobachtende Sukzession derselben gemäß einem „bloße[n] [zeitlichen, M. B.] Schema[], das sich immer auf die reproduktive Einbildungskraft bezieht“⁵⁴. Was also dem Wahrnehmungs- zum Erfahrungsurteil fehlt, ist die kategoriale Bestimmung der Wahrnehmungsfolge, welche, wie in Kap. 1.3.3 gezeigt wurde, die modale Prädikation der Verknüpfung voraussetzt: Auf objektiver Seite als einer zeitlich notwendigen, auf subjektiver Seite als einer gesetzlich notwendigen Folge.⁵⁵ Dies kann nur durch die kategoriale Bestimmung des Wahrnehmungsurteils geleistet werden, sofern diese eine kategoriale, objektiv-notwendige Verbindung der Wahrnehmungsinhalte etabliert. Das kausale Verhältnis der Wahrnehmungen drückt damit ein sowohl zeitlich als auch begrifflich notwendiges Verhältnis aus.⁵⁶ „Erfahrung ist [daher, M. B.] nur
Proleg., AA IV, ; S. . KrV, A | B ; S. . Die Möglichkeit eines „bloßen Schemas“ ohne die Anwendung der Kategorie wurde in Anschluss an Kap. 1.2.2 diskutiert. Diese Unterscheidung markiert eine wesentliche und nicht bloß komparative Differenz von Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteil, wie sie fälschlicherweise Simmel (/), S. , , annimmt. Zur Diskussion um die Bedeutung des Prinzips der Kausalität als Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung, cf. Rohs (a), Rohs (b), Rohs (), Meixner ().
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durch die Vorstellung einer notwendigen Verknüpfung der Wahrnehmungen möglich.“⁵⁷ Mit der subjektiven Verknüpfung der Wahrnehmungen ist eine gewisse Schwierigkeit verbunden.Wahrnehmungen setzen a priori bereits eine kategoriale Bestimmung durch die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption voraus.⁵⁸ Wie kann also die Verknüpfung von Wahrnehmungen bloß subjektiv sein, wenn diese selbst die objektive Einheit der Apperzeption zur Möglichkeit immer schon präsupponiert? Baumanns weist zu Recht darauf hin, dass das Wahrnehmungsurteil „nicht der logische Ort der Wahrnehmung“⁵⁹ sei.⁶⁰ Die assoziative Verknüpfung der Wahrnehmung im Wahrnehmungsurteil ist einerseits von der kategorialen Einheit der Wahrnehmung im Erfahrungsurteil zu unterscheiden, sofern das Wahrnehmungsurteil den erkenntnisgenetischen Charakter⁶¹ eines Erfahrungsurteils in statu nascendi ⁶² besitzt. Andererseits ist das Wahrnehmungsurteil hinsichtlich der erkenntniskonstitutiven Bedeutung der diskursiven Verstandesfunktionen für die Möglichkeit der Wahrnehmung wiederum von der Wahrnehmung selbst zu unterscheiden. Trotz dieser sinnfälligen Differenzierung bleibt eine nicht in Gänze aufzulösende Restspannung, welche darin besteht, dass auch die Assoziationsverbindungen auf der transzendentalen Synthesis beruhen müssen, sofern auf dieser ihre Assoziabilität allein beruhen soll.⁶³ So setzen die subjektiven Verknüpfungen einen objektiven Grund voraus, welcher wiederum nur aus dem Subjekt entspringen soll. Auf dieses Problem wird in der abschließenden Betrachtung von Kants System der Erkenntnis noch einmal einzugehen sein.⁶⁴ Nachdem nun die einzelnen Stufen der empirischen Erkenntnis skizziert wurden, gilt es, diese im Folgenden als transzendental-notwendige Struktur einsichtig zu machen, d. h. aus der transzendentalen Konstitution der Subjektivität zu erklären.
KrV, A | B ; S. . Cf. Baumanns (), S. . Baumanns (), S. . Der Fehler, Wahrnehmung und Wahrnehmungsurteil gleichzusetzen, findet sich beispielsweise bei Bröcker: „Kants Beispielsatz für ein Wahrnehmungsurteil „Wenn die Sonne den Stein erwärmt, so wird der Stein warm“ hat den Auslegern Schwierigkeiten gemacht. Es ist da von der Sonne die Rede und vom Stein. Wenn wir aber die Sonne und den Stein nennen, so liegt darin schon die Vermutung, daß sie beide auch morgen noch da sein werden. In Kants „Wahrnehmungsurteil“ stecken also zwei „Erfahrungsurteile“.“ Bröcker (), S. , Anm. . Cf. Baumanns (), S. . Cf. Baumanns (), S. . Cf. KrV, A ; S. f., und Hoppe (), S. f. Cf. Kap. ...
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3.1.4 Die kategoriale Spiegelstruktur der Apperzeption Kants Theorie der Erfahrung beinhaltet transzendentalphilosophische Überlegungen über die notwendige Struktur empirischen Denkens. Sie ist daher wesentlich nicht psychologistisch zu verstehen, respektive aus der Perspektive einer empirischen Anthropologie.⁶⁵ Die Begründung der Stufenfolge der empirischen Erkenntnis von der sensatio über die perceptio hin zur cognitio muss daher aus der Natur des transzendentalen Subjektes und damit letztlich aus der apperzeptiven Struktur des Denkens erfolgen. Da diese identisch ist mit den in der Urteilstafel niedergelegten Handlungen (Titel) und Funktionen (Momente), diese jedoch, wie gezeigt werden konnte, aus der ursprünglichen Einheit der Apperzeption ableitbar sind, sollte sich die Stufenfolge zur empirischen Erkenntnis wiederum aus der Apperzeptionsstruktur logisch begründen lassen und sich damit in der Tafel der urteilslogischen Elementarfunktionen wiederfinden. Der wesentliche Unterschied zum Vollständigkeitsbeweis der Urteilstafel, wie er im zweiten Kapitel geführt wurde, besteht nun darin, dass dieser nicht aus der apperzeptiven Struktur des Subjekts direkt geführt wird, sondern von der Bestimmung des transzendentalen Objekts. Die Deduktion wird also „von unten“ geführt. Insofern soll auch kein alternativer Beweis der Vollständigkeit geführt, sondern der bereits gegebene von der Perspektive des Objektes rekonstruiert werden. Jetzt wollen wir den notwendigen Zusammenhang des Verstandes mit den Erscheinungen vermittelst der Kategorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf, nämlich dem Empirischen anfangen [Hervorhebung, M. B.]. Das erste, was uns gegeben wird, ist Erscheinung⁶⁶, welche, wenn sie mit Bewußtsein verbunden ist Wahrnehmung heißt, (ohne das Verhältnis zu einem, wenigstens möglichen Bewußtsein, würde Erscheinung vor uns niemals ein Gegenstand der Erkenntnis werden können, und also vor uns nichts sein, und weil sie an sich selbst keine objektive Realität hat, und nur im Erkenntnisse existiert, überall nichts sein.) Weil aber jede Erkenntnis ein Mannigfaltiges enthält, mithin verschiedene Wahrnehmungen im Gemüte an sich zerstreuet und einzeln angetroffen werden, so ist eine Verbindung derselben nötig, welche sie in dem Sinne selbst nicht haben können. Es ist also in uns ein tätiges Vermögen der Synthesis dieses Mannigfaltigen, welches wir Einbildungskraft nennen, und deren unmittelbar an den Wahrnehmungen ausgeübte Tätigkeit ich Apprehension nenne.⁶⁷
So sind Kants Überlegungen zur unverbundenen Vielheit der präperzeptiven Empfindung (transzendental‐)logisch motiviert und kein psychologischer Befund, cf. Baumanns (), S. . Kant gebraucht hier den Terminus Erscheinung im Sinne von Empfindung. KrV, A f.; S. . Wenzel (2005), S. 420, folgert aus diesem Zitat, dass Wahrnehmung bereits für sich selbst eine Erkenntnis darstellen müsse, andernfalls, da Erscheinung „nur im Erkenntnisse existiert“, „die
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Der bestimmungstheoretische Vollständigkeitsbeweis basierte auf zweierlei. Zum einen auf der Prinzipieneinheit der vier ersten Urteilsfunktionen in der Bestimmung des transzendentalen Subjekts. Zum anderen auf der bestimmungslogisch notwendigen Reihenfolge der Verstandeshandlungen innerhalb der Apperzeption, i. e. Relation, Qualität, Quantität und Modalität. Für die Ableitung der Urteilsformen aus der Bestimmung des transzendentalen Objektes muss Analoges gelten: Erstens muss nachgewiesen werden, dass den einzelnen Stufen bestimmte Funktionen der Urteilstafel entsprechen. Der Grund für die Notwendigkeit einer solchen Entsprechung ist klar. Sofern alle Handlungen des Subjekts sich auf die dort niedergelegten Funktionen zurückführen lassen, muss dies auch für die Vorstellung des Objektes im empirischen Denken gelten. Zweitens muss gezeigt werden, dass sich die Stufenfolge im empirischen Denken logisch aus der Abfolge der Funktionen als Bestimmungsregeln ergibt. In diesem Fall gilt also dieselbe Bedingung, wie für den vorherigen Beweis. Die Funktionen, respektive Stufen der Erkenntnis können nicht einfach als faktisch vollständig ausgewiesen werden, sondern bedürfen einer strikten Beweisführung, welche die Rechtmäßigkeit derselben demonstriert. Die dritte und letzte Bedingung betrifft die Beziehung zum Vollständigkeitsbeweis aus der ursprünglichen Einheit der Apperzeption, respektive aus der Form der Reflexionsstruktur des transzendentalen Subjekts. Die neue Beweisführung kann nicht, wie bereits dargelegt, eine Alternative zur ersten darstellen. Wäre dies so, dann wäre der strenge Anspruch der Transzendentalphilosophie, die Urteilsformen, respektive die Kategorien aus einem Prinzip abzuleiten, unterminiert. Die aus der Struktur des empirischen Denkens gegebene Ableitung der Urteilsformen muss daher identisch sein mit dem Vollständigkeitsbeweis aus der Apperzeption. (1) Mit der ersten Bedingung ist bereits ein offensichtliches Problem verbunden. So sind es scheinbar nur drei Stufen der Erfahrung, welche Kant vorlegt. Die Dreiheit der Erfahrungsstufen konfligiert in diesem Fall natürlich mit der tetralogischen Struktur der Urteilstafel. Der Widerspruch ist jedoch nur scheinbar. Neben den drei Erfahrungsstufen gibt es eine Ebene Null, welche einerseits Voraussetzung des gesamten Erfahrungsprozesses, andererseits nicht direkt selbst
Erscheinung noch nicht in der bloßen Wahrnehmung“ existieren könne. Die Wahrnehmung hätte dementsprechend keinerlei objektive Realität. Der Grund dieses Fehlschlusses ist aus dem bisher Besprochenen leicht einzusehen. Da Wenzel prä- und postapprehensive Empfindung konfundiert, kommt er zu dem Schluss, dass die Wahrnehmung statt der diskreten und diskontinuierlichen Empfindungsmannigfaltigkeit erster Ordnung die bereits synthetisierte Empfindungsmannigfaltigkeit zweiter Ordnung zum Inhalt habe, welche diese dann bereits selbst zur Einheit in der Erkenntnis führte.
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Teil desselben ist. Gemeint ist natürlich das Reale, i. e. das Wirkliche, mithin von der Bestimmungstätigkeit des Subjekts Unabhängige in der Empfindung. Die erste Tätigkeit des Subjekts ist in Bezug auf den Gegenstand eine leidende, nämlich das Affiziert-werden. Im Postulat der Wirklichkeit findet sich diese Bedingung wieder: Das Postulat, die Wirklichkeit der Dinge zu erkennen, fordert Wahrnehmung, mithin Empfindung, deren man sich bewußt ist, zwar nicht eben unmittelbar, von dem Gegenstande selbst, dessen Dasein erkannt werden soll, aber doch Zusammenhang desselben mit irgend einer wirklichen Wahrnehmung, nach den Analogien der Erfahrung, welche alle reale Verknüpfung in einer Erfahrung überhaupt darlegen.⁶⁸
Die Bestimmung gemäß der Modalität bildet diejenige Reflexionshandlung, durch welche das Verhältnis der Vorstellungen zum Subjekt derselben (P$S& bestimmt wird. Dieses Verhältnis ist nun auch das erste, auf welches das Denken in Bezug auf das Objekt der Vorstellungen reflektieren muss, sofern es sich durch dieses als bestimmt zu denken hat. Das Ergebnis dieser Handlung besteht im Postulat der Wirklichkeit des Affektionsgrundes als eines vom Subjekt der Vorstellung unabhängigen Daseins.⁶⁹ Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass auch hier die notwendige Folgeordnung der kognitiven Handlungen nicht mit einer gegebenen Bestimmbarkeit direkt beginnt, sondern von einer Wirkung, welche das uns unbekannte Objekt auf uns ausübt.⁷⁰ Als Ergebnis ist auf der Ebene der Affektion festzuhalten, dass sich das Subjekt im Verhältnis zu seinen Vorstellungen als seiner Prädikate von einem unabhängigen Grund in Bezug auf diese als wirklich bestimmt denkt.⁷¹ Ausgehend von der Selbstbestimmungsstruktur des Denkens
KrV, A | B ; S. . „Kriterium der Wirklichkeit eines Dinges ist sein Gegebensein – dieses absolut genommen und in der Unmittelbarkeit reiner Rezeptivität des Erkenntnissubjekts verankert.“ Holzhey (), S. . In diesem Ausgang des empirischen Denkens von der Reflexion auf die Wirklichkeit des bloß bestimmbaren Gegenstandes sieht Holzhey einen Widerspruch: „Die Reflexion auf das pure Bestimmbare, die reine Erfahrung, ist gänzlich unbestimmt. „Wirklichkeit“ hat nur eine Bedeutung, wenn die Reflexion auf „Wahrnehmung“ und ihr Erscheinungskorrelat, „Realität“, bezogen wird, also auf das begriffliche Moment des Gegenstandes, das in seinem So als „seiend“ konstituiert.“ (Op. cit., S. f.) Holzhey sieht richtig, dass das Problem in Kants Bestimmung der begrifflichen Natur des Gegenstandes als Objekt einer möglichen Erfahrung liegt, welche mit der notwendigen Annahme einer vorbegrifflichen Gegenständlichkeit (Realität) des transzendentalen Objektes kollidiert. Eine Antwort auf diese Schwierigkeit kann jedoch erst in Anschluss an die Diskussion des Dinges an sich geleistet werden, welches den extramentalen Bezugspunkt der reflektierten Wirklichkeit des Erscheinungsgegenstandes darstellt, cf. Kapitel ... Dies wird im folgenden Hauptgliederungsabschnitt ., welcher die Möglichkeit der Affektion beleuchtet, noch ausgiebig zu diskutieren sein. Prauss (), S. , nimmt eine Konfusion im Begriff des „Dinges an sich“ an. Kant gebrauche diesen einerseits als adverbiale Bestimmung, „Dinge, – an sich selbst betrachtet“, an-
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
der absteigenden Reihe lässt sich hier ein direkter Übergang von der letzten Bestimmung der Modalität nach zur ersten Bestimmung der aufsteigenden Reihe feststellen. Reflektierte sich das Denken in der absteigenden Bestimmung aus seinem Bestimmen im letzten Schritt aus dem Verhältnis der Vorstellung als Prädikat in Bezug auf die Einheit der Vorstellungen im Subjekt, so wird in der aufsteigenden Reihenfolge dieses Verhältnis vom Prädikat zum Subjekt nun ausgehend von der Faktizität des Gegebenseins einer Vorstellung aus reflektiert. Der Übergang von der ab- zur aufsteigenden Reihenfolge erweist sich demzufolge als bruchlos. Das Resultat der ersten Bestimmungshandlung führt notwendig zu einer weiteren, indem das Ergebnis der ersteren, i. e. die modale Bestimmtheit der Affektion als Wirkung eines vom Subjekt unabhängigen Realen, nun für das Subjekt als Inhalt seiner Vorstellung gedacht wird. Die hier notwendig anzuwendende Bestimmungshandlung ist die Verhältnissetzung des Subjektes zu seinen Vorstellungen (S$P&, i. e. die Bestimmung des Vorstellungsinhaltes gemäß der Quantität. Im Falle der apperzeptiven Struktur des Subjektes ergab sich hierbei notwendig die numerische Identität des Vorstellungssubjektes bei all seinen Denkakten. Im Falle des objektiven Denkens eines empirisch Gegebenen ist das Resultat jedoch nicht die Einheit des Subjektes, sondern die Vielheit der für das Subjekt präsenten Empfindungen als nicht durch das Subjekt selbst gesetzten Vorstellungen.⁷² Vom Objekt her bestimmt ist das, was für das Subjekt als Ergebnis der Affektion vorliegt, nämlich die Empfindung, als unverbundene Vielheit von Affektionsmomenten gegeben. Die gegebene Vielheit ist als Bestimmbarkeit das Objekt einer weiteren, notwendigen Bestimmungshandlung, nämlich die Setzung der Vielheit in Bezug auf den subjektiven Einheitsgrund der Vorstellungen (S ) P&. Diese Handlung, welche die Vorstellung mit dem Subjekt der Vorstellungen in Übereinstimmung denkt, ist
dererseits in adnominaler Bedeutung, Dinge-an-sich. Dadurch vermenge er den „transzendentalphilosophische[n] Sinn“ mit „transzendent-metaphysische[m]“ Unsinn. Mit Blick auf die notwendige Vorstellung der Unabhängigkeit des Affektionsgrundes kann Prauss’ Vorschlag nicht überzeugen, den Begriff des „Dinges an sich“ in toto von seiner Adnominalität zu exkulpieren. Die Frage nach der Möglichkeit der Affektion aus einem transzendenten Grund lässt sich nicht mit dem Verweis auf eine bloße Verwechselung der Reflexionsstufen (op. cit., S. ) erklären, sofern in der Frage nach der Möglichkeit der Affektion gerade auf die unbekannte und von uns unabhängige ratio essendi der Reflexionsmöglichkeit unserer Empfindungen reflektiert wird. Prauss behielte dann jedoch Recht, das Affektionsproblem als ein Scheinproblem abzuweisen, wenn nicht gezeigt werden kann, dass das „bekannte und letztlich unlösbare systematische Problem […] wie es überhaupt sinnvoll möglich sein soll, über etwas Transzendent-Metaphysisches Kausalbehauptungen zu machen“ (op. cit., S. ) tatsächlich doch lösbar ist. Cf. Baumanns (), S. .
3.1 Aufstieg zur Erfahrung
247
die Qualität. Die qualitative Bestimmung der Empfindungsvielheit hat die qualitative Einheit des Wahrnehmungsgegenstandes zum Ergebnis und zwar so, dass dieser vom Subjekt zum Gegen-stand, d. h. als Gegenübersetzung⁷³ in Form der Negation der Ichheit des Wahrgenommenen notwendig vorgestellt wird.⁷⁴ Mit dem Ergebnis der dritten, nämlich qualitativen Bestimmung des objektiven Denkens ist notwendig die vierte und letzte Bestimmungshandlung gegeben. Das, was zur Einheit des (einzelnen) Wahrnehmungsgegenstandes gedacht wird, muss nun zur Vorstellung der Einheit der Wahrnehmung insgesamt gebracht werden, d. h. die einzelnen Wahrnehmungen müssen in ihrer Relation zueinander bestimmt werden. Diese Einheit kann nun aufgrund der Vielheit der Wahrnehmungsgegenstände keine absolute, im Sinne der kategorischen Einheit des Subjektes sein, sondern nur eine hypothetische, i. e. die kategoriale Einheit des hypothetischen Erfahrungsurteils; in Bezug auf die Zeit also die Reihung gemäß dem Gesetz der Kausalität. Das Ergebnis dieser Analyse lässt sich nun folgendermaßen zusammenfassen: Erkenntnisstufe
Handlung
Kategoriale Funktion
() Affektion
Modalität
() Empfindung
Quantität
() Wahrnehmung
Qualität
() Erfahrung
Relation
Wirklichkeit / Assertorisches Urteil Vielheit / Besonderes Urteil Negation / Verneinendes Urteil Kausalität / Hypothetisches Urteil
In der Übersicht über die vier Stufen zur Erfahrung und ihrer kategorialen, respektive idealfunktionalen Bedeutung werden zwei Dinge deutlich: Erstens ist das gegenständliche Vorstellen durch die jeweils zweiten Momente der Funktionstafeln bestimmt. Mit Bezug auf die eindeutige Prinzipienstruktur der Tafeln und das Trichotomiegesetz der Kontraposition des zweiten Momentes kann dies nicht überraschen. Zweitens ist die Reihenfolge der Funktionen in der gedanklichen Bestimmung des Objekts revers zu der des Subjektes. Beides ergibt sich notwendig daraus, dass die transzendentale Struktur gegenständlichen Vorstellens und Denkens die Struktur der Apperzeption spiegelt, welche durch die Tafel der Ele-
Cf. KrV, A ; S. . López-Fernández (), S. , spricht vom „Dawider-sein“ als „wesentliches Merkmal des Gegenstandes“. Dass dieser jedoch in der „Zeit als Solcher“ (op. cit., S. ) besteht, wie LópezFernández meint, ist aus kantischer Perspektive völlig unhaltbar.
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
mentarfunktionen wiedergegeben wird. Die Bestimmung des Objekts ist auf diese Weise indirekt an die des Subjekts gekoppelt, insofern die transzendentallogische Bestimmung des Gegenstandscharakters der Vorstellungen in der Erfahrung seinen Ursprung in der Bestimmung des Subjekts findet, sofern eben „die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrungen überhaupt [] zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung [sind, M. B.]“.⁷⁵ Die Spiegelbildlichkeit der ersten und zweiten Reihe resultiert damit aus der entgegengesetzten Verknüpfungsart des Bewusstseins, welches sich als durch den Gegenstand bestimmt denkt und damit als bestimmbares reflektiert. Kant selbst weist in einer Notiz auf diesen für den Vollständigkeitsbeweis zentralen Zusammenhang des trichotomischen Grundsatzes der Genesis der Kategorien mit den verschiedenen Reflexions- und Verknüpfungstypen des Bewusstseins expressis verbis hin. Es sind darum [nur] drey logische Functionen [von] unter einem gewissen Titel, mithin auch drey Categorien: Weil [die] zwey derselben die Einheit [des Bewustseyns [der] zweyer oppositorum] des Bewustseyns an zween oppositis zeigen, die dritte aber beyderseits Bewustseyn wiederum verbindet. Mehr arten der Einheit des Bewustseyns lassen sich nicht denken. Denn es sey a ein Bewustseyn, welches ein mannigfaltiges Verknüpft, b ein anderes, welches [dasse] auf entgegengesetzte Art verknüpft: so ist c die Verknüpfung von a und b.⁷⁶
Nach Kant ist also zu erwarten, dass das Bewusstsein c, welches sich in der dritten Reihe findet, als Bewusstsein der Verbindung der Reflexionsreihen von a und b sowohl die Merkmale der a- als auch der b-Reihung aufweist. Dass dem so ist und welche Bedeutung dies hat, wird noch zu diskutieren sein (cf. Kap. 3.3.1). Bisher wurde gezeigt, dass die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung aus der Apperzeption selbst als oberstem Grund ableitbar sind. Da dies nun gelungen ist und damit die kantische Epistemologie von der Seite des Subjekts auch in Bezug auf die erkenntnisfunktionale Bestimmung des Erfahrungsgegenstandes abgesichert ist, gilt es nun dies auch von der Seite des transzendentalen Objekts als dem unverfügbaren Grund der Erfahrung zu leisten. Dies betrifft zuallererst das Problem, das ebenso alt und zentral ist wie das der Vollständigkeit der Urteilstafel, nämlich das der Möglichkeit einer Affektion durch das Ding an sich. Zuvor soll jedoch eine in der Kantforschung kontrovers diskutierte Schwierigkeit aufgegriffen werden, i. e. das Problem der Präsenz der Kategorien in der Wahrnehmung. Dieses erweist sich nach dem bisher diskutierten, zumindest auf der Ebene des transzendentalen Konstitutionsrahmens des empirischen Denkens,
KrV, A | B ; S. . AA XVIII, S. , Refl. .
3.1 Aufstieg zur Erfahrung
249
nicht als Sach-, sondern als Scheinproblem. So ist allein der Grund des Wahrnehmungsinhalts, i. e. der Grund der Empfindung, vom Subjekt unabhängig zu denken; die Reflexion der Wahrnehmung, respektive das Vorstellen des Gegenstandsbezuges in der Wahrnehmung dagegen setzt die kategoriale Struktur des Denkens immer schon voraus.⁷⁷ Eine wirkliche Schwierigkeit ergibt sich jedoch aus der Beziehung von Einheit und Synthesis, welche für die Bestimmung des Gegenstandes einschlägig wird. Wie in den vorherigen Kapiteln diskutiert wurde, vollzieht sich die Synthesis als Funktion der Einbildungskraft immer nur gemäß den Einheitsfunktionen des Verstandes. Die Synthesis dependiert daher an der Einheit, nicht umgekehrt. Da Kant keine „intuitive Spontaneität“ kennt, wie Rohs sie fordert,⁷⁸ bleibt die Schwierigkeit offen, wie Empfindung synthetisiert werden kann, ohne dass der Verstand die Synthesis anleitet. Kant selbst hat die Lösung dieses Problems bedauerlicherweise nicht zur vollen Deutlichkeit entwickelt. So scheint es der Fall zu sein, dass auf der Ebene der Wahrnehmung bloße Funktionen der Einbildungskraft, also Schemata ohne Begriffe, tätig sind. Da Kant jedoch den Gebrauch der Schemata immediate an den der Kategorien bindet, scheint das Konzept eines Schemas ohne Begriff, den er bis auf einen einzigen Hinweis in der Kritik der reinen Vernunft ⁷⁹ allein in der Kritik der ästhetischen Urteilskraft ⁸⁰ verwendet, problematisch. Dessen ungeachtet scheinen zwei Hinweise hinreichend für die Lösung des Problems: Erstens bilden die drei verschiedenen Typen von Funktionen nur Aspekte der einen Verstandestruktur.⁸¹ Urteilsfunktionen, Schemata und Kategorien sind daher nur hinsichtlich ihres verschiedenen Gebrauchs, nicht jedoch hinsichtlich ihres gemeinsamen Ur-
Young (), S. , schlägt dagegen vor, „that the representation of things as objects, i. e. as objects of scientific knowledge, is what presupposes the employment of the categories.“ Damit liegt er nicht falsch, jedoch muss die Wahrnehmung eines Gegenstandes einen gegenständlichen Charakter besitzen, noch bevor er zum wissenschaftlichen Gegenstand, d. h. zum Gegenstand in der Erfahrung werden kann. Da der kategoriale Verstand für die Objektifikation der Empfindung verantwortlich ist, muss jedoch die Kategorie bereits auf der Ebene der Wahrnehmung in gewisser Hinsicht eine Rolle spielen, nämlich als bloß figurale Funktion der Einbildungskraft. Cf. Rohs (), S. f., . Zu Rohs cf. Wenzel (), S. , und Prien (), S. ff. Rohs nimmt einen unmittelbaren Gegenstandsbezug der Anschauung an, ohne den es für Begriffe weder einen mittel- noch unmittelbaren Gegenstandsbezug geben würde (Rohs (), S. ). Es ist zwar richtig, dass die Anschauung unmittelbar auf einen Gegenstand referiert, jedoch ist für Kant die Frage des Gegenstandsbezuges der Anschauung nur vor dem Hintergrund des Verstandes als Bedingung der Möglichkeit von Gegenständlichkeit überhaupt beantwortbar. Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KdU § , B ; AA V, ; S. . Cf. Kap. ...
250
Kapitel III. Transzendentale Objektivität
sprunges zu unterscheiden, so dass der Gebrauch des bloßen Schemas als Realfunktion der Einbildungskraft in Bezug auf die empirische Apprehension unproblematisch ist. Der zweite Punkt betrifft die Beziehung von Synthesis und Einheit. Wie im zweiten Kapitel in Bezug auf die Apperzeption gezeigt wurde, bildet die Einheit die Regel, gemäß der sich die Synthesis vollzieht. Diese Beziehung, welche die Einheit als logisches Prius der Synthesis fordert, wird nur scheinbar in Bezug auf die Wahrnehmung revoziert, sofern es sich um dieselbe logische Bestimmungsreihe handelt. Das Denken reflektiert hier nur die Beziehung seiner Vorstellungen in Bezug zum Objekt derselben „von unten“. Allein durch diesen Perspektivenwechsel kehrt sich das Verhältnis von Synthesis und Einheit um, so dass die Synthesis nun so erscheint, als ob sie erst durch den Verstand nachträglich zur Einheit gebracht werden müsste. Da der Verstand seine Funktionen jedoch aus seiner logischen Selbstbestimmung gewinnt, dependiert das Verhältnis des Denkens zur Vorstellungsmannigfaltigkeit vom ursprünglichen apperzeptiven Selbstverhältnis. An dieser Stelle sollte nicht das Missverständnis entstehen, als böten sich in Bezug auf die Frage der Kategorienpräsenz im Wahrnehmungsurteil zwei verschiedene Lösungsstrategien an. Dies wäre auch angesichts der zweiten Erklärung, dass es sich nur um eine scheinbare Umkehr des Einheit-Synthesis-Verhältnisses handelt, durchaus merkwürdig, insofern sich mit dieser Feststellung das Problem und damit die Notwendigkeit seiner Lösung selbst destruiert hätte. In der Tat handelt es sich nur zum zwei Stufen derselben Bestimmungsstruktur, in der die eine grundlegend für die andere ist. Die grundlegende Stufe bildet die bestimmungslogische Trias der Reflexivität. Das Denken ist in der Apperzeption sich selbst Bestimmendes, Bestimmtes und Bestimmung: Erstens in Bezug auf die Reflexion seiner (Selbst‐)bestimmung, zweitens in Bezug auf die Reflexion seines Bestimmtseins, für welche Kant die Notwendigkeit eines Anderen zum Grund des Bestimmtseins annimmt, und drittens in Bezug auf die Reflexion des sich zur Bestimmtheit bestimmten Denkens. Das Denken selbst ist also die sich als bestimmbar setzende bestimmend denkende Bestimmtheit. Diese elementare Struktur des Denkens setzt sich in Bezug auf seine Funktionen fort,von den Kategorien über deren Substruktur bis hin zu den drei Aspekten jeder Funktion.⁸² In der Substruktur der transzendentalen Grundbegriffe nimmt das reine Zeitschema, die bloße Realfunktion, die Stelle der Bestimmbarkeit ein, insofern sich der Verstand als Einbildungskraft durch die Funktionen als bestimmbar denken muss; er ist in
Cf. Kap. ...
3.2 Das Problem der Affektion durch das Ding an sich
251
Bezug auf die Sinnlichkeit in diesem Falle Realisat.⁸³ Es zeigt sich also, dass sich das Denken in der Anwendung des bloßen Zeitschemas innerhalb des Wahrnehmungsurteils in Bezug auf das von ihm Gedachte notwendig durch die Realfunktion als Bestimmbares zu denken hat. Das Wahrnehmungsurteil ist daher eine noch nicht zur notwendigen Einheit gebrachte Bestimmbarkeit, obgleich ihr ein Moment des Bestimmtseins durch die Einbildungskraft zukommt. Da die Einbildungskraft nun dasjenige Vermögen des Verstandes darstellt, durch das sich der Verstand als Gegenstand seiner Selbstbestimmung vorstellt, kommt dem Wahrnehmungsurteil die merkwürdige Zwischenstellung zu, indem es sich einmal aus der Perspektive des Verstandes als das noch zu Bestimmende darstellt, zum anderen von der bloßen Sinnlichkeit aus gesehen als dasjenige, welches durch den Verstand als schon bestimmt gedacht werden muss.
3.2 Das Problem der Affektion durch das Ding an sich Das Affektionsproblem ist durch die zwei Grundstämme der Erkenntnis systemisch bedingt. Damit Kant zufolge Erkenntnis als Erfahrung möglich sein kann, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Erstens muss das Gemüt in seinem rezeptiven Vermögen affiziert werden. Das Produkt der Affektion ist die Anschauung. Diese [die Anschauung, M. B.] findet aber nur statt, sofern uns der Gegenstand gegeben wird; dieses ist wiederum, uns Menschen wenigstens, nur dadurch möglich, daß er das Gemüt auf gewisse Weise affiziere.⁸⁴
Nun reicht die Anschauung als Material allein nicht aus. Der Verstand muss zweitens als Form hinzukommen, um das Erkenntnismaterial gemäß seinen Gesetzen zu ordnen. Nur durch das Zusammenkommen von rezeptiver Sinnlichkeit und spontaner Verstandestätigkeit ist Erkenntnis als Erfahrung möglich. Diesen Zusammenhang drückt Kant in seinem berühmten Diktum „Anschauungen ohne Begriffe sind blind, Begriffe ohne Anschauungen sind leer“⁸⁵ aus. Das schwerwiegende Problem besteht jedoch darin, dass Kant nicht zeigt, wie Affektion überhaupt möglich sein kann. Affektion kann nur als Wirkung einer Ursache
„Also sind die Kategorien, ohne Schemate, nur Funktionen des Verstandes zu Begriffen, stellen aber keinen Gegenstand vor. Diese Bedeutung kommt ihnen von der Sinnlichkeit, die den Verstand realisiert, indem sie ihn zugleich restringiert.“ KrV, A | B ; S. . KrV, A | B , S. . KrV, A | B , S. .
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
gedacht werden. Da Kausalität und Dependenz als Kategorien des Denkens ihren Grund im Verstand haben, sind sie auf den Bereich möglicher Gegenstände der Erfahrung restringiert. Die Ursache der Affektion jedoch liegt außerhalb jeder möglichen Erfahrung, da sie im Ding an sich besteht. Auf das Ding an sich finden jedoch die Begriffe des Verstandes keinerlei Anwendung, so dass die Affektion anscheinend nicht als verursacht gedacht werden kann. Dies hätte allerdings zur Konsequenz, dass Kants Grundannahme von den zwei Stämmen der Erkenntnis unhaltbar wäre, da die Affektion damit nicht in kausaler Beziehung zu einem Ding an sich gedacht werden könnte.⁸⁶ Diese mit dem Begriff der Affektion verbundene Schwierigkeit ist bereits in Kants Bestimmung des Dinges an sich als transzendentalem Objekt angelegt. Gemäß der von ihm selbst vorgenommenen terminologischen Differenzierung von „transzendental“ und „transzendent“ ist das Ding an sich als Objekt jedoch nicht transzendental, sondern allenfalls, sofern es überhaupt als „Objekt“ gedacht werden kann, transzendent zu nennen. Daher sind transzendental und transzendent nicht einerlei. Die Grundsätze des reinen Verstandes, die wir oben vortrugen, sollen bloß von empirischem und nicht von transzendentalem, d.i. über die Erfahrungsgrenze hinausreichendem Gebrauche sein. Ein Grundsatz aber, der diese Schranken wegnimmt, ja gar sie zu überschreiten gebietet, heißt transzendent.⁸⁷
In der Rede von einem Gegenstand, welcher außerhalb der Sphäre des Erfahrbaren liegt, gleichzeitig aber den Grund desselben bilden soll, scheint Kant selbst einem Grundsatz zu folgen, welcher ihm gebietet, die Schranken, die durch die Restriktion des Verstandesgebrauchs auf das Empirische gesetzt sind, zu überschreiten. Allein, das schlechthin, dem reinen Verstande nach, Innerliche der Materie ist auch eine bloße Grille; denn diese ist überall kein Gegenstand für den reinen Verstand, das transzendentale Objekt [Hervorhebung, M. B.] aber, welches der Grund dieser Erscheinung sein mag, die wir Materie nennen, ist ein bloßes Etwas, wovon wir nicht einmal verstehen würden, was es sei, wenn es uns auch jemand sagen könnte.⁸⁸ Nehmen wir aber dieses Empirische überhaupt, und fragen, ohne uns an die Einstimmung desselben mit jedem Menschensinne zu kehren, ob auch dieses einen Gegenstand an sich selbst (nicht die Regentropfen, denn die sind denn schon, als Erscheinungen, empirische Objekte) vorstelle, so ist die Frage von der Beziehung der Vorstellung auf den Gegenstand
Die Affektion kann aus demselben Grund auch nicht ein bloßer Schein sein, welcher aus der Objektivierung des Mannigfaltigen resultiert, wie Zwermann (), S. , meint. KrV, A | B f.; S. . KrV, A | B ; S. .
3.2 Das Problem der Affektion durch das Ding an sich
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transzendental, und nicht allein diese Tropfen sind bloße Erscheinungen, sondern selbst ihre runde Gestalt, ja so gar der Raum, in welchem sie fallen, sind nichts an sich selbst, sondern bloße Modifikationen, oder Grundlagen unserer sinnlichen Anschauung, das transzendentale Objekt [Hervorhebung, M. B.] aber bleibt uns unbekannt.⁸⁹
Dass Kant überhaupt vom transzendentalen Objekt sprechen kann, obgleich der eigentliche Grund der Affektion unerkennbar ist, liegt an der erkenntnisermöglichenden Relation, welche das transzendente Objekt als Korrespondat in Bezug auf das Subjekt hat. Indessen können wir die bloß intelligibele Ursache, der Erscheinungen überhaupt, das transzendentale Objekt nennen, bloß, damit wir etwas haben, was der Sinnlichkeit als einer Rezeptivität korrespondiert.⁹⁰
Die in der Einleitung als Kernproblem der Transzendentalphilosophie formulierte Frage nach der Möglichkeit der Transzendentalität des Transzendenten⁹¹ zeigt sich im Affektionsproblem am klarsten. Die Frage nach der Möglichkeit der Affektion lässt sich daher auch so stellen: Wie kann das transzendente Objekt transzendental sein?
3.2.1 Das Tetralemma des affizierenden Gegenstandes Dieses Problem hat schon die früheste Kant-Interpretation (Jacobi, Fichte, Beck) herausgefordert. Vaihinger⁹² fasst die verschiedenen Lösungsansätze seiner Zeit im sogenannten Trilemma des affizierenden Gegenstandes zusammen. Das erste Lemma besteht in der transzendenten Affektion des Ichs durch das Ding an sich.⁹³ Dies provoziert die beschriebene Schwierigkeit, dass von den Kategorien ein hy-
KrV, A f. | B ; S. f. KrV, A | B ; S. f. Cf. Einleitung. Cf. Vaihinger (), II, S. ff. Chiba (), S. f., vertritt auf Basis der Zwei-Welten-Interpretation ebenfalls die Lehre einer „transzendenten Affektion“. Zwar ist ihm darin zu folgen, dass Kant die Existenz der Dinge an sich, respektive die Affektion durch dieselben unzweifelhaft annimmt, wohingegen für Kant die Frage nach deren Beschaffenheit die Möglichkeiten des Erkenntnisapparates transzendiert; auch erkennt Chiba richtig (op. cit., S. ), dass die Besonderheit der Modalkategorien die Anwendung der Assertion auf die Dinge an sich in der Vorstellung qua ad nos legitimiert, dies reicht jedoch nicht aus, dem Begriff der transzendentalen Affektion gemäß dem minimalen Sinnkriteriums – ein Begriff muss sich immer auf eine mögliche Anschauung beziehen – eine positive Bedeutung beizumessen und diesen dadurch zu legitimieren.
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
perphysischer Gebrauch gemacht werden müsste, was Kants Einschränkung des transzendentalen Idealismus überschritte. Diesen Zusammenhang bemerken bereits Jacobi⁹⁴ und Schopenhauer.⁹⁵ Im zweiten Lemma wird nur eine Affektion durch den Gegenstand in der Erscheinung angenommen. Diese von Beck und Fichte präferierte Option trifft jedoch nicht den kantischen Gedanken, dass dem Ding an sich selbst eine erkenntniswirksame Rolle in der Rezeptivität zukommen müsse;⁹⁶ wie beispielsweise Wartenberg annimmt: Beziehung der Erscheinung auf einen Gegenstand, bedeutet nicht die Beziehung derselben auf ein Seiendes ausserhalb des Bewusstseins, um vermittelst der Erscheinung die selbsteigene Natur dieses Seienden zu erschließen; vielmehr bedeutet diese Beziehung nichts anderes, als die Objektivation der Erscheinung vermöge der notwendigen und allgemeingültigen Verknüpfung ihrer Elemente aufgrund einer apriorischen Regel des Denkens, des reinen Verstandesbegriffs.⁹⁷
Der Lösungsvorschlag von Adickes und Vaihinger, die sogenannte doppelte Affektion⁹⁸, wobei Vaihinger diesen eher als Eingeständnis des Scheiterns versteht,
„Ich muß gestehen, daß dieser Anstand mich bey dem Studio der Kantischen Philosophie nicht wenig aufgehalten hat, so daß ich verschiedene Jahre hintereinander die Critik der reinen Vernunft immer wieder von vorne anfangen mußte, weil ich unaufhörlich darüber irre wurde, daß ich ohne jene Voraussetzung in das System nicht hineinkommen, und mit jener Voraussetzung darin nicht bleiben konnte.“ Cf. Jacobi (), S. f. Zur Kritik Schopenhauers an Kant cf. Wartenberg (), S. ff. Ähnlich auch bei Zöller (), S. f.: „Nun kann man zwar nach Kants prinzipieller Einschätzung der Möglichkeit von Gegenstandsbeziehungen durchaus verstehen, daß der Gegenstand in der Empfindung nur in Gestalt seiner Kausalwirkung auf die Affizierbarkeit (Sinnlichkeit) des Subjektes gegeben ist, nicht aber als Gegenstand unabhängig von sinnlicher Vorstellung. Daß aber die Bezugnahme auf den Gegenstand im Modus des Denkens durch den allerdings notwendigen Ansatz bei Erscheinungen auch noch auf Erscheinungen als Gegenstände der intellektuellen Gegenstandsbeziehung eingeschränkt sein soll, ist weniger einsichtig und zumindest nicht mit demselben Argument begründbar, das für die Phänomenalität der Gegenstände sinnlicher Vorstellungen gilt. Die im Denken erzielte Gegenstandsbeziehung soll ja gerade den vorliegenden Erscheinungen ein von diesen selbst unterschiedenes Objekt bestimmen [vgl. etwa A ]. Warum sollte dieser im Ausgang von Erscheinungen bestimmte Gegenstand selber bloß Erscheinung sein?“ Wartenberg (), S. f. Für Wartenberg ist daher auch der transzendentale Gegenstand nur insofern als transzendental zu bezeichnen, „weil er im transscendentalen Akt des Bewusstseins denkend erzeugt worden ist, um die Erscheinung in einen „empirischen“ Gegenstand, in einen Gegenstand der Erfahrung, umzuwandeln.“ Wartenberg (1900), S. 216. Es fragt sich natürlich, wie der transzendentale Gegenstand als bloßes Denkprodukt gleichzeitig Ursache des empirischen Denkens sein kann. Adickes () und Vaihinger (), Band , S. .
3.2 Das Problem der Affektion durch das Ding an sich
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nimmt eine Affektion durch das Ding an sich selbst und das Ding als Erscheinung an. Zwei Kritikpunkte sind auch gegen das dritte Lemma anzuführen. Zum einen findet sich nirgends in der Kritik der reinen Vernunft die Lehre einer doppelten Affektion, wie Baumanns richtig bemerkt.⁹⁹ Zum andern löst diese Interpretation nur eine Teilschwierigkeit, welche die eigentliche Problematik bloß aufschiebt, da die angenommene Teilaffektion des Ichs als transzendentales Subjekt durch das Ding an sich neben der Affektion des empirischen Ichs durch den Erfahrungsgegenstand immer noch gänzlich unbegreiflich bleibt.¹⁰⁰ Der aktuelle Lösungsansatz Baumanns’, welcher das Tri- zu einem Tetralemma erweitert, basiert auf einer gleichursprünglichen Fremd- und Selbstaffektion. Die Fremdaffektion gründet sich nach Baumanns in einer primordialen Empfindungskausalität, die vor der verstandesbegrifflichen Kausalität liegt.¹⁰¹ Baumanns’ Version des kantischen Verständnisses vom Erkenntnisprozess ist zwar sachlich korrekt, sein Begriff der Empfindungskausalität stellt jedoch eine bloß thetische Versicherung und keine beschreibende Auflösung des eigentlichen Problems dar. Dass alle vier Positionen des Tetralemmas insuffizient sind, das Problem der transzendentalen Affektion zu lösen, kann anhand der Überprüfung, ob die Lösungsansätze folgende Prämissen erfüllen, gezeigt werden: 1.
2.
3.
Die Lösung der Affektionsproblematik im Sinne der kantischen Transzendentalphilosophie kann keine sein, welche die zwei Stämme der Erkenntnis in einem zusammenlaufen lässt. Sie muss also die Rolle des Dinges an sich ebenso berücksichtigen wie die des transzendentalen Subjektes. Die Lösung muss diskursiv, d. h. begrifflich begründet sein. Sie kann daher keine Zuflucht zu einer besonderen (intellektuellen) Anschauung oder zu einem leeren Begriff nehmen. Wenn ein Begriff der Affektion gegeben werden soll, hat dieser dem Minimalkriterium zu genügen, dass er auf eine zumindest mögliche Anschauung bezogen können werden muss. Die Lösung muss sich in der Kritik der reinen Vernunft als ihrem systematischen Ort selbst wiederfinden.
Keiner der bisher vorgeschlagenen Ansätze erfüllt alle Bedingungen gleichzeitig: Im Falle des ersten Lemmas ist zwar Bedingung (1), jedoch nicht (2) und (3) erfüllt. Die Affektionskausalität wird zwar mit dem Verweis auf das Ding an sich im Sinne Kants richtig gedacht, allerdings wird dieser Zusammenhang nicht aufge-
Cf. Baumanns (), S. . Zur Kritik an der Lehre der doppelten Affektion cf. Prauss (), S. ff. Cf. Baumanns (), ff.,.
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
klärt im Sinne der zweiten Bedingung. Die dritte Bedingung kann daher evidenter Weise auch nicht erfüllt sein. Im Falle des zweiten Lemmas ist zwar Bedingung (2), jedoch weder (1) noch (3) realisiert. Es kann zwar begründet werden,wie eine Affektion möglich ist, nämlich durch Gegenstände als Erfahrung, allerdings wird die von Kant betonte Unabhängigkeit¹⁰² des Erfahrungsmaterials als Affektion innerhalb des rezeptiven Vermögens ignoriert.¹⁰³ Damit ist der ersten Bedingung nicht entsprochen und somit auch nicht der dritten. Im Falle des dritten Lemmas, der Theorie der doppelten Affektion, ist die Bedingung (1) erfüllt und (2) teilerfüllt. Nicht erfüllt hingegen ist die Prämisse (3). Adickes’ und Vaihingers Interpretation liefert zwar eine auf den ersten Blick elegante Lösung, jedoch scheitert sie zum einen an internen Schwierigkeiten, zum anderen fehlt ihr nach Bedingung (3) der textliche Rückhalt und damit die hermeneutische Legitimität. Im Falle des vierten Lemmas, der Interpretation Baumanns’, sind zwar die Prämissen (1) und (3) berücksichtigt, jedoch nicht (2). Baumanns klärt das Verhältnis von Affektion und Selbstaffektion im Zusammenhang ihrer Bedeutung für Kants Philosophie der Erkenntnis von den verschiedenen Standpunkten der Kritik der reinen Vernunft sachlich fundiert auf: Die Erkenntnis besteht im transzendentalen Verstande darin, daß wir das Ding an sich = X und seine Empfindungskausalität reflektieren und daß wir solchermaßen reflektierend zur Erscheinung des X und seiner Empfindungskausalität erfahrungskonstitutiv und erfahrungsorganisatorisch beitragen.¹⁰⁴
Dennoch bleibt die in der zweiten Bedingung geforderte Erklärung offen, wie über „das Ding an sich = X und seine Empfindungskausalität“ überhaupt reflektiert werden kann, wenn ihre kategoriale Schematisierung ausgeschlossen werden muss. Adickes Vorschlag¹⁰⁵, die unschematisierten Kategorien als Bestimmungen der Dinge an sich gelten zu lassen, kann mit Blick auf die Natur der Kategorie als diskursive Funktion nicht überzeugen. Da die Kategorie ohne Schema nur die logische Bestimmung von Gegenständlichkeit überhaupt bezeichnet und daher
Cf. KrV, A f. | B f., S. f. Wie Schöndorf (), S. , richtig schreibt „[würde] eine Affektion durch die Erscheinung einen circulus vitiosus darstellen []“. „Ohne das Ding an sich bleibt die Affektion und damit überhaupt die Rezeptivität der Anschauung unerklärlich.“ Baumanns (), S. . Cf. Adickes (), S. .
3.2 Das Problem der Affektion durch das Ding an sich
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letztlich identisch ist mit den logischen Funktionen zu urteilen, ist von den Kategorien ohne Schema überhaupt keine Erkenntnis eines Gegenstandes zu erwarten.¹⁰⁶ Um die Affektion durch das Ding an sich begreifen zu können, bedarf es daher nach wie vor eines sinnlichen Schemas, welches jedoch nicht subsumierend, sondern reflektierend sein muss. Diese Art der Schematisierung findet sich erst in der Kritik der Urteilskraft vollends entwickelt und zwar in Kants Theorie des transzendentalen Symbolschemas.
3.2.2 Affektion als freie Dependenz Das Problem der Affektionskausalität lässt sich im kantischen Sinne nur lösen, wenn gezeigt werden kann, wie die Kategorie der Kausalität auf die Affektion durch das Ding an sich angewandt werden kann.¹⁰⁷ Die Anwendung der Kausalkategorie mittels des transzendentalen Schemas ist dabei jedoch ausgeschlossen, da gerade das Schema die Anwendung der Kategorie sowohl erst ermöglicht als auch auf den Bereich der Gegenstände möglicher Erfahrung, d. h. auf solche, welche mittels der Anschauungsformen in der Anschauung durch die Einbildungskraft dargestellt werden können, restringiert. Es fällt aber doch auch in die Augen: daß, obgleich die Schemate der Sinnlichkeit die Kategorien allererst realisieren, sie doch selbige gleichwohl auch restringieren, d. i. auf Bedingungen einschränken, die außer dem Verstande liegen (nämlich in der Sinnlichkeit).¹⁰⁸
Auch führt der Gebrauch der unschematisierten Kategorie in der Bestimmung der Empfindungskausalität nicht weiter. Die Kategorien ohne ihre sinnlichen Anwendungsbedingungen stellen keine Begriffe mehr dar, durch die ein Gegenstand erkannt, d. h. in Ansehung der Kategorie bestimmt werden könnte. Ohne die Schemata sind die Kategorien nichts weiter als die logischen Funktionen mit denen über einen Gegenstand im Begriff zwar geurteilt, d. h. mit einer Anschauung durch eine beliebige Funktion in einem Urteil verbunden werden kann, der Gegenstand des Urteils jedoch bleibt für sich, also materialiter unbestimmt.
Ähnlich auch Sandberg (), S. . Tonelli (a) liefert eine ausführliche Darstellung der philosophischen Reflexion der Kausalbeziehungen vor Kant, ohne jedoch diese in Bezug zum Problem der Affektionskausalität zu setzen. Cum grano salis scheint dieses jedoch eine Transformation des älteren Problems der Differenz zwischen der erkennbaren Wirksamkeit der causae secundae und dem unerkennbaren Grund derselben in Gestalt der causae primae (op. cit., S. f.) zu sein. KrV, A | B f.; S. .
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
Daher bedürfen die Kategorien, noch über den reinen Verstandesbegriff, Bestimmungen ihrer Anwendung auf Sinnlichkeit überhaupt (Schema) und sind ohne diese keine Begriffe, wodurch ein Gegenstand erkannt, und von anderen unterschieden würde, […].¹⁰⁹
So macht es in einem kategorischen Urteil nichts aus zu sagen, alle Körper seien teilbar, oder einiges Teilbare ist ein Körper.¹¹⁰ Erst durch die Anwendung der Kategorie der Substanz, respektive Akzidenz kann über den Eigenschafts-, respektive Dingcharakter der Begriffe entschieden werden. Mit dem Symbol¹¹¹ als Metarealfunktion des Verstandes lässt sich jedoch das Problem der Affektionskausalität in den Griff bekommen. Entscheidend für die Lösung des Affektionsproblems ist die Freiheitskausalität. Dass Kants Begriff der Kausalität aus Freiheit den Schlüssel darstellen könnte, ist bereits vom frühen Neukritizismus bemerkt worden;¹¹² namentlich von Benno Erdmann¹¹³, Kuno Fischer¹¹⁴ und Friedrich Paulsen¹¹⁵. Die symbolische
KrV, A ; S. . Cf. KrV, B f., S. ; siehe auch Kap. ... Cf. KdU § , B ff.; AA V, ff.; S. ff. Die Listung von Erdmann, Fischer und Paulsen findet sich bei Thomsen (), S. . „Jeder Gegenstand der Sinne wird demnach einen doppelten Charakter haben, einen empirischen, durch den seine Handlungen als Erscheinungen mit anderen Erscheinungen als ihren empirischen Ursachen gesetzmässig verbunden sind, und einen intelligibelen, dadurch er die nichtsinnliche Ursache jener Handlungen ist. Der erste ist der Charakter des Gegenstandes in der Erscheinung, der zweite der Charakter des Dinges an sich []. Der letztere intelligibele Charakter ist zunächst, wie schon angedeutet, negativ dadurch bestimmt, dass er, weil nicht Erscheinung, auch nicht sinnlich sein, also auch nicht unter irgend welchen Zeitbedingungen stehen kann, durch die ein Entstehen oder Vergehen gesetzt wird []. Seine Causalität ist daher, weil durch sie nichts geschieht, also keine Veränderung stattfindet, von aller Naturnothwendigkeit unabhängig, da diese nur in der Sinnenwelt angetroffen wird; sie ist also frei []. Denn man würde von diesem Vermögen ganz richtig sagen, dass es seine Wirkungen in der Sinnenwelt von selbst anfange [], ohne dass die Handlung in ihm selbst anfängt []. Freiheit im kosmologischen Verstande aber ist das Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen []. Die Freiheit ist daher die nichtsinnliche aber gesetzmässige Causalität der Dinge an sich.“ Erdmann (), S. . „Nun sind die Dinge an sich zeitlos und ursächlich: daher ist ihre Causalität die unbedingte oder intelligible, die nach der Lehre unseres Philosophen in der Freiheit oder in dem reinen Willen besteht, der das moralische Weltprincip ausmacht.“ Fischer (), S. . „Aber andererseits wendet er nun beständig die Kategorien auf die Dinge an sich an; er legt ihnen Realität, Kausalität,Vielheit bei, sie affizieren das Subjekt und andererseits wird das Ich als Ding an sich affiziert. Die Dinge an sich bilden demnach eine Welt unsinnlicher Dinge, die den Sinnendingen durchaus korrespondieren, wie diese in gesetzmässigen Beziehungen stehen u. s.w. Hier scheint also ein förmlicher Widerspruch vorzuliegen; er ist seit den Tagen der Jakobi, Fichte, Aenesidemus-Schulze Kant immer wieder vorgehalten worden: ohne die Dinge an sich, ohne ihre Wirklichkeit und Wirksamkeit, könne man nicht in das System hinein, mit ihnen könne man nicht darin bleiben. […] Und dasselbe [i. e. das Zukommen einer transzendenten, übersinnlichen Be-
3.2 Das Problem der Affektion durch das Ding an sich
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Anwendung der Kausalkategorie ist aus der Darstellung der Freiheitskausalität bekannt. Die Kausalität aus Freiheit lässt sich im Modus der Analogie als kausaler Zusammenhang begreifen, indem das Verhältnis von Ursache und Wirkung als das einer gesetzmäßigen Sukzession zum Typus genommen wird, welche das Verhältnis von Wille und Handlung abbildet. Folglich hat das Sittengesetz kein anderes, die Anwendung desselben auf Gegenstände der Natur vermittelndes Erkenntnisvermögen, als den Verstand (nicht die Einbildungskraft), welcher einer Idee der Vernunft nicht ein Schema der Sinnlichkeit, sondern ein Gesetz, aber doch ein solches, das an Gegenständen der Sinne in concreto dargestellt werden kann, mithin ein Naturgesetz, aber nur seiner Form nach, als Gesetz zum Behuf der Urteilskraft unterlegen kann, und dieses können wir daher den Typus des Sittengesetzes nennen.¹¹⁶
Das hier verwendete Symbolschema verstattet den Gebrauch des Kausalschemas auf den Begriff der Freiheitskausalität, indem das Symbol die zeitliche Bedeutung der Kategorie auf die unbekannte Relation anwendet, welche als Regel zum Gebrauch des Begriffs der Freiheitskausalität dient. Als Ergebnis der symbolischen Hypotypose der Freiheit lässt sich die normative Bestimmung des Willens als Grund einer notwendigen Folge darstellen. Die Symbole der Freiheit dienen dabei der Darstellung des autonomen Willens als Ursache. Die Problemlage der Affektionskausalität liegt jedoch anders.¹¹⁷ In der Frage der Möglichkeit der Affektion geht es nur vordergründig darum, wie das Ding an sich Ursache der Empfindung
deutung, M. B.] gilt von der Kausalität; auch diesen Begriff brauche ich in doppeltem Sinne, wie ja denn dem Leser der Dialektik und der Kr. d. pr. V. genugsam bekannt ist: Kausalität nach Naturgesetzen und Kausalität nach Freiheitsbegriffen. Im ersteren Sinne, dem der Kategorie, bedeutet Ursachsein gar nichts als einer Erscheinung regelmässig in der Zeit vorhergehen. Das kann natürlich nur von Dingen, die selbst in der Zeit sind, also von Erscheinungen, ausgesagt werden; z. B. auch von den Körpern, die unsere Sinne rühren; der äussere Reiz und die physiologische Erregung, und wieder diese und die Empfindung stehen in dem Verhältnis von Ursache und Wirkung im empirischen Sinn. Dagegen zwischen Dingen an sich findet natürlich nicht ein empirisches Kausalverhältnis statt, sondern eine transscendente Beziehung, die nicht anschaulich vorgestellt, sondern nur durch reines Denken erfasst werden kann: ein Verhältnis innerer Bedingtheit, wie zwischen Grund und Folge im logischen Denken.Wie ich mir die Sache zurechtlege, habe ich hinlänglich angedeutet: zwischen den Dingen an sich, den Gliedern des mundus intelligibilis, der seine Einheit in Gott dem ens realissimum hat, findet ein Verhältnis innerer Korrespondenz, eine logisch-teleologische Beziehung aufeinander zur Einheit des absoluten Zwecks statt.“ Paulsen (), S. f. Das Problem der Korrelation zwischen den beiden Sphären – die mundi sensibilis atque intelligibilis –, auf welches Paulsen hinweist, wird Gegenstand von Kap. .. sein. KpV, AA IV, ; S. . Thomsen (), S. , lehnt daher zu Recht die Ansätze ab, die Affektionskausalität mit der Freiheitskausalität zu identifizieren.
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sein kann, sondern vielmehr darum, wie die Affektion als Wirkung des Dinges an sich auf das Subjekt gedacht werden kann. Dass dies durchaus zwei verschiedene Perspektiven auf die Frage einer Kausalität aus Freiheit darstellt, zeigt sich mit Blick auf die praktische Philosophie Kants. Das Problem der Affektion beinhaltet offensichtlich nicht die Frage nach der Autonomie des Dinges an sich selbst als Objekt der Erkenntnis, sondern die Frage nach der Möglichkeit, Affektion als Wirkung desselben denken zu können. Die Frage nach der Kausalität aus Freiheit lässt sich in der praktischen Philosophie dementsprechend formulieren: Wie kann etwas als Ursache gedacht werden, ohne gleichzeitig als Wirkung vorgestellt werden zu müssen? Die Frage nach der Affektion in der theoretischen Philosophie ist umzukehren: Wie kann etwas als Wirkung vorgestellt werden, ohne vorher als verursacht gedacht zu sein? Prima facie mutet diese Frage paradox an. So gilt zuallererst, dass die Begriffe von Ursache und Wirkung im Kausalverhältnis miteinander korreliert sind, sodass die Vorstellung der einen ohne die andere unmöglich ist. Für die Vorstellung einer freien, d. h. nichtverursachten Wirkung besteht darüber hinaus noch die Schwierigkeit, dass Ursache und Wirkung in einem logisch nicht äquivalenten Verhältnis zueinander stehen. Auf der Ebene der Logik bildet die Ursache die hinreichende, die Wirkung nur die notwendige Bedingung in der kausalen Relation. Der Begriff einer freien Dependenz scheint daher unplausibeler zu sein als der einen freien Ursache. Beide Schwierigkeiten gelten jedoch sowohl für die freie Ursache als auch für die freie Wirkung. Dass die Formulierung der letzteren problematischer erscheint, ist nur der Tatsache geschuldet, dass in der Darstellung der Kausalität die zweistellige Beziehung von Ursache und Wirkung aus der Kausalkette herausgegriffen wird, in der jede Ursache auch als Wirkung gedacht werden muss. Die nicht-gewirkte Ursache ist daher ebenso unplausibel, wie die nicht-verursachte Wirkung, wenn sie als Teil einer Kausalkette vorgestellt wird. Wenn jedoch die Darstellung des Begriffs der ersten über die Symbolisierung gelingt, besteht die berechtigte Hoffnung, dass dies auch für die zweite gelingen könne. Zwei Fragen sind daher zu beantworten: Erstens, wie lässt sich die freie Dependenz symbolisch darstellen? Zweitens, welcher begriffliche Sinn kann dieser zugeschrieben werden? In der Symbolisierung der freien Wirkung kann auf die der freien Ursache zurückgegriffen werden. Der symbolisierende Zusammenhang von Natur- und Freiheitskausalität lässt sich als Abbildungszusammenhang der schematischen Funktion der Kausalkategorie &(p(x& 6 q(x&& auf die durch den Begriff einer Kausalität aus Freiheit gesetzten unbekannten Relation R bestimmen. Dabei soll nun die modale Prädikation der subjunktiven Verbindung in ihrem temporalen Sinn zum Symbolschema der Freiheitskausalität genommen werden. Die Übertragung des Kausalschemas auf die Reflexionsregel des noumenalen Begriffes der Kausalität aus Freiheit bestimmt dabei die freie, i. e. für Kant letztlich aus dem moralischen Imperativ gesetzte
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Tätigkeit, als eine uranfängliche, autonome Willenshandlung, deren Regel naturgesetzlich vorgestellt werden kann. Die freie Ursache, nämlich der sich selbst moralisch bestimmende Wille, kann daher im Sinne einer naturgesetzlich bestimmten Ursächlichkeit vorgestellt werden, insofern die Willensbestimmung als gesetzlich notwendig gedacht wird. Für die Affektion als freie Dependenz muss vice versa in der symbolischen Darstellung dasselbe gelten, wie für die Kausalität aus Freiheit. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass in der Hypotypisierung der primordialen Empfindungskausalität nicht die Verursachung durch eine autonome Willensbestimmung dargestellt werden soll. Vielmehr soll die Empfindung als Wirkung der Affektionen gedacht werden können, ohne dass die Beziehung der Affektion zum Affektionsgrund als kausale Relation gedacht werden muss. Im symbolisierenden Vergleich der Kausalkategorie mit der Reflexionsregel der Empfindungskausalität wird deutlich, wie dies gelingt. Wie bei der Symbolisierung der Freiheit, wo die Verbindung von Wille und Handlung als notwendig gedacht wird, wird auch bei der Affektion der Zusammenhang von Affektion und Empfindung als notwendig vorgestellt. Die „Ursache“ der Affektion ist die Verbindung von transzendentalem Objekt und Subjekt, indem diese die Affektion notwendig als Wirkung hervorbringt. Die Notwendigkeit der Affektion ist es also, welche mittels des kausalen Schemas auf die Reflexionsregel der Affektion übertragen werden kann, so dass dem Begriff der Affektion eine zeitlich analoge Bedeutung unterlegt werden kann: Immer dann, wenn Subjekt und Objekt in einem affektionsermöglichenden Verhältnis zueinander stehen, kommt es notwendig zur Affektion des Subjekts durch den transzendentalen Gegenstand. Diese Bestimmung ist ausreichend, um den Begriff Affektion als Wirkung des Bestimmungsverhältnisses von Subjekt und Objekt denken zu können, ohne dabei einen hyperphysischen Gebrauch von der Kategorie der Kausalität machen zu müssen. Entscheidend ist, dass nun nicht mehr auf den unerkennbaren, transzendenten Grund der Affektion reflektiert wird, sondern auf die erfahrungsermöglichende, transzendentale Relation von Subjekt und Objekt. Damit wären die im vorherigen Gliederungsabschnitt formulierten Bedingungen eins und zwei erfüllt. Die Erfüllung der dritten Bedingung ist an die Beantwortung der zweiten Frage gebunden: Welcher Begriff entspricht dieser Art der Ursachenform und ist dieser Begriff in der Kritik der reinen Vernunft zu finden? Tatsächlich findet sich dort folgende, für die Frage nach der kausalen Natur der Affektion erhellende Bestimmung der Empfindungskausalität: Indessen kann man von diesen Begriffen [die Begriffe des Raumes und der Zeit und die Kategorien, M. B.],wie von allem Erkenntnis,wo nicht das Principium ihrer Möglichkeit, doch die Gelegenheitsursachen [Hervorhebung, M. B.] ihrer Erzeugung in der Erfahrung aufsuchen, wo alsdenn die Eindrücke der Sinne den ersten Anlaß geben, die ganze Erkenntniskraft in
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Ansehung ihrer zu eröffnen, und Erfahrung zu Stande zu bringen, die zwei sehr ungleichartige Elemente enthält, nämlich eine Materie zur Erkenntnis aus den Sinnen, und eine gewisse Form, sie zu ordnen, aus dem innern Quell des reinen Anschauens und Denkens, die, bei Gelegenheit der ersteren, zuerst in Ausübung gebracht werden, und Begriffe hervorbringen.¹¹⁸
Kant denkt offensichtlich hier die Wirkung des Dings an sich auf das rezeptive Vermögen als Gelegenheit zur Anwendung der dem Verstand und der Sinnlichkeit eigenen Begriffe. Die „Eindrücke der Sinne“, mithin die ihnen zu Grunde liegenden Affektionen, welche als Wirkungen der transzendentalen Subjekt-ObjektRelation gedacht werden, bilden also die Gelegenheitsursache der spontan tätigen Selbstaffektion; d. h. der Wirkung der Apperzeption auf den inneren Sinn.¹¹⁹ Mit der causa occasionalis bringt Kant die Empfindungskausalität auf einen Begriff, welcher mit ihrer symbolischen Darstellung als freie Dependenz harmoniert. Mit dem Begriff der Gelegenheitsursache wird eine spezifische Wirkung als notwendig hervorgebracht gedacht, ohne dass diese als Ergebnis einer kausalen Verknüpfung vorgestellt wird.¹²⁰ Es geht Kant natürlich nicht um ein Wiederinkraftsetzen des Occasionalismus. Dies ist schon dadurch ausgeschlossen, dass er den Problemhorizont des cartesianischen Substanzendualismus als metaphysisches Scheinproblem ablehnt.¹²¹ Kant weist hier nur die Möglichkeit auf, einen erfahrungsüberschreitenden Zusammenhang, welcher jedoch von vitaler Bedeutung für sein System ist, begrifflich fassen zu können. Mit dem Hinweis Kants, die Kausalität der Affektion als gelegenheitsursächlich fassen zu können, ist auch der dritten Vorbedingung zur Lösung des Affektionsproblems genüge getan. Somit sind alle Prämissen erfüllt: Die Lösung der Affektionsproblematik durch die Einführung der freien Dependenz verletzt nicht die Trennung der zwei Erkenntnisstämme, da sie die Affektion immer noch als Wirkung eines vom Subjekt unabhängigen Gegenstandes vorstellt. Zum zweiten ist sie eine diskursive Lösung, indem sie die Anwendung des Begriffes der Kausalität mittels des Symbolschemas auf die Empfindungskausalität verstattet. Der Begriff der Affektion ist daher nicht leer, d. h. er genügt dem minimalen Sinnkriterium. Drittens findet sich die Idee einer freien Wirkung im Begriff der Gelegenheitsursache ebenfalls in der Kritik der reinen Vernunft. Offen ist noch die Frage, warum Kant nicht selber auf die Möglichkeit des Symbolschematismus in Bezug auf die Empfindungskausalität verweist. Dies mag
KrV, A | B ; S. . Cf. Kap. ... Cf. Erforschung d. Wahrheit, V, ; S. ff. Cf. KrV A ff.; S. ff.
Exkurs: Der transzendentale Symbolismus
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zum einen daran liegen, dass er eine vollständige Theorie des transzendentalen Symbolismus wie der reflektierenden Urteilskraft erst in der Kritik der Urteilskraft 1790 vorgelegt hat; zum anderen daran, dass er die Problematik der transzendentalen Affektion, ähnlich wie die Frage nach der Vollständigkeit der Urteilstafel, in ihrer systematischen Bedeutung schlicht unterschätzte. Offensichtlich schienen ihm beide Fragen durch die Ausführungen in der Kritik der reinen Vernunft hinlänglich beantwortet oder selbstevident. Gleichwohl lässt sich, wie gezeigt wurde, mittels Kants eigener transzendentaler Symboltheorie das Problem im Sinne der kritischen Philosophie angemessen lösen. Da das Symbol den vierten und einen aus systematischer Perspektive hochinteressanten Funktionstyp darstellt, sofern es als Metafunktion das realfunktionale Gegenstück zur Idee bildet und damit Kants System der transzendentalen Funktionen wesentlich erweitert, soll an dieser Stelle eine eingehendere Auseinandersetzung im Rahmen eines Exkurses zur symbolischen Hypotypose stattfinden.
Exkurs: Der transzendentale Symbolismus A) Der Symbolismus als Realfunktion zweiter Ordnung¹²² Kant begegnet mit der Einführung des Symbols als eigener Darstellungsform einem Problem, welches sich aus seiner Fassung des Ideenbegriffs ergibt. So scheint es angesichts der Ergebnisse der Kritik der reinen Vernunft ein unmögliches Unterfangen, die Realität der Ideen demonstrieren zu wollen. Kant macht eindeutig klar, dass die Begriffe der Vernunft im Gegensatz zu denen des Verstandes keinen Gegenstand schlechthin vorstellen; ihnen korrespondiert also keine mögliche Anschauung. Der objektive Gebrauch der transzendentalen Ideen verbietet sich daher; dennoch sind sie nicht gegenstandslos. Als subjektive Prinzipien des hypothetischen Vernunftgebrauchs einer reflektierenden Urteilskraft¹²³ sind sie nicht nur auf ihre negative Verwendung zur Abweisung der natürlichen Dialektik konfiniert. Die Ideen sind insofern subjektive transzendentale Prinzipien, als sie im Gegensatz zu den objektiven nicht gleichzeitig als Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis der Dinge die Bedingung der Möglichkeit der Dinge selbst sind,
Der Exkurs basiert im Wesentlichen auf dem Text der unveröffentlichten Magisterarbeit des Autors. Cf. Bunte (). Die Möglichkeit eines hypothetischen und damit positiven Gebrauchs der Vernunft gründet sich letztlich in dem eigenen Prinzip a priori der reflektierenden Urteilskraft, i. e. die Zweckmäßigkeit (cf. Erste Einleitung i. d. KdU, AA XI, ; S. ). Zum Zusammenhang von hypothetischem Vernunftgebrauch und reflektierender Urteilskraft cf. Horstmann (), S. .
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sondern allein Bedingungen der Möglichkeit zu ihrer Reflexion.¹²⁴ Der Gegenstand einer Idee ist daher keine Anschauung, sondern das Schema¹²⁵ zur Reflexion von Gegenständen in Bezug auf die systematische Einheit, welche die Idee vorstellt.¹²⁶ Insofern lässt die Idee zwar keinen konstitutiven, jedoch einen regulativen Gebrauch zu, nach welchem alle Erkenntnisbewegung asymptotisch auf die projektierte Einheit der Totalität des Vernunftideals hin zuläuft.¹²⁷ Die Idee kann daher weder in ein Bild gefasst werden noch kann sie ein Schema zur Produktion eines Bildes vorstellen. Allein im praktischen Sinne kann die Idee der Freiheit objektive Gültigkeit für sich beanspruchen, sofern sie als ratio essendi des moralischen Gesetzes ein Postulat und damit keine bloße Idee der praktischen Vernunft darstellt.¹²⁸ Verlangt man gar, daß die objektive Realität der Vernunftbegriffe, d. i. der Ideen, und zwar zum Behuf des theoretischen Erkenntnisses derselben dargetan werde, so begehrt man etwas Unmögliches, weil ihnen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann.¹²⁹
Durch die Einführung der symbolischen Hypotypose weist Kant in § 59 der Kritik der Urteilskraft trotz des in der Kritik der reinen Vernunft zurückgewiesenen objektiven Gebrauchs der Ideen einen Weg aus, von den Ideen anschaulich sprechen zu können. [A] Alle Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt, sind also entweder Schemate [sic!] oder Symbole, wovon die erstern direkte, die zweiten indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten. [B] Die erstern tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), [C] in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschäft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion über jene An-
Cf. KdU Einleitung VIII, B LII; S. . KdU, Einleitung Heiner Klemme, XXXVIII. Bojanowski (), S. , . Zur Verwandtschaft von Verstandes- und Vernunftschema (Schematistik) cf. Bazil (), S. ff. Cf. KrV, A | B ; S. . Majer (), S. , weist darauf hin, dass der Gebrauch der regulativen Ideen bei Kant und der der idealen Elemente bei Hilbert analog sind: „Dem bloß regulativen Gebrauch der Ideen bei Kant entspricht die konsistente Erweiterung eines Gegenstandsbereichs um ideale Elemente, denen kein Gegenstand im anschaulich Finiten korrespondiert.“ Im praktischen Sinne ist damit die Idee nicht ein problematisches Konzept, sondern wird assertorisch verwandt. KdU, § , AA V, ; B ; S. .
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schauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.¹³⁰
Kant teilt die Erkenntnisformen in zwei Gruppen ein (A), denen je zwei Subkategorien untergeordnet sind: Zum einen die Gruppe der diskursiven, zum anderen die der intuitiven Erkenntnis. Die Beweisform der ersteren ist allein begrifflicher Natur, d. h. sie benötigt keine Demonstration in der Anschauung, gleichwohl müssen sich ihre Begriffe auf eine mögliche Erscheinung beziehen lassen. Kant bezeichnet sie deswegen auch als akroamatisch.¹³¹ Die diskursiven Beweisformen teilen sich wiederum in direkte und indirekte, i. e. in ostensive und apagogische Beweise. Der direkte oder ostensive Beweis ist in aller Art der Erkenntnis derjenige, welcher, mit der Überzeugung von der Wahrheit, zugleich Einsicht in die Quellen derselben verbindet; der apagogische dagegen kann zwar Gewißheit, aber nicht Begreiflichkeit der Wahrheit in Ansehung des Zusammenhanges mit den Gründen ihrer Möglichkeit hervorbringen.¹³²
Die intuitive Erkenntnis dagegen stellt immer eine Form der Demonstration dar, insofern sie sich notwendig auf eine Darstellung (exhibitio) in der Anschauung bezieht. Analog zu den diskursiven Beweisformen teilen sich die intuitiven ebenfalls in eine direkte und eine indirekte. (B) Die direkte Demonstrationsform ist die Demonstration eines Begriffes im engeren Sinne durch eine Regel, i. e. die schematische Darstellungsform.¹³³ Die intelligible Natur der Idee schließt jedoch eine solche direkte Demonstration aus. Für die Demonstration eines Vernunftbegriffes steht nur ein indirekter Weg per analogiam offen.¹³⁴ Hierin besteht die eigentümliche Leistung des Symbolismus. Den Symbolismus kennzeichnet im Allgemeinen, wie auch bei Kant, eine Relation zweier Begriffe, zwischen denen eine Analogie bestehen soll.¹³⁵ Die Assoziabilität der Begriffe in einer symbolischen Metaphorik wird durch eine
KdU, § , AA V, ; B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. , und Jäsche-Logik, AA IX, . KrV, A | B ; S. . Walsh (/), S. f., ist einer der wenigen Autoren, die den transzendentalen Symbolismus ebenfalls von der Frage des Schematismus her diskutiert haben. Ein Verweis auf das Symbol im Zusammenhang mit der Diskussion des Schematismus findet sich ebenfalls bei Dahlstrom (), S. . Der theoretische Hintergrund der symbolischen Darstellung bleibt in der Monographie von Heiner Bielefeldt () weitestgehend unberücksichtigt. Theis (), S. ff., verweist richtig auf diese Bedeutung der indirekten Darstellung. Im Folgenden soll der Symbolismus nur in Hinsicht auf seine Verwendung bei Kant diskutiert werden.
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Ähnlichkeit zwischen beiden mittels eines Dritten des Vergleichs (tertium comparationis) hergestellt. Da der Symbolismus für Kant eine Demonstrationsform – eine Hypotypose – darstellt, liegt seine Aufgabe darin, ein Abstraktum anschaulich zu machen.¹³⁶ Die Möglichkeit, die Funktionsweise des Symbolismus einzusehen, erfordert dabei den Vergleich mit dem Schematismus. Der Vorgang des Symbolisierens ist zweifach, die Urteilskraft verrichtet ein „doppeltes Geschäft“ (C). Um einen Gestand, der als Symbol fungieren soll, zu erkennen, respektive in der produktiven Einbildungskraft zu imaginieren, muss diese eine Verbindung der intuitiven und diskursiven Erkenntnisvermögen in einem Begriff etablieren. Die Einbildungskraft muss also zuerst einen Begriff auf eine sinnliche Anschauung beziehen. Diesen Bezug kann die Urteilskraft jedoch nur mittels des Schemas dieses Begriffes generieren. Die Herstellung dieses Anschauungsbezuges besteht daher in der Auffindung der passenden Urteilsform bezogen auf eine mögliche Erscheinung durch die Einbildungskraft. Der zweite Schritt besteht darin, das hierdurch gewonnene Schema auf einen anderen (Vernunft‐)begriff abzubilden, als einer „Übertragung der Reflexion über einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“¹³⁷ Diese Applikation darf sich jedoch nicht auf den Begriff direkt beziehen, sondern nur auf seine Funktion, als diejenige Regel, nach der über seinen Gegenstand reflektiert wird. Verbände man einen Begriff mit dem Schema eines anderen, beginge man einerseits einen Kategorienfehler, indem man die Regel zur Anwendung eines Begriffes auf einen anderen direkt übertrüge, zum anderen bedeutete dies im Falle der Vernunftidee diese direkt darzustellen, d. h. zu schematisieren, was eine transzendentale Subreption zur Folge hätte.¹³⁸ Das Symbol stellt daher allgemein die Regel einer Regel oder das Schema einer Regel dar.¹³⁹ Kant macht dieses Verhältnis mit Bezug auf das Naturgesetz als Typus des Moralgesetzes klar, ohne jedoch das Symbol an dieser Stelle explizit zu nennen:¹⁴⁰
Cf. Recki (), . KdU, B ; AA V, ; S. . Cf. auch KpV, AA IV, ; S. . Im Falle des Sprechens über Gott hat das Vertauschen der symbolischen und schematischen Redeweise Anthropomorphismen zur Folge, cf. KdU, B ; AA V, ; S. . Symbole sind daher nicht bereits „Anschauungen, die nicht-anschaulichen Begriffen unterlegt werden“, wie Maly (), S. , dies meint. Sie sind vielmehr gleich den Schemata Regeln zur Produktion derselben. Gleichwohl kommt Kant dort auf die Verwechslung von Schema und Symbol zu sprechen, cf. KpV, AA IV, ; S. .
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Hier aber ist es nicht um das Schema eines Falles nach Gesetzen, sondern um das Schema (wenn dieses Wort hier schicklich ist) eines Gesetzes selbst zu tun, […]¹⁴¹
In Bezug auf die Fassung des Schemas als Funktion eines Begriffes stellt das Symbol die Funktion einer Funktion dar, also eine Funktion zweiter Ordnung, respektive analog zur Stufenlogik ein Schema zweiter Stufe. Man kann jede Anwendungsregel bzw. Reflexionsregel eines Begriffes allgemein durch eine Relation darstellen, die als Bestimmungsgrund den Begriff und die durch ihn bestimmte Anschauung in Beziehung setzt. In einen material-logischen Ausdruck gebracht lässt sich dieser Zusammenhang allgemein darstellen als: %1 (x& " Rx (x1 ! x2 & Die auf den Gegenstand x bezogenen Erscheinungen x1 und x2 sollen in einer Relation Rx zueinander stehen, welche durch die Reflexionsregel des Begriffes von x bestimmt ist. Ist diese Relation auffindbar, so muss der Begriff auf x angewandt werden. Die symbolische Beziehung zwischen zwei Begriffen von x und y bezieht sich auf die Schemata der beiden Begriffe, also auf die durch ihre jeweilige Funktion ausgedrückten Relationen Rx und Ry . Dieser Zusammenhang kann folgendermaßen formalisiert werden: Zwischen den beiden Begriffen von x und y mit den Schemata: %1 (x& " Rx (x1 ! x2 & und %2 (y& " Ry (y1 ! y2 & soll eine symbolische Relation Σ(y& bestehen und zwar so, dass der Begriff von x Symbol für y ist: Σ(y& " x Das Schema des Begriffes von x soll sich daher auf die Funktion¹⁴² des Begriffes von y abbildend beziehen: Σ(y& " %1 (%2 (y&&
KpV, AA IV, ; S. . Im Falle eines Vernunftbegriffes ist die Funktion kein Schema, sondern nur die Regel der Reflexion bezogen auf die Begriffe, deren systematische Einheit die Idee vorstellt.
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Bezogen auf die allgemeine Form des Schemas gilt daher: Σ(y& " #Rx (x1 ! x2 &!'#Ry (y1 ! y2 &! Die im Symbolismus ausgesagte Relation ('& bezieht sich ausgehend von dieser Form auf die Analogie der zwei logischen Konstanten Rx und Ry , für die daher gilt: Rx ist analog (-& zu Ry : Rx - Ry .
B) Die Linie als Symbol der Zeit Bereits in der Kritik der reinen Vernunft findet sich an prominenter Stelle die symbolische Relation der Begriffe von Raum und Zeit.¹⁴³ Mit dieser beschreibt Kant die Bildung des Begriffs der Zeit als Sukzession mittels der Bewegung in Gestalt eines reinen Actus einer sukzessiven Synthesis. Die Zeit kann nur mittels der Vorstellung des reinen Bildes aller Größen, dem Raum,¹⁴⁴ respektive einer im Raum gezogenen Linie, in ein Bild gebracht werden.¹⁴⁵ Nach Kant lassen sich also zeitliche Verhältnisse auf räumliche – die Linie ist bekanntlich ein eindimensionaler Raum – abbilden. Und, eben weil diese innre Anschauung keine Gestalt gibt, suchen wir auch diesen Mangel durch Analogien zu ersetzen, und stellen die Zeitfolge durch eine ins Unendliche fortgehende Linie vor, in welcher das Mannigfaltige eine Reihe ausmacht, die nur von einer Dimension ist, und schließen aus den Eigenschaften dieser Linie auf alle Eigenschaften der Zeit, außer dem einigen, daß die Teile der erstern zugleich, die der letztern aber jederzeit nach einander sind. Hieraus erhellet auch, daß die Vorstellung der Zeit selbst Anschauung sei, weil alle ihre Verhältnisse sich sich an einer äußern Anschauung ausdrücken lassen.¹⁴⁶ Wir können uns keine Linie denken, ohne sie in Gedanken zu ziehen […] die Zeit nicht, ohne, indem wir im Z i e h e n einer geraden Linie (die die äußerlich figürliche Vorstellung [Hervorhebung, M. B.] der Zeit sein soll) bloß auf die Handlung der Synthesis des Mannigfaltigen, dadurch wir den inneren Sinn sukzessiv bestimmen, und dadurch auf die Sukzession dieser Bestimmung in demselben, Acht haben. Bewegung, als Handlung des Subjekts (nicht als Bestimmung eines Objekts), folglich die Synthesis des Mannigfaltigen im Raume, wenn wir von diesem abstrahieren und bloß auf die Handlung Acht haben, dadurch wir den i n n e r e n
Die symbolische Beziehung von Raum und Zeit bespricht ebenfalls Zschocke (), S. f. Cf. KrV, A | B f.; S. . Cf. Simon (), S. . KrV, A | B ; S. .
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S i n n seiner Form gemäß bestimmen, bringt so gar den Begriff der Sukzession zuerst hervor.¹⁴⁷
Mittels des symbolischen Kalküls kann der von Kant aufgedeckte notwendige Zusammenhang des Raumes zur bildlichen Anschauung der Zeit verdeutlicht werden. Der Ausdruck %1 (Raum& " Rs (o1 ! o2 & möge das Schema des Raumes beschreiben, wobei o1 und o2 für zwei beliebige nicht identische Orte im Raum stehen und Rs die extensionale Beziehung der Orte im Raum beschreibt. Das Schema bringt dabei die ursprüngliche transzendentalästhetische Bestimmung des Raumes als transzendentale Anschauungsform zum Ausdruck, i. e. die Bedingung der Möglichkeit räumlichen Auseinanderseins. Es definiert damit den Raum als die Bedingung der Möglichkeit der Differenzierbarkeit verschiedener Orte, welche selbst nur Spezifikationen des einen Raumes sind. Eine zweite Regel der Reflexion, nämlich die der Zeit, soll durch den Ausdruck: %2 (ZeitZeit& " Rt (t1 ! t2 & dargestellt sein. Es seien t1 und t2 zwei beliebige nicht-identische Momente und Rt die Ordnungsregel der linearen Progression der Zeit. Da das „Verfließen“ der Zeitmomente, respektive der Gegenwart keine „Spur“ in der Zeit hinterlassen kann, sondern nur durch den erinnernden Verstand in einer sukzessiven Ordnung zu einem Zeiteindruck synthetisiert wird, muss sich die Einbildungskraft einer anderen Regel als der des zeitlichen Progresses bedienen, um die Zeit in ein Bild zu bringen. Die Symbolisierung der Zeit durch den Raum: Σ(ZeitZeit& " %1 (%2 (ZeitZeit &&, kann so ergänzt werden zu dem Ausdruck: Σ(ZeitZeit& " # %1 (Raum& " Rs (o1 ! o2 &! ' #%2 (ZeitZeit& " Rt (t 1 ! t2 &! Nun ist klar, dass die symbolische Relation zwischen RS und RT besteht, da sich in jedem Formular nur jeweils eine logische Konstante befindet. Der Ausdruck kann demnach aufgelöst werden zu: o1 ist neben o2 ist analog zu t1 ist nach t2. Die Sukzession der Zeit kann demnach durch die Analogie zur Extension des Raumes dargestellt werden. Gegen diese Analogisierbarkeit wurden verschiedentlich Einwände erhoben. So ist nach Mohr die kantische „These, daß alle ihre Verhältnisse [sc. der Zeit] sich KrV, B f.; S. .
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an einer äußern Anschauung ausdrücken lassen“¹⁴⁸, nicht überzeugend, da sie das wesentliche Merkmal der Zeit nicht abbilden kann, i. e. die Sukzession. Dabei übersieht er die Tatsache, dass sich das Symbol der Linie nicht ausschließlich auf ihre Eigenschaft als Gerade bezieht, sondern als Trajektor einer Punktbewegung. Die Linie symbolisiert die Zeit demnach nicht nur als linea tracta sondern auch und vor allem als linea trahenda. Seel scheint diesen Doppelaspekt des kantischen Analogons ebenfalls zu übersehen, wenn er schreibt: „Im Unterschied zu den Teilen der Zeit sind die Teile der Linie nicht gemäß der ’Früher-später-Relation’ geordnet. Die ’Früher-später-Relation’ zieht die Gerichtetheit der Zeit nach sich. An einer gezogenen Linie [Hervorhebung, M. B.] lässt sich aber keine Gerichtetheit ausmachen, und es lässt sich schon gar nicht ausmachen, wo auf der Linie der Jetzt-Punkt liegt, d. h. welcher Teil von ihr die vergangene Zeit und welcher die zukünftige Zeit repräsentiert. Die gezogene Linie ist also eine mangelhafte ’figürliche Vorstellung’ der Zeit.“¹⁴⁹ Es ist evident, dass vice versa die Zeit kein Symbol des Raumes ist. Der Raum bedarf zum einen als das reine Bild aller Quantität keiner von ihm unabhängigen Anschauung, zum andern kann die Zeit aufgrund ihrer fehlenden bildlichen Anschauungsnatur keine hypotypotische Funktion erfüllen. Die symbolische Relation ist daher für Kant nicht umkehrbar.¹⁵⁰
C) Die Handmühle als Symbol der Tyrannis Zwei weitere Beispiele zur Erläuterung des Symbols finden sich in § 59. Dort erörtert Kant die Möglichkeit, den monarchischen und tyrannischen Staat mittels eines beseelten Körpers oder einer Maschine zu symbolisieren: So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Körper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloße Maschine aber (wie etwa eine Handmühle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fällen aber nur symbolisch vorgestellt. Denn, zwischen einem despotischen Staate und einer Handmühle ist zwar keine Ähnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel, über beide und ihre Kausalität zu reflektieren.¹⁵¹
Mohr (), S. . Seel (), S. . Im Gegensatz hierzu Höffe (b), S. . Er schließt aus dem Analogiecharakter zwischen dem Schönen und Guten auf eine notwendige Umkehrbarkeit der Relation. Diese Interpretation ignoriert jedoch, dass Kant vom Symbol als eben einer hypotypotischen Urteilsform gesprochen hat. KdU § , B f.; AA V, f.; S. .
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Die Handmühle als Symbol für die Tyrannis soll zuvorderst betrachtet werden. Ihre Kausalität ist als die Kausalität einer Maschine identisch mit der natürlichen Kausalität K.¹⁵² Ihr Schema %1 (K & hat daher die allgemeine Form der zweiten relationalen Subkategorie: %1 (K & " &(p(x& 6 q(x&&. p bezeichnet dabei eine kausal gebundene Erscheinung als Ursache, q eine solche als Wirkung, x ein beliebiges, kausal bestimmtes System. Die zu symbolisierende Reflexionsregel %2 über die „Kausalität der Tyrannis“ Ϙ bezieht sich auf den Zusammenhang RϘ , in welchem der Wille des Souveräns (Tyrann) Ϙs und der des Untertans (Leibeigener, Sklave) ϘL zueinander stehen. Sie mag allgemein gefasst werden als: %2 (Ϙ& " RϘ (ϘS ! ϘL & Der Symbolbezug Σ(Ϙ& " %1 (%2 (Ϙ&& von K und Ϙ bildet daher eine Abbildung des Schemas der Naturkausalität eines mechanischen Ursache-Wirkung-Zusammenhanges auf die Dynamik einer politischen Konstitution. Werden die Ausdrücke für %1 und %2 eingesetzt, ergibt sich daraus die Form für das Symbol: Σ(Ϙ& " #&(p(x& 6 q(x&&! ' #RϘ (ϘS ! ϘL &! Im Gegensatz zur Symbolisierung der Zeit durch den Raum beinhaltet die symbolisierende Regel zwei logische Konstanten: Einmal die modallogische Konstante der Notwendigkeit (&&, i. e. die Bestimmung durch eine Regel – im Falle der Naturkausalität die Form eines allgemeinen Gesetzes – zum anderen die der Implikation (6& welche die Einsinnigkeit der Folgeordnung zum Ausdruck bringt. Daraus ergeben sich zwei Alternativen, das Symbol zu deuten. Zum einen könnte sich die symbolische Hypotypose auf die Notwendigkeit (&& der in der Naturkausalität ausgedrückten Relation beziehen. In diesem Falle kämen Maschine und tyrannischer Staat darin überein, dass der Wille des Souveräns mit Notwendigkeit (irreprehensibel, irresistibel, inappellabel) den Willen des Untertans bestimmt. Zwar mag der mit staatlichen Mitteln erzwungene Gehorsam der Bürger unter den Willen des Tyrannen den Status einer (Überlebens‐)Notwendigkeit haben, jedoch scheint dies nicht der Gegenstand der Vergleichbarkeit von Maschine und Despotie zu sein. Vielmehr bezieht sich diese auf die Einsinnigkeit (6& der Willensübertragung von Souverän und Untertan. Die Reflexion über Maschine und Zwangsstaat kommen darin überein, dass ihre Kausalität nur in eine Richtung Cf. Höffe (b), S. .
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wirksam ist. Die Ursache der Wirkung in einem mechanischen Zusammenhang (Drehen der Kurbel der Mühle, Mahlen des Mahlgutes) ist nur in eine Richtung denkbar, so wie der Wille des Untertans bestimmt ist durch den des Souveräns und nicht umgekehrt.
D) Der beseelte Körper als Symbol der Republik Die Interpretation des zweiten Symbols, des beseelten Körpers für den monarchischen Staat, mag prima facie auf die klassische Deutung¹⁵³ des Gemeinwesens als Körper und die des Herrschers als Seele hinauslaufen.¹⁵⁴ Schwierig wird es jedoch, diese Deutung mit dem von Kant insinuierten Vergleich der Kausalitäten zu verbinden, insbesondere in Zusammenschau mit dem Symbol für die Despotie. Hier scheint das zweite Beispiel für eine Symbolisierung befremdlich. Worin soll sich ein monarchischer Staat von einem tyrannischen hinsichtlich der Relation des gesetzgebenden Willens zu dem seiner Untertanen unterscheiden? Zentral für das Verständnis des Symbols ist hierbei der folgende Konditionalsatz „wenn er nach inneren Volksgesetzen […] beherrscht wird“.¹⁵⁵ Kant versteht unter einem Staat, der nach Freiheitsgesetzen regiert wird, eine Republik unabhängig von der Form der Beherrschung (forma imperii), wie sie in einer Demokratie, Aristokratie oder Monarchie ausgeübt wird.¹⁵⁶ Die Regierungsform (forma regiminis) der Republik zeichnet sich dabei dadurch aus, dass in ihr die kollektive Einheit des vereinigten Willens durch eine Staatsgewalt repräsentiert wird.¹⁵⁷ Der Wille des Souveräns ist damit nur dann legitim, wenn in ihm der Wille aller Teile des Gemeinwesens repräsentiert wird. Die Beziehung des Willens des Souveräns zu dem des Untertans bedeutet daher keine einsinnige, sondern eine zweisinnige Beziehung. Diese Ordnung entspricht der Kausalität in der belebten Natur als einem Analogon des Lebens. ¹⁵⁸
Cf. Politeia, Buch IV, d – c; Band , S. ff. Diese Interpretation ist sicherlich nicht verkehrt und widerspricht der folgenden auch nicht. Man übersieht jedoch die systematische Verbindung des Bildes für den monarchischen Staat zu Kants eigener Staatstheorie, wollte man es rein historisch verstehen. KdU § , B ; AA V, ; S. . Cf. ZeF II. Abs., . Def. Art, B ; AA VIII, ; S. . Zum Begriff der Republik und dessen Verbindung zu dem der Demokratie im heutigen Sinne cf. Höffe (), S. f. Cf. ZeF II. Zusatz, Anhang, B ; AA VIII, ; S. . KdU § , B ; AA V, ; S. . Der Versuch, die besondere Organisationsform der Materie im lebenden Wesen durch ein ihr artfremdes Prinzip (Seele) zu erklären, setzt nach Kant entweder die Existenz des Lebendigen bereits voraus oder macht die Organisation des Lebendigen als einen Teil der Natur unerklärlich.
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In einem solchen Produkte der Natur wird ein jeder Teil, so, wie er nur durch alle übrige da ist, auch als um der andern und des Ganzen willen existierend, d. i. als Werkzeug (Organ) gedacht: welches aber nicht genug ist (denn er könnte auch Werkzeug der Kunst sein, und so nur als Zweck überhaupt möglich vorgestellt werden); sondern als ein die andern Teile (folglich jeder den andern wechselseitig) hervorbringendes Organ, dergleichen kein Werkzeug der Kunst, sondern nur der allen Stoff zu Werkzeugen (selbst denen der Kunst) liefernden Natur sein kann: und nur dann und darum wird ein solches Produkt, als organisiertes und sich selbst organisierendes Wesen, ein Naturzweck genannt werden können.¹⁵⁹ Ein organisiertes Wesen ist also nicht bloß Maschine: denn die hat lediglich bewegende Kraft; sondern sie besitzt in sich bildende Kraft, und zwar eine solche, die sie den Materien mitteilt, welche sie nicht haben (sie organisiert): also eine sich fortpflanzende bildende Kraft, welche durch das Bewegungsvermögen allein (den Mechanism) nicht erklärt werden kann.¹⁶⁰
In der Kritik der teleologischen Urteilskraft gibt Kant mit Bezug auf die nach Rousseauschen Prinzipien entwickelte postrevolutionäre Ordnung Frankreichs einen Hinweis auf eine mögliche Übertragung der nach Naturzwecken geordneten Sphäre des Organischen auf eine Staatsverfassung. Man kann umgekehrt einer gewissen Verbindung, die aber auch mehr in der Idee als in der Wirklichkeit angetroffen wird, durch eine Analogie mit den genannten unmittelbaren Naturzwecken Licht geben. So hat man sich, bei einer neuerlich unternommenen gänzlichen Umbildung eines großen Volks zu einem Staat, des Worts Organisation häufig für Einrichtung der Magistraturen u. s. w. und selbst des ganzen Staatskörpers sehr schicklich bedient. Denn jedes Glied soll freilich in einem solchen Ganzen nicht bloß Mittel, sondern zugleich auch Zweck, und, indem es zu der Möglichkeit des Ganzen mitwirkt, durch die Idee des Ganzen wiederum, seiner Stelle und Funktion nach, bestimmt sein.¹⁶¹
Die Kausalität nach Naturzwecken stellt im Gegensatz zur mechanischen, linearen Folgeordnung einen Kausalnexus (nexus finalis) dar. In einen Funktionsterm gebracht kann dieser aus dem Schema der Kausalität hergeleitet werden, in dem das Ganze p Ursache des Teils q, der Teil wiederum Ursache des Ganzen sei. Das zu verwendende Schema ist also das der Wechselwirkung. %1 (W & " &(p(x& 6 q(x&& + &(q(x& 6 p(x&& ist äquivalent zu: %1 (W & " ( p(x& 6 q(x&& + (q(x& 6 p(x&&!
KdU § ; B f.; AA V, f.; S. f. KdU § ; B ; AA V, ; S. . KdU § , Anm. , B ; AA V, ; S. .
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ist äquivalent zu: %1 (W & " &( p(x& 3 q(x&& Die durch das Schema des Naturzweckes symbolisierte Regel der Reflexion bezieht sich, wie im Beispiel des Symbols für die Despotie, auf die Willensübertragung von Souverän und Untertan. Daher kann dasselbe Formular verwendet werden. RϘ (ϘS ! ϘL & Aus dem Bezug der beiden Funktionen aufeinander kann so folgende symbolische Form Σ(Ϙ& gewonnen werden: Σ(Ϙ& " #&(p(x& 3 q(x&&! ' #RϘ (ϘS ! ϘL &! Wie im vorherigen Beispiel sind zwei alternative Deutungen der symbolischen Relation denkbar. Einmal mit Bezug auf die Gesetzesform (&&, zum anderen mit Bezug auf die Zweisinnigkeit der Relation (3&. Der zweiten Deutung ist, wie im vorangegangenen Beispiel, der Vorzug zu geben. Im Symbol soll die Wechselseitigkeit des Rechtsverhältnisses von Staatsmacht und Volk ausgedrückt werden. Die Untertanen sind zum einen Objekte der Gesetzesbeschlüsse, zum andern besitzen sie jedoch dadurch, dass die Staatsmacht Repräsentant des kollektiven Willens des Volkes ist, an der Entscheidung des Souveräns indirekte Autorenschaft.
E) Das Naturgesetz als Symbol des Freiheitsgesetzes Die dritte und wohl eine der bekanntesten symbolischen Relationen der kantischen Philosophie findet sich im zweiten Hauptstück des ersten Buches der Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft in der Kritik der praktischen Vernunft. ¹⁶² Dort handelt Kant von der so genannten Typik der reinen praktischen Urteilskraft. Das Problem der praktischen Vernunft, um dessen Lösung sich Kant bemüht, betrifft die Möglichkeit, wie der reine Wille als autonomes Vermögen in der kausal-naturgesetzlich geordneten Wirklichkeit gesetzgebend für eine empirische Handlung sein kann, insofern dieser Notwendigkeit in Ansehung ihres Daseins qua Gesetz zukommen können soll.
Cf. Recki (), S. , und Recki (), S. .
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Weil aber eine praktische Regel der reinen Vernunft erstlich, als praktisch, die Existenz eines Objekts betrifft, und zweitens, als praktische Regel der reinen Vernunft Notwendigkeit in Ansehung des Daseins der Handlung bei sich führt, mithin praktisches Gesetz ist, und zwar nicht Naturgesetz, durch empirische Bestimmungsgründe, sondern ein Gesetz der Freiheit, nach welchem der Wille, unabhängig von allem Empirischen (bloß durch die Vorstellung eines Gesetzes überhaupt und dessen Form) bestimmbar sein soll, alle vorkommende Fälle zu möglichen Handlungen aber nur empirisch, d. i. zur Erfahrung und Natur gehörig sein können: so scheint es widersinnisch, in der Sinnenwelt einen Fall antreffen zu wollen, der, da er immer so fern nur unter dem Naturgesetze steht, doch die Anwendung eines Gesetzes der Freiheit auf sich verstatte, und auf welchen die übersinnliche Idee des Sittlichguten, das darin in concreto dargestellt werden soll, angewandt werden könne.¹⁶³
Mit dem Ausschluss einer empirischen Demonstrationsmöglichkeit des Bezugs der praktischen Vernunft auf eine mögliche Anschauung eines solchen Falles, i. e. die (objektive) Realität der durch den moralischen Imperativ als Pflicht gebotenen Handlung, steht die Urteilskraft in ihrem praktischen Gebrauch vor demselben Problem, wie in theoretischer Hinsicht. Die hinzukommende Schwierigkeit jedoch besteht darüber hinaus darin, dass kein Schema zur Verfügung steht, respektive stehen kann, da dem moralischen Gesetze als Freiheitsgesetz, das heißt also als Regel einer Kausalität, die unabhängig von äußeren physischen Bestimmungen allein Gegenstand der Autonomie ist, keine Anschauung korrespondieren kann. Dem Naturgesetze, als Gesetze, welchem die Gegenstände sinnlicher Anschauung, als solche, unterworfen sind, muß ein Schema, d. i. ein allgemeines Verfahren der Einbildungskraft (den reinen Verstandesbegriff, den das Gesetz bestimmt, den Sinnen a priori darzustellen), korrespondieren. Aber dem Gesetze der Freiheit (als einer gar nicht sinnlich bedingten Kausalität), mithin auch dem Begriffe des unbedingt-Guten, kann keine Anschauung, mithin kein Schema zum Behuf seiner Anwendung in concreto untergelegt werden.¹⁶⁴
Daher kann sich die Anwendung des Sittengesetzes als ein Gesetz der Freiheit nicht auf die Einbildungskraft als vermittelndes Vermögen stützen, sondern muss sich als (praktische) Idee nur des Verstandes zum Gegenstand der Vernunft bedienen.¹⁶⁵ Folglich hat das Sittengesetz kein anderes, die Anwendung desselben auf Gegenstände der Natur vermittelndes Erkenntnisvermögen, als den Verstand (nicht die Einbildungskraft), welcher einer Idee der Vernunft nicht ein Schema der Sinnlichkeit, sondern ein Gesetz, aber doch ein solches, das an Gegenständen der Sinne in concreto dargestellt werden kann, mithin
KpV, AA IV, f.; S. f. KpV, AA IV, f.; S. . „Der Verstand macht für die Vernunft eben so einen Gegenstand aus, als die Sinnlichkeit für den Verstand.“ KrV, A | B , S. .
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ein Naturgesetz, aber nur seiner Form nach, als Gesetz zum Behuf der Urteilskraft unterlegen kann, und dieses können wir daher den Typus des Sittengesetzes nennen.¹⁶⁶
Dieses Gesetz der Form nach bildet damit eine Hilfsformel oder ein Muster der Urteilskraft, ¹⁶⁷ mit der das „Widersinnische“ der rein formalen Willensbestimmung durch das praktische Gesetz in seiner Anwendung auf einen Fall in concreto aufgehoben, respektive die Möglichkeit der Freiheitshandlung in den kausalen Nexus der Natur verstattet wird. Dies gelingt, indem die Gesetzesform auf das arbiträre Verhältnis von Wille und Handlung angewandt, mithin ein Naturgesetz zum Typus eines Sittengesetzes gemacht wird.¹⁶⁸ Mittels des symbollogischen Kalküls lässt sich die von Kant verwendete Symbolisierung der Freiheit in der Typik aufdecken. Wie in der Analyse der bisherigen Symbole, wird ein bekanntes Schema auf eine unbekannte Funktion abgebildet. Die gesuchte Funktion stellt die nichtsinnliche Freiheitskausalität dar, durch welche das moralisch-autonome Subjekt uranfänglich aus rein praktischer Willensbestimmung in die Welt hinein handelt. Das symbolisierende Schema hierzu bildet die Naturgesetzlichkeit, also das Schema der Kausalität. Letzteres ist bereits bekannt durch die Form der Kategorie der Kausalität: %1 (K & " &(p(x& 6 q(x&&. Ersteres lässt sich mittels der Relationsvariablen Rφ zu: %2 (Φ& " RΦ (&W ! &H & formalisieren.Wenn &W der Wille eines autonomen Freiheitswesens Φ gemäß dem Moralgesetz ist,¹⁶⁹ dann steht die aus der freien Bestimmung des Willens resultierende Handlung &H als gebotene zu diesem im nicht-anschaulichen und damit unbekannten freiheitskausalen Zusammenhang RΦ. Nun soll %1 ein Analogon zu %2 darstellen: %1 (K & " &(p(x& 6 q(x&& - %2 (Φ& " RΦ (&W ! &H &
KpV, AA IV, ; S. . Cf. Pieper (), S. . Cf. Bielefeldt (), S. . Das Moralgesetz verlangt die Bestimmung des Willens aus dem Gesetz, sofern es sich um ein ethisch-moralisches Gebot handeln soll, sodass die Moralität gegenüber der bloßen Gemäßheit des Willens zum Gesetz an dieser Stelle bereits vorausgesetzt ist.
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Die gesuchte symbolische Hypotypose Σ(Φ& lässt sich dementsprechend fassen als: $ ! %# Σ(Φ& " #&(p(x& 6 q(x&&! ' RΦ &W ! &H Es stehen, wie aus dem Formular erkennbar, zwei Alternativen zur Disposition. Zum einen kann sich die Analogisierung der gesuchten Relation RΦ auf die Implikation (→) beziehen, zum anderen auf die Notwendigkeit (□). Darüber hinaus scheint in diesem Fall die Möglichkeit einer dritten Alternative denkbar, i. e. dass sich die gesuchte Relation auf beide Logik-Konstanten bezieht (□; →). Die Kausalität aus Freiheit RΦ ist dementsprechend im Ganzen analog zur Naturgesetzesform der Kausalität (&&. Dieser Fall, der in den vorangegangenen Beispielen irrelevant war, scheint hier ausschlaggebend. Die strenge Implikation der vom Naturgesetz gebotenen Kausalität wird abgebildet auf die bloß praktische Notwendigkeit des in der Freiheitsrelation ausgedrückten Zusammenhangs von autonomem Willen und moralischer Handlung. Annemarie Pieper hat dies wie folgt klargemacht: Als Typus wird Naturkausalität nicht als ein Gesetz gedacht, das die Erkenntnis von Objekten begründet; vielmehr dient er der praktischen Urteilskraft lediglich als Muster, anhand dessen sie eine normative Bestimmung des Willens (Kausalität aus Freiheit) nach Analogie mit der zwingenden Kraft eines Naturgesetzes vorstellt.¹⁷⁰
Das Ergebnis besteht in der Übertragbarkeit sinnenweltlicher Vorstellung auf die intelligible Natur. In Vermeidung transzendentaler Subreption findet diese jedoch nur auf Basis der bloßen Form der Gesetzlichkeit statt, ohne dass der Vorstellung der Freiheit direkt eine Anschauung untergeschoben wird.¹⁷¹ Es ist also auch erlaubt, die Natur der Sinnenwelt als Typus einer intelligibelen Natur zu brauchen, so lange ich nur nicht die Anschauungen, und was davon abhängig ist, auf diese übertrage, sondern bloß die Form der Gesetzmäßigkeit überhaupt (deren Begriff auch im reinsten Vernunftgebrauche stattfindet, aber in keiner anderen Absicht, als bloß zum reinen praktischen Gebrauche der Vernunft, a priori bestimmt erkannt werden kann) darauf beziehe. Denn Gesetze, als solche, sind so fern einerlei, sie mögen ihre Bestimmungsgründe hernehmen, woher sie wollen.¹⁷²
Pieper (), S. . Das, was nur als Symbol dient, darf nicht zum Schema gemacht werden, cf. KpV, AA IV, ; S. . Besonders beachtenswert ist hier die direkte Einführung des Symbolbegriffes. KpV, AA IV, ; S. .
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F) Das Schöne als Symbol des Sittlichguten Der Symbolismus des Schönen ist der bekannteste der (kantischen) Philosophie wie auch der am schwierigsten zu interpretierende. Neben allgemeinen Missverständnissen und Fehldeutungen des Symbolbegriffes – auf die Fehlinterpretation Höffes wurde bereits hingewiesen¹⁷³ – besteht die besondere Schwierigkeit im Symbol des Sittlichguten darin, dass der Gegenstand der eigentlichen Symbolbeziehung zwischen den beiden Begriffen nicht unmittelbar evident ist. Tatsächlich ist es prima facie nicht direkt einsehbar, worin das tertium comparationis der Symbolbeziehung bestehen sollte. Kant nennt in § 59 vier Einheitsmomente der Analogie, ausgehend von der vorangegangenen metaphysischen Erörterung des Begriffs des Schönen in kategorialer Ordnung.¹⁷⁴ Das Gute
tertium comparationis
Das Schöne
Im Begriff
Jedes gefällt für sich unmittelbar Beide gefallen ohne Interesse
In der Anschauung
Freiheit
In der Einbildungskraft als Heautonomie subjektiv
Ohne ein dem Urteil vorhergehendes Interesse Im Willen als Autonomie objektiv
Allgemeingültigkeit des Beurteilungsprinzips
Ohne alles Interesse¹⁷⁵
Birgit Recki hat in ihrer Analyse zum Symbolismus des Schönen klar dargelegt, dass die entscheidende Verbindung zwischen den beiden Begriffen im dritten Moment, der Freiheit, begründet liegt. Der gute Wille ist mithin das einzige, das auch hier am Ende der Kritik der Urtheilskraft als „das Sittlichgute“ gemeint sein kann.Von daher würde sich ergeben, daß das Schöne Symbol des guten Willens sein solle. Berücksichtigt man aber, daß für Kant ein guter Wille allein der Wille ist, der sich nach dem moralischen Gesetz bestimmt, dann ist damit auch gesagt, daß das Schöne das Symbol der Freiheit – Spontaneität und Autonomie – ist.¹⁷⁶
Cf. Exkurs C, S. , Anm. . KdU § , B ; AA V, ; S. . Interesse bezieht sich für Kant auf die Existenz des Gegenstandes. Dies schließt nicht ein Interesse am bloßen Urteilen selbst aus. Recki (), S. f.
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Durch das symbolanalytische Kalkül kann dieser Zusammenhang unmittelbar transparent gemacht werden. Die zu symbolisierende Reflexionsregel des Sittlichguten besteht in der Relation, die der autonome Wille zum praktischen Handeln hat, innerhalb des durch das Moralgesetz gebotenen Zusammenhanges, i. e. der gute Wille.¹⁷⁷ Die gesuchte Relation kann durch den bekannten Ausdruck: %2 (Φ& " RΦ (&W ! &H & dargestellt werden. Das symbolisierende Schema ist das des Schönen (Ψ&. Es besteht in der Relation, welche eine Vorstellung zum einen in Bezug auf die Konstitution des Erkenntnisvermögens des anschauenden Subjekts hat, insofern das Schöne in der Anschauung unmittelbar, allgemein und ohne alles Interesse notwendig gefällt, und zum anderen in der Objektprädikation, der Gegenstand dieser Anschauung sei schön. Das Schema des ästhetischen Urteils lässt sich demgemäß formalisieren als: %1 (Ψ& " &RΨ (xs ! xo & Die Variable x bezeichne den Gegenstand einer Anschauung, wobei xs als # in Bezug auf das Subjekt und xo als x in Bezug auf das Objekt in einer notwendigen Relation RΨ zueinander stehen. Dasjenige, welches veranlasst, dass das Subjekt in sich selbst die Harmonie, respektive die Zweckmäßigkeit seiner Erkenntnisvermögen, in ihrem freien Spiel erfährt, wird mit der Vorstellung dieses Gegenstandes als eines Objektes eines allgemeinen, mithin notwendigen dennoch bloß subjektiven Wohlgefallens, i. e.von Schönheit verbunden. Hierin besteht der Schlüssel zu Kants Kritik des Geschmacks.¹⁷⁸ Die Relation zwischen dem subjektiven Erfahren dieser Zweckmäßigkeit der Form x ist Gegenstand der subjektiven ästhetischen Beurteilung ¹⁷⁹ = xs und der objektivierenden Zuschreibung der Form x ist schön = xo besteht in der freien Reflexion RΨ über die singulären Gegenstände des ästhetischen Urteils.¹⁸⁰ Nach der Abbildungsregel des symbollogischen Kalküls muss eine Analogie zwischen beiden Ausdrücken bestehen können. %1 (Ψ& " &RΨ (xs ! xo & - %2 (Φ& " RΦ (&W ! &H &
Cf. GMS, AA IV, ; S. . Cf. KdU § , B ; AA V, ; S. f. Cf. KdU § , B ; AA V, ; S. f. Rein formallogisch ließe sich der Zusammenhang der zwei Urteile in Form einer materialen Äquivalenz ausdrücken: x wäre demnach genau dann schön, wenn x Gegenstand eines freien Wohlgefallens wäre. Da es uns hier jedoch nicht um die bloße Form des Urteils, sondern um die Funktion des Urteilens geht, wäre dies keine adäquate Darstellung des ästhetischen Urteils.
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Geschrieben als Symbol % für $: Σ(Φ& " #&RΨ (xs ! xo &!'#RΦ (&W ! &H &! Hier sind zwei Möglichkeiten der symbolischen Relation denkbar. Die eine bezieht sich auf die Modalität der Notwendigkeit. Schönheit und Sittlichkeit kämen demnach in der Allgemeingültigkeit (Universalität) ihres Anspruches auf Gültigkeit überein. Das Symbol bezöge sich dementsprechend auf die Gesetzesform des ästhetischen Urteils (&&. Eine solche Interpretation des Symbols ginge jedoch in mehrerer Hinsicht fehl. Zum einen ist es gerade der besondere Anspruch auf Notwendigkeit des Wohlgefallens am Schönen, welcher eine besondere Schwierigkeit der Ästhetik Kants ausmacht, die er sich selbst in der Kritik der Urteilskraft als Aufgabe erst vorgelegt hat.¹⁸¹ Ein Verweis auf die Gesetzesform des moralischen Imperativs durch das ästhetische Urteil wäre in diesem Falle nicht versinnlichend, sondern würde eher verdunkelnd wirken. Zum andern wäre ein solches Symbol redundant, da Kant die Symbolisierung der (Natur‐)Gesetzesform bereits in der Typik der Kritik der praktischen Vernunft unternommen hat. Die andere und zutreffende Möglichkeit bezieht sich auf die Symbolisierung der Relationskonstante RΦ durch RΨ : Die Freiheit der ästhetischen Reflexion dient als Symbol für die praktische Freiheit. Es bleibt offen, worin diese Reflexionsfreiheit bestehen sollte. Kant erörtert diese Frage in § 35 der Kritik der Urteilskraft. Da sich das ästhetische Urteil nicht interessegeleitet auf ein Objekt als einen Gegenstand einer möglichen Erkenntnis bezieht, wird es nicht durch diesen zur Auffindung, respektive Anwendung eines entsprechenden Begriffes necessiert.¹⁸² Das Zusammenwirken der beiden Erkenntniskräfte – der Rezeptivität in der Anschauung einerseits und der Sponta-
Kulenkampff (), S. und , fasst das vierte Moment des ästhetischen Urteils assertorisch auf und begründet dies mit der Unbeweisbarkeit qua Unbegrifflichkeit des ästhetischen Urteils. Der lakonische Einwand Reckis (cf. Recki (), S. ), es gehe Kant in der Modalbestimmung darum, zu zeigen, dass etwas notwendig, nicht bloß wirklich schön sei, mag sachlich unzweifelhaft sein, entkräftet jedoch nicht Kulenkampffs Abweisung der dritten Subkategorie der Modalität für das ästhetische Urteil. Beide Positionen scheinen jedoch vermittelbar. Diese mittlere Position besteht darin, die Ebene der Gültigkeit des Urteils selbst von seinem Gültigkeitsanspruch zu unterscheiden. So ist die Apodiktizität, die das ästhetische Urteil anzeigt, als eine solche zu fassen, welche eine Notwendigkeit nicht schlechthin ausdrückt, insofern sie niemals durch einen möglichen Beweisgrund demonstriert werden könnte, sondern sie drückt den Anspruch auf notwendige Beipflichtung der im Urteil bloß assertorisch gefassten Relation aus. Diese Interpretation ähnelt dem, was Kant in § über das ästhetische Urteil sagt, nämlich dass es sich um ein solches von allgemeiner Gültigkeit eines einzelnen Urteils handele, cf. KdU § , B ; AA V, ; S. . Cf. Kohler (), .
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neität der Verstandestätigkeit andererseits – erfolgt daher in der Einbildungskraft nicht als Subsumtion einer Anschauung unter einen Begriff, sondern als ein freies Reflektieren auf die durch den Gegenstand der ästhetischen Anschauung insinuierte Zweckmäßigkeit der Erkenntnisvermögen selbst. Diese, in Ansehung einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, gebraucht, erfordert zweier Vorstellungskräfte Zusammenstimmung: nämlich der Einbildungskraft (für die Anschauung und die Zusammensetzung des Mannigfaltigen derselben), und des Verstandes (für den Begriff als Vorstellung der Einheit dieser Zusammensetzung). Weil nun dem Urteile hier kein Begriff vom Objekte zum Grunde liegt, so kann es nur in der Subsumtion der Einbildungskraft selbst (bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird) unter die Bedingungen, daß der Verstand überhaupt von der Anschauung zu Begriffen gelangt, bestehen.¹⁸³
Die Freiheit dieses „Reflexionsschematismus“ besteht darin, dass die durch ihn ausgedrückte Regel als Funktion der Urteilskraft ohne einen Begriff auskommt, auf den dieser sich bezöge. D. i. weil eben darin, daß die Einbildungskraft ohne Begriff schematisiert, die Freiheit derselben besteht: so muß das Geschmacksurteil auf einer bloßen Empfindung der sich wechselseitig belebenden Einbildungskraft in ihrer Freiheit, und des Verstandes mit seiner Gesetzmäßigkeit, also auf einem Gefühle beruhen, das den Gegenstand nach der Zweckmäßigkeit der Vorstellung (wodurch ein Gegenstand gegeben wird) auf die Beförderung des Erkenntnisvermögens in ihrem freien Spiele beurteilen läßt […].¹⁸⁴
Das Schematisieren ohne Begriff scheint angesichts der Feststellung, dass Kant das Schema eines Begriffes als seine Funktion gebraucht, paradox.¹⁸⁵ Dennoch erhellt die Funktionsinterpretation diese Kernschwierigkeit der kantischen Ästhetik. Im Falle der ästhetischen Reflexion werden Schemata nicht als Regeln zu Begriffen, bzw. als Subsumtionregeln gebraucht. In ihrer Anwendung wird nicht der ästhetische Gegenstand unter einen Begriff gebracht, sondern spielerisch auf ihn reflektiert. Anschauungs- und Begriffsvermögen werden daher nicht nach einem bestimmten Begriff aufeinander bezogen, sondern die Vermögen selbst werden durch das freie Schematisieren untereinander subsumiert. … der Geschmack, als subjektive Urteilskraft, enthält ein Prinzip der Subsumtion, aber nicht der Anschauungen unter Begriffe, sondern des Vermögens der Anschauungen oder Darstellungen (d. i. der Einbildungskraft) unter das Vermögen der Begriffe (d. i. den Verstand),
KdU § , B ; AA V, ; S. . KdU § , B ; AA V, ; S. . Cf. Fricke (), S. .
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sofern das erstere in seiner Freiheit zum letzteren in seiner Gesetzmäßigkeit zusammenstimmt.¹⁸⁶
Diese Subsumtion wird im Falle ihres Zusammenstimmens in ihrem durch den schönen Gegenstand angeregten freien Spiel als ästhetisches Erlebnis lustvoll erfahren.¹⁸⁷ Der freie Gebrauch der Schemata¹⁸⁸ als bloße Funktionen verstattet damit der subjektiven Urteilskraft das Zusammenstimmen der Vermögen von Anschauung und Begriffen zu konstatieren anhand ihrer in der ästhetischen Reflexion über den schönen Gegenstand vorgefundenen Zweckmäßigkeit. Jene dabei erlebte Harmonie der Erkenntnisvermögen wird so als Bestätigung der Zweckmäßigkeit unserer Erfahrungsanlagen¹⁸⁹ in Bezug auf die möglichen Gegenstände der Erfahrung begriffen. Diese Erfahrung der zweckmäßigen Einrichtung unserer Erkenntniskräfte bestimmt jedoch kein objektives transzendentales Prinzip, insofern im ästhetischen Urteil die Ordnung der Mannigfaltigkeit der Erscheinung nicht durch eine Verstandestätigkeit mittels eines Begriffes bzw. seiner Funktion schon etabliert ist, sondern diese präsentiert sich dem Subjekt in der Mannigfaltigkeit der Erfahrungsgegenstände als erkenntnisvorgängig.¹⁹⁰ Hierin besteht die besondere Leistung der reflektierenden Urteilskraft gegenüber der transzendentalen in der Kritik der reinen Vernunft. ¹⁹¹ Die Bedingungen dieses Zusammenstimmens stellen bloß subjektive, mithin transzendental-subjektive Prinzipien dar; sie sind als Bedingungen der Erfahrung eben nicht zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung.¹⁹² Die gefundene
KdU § , B ; AA V, ; S. f. Die Vollständigkeit der Reflexion ist kein Kriterium des freien Schematisierens, wie Fricke (), S. , meint. Diese kann sich nur auf die von einem Begriff ausgesagten Teilvorstellungen, i.e. seine Merkmale beziehen und nicht auf die Mannigfaltigkeit der Rezeptivität in der bloßen Reproduktion, cf. KrV, A | B ; S. . Durch die Nichtbegrifflichkeit des freien Schematisierens ist die Idee eines vollständigen Schemas, welches nur das Schema eines vollständigen Begriffes bedeuten kann, daher von vornherein ausgeschlossen. Darüber hinaus wäre ein solcher vollständiger Begriff eines Gegenstandes mit seinem Ideal identisch, welches sich als Vernunftidee gänzlich jeder möglichen Erfahrung entzieht. Das freie Schematisieren lässt zwar Begriffe in der ästhetischen Reflexion aufscheinen, jedoch werden diese nicht zur Subsumtion der Erscheinungen verwendet. Der ästhetische Gebrauch der Urteilskraft ist in jedem Falle reflektierend. KdU § , B ; AA V, ; S. . Cf. Fricke (), S. . Hieraus ergibt sich jedoch nicht die Möglichkeit, Regeln aus dem Gegenstand des ästhetischen Urteils selbst abzuleiten, wie Fricke (2000), S. 47, dies unternimmt. Cf. Bartuschat (), S. . Cf. KdU Einleitung VIII, B LII; S. . KdU, Einleitung Heiner Klemme, XXXVIII. Bojanowski (), S. .
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Übereinstimmung der Erkenntniskräfte muss sich dementsprechend in der objektiven Assoziation der erfahrungstranszendenten Materie der Erscheinung gründen.¹⁹³ Dennoch kann dieses Begründungsverhältnis von Gegenstand und subjektiver Vorstellung nicht umgekehrt werden. Die rein subjektive Qualität des ästhetischen Urteils kann nicht auf eine bestimmte Struktur des Gegenstandes dieses Urteils reduziert werden.¹⁹⁴ Hierzu wäre nämlich wiederum selbst ein Begriff des ästhetischen Gegenstands notwendig, der seinerseits eine Regel zu seiner Anwendung mit sich führen müsste. Wäre dies jedoch der Fall, dann wäre jede ästhetische Erfahrung als freies Schematisieren ab origine verunmöglicht und der in der Reflexion durch die Vernunft unverstellte Zugang erneut transzendental informiert. Zuletzt bleibt zu klären, worin das Moment der Hypostasierung besteht.Wenn die Symbolisierung gelingen soll, dann muss die praktische Freiheit durch die Reflexionsfreiheit versinnlicht werden können.¹⁹⁵ Zwei Fragen stellen sich entsprechend: 1. 2.
Wodurch kommt die Sinnlichkeit der Freiheit in der ästhetischen Reflexion zustande? Worin besteht der innere Grund für die Vergleichbarkeit von Schönheit und Sittlichkeit?
Die erste Frage bezieht sich auf den sinnlichen Erkenntnisgrund unserer Reflexionsfreiheit. Ihre ratio cognoscendi ist das unmittelbare Erleben der Autonomie unserer Einbildungskraft in Ansehung der Unabhängigkeit des ästhetischen Erlebens von Erfahrungsgesetzen. In diesem Vermögen [des Geschmacks, M. B.] sieht sich die Urteilskraft nicht, wie sonst in empirischer Beurteilung, einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen: sie gibt in Ansehung der Gegenstände eines so reinen Wohlgefallens ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft es in Ansehung des Begehrungsvermögens tut […].¹⁹⁶
Cf. KrV, A ; S. . Auf einen ähnlichen Zusammenhang weist Stolzenberg in seiner Kritik am objektivistischen Missverständnis der kantischen Ästhetik von Fricke und Kulenkampff hin, i. e. zum einen Frickes Identifikation des ästhetischen Urteils mit dem Konzept des Ideals (cf. Fricke (), S. ), zum anderen Kulenkampffs Suche nach notwendigen Gegenstandsmomenten als Kriterien des Schönen (cf. Kulenkampff (), S. ), cf. Stolzenberg (), S. . Cf. Vossenkuhl (), S. . KdU § , B ; AA V, ; S. .
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Die Urteilskraft sieht sich im Geschmacksurteil qua ihres freien Schematisierens zu keinem Begriffe genötigt, unter den der ästhetische Gegenstand zu fassen sei. Sie erfährt sich damit unabhängig von heteronomen, mithin empirischen Bestimmungen, welche sie in ihrem Urteil necessierten.¹⁹⁷ Dieses Erfahren der Autonomie innerhalb der freien Reflexion bildet die Grundlage der Phänomenologie des Freiheitsempfindens ¹⁹⁸ als ästhetische Erfahrung. Die zweite Frage bezieht sich auf die ratio essendi. Nur in Rücksicht auf die Übereinstimmung unserer subjektiven Vermögen mit dem objektiven datum erweist sich die transzendente Möglichkeit unseres Freiheitsgebrauchs in der Ästhetik: […] sowohl wegen dieser innern Möglichkeit im Subjekte, als wegen der äußern Möglichkeit einer damit übereinstimmenden Natur, auf etwas im Subjekte selbst und außer ihm, was nicht Natur, auch nicht Freiheit, doch aber mit dem Grunde der letzteren, nämlich dem Übersinnlichen verknüpft ist, bezogen, in welchem das theoretische Vermögen mit dem praktischen, auf gemeinschaftliche und unbekannte Art, zur Einheit verbunden wird.¹⁹⁹
Dieses Übersinnliche stellt das in § 57 erörterte intelligible Substrat dar. Die subjektive Erfahrung der Zweckmäßigkeit der Erkenntniskräfte in ihrem freien Gebrauch ist allein aus der transzendentalen Subjektivität nicht zu erklären, da das Reflexionsvermögen eben nur ein subjektiv-transzendentales Prinzip darstellt. Es kann daher nicht selbst Grund dieser Ordnung sein. Daher ist die Kongruenz nur im Rekurs auf das erfahrungstranszendente Substrat verständlich zu machen.²⁰⁰ Damit wird zum einen ersichtlich, dass die Reflexionsfreiheit und die praktische Freiheit als Autonomie durch ihre Analogisierbarkeit dieselbe Wurzel besitzen, nämlich die transzendentale Freiheit, i. e. die Freiheit als Spontaneität,²⁰¹ und nicht zwei verschiedene Arten von Freiheit darstellen.²⁰² Zum anderen wird aufgedeckt, wie aus der geschlossenen Sphäre²⁰³ der transzendental bestimmten Erfahrungswelt eine Prospektion auf das Intelligible möglich sein kann.
Ebenfalls ist das Geschmacksurteil unabhängig von Geschmacksurteilen anderer, wie Wolandt (), S. , richtig bemerkt. Cf. Recki (), S. . KdU § , B ; AA V, ; S. . Besonders scharf hat bereits Fichte diese Bedeutung des transzendentalen Substrates gesehen: „Die Kantische Spekulation endet auf ihrer höchsten Spitze mit faktischer Evidenz der Einsicht, daß der sinnlichen und übersinnlichen Welt doch ein Princip ihres Zusammenhanges, also durchaus ein genetisches, beide Welten schlechthin erschaffendes und bestimmendes, Princip zu Grunde liegen müsse.“ Fichte (), S. . Cf. Recki (), S. . Cf. Recki (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. f.
Exkurs: Der transzendentale Symbolismus
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Vor dem Wiederaufgreifen der eigentlichen Untersuchung, soll kurz ein Ausblick auf das Potential des kantischen Symbolbegriffs gegeben werden. So ist mit dem transzendentalen Symbol als Reflexionsschematismus ein Modus gefunden, mit dem der philosophischen Forschung an den Grenzbereichen ihrer Begrifflichkeit ein nicht unbedeutendes Instrument zur Seite gestellt ist, welche sich besonders mit Blick auf die Frage der Möglichkeit historischer und kulturinvarianter Symbole als fruchtbar erweisen dürfte. Damit könnte der transzendentale Symbolismus für den transkulturellen Diskurs innerhalb der Philosophie bedeutsam werden. Ein Beispiel eines solchen Symbols von transkultureller Bedeutung stellt das „Licht“ als Symbol des reinen Bewusstseins dar,²⁰⁴ welches ebenfalls Symbol des sogenannten „Zeugenbewusstseins“ (Skr. sākṣi-caitanya)²⁰⁵ der indischen Tradition ist. In beiden Fällen wird mittels der Lichtmetapher auf dasselbe Verhältnis reflektiert, nämlich das des Bewusstseins zu seinen Vorstellungen als ein solches, in dem das Bewusstsein seine Bewusstseinsinhalte als die seinen erkennt, ohne dass diese das von seinen Vorstellungen abgelöste Bewusstsein affizieren könnten. Das Bewusstsein tritt in diesem Zustand nur mehr als Zeuge, nicht als Agent oder Träger seiner Vorstellungen auf. In der Vorstellung des Lichts als Symbol des reinen Bewusstseins findet eine besondere Reflexion auf das Substanzschema statt: Die zu symbolisierende Beziehung R(b! i& von Bewusstsein (b& und Bewusstseinsinhalt (i& wird in Beziehung zum bekannten Schema der Substanz gesetzt: #&0x◊p(x&! ' #R(b! i&!. Wesentlich für das Verständnis des Symbols ist das Verhältnis von Sichtbarkeit, Sichtbarmachung und Unsichtbarkeit im Begriff des Lichts. Das Licht selbst ist als Licht unsichtbar. Es ist nur „sichtbar“, insofern es sichtbar macht. Was also im Symbol des Lichts reflektiert wird, ist das Wechselverhältnis von Substanz und Akzidenz, in dem das Subsistierende nur im Akzidentiellen sichtbar wird. Das Akzidentielle stellt in Bezug auf das Licht die (Reflexions‐)Quelle desselben dar. Das Akzidenz, durch welches die Anschauung des Lichts stattfindet, ist dem Licht selbst daher gänzlich äußerlich, mithin kontingent. Erscheinen und Erscheinen-können werden so zwar als Wechselverhältnis gemäß dem SubstanzAkzidenz-Schema gedacht, jedoch ohne dass die Substanz durch das Akzidenz als affiziert vorgestellt wird. Die Universalität der Lichtmetapher, welche de facto feststellbar ist, lässt sich also durch den Verweis auf seine transzendentalphilosophische Bedeutung als Reflexionsschema begründen.
Cf. Fichte (), passim. Zum Begriff des Lichts bei Fichte, cf. Janke (), S. . sākṣi-caitanya wird auch svataḥsiddha – selbstevident, svayaṃjyotis – selbstleuchtend bezeichnet.
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
3.3 Das Problem des Dinges an sich Nachdem im vorherigen Gliederungsabschnitt die Frage der Denkmöglichkeit der Wirkung des Dinges an sich auf das Vorstellungsvermögen des Subjektes erörtert wurde, ist nun zu klären, wie das Ding an sich selbst überhaupt gedacht werden kann. Zwei Ansichten scheinen hier gleichberechtigt möglich zu sein, welche sich in den klassischen Positionen von Erich Adickes²⁰⁶ und dem Marburger Neukantianismus, namentlich Hermann Cohen²⁰⁷ und Paul Natorp,²⁰⁸ widerspiegeln: Einmal das Ding als Realgrund der empirischen Erkenntnis, zum anderen als ideale Aufgabe derselben. Mit Blick auf die in 3.1 diskutierte Genesis der Erfahrung vor dem Hintergrund der bestimmungslogischen Dependenz der transzendentalen Funktionen soll die in diesem Gliederungsabschnitt gewonnene Bestimmung des Denkens genutzt werden, um die in der Kantforschung diskutierte Frage nach einer adäquaten Interpretation des Dinges an sich zu beantworten, was eine Klärung des Zusammenhanges der von Kant verwendeten Begriffe für dasselbe mit einschließt. Dalbosco²⁰⁹ unterscheidet hier drei verschiedene Lesarten des Dinges an sich: Erstens eine „epistemologische Lesart“, welche „Ding an sich“, „Noumenon“ und „transzendentaler Gegenstand“ als Synonyme begreift, jedoch eine Zwei-WeltenInterpretation zugunsten einer Interpretation der Kritik der reinen Vernunft als ein erkenntnistheoretisches Werk ablehnt; zweitens eine „ontologische Lesart“, welche ebenfalls von einer Synonymität der Begriffe ausgeht, jedoch für eine ZweiWelten-Interpretation votiert und drittens eine „transzendentale Lesart“, welche das Ding an sich und das in der Erscheinung als zwei verschiedene Perspektiven auf denselben Gegenstand versteht, wobei die Begriffe „Ding an sich“, „Noumenon“ und „transzendentaler Gegenstand“ zu differenzieren seien. Dalbosco selbst votiert für die dritte Interpretation.²¹⁰ Die Berechtigung seiner Einteilung sei dahingestellt, sofern er sowohl Adickes als auch Prauss zu Vertretern der letzten Lesart macht, wobei diese, wie er selber eingesteht, die Theorie, dass es sich bei dem Ding an sich und dem in der Erscheinung um denselben Gegenstand unter
Die Gegensätzlichkeit der Auffassungen von Adickes und Cohen findet sich expliziert in Adickes (), S. f. Anm. . Bezüglich Cohens Interpretation des Dinges an sich als Aufgabe cf. Cohen (), S. und Cohen (), S. ff. „So kann also von keinem „gegebenen Gegenstand“ mehr die Rede sein; also auch nicht von Erkenntnis als bloßer Analyse dieses Gegebenen. Gerade der Gegenstand vielmehr ist Aufgabe, ist Problem ins Unendliche.“ Natorp (), S. . Dalbosco (), S. . Dalbosco (), S. .
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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verschiedenen Perspektiven handele, „unter unterschiedlichen Gesichtspunkten“²¹¹ verteidigten. Viel wichtiger erscheint uns dagegen die systematische Lösung des Konfliktes zwischen den Parteien, welcher sich vornehmlich an der Möglichkeit einer erkenntniskonstitutiven Bedeutung des Dinges an sich entzündet, welches außerhalb der Erkenntnissphäre steht. Unserer Ansicht nach handelt es sich hierbei um eine interpretatorische Pattsituation. Folgt man der in Dalboscos Einteilung ersten Lesart, so ist zwar Kants Rede vom Ding an sich als Grenzbegriff repräsentiert, jedoch bleibt der unverfügbare Ursprung der Erfahrung in der Affektion unberührt und unverstanden. Folgt man der zweiten, so wird der Affektionsursprung der Erkenntnis, wie dessen Irreduzibiliät auf das Innere der Erfahrungssphäre berechtigterweise hervorgehoben, jedoch ist schwer zu sehen, wie die angenommenen zwei Welten miteinander verknüpft sein könnten, noch wie das Ding an sich als Grenzbegriff, respektive das transzendentale Objekt als Correlatum der Apperzeption aufgefasst werden könnten. Für die von Dalbosco als „transzendentale Lesart“ apostrophierte dritte Position gilt einerseits in gewissem Sinne das, was bereits für die erste festgestellt wurde: Der unerkennbare, jedoch notwendige Affektionsgrund existiert zwar im Gegensatz zum epistemologischen Ansatz weiterhin, jedoch geht er in einem empirischen Verhältnis auf, worauf transzendental nur anders reflektiert wird, ohne dass eingesehen werden könnte, wie eine solche Reflexion überhaupt sinnvoll möglich wäre.²¹² Andererseits erwächst ihr aus der Idee der doppelten Perspektivierung desselben Gegenstandes einmal als Erscheinung, zum anderen als Ding an sich, eine ähnliche Schwierigkeit, wie sie die Zwei-Welten-Interpretation hat, nur dass es sich bei dieser nicht um die Frage nach der Möglichkeit der Vermittlung beider, sondern um die Frage nach einer konsistenten Auffassung beider Aspekte an einem Gegenstand handelt. So scheint Kant mit der Unerkennbarkeit der Dinge an sich offensichtlich anzunehmen, dass sich die ratio essendi nicht mit der ratio cognoscendi deckt, dem Ding an sich also Bestimmungen zukommen, welche für uns prinzipiell unentdeckt bleiben, ähnlich den unendlichen Attributen des spinozistischen Gottes,von denen uns nur zwei, nämlich Ausdehnung und Intellekt, zugänglich sind. Diese Schwierigkeit stellt wiederum aus offensichtlichen Gründen weder für die erste noch für die zweite Lesart ein Problem dar, sofern die erste das Ding an sich als Horizont des Erkenntnismöglichen setzt, die zweite ohnehin von der Inkommensurabilität der zwei Welten ausgeht. Im Folgenden wird gezeigt werden, dass ähnlich wie im Falle der richtigen Lesart der Apperzeption das Problem nicht durch die Entscheidung für eine der
Dalbosco (), S. . Cf. Kap. ...
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
drei Lesarten zu lösen ist, da die Entscheidung selbst das Problem begründet. Jede der drei Lesarten provoziert automatisch den berechtigten Einspruch der beiden anderen. Eine wirkliche Lösung kann also nur darin bestehen, diese drei Interpretationen des Dinges an sich zu vereinigen. Wenn dies gelingt, sollte sich auch die Frage beantworten lassen, wie die Begriffe, „Ding an sich“, „transzendentales Objekt“ und „Noumenon“ in ihrem Verhältnis zueinander zu verstehen sind.
3.3.1 Das Ding an sich als Grund und Aufgabe der Erkenntnis Das erste Problem, welches sich der Erörterung des Begriffes vom transzendentalen Objekt entgegenstellt, liegt in der Frage, ob eine solche überhaupt legitimerweise möglich ist. Nach Schulze und Fichte verlöre bekanntlich das transzendentale Objekt seinen Ansich-Charakter, sobald es überhaupt nur zum Gegenstand der Vorstellung würde.²¹³ Diesem Einwurf kann mit Adickes begegnet werden, dass Kant nirgends den Eindruck erweckt, als gehöre das Ding an sich in eine, dem Subjekt der Vorstellungen gänzlich entrückte Sphäre.Vielmehr bildet es den Grund aller produktiven Erkenntnistätigkeit. Das Ding an sich ist daher für uns immer schon in der Erscheinung präsent, sofern es die Materie derselben ausmacht. Es kann, respektive muss daher immer schon (mit‐)gedacht werden, wenn dem Gegenstand in der Erscheinung eine objektive, d. h. subjektunabhängige Bedeutung zukommen soll.²¹⁴ Eine Elimination²¹⁵ des Dinges an sich zugunsten seiner bloß erkenntnislogischen Bedeutung kann daher auch nicht im Sinne Kants sein.²¹⁶ Es gilt daher erstens zu begreifen, wie im Sinne Kants sinnvoll von einer Cf. Fichte (), S. . Cf. KrV, A ; S. f. Chiba (), S. , ist daher zuzustimmen, wenn er vom Ding an sich als einem ’uneliminierbaren Element der kantischen Erkenntnistheorie’ spricht. Fraglich ist auch, wie das Ding an sich als Aufgabe im Begriff der Erkenntnis gesetzt sein kann, ohne dass ihm ein An-sich-Charakter zukäme, welcher im Begriff der Erkenntnis vorausgesetzt ist. So scheint es notwendig, dass in der Erkenntnis die Setzung der Totalität als zu bestimmende, dieselbe als Bestimmbarkeit voraussetzt. Diese Kritik am Begriff des Dinges an sich, wie ihn die Marburger Schule fasste, äußerte bereits Wolfgang Cramer gegen Natorp: „Nach Natorp ist Erkenntnis ihrem Begriff nach spontane Setzung, Erzeugung, Synthesis als erzeugende Urfunktion. Natorp bestimmt damit den Begriff der Erkenntnis in gewisser Weise. Diese Bestimmung muß sich in ihrem Recht ausweisen können, es muß die Frage zu stellen sein, ob diese Bestimmung des Begriffes der Erkenntnis als spontane Setzung zu Recht bestehe. Es ist also der Begriff der Erkenntnis Inhalt der Frage, Gegenstand oder Problem, er ist aber zugleich das Prinzip oder die Voraussetzung, um das Problem bewältigen zu können. Der Begriff der Erkenntnis als Problem aber steht zum Begriff der Erkenntnis als Voraussetzung nicht in einer derartigen Beziehung, daß man sagen darf, der Begriff der Erkenntnis setze sich, erzeuge sich spontan. Der Begriff der Er-
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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Denkmöglichkeit des Dinges an sich gesprochen werden kann; zweitens wie sich dieses Denken zum Erkennen verhält. Der Schlüssel zu beiden Fragen findet sich, wie bereits in der Diskussion um die Apperzeptionsstruktur des Subjektes, in der Transzendentalen Dialektik. Dort liefert Kant, obgleich nur in kritischer Absicht, die kategoriale Struktur der Reflexion über das Ding an sich, und zwar indem er das Verhältnis der Vorstellungen „zu allen Dingen überhaupt“²¹⁷ beleuchtet. Mit dem Verweis auf die transzendentale Dialektik ist bereits die erste Frage beantwortet. Das Ding an sich wird zwar notwendig auf eine bestimmte Weise gedacht, welche es im Folgenden zu erörtern gilt, es wird jedoch durch diese Funktionen nicht in erkenntniskonstitutiver Weise bestimmt noch kann es überhaupt zum Gegenstand der Erkenntnis werden. Die Gültigkeit der unschematisierten Kategorien, welche Adickes auch für die Dinge an sich in Anspruch nimmt,²¹⁸ kann daher mit dem Hinweis zurückgewiesen werden, dass das Ding an sich nicht durch die Verwendung der Urteilsfunktionen zum Gegenstand einer Erkenntnis, sondern nur zum logisch notwendigen Gegenstand einer Urteilshandlung überhaupt gemacht wird. Es ist auch hinsichtlich der bloß logischen Bestimmung des Dinges an sich immer noch das Denken selbst, welches sich hinsichtlich seiner notwendigen Vorstellungen selbst zum Gegenstand macht. Die aus dem apperzeptiven Prozess entwickelten kenntnis setzt sich, das schließt eine Beziehung des Begriffes der Erkenntnis auf sich selbst ein, und zwar eine solche, in der der setzende Begriff der Erkenntnis als Prinzip und Bedingung den gesetzten Begriff der Erkenntnis als Gegenstand erzeugt und bedingt. Dann aber ist der gesetzte Begriff der Erkenntnis nicht nur durch die Bedingung bedingt, sondern auch durch die Bedingung gegeben, also kein Problem mehr. – Der Begriff der Erkenntnis als Problem verweist zwar auf den Begriff der Erkenntnis als Bedingung, er ist aber in seinem Verweisen auf die Bedingung zu klären, also nicht durch die Bedingung gegeben. Erkenntnis bedingt sich selbst, heißt nicht – so können wir mit anderen Worten sagen – , daß sich Erkenntnis sich selbst gibt. Der Begriff der Erkenntnis setzt sich nicht, sondern setzt sich voraus. Das ist ein tiefgreifender Unterschied. Indem Natorp Erkenntnis als spontane Erzeugung bestimmt, bestimmt er Erkenntnis so, wie Erkenntnis ihrem Begriff nach als Setzung (Problem) und Voraussetzung nicht bestimmt sein kann. Natorp setzt einen unzulässigen Begriff der Erkenntnis an. – In der Tat führt der Begriff der spontanen Erzeugung zu ungereimten Konsequenzen. Das spontan gesetzte X soll als ein zu Bestimmendes gesetzt sein. Was soll bestimmt werden? Wie kann X als durch ein Prinzip hervorgebracht, gegeben, dennoch einen Mangel an Bestimmtheit aufweisen? Kurz, wie soll X Problem sein können? Letztlich hängt der Begriff der Richtung, der Aufgabe und damit der ganze unendliche Progreß in der Luft. Soll aber X als spontanes Erzeugnis der Urfunktion, des Prinzips, endgültig bestimmt sein, dann ist es kein Problem mehr und auch nicht ein mögliches Problem. Dann aber entfällt erst recht die Aufgabe, das Ziel, der unendliche Progreß.Wäre Erkenntnis ihrem Begriff nach spontane Setzung im Sinne Natorps, dann hätte Erkenntnis keinen Gegenstand, Erkenntnis bliebe leer.“ Cramer (), S. f. KrV, A | B ; S. . Cf. Adickes (), S. .
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
Bestimmungsformen, i. e. die in der Urteilstafel niedergelegten Urteilsfunktionen, brauchen dabei immer noch das Konkretum zur Anwendung, welches in seiner Ansichstruktur durch diese unerkannt bleibt.²¹⁹ Zwei Fehler sind daher von vornherein in der Erörterung des Dinges an sich auszuschließen: Erstens darf das Ding an sich nicht als materieller, in Raum und Zeit situierter Gegenstand vorgestellt werden. Nun kann man zwar einräumen: daß von unseren äußeren Anschauungen etwas, was im transzendentalen Verstande außer uns sein mag, die Ursache sei, aber dieses ist nicht der Gegenstand, den wir unter den Vorstellungen der Materie und körperlicher Dinge verstehen; denn diese sind lediglich Erscheinungen, d. i. bloße Vorstellungen, die sich jederzeit nur in uns befinden, und deren Wirklichkeit auf dem unmittelbaren Bewußtsein eben so, wie das Bewußtsein meiner eigenen Gedanken beruht. Der transzendentale Gegenstand ist, sowohl in Ansehung der inneren als äußeren Anschauung, gleich unbekannt.²²⁰
Der transzendentale Gegenstand ist nicht Gegen-stand im räumlichen Sinne. Er ist nicht ante, sonder praeter nos, wie Heimsoeth in Anschluss an Lichtenberg²²¹ klarstellt.²²² Auch darf der transzendentale Gegenstand nicht im cartesischen Sinne als vom Subjekt des Denkens substantiell unterschieden gedacht werden, sofern eine solche Bestimmung des Verhältnisses von Erkennendem und Erkannten einen hyperphysischen, da erfahrungsunabhängigen Gebrauch der Kategorie der Substanz bedeutete. Die Natur des Dinges an sich bleibt weiterhin unbekannt, obzwar seine Notwendigkeit in Bezug auf die Möglichkeit der Erfahrung geboten und die Natur seiner Wirkung per analogiam gedacht werden kann. Der zweite Fehler betrifft den Gebrauch der Idee des transzendentalen Objekts als Ideal, d. h. als eines einer Idee adäquaten Wesens.²²³ Als Ideal wird das Ding an sich als Flucht- und Zielpunkt der Erfahrung,²²⁴ mithin als die notwendige Vorstellung der epistemischen Totalität als Erfüllung aller Bestimmungshinsichten in einem der Empfindungsmannigfaltigkeit in der Wahrnehmung zugrundeliegendem Substratum vorgestellt.²²⁵ Da im Begriff des transzendentalen Substratums Cf. KrV, A ; S. . KrV, A ; S. . Cf. Lichtenberg (), S. – . Cf. Heimsoeth (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. Rohs (), S. . Zum Bezug des Dinges an sich zum transzendentalen Ideal vergleiche auch Ferrari (), S. . Nach Heimsoeth wird das Noumenon als Ding an sich gedacht und mit dem Namen Gottes versehen, cf. Heimseoth (), S. . Nach Klimmek muss im „Rahmen des transzendentalen Idealismus Kants [] dasjenige transzendentale Substratum, welches ’den ganzen Vorrat des
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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die Bedingung der Möglichkeit aller Prädikation als objektiv, d. h. durch dieses selbst in individuo dargestellt, gedacht wird, hat die Vorstellung des Substratums die Allheit aller Realität zum Inbegriff. Das Konkretum wird im Verhältnis zur Vorstellung seiner Totalität, mithin aus der Vorstellung der Totalität des transzendentalen Substratums als Verendlichung, i. e. als Beschränkung der omnitudo realitatis gedacht.²²⁶ Wenn also der durchgängigen Bestimmung in unserer Vernunft ein transzendentales Substratum zum Grunde gelegt wird,welches gleichsam den ganzen Vorrat des Stoffes, daher alle mögliche Prädikate der Dinge genommen werden können, enthält, so ist dieses Substratum nichts anders, als die Idee von einem All der Realität (omnitudo realitatis). Alle wahre Verneinungen sind alsdenn nichts als Schranken, welches sie nicht genannt werden könnten, wenn nicht das Unbeschränkte (das All) zum Grunde läge.²²⁷
Die Vorstellung der vollständigen Erfüllung aller möglichen Bestimmungs-rücksichten bildet einerseits den formalen Hintergrund des Begriffes des Dinges an sich selbst in der Idee, andererseits die materiale Bedingung der Möglichkeit seiner Vorstellung als Ideal, insofern dieses gerade durch die Unendlichkeit der Realität seines Inbegriffes gedacht und dabei zugleich die Bestimmung des Einzelnen als Beschränkung desselben vorgestellt wird.²²⁸ Das transzendentale Ideal kann demzufolge auch nur ein einzelnes sein, da nur in diesem einzigen Fall ein allgemeiner Begriff eines Gegenstand durch sich selbst als vollständig, mithin als durchgängig bestimmt gedacht wird.²²⁹ Es ist aber auch durch diesen Allbesitz der Realität der Begriff eines Dinges an sich selbst, als durchgängig bestimmt, vorgestellt, und der Begriff eines entis realissimi ist der Begriff eines einzelnen Wesens, weil von allen möglichen entgegengesetzten Prädikaten eines, nämlich das, was zum Sein schlechthin gehört, in seiner Bestimmung angetroffen wird. Also ist es ein transzendentales Ideal, welches der durchgängigen Bestimmung, die notwendig bei allem,
Stoffes’ enthält, wohl als das uns affizierende Ding an sich gedacht werden […].“ Klimmek (), S. , Anm. . Hier wird die Ähnlichkeit zum Einschränkbarkeitscharakter der Anschauungsformen deutlich, cf. Brandt (a), S. . KrV, A | B ; S. . Ricken erblickt in diesem Übergang von „der Idee eines Alls der Realität zum Ideal eines allerrealsten Wesens“ den ersten, natürlichen Fehlschluss der Vernunft in der Vorstellung des ens realissimum, cf. Ricken (), S. . Ähnlich auch Baumanns (), S. . Diese Einschätzung ist durchaus richtig, jedoch kommt auch der Vorstellung des Gegebenseins der Totalität eine konstruktive, wenn gleich auch bloß logische Bedeutung in Rücksicht auf den regulativen Gebrauch der Idee zu, wie noch zu zeigen sein wird. Zum Problem der Pluralität der Ideale und wie sich diese (praktisches und ästhetisches Ideal) zum transzendentalen verhalten, cf. Heimsoeth (), S. ff.
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
was existiert, angetroffen wird, zum Grunde liegt, und die oberste und vollständige materiale Bedingung seiner Möglichkeit ausmacht, auf welcher alles Denken der Gegenstände überhaupt ihrem Inhalte nach zurückgeführt werden muß. Es ist aber auch das einzige eigentliche Ideal, dessen die menschliche Vernunft fähig ist; weil nur in diesem einzigen Falle ein an sich allgemeiner Begriff von einem Dinge durch sich selbst durchgängig bestimmt, und als die Vorstellung von einem Individuum erkannt wird.²³⁰
Das nun mit der Vorstellung des Dinges an sich selbst als transzendentales Ideal zusammenhängende Problem betrifft den Gebrauch desselben. So kann der Begriff des Ideals einerseits als gegeben, andererseits als bloß aufgegeben gedacht werden. Im ersteren Falle machte man von diesem einen konstitutiven Gebrauch, welches bekanntlich einen unstatthaften, da über die Grenzen der Erfahrung hinausgreifenden Vernunftgebrauch ausmachte.²³¹ Im zweiten Fall wird das transzendentale Ideal als Regulativ verwandt, sofern es den Ziel- und Begrenzungspunkt der Erfahrung bildet. Die eigentliche Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass auch dem regulativen Gebrauch der Bestimmungstotalität als Ideal der Vernunft ebenfalls die Vorstellung „der durchgängigen Bestimmung, die notwendig bei allem, was existiert, angetroffen wird, zum Grunde liegt“.²³² Kant rekonstruiert hier nicht einfach die unkritische Position der Leibniz-Wolffschen Dogmatik, indem er sich, wie Klimmik meint, „in die Gedankenwelt der Rationaltheologen versetzt und mit ihren Annahmen experimentiert.“²³³ Die Annahme, dass das transzendentale Substratum als Ding an sich die Bestimmung eines Gegenstandes ad indefinitum ermöglicht, setzt logisch die Totalität der Bestimmungsgründe im Objekt ad infinitum voraus.²³⁴ Es kann also nicht allein Aufgabe der Interpretation von Kants Begriff des transzendentalen Ideals sein, den Prozess seiner Hypostasierung durch den konstitutiven Ideengebrauch aufzudecken, sondern es muss gezeigt werden, wie die Vorstellung der Bestimmungstotalität im Objekt zur Grundlage des regulativen Gebrauchs des transzendentalen Ideals gedacht werden kann, ohne in die Fallstricke der dogmatischen Metaphysik zu geraten.²³⁵
KrV, A | B ; S. . Mit Verweyen kann man auch von der Suche nach einer „letzten Tatsache“ als eines unbedingten Grundes, warum die Dinge so sind, wie sie sind sprechen. Cf. Verweyen (), S. . KrV, A | B ; S. . Klimmek (), S. , Anm. . Ähnlich schreibt Wittgenstein im Tractatus: „In der Logik ist nichts zufällig: Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen kann, so muß die Möglichkeit des Sachverhaltes bereits präjudiziert sein.“ TLP, S. . Dass hierin die eigentliche Schwierigkeit des Kapitels besteht, zeigt sich bereits in der Konfusion über dessen Grundintention. Cf. Klimmek (), S. .
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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Für die Ausgangsfrage nach der Möglichkeit und der Art und Weise, auf das transzendentale Objekt zu reflektieren und dessen kategoriales Fundament im Denken aufzuweisen, ergibt sich so die Schwierigkeit, dass auf die Idee des Dinges an sich als transzendentales Ideal zwei unterschiedliche Perspektiven möglich sind: Einerseits die Perspektive des konstitutiven, andererseits die des regulativen Gebrauchs der Idee eines transzendentalen Ideals.Wenn also eine Rekonstruktion des Begriffs des Dinges an sich als Vorstellung der Totalität in der Bestimmung des Einzeldinges gelingen soll, muss sich diese doppelte Verwendung des Begriffs in der dem Begriff zugrundeliegenden Funktionsstruktur nachweisen lassen.²³⁶ Kant beginnt die Darlegung des transzendentalen Ideals im zweiten Abschnitt des dritten Hauptstückes des zweiten Buches der Transzendentalen Dialektik mit der Unterscheidung des Grundsatzes der Bestimmbarkeit und des Grundsatzes der durchgängigen Bestimmung. Der Grundsatz der Bestimmbarkeit eines Begriffes stellt ein bloß logisches Prinzip vor, welches auf dem Grundsatz des ausgeschlossenen Widerspruchs basiert, i. e. dass von zwei sich kontradiktorisch zueinander verhaltenden Bestimmungen eines Begriffs höchstens eine von diesem prädiziert werden kann.²³⁷ Ein jeder Begriff ist in Ansehung dessen, was in ihm selbst nicht enthalten ist, unbestimmt, und steht unter dem Grundsatze der Bestimmbarkeit: daß nur eines, von jeden zween einander kontradiktorisch-entgegengesetzten Prädikaten, ihm zukommen könne, welcher auf dem Satze des Widerspruchs beruht, und daher ein bloß logisches Prinzip ist, das von allem Inhalte der Erkenntnis abstrahiert, und nichts, als die logische Form derselben vor Augen hat.²³⁸
Im Gegensatz zum Prinzip der Bestimmbarkeit bezieht sich das der durchgängigen Bestimmung nicht auf die Konsistenz des Begriffes selbst, sondern auf die Bestimmung des Gegenstandes, welcher durch den Begriff bezeichnet wird. Es ist gegenüber dem Grundsatz der Bestimmbarkeit kein bloß logisches, sondern ein transzendentallogisches Prinzip, sofern es sich auf die Möglichkeit des Dinges selbst bezieht. Der Grundsatz der durchgängigen Bestimmung kann aus diesem Grunde auch nicht aus dem Satz des Widerspruches abgeleitet werden, was Kant in klarer Opposition zur Leibniz-Wolffschen Schulphilosophie betont.²³⁹ Er stellt
Um die Hypostase dieses Begriffes zur personalen Gottesvorstellung, dessen Aufdeckung als aus dem dialektischen Vernunftgebrauch notwendig hervorgehend gedacht werden muss, ist es hier nicht zu tun. Die Möglichkeit der Ableitung des Prinzips aus dem Satz des Widerspruchs ist durchaus umstritten. Cf. Weissmann (), S. f. KrV, A | B ; S. . Cf. Streit mit J. A. Eberhard, AA VIII, ff.; S. ff. und AA VIII, ff.; S. ff.
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
dementsprechend auch keinen bloß analytischen, sondern einen synthetischen Grundsatz dar.²⁴⁰ Ein jedes Ding aber, seiner Möglichkeit nach, steht noch unter dem Grundsatze der durchgängigen Bestimmung, nach welchem ihm von allen möglichen Prädikaten der Dinge, so fern sie mit ihren Gegenteilen verglichen werden, eines zukommen muß. Dieses beruht nicht bloß auf dem Satze des Widerspruchs; denn es betrachtet, außer dem Verhältnis zweier einander widerstreitenden Prädikate, jedes Ding noch im Verhältnis auf die gesamte Möglichkeit, als den Inbegriff aller Prädikate der Dinge überhaupt, und, indem es solche als Bedingung a priori voraussetzt, so stellt es ein jedes Ding so vor, wie es von dem Anteil, den es an jener gesamten Möglichkeit hat, seine eigene Möglichkeit ableite. Das Principium der durchgängigen Bestimmung betrifft also den Inhalt und nicht bloß die logische Form. Es ist der Grundsatz der Synthesis aller Prädikate, die den vollständigen Begriff von einem Dinge machen sollen, und nicht bloß der analytischen Vorstellung, durch eines zweier entgegengesetzten Prädikate, und enthält eine transzendentale Voraussetzung, nämlich die der Materie zu aller Möglichkeit, welche a priori die Data zur besonderen Möglichkeit jedes Dinges enthalten soll.²⁴¹
Durch das Prinzip der durchgängigen Bestimmung wird der Grundsatz der Synthesis aller Prädikate im Begriffe eines Gegenstandes vorgestellt, welche hinreichend sind, das durch den Begriff bezeichnete Ding zu bestimmen. Hinreichend ist die Bestimmung genau dann, wenn durch die Bestimmung des Gegenstandes im Begriff durch ein Prädikat alle anderen möglichen prädikativen Bestimmungen in derselben Bestimmungsrücksicht ausgeschlossen sind, insofern „um ein Ding vollständig zu erkennen, [] man alles Mögliche erkennen [muss], und es dadurch, es sei bejahend oder verneinend, [zu] bestimmen.“²⁴² Der Grundsatz stellt also die Idee der vollständigen Bestimmung aller Prädikate eines Begriffes in einem disjunktiven Urteile vor.²⁴³ Die dritte transzendentale Idee hat daher notwendig die dritte Relationskategorie im Exponenten.²⁴⁴ Im nächsten Schritt der kategorialen Bestimmung der Bestimmungstotalität gilt es, den Wert der Verneinung in Bezug auf den Begriff des Ideals vorzustellen. Vom Ideal als Idee der Allheit der Prädikate in einem Begriff kann die Bestimmung Die identische Formalisierbarkeit (cf. Klimmek (), S. f.) – 1p 1x p(x& * /p(x& – beider Grundsätze bildet daher kein Indiz der Ableitbarkeit des Grundsatzes der durchgängigen Bestimmung aus dem der Bestimmbarkeit. Der analytische, respektive synthetische Charakter eines Urteils lässt sich nicht aus der bloßen Form ableiten, sondern besitzt einen transzendentallogischen, respektive bestimmungs- und erkenntnislogischen Sinn. KrV, A f. | B f.; S. f. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Mit Blick auf die Ableitung der transzendentalen Ideen aus den Formen der Vernunftschlüsse kann dieses Ergebnis auch nicht überraschen.
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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des Gegenstandes über die Totalität nur als Begrenzung derselben, nicht als Negation begriffen werden, d. h. als „Limitationen gegenüber einem voraufgedachten Unbeschränkten (illimitatum)“.²⁴⁵ Die Bestimmung durch die Qualität, welche als Denkhandlung den Wert des Prädikates in Bezug auf das Subjekt ermittelt, bedeutet daher im Falle der Totalität in der Vorstellung des transzendentalen Substratums die Limitation des Begriffes eines Gegenstandes als Folge des Ideals, mithin nicht des Gegenstandes in der Idee selbst,²⁴⁶ auf eine der disjunktiven Sphären der Bestimmungstotalität. So wird denn alle Möglichkeit der Dinge (der Synthesis des Mannigfaltigen ihrem Inhalte nach) als abgeleitet und nur allein die desjenigen, was alle Realität in sich schließt, als ursprünglich angesehen. Denn alle Verneinungen (welche doch die einzigen Prädikate sind, wodurch sich alles andere vom realesten Wesen unterscheiden läßt) sind bloße Einschränkungen einer größeren und endlich der höchsten Realität, mithin setzen sie diese voraus, und sind dem Inhalte nach von ihr bloß abgeleitet. Alle Mannigfaltigkeit der Dinge ist nur eine eben so vielfältige Art, den Begriff der höchsten Realität, der ihr gemeinschaftliches Substratum ist, einzuschränken, so wie alle Figuren nur als verschiedene Arten, den unendlichen Raum einzuschränken, möglich sind.²⁴⁷
Die Limitation des Begriffes der höchsten Bestimmungstotalität darf nicht zur Auflösung des Totalitätsideals durch die Einschränkung, respektive Teilung seiner Realität führen. Es gilt daher, die Prädikate in ihrem Verhältnis zum Umfang des Subjektes so zu bestimmen, dass die absolute Einheit des Subjektes zur Allheit seiner Prädikate gefasst werden kann. Es muss also das quantitative Bestimmungsverhältnis des Subjektes zu seinen Prädikaten ermittelt werden. Als Ergebnis dieser Handlung wird die Bedeutung des Ideals als Inbegriff der Allheit aller unter ihm gefassten Bestimmungen und Bestimmungshinsichten in individuo gefasst. Dies geschieht im Modus des singulären Urteils, sofern die Vorstellung eines mit der Idee identischen Wesens notwendig dessen absolute Einfachheit, d. h. Nichtableitbarkeit gegenüber der Allheit der in seinem Inbegriff vorgestellten Bestimmungsvielfalt fordert.²⁴⁸ In diesem Sinne ist die Einheit des transzendentalen Substratums nicht als Aggregat, sondern als System zu verstehen.²⁴⁹ Dieses Verhältnis ist jedoch nicht als ontologisch notwendiges zu denken, sondern nur als diskursiv-notwendige Relation der Idee und der durch sie subsumierten Be-
Heimsoeth (), S. . Cf. Heimsoeth (), S. , Baumanns (), S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Allheit (Totalität) ist nichts anderes als Vielheit als Einheit betrachtet, cf. KrV, B ; S. . Cf. Heimsoeth (), S. .
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
griffe aufzufassen. Das transzendentale Ideal bildet für Kant kein ontologisches, sondern nur ein epistemologisches Ideal.²⁵⁰ Daher wird der bloß in der Vernunft befindliche Gegenstand ihres Ideals auch das Urwesen (ens originarium), so fern es keines über sich hat, das höchste Wesen (ens summum), und, so fern alles, als bedingt, unter ihm steht, das Wesen aller Wesen (ens entium) genannt. Alles dieses aber bedeutet nicht das objektive Verhältnis eines wirklichen Gegenstandes zu andern Dingen, sondern der Idee zu Begriffen, und läßt uns wegen der Existenz eines Wesens von so ausnehmendem Vorzuge in völliger Unwissenheit. Weil man auch nicht sagen kann, daß ein Urwesen aus viel abgeleiteten Wesen bestehe, indem ein jedes derselben jenes voraussetzt, mithin es nicht ausmachen kann, so wird das Ideal des Urwesens auch als einfach gedacht werden müssen. Die Ableitung aller anderen Möglichkeit von diesem Urwesen wird daher, genau zu reden, auch nicht als eine Einschränkung seiner höchsten Realität und gleichsam als eine Teilung derselben angesehen werden können; denn alsdenn würde das Urwesen als ein bloßes Aggregat von abgeleiteten Wesen angesehen werden, welches nach dem Vorigen unmöglich ist, ob wir es gleich anfänglich im ersten rohen Schattenrisse so vorstelleten. Vielmehr würde der Möglichkeit aller Dinge die höchste Realität als ein Grund und nichts als Inbegriff zum Grunde liegen, und die Mannigfaltigkeit der ersteren nicht auf der Einschränkung des Urwesens selbst, sondern seiner vollständigen Folge beruhen, zu welcher denn auch unsere ganze Sinnlichkeit, samt aller Realität in der Erscheinung, gehören würde, die zu der Idee des höchsten Wesens, als ein Ingrediens, nicht gehören kann.²⁵¹
Im letzten Schritt ist die Idee der Bestimmungstotalität auf das Erkenntnisvermögen von Verstand, respektive Vernunft selber zu beziehen. Das Ergebnis dieser Modalbestimmung ist die Feststellung der Notwendigkeit des durch das Ideal bezeichneten Gegenstandes als eines ens originarium, sofern die Möglichkeit des Erscheinungsgegenstandes, i. e. die Feststellung der Übereinstimmungsfähigkeit des Realen in der Erscheinung mit der transzendentalen Konstitution des Erkenntnisapparates, den „Inbegriff aller empirischen Realität als Bedingung seiner Möglichkeit voraussetzt.“²⁵² [S]o muß die Materie zur Möglichkeit aller Gegenstände der Sinne, als in einem Inbegriffe gegeben, vorausgesetzt werden, auf dessen Einschränkung allein alle Möglichkeit empirischer Gegenstände, ihr Unterschied von einander und ihre durchgängige Bestimmung, beruhen kann.²⁵³
Cf. Klimmek (), S. . KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. f. KrV, A | B ; S. f.
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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Mit der modalen Prädikation ist die Bestimmung des transzendentalen Substratums als transzendentales Ideal abgeschlossen. Zwei Dinge sind, wie in der Bestimmung des transzendentalen Objektes in der Erscheinung, auffällig: Erstens ist das transzendentale Ideal durch die jeweils dritten Momente der Urteilstafel bestimmt. Zweitens ist die Reihenfolge der Momente, sowohl die logische als auch die von Kant faktisch gewählte, in der Bestimmung des transzendentalen Ideals dieselbe, welche auch in der Erörterung des transzendentalen Selbstbewusstseins ermittelt wurde. Beides ergibt sich notwendig aus der Natur des Idealbegriffes: Zum einen war die Einheit der dritten Verstandesfunktionen bereits aus der Prinzipienstruktur der Funktionstafeln zu erwarten. Zum anderen musste die Reihenfolge in der Ableitung dieselbe sein, da die Bestimmung des transzendentalen Gegenstandes auf einer Relation basiert, von der aus sich die Funktionen bestimmungslogisch in einer spezifischen Stufenfolge gegenseitig fordern. Für die Idee des transzendentalen Ideals kann jedoch eine Besonderheit festgestellt werden. Im Gegensatz zur kategorialen Entfaltung der Apperzeptionsstruktur, welche auf einer ursprünglich selbstreflexiven Handlung beruht und damit allein aus der Bestimmung der durch diese gesetzten Relation gelingt, kann das transzendentale Substratum als Inhalt der Idee des transzendentalen Ideals auch in der Weise eines Gegenstandes vorgestellt werden.²⁵⁴ Das heißt die Urteilsfunktionen können in der Art und Weise der Vorstellung des Dings an sich als eines existenten Gegenstandes auf das Ideal angewandt werden. In diesem Fall wird das transzendentale Ideal zuerst als notwendig gedacht. Aus der Vorstellung der notwendigen Existenz des durch die Idee des Ideals bezeichneten höchsten Wesens folgt die quantitative Bestimmung seiner Allheit. Die quantitative Bestimmung fordert die Angabe des prädikativen Wertes, d. h. der Qualität. Durch die Qualität wird die quantitative Vorstellung der Allheit der Prädikate in Bezug auf das höchste Wesen durch ein unendliches Urteil als schrankenlos, d.h zu einer absoluten, qualitativen Einheit der Vielheit bestimmt. Im vierten und letzten Schritt wird die Idee des höchsten Wesens in Relation zur Bestimmungsallheit gesetzt und als deren Urgrund vorgestellt. Die Idee des Urgrundes bezeichnet hierbei die Vorstellung der Gemeinschaft des höchsten Wesens als Substanz mit seinen Akzidenzien. Sofern letztlich alle Dinge in Bezug auf die ursprüngliche Substanz akzidenziell sind, hängen sie seinsnotwendig von dieser ab und haben dementsprechend das höchste Wesen zum Urgrund. In Bezug auf die höchste Substanz sind alle anderen Dinge, welche für sich Substanzen
Hierin liegt der Grund des Übergangs vom Prinzip der durchgängigen Bestimmung zur Vorstellung des ens realissimum. Eine logische Inkonsistenz der Argumentation aufgrund Kants ’theologischer Absichten’, wie Rohs (), S. , sie annimmt, ist daher nicht gegeben.
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
darstellen können, akzidenziell.²⁵⁵ Sie stehen daher mit der Substanz Gottes in Gemeinschaft. Aus diesem Grund ist für Kant in Bezug auf Gott die Wechselwirkung einschlägig, da in dieser Kategorie der Begriff der Substanz mit dem Begriff der Ursache verbunden ist.²⁵⁶ So ist also der natürliche Gang der menschlichen Vernunft beschaffen. Zuerst überzeugt sie sich vom Dasein irgend eines notwendigen Wesens. In diesem erkennet sie eine unbedingte Existenz. Nun sucht sie den Begriff des Unabhängigen von aller Bedingung, und findet ihn in dem, was selbst die zureichende Bedingung zu allem andern ist, d. i. in demjenigen, was alle Realität enthält. Das All aber ohne Schranken ist absolute Einheit, und führt den Begriff eines einigen, nämlich des höchsten Wesens bei sich, und so schließt sie, daß das höchste Wesen, als Urgrund aller Dinge, schlechthin notwendiger Weise dasei.²⁵⁷
In der Vorstellung des höchsten und notwendigen Wesens²⁵⁸ wird der Grundsatz der durchgängigen Bestimmtheit als verwirklicht und im Sinne eines möglichen Erfahrungsgegenstandes als gegeben gedacht.²⁵⁹ Mit diesem Begriff des Ideals ist die eigentliche Dialektik seines konstitutiven Gebrauchs verbunden. So ist in Bezug auf die reine, bloß begreifende Absicht des Vernunftbegriffes der Grundsatz der Vernunft unproblematisch.²⁶⁰ Wird er jedoch in der Absicht gebraucht, Wahrnehmungen verstehen zu wollen, d. h. ihn in einer transzendental-objekti Diese Überlegung war ebenfalls für Descartes bedeutsam. So tritt in Bezug auf Gott sein Substanzendualismus zugunsten eines Substanzenmonismus zurück: „Quantum autem ad ea, quae tanquam res vel rerum modos spectamus, operae pretium est ut singula seorsim consideremus. Per substantiam nihil aliud intelligere possumus, quam rem quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum. Et quidem substantia quae nulla plane re indigeat, unica tantum potest intelligi, nempe Deus.“ PdPh I, ; S. . – „Was nun dasjenige betrifft, das wir gewissermaßen als Ding oder als Zustände von Dingen ansehen, so ist es ein lohnendes Unterfangen, wenn wir sie je für sich gesondert betrachten. Unter Substanz können wir nichts anderes verstehen als ein Ding, das so existiert, daß es keines anderen Dinges bedarf, um zu existieren. Und zwar kann allein eine einzige Substanz als eine solche verstanden werden, die zu ihrer Existenz schlichtweg keines anderen Dinges bedarf, nämlich Gott.“ PdPh I, ; S. . „Ideoque in Deo non proprie modos aut qualitates, sed attributa tantum esse dicimus, quia nulla in eo variatio est intelligenda.“ PdPh, I , 56; S. 61. – „Und deshalb sagen wir, daß in Gott nicht eigentlich Zustände oder Qualitäten, sondern allein Attribute enthalten sind, weil in ihnen keinerlei Veränderung gedacht werden kann.“ PdPH, I , 56; S. 62. Cf. KrV, B ; S. f. KrV, A f. | B f.; S. . Hierin liegt nach Kant die Quelle der Gottesidee, sofern aus einem abstrakten Prinzip durch den Dreischritt der Hypostasierung, Individuierung und Personifikation die theistische Gottesvorstellung generiert wird. Cf. KrV, A | B ; S. . Cf. KrV, A | B ; S. . Das transzendentale Ideal als solches ist, wie Kant sagt, „fehlerfrei“, cf. KrV, A | B ; S. . Cf. auch Piché (), S. .
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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ven, respektive konstitutiven Weise zu verwenden, ist sein Gebrauch jederzeit verfehlt.²⁶¹ In Bezug auf die Wahrnehmungen kann die Totalität der Bedingungen daher letztlich immer nur als aufgegeben gedacht werden, d. h. zur regulativen Idee dienen.²⁶² Letzteres bedeutet jedoch keineswegs, dass dadurch das oberste Prinzip der Vernunft außer Kraft gesetzt wäre.²⁶³ So supponiert die Aufgabe einer durchgängigen Bestimmung eines Gegebenen logisch die Totalität der Bedingungen der Bestimmung. Diese ist jedoch nur in der Idee seines vollständigen Begriffs als gegeben vorzustellen. Demnach kann die Vorstellung der actualiter vollständigen Bestimmung eines Existierenden nur eine bloß logische Forderung für den regulativen Gebrauch der Idee darstellen, jedoch weder als transzendentaler noch als hypothetischer Grundsatz dienen.²⁶⁴ Die Möglichkeit, den Grundsatz der durchgängigen Bestimmung als transzendentalen zu gebrauchen, eröffnet erst der regulative Gebrauch des Vernunftideals zu einem heuristischen Prinzip.²⁶⁵ Dass die Ableitung in der Funktionsstruktur, auf der das transzendentale Ideal als Prinzip basiert, in beide Richtungen möglich ist, ergibt sich aus der Wechselseitigkeit der Außenglieder, i. e. die disjunktive Urteilsfunktion in der Kategorie der Wechselwirkung und die modale Funktion der Notwendigkeit. Position und Negation sind im disjunktiven Urteil notwendig miteinander verbunden. So gilt, dass wenn in einem disjunktiven Urteil eine Prädikation gesetzt wird, notwendig alle anderen Bestimmungen, welche disjunktiv mit dieser verbunden sind, negiert werden und vice versa. Beide Ableitungsmöglichkeiten sind also zum einen durch die Natur der Verstandesfunktion gedeckt, zum anderen sind sie auch mit Blick auf die systematische Absicht der Prinzipieneinheit der jeweils dritten kategorialen Momente gleichermaßen notwendig.²⁶⁶ Ohne die Vorstellung des Dinges an sich als unverfügbarer und durch sich selbst vollständig bestimmter Anfang des Denkens ist
„Vernunftbegriffe dienen zum Begreifen, wie Verstandesbegriffe zum Verstehen (der Wahrnehmungen).“ KrV, A | B ; S. . Cf. Heimsoeth (), S. . Cf. Heimsoeth (), S. . Pissis (), S. , betont daher richtigerweise die konstitutive Bedeutung der Ideen für die Verstandessystematik. Der Konsequenz, welche Klimmek (), S. , aus dem bloß regulativ verstatteten Gebrauch des obersten Vernunftprinzips zieht, nämlich dass es sich bei diesem um ein unkritisches Prinzip handele, ist nur teilweise zuzustimmen. In erster Linie handelt es sich bei diesem um eine rein logische Forderung der Vernunft, deren Missbräuchlichkeit erst durch ihre Verwendung als transzendentales Prinzip zustande kommt. Cf. Heimsoeth (), S. .
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
der Einstieg in die Erkenntnistätigkeit nicht konsistent zu denken.²⁶⁷ Insofern ist die Vorstellung des Dinges an sich als materialer Ausgangspunkt der Erfahrung zugleich der locus agens der Idealbildung.²⁶⁸ Gleichzeitig ist ohne die heuristische Vorstellung des Dinges an sich als Telos der Bestimmungstätigkeit, zu dem die Idee des Ideals „als Schema der omnitudo realitatis“²⁶⁹ gebraucht wird, das Fortkommen in der Wissenschaft nicht denkbar. Die von Klimmek richtig herausgearbeiteten zwei Perspektiven auf das Ideal, zum einen „als Aggregat aller phänomenalen Realitäten, Bestimmungen bzw. Sachhaltigkeiten, welches im Zuge ’allbefassender Erfahrung’ bloß idealiter sukzessiv realisiert werden kann“²⁷⁰ und „die ganz und gar unbestimmte und unbestimmbare Totalität des Noumenalen“²⁷¹, sind durch die zwei Möglichkeiten der Ausentwicklung der Prinzipienstruktur des transzendentalen Ideals erkenntnisfunktional fundiert: Erstens als bloß logische Forderung durch die aufgegebene Idee der vollständigen Bestimmung, zweites durch die Prämisse des Dinges an sich selbst, welches als Grund der Erfahrung gegeben ist. Das Ding an sich ist daher einerseits praeter nos, andererseits praepes nostrum; es liegt vor uns und eilt uns als Ziel gleichsam unerreichbar voraus. Damit bildet die doppelte Bestimmungsmöglichkeit der Prinzipieneinheit der dritten Verstandesfunktionen den Grund der Möglichkeit und den Garant der Geschlossenheit von Kants System der Erkenntnis.²⁷² Seidl sieht diese doppelte Funktion des Dinges an sich im Begriff des transzendentalen Gegenstandes realisiert: Für die kategoriale Erkenntnis ist der transzendentale Gegenstandsbegriff bei Kant auf die Erscheinungen der subjekt-immanenten Sinnesanschauung eingeschränkt – insofern ist er auch vom Ding an sich scharf abzugrenzen und tritt gleichsam an seine Stelle –; wie aber die Erscheinungen auf Dinge an sich als auf ein unbestimmtes Etwas-überhaupt, was außerhalb des Subjekts existiert, bezogen bleiben, so behält auch der transzendentale Gegenstands-
Cf. Cramer (), S. f. Cf. S. , Anm. . Wichtig ist auch in diesem Fall die kritische Einschränkung, dass aus der Notwendigkeit des Gedankens nicht die Wirklichkeit seines Gegenstandes gefordert werden kann, sofern sich die Idee niemals unmittelbar in der Sinnlichkeit abbilden lässt, cf. KrV, A 340 | B 398; S. 442 f. Dies nimmt dem Prototypon transscendentale jedoch nichts von seinem „positive[n] transzendentallogische[n] Leistungs- und Verweisungssinn“, Heimsoeth (1969), S. 421. Cf. Baumanns (), S. . Baumanns (), S. . Klimmek (), S. . Klimmek (), S. . Klimmek ist darin Recht zu geben, dass er den Abschluss des disjunktiv-prosyllogistischen Verfahrens nicht im Begriff Gottes, sondern „in der Idee eines vollständigen Systems begrifflicher Disjunktionen“ (Klimmek (), S. ) sieht. In der Tat liegt eben hierin der eigentümlich konstruktive Sinn des transzendentalen Ideals.
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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begriff einen Zusammenhang mit den Dingen an sich und erstreckt sich über die Erscheinungen hinaus auf etwas subjekt-transzendentes Existierendes überhaupt. (So laufen in diesem Begriff gewissermaßen ein „idealistisches“ und ein „realistisches“ Moment zusammen.)²⁷³
Diese Differenzierung des kantischen Gegenstandsbegriffes, wie ihn Seidel vornimmt, wurde in Hinblick auf die Ordnung der kategorialen Funktion im transzendentalen Ideal bestätigt. Da es uns in diesem Gliederungsabschnitt angelegen war, die dem Begriff des Dinges an sich zugrunde liegende Reflexionsgesetzlichkeit der dritten Reihe sichtbar zu machen, haben wir uns hier auf deren Analyse beschränkt und nur die besprochenen zwei Aspekte herausgegriffen. Das in diesem Kapitel Erörterte lässt sich jedoch darüber hinaus für die Frage des Verhältnisses der drei Begriffe „Ding an sich“, „transzendentales Objekt“ und „Noumenon“ fruchtbar machen. Über die Synonymität oder Differenz dieser drei Begriffe wurde in der Kantforschung viel diskutiert und spekuliert. Unserer Ansicht nach kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Kant einen austauschbaren Gebrauch von diesen macht. Wir haben diese daher bisher als Synonyme verwandt. Das heißt jedoch nicht, dass eine Substitution des einen Begriffes durch den anderen gänzlich willkürlich zu sein hat, sofern diese zwar denselben Sachverhalt beschreiben, nämlich die Markierung der Differenz zur Erscheinung, dies jedoch in bestimmter Weise tun. So hat die Analyse der Reflexionsstruktur des Denkens, welche in Gestalt der Urteilstafel der Kritik der reinen Vernunft wie der Transzendentalphilosophie Kants insgesamt zu Grunde liegt, drei verschiedene Perspektiven auf den unbekannten Gegenstand der Vorstellungen zu Tage gefördert: In der aufsteigenden Reihe erschien das Ding an sich als unbekannter und unerkennbarer Grund der Affektion. Als solches markierte es den Beginn der Reflexionsreihe. Der Ursprung des empirischen Denkens im unbekannten Anstoß durch ein bloß Daseiendes, jedoch nicht weiter zu Bestimmendes, führte auf den Begriff des Dinges an sich als „wahres Correlatum“²⁷⁴, welches nicht nur die bloße Korrelationseinheit gegenüber der Einheit des Subjektpols in der Erkenntnisrelation bezeichnet, sondern einen Wahrheits-, respektive Wirklichkeitsgrund des Vorgestellten außerhalb der Vorstellung. In der dritten Reihe in absteigender Richtung wird auf das Ding an sich als „gemeinschaftliches Correlatum“²⁷⁵ reflektiert, welches „nur als ein Correlatum der Einheit der Apperzeption zur Einheit des Mannigfaltigen in der sinnlichen Anschauung dienen kann, vermittelst deren der Verstand dasselbe in den Begriff eines Ge-
Seidl (), S. . KrV, A | B ; S. . KrV, A | B ; S. .
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
genstandes vereinigt. Dieses transzendentale Objekt läßt sich gar nicht von den sinnlichen Datis absondern, weil als denn nichts übrig bleibt, wodurch es gedacht würde.“²⁷⁶ Im Denken wird auf das Ding an sich als transzendentales Objekt in der Art reflektiert, dass es als Einheit aller möglichen Bestimmungen im Bestimmbaren, der Apperzeption als Grund der Einheit des Bestimmens im Gegenstand dient. Diese Position des Dinges an sich verändert sich jedoch noch ein drittes Mal, wenn auf das Ding an sich als die unendliche und dessen ungeachtet notwendige Vorstellung als Totalität des Bestimmungsgrundes reflektiert wird, der jeder besonderen Bestimmungshandlung vorgängig, jedoch für die Möglichkeiten unseres endlichen Verstandesgebrauchs unerreichbar sein muss. Als Gegenstand eines unendlichen Verstandes, welcher anschauend gesetzgebend ist, ist das so angeschaute Ding an sich ein Noumenon im positiven Sinne; für uns jedoch ist es bloß negativ als Grenzbegriff unserer Sinnlichkeit zu nehmen, welchem jedoch hinsichtlich der systematischen Einheit unserer Vorstellungen ein regulativer Sinn zukommt. Wenn wir unter Noumenon ein Ding verstehen, so fern es nicht Objekt unserer sinnlichen Anschauung ist, indem wir von unserer Anschauungsart desselben abstrahieren: so ist dieses ein Noumenon im negativen Verstande. Verstehen wir aber darunter ein Objekt einer nichtsinnlichen Anschauung, so nehmen wir eine besondere Anschauungsart an, nämlich die intellektuelle, die aber nicht die unsrige ist, von welcher wir auch die Möglichkeit nicht einsehen können, und das wäre das Noumenon in positiver Bedeutung.²⁷⁷
Der dreifache Begriff des Dinges an sich erweist sich dementsprechend legitimiert durch das bestimmungslogische Gesetz der Reflexion des Denkens über den Ursprung seiner Vorstellungen und der Idee ihrer vollständigen Bestimmungen. Die in der Kantforschung geführte Diskussion über die adäquate Interpretation des transzendentalen Gegenstandes, im Sinne einer Zwei-Welten- oder Zwei-Perspektiven-Interpretation, erweist sich vor diesem Hintergrund ebenfalls als hinfällig. Es kann in dieser Frage gar keine Entscheidung geben, sofern beide Interpretationen nur jeweils in einen bestimmten Reflexionsmodus gründen. Vollständig durchreflektiert erweisen sich beide Lesarten sowie die der Neukantianer Cohen, Natorp und Cassirer als je notwendig und folgerichtig. Mit Blick auf das Ganze des Denkens in seiner internen Gesetzlichkeit sind alle drei Lesarten jedoch gleich notwendig: Das Denken muss auf das Ding an sich erstens als unbedingten, von der Erscheinung zu unterscheidenden Ursprung, zweitens als das Korrelatum der in ihm vorgestellten Einheit der Mannigfaltigkeit und drittens
KrV, A f.| B ; S. . KrV, B ; S. .
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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als Noumenon, mithin als Grenzbegriff seiner Bestimmungsmöglichkeit reflektieren. Es kündigt sich jedoch hier eine Restschwierigkeit an, welche trotz des bisher Erörterten nicht gelöst ist. Wie ist eine Beziehung zwischen dem Ding an sich und dem transzendentalen Gegenstand, welcher in der Erscheinung erkenntniswirksam ist, überhaupt denkbar? So ist das Ding an sich als Grund und als Aufgabe der Erkenntnis bereits ein Für-uns.²⁷⁸ Jegliche Reflexion auf die Unverfügbarkeit des Erkenntnisgrundes und der Unerreichbarkeit des Erkenntnisziels hebt notwendig von dem bereits kategorial Bestimmten, respektive Bestimmbaren an.²⁷⁹ Obschon nun die Denkmöglichkeit der Affektion im vorherigen Hauptgliederungsabschnitt gezeigt werden konnte, bleibt das Problem der Erfahrungsmöglichkeit, respektive -unmöglichkeit, des Dinges an sich noch offen. So ist bisher nur gezeigt worden, dass das Ding an sich, sofern es als Gegenstand in der Reflexion gedacht wird, notwendigerweise in dreierlei Hinsicht vorgestellt werden muss; es wurde jedoch noch nicht gezeigt, dass das Ding an sich überhaupt als Bestimmbares gedacht werden kann.
3.3.2 Das Ding an sich im Verhältnis zum Gegenstand in der Erscheinung Mit der Vorstellung des transzendentalen Substratums als Inbegriff der Bestimmungstotalität ist wesentlich die Idee des Dinges an sich als gemeinschaftliches Correlatum aller Gegenstände in der Erfahrung verbunden.²⁸⁰ Als ein solches bildet das Ding an sich den Grund der durchgängigen Bestimmung, sofern in ihm der materiale Grund der Affinität aller Erscheinungen anzutreffen ist.²⁸¹
Cf. Einleitung. So betont Heintel (), S., richtig: „Für die theoretische Philosophie, die mit der Ästhetik, dem restlosen Für-uns-Sein der Gegenstände, beginnt, muß das Ding an sich zunächst ein Jenseits sein; sobald aber Vernunft, Idee und Ideal sich der Probleme annehmen, tritt es aus der Jenseitigkeit sofort heraus.“ Cf. WL , SW X, . Die materiale ist demnach gegen die transzendentale Affinität abzugrenzen. Der Grund der letzteren ist im transzendentalen Subjekt zu suchen, da die „[empirische, M. B.] Affinität des Mannigfaltigen“ (KrV, A ; S. ) als „Grund der Möglichkeit der Assoziation des Mannigfaltigen, so fern er im [empirischen, M. B.] Objekt liegt“ (ibid.), direkt abhängig ist von der transzendentalen Funktion der numerischen Einheit des Selbstbewusstseins: „Da nun diese Identität [des transzendentalen Selbstbewusstseins, M. B.] notwendig in der Synthesis alles Mannigfaltigen der Erscheinungen, so fern sie empirische Erkenntnis werden soll, hinein kommen muß, so sind die Erscheinungen Bedingungen a priori unterworfen, welchen ihre Synthesis (der Apprehension) durchgängig gemäß sein muß. Nun heißt aber die Vorstellung einer allgemeinen Bedingung, nach
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Es wird also durch diesen Grundsatz jedes Ding auf ein gemeinschaftliches Correlatum, nämlich die gesamte Möglichkeit, bezogen, welche, wenn sie (d. i. der Stoff zu allen möglichen Prädikaten) in der Idee eines einzigen Dinges angetroffen würde, eine Affinität alles Möglichen durch die Identität des Grundes der durchgängigen Bestimmung desselben beweisen würde.²⁸²
Piché ist daher absolut beizupflichten, wenn er Kants Konzept des transzendentalen Ideals als Reaktion auf das residuale Problem der materialen Affinität der Mannigfaltigkeit begreift.²⁸³ Die Vernunft habe dementsprechend die Pflicht, das Problem der Kohärenz des Realen zumindest in regulativer Weise aufzugreifen.²⁸⁴ Nach Piché verbindet dabei der schematisch-regulative Gebrauch des Ideals Idee und Erscheinung, indem dieser die normative Funktion der Idee in Bezug auf die Sinnenwelt ermöglicht.²⁸⁵ Das transzendentale Ideal dient dabei zwar als höchstes, jedoch nur subjektives Muster.²⁸⁶ Auch mit dem regulativen Gebrauch des Ideals ist dabei jedoch immer noch das Problem verbunden, dass dieser erstens logisch die Bestimmtheit des Gegenstandes zumindest in der Idee voraussetzt, zweitens dass eine solche, vernunftgemäße Einrichtung des Gegenstandes wenigstens der Möglichkeit nach durch das transzendentale Objekt an sich selbst verstattet ist. Piché führt daher zu Recht an, dass Kant den „Übergang
welcher ein gewisses Mannigfaltige (mithin auf einerlei Art) gesetzt werden kann, eine Regel, und wenn es so gesetzt werden muß, ein Gesetz. Also stehen alle Erscheinungen in einer durchgängigen Verknüpfung nach notwendigen Gesetzen, und mithin in einer transzendentalen Affinität, woraus die empirische die bloße Folge ist.“ KrV, A f.; S. . Allison (1968), S. 175, fasst den Gedanken des transzendentalen Grundes der objektiven Einheit treffend zusammen: „The unity of the object is explained completely in terms of the unity of the rule whereby it is constructed in the imagination, and the concept of the object is nothing but the consciousness of this rule.“ Kants Lehre der transzendentalen Affinität scheint daher den Gedanken einer im Empfindungsmaterial zugrunde gelegten Möglichkeit der Einheit auszuschließen, insofern er die Möglichkeit der Einheit des Gegenstandes im Begriff allein aus dessen Bezug auf die Einheit des Selbstbewusstseins deduziert. Der Vorschlag Allisons, Kants Begriff der Erfahrung im Sinne einer „coherence theory of truth“ (op. cit., S. 178.) zu interpretieren, scheint jedoch erstens, einerseits in Ansehung des von Kant nicht außer Kraft gesetzten korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriffes (cf. Einleitung), andererseits hinsichtlich des Erkenntnisideals der Bestimmungstotalität unangemessen, zweitens hinsichtlich des transzendenten Ursprunges der Affektion und seiner transzendentalen Bedeutung. Allison kommt daher zu dem Schluss, dass „Kant′s transcendental idealism is only half-emancipated from the theory of ideas, and it is just this which constitutes its greatest difficulty.“ Op. cit., S. 185. KrV, A | B ; S. . Cf. Piché (), S. ; Baumanns (), S. , Anm. . Cf. Piché (), S. . Cf. Piché (), S. . Cf. Piché (), S. .
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des unbekannten transzendentalen Urgrunds der Welt in den verständigen Urgrund“²⁸⁷ bedenkenlos vollziehe. Diese Bedenkenlosigkeit gründet in einem prinzipiellen Problem der Transzendentalphilosophie: Indem diese das Ding an sich gänzlich aus der Sphäre des Erkenntnismöglichen verbannt, hat sie die Schwierigkeit, wie sie es rechtfertigen kann, das Ding an sich gleichzeitig als Erkenntnisgrund auszugeben.²⁸⁸ Konkret besteht das Problem darin, dass durch den transzendentalphilosophischen Standpunkt zwar der Grund der Affinität der Wahrnehmung ins Subjekt verlagert wird, deren Kohärenz jedoch gleichzeitig immer noch die Übereinstimmung der Wahrnehmungsfolge mit ihrem erfahrungsunabhängigen Ursprung impliziert, welche selbst wiederum in ihren Gründen, beispielsweise in der Art einer evolutionären Anpassung, nicht aufgeklärt werden kann.²⁸⁹ Die Unmöglichkeit einer Verbindung von evolutionärer Erkenntnistheorie und Transzendentalphilosophie betont besonders Baumanns mit dem Verweis auf den überzeitlichen Anspruch der letzteren.²⁹⁰ Dies führt nach Baumanns zu der Konsequenz, dass mit Kant „unsere Erkenntnistätigkeit ’nur’ als Partizipation an der Ausführung eines weltarchitektonischen Entwurfs“ zu verstehen sei.²⁹¹ Mit Blick auf die systematische Bedeutung des transzendentalen Ideals in der Kritik der reinen Vernunft und der Weiterentwicklung der Ideenlehre in der Kritik der Urteilskraft scheint Baumanns mit seiner Diagnose richtig zu liegen. Dennoch ist es offensichtlich, dass, selbst wenn man die Voraussetzung einer Schöpfungsordnung des Seins teilt, die Annahme, dass das Problem der Übereinstimmung der Ansichstruktur der Dinge mit der der Erfahrung „sich allein mit der theologischen Idee des in der Schöpfung dem Sein gegenüber vorgesehenen und einzunehmenden Standpunktes und der Übernahme der dazu einstimmenden Art der
Piché (), S. . Das Problem hat bekanntlich Jacobi in seinem berühmten Diktum zusammengefasst, dass er ohne das Ding an sich nicht in Kants System hinein, mit demselben aber nicht in diesem bleiben könne. Cf. Jacobi (), S. f. Böhme erkennt dasselbe Problem in Bezug auf die Erkennbarkeit empirischer „Ordnung und Regelmäßigkeit“, Böhme (), S. . Mues (), S. , betont in diesem Zusammenhang, dass die evolutionäre Erkenntnistheorie insofern zirkulär sei, als dass sie die Erkenntnis der vorhandenen Welt bereits voraussetzt, welche sie doch erst durch Akkommodation zu erklären sucht, sofern jede Anpassung notwendig die Kenntnis des sich Anzupassenden supponiert. Baumanns (), S. . Einen ähnlichen Schluss zieht auch Thomsen (1903), S. 206, der in diesem Zusammenhang von einem „erkenntnistheoretischen Okkasionalismus“ Kants spricht, indem Gott die Korrespondenz der Dinge an sich und die der Erscheinung garantiere.
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Subjektivität nach kantischen Prinzipien bewältigen [lasse]“²⁹², eine derartig starke Prämisse darstellt, dass durch diese das kritische System gleichsam implodierte.²⁹³ Die Wurzel der Problematik reicht dementsprechend bis zum Kern der transzendentalen Deduktion der Verstandesbegriffe, also dem Nachweis, dass die Apperzeption das oberste Prinzip allen Verstandesgebrauchs darstellt.²⁹⁴ So ist in § 17 der Kritik der reinen Vernunft zu lesen: [1] Verstand ist, allgemein zu reden, das Vermögen der Erkenntnisse. [2] Diese bestehen in der bestimmten Beziehung gegebener Vorstellungen auf ein Objekt. [3] Objekt aber ist das, in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist. [4] Nun erfordert aber alle Vereinigung der Vorstellungen Einheit des Bewußtseins in der Synthesis derselben. [5] Folglich ist die Einheit des Bewußtseins dasjenige, was allein die Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand, mithin ihre objektive Gültigkeit, [6] folglich, daß sie Erkenntnisse werden, ausmacht, und worauf folglich selbst die Möglichkeit des Verstandes beruht.²⁹⁵
Dass der Ursprung des Problems hier zu finden ist, lässt sich zeigen, wenn man die einzelnen Argumente des Schlusses betrachtet. Kants Argumentation beruht auf drei Definitionen: (1) Definition: Verstand ist das Vermögen der Erkenntnisse. (2) Definition: Erkenntnisse bestehen in der bestimmten Beziehung gegebener Vorstellungen auf ein Objekt.
Baumanns (), S. . Die Annahme, dass die Existenz Gottes Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sei, überträfe noch die Rolle Gottes im System Descartes’, sofern für ihn Gott nur die letzte Instanz der Versicherung wahrer Erkenntnis darstellt. Ebenfalls geht Schöndorf (1995), S. 195, davon aus, „daß Kant faktisch auch das theoretische Wissen um die Existenz voraussetzt.“ Angesichts des bisher Dargelegten scheint Schöndorf mit dieser Ansicht Recht zu haben. Da Böhme die Genese des Problems nicht bis zu seinem Ursprung in der transzendentalen Deduktion zurückverfolgt, sondern an Kants angeblich „zu schwachem Begriff“ der Rezeptivität respektive der Empfindung ansetzt, cf. Böhme (), S. , lässt sich die Schwierigkeit durch seinen Lösungsvorschlag, Alltagserfahrung und wissenschaftliche Erfahrung so zu trennen, dass die erstere stete Mitvoraussetzung einer Konstitutionstheorie der letzteren ist, nicht eindämmen. Auch wenn man, wie Böhme meint, den zu schwachen Begriff der Empfindung durch den epistemisch aufgeladenen Begriff der Alltagserfahrung ersetzen würde, cf. op. cit. S. , wäre damit nichts gewonnen, da auch die vortheoretische Erfahrung an den obersten Einheitsgrund aller Erfahrung, die transzendentale Apperzeption, gebunden ist, respektive diese als Bedingung der Möglichkeit der Verknüpfung überhaupt voraussetzt. KrV, B ; S. f.
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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(3) Definition: Objekt aber ist das, in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist. Diese drei Definitionen lassen sich in einem Konditional miteinander verbinden: I.
Wenn etwas eine Erkenntnis ist (a), dann sind die in der Erkenntnis gegebenen Vorstellungen in einem Objekt vereinigt (b). a 6 b
Den vierten Satz bildet die aus dem vorherigen Paragraphen bereits bewiesene Prämisse. (4) Nun erfordert aber alle Vereinigung der Vorstellungen Einheit des Bewusstseins in der Synthesis derselben. Diese kann wiederum in eine konditionale Form gebracht werden: II. Wenn Vorstellungen in einem Objekt vereinigt werden sollen (b), dann muss die Einheit des Bewusstseins in der Synthesis vorausgesetzt sein (c). b 6 c Aus der Zusammennahme der Definitionen folgert Kant zwei, respektive drei Schlüsse, wenn man den zweiten Halbsatz der ersten Konklusion als eigenständigen Schluss wertet. (5) Folglich ist die Einheit des Bewusstseins dasjenige, was allein die Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand, mithin ihre objektive Gültigkeit, (6) folglich, dass sie Erkenntnisse werden, ausmacht, und worauf folglich selbst die Möglichkeit des Verstandes beruht. Für die Übertragung der Schlüsse in die konditionale Form ist besonders das Adjektiv „allein“ von Bedeutung. Kant gebraucht das Wort „allein“ im Sinne von „ausschließlich“, d. h. die Beziehung der Vorstellungen auf den Gegenstand, mithin also auch die Möglichkeit der Verbindung der Mannigfaltigkeit in der Anschauung zu einem Objekt als Erkenntnisgegenstand wird ausschließlich durch die synthetische Einheit der Apperzeption etabliert.²⁹⁶ In die Sprache der Logik übersetzt lässt sich das kantische „allein“ als „genau dann, wenn“ bzw. als „dann und nur dann, wenn“, d. h. als Äquivalenz, respektive materiales Bikonditional wiedergeben:
Hierin liegt auch die Antwort auf die von Schiemann aufgeworfene Frage, „warum in der Elementarlehre Formen anschaulichen Gewahrwerdens von Einheitsbildungen der Natur […] unberücksichtigt bleiben.“ Schiemann (), S. .
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III. Also ist dann und nur dann, wenn die Einheit des Bewusstseins in der Synthesis vorausgesetzt ist (c), … die Beziehung auf einen Gegenstand als Objekt möglich. … die Erkenntnis eines Gegenstandes möglich (nach Definition 2). … der Verstand überhaupt möglich (nach Definition 1). Die Einheit des Bewusstseins ist nach Kant also hinreichender und nicht allein notwendiger Grund der Erkenntnis.²⁹⁷ Aus zwei Gründen ist dieser Schluss falsch: Erstens handelt es sich formal um einen Fehlschluss. Kant folgert aus a 6 b und b 6 c, a 3 c. Dies ist offensichtlich falsch. Kant kann nur zeigen, dass die Einheit des Bewusstseins in der Synthesis eine notwendige Bedingung der Erkenntnis (a 6 c&, nicht, wie er demonstrieren möchte, eine hinreichende Bedingung darstellt.²⁹⁸ Der gültige Schluss müsste dementsprechend lauten: Also ist die Einheit des Bewusstseins in der Synthesis vorausgesetzt, wenn die Beziehung auf einen Gegenstand als Objekt möglich sein soll. Allison (), S. f., versucht das kantische Argument dadurch zu retten, dass er einen schwächeren Sinn des Objektbegriffes einführt. „There is, however, no problem here at all if ’object’ is taken in the broad sense indicated in § .“Auf die Schwäche dieses Arguments weist ebenfalls Guyer (), S. , hin. Im Gegensatz zu Allison ist Guyer jedoch der Überzeugung, dass, selbst wenn Allisons Rettungsversuch griffe, dies für die Rettung der transzendentalen Deduktion keinen Unterschied machte: „However, as we have seen, Kant has not yet established any link between apperception and rules for its representations, and his argument now proceeds precisely by attempting to derive rules for apperception from a strong conception of objectivity rather than vice versa – although this will of course raise the problem of how there can be selfconsciousness states which are not representation of objects, that is, how can apperception be sufficient condition for knowledge of objects.“ Guyer (), S. . Da, wie bereits gezeigt wurde, Guyers Interpretation der transzendentalen Deduktion weitestgehend unhaltbar ist (cf. Kap. ..), sofern sich die von ihm aufgewiesene Kernschwierigkeit, Apperzeption und Kategorien in ein notwendiges Verhältnis zu setzen, mit Kant lösen lässt, bleibt das Problem des § bestehen. Mit Blick auf die transzendentale Deduktion der Auflage A und der Folgeentwicklung in der Kritik der Urteilskraft ist diese ebenfalls auch nicht durch eine bloße Begriffsunterscheidung zu lösen. Es handelt sich vielmehr um ein systemisches Problem des transzendentalen Idealismus, der zugleich Realismus sein möchte. Die Verwechslung von notwendigem und hinreichendem Kriterium wird ebenfalls von Wolfgang Carl erwähnt, cf. Carl (1998), S. 197. Der gültige Schluss hat die syllogistische Form des Modus Bamalip. Alle Erkenntnisse von Gegenständen sind Verknüpfungen von Vorstellungen. Alle Verknüpfungen von Vorstellungen sind Verknüpfungen der Apperzeption. Kant folgert daraus: Also sind alle Verknüpfungen der Apperzeption, Erkenntnisse von Gegenständen. Der korrekte Schluss müsste dagegen lauten: Also sind einige Verknüpfungen der Apperzeption Erkenntnisse von Gegenständen.
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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Es gibt darüber hinaus noch einen zweiten Grund, das Ergebnis der transzendentalen Deduktion, welches sich in der Konklusion des Schlusses wiederfindet, abzulehnen. Der Grund dieser Abweisung liegt nicht in der formalen Ungültigkeit des Schlusses, sondern in seiner materialen, respektive transzendentallogischen. Kants Schluss konfligiert mit der Prämisse des eigenen Systems, nämlich dass der Verstandesgebrauch nicht über den Bereich möglicher Erfahrung herausgreifen darf. Um jedoch demonstrieren zu können, dass die Einheit des Bewusstseins in der Synthesis hinreichende Bedingung der Erkenntnis ist, müsste Kant zeigen können, dass keine weiteren Bedingungen außerhalb der Sphäre möglicher Erfahrung ebenfalls erkenntniskonstitutiv sein könnten. Da keine Erkenntnis über die Möglichkeit der Erfahrung hinaus möglich ist, kann kein solcher Beweis geführt werden. Ergo ist der Schluss auf die Einheit der Apperzeption als alleinige Bedingung der Verknüpfung der Mannigfaltigkeit zu den Gegenständen im schlechtesten Falle falsch, im besten Falle unbewiesen.²⁹⁹ Mit dem Fehlschluss im Herzen der transzendentalen Deduktion ist die eigentliche Wurzel des Problems ausgemacht, welche Kant dazu bringt, die zweckmäßige Einrichtung der Natur als epistemisches Normativ einzuführen und dabei gleichzeitig den Verweisungscharakter des Regulativs auf die Vernunftmäßigkeit des Regulats supponieren zu müssen, welches den Verstand nötigt „doch [Hervorhebung, M. B.] einen Grund der Einheit des Übersinnlichen, welches der Natur zum Grunde liegt“³⁰⁰ anzunehmen. Allein es sind so mannigfaltige Formen der Natur, gleichsam so viele Modifikationen der allgemeinen transzendentalen Naturbegriffe, die durch jene Gesetze, welche der reine Verstand a priori gibt, weil dieselben nur auf die Möglichkeit einer Natur (als Gegenstandes der Sinne) überhaupt gehen, unbestimmt gelassen werden, daß dafür doch auch Gesetze sein müssen, die zwar, als empirische, nach unserer Verstandeseinsicht zufällig sein mögen, die aber doch, wenn sie Gesetze heißen sollen (wie es auch der Begriff einer Natur erfordert), aus
Wyllers Versuch einer nicht-repräsentationalistischen Interpretation muss notwendig am starken Begründungsanspruch der kantischen Theorie scheitern. So meint er, „dass sich bei Kant das Gemüt keineswegs von der wahrnehmbaren Welt isolieren lässt, sondern, wie etwa das Wahrnehmungsfeld, reale Eigenschaften realer Gegenstände irgendwie [Hervorhebung, M. B.] umfasst.“ Wyller (), S. . Mit dieser Auffassung hat er zwar grundsätzlich Recht, jedoch verkennt er die Grundsätzlichkeit des Problems. Die Schwierigkeit besteht nicht in der Übereinstimmung der Wahrnehmungsinhalte mit den Verstandesinhalten, sondern in der transzendentalen Funktion des Verstandes für die Gegenständlichkeit des Wahrnehmungsinhaltes. Mit der transzendentalen Apperzeption versucht Kant das Wyllersche „irgendwie“ der Umfassung von Verstand und Wahrnehmung aufzudecken, und es ist eben dieser Versuch, der scheitert. KdU, B XX; AA V, ; S. .
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
einem, wenn gleich uns unbekannten, Prinzip der Einheit des Mannigfaltigen, als notwendig angesehen werden müssen.³⁰¹
Die zwischen Verstand und Vernunft gesetzte regulative Urteilskraft,³⁰² welche auf die Einheit der Natur reflektiert, kommt gerade daher nicht umhin, den Grund der von ihr erkannten Einheit im Gegenstand zu suchen, da sie ihrem Wesen nach nur selbstgesetzgebend (heautonom) ist. Es ist eben die Forderung nach dem rein subjektiven Ursprung der Verknüpfungen der Mannigfaltigkeit in der Wahrnehmung, welche das Gegebensein, d. h. die Kontingenz der speziellen Naturgesetze für die Transzendentalphilosophie zum Problem macht, und dieses insbesondere durch das Insistieren auf der Rolle der Subjektivität im Erkenntnisprozess noch verschärft.³⁰³ Als Ergebnis des ungelösten und durch die Transzendentalphilosophie Kants unlösbaren Problems eines möglichen mitkonstitutiven Erkenntnischarakters der Ansich-Struktur der Dinge, wobei hier nur die Möglichkeit einer Lösung vor dem Hintergrund des strengen kantischen Geltungsanspruchs des transzendentalidealistischen Standpunkts ausgeschlossen wird, oszilliert³⁰⁴ der kritische Idealismus zwischen einem objektiv-faktischen und einem subjektiv-transzendentalen Grund der Wahrnehmungskohärenz.³⁰⁵ Gerade an dem von Kant gewählten Beispiel der Röte des Zinnobers in der Deduktion der Auflage A ist dies gut zu beobachten.³⁰⁶ So versucht er dort die Konstanz der Farbeigenschaft des Cinnabarits auf die transzendentale Synthesis zurückzuführen.³⁰⁷ Darauf, dass dies völlig
KdU, B XXVI; AA V, f.; S. . Cf. KdU, B XXI; AA V, ; S. . Cf. Baumanns (), S. . Vaihinger (), S. , spricht in Anschluss an Paulsen in diesem Zusammenhang von einer „kritische[n] Schwebe“ der kantischen Philosophie. Ähnlich sieht dies auch Hoppe, sofern „wichtige Schlüsselbegriff [sic!] seiner [i. e. Kants, M. B.] Transzendentalphilosophie sowohl für kategoriale als auch für faktische Bestimmungen stehen.“ Hoppe (), S. . Cf. KrV, A f.; S. . Nach Zwermann (), S. , ist die Eigenschaftskonstanz des Zinnobers als Erfahrungsobjekt nicht Ergebnis der Verknüpfung des Mannigfaltigen in der Wahrnehmung, sondern die Vorstellung der Verknüpfung selbst ist bereits mit der Vorstellung des Objektes identisch, cf. op. cit., S. . Diese Ansicht Zwermanns wird zu Recht von Hwang (), S. , kritisiert. Eine ähnliche Kritik gegen diese Vorstellung findet sich bereits bei Staudinger (1905), S. 48. Diese richtet sich zwar nicht gegen Zwermann direkt, jedoch gegen die von der Idee der Einheit der Apperzeption ausgehende Vorstellung der Wahrnehmung, dass der „Zusammenhang des Einzeldings wie der Zusammenhang des Ganzen […] der Gegenstand selbst [ist].“ Staudinger meint hiermit die eigentliche Ansicht Kants wiederzugeben. Er reagiert damit auf einen Einwand Mes-
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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unplausibel ist, und auch schon für Kants Empfinden sein musste, hat ebenfalls Hansgeorg Hoppe hingewiesen.³⁰⁸ Warum sollte sich, selbst wenn die Form des Naturgesetzes, in diesem Fall die der Substantialiät, i. e. der zeitlichen Persistenz, durch den Verstand vorgegeben ist, die Erscheinungsform des Zinnobers nicht in der Zeit verändern können? Dass dem nicht so ist, weist allenfalls auf eine Beschaffenheit des Zinnobers selbst hin. Als Ergebnis zeigt sich also, dass die Frage nach der durch den Gegenstand der Anschauung selbstbedingten Einheit der Erfahrungswelt nicht in Gänze mit dem Verweis auf die subjektabhängige Form ihrer Gesetze substituiert werden kann. Auch der Als-ob-Modus des regulativen Gebrauchs der Vernunft mittels der reflektierenden Urteilskraft necessiert logisch den objektiven Grund ihrer Anwendbarkeit und hat als solcher Verweischarakter auf die uns unbekannte Einheit des übersinnlichen Substrates.³⁰⁹ Kant scheint versucht zu haben, dieses Problem im Rahmen einer neuen Deduktion im Opus postumum anzugehen. „Wahrnehmung gehört zu den bewegenden Kräften, als in[n]erhalb dem Subject wirkend in der Empfindung.“³¹⁰ Lehmann deutet diese Stelle als wesentliche Neuerung des Opus postumum gegenüber der Kritik der reinen Vernunft: Zum System der bewegenden Kräfte gehört die Wahrnehmung, zum System der Wahrnehmung gehören die bewegenden Kräfte: Die Wahrnehmung ist der Schnittpunkt beider Gegenstandssphären, sie ist invariant gegenüber den Systemcharakteren der physikalischen und erkenntnistheoretischen Sphäre.³¹¹
Die Frage nach dem subjektunabhängigen Grund der Invarianz der Wahrnehmung ist eben jene Frage, welche Kant als Residualproblem in seinem unvollendeten Spätwerk, vornehmlich in Gestalt der Deduktion des Wärmestoffes, erneut aufgreift.³¹²
sers, welcher zu Recht zuvor gegen ihn die Subjektunabhängigkeit des Empfindungsmaterials geltend macht, cf. Messer (1903), S. 323 ff. Cf. Hoppe (), S. . Hoppe erkennt darin, dass Kant dennoch auf einen apriorischen Grund der Regelmäßigkeit in der Erscheinung insistiert, eine Invektive gegen Hume. Bickmann (), S. , erkennt völlig zutreffend, dass im Begriff des transzendentalen Substratums eine „Transzendentale Ontologie“ zutage tritt, welche „auch der Philosophie Kants zugrundeliegt.“ Diese nimmt, insofern sie das Denken auf einen Seinsgrund zurückführe, aber nicht auf diesen reduziere, eine mittlere Postion ein. OP, AA, XXII, S. . Lehmann (), S. . Diese Beziehung zum Opus postumum stellt ebenfalls Rohs (), S. ff., her.
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Kapitel III. Transzendentale Objektivität
Dass Kant in seinem Spätwerk ein materiales Prinzip zur Begründung seines formalen heranzieht, mag auf den ersten Blick als gänzliche Aufgabe des Kritizismus erscheinen, ist jedoch mit Bezug auf die Grundlegung eines Systems der Transzendentalphilosophie durchaus konsequent. Im Opus postumum versucht Kant in der theoretischen Philosophie das durchzuführen, was ihm in der praktischen bereits gelungen war, i. e. die Bestimmung der formalen Regeln aus einem letzten, materialen Prinzip. In der praktischen Philosophie sind dies die Zwecke, „die zugleich (d. i. ihrem Begriffe nach) Pflichten sind“³¹³, eigene Vollkommenheit und fremde Glückseligkeit.³¹⁴ So wie Kant in der Moralphilosophie die Möglichkeit des kategorischen Imperativ als formales Prinzip im Rekurs auf die Endzwecke begründet – „Es muß nun einen solchen Zweck und einen ihm korrespondierenden kategorischen Imperativ geben. Denn, da es freie Handlungen gibt, so muß es auch Zwecke geben, auf welche, als Objekt, jene gerichtet sind. Unter diesen Zwecken aber muß es auch einige geben, die zugleich (d. i. ihrem Begriffe nach) Pflichten sind. – Denn gäbe es keine dergleichen, so würden, weil doch keine Handlung zwecklos sein kann, alle Zwecke für die praktische Vernunft immer nur als Mittel zu andern Zwecken gelten und ein kategorischer Imperativ wäre unmöglich; welches alle Sittenlehre aufhebt“³¹⁵ – so stellt er in der theoretischen Philosophie des Opus postumum das Prinzip der durchgängigen Bestimmung in Gestalt des Äthers „als materielles Prinzip der Einheit aller möglichen Erfahrung“³¹⁶ an den Anfang.³¹⁷ Auch wenn an dieser Stelle aufgrund der grundsätzlichen Ausrichtung der vorliegenden Arbeit auf die Versicherungsgründe der Kohärenz von phänomenaler und noumenaler Sphäre durch die Postulatslehre der praktischen Philosophie verzichtet wurde, ist die Begründungslücke innerhalb der kantischen Erkenntnisphilosophie deutlich. Ob Kants System der Erkenntnis um eine objektive, respektive subjektunabhängige Komponente der Regelmäßigkeit erweitert werden kann, ohne dass dies das System des transzendentalen Idealismus in Gänze zum Einsturz brächte, kann an dieser Stelle nicht mehr
MAT, AA VI, ; S. . Zur Bedeutung von Formalität und Materialität in der ethischen Zwecksetzung cf. Marthaler (), S. . MAT, AA VI, ; S. f. OP, AA XXI, . Cf. Rohs (), S. , .
3.3 Das Problem des Dinges an sich
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untersucht werden.³¹⁸ Es gilt nun nur noch, das Ergebnis der Untersuchung in summa festzuhalten.
Staudinger formuliert eine allgemeine Lösungsbedingung für das Grundproblem der Gegenstandskonstitutivität der transzendentalen Subjektivität: „Das Problem haben wir erst gelöst, wenn wir zeigen können, dass w i r Bewusstseinsvorgänge haben, die wir als wirkliche Relationen zwischen uns und den Dingen ansehen müssen, und dass die konstitutiv apriorischen Formen ohne Schädigung ihres Geltungswerts von ihnen abgeleitet gedacht werden können.“ Staudinger (); S. . Er meint im Anschluss an diesen Grundsatz, dass die apriorischen Funktionen „als analytische Abstraktionen aus dem Empfindungsvorgange als der ursprünglichen Relation zwischen uns und der Aussenwelt“ (op. cit., S. ) gewonnen werden können. Mit dieser Ansicht verlässt Staudinger jedoch gänzlich den Boden der Transzendentalphilosophie.
Schlussbetrachtung und Ausblick Der Aufbau dieser Arbeit zeichnete im Wesentlichen die Problemstruktur nach, welche sich aus der epistemischen Grundkonstellation¹ ergab. Dabei war die erste zu beantwortende Frage die nach dem Ursprung der transzendentalen Erkenntnisfunktionen, den Kategorien. Im ersten Kapitel konnte der Nachweis erbracht werden, dass die Kategorien als objektive Gegenstandsbestimmungen aus den subjektiven Formen des Denkens über ihre Anwendung als figurale Funktionen der Einbildungskraft auf die Anschauungsform des inneren Sinnes abgeleitet werden können. Es wurde so gezeigt, dass die Kategorien damit die begriffliche Einheit des logischen und figurativen Verstandesgebrauchs bilden. Aus dieser Lösung ergaben sich jedoch drei Residualprobleme: 1. 2. 3.
Woher stammen die logischen Funktionen des Denkens? Wie werden im Vorstellen aus den logischen Formen des Denkens die diskursiven Formen des Erkennens? Gibt es einen von den Kategorien unabhängigen Gebrauch der figuralen Funktionen der Einbildungskraft?
Die erste Frage ergab sich aus dem Nachweis, dass die Funktionen als Einheiten der Handlung eine dreifache Bedeutung besitzen gemäß der bestimmungslogischen Trias. Da alle Denkhandlungen Bestimmungshandlungen sind, die Urteilsfunktionen jedoch jedem Bestimmungsinhalt vorangehen,² bestand die Schwierigkeit darin nachzuweisen, dass sich die logischen Funktionen auf einen Gegenstand beziehen, dessen Bestimmung gleichzeitig ihr Ursprung ist. Dieser Gegenstand wurde als das Denken selbst ausgemacht, welches sich reflektierend selbst zum Gegenstand macht.³ Dieses selbstreflektierende Denken nennt Kant in Anschluss an die Tradition die transzendentale Apperzeption. Mit dem Nachweis, dass die logischen Funktionen in der transzendentalen Apperzeption ihren Ursprung haben, konnte gleichzeitig gezeigt werden, dass die Urteilstafel vollständig ist. Durch die Differenzierung der vier Bedeutungshinsichten der Apperzeption,⁴ vornehmlich der Unterscheidung ihrer formalen Struktur und ihrer affektionsinduzierten Aktualisation im empirischen Selbstbewusstsein, i. e. der sogenannten
Cf. Einleitung, Abb. . Die logischen Funktionen des Denkens sind einerseits der Grund der transzendentalen Begriffe und damit andererseits Bedingung der Möglichkeit von Gegenständlichkeit überhaupt. Cf. Kap. ... Cf. Kap. ...
Schlussbetrachtung und Ausblick
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Selbstaffektion,⁵ konnte einerseits die zweite Frage nach der Verbindung von logischer Form und Zeitform in der Kategorie beantwortet, andererseits der Vorwurf des Psychologismus gegen die Transzendentalphilosophie im Allgemeinen sowie gegen Kants Begriff der Logik im Besonderen zurückgewiesen werden. Die Apperzeption bezeichnet als bloße Form die logische Struktur des Selbst-, Fremdund Totalitätsbezuges, welche im Denken vor jedem besonderen Denkakt immer schon vorfindlich ist. Die Transzendentalphilosophie enthält also keinen Psychologismus, vielmehr beschreibt die transzendentale Logik die erkenntnislogische Trias von Subjekt, Objekt und Totalität, ausgehend von der Form des Selbstdenkens. Mit der Abweisung des Psychologismusvorwurfs erübrigt sich ebenfalls die Frage der Objektivität der Verstandesgesetze bei Kant, sofern über den Ursprung der Denkgesetze im Ganzen, welche als Form allem (subjektiven) Denken vorausgehen, keine Aussage mehr getroffen werden kann.⁶ Dagegen wurde gezeigt, dass diese strenge Gültigkeit für alles Denken besitzen. Die Beantwortung der dritten Frage konnte erst nach der Aufdeckung der Spiegelstruktur des empirischen Denkens geleistet werden. Die in der Wahrnehmung angetroffene Synthesis, welche vor der begrifflichen Einheit im Erfahrungsurteil liegt, erweist sich so als spiegelbildlich zur eigentlichen transzendentalen Bestimmung aus der Einheit des Subjekts, sofern das empirische Denken seinen Ausgang von der Wirklichkeit des Erfahrungsgegenstandes in der Erscheinung nimmt. Die bloß figurale Synthesis durch die Anwendung des bloßen Schemas bleibt damit letztlich rückgebunden an die kategoriale (unschematisierte) Form der Verstandesstruktur. Für das dritte Kapitel wurde die Frage einschlägig, wie die Wirklichkeit des Gegenstandes als Wirkung eines subjektunabhängigen Grundes gedacht werden kann, i. e. das sogenannte Affektionsproblem. Für die Möglichkeit der Lösung musste dieses auf die konsistente Formulierung eines Begriffes der Empfindungskausalität eingeschränkt werden. Das Ergebnis der Untersuchung war der Begriff der „freien Dependenz“, welcher den theoretischen Spiegelbegriff zum praktischen der „freien Kausalität“ bildet. Es konnte gezeigt werden, dass sich beide über den transzendentalen Symbolismus per analogiam in der Anschauung darstellen lassen, so dass dem Begriff der Empfindungskausalität zumindest indirekt objektive Realität zukommt, womit das minimale Sinnkriterium eines Begriffes als erfüllt gelten durfte. Der sich an das Kapitel 3.2 anschließende Exkurs über den transzendentalen Symbolismus, dem bisher in der Kantforschung so gut wie keine Aufmerksamkeit
Cf. Kap. ... Cf. KrV, B ; S. .
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Schlussbetrachtung und Ausblick
geschenkt wurde, beleuchtete die Möglichkeit des theoretischen Instruments der symbolischen Hypotypose als figurale Metafunktion. Das Problem der ratio cognoscendi der Affektion führte direkt auf die Frage ihrer ratio essendi, i. e. dem Ding an sich. Wie kann das Verhältnis des Dinges an sich und des Dinges in der Erscheinung sowohl epistemologisch als auch ontologisch konsistent gedacht werden? In seiner erkenntnistheoretischen Hinsicht kommt dem Ding an sich eine doppelte Funktion zu: Als Grund und Aufgabe der Erkenntnistätigkeit des denkenden Subjekts. Dies spiegelte sich in der auf- und absteigenden Ordnung seiner kategorialen Bestimmung als transzendentales Ideal einer vollkommenen Gegenstandsbestimmung. Hierin konnte der gesuchte Begriff eines allgemeinen, materialen Wahrheitskriteriums wiedergefunden werden, welches niemals erreicht werden kann, dessen asymptotische Approximation im Regulativ jedoch jederzeit aufgegeben ist. Das transzendentale Ideal bildet daher die „Vollendung des kritischen Geschäftes“.⁷ Gleichzeitig war mit diesem Nachweis der Synthese der Ordnungsstrukturen der ersten und zweiten Reihe in der Ordnung der dritten die Explikation des Vollständigkeitsbeweises abgeschlossen, indem das Übereintreffen der kategorialen Trichotomie mit den drei Formen des Bewusstseins⁸ – dem Bewusstsein des Ich als des Bestimmens der Mannigfaltigkeit zur Einheit, dem diesem entgegengesetzten Bewusstsein des Gegenstandes als das bestimmte Bewusstsein der Einheit in der Mannigfaltigkeit und zu guter Letzt das zur Bestimmtheit bestimmte Bewusstsein der Übereinkunft beider – demonstriert werden konnte. In Verbindung mit dem Begriff des Dinges an sich als Grund der Affektion konnte schließlich gezeigt werden, erstens wie Kants verschiedener Gebrauch der Begriffe von diesem zu rechtfertigen ist, zweitens, dass die Frage nach der adäquaten Interpretation des Verhältnisses von Phänomenal- und Noumenalsphäre als Zwei-Welten- oder Zwei-Aspekten-Interpretation nicht in der Weise beantwortet werden kann, indem man eine Entscheidung zwischen beiden trifft. Es liegt in der Natur des Denkens selbst, respektive in der ihm zugrundeliegenden Reflexionsgesetzlichkeit, dass das Ding an sich einmal „realistisch“, zum anderen „antirealistisch“ gedacht wird. Der Streit innerhalb der Kantforschung ist also in Wahrheit ein Streit der Vernunft mit sich selbst und konnte daher nur transzendental-kritisch gelöst werden. Mit der Wiedereinholung des Dinges an sich als einem positiven Erkenntnisbegriff in die kritische Philosophie in Gestalt des transzendentalen Ideals ist jedoch eine Spannung verbunden, insofern etwas, was gänzlich außerhalb des
KrV, A | B ; S. . Cf. Baumanns (), S. . Cf. AA XVIII, S. , Refl. .
Schlussbetrachtung und Ausblick
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Bereichs möglicher Erfahrung liegt, zum Ausgangs- und Zielpunkt der Erkenntnis genommen wird. Damit eröffnet sich die Perspektive auf die entscheidende Frage nach der Beziehung des Dinges an sich zu dem in der Erscheinung. Kann dem Ding an sich über seine bloße Bedeutung als Quell der Empfindung eine erkenntniskonstitutive Bedeutung beigemessen werden, welche für die Struktur der Erfahrungswirklichkeit (mit‐)verantwortlich ist? Angesichts von Kants Lehre der Unabhängigkeit der besonderen Naturgesetze muss diese Frage bejaht werden; angesichts des von Kant insinuierten Ergebnisses der transzendentalen Deduktion, welche die Apperzeption als alleinigen Grund der Verknüpfung unserer Vorstellungen ausweist, muss sie jedoch verneint werden. Wie gezeigt werden konnte, gründet dieses Problem in einem Fehlschluss im Herzen der transzendentalen Deduktion, so dass die Aufrechterhaltung der Subjekt-Objekt-Dichotomie, zumindest mit dem starken Anspruch bezüglich der Rolle der Apperzeption für die Erkenntnis, nicht aufrechterhalten werden kann. Mit der Aufdeckung über das mit Kant nicht restlos aufzuklärende Spannungsverhältnis im Begriff des Gegenstandes ist die vierte der vier in der Einleitung gestellten Fragen⁹ beantwortet und die Untersuchung damit abgeschlossen.
Cf. Einleitung.
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Verweyen () Visser () Vossenkuhl () Vuillemin () Wagner ()
Wagner () Wahsner ()
Walsh (/) Wartenberg ()
333
Tonelli, Giorgio: Die Anfänge von Kants Kritik der Kausalbeziehungen und ihre Voraussetzungen im . Jahrhundert. In: Kant-Studien, Band , , – . Tonelli, Giorgio: Kant’s Critique of pure reason within the tradition of modern logic, Hildesheim . Trede, Johann Heinrich: Die Differenz von theoretischem und praktischem Vernunftgebrauch und dessen Einheit innerhalb der Kritik der Urteilskraft, Heidelberg . Tuschling, Burkhard: Sind die Urteile der Logik vielleicht „insgesamt synthetisch“? In: Kant-Studien, Band , , – . Uehling, Theodore: Wahrnehmungsurteile and Erfahrungsurteile Reconsidered. In: Kant-Studien, Band , , – . Ulrich, Hermann: Egologische Reflexion. In: Kant-Studien, Band , / , – . Vaihinger, Hans: Aus zwei Festschriften. Beiträge zum Verständnis der Analytik und der Dialektik in der Krit. d.r.V. In: Kant-Studien, Band , , – . Vaihinger, Hans: Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft, Band I-II Stuttgart, . Vallenilla, Ernesto Mayz: Kants Begriff des Nichts und seine Beziehungen zu den Kategorien. In: Kant-Studien, Band , , – . Van Cleve, James: Comments on Paul Guyer’s „The Failure of the B-Deduction. In: Hoke Robinson (ed.): Spindel-Conference : The B-Deduction, The Southern Journal of Philosophy, , Supplement, Memphis , – . Verweyen, Johannes Maria: Die Idee des Unbedingten. In: Kant-Studien, Band , , – . Visser, H. L. A.: Zum Problem der nicht-rationalen Logik. In: Kant-Studien, Band , , – . Vossenkuhl, Wilhelm: Schönheit als Symbol der Sittlichkeit. In: Philosophisches Jahrbuch , Freiburg . Vuillemin, Jules: Reflexionen über Kants Logik. In Kant-Studien, Band , /, – . Wagner, Hans: Zu Kants Auffassung bezüglich des Verhältnisses zwischen Formal- und Transzendentallogik. Kritik der reinen Vernunft A – /B – . In: Kant-Studien, Band , , – . Wagner, Hans: Der Argumentationsgang in Kants Deduktion der Kategorien. In: Kant-Studien, Band , , – . Wahsner, Renate: (Buchbesprechung) Peter Baumanns: Kants Philosophie der Erkenntnis. Durchgehender Kommentar zu den Hauptkapiteln der „Kritik der reinen Vernunft“, Würzburg: Königshausen & Neumann , Seiten. In Kant-Studien, Band , S. – . Walsh, W. H.: Schematism. In: Kant-Studien, Band , /, – . Wartenberg, Mscislaw: Der Begriff des „transscendentalen Gegenstandes“ bei Kant und Schopenhauers Kritik desselben (I). In: Kant-Studien, Band , , – .
334
Literaturverzeichnis
Wartenberg ()
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A) Kants Einteilung der Logik Logik = Wissenschaft der Verstandesregeln überhaupt
Elementarlogik
Organon einer Wissenschaft
=
=
Logik des allgemeinen Verstandesgebrauchs
Logik des besonderen Verstandesgebrauchs
Allgemeine
Allgemeine angewandte
Transzendentale
Organon einer
reine Logik
Logik
Logik
besonderen Wissenschaft
=
=
=
=
Kanon des Verstandes
Kathartikon des
Logik des reinen Denkens
Logik des empirischen
und der Vernunft
gemeinen Verstandes
der Gegenstände
Denkens der Gegenstände
Gegenstände:
a ˅ ~a
Gegenstände:
a ˅ ~a
Gegenstände:
a
Gegenstände:
~a
Regeln:
a
Regeln:
~a
Regeln:
a
Regeln:
~a
Formale
Formale
Transzendentale
Transzendentale
Analytik
Dialektik
Analytik
Dialektik
=
=
=
=
Logik der Wahrheit
Logik des Scheins
Logik der Wahrheit
Kritik des dialektischen Scheins
Analytik der logischen
Analytik der
Analytik der
Analytik der
Grundfunktionen
logischen Grundsätze
Grundbegriffe
Grundsätze
a: ~a:
a priori a posteriori
B) System des transzendentalen Schematismus Titel
Quantität
Kategorie – Schema
Schematismus
Einheit, Vielheit, Allheit – Zahl A
B
Zeitreihe
C
Realität – Erfüllte Zeit B
A Negation – Leere Zeit
Qualität A
Zeitinhalt B
Limitation – Umschließende Zeit A
B
Substanz – Persistenz A
Relation
A
A
Kausalität – Sukzession A
B
Zeitordnung C
Wechselwirkung – Synchronizität A˄B Möglichkeit – Beliebige Zeit X Modalität
Wirklichkeit – Bestimmte Zeit A Notwendigkeit – Jede Zeit …n…
Zeitinbegriff
C) Vollständige Tafel aller transzendentalen Funktionen, Begriffe und Grundsätze
1. Kreis: Die Apperzeption und ihre Reflexionsstruktur 2. Kreis: Die Funktionstitel 3. Kreis: Die Urteilstafel 4. Kreis: Die Kategorientafel 5. Kreis: Die transzendentalen Schemata 6. Kreis: Die Tafel der transzendentalen Grundsätze 7. Kreis: Tafel der apriorischen Grundsätze der Physik (Met. Anf. Nat.)
D) Ableitungsschema der Verstandesfunktionen I Bestimmen Bestimmen
Relation
Bestimmtheit/
Kategorisches
Bestimmbarkeit
Urteil
Bestimmen
Bestimmtheit/ Bestimmbarkeit
Bestimmen
Qualität
II Bestimmbarkeit Hypothetisches III Bestimmtheit Disjunktives Urteil
Verneinendes
Bejahendes Urteil
Quantität
Urteil
Urteil Unendliches Urteil
Bestimmtheit/
Allgemeines
Besonderes
Bestimmbarkeit
Urteil
Urteil
Bestimmen
Bestimmtheit
Modalität
Einzelnes Urteil
Problematisches
Assertorisches
Urteil
Urteil Apodiktisches Urteil
Namenregister Adickes, Erich 232, 254, 256, 285 f., 288 f., 319 Adler, Hans 319 Allison, Henry 34, 68 f., 303 f., 308, 319 Ameriks, Karl 116, 319 Aportone, Anselmo 23, 32 – 34, 50, 319 Aristoteles 2, 13, 161, 318 Bartuschat, Wolfgang 282, 317, 319 Baum, Manfred 63 f., 90, 319 Baumanns, Peter 15, 20 f., 25, 32, 38, 54 f., 72 f., 77, 82, 107 f., 111 f., 148, 152, 162 – 165, 170 f., 176, 178 – 180, 188 – 190, 203, 206, 209, 218, 229, 235, 237 f., 240, 242 f., 246, 255 f., 291, 295, 299 f., 304 f., 310, 315, 319, 332 f. Bazil, Vazrik 136, 145, 147, 264, 319 Beck, Lewis White 25, 253 f., 319 Bennett, Jonathan 112, 116, 145, 319 Berkeley, Georg 57, 151, 317, 327 Bickmann, Claudia 311, 319 Bielefeldt, Heiner 265, 276, 319 Bird, Graham 39, 319 Böhme, Gernot 237, 305 f., 320 Bojanowski, Jochen 264, 282, 320 Bondeli, Martin 140 f., 320 Born, Max 76, 320 Brandenstein, Béla von 320 Brandt, Reinhard 16, 31, 35, 39, 78, 108 f., 112, 160, 162 – 166, 168 f., 209, 291, 320 Bröcker, Walter 242, 320, 333 Bucher, Theodor 135, 320 Buhl, Günther 34, 320 Bussmann, Hans 59, 64, 74 f., 83, 236, 320 Caimi, Mario 141, 320 Carl, Wolfgang 70, 308, 320, 325 Carnap, Rudolf 108, 320 Cassirer, Ernst 320 Chiba, Kiyoshi 253, 288, 320 Chipman, Lauchlan 321 Choi, So-In 194, 211, 321 Cohen, Hermann 16, 150, 285 f., 302, 321, 325, 331
Cramer, Wolfgang 65, 89, 174, 210, 288 f., 299, 321, 324 Crone, Katja 200, 321 Curtius, Ernst Robert 51 f., 65, 67, 69, 321 Dahlstrom, Daniel 55, 58, 61 – 63, 71, 265, 321 Dalbosco, Claudio 286 f., 321 Delekat, Friedrich 17, 321 Descartes, René 2, 58, 116, 297, 318 Detel, Wolfgang 51, 54 f., 71, 74, 321 Driesch, Hans 109, 321 Drüe, Hermann 321 Dryer, Douglas 17, 56, 321 Düsing, Klaus 151, 193, 321 Ebeling, Hans 321 Ehrenberg, Hans 15, 34, 98, 108 f., 321 Eley, Lothar 34, 321 Enskat, Rainer 34, 39, 215, 322 Erdmann, Benno: 258, 322 Ferrari, Jean 290, 322 Ferrarin, Alfredo 64, 322 Fichte, Johann Gottlieb 14 f., 59, 162, 195, 208, 213, 222 f., 253 f., 258, 284 f., 288, 317 f., 323 – 325, 327, 330 Fischer, Kuno 258 Fischer, Norbert 112 Frank, Manfred 196, 232 Frank, Simon 210 f. Franzwa, Gregg 62, 322 Frede, Michael 78 f., 83, 88, 239, 322 Freudiger, Jürg 322 Freuler, Léo 55, 322 Fricke, Christel 281 f., 322 Funke, Gerhard 321 f., 324 f., 328 – 331, 333 Grayeff, Felix 10 f., 21, 323 Grier, Michelle Gilmore 112, 116, 121, 139 f., 224, 323 Gurwitsch, Aron 16, 175, 323
342
Namenregister
Haas, Bruno 62, 71, 323 Haering, Theodor 323 Hammacher, Klaus 222, 323 Hartmann, Nicolai 86 f., 323, 331 Hauck, P. 16, 161, 323 Heckmann, Heinz-Dieter 223 f., 323 Hegel, Georg Wilhelm 34, 108, 131, 161 f., 317 – 319 Heidegger, Martin 162, 323 Heidemann, Ingeborg 176, 180, 323 Heim, K. 196, 323 Heimsoeth, Heinz 16 f., 88, 123 f., 132, 147, 155, 174, 208, 211, 213, 223, 225, 232, 290 f., 294 f., 298 f., 323 – 325, 332 Heinrichs, Johannes 16, 109, 176, 213, 324 Heintel, Peter 303, 324 Henrich, Dieter 64, 77, 188, 222, 235, 324 Hilmer, Brigitte 60, 324 Hoeppner, Till 22 f., 26 – 28, 30, 324 Höffe, Otfried 4, 78, 81, 113, 177, 270, 272, 277, 320, 322, 324 – 330 Holzhey, Helmut 92, 245, 324 Hoppe, Hansgeorg 56, 176, 240, 242, 310, 324 Horstmann, Rolf-Peter 121, 171, 174 – 176, 263, 324 f., 327, 329 Hughes, R. I. G. 229, 325 Hume, David 57, 72 f., 231, 310, 318, 326 Hwang, Soon-U 310, 325 Jacobi, Friedrich Heinrich 174, 253 f., 305, 318 Jäger, Joseph Nikolaus 209, 325 Janke, Wolfgang 161 f., 285, 325 Jochim, Hans Peter 86, 325 Joël, Karl 31, 40 f., 46, 325 Kang, Young Ahn: 72, 325 Kaulbach, Friedrich 211 f., 223, 325, 332 Kellermann, Benzion 325 Kirchner, Friedrich 123, 325 Klass, Gregory 41, 58, 104, 113, 117, 137, 147, 154, 167, 173, 198 – 201, 325 Klaus, Georg 41 f., 321, 323, 325 f., 328 Klemme, Heiner 240, 264, 282, 325 Klimmek, Nikolai 114 – 116, 123, 140, 145, 147, 155, 167, 290, 292 f., 295, 299 f., 325
Kohler, Georg 280, 325 Kopper, Joachim 321, 324 f., 327, 329 Körner, Stephan 40, 325 Koßler, Matthias 225, 325 Krüger, Lorenz 16, 46, 78 f., 83, 88, 108 f., 239, 322, 326 Kühn, Manfred 326 Kulenkampff, Jens 280, 282 f., 326 Kynast, Reinhard 30, 326 La Rocca, Claudio 61 f., 326 Langthaler, Rudolf 326 Lauener, Henri 326 Lehmann, Gerhard 109, 311, 326 Leiber, Theodor 20, 326 Liebrucks, Bruno 9, 211 f., 326 Locke, John 57, 151, 319 Longuenesse, Béatrice 23, 78, 326 López-Fernández, Alvaro 237, 247, 326 Lorenz, Gisela, Helene 11, 14, 15, 18, 160 Lorenz, Hilmar 162 Lorenzen, Paul 23, 86, 326 Lünemann, Arthur 176, 326 Mainzer, Klaus 15, 40, 70, 326 Malebranche, Nicole 317 Mall, Ram Adhar 38, 72 f., 193, 326 Malter, Rudolf 16, 111, 120, 123, 133, 142, 327 Maly, Sebastian 266, 327 Malzkorn, Wolfgang 18, 25, 30, 34, 123, 125, 127, 131 f., 139, 144, 206, 327 Marthaler, Ingo 312, 327 Marx, Wolfgang 123, 157, 176, 324, 327, 329 Meerbote, Ralf 49, 327 Meixner, Uwe 241, 327, 329 Menne, Albert 161, 327 Menzel, Ladislav 118, 121, 327 Mesch, Walter 63, 65, 327 Messer, August 310, 327 Metz, Wilhelm 14, 101, 189, 327 Michel, Karin 235, 327 Miles, Murray Lewis 77, 81, 123, 327 Mohr, Georg 180, 269, 320, 322, 324 – 328, 330 Moreau, Joseph 57, 327
Namenregister
Mudroch, Vilem 62, 328 Mues, Albert 305, 328 Natorp, Paul 26, 286, 288 f., 302, 328 Natterer, Paul 3, 13, 31, 39, 121, 145, 153, 156, 171, 176, 194 f., 328 Nawrath, Thomas 328 Newton, Issac 131 Nobel, Albert 6, 328 Pardey, Ulrich 212, 328 Paton, Herbert James 23 f., 82, 154, 328 Patten, Steven 219, 328 Paulsen, Friedrich 258 f., 310, 328 Peter, Joachim 319 f., 324 – 330 Pieper, Annemarie 275, 277, 328 Pippin, Robert 328 Pissis, Jannis 31, 78, 111, 116, 118, 132, 136, 139 f., 145, 170, 206, 210, 213, 299, 328 Platon 63, 90, 318 Prauss, Gerold 232, 235, 245 f., 255, 286, 328 Prien, Bernd 25 f., 28 f., 33, 36 – 38, 44, 249, 328 Recki, Birgit 266, 274, 278, 280, 283 f., 328 Reich, Klaus 37, 109 f., 159 – 164, 168 f., 209, 228, 328 Reinhold, Carl Leonhard 162, 317 Renaut, Alain 137, 144, 328 Rescher, Nicholas 193, 329 Ricken, Frido 291, 329 Rickert, Heinrich 1, 8, 176, 329, 334 Riehl, Alois 41, 103, 329 Robinson, Hoke 323, 329, 332 Rohs, Peter 96, 174, 241, 249, 290, 297, 311 f., 329, 333 Ros, Arno 28, 36, 38, 329 Rosales, Alberto 38, 73, 174 f., 329 Rosefeldt, Tobias 211, 329 Rotenstreich, Nathan 17, 194, 229, 329 Sandberg, Eric 49, 257, 329 Satura, Vladimir 176, 329 Scheffer, Thomas 3, 7, 329 Schenk-Danzinger, Lotte 238, 330 Schiemann, Gregor 307, 330
343
Schmauke, Stephan 330 Schöndorf, Harald 25, 200, 256, 306, 330 Schönrich, Gerhard 84, 330 Schopenhauer, Arthur 51, 254, 318, 333 Schorr, K. E. 43, 330 Schulthess, Peter 16, 25, 31, 35, 39, 41, 48, 330 Schwabe, Ulrich 209, 330 Schwyzer, Hubert 10, 330 Seebaß, Gottfried 177, 330 Seel, Gerhard 52, 68, 71, 270, 330 Seidl, Horst 300, 330 Sickenberger, Otto 16, 31, 78, 330 Simmel, Georg 241, 330 Simon, Josef 211, 268, 319, 324, 328, 330 Smith, Norman Kemp 62, 67, 123, 330 Sommerlath, Ernst 331 Spindler, Josef 56, 68, 73, 331 Stammler, Gerhard 331 Staudinger, Franz 310, 312, 331 Steckelmacher, Moritz 16, 33, 331 Sternberg, Kurt 331 Stolzenberg, Jürgen 282 f., 321, 325, 331 Stuhlmann-Laeisz, Rainer 28, 38, 46, 69, 82, 114, 116, 121, 237, 331 Sturma, Dieter 174, 194, 211, 331 Theis, Robert 265, 331 Thomsen, Anton 233, 258 f., 305, 331 Thyssen, Johannes 176, 195, 332 Tonelli, Giorgio 15 f., 118, 257, 332 Trede, Johann Heinrich 332 Tuschling, Burkhard 37, 332 Uehling, Theodore 332 Ulrich, Hermann 319, 324, 328, 330, 332 Vaihinger, Hans 27, 53, 253 f., 256, 310, 332 Van Cleve, James 177 f., 332 Verweyen, Johannes Maria 292, 332 Visser, H. L. A. 10, 332 Vossenkuhl, Wilhelm 283, 332 Vuillemin, Jules 16, 27, 40, 43, 86, 136, 332 Wagner, Hans 2, 17, 77, 324, 332 Wahsner, Renate 239, 332 Walsh, W. H. 56, 265, 333
344
Namenregister
Wartenberg, Mscislaw 1, 49, 76, 232, 240, 254, 333 Weidenbach, Oswald 223, 333 Weissmann, Asriel 39, 293, 333 Wenzel, Christian 239, 243 f., 249, 333 Windelband, Wilhelm 161, 333 Wingendorf, Ralf 163, 333 Wittek, Andreas 162, 166, 333 Wittgenstein, Ludwig 292, 318 Wolandt, Gerd 283, 333 Wolff, Michael 25, 39, 78, 110, 154, 161, 163 – 165, 169, 205 f., 333
Wundt, Max 147, 333 Wyller, Truls 96, 309, 333 Young, John Michael
34, 249, 325, 333
Zobrist, Marc 174, 195 f., 201, 212, 333 Zocher, Rudolf 139 f., 153, 333 Zöller, Günter 40, 254, 333 Zschocke,Walter 63, 64, 65, 67, 94, 231, 268 Zwermann, Eduard 252, 310, 334
Sachregister Absolute, das 89 f., 92, 125, 147, 210, 220 – 223, 225 f., 228, 233, 247, 259, 270, 295, 297, 321 Absolutheit, die 155, 208 Ad infinitum–ad indefinitum 57, 88, 292 Affektibilität 232, 235 Affektibilitätsformen 21 Affektion – Affektion, doppelte 254 – 256 – Affektion, empirische 254, 255 – Affektionskausalität 255, 257 – 259 – Affektion, transzendentale 29, 232, 233, 235, 240, 248, 246, 252, 253, 255, 263 Affektionsproblem 12, 150, 162, 246, 252 – 253, 255, 258, 262, 314 Algorithmus, transzendentaler 18, 72, 120 Amphibolie 1, 39 Analogie 16, 21, 127, 133, 149, 245, 259, 264 f., 268 f., 273, 277 – 279, 326 Analytisch-synthetisch 4 – 6, 9, 20, 26 f., 36 f., 45 f., 50, 52, 63 f., 77, 79, 81 f., 85, 90 f., 103, 108, 120 f., 128, 141 f., 146, 148, 176, 182 – 188, 190 – 197, 200 f., 227, 236, 238, 242, 293 f., 307, 312, 325, 328 f., 331 f. Anschauung – Anschauung, intellektuelle 22 – Anschauung, empirische 6 – Anschauung, reine 22, 45, 63 f., 69, 117, 188, 236 Antinomien 154, 330 Apeiron 148 apperceptionis substantiatae 160, 207 Apperzeption, empirische 202 Apperzeption, transzendentale 15, 27, 35, 80, 306, 309, 313, 326, 330 Apprehension 53, 77, 88, 205, 236, 239, 243, 250, 303 Aristokratie 272 Assoziation 241, 282, 303 Äther 312 Augenblick 236, 238 Autonomie 102, 260, 275, 278, 283 f. Axiome, logische 39
Bewusstsein, empirisch 1, 21, 69 f., 104, 111, 162, 166, 171 f., 175 f., 182 – 190, 194, 197 – 199, 203 – 205, 207 f., 210 f., 214 – 219, 222 f., 225 f., 236 f., 240, 248, 254, 285, 307 – 309, 315, 331 Bild-Schema 7, 10, 18, 20 f., 23, 33, 35, 43, 46, 48 – 50, 52 f., 56 – 74, 79 – 81, 85 – 91, 93 – 95, 97, 99, 105 – 107, 113 f., 120 f., 125, 130, 140, 150 f., 153, 157, 166, 175, 180, 193, 198, 204 f., 208, 217, 237 – 239, 241, 249 f., 252, 256 – 259, 261 f., 264, 266 – 273, 275 – 279, 281 f., 285, 300, 313 f., 319, 324 f., 328 Biologie 94, 97 computans–computatum
89, 91
Dasein 86 f., 92 – 95, 97, 155, 194, 211, 216, 245, 274, 298, 323 Deduktion, genetische 9, 13 f., 16 – 19, 28, 34, 38 f., 51 f., 54 – 56, 63 f., 71, 76 – 80, 82, 104, 115, 120, 128, 133, 139 – 142, 144, 148 f., 155, 157 – 159, 164 f., 171, 193, 201, 215, 217, 227, 306, 308 f., 316, 319, 324, 329, 333 Demokratie 272 Dependenz, freie s. Gelegenheitsursache 252, 257, 260 – 262, 286, 314 Determination, logische 36, 42 f. Determinismus 76 Dialektik, transzendentale 289, 293, 320, 323 – 325, 328 Ding an sich 12, 37, 152, 211 f., 232 – 234, 240, 245 f., 248, 251 – 260, 262, 285 – 292, 297, 299 – 305, 315 f., 319, 321, 328, 330 f. Dreieck 56 – 59, 134 Einbildungskraft 49, 52, 54, 56 – 60, 64, 72 – 75, 77, 81, 83, 100 – 102, 120, 128, 136, 148, 171 f., 175, 181, 188, 190 – 193, 195 f., 205, 214, 217, 236, 241, 243,
346
Sachregister
249 – 251, 257, 259, 266, 269, 275, 278, 280 f., 283, 313, 327, 330 Einheit – Einheit, absolute (qualitative) 15, 115, 147, 158, 165, 170, 188, 203, 205 – 207, 210, 225 – 227, 238 – 240, 247, 295, 297 f. – Einheit, numerische 181, 202, 204, 215, 227, 303 Empfindung 21, 65, 92 – 95, 150, 185, 234 – 240, 243 – 247, 249, 254, 259, 261, 281, 306, 311, 316 Empirismus 37, 231 Empfindungskausalität 21, 255 – 257, 261, 262, 314 Epistemologie 1, 7, 234, 248 Erfahrung 4, 6, 8 – 10, 16, 19, 27 – 29, 33, 40, 45, 55, 60, 63 f., 70, 72, 76, 80 – 84, 91, 94, 106 f., 117, 119, 122, 124, 128 f., 136, 140 – 144, 150 f., 159 f., 177, 190 f., 196, 202, 204 f., 207, 210, 213, 220 f., 231 – 234, 240 f., 243 – 245, 247 – 249, 251 f., 254, 256 f., 261 f., 274, 282 – 284, 286, 290, 292, 299 f., 303 – 306, 309, 312, 316, 320 – 322, 325 – 327, 329 – 331 Erkenntnistheorie, evolutionäre 305 Erkentnisstämme 21, 125, 151, 251, 252, 255, 262 Erscheinung 21, 37, 45, 53 f., 59 f., 67 f., 70 f., 73, 85, 94, 107, 128 – 130, 146 f., 153, 158, 171, 191, 200, 202, 212 f., 215, 221, 231 f., 234 – 237, 240, 243 f., 252 – 256, 258 f., 265 – 267, 271, 282, 286 – 288, 290, 296, 300 – 305, 310, 314 – 316, 321, 323 Faktum der Vernunft 25, 319 Falschheit – Falschheit, formale 114 – 117, 121 – Falschheit, materiale 116, 121 Freiheit 258 f., 261, 264, 274 – 278, 280 f., 283 f., 323 Funktion – Funktion, figurale (reale) 75, 87, 120, 188, 249, 313
– Funktion, ideale 72, 147 f., 188 – Funktion, transzendentale (diskursive) 49, 72, 75, 81, 87 f., 94, 103, 256, 263, 286, 303, 309 Gelegenheitsursache 261 f. Geometrie 6, 58 f., 239 Glückseligkeit 311 Gott 92, 111 f., 127, 144, 155, 173, 208, 259, 266, 287, 290, 297 f., 300, 305, 323, 327, 330 Gottesbeweis 89, 154 Grad, graduelle Bestimmbarkeit 78, 93, 238 – 240 Gravitation 131 Grenzbegriff 286 f., 302 Grundsatzes der Bestimmbarkeit 293 Grundsatzes der durchgängigen Bestimmung 293 Gute, das sittlich 167, 275, 275, 277, 278 Gültigkeit – Gültigkeit, objektive 49, 54, 63 – Gültigkeit, subjektive 139, 142, 171, 263, 282, 284, 304 Heautonomie 102, 278 Hypotypose, schematische s. Schema Hypotypose, symbolische s. Symbol Ich, absolutes 155 Idealismus, transzendentaler 231 Ideal, transzendentales 291 f., 296, 315 Idee, transzendentale 42, 263, 294, 325 Identität 1, 32, 36, 67, 77, 123, 136, 154, 170, 178, 180 – 187, 189 – 191, 196 f., 199, 203 – 205, 215, 218 f., 223 f., 227, 246, 303 f., 324 Imperativ, kategorischer (moralischer) 312 Intensivität 238 Kategorientafel 10 f., 16 f., 32, 34, 56, 78, 98, 103 f., 106, 109, 153, 156 f., 159 f., 164, 213, 321, 323 f. Kategorien, unschematisierte (bloße) 14, 70 f., 106, 158, 208, 256, 289 Kausalität aus Freiheit, s. Freiheit 258 – 261, 277
Sachregister
Kausalität 66, 68, 76, 94 – 99, 104, 130, 154, 155, 241, 247, 252, 255, 256, 257 – 262, 270 – 273, 275 – 277, 314 Konstitutiv, konstitutiver Ideengebrauch 4, 11, 37, 49, 62, 64, 99, 130, 133, 152, 180, 219, 264, 292, 298 f., 312 Kontinuum 4, 238 Körper 37, 43 – 46, 83, 96 – 98, 131, 175, 185, 221, 225, 258 f., 270, 272 Korrelat, Korrelatum 94, 188, 194, 240, 302 Kreis 5, 59, 228 Leitfadenkapitel 51, 139, 163 f., 206 Licht 2, 15, 18, 229, 273, 284 f., 327 Logik – Logik, formale (allgemein reine) 9, 32 – 34, 37, 41, 47, 113 f., 118, 144 f., 223, 327, 331 – Logik, transzendentale 9, 20, 34, 41, 46, 51, 53, 70, 86, 314, 328, 330 f. – Logistik s. Logik, formale Mannigfaltigkeit 21, 52, 60, 62 f., 69 f., 72, 90, 128 f., 139 f., 162, 175, 180 – 183, 186, 189, 192 – 194, 197, 202, 236 – 240, 281 f., 295 f., 302, 304, 307, 309 f., 315 Mathematik 4, 6, 22, 54, 59, 103, 117, 214, 239, 321 mathesis universalis 118 Mechanik, Mechanismus 16, 131 Metafunktion 131, 263, 315 Metaphysik 94, 108, 112, 132 f., 144, 207, 223, 233, 292, 317, 320 – 324, 327, 329, 332 f. Modalität 31, 47 f., 66, 84, 86 f., 94, 99 f., 106, 130, 155, 157, 160, 162, 202 – 205, 216 – 218, 228 f., 244 – 247, 279 f. Monarchie 272 Naturgesetz 94, 96, 156, 259, 266, 274 – 277, 310, 316 Naturwissenschaft 16, 46, 55, 94, 110, 132 Naturzweck 98 f., 273 Neukantianismus 15, 286 Newton des Grashalms 98 Normalidee 60 f.
347
Notionen s. Kategorien, unschematisierte Noumenon 212, 215, 286, 287, 290, 301, 302 Objekt – Objekt, empirisches 8, 10, 21, 30, 38, 44, 45, 49, 70, 82, 149, 154, 245, 252, 303 – Objekt, logisches 35, 100, 106, 152 – Objekt, transzendentales 8, 10, 11, 20, 84, 160, 171, 232, 233, 235, 243, 244, 245, 248, 252 f., 261, 287, 288, 292, 296, 301, 304 Objektivität 8, 34, 140, 231, 234, 314 Ontologie 16, 311, 320 Opus postumum 37, 193, 224, 311 f., 318, 326 Paralogismus, logischer 113 f., 115, 121 Paralogismus, transzendentaler 113, 114, 115, 116, 121, 225 Person, Persönlichkeit 136, 212 Physik 16, 94 f., 97, 318, 320 Postulat 140, 245, 264 Prädikamente–Prädikabilien 50, 70 Prinzip – Prinzip, logisches 197, 293 – Prinzip, transzendentales 282, 284, 299 Prototypon transscendentale 299 Psychologismus 38, 314 Qualität 27, 31, 47, 65, 84, 91, 93, 99, 116, 130, 143, 155, 157, 160, 162, 202 f., 218, 226, 228 f., 244, 247, 282, 294, 297 f. Quantität 27, 31, 40, 47, 65, 88, 91, 93, 105, 130, 143, 155, 157, 160, 162, 202 f., 218, 227 – 229, 237, 244, 246 f., 270, 322, 330 ratio cognoscendi 33, 56, 283, 287, 315 ratio essendi 246, 264, 283, 287, 315 Raum – Raum, Anschauungsform 9, 13, 20 f., 33, 53, 61 – 66, 81 f., 94, 114, 117, 188, 196, 237, 239 f., 257, 269, 291, 313, 328 – Raum, reine Anschauung 63 f., 236, 321 Realismus, empirischer 231 Reflexionsbegriffe 16, 35, 209, 213 – 218
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Sachregister
Reflexion, transzendentale 321 Regulativ, transzendentales 7, 91, 130, 133, 140, 141, 143, 153, 156, 221, 264, 291, 292, 298, 299, 302, 304, 309, 311, 315 Relation 1, 7, 22, 27, 37, 47, 61, 64, 66, 72, 76, 84, 94 – 96, 99, 127, 130, 137, 145 f., 155, 157, 160, 162, 171, 174 f., 190, 192, 202 f., 205, 215 f., 218 f., 221 f., 226, 228 f., 235, 241, 244, 247, 253, 259 – 262, 265, 267 – 272, 274, 276 – 280, 295, 297, 312, 330 f. Republik 272 Satz der Identität 39, 229 Satz vom ausgeschlossen Dritten 39, 333 Satz vom Widerspruch 39 Schema – Schema, empirisches 58, 60 – Schema reiner Sinnesbegriffe 58 f. – Schema, transzendentales 81, 87 Schöne, das 167, 277 – 279 Schulphilosophie, Leibniz-Wolffsche 292 f. Schwere 13, 37 Seele 47, 60, 73, 111 f., 127, 144 f., 154 – 156, 160, 188, 210, 212, 220 f., 227, 272, 318, 322 Selbstaffektion 10, 21 f., 50, 101, 181, 195 f., 255 f., 262, 314, 321 Sinnlichkeit 10, 19, 22, 29, 45, 49, 51, 57, 66 f., 69 – 72, 74 f., 79 f., 85, 88, 100 – 102, 131, 137, 140, 142, 148 – 152, 158 f., 171 – 173, 188, 191 f., 197, 202, 205 – 207, 214, 236, 251, 253 f., 257 – 259, 262, 275, 283, 296, 299, 302 Sittengesetz 259, 275 f. Sorites 143, 209 Spontaneität 10, 21 f., 43, 51, 53, 63, 66 f., 73, 85, 99, 101 f., 173 f., 179 f., 219, 249, 278, 280, 284, 323 Stefan-Boltzmann-Gesetz 96 Subjekt – Subjekt, absolutes 219 f., 222, 225, 228 – Subjekt, empirisches (passives) 10, 21, 195 – Subjekt, transzendentales 255 Substrat/Substratum, transzendentales 291
Sukzession 63 – 66, 76, 95 f., 236, 240 f., 259, 268 f. Syllogismus, Syllogistik 40, 135, 330 Symbol, transzendentales 62, 80, 81, 143, 151, 153, 167, 257 – 285, 314, 315 Synthesis – Synthesis, figurale/figürliche (synthesis speciosa) 52, 54, 77, 82, 196, 314 – Synthesis, intellektuale (synthesis intellectualis) 52, 82 Tafel der Kategorien, s. Kategorientafel 44, 79, 81, 132, 154 Tafel der Urteilsformen, s. Urteilstafel 169 f., 201 Teleologie 321 Transzendentalien 15 Transzendenz 320 Triangel, s. Dreieck 6, 57 – 59 Trichotomie 91, 103 f., 106, 146, 154, 167, 315 Typik 274, 276, 280 Typus des Sittengesetzes, s. Typik 259, 275 Tyrannis 270 f. Unsterblichkeit 213 Urteil – Urteil, allgemein 40, 43, 78, 88 – 91, 125, 227 f. – Urteil, apodiktisch 48, 86 f. – Urteil, assertorisch 48, 86 f., 91, 154, 247 – Urteil, ästhetisch 154, 279 f., 282, 322, 326 – Urteil, bejahend 91 – 93 – Urteil, besonders 91, 247 – Urteil, disjunktiv 31, 40, 46, 48, 96, 138, 216, 294, 299 – Urteil, einzeln 40 f., 46, 91, 280 – Urteil, hypothetisch 95, 121, 247 – Urteil, kategorisch (apophatisch) 31, 44, 83, 89, 92, 94 f., 99, 125, 137, 203, 216, 219, 221 f., 226, 228, 258 – Urteil, problematisch 48, 85, 87, 228 – Urteilstafel 11, 13 – 16, 23, 31 f., 35, 39 – 41, 51, 71, 80, 99, 107 – 110, 112, 159 – 166, 168 – 170, 190, 202, 205, 208 f., 214 f.,
Sachregister
228 f., 243 f., 248, 263, 289, 296, 301, 313, 320, 323, 326 – 328, 332 f. – Urteil, unendlich 46 f., 66, 93, 297 – Urteil, verneinend 47, 92 f., 247 Vernunftbegriff – Vernunftbegriff, logischer 128, 143, 153, 156, 159 – Vernunftbegriff, transzendentaler 128, 143, 151, 256, 298 Vernunftschluss 113, 121, 130, 133 – 138, 143 f., 148, 209 Verstandesbegriffe – Verstandesbegriffe, nackte 208 – Verstandesbegriffe, reine 7, 13, 18, 32, 44 f., 49 – 51, 54, 56, 58, 61, 71 f., 76 f., 79 – 81, 83, 99, 120, 133, 141, 147 f., 155, 159, 166 f., 188, 191, 193, 204 f., 207 f. Verstandesschluss 134 – 137 Vollkommenheit, eigene 311 Wahrheitskriterium – Wahrheitskriterium, hinreichend
3 f., 6 f.
349
– Wahrheitskriterium, notwendig 5 f., 119 Wahrnehmung 9 f., 19, 21, 33, 49 f., 65, 70, 72, 74 – 76, 81, 94, 96, 173, 179, 181, 184 f., 202, 234, 236 – 245, 247 – 250, 290, 298, 305, 309 – 311, 314, 320, 325, 330 f., 333 Wille 25, 98, 258 f., 261, 270 – 272, 274, 276 – 278 Wohlgefallen 279, 283 Zahl
44, 57, 63, 65, 81, 88 – 91, 104, 108, 139 Zeit 9, 14, 20 f., 45, 59, 61 – 67, 74 f., 81, 85 – 94, 102, 108, 114, 151, 161 – 163, 191 f., 202, 215, 235 – 240, 247, 253, 259, 261, 268 – 271, 289, 310, 320, 330 Zirkel, s. Kreis 59, 112, 157 f., 222 Zweck, Zweckmäßigkeit 15, 78, 84, 98, 112, 212, 234, 259, 263, 272 f., 279 – 282, 284, 311 f., 322, 326, 330 Zwei-Aspekten-Interpretation 315 Zwei-Welten-Interpretation 253, 286 f.