Erd- und Landschaftsgeschichte des Glemstals - Ein Wanderbegleiter von der Quelle bis zur Mündung


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Erd- und Landschaftsgeschichte des Glemstals - Ein Wanderbegleiter von der Quelle bis zur Mündung

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Johannes Wagner

Erd- und Landschaftsgeschichte des Glemstals Ein Wanderbegleiter von der Quelle bis zur Mündung

Johannes Wagner

Erd- und Landschaftsgeschichte des Glemstals Ein Wanderbegleiter von der Quelle bis zur Mündung

Selbstverlag Stuttgart 2016 2. Auflage

Danksagung Meinen verehrten akademischen Lehrern der Geologie, Herrn Prof. Dr. Hermann Aldinger (Stuttgart), Herrn Prof. Dr. Walter Carlé (Stuttgart), und Herrn Prof. Dr. Georg Wagner (Tübingen) danke ich von Herzen, dass ich von ihnen während der vielen Exkursionen den Blick geschärft bekam für die geologischen und geomorphologischen Beobachtungen im Gelände.

Widmung Dieses Werk habe ich Ayla gewidmet, meiner ständigen und stets an allem interessierten Begleiterin auf meinen Wanderungen im Glemstal.

Alter Wengerter-Unterstand beim Siegfriedsfelsen

Inhaltsverzeichnis

Seite 1

1

Hydrologische Daten

2

Naturräumliche und politische Gliederung der Tallandschaft

2

3

Name

3

4

Quellgebiet

4

5

Vom Schatten bis Leonberg

7

6

Exkurs: Zur Flussgeschichte der Glems im Raum Eltingen

10

7

Von Leonberg bis Ditzingen

12

8

Exkurs: Der Obere Muschelkalk (Hauptmuschelkalk)

16

9

Exkurs: Unterkeuper (Lettenkeuper und Gipskeuper)

21

10

Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum

22

11

Exkurs: Die nacheiszeitliche Waldentwicklung

30

12

Exkurs: Schollentektonik und das Alter des Glemstals

31

13

Von Ditzingen bis zur Nippenburg

34

14

Exkurs: Zur Landschaftsgeschichte im Raum Hemmingen-Glemstal

38

15

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum Hemmingen-Glemstal

41

16

Exkurs: Das Strohgäu und die Cannstatter Mineralquellen

48

17

Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz

54

18

Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald

64

19

Einzugsgebiet und Wasserführung

71

20

Hochwasserkontrolle, Gewässersanierung und Wassernutzung

75

21

Böden und Bodenerosion

80

22

Anhang: Geologie des Leudelsbachtales

86

23

Literaturverzeichnis

90

24

Internet-Adressen

95

25

Adressen

97

Hydrologische Daten der Glems ___________________________________________________________________________

Hydrologische Daten der Glems Größe des Einzugsgebietes

195 km²

Besiedlungsdichte des Einzugsgebietes

852 Einw./km²

Gesamtstrecke von der Quelle bis Mündung (nach Begradigung) Mittleres Einzugsgebiet pro km Lauf

zur 44 km 4,3 km²

Höhenlage der Quelle im Glemswald

439 m ü. NN

Höhenlage der Mündung in die Enz

188 m ü. NN

Höhenunterschied (von der Quelle bis zur 251 m Mündung Mittleres Gefälle 5,7‰. Gefälle Quellgebiet–Leonberg

4,6‰

Gefälle bei Ditzingen

3,7‰

Gefälle Ditzingen–Schwieberdingen

7,2‰

Gefälle Schwieberdingen–Mündung

6,6‰

Anteil Eigenwasser

25%

Anteil Fremdwasser (= Oberflächen- und 75% Brauchwasser aus Kläranlagen)

Nebenflüsse der Glems • • • • • • •

Bernhardsbach (rechter Nebenfluss, mündet in den Bärensee, der seinerseits Wasser an den Neuen See abgibt) Katzenbach (linker Nebenfluss, im Stuttgarter Stadtteil Büsnau) Krummbach (rechter Nebenfluss, in Leonberg) Rohrbach (linker Nebenfluss, beim Glemseck in Leonberg) Wasserbach (linker Nebenfluss, beim Schopflochberg in Leonberg) Lindenbach, (rechter Nebenfluss, in Ditzingen) Aischbach (rechter Nebenfluss, in Schwieberdingen)

1

Naturräumliche und politische Gliederung der Tallandschaft ___________________________________________________________________________

Naturräumliche und politische Gliederung der Tallandschaft

Die Tallandschaft der Glems kann unterteilt werden in das „Obere Glemstal“ (Glemswald-Glems oder Keuper-Glems) und in das meist tief eingeschnittene „Mittlere und Untere Glemstal“ (Strohgäu-Glems oder Muschelkalk-Glems). Letzteres ist durch die flache Mulde um Ditzingen unterbrochen, wo der Unter-Keuper (Lettenkeuper) den oberflächennahen Untergrund bildet. Die Naturschutzverwaltung teilt aus praktischen Gründen die Landschaftsschutzgebiete des Glemstals in zwei Teilbereiche auf: diejenige im „Mittleren Glemstal“ (ab etwa Höfingen bis Schwieberdingen) und das Landschaftsschutzgebiet „Unteres Glemstal“ von Schwieberdingen bis zur Mündung. Die Glems entspringt im Naturschutzgebiet Rotwildpark im westlichen Stadtkreis Stuttgart (Lauflänge 3 km) und durchfließt dann die beiden Landkreise Böblingen (Stadtgebiet Leonberg, 10 km Lauflänge) und Ludwigsburg (Gemeinden Ditzingen, Hemmingen, Korntal-Münchingen, Schwieberdingen, Markgröningen und Oberriexingen-Unterriexingen; Lauflänge 31 km).

2

Karte der Naturräume im Mittleren Neckarbecken. Das Glemstal mit dem Glemswald und Strohgäu liegt westlich der Stuttgarter Bucht und wird im Norden von der Enz, im Westen von der Nordschwarzwälder Randplatte begrenzt. (Quelle: http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/1006982)

Karte des Einzugsgebietes der Glems. (Quelle: Geol. Landesamt / Regierungspräsidium Stuttgart: Gewässersanierungsprogramm Glems, 1989).

Name ___________________________________________________________________________

Name1

Die Entstehung des Namens der Glems liegt geschichtlich im Dunkeln. Er ist nach dem „Historischen Atlas von Baden-Württemberg“ indogermanisch und stammt aus einer Zeit. ehe sich in Mitteleuropa Einzelsprachen wie das Keltische oder Germanische gebildet haben. Diese alteuropäischen Gewässernamen bezeichnen oft Eigenschaften des Wassers (Murr = „Die Feuchte, die Modrige“; Neckar = „der heftig Bewegte“). Dem Namen Glems liegt „Glamisa“ zu Grunde. was sich von „glem“ = „Schleim“ ableitet. „Die Schleimige, die Schlammige“ wäre demnach die ursprüngliche Bedeutung.

Eine andere Deutung gibt die Wurzel „glam“. Sie ist im

Germanischen vertreten (z. B. in der Form Glam, Glahm, Klamm für schluchtartige Einschnitte und Hohlwege)2. Zum ersten Mal taucht der Name im Codex Laureshamensis (772–880) und dann in Urkunden des 12. und 13. Jh. auf als „Glemisgoue“ oder „Glemsgeu“. In einem Urbar von 1350 liest man dann die Bezeichnungen „and der Glemse, ...bi der Glemse, ...gen der Glemse3.

1

2

3

Nach Beck, Hermann: Vom Pfaffenwald zur Enz. Die Glems und ihr Tal. In: Durch die Stadtbrille, Bd. 5, S. 9–14, 1995. (verändert und erweitert) Ortsnamenforschung in Südwestdeutschland. Eine Bilanz Festkolloquium anlässlich des 65. Geburtstages von Dr. Lutz Reichardt am 10. Dezember 1999. (Hsg.: Universität Stuttgart, Stuttgart 2000. (online) Ortsnamenbuch Stuttgart/Ludwigsburg, S. 57. 3

Quellgebiet ___________________________________________________________________________

Quellgebiet Die Erdoberfläche des Glemswaldes bauen weithin der wasserspeichernde Stubensandstein des Keupers von geringer Härte und weiche Mergel auf, in die sich die Bäche und Flüsse leicht eingraben können. Die Glems entspringt im Glemswald im Naturschutzgebiet Rot- und Schwarzwildpark, 2 km südöstlich von Schloss Solitude und damit auf Stuttgarter Markung.

Das Wasser der feuchten Glemswiese am Rotwildgehege tritt am

Glemsbrunnen in 439 m ü. NN zutage, fließt als unscheinbares Bächlein durch einen lichten Buchenwald von nur 1 km Länge und mündet schließlich in den Pfaffensee. Schon im Jahre 1566 ließ Herzog Christoph die sumpfigen Pfaffenwiesen am Glemsbach aufstauen, um die Mühlen im Nesenbachtal über einen unterirdischen Stollen mit mehr Wasser zu versorgen. Durch den 850 Meter langen Christophsstollen wird auch heute noch Glemswasser nach Stuttgart geleitet. 1618 entstand der Bärensee, als unter Herzog Johann Friedrich der Bernhardsbach aufgestaut und dessen Wasser dem Pfaffensee zugeleitet wurde. Erst in den Jahren 1826-1833 schloss sich die Lücke zwischen den beiden Seen. Stadt und Staat legten den Neuen See an, um die Trinkwasserversorgung von Stuttgart auszubauen. Steigt bei anhaltenden Niederschlägen der Wasserspiegel des Pfaffensees, so wird über einen Überlauf Wasser an die abfließende Glems abgegeben. Der Überlauf verläuft in einer befestigten Rinne bis zur Verdolung an der Magstatter Straße. Nach Unterquerung der Straße tritt die Glems an den Eisseen wieder zu Tage. Die Seen bilden ein schmales, fast 3 Kilometer langes Gewässer, das nur durch zwei Fahrdämme unterbrochen ist. Nicht weniger reizvoll sind fünf kleine Weiher, die dem Bärensee in Richtung Bernhardsbach vorgelagert sind. Hier lassen sich noch manchmal Graureiher sehen. Meist sind es aber die zahlreichen Wildenten, die Leben auf die Wasserflächen bringen. Der Erpel mit der schillern blau-grünen Zeichnung der

4

Quellgebiet ___________________________________________________________________________

Stockenten am Kopf, das Weibchen in zeitlosem Graubraun.

Auch Bläss- und

Teichhühner sind zu beobachten und dazwischen, würdevoll, der Höckerschwan. Der Fischbestand der Parkseen soll vielfältig sein: Hecht, Schleie, Barsch und Karpfen, auch Aal und Flusskrebse. Flussgeschichte der Glems im Quellgebiet1: Das Flussgebiet der oberen Glems, die Glems oberhalb des Pfaffensees, der Bernhardsbach und der Katzenbach mit seinen Nebenbächen, ist vollkommen nach Osten ausgerichtet. Das Bachnetz des Katzenbachs entspricht weitgehend dem des Steinbachs und Erbgrabens südlich Möhringen. Die Bachnetze der oberen Glems und des Katzenbachs sind genauso wie das der oberen Körsch in einer tektonischen, sich nach Osten öffnenden Mulde angelegt. Wie als erster FINCKH (1911) gezeigt hat, weist dies darauf hin, dass die obere Glems mit ihren Nebenbächen, einst auf der Unterjura-Platte der Filder angelegt, zum Flussgebiet der Körsch gehörte. Die Schichtstufe des Unterjura wurde dann von der von Nordwesten her rückwärts erodierenden Glems und von dem aus Nordosten angreifenden Nesenbach abgetragen und ihr Rand lappig zersägt. Der Unterlauf dieser „Glems-Körsch“ war zweifellos nicht das Körschtal unterhalb Möhringen, sondern das weite, ausgereifte, bis in den Stubensandstein einschneidende Ramsbachtal südöstlich Degerloch. Zunächst hat die Glems sich nach Osten hin immer tiefer in die Unterjura- und Knollenmergel-Schichten eingeschnitten; dabei wurde der Unterjura auf der Hochfläche der Solitudewälder mehr und mehr abgetragen, und es wurden die KörschZubringer mit scharfem Knick abgelenkt. Erst später hat dann der in kurzem, steilem Lauf zum Neckar ziehende kleine Nesenbach zwischen Glems und Ramsbach sein tiefes Tal eingesägt. Dies kann erst geschehen sein, nachdem das Gebiet von oberer Glems und Katzenbach bereits von der Eltinger Glems erobert worden war. Die Anzapfung des oberen Ramsbachs durch den Nesenbach erfolgte spätestens in der Mindel-Eiszeit.

Dieses Alter haben die hoch gelegenen, mächtigen, stark

1

Aus Erläuterungen zu Blatt 7220 Stuttgart-Südwest (Geologische Jarte von BadenWürttemberg 1 : 25 000), 1977. 5

Quellgebiet ___________________________________________________________________________

Unterjura führenden Wanderschuttmassen des Stuttgarter Tales. Auch die ältesten, im Verband abgerutschten Schollen des Nesenbachtales bei Heslach dürften mindestens dieses Alter haben. Der heutige Oberlauf des Nesenbachs, westlich des Ortszentrums von Vaihingen, war ursprünglich ein Körschzufluss, dessen Fortsetzung nach Osten heute eine flache, mit Lehm (ehem. Ziegelei am Probstsee) erfüllte Mulde ist. Vermutlich während der Würm-Kaltzeit hat etwa auf der Höhe des Eisenbahnviaduktes die Anzapfung des Körsch-Zuflusses oder Filder-Nesenbachs durch den von Nordosten her angreifenden Kaltentaler Nesenbach stattgefunden. Gegenüber der starken Tiefenerosion des Nesenbachs und seiner Nebenbäche ist die der Glems gering.

Von der Wasserscheide beim Schattenring bis zur

Einmündung des Katzenbachs im Schattengrund beträgt der Höhenunterschied nur etwa 20 m.

6

Quellgebiet der Glems ist die Glemswiese. Auf ihr steht ein klassizistischer Jagdpavillon von 1815. Die eingezäunte Wiese dient als Damwildgehege. (Foto: Panoramio 19.12.2013).

Glemsbrunnen bei der Glemswiese (Rotwildpark). (Foto: Harke 3.5.2010).

Vom Schatten bis Leonberg ___________________________________________________________________________

Vom Schatten bis Leonberg Die eigentlichen Quellbäche der Glems sind heute der Katzenbach und der Steinbach, die in der Nähe des Stuttgarter Autobahnkreuzes entspringen und sich bei Büsnau vereinigen. Vom Pfaffensee bis nach Eltingen, einem Stadtteil Leonbergs, durchzieht die Glems etwa 10 km lang in breitem Tal das Waldgebiet, dann tritt sie ins Strohgäu hinaus. Damit liegt nur 20% der Flussstrecke im Glemswald, der Rest (80%) im Strohgäu. Am Diebsbrunnen beim Forsthaus im Schattengrund erreichen sie den alten Glemslauf und treffen auf ein Rinnsal, das vom Neuen See herkommt und dem Bach seinen Namen gibt. Entlang der ehemaligen Solitude-Rennstrecke fließt die Glems durch das Mahdental nach Westen in Richtung Leonberg.

Kurz unterhalb des

Bruderhauses im Mahdental verlässt die Glems nach 3 km Fließlänge die Stuttgarter Gemarkung und erreicht nun die Leonberger Gemarkung (Landkreis Böblingen). Dabei hat die Glems bis hierher ein großes Einzugsgebiet von 25 km², das entspricht 8,3 km² je km Lauflänge. In das Mahdental führen beidseitig zahlreiche Klingen. Es sind kurze, aber gefällsstarke Tälchen ohne Talboden, die nur selten Wasser führen. Bis Leonberg legt die Glems im Bereich der Keuperschichten insgesamt 13 km zurück.

Durch den ab der Einmündung des Krummbachtales im Untergrund

anstehenden und ausgelaugten Gipskeuper wird die Breitenerosion begünstigt. Das Tal wird breit und ausladend. Das Gefälle von der Quelle bis Leonberg beträgt 4,6‰. Ein bemerkenswerter Aufschluss im Krummbachtal im ehem. Steinbruch Bosch des Stubensandstein zeigt eine hochgehobene tektonische Scholle, Teil der Engelbergstörung. Frank-Otto Haderer fand dort 1994 Trittsiegel eines Archosauriers.

Nach der Gaststätte Glemseck wird das Tal immer breiter und offener. Langsam und mit vielen Bachschlingen fließt die Glems, jetzt ganz im Gipskeuper, gegen das Schichtfallen. Das Gefälle beträgt nur noch 1,1‰, d. h. 1,10 m auf 1 km. Der Talboden ist nass und moorig. Die Flurnamen „Seewiesen“ und „Riedwiesen“ zwischen dem Autobahndreieck Leonberg und der Anschlussstelle Leonberg sind bezeichnend.

7

Vom Schatten bis Leonberg ___________________________________________________________________________

Ehe die Glems unter der Autobahn durchgeleitet wird, macht sie die Bekanntschaft mit einer Kläranlage, deren noch 5 weitere (insgesamt liegen an der Glems 6) folgen werden, ist dieser Bach doch der Vorfluter für die Abwässer von etwa 220 000 Menschen. In einem kanalartigen Bett, ohne jede Windung, wird sie dann durch das Industriegebiet im Süden von Leonberg nach Eltingen geführt. Mit der Einmündung des Wasserbachs, der vom Renninger Naturtheater herkommt, endet hier der Oberlauf der Glems. Unvermittelt ändert sich der Lauf der Glems bei Eltingen. Sie verlässt die Westrichtung und biegt, der Wasserbachverwerfung folgend, in spitzem Winkel – den unscheinbaren, mit Schilfsandstein bedeckten, schütter bewaldeten Schopflochberg (385 m ü. NN) umfließend – nach Nordosten in ein enges Muschelkalk-Tal. Den Schopflochberg durchzieht eine SO-NW-gerichtete Verwerfung. Bei deren Entstehung sank der SW-Teil des Schopflochberges samt Längenbühl und Kammerforst gegenüber der Ezach um 85 m ab. Die nordöstliche Hochscholle mit der kleinen Schilfsandsteinkappe schützte bislang den niedrigeren Westteil vor weiterer Abtragung (Reliefumkehr). Dadurch wurde der Schopflochberg zum „Zeugenberg“, der die einstmalig größere Bedeckung der Gegend durch überlagernde Keuperschichten belegt. „Zu Füßen des Schopflochberges wurde die einst nach W fließende Urglems durch rückschreitende Erosion angezapft und nach NO abgelenkt. Die Fortsetzung des Urglemstales nach W wird heute in umgekehrter Richtung vom Wasserbach benutzt. So erklärt sich die auffallende Situation, dass die wasserreichere Glems im spitzen Winkel auf den wasserärmeren Wasserbach trifft und in dessen Fließrichtung einschwenkt.“ (F. Wurm) Wasserbachstörung: Diese gehört zum System des Fildergrabens und wird im SBahn-Einschnitt Rutesheim spitzwinklig angeschnitten. Im NO liegt die Hochscholle. Die um etwa 15 m abgesenkte Scholle fällt nach S-SO ein und ist im SW sattelförmig aufgewölbt. Entsprechend ist die S-Scholle (Tiefscholle) nach S geneigt. Der Vertikalversatz beträgt hier etwa 35-40 m, der Gesamtversatz dieser Störung beträgt hier 55-70 m

8

Vom Schatten bis Leonberg ___________________________________________________________________________

Gliederung der Erdgeschichte Jahre vor heute

Stratigraphische Gliederung

(nach LGRB)

Beginn vor 12 000 J.

12 000 J. – 2,6 Mio. J.

2,6–5,3 Mio. J. 5,3–24 Mio. J. 24–34 Mio. J. 34–55 Mio. J. 55–65 Mio. J. 65–142 Mio. J. 142–200 Mio. J.

Tertiär

200–231 Mio. J.

Trias

Pliozän Miozän Oligozän Eozän Paläozän

Das Gebiet nördlich der Donau wird Abtragungsgebiet.

Kreide Jura

Durch Abtragung in der Kreide-Zeit und im Tertiär sind die JuraAblagerungen nicht mehr vorhanden

Keuper

Oberer K. (ko) Mittlerer K. (km) Unter-K. (ku)

Muschel- Oberer M. (mo) kalk

231 243

(Mergel, Tone Sandsteine). Nur ku und km1 stehen bei Leonberg und Ditzingen oberflächlich an. Dolomit, Kalksteine, Mergel;

Mittlerer M. Nur Oberer Muschelkalk (mm) Unterer M. steht im Glemstal oberflächlich an. (mu) (Sandsteine, Tone) Buntsandstein Ablagerungen treten hier nicht zutage.

243 251 251–296 Mio. J. 296–358 Mio. J. 358–418 Mio. J. 418–443 Mio. J. 443–495 Mio. J. vor 495 Mio. J.

Pleistozän (Eiszeitalter)

Von den StrohgäuAckerflächen abgespülter Lehm wird in den Talsohlen als Auelehm abgelagert. Periglaziale Schuttdecken an den Talflanken; Löss (Lösslehm); Kalktuffablagerungen an Quellaustritten; Altpleistozän: Renninger Sande.

Holozän (Alluvium)

Quartär

Zutage tretendes Gestein im Gebiet des Glemstals

Perm Karbon Devon Silur Ordovicium Kambrium Präkambrium

9

Im ehem. Steinbruch Bosch im Krummbachtal zeigt sich eine nach oben gedrückte kleine Stubensandstein-Keilscholle mit seitlichen Verschleppungen. Stubensandstein und Gipskeuper sind unterschiedlich alt. Dennoch gelangten die Sedimente im Steinbruch auf gleiche Höhe. Die gesamte nördliche Scholle des Gerlinger Glemswalduntergrundes sank nach und nach rund 100 Meter in die Tiefe. Dieser linienförmige Höhenversatz gehört zu den Ausläufern eines östlich gelegenen Bruchsystems. Entlang dieser Brüche brach auch der Graben ein, der heute die Filderebene bildet. Bewegungen in der tieferen Erdkruste können auch heute noch in Gerlingen leichte Erdbeben verursachen: das Gebiet liegt in der Erdbebenzone 1, was bei Bauvorhaben berücksichtigt wird. In der Steinbruchwand spiegeln sich die Ablagerungsbedingungen im Wechsel der Ton- und Sandsteinschichten wider. In niederschlagsreichen Zeiten brachten Flüsse aus dem Osten Grobsand in das Germanische Becken, bei Trockenheit nur noch feinste Tonteilchen, die bei still stehendem Wasser als Tontrübe absanken. (Foto: Johannes Wagner, Aug. 2007).

Herkunft des Stubensandsteins im Germanischen Becken (Quelle: Georg Wagner, Einf. in die Erd- und Landschaftsgeschichte, 3. Aufl. 1960)

(Original: aus Bachmann 1979).

Geologische Karte des Schopflochberges mit Rutesheimer Verwerfung. (Quelle: Etzold, A.: Geologische Kartierung der Trias zwischen der Leonberger Fiederzone und der Rutesheimer Verwerfung. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Univ. Tübingen, 1970, verändert).

Der Schopflochberg im Satellitenbild. (Quelle: google maps).

Wasserbach-Störung beim S-Bahn-Halt Rutesheim:

TIEFSCHOLLE

LettenBlaubank

Bonebed

keuper

Trigonodus -Dolomit HOCHSCHOLLE

In der südlichen Böschung des Bahneinschnitts ist die Wasserbachstörung, eine etwa 7 km lang, O-W-verlaufende und nach S einfallende Abschiebung am NW-Ende des Fildergrabens angeschnitten. Der im nordöstlichen Böschungsbereich aufgeschlossene Teil der Hochscholle besteht aus Trigonodus-Dolomit (oberster Hauptmuschelkalk, mo3) und überlagernden Basalschichten des Lettenkeupers (ku). Nach SW folgen zwei (hier nicht zu sehende) Zwischenschollen, die sich aus teilweise geschleppten Schichten des Lettenkeupers zusammensetzen. Ihnen schließt sich die Tiefscholle mit Dunkelroten Mergeln, Bleiglanzbank und Mittlerem Gipshorizont des Gipskeupers (km1) an. (Foto: Johannes Wagner, Okt. 2006; Blick nach S).

Schopflochberg Renninger Sande

Ausschnitt aus der GK 25, Blatt Weilderstadt, 1994.

„Wasserbach-Störung“ im Bahneinschnitt Haltepunkt Rutesheim. (Aus: Bachmann / Brunner. Nordwürttemberg. (=Sammlg. Geol. Führer, Bd. 90, 1998).

Der im Zentrum des heutigen Stadtparks von Leonberg gelegene ehemalige Steinbruch ist durch jahrzehntelangen Gipsabbau entstanden. Von 1894 bis 1977 wurde hier Gips als Dünger und für Bauzwecke abgebaut. In dieser Grube ist ein Blick von der verwitterten Oberfläche in die unverwitterte Schichtenfolge des tieferen Untergrundes möglich. Deshalb spricht man hier von einem geologischen Fenster. An der Ostseite der Grube treten die Schichten des Unteren Gipskeupers zutage. Beim Abbau mussten die oberen bis zu 10m mächtigen Schichten, die aus Mergeln, Gips- und Dolomitbänken bestehen, als nicht verwertbarer Abraum abgetragen werden, bis man auf der Grubensohle die 15 Meter mächtigen Gipsschichten des sogenannten Grundgipses gewinnen konnte. Die Grundgipsschichten lassen sich vom Wutachgebiet bis in die Crailsheimer Gegend durchgehend verfolgen. Sie sind durch Eindampfung in einen vom Ozean abgeschnürten übersalzenen Nebenmeer in heißem, trockenem Klima entstanden. Fossilien sind in diesen Schichten nicht zu finden, da wegen der Übersalzung des ehemaligen Meeres eine lebensfeindliche Umwelt entstanden war. (Foto: Johannes Wagner, Aug. 2007).

Exkurs: Zur Flussgeschichte der Glems im Bereich Eltingen ___________________________________________________________________________

Exkurs: Zur Flussgeschichte der Glems im Bereich Eltingen1

Alte Flussanzapfungen: Die Glems hatte aus dem Oberlauf des alten KörschSystems schon einige Bäche im Bereich der heutigen Rotwildparkseen und des Katzenbachsees zu sich umgelenkt bevor der Nesenbach (wahrscheinlich am Ende der letzten Kaltzeit) beim heutigen Vaihinger Eisenbahn-Viadukt einen Quellbach der Körsch an sich gerissen hatte. Bevor die Glems so weit nach S reichte, floss sie in höherem Niveau durch das heutige Tal des Rankbachs zwischen Renningen und Malmsheim zur Würm. Vermutlich im älteren Pleistozän wurde ihr im Stubensandsteingebiet verlaufender Oberlauf von N her angezapft. Sie konnte damit den kürzeren Weg zur Enz nehmen. So entstand das Bachknie W von Eltingen. Erst später hat die Glems schließlich den Oberlauf, das Gebiet der Bärenseen und den Katzenbach dem großen Filderfluss-System der Körsch abgenommen. Die Renninger Sande Im Wasserbachtal beim Flurteil Brückle liegt die Renninger Sandgrube. Die dortigen Sande erreichen eine Mächtigkeit von 6 Metern. Jenseits der Bahnlinie, gegen den Wasserbach zu, sind es etwa 10 Meter. Die Sande sind lagenweise gut sortiert, mittel- bis grobkörnig oder mit einem erheblichen Anteil von schlecht gerundeten kleinen Stubensandsteinbrocken. Außerdem finden sich im Sand Lehmlagen. Früher hat man angenommen, dass diese Sande, die man auch im Nordostteil des Ortes Renningen findet, von einem Fluss gebracht wurden, der aus dem Westen kommend im Wasserbachtal in einen See gemündet habe. Dieser See wäre dann später

1

Die Ausführungen über die Flussanzapfung und die Renninger Sande sind entnommen aus: Reiff, Wilfried: Klima, Landschaftsbild und Erdgeschichte. In: Heimatbuch Rutesheim, S. 5–12. Rutesheim 1970. 10

Exkurs: Zur Flussgeschichte der Glems im Bereich Eltingen ___________________________________________________________________________

zur Glems durchgebrochen. Im Westen haben wir aber fast keinen Stubensandstein mehr, der die Sandsteinbrocken und den vielen Sand geliefert haben könnte.

In

Wirklichkeit ist es so, dass die vom Wildpark bei Stuttgart kommende Glems früher nach Westen über das heutige untere Rankbachtal zur Würm hin entwässerte. Im älteren oder mittleren Pleistozän, also vor einigen hunderttausend Jahren, wurde der Glems-Oberlauf westlich von Eltingen angezapft und nach Norden zur Enz hin abgeleitet.

Der Wasserbach schnitt sich im Ostteil des Ur-Glemstales mit

entgegengesetztem Gefälle als Nebenfluss der neuen Glems ein. Im Westteil des Urtales tiefte sich der weiterhin zur Würm ziehende Rankbach in den alten Talboden ein. Im Bereich der neu entstandenen Wasserscheide blieben die alten Glemsablagerungen erhalten, doch wurden sie z. T. von den neuen Bächen aufgearbeitet, umgelagert und in tieferen Bereichen erneut abgelagert. Auf diese Weise ist die heutige tiefe Lage der Renninger Sande am Brückle zu erklären. Der Ur-Glemslauf konnte durch Bohrungen nördlich von Renningen neben der Rutesheimer Straße nachgewiesen werden. Er quert letztere etwa 250–300 m nördlich der Bahnlinie und war beim Bau des Lagergebäudes der Firma Kaiser & Kraft aufgeschlossen. Sandgrube Renninger Sande NE Renningen (Geotop, ND)2 (TK 7219, R 34 96650, H 54 05350) In der aufgelassenen und verwachsenen Sandgrube sind die Renninger Sande kaum noch aufgeschlossen.

Es handelt sich um mittelkörnige

geröllführende (Keupersandstein- und Muschelkalkgerölle) Sande eiszeitlichen Alters, die von einer bis 6 m mächtigen Lösslehmdecke überlagert sind. Es wird angenommen, dass die Sande von einem aus östlicher Richtung kommendem Flüsschen verfrachtet wurde.

Demzufolge hätte die Glems

ursprünglich nach W zur Würm entwässert.

2

Die Beschreibungen der Geotope in diesem Aufsatz sind fast wörtlich entnommen aus: Geotope im Regierungsbezirk Stuttgart. (Hsgr.: Landesanstalt für Umweltschutz BadenWürttemberg), 348 S., Karlsruhe 2002. 11

Von Leonberg bis Ditzingen ___________________________________________________________________________

Von Leonberg bis Ditzingen Großformen der Landschaft: Bei Leonberg tritt die Keuperschichtstufe an das Glemstal am nächsten heran.

Halbmondförmig zieht sich die 100–150 m hohe

Keuperschichtstufe vom Leonberger Engelberg über die Gerlinger Schillerhöhe, die Solitude bis zur Hohen Warte bei Feuerbach hin. Hier fallen die Sandsteine des Keupers, insbesondere der Stubensandstein, welche die Hochflächen des Glemswaldes und der Solitudewälder bilden, gegen die weite Fläche des Strohgäus hin ab. Beim Neubau der südlich des Bahngeländes des Leonberger Bahnhofs nach SWW verlaufenden Römerstraße wurde der tektonisch tiefer liegende Unterkeuper (Lettenkeuper) angeschnitten (heute verbaut).

Dabei zeigte sich eine nach NO

abfallende flexurartige Gesteinseinsackung, die wohl im Zusammenhang mit der Engelbergstörung steht. Hier ist offenbar die letzte Fernwirkung des Fildergrabens zu spüren. Von Leonberg über Höfingen bis zur Zechlesmühle bei Ditzingen hat sich die Glems tief in das Dolomitgestein des Hauptmuschelkalks (mo) eingeschnitten. Das Tal macht die Schlingen der Glems als „Talmäander“ mit. Ein steiler Prallhang und ein gegenüberliegender flacher Gleithang wechseln sich in jedem Talbogen ab. Die Straße von Ditzingen nach Höfingen und weiter nach Leonberg muss das Glemstal verlassen, weil für sie, im Gegensatz zur S-Bahntrasse, kein Platz mehr ist. Geologische Aufschlüsse, an denen die Schichtung des Oberen Muschelkalks zu erkennen ist, finden sich zwischen dem Leonberger Bahnhof und Höfingen rechtsseitig in der Wand des Hauerlochs (Kunsthöhle mit Fenster, beide mit Gitter versperrt) und linksseitig vom Schockenrain bis zum Höfinger Bahnhof auf einer Länge von 700 m. Der nach W weit ausragende Felsensporn („Silberberg“, moδ) um das Hauerloch ist der markanteste im gesamten Glemstal. Das Hauerloch befindet sich direkt über der im Tal gelegenen Felsensägmühle (Sägmühle; hier wurde Holz aber auch Schleifsteine aus sägbarem Keupersandstein gesägt).

12

Eugen Wendel (1951)

Von Leonberg bis Ditzingen ___________________________________________________________________________

äußert sich ausführlicher zum Hauerloch. Demnach erscheint im Jahre 1535 erstmals urkundlich das Hauerloch als „Huwenloch“, 1573 als „Huhenloch“, was zweifellos Uhuloch oder Eulenloch bedeutete. Der Volksmund hat den Namen dann später zu „Hauerloch“ abgewandelt. Ursprünglich gab es hier wohl durch Kalklösung entlang einer

Felsspalte

eine

kleine

Aushöhlung,

obwohl

sonst

im

gesamten

Muschelkalkgebiet die Voraussetzungen zur Bildung von eigentlichen Höhlen nicht gegeben sind. W. Kranz (1942) vermutet, dass das Hauerloch wie auch das auf der anderen Talseite schräg gegenüber liegende „Pulverloch“ erweiterte Strudellöcher der einst höher liegenden Urglems sind. Die steilen Felsen am Hauerloch sind ein Beleg dafür, dass es sich um ein junges Tal handelt. Während der Riss-Eiszeit (vor etwa 90–120 000 Jahren) schnitt sich die Glems immer tiefer ein, zapfte am Schopflochberg die nach Westen fließende „Renninger Glems“ an und lenkte ihre Fließrichtung nach NO um. Dadurch wurden das Einzugsgebiet und damit die Wasserführung in relativ kurzer Zeit erheblich vergrößert. Die Folge war eine größere Erosionskraft und damit weitere Taleintiefung. Hierbei entstanden die Felsen um das Hauerloch. Das Hauerloch selbst besitzt einen Haupteingang und daneben noch ein sogenanntes „Fenster“, besitzt aber im Innern keinerlei Verzweigungen. Dies weist auf eine im Ganzen eher künstliche Schöpfung hin. Außerdem befinden sich am selben Felsen – nur wenige Meter links unter dem Hauerloch entfernt – die unverkennbaren Spuren des Versuchs, ein zweites Loch in den Felsen zu treiben. Weiter sei nach Eugen Wendel erwähnt, dass zwischen Höfingen und der Felsenmühle ein abgegangener Ort „Beisheim“ bestand. Der Flurname Beisheim auf der linken Talseite der Glems (SO von Höfingen) erinnert noch daran. Im Jahr 1350 wird eine Kirche zu Beisheim erwähnt, dabei dürfte es sich wohl nur um eine Kapelle gehandelt haben. Jedoch ist eine eigene Pfarrei belegt. 1459 erhielt Graf Eberhard die päpstliche Erlaubnis, in Beisheim ein kleines Kloster der Franziskaner zu errichten. Diese kamen bereits 1467 in einen Neubau nach Leonberg. 1525 hatte ein Bruder in Beisheim noch die Kapelle zu betreuen, doch in der Reformation ist die Pfarrei mitsamt dem Anwesen verschwunden. Nun war es in früheren Jahrhunderten keine 13

Von Leonberg bis Ditzingen ___________________________________________________________________________

Seltenheit, dass Mönche Felsenhöhlen für Begräbnisse oder Zufluchtsorte geschaffen hatten. So ist nach E. Wendel denkbar, dass die Beisheimer Franziskaner in der Zeit zwischen 1459 bis 1467 sich aus ähnlichen Gründen das Hauerloch schufen. Jedenfalls dürfte nicht ohne triftigen Grund das Hauerloch entstanden sein. Es waren wohl Sicherheitsgründe der Franziskaner dafür maßgebend gewesen. „Rumpelstilzchen“-Sage vom Hauerloch: Dem dort einst hausenden reichen Zwerg war von den armen Müllersleuten der am Fuße gelegenen Felsenmühle ihre hübsche junge Tochter zur Ehe versprochen worden.

Allein, nachdem die junge Tochter den

verschwiegenen Namen des Zwerges ausgekundschaftet hatte, verschwand der Zwerg Wut entbrannt und ließ alle seine Schätze im Berg zurück. Der Schatz soll nur in den zwölf Rauhnächten durch einen Zauberspruch gehoben werden können, doch wusste diesen bislang kein junger Höfinger aufzusagen. Sinterkalkstein-Bank bei S-Bahn-Halt Höfingen (Geotop, TK 7120; R 35 02220, H 54 08650) Rund 100 m östlich des S-Bahnhaltes Höfingen befinden sich auf der nördlichen Böschung (ca. 340 m ü. d. M.) drei erkerartig ausgebildete, über 3 m hohe, spornartig aufeinander aufbauende Kalksinterterrassen, die durch im Schichtfallen

austretendes

kalkreiches

Quellwasser

aus

dem

Oberen

Muschelkalk (Trigonodus-Dolomit) mit hohem Gehalt an freier Kohlensäure immer noch langsam weiter wachsen. Das stark schwankende Quellwasser (0,25-2,5 l/s) tritt heute gefasst aus einem Rohr aus. Infolge Durchbewegung und Temperaturerhöhung sowie Entzug des Kohlendioxids durch Moose scheidet sich Kalksinter aus.

Allmählich werden dabei diese Kalkfänger

gänzlich umhüllt und zum Absterben gebracht. Das Verwesen und Auswaschen der organischen Substanz erzeugt dann die für den Sinterkalk typischen Gesteinsporen und Hohlräume. Im Winter zeigen sich an den Felsen prächtige Eisbildungen. Mittlerweile sind die Sinterkalkfelsen zur Felsabsicherung mit einem Maschendraht umkleidet.

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Von Leonberg bis Ditzingen ___________________________________________________________________________

Nach Erreichen der Ditzinger Gemarkung fließt die Glems nunmehr bis zu ihrer Mündung auf dem Gebiet des Landkreises Ludwigsburg. Schon vor Ditzingen taucht der Muschelkalk unter die Erdoberfläche und der Lettenkeuper (teilweise noch mit Resten von Gipskeuper darüber) bildet flache Talhänge. Dies ermöglicht einen bequemen Übergang über das breite Tal für die Bundesstraße 296 und für die S-Bahn von Stuttgart. Ditzingen liegt in einer flachen weiten Lettenkeuper-Mulde, die die Glems mit einem Gefälle von jetzt nur noch 3,7‰ von Westen nach Osten durchfließt. Daher ergibt sich für Ditzingen eine deutliche Stauung des Abflusses. Im Zentrum der Stadt hat man die Glems durch Kanalisation in den Untergrund verbannt, und nur die Glemsstraße zeugt von ihrem einstigen Verlauf. Zwei über 500 Jahre alte Kirchen, zu beiden Seiten der Glems gelegen, zeigen an, dass diese hier lange Zeit die Grenze zwischen den beiden Bistümern Konstanz und Speyer war. In der heute überbauten einstigen Ziegeleigrube von Ditzingen fand man unter dem etwa 7–8 m mächtigen Löss und Lösslehm noch reichlich grobe Schotter. Bis überkopfgroße Blöcke aus Keupersandstein kamen vor.

Es sind dies wohl

altpleistozäne Ablagerungen der Glems. Diese floss früher etwas weiter im Westen und ist dann durch die Lössanwehung nach Osten gedrängt worden. Mit dem Wasser vom Beutenbach, Rappbach und Lindenbach, die von der Schillerhöhe bei Gerlingen und von der Solitude herkommen, erhält die Glems über den Lachengraben in Ditzingen ihren letzten regelmäßigen Zufluss. Alle Nebenbäche nördlich davon, wie der Räuschelbach bei Münchingen, versickern im klüftigen Untergrund des Muschelkalks und erreichen die Glems nur nach starken Regenfällen oder bei der Schneeschmelze.

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Kleinräumige Flexur im Lettenkeuper (ku), Talgrund der Römerstraße (SO-Seite des Bahnhofes Leonberg (Blick nach NO). Der Aufschluss wurde mit dem Straßenausbau mittlerweile verbaut. Die Flexur dürfte mit der Engelberg-Störung in Zusammenhang stehen. (Foto: Johannes Wagner, Okt. 1983).

Hauerloch bei Höfingen. (Quelle: Wikimedia.commons)

Die Glems bei Höfingen.

Kalksinterbildungen beim Bahnhof Höfingen. (Fotos: Johannes Wagner, Dez. 1998).

Exkurs: Der Obere Muschelkalk (Hauptmuschelkalk) ___________________________________________________________________________

Exkurs: Der Obere Muschelkalk (Hauptmuschelkalk) Muschelkalkzeit1 „Während sich die Gesteine des süddeutschen Buntsandsteines überwiegend unter festländischen Bedingungen ablagerten, sind die (darüber liegenden) Kalke des Muschelkalks durch chemische Ausfällung unter Meeresbedeckung entstanden. Die Menge des aus den (südöstlichen) Hochgebieten angelieferten Materials verringerte sich stark und konnte die Absenkung des Untergrundes nicht mehr ausgleichen. Das Flachmeer aus der norddeutschen Tiefebene griff immer weiter nach Süden über, z.T. auch über das Ablagerungsgebiet des Buntsandsteines hinaus. Sande wurden nur noch am äußersten Rand des Meeres abgelagert, weiter im Zentrum bildeten sich Kalke.

Zeitweise bestanden Verbindungen zum offenen

Weltmeer im Süden (Tethys), z. B. in Oberschlesien und im Gebiet der heutigen Westalpen, durch die neue Lebensformen einwanderten. Diese Verbindungen waren im Unteren und Mittleren Muschelkalk seicht und durch Riffe eingeschränkt. Dadurch entwickelten sich die eingewanderten Organismen unabhängig von Ihren Verwandten im Weltmeer. Besonders gut lässt sich diese Entwicklung bei Ceratites, einer Gattung der Ammoniten (Ammonoideen), beobachten. Durch den eingeschränkten Wasseraustausch mit der Tethys und das warme und trockene Klima kam es in dem durchweg seichten Meer v.a. im Mittleren Muschelkalk zu Eindampfungserscheinungen. Gips und Steinsalz lagerten sich ab, sie werden heute noch abgebaut, z.B. in Bad Friedrichshall. Aufgrund des hohen Salzgehaltes im Mittleren Muschelkalk herrschte ein lebensfeindliches Milieu. Erst im Oberen Muschelkalk wurde die Fauna durch einen besseren Wasseraustausch wieder reichhaltiger und bestand aus Muscheln, Schnecken, Ceratiten, Brachiopoden, Seelilien, Haien, Schmelzschuppenfischen und meeresbewohnenden Reptilien (Mixosaurier, Nothosaurier, Placodontier, Tanystropheus).“

1

Aus: Homepage des Naturkundemuseums Stuttgart (www.naturkundemuseum-bw.de). 16

Exkurs: Der Obere Muschelkalk (Hauptmuschelkalk) ___________________________________________________________________________

Der Obere oder Hauptmuschelkalk2 Der Obere oder Hauptmuschelkalk (mo) ist in Süddeutschland bis 90 m mächtig und kann sehr versteinerungsreich sein. Die Kalkbänke erreichen hier meist die Dicke eines Backsteins. Doch kommen auch bis 3 m mächtige Quader vor. Die alte Gliederung des Hauptmuschelkalks in Trochitenkalk (mo1), Nodosuskalk (mo2) und Semipartitus-Schichten (mo3) wird hier auch weiterhin beibehalten.

Nun haben aber eingehende Untersuchungen ergeben, dass der

Trochitenkalk nur eine Fazies ist, deren Unter- und Obergrenze schräg durch die Schichtenfolge verläuft, so dass also der Trochitenkalk an der Saar zum Teil jünger ist als im Neckarland. Daher sind die Ceratiten als Zonenfossilien nur beschränkten zu gebrauchen.

Für Feinstratigraphie eignen sich aber die Brachiopoden-Bänke und

Tonhorizonte weit besser. Trochitenkalk (mo1): Im unteren Drittel des Hauptmuschelkalks fallen besonders die Stielglieder der Seelilie Encrinus liliiformis (Trochiten = „Mühlsteine“) auf. Etwa 300 bis 400 bilden bis 1,8 m lange Stiele, unten häufig mit einer Haftscheibe fest gewachsen, manchmal auch treibend, oben mit Kronen, die aus etwa 17 000 Einzelteilchen bestehen. Nur selten sind sie noch im Verband erhalten.

Meist zerfallen sie und werden in

„Trochitenbänken“, besonders am Rande des Muschelkalkmeeres, zusammen geschwemmt.

Nach der Einbettung wird das feine Balkenwerk zu einheitlichen

Kalkspatkristallen ergänzt, deren glatte Spaltflächen sie auch auf Bruchflächen rasch erkennen lassen („Glassteine“). Gelegentlich findet man auch Seeigel und Seesterne. In einigen Bänken häufen sich auch Terebrateln, auch mit kleineren Formen („Terebratelbrut“).

In den oberen, mehr dünnbankig-tonigen Lagen, treten kleine

Ceratiten (Ceratites nodosus) auf. Als Abschluss dient bei uns die 0,2–0,6 m mächtige

2

Nach Georg Wagner, 1960, gekürzt und ergänzt. 17

Exkurs: Der Obere Muschelkalk (Hauptmuschelkalk) ___________________________________________________________________________

Spiriferinabank (Punctospirella fragilis, früher Spiriferina fragilis)3.

Mächtigkeit

etwa 30 m. Mittlerer Hauptmuschelkalk, Nodosusschichten (mo2): Über der Spiniferinabank werden die Ceratiten häufiger. Höher, besonders im Bereich der Ceratiten, stellen sich dichtere Muschelbänke ein. Den Abschluss der Nodosus-Schichten bilden die Gervillienbänke. Die Bank der „Kleinen Terebrateln“ führt nur Kümmerformen, auch besonders kleine Ceratiten. Damit setzt schon eine Verflachung des Meeres ein.

In Schwaben erscheinen gelbliche, dickbankige

Dolomite, die senkrecht klüften: Trigonodus-Dolomit (moδ) nennt man ihn nach einer selten vorkommenden Muschel. An der Enz erscheint der Trigonodus-Dolomit erst in der Bank der Kleinen Terebrateln und weiter nördlich in schwacher Ausbildung erst an der HauptterebratelBank, mit der die Semipartitus-Schichten beginnen. Er ist somit eindeutig eine Fazies, die sich mit der normalen kalkig-tonigen verzahnt. Dass es sich um Dolomitbildung im Muschelkalkmeer handelt, beweist außerdem die stark reduzierte Fauna, vorwiegend Myophorien, die ungünstige Lebensbedingungen ertragen. Semipartitus-Schichten (mo3): Die Hauptterebratelbank besteht oft nur aus Terebratel-Schalen. besonders fette Terebrateln.

Sie hat

Dicht über ihr erreicht der Dolomit seine größte

Verbreitung. Dann rückt wieder der Kalk nach Süden vor, so dass blaue Kalke weithin den gelben Dolomit überlagern.

In diesen auch Terebrateln führenden Kalken

kommen nun die Kugelalgen vor: Sphärocodienkalk. Da sie nur in geringer Meerestiefe gedeihen können, sind sie für die Geologen Tiefenmarken. Ein schmaler Streifen zieht sich von Jena über Bayreuth-Rothenburg-Vellberg-Backnang-BietigheimMarkgröningen gegen Straßburg, während weiter im Süden schon Festland war. Weiter becken-einwärts erscheinen darüber noch zum letzten Male Terebrateln: Obere Terebratelbank. Zu ihrer Zeit lag die Küste einige Kilometer weiter nördlich. 3

Das Gehäuse von Punctospirella ist klein, höchstens mittelgroß und kräftig radial gerippt. Sinus und Wulst sind nur angedeutet. 18

Exkurs: Der Obere Muschelkalk (Hauptmuschelkalk) ___________________________________________________________________________

Beckeneinwärts überwiegt auch in tieferen Schichten der Ton: Tonfazies des Beckeninnern, während küstenwärts die Tone durch Kalk (Kalkfazies) und in tieferen Lagen auch durch Dolomit ersetzt werden (Dolomitfazies). Der weiterere Rückzug des Meeres lässt sich leicht verfolgen: Einerlei, welche Bank auch den Abschluss des Muschelkalks bildet, immer wird sie überlagert von einer dunklen (oder verwittert rotbraunen) sandigen Bank mit vielen Wirbeltierresten, dem Strandgrus des Meeres. Besonders in den Buchten des Meeres (Crailsheim, Rothenburg) erreicht dieses Bonebed größere Mächtigkeit (bis 40 cm). (Im Stuttgarter Raum weist dieses Bonebed nur cm-Dicke auf). Es birgt glänzende Schuppen von Ganoiden (Schmelzschupper), spitze und flache Zähne von Haien (Selamier), Knochen und Zähne von Panzerlurchen. Landschaftliches: Die starken Auslaugungen im Mittleren Muschelkalk (10–40 m Salz, etwa 40 m Gips) berauben die steilen Felsmauern des Hauptmuschelkalks ihrer festen Unterlage; sie stürzen ein, die Hänge böschen sich ab. Während vorher nur Gleithänge bebaut werden konnten, können jetzt auch die abgeböschten Hänge bearbeitet werden (Weinbau). Die Stufenkante bildet meist der Trochitenkalk, manchmal noch der Nodosuskalk. Auch im harten Hauptmuschelkalk hat Abtragung stattgefunden, wenn auch weniger als in weicheren Schichten. Die Stufenkante wäre noch höher und schärfer, wenn nicht die Auflösung im Mittleren Muschelkalk ein Absinken um 50-70 m bedingen würde, das sich langsam in einiger Entfernung ausgleicht.

Aber

vorhanden ist die Stufe überall in ganz Süddeutschland, wenn auch in wechselnder Schärfe. Im klüftigen Hauptmuschelkalk versinkt alles Wasser. Bohnerze zeugen von starker chemischer Auflösung. Schlotten, Dolinen, Trockentäler und Karstquellen sind recht verbreitet, besonders in der Kalk- und Dolomitfazies.

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Exkurs: Der Obere Muschelkalk (Hauptmuschelkalk) ___________________________________________________________________________

Mit dem im Strohgäu darüber folgenden, meist lössbedeckten Lettenkeuper setzen die weiten, landwirtschaftlich genutzten Gäu-Ebenen ein.

Der Muschelkalk im Glemstal Beim Bahnhof Leonberg schneidet die Glems erstmals den Trigonodusdolomit (moδ) an. Bereits bei der Felsensägmühle (Höfingen) schneidet sich der Fluss tiefer in den Oberen Hauptmuschelkalk ein (Wand des Hauerlochs). In der Ditzinger Mulde taucht jedoch der Muschelkalk schon wieder etwas ein, so dass erst am Maurener Berg der Obere Muschelkalk am Hang als schmales Felsband (30–100 cm Mächtigkeit) wieder zu Tage tritt. Die Talhänge steigen sonst stetig bis zur Talschulter an. Am Felsenberg und Knollenberg erheben sich die Felsen der Nodosusschichten (mo2) als weißer Kranz mit über 15 Meter Mächtigkeit aus der Hangböschung. Bei der Nippenburg tieft sich die Glems in den sich empor wölbenden Schwäbisch-Fränkischen Sattel ein, so dass nun auch erstmals der tiefer liegende Trochitenkalk (mo1) angeschnitten wird. Bis zur Mündung in die Enz schneidet die Glems keine tieferen Schichten des Muschelkalks an.

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Paläogeographische Karte des Muschelkalk-Meeres in Mitteleuropa. Während des Muschelkalks wurde das Germanische Becken von einem warmen Flachmeer eingenommen. Eine erste Überflutung während des Unteren Muschelkalks erfolgte von Osten her über die Schlesisch-Mährische und die Ostkarpaten-Pforte. Schließlich kam es infolge der Schließung dieser Meeresverbindungen zur Zeit des Mittleren Muschelkalks zur Eindampfung von Meerwasser und zur Ausfällung von Gips und Steinsalz. Im Oberen Muschelkalk erfolgte eine erneute Überflutung des Beckens, diesmal jedoch über die im Westen gelegene Burgundische Pforte. Die weitgehende Isolierung des Beckens mit seinen nur schmalen Verbindungen zum Tethys-Ozean führte zur Entwicklung einer eigenständigen Tierwelt. (Quelle: www.geologie.uni-halle.de/igw/histgeo/bilder/)

Schnittprofil durch den Trigonodus-Dolomit im Raum Stuttgart. Im unteren Teil ist die Wassertiefe während der Dolomitisierung dargestellt. Dick punktiert: = Bereiche stärkerer Dolomitisierung.. (Quelle: Erläuterungen zur Geologischen Karte 1:50 000, Stuttgart und Umgebung. Freiburg i. B. 1998).

Murr Enz Glems

mo

Stuttgart Neckar

Böblingen

Ausstrich des verkarstungsfähigen Oberen Muschelkalkes (mo) an der Oberfläche im Strohgäu. (Quelle: Schriftenreihe des Amts für Umweltschutz, Heft 1/1998, S. 20, Stuttgart1998).

Steinbruch N Schönbühlhof (Gewann Böhringer). Profil Oberer Muschelkalk, Lettenkeuper bis Obere Graue Mergel, darüber Lösslehm. (Foto: Johannes Wagner, Mai 1996).

Haifischzahn aus dem Grenzbonebed, Zwingelhausen W Backnang.

Saurier-Zähnchen aus dem Grenz-Bonebed Muschelkalk / Unterkeuper, BMK Steinbruch Ilsfeld. Das Objekt hat nur cm-Größe. (Quelle: www.steinkern.de)

Exkurs: Der Lettenkeuper und Gipskeuper ___________________________________________________________________________

Exkurs: Unterkeuper (Lettenkeuper und Gipskeuper) Vom Lettenkeuper sind in Hirschlanden und Schöckingen Werksteinbrüche angelegt worden.

Dolomitstein, Mergelstein, Schieferton, seltener Sandstein und

Sandschiefer wechseln sich ab.

Der etwa 20 m mächtige Lettenkeuper ist in

lagunenartigen Strandseen abgelagert worden. Er lässt in der Gesteinsausbildung, wie auch in seiner Lebewelt, Einflüsse vom Land und vom Meer her erkennen. Der unterste Teil des Gipskeupers (km1) ist auf Leonberger Stadtgebiet und in geringen Teilen auf Ditzinger Markung im Untergrund noch vorhanden, meist unter Bedeckung mit Löss und Lehm. Im Unteren Gipskeuper waren ursprünglich etwa 12 m Gips abgelagert, wie er z.B. bei Leonberg-Eltingen abgebaut wurde. Dieser Gips ist die Ablagerung eines großen, zeitweilig mit dem Meer in Verbindung stehenden Sees. Es herrschte damals ein wüstenhaftes Klima. In jüngerer Zeit ist dieser Gips bei Ditzingen vollständig abgelaugt, d. h. vom Wasser gelöst und weggeführt worden. Nur harte, kristalline, löcherige Zellenkalke mit reichlichen Einschlüssen von Mergelbröckchen sind als Auslaugungsrückstände übriggeblieben. Auch die darüber lagernden, roten und grüngrauen Mergelschichten sind als Folge der Auslaugung verstürzt oder undeutlich wellig geschichtet.

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Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum ___________________________________________________________________________

Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum Der Löss wurde in den Eiszeiten des Pleistozäns (frühere Bezeichnung Diluvium) abgelagert.

Er besteht aus feinem Gesteinsstaub, der aus den weiten

Schotterfeldern in der Oberrheinischen Tiefebene und dem Alpenvorland in der damaligen Kältesteppe in großen Staubstürmen weit in das Land verblasen worden ist. Der mehlfeine Staub blieb dann dort liegen, wo Steppenpflanzen (Gräser) wuchsen, die mit ihrem Wurzelwerk den feinen Staub festhalten konnten. Das war eben auch im Strohgäu der Fall. Besonders reichlich lagerte sich der Löss im Windschatten der schon damals überwiegenden Westwinde ab, also an den nach Osten und Nordosten abfallenden Hängen. So liegt bezeichnenderweise die große, heute stillgelegte und überbaute Ziegeleigrube nördlich Ditzingen an einem solchen Osthang. Der Löss hat eine hellgelbbraune oder gelbgraue Farbe. verteilten Kalk und ist dadurch verfestigt.

Er enthält fein

Dieser Kalkgehalt und die im Löss

enthaltenen, senkrechten Wurzelröhrchen und Bodenklüfte bewirken, dass eine Lösswand in einer Ziegeleigrube über Jahrzehnte hinweg senkrecht stehenbleibt und nicht einrutscht. Die annähernd senkrechten, nadelfeinen Hohlräume sorgen für eine gute Durchlässigkeit und damit Dränage für Niederschlagswasser. Schließlich sind noch die vielen kleinen Schalen der „Löss-Schnecken“ zu nennen, die man fast regelmäßig im Löss findet. Beispielsweise gehören hierzu: Pupilla muscorum, Succinea oblonga, Trichia hispida. In einer frisch angeschnittenen (unverwitterten) Lösswand (meist auf der ostexponierten Talseite der Glems, z. B. in aufgegebenen Ziegeleigruben) kann man beinahe immer verschiedene Arten kleiner, eiszeitlicher „Löss-Schnecken“ herauskratzen. Darunter sind nicht nur turmartige, sondern auch flache kleine Schnecken. Mehrere Arten dieser Schnecken lebten auf dem Gras der eiszeitlichen Kältesteppe und wurden nach dem Ableben im Sediment vergraben.

Sie ermöglichen eine sehr getreue Rekonstruktion der eiszeitlichen

Umwelt und bilden den Klimawandel auf der Erde ab. Diese Schnecken kommen in

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Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum ___________________________________________________________________________

großer Zahl im Löss vor, der wie ein paläontologisches und paläoklimatisches Archiv ist. Stellenweise sind im Löss auch Zähne und Knochen der eiszeitlichen Makrofauna erhalten geblieben. Dabei ist eine genauere zeitliche Zuordnung der Funde oft schwierig, da die stratigraphische Gliederung oft nicht möglich ist. Lösse sind jedoch auch aus der letzten Warmzeit (Riss-Würm-Interglazial) bekannt. Doch auch der Kalkgehalt wird leicht vom Regenwasser gelöst und in tiefere Schichten verschwemmt.

Es bilden sich so bezeichnende Kalkknollen, die

sogenannten „Lösskindl“ oder „Klappersteine“. Ist der Kalk aufgelöst, so geht damit auch die bezeichnende Lössstruktur verloren: es entsteht der Lehm, der leichter zu Rutschungen neigt. Der Löss legt sich wie eine schützende Decke über die Gesteine von Muschelkalk, Lettenkeuper und Gipskeuper.

Seine Mächtigkeit wechselt oft sehr

rasch. Durch die wechselnde Lössüberdeckung werden die bewegten Oberflächenformen des Trias-Untergrunds ausgeglichen. Steile Hänge werden durch die Lössüberdeckung verflacht. Den Unterschied zwischen einem Osthang mit Löss und einem Westhang mit Muschelkalk und Lettenkeuper kann man besonders gut am Glemstal unterhalb Ditzingen studieren. Der Hang von der Straße Ditzingen-Höfingen auf der linken, westlichen Seite der Glems fällt flach nach Osten zur Glems hin, während auf der nach Westen exponierten Gegenseite der Hang vom Glemstal zunächst steil ansteigt und erst weiter oben flacher wird.

Man spricht hier von einer Asymmetrie des

Talquerschnitts. Löss-Aufschlüsse: Viele Lössaufschlüsse aus ehemaligen Lehmgruben sind mittlerweile verfüllt. Erhalten gebliebene Löss-Aufschlüsse sind z. B.: • Im S-Teil des Zeilwaldes (NW Hemmingen, ehem. Lehmgrube links der Straße nach Hochdorf) findet sich noch eine 4 m mächtige Lössgrube mit reichhaltiger Schneckenfauna; ein warmzeitlicher Verwitterungshorizont ist nicht ersichtlich;

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Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum ___________________________________________________________________________

• südlich des Sportplatzgeländes im W von Hirschlanden: Lössschnecken, fingerdicke Kalkröhrchen (von Pflanzenteilen herrührend); • NW

Schöckingen

(Gewann

Kalk):

Lössschnecken,

fingerdicke

Kalkröhrchen (von Pflanzenteilen herrührend); • In Betrieb befindlicher Steinbruch N Schönbühlhof, Gewann Böhringer (oberste Deckschicht); kein Zugang möglich; • Alte Ziegeleigrube (ND) SO Markgröningen (Blumenstraße); das Gelände nimmt ein Teich ein. Die Lössböschungen sind verfallen, dennoch findet man leicht Lösskindl und Lössschnecken; • Enzweihingen: Nordseite der Straße westlich des Ortsausgangs, mächtige Löss-Aufschlüsse mit warmzeitlichem Verwitterungshorizont.

W. Kranz (1942) gibt in seinen „Erläuterungen“ zur GK 25 (Blatt 7120 Stuttgart-Nordwest) eine Auflistung gefundener pleistozäner Wirbeltierreste aus LössAufschlüssen und aus Aue-Lehmablagerungen im Bereich des mittleren Glemstales, die auszugsweise in folgender Tabelle hier wiedergegeben sei:

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Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum ___________________________________________________________________________

Fundort, Fundjahr

Ablagerung

Objekt

Zgl.-Grube N Auelehm Ditzingen, 1906 Krhs. Dl/dlö zu kδ Leonberg, 1929

Rhinoceros merckii (Unterkieferzahn)

Siedlg. Löss LanderenLeonberg,Kep lerstr. 10 Krhs. Leonberg

Mammut (Stoßzahn), Edelhirsch (Geweih)

Altersdatierung (soweit möglich) letztes Interglazial oder älter

Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) (Molar)

Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) Elephas primigenius (Waldelephant) (Zähne) Wollnashorn (Coelodonta antiqitatis) (früher: Rhinoceros antiquitatis) (Zahn) Mammut (Backenzahn)

Riss-Eiszeit

Würmeiszeit

Höfingen

Löss/Lehm

Autobahn Gerlingen / Leonberg Autobahn bei Gerlingen Ölberg-Stbr. (Straße Ditz.Höfingen

dlö

Ziegeleigrube Ditzingen Ditzingen, Kirchgartenstr. Felsensägmühle (Höfingen) Weilimdorf, Ziegeleigrube

Löss / Lösslehm

Rentier (Geweih) Wisent, Wollnashorn, Wildpferd, Auerochse (?) (Knochenreste) Mammut, Wildpferd, Rentier

Löss / Lösslehm

Wildpferd (Knochenrest)

Spät-Würm

Talaue

Rentier (Geweihstange)

(?)

Löss, Lösslehm

Riesenhirsch (Megaloceros giganteus) (Unterkiefer)

Würmeiszeit

Löss eingeschwemmter Lösslehm

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Würmeiszeit oder späte Risseiszeit

Würmeiszeit oder späte Risseiszeit

Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum ___________________________________________________________________________

Der eiszeitliche Riesenhirsch (Megaloceros giganteus) hatte eine Schulterhöhe von etwa 2 m, und erreichte damit die Größe eines heutigen Elchs, war dabei aber deutlich leichter und hochbeiniger gebaut. Das Geweih, das nur die männlichen Tiere trugen, übertraf an Größe die Geweihe aller heutigen Hirsche.

Es erreichte eine

Spannweite von 360 cm und war damit eine der größten Stirnwaffen die die Paarhufer hervorbrachten. Erstaunlich ist, dass er das riesige Geweih jedes Jahr abwerfen und neu aufbauen konnte wie alle heutigen Hirsche. Entgegen anders lautender Berichte war Megaloceros giganteus keineswegs der größte Hirsch aller Zeiten. Schon der heutige Elch, besonders die großen Elche in Alaska, übertreffen ihn an Gewicht zum Teil deutlich. Da sich Megaloceros giganteus auf zahlreichen Höhlenzeichnungen eiszeitlicher Menschen findet, ist davon auszugehen, dass er bei der Jagd der frühen Menschen Europas eine Rolle gespielt hat.

In diesen Bildern ist er mit einem

dunkelbraunen Rücken und einer weißlichen Brust dargestellt, so dass man davon ausgehen kann, dass dies die tatsächlichen Fellfarben des Megaloceros waren. Auf einigen der Zeichnungen ist eine dreieckige Struktur im Schulterbereich zu erkennen. Sie wird als Fetthöcker gedeutet, der als Energiereserve für Mangelzeiten gedient haben könnte, ähnlich den Höckern von heutigen Kamelen oder Zeburindern. Nach neuen genetischen Analysen ist sein nächster lebender Verwandter der Damhirsch, und nicht wie lange vermutet der Rothirsch. Mit dem Elch ist der Riesenhirsch nicht näher verwandt, was man aufgrund des Schaufelgeweihs vermuten könnte. Megaloceros giganteus tauchte vor etwa 400 000 Jahren auf und starb wohl vor 9 500 Jahren aus. Gelegentlich wird vermutet, dass er in Irland bis vor etwa 2500 Jahren überlebt haben könnte.

Seine Überreste finden sich von Nordafrika und

Westeuropa bis Sibirien und China. Zahlreiche späte Funde stammen aus irischen Moorgebieten, und auch aus Deutschland sind etliche Funde bekannt geworden. Hier kam die Art sowohl in den Kaltzeiten als auch in den wärmeren Zwischeneiszeiten vor.

Das beweist vielleicht, dass das Tier auch in bewaldeten Regionen ein

Auskommen fand und nicht wie gelegentlich vermutet auf Steppengebiete angewiesen war. In den kältesten Abschnitten der Kaltzeiten ist die Art allerdings nur selten in Mitteleuropa vorgekommen oder fehlt ganz.

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Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum ___________________________________________________________________________

Früher wurde angenommen, dass der Riesenhirsch infolge der Wiederbewaldung am Ende der letzten Eiszeit ausstarb, da er mit seinem großen Geweih auf der Flucht zwischen den Bäumen hängen blieb. Diese Vorstellung ist allerdings naiv. Absurd ist die Theorie, die Tiere seien nur deshalb ausgestorben, weil sich ihr Geweih zu groß entwickelte. Der Riesenhirsch war über hunderttausende von Jahren eine höchst erfolgreiche Art und starb im Zuge des allgemeinen Großtiersterbens aus, das außer ihm noch etliche andere Tierarten dahinraffte.

Der Riesenhirsch hat im

westlichen Sibirien 3 000 Jahre länger als bislang angenommen überlebt. Dies ist ein Beleg dafür, dass die Gründe für das Aussterben der einzelnen Tierarten komplexer sind. Man vermutet, dass sein Aussterben damit zusammenhing, dass er, mit seinem gewaltigen Geweih, das 8 Kilo Kalzium und 4 Kilo Phosphat enthielt, eine enorme Nahrungsvoraussetzung mit sich herumschleppte und nur dort überleben konnte, wo er ausreichend nahrhaftes Futter fand. Aber auch diese Vermutung ist zweifelhaft, denn das Geweih hätte sich auch zurückbilden können. Sein letztes Refugium fand er allerdings nicht in Irland, wo er vor zirka 10 500 Jahren starb, sondern in Sibirien. Megaloceros ernährte sich im Gegensatz zum Elch, der ein typischer Laubfresser ist, vor allem von Gräsern. Man darf davon ausgehen, dass er ähnlich wie viele heutige größere Huftiere in Gruppen lebte. (Quelle: Wikipedia).

Das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) der Eiszeit lebte in den Kältesteppen zwischen Westeuropa und Ostasien. Es ist ein Rätsel, warum es ihm offenbar nicht gelang, wie dem Wollhaarmammut die Beringbrücke zu überqueren und Nordamerika zu besiedeln. Im Nordosten kam es jedenfalls bis zur Wrangel-Insel vor. Das Wolllnashorn entwickelte sich im Raum der Mongolei, Nordchina oder Sibirien aus Coelodonta tologoijensis, einer frühquartären Nashornart aus Tologoi am Fluss Selenga.

In diesem Gebiet findet sich auch die größte Konzentration von

Wollnashorn-Funden, die vor allem aus dem mittleren und oberen Pleistozän stammen. In Europa ist das Wollnashorn ab der Mindel-Eiszeit bekannt und in der Würmeiszeit erreichte es seine Maximalverbreitung. Damals war es von der Nordsee und Italien bis zum Kaukasus und nach Kirgisien im Süden verbreitet. Im Nordosten

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Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum ___________________________________________________________________________

erreichte es den Kolyma und die Küste des Ochotskischen Meeres. Dass es vom Neandertaler vor 70 000 Jahren gejagt wurde, geht aus mehreren Funden hervor. Am Ende der letzten Eiszeit starb das Wollnashorn aus. Einige Funde in der Ukraine lassen vermuten, dass es noch bis vor 8 000 oder 10 000 Jahren dort lebte. Andere Funde (z.B. Knochenfunde in der Höhle Kesslerloch) beweisen, dass es zumindest vor 12–14000 Jahren noch existiert hat. Ob Klimaveränderungen oder menschliche Jagd oder beides für sein Aussterben verantwortlich waren, ist umstritten. Das Wollnashorn lebte wohl als Einzelgänger und dürfte mit einer Kopfrumpflänge von 3,5 m und zwei mächtigen Hörnern (das vordere bis 1 m lang) eine schwer zu erjagende Beute gewesen sein. Das vordere Horn war jedoch nicht rund im Querschnitt wie bei heutigen Nashörnern, sondern eher brettförmig flach und an der Vorderkante meistens stark abgeschliffen. Man vermutet, dass das Tier mit seinem vorderen Horn die Schneedecke weggeschoben hat, um an die darunter liegenden Pflanzen zu gelangen. Seine Schädelform, vor allem das langgezogene Hinterhaupt, und seine hochkronigen Backenzähne lassen darauf schließen, dass es sich vorwiegend von Gräsern ernährte. Darauf deutet auch das breite Maul hin, das stark dem des ebenfalls grasfressenden Breitmaulnashorns ähnelt. Erhalten wurden diese Weichteile bei mumifizierten Tieren aus dem sibirischen Permafrostboden. An diesen Eisleichen fanden sich auch Fellreste, was uns neben der Überlieferung durch Höhlenmalereien bestätigt, dass das Tier ein dichtes Fell besaß, um sich vor der eiszeitlichen Kälte zu schützen. Literatur • P. S. Martin: Quaternary Extinctions. The University of Arizona Press, 1984. • A. H. Müller: Lehrbuch der Paläozoologie, Band III Vertebraten, Teil 3 Mammalia, 2. Auflage. Gustav Fischer Verlag, 1989. • W. v. Koenigswald: Lebendige Eiszeit. Theiss-Verlag, 2002. • Ernst Probst: Deutschland in der Urzeit. Orbis Verlag, 1999.

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Exkurs: Der Löss und die eiszeitliche Lebewelt im Glemstaler Raum ___________________________________________________________________________

Gliederung des Quartärs in Süddeutschland (nach Geyer/Gwinner, 1986; ergänzt) Ablagerungen Zeitdauer

H O L O Z ÄN

Epoche

Gegenwart

Geologische Abschnitte Jungholozän

Postglazial (Warmzeit)

bis12 000 J. Mittelholozän

(Geologische Gegenwart)

vor heute Altholozän

12 000 J. bis 70 000 J. v.h.

N Ä

Sandig-tonige Ablagerungen in den Talauen; Kalktuffe an Quellen;

Verwitterungslehme Würm-Glazial NiederterrassenSchotter der Enz; Löss Riss-Würm-Intergalzial Löss

Jungpleistozän

70 000 J. bis

Z

(Strohgäu, Glems, Enz)

90 000 (120 000) J. v. h. 90 000 (120 000) Mittelpleistozän

Riss-Glazial

Löss

J.

O

bis Mindel-RissInterglazial

150 000

T

200 000 bis

Altpleistozän

Mindel-Glazial

500 000 J. v. h. Günz-MindelInterglazial Günz-Glazial

P

L

E

I

v. h.

S

(200 000) J.

Donau-GünzInterglazial Donau-Glazial

Ältestpleistozän

Warmzeit Beginn vor 2,6 Mio. J.

Biber-Glazial

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Renninger Sande;

Karte der Verbreitung von eiszeitlichem Löss in Süddeutschland. Die Pfeile geben die Richtung der kalten Fallwinde an, die von den vergletscherten Bereichen (Alpen) ausstrahlten. Diese bliesen den Staub aus und lagerten ihn im nicht vereisten Vorland ab. (Dicke Punktreihe: Grenze der größten Vereisung; fein punktiert: ungefähre Verbreitung des Lösses). (Quelle: Georg Wagner, 1960).

Der Lössaufschluss in der ehemaligen Lehmgrube im Süden des Zeilwaldes (Gemeinde Hemmingen). Der Löss ist hier rund 4 m mächtig und hat weiße Kalkausblühungen im unteren Teil. (Foto: Johannes Wagner)

Lössschnecken.

Unten links: Kalkausscheidungen in Hohlräumen (z. B. Wurzelgängen, Porensysteme) können zu oft bizarr geformten „Lösskindln“ von Finger- bis Faustgröße führen. (Foto: Johannes Wagner).

Hauptwindrichtung Leeseite

Lösseinwehung

Luvseite

Hangunterschneidung

Talasymmetrie in einer Löss-Landschaft. (nach Richter, G., verändert).

Talasymmetrie im Mittleren Glemstal auf der TK 25 (Ausschnittsvergrößerung).

Vermutlicher Temperaturgang während der letzten Kaltzeit (Würm-Eiszeit). Die bunktierten Bereiche kennzeichnen die Hauptzeiten der Lössbildung. (Quelle: Fukarek, F. / et al.: Pflanzenwelt der Erde. Köln 1980).

Exkurs: Die nacheiszeitliche Waldentwicklung ___________________________________________________________________________

Exkurs: Die nacheiszeitliche Waldentwicklung

Zeitrechnung

Periode

Waldentwicklung

Klima

Kultur

ca. 14000 v. Chr. bis 8800 v. Chr.

Subarktikum

Tundra

kühl und trocken

Ältere Steinzeit: Solutréen Magdalénien

warm und trocken

Mittlere Steinzeit

8800–6000 v. Chr.

nordische Waldsteppe (Einwanderung von Fichte, Birke, und Kiefer; größte Ausdehnung der Kiefer) Boreal Waldsteppe (Übergangszeit) (Einwanderung von Erle, Hasel und Eiche)

6000–3000 v. Chr.

Atlantikum (Wärmezeit)

3000–900 v. Chr.

Subboreal

900 v. Chr. bis Gegenwart

Subatlantikum

6500–4500 v. Chr.: Einwanderung der Kontinentalen (Pontischen) Flora aus SO-Europa warm und feucht Jungsteinzeit: Laubwald (Eichenmischwald; Einwanderung von um 4000 v. Chr.: Buche und Tanne) Einwanderung der 4500–2500 v. Chr.: Bandkeramiker Rückzug der Pontischen Flora auf Reliktstandorte warm und Anstieg von Buche Spätsteinzeit trocken und Tanne (Abnahme von Broncezeit Eichenmischwald und Fichte) Frühhallstattzeit kühl und trocken Forstwirtschaft (ab 19. Jh.)

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Eisenzeit bis Gegenwart

Im Subarktikum herrschte bei uns die Tundra (wie hier noch heute in Nordfinnland). Im Vordergrund Zwergbirke. (Quelle: www. luontoportti.com).

Die Kältesteppe (wie hier in der Ukraine) ersetzte zu Beginn der Nacheiszeit die Tundra. Im Vordergrund Federgras. (Quelle: www.paradeast.de).

Im Boreal wanderten bei uns in die „nordische Waldsteppe“ Erle, Hasel und Eiche ein. Dies führte zur „Waldsteppe“ wie hier noch heute in Kasachstan. (Quelle: www.fokus-natur.jpg).

Der Eichenmischwald (wie noch heute im Urwald von Bialowieza Nationalpark /Polen) setzte sich im warm-feuchten Atlantikum bei uns allgemein durch. (Quelle: www.Natur-Portrait.de).

Zwischen 6500 – 4500 v. Chr. wanderten aus den ausgedehnten Steppengebieten Südosteuropas (Ukraine, Bessarabien) Steppenbewohner in die sommerlich trockenheißen Lebensräume Süddeutschlands ein. Die sonnigen Hanglagen der Halbtrockenrasen im Glemstal sind deshalb ideale Lebensräume der „pontischen Flora“. Im Bild die Graslilie (oben) und die Küchenschelle (darunter). (Fotos: Johannes Wagner).

Exkurs: Schollentektonik und das Alter des Glemstals ___________________________________________________________________________

Exkurs: Schollentektonik und das Alter des Glemstals Schollentektonik, danubisches und rheinisches Entwässerungssystem: Die Süddeutsche Großscholle besteht in ihrem tektonischen Bau aus Brüchen, Gewölben, Verbiegungen und Verschiebungen. Diese sind maßgebend für den Ansatz von Verwitterung und Abtragung. Die Richtung der Flüsse und das Gesicht der Landschaft werden davon lokal mit geprägt.

Die tertiäre Heraushebung des

Schwarzwaldes und die einseitige, generell nach SE-gerichtete Schiefstellung der Großscholle mit einer Schichtfolge von über dem Grundgebirge lagernden Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper und Juragesteinen mit unterschiedlicher Widerstandsfähigkeit gegenüber der Abtragung bewirkte die Ausbildung der südwestdeutschen Schichtstufenlandschaft. Das nach SE gerichtete Schichtfallen führte zu einem gleichsinnig gerichteten („konsequenten“) Entwässerungssystem, das sich epigenetisch auf den Schichtflächen weiter eintiefte. Dieses führte in das tertiäre Molassebecken, nach dessen Auffüllung in das seit dem Pliozän sich entwickelnde Donausystem. Durch den Einbruch des Oberrheingrabens (im nördlichen Oberrheingebiet seit dem

Oligozän

nachgewiesen)

bildete

sich

das

gegengerichtete

rheinische

Entwässerungssystem heraus, das durch rückschreitende Erosion mit größerer Erosionskraft gegenüber dem Donausystem im Vorteil war.

Im Umfeld des

Glemstales sind Ablagerungen beschrieben worden (Kalksinterablagerungen eines alten Hochtales im Umfeld des Rankbaches, Terrassenbildungen bei Korntal), die zumindest richtungsmäßig als danubisch eingestuft werden könnten. Die Schichtstufen haben sich seit dem Tertiär durch rückschreitende Erosion tendenziell nach SE verschoben. Maßgebend hierfür war die stetige Ausdehnung des rheinischen Flusssystems auf Kosten des älteren danubischen. Außer den südwestdeutschen Schichtstufen gibt es zahlreiche Beispiele für Bruchstufen; im weiteren Umfeld der Glems gehören hierzu der Fildergraben mit seinen NW-gerichteten Ausläufern (z. B. die bis nach Schwieberdingen reichenden

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Exkurs: Schollentektonik und das Alter des Glemstals ___________________________________________________________________________

Cannstatter Brüche) sowie die nicht weniger komplizierte Engelbergstörung bei Leonberg. Diese Störungen pausen sich oft durch im Flussverlauf. Junge (pliozäne) lokale Aufwölbungen im Enztal und an der unteren Glems (Schwäbisch-Fränkischer Sattel und dessen Teilbereich des Leudelsbach-Sattels) sind für die tiefen Taleinschnitte und Talmäander von Glems und unterer Enz verantwortlich und führten zu lokalem Wasseraufstau (z. B. im Talgrund vor der Nippenburg). Umgekehrt bedingen lokale Einsenkungen der Erdkruste (z. B. bei Ditzingen) dortige Talweitungen, Aufschotterung und Talversumpfung. Neben dem tektonischen Bau der Erdkruste spielt die Gesteinsart für die morphologische Talbildung und Hangformung eine wesentliche Rolle. Harte Gesteine – wie der Obere Muschelkalk – führen zu Talverengungen (Kastentäler) und Gefällsstufen im Flusslauf sowie zu steilen Erosionskanten an den Talböschungen (wie z. B. bei Höfingen und nördlich von Schwieberdingen); erosiv weiche Gesteine – wie z. B. der Gipskeuper südlich von Leonberg – bilden breite Talweitungen mit sanften Böschungen. Beide Talformen finden sich im Glemstal und werden im jeweiligen Talabschnitt beschrieben.

Flussgeschichte der Glems: Die Glems entsprang ursprünglich in der Leonberger Gegend und floss nach Westen über das Tal des Rankbaches in die Würm. Das heutige Glemstal zwischen Ditzingen und Leonberg dürfte ursprünglich ebenfalls nach Westen entwässert worden sein. Bei Eltingen hat die Glems – wahrscheinlich schon im Altpleistozän – durch Flussablenkung ihren Mittellauf Glemseck–Eltingen hinzugewonnen. Die altpleistozäne W–O-Entwässerung der Glems bei Ditzingen Richtung Korntal in den Feuerbach und schließlich in den Neckar ist durch weite „terrassen“förmige Hochflächen morphologisch noch deutlich erkennbar und durch Schotter (dg) nachgewiesen.

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Exkurs: Schollentektonik und das Alter des Glemstals ___________________________________________________________________________

Im Jungpleistozän hat die Glems den Oberlauf (Gebiet um den Pfaffensee und den Katzenbach) dem Quellgebiet der Körsch entzogen. Fest steht, dass das heutige Glemstal zwischen Ditzingen und der Mündung in die Enz jüngeren Datums als das der Enz haben muss. Die Enz ist schon immer ein Neckarzubringer gewesen.

Die Erosionsbasis von Enz und unterer Glems

(rückschreitende Erosion) steht im Zusammenhang mit der Einsenkung des Oberrheintalgrabens im Tertiär. Zwischen Lomersheim und Bietigheim-Bissingen ist die dort mäandrierende Enz an einen tektonischen Sattel pleistozänen Alters gebunden. Alte Höhenschotter der Enz auf der das heutige Tal beidseitig begleitenden Hochfläche liegen bis zu 123 m über Talgrund. Ihnen werden auf Grund des Erhaltungszustandes altpleistozänes bis pliozänes Alter zugeschrieben, doch ist auch spät-obermiozänes Alters denkbar. Die Eintiefung der Enz erfolgte demnach erst mit der Hebung des Schichtpaketes im Pleistozän. Von dieser Erosionsbasis aus entwickelte sich erst im Pleistozän das untere Glemstal durch rückschreitende Erosion bis in die Leonberger Gegend.

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Von Ditzingen bis zur Nippenburg1 ___________________________________________________________________________

Von Ditzingen bis zur Nippenburg1 Nach Ditzingen wendet sich die Glems mit einem scharfen Knick nach Norden und schneidet sich erneut in den am Muldenrand wieder auftauchenden Muschelkalk ein.

Die ausgeprägten, Bach begleitenden Ufergehölzsäume markieren den

geschwungenen Verlauf des Flusses. Das Glemstal ist kurz unterhalb von Ditzingen bis zur Mündung in die Enz als Landschaftsschutzgebiet gesichert, wenn man von der kurzen Unterbrechung durch den Siedlungsraum von Schwieberdingen absieht. Die Glems erhält ab Ditzingen praktisch keine nennenswerten Zuflüsse mehr, wenn man von episodischen Wasserzulieferungen aus sonst trockenen Seitentälchen absieht. Allerdings erfolgt über verschiedene Klärwerke nicht unerheblicher Zufluss von Fremdwasser. Bei ihrem Lauf durch das westliche Strohgäu verliert die Glems dabei viel Wasser, das im Bachbett versickert, tief in den Muschelkalk eindringt und dabei auf wasserundurchlässigen, leicht geneigten Schichten in der Tiefe zum Neckar bzw. zur Enz fließt. Auffällig ist die weithin zu beobachtende Tal-Asymmetrie. In der Regel sind die Hänge östlich der Talsohle weitaus steiler als die gegenüberliegenden Hänge. Hierfür gibt es mehrere Erklärungen, von denen die Folgende wohl die überzeugendste ist: Die Schichten fallen leicht nach SO ein, d.h. der linke Talhang folgt dem Einfallen der Schichten, der rechte ist ihm jedoch entgegengesetzt. Dementsprechend schafft die Abtragung links flache, rechts steile Hänge. Eine andere Erklärung geht von den Solifluktionsvorgängen aus, die im Pleistozän je nach Exposition der Hänge zur Sonne unterschiedlich starke Hangneigungen hervorgerufen haben sollen. Im Frühjahr taute der Frostschutt an der Sonnenseite (d.h. unterhalb von Ditzingen rechter Talhang der Glems) schneller und tiefgründiger auf als an der Schattenseite, so dass die 1

Nach Schröder, Peter: Ditzingen und das mittlere Glemstal. In: Ludwigsburger Exkursionsführer, Ludwigsburg 1993, S. 101–114 sowie nach Beck, Hermann: Vom Pfaffenwald zur Enz. Die Glems und ihr Tal. In: Durch die Stadtbrille, Bd. 5, S. 9–14, 1995. (verändert und erweitert) 34

Von Ditzingen bis zur Nippenburg1 ___________________________________________________________________________

betreffenden Hänge vom Bach bevorzugt angegriffen und entsprechend steil umgestaltet wurden.

Hierbei hat wohl auch die unterschiedliche Mächtigkeit der

Lössablagerung eine Rolle gespielt, die an den nach Osten exponierten Hängen (Leeseite in Bezug auf die vorherrschenden Westwinde) generell größer ist als an den Gegenhängen (Luvseite). Ab der Nippenburg hat die Glems den beschwerlichsten Teil ihres Laufes vor sich. Der Schwäbisch-Fränkische Sattel, eine geologisch junge Aufwölbung der Gesteinsschichten, die von der Hornisgrinde im Schwarzwald bis zur Backnanger Gegend von Westen nach Osten verläuft und die als das geologische Rückgrat von Württemberg bezeichnet wird, muss überwunden werden. Der Scheitel dieses Sattels liegt bei der Nippenburg (erwähnt 1160, Stammsitz der Herren von Nippenburg). Unterhalb der Nippenburg hat sich die Glems 40 m in den harten Oberen Muschelkalk eingetieft. Sie fließt dort mit einem kaum 140 m breiten Talboden in einer scharfen Rechtskurve um einen engen Sporn, der die Burg trägt. Die Glems hat sich hier in den Trochitenkalk (mo3) wenige Meter tief eingesägt, so dass er an den Prallhängen an wenigen Stellen zu Tage tritt. Die Fossilien der Seelilie Encrinus liliformis können hier gefunden werden, hauptsächlich aber ihre Stielglieder. Für einen durchgehenden Weg ist im Tal kein Platz mehr, so dass selbst der Wanderer das Glemstal hier verlassen muss. Er hat die Wahl, entweder einen Umweg über das Golfplatzgelände und das Hofgut Nippenburg zu nehmen, oder linksseitig bei der Sägmühle hoch und dann hinunter zur Hagmühle zu wandern. Ein Beward, später Probst des Klosters Hirsau, erbaute um 1150 eine Mühle bei der Nippenburg. Damit kann nach der Lage nur die Hagmühle gemeint sein. 1350 ist ein Weiher unter der Mühle verzeichnet. Die Hemminger waren durch „Mühlenbann“ verpflichtet, in der Hagmühle ihr Korn mahlen zu lassen. 1574 wird die Mühle erstmals als „Haagmühle“ bezeichnet. 1991 stellte man den Mahlbetrieb ein. Das Hauptgebäude wurde 1996 umfassend saniert. Denkmalschutz.

35

Die Gesamtanlage steht unter

Von Ditzingen bis zur Nippenburg1 ___________________________________________________________________________

„Der Mühlkanal zur Hagmühle, der an der Schwelle beim Hofrainbrückle vom Glemsbett abzweigt, gehörte von alters ganz in Unterhalt, Betrieb und Nutzung dem Hagmüller.

Seit unvordenklichen Zeiten strömte bei großem Wasser an einer

bestimmten Stelle, 550 Fuß [das wären knapp 150 Meter] flussaufwärts, das Wasser in eine tiefer gelegene Mulde der Leutrum´schen Wiesen.“ (Heimatbuch Hemmingen, 1991, S. 105). Sage vom Irrlicht beim Moorkirchlein: In der sumpfigen Glemstal-Niederung – wenig flussauf bei der Nippenburg – soll einst ein Moorkirchlein gestanden haben.

Vor vielen hundert

Jahren habe dort eine Schlacht stattgefunden, bei der alle Kämpfer gefallen und im Moor versunken seien. Im Mittelalter lebte auf der Nippenburg ein Ritter.

Der hatte eine

einzige Tochter mit dem Namen Gertrud. Der Ritter Christoph von Hemmingen freite um sie. Einmal kehrte die Braut zu später Nachtzeit heim. Sie wurde von den Irrlichtern ins Moor geführt und versank dort. Nur noch ein Tüchlein fand man von ihr. Darüber grämte sich der Bräutigam sehr, und um sein Leid zu vergessen, zog er mit dem Kaiser in den Krieg. Lange hörte man nichts mehr von ihm. Nach vielen Jahren kam ein Mönch aus Fernem Land. Am Moor errichtete er eine Hütte und betete Tag und Nacht. Die Leute verehrten ihn als einen Heiligen. Sie brachte ihm Speis und Trank und halfen ihm, ein Kirchlein bauen. Eines Morgens fand man ihn tot. Unter der Kutte trug er ein goldenes Kreuzlein. Darauf stand auf einer Seite: „Ritter Christoph von Hemmingen“, auf der anderen: „Die Liebe höret nimmer auf“. Die Stelle nennt man heute noch das „Moorkirchle“. Ob hier am Moor tatsächlich einst ein Irrlicht existierte, ist nie ganz geklärt worden. Fest steht jedoch, dass Irrlichter als blaue Flämmchen schon seit dem 16. Jahrhundert beschrieben worden sind. Wahrnehmungen

von

des

Nachts

Es sind natürliche

phosphoreszierenden

Holzes,

von

Leuchterscheinungen der Johanniswürmchen oder von sich über Mooren

36

Von Ditzingen bis zur Nippenburg1 ___________________________________________________________________________

entzündendem Methangas. Diese Wahrnehmungen verbanden sich mit dem Volksglauben von den Wiedergängern und von ruhelosen Toten.2 Wikipedia ist zu entnehmen: „Irrlichter, auch Sumpflichter, sind seltene Leuchterscheinungen, die nachts insbesondere in Sümpfen und Mooren beobachtet werden können.

Ihr unvorhersehbares und kurzzeitiges Auftreten erschwert die systematische Erforschung.

Über lange Zeit sind Irrlichter insgesamt als

Aberglaube abgetan worden. Es gibt zwei Erklärungsversuche für Irrlichter: Heute geht man davon aus, dass es sich überwiegend um biolumineszente Effekte handelt, zum Beispiel durch den Speisepilz Hallimasch. Zu sehen ist ein bläuliches Leuchten, das für mehrere Sekunden sichtbar bleibt. Eine andere Möglichkeit sind spontan entzündete Faulgase. Die Flämmchen der Irrlichter sind einige Zentimeter hoch und leuchten nach Aussage verschiedener Augenzeugen wenige Sekunden lang ohne Rauchentwicklung schwach bläulich. Der Name kommt wahrscheinlich aus dem Aberglauben, dass diese Lichter von Geistern (Irrwischen) und anderen Sagengestalten erzeugt werden, um Menschen absichtlich im Moor in die Irre zu locken und somit in den Tod zu ziehen. Dazu sollen sich die Irrlichter geheimnisvoll blau flackernd vor den verirrten Wanderern bewegen und ihm so einen Menschen mit einer Laterne oder ein beleuchtetes Gebäude in der Nähe vortäuschen. Der Wanderer wähnt sich dem Ziel stets ganz nahe und erkennt die Gefahr zu spät. Eine andere Abstammung des Namens könnte von den beobachteten anscheinend ziellos umherirrenden Bewegungen der Irrlichter kommen. Aufgrund ihrer spukhaften Erscheinung ranken sich um Irrlichter viele Sagen und Legenden.“

2

Auch der Verfasser schenkte lange Zeit solchen Erzählungen von Irrlichter keinen Glauben, bis er in der Südsee (Insel Cebu) in einer unbewohnten Gegend im Hochland des Nachts tatsächlich wiederholt eine solche unerklärliche intensive grünliche Leuchterscheinung beobachten konnte. 37

Altes Hängetal über der Glems beim Surrlesrain. (Foto Johannes Wagner).

Dolomitbank des Oberen Muschelkalkes am Surrlesrain. (Foto Johannes Wagner).

Exkurs: Zur Landschaftsgeschichte im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

Exkurs: Zur Landschaftsgeschichte im Raum HemmingenGlemstal1 Die eigentliche Formung der südwestdeutschen Landschaft begann vor etwa 130 Millionen Jahren in der Kreide- und Tertiärzeit. Geologisch ist diese Zeit von lebhaftem Vulkanismus gekennzeichnet, von Gebirgsbildungen durch den Zusammenstoß der afrikanischen mit der europäischen Erdkrustenplatte, der z B. zur Auffaltung der Alpen, der Karpaten und des Kaukasus führte und die alte Tethys („Mittelmeer“) verdrängte. Die Schichten des Deckgebirges vom Buntsandstein bis zum Jura wurden durch Hebungen im Westen und durch Senkungen im Osten leicht schräg gestellt. Seit dieser Zeit ist der Mittlere Neckarraum nie mehr von Meeren überflutet worden. Es konnten sich deshalb keine Sedimente mehr absetzen, vielmehr war das Gegenteil der Fall; die Erosion (Abtragung) durch Wasser, Eis und Wind begann.

So bildete sich die sogenannte Schwäbisch-Fränkische Stufenlandschaft.

Harte Gesteine setzten dieser Erosion mehr Widerstand entgegen als weiche, letztere wurden abgetragen. Wie die Erosion die Landschaft unseres Gebietes formte, sei an Beispielen der „Flussgeschichte“ erläutert: Vom Kaiserstein blicken wir nach Süden über das breite muldenförmige Tal des Döbachs. Zwar sehen wir von hier aus das Bächlein nicht direkt, aber wir erkennen, dass die gegenüberliegende Höhe demselben Niveau wie dem des Kaisersteins entspricht. Landwirtschaftsgebäude Hirschlanden.

der

Wir sehen am gegenüber liegenden Hang die

„Keltenhöfe“ und

dahinter

einige

Häuser

von

Man ist erstaunt darüber, dass der kleine Döbach dieses große

Muldental geschaffen haben soll. Der Döbach entwässerte wohl – in höherem Niveau als heute – im Miozän (vor 23,8 bis 5,3 Millionen Jahren) noch zum Molassemeer (Oberschwaben) und war im Unter-Pliozän (Beginn vor 5,3 Millionen Jahren) – nach Rückzug des Molassemeeres – vermutlich ein Zubringer der sich herausbildenden

1

Nach Helmut Eisenreich: Zur Geologie der Hemminger Gemarkung. In: Heimatbuch Hemmingen, Horb 1991. 38

Exkurs: Zur Landschaftsgeschichte im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

Urdonau.

Mit der Entwicklung des Oberrheintalgrabens (früheste Anlage erster

Absenkungen schon im Oligozän vor etwa 30 Millionen Jahren) wählte das abfließende Niederschlagswasser der Ostabdachung des Nordschwarzwaldes im Lauf des Pliozän über Neckar und Rhein den kürzeren Weg zum Ozean. Dabei wurde das Urdonau-System mit seinen alten und großen Tälern zerschnitten und zerstört. In den Resten der heute durch Erosion tiefer gelegten Muldentäler flossen dann meistens nur noch kleine, unbedeutende Rinnsale. Der Oberlauf des Döbachs stimmt in seiner Richtung mit dem Oberlauf des Strudelbachs zwischen Weissach und dem Strudelbacher Hof frühere Ölmühle) überein. Vermutlich bildeten damals der Oberlauf des Strudelbachs zusammen mit dem Döbach ein Hochtal, in dem einer dieser zahlreichen west-ostwärts strömenden Flüsse verlief, die zum pliozänen Urdonau-System hin entwässerten. Ein ähnliches altes Tal kann man vermuten, wenn man den Verlauf des Heutals südwestlich von Eberdingen mit dem Gaichelgraben, der durch Hemmingen fließt und bei der Hagmühle in die Glems mündet, in Zusammenhang bringt. Allerdings finden wir heute im Heutal keinen Bachlauf mehr. Es ist schon längst ein „Trockental“, eine Erscheinung der Verkarstung, die auch am Gaichelgraben zu beobachten ist. Die geologisch jüngste Ablagerung im gesamten Strohgäu ist der Löss. Wir müssen nun nicht mehr in Jahrmillionen rechnen; Kaltzeiten, auch Eiszeiten genannt, wechselten mit Warmzeiten ab.

Die Geologen rechnen, dass diese Zeiten des

sogenannten Pleistozän vor etwa 2,6 Millionen Jahren bis etwa 12 000 v. Chr. dauerte. Von den völlig vereisten Alpen herab bewegten sich Eisgletscher bis zur Donau. Das Klima führte auch im Südschwarzwald zu einer eigenständigen Vergletscherung, Hängegletscher bildeten vielfach Kare, in denen vereinzelte Karseen bis heute erhalten blieben. Unser Gebiet aber blieb eisfrei. Es glich einer Tundralandschaft, wie sie heute im hohen Norden Finnlands, Sibiriens, Kanadas oder Alaskas besteht. Die kalten und trockenen Winde konnten sich austoben. Während der Riss-Eiszeit (vor 150 000–90 000 Jahren wirbelten sie aus Moränen und endlosen vegetationslosen Schotterfeldern der Rheinebene Staub und

39

Exkurs: Zur Landschaftsgeschichte im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

feine Sande auf. Sandstürme verfrachteten sie nach Nordosten über den Schwarzwald hinweg. Hinter Hängen und Kuppen, an Talkanten und in Tälern, wo der Wind seine Kraft verlor, sank der her gewehte Sand und Staub auf die Landschaft, deren Keuperschichten bis auf den Lettenkeuper abgetragen waren. In Jahrtausenden ergab das in unserem Gebiet Ablagerungen bis zu über 10 Metern. „Löss“ nennen die Geologen diese Windablagerungen. Wir erkennen den Löss auf umgepflügten Äckern an seiner gelblich braunen Farbe, meist im Windschatten an Ost- und Nordhängen. Löss: das ist feinster, aus den Gesteinen der Alpen zerriebener Mineralstaub, dessen einzelne Staubkörner einen Durchmesser von einem bis fünf Hundertstel Millimeter haben.

Der Wind hat sie locker und lose, „lösch“, wie die Alemannen sagten,

zusammen geweht.

Jedes einzelne Lösskorn besteht zu 60–70% aus Quarz, aus

Tonerde-Silikaten sowie aus Kalk, der die winzigen Quarzkörner als Kruste umgibt. Mineralien und Kalk machen ihn für die Landwirtschaft zu den fruchtbarsten Böden. Einsickerndes CO2-haltiges Regenwasser löst in den oberen Bodenbereichen die Kalkkruste der Lösskörner mit der Zeit auf, die Tone im Inneren dieser Körper verkleben dann miteinander und bilden so den kalkarmen und schweren Lösslehm. Der aufgelöste Kalk sickert in verschiedene Tiefen der Lössschicht und scheidet dort zum Teil den Kalk wieder aus.

Es bilden sich bizarre Formen, die bei uns als

„Lösskindl“ oder „Lösspuppen“ bekannt sind.

Im Gegensatz zum kalkreichen

gelbbraunen Löss ist das Braun des Lösslehms wesentlich dunkler. Sollen Ackerböden mit Lösslehm ertragreich bleiben, so muss der Landwirt Düngekalk zuführen. Man könnte das Strohgäu geologisch eine „Muschelkalk-Lettenkeuper-LössLösslehm-Hochfläche nennen. Schon in vorgeschichtlicher Zeit wurde sie besiedelt, und bis heute werden ihre Böden besonders hoch bewertet.

40

Blick talaufwärts (in Westrichtung) in das Tal des Döbachs südlich von Hemmingen. (Foto: Johannes Wagner, April 2007). Der kleine, mit einem Bachuferwald bestandene Döbach durchfließt ein merkwürdig breites, muldenförmiges Tal. Dieser unscheinbare Bachlauf gehörte wohl einst zum „Danubischen Flusssystem“ (Urdonau-System). Mit der Herausbildung des Oberrheintalgrabens (früheste Anlage schon im Oligozän vor etwa 30 Millionen Jahren) wählte das abfließende Niederschlagswasser seit dem Pliozän (Beginn vor 5,3 Millionen Jahren) über Neckar und Rhein den kürzeren Weg zum Ozean. Dabei wurde das Urdonau-System mit seinen alten und großen Tälern zerschnitten und zerstört. In den Resten der heute durch Erosion tiefer gelegten Muldentäler flossen dann meistens nur noch kleine, unbedeutende Rinnsale.

Flussnetz von Döbach und Strudelbach im Jungtertiär. Der Oberlauf des Döbachs stimmt in seiner Richtung mit dem Oberlauf des Strudelbachs zwischen Weissach und dem Strudelbacher Hof (Heckengäu) überein. Vermutlich bildeten im Spättertiär der Oberlauf des Strudelbachs zusammen mit dem Döbach ein Hochtal (blauer Pfeil), in dem einer dieser zahlreichen westostwärts strömenden Flüsse verlief. In der Karte sind zur besseren Orientierung die heutige Waldverbreitung und die Siedlungsfläche eingetragen. (Aus: Ulrich Kröner, 2000).

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum HemmingenGlemstal1

Die Alte Schöckinger Straße führt heute noch als Feldweg von Hemmingen westlich des Kaisersteins hinab ins Döbachtal. Wenn wir diese ehemalige Straße ostwärts gehen, so sehen wir zu beiden Seiten auf den Äckern der Ebene hellen Lössboden. Etwas unterhalb des Kaisersteins erscheinen auf dem „Krummen Land“ stellenweise die Böden des Lettenkeupers und des Dolomits. Ehe der „Grenzweg“, der zugleich Markungsgrenze von Hemmingen ist, nach Osten links abbiegt, werden die Äcker steiniger: hier entstand der Ackerboden aus dem Muschelkalk. Ältere Landwirte erinnern sich, dass zwischen der Alten und Neuen Schöckinger Straße aus dem Untergrund der heutigen Äcker Muschelkalk und Straßenschotter gebrochen wurde. Dieser Steinbruch wurde längst wieder eingeebnet. Die Bruchwände eines anderen ehemaligen Muschelkalksteinbruchs stehen jedoch noch heute verborgen hinter Bäumen und Büschen an der östlichen Hangseite der „neuen“ Straße L 1136 nach Schöckingen. Weiter führt uns die Alte Schöckinger Straße als steiniger Feldweg ins Döbachtal. Kurz vor der Talsohle macht sie eine enge Kurve nach Westen. An den Rändern dieser Wegbiegung – unterhalb des Flurstücks Pfaffenkreuz – bemerken wir gegenüber der Böschung unregelmäßige Bodenstrukturen. An dieser Stelle ist in die geologische Karte ein Erdfall eingezeichnet, der schon vor langer Zeit aufgefüllt wurde. Erdfälle werden nach dem slowenischen Wort „dolina“ (Tal) auch „Dolinen“ genannt. Dolinen sind Ergebnisse der Verkarstung. Diese Bezeichnung leitet sich von der Karstlandschaft östlich von Triest ab. Sie ist eine durch Wasser ausgelaugte, an der Oberfläche meist kahle Gebirgslandschaft. Der „Karst“ besteht aus Höhlen, in denen das Wasser unterirdisch fließt. An den Abhängen der Gebirge 1

Nach Helmut Eisenreich: Zur Geologie der Hemminger Gemarkung. In: Heimatbuch Hemmingen, Horb 1991. 41

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

tritt es aus Karstquellen wieder zutage.

Auch die Höhlen und Trockentäler der

Schwäbischen Alb sind typische Karsterscheinungen. Im dolomitischen Oberen Muschelkalk des Strohgäus gibt es zwar keine Tropfsteinhöhlen, aber doch ausgelaugte Risse und sehr tiefe Klüfte, in die Regen und Tauwasser sickern oder regelrecht von der Oberfläche in den Muschelkalk abfließen. Das Wasser hat aus der Luft Kohlendioxyd aufgenommen, das den Kalkstein auflöst (Karbonat-Lösung).

Die Erdfälle entstehen vor allem in der Grenzregion von

Muschelkalk und Lettenkeuper, denn dort fließt Oberflächenwasser über zum Teil wasserundurchlässige Mergelschichten.

Wenn das Wasser aber auf den oberen

Muschelkalk gelangt, beginnt es zu versickern. Es entstehen im Trigonodus-Dolomit größere Hohlräume, die einbrechen können und dann mehr oder weniger tiefe muldenoder trichterförmige Dolinen bilden. Besonders entlang von Verwerfungen können Dolinenketten oder -felder entstehen. Im Wald oder am Waldrand findet man häufiger Dolinen als auf Äckern und Wiesen. Einmal nimmt dort das Wasser mehr CO2 auf, zum andern werden Dolinen auf den Feldern möglichst schnell wieder aufgefüllt. So erinnert sich Heinz Mattlat, dass er 1974 im Böhnlach-Graben zwei Dolinen, die nach heftigen Regengüssen eingebrochen waren und in denen das BöhnlachWasser verschwand, mit zwei Lastzügen Kies auffüllen ließ.

Die größte dieser

Dolinen war drei Meter tief und hatte einen Durchmesser von neun Metern. Damit das Wasser wieder im Graben weiter fließen konnte, wurden zwei Stahlrohre von 20 cm Durchmesser und einer Gesamtlänge von etwa 12 Metern zusammengeschweißt und in den Kies eingebettet. Der Geologe Hans Köhle, der damals die Gewässerverhältnisse im Strohgäu erforschte, berichtet in seiner Dissertation über das Einzugsgebiet der Stuttgart-Bad Cannstatter Mineralquellen unter anderem, dass er am 27. Dezember 1973 um 10.50 Uhr eine mit zehn Kilogramm Uranin gefärbte konzentrierte wässrige Lösung in ein „Schluckloch“ im Böhnlach-Graben spülte. Dieses Schluckloch hatte einen Durchmesser von 30 cm, der natürliche Wasserzulauf von 1,3 Litern in der Sekunde transportierte die Farblösung in den Untergrund. Am Tag darauf kam Köhle um acht Uhr zu den Hagmühlenquellen „als die Glems bereits sichtbar grün war“. Der

42

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

Hagmüller Eberhard Silber sen. berichtete ihm, dass er schon um sechs Uhr am Morgen diese Grünfärbung beobachtet hatte. Tatsächlich überraschte den Geologen dieser schnelle Farbaustritt in die Glems. Seine Berechnungen ergaben, dass das gefärbte Wasser vermutlich schon gegen drei Uhr den verkarsteten Muschelkalk durchflossen hatte; für die unterirdische Strecke von 2,75 Kilometern benötigte es also nur rund 16 Stunden [= 2,7 m/min]! Die Hagmühlenquellen aber förderten zehn bis zwanzig Liter in der Sekunde. Woher kam dieses viele Wasser? Hans Köhle schreibt in seiner Dissertation z. B.: „Zur weiteren Untersuchung des Einzugsgebietes der Hagmühlenquellen bot sich 500 Meter nördlich der BöhnlachVersickerung

die

Gaichelgraben-Versickerung

als

EingabesteIle

für

einen

Färbversuch geradezu an. Vor dem Ausbau des Gaichelgrabens um 1960 hatte der Hemminger Fronmeister Herr Mattlat an der damals noch gut sichtbaren Bachschwinde (Versickerungsstrecke im Bachbett) bereits einmal ein Kilogramm Uranin eingegeben. Dieser Versuch blieb jedoch ohne Ergebnis. Im Rahmen der Flurbereinigung wurde die Schwinde mit einer LKW-Ladung Erdaushub aufgefüllt und der Gaichelgraben mit Betonhalbschalen ausgebaut.

Die anfangs dichte

Plombierung wurde im Laufe der Zeit wieder durchlässig. Bei lang anhaltender Trockenheit versickert im Herbst das aus dem Lettenkeuper entspringende Wasser samt den geklärten Abwässern von zehn Aussiedlerhöfen in Höhe der ehemaligen Bachschwinde vollständig zwischen den Betonhalbschalen. Zur Farbeingabe wurde ein trockener Herbsttag mit Vollversickerung gewählt, um eine Verschleppung von Farbstoff auszuschließen.“

Am 4. November 1975 floss gefärbtes Wasser in 16

Stunden durch den Karst des Oberen Muschelkalks zu den Hagmühlenquellen; der Spiegel des Grundwassers lag an der Glems bei 265 Meter über NN (Normalnull). Im Heimerdinger Wald, etwa 200 Meter südlich des alten Wasserbehälters in der Abteilung II 2, befindet sich ein ausgedehntes Dolinenfeld. Auch hier versickern im verkarsteten Trigonodusdolomit des Oberen Muschelkalks die Niederschlagswasser. Die größte dieser Dolinen fällt vielen Spaziergängern auf. Zur Sicherung wurde ein einfaches Holzgeländer angebracht, denn immerhin ist die Doline 2,50

43

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

Meter tief und ihr Durchmesser beträgt sieben bis acht Meter. Es ist nicht ratsam, darin herum zu klettern, da man annehmen muss, dass in der Tiefe neue Hohlräume ausgewaschen wurden, die unvermittelt einstürzen könnten. Auch von hier aus sucht sich das Wasser seinen Weg durch den zerklüfteten Karst zu den 3,4 Kilometer entfernten Hagmühlen-Quellen. Besonders deutlich wurde diese Tatsache, als der 1973/74 gebaute neue Hemminger Hochbehälter Anfang Juli 1974 probeweise mit 1000 Kubikmeter Wasser gefüllt und danach wieder abgelassen wurde. Am 7.7. 1974 flossen 28 Stunden lang rund 10 l/s in eine Doline mit acht Meter Durchmesser und vier Meter Tiefe. Das sich nach Westen und Südwesten anschließende Dolinenfeld fällt durch flachere Mulden unterschiedlicher Größe auf. Auch diese Vertiefungen gehen

auf

unterirdische

Einstürze

im

Trigonodusdolomit

zurück;

weitere

Karbonatlösungen und damit Verkarstungen lassen in Zukunft erwarten, dass die noch relativ flachen Dolinen zu tieferen Erdfällen einstürzen. Köhle bewies durch seine Versuche, dass die Gebiete Gaichelgraben, Böhnlach, Heimerdinger Wald und nördlicher Döbach dem Einzugsgebiet der Hagmühlenquellen zuzuordnen sind. Diese Gebiete umfassen etwa die Fläche eines Quadratkilometers. Eine unterirdische Wasserscheide des Grundwassers zwischen Glems und Enz konnte Köhle nachweisen, als er unter anderem eine der drei Dolinen östlich des Zeilwaldes für Färbversuche benutzte. Die kleinste dieser Dolinen war die tiefste und hatte am Grund ein Schluckloch. Insgesamt machte er 41 Markierungsversuche an Dolinen, Bachläufen, Brunnen und Trockentälern. Auch der Tiefbrunnen bei der Gärtnerei Ohnewald und der Brunnen der Hagmühle waren in diese Versuchsreihen eingeschlossen. Die Verkarstung des Oberen Muschelkalks im Strohgäu begann vermutlich vor oder nach der Günzeiszeit vor etwa 600 000 Jahren, als auch die ersten Mineralwässer im Neckartal beim heutigen Stuttgart-Bad Cannstatt aufzusteigen begannen. Von da an, so wird angenommen, muss das System dieser Mineralquellen grundsätzlich ähnlich wie heute funktioniert haben.

44

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

Die von Köhle nachgewiesene Wasserscheide zwischen Enz und Neckar verläuft vom Nordwesten unserer Gemarkung in Richtung Schwieberdingen und Markgröningen im Muschelkalk.

Ein neuer Plan der sogenannten „Grundwasser-

höhengleichen“, aus dem das Grundwassergefälle bestimmt werden kann, zeigt nun, dass der Abstrom des Muschelkalk-Karstgrundwassers nach Ost und Nordost zur Glems, zum großen Teil unter dieser hinweg, zur Enz gerichtet ist.

Weil die

Karstgrundwasseroberfläche von den Hagmühlenquellen Glems aufwärts unter der Glems liegt, treten bis Höfingen keine Muschelkalkquellen zutage. In diesem Bereich ohne Quellen wird die Glems vom gesamten Karstgrundwasser Richtung Neckar unterströmt. Einige Fachleute nehmen daher nach wie vor an, dass bei überdurchschnittlich starken Niederschlägen auf unser Gebiet ein Teil der Wassermenge, der in sehr tiefe Muschelkalkschichten absinkt, direkt in das Einzugsgebiet des Neckars gelangen kann. Ältere Landkarten aus der Zeit vor der intensiven Bautätigkeit und Besiedlung des Strohgäus zeigen westlich der Glems so gut wie nur Trockentäler. Diese Karten geben also einen noch weitgehend natürlichen Zustand wieder: ab Leonberg fehlen linke Glemszuflüsse. Anders östlich der Glems, wo eine geschlossene, nach unten abdichtende Keuperbedeckung die Wasserversickerung in den Oberen Muschelkalk weitgehend verhindert. So gesehen war das westliche Strohgäu eine wasserarme und damit siedlungsfeindliche Gäufläche. Die vergleichsweise spärlich fließenden Lettenkeuperquellen waren Grundlage der örtlichen Wasserversorgung, die die Entwicklung der Gemeinde hemmte. Mit der regionalen Strohgäuwasserversorgung ab 1908 erfolgte ein erster Aufschwung, verbunden mit einer Änderung der Siedlungs- und Erwerbsstruktur zur gemischten Wohn-, Industrie- und Landwirtschafts-Siedlung.

Der Zweckverband

Landeswasserversorgung und ab 1958 die Bodenseewasserversorgung schufen die Voraussetzung für das flächenhafte Wachsen der Strohgäugemeinden und für Industrieansiedlungen. Heute aber stellen manche der neueren Landkarten für unser Gebiet die ehemaligen Trockentäler als dauernd Wasser führende Zuflüsse zur Glems

45

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

dar. Dazu schreibt Köhle: „Wäre das Gebiet unbesiedelt, würden diese Täler nur bei Starkregen – wenn überhaupt – eine Wasserführung bis zur Glems besitzen.“ 451 000 m³ „Fremdwasser“ bezog die Gemeinde Hemmingen im Jahr 1990 von der Strohgäu- und Landeswasserversorgung. Gäbe es keine Abwasserkanalisation, so würden diese Mengen, wie in früheren Jahren, als Abwasser in Bachbetten, offenen Gräben und Rohren Richtung Glems fließen.

Wir erleben, wie schnell sich die

Abwassertechnik auswirkt: Das „fremde“ Trinkwasser, das aus unseren Hähnen fließt, verschwindet vor unseren Augen und wird in Rohren zum Klärwerk Talhausen geleitet. Erst dort fließt es geklärt in die Glems. Unsere Bäche und Gräben aber bleiben trocken, es sei denn, Regenwasser und Quellwasser aus dem Lettenkeuper findet noch den Weg durch die alten Täler, ehe es im Karst versickert. So haben wir – aus geologischer Sicht – den „natürlichen“ Gewässerzustand wieder erreicht. Der Umweltbericht 1988 des Landkreises Ludwigsburg enthält ein ausführliches Kapitel über den Gewässerschutz. Darin werden 51 „rechtskräftige Wasserschutzgebiete“ im Kreis ausgewiesen. Zum „Wasserschutzgebiet Schwieberdingen“ gehören auch Teile der Hemminger Gemarkung.

Weitere Teile im Westen der

Gemarkung werden vermutlich künftig in das Wasserschutzgebiet „Strudelbachtal“ einbezogen werden. Im Umweltbericht lesen wir: „Jedes Wasserschutzgebiet besteht aus 3 Zonen: Zone I: Fassungsbereich Besteht in der Regel aus einem Grundstück mit einem Brunnen oder einer Quelle. Zone II: Engere Schutzzone oder 50-Tage-Grenze Vom äußeren Rand dieser Zone braucht das Grundwasser in der Regel 50 Tage, bis es den Brunnen erreicht hat.

Auf diesem Weg sterben mögliche

Krankheitserreger ab. Diese Zone gilt also der hygienischen Reinhaltung des Grundwassers.

46

Exkurs: Dolinen und Verkarstung im Raum Hemmingen-Glemstal ___________________________________________________________________________

Zone III: Weitere Schutzzone Damit wird das Gebiet bezeichnet, das notwendig ist, um den Einzugsbereich eines Brunnens zu schützen.

Je näher man einem Brunnen oder einer Quelle kommt, desto strenger sind die Bestimmungen. Im gesamten Wasserschutzgebiet ist alles untersagt, was die Wasserqualität mindern oder die Quantität verringern würde.

Außerdem gelten im

Wasserschutzgebiet strenge Bewirtschaftungsvorschriften.“ Die Beschreibung der Verkarstung im Oberen Muschelkalk macht nun verständlich, warum z. B. die Flurstücke Böhnlach mit dem Böhnlach-Graben und dem Weihinger Grund, der Gaichel-Graben und Teile des benachbarten Döbachs in den Bereich der „erweiterten Schutzzone III B“ des Wasserschutzgebietes Schwieberdingen aufgenommen wurden.

Jedoch erlaubt der sogenannte „Positivkatalog“

unseren Landwirten z. B. die Lagerung von Silage und Festmist außerhalb der Hofflächen dort, wo der Untere Keuper eine Mächtigkeit von mehr als 10 Metern aufweist oder wo eine lehmige Deckschicht von 2,5 bis 3 Metern mächtig über dem Unteren Keuper oder über dem Muschelkalk liegt. Solche vereinbarten Wasserschutzmaßnahmen sollen dazu beitragen, den natürlichen Wasserkreislauf zu fördern, damit uns und den kommenden Generationen wieder unbelastetes und sauberes Trinkwasser zur Verfügung steht.

47

Exkurs: Das Strohgäu und die Cannstatter Mineralquellen ___________________________________________________________________________

Exkurs: Das Strohgäu und die Cannstatter Mineralquellen Die artesischen Mineral- und Heilquellen der Stadt Stuttgart sind nach Budapest das zweitgrößte Mineralwasservorkommen Europas. Aufsteigende Kohlensäure verstärkt den hydrostatischen Auftrieb des mit Mineralien angereicherten Wassers. Insgesamt schütten Mineralquellen aus 23 Fassungen etwa knapp 500 l/s mit einer Temperatur zwischen 14 und 21°C. Sie machten Bad Cannstatt einst zu einem Kurort und speisen heute die Mineralbäder Leuze und Berg. Die Quellen wurden bereits zu Zeiten der Römer und im Mittelalter genutzt.

Heute speisen sie drei

Mineralbäder. Die Stuttgarter Mineralwasserquellen werden hauptsächlich aus dem südlichen Strohgäu und aus den Bereichen südwestlich bis südöstlich von Stuttgart gespeist. Während in den Verwerfungen des sogenannten Fildergrabens unterirdisch hochmineralisierte und kohlensäurereiche Wässer aus Richtung des Albvorlandes nach Bad Cannstatt fließen, erreicht aus dem südlichen Strohgäu nur schwach mineralisiertes Wasser die Heilquellen. Der

vereinfachte

geologische

Schnitt

„Strudelbach–Glems–Cannstatter

Mineralquellen“ zeigt lediglich das Einzugsgebiet des Strohgäus südlich von Hemmingen. Dagegen gehört das nördliche Strohgäu im Bereich von Hemmingen und Schwieberdingen – einer Mitteilung des Geologischen Landesamts zufolge – „nach derzeitiger Auffassung nicht mehr zum Einzugsgebiet der Bad Cannstatter Mineralquellen“.

Trotzdem wird dieser Bereich der Zone F des Heilquellen-

schutzgebietes zugeordnet. Die Aufgabe dieser Schutzzone soll es sein, zu starke Grundwasserentnahmen aus dem Muschelkalk zu verhindern, die hydraulisch in den Zustrom nach Bad Cannstatt hinein wirken würden. Neueste

Forschungsergebnisse:

Im

Rahmen

eines

langfristigen

Forschungsvorhabens, welches von der Stadt Stuttgart initiiert und koordiniert wurde, wurden in den Jahren 1998 und 1999 zwei kombinierte Markierungsversuche mit

48

Exkurs: Das Strohgäu und die Cannstatter Mineralquellen ___________________________________________________________________________

insgesamt sechs Tracer-Eingaben durchgeführt.

Dadurch sollte zum einen der

Karstgrundwasserleiter des Oberen Muschelkalks hydraulisch charakterisiert werden, zum anderen sollten die Mechanismen des Schadstofftransports im Zustrombereich der Mineralquellen simuliert werden.

Die Fluoreszenzfarbstoffe Natrium-Naphthionat,

Eosin und Pyranin, sowie fluoreszierende Mikrokügelchen und Bärlappsporen wurden als Markierungsstoffe verwendet.

Die Ergebnisse der Markierungsversuche sind

sowohl für eine Abschätzung des Gefährdungspotentials, als auch für die Erarbeitung von Schutzkonzepten relevant. W. Ufrecht et al. (1998) haben 1989–1994 mit modernen Untersuchungsmethoden den Gesamtkomplex „Stuttgarter Mineralwasser + Einzugsgebiet“ in einem interdisziplinären Forschungsprojekt untersucht.

Dabei wurde neben klassischen

Markierungsmethoden auch die Isotopenmarkierung herangezogen. Zusammenfassung: Die detaillierten Untersuchungen von W. Ufrecht et al. (1998) haben Folgendes gezeigt: • Die Stuttgarter Mineralquellen sind Teil eines regionalen Systems im offenen und bedeckten Karst1 des Oberen Muschelkalks. • Das Hauptneubildungsgebiet des Mineralwassers liegt im Bereich Gärtringen– Sindelfingen–Malmsheim. • Ein nordwestlicher Zustrom (Zustrom aus dem nördlichen Strohgäu) auf die niederkonzentrierten Mineralquellen wird in Frage gestellt. • Die Mineralisierung der hochkonzentrierten Quellen wird durch aufsteigende Sole an Störungszonen im Cannstatter Becken erklärt. Die Sole stammt vor allem aus dem Mittleren Muschelkalk.

1

Offener Karst: Nackter Karst (ohne darüber lagernde Verwitterungsdecke. Bedeckter Karst: Das verkarstungsfähige (lösungsfähige) Gestein ist von eigenen Verwitterungslehmen oder –tonen bzw. Kolluvium (angeschwemmtes Verwitterungsmaterial) überdeckt. Auf diesen Lockersedimenten bilden sich Böden, die eine Vegetationsdecke zulassen. 49

Exkurs: Das Strohgäu und die Cannstatter Mineralquellen ___________________________________________________________________________

• Das Mineralwasser enthält alte Tritium (3H)-freie und junge Mineralwasserkomponenten. • Die Verweilzeit der jungen Mineralwasserkomponente im Neubildungsgebiet beträgt 8–10 Monate. Dies entspräche bei einer Laufstrecke von ca. 24 km (= Gärtringen–Bad Cannstatt) rund 3,7 m/Tag oder 0,15 m/h) • Die

Verweilzeit

des

3

H-markierten

Anteils

im

hochkonzentrierten

Mineralwasser beträgt 15–20 Jahre.

Die Abstrom-Mengen und Grundwasserneubildungsraten des Untersuchungsgebietes konnten im Forschungsprojekt mit Hilfe mathematischer Modellierung genauer abgeschätzt werden. Demnach liegt der Mittelwert dieser Daten bei folgenden Werten (ausgewählte Daten aus dem Datensatz):

Schüttung Mineralquellen

497 l/s

Abstrom in die Enz

812 l/s

Abstrom in den Neckar (Abschnitt Stuttgart–Enzmündung)

604 l/s

Abstrom in den Rankbach

56 l/s

Abstrom in den Strudelbach

290 l/s

Abstrom in die Glems

218 l/s

Grundwasserneubildungsrate (Quellschüttung 500–600 l/s)

Oberer Muschelkalk (mo) Unterkeuper (ku) Gipskeuper (Mittlerer Keuper) (km1)

8–10 l/s km² 6–7 l/s km² 1–2 l/s km²

Geologie des Einzugsgebiets der Mineral- und Heilquellen Im Einzugsgebiet der Mineral- und Heilquellen ist der NW-SE streichende Fildergraben das die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse bestimmende 50

Exkurs: Das Strohgäu und die Cannstatter Mineralquellen ___________________________________________________________________________

Element.

Mehrere gleichsinnig streichende Begleitstörungen gliedern das Bruch-

system in eine Hoch-, Mittel- und Tiefscholle, die staffelbruchartig jeweils um ca. 50 bis 100 m nach Osten abgesetzt sind.

Auf der westlichen Hochscholle sind die

Schichten bis auf den Unterkeuper und den Oberen Muschelkalk (Oberes Gäu), örtlich sogar bis auf den Mittleren und Unteren Muschelkalk abgetragen.

In nördlicher

Richtung weitet sich der schmale Muschelkalkausstrich zur stark zergliederten flachwelligen Muschelkalk-Hochfläche des Neckarbeckens (Strohgäu, Langes Feld). Auf der Mittelscholle stehen in tektonischer Tieflage die Schichten bis zum höheren Mittelkeuper (Keuperbergland), auf der Tiefscholle sogar bis zum Unterjura (Filderfläche) an. Die Keuperstufe ist dort weit nach Norden vorgelagert. Im nach Süden folgenden Albvorland reicht die Schichtenfolge bis zum Oberjura. Der 80 m mächtige Obere Muschelkalk besteht aus einer Abfolge von mikritischen Blaukalken und bioklastischen Schalentrümmerbänken, denen Tonsteine und

Tonmergelsteine

zwischengeschaltet sind.

(sog.

Tonhorizonte

und

Hassmersheimer

Schichten)

Der oberste Bereich des Muschelkalks wird vom

Trigonodusdolomit gebildet, der aus kavernösem Dolomitstein sowie aus massigen und grobkristallinen Dolomitlagen aufgebaut ist. Er erlangt im Stuttgarter Talkessel eine Mächtigkeit von 10 bis 12 m. Die geklüfteten Kalk- und Dolomitsteine des Muschelkalks sind abhängig vom Verkarstungsgrad als Karstgrundwasserleiter bzw. als Kluftgrundwasserleiter charakterisierbar. Aquifer-Geometrie und -eigenschaften sind von der Exposition des Muschelkalks und damit von der Schichtlagerung sowie vom fluss- und landschaftsgeschichtlichen Entwicklungsstand abhängig.

Geologie des Quellaufstiegsgebiets Der Neckar hat sich am Ostrand des Fildergrabens im Laufe des Pleistozäns tief in die Festgesteine des Keupers eingeschnitten. Im Gipskeuper wurde in Höhe von Bad Cannstatt eine bis 1,5 km breite Talniederung erodiert, die als Cannstatter Becken bezeichnet wird und das Aufstiegsgebiet der Bad Cannstatter und Berger Mineralquellen darstellt. Zahlreiche Störungen, die das Cannstatter Becken in W-ERichtung durchziehen und spitzwinkelig auf die Fildergraben-Randverwerfung 51

Exkurs: Das Strohgäu und die Cannstatter Mineralquellen ___________________________________________________________________________

(Cannstatter Brüche) zulaufen, versetzen die Festgesteine unter der quartären Talfüllung. Im horstartigen Zentralbereich hat sich der Neckar bis auf den basalen Gipskeuper und auf den Unterkeuper eingetieft. Nach Norden und Süden stehen die Schichten des Gipskeupers bis zum Mittleren Gipshorizont an. Somit schwankt die Überdeckung des Oberen Muschelkalks als eigentlichem Mineralwasserträger auf engem Raum zwischen 20 und mehr als 70 m. Mit zunehmender Mächtigkeit ist der Gipskeuper noch gipsführend und bildet ein dichtes, den Mineralwasser-Aquifer abschirmendes Gebirge. Dagegen konzentrieren sich die natürlichen Mineralwasseraufbrüche im Neckarkies und Neckar auf die Horststruktur, die nicht oder nur noch geringfügig von Gipskeuper bedeckt wird und damit für das aufsteigende Wasser keinen „Widerstand“ darstellt.

Regionale Grundwasserströmung im Oberen Muschelkalk Die Stuttgarter Mineralquellen sind Bestandteil eines regionalen Fließsystems im Karst-Aquifer des Oberen und Mittleren Muschelkalks.

Die regionale

Grundwasserströmung

Ausstrich

im

Oberen

Muschelkalk

erfolgt

vom

des

Muschelkalks in den Gäulandschaften zu den Vorflutern im Norden (Enz, Neckar), Osten (Neckar bei Stuttgart) und Südosten (Ammer, oberer Neckar bei Rottenburg). Das Hauptneubildungsgebiet für die Stuttgarter Mineralquellen konzentriert sich auf das Obere Gäu um Sindelfingen, ca. 20 km WSW Stuttgart.

Der dargestellte

Grundwassergleichenplan gibt nur ein grobes Bild der Strömungsverhältnisse. Detailliertere Betrachtungen der Grundwasserströmung im Muschelkalk sind mit Hilfe eines mathematischen Strömungsmodells möglich, das zwischen 1993 und 1998 von Jochen Plümacher aufgebaut wurde. Unter Berücksichtigung der Höhe der jeweiligen Zuflussrate, also des Wasservolumens pro Zeit, das den Mineralquellen aus den verschiedenen Richtungen zuströmt und der jeweiligen Fließgeschwindigkeit des Grundwassers lassen sich Gebiete mit großem Grundwasserumsatz von Gebieten mit kleinem Grundwasserumsatz abgrenzen. So ist im Betrachtungsraum der westliche Zustrom mit einem Anteil an der Quellschüttung von mehreren 100 l/s von einem südlichen Zustrom mit nur einigen wenigen Litern zu unterscheiden. Mit Hilfe des 52

Exkurs: Das Strohgäu und die Cannstatter Mineralquellen ___________________________________________________________________________

mathematischen Grundwasserströmungsmodells wurde die Fläche ermittelt, aus der 95% des in den Mineralquellen austretenden Wassers zuströmen.

Diese Fläche

erstreckt sich vom Aufstiegsgebiet der Quellen nach Westen in Richtung BöblingenSindelfingen-Renningen. Der geringe hydraulische Gradient im Fildergraben, der sich nach Süden bis ins Albvorland hinein als markante Depression fortsetzt, wird mit einem geringen Gesamtdurchfluss erklärt. Er ist nach den bestehenden Erkenntnissen für das Stuttgarter Mineralwasser nicht System bestimmend. Die 95 %-Fläche ist Grundlage für die Außengrenze des Quellenschutzgebiets. (Quelle: nach www.stuttgart.de/sde/publ/gen/1534.htm)

53

Ausstrich Oberer Muschelkalk Grundwassergleichen im Muschelkalk Einzugsgebiet für 95% der Schüttung Quellgebiet Bad Cannstatt und Berg

Grundwasserhöhengleichen im Muschelkalk und Einzugsgebiet des Stuttgarter Mineralwassers. (Quelle: Ufrecht, W.; aus :www.stuttgart.de/sde/publ/gen/1534.htm).

Herkunft der Cannstatter Mineralwässer. (Quelle: K. D. Adam, 1983; nach: Erläuterungen zur Geologischen Karte von Stuttgart und Umgebung 1:50 000, Freiburg i. Br. 1959).

Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz Von der Nippenburg sind es noch 2 km bis Schwieberdingen. Dort wird das Tal wieder flacher und weiter. Der Grund hierfür ist, dass bei Schwieberdingen die nördliche Randverwerfung des Fildergrabens1 (Ausläufer der „Cannstatter Brüche“ über den Kallenberg und das Mündungsgebiet des Münchinger Tales) das Glemstal kreuzt und eine Wasserstauung bewirkt. Dadurch mäandriert die Glems in einem breiteren Tal. Am Ortsrand von Schwieberdingen endet das Landschaftsschutzgebiet „Mittleres Glemstal“. Die Glems bot die Möglichkeit, die Wasserkraft zum Antrieb von Mühlen zu nutzen. In dem sonst keine nennenswerten Wasserläufe aufweisenden Gebiet reiht sich deshalb im Glemstal eine Mühle an die andere – überwiegend Getreidemühlen, teils jedoch auch Ölmühlen. Sägemühlen sind in dem waldarmen Gebiet hingegen eine Ausnahme (z.B. im Glemstal unterhalb der Nippenburg). Die Mühlen liegen vorzugsweise dort, wo ein Trockental den Abstieg ins Glemstal ermöglicht, denn sonst wäre es schwierig gewesen, das Korn zur Mühle hin und das Mehl von dort wegzuschaffen.

Teilweise sind die Mühlen – nach Umstellung auf elektrischen

Antrieb und entsprechender Modernisierung – bis heute in Betrieb. Aufgrund des Querprofils des Glemstales, gekennzeichnet durch relativ steile Hänge, die durch einen Knick vom ebenen Talboden abgesetzt sind, kann man hier von einem Kastental sprechen. Diese Talform, die weite Verbreitung von – allerdings relativ kurzen – Trockentälern und das Vorkommen einzelner Dolinen (z. B. ND Katzenloch2 südlich von Schwieberdingen, R 35 0600, H 54 13700, weitere Dolinen 1

2

In der Tertiärzeit wurden zugleich mit der Heraushebung der südwestdeutschen Landschaft deren Gesteinsschichten nach SO gekippt. Zwischen Schurwald einerseits und Glemswald /Schönbuch andererseits sank in geologisch längeren Zeiträumen die Unterjura-Platte der Filder um etwa 100 in die Tiefe. In diesem (mit zahlreichen Verwerfungen durchzogenen „Fildergraben“ war die Filder von stärkerer Abtragung besser geschützt als die Umgebung. Das Katzenloch ist vom Münchinger Tal aus zugänglich (Lage Ostseite des „Golfplatzes Schloss Nippenburg“). Die Doline ist durch Lehmabdichtung wassergefüllt und von einer Baumgruppe teilweise verdeckt. 54

Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

westlich von Hirschlanden im Gewann „Strohlöcher) sind Indizien dafür, dass hier die Schichten des Muschelkalks den Gesteinsuntergrund bilden. Es handelt sich hier um den Oberen Muschelkalk, der teilweise von einer bis zu 20 m mächtigen Schicht des Unteren Keupers (Lettenkohle oder Lettenkeuper) bedeckt wird. Der ursprünglich darüber lagernde Gipskeuper ist weitgehend vom Wasser gelöst und weggeführt worden. Da ein großer Teil des Niederschlagswassers versickert, ist die Zahl der Bäche und Flüsschen im Strohgäu jedoch gering. Dass dennoch auch hier an der Oberfläche abfließendes Wasser die Landschaft gestaltet hat, zeigen die zahlreichen Trockentäler, von denen etliche sogar einen eigenen Namen tragen. Im Münchinger Tal (Räuschelbachtal) SE Schwieberdingen versickert der Räuschelbach3 NW des Hühnerberges in einem eindrucksvollen Ponor (Schluckloch oder Bachschwinde) gleich nach der kleinen Steinbrücke über den Bach.

Es ist

anzunehmen, dass dieses Wasser unterirdisch in Richtung untere Enz abfließt. Das ab der Versickerungsstelle trocken gefallene Räuschelbachtal verläuft bis zur Mündung in die Glems bei Schwieberdingen die meiste Zeit des Jahres wasserlos. Aber auch schon der am nördlichen Ortsbereich von Münchingen in den Räuschelbach mündende Aischbach hat einen Versickerungsbereich. Herr Gölzer schreibt hierzu nach einer Feldbegehung am 3.12.2006: „Tatsächlich war heute der Aischbach an seiner Mündung in den Räuschelbach komplett trocken. An der B10 hat er immerhin noch genug Wasser für einen kleinen Wasserfall. Dazwischen wird das Wasser immer weniger, aber eher kontinuierlich über einige Dutzend Meter.

Mein GPS-Gerät zeigte als Koordinaten der

Versickerung: R35 07050, H54 13781 (bzw. N48°51.685, E9°05.703). Die Besitzerin des am Bach angrenzenden Gartens steht am Bachufer und erzählt gerade meiner Frau, dass der Aischbach in manchen Jahren sogar noch früher versickere und gar nicht bis an dieses Grundstück komme. In anderen Jahren fließe er allerdings auch noch deutlich weiter.“

3

Der Name dieses Baches ist auf der TK 25 nicht verzeichnet. 55

Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

NO davon, nur 150 m entfernt, liegt ebenfalls im Münchinger Tal der Aufschluss „Bocksländer“ (TK 25, Nummer 7120, R 35 06200, H 54 14350), eine ehemalige und weitgehend verfallenen Gesteinsabbaustelle.

Das mehrere Meter

mächtige, von unten etwas schwer zugängliche Wandprofil zeigt den Grenzbereich Nodosus-Schichten (mo2)/Trigonodus-Dolomit (mo3δ) mit stellenweise reicher Fossilführung. Eine Klufthöhle ist an der Wandbasis gut zu erkennen. Der unter Geologen wegen seiner reichhaltigen Fossilien bekannte Aufschluss zeigt hier einen gut gliederbaren Bereich der dolomitischen Region. Die zur Glems hin abfallenden Trockentäler ermöglichen einen bequemen Abstieg zum Fluss, da im Bereich der Einmündung das Kastental unterbrochen ist. Wo von bei den Seiten ein Trockental zur Glems hinführt, bietet sich eine Querung des Glemstales an. Die Straße von Münchingen nach Schöckingen benutzt seit alters her eine derartige von der Natur vorgezeichnete Leitlinie – möglicherweise spielte dieser Übergang schon zu römischer Zeit eine Rolle – auf jeden Fall deutet der Name des Mauerhofes, der an dieser Verkehrslinie liegt, auf früher hier gefundene Überreste aus römischer Zeit hin. Eine wichtige seit fast zwei Jahrtausenden genutzte Verkehrslinie quert das Glemstal etwas weiter nördlich bei Schwieberdingen. Die heutige Bundesstraße 10 folgt zwischen Zuffenhausen und Vaihingen in großen Zügen und teilweise wohl auch im genauen Verlauf einer alten Römerstraße, die sich bis nach Noviomagus (Speyer) verfolgen lässt.

Mit dem 37,80 m hohen Glemstalviadukt (erbaut 1960–1962)

überbrückt die B 10 heute am nördlichen Ortsrand von Schwieberdingen mit einer Spannweite von 280 m das Glemstal. Auch im Mittelalter und in späteren Jahrhunderten verlief hier einer der wichtigsten Verkehrswege zwischen dem Neckarland und dem nördlichen Oberrhein. Einige hochliegende Hangmulden flussabwärts von Schwieberdingen sind nach W. Kranz (1943) „geköpfte“ Reste von alten Nebentälchen aus der ersten Zeit nach der von Norden her erfolgten pleistozän-zeitlichen Anzapfung des W–O-Haupttales der Glems bei Ditzingen. Diese Mulden wurden dann noch an ihren Mündungen im

56

Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

Glemstal zum Teil schluchtförmig untertieft.

Besonders deutlich ist dies an der

Lehmmulde W oberhalb und im „Froschgraben“ O unterhalb Punkt 290,8 NW Schwieberdingen (N der Straße zum Schönbühlhof, bei der Erddeponie). Etwa 2 km nördlich der alten Glems-Brücke in Schwieberdingen erscheint versteckt rechts im Hangwald der Felsenberg. Nach einem weiteren Kilometer folgt ebenfalls auf der rechten Talseite der Knollenberg mit einem stellenweise ebenso mächtigen Felsenkranz. Dieses Gebiet erfuhr eine junge tektonische Aufwölbung von etwa 20 m gegenüber der Umgebung, was zu dem kräftigen Taleinschnitt führte. Felswand am Felsenberg (Gemeinde Schwieberdingen): Eine etwa 80 m lange und 15 m hohe kompakte Felswand (Oberer Muschelkalk) zeigt sich rechtsseitig der Glems kurz unterhalb der am linken Ufer gelegenen Neumühle. Es ist eine der herausragenden Prallstellen der Glems. Nur schwer ist die stark verwitterte Felswand vom Talweg über verfallene und wiederbewaldete Weinbergterrassen zu erreichen. Wegen überhängender Felswand besteht extreme Lebensgefahr wegen möglichen Steinschlags und Hangrutschung. Ein schmaler und recht beschwerlicher Steig führt steil hoch – vorbei an einem bewohnten Dachsbau – zum Eingang der Felsenberghöhle am Fuß der Felswand. „Hinter dem 2 x 2 m großen Haupteingang wird der Durchgang zum Höhlenraum durch eine aufgeschichtete Steinmauer etwas verengt, so dass eine „Türöffnung“ entsteht. Die folgende Kammer ist wahrscheinlich künstlich erweitert worden, damit sie den früher in der Umgebung tätigen Weingärtnern als Schutz- und Lagerraum dienen konnte. Der Boden ist von Versturz bedeckt. In der abgetreppten Decke führt ein markanter, 2,5 m langer und 0,2 m breiter Spalt nach oben. In der Kammer öffnet sich rechts ein fensterartiger Nebeneingang. Nach 7 m verengt sich die Höhle in Hauptrichtung zu einer 2030 cm hohen Schichtfuge und endet nach weiteren 3 m.“ (Quelle: P. Mose/Th. Rathgeber – frdl. überlassene unveröffentlichte Unterlagen im "Höhlenkataster Südwestdeutschland") Die Hohlform dürfte tektonischen Ursprungs sein, da das Gebiet durch nachgewiesene horizontale Harnische in einem horizontalen Zerrungsgebiet liegt. Um den Winterschlaf der Fledermäuse nicht zu stören, darf die Höhle vom 1. Okt. bis 31. März nicht betreten werden (BNatSchG, § 39, Abs. 6).

Von der oberen Hangkante ist die Felswand durch Schlehengebüsch versperrt. Auf Felsbändern wächst eine xerophile Flora (u. a. Sonnenröschen, Mauerpfefferarten).

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Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

Siegfriedsfelsen am Glems-Prallhang des Knollenbergs (Geotop, ND), (Markgröningen, Kreis LB), (7120 R 35 04 750 / H 5417 320) Der im Sonnenlicht weißgleißende Siegfriedsfelsen am Felsenberg ist eine aus oberen Nodosus-Schichten (Obere Hauptmuschelkalk-Formation, mo2) bestehende, über 10 m hohe Felswand (Prallsteilwand) am Knollenberg. Vom Tal aus ist diese Felskulisse wegen der starken Bewaldung des Abhangs kaum sichtbar und schwer zugänglich. Er bildet etwa 2.000 m nordnordwestlich von Schwieberdingen auf nahezu 100 m Länge den oberen rechten Talhang (Prallhang) der Glems. Von hier oben genießt man eine schöne Aussicht in das Glemstal und die umliegenden Löss bedeckten Ackerlandschaften des Strohgäus. (GK 25: 7120 Stuttgart-Nordwest) Nachdem man die über das Glemstal weitgespannte ICE-Brücke (= Schnellbahntrasse Stuttgart–Mannheim, Fertigstellung Juni 1991, Spannweite 348 m) hinter sich gelassen hat, erreicht man auf dem rechtsseitigen mit Bäumen begleiteten Talweg – den beschilderten Teich des NABU-Markgröningen links lassend – den alten „Zimmermannschen Steinbruch“ auf Markgröninger Gemarkung: Ehemaliger (Zimmermannscher) Muschelkalk-Steinbruch (Markgröningen): Lage etwa 2½ km nördlich von Schwieberdingen am rechten Glemsufer bei der Oberen Mühle (links mündet das Trockental der Aichholzer Klinge in das Glemstal). Die drei terrassenförmig übereinander folgenden Abbauwände erschließen Oberen Hauptmuschelkalk (mo). Der linke Teil des Geländes ist als Deponie verfüllt (Zugang wegen Biotopschutzmaßnahmen mit Gitter versperrt). Unterhalb von Schwieberdingen tieft sich die Glems als Kerbsohlental noch weiter in den Oberen Muschelkalk ein. Der Talquerschnitt ist oft bis auf eine schmale Talsohle V-förmig. Dies bedeutet, dass starke Tiefenerosion – verbunden mit starker Hangabtragung – in der Eiszeit stattgefunden hat. Die ebene Talsohle rührt von nacheiszeitlicher Auffüllung mit Auelehm her, wohl durch flächenhafte Erosion der ackerbaulich genutzten Felder der Hochfläche seit der Jungsteinzeit hervorgerufen. Ab Talhausen wird von der Glems im Talgrund der Trochitenkalk (mo1) angeschnitten, während die oberen Talschultern schon durch den Lettenkeuper (Unterkeuper) (ku) geprägt sind.

Die Eintiefung des Glemstales beträgt bei

Markgröningen stattliche 65 m , während sie bei Schwieberdingen nur 35 m aufweist. Der Grund hierfür ist, dass die untere Glems bei der Papiermühle den jungen

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Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

tektonischen Leudelsbach-Sattel durchqueren muss. Die Tal-Engstelle dort zeigt an, wo diese Aufwölbung von etwa 10 m, die sich vom Aichholzhof zum Rotenacker Wald hinzieht, das Glemstal quert. Die Strömung der Glems ist hier mit 6‰ sehr stark. Auf nur 5 km werden 30 m Höhenunterschied überwunden. Vier Mühlen, eine Papiermühle und eine Hammerschmiede nutzten einst auf Markgröninger Markung diese Wasserkraft. Das Bachbett wird durch Auskolkung (Strudellöcher), die Ufer durch Unterspülung stark beansprucht und bedürfen ständiger Ausbesserung und Pflege. Bei

der

Spitalmühle

und

dem

Lettenbödle/Schlüsselberg

(beide

im

Markgröninger Glemstalabschnitt) begegnet man rechtsseitig erstmals den Resten des heutigen Weinbaus im Glemstal. Hier lag einst hoch über dem Glemstal die ehemalige Schlüsselburg (1380 urkundlich erwähnt, abgegangen vor 1535). Sage von der unglücklichen Liebe der Brunhilde von Schlüsselburg: Am Fuße der Burg, in Hausen im Tal, befand sich das Gut der Freiin Anna von Klingenberg. Diese betrieb Schafzucht, und eines Tages verdingte sich zu ihr ein fremder, überaus schöner Jüngling als Schäfer. Sein ritterliches Auftreten und Benehmen fielen allgemein auf. Als diese Kunde zu den Ohren des Burgfräuleins Brunhilde drang, erwachte in ihr das Verlangen, den Schäfer zu sehen. Auf dem Wege nach Hausen im Tal vernahm sie am Rande des Eichwaldes, am Fuße der Schlüsselburg, helle Flötentöne.

Aus dem Wald

austretend, erblickte sie den Jüngling, der sich an einer alten Eiche anlehnte und auf der Flöte spielte. Als der Jüngling das Burgfräulein erblickte, verneigte er sich und grüßte ritterlich. Dankend erwiderte Brunhilde den Gruß, sprach auch einige Worte mit dem Schäfer und ging des Weges weiter. Das Bild des blondgelockten, blauäugigen Jünglings begleitete sie auf allen Wegen. Noch oftmals trafen sich die beiden und ihre Herzen fanden zueinander. Brunhilde wies von nun an alle edlen Bewerber um ihre Hand ab, kein Mensch wusste warum. Eines Tages aber befahl ihr der Vater, dass sie nunmehr einem der hochedlen Werber die

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Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

Hand zum Bunde des Lebens reichen müsse. Brunhilde gehorchte, obwohl ihr Herz insgeheim einem anderen gehörte. Ihre Sehnsucht trieb sie eines Tages hinaus zu dem blond lockigen Schäfer, den sie nicht vergessen konnte. Aber ein fremder Schäfer weidete mit seiner Herde am Abhang des Berges.

Sie

erkundigte sich vorsichtig nach dem blauäugigen Jüngling und erfuhr zu ihrem nicht geringen Schrecken, dass dieser erst vor wenigen Tagen an gebrochenem Herzen zu Grabe getragen worden sei. Tödlich getroffen schritt Brunhilde schluchzend weiter. Sie wollte bei der Freiin von Klingenberg Trost suchen. An der Glems verließen sie ihre Kräfte, sie brach ohnmächtig zusammen, und ihr Körper rollte in das an dieser Stelle ziemlich tiefe Flüsschen. Als Conrad von Schlüsselburg die Kunde vom unglücklichen Ende seiner Tochter vernahm, ließ er den Liebenden zum dauernden Gedenken unweit des heute noch stehenden oberen Tores von Gröningen auf einer kleinen Anhöhe, eine Wallfahrt-Kapelle zu St. Johannes erstellen. Über den Altar ließ er die Inschrift „Altare St. Johannis in castro nostro“ und seitlich das Bild Brunhildes und die Flöte und den Stab des Hirten anbringen. Die Kapelle selbst wurde in den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges zerstört, und nur noch der Flurname „St. Johannser“ erinnert an das alte Heiligtum. In Talhausen befindet sich der von der Hochwasservorhersagezentrale BadenWürttemberg (HVZ, Sitz: Besigheim) kontrollierte Pegel der Glems, welcher seit Kurzem automatisch die täglichen Wasserstände per Funk an den Rechner in der Universität Karlsruhe weitergibt.

An Hand der gefallenen Niederschläge im

Einzugsgebiet der Glems werden die Wasserstände in einer 7-Tage-Vorhersage modellhaft berechnet und graphisch aufbereitet. abrufbar

Diese Graphik ist im Internet

(www.hvz.baden-wuerttemberg.de/neckar.shtml).

Anlässlich

des

am

23./24.10.2006 gefallenen Niederschlages im Einzugsgebiet konnte von mir ermittelt werden, dass die „Halbwertszeit“ des Flusspegel-Maximums der Glems nur 6 h beträgt, in dieser Zeit der Pegelstand also auf die Hälfte gefallen war. Im Vergleich

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Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

dazu betrug für das gleiche Datum bei der Enz (Pegel Vaihingen/Enz) die Halbwertszeit 27 h. Dies bedeutet, dass der Abfluss der Glems 3½ mal schneller stattfindet als bei der Enz, deren Einzugsgebiet überwiegend im Schwarzwald liegt. Der Grund für diese dramatische Situation bei der Glems liegt in der größeren Versieglung der offenen Strohgäu-Landschaft durch Zersiedlung, Überbauung aber auch Bodenverdichtung der schweren Lehmböden durch schwere landwirtschaftliche Maschinen. Unterhalb Talhausen erreicht die Glems das 1979 in Betrieb genommene Gruppenklärwerk, das von den Gemeinden Münchingen, Hemmingen, EberdingenHochdorf, Schwieberdingen und Markgröningen gemeinsam betrieben wird. An den Reben tragenden Steilhängen der Talhauser Berge („Sonnenberg“ und am „Oberen Wannenberg“), den ehemals besten Markgröninger Weinlagen mit ihrer kunstvollen, einem

griechischen

Amphitheater

gleichenden

Terrassenlandschaft

sind

die

Weinbauflächen in den letzten Jahren immer kleiner geworden. Dennoch mildert der Anblick dieser eindrucksvollen Rebenlandschaft die unschöne Erscheinung der im Tal liegenden Kläranlage. Mit Klärwasser angereichert fließt die Glems auf ihren letzten Kilometern weiter nach Norden. Auf stillen Wiesen- und Waldwegen geht es durch das verkehrsfeindliche Tal. Linker Hand stößt die Remser Klinge, auf einer Karte von 1751 Inssenkling genannt, vom Frauenweg (östlich vom Muckenschupf) ins Glemstal hinab. Hier ist einer der Lebensräume des selten gewordenen Feuersalamanders. Der Kühle Brunnen zwischen Hart und St. Johännser und die Hintere Steige sind weitere Beispiele. Solche Klingen beginnen mit einer flachen Mulde, auf der mit Lösslehm bedeckten Gäufläche und versteilen sich stark, nachdem sie die Talkante erreicht haben. An den Schattenhängen des Glemstals findet man den feuchtigkeits-liebenden, strauchreichen „Kleebwald“, hier „Hälden“ genannt.

In der Krautschicht sind

Aronstab, Lungenkraut und Maiglöckchen typische Pflanzen. Die sonnenseitigen Hänge tragen mageren Trockenrasen mit den Pflanzen der „Steppenheide“, wie Silberdistel, Küchenschelle, Deutscher Enzian, Fransen-Enzian 61

Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

und verschiedene Orchideen. Da heute eine Beweidung fehlt, drohen diese Hänge zuzuwachsen, und sie müssen in Handarbeit durch den Menschen offengehalten werden. Aufgelassene Weinberge sind trotz Verbuschung und Baumbewuchs durch ihre teilweise erhaltenen Trockenmauern und Terrassen noch zu erkennen und bezeugen einen früher sehr viel ausgedehnteren Weinbau im Glemstal. Die beiden letzten Bergrücken am Ende des Glemstales sind zur Rechten der Hohberg und zur Linken der Hummelsberg (Hummel = Stierweide). Dieses letztere Gewann besitzt an seinem oberen Talhang deutlich herausgebildete alte Ackerterrassen (Terrassenäcker im Unholdrain), die durch einen Stufenrain deutlich vom nächsten hangabwärts gelegenen Feld abgesetzt sind. In geschützter Hanglage hatte sich hier durch vorherrschende Westwinde im Windschatten der landwirtschaftlich günstige eiszeitliche Löss abgelagert, der zum Ackerbau verleitete. Die hangparallelen Ackerterrassen entstanden „von selbst“ seit Verwendung des Pfluges als Folge kontinuierlicher Bodenbearbeitung beim hangparallelen Pflügen und dürften bis in die Anfänge der Pflugkultur zurück reichen. Bekannt ist, dass die Kelten schon den verbesserten, vom Rind gezogenen Eisenpflug benutzten. Die Ackerraine sind mit Büschen bestanden, so dass die Terrassen am besten im Luftbild gut zu erkennen sind. Weitere Ackerterrassen finden sich am Osthang des Schwengenkessels (SW Talhausen).

Diese sind vom steilen Talweg von der Schlüsselburg abwärts nach

Talhausen gut zu erkennen. Über den Bildungsprozess solcher Ackerterrassen geben das „Lexikon der Geowissenschaften“ (Berlin 2000) und das „Lexikon der Geographie“ (2. A., Braunschweig 1972) genauere Auskunft:

Die am Hang in flächenhafter

Erosion durch Regen oder Auftauen des Bodens im Frühjahr abgespülten feinerdigen Bodenbestandteile werden hangabwärts an Höhenlinien parallelen Nutzungsgrenzen (nicht bewirtschafteter Grasrain) abgelagert.

Allmählich

entsteht eine schwache Geländestufe, die meist mit Gras bewachsen ist. Unmittelbar oberhalb der Geländestufe bildet sich ein schwach konkaver

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Von der Nippenburg bis zur Mündung in die Enz ___________________________________________________________________________

Hangabschnitt, wodurch die Ablagerung oberhalb am Hang erodierter Bodenbestandteile dort verstärkt wird. Über Jahrzehnte können sich mehrere Dezimeter bis wenige Meter hohe Stufen herausbilden.

Zur Stabilisierung

wurden höhere Ackerrandstufen mit Steinmauern befestigt. Auch annähernd Höhenlinien parallele, d. h. etwa senkrecht zum Gefälle ausgeführte Bodenbearbeitung kann die Bildung von Ackerterrassen wesentlich bestimmen, in einigen Fällen auch allein bewirken.

So werden über viele Jahrzehnte

Bodenbestandteile an der Hangseite fort gepflügt (hier entsteht ein konvexer Hangknick) und schließlich am unteren Ende der Nutzungseinheit (hier entsteht eine Stufe) abgelagert. Heute unter Gras liegende ehemalige Ackerterrassen (z. B. in der Aichholzer Klinge) geben Zeugnis von der einst größeren Ausdehnung des Ackerlandes.

Die Glems durchfließt schließlich Unterriexingen und mündet ca. 200 m nach der Ortsbebauung bei 188,4 m ü. NN in die Enz. Über das Mündungsgebiet der Glems schreibt Georg Wagner (1929, S. 205): „An der Mündung der Glems weisen Gefälle und Formen auf tektonischen Einfluss hin.

Die Schichten fallen nach Norden bzw. Nordosten.

Deshalb hat die Enz

zwischen Glems und Leudelsbach nur 0,7% Gefälle, weniger als talauf und talab. An der Glemsmündung ist die Talaue besonders breit; Wiesenmäander treten auf und legen sich in die große Talschlinge. Die Mündung der Glems wird sogar noch etwas mitgezogen.“

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Bachschwinde des Räuschelbaches im Münchinger Tal. Links: Bachschwinde am Punkt 275,6; rechts: trocken gefallener Räuschelbach kurz unterhalb der Bachschwinde. (Foto: Johannes Wagner, Oktober 2006).

Am Felsenberg nördlich von Schwieberdingen finden sich eine der wenigen natürlichen Felsstandorte im Glemstal. Sie verdanken ihre Entstehung junger Hebung und schneller Tiefenerosion der Glems. Überhängende Felspartie mit Felsnische („Balme“). Die mechanischen Verwitterungsprodukte sammeln sich unterhalb der Felswand als Schutthalde. (Foto: Johannes Wagner, April 2007).

Klinge am Steilhang des Nippenburger Waldes. Der Obere Muschelkalk ist hier angeschnitten. (Foto: Johannes Wagner, April 2007).

Eingang zu einer Felsenhohlform im Felsenberg. (Foto: Günter Zerweck/Münchingen, 21.3.2012; aus: www.glemstal.info.).

Inneres der Hohlform im Felsenberg (Schwieberdingen). An der Sohle der Hohlform sind Schuttsedimente, eingeschwemmtes Material und Lösungsrückstände (Lehm) zu erkennen. (Quelle: www.abg-schwieberdingen.de/app/.../ABG_Naturschutzgebiete.pdf; Foto: Breuer).

Höhlenplan der Felsenberghöhle. (Quelle: P. Mose/Th. Rathgeber – frdl. überlassene unveröffentlichte Unterlagen im "Höhlenkataster Südwestdeutschland").

Wo zwischen den Kalkschichten einer Muschelkalkwand eine wasserundurchlässige Tonschicht liegt, kann das Grundwasser austreten. (Quelle: flickrhivemind.net)

Der Siegfriedsfelsen am Felsenberg ist eine aus oberen Nodosus-Schichten (Obere Hauptmuschelkalk-Formation, mo2) bestehende, über 10 m hohe Felswand (Prallsteilwand) am Knollenberg. Er bildet etwa 2.000 m nordnordwestlich von Schwieberdingen auf nahezu 100 m Länge den oberen rechten Talhang (Prallhang) der Glems. (Foto: April 2007).

Felsenberg (ND, Oberer Muschelkalk) nördlich Schwieberdingen. Der bewaldete SWHang zeigt ehem. Weinbergterrassen. (Foto: April 2007).

Hängetal gegenüber vom Siegfriedsfelsen. (Foto Johannes Wagner).

Deutliche Talasymmetrie des Glemstales bei der Nippenburg. Vorne Gleithang, hinten Prallhang. (Foto: Johannes Wagner, April 2007).

Langgestreckte Ackerterrassen im Schwengenkessel (linksseitiges Glemstal bei Talhausen). (Foto: Johannes Wagner, April 2007).

Blick von der linken Talseite auf die gegenüber liegende Talseite bei Talhausen. Im Vordergrund alte Ackerterrassen. (Foto: Johannes Wagner, Aug. 2007).

Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald ___________________________________________________________________________

Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald Westlich von Talhausen liegt auf der Hochfläche der Muckenschupfwald, der zum Übergangsgebiet des westlichen Strohgäus zum Heckengäu zu rechnen ist. Im Untergrund steht der Untere Keuper (Lettenkeuper) an. Dieser besteht aus Tonsteinen und gelbbraunen Dolomitbänken. Betritt man das Innere des Muckenschupfwaldes, so findet man insbesondere zur Zeit der Schneeschmelze immer wieder flache, mit Wasser gefüllte Senken, die auf einen wasserundurchlässigen, tonigen Untergrund schließen lassen. Der Muckenschupfwald ist überwiegend ein feuchter bodensaurer EichenHainbuchenwald (Querceto-Carpinetum roboretosum molinietosum) sowie teilweise (im nördlichen Zentrum sowie im NW) ein Buchen-Eichen-Hainbuchenwald (Querceto-Carpinetum fagetosum). Die acidophile Krautschicht (Frühlingsgeophyten) gibt Anlass zur Frage, woher der Säurecharakter des dortigen nährstoffarmen Bodens stammt, der dafür verantwortlich ist, dass dieses Waldgebiet nicht landwirtschaftlich genutzt ist. Die Antwort darauf ist im flächenhaften Vorkommen alter Höhenschotter im Gebiet des Muckenschupfwaldes zu finden.

Alte Höhenschotter: Über das gesamte Gebiet des Muckenschupfwaldes (wie auch des Rotenackerwaldes auf der Ostseite des Glemstales) treten verstreut immer wieder Kindskopf große bis Fußball große Sandsteingerölle in der lehmigen Bodendecke hervor. Die gute Zurundung zeigt, dass es sich nur um Flussgerölle handeln kann.

Besonders leicht aufzufinden sind diese unsortierten, silikatischen

Gerölle z. B. unter dem hochgestellten Wurzelteller von durch Windwurf umgestürzten größeren Bäumen. Schlägt man die harten, stark verkieselten QuarzGerölle aus Buntsandstein auf, so erkennt man immer wieder eine starke Ausbleichung (von blassrosa bis zu zuckerkornweißem Aussehen) des Bruches, wie sie selbst von altpleistozänen Schottern unbekannt sind. Dies spricht nach Georg Wagner, der diese Höhenschotter schon 1929 beschrieben hatte, für ein „vorpleistozänes“ Alter.

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Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald ___________________________________________________________________________

Demnach müsste man diese Schotterablagerungen mindestens dem Pliozän (vor 5,3– 2,6 Mio. Jahren) zuordnen.

Aus dem heute noch unter den Höhenschottern

vorhandenen Restbestand von Hornsteinen1 kann zudem geschlossen werden, dass ursprünglich darunter sehr viel Gerölle von Muschelkalk enthalten gewesen sein müssen. Das Nordschwarzwälder Einzugsgebiet des Höhenschotter-Flusses war daher zur Ablagerungszeit noch großenteils von Muschelkalk bedeckt (Blümel, 1983). Nach M. Mader (1978) gehörte die Enz bereits seit dem unteren Pliozän dem Enz-Neckar-(Rhein)-System an.

Der Transport und die Ablagerung dieser offen-

kundigen Nordschwarzwälder Gerölle sind vermutlich der spättertiären Ur-Enz und der Ur-Nagold (als wasserreicherer „Nebenfluss“) zuzurechnen. Das würde bedeuten, dass die Hochfläche zwischen Muckenschupfwald und Rotenackerwald als Teil einer konservierten tertiären Landoberfläche zu betrachten ist, deren Erhalt durch die schnelle Verkarstung des Untergrunds begünstigt worden ist. Die in „Breit- oder Flächenterrassen“2 abgelagerten Höhenschotter begleiten das heutige mittlere und untere Enztal ab etwa Pforzheim immer wieder flächenhaft in einem bis zu 5 km breiten Band bis in das Mündungsgebiet der Enz in den Neckar. Man muss sich dies so vorstellen, dass es sich um kohäsionslose einzelne Schotterbänke schon bei der Ablagerung gehandelt haben muss, die voneinander isoliert innerhalb der „Breitenverzweigung“ der Enz abgelagert wurden. Auch im Neckartal lassen sich ab Besigheim beidseitig alte Höhenschotter ebenfalls in Breitterrassen nordwärts bis ins Mündungsgebiet der Jagst verfolgen. Die spättertiäre Ur-Enz floss damit zumindest ab Pforzheim in einem breiten „Flachmuldental“ in Richtung Osten in den schon dem Rhein tributären Neckar. Beobachtungen in den wechselfeuchten Tropen zeigen, dass diesen weit gespannten Flachmuldentälern eine deutliche Begrenzung zu den umgebenden Flächen fehlt. Sie liegen generell auf großräumigen „Spülflächen“. Solche Täler führen meist

1

2

Die im Gestein schon diffus verteilte Kieselsäure wurde durch mehr oder weniger langzeitige Wirkung von Druck, Temperatur und chemische Lösung mobilisiert und als knolligdichter „Hornstein“ mit grauer bis gelblicher Farbe ausgeschieden. Solche Breitterrassen teriären Alters sind auch bei Ulm, Regensburg und im Obermaingebiet beschrieben worden. 65

Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald ___________________________________________________________________________

nur jahreszeitlich Wasser, dessen Herkunft aus saisonalen tropischen Monsunregen oder (bei trockenerem Klima) aus seltenen, lokal begrenzten Niederschlägen sowie säkularen Starkniederschlägen stammt. In allen diesen Fällen werden im Flussgebiet episodisch große konglomerat-ähnliche Sedimentmengen in flächenhaften Schuttströmen transportiert. Frühere Klimageomorphologen – wie H. Louis (1957) und W. Büdel (1969) – ordneten die Entstehung von Flachmuldentälern – allerdings nicht unbestritten – klimagenetisch generell dem tropisch-wechselfeuchten Feuchtsavannenklima zu. Schon im älteren Obermiozän (Vallesium) erfolgte in Mitteleuropa in kurzer Zeit durch zunehmende Abkühlung ein Klimawandel, so dass dort das Klima dem heutigen recht ähnlich gewesen sein dürfte, wie z. B. aus am Hewenegg (Hegau; ältere Schreibweise: Höwenegg) erhaltenen petrifizierten Pflanzenresten (Munk, W., 2007) geschlossen werden kann.

Von der spanischen Mittelmeerregion ausgehend

verschwanden in West- und Mitteleuropa die subtropischen, immergrünen Wälder infolge allmählicher Abkühlung; an ihrer Stelle folgten laubabwerfende Bäume. Demnach müssten die Höhenschotter der Enz mindestens schon in das vorhergehende Serravallium einzuordnen sein. Das Serravallium ist die vierte chronostratigraphische Stufe des Miozäns (Neogen) und die obere Stufe des Mittleren Miozäns. Sie begann geochronologisch vor ungefähr 13,82 Millionen Jahren und endete vor etwa 11,62 Millionen Jahren und dauerte somit ca. 2,2 Millionen Jahre. Dies führt aber zu erheblichen Erklärungsschwierigkeiten. Bei der Annahme, dass die Höhenschotter der Enz mittelmiozänes Alter haben, müsste die damalige UrEnz (wie der Döbach bei Hemmingen oder die Körsch auf den Fildern) noch dem Lone-(Donau)-Flusssystem tributär gewesen sein.3 Dem widerspricht jedoch der ab Besigheim nach Norden gerichtete Schotterzug der besagten Höhenschotter, die bis in die Gegend nördlich von Heilbronn zu verfolgen sind. 3

Erst im Pliozän bildete die Ur-Aare mit dem Alpenrhein die obersten Quelläste der UrDonau. Deren Entwässerung orientierte sich nun nicht mehr zur Burgundischen Pforte (und weiter zum Mittelmeer) sondern hin zur Pannonischen Senke im Bereich der heutigen Ungarischen Tiefebene. Dies war die Zeit, wo sich das heutige Donausystem im schwäbisch-bayerischen Raum erstmals herausbildete.

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Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald ___________________________________________________________________________

Immerhin hat B. Eitel (1989, 2003) anhand von Paläoböden im benachbarten Kraichgau festgestellt, dass im sonst subtropisch feuchtwarmen unteren und mittleren Pliozän auch aridere Phasen existierten. Die Oberfläche der Breitterrassen-Gerölle der Ur-Enz ist meist mit einer mehreren

millimeter-dicken,

schwarz-braunen

Eisenoxid-Manganoxid-Haut

(„Wüstenrinde“) versehen, die dadurch entstand, dass bei episodischen Regenfällen Wasser in feine Gesteinsrisse eindrang und dort kolloide Lösungen erzeugte. Diese Lösungen drangen kapillar an die Gesteinsoberfläche, wo nach Wasserverlust infolge starker Verdunstung der Lösungsinhalt in Verbindung mit angewehten Tonmineralien als harte Eisen- oder Manganoxid-Rinden auf der Gesteinsoberfläche abgeschieden wurde. Diese Stoffe reagieren durch die hohen Temperaturen in der Wüste, wobei offensichtlich auch die Feuchtigkeit des morgendlichen Taus eine Rolle spielt. Durch Anteile verschiedener anderer Spurenelemente und von organischen Bestandteilen kann die Farbe unterschiedliche Brauntöne bis zum Tiefschwarz annehmen. Diese Oberfläche ist manchmal matt, oft aber auch glänzend. Dieser „Wüstenlack“ tritt nur bei Gesteinsoberflächen auf, die nicht der Wind- oder sonstiger Erosion ausgesetzt sind, die also physikalisch stabil sind. Besonders aus Übergangsgebieten von aridem zu semiaridem Klima sind diese Erscheinungen bekannt. Die Breitterrassengerölle der Enz weisen damit auf ein postsedimentäres semiarides Klima im Ablagerungsgebiet hin.

B. Eitel (1989) hat für den nahen Kraichgau immerhin Hinweise auf ein

semiarides Klima im mittleren Pliozän gefunden. B. Menke (1975) konnte allerdings für Nordwestdeutschland ein semiarides Klima im Pliozän nicht bestätigen. Das Gebiet des mit Flussgeröllen übersäten Muckenschupfwaldes liegt heute 100 m über der heutigen Talsohle der Enz. Dies zeugt von einer seitherigen fluviatilen Eintiefung von Enz (und unterer Glems), verursacht durch epirogenetische Hebung des Raumes an mittlerer Enz und unterer Glems. Diese kräftigen tektonischen Bewegungsvorgänge haben im Pliozän begonnen und dauerten noch im Pleistozän an, wie die Schiefstellung mancher Terrassen beider Flüsse zeigt, auch wenn teilweise Lösungsvorgänge (Subrosion des Muschelkalksalzes) im Mittleren Muschelkalk dafür verantwortlich sind. In diese Zeit fällt auch die schon im Obermiozän beginnende

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Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald ___________________________________________________________________________

tektonische Hebung des Nord-Schwarzwaldes (Zentrum Hornisgrinde) und des westlichen Teils der Schwäbischen Alb. An der Hornisgrinde steht der Buntsandstein heute zutage, während im unteren Enzgebiet dieser 1200 m tiefer liegt und vom Muschelkalk (und teilweise auch vom Lettenkeuper) noch überlagert ist. Reliefunterschied

bewirkte

Landschaftsgestaltung.

eine

besonders

starke

Dynamik

der

Dieser

fluviatilen

Dabei entstand die noch heute erhaltene weiträumige

„Fußfläche“ der Nordschwarzwälder Ostabdachung.

Dolinenfeld im Muckenschupf-Wald (Geotop, ND; TK 7020: R 35 03250 , H 54 20250).

Hier befindet sich eine Gruppe von sechs gut erhaltenen Dolinen

unterschiedlicher Form und Größe (Durchmesser 4–14 m, Tiefe 1–4 m) in einer flachen Eintalung. Das Dolinenfeld entstand in der mit Löss bedeckten Unterkeuper (ku)-Landschaft durch Kalklösung im liegenden Oberen Muschelkalk und Nachbruch der entstandenen Hohlräume. An den Wänden der Dolinen und Zulaufgräben sind stellenweise anstehende Terrassenschotter der Enz aufgeschlossen. Dolinen sind durch Lösung, Nachsackung oder durch Einsturz unterirdischer Lösungshohlräume entstandene schlot-, trichter- oder schüsselförmige Vertiefungen einer Karstoberfläche. Sie können Meterbereich bis Dekameterbereich annehmen. Dolinen treten nicht unregelmäßig gestreut, sondern gehäuft in einzelnen Dolinenfeldern auf. Größere Dolinenfelder sind im Strohgäu überwiegend auf den Grenzbereich des Unteren Keupers (Lettenkeuper-Überdeckung) beschränkt.

Das

Wasser auf den tonigen Schichtgliedern des Lettenkeupers fließt noch weitgehend oberirdisch; unterhalb der Estherienschichten gelangt es dann in den dolomitischen, klüftigen obersten Muschelkalk, versitzt dort, und die Karbonat-Lösung beginnt. Diese liegen aus zwei Gründen meist im Wald: Erdfälle und Dolinen werden auf Wiesen und Feldern schnell von den Bauern verfüllt und Sickerwasser wird im Wald weit mehr mit CO2 angereichert und kann damit auch mehr Karbonat lösen. Die Ausstrichgrenze von Hauptmuschelkalk und Lettenkeuper ist besonders anfällig für die Bildung von Dolinen, da auf dem undurchlässigen Lettenkeuper sich größere Wassermengen ansammeln, die konzentriert im darunter liegenden

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Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald ___________________________________________________________________________

Muschelkalk versickern. Ein verstärkter Lösungseffekt entsteht durch die Mischung von Wässern unterschiedlichen Kalkgehalts.

Wölbäcker: Geht man über den steilen Bergweg von Talhausen nach Westen hoch zur das Glemstal überragenden Strohgäu-Hochfläche, so erreicht man nach ¼ Stunde den Muckenschupfwald (Rundwanderweg Nr. 1 des SAV). Kurz davor liegt rechts des Weges ein kleines Streuobstwiesengelände, das an den Muckenschupfwald angrenzt. Etwa 20 m davor liegt rechts am Weg ein alter Grenzstein, der auf der Markgröninger Seite mit „G 1754“ datiert ist; G steht für Gröningen.

Das

Streuobstgebiet weist acht etwa 10 m schmale Längsstreifen auf, die etwa N-S orientiert sind. Der Länge nach sind diese Streifen in der Mitte um etwa einen halben Meter höher als am Rande.

Die Obstbäume stehen alle auf der Firstlinie dieser

Geländestreifen. Auch auf anderen Streuobstwiesen ist manchmal zu erkennen, dass diese heutigen Streuobstparzellen früher als Ackerland genutzt wurden, was aus der leicht gewölbten Form der Längsstreifen („Wölbäcker“) erkennbar ist. Es könnte sein, dass diese Ackerform aus Gründen der besseren Drainage angelegt wurde, da im Frühjahr die Lösslehm-Äcker oft Staunässe aufweisen, doch können andererseits diese Wölbäcker auch durch die Art des Pflügens entstanden sein. Seit der Verwendung der eisernen Pflugscharen (Hallstatt-Eisenzeit, 600–450 v. Chr.) konnte die Scholle immer nur in eine Richtung gewendet werden, nicht mal nach links, mal nach rechts wie bei einem modernen Wendepflug. Darauf musste man sich beim Pflügen einstellen. Man zog als erste die mittlere Pflugfurche im Feld. Es folgten die benachbarte Furche, dann nach und nach alle anderen, wobei es darauf ankam, die Scholle immer zur Mitte des Ackerbeetes hin zu wenden. Pflügte man immer wieder in dieser gleichen Weise, warf sich die Mitte des Ackerbeetes auf, zu den Rändern senkte sich das Niveau der Langstreifenäcker leicht ab.

So entstand der für die

historische Kulturlandschaft so charakteristische „Wölb- oder Hochacker“.

Die

fruchtbare Bodenkrume wurde trotz tiefgründiger Bodenbearbeitung in der Mitte des Ackerstreifens festgehalten. Das Pflügen wirkte so der Bodenerosion weitgehend

69

Geologie und Landschaft rund um den Muckenschupfwald ___________________________________________________________________________

entgegen. Es wurde möglich, Substanzen zur Bodenverbesserung, also Dünger, zum Beispiel Mist, in den Boden einzuarbeiten. Man häufte auch ihn vor allem in der Mitte des Ackerstreifens an.

Die Wölbäcker wurden gut drainiert, weil Wasser nach

Regengüssen in den seitlichen grabenartigen Senken abfließen konnte. Besonders für den mehr und mehr an Bedeutung gewinnenden Wintergetreideanbau hatte dies Vorteile, denn in den regenreichen Jahreszeiten Herbst und Frühjahr wurde die Wachstumsperiode verlängert. In zu feuchten Jahren wuchs das Korn in der Beetmitte besser, in den trockenen das am Beetrand.

Für die Agrarwirtschaft waren das

entscheidende Vorteile. Wann man genau damit begann, Wölbäcker anzulegen und zu nutzen, ist jedoch nicht bekannt. Eindeutig belegt sind sie für das frühe Mittelalter.

Schema der Entstehung von Wölbäckern. Die Zahlen bezeichnen die Reihenfolge beim Pflügen. (Quelle: Wikipedia).

70

Wo Wege aus dem Muckenschupfwald in die westlich des Waldes gelegene Talkante einschneiden, erkennt man gut die tertiärzeitlichen Buntsandsteinschotter, die als großräumige Schotterdecke den Wald durchsetzen. (Foto: Johannes Wagner, 2007).

Fundstücke von vorpleistozänen Höhenschottern der Enz im Muckenschupfwald. Diese Terrassenschotter befinden sich 100 m über dem heutigen Flussbett der Enz. Im Anschlag erkennt man die fallweise bis zuckerkornweiße Ausbleichung der Buntsandsteingerölle sowie die Eisenoxidhaut (Wüstenlack?), ein Hinweis auf zeitweise (semi-)aride Bedingungen. Stift als Vergleichsmaßstab 13,5 cm. (Foto: Johannes Wagner, 2007).

Alter Höhenschotter aus ausgebleichtem Buntsandstein im Anschlagstück. Fundort Muckenschupfwald. Die ausgeprägte Eisenoxid-Manganoxid-Rinde dürfte in einer semi-ariden Periode (Mittelmiozän?) entstanden sein. (Sammlung Johannes Wagner).

Zum Vergleich: Wüstenrinde des Nubischen Sandsteins. Fundort Assuan/Ägypten, vollarides Klima. (Sammlung Johannes Wagner).

Die Hamada du Draa (Marokko), eine Steinwüste, entstanden aus episodischen Schichtfluten aus dem Gebirge. Die Reflexion der Sonne auf den schwarzen Steinen schafft ein ganz besonderes Licht. Im Hintergrund das 2712 m hohe Gebirge des Jbel Sarhrô. So etwa könnten die tertiären Ablagerungsbedingungen der Enztalschotter gewesen sein. (Quelle: www.mezgarne.com; Foto: Brigitte Provost).

Angeschlagenes Buntsandstein-Schotterhandstück aus dem Muckenschupfwald. Das durch Lösungsvorgänge völlig ausgebleichte und grusig gewordene Innere des Buntsandsteinschotters hat zuckerkörnige Struktur. Die dunkel glänzende Eisenoxid-Manganoxid-Rinde hat nur wenige Millimeter Dicke. (Sammlung Johannes Wagner).

Idealisierter geologischer Schnitt durch den Unterlauf der Glems. (Quelle: Ulrich Kröner, 2002)

Die Verbreitung der Breitterrassen an Enz und Neckar. (Quelle: Blümel, 1983: S. 219).

Einige Ablagerungen im Muckenschupf-Wald bestehen aus Hornstein, der als diagenetische Umbildung von Muschelkalk gedeutet werden kann. Dies bedeutet, dass der Nordschwarzwald im Jungtertiär noch von Muschelkalk bedeckt war. Oben: Heller Hornstein. (Source: httpgeology.about.com). Unten: Dunkle Ausprägung. (Source: flexiblelearning.auckland.ac.nz).

Schema von Reliefgenerationen zwischen der NO-Abdachung des Schwarzwaldes und dem mittleren Neckarland zwischen Enz und Neckar. Dieses Relief besteht aus einer regionalen Formengruppe, deren einzelnen Formenelemente unterschiedlichen Alters sind, die ihre Entstehung verschiedenen geomorphologischen Prozessen verdankt. Die Anordnung dieser Einzelformen prägt den lokalen geomorphologischen Landschaftstyp. Das Ergebnis ist ein Schachtelrelief mit eng gekammerten Landschaften. (Quelle: Diercke Wörterbuch Allgemeine Geographie, 2005).

10 km

Beispiel eines tropischen Flachmuldentales (Webi Shebeli in SO-Äthiopien) im Satellitenbild. Das hier 10 km breite, durch starke Aufschotterung geprägte Tal ist beidseitig von sanft erhobenem Gelände begrenzt. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hat der Webi Shebelli nur geringe Wasserführung. Trockene alte Flussläufe im Nordteil. Semiarides Klima (ca. 400 mm Jahresniederschlag). (Quelle: http://plasma.nationalgeographic.com)

Kartenausschnitt zum obigen Satellitenbild. (Quelle: Bertelsmann Atlas International).

Foto rechts unten: Webi Shebeli. (Quelle: www.flickr.com)).

Klimakurven des mitteleuropäischen Tertiärs. Oben: mittlere Jahrestemperaturen; unten: Niederschlag. (Quelle: M. Schwarzbach: Das Klima der Vorzeit. Eine Einführung in die Paläoklimatologie.. 3. A., Stuttgart 1974, S. 209.

Karte der Land- und Meerverteilung während des Miozäns. (Quelle: Wanderungen in die Erdgeschichte (18): W. Rosendahl / u. a.: Schwäbische Alb. 2006; nach Bloos (1998), Graphik: LGRB).

Alte Wölbäcker südöstlich des Muckenschupfwaldes. (Foto: Johannes Wagner, 2007).

Doline im Muckenschupfwald (mittelgroßer Hund als Größenvergleich). (Foto: Johannes Wagner). Regenwasser, das in den Boden und in das Muschelkalkgestein eindringt, löst stetig Kalk auf und "höhlt den Stein". Ein Liter Regenwasser löst bis zum 70 mg Kalk. In Jahrtausenden entstanden so Spalten, Klüfte und Höhlen. Man nennt dieses Karst-erscheinungen. Bricht ein Hohlraum ein, sackt der Boden darüber nach und bildet eine trichter-förmige Senke, die als Doline oder Erdfall bezeichnet wird.

Ackerterrassen

Dolinenfeld im Blockbild. (Quelle: www.schule-bw.de). Wölbäcker

Dolinenfeld

Ausschnitt aus der TK 1 : 25 000 mit Eintrag der Standorte eines Dolinenfeldes, von Wölbäckern und alten Ackerterrassen.

Einzugsgebiet und Wasserführung der Glems ___________________________________________________________________________

Einzugsgebiet und Wasserführung der Glems1

Die sehr geringe Wasserführung der Glems hängt von der Größe ihres Einzugsgebiets, den Niederschlägen und der Versickerung ab. Am Pegel Talhausen fließen durchschnittlich nur MQ = 0,84 m³ Wasser pro Sekunde ab (MQ = Mittelwert aller Abflüsse über einen vieljährigen Beobachtungszeitraum). Vergleichen wir ihn mit der nur wenig längeren (54,4 km) und nicht sehr weit entfernten Murr, so beträgt der durchschnittliche Abfluss dort (am Pegel Murr a. d. Murr) 5,82 m³ pro Sekunde, also ziemlich genau das 7fache. Dies liegt zunächst an den unterschiedlich großen Einzugsgebieten.

Zusammen mit ihren Nebenflüssen

entwässert die Glems nur 192 km², die Murr dagegen 507 km² (2,6 mal mehr). Die Größe der Einzugsgebiete ist jedoch nicht so verschieden, dass dies den geringen Abflusswert der Glems voll erklärt.

Berechnen wir deshalb den Mittelwert der

Abflüsse auf 1 km² und geben wir ihn in Liter pro Sekunde an, so ist dies der spezifische mittlere Abfluss (Mq = Liter pro Sekunde je km²).

Glems

Spezifischer mittlerer Abfluss

Spezifischer Hochwasser-Abfluss

(Mq = l pro Sekunde und km²)

(MHq = l pro Sekunde und km²)

4,37

45,67

11,52

249,89

(Pegel Talhausen) Murr (Pegel Murr a. d. Murr)

1

Teilweise nach Buck, Lothar: Die Glems als Fließgewässer. Wasserführung–Gewässergüte–Wassertriebwerke. In: Durch die Stadtbrille. Geschichte und Geschichten um Markgröningen. Bd. 5, S. 15–24, 1995. (gekürzt und verändert) 71

Einzugsgebiet und Wasserführung der Glems ___________________________________________________________________________

Einzugsgebiet und Abfluss (MQ, Mq, NM7Q5) der Glems Fluss-km

Pegel

Einzugsgebiet

MQ

Mq

NM7Q52

(km²)

(m³/s)

(l/s ּ◌km²)

(m³/s)

4,35

Talhausen

192

0,84

4,37

0,415

21,6

Ditzingen

83

0,51

6,14

0,170

34,95

Eltingen

39

0.23

6,05

0,079

42,0

Büsnau

21

0.12

3,64

0,036

Bezogen auf gleich große Einzugsgebiete, führt die Murr immer noch 2,6mal mehr Wasser als die Glems. Schuld daran sind die geringeren Niederschläge der Gäuflächen nordwestlich und nördlich von Stuttgart (bis Leonberg und Ludwigsburg). Diese zählen mit rund 650 mm Jahresniederschlag zu den niederschlagsärmsten des Landes. Auch der Glemswald erhält nicht viel mehr (700–750 mm). Ganz anders die Niederschlagswerte im Flussgebiet der Murr.

Zwar entsprechen sie in ihrem

Mündungsbereich etwa denen am Glems-Oberlauf, aber dort, wo die Murr und ihre Hauptzuflüsse entspringen (im Murrhardter Wald und in den Löwensteiner Bergen), werden jährlich mehr als 1000 mm erreicht. Weil es dieselben Tiefdruckgebiete sind, die hier wie dort die Niederschläge hauptsächlich hervorrufen, regnet es am Oberlauf der Murr nicht häufiger, sondern stärker. Dies lässt sich gut an den Hochwasserabflüssen ablesen. Obwohl sie an der Glems das 10fache des mittleren Abflusses erreichen, bleiben sie weit hinter denen der Murr zurück.

2

Man misst über je 5 Jahre hinweg die niedrigste durchschnittliche Wasserführung an 7 aufeinander folgenden Tagen während einer mindestens ebenso langen Niedrigwasserperiode und bezeichnet diesen Wert als Niedrigwasserabflussspende: NM7Q5. 72

Einzugsgebiet und Wasserführung der Glems ___________________________________________________________________________

Je mehr Niederschlag nämlich in kurzer Zeit auf die Erde fällt (Starkregen), um so weniger davon gelangt in den Boden und statt dessen direkt in die Flüsse (oberirdischer Abfluss). So traten dann an der Murr früher auch alle 10–15 Jahre Hochwasser auf (1955, 1970, 1978), während die Glems davon verschont wurde. Ein wesentlicher Faktor für die Wasserführung der Glems ist aber auch der Gesteinsuntergrund. Während sich das Einzugsgebiet des Flusses vom Pegel Büsnau bis zum Pegel Talhausen um das 9fache vergrößert, nimmt der mittlere Abfluss weniger stark (nur um das 7fache) zu, und er läge nur 5 mal höher, würde man beim Pegel Talhausen 216 1 Wasser pro Sekunde abziehen, die der Glems bis dahin als gereinigtes Abwasser aus Klärwerken zuflossen, die also der Herkunft nach nicht aus dem Einzugsgebiet stammen, sondern Bodenseewasser darstellen!

Aber auch so

wächst der Abfluss bezogen auf 1 km² (Mq) nur zwischen Büsnau und Eltingen im gleichen Maß wie das Einzugsgebiet. Mit dem Eintritt ins Strohgäu dagegen stagniert er, und unterhalb des Pegels Ditzingen geht er, bezogen auf die Fläche, ganz erheblich zurück. Während ihres Laufs durch das Gäu verliert die Glems demnach Wasser! Zwei Vorgänge sind am Wasserverlust der Glems beteiligt: die Verkarstung im Strohgäu und unterirdische Abflüsse von dort in den Stuttgarter Raum. Im Strohgäu sinkt viel Niederschlag in den Boden und das darunterliegende Kalkgestein ein. Die spröden Muschelkalk-Schichten sind von teils haarfeinen, teils größeren Rissen, Spalten, Klüften und wohl auch Höhlen durchzogen. Darin sammelt sich Wasser und bewegt sich langsam weiter (unterirdischer Abfluss). Über tieferen, undurchlässigen Schichten wird es gestaut und müsste eigentlich irgendwo flussabwärts (in Quellen von Zuflüssen oder in der Talaue selbst) wieder austreten. Die Hochwasserführung würde dadurch verringert, die Wasserführung über das Jahr ausgeglichener.

Doch bei der Glems kommt ein zweiter Prozess hinzu.

Die

Versickerung im Kalkgestein reicht besonders tief (bis in den Mittleren Muschelkalk), wo das Wasser Salz auflöst und unter dem Glemswald hindurch bis in den Stuttgarter Talkessel gelangt. Dort tritt es als Mineralwasser aus. So wird der Wasserverlust der Glems erst voll verständlich.

73

Einzugsgebiet und Wasserführung der Glems ___________________________________________________________________________

In trockenen Monaten und Jahren ist der Fluss davon besonders betroffen. Sollen ökologische Schäden an der Pflanzen- und Tierwelt verhindert werden, muss eine Mindestwasserführung auch in den niederschlagsärmsten Zeiten vorhanden sein. (Man misst über je 5 Jahre hinweg die niedrigste durchschnittliche Wasserführung an 7 aufeinander folgenden Tagen während einer mindestens ebenso langen Niedrigwasserperiode und bezeichnet diesen Wert als Niedrigwasserabflussspende: NM7Q5) Selbst am Pegel Talhausen (mit der größten Wassermenge) beträgt sie nur 0,415 m³ (415 l/sec). Das ist weniger, als fast jede Turbine der Wassertriebwerke an der Glems zu schlucken vermag.

74

Die Glems bei der Nippenburg. Der Schaum deutet auf eine eutrophierte Belastung des Gewässers hin. (Foto: Johannes Wagner, April 2007).

Wasserstand und Abfluss der Enz bei Vaihingen/Enz und der Glems beim Pegel Talhausen in m³/s (22.10.-4.11.2006). (Quelle: HVZ Baden-Württemberg, www.hvz.baden-wuerttemberg/neckar.shtml).

Hochwasserkontrolle, Gewässersanierung und Wassernutzung ___________________________________________________________________________

Hochwasserkontrolle, Gewässersanierung und Wassernutzung

Hochwasserkontrolle Die Hochwasser-Vorhersage-Zentrale Baden-Württemberg (www.hvz.badenwuerttemberg.de)

gibt

laufend

im

Internet

eine

7-Tage-Vorhersage

des

Pegelwasserstandes aller pegelmäßig kontrollierten Fließgewässer Baden-Württembergs heraus. Grundlage sind die automatisch gemessenen und in die Karlsruher Zentrale übermittelten Pegelwasserstände. Der Talhauser Pegel der Glems wird dabei mit erfasst.

Gewässersanierung und Wassernutzung Die Glems fließt durch eines der bevölkerungsreichsten Gebiete des Landes. Dies bedeutet viel Abwasser, das aus den 7 Kläranlagen Büsnau, Leonberg-Ramtel, Rutesheim, Leonberg-Felsensägmühle, Mittleres Glemstal, Ditzingen und Talhausen stammt. Hierdurch wird der Fluss stark belastet. Besonders in Niedrigwasserzeiten steigt der Abwasseranteil weit über das als tragbar angesehene Verhältnis von 10 : 1 (Frischwasser : Abwasser). Für den mittleren Flussabschnitt (bei Leonberg) wurden bei Niedrigwasser vielmehr 2,5 und für den unteren (bei Talhausen) 1,7 Teile Abwasser auf 1 Teil Frischwasser errechnet. Auf allen Abschnitten führt die Glems mehr Abwasser als Frischwasser, bei Leonberg und Talhausen 25- bzw. 17-mal mehr als ökologisch vertretbar! Beispielhaft einige Daten zum Gruppenklärwerk Ditzingen, das 1967 in Betrieb genommen wurde.

Hier werden die Abwässer von Ditzingen mit den Teilorten

Hirschlanden, Heimerdingen und Schöckingen sowie die Abwässer der Stuttgarter Stadtteile Weilimdorf, Giebel, Bergheim, Wolfsbusch und Hausen gereinigt. Hinzu kommen die Abwässer von Korntal-Münchingen und Gerlingen. Die Kapazität des

75

Hochwasserkontrolle, Gewässersanierung und Wassernutzung ___________________________________________________________________________

Klärwerks betrug im Jahre 2006 insgesamt 120 000 „Einwohnerwerte“, das sind 6,2 Mio. m³. Alle Kläranlagen an der Glems waren 1989 bereits voll ausgebaut und entsprachen mit 2 Reinigungsstufen (mechanische und biologische Abwasserreinigung) und einer Nitrifikation (Umwandlung von Ammoniak in Nitrat) den Mindestanforderungen. Regenüberlaufbecken vermindern die durch Regenwasser verursachten Schmutzfrachten in den Fließgewässern zu 90 %. Das Kanalnetz im Einzugsgebiet der Glems umfasst ca. 560 km und stammt zumeist aus der Vorkriegszeit.

Etwa 40 % gelten als sanierungsbedürftig.

Die

Hauptschäden: Undichtigkeiten, die zum Einsickern von unverschmutztem Wasser in die Rohre (Fremdwasserzufluss) aber auch zum Versickern von Abwasser ins Grundwasser führen. In 6 Klärwerke an der Glems betrug der Fremdwasseranteil im Tagesdurchschnitt zwischen 16 und 51 Prozent (!) der zu reinigenden Wassermenge mit den entsprechenden Folgen: geringerer Reinigungsgrad und Vermehrung des Abwasseranteils in der Glems.

Der höchste Wert wurde damals im Klärwerk

Talhausen gemessen: 8,2 Millionen l je Tag; entsprechend dem täglichen Trinkwasserverbrauch von etwa 55 000 Menschen! Hierbei spielten allerdings Fehlanschlüsse zwischen Regenwasser- und Schmutzwasserkanälen mit. Von der Landwirtschaft gelangt vor allem Stickstoff, der im tierischen Dünger enthalten ist, in die Gewässer. Fehlt es an genügend Lagerkapazität für Gülle, Jauche oder Festmist. so muss der Dung auch in der vegetationslosen Zeit ausgebracht werden. Weil die Pflanzen fehlen. die Stickstoff aufnehmen können, wird er über das Grundwasser in die Glems eingetragen. Hinzu kommt, dass dies im Einsickerungsgebiet der Mineralquellen Stuttgart erfolgt Die Gewässergüte unserer Bäche und Flüsse wird jährlich nach feststehenden Gesichtspunkten (DIN-Normen) untersucht. Für die Glems wird die Güteklasse II (mäßig belastet) angestrebt.

Nur im mittleren Flussabschnitt (von Leonberg bis

Schwieberdingen) ist die Glems noch mäßig verschmutzt. 76

Hochwasserkontrolle, Gewässersanierung und Wassernutzung ___________________________________________________________________________

An der Glems gibt es noch 20 Mühlengebäude, davon sind im Jahr 2006 noch 9 in Betrieb. Nicht alle davon mahlen noch Mehl (oder sind anderweitig als Mühlen in Betrieb).

Aber alle erzeugen aus Wasserkraft elektrische Energie.

Über Kanäle

gelangt Wasser in die Turbinen. Wasserwirtschaftlich betrachtet sind Mühlen Kleinwasserkraftanlagen.

Für die Triebwerke der Mühlen wurden Pflichtwasser-

mengen vorgeschrieben, die im Mutterbett verbleiben müssen. Wo der Mühlkanal aus dem Glems ausgeleitet wird, kann das Mutterbett von der Kanalausleitung bis zur Wiedereinmündung trockenfallen. Aber auch wenn eine bestimmte Niedrigwassermenge unterschritten wird, treten Schäden bei Pflanzen- und Tierwelt ein.

Die

Artenvielfalt wird dabei stark reduziert wird. Insbesondere die anspruchsvolleren Arten wie Kleinkrebse, Steinfliegenlarven, Köcherfliegenlarven und Eintagsfliegenlarven sterben ab. Sie fallen damit auch als Fischnährtiere aus. Die Mühlen entlang der Glems1 1. Lahrensmühle. Der Mühlenbetrieb wurde 1957 eingestellt. Heute wird das historische Mühlengebäude für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Im Wohnhaus befindet sich ein Mühlenladen. 2. Clausenmühle. Das Mühlengebäude ist 1971 völlig abgebrannt. An der Stelle wurde ein Wohnhaus gebaut. Ein Hofladen ist vorhanden. 3. Felsensägmühle. Die Sägmühle war bis 1994 in Betrieb. Heute ist noch ein Sägebetrieb für Kleinmengen und Einzelstämme vorhanden. 4. Scheffelmühle. Der Mühlenbetrieb wurde 1967 eingestellt. Heute befinden sich im Mühlengebäude ein Keramikatelier von Heidelohre Bihlmaier und ein Bildhaueratelier von Hans D. Sailer. 5. Tilghäuslesmühle. Abgegangene Mühle aus fränkischer Zeit. 6. Fleischmühle. Die Mühle ist noch in Betrieb. 7. Tonmühle. Die Mühle ist heute noch in Betrieb. Ein Mühlenladen ist vorhanden. Infos unter www.Tonmuehle.de. Führungen sind nach Vereinbarung möglich. Telefon 0 71 56 / 83 26 8. Zechlesmühle. Die Mühle ist heute noch in Betrieb. Ein Mühlenladen ist vorhanden. Führungen sind nach Vereinbarung möglich. Telefon 071 56 / 95 83 12 9. Schlossmühle. Die Mühle ist heute noch in Betrieb. Ein Mühlenladen ist vorhanden. 10. Talmühle. Die Mühle ist heute noch in Betrieb. Ein Mühlenladen ist vorhanden. 11. Glemsmühle. Der Mühlenbetrieb wurde 1974 eingestellt. Die Mühle wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. 1

Entnommen aus der Broschüre „Glemsmühlen-Weg“ der Glemstalgemeinden. 77

Hochwasserkontrolle, Gewässersanierung und Wassernutzung ___________________________________________________________________________

12. Hagmühle. Der Mühlenbetrieb wurde 1991 eingestellt. Die Gesamtanlage steht heute unter Denkmalschutz. 13. Stumpenmühle. Die Mühle ist heute noch in Betrieb. Ein Mühlenladen ist vorhanden. Führungen sind nach Vereinbarung möglich. Telefon 071 50 / 3 12 32 14. Bruckmühle. Der Mühlenbetrieb wurde 1970 eingestellt. Das Gebäude steht zur Zeit leer. 15. Neumühle. Die Mühle ist heute noch in Betrieb. Ein Mühlenladen ist vorhanden. Führungen sind nach Vereinbarung möglich. Telefon 07150 / 3 12 47 16. Obere Mühle: (NO des Knollenberges). Der Mühlenbetrieb wurde 1963 eingestellt. Danach als Betriebsgebäude des dortigen Muschelkalk-Steinbruchs genutzt. 17. Spitalmühle. Die Mühle ist heute noch in Betrieb. Ein Mühlenladen ist vorhanden. Führungen sind nach Vereinbarung möglich. Telefon 07145 / 52 26 18. Untere Mühle. Der Mühlenbetrieb wurde 1970/71 eingestellt. Das Mühlengebäude dient heute zu Wohnzwecken. 19. Papiermühle. Die Pappenfabrik war bis 1969 in Betrieb. 20. Hammerschmiede. Der Fabrikbetrieb wurde 1958 stillgelegt. Das Gebäude steht heute leer. 21. Unterriexinger Bachmühle. Der Mühlenbetrieb wurde 1993 eingestellt. Die Mühle wurde 1997 zum Wohnhaus umgebaut. Des Weiteren muss die zunehmenden Versiegelung der Landschaft begrenzt werden.

Die starke Zersiedlung des Strohgäus seit etwa 1960 führte zu einem

größeren und schnelleren Oberflächen-Abfluss, was zur Folge hatte, dass die Ufer und die Flusssohle der Glems einer größeren Erosion (Auswaschung, Unterhöhlung) ausgesetzt sind, dem nur durch teuere Uferbebauung begegnet werden kann. Bei Industrie und Gewerbe ist auf geringeren Wasserverbrauch einzuwirken sowie der Schadstoffeintrag reduziert werden. Erste Erfolge: Auf Grund der ab 1993 erfolgten Maßnahmen des Glemssanierungsplanes von 1989 hat die verbesserte Abwasserreinigung der Glems erreicht, dass der Fluss weniger mit organischen Stoffen belastet ist. Durch eine beispielhafte Renaturierung des Glemsbettes bei Hemmingen–Münchingen mit naturnahen Bauweisen (Weidenspreitlage, Krainer-Wände) wurde im Jahr 2003 eine ingenieur-biologische Ufersicherung vorgenommen, die bei Hochwasser die reisenden Glemsfluten berücksichtigt.

78

Hochwasserkontrolle, Gewässersanierung und Wassernutzung ___________________________________________________________________________

In Fortführung des Glemssanierungsprogramms ist das Entwicklungsvorhaben „Neue Biotopinseln und Strukturanreicherungen in ausgebauten Abschnitten des Glems-Gewässersystems“ Ende der 1990er Jahre durchgeführt worden. Gewässerbegleitende Biotope, insbesondere Auwaldentwicklung mit Ausweisung von 67 Auwald-Standorten (etwa 1 ha Auwald pro 1000 m Flusslauf) sind geplant oder bereits fertiggestellt.

79

Ufererosion und –sedimentation vor Unterriexingen. (Foto: Johannes Wagner, Aug.2007).

Die Glems bei Hochwasser vor Talhausen. (Foto: Harke, 22.5.2010).

Böden und Bodenerosion ___________________________________________________________________________

Böden und Bodenerosion Bodenarten Boden ist die oberste Verwitterungsschicht der festen Erdkruste. Unsere Böden hatten seit Ende der letzten Eiszeit vor ca. 12 000 Jahren Zeit, sich zu entwickeln. Die unterschiedlichen Gesteine im Untergrund haben Einfluss auf die Eignung der Böden für die Landwirtschaft. Der Muschelkalk ist ein wasserlösliches und zerklüftetes Gestein wo die Niederschläge rasch versickern. Die Böden des Muschelkalks sind im Bereich des Glemstal nur dort anzutreffen, wo dieser an der Oberfläche ausstreicht. Dies ist aber nur an der rechten Talflanke an manchen Stellen der Fall. Der Löss, der im Strohgäu den Oberen Muschelkalk bzw. den Lettenkeuper bedeckt, ist entscheidend für die Fruchtbarkeit dieser Landschaft. Dieser am Ende der letzten Kaltzeit (Würm) aus den vegetationsfreien Schotterflächen angewehte Gesteinsstaub ist nicht nur reich an Nährstoffen, sondern weist auch eine besonders günstige Struktur auf, so dass er die Grundlage für sehr fruchtbare Böden bildet. Der Löss verwittert vor allem in tieferen Lagen zu Lösslehm. Der lehmige Charakter des braunen Bodens lässt sich mit den Fingerspitzen fühlen, wenn man eine Bodenprobe zerreibt. Zwar sind die Lehmböden schwer und weniger gut durchlüftet als die Lössböden, dafür aber eignet sich der Lehm zur Herstellung von Töpferwaren, wie sie früher auf dem Lande weit verbreitet waren. Am westlichen Ortsrand von Ditzingen erinnern Straßennamen wie „An der Lehmgrube“ und „Ziegelstraße“ noch an den früheren Abbau von Lehm, der hier zur Ziegelherstellung genutzt wurde. Heute wird das aufgefüllte Gelände von Sport- bzw. Grünanlagen eingenommen. Die Lettenkeuperböden – z. B. in den oberen östlichen Hangteilen der Glems unterhalb Ditzingen – sind schwere, tonige Lehmböden, die oft als Streuobstwiesen genutzt werden. Die Böden der Keupersandsteine sind recht ertragsarm.

Die die

Gäulandschaft überragende Keuperlandschaft des Glemswaldes bedeckt daher ein lichter Mischwald auf sandigem Boden. 80

Böden und Bodenerosion ___________________________________________________________________________

Bodentypen: Böden, die den gleichen Entwicklungsstand (definiert durch eine bestimmte Horizontkombination im Bodenprofil) aufweisen, bilden einen Bodentyp. Bodentypen werden mit einer Bodentyp-Formel charakterisiert: A-Horizont: Oberboden B-Horizont: Verwitterungshorizont C-Horizont: darunter lagerndes Gestein; a = anmoorig h = humos 1 = ausgewaschen (lessiviert) t = mit Tonsubstanz angereichert v = schwach verwitterter Übergangshorizont

Folgende Bodentypen sind im Strohgäu am häufigsten: • Pararendzina • Parabraunerde auf Löss: Ah-Wl-B1-C.

Boden mit Tonverlagerung als

maßgebender Prozess. Schwere, kalkreiche Pelosole: Ah-Ca-C. Böden aus Tonen, derer oberer Teil durch Quellung und Schrumpfung geprägt ist. Keine stärkere Selbstdurchmischung. • Basenarme Braunerde auf Keupersandsteinen:

Ah-Bv-C-Boden mit

Verbraunung und Verlehmung.

Charakterisierung ausgewählter Bodentypen: (Quelle: überwiegend aus www.uni-muenster.de/Hypersoil/01/p/137_p.htm) Pararendzina (Ah-C-Boden) Die Pararenzina aus Löss ist ein schluffiger, steinfreier, tiefgründiger und gut durchwurzelbarer Boden. Er ist mittel bis mäßig Wasser speichernd, sehr gut durchlüftet und ein nährstoffreicher Boden. Dieser flach entwickelte Boden hat mittleren Kalkgehalt.

Braunerde (Ah-Bv-C-Boden) Die Braunerden gehören zu den typischen Böden der Mittelbreiten und sind durch eine große Variationsbreite des Ausgangsgesteins gekennzeichnet.

81

Böden und Bodenerosion ___________________________________________________________________________

Aus

diesem

Grund

erstrecken

sie

sich

nur

selten

über

große

zusammenhängende Areale. Wie alle mitteleuropäischen Böden sind auch die Braunerden junge, nacheiszeitliche Bildungen. Charakteristische bodenbildende Prozesse sind die Verbraunung durch Freisetzen von Eisen mit anschließender Bildung von Fe-Oxiden und FeHybriden sowie die Tonmineralneubildung. Beide Prozesse laufen auch im AhHorizont ab, werden dort jedoch durch die dunkle Farbe des Humus überdeckt. Der typische braune, verlehmte Bv-Horizont besitzt durch noch nicht zersetzte Gesteinsbrocken Nährstoffreserven und geht ohne scharfe Grenze in den CHorizont über.

Parabraunerde (Ah–Al–B–C-Boden) Die Parabraunerden (Fahlerden) entwickeln sich in den feuchten Mittelbreiten entweder unmittelbar aus Rankern bzw. Rendzinen oder aus Schwarzerden bzw. basenreichen Braunerden, wenn durch Auswaschung von Kalk und leichte Versauerung eine Lessivierung (Tonverlagerung) ermöglicht wird. Ausgangsgesteine sind oftmals nicht zu saure, feinkörnige, meist lockere Substrate wie Löss oder Geschiebemergel. Der großflächig verbreitete Boden ist von Natur aus ein Laubwaldstandort. Aus der reichlich anfallenden Streu bildet sich durch ein vielfältiges und intensives Bodenleben ein mächtiger Ah-Horizont mit Mull als Humusform aus. Durch den abwärts gerichteten Stoffstrom erfolgt nach und nach eine Auswaschung von Tonmineralen aus dem dadurch heller (fahl) werdenden Al– Horizont in den Unterboden.

In dem durch Mineralverwitterung bereits

verbraunten Unterboden führt die Tonanreicherung zu einer noch stärkeren Dunkelfärbung. Ah- und Al-Horizont können bis 0,5 m, das gesamte Bodenprofil bis zu mehreren Metern mächtig werden. Hoher Restmineralgehalt, viel Humus, austauschstarke Dreischichttonminerale und eine günstige Bodenstruktur machen Parabraunerden zu tiefgründigen, ertragreichen und leicht zu bearbeitenden Ackerböden.

82

Sie

Böden und Bodenerosion ___________________________________________________________________________

werden in Mitteleuropa z.T. seit über 1000 Jahren landwirtschaftlich genutzt. Bei ungenügender Bodenbedeckung neigen sie zur Erosion und das Befahren mit zu schwerem Gerät führt zur Verdichtung und Verminderung der günstigen Eigenschaften.

Historische Bodenerosion: Die Altsiedellandschaft des Strohgäus wird seit der Jungsteinzeitzeit (ca. 5000 v. Chr.), in stärkerem Maß seit der Keltenzeit, landwirtschaftlich genutzt. Damit wurde ein bis heute andauernder, überwiegend flächenhafter (denudativer) Bodenabtragungsprozess eingeleitet, der lokal auch linienhafte Bodenerosion mit einschloss (Rillen-, Runsen-Erosion). Die durch Landausbau und weitere Waldrodungen ab dem frühen Mittelalter und besonders im Spätmittelalter ausgelösten Abtragungsprozesse, die gerade bei Starkregen

besonders

heftig

waren,

führten

abermalig

zu

beträchtlichen

Anschwemmungen und Ablagerungen von Auelehm in den Talauen (Enz und Nebengewässer). Die flächenhafte Abschwemmung betrug fallweise bis zu 17 cm. Durch Vergleich mit angrenzenden Waldrändern, aber auch beim Vergleich der geschützten Ackerkrume unter Steinriegeln (z. B. bei Weinbergen) zeigt sich, dass die Waldbodenkante bzw. die Bodenoberfläche unter Steinriegeln bis um einem Meter höher liegt als das landwirtschaftlich genutzte Land (Felder, Weinberge).

Das

bedeutet, dass in 800 Jahren Weinbau jährlich 1,3 mm Bodenabtrag stattgefunden hat. Man kann leicht beobachten, dass flache Ackerlagen gegenüber dem angrenzenden Boden von Waldarealen um ca. 80 cm niedriger liegen, was seine Ursache in flächenhafter Bodenerosion (Denudation) hat.

Geht man von einer

kontinuierlichen ackerbaulichen Nutzung seit der Jungsteinzeit, also während 6–7000 Jahren aus, so bedeutet dies ein jährlicher Bodenabtrag von 0,12 mm. Tatsächlich dürfte der Bodenabtrag jedoch wesentlich höher gewesen sein. Im Taubertal liegen romanische Kirchenbauten unter einer 3 Meter hohen Schicht von Auelehm. Die mittelalterliche Rodung (Ausbauzeit) ab dem 12. Jahrhundert ist dafür verantwortlich.

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Böden und Bodenerosion ___________________________________________________________________________

Auch der tiefgründige Auelehm in der Talaue des Glemstals dürfte zum großen Teil recht jungen Datums sein. Während in der Jungsteinzeit bei der Zweifelderwirtschaft ein Brachjahr eingeschaltet wurde, aber auch im Mittelalter durch die Feldbrache der Dreifelderwirtschaft das Feld im Winter bedeckt war, ist dies heute durch die permanente Fruchtwechselwirtschaft nicht mehr der Fall. unbedeckte

Ackerkrume

können

Bodendecke leicht angreifen.

insbesondere

Durch die winterlich

Starkregen

die

ungeschützte

Kommt dann noch eine geneigte Bodenoberfläche

hinzu, so kann insbesondere bei schweren Lehmböden die flächenhafte Erosion leicht angreifen.

Aktuelle Bodenerosion Bodenerosion ist eine natürliche Erscheinung, bei der durch Wasser oder Wind Bodenpartikel abgetragen werden. Erosion durch Wasser wird begünstigt durch eine Kombination verschiedener Faktoren: steile Hanglagen, heftige Niederschläge und spärliche Bodenbedeckung können insbesondere bei Böden mit instabiler Struktur zu Verlust von Bodensubstanz und letztlich zum Verlust von Bodenfunktionen führen. Durch nicht angepasste Nutzung, wie ackerbauliche Nutzung in hängigem Gelände, große Schläge und geringe Bodenbedeckung zurzeit von Starkniederschlagsereignissen im Frühjahr, kann der Bodenabtrag erheblich verstärkt werden. Böden, die auf Grund der Bodenstruktur durch Wassererosion gefährdet sind, sind im Strohgäu weit verbreitet.

So nimmt der Bodentyp der erodierten

Parabraunerde aus Löss die größten Flächenanteile ein.

Die erodierten

Parabraunerden sind regelmäßig mit Schwemmlandböden, sogenannten Kolluvisolen, vergesellschaftet, Böden also, die aus den in Hohlformen zusammengeschwemmten Oberböden der erodierten Parabraunerden entstanden sind. Neben dem flächeninternen Abtrag von Böden und dem Auftrag auf Böden (onsite-Schäden), wird aber auch Bodenmaterial bei ungünstigen Bedingungen vollständig über das Fließgewässernetz aus dem Gebiet ausgetragen und führt zum Beispiel zur Sedimentüberdeckung von Wegen, Eintrag in Gewässer o.ä. (offsite-

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Böden und Bodenerosion ___________________________________________________________________________

Schäden). Mit der Bodensubstanz gehen Nährstoffe verloren, die dann zur Belastung von Gewässern führen können. Böden sind dann auch ihrer Funktion beraubt, Wasser, insbesondere bei Starkniederschlags-Ereignissen, zwischen zu speichern und langsam abzugeben. Die Folge ist ein beschleunigter Abfluss des Niederschlagswassers und vermehrt auftretende Hochwasserereignisse. Daneben ändert sich auch das Kleinklima, denn die Luft über entwässerten Böden wird weniger stark durch Aufnahme von Feuchtigkeit abgekühlt. Wenn Boden durch den Einsatz schwerer Maschinen mechanischem Druck ausgesetzt wird, kommt es, vor allem bei nassem Boden, zu Bodenverdichtungen. Verdichtungen vermindern das Porenvolumen, der Boden büßt seine Fähigkeit zur Wasserspeicherung teilweise oder völlig ein. Deshalb wird Bodenverdichtung auch als schleichende Bodenversiegelung bezeichnet, die, ähnlich wie die tatsächliche Versiegelung, zur Verstärkung von Hochwasserereignissen beiträgt

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Parabraunerde auf Löss. (Quelle: www.themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de).

Pararendzina. (Quelle: www.themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de).

Erosionskante am Südrand des Zeilwaldes. Das angrenzende Ackerland erlitt hier seit der jungsteinzeitlichen Ackernutzung eine flächenhafte Erosion mit Tieferlegung der Bodenoberfläche um bis zu ½ Meter. (Foto: Johannes Wagner, Mai 2007).

Unterschiedlich starke Erosion unter Wald und im Altsiedelland auf Löss. (aus: S. Müller: Die Böden unserer Heimat, 1976) Die intensive ackerbauliche Nutzung hat zu den folgenden Konsequenzen geführt: Während wir unter dauerhaft bewaldeten Flächen auch heute noch das komplette Profil der Parabraunerde antreffen, wurden die Bodenprofile auf benachbarten Ackerflächen durch die fortwährende Erosion z.T. so stark geköpft, dass die entkalkten Horizonte gänzlich abgetragen wurden, so dass heute der Rohlöss des C-Horizontes an der Oberfläche ansteht, auf dem sich infolge der Bewirtschaftung eine Pararendzina mit einem wenig mächtigen AhHorizont ausgebildet hat. Solche Situationen lassen sich in den lössreichen Gäulandschaften vor allem im Vorfrühling, wenn der Boden abtrocknet, die Saat aber noch nicht deckt, besonders gut beobachten: Gegenüber der ursprünglichen braunen Farbe der Parabraunerde heben sich die stärker erodierten Bereiche, die nunmehr von einer Pararendzina oder gar einem Lössrohboden bedeckt werden, durch ihre helle Farbe augenfällig ab.

Acker auf Lössboden im Strohgäu. (Foto: Wikipedia).

Beim Anbau von Mais ist der Boden lange unbedeckt und anfällig für Bodeneerosion. (Foto: S. Marahrens. Umweltbundesamt).

Anhang: Geologie des Leudelsbachtales ___________________________________________________________________________

Anhang: Geologie des Leudelsbachtales Geologie und Flussgeschichte1 Südöstlich von Markgröningen entspringt der 6 km lange Leudelsbach in einer flachen Talmulde in 295 m ü. NN auf der Gemarkung Möglingen und mündet oberhalb von Bissingen in 186 m ü. NN in die Enz, die hier mit einem markanten Talmäander weit nach Süden ausgreift. Sein Gefälle beträgt 18,2‰. Der Leudelsbach und alle nennenswerten Zuflüsse (Furt-, Ried-, Hanf- und Andelsbach) entwässern Teilfächen des Langen Feldes, einer mit fruchtbarer Lössauflage versehenen Lettenkeuperhochfläche (Unterer Keuper, ku). Die Keupertone sind Sperrschichten und damit Quellhorizonte für das eingesickerte und zum Grundwasser gewordene Niederschlagswasser. Diese befinden sich geologisch aufgewölbt an den Möglinger Ortsrändern, so dass die Quellbäche sich in der wasserreichen Talmulde von Möglingen (LeudelsbachSenke) treffen. An den früher an der Oberfläche sich zeigenden Wasserreichtum erinnern noch Namen wie „Mühlweg“, Gewann „Löscher“ und Teiche (wovon heute nur noch einer übrig geblieben ist). Schon 1453 wurde die Möglinger Mühle erwähnt, die durch das Wasser des Leudelsbaches angetrieben wurde.

1732 wurde die Getreidemühle

stillgelegt; mit der Wasserkraft wurde nun für einige Jahre eine Druckpumpe betrieben, mit der das Wasser des Leudelsbaches in einem unweit der Mühle auf dem Wollenberg erbauten kleinen Wasserturm gepumpt wurde, von wo das Wasser zum Marktbrunnen in Ludwigsburg geleitet wurde. Ab 1738 wurde die Mühle wieder instand gesetzt. Bis zur Stilllegung (1904) hatte die Mühle ein 5,85 m hohes, oberschlächtiges Wasserrad. Ab der Ölmühle unterhalb der Straße Markgröningen Tamm schneidet sich der Leudelsbach in das im Raum Markgröningen rund 90 m mächtige Schichtpaket des Oberen Muschelkalkes ein.

Augenfällig wird dies durch eine Veränderung der

Talformen. Der Bach bildet in den „morphologisch weichen“ Schichten des Lettenkeupers nur ein flaches Muldental aus. Zwischen Talboden und Hängen entsteht ein sanfter,

86

Anhang: Geologie des Leudelsbachtales ___________________________________________________________________________

konkaver Übergang, der am Oberhang konvex wird. Daraus wird nach Erreichen des Oberen Muschelkalkes im harten Gestein schnell ein Kerbsohlental. Ursache für die Entstehung dieser Talform ist die Aufwölbung des Leudelsbach-Sattels, bei dem es sich um eine zu den Ausläufern des Schwäbisch-Fränkischen Sattels gehörende Schichtverbiegung handelt. Diese Schichtverbiegung bewirkt hier eine Anhebung der Schichtgrenze zwischen dem Oberen Muschelkalk und dem Unteren Keuper. Der Bach ist damit zur Eintiefung in das harte Gestein gezwungen worden. Die Hänge zwischen Ölmühle und Enz werden durch Gesteine des Oberen Muschelkalkes gebildet. Älteste angeschnittene Schicht ist der Trochitenkalk (mo 1), der aus dunklen Kalksteinschichten im Wechsel. mit grobkristallinen, Fossilien fahrenden Kalkbänken besteht.

Über dem Trochitenkalk folgt der aus Schalen-

trümmerbänken, Tonmergeln und dolomitischen Lagen bestehende Ceratitenkalk (mo2).

Den Abschluss der Muschelkalkfolge bildet die dolomitische Region des

Oberen Muschelkalkes (mo). Während die östliche Hochfläche des Rotenackerwalds naturräumlich noch dem Langen Feld zugeordnet wird, gehört der Ruxart bereits der Glems-Strudelbach-Platte an. Die Hochflächen des Rotenackers und des Ruxart sind fast vollständig von den Gesteinen des Unteren Keupers (ku) bedeckt.

Karbonatische, sandige und tonige

Bänke wechseln. An den nord- und ostexponierten Hängen finden wir im Lee gering mächtige Löss-Überdeckungen. Flächenhaft verbreitete Buntsandsteingerölle auf den Hochflächen zeugen vom ehemaligen Verlauf der Enz, der bis zu 100 m über der heutigen Talsohle lag. Der Talboden des Leudelsbaches weist wie alle Täler der näheren Umgebung eine unterschiedlich mächtige Füllung mit Lockergesteinen auf.

Die durch

Waldrodungen ab dem frühen Mittelalter aufgelösten Abtragungsprozesse führten auch im Leudelsbachtal (wie im Glemstal) zu Anschwemmungen in den Talauen. Intensiver Ackerbau im fruchtbaren Einzugsgebiet des Leudelsbaches hat zur Ablagerung von Auelehmen im Unterlauf geführt.

Es ist denkbar, dass durch die zunehmenden

Wassermengen (Zersiedlung des Einzugsgebietes) nun eine Umkehr dieses 1

Nach H. Ballmann, 1991. 87

Anhang: Geologie des Leudelsbachtales ___________________________________________________________________________

Ablagerungs- und Abtragungsprozesses eintritt. Auf seinem 2,7 km langen Weg von der Ölmühle (Höhe 246,7 m ü. N.N.) bis zur Enz überwindet der Bach ein Gefälle von immerhin 60 Metern (22‰). Die durch die Zersiedlung des Einzugsgebietes bewirkte Erhöhung von Hochwasserspitzen hatte in den letzten Jahrzehnten verstärkte Tiefenund Steinerosion zur Folge.

Mit massiven Uferverbauungen wurde versucht, die

Abtragung in der oft nur 20 Meter breiten Talsohle zu verhindern. Schlammablagerungen in der Enz zeigen den geringen Erfolg dieser Maßnahmen. Der Saurierfund im Rotenackerwald2 Über dem Leudelsbachtal liegen rechts am Weg der Hochspannungsleitung ehemalige und jetzt verfüllte Steinbrüche des hier 8–9 m mächtigen, 200 Millionen Jahre alten Lettenkeupersandsteins (ku). Hier fand der 17-jährige Tübinger Student Frederik Endlich im Jahr 1967 einen Schädel des Mastodonsaurus giganteus, der größten Art der heute ausgestorbenen Panzerlurche. Der Schädel ist im Staatlichen Museum für Naturkunde seit 1985 ausgestellt. Der dreieckige Schädel ist 0,75 m lang und wird aus kräftigen Knochenplatten gebildet.

Daher die Bezeichnung

„Panzerlurch“. Es ist der unter den in anderen Fundorten geborgenen Exemplaren das schönste Exemplar. Das Tier war ein gewaltiger Räuber, denn seine Zähne erreichten bis 9 cm Länge. Das ganze Skelett kam nicht zum Vorschein, doch mag das Tier vom Kopf bis zum Schwanzende 3–4 m gemessen haben. Trotz seines Namens war er kein echter Saurier, kein Reptil. Im Jugendstadium lebte er im Wasser und atmete mit Kiemen. Er war ein Lurch wie unsere Salamander und Frösche. Doch an Stärke und Größe konnte er es mit jedem echten Saurier (seiner damaligen Zeit!) aufnehmen. Die echten Saurier schlüpfen bekanntlich sogleich aus dem Ei oder werden lebendig geboren, während beim Mastodonsaurus ein Larvenstadium vorausging. Die Lettenkeupersandsteine enthalten Kohleschmitzen, die aus versunkenen Wäldern stammen. Hieraus kann die ehemalige Umwelt des Mastodonsaurus wie folgt rekonstruiert werden:

In der Lettenkeuperzeit bestand hier ein Wattenmeer, eine

Küstenlandschaft mit vielen Lagunen. Vom nahen Festland trugen Flüsse Sand, Tone 2

Nach Lothar Buck, 1989. 88

Anhang: Geologie des Leudelsbachtales ___________________________________________________________________________

und gelösten Kalk herbei, der mit dem Ton vermischt die Mergel ergab. Auf dem flachen Meeresgrund wurden die Schichten abgelagert. Es herrschte ein warmes Klima. In den Lagunen entstand ein Sumpfwald aus Farn- und Schachtelhalm-Bäumen. Wiederholt ging er unter und wurde von Sand bedeckt.

Dies war der bevorzugte Lebensraum und das Jagdrevier des Mastdon-

saurus., wo er Jagd auf Fische machte.

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Leudelsbachtal beim Oberen Wannenberg. Weinberg, Sozialbrache, Kiefernwald. Ein tektonischer Sattel führte hier zur Taleintiefung im Oberen Muschelkalk. (Foto: Grüninger, 13.4.2014; aus Wikipedia).

Lebensbild des Mastodonsaurus giganteus in der Lettenkeupersandstein-Zeit. (Quelle: mtichy.net)

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Forum zur Paläontologie Paläontologie-Portal Fossilien-community mit hervorragenden Bildmaterial.

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Hochwasser-Vorhersage-Zentrale BadenWürttemberg/LfU

Naturfotographie www.glemstal.info

Glemstal-Seiten des Naturfotographen 95

Internet-Adressen ___________________________________________________________________________

Thomas Gölzer Homepage des Naturfotographen Thomas Gölzer; umfangreiche Bilderseiten über das Glemstal; e-mail: [email protected]

www.thomas-goelzer.de/index.html

Luft- und Satellitenbilder www.gbif,se/coordex/getmap.php?sid=24833

http://plasma.nationalgeographic.com

www.stadtplandienst.de

www.satelliteviews.net

Hochauflösende Satellitenbilder (Google) vom Aufnahmedatum 4.7.2006. Die Bilder sind vor Ort ausdruckbar, jedoch nicht speicherbar. Ausdruckbare Weltkarten und Satellitenaufnahmen (weltweit) maximal nur bis zum Maßstab ca. 1:80 000 Luftbilder von Deutschland (M. 1:100 000 bis 1:3 000) Weltkarten und Satellitenaufnahmen (weltweit) Einführung in die Interpretation von Satellitenaufnahmen

www.satgeo.de

Varia http://www.landkreisGlems-Mühlen-Weg (mit ludwigsburg.de/pdf/tourismus/glemsradwande herunterladbarer Radwanderkarte rkarte.pdf www.strohgaeu.de

Strohgäu-Magazin (Bürgermagazin)

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Adressen ___________________________________________________________________________

Adressen Institution

Adresse

Internet

Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg Gewässerdirektion Neckar Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg Hochwasser-Vorhersage-Zentrale Baden-Württemberg (hvz Baden-Württemberg) bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Regierungspräsidium Stuttgart

Stuttgart

www.umweltakademie.b aden-wuerttemberg.de

Besigheim 79095 Freiburg i. Br.

www.lgrb.uni-freiburg.de www.hvz.badenwuerttemberg/neckar.sht ml)

Stuttgart

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www.rp.badenwuerttemberg.de