112 99 12MB
German Pages 171 Year 1997
DEUTSCHES
INSTITUT
FÜR
WI R T S C H A F T S F 0 R S C H U Ν G
BEITRÄGE ZUR STRUKTURFORSCHUNG
HEFT 166
Martin Gornig, Bernd Görzig, Claudius Schmidt-Faber und Erika Schulz
Entwicklung von Bevölkerung und Wirtschaft in Deutschland bis zum Jahr 2010 Ergebnisse quantitativer Szenarien
•Mil///
αl
/ Vine it Mrita sLj
DUNCKER & HUMBLOT
BERLIN
1997
Die Deutsche Bibliothek —CIP-Einheitsaufnahme Entwicklung von Bevölkerung und Wirtschaft in Deutschland bis zum Jahr 2010 : Ergebnisse quantitativer Szenarien / Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Martin Gornig ... [Schriftl.: Kurt Hornschild]. — Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Beiträge zur Strukturforschung ; H. 166) ISBN 3-428-09126-4 NE: Gornig, Martin; Hornschild, Kurt [Red.]; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung < Berlin >; GT
Herausgeber: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Königin-Luise-Str. 5, D-14195 Berlin Telefon (0 30) 8 97 89-0 — Telefax (0 30) 8 97 89 200 Schriftleitung: Dr. Bernhard Seidel Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Carl-Heinrich-Becker-Weg 9, D-12165 Berlin Druck: ZIPPEL-Druck, Oranienburger Str. 170, D-13437 Berlin Printed in Germany ISSN 0171-1407 ISBN 3-428-09126-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @
Inhaltsverzeichnis
0
Zusammenfassung
1
Methodisches Vorgehen
6
31
1.1 Der Prognoseansatz
31
1.2 Beschreibung der Teilmodelle
39
1.3 Besonderheiten für Ostdeutschland
51
2
65
Entwicklung der Szenarienannahmen
2.1 Tendenzen in wichtigen Entwicklungsfeldern
65
2.2 Annahmen zu zwei Szenarien
81
3
86
Bevölkerung und Arbeitskräfteangebot
3.1 Vergangenheitsentwicklung und Prognoseannahmen
86
3.2 Ergebnisse der Bevölkerungsvorausschätzung
95
3.3 Entwicklung des Arbeitskräfteangebots
102
4
110
Nachfrage und Produktion
4.1 Entwicklungen des Außenhandels
110
4 . 2 Tendenzen der Binnennachfrage
114
4.3 Wachstumspfade der Produktion
124
5
Beschäftigung und Arbeitsmarkt
127
5.1 Produktivität und Beschäftigung
127
5.2 Entwicklungstendenzen am Arbeitsmarkt
133
6
138
Einkommensverteilung und -Umverteilung
6.1 Preise, Löhne und Gewinne
138
6.2 Abgaben und Transfers
150
6.3 Sektorale Finanzierungspositionen
156
Literaturverzeichnis
164
3
Tabellenverzeichnis
Tabelle 0/1
Bevölkerung und Erwerbspersonenpotential
24
Tabelle 0/2
Nachfrage und Produktion
25
Tabelle 0/3
Produktionspotential der Unternehmen
26
Tabelle 0 / 4
Beschäftigung und Arbeitsmarkt
27
Tabelle 0/5
Preisentwicklung
28
Tabelle 0 / 6
Staatshaushalt
29
Tabelle 0/7
Einkommensverteilung
30
Tabelle 1/1
Staatskonto Deutschland - nach Zurechnung der Zusatzschulden
64
Tabelle 3/1
Entwicklung der Einwohnerzahl 1990 bis 1994
94
Tabelle 3/2
Struktur und Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland
99
Tabelle 3/3
Struktur und Entwicklung der Bevölkerung in Westdeutschland 100
Tabelle 3 / 4
Struktur und Entwicklung der Bevölkerung in Ostdeutschland
Tabelle 3/5
Entwicklung von Erwerbspersonen und Erwerbspersonen-
101
potential
109
Tabelle 4/1
Nachfrage und Produktion in Deutschland
120
Tabelle 4/2
Nachfrage und Produktion in Westdeutschland
121
Tabelle 4/3
Nachfrage und Produktion in Ostdeutschland
122
Tabelle 4 / 4
Nachfrage und Produktion je Einwohner
123
Tabelle 5/1
Entwicklung des Produktionspotentials der Unternehmen in Deutschland
Tabelle 5/2
130
Entwicklung des Produktionspotentials der Unternehmen in Westdeutschland
Tabelle 5/3
131
Entwicklung des Produktionspotentials der Unternehmen in Ostdeutschland
132
Tabelle 5/4
Produktionsentwicklung und Arbeitsmarkt in Deutschland
135
Tabelle 5/5
Produktionsentwicklung und Arbeitsmarkt in Westdeutschland
Tabelle 5/6
Produktionsentwicklung land
136 und Arbeitsmarkt
in Ostdeutsch137
Tabelle 6/1
Preisentwicklung in Deutschland
144
Tabelle 6/2
Preisentwicklung in Westdeutschland
145
Tabelle 6/3
Preisentwicklung in Ostdeutschland
146
Tabelle 6/4
Einkommensverteilung in Deutschland
147
Tabelle 6/5
Einkommensverteilung in Westdeutschland
148
Tabelle 6/6
Einkommensverteilung in Ostdeutschland
149
Tabelle 6/7
Entwicklung des Staatshaushalts
155
Tabelle 6/8
Finanzierungspositionen in Deutschland
161
Tabelle 6/9
Finanzierungspositionen in Westdeutschland
162
Tabelle 6 / 1 0
Finanzierungspositionen in Ostdeutschland
163
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1/1
Modularer Aufbau des Szenarienmodells
34
Abbildung 1/2
Arbeitsablauf Szenarien 2 0 1 0
38
Abbildung 1/3
Parameter des Bevölkerungsmodells
41
Abbildung 1/4
Schema der Input-Output-Verflechtung
45
Abbildung 2/1
Typisierung der Szenarien 2 0 1 0
82
Abbildung 2/2
Zentrale Parameter der Szenarien 2 0 1 0
84
5
0
Zusammenfassung
Formulierung von Basisszenarien
Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich gegenwärtig in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Sie ist nicht nur durch eine konjunkturelle Schwächeperiode geprägt, sondern auch durch Entwicklungen, die - wenn der notwendige Anpassungsprozeß nicht gelingt - die mittel- und längerfristigen Perspektiven des Produktionsstandortes Deutschland gefährden.
In diesem Bericht ist versucht worden, das wirtschaftspolitische Umfeld in zwei quantitativen Szenarien einzufangen. Dabei geht es nicht darum, wirtschaftliche Entwicklungen detailliert in Wechselwirkung mit den sich verändernden Rahmenbedingungen zu beschreiben. Mit der Beschreibung zweier möglicher Entwicklungspfade, die jeweils aus einem konsistenten Bündel von Annahmen abgeleitet werden, soll vielmehr ein quantitatives Bild der Dimensionen in gravierenden Problembereichen wie Arbeitsmarkt, Sozialversicherung und Staatsfinanzen gezeichnet werden. Sie sollen insbesondere den wirtschafts- und gesellschaftspolitisch Handelnden Orientierungen über denkbare Entwicklungen und Gestaltungsspielräume geben. Die Beantwortung der Fragen, wie die wirtschaftlich relevanten Rahmenbedingungen mit den Instrumenten
der
Wirtschafts-,
Finanz-,
Technologie-,
Bildungs-,
Umwelt-
oder
Sozialpolitik konkret ausgestaltet werden können, muß weiteren Untersuchungen ebenso überlassen bleiben wie Projektionen zur Entwicklung in einzelnen Branchen/Sektoren.
Die Berechnungen zur Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung sind mit Hilfe des weiterentwickelten DIW-Szenarienmodells durchgeführt worden. Das Modell ist in seiner Struktur kein geschlossenes ökonometrisches Modell. Es setzt sich vielmehr aus kleinen Teilmodellen zusammen, die in einem iterativen Prozeß aufeinander abgestimmt werden. Quantitative Ergebnisse des einen Teilmodells gehen jeweils als exogene Vorgaben in andere Teilmodelle ein. Dies gilt auch für die Projektionen der Bevölkerungsentwicklung, die in Abstimmung mit den wirtschaftlichen Entwicklungspfaden vorgenommen wurden.
Rahmenbedingungen für die längerfristige
Wirtschaftsentwicklung
Auf der politischen Ebene werden die zentralen Herausforderungen an den strukturellen Wandel ausgelöst
von verbesserten Rahmenbedingungen für den internationalen Handel (WTOVereinbarungen). Dadurch verbessern sich die Chancen der Exportwirtschaft, aber auch die Wettbewerbsintensität
und damit der Anpassungsdruck
dürften
zunehmen;
von dem Entstehen supranationaler
Handelszonen mit nach innen offenen
Märkten und teilweise hohen Marktzutrittsbarrieren (EU, Nafta, Asian-Staaten);
von dem Umbruch in Osteuropa, der Öffnung Chinas und Entwicklungen in Lateinamerika, die einerseits neue Absatzmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft
bedeuten, andererseits aber auch neue Konkurrenzverhältnisse
und
Standortalternativen schaffen;
und nicht zuletzt von dem Integrationsprozeß zur Europäischen Währungsunion, der eine stärkere Zentralisierung der Wirtschaftspolitik und ein besser abgestimmtes Verhalten insbesondere der Geld- und Finanzpolitik in Europa bedingt.
Hinzu kommen ökonomisch/technologische Entwicklungen, wie
die zunehmende Globalisierung multinationaler Konzerne, die eine allmähliche Auflösung der traditionellen Standortbindung bedeutet;
das Aufkommen und die Verbreitung neuer Technologien wie der Informationstechnologie, die zu neuen Spezialisierungsmustern führen und neue, global organisierte Produktionsformen ermöglichen. Ergebnisse dieser Entwicklungen zeigen sich bereits heute: In den hochentwickelten Volkswirtschaften geht sowohl absolut als auch relativ (gemessen an der Gesamtbeschäftigung) die Zahl der industriellen Arbeitsplätze zurück, in der westdeutschen Industrie waren es von 1991 bis 1994 mehr als 1,1 Mill. 7
gewinnen
produktions-
und
konsumorientierte
Dienstleistungen
Bedeutung; lange Zeit regulierte und binnenmarktorientierte
weiter
an
Dienstleistungen
werden ähnlich wie Industriegüter von Konzernen über die Grenzen hinweg angeboten und sind zunehmend internationaler Konkurrenz ausgesetzt;
ist die Produktion von international handelbaren Waren und Dienstleistungen, bei denen sich die Vorteile der differenzierten Wirtschafts- und der leistungsfähigen Infrastruktur günstig auswirken, weniger gefährdet als die von Erzeugnissen, bei denen die Höhe der Lohnkosten in der Bewertung der Wettbewerbsposition im Vordergrund steht.
In einer
befriedigenden
Weise
kann diesen langfristig
ausgerichteten
Heraus-
forderungen an den Strukturwandel nur begegnet werden, wenn es auf mittlere Frist gelingt, gleichzeitig die anhaltende
konjunkturelle
Schwächeperiode
durch
an-
gemessene Reaktionen der Lohn-, Geld- und Finanzpolitik zu überwinden. Würde in der Bundesrepublik und in anderen EU-Staaten kurzfristig ein harter Restriktionskurs eingeschlagen, um die derzeitigen Staatsdefizite, die in erster Linie wegen der schwachen Konjunkturentwicklung stark gestiegen sind, unter die in den Maastricht-Vereinbarungen vorgegebene Schranke zu drücken, kommt es aufgrund der hohen wirtschaftlichen Verflechtung tumseinbußen.
der europäischen Länder auch dauerhaft
Werden hingegen die Interpretationsspielräume
des
zu WachsMaastricht-
Vertrages von den wirtschaftspolitisch Verantwortlichen in Deutschland und den anderen EU-Staaten für eine konjunkturgerechte Wirtschaftspolitik genutzt, ergeben sich zusätzliche Wachstumsspielräume.
Ein Integrationsszenario
In diesem Szenario wird damit gerechnet, daß sich weltweit eine günstige und stabile Wirtschaftsentwicklung
durchsetzt. Vorausgesetzt ist allerdings, daß in der EU
angesichts der gegenwärtig schwachen Konjunkturphase eine Wachstums- und konjunkturgerechte Lohn-, Fiskal- und Geldpolitik verfolgt wird. Damit dürfte am Ende dieses Jahrzehnts der Einstieg in eine Währungsunion gelingen, zum anderen könnten die Visegrad-Staaten stärker an die EU angebunden werden. Neben neuen internationalen Verflechtungen ist damit auch eine höhere Intensität der Außenwirtschaftsbeziehungen zu erwarten.
8
In diesem günstigen Umfeld wird eine hohe Wachstumsdynamik auch in Deutschland allerdings
nur
möglich
sein,
wenn
es den politischen
und
gesellschaftlichen
Institutionen gelingt, ein höheres Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu erreichen. Dabei ist es notwendig, ein günstiges Umfeld zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit und arbeitsrechtlicher Regelungen zu schaffen und durch permanente Weiterbildung das hohe Qualifikationsniveau der Beschäftigten zu sichern. Daneben kommt
der
ständigen
Modernisierung
der
Infrastruktur
und
einer
effizienten
Technologiepolitik eine Schlüsselrolle zu. Anstrengungen in diesen Feldern haben einen höheren Stellenwert als Maßnahmen, die pauschal bei den Lohnkosten ansetzen.
Weltweite
Wachstumsimpulse
Für die Abschätzung der globalen Wirtschaftsdynamik
sind die
institutionellen
Bedingungen des Welthandels von großer Bedeutung. Es wird angenommen, daß die Chancen, die sich aus der neuen Welthandelsordnung ergeben haben, für einen stabilen und fairen Welthandel auch wahrgenommen werden. Innerhalb Westeuropas ergeben sich darüber hinaus Impulse für einen verstärkten Warenaustausch durch den Wegfall der Wechselkursrisiken im Rahmen einer europäischen Währungsunion.
Die institutionellen Veränderungen im Welthandel und in der europäischen Union schaffen weltweit wirkende Investitionsanreize durch
•
die bessere Nutzung von Skalenerträgen,
•
die Vermeidung von Transaktionskosten,
•
neue Optionen zur Standortoptimierung und
•
verbesserte Voraussetzungen für eine wachstumsgerechte Geldpolitik.
Die damit verbundene weltweite Industrialisierungs- bzw. Modernisierungsstrategie mit Schwerpunkten vor allem in Südostasien, aber langfristig auch in Osteuropa, ist eine wesentliche Voraussetzung für eine Verstärkung der Wachstumsdynamik. Dieser Entwicklung entsprechen Zuwachsraten für die weltweite Produktion von rund 3 vH jährlich bis zum Jahre 2010; für das Welthandelsvolumen wird ein Wachstum von durchschnittlich etwa 5 vH erwartet.
9
Partizipationschancen
Deutschlands
Inwieweit der Produktionsstandort Deutschland von den weltweiten Investitionsimpulsen profitieren kann, ist wesentlich von der Einschätzung der Standortqualität abhängig. Entscheidend für die Wettbewerbsstärke der früheren Bundesrepublik waren vor allem Vorsprünge im Qualitätswettbewerb, unterstützt durch eine hervorragende Infrastrukturausstattung und ein breit gefächertes und hohes Qualifikationsniveau der Beschäftigten. Der hohen Produktivität standen und stehen ein vergleichsweise hohes Lohnniveau und eine überdurchschnittliche Abgabenquote gegenüber.
Mit der voranschreitenden Industrialisierung der Schwellenländer in Südostasien und Lateinamerika sowie der Öffnung Osteuropas sind neue Märkte entstanden, aber auch Konkurrenten im Welthandel hinzugetreten. In diesen Ländern sind im Vergleich zu Deutschland vor allem die Lohnkosten weitaus niedriger. Gleichzeitig besitzen diese Länder
Potentiale,
auch
in
technologisch
höherwertige
Produktionsbereiche
einzudringen. Bei den mittelosteuropäischen Staaten kommt hinzu, daß sie aufgrund der räumlichen Nähe zusätzlich bei transportkostenintensiven
Produktionen als
Konkurrenten auftreten.
Die Folge dieser Veränderungen muß allerdings nicht zwangsläufig eine generelle Verschlechterung der Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft sein. Vielmehr kommt es darauf an, die Produktion noch stärker auf die speziellen Vorteile des Standortes Deutschland auszurichten, die auch künftig in der Kombination von guter Infrastrukturausstattung und hohem Ausbildungsstand der Beschäftigten besondere Qualitäten liegen. Im Zuge des technologisch-organisatorischen Wandels werden dabei Entscheidungen über unterschiedliche Standorte verstärkt auch innerhalb der Branchen stattfinden.
Auch bei den optimistischen Annahmen des Integrationsszenarios wird allerdings die Bedeutung der Bundesrepublik als Produktionsstandort
im weltweiten
Maßstab
abnehmen. Zwar eröffnen sich aus strukturellen Gründen im Zusammenhang mit der weltweiten
Industrialisierungs-
und
Modernisierungsstrategie
gerade
für
die
Bundesrepublik gute Exportmöglichkeiten, insbesondere für ihre leistungsfähige Investitionsgüterindustrie.
Die Exportzuwächse
werden
aber spürbar
unter
dem
Wachstum des Welthandels liegen. Für den gesamten Prognosezeitraum wird mit einem jahresdurchschnittlichen 10
Zuwachs der deutschen Exporte von 4
V2 vH
gerechnet. Nicht nur als Bezugs-, sondern auch als Absatzmärkte werden dabei Südostasien und langfristig auch Osteuropa an Bedeutung gewinnen.
Die Importe dürften unter Berücksichtigung der erwarteten inländischen Nachfrageentwicklung und der spezifischen Erhöhung der Importquoten jährlich um knapp 4 vH expandieren. Im Integrationsszenario wird die Bundesrepublik damit künftig wieder mit realen Außenhandelsüberschüssen rechnen können. Die Spitzenwerte, die in den achtziger Jahren in Deutschland vor der Vereinigung zu verzeichnen waren, dürften aber bei weitem nicht mehr erreicht werden.
Wachstumspfade
in West und Ost
Motor für die wirtschaftliche Entwicklung sind die Investitionen der Unternehmen. Als Folge der günstigen Investitionsbedingungen im Integrationsszenario werden hier für den Prognosezeitraum in Deutschland insgesamt Zuwächse erwartet, obwohl die Investitionsdynamik im Vergleich zu den aufholenden Staaten in Südostasien oder Mittel- und Osteuropa deutlich zurückbleibt. Die Investitionen der Unternehmen ohne Wohnungsvermietung werden im Jahresdurchschnitt um knapp 3 vH zunehmen.
In Westdeutschland müssen die Investitionsraten in den nächsten Jahren sogar deutlich höher liegen, wenn der hier gezeichnete Wachstumspfad erreicht werden soll. Der Grund hierfür ist der scharfe Investitionseinbruch in den Jahren 1993 und 1994. Er hat dazu geführt, daß sich das Wachstum des Kapitalstocks in Westdeutschland stark verlangsamt hat, in einigen Bereichen des verarbeitenden Gewerbes nimmt gegenwärtig das Produktionspotential sogar ab.
In der Vergangenheit ist die Kapitalproduktivität bis zur Vereinigung, mit abnehmendem Tempo, ständig gesunken. Ihr vorübergehender Anstieg, der sich im Zuge der Vereinigung ergeben hatte, dürfte ausschließlich auf die während dieser Zeit erfolgte verstärkte Ausweitung der betrieblichen Nutzungszeiten zurückzuführen sein. Für die nächsten Jahre wird wieder ein Sinken der potentiellen Kapitalproduktivität erwartet.
Diese Entwicklung führt nicht zu Einbußen bei der Kapitalrentabilität, da der Anteil der Lohneinkommen an der Bruttowertschöpfung
weiter zurückgeht, die steuerliche
Belastung der Unternehmen vermindert wird und - die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe Lebensdauer der Anlagen - tendenziell abnehmen dürfte. 11
Bei einer solchen Konstellation wird sich die vorübergehende Abschwächung des Anstiegs der Arbeitsproduktivität
Ende der achtziger Jahre nicht fortsetzen.
In
Teilbereichen wie der Telekommunikation dürfte es sogar im Zuge der raschen Umsetzung technologisch-organisatorischer Innovationen zu kräftigen Produktivitätssprüngen kommen, die sich allerdings nur begrenzt auf die Zunahme der Produktion je Erwerbstätigen insgesamt niederschlagen werden.
In Ostdeutschland haben die Investitionen in den letzten Jahren bereits ein Niveau erreicht, das mittelfristig eine beträchtliche Ausweitung des Produktionspotentials bewirkt. Die Altanlagen aus DDR-Zeiten verlieren immer mehr an Bedeutung. Damit beschleunigt sich auch die Anpassung an westdeutsche Produktionsverhältnisse; der Rückstand zu Westdeutschland ist allerdings immer noch beträchtlich. Hinzu kommt, daß sich aufgrund der schwachen Nachfrageentwicklung in Westdeutschland und der abnehmenden, durch Transfers initiierten Nachfrageimpulse in Ostdeutschland die Absatzerwartungen gegenwärtig verschlechtert haben.
Eine weitere Ausweitung der Investitionen in Ostdeutschland ist daher auf mittlere Frist sehr unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Die Gefahren eines Investitionseinbruchs in Ostdeutschland haben deutlich zugenommen. Hier ist jedoch unterstellt worden, daß - im Zuge einer rasch verbesserten konjunkturellen Entwicklung in Westdeutschland und einer Aufrechterhaltung des hohen Niveaus der Investitionsförderung in Ostdeutschland - zumindest im Durchschnitt das derzeitige
Investitionsvolumen
beibehalten wird. Mit der Fortsetzung der Modernisierung - Austausch alter, aus DDRZeiten stammender Anlagen durch neue Anlagen - würde sich mittelfristig mit der Angleichung an das westdeutsche Produktivitätsniveau die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft auch im Durchschnitt deutlich verbessern.
Ein wesentlicher Baustein zur weiteren Verbesserung der Standortbedingungen in Deutschland sind Investitionen in die Infrastruktur. Ihre Erhöhung ist in der gegenwärtigen Phase der wirtschaftlichen Entwicklung von zentraler Bedeutung. Dies heißt nicht, staatliche Investitionsprogramme aufzulegen, sondern gezielt die Spielräume zum Ausbau und zur Modernisierung der wirtschaftsnahen Infrastruktur zu nutzen.
Kommt ein solcher Investitionsprozeß im privaten und öffentlichen Bereich in Gang, so werden in Deutschland und Europa - auch bei den anderen Komponenten der inländischen Nachfrage - insgesamt positive Impulse ausgelöst. Die damit geschaffe12
nen Entwicklungsbedingungen lassen einen spürbaren Anstieg von Beschäftigung und Einkommen zu. Auch bei wieder steigender Sparquote eröffnen sich für den privaten Verbrauch erhebliche Wachstumspotentiale. Eine solche Entwicklung ist aber nur zu erwarten, wenn gleichzeitig die Belastung der privaten Haushalte mit direkten und indirekten Steuern insgesamt nicht weiter erhöht wird.
Aus den genannten außen- und binnenwirtschaftlichen Tendenzen ergibt sich im Integrationsszenario
für das Gesamtaggregat
der Produktion
in Deutschland -
gemessen am Bruttoinlandsprodukt - eine jahresdurchschnittliche Wachstumsrate von annähernd 2 Vi vH bis zum Jahre 2010. In Ostdeutschland wird das Wirtschaftsw a c h s t u m mit 5 Vi vH weiterhin überdurchschnittlich sein; in Westdeutschland schwenkt die Entwicklung mit der hier erwarteten konjunkturellen Erholung auf einen Pfad von 2 vH jährlich ein. Im langfristigen Vergleich liegt die Wachstumsrate Deutschlands damit leicht über dem Trend der siebziger und achtziger Jahre in Westdeutschland. In weltweiter Betrachtung liegen Regionen wie Südostasien, Lateinamerika oder Mittel- und Osteuropa im Wachstum vorn; das Wachstumstempo in der Bundesrepublik liegt, wie in vielen anderen Industrieländern auch, unter dem Durchschnitt, so daß ihr Anteil an der Weltproduktion weiter zurückgeht.
Bevölkerung: Umbrüche im Altersaufbau bei stabilem Niveau
Die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland hängt wesentlich auch von der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Dies gilt vor allem für die Zuwanderungen, die die Bevölkerungsverluste durch den deutlichen Sterbeüberschuß kompensieren. Wie hoch der Wanderungsüberschuß sein wird, hängt dabei einerseits von den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in den potentiellen Auswanderungsländern ab (Push-Faktoren). Andererseits wird er vor allem bestimmt von der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes in Deutschland (Pull-Faktoren).
Stabilisiert
sich die wirtschaftliche
und politische
Entwicklung
in Mittel-
und
Osteuropa, nimmt der Einwanderungsdruck auf die Bundesrepublik tendenziell ab. Aufgrund des weiterhin hohen Wohlstandsgefälles ist dennoch von einer hohen Zahl von Einwanderungswilligen auszugehen. Bei gleichzeitig verbesserter Arbeitsmarktlage in Deutschland wird im Integrationsszenario bis zum Jahre 2 0 1 0 insgesamt mit einer Nettozuwanderung von fast 4 Millionen Personen gerechnet. Sie reicht bis zu Beginn des nächsten Jahrzehnts aus, um die Verluste aus der natürlichen Bevölkerungs13
entwicklung auszugleichen. Bedingt durch den hohen Einwanderungsüberschuß in den nächsten Jahren wird die Einwohnerzahl im Jahre 2 0 1 0 um mehr als 1 Million Personen höher liegen als 1994, also bei 82,5 Millionen Personen. Der Ausländeranteil wird dabei von 9 vH auf rund 14 vH steigen. Die wanderungsbedingten Nettozugänge werden weitgehend auf Westdeutschland entfallen. Für Ostdeutschland wird mit einer konstanten Bevölkerungszahl von rund 15 Millionen Einwohnern gerechnet.
Während im Bevölkerungsniveau vergleichsweise geringe Veränderungen erwartet werden, verschiebt sich die Altersstruktur beträchtlich. Gegenüber 1994 wird die Zahl der 60jährigen und älteren Personen um 5 Millionen zunehmen und deren Anteil an der Gesamtbevölkerung steigen, von 21 vH auf 26 vH.
Der Altenquotient (Zahl der
60jährigen und älteren Personen, bezogen auf die Zahl der 20 bis unter 60jährigen) erhöht sich von 36 vH (1994) auf 46 vH im Jahre 2010. Trotz leichter Anteilsverluste wird die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 60 Jahre) weiter zunehmen. Bei einer gleichzeitig steigenden Erwerbsbeteiligung der Frauen in Westdeutschland und einer weiterhin über dem westdeutschen Niveau liegenden Erwerbsbeteiligung
in
Ostdeutschland
ist
auch
für
das
gesamtdeutsche
Erwerb-
spersonenpotential bis zum Jahre 2010 mit einem Zuwachs zu rechnen, er wird rund 1 Million Personen betragen. Dies bedeutet, daß sich - anders als noch Ende der achtziger Jahre erwartet - ein weiterhin zunehmendes Angebot an Arbeitskräften abzeichnet.
Entlastungen am Arbeitsmarkt
möglich
Die Wachstumsdynamik im Integrationsszenario ist mit positiven Wirkungen auf die Beschäftigung verbunden. Die nur geringen Unterschiede in der Entwicklung von Produktion und Arbeitsproduktivität, die in der Größenordnung von einem halben Prozentpunkt pro Jahr, reichen in der hier betrachteten Periode aus, um die Lage auf den Arbeitsmärkten zu verbessern. Die Zahl der Beschäftigten wird unter den Bedingungen des Integrationsszenarios im Jahre 2 0 1 0 in Deutschland um rund 3 Millionen Personen höher sein als im Jahr 1994 und etwa 38 Millionen Personen erreichen.
Die Zahl der registrierten Arbeitslosen wird allerdings nur um etwa 1 Million Personen niedriger liegen als heute. Die Abweichung zur Zunahme der Erwerbstätigenzahl beruht zunächst darauf, daß - wie hier angenommen - das Erwerbspersonenpotential weiter 14
steigt und in Deutschland verstärkt im Ausland ansässige Arbeitskräfte Beschäftigung suchen. Darüber hinaus wird es parallel zur Rückführung der registrierten Arbeitslosigkeit zu einem Abbau der stillen Reserve kommen. Im Jahre 2 0 1 0 dürften damit immerhin noch fast 3 Millionen Personen (registrierte Arbeitslose und stille Reserve) ohne Beschäftigung sein.
Für Westdeutschland wird erwartet, daß die Arbeitslosenquote auf etwa 6 vH sinkt. In Ostdeutschland bleibt der Grad der Unterbeschäftigung mit einer Arbeitslosenquote von 9 vH um rund die Hälfte höher. In Ostdeutschland spielt die sowohl altersstrukturals auch verhaltensbedingt höhere Erwerbsbeteiligung eine Rolle. In Relation zur Wohnbevölkerung wird die Beschäftigung in Ostdeutschland im Jahre 2 0 1 0 fast westdeutschen Verhältnissen entsprechen.
Moderate Lohn- und Preisentwicklung
Im Integrationsszenario ist für Westdeutschland mit einem Anstieg der Lohnsätze bis zum Jahre 2 0 1 0 in der Größenordnung von jährlich 3 Vi vH gerechnet worden; diese Rate liegt leicht unter dem Durchschnitt in den achtziger Jahren. Unter Berücksichtigung des Produktivitätsanstiegs
ist damit eine durchschnittliche
Zunahme der
Lohnstückkosten um etwa 2 vH verbunden. Das ist weniger als der längerfristige Preisanstieg des Bruttoinlandsprodukts von rund 2 Vi vH. Damit wird angenommen, daß die Unternehmen die erhöhten Kosten überwälzen können und gleichzeitig ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt weiter zunimmt, wenn auch wesentlich langsamer als im Durchschnitt der letzten 15 Jahre.
Die ostdeutsche Lohnentwicklung westdeutsche
Verhältnisse
ist durch eine zunehmende Angleichung
geprägt.
Dennoch wird
damit
gerechnet,
daß
an die
Durchschnittslöhne je Arbeitnehmer mit 93 vH auch im Jahre 2 0 1 0 noch nicht das westdeutsche Niveau erreichen werden. Die Gründe für dieses Zurückbleiben liegen vor allem in Unterschieden in den sektoralen und funktionalen Strukturen der Beschäftigung. So ist mit einem geringeren Anteil der relativ hoch vergüteten Beschäftigungsverhältnisse im industriellen Bereich und bei produktionsorientierten Dienstleistungen an der gesamten Erwerbstätigkeit zu rechnen. Der Hauptteil der Lohnangleichung vollzieht sich im Szenario in der nahen Zukunft, wenn auch nicht in dem Maße, wie in vielen Tarifverträgen festgelegt ist. 15
In Westdeutschland bewegen sich die Zuwächse bei den Lohnstückkosten im langfristigen Vergleich auf relativ niedrigem Niveau. In Ostdeutschland werden sie sich weiter abschwächen. Hier kommt auf der einen Seite zum Tragen, daß die Lohnzuwächse spürbar abnehmen. Auf der anderen Seite wirken sich die hohen Produktivitätszuwächse
aus.
Sie sind das
Ergebnis
des
Modernisierungsprozesses.
Im
Durchschnitt des Prognosezeitraumes werden daher die Lohnstückkosten schwächer als in Westdeutschland steigen und im Jahre 2010 ein gleich hohes Niveau erreichen. Im Zuge dieser Entwicklung vergrößern sich auch in Ostdeutschland die Spielräume für eine kräftige Ausweitung der Gewinne.
Bei der Abschätzung der künftigen Preisentwicklung in Deutschland muß berücksichtigt werden, daß nach der Vereinigung zunächst sehr große Unterschiede
im
Preisniveau zwischen West- und Ostdeutschland bestanden. Insbesondere in Bereichen mit staatlicher Einflußnahme lagen die Preise in Ostdeutschland deutlich niedriger. Nach der Vereinigung stiegen im Zuge der Anpassung an westdeutsche Verhältnisse die Preise in Ostdeutschland kräftiger als in Westdeutschland. Da die Preisniveauangleichung insbesondere bei den Verbraucherpreisen und den Wohnungsmieten noch nicht
abgeschlossen
ist, muß auch künftig
mit höheren Preissteigerungen
in
Ostdeutschland gerechnet werden, wenn auch nicht in dem Maße wie in der Vergangenheit.
Haushaltskonsolidierung
als längerfristige
Aufgabe
Eine der zentralen Aufgaben der nächsten Jahre ist es, die Zunahme der mit der Vereinigung sprunghaft gestiegenen Staatsverschuldung zu begrenzen. Zu den Schulden der öffentlichen Haushalte gehören dabei auch die Schulden der Bahn, der Treuhandanstalt und von Teilen der ostdeutschen Wohnungswirtschaft, Bundeseisenbahnvermögen
und im Erblastentilgungsfonds
die im
zusammengefaßt
und
1 9 9 4 / 9 5 auf den Staat übergegangen sind. Auch unter Berücksichtigung dieser früheren Nebenhaushalte gelingt es dem Staat unter den günstigen Bedingungen des Integrationsszenarios, den Anteil des Staatsdefizits am Bruttoinlandsprodukt bis zum im Jahre 2 0 1 0 weit unter die Marge zu drücken, die im Maastricht-Vertrag vorgesehen ist.
Die Wachstumsbeschleunigung, die sich im Integrationsszenario und damit auch für den Abbau der staatlichen Defizite ergibt, wäre jedoch gefährdet, wenn der Staat 16
nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen Ländern der Europäischen Union mit einem scharfen Restriktionskurs reagiert, um dem aktuellen Anstieg des Haushaltsdefizits über den im Maastricht-Vertrag festgelegten Grenzwerthinaus zu verhindern. Vielmehr muß die Finanzpolitik in der gegenwärtigen konjunkturellen Schwächephase die automatischen Stabilisatoren wirken lassen, in dem Steuermindereinnahmen und erhöhte Ausgaben der Sozialversicherungen
kurzfristig
toleriert
werden. Mit einer so ausgerichteten Finanzpolitik verbessern sich auf mittlere Frist die Chancen für
eine
Konsolidierung
des Staatshaushalts
stärker
als durch
eine
undifferenzierte Einschränkung der Staatsausgaben.
Bei einer solchen Strategie
ist auf der Einnahmenseite
des
Staatshaushaltes
längerfristig mit Verbesserungen zu rechnen. Sie reichen jedoch nicht aus, um für den Staat - auch steuerpolitisch - den notwendigen Handlungsspielraum zurückzugewinnen. Deshalb ist angenommen worden, daß es zur Erhöhung indirekter Steuern kommt. Dabei wurde auch berücksichtigt, daß sich die Besteuerung des Energieverbrauchs im Rahmen von EU-Vereinbarungen verstärken dürfte. Das erhöhte Steueraufkommen aus den indirekten Steuern wird weitgehend dazu genutzt, um die Steuerbelastung sowohl der Unternehmensgewinne als auch der Arbeitnehmereinkommen längerfristig zu senken.
Aufgrund der demographischen Veränderungen besteht auch im Sozialversicherungssystem ein starker Anpassungsdruck. Hier ist zunächst angenommen worden, daß die Sozialhaushalte entlastet werden, indem die versicherungsfremden Leistungen in wesentlich stärkerem Maße als bisher nicht über Sozialabgaben, sondern aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden. Notwendig sind aber auch Einsparungen im System der sozialen Sicherung selbst. Davon werden auch die Empfänger von Leistungen der Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht ausgenommen werden können; hier wurde angenommen, daß die Anpassung dieser Leistungen per saldo geringfügig hinter der Nettolohnentwicklung zurückbleibt. Unter diesen Bedingungen zeigen die Berechnungen, daß es bei relativ günstiger Beschäftigungsentwicklung im Integrationsszenario gelingt, die Finanzierung der Sozialversicherung bis zum Jahre 2 0 1 0 auch bei nur geringfügiger Anhebung der Sozialabgabenquote sicherzustellen.
Die gesamten Staatseinnahmen entwickeln sich im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt unterdurchschnittlich, so daß die Belastungsquote im Vergleich zu 1994 um etwa 17
einen Prozentpunkt zurückgeführt werden kann. Die Konsolidierung des Staatshaushalts wird damit nicht über eine erhöhte Abgaben- und Steuerquote, sondern über Ausgabenbegrenzungen erreicht. Der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt dürfte um rund 3 Vi Prozentpunkte sinken.
Größere Einsparpotentiale ergeben sich bei den im Staatsverbrauch zusammengefaßten Aufwendungen für das staatliche Dienstleistungsangebot. Werden die Prinzipien eines schlanken Staates verwirklicht und die angebotenen Dienstleistungen verbessert, so sinkt ihr Anteil an den Staatsausgaben von derzeit 41 vH auf 39 vH. Auch bei den Subventionen werden Einsparungsmöglichkeiten genutzt; ihr Anteil am Sozialprodukt wird von derzeit fast 4 vH auf 2 vH zurückgeführt. Unabdingbar bleibt es allerdings, den Investitionsprozeß in Ostdeutschland weiterhin zu unterstützen. Die Investitionszuschüsse werden trotz deutlicher Rückführung bis zum Jahre 2 0 1 0 - bezogen auf das Investitionsvolumen - fast dreimal so hoch ausfallen wie in Westdeutschland.
Aufgrund dieser Ausgabenbegrenzungen und der günstigen Einnahmensituation im Integrationsszenario eröffnen sich dem Staat wieder Handlungsspielräume, um neue Akzente zu setzen. Im Bereich der Sozialpolitik könnten zum einen zielgruppenadäquate Anpassungen im sozialen Netz finanziert werden. Zum anderen dürften im Zuge
eines
verbundenen
höheren
Stellenwertes
Sozialausgaben
weiter
familienpolitischer steigen.
Maßnahmen
die
Die Investitionsausgaben
damit für
die
Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur erhalten ebenfalls ein größeres Gewicht.
Ein Restriktionsszenario
Es gibt eine Reihe von Risiken, die einer "harmonischen" Auflösung der Konflikte, wie sie im Integrationsszenario beschrieben sind, entgegenstehen. Deshalb wurden in einem zweiten Szenario restriktivere Annahmen getroffen, die zusammengenommen die Perspektiven der Entwicklung deutlich eintrüben. Das Restriktionsszenario stellt somit ein Kontrastszenario dar, in dem gezeigt werden soll, mit welchen Einbußen an Entwicklungsdynamik zu rechnen ist, wenn das Bündel von Rahmenbedingungen und Politikparametern anders gesetzt wird als im Integrationsszenario.
18
Sch wache Wachstumsdynamik
Ungünstigere Rahmenbedingungen sind zunächst für den
außenwirtschaftlichen
Bereich angenommen worden: Im Restriktionsszenario werden die Chancen einer neuen Liberalisierungswelle für den Welthandel nur teilweise genutzt. Vorherrschend würde die voranschreitende Blockbildung in Nord-Amerika, Süd-Ost-Asien und Europa sein. Innerhalb der Europäischen Union setzen sich abgestimmte wachstumsorientierte Konzepte im Bereich der Geld-, Lohn- und Finanzpolitik nur zögerlich durch. Vor allem die Finanzpolitik in Deutschland und anderen europäischen Ländern, die das Ziel der Haushaltskonsolidierung einseitig mit insgesamt restriktiven Maßnahmen zu erreichen versucht, wird den Entwicklungsprozeß belasten. Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen wird unter diesen Bedingungen vor allem in Europa schwach sein. Für das Wachstum
der Weltwirtschaft
Restriktionsszenario 2Vi
und des Welthandelsvolumens
wurden
im
bzw. 3Vi vH angenommen.
Die Bundesrepublik wird in diesem Szenario als Investitionsstandort weiter an Bedeutung verlieren. Für Deutschland können unter diesen Umständen - insbesondere längerfristig - nur vergleichsweise geringe Exportzuwächse erwartet werden. Im gesamten Betrachtungszeitraum werden nur knapp 3 vH pro Jahr erreicht. Aufgrund der geringen Inlandsnachfrage werden auch die Wachstumsraten für den Import schwächer ausfallen als im Integrationsszenario. Da die Abschwächungen bei den Exporten wesentlich ausgeprägter sein werden als bei den Importen, ist im Restriktionsszenario - anders als im Integrationsszenario - weiterhin mit realen Einfuhrüberschüssen zu rechnen.
Solche Rahmenbedingungen schmälern die Chancen einer Verbesserung der Wirtschaftskraft Ostdeutschlands. Bei der gedämpften Nachfrageentwicklung außerhalb Deutschlands - und vor allem wegen der ungünstigeren Absatzmöglichkeiten in Westdeutschland - dürfte es zu einem kräftigen Rückgang der Investitionen kommen. Die innerdeutschen Außenhandelsdefizite können zwar auch in diesem Szenario vermindert werden, der Transferbedarf wird dennoch weit höher sein als im Integrationsszenario.
Für Deutschland insgesamt wird es in Verbindung mit den noch stärkeren Konsolidierungszwängen kaum noch zu einer Ausweitung der staatlichen Investitionen und Konsumausgaben kommen. Zudem wird tendenziell die Gesamtsteuerbelastung der 19
privaten Haushalte weiter zunehmen, so daß die Entwicklung des privaten Verbrauchs ebenfalls schwächer ausfällt.
Für das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland ergibt sich ein deutlich geringerer Wachstumspfad als im Integrationsszenario. Vor allem die Wachstumsdynamik in Ostdeutschland wird mit jahresdurchschnittlichen Zuwächsen von 3 Vi vH gegenüber dem Integrationsszenario stark zurückfallen; für Deutschland ergibt sich in diesem Szenario eine jahresdurchschnittliche Zuwachsrate von gerade einmal 1 Vi vH. Dies bedeutet aber auch, daß die gegenwärtig schwache Wachstumsdynamik, wie sich sich für 1996 abzeichnet, selbst in diesem Szenario erhöht werden müßte.
Der niedrige Investitionspfad geht dabei mit einer langsameren Diffusion moderner Techniken
im
Produktionsapparat
einher.
Die totale
Faktorproduktivität
wird
schwächer zunehmen als im Integrationsszenario. Davon betroffen ist sowohl die Arbeits- als auch die Kapitalproduktivität. Dabei ist zu berücksichtigen, daß angesichts des national wie international verlangsamten Wachstumstempos auch die Kapitalrentabilität geringer ausfällt. Der Produktivitätszuwachs je Erwerbstätigen wird unter diesen Bedingungen für die Gesamtwirtschaft jahresdurchschnittlich nur bei weniger als 1 Vi vH liegen.
Noch zunehmende Arbeitsmarktprobleme
Auch unter den Bedingungen des Restriktionsszenarios wird es zu einer Zunahme der Erwerbstätigenzahl kommen; sie fällt jedoch mit rund 1 Million Personen deutlich niedriger aus als im Integrationsszenario. In Ostdeutschland wird das Beschäftigungsniveau mit rund 6 Millionen Personen im Jahre 2 0 1 0 sogar niedriger liegen als heute.
Trotz der Zunahme der Erwerbstätigenzahl insgesamt kommt es im Restriktionsszenario zu keiner Entspannung auf den Arbeitsmärkten: Die Zahl der registrierten Arbeitslosen wird in Deutschland auch auf mittlere Frist bei knapp 4 Mill. Personen liegen und sich damit auf einem Niveau bewegen wie im konjunkturellen Tiefpunkt zu Beginn des Jahres 1996. Rechnet man noch die sogenannte Stille Reserve hinzu, wird das Erwerbspersonenpotential in Deutschland im Jahre 2 0 1 0 nur zu 83 vH ausgeschöpft; im Integrationsszenario sind es 88 vH.
20
Belastend für den Arbeitsmarkt wirkt sich dabei aus, daß die Wanderungssalden ähnlich hoch sind wie im Integrationsszenario. Wegen der geringeren Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes wird es zwar zu rigideren Zuwanderungsregelungen und höheren Fortzügen - vor allem von Arbeitskräften aus anderen EU-Staaten - kommen. Bei anhaltend instabiler wirtschaftlicher und politischer Lage in Osteuropa muß aber auch mit einem weit höheren Einwanderungsdruck
als im
Integrationsszenario
gerechnet werden. Die erwarteten Größenordnungen für die gesamtdeutsche Bevölkerung und auch das Potential von Erwerbspersonen werden in beiden Szenarien damit relativ dicht beieinander liegen.
Die hohen Zuwanderungen und Einpendlerzahlen wirken sich vor allem auf den westdeutschen Arbeitsmarkt aus. Die Arbeitslosenquote dürfte hier bei 9 vH liegen. In Ostdeutschland wird sich die Arbeitslosenquote mit rund 13 vH im Jahre 2 0 1 0 gegenüber dem heutigen Niveau ebenfalls kaum verringert haben.
Weiterhin
hohe Staatsverschuldung
Im Restriktionsszenario versucht der Staat, die Haushalte mit einer zurückhaltenden Politik zu konsolidieren.
Die Steuer- und Abgabenbelastung
bezogen auf
das
Bruttoinlandsprodukt steigt nicht nur gegenüber der Situation 1994, sondern auch gegenüber dem Integrationsszenario. Entlastende steuerpolitische Maßnahmen werden sich darauf beschränken, die Unternehmenssteuern partiell zu reduzieren, generelle strukturelle Entlastungen durch Rückführung der direkten Steuern insgesamt dürfte es nicht geben.
Stärkere Anstrengungen zur Begrenzung der Ausgaben werden nicht nur beim Staatsverbrauch unternommen, sondern auch bei den Investitionen, deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt
gegenüber
1994 nahezu eingefroren
wird. Auch bei den
Sozialtransfers an die privaten Haushalte übersteigen die Einsparungen das Ausmaß des Integrationsszenarios. Durch die höhere Zahl der Transferempfänger, insbesondere der Arbeitslosen, dürfte jedoch ein ähnlich großer Anteil der Staatsausgaben für Sozialtransfers verwendet werden.
Insgesamt kann zwar der Anteil der Nettoneuverschuldung am Bruttoinlandsprodukt zurückgeführt werden, er verbleibt jedoch auch langfristig nur knapp unterhalb der vom Maastricht-Vertrag vorgesehenen Grenze von 3 vH, so daß die Lage des 21
Staatshaushalts weiterhin angespannt bleibt. Damit dürfte die Rückführung der Schuldenquote nicht gelingen, so daß der Staatshaushalt auch weiterhin durch einen steigenden Anteil der Zinszahlungen belastet wird.
Schlußbemerkungen
Mit den hier vorgestellten Szenarien werden weder Extrempositionen von möglichen Entwicklungen
beschrieben,
noch Aussagen über die Wahrscheinlichkeit
einer
Entwicklung getroffen. Vielmehr geht es darum, aus plausiblen Annahmen über Rahmenbedingungen, Verhaltensweisen und Interdependenzen Pfade der wirtschaftlichen Entwicklung auf längere Frist in Form von Szenarien abzuleiten.
Die Szenarien haben deutlich gemacht, daß es keinesfalls ohne weiteres zu einer Rückkehr auf einen angemessenen Wachstumspfad kommen wird und auch eine Belebung der weltwirtschaftlichen Aktivitäten - für sich genommen - nicht ausreicht, diesen Prozeß zu bewerkstelligen.
Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Perspektiven ist nur möglich, wenn ein umfassendes wirtschaftspolitisches Paket geschnürt wird. Für das staatliche Handeln sind Schwerpunkte eines solchen Konzeptes:
•
die Ausweitung der öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur,
•
die Fortsetzung der überdurchschnittlichen Förderung der unternehmerischen Investitionsprozesse in Ostdeutschland
•
die Senkung der Steuerbelastung sowohl der Unternehmensgewinne als auch der Arbeitnehmereinkommen bei Anhebung der indirekten Besteuerung auf mittlere Frist,
•
Umstrukturierungen im Sozialbereich, die u.a. zu einer weitgehenden Ausgliederung der versicherungsfremden Leistungen aus den Sozialhaushalten führen.
Gefordert sind aber nicht nur die staatlichen Akteure, sondern auch die Tarifparteien: Es muß zu Reallohnsteigerungen kommen, die den Spielraum, der sich aus dem Produktivitätsanstieg ergibt, nicht vollständig ausschöpfen.
Das Integrationsszenario hat deutlich gemacht, daß die Prozesse, die von einer solchen wirtschaftspolitischen Strategie ausgehen, in Verbindung mit einer flankieren22
den Geldpolitik, die den Prozeß der Wachstumsbelebung unterstützt, zu Lösungen in wichtigen Problembereichen führen. Dies gilt für die Staatsfinanzen und die Sozialhaushalte. Und auch am Arbeitsmarkt kommt es im Gefolge einer solchen Strategie längerfristig zu einem Abbau von Arbeitslosigkeit.
23
Tabelle 0 / :
Bevölkerung und Erwerbspersonenpotential 1991
1994
Integrationsszenario
2010 Restriktionsszenario
in Millionen Personen 80,3
81,6
82,5
82,9
Altersstruktur in vH bis 20 Jahre 20 bis 60 Jahre 60 Jahre und älter
21,5 58,0 20,5
21,5 57,8 20,7
18,4 55,8 25,8
18,4 55,8 25,8
Erwerbspersonenpotential 1)
41,1
41,8
42,8
43,0
3,9
4,3
14.5 10.6
15,2 10,8
Bevölkerung Deutschland
nachrichtlich: Kumulierter Wanderungssaldo 2) Zuzüge Fortzügfe
-
-
-
-
7,6
8,9
13,9
14,0
Anteil des Erwerbspersonenpotentials in vH
51,2
51,2
51,9
51,9
Bevölkerung Westdeutschland Bevölkerung Ostdeutschland
64,5 15,8
66,1 15,5
67.2 15.3
68,2 14,7
Ausländeranteil in vH 3)
1) In der Abgrenzung des IAB.- 2) 1995 bis 2010.- 3) Ohne Einbürgerungen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; Schätzungen des DIW (1994); Szenarienmodell des DIW (2010).
24
Tabelle 0 / :
Nachfrage und Produktion 2010 1991
1994
Integrationsszenario
Restriktionsszenario
in Mrd. DM 1) Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
1629 555 655
1707 579 680
2461 726 1017
2195 669 893
Staat Wohnungsbau Unternehmen 2)
74 168 413
80 219 381
107 304 606
95 270 528
19 -4
21 -22
27 58
27 -13
714 718
718 740
1433 1375
1138 1151
Bruttoinlandsprodukt
2854
2965
4289
3771
Westdeutschland Ostdeutschland
2648 206
2709 256
3687 602
3315 456
Lagerveränderungen Außenbeitrag Export Import
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Staat Wohnungsbau Unternehmen 2) Lagerveränderungen Außenbeitrag
-
-
1,6 1,4 1,3
2,3 1,4 2,5
1,6 0,9 1,7
2,6 9,2 -2,7
1,8 2,1 2,9
1,1 1,3 2.1
-
-
-
-
-
-
-
-
-
0,2 1,0
4,4 3,9
2,9 2,8
Bruttoinlandsprodukt
-
1,3
2,3
1,5
Westdeutschland Ostdeutschland
-
0,8 7,5
1,9 5,5
1,3 3,7
Export Import
-
-
1) In west- bzw. ostdeutschen Preisen von 1991.- 2) Ohne Wohnungsvermietung. Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
25
Tabelle 0 / :
Produktionspotential der Unternehmen 1) 2) 2010 IntegrationsRestriktionsszenario szenario
Dimension
1991
1994
Bruttoanlagevermögen Kapitalproduktivität 3) Produktionspotential
Mrd. DM Tsd. DM Mrd. DM
5732 44 2511
6250 43 2708
10224 39 3964
9499 36 3400
Bruttowertschöpfung Auslastungsgrad
Mrd. DM vH
2223 89
2323 86
3551 90
3049 90
Kapitalintensität 4) Arbeitsplatzproduktivität 5) Arbeitsplätze
Tsd. DM Tsd. DM Mill. Pers.
172 75 33,3
196 85 31,9
302 117 33,9
294 105 32,3
Erwerbstätige Besetzungsgrad
Mill. Pers. vH
28,7 86
27,5 86
30,6 90
29,0 90
Arbeitsproduktivität 6)
Tsd. DM
78
84
116
105
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH
-
2,9 -0,4 2,6
3,1 -0,7 2,4
2,7 -1,2 1,4
Bruttowertschöpfung
-
1,5
2,7
1,7
Kapitalintensität Arbeitsplatzproduktivität Arbeitsplätze
-
4,4 4,1 -1,4
2,7 2,0 0,4
2,6 1,3 0,1
Erwerbstätige
-
-1,4
0,7
0,3
Arbeitsproduktivität
-
2,9
2,0
1,4
Bruttoanlagevermögen Kapitalproduktivität Produktionspotential
-
-
-
1) Ohne Wohnungsvermietung.- 2) In westdeutschen Preisen von 1991. - 3) Produktionspotential je 1000 Einheiten des Bruttoanlagevermögens. - 4) Bruttoanlagevermögen je Arbeitsplatz. - 5) Produktionspotential je Arbeitsplatz. - 6) Bruttowertschöpfung je Erwerbstätiger. Quellen: Statistisches Bundesamt; Potentialrechnung und Szenarienmodell des DIW.
26
Tabelle 0 / :
Beschäftigung und Arbeitsmarkt 1991
1994
2010 IntegrationsRestriktionsszenario szenario
in 1000 Personen Bruttoinlandsprodukt in Mrd. DM 1) Produktivität in 1000 DM 1) 2) Erwerbstätige im Inland
2854 78 36511
2965 85 34959
4289 113 37925
3771 105 36025
Pendlersaldo Erwerbstätige Inländer
-53 36564
4 34955
155 37770
125 35900
Erwerbspersonenpotential Angebotsüberschuß
41081 4517
41824 6869
42794 5024
43036 7136
Registrierte Arbeitslose Stille Reserve
2602 1915
3697 3172
2758 2266
3867 3269
6,6 5,5 10,7
9,6 8,3 14,8
6,8 6,2 9,1
9,7 9,0 12,8
2,8 1.4 13,3
1.8 1.4 4,8
1.3 1.0 3,8
nachrichtlich: Arbeitslosenquote in vH Westdeutschland Ostdeutschland Produktivitätszuwachs in vH 2) 3) Westdeutschland Ostdeutschland
-
1) Zu west- bzw. ostdeutschen Preisen von 1991.- 2) Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen.3) Jahresdurchschnittliche Veränderungen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Erwerbspersonenpotentialrechnung des IAB; Szenarienmodell des DIW.
27
Tabelle 0 / :
Preisentwicklung 2010 1991
1994
Integrationsszenario
Restriktionsszenario
Preisindex Westdeutschland 1991=100 97
109
164
170
98 95 99 100 100
109 104 107 102 97
156 162 170 134 120
163 166 176 128 117
Bruttoinlandsprodukt Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Ausfuhr Einfuhr
jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode Bruttoinlandsprodukt Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Ausfuhr Einfuhr nachrichtlich: Westdeutschland Preisindex BIP bereinigte Bruttolohnquote Lohnstückkosten Ostdeutschland Preisindex BIP bereinigte Bruttolohnquote Lohnstückkosten
-
-
3,7
2,6
2,8
3,6 3,3 2,7 0,7 -1,2
2,3 2,8 2,9 1,7 1,4
2,6 3,0 3,1 1,4 1,2
jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode
-
-
3,2 -0,8 2,3
2,5 -0,3 2,2
2,7 -0,2 2,5
10,7 -5,9 3,3
3,3 -1,8 1,3
3,5 -1,6 1,7
Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
28
Tabelle 0 / :
Staatshaushalt 1) 1991
1994
2010 Integrations- Restriktionsszenario szenario Mrd. DM
Einnahmen Indirekte Steuern Sozialbeitäge Lohnsteuern Gewinnsteuern u.ä. Ausgaben Bruttoinvestitionen Staatliches Dienstleistungsangebot 2) Sozialtransfers Transfers zur Förderung unternehmerischer Aktivitäten 3) Transfers an die Übrige Welt Zinszahlungen 4) Finanzierungssaldo
1165
1377
2950
2747
358 491 221 95
443 586 264 85
1023 1207 534 186
914 1139 531 163
1295
1498
3020
2924
74 535 429
89 616 531
200 1179 1162
180 1113 1113
147 62 48
128 61 75
171 149 158
184 120 215
-130
-121
-70
-177
40,8 45,4 -4,6 28,6
41,4 45,1 -3,6 38,8
40,7 41,7 -1.0 33,0
41,6 44,3 -2,7 45,8
nachrichtlich: Staatseinnahmen in vH des BIP Staatsausgaben in vH des BIP Defizit in vH des BIP Nettoverschuldung 5) in vH des BIP
1) Gebietskörperschaften und Sozialversicherung einschließlich Nebenhaushalte (THA, Bahn, ostd. Wohnungswirtschaft).- 2) Staatsverbrauch abzüglich Abschreibungen.- 3) Subventionen und Investitionszuschüsse.- 4) Zinsausgaben abzüglich Vermögenseinkommen.- 5) Verbindlichkeiten abzüglich Forderungen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
29
Tabelle 0/7:
Einkommensverteilung 1) 2010 Integrations- Restriktionsszenario szenario
1991
1994
2882
3300
7248
6528
365 262
443 352
1058 905
1033 788
Indirekte Steuern Subventionen
358 96
443 91
1023 118
914 126
Bruttolohneinkommen
1610
1815
3655
3377
Sozialbeitäge Lohnsteuern Nettoeinkommen
491 221 898
586 264 965
1207 534 1914
1139 531 1707
646
690
1630
1330
47 537 62
11 645 35
28 1464 137
-51 1365 16
22,0 4,4 30,5 13,7 14,7 28,6
23,2 3,5 32,3 14,5 12,3 27,5
25,8 2,0 33,0 14,6 11,4 30,8
24,7 2,4 33,7 15,7 12,3 28,3
Mrd. DM Bruttosozialprodukt Abschreibungen Indirekte Steuen abzügl. Subventionen
Bruttogewinneinkommen Staatl. Abzüge und Entnahmen 2) Entnahmen Haushalte Nicht entnommene Gewinne nachrichtlich: Indirekte Steuern in vH des Priv. Verbrauchs Subventionen in vH des BIP 3) Sozialbeitäge in vH der Bruttolohneinkommen Lohnsteuern in vH der Bruttolohneinkommen Gewinnsteuern u.â. in vH der Bruttogewinneinkommen Bruttogewinneink. in vH des Volkseinkommens
1) Nach Zurechnung der Nebenhaushalte zum Staat ab 1991.- 2) Direkte Steuern und Nettozinsen.- 3) Nach Abzug des Staatsverbrauchs. Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
30
1
Methodisches Vorgehen
1.1 Der Prognoseansatz
Ausgangslage
Die Verhältnisse in Europa und vor allem auch in Deutschland haben sich mit dem Beginn der neunziger Jahre wesentlich geändert. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Öffnung der Staaten Mittel- und Osteuropas und die Vereinigung Deutschlands. Hinzu kommt, daß in den nächsten Jahren einerseits Rahmenbedingungen für eine stabile Geld- und Zinsentwicklung im Hinblick auf die europäische Währungsunion geschaffen
werden müssen und andererseits
eine
stärkere ökologische Orientierung der Wirtschaftsentwicklung notwendig erscheint. In einer solchen Situation sind begründete Vorstellungen über künftige wirtschaftliche und demographische Prozesse notwendiger denn je. Die hier vorgestellten Szenarien wurden im Auftrag der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung als Baustein der Raumordnungsprognose erstellt.
Die Ausarbeitung gesamtwirtschaftlicher Prognosen gestaltet sich jedoch gerade in der jetzigen Phase äußerst schwierig. Quantitative Vorausschätzungen
basieren
traditionell auf der Analyse langer Zeitreihen mittels ökonometrischer Verfahren. Diese bilden die Verhaltensmuster
der
Unternehmen
und Haushalte
ab und
lassen
quantitative Abschätzungen der künftigen wirtschaftlichen Verhältnisse zu. Ein solches Vorgehen setzt allerdings voraus, daß die Rahmenbedingungen für die Akteure im wesentlichen stabil sind und lange Reihen zur Wirtschaftsentwicklung vorliegen.
Beides ist zur Zeit für Deutschland nicht gegeben. Insbesondere gilt dies für Ostdeutschland. Aus den Entwicklungstrends in der ehemaligen DDR lassen sich aufgrund der völlig veränderten ökonomischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Entwicklungsbedingungen keine Rückschlüsse auf künftige Entwicklungen ziehen. Ebenso wenig ist es möglich, unreflektiert bestimmte Verhaltensmuster aus Westdeutschland auf Ostdeutschland mit einer völlig andersartigen Ausgangssituation zu übertragen oder die Entwicklung in der jetzigen Umbruchsituation fortzuschreiben.
Traditionellen
Prognoseverfahren fehlt somit ein wichtiges Instrument: der "stabile Trend".
Ein Weg, mit dem geschilderten Prognoseproblem umzugehen, ist der Umbau von ökonometrischen
Modellen
für
Westdeutschland,
wie
er
beispielsweise
beim 31
Bundesbank- oder dem Sysifo-Modell beschritten wurde (Toedter 1992; Westphal 1993). Zur Abbildung und Prognose der Entwicklung der deutschen Wirtschaft wird dort das bisherige Modell für Westdeutschland mit einem Prognosesystem für Ostdeutschland ergänzt. Es wird davon ausgegangen, daß der Vereinigungsschock die Stabilität der Verhaltensfunktionen für Westdeutschland nicht maßgeblich beeinträchtigt hat und demnach Strukturbrüche
nicht auftraten.
Den unbestrittenen
Schwierigkeiten ökonometrischer Modellierungen für die ostdeutsche Wirtschaft begegnen diese Modelle mit einer gegenüber Westdeutschland stark vereinfachten Abbildung der ökonomischen Zusammenhänge. Da traditionelle Schätzverfahren nicht anwendbar sind, werden im Bundesbankmodell die Koeffizienten der Verhaltensgleichungen in einem Kalibrierungsverfahren bestimmt, und es wird ein dynamischer Prozeß der Anpassung an westdeutsche Verhältnisse formuliert. Ein solches Vorgehen ist nicht unproblematisch. Denn die Entwicklung in den letzten fünf Jahren nach der Vereinigung hat gezeigt, daß auch für Westdeutschland sich die Rahmenbedingungen der ökonomischen Entwicklung einschneidend verändert haben. Die sprunghafte Erhöhung der Staatsverschuldung ist ein Beispiel hierfür.
Hinzu kommt, daß konventionelle mathematisch-statistisch gestützte Prognosemodelle angesichts der zunehmenden Komplexität der ökonomischen Welt an Grenzen stoßen. Je realitätsnäher solche Modelle gestaltet werden, desto komplexer müssen sie sein. Die mit ihnen produzierten Ergebnisse sind vom Anwender kaum noch nachvollziehbar und interpretierbar.
Dies und der Vorwurf einer inkonsistenten oder zumindest
veralteten theoretischen Fundierung hat in jüngster Zeit zu dem Vorschlag geführt, ökonometrische Modelle zunächst zu "entschlacken" und auf ihren theoretischen Kern zu reduzieren. Anschließend sollen dann die ökonometrlschen Modelle der Realität schrittweise wieder angenähert werden, wobei systematische Veränderungen des Modellverhaltens untersucht und aufgezeichnet werden (Wren-Lewis u.a. 1996). Auf diese Weise sollen Modellergebnisse besser nachvollziehbar werden.
Gleichzeitig gibt es seit einigen Jahren einen Trend zu kleineren und stärker theoriegeleiteten Modellen, beispielsweise im Bereich der Real-Business-Cycle- und empirischen allgemeinen Gleichgewichtsmodelle
(Pagan 1994;
Kydland/Prescott
1996). Die Anpassung der Modellergebnisse an die Empirie erfolgt dort nicht mit Hilfe eines auf statistische Signifikanz ausgerichteten Schätzverfahrens, sondern einem stärker auf theoretischen Überlegungen und Experimenten beruhenden Kalibrierungsverfahren. Ein Ziel dieses Ansatzes ist auch, die ökonomischen Zusammenhänge von 32
Modellergebnissen besser interpretierbar zu machen. Aus diesem Grund geht es bei der Wahl der Parameterwerte nicht darum, die geringsten Abweichungen einer expost-Simulation des Modells zu den tatsächlich realisierten Daten zu erreichen. Aus Sicht der Ökonometrie kann allerdings häufig gegenüber solchen Modellen der Vorwurf der
Fehlspezifikation
erhoben
werden.
Darüber
hinaus
stoßen
mathematisch-
statistische Prognosemethoden angesichts einer zunehmenden Komplexität der nichtökonomischen Welt an Grenzen. Dies gilt vor allem bei der Erfassung fachübergreifender Bestimmungsfaktoren z.B. technologischer, ökologischer oder psychosozialer Art.
Prognosekonzep t
Diese Überlegungen machen deutlich, daß ein allgemein anerkanntes Prognoseverfahren, das allen methodischen Anforderungen gerecht wird, derzeit nicht zur Verfügung steht. Anpassungen und Ergänzungen des Prognoseinstrumentariums waren daher für die hier vorgenommenen mittel- und langfristigen
Projektionen
unerläßlich. Beim Entwurf des DIW-Szenarienmodells wurde besonderes Gewicht auf die Überschaubarkeit des Prognosesystems und die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse gelegt.
Auf eine exakte ex-post Prognose, wie sie bei ökonometrischen Modellen
üblich ist, wurde bewußt verzichtet. In Kauf genommen wurde auch, daß es auf der Basis dieses Modells nicht möglich ist, die Konsequenzen von Änderungen einzelner Annahmen für das Gesamtsystem in Form einfacher Simulationsrechnungen mit konstanten Parametern relativ schnell aufzuzeigen.
Damit das Szenarienmodell überschaubar bleibt, wurde ein modulartiger Aufbau auf der Basis relativ kleiner theorienaher Teilmodelle gewählt. Auf diese Weise ist versucht worden, das Modell so einfach wie möglich zu gestalten, gleichzeitig aber einen Detaillierungsgrad bezüglich der Anzahl der abzuschätzenden Größen zu erreichen, der den Anforderungen der Raumordnungsprognose genügt. Die einzelnen Module stehen dabei über verschiedene Schnittstellen mit den anderen Modulen und dem Gesamtsystem in Beziehung (Abbildung 1/1).
33
Abbildung 1/1 Modularer Aufbau des Szenarienmodells
DIW-Szenarienmodell 34
Aus dem modularen Aufbau des Szenarienmodells folgt auch, daß es für das Gesamtmodell keine geschlossene theoretische Fundierung gibt. Vielmehr werden verschiedene theoretische Ansätze, die die Grundlage der einzelnen Teilmodelle bilden, im Gesamtsystem miteinander verknüpft. So werden beispielsweise die produktionstheoretischen Überlegungen innerhalb des Potentialmodells, die neoklassischem Gedankengut entspringen, im Rahmen der Kreislaufbetrachtung mit Überlegungen keynesianischen Ursprungs verbunden. Der modulartige Aufbau bedeutet auch, daß die
bei geschlossenen
ökonometrischen
Modellen
übliche Trennung
zwischen
endogenen und exogenen Größen im Szenarienmodell des DIW nur für einzelne Module Gültigkeit besitzt. Die Ergebnisse des einen Moduls sind die exogenen Größen eines anderen Moduls und umgekehrt. Für das Szenarienmodell insgesamt ist daher eine solche Zweiteilung nicht mehr sinnvoll. Gleichzeitig wird damit deutlich, daß es bei diesem Aufbau des Prognosesystems zu Inkonsistenzen der Ergebnisse einzelner Teilmodule untereinander kommen kann. Um Konsistenz und Plausibilität innerhalb des Gesamtsystems zu erreichen, müssen daher die einzelnen Module in einem iterativen Prozeß mit Kalibrierungsverfahren aufeinander abgestimmt werden. Unter Kalibrierung ist hier nicht nur eine Parameterbestimmung und -anpassung im ex-post, sondern auch im ex-ante Bereich zu verstehen.
Die Quantifizierungen werden aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen im West- und Ostteil Deutschlands in einem Zwei-Regionen-Modell vorgenommen. Die Entwicklung im jeweils anderen Teil wird entsprechend als exogene Einflußgröße in der betrachteten Region wirksam. Dies gilt nicht nur für die realen Warenströme oder Pendlerbewegungen, sondern auch für Transfers und
Vermögensübertragungen.
Darüber hinaus werden jeweils getrennt für West- und Ostdeutschland die wesentlichsten Beziehungen und Relationen zur dritten Region, der "übrigen W e l t " , bestimmt.
Wegen der Konzeption als Zwei-Regionenmodell wurde als Basisjahr der Projektionen das Jahr 1994 gewählt. Für dieses Jahr hat das Statistische Bundesamt letztmalig einen vollständigen Kreislauf der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in West- und Ostdeutschland zur Verfügung gestellt. Die Daten sind zum
Berechnungsstand
Frühjahr 1995 eingegangen.
Nur in Teilbereichen der Prognose wird ein "bottom-up-Ansatz" verfolgt. Dies gilt beispielsweise für die Kapitalbildung und die Produktivität oder für das Konsumverhalten
und die Einkommensentwicklung.
Hier stellen die
gesamtdeutschen
Ergebnisse das Aggregat der Entwicklungen in beiden Teilräumen dar. In anderen Bereichen dagegen, wie dem Außenhandel oder den Staatsfinanzen, kommt auch im 35
DIW-Szenarienmodell ein "top-down"-Ansatz zur Anwendung. In diesen Bereichen können wesentliche Indikatoren wie das Zinsniveau, die Wechselkurse oder die Bundesschuld nur sinnvoll auf nationaler Ebene berücksichtigt werden. Der Vorteil eines solchen Mehr-Regionen-Modells liegt darin, daß die Konsistenz der unmittelbar in der Region geschätzten Werte und der mittelbar auf die Region übertragenen Ergebnisse gewährleistet ist.
Der modulartige Aufbau des Prognosesystems gewährleistet die bessere Kontrollierbarkeit sowohl der einzelnen Teilmodelle als auch des gesamten Prognoseprozesses, in dem Expertenurteile den notwendigen iterativen Abstimmungsprozeß begleiten. Gleichzeitig kann das Szenarienmodell durch den flexiblen Aufbau relativ einfach um neue Module ergänzt werden. Damit können einzelne Teilaspekte vertieft dargestellt und in die Prognosen einbezogen werden.
Fragen nach der Reaktionsweise des gesamten Modells oder einzelner Variablen auf Variationen bestimmter Größen, die üblicherweise im Rahmen von Sensitivitätsanalysen bei ökonometrischen Modellen gestellt werden, lassen sich mit dem Szenarienmodell, bedingt durch den iterativen Abstimmungs- und Kalibrierungsprozeß, nicht beantworten. Aus dem gleichen Grund ist das aus verschiedenen Modulen bestehende Gesamtmodell im Grunde als komparativ-statisch zu betrachten. Nur für ausgewählte Stichjahre des Prognosezeitraums sind die Werte aller Modellvariablen verfügbar. Innerhalb einzelner Module wie dem Bevölkerungs- und dem Potentialmodell ist allerdings eine dynamische Modellierung gewählt worden, bei dem sich die Bestandsgrößen aus den Veränderungen und Beständen des Vorjahres ergeben.
Prognoseablauf Um bei diesem Prognoseinstrumentarium fachübergreifende Bestimmungsfaktoren der zukünftigen gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung in die Szenarienerstellung
ein-
zubeziehen, werden zunächst die wesentlichen Entwicklungsbedingungen außerhalb des eigentlichen quantitativen Modellansatzes analysiert und mögliche künftige Veränderungen beschrieben. Auf der Basis dieser Überlegungen wird ein Paket unterschiedlicher Setzungen entwickelt. In den quantitativen Modellteilen werden diese mit produktions- und kreislauftheoretischen Überlegungen verknüpft und die Folgewirkungen für das Gesamtsystem aufgezeigt. Für ein solches Vorgehen spricht, daß es für alle wichtigen Entwicklungsfelder - sei es die technologische Entwicklung, die Entwicklung des Staatshaushaltes oder der Veränderungen im Welthandel - in der wissenschaftlichen Diskussion durchaus konkrete Vorstellungen gibt. Woran es im 36
Regelfall fehlt, ist die Gewichtung der einzelnen Entwicklungsprozesse und die konsistente theoretische Abstimmung der einzelnen Überlegungen.
Eingebunden in die Analysen und Einschätzungen der Veränderungen wesentlicher Entwicklungsbedingungen sind eine Reihe interner und externer Arbeitskreise des DIW. Vor
allem die Überlegungen zur Entwicklung
der internationalen
Wirtschafts-
beziehungen stützen sich auf Ergebnisse des Forums "Szenarien und Trends", in dem führende deutsche Industrieunternehmen vertreten sind. Dabei sind diese Expertenkreise nicht nur am Anfang der Szenarienerstellung bei der Festlegung der Annahmen involviert (Abbildung 1/2), sondern begleiten den gesamten Prozeß.
Parallel zu der Bestimmung der Szenarioannahmen werden
Trendberechnungen
innerhalb der einzelnen Modellteile durchgeführt. Für die reale Wirtschaftsentwicklung sind dies Trends bei Bevölkerung, Produktionspotential und der Struktur der realen Entstehungs- und Verwendungsrechnung (für Westdeutschland). Aus den Annahmen ergeben sich dann erste Aufschlüsse, ob und gegebenenfalls in welche Richtung die Veränderungsraten der betrachteten Zeitreihen modifiziert werden müssen. Als Beispiel kann die Entwicklung der realen Im- und Exporte dienen. Eine reine Trendfortschreibung
in diesem Bereich würde bedeuten, daß die westdeutsche
Wirtschaft weiterhin sehr hohe Exportüberschüsse erzielt. Geht man davon aus, daß mit einer voranschreitenden Angleichung Ostdeutschlands auch deren Wettbewerbsfähigkeit steigt und damit das Außenhandelsdefizit gegenüber Westdeutschland abgebaut wird, wäre eine Fortsetzung dieses Trends nur bei sehr stark steigenden Außenhandelsüberschüssen gegenüber der übrigen Welt möglich. Auch wenn man eine zukünftige Gefährdung des Produktionsstandortes nicht für wahrscheinlich hält, ist eine Zunahme des realen Außenbeitrags Westdeutschlands angesichts neuer Wettbewerber und einer stärkeren Liberalisierung des Welthandels kaum zu erwarten. Hieraus folgt die Notwendigkeit, die Trends der realen Im- und Exporte anzupassen.
Der erste Schritt bei der Bewertung und Abstimmung der einzelnen Szenarioannahmen ist die realwirtschaftliche
Konsistenzprüfung. Zunächst werden die modifizierten
Trends mit Hilfe von Input-Output-Verflechtungen in einfacher Form aufeinander abgestimmt. So wird beispielsweise sichergestellt, daß die auf der Verwendungsseite bestimmte Nachfrage nach Bauinvestitionen durch eine entsprechende Produktion der Bauwirtschaft, die auf der Entstehungsseite abgebildet wird, befriedigt werden kann. Ein wesentliches Glied der Projektionskette stellen darüber hinaus die Interdependenzen zwischen den Entwicklungen der Stromgrößen der Sozialproduktsberechnung und der Sachvermögensbestände dar, die im Potentialmodell abgebildet werden. 37
Abbildung 1/2 Arbeitsablauf Szenarien 2 0 1 0
38
Auf einer zweiten Ebene erfolgt die Kalibrierung dieser Strom- und Bestandsgrößen mit der Bevölkerungsentwicklung. Anders als zumeist üblich wird die Bevölkerungsentwicklung hierbei nicht als exogene Größe behandelt. Vielmehr werden in einem iterativen Prozeß sowohl Wirtschafts- als auch Bevölkerungsentwicklung gemeinsam vorausgeschätzt. A m deutlichsten sind die Interdepenzen bei den Wanderungen. Neben dem Ausmaß des Wohlstandsgefälles zwischen Ländern oder Regionen sind diese stark von politischen Entscheidungen abhängig. Letztere werden von der wirtschaftlichen Situation und der Bevölkerungsentwicklung selbst beeinflußt. Im Mittelpunkt des Abstimmungsprozesses zwischen der Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Bevölkerung stehen daher die potentiellen Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte.
Ist eine Konsistenz der Szenarioannahmen und der realwirtschaftlichen Entwicklung auf allen Ebenen erreicht, erfolgt die Abstimmung in nominaler Rechnung. Auf der Basis von Faktor- und Güterpreisstrukturen
werden die Entwicklungspfade
von
nominaler Verwendung, Verteilung, Umverteilung und Finanzierung dargestellt und im gesamtwirtschaftlichen Kreislaufmodell der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung hinsichtlich ihrer Konsistenz überprüft. Auch hier spielen Interdependenzen zu den Vermögensbeständen eine wichtige Rolle. Dabei betrifft der Anpassungsprozeß nicht nur nominale Größen und hierauf ausgerichtete Szenarioannahmen, sondern kann gegebenenfalls zu einer erneuten Revision von Vorausschätzungen realwirtschaftlicher Größen führen. Beispielsweise kann sich die Lohnentwicklung, die innerhalb des Potentialmodells zu einer plausiblen Entwicklung der Kapitalintensität und einer mit anderen realen Größen konsistenten Situation auf dem Arbeitsmarkt geführt hat, bei der Disposition über das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte zu unplausiblen Entwicklungen führen.
1.2 Beschreibung der Teilmodelle
Das Bevölkerungsmodell
Die Bevölkerungsentwicklung in einer Region wird direkt durch die Komponenten natürliche Bevölkerungsentwicklung und Wanderungen geprägt. Sowohl die Zu- und Fortzüge als auch die Geburtenhäufigkeit und Sterblichkeit sind abhängig von den gesellschaftlichen wirtschaftlichen,
Rahmenbedingungen.
Am
deutlichsten
ist
der
Einfluß
der
politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen auf die Wan-
derungen über die Grenzen des Bundesgebietes, aber auch die Binnenwanderungen 39
werden zum größten Teil durch Unterschiede in der Attraktivität der Regionen für die einzelnen Wanderungsgruppen (Arbeitsmarkt, Infrastruktur, Lebensqualität (harte und weiche Standortfaktoren)) determiniert.
Der Einfluß der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Geburtenhäufigkeit und die Sterblichkeit in den Regionen findet sich zwar nicht so häufig in der öffentlichen Diskussion, ist jedoch ebenso bedeutsam. So sind regionale Sterblichkeitsunterschiede teilweise
auf
Unterschiede
in
der
Versorgung
mit
Gesundheitseinrichtungen
(Arztdichte, Krankenhausbetten, Notdienst/Rettungsnotdienst) und der Belastung mit Schadstoffen
in der Region (ggfs.
auch am Arbeitplatz)
zurückzuführen.
Das
Geburtenverhalten hängt ebenfalls von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Ein Beispiel hierfür
ist die mangelnde Vereinbarkeit
von Erwerbstätigkeit
Kinderbetreuung, die bei der zunehmenden Erwerbsorientierung
und
der Frauen die
Geburtenrate tendenziell senkt.
Eine Bevölkerungsvorausschätzung kann nach diesen Ansätzen nicht unabhängig von der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung erfolgen. Dabei sind die wirtschaftliche
Entwicklung und die politischen Weichenstellungen selbst von der
Bevölkerungsentwicklung abhängig. Massive Zuwanderungen rufen ein politisches Gegensteuern hervor, wenn sie zu erheblichen Problemen führen (z.B. bei der Integration in den Arbeitsmarkt, aber auch in die Gesellschaft). Diese Interdependenzen erfordern eine Vorgehensweise bei der Vorausschätzung, bei der im Endeffekt ein stimmiger Abgleich zwischen Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung gewährleistet ist. Dies ist nur in einem iterativen Prozeß zu erreichen.
Im Bevölkerungsmodell werden die Komponenten der demographischen Entwicklung gesondert vorausgeschätzt. Dabei wird zwischen Deutschen und Ausländern sowie zwischen West-
und Ostdeutschland
unterschieden
(vgl. Abbildung
1/3).
Die
Vorausschätzung der Geburtenziffern deutscher Frauen erfolgt nach einem Kohortenansatz in Anlehnung an die biographische Theorie der Fertilität (Birg/Koch 1987). Dies ist insbesondere für die Abschätzung der Geburtenentwicklung in Ostdeutschland von Bedeutung. Die Vorausschätzung der Geburtenentwicklung der Ausländer
kann
angesichts der verzerrenden Wirkung der Wanderungen nicht für Kohorten erfolgen, sondern muß sich auf Perioden beschränken.
Die Vorausschätzung
erfolgt
in
Anlehnung soziologischer Theorien der Assimilation, auch unter Beachtung der Zunahme gemischt-nationaler Ehen. 40
Abbildung 1/3 Parameter des Bevölkerungsmodells
1. Außenwanderungen Zuzüge in 1000 Gruppen: Aussiedler, übrige Deutsche, Asylbewerber, übrige Ausländer räumliche Verteilung der Zuzüge: West- und Ostdeutschland, Bundesländer Alters- und Geschlechtsstruktur der Zuzüge Fortzüge in 1000 Gruppen: Aussiedler, übrige Deutsche, Asylbewerber, übrige Ausländer räumliche Verteilung der Fortzüge: West- und Ostdeutschland, Bundesländer Alters- und Geschlechtsstruktur der Fortzüge
2. Binnenwanderungen Wanderungen zwischen neuen und alten Bundesländern Fort- und Zuzüge in 1000 regionale Anteile der Herkunfts- und Zielregionen Alters- und Geschlechtsstruktur Wanderungen zwischen westdeutschen Bundesländern Fort- und Zuzüge in 1000 regionale Struktur Alters- und Geschlechtsstruktur Wanderungen zwischen ostdeutschen Bundesländern Fort- und Zuzüge in 1000 regionale Struktur Alters- und Geschlechtsstruktur
3. Natürliche Bevölkerungsentwicklung Fertilität altersspezifische Geburtenziffern für deutsche Frauen auf Kohortenbasis für ausländische Frauen Periodenwerte regionale Abweichungen in der Fertilität Mortalität alters- und geschlechtsspezifische Sterberaten für Deutsche auf Kohortenbasis für Ausländer Periodenwerte regionale Abweichungen in der Sterblichkeit (Deutsche)
41
Die Sterblichkeit wird - soweit wie möglich - ebenfalls auf Kohortenbasis analysiert. Da hier jedoch längere Zeitreihen als bei der Fertilität notwendig sind, um vollständige Kohorten zu bilden, ist dies bislang nur eingeschränkt möglich. Für Ausländer erfolgt eine Analyse und Vorausschätzung der Sterblichkeit auf Periodenbasis,
wobei
angesichts der bislang geringen Fallzahlen Gestorbener in den älteren Altersjahren eine Korrektur der ermittelten Werte erfolgen muß. Ein Ansatz zu einer ganzheitlichen Theorie
der Sterblichkeit
wurde
aus soziologischer
Sicht von
Hauser
(1983)
entwickelt. Im Prinzip erfolgt die Vorausschätzung in Anlehnung an seine Überlegungen, zusätzlich werden jedoch die Veränderungen der Lebenserwartung in anderen Staaten (z.B. Japan, mit einer überdurchschnittlichen Lebenserwartung) in diese Überlegungen einbezogen.
Die grenzüberschreitenden Wanderungen werden nach einem gruppenspezifischen Ansatz vorausgeschätzt, der im Prinzip auf dem rational choice Ansatz beruht. Obwohl auch hier die Entscheidung des Individuums als Grundlage dient, werden potentielle Wanderer nach bestimmten Merkmalen zu Gruppen zusammengefaßt und für diese die künftige Entwicklung der Determinanten der Wanderungsentscheidung betrachtet, um so zu einer gruppenspezifischen Aussage zu gelangen (Aussiedler, Asylbewerber, EGAngehörige, übrige Ausländer).
Die einzelnen Komponenten werden in einem Modell zusammengeführt, mit dem -
ausgehend
vom
Anfangsbestand
der
Bevölkerung
nach
Einzelaltersjahren,
Geschlecht, Nationalität (Deutsche - Ausländer) und Regionen (West-, Ostdeutschland) - die Entwicklung periodenweise geschrieben wird. Anders als z.B. bei der BfLR (Bucher/Gatzweiler/Schmalenbach
1984)
werden
Zu-,
Fortzüge,
Geburten
und
Sterbefälle simultan berücksichtigt. Der um ein Jahr gealterte Endbestand ist zugleich der Anfangsbestand der nächsten Periode. Das Modell ist flexibel aufgebaut; die notwendigen Daten - Zu- und Fortzugswahrscheinlichkeiten, Geburtenziffern, Sterbewahrscheinlichkeiten - sind dynamisiert und als Matrizen angelegt, auf die das Kernmodell zurückgreift (Kohortenwerte werden dabei in Periodenwerte umgewandelt).
Das Erwerbspersonenmodell
Grundlage der Vorausschätzung
der Erwerbspersonenzahl
bilden einerseits
die
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und andererseits die - ebenfalls nach Geschlecht und Nationalität differenzierte - Beteiligung am Erwerbsleben. Das Erwerbsverhalten 42
der (deutschen und ausländischen) Männer ist im wesentlichen dadurch geprägt, daß diese zum Bestreiten des Lebensunterhalts (von sich bzw. der Familie) auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sind und es bislang nur eine geringe Zahl von "Hausmännern" gibt. Die Erwerbsbeteiligung der Männer steigt nach der Beendigung der Ausbildung auf weit über 90 vH an und sinkt erst in den älteren Altersjahren.
Die Erwerbstätigkeit der Frauen wird zumeist in Abhängigkeit vom Familienstand betrachtet, also immer im Haushaltskontext gesehen. Zusätzlich wird eine Differenzierung nach der Zahl der Kinder vorgenommen, und es werden auch andere Determinanten (Qualifikation, Karriere) in die Anlayse einbezogen. Neuere Ansätze stellen auf die Erwerbstätigkeit im Lebenslauf ab (Biossfeld 1989, Myrdal/Klein 1971). Der Übergang von der Querschnitts- zur Längsschnittbetrachtung ermöglicht es, den Verlauf von Erwerbs- und Nichterwerbsphasen von Frauen im Laufe ihres Lebens nach bestimmten Merkmalen zu differenzieren. Die größten Unterschiede ergeben sich zwischen kinderlosen Frauen und solchen mit Kindern (DIW 1992) sowie zwischen einzelnen Qualifikationen (Blossfeld 1989, Klein 1989). Basis dieser Kohortenanalysen bildet das sozio-oekonomische Panel (SOEP) und die Lebensverlaufsstudie des MaxPlanck-Instituts für Bildungsforschung (Blossfeld 1989, Huinink 1989).
Aufbauend auf den Kohortenanalysen des Sozioökonomischen Panels zum Erwerbsverhalten von Frauen ist ein Ansatz entwickelt worden, die Erwerbsbeteiligung differenziert nach der Kinderzahl vorauszuschätzen. Dieser Ansatz ist bislang für deutsche Frauen in Westdeutschland ausgewertet worden. Frauen in Ostdeutschland wiesen in der Vergangenheit unabhängig von der Kinderzahl eine hohe Erwerbsbeteiligung auf (DIW 1990a). Die statistisch gemessene Verringerung der durchschnittlichen Erwerbsquoten nach der deutschen Einheit ist zum Großteil auf die hohe Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelungen und des Altersübergangsgeldes für die älter als 54jährigen zurückzuführen.
Für Ostdeutschland wurde mit Hilfe eines
gruppenspezifischen Ansatzes die Erwerbsbeteiligung sowohl der Männer als auch der Frauen vorausgeschätzt. Kohortenanalysen waren in diesem Fall nicht sinnvoll, da zum einen die offiziellen Erwerbsquoten in der DDR verfälscht waren und sich zum anderen aufgrund der anderen rechtlichen Rahmenbedingungen Strukturbrüche ergaben.
In bezug auf die Erwerbsbeteiligung der Ausländer sind die
arbeitsrechtlichen
Regelungen zu berücksichtigen, die für die verschiedenen Gruppen den Zugang zum Arbeitsmarkt
regeln. So haben Asylbewerber während des Aufenthalts
in den 43
Aufnahmeeinrichtungen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt (§ 61 AsylVfG 1993). Ein hoher Anteil von Asylbewerbern unter den Ausländern müßte somit die statistisch gemessene Erwerbsquote verringern. Zudem weisen die Erwerbsquoten aufgrund der Wanderungen stärkere Schwankungen auf als die der Deutschen.
Die Vorausschätzung der Erwerbsbeteiligung der deutschen Männer in Westdeutschland sowie der Ausländer und Ausländerinnen erfolgt auf der Basis der MikrozensusErgebnisse, wobei in den jungen und alten Altersjahren spezielle Annahmen über die Erwerbsbeteiligung getroffen wurden (Ausbildung, Inanspruchnahme von Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten,
1992er Rentenreformgesetz). Für die Einbindung in das
Szenarienmodell erfolgt eine Umrechnung der Ergebnisse auf das VGR-kompatible Konzept des Erwerbspersonenpotentials des IAB. Hierzu wurde neben den Anpassungen an andere Abgrenzungen vor allem die sogenannte "Stille Reserve" zusätzlich berücksichtigt.
Das Strukturmodell Im Strukturmodell
werden die realwirtschaftlichen
Interdependenzen
zwischen
Entstehung (Produktion) und Verwendung (Nachfrage) abgebildet. Den theoretischen Hintergrund
für
diesen Modellansatz
bilden gleichgewichtsorientierte
sektorale
Wachstumsmodelle (Jorgensen 1961; Pasenetti 1988). Dabei geht es vor allem um die Darstellung der Entwicklungspfade der Investitionen, die eine Schlüsselrolle in den Beziehungen zwischen Entstehung und Verwendung einnehmen. Sie stellen einerseits eine wichtige Nachfragekomponente dar, bestimmen aber andererseits über die Kapitalbildungsprozesse auch wesentlich die Entwicklung der inländischen Produktion.
Abgebildet werden dabei sowohl die Einflüsse auf die Kapitalbildung bei den Produktionsunternehmen
(vgl.
Potentialmodell)
als
auch
die
Entwicklung
des
staatlichen Anlagevermögens. In diesem Zusammenhang geht es primär darum, die komplementären Beziehungen zwischen der Entwicklung des privaten Kapitalstocks und der öffentlichen Infrastruktur zu berücksichtigen (Nijkamp 1984, Tatom 1991). Dies gilt insbesondere auch für die Standortqualität und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Ostdeutschlands (Bach u.a. 1994).
Die Simulationsrechnungen des Strukturmodells sind mit einem stark vereinfachten dynamischen Input-Output-Modell für West- und Ostdeutschland durchgeführt worden (vgl. Abbildung 44
1/4). Zur Abbildung
insbesondere
auch der
unterschiedlichen
Bedingungen der Kapitalbildungsprozesse wird dabei zunächst zwischen den drei Sektoren Produktionsunternehmen (einschließlich Banken), Wohnungsvermietung und Staat (einschließlich Organisationen ohne Erwerbscharakter) unterschieden. Bei den Exporten und Importen wird der innerdeutsche Handel zwischen West und Ost und der Handel mit Drittländern getrennt simuliert.
Abbildung 1/4 Schema der Input-Output-Verflechtung Investitionen
Vorleistungen PU
WV
ST
WV
PU
ST
Privater Verbrauch
Öffentl. Verbrauch
Exporte ID
DL
Produktionsunternehmen (PU)
Wohnungsvermietung (WV)
Staat (ST) Importe im Innerdeutschen Handel (ID) Importe im Handel mit Drittländern (DL)
Darüber hinaus ist in Teilbereichen eine stärkere sektorale Differenzierung innerhalb des Bereichs der Produktionsunternehmen vorgenommen worden; deshalb,
um die unterschiedlichen
regionalen
insbesondere
Bindungen von Entstehung
und
Verwendung besser berücksichtigen zu können. Zwar ist zu erwarten, daß sich die Grenzen zwischen Sektoren mit starker überregionaler
oder starker
regionaler
Orientierung - z.B. im Zusammenhang mit der Internationalisierung der Dienstleistungsproduktionen - immer schwerer ziehen lassen, dennoch können tendenziell solche Schwerpunkte auch künftig erwartet werden. So ist beispielsweise die Entwicklung des Außenhandels korrespondierend zur Veränderung des Produktionspotentials im verarbeitenden Gewerbe West- und Ostdeutschlands abgebildet worden.
Im Bereich des Außenhandels ist ergänzend ein Simulationsmodell zur Veränderung der regionalen Außenhandelsverflechtung Simulationsrechnungen
dienen
dazu,
Deutschlands verwendet worden.
die Veränderungen
der
Intensitäten
Die des 45
Außenhandels (z.B. innerhalb der EG oder mit Mittel- und Osteuropa) und Verschiebungen in den regionalen Schwerpunkten des weltweiten Nachfragewachstums in die Strukturüberlegungen einzubinden.
Bei der Anwendung des Strukturmodells und seiner Teilkomponenten geht es darum, in einem
simultanen
Entstehungsbereiche
Prozeß
konsistente
Entwicklungspfade
und Nachfragekomponenten
für
abzuschätzen.
die Ein
einzelnen einseitiger
Ursache-Wirkungszusammenhang zwischen Produktionsentwicklung und Nachfrageveränderungen wird nicht unterstellt. Im Gegensatz zu vielen Input-Output-Analysen werden auch nicht von vornherein limitationale Produktionsbeziehungen unterstellt. Vielmehr gehen explizit solche Strukturveränderungen beispielsweise aufgrund der Veränderung relativer Preise (vgl. VGR-Kreislaufmodell), aber auch demographischer Einflüsse (vgl. Bevölkerungsmodell) in die Projektion der realen Entstehungs- und Verwendungsstruktur ein.
Die Startwerte für die simultanen Vorausschätzungen von Produktion und Nachfrage werden aus Szenarienannahmen zu unterschiedlichen Entwicklungsfeldern (vgl. Kapitel 2) abgeleitet. In Westdeutschland sind dazu für die einzelnen Komponenten von Entstehung und Nachfrage angepaßte Trendwerte berechnet worden. In Ostdeutschland erfolgten die Quantifizierungen mit unterschiedlichen Hypothesen zur Anpassung an westdeutsche Verhältnisse. Im zentralen Bereich der Kapitalbildung in Ostdeutschland sind darüber hinaus sektorale Ausgangswerte auf der Basis entsprechender mittelfristiger Investitionsplanungen berechnet worden (Gornig 1994).
Das Potentialmodell
Die Entwicklung des Produktionspotentials wird in Ost- und Westdeutschland nach dem gleichen methodischen Ansatz, dem capital-vintage Modell des DIW, ermittelt. Für das Szenarienmodell wurde von diesem für Westdeutschland sehr detaillierten Modell (Görzig 1984) eine vereinfachte Version entwickelt, die den gesamten Unternehmensbereich
ohne
Wohnungsvermietung
umfaßt.
Dabei
wurden
die
Parameter des vereinfachten Modells so eingestellt, daß die Vergangenheitswerte des tiefer disaggregierten Modells simuliert werden. Die Besonderheit des capital-vintage Modells besteht darin, daß der Kapitalstock einer Volkswirtschaft nicht als homogen angesehen wird: Anlagen, die aus unterschiedlichen Investitionsjahrgängen stammen, unterscheiden sich bezüglich ihrer Effizienz und Funktion im Produktionsprozeß. 46
Es wird von einer ex-ante Produktionsfunktion ausgegangen, die Substitution zwischen den Produktionsfaktoren zuläßt. Dabei wird angenommen, daß die Produktionszusammenhänge für die Anlagenzugänge durch eine Cobb-Douglas Produktionsfunktion bestimmt werden können:
, α
pzt = lz t
.
1-α
* kz t
λ0+λΛ
. e
0
1
mit pz t = Zugänge zum Produktionsmodell lz t = durch die Investition geschaffene neue Arbeitsplätze kz t = Zugänge zum Anlagevermögen (Bruttoanlageinvestitionen) α = Produktionselastizität des Arbeitseinsatzes, = Rate des in den Investitionen inkorporierten "technischen" Fortschritts, λ 0 = Skalierungskonstante Die Unternehmen wählen in Abhängigkeit von den Faktor- und Produktpreisen und den jeweiligen Marktverhältnissen die optimale Kombination von Produktionsfaktoren. Nach getätigter Investition ist das Verhältnis von Investition zu neuen Arbeitsplätzen und zu neuem Produktionspotential nicht mehr substitutiv, sondern limitational. Die Entscheidung über die Höhe von Kapitalintensität und Kapitalproduktivität einer Investition wird aufgrund der jeweiligen Faktorpreisrelation gefällt. Dabei wird von dem einzelwirtschaftlichen Investitionskalkül ausgegangen, nach dem die Summe der abdiskontierten künftigen Erträge, also der Differenz von Erlösen xz und Kosten Wjlz, aus der Investition im Optimum und unter der üblichen Voraussetzung vollkommener Märkte gleich dem Investitionsbetrag ist t+M
kz t = Σ Η
(**f
-
w
j' lzt)
e riH )
~
'
Dabei steht Wj für den für die Unternehmen relevanten Reallohn, r für die Quasi-Rente der Unternehmen und M für die geplante maximale Nutzungsdauer der Investition. Bei gegebenen Parametern der Produktionsfunktion hängt die Kapitalausstattung neuer Arbeitsplätze wie auch die Kapitalproduktivität neuer Anlagen vom gegenwärtigen Reallohn, seiner erwarteten Entwicklung und der für die
Investitionskalkulation
verwendeten Diskontierungsrate ab. 47
Bei steigenden Reallöhnen werden Anlagen ausgesondert, wenn die zu ihrem Betrieb erforderlichen Kosten gleich den mit der Anlage erzielten Erlösen sind, das heißt, wenn die Arbeitsproduktivität der Anlagen gleich dem Reallohn ist
Das gesamte Produktionspotential P t z u Beginn eines Jahres wird ermittelt aus dem Bestand der Vorperiode sowie den Zugängen pz t und den Abgängen pa t zum Produktionspotential der betrachteten Periode:
Pt = P
M
+ pzt - pat .
Die Zugänge zum Produktionspotential werden aus den Zugängen zum Anlagevermögen, den Bruttoanlageinvestitionen, ermittelt
pz t = k t · kz t .
Dabei steht k t für die von den Unternehmen für den jeweiligen Investitionsjahrgang gewählte Kapitalproduktivität. Diese wird gelegentlich auch als marginale Kapitalproduktivität
bezeichnet, ist mit dem theoretischen
Konzept einer
marginalen
Kapitalproduktivität jedoch nur dann vergleichbar, wenn man im Gegensatz zum capital-vintage Ansatz von einem homogenen Kapitalstock ausgeht, bei dem sich die Investitionsjahrgänge nicht unterscheiden.
Die durchschnittliche Kapitalproduktivität im capital-vintage Ansatz ergibt sich aus der Kapitalproduktivität des Vorjahres korrigiert um die gewichteten Kapitalproduktivitäten, die mit dem Zugang von Anlagen verbunden sind, und derjenigen, die mit dem Abgang von Anlagen verbunden sind. Eine längerfristig fallende Kapitalproduktivität wird demnach erklärt durch die Investitionen mit unterdurchschnittlicher
Kapital-
produktivität und dem Abgang von Anlagen mit überdurchschnittlicher
Kapital-
produktivität.
48
Die Abgänge aus dem Produktionspotential werden als Summe der Abgänge vom Anlagevermögen, gewichtet mit der Kapitalproduktivität des jeweiligen Investitionsjahrgangs, ermittelt
M
P at
=
Σ kH kZH · β (')
M
Dabei steht g (i) für die Abgangswahrscheinlichkeit einer Investition des Jahres t - i im Jahre i.
Das VGR-Kreislaufmodell
Aufgabe des VGR-Kreislaufmodells ist es, die Wirtschaftsentwicklung in nominaler Rechnung zu simulieren. Gleichzeitig werden die realwirtschaftlichen Simulationsergebnisse anderer Module einem erneuten Konsistenztest unterzogen. Die theoretische Grundlage dieses Teilmodells bildet die Kreislauftheorie, wie sie in ihren Grundzügen bereits von F.Quesnay und im zwanzigsten Jahrhundert beispielsweise von J . M . Keynes und C. Föhl weiterentwickelt wurde. Entscheidende Bedeutung kommt der Ausnutzung
des Kreislaufaxioms für geschlossene Kreisläufe zu, nach dem die
Summe der in jeden Pol einfließenden Ströme gleich der Summe der ausfließenden Ströme ist (Krelle 1967). Auf diese Weise können durch Informationen über viele Stromgrößen, die außerhalb des Kreislaufs ermittelt wurden, andere erschlossen werden. Dabei spielt es aus Sicht der Kreislauftheorie keine Rolle, welche der Größen außerhalb und welche mit Hilfe der Definitionsgleichungen des Kreislaufs bestimmt werden.
Der im Modell verwendete Kreislauf orientiert sich am Kontensystem der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes (1994), das wiederum auf dem System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen (United Nations 1968)
beruht.
Er umfaßt die Verwendungsrechnung, die Ein-
kommensverteilung und -Umverteilung und die Vermögensbildung. Dabei werden die Sektoren „private Haushalte", „Unternehmen" und „Staat", bestehend aus Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen, abgebildet.
Aus Sicht des Kreislaufmodells sind die realen Faktoren der Wirtschaftsentwicklung in den
Bereichen
Bevölkerung
und
Erwerbspersonenpotential,
Produktion
und 49
Verwendung, Beschäftigung und Anlagevermögen exogen bestimmt. Es ist ebenfalls als Zwei-Regionen-Modell mit jeweils geschlossenen nominalen VGR-Kreisläufen für Westdeutschland und für Ostdeutschland konzipiert. Exogen sind zusätzlich einige nominale Größen der jeweils anderen Teilregion. Beide Kreisläufe sind interdependent verknüpft, da alle innerdeutschen Ströme, wie Exporte, Importe oder Transfers, sofort in beiden Regionen ihre Wirkung entfalten. Die vierteljährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des DIW für Ostdeutschland (Müller-Krumholz 1994) ermöglichte den Aufbau des ostdeutschen Kreislaufmodells mit dem gleichen Detaillierungsgrad wie für Westdeutschland.
Innerhalb des Kreislaufmodells für Westdeutschland ergibt sich aus dem realen Bruttoinlandsprodukt mit Hilfe von Annahmen über die zukünftige Lohnentwicklung und die Entwicklung der bereinigten Bruttolohnquote die Höhe des nominalen Bruttoinlandsprodukts und die entsprechende Preisentwicklung. Die Preisindizes der einzelnen
Komponenten
Preisstrukturgleichungen
der
nominalen
Verwendungsrechnung
werden
in Abhängigkeit von der gesamtwirtschaftlichen
über Preis-
entwicklung erklärt. Zusammen mit den Angaben zur Erwerbstätigkeit folgt aus diesen Annahmen gleichzeitig die primäre Einkommensverteilung. Innerhalb der Verteilungsund Umverteilungsrechnung ergeben sich die Steuereinnahmen und Sozialbeiträge des Staates, sofern sie nicht über definitorische Kreislaufzusammenhänge
bestimmt
werden, in Abhängigkeit von der Entwicklung vereinfachter Bemessungsgrundlagen und Annahmen über die Höhe entsprechender Steuer- bzw. Abgabenquoten. Auch die Transfers
werden
nach dem
gleichen
Verfahren
bestimmt.
Ein
wesentliches
Charakteristikum dieses Kreislaufmodells ist, ähnlich wie beim Potentialmodell, die konsequente Verknüpfung von Strom- und Bestandsgrößen. So dienen die Finanzierungssalden des Haushalts-, Unternehmens-
und Staatssektors zur Fort-
schreibung ihrer jeweiligen Geldvermögensposition. Gleichzeitig wird mit Hilfe dieser Bestandsgrößen die Höhe der zwischen diesen Sektoren fließenden Vermögenseinkommen bestimmt.
Zentrale Aufgabe des VGR-Kreislaufmodells ist es, die bisherigen Simulationsergebnisse einem nominalwirtschaftlichem Konsistenztest zu unterziehen. Dieser Funktion kann das Kreislaufsystem jedoch erst dann gerecht werden, wenn auch Ströme außerhalb des Kreislaufs berücksichtigt werden, die zur Vervollständigung mit Hilfe des Kreislaufaxioms nicht unbedingt erforderlich sind. Diese Ströme, die sowohl außerhalb als auch innerhalb des Kreislaufsystems ermittelt werden, bilden die 50
Kontrollgrößen des Konsistenztests. Bei dieser Überbestimmtheit des Systems müssen nicht immer die genauen numerischen Werte Oftmals
ist eine Einschränkung
der Kontrollvariablen bekannt sein. um über
die
Plausibilität und Konsistenz der Prognose
anderer Variablenkonstellationen
zu
entscheiden.
Kreislauf
als
Grundsätzlich
des Wertebereichs
kann jede
im
ausreichend,
fließende
Stromgröße
Kontrollvariable fungieren. In diesem Modul des Szenarhnmodells wurden solche Variablen ausgewählt, die sensibel auf Veränderungen bei der Vorausschätzung anderer Größen reagieren. Als Beispiele sind hier die Entwicklung der Sparquote der privaten Haushalte oder die der Selbstfinanzierungsquote der Investitionen für den Unternehmenssektor zu nennen.
1.3 Besonderheiten für Ostdeutschland
Eine besondere Herausforderung aus modelltheoretischer Sicht ist die Abbildung der Wirtschaftsentwicklung
Ostdeutschlands
innerhalb
des
Prognosesystems.
wesentliches Charakteristikum
des DIW-Szenariemodells
Teilmodelle die Szenarien für
Ostdeutschland im Vergleich zu
Verhältnissen
dargestellt
werden.
Ein
ist, daß innerhalb der westdeutschen
Dabei dient die wirtschaftliche
Entwicklung
Westdeutschlands nicht als Zielvorgabe, da die Regionen eines Landes im Regelfall unterschiedliche wirtschaftliche Schwerpunkte und Profile entwickeln. Sie wird lediglich als Referenz-
und Orientierungsgröße
verwandt,
um die
ostdeutsche
Wirtschaftsentwicklung beschreiben zu können.
Damit der Informationsgehalt
des Referenzsystems
Westdeutschland
möglichst
vollständig ausgenutzt werden kann, ist es erforderlich, die ostdeutsche Wirtschaftentwicklung in der gleichen Detaillierung wie Westdeutschland darzustellen. Hierzu wurde zum einen auf Angaben der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des DIW (Müller-Krumholz 1994) zurückgegriffen, die in ihrem Detaillierungsgrad weit über die des Statistischen Bundesamtes hinausgehen. Dennoch sind viele Angaben nicht vergleichbar, da in Ost- und Westdeutschland im Basisjahr der Preisbereinigung die Preisniveaus sehr unterschiedlich waren (Gornig, Schmidt-Faber 1995). Voraussetzung für eine Vergleichbarkeit beider Teilregionen ist daher eine Umrechnung der Preisbasis für Ostdeutschland. Zum anderen waren eigenständige Abschätzungen von Ausgangsgrößen beim Produktionpotential und beim Geldvermögen erforderlich, weil keine oder nur unzureichende Angaben der offiziellen Statistik verfügbar waren.
51
Umrechnung der Preisbasis
Um die Anpassungsfortschritte des Produktionsstandorts Ostdeutschland gegenüber Westdeutschland beurteilen zu können, ist einerseits die Entwicklung der Arbeitsproduktivität ein wichtiger Indikator. Aussagen über die Angleichung der Güterversorgung lassen sich andererseits z.B. mit Hilfe der Relation: Reale Verwendung pro Kopf für die einzelnen Nachfragebereiche treffen. In beiden Analysebereichen sind also als Bezugsbasis reale Größen zu konstanten Preisen eines Basisjahres erforderlich. Gerade diese Daten sind jedoch für West- und Ostdeutschland nicht unmittelbar vergleichbar.
Zwar benutzt das Statistische Bundesamt sowohl für West- als auch für Ostdeutschland als Basisjahr für die Berechnung der realen Bruttowertschöpfung und der realen Verwendungskomponenten das Jahr 1991. Die Verwendung des gleichen Basisjahres bedeutet allerdings nicht, daß die Preisniveaus sich für Ost- und Westdeutschland entsprechen. Im Jahr 1991 dürften vielmehr die Preise noch sehr unterschiedlich gewesen sein. Der Grund hierfür liegt in den Nachwirkungen des zu diesem Zeitpunkt noch nicht gänzlich überwundenen Preisgefüges der DDR. In östlichen Planwirtschaften, in denen die Preisgestaltung den Planungsbehörden oblag, waren häufig die Preise für Güter zur Deckung des Grundbedarfs der Lebensversorgung und für viele haushaltsorientierte Dienstleistungen stark subventioniert, Luxusgüter und höherwertige Industrieprodukte im Vergleich zum Preisgefüge in Marktwirtschaften dagegen häufig überteuert. Obwohl sich in den neuen Bundesländern schon im Verlauf des Jahres 1990 gewisse Anpassungen an marktwirtschaftliche Preisstrukturen vollzogen hatten, blieben in vielen Bereichen erhebliche Preisunterschiede zu Westdeutschland bestehen, insbesondere in Bereichen mit staatlicher Einflußnahme auf die Preisbildung.
Ein Beispiel hierfür ist der Staat als Produzent von Kollektivgütern. Nach offiziellen Angaben dürfte diese Produktion je Einwohner gerechnet 1991 lediglich knapp 60 vH des westdeutschen Niveaus erreicht haben. Für eine post-sozialistische Gesellschaft erscheint dies im Vergleich zu einer Marktwirtschaft erstaunlich niedrig. Tatsächlich läßt sich auch ein solcher Rückstand in physischen und personellen Größen nicht belegen. Im Gegenteil: 1991 lag die Beschäftigtenzahl des Sektors Staat und Organisationen je Einwohner in Ostdeutschland um fast ein Viertel höher als in Westdeutschland. Aufgrund der inputbezogenen Leistungsmessung beim Staatssektor in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung beschreiben daher die ausgewiesenen 52
Rückstände lediglich die Unterschiede im Lohnniveau und nicht Produktionsunterschiede in realen terms.
Solche Verzerrungen realer Größen durch Preisniveauunterschiede sind keineswegs überraschend, sondern ein aus internationalen Vergleichen bekanntes Phänomen (Görzig, Gornig 1991). Der Vergleich von Verwendungskomponenten einkommensschwacher und einkommensstarker Länder ergab, daß bei der Umrechnung mit aktuellen Wechselkursen die Unterschiede in der Güterversorgung größer ausfielen, als bei einer Umrechnung mit Hilfe von Kaufkraftparitäten (Salazar-Carrillo, Tirado de Alonso 1988). Auch internationale Produktivitätsvergleiche weisen darauf hin, daß die mit Preisen bewertete Produktionsmenge und damit die Produktivität in Abhängigkeit von dem gewählten Preisgerüst unterschiedlich hoch ausfällt. Zwischen USA und Japan
beispielsweise
ergeben
sich Abweichungen
bei der
Einschätzung
des
Produktivitätsunterschieds im verarbeitenden Gewerbe von bis zu 4 0 vH, je nachdem, ob die Preise von Japan oder den USA zugrunde gelegt werden. Noch größer sind die Abweichungen bei Vergleichen zwischen Staaten mit unterschiedlichem Entwicklungsniveau (Szirmai, Pilat 1990).
Entsprechende Überlegungen müssen auch bei regionalen Vergleichen zwischen Westund Ostdeutschland berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit, die beschriebenen methodischen Probleme beim direkten Ost-West-Vergleich und bei der Berichterstattung
über den Anpassungsprozeß
Ostdeutschlands
zu umgehen,
ist die
Beschränkung der Analyse auf Größen zu jeweiligen Preisen (DIW, IfW 1993). Bei der Einschätzung
der Entwicklung des Versorgungsgrades
oder der Produktion
in
Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland bleiben aber die verzerrenden Effekte unterschiedlicher Niveaus des generellen Preisniveaus bestehen. Für diese Zwecke ist daher hier ein anderer Weg beschritten und die wirtschaftliche Situation Ostdeutschlands mit Hilfe vergleichbarer, um die Preisunterschiede bereinigter Größen zu konstanten Preisen betrachtet worden.
Dazu war
es erforderlich,
Produktion und Verwendung
in Ostdeutschland
zu
westdeutschen Preisen zu bewerten. Für das Jahr 1991 ist eine Preisbasis für Ostdeutschland in westdeutschen Preisen abgeleitet worden, aus der die reale Entwicklung der Verwendungskomponenten und der Produktionsbereiche vergleichbar dargestellt werden kann. Aufgrund von Informationsmängeln läßt sich eine solche Preisbasis jedoch nicht in einer tiefen gütersystematischen Gliederung ableiten. Aus 53
dem gleichen Grund konnten die für Preisvergleiche wichtigen Angaben über die Qualitätsunterschiede der Güter in den einzelnen Bereichen nur sehr unzureichend berücksichtigt werden.
Um zunächst eine Untergrenze des Preisrückstandes
1991 in
Ostdeutschland
gegenüber Westdeutschland zu ermitteln, wurde angenommen, der Preisanpassungsprozeß im Jahr 1994 sei bereits abgeschlossen gewesen. Dies ist gleichbedeutend mit Preisindizes für die betrachteten neun Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsproduktes in West- und in Ostdeutschland im Jahr 1994 von 100; der Preisindex des Bruttoinlandsproduktes in Ostdeutschland entspricht damit dem Westniveau. Unter Verwendung der Entwicklung der Preisindizes der Verwendungskomponenten in den Jahren 1992 bis 1994 konnte dann eine Rückrechnung getrennt für West- und Ostdeutschland durchgeführt werden. Ein Vergleich der sich daraus ergebenden Reihen der Preisindizes zeigt, wie groß der Abstand der Preisniveaus in Ostdeutschland Ende 1991 im Vergleich zu den westdeutschen Niveaus gewesen war.
Mit Hilfe dieser Indexwerte lassen sich die Werte für die Verwendungskomponenten und die sektorale Produktion in Ostdeutschland 1991 zu westdeutschen Preisen berechnen. Diese Werte stellen allerdings nur Mindestwerte für die Effekte der Preisverzerrung dar, wenn man bedenkt, daß in einigen Bereichen, insbesondere bei den Dienstleistungen und den Wohnungsmieten, der Preisanpassungsprozeß im Jahr 1994 noch längst nicht abgeschlossen war.
Zur
Berücksichtigung
dieser
zusätzliche Informationen
noch
bestehenden
Preisniveauunterschiede
über den Preisrückstand einzelner
sind
Verwendungskom-
ponenten in Ostdeutschland in die Berechnungen integriert worden. Diese Informationen beruhen im wesentlichen auf einem vom Statistischen Bundesamt durchgeführten Städtevergleich für Bestandteile des Preisindex der Lebenshaltung (Ströhl 1994). In anderen Untersuchungen wurden speziell die Preisrückstände bei der Wohnungsvermietung analysiert (Gerlach 1994). Zudem wurden zur Abschätzung der Preisunterschiede beim Staatsverbrauch Informationen über den Lohnrückstand der Staatsbediensteten genutzt.
Für das Bruttoinlandsprodukt Ostdeutschlands errechnet sich unter Berücksichtigung der Importe für 1991 ein Preisniveau in westdeutschen Preisen von 73. Dieser Wert ergibt sich in der Input-Output-Rechnung konsistent auch aus der Entstehungs54
rechnung, so daß die Preisindexwerte für die Bruttowertschöpfung der einzelnen Produktionssektoren unmittelbar angepaßt werden konnten. Insbesondere in den Bereichen Verkehr und Nachrichtenübermittlung, bei den Dienstleistungen und beim Staat ergeben sich im Vergleich zu den Ausgangsniveaus deutlich geringere Werte. Damit werden die Preisrückstände auf der Verwendungsseite im wesentlichen auf Produktionsbereiche zurückgeführt, die 1991 stark durch administrative Preise gekennzeichnet waren.
Die Umrechnung der Angaben der offiziellen Statistik im Bereich des Preisniveaus und der Preisstrukturen Ostdeutschlands beeinflußt die Einschätzung über das bisher erreichte und in der Zukunft erreichbare Niveau der wirtschaftlichen Anpassung an westdeutsche Verhältnisse in allen Nachfragekomponenten und Wirtschaftssektoren. Diese um Preisunterschiede bereinigten Werte werden für die Bewertung der OstWest-Relation herangezogen. Sie werden bei den Vergleichen zwischen den beiden Landesteilen zusätzlich zu den Angaben der offiziellen Statistik ausgewiesen.
Preisniveauangleichung
im Prognosezeitraum
Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt dürfte - bis auf regionsspezifische
Unter-
schiede - der Preisanpassungsprozeß Ostdeutschlands im Jahr 2 0 1 0 abgeschlossen sein, so daß sich für beide Landesteile identische Preisindizes ergeben müßten. Diese Annahme ist für den Prozeß der Konsistenzprüfung in nominaler Rechnung benutzt worden. Zu diesem Zweck ist das ostdeutsche Preisniveau unter Berücksichtigung definitorischer Zusammenhänge mit Hilfe der Produktivität pro Erwerbstätigen und der Entwicklung der bereinigten Bruttolohnquote errechnet worden. Folgende (vereinfachte) Definitionsgleichungen veranschaulichen die Zusammenhänge:
(1!
Ρ
y
V y;
(2)
Μ r n \ Y /
55
mit Y
= reales Bruttoinlandsprodukt
Yn
= nominales Bruttoinlandsprodukt
Ρ y = Preisindex Bruttoinlandsprodukt A
= Arbeitnehmer
Die Gleichung (4) macht deutlich, wie eng verknüpft die Entwicklungen der Löhne pro Arbeitnehmer (Υ"/Α), der Produktivität (Y/A), des Preisniveaus und die Entwicklung der Bruttolohnquote (Y[7Yn) sind. Bei gegebener Produktivitätsentwicklung und einer sinkenden Lohnquote, die sich der westdeutschen annähert, ist mit der Wahl der Lohnentwicklung auch die Höhe des Preisniveaus im Jahr 2 0 1 0 bestimmt. Aus den Definitionsgleichungen sind kausale Beziehungen zwischen den betrachteten Größen zwar nicht ableitbar, sie machen aber deutlich, daß bestimmte Entwicklungspfade ökonomischer
Größen,
die partialanalytisch
begründet
und plausibel sind,
im
gesamtwirtschaftlichen Kreislaufzusammenhang zu unplausiblen Ergebnissen führen können. Geht man beispielsweise von einer hohen Produktivitätsdynamik, die den Produktivitätsrückstand zu Westdeutschland deutlich verringert, und gleichzeitig von einer relativ starken Lohnzurückhaltung der Beschäftigten in Ostdeutschland aus, würde dies entweder zu einem Preisniveau führen, dessen Abstand zu Westdeutschland den des Jahres 1991 überschreiten würde, oder zu einer Lohnquote, die weit unter derjenigen Westdeutschlands liegen würde. Beide Entwicklungsmöglichkeiten sind jedoch aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Westdeutschland unwahrscheinlich. Die in diesem Zusammenhang kompatiblen Variablenkonstellationen zu bestimmen, ist eine der zentralen Aufgaben des Konsistenztests mit Hilfe des nominalen Kreislaufmodells für Ostdeutschland.
56
Die Entwicklung
des Produktionspotentials
Die vereinfachte Version des capital-vintage Modells zur Bestimmung der Produktionspotentialentwicklung
ist
in seiner
Grundkonzeption
auch
auf
Ostdeutschland
übertragen worden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Zeit vor und nach 1991. Zunächst mußte die Bedeutung der Anlagen aus DDR-Zeiten für die Höhe des Produktionspotentials zum Zeitpunkt der Vereinigung abgeschätzt werden. Die Folgen, die
aus
der
Konfrontation
eines
unter
planwirtschaftlichen
Gesichtspunkten
entstandenen Kapitalbestandes in einem marktwirtschaftlichen Umfeld entstehen, lassen sich mit dem capital-vintage Ansatz sehr gut abbilden. Dabei kann dieser Übergang nur vereinfacht simuliert werden, da das Modell grundsätzlich auf eine marktwirtschaftliche Umgebung hin konstruiert worden ist. Für die Simulation werden Berechnungen von Niveau und Altersstruktur des Anlagevermögens zum Zeitpunkt der Vereinigung zugrunde gelegt. Auf die damit verbundenen Probleme insbesondere der Umbewertung und der Aussonderung veralteter und technisch unbrauchbarer Anlagen ist an anderer Stelle ausführlich eingegangen worden (Görzig 1995).
Von besonderer Schwierigkeit ist es, eine Vorstellung von der Faktoreinsatzrelation alter Investitionsjahrgänge zu gewinnen. In der DDR fand - planwirtschaftlichen Prinzipien entsprechend - eine Lenkung über die Preise nicht statt. Deshalb kam es immer wieder zu, häufig auch ineffizienten, Allokationsentscheidungen, die sich zwar nicht an Preisen, wohl aber an tatsächlichen oder auch gesetzten Knappheitsrelationen orientierten. Bezogen auf die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital führte dies dazu, daß Arbeit vergleichsweise billig, weil weniger knapp, und Kapital vergleichsweise teuer war. Zwar hat die DDR-Statistik einen im internationalen Vergleich sehr hohen Kapitalbestand ausgewiesen, so daß formal der Kapitaleinsatz je Beschäftigten außerordentlich hoch war. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß dieser hohe Wert vor allem durch die Einbeziehung überalterter und damit wenig effizienter Kapitalbestände zustande kam (Görzig/Gornig 1991). Der tatsächlich in den Betrieben der DDR herrschende Kapitalmangel wurde in der Regel durch verstärkten Arbeitseinsatz ausgeglichen, die hohen Reparaturaufwendungen sind ein Beispiel dafür.
Im Ergebnis führte dies zu einer an ihren Potentialgrenzen operierenden Volkswirtschaft mit einer deutlich geringeren Arbeitsproduktivität als in Westdeutschland. Mit Hilfe des capital-vintage Modells ist versucht worden, die mit den Investitionen der DDR-Wirtschaft verbundenen Zugänge zum Produktionspotential so zu simulieren, daß 57
die vom DIW geschätzten Effektivwerte für 1989 (Müller-Krumholz 1994) erreicht werden. Dabei wurden die aus DDR-Zeiten stammenden Investitionen bezüglich ihrer erwarteten Nutzungsdauer genauso behandelt wie westdeutsche Investitionen, und damit von vornherein die DDR-üblichen längeren Nutzungszeiten erheblich reduziert. Als Ergebnis der Simulation können den Investitionsjahrgängen des Anlagevermögens, das mit ihnen geschaffene Produktionspotential und die dazugehörigen Arbeitsplätze und somit auch entsprechende Arbeitsproduktivitäten zugeordnet werden.
Die Modellannahme zur Behandlung der Altanlagen sind von denjenigen zu trennen, die der Abbildung der Produktionspotentialentwicklung nach der Vereinigung dienen. Eigenständige Schätzungen eines capital-vintage Modells für Ostdeutschland sind zur Zeit noch nicht möglich. Es wird daher davon ausgegangen, daß seit 1991 für neue Anlagen in Ostdeutschland nach der Vereinigung die gleichen Investitionsbedingungen herrschen wie in Westdeutschland. Dies bedeutet zunächst, daß die Annahmen über die Parameter der Produktionsfunktion die gleichen sind. Damit wird im wesentlichen angenommen, daß das Effizienzniveau der in Ostdeutschland installierten Anlagen genauso hoch ist wie in Westdeutschland. Vor dem Hintergrund der teilweise deutlich differierenden sektoralen und gütermäßigen Zusammensetzung der neuen Anlagen in Ostdeutschland
kann diese Annahme nur eine Näherung an die tatsächlichen
Verhältnisse darstellen, die durch eine stärkere strukturelle Zerlegung der Produktionsfunktion relativiert werden müßte.
Von sehr viel stärkerer quantitativer Bedeutung sind jedoch die Annahmen über Reallohn und
Diskontierungsrate,
mit denen die Faktoreinsatzrelation
und
die
Faktorproduktivität der neuen Anlagen gesteuert werden.
Mit der Einbeziehung der DDR-Wirtschaft in ein marktwirtschaftliches Umfeld setzten erhebliche Lohnsteigerungen ein. Im capital-vintage Modell ist wie geschildert die Lohnhöhe im Vergleich zur Höhe der Arbeitsproduktivität eines Investitionsjahrganges Determinante für die Aussonderung von Investitionen aus dem Anlagenbestand. Ausgehend von den für
1989 ermittelten Arbeitsproduktivitäten
der einzelnen
Investitionsjahrgänge wurde angenommen, daß immer dann Produktionsanlagen bzw. Teile davon ausgesondert werden, wenn das Reallohnniveau den Wert der Arbeitsproduktivität überschreitet. Dies war insbesondere in den Jahren 1991 bis 1993 von erheblichem
Gewicht für die Entwicklung des Produktionspotentials.
Aufgrund
kräftiger Lohnsteigerungen in diesen Jahren bei gleichzeitig noch unzureichend hohem 58
Investitionsniveau kam es zu einem Rückgang des Produktionspotential (Görzig 1995). Ausgesondert wurden überwiegend die kürzerlebigen Ausrüstungen, deren Aussonderungszeitpunkt
angesichts der hohen Lohnsteigerungen
um einige
Jahre
vorverlegt wurde. Dieser Prozeß ist für das verarbeitende Gewerbe in einer quantitativen Modellrechnung dargestellt worden (Stille u.a. 1992).
Angesichts der vielfältigen Fördermaßnahmen für Ostdeutschland könnte argumentiert werden, daß die Diskontierungsraten für Investitionen niedriger anzusetzen seien als in Westdeutschland, mit der Folge einer geringen Kapitalproduktivität neuer Anlagen. Dies gilt allerdings nur, wenn von ansonsten identischen Investitionsbedingungen in Ost- und Westdeutschland ausgegangen wird. Dagegen spricht, daß schon 1993 die Zinsbelastung der ostdeutschen Unternehmen, trotz Fördermaßnahmen, um ein Vielfaches höher war als die der westdeutschen Unternehmen. Die höhere Zinsbelastung ist eingetreten, obwohl die Unternehmen Ostdeutschlands, soweit sie als existenzfähig eingestuft wurden, von der Treuhandanstalt mit einer westdeutschen Unternehmen vergleichbaren Anfangsausstattung an Eigenkapital versehen wurden (Deutsche
Bundesbank
1996).
Hier wird daher davon ausgegangen, daß die
Fördermaßnahmen im wesentlichen das höhere Risiko der Investitionen in Ostdeutschland ausgeglichen haben, wobei es sicher angesichts der Schwierigkeiten der richtigen Justierung auch zu einem Überschießen in dem einen oder anderen Fall mit der Folge unrentabler Fehlinvestitionen gekommen war.
Angesichts der vielfach geäußerten Forderung, das Lohnniveau in Ostdeutschland rasch anzugleichen, wird davon ausgegangen, daß die von den Unternehmen geplante Kapitalintensität neuer Anlagen die gleiche ist wie in Westdeutschland. Es wird also unterstellt, daß die Unternehmen ihre Anlagen wesentlich kapitalintensiver gestalten, als es nach dem theoretischen Grundmodell bei sehr viel niedrigerem Lohnniveau zu erwarten gewesen wäre.
Die plausible Überlegung, die Unternehmen hätten bei ihren Investitionen die für die Angleichung erforderlichen Lohnsteigerungen bereits antizipiert, steht nur scheinbar im Widerspruch zu der gegenwärtig vorherrschenden Ansicht, daß Lohnniveau in Ostdeutschland dürfe nicht weiter steigen, da sonst zunehmend Anlagen unrentabel werden. Werden neue Anlagen mit westdeutschen Lohnniveau kalkuliert, so sind angesichts des nach wie vor niedrigeren Lohnniveaus in Ostdeutschland mit diesen Anlagen auch dann erheblich höhere Gewinne realisierbar als in Westdeutschland, 59
wenn berücksichtigt wird, daß in Unternehmen, in denen überwiegend neue Anlagen investiert sind, das Lohnniveau über dem ostdeutschen Durchschnittswert
liegt.
Anders zu beurteilen sind jedoch Anlagen, die noch zu DDR-Zeiten installiert wurden. Ihr Anteil am gesamten Anlagevermögen ist angesichts der hohen Investitionsdynamik in Ostdeutschland auf weniger als die Hälfte zurückgegangen (Görzig 1995). Diese Anlagen sind meist nicht in dem Maße lohnkostensparend konstruiert, daß sie bei dem erheblich gestiegenem Lohnniveau auf Dauer rentabel betrieben werden könnten, so daß Lohnerhöhungen zur weiteren Aussonderung dieser dann unrentabel gewordenen Anlagen führen.
Anpassungen beim Geldvermögen
Die konsequente Verknüpfung von Strom- und Bestandsgrößen ist nicht nur im Bereich von Anlageinvestitionen und -vermögen ein Kernbestandteil der Szenarienerstellung. Auch die Entwicklung sektoraler Finanzierungssalden und die Höhe des Geldvermögens sind von entscheidender Bedeutung für den Prognoseprozeß. Für die korrekte Abbildung der Verschuldung und der Zinsbelastung insbesondere des Staats- und Unternehmenssektors nach 1991 mußten Umbuchungen gegenüber der Darstellung innerhalb der VGR vorgenommen werden. Diese betreffen hauptsächlich Ostdeutschland, werden hier jedoch vor allem aus der Sichtweise von Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen für Gesamtdeutschland geschildert.
Bei der Abschätzung der künftigen Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben des Staates einschließlich der Sozialversicherung muß beachtet werden, daß die Schulden der Bahn, der Treuhandanstalt und von Teilen der ostdeutschen Wohnungswirtschaft in jüngster Zeit auf den Bund übergegangen sind. Im einzelnen wurden 1994 die Schulden der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn in Höhe von knapp 66 Mrd. DM ins sogenannte Bundeseisenbahnvermögen und 1995 die Schulden der Treuhandanstalt in Höhe von knapp 205 Mrd. DM und Teile der Schulden der ostdeutschen Wohnungswirtschaft
in Höhe von rund 31 Mrd. DM in den Er-
blastentilgungsfonds aufgenommen.
Durch diese Vermögensübertragungen erhöht sich die Verschuldung des Staates und seine
Zinsbelastungen
nehmen zu. Gleichzeitig
wird
der
Unternehmenssektor
entsprechend entlastet. Folgt man der offiziellen Statistik, müßten die Übertragungen größtenteils innerhalb des Prognosezeitraums vorgenommen werden. Dadurch wird 60
eine adäquate Abschätzung der zukünftigen Entwicklung innerhalb des Staats- und Untemehmenssektors erschwert. Deshalb wurden hier die notwendigen Umbuchungen kontinuierlich von 1990 an vorgenommen. Damit konnten schon im Basisjahr der Projektionen (1994) diese Zusatzschulden soweit als möglich dem Staat zugerechnet werden (Tabelle 1/1). Auch aus ökonmischer Sicht ist eine solche Zurechnung plausibler, u.a. weil der Staat von Anfang an die volle Haftung für die von der Treuhandanstalt aufgenommenen Kredite übernommen hatte.
In den drei Bereichen ist dabei folgendermaßen vorgegangen worden:
Treuhandanstalt Die Verschuldung der Treuhandanstalt zum Jahresende 1990 in Höhe von 14,1 Mrd. DM wurde durch eine Vermögensübertragung vom ostdeutschen Unternehmenssektor auf den Staat übertragen. Die Nettoneuverschuldung der Treuhandanstalt in den Folgejahren wurde aufgeteilt in Zinszahlungen auf die bisherigen Schulden und in Verluste aus laufender Rechnung. Vereinfachend wurde angenommen, daß der Staat für diese Verluste Zuschüsse in Form von laufenden Übertragungen
gewährte.
Hierunter werden alledings auch Tatbestände subsumiert, die im Sinne der VGR als Vermögensübertragungen verbucht werden müßten, wie beispielsweise von der Treuhand gewährte Investitionszuschüsse und die Übernahme von Altschulden. Die Zuschüsse für Verluste aus laufender Rechnung entsprechen also eher dem umfassenden Subventionsbegriff der Strukturberichterstattung. Zu beachten ist jedoch, daß sich in den von den Zurechnungen nicht betroffenen Vermögensübertragungen des Staates an den Unternehmenssektor teilweise Subventionen in diesem umfassenderen Sinne verbergen.
Ostdeutsche Wohnungswirtschaft Durch das Altschuldenhilfe-Gesetz wurde die Übernahme von 3 1 , 2 Mrd. DM der Altschulden der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft und der privaten Vermieter Ostdeutschlands in den Erblastentilgungsfonds als Sondervermögen des Bundes zum 1. Juli 1995 festgelegt (DIW 1995a). Dies war über die Hälfte (53 vH) des gesamten Altschuldenbestandes der ostdeutschen Wohnungsunternehmen zum Jahresende 1993 in Höhe von rund 59 Mrd. Der Altschuldenbestand zum Stichtag 1. Juli 1990, dem Tag der Währungsunion, belief sich auf 4 3 , 2 Mrd. DM (Bartholmai/Melzer 1993). Er erhöhte sich bis Ende 1993 auf den genannten Betrag,
61
weil die Banken durch ein Moratorium die fälligen Zins- und Tilgungsraten gestundet hatten.
Als Gutschrift für die ostdeutsche Wohnungswirtschaft im Jahr 1990 wurden hier 53 vH des gesamten Altschuldenbestandes zum Jahresende angesetzt (23,7 Mrd. DM). Für die Zinszahlungen in den Jahren 1991 - 1993 wurde der entsprechende Anteil der gestundeten Zins- und Tilgungszahlungen verbucht. Die Zinszahlungen im Jahre 1994 sind gegenüber den Vorjahren höher, weil Bund und ostdeutsche Länder nach dem Bankenmoratorium die Zinszahlungen auf die gesamten Altschulden bis Mitte 1995 übernommen hatten (Deutscher Bundestag 1994). Dabei wurde für 1994 ein Zinssatz von 7,5 vH unterstellt. Ab Mitte 1995 muß der Erblastentilgungsfonds natürlich die übernommenen Schulden bedienen.
Bundeseisenbahnvermögen Die entsprechende Vermögensübertragung im Jahr 1990 in Höhe von 34,5 Mrd. ergibt sich aus der Verschuldung der Deutschen Bundesbahn zum Jahresende abzüglich der in 1991 durch den Bund erfolgten und in der VGR bereits berücksichtigten Schuldenübernahme in Höhe von 12,6 Mrd. DM.
Für die Folgejahre ist beim Posten "Zinsen auf Zusatzschulden" die Zinszahlungen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn angesetzt worden (Deutscher Bundestag 1994). Die Zuschüsse für Verluste aus laufender Rechnung ergeben sich aus der Veränderung der Schuldenposition dieser beiden Unternehmen abzüglich den jährlichen Zinszahlungen.
Für das Jahr 1994 ist bei den Zinszahlungen auf die Schulden des Bundeseisenbahnvermögens ein Zinssatz von 7,5 vH angenommen worden. Der Zuschuß in diesem Jahr
entspricht
dem Finanzierungssaldo
des Bundeseisenbahnvermögens
unter
Berücksichtigung der Zinszahlungen (DIW 1994).
Da die Abschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland in einem Zwei-Regionen-Modell vorgenommen wird, mußte neben der Umbuchung der Zusatzschulden vom Unternehmens- zum Staatssektor auch eine regionale Aufteilung vorgenommen werden. Zwar übernimmt der Bund als gesamtstaatliche Instanz den Großteil der Schulden. Eine Aufteilung nach Regionen ist aber dennoch notwendig,
62
weil auch in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine fiktive Trennung in einen Bund-Ost und einen Bund-West erfolgt.
So werden beispielsweise die Personalausgaben des Bundes und der Sozialversicherung
in der
Entstehungsrechnung
der
Bruttowertschöpfung
des
Staates
Westdeutschland zugerechnet. In der Verwendungsrechnung dagegen werden Teile des in Westdeutschland produzierten Staatsverbrauchs als nach Ostdeutschland exportiert ausgewiesen. Dieser fiktive Export gilt als Transferleistung Westdeutschlands nach Ostdeutschland. Auch die Zinsausgaben des Bundes wurden, soweit sie sich als Verpflichtung aus dem Fond Deutsche Einheit und dem Kreditabwicklungsfond ergaben, Ostdeutschland zugeordnet.
Daneben werden Teile der Einnahmen des Bundes nach bestimmten Schlüsseln dem Bund-Ost zugerechnet. Dennoch führen die Ausgabenüberschüsse des Bund-Ost nicht zu entsprechenden Finanzierungsdefiziten und einer eigenständigen Verschuldung. Die Defizite werden mit Hilfe einer Transferzahlung, dem sogenannten Saldenausgleich, nach Westdeutschland übertragen. Hierdurch ergibt sich die paradoxe Situation, daß die Zinszahlungen vereinigungsbedingter Schulden in Ostdeutschland verbucht, die dazugehörigen Schuldenbestände jedoch Westdeutschland zugeordnet werden. Um zu gewährleisten, daß Zinszahlungen und dazugehörige Schuldenbestände in ein und derselben Region verbucht werden, wurde eine eigenständige Verschuldung des Bundes-Ost zugelassen, indem der Saldenausgleich rückgängig gemacht wurde. Entsprechend wurden die Zinszahlungen und Zusatzschulden des Unternehmenssektors, die im Zuge der Vereinigung entstanden und vom Staat übernommen wurden, dem Bund-Ost zugerechnet. Diese bereinigte Aufteilung in einen Staatssektor für West- und Ostdeutschland ist von Bedeutung für das gesamte interne Rechenwerk und wurde u.a. zur Abschätzung des Transferbedarfs gesonderten Ausweis
herangezogen. Auf einen
in den Tabellen wurde allerdings aufgrund
des fiktiven
Charakters dieser Größen verzichtet.
63
Tabelle 1/1:
Staatskonto Deutschland 1) - nach Zurechnung der Zusatzschulden -
1990
1991
1992
1993
1994
Mrd. DM 1068,4
1147,3
1191,1
1286,3
Von Zurechnung nicht betroffen Steuern und Sozialbeitäge
1164,9
1277,4
1312,3
1377,0
Von Zurechnung betroffen Zuschüsse an Unternehmen
96,5
130,1
121,2
90,7
68,4 28,0
63,1 67,0
63,3 57,9
63,2 27,5
5,2 22,8
6,2 60,8
7,4 50,5
5,2 22,3
1198,5
1318,1
1372,4
1407,3
1150,8
1253,2
1298,5
1332,7
554,2 55,0 486,1 55,5
612,8 65,0 528,3 47,1
623,0 63,8 565,6 46,1
639,9 64,6 589,2 39,1
47,7
64,9
73,9
74,6
empfangene Vermögenseinkommen Zinsen
37,8 85,5
49,7 114,6
49,0 122,8
55,8 130,4
auf Schulden ohne Zusatzschulden auf übernommene Zusatzschulden
77,2 8,3
101,2 13,4
104,6 18,3
108,9 21,5
- Bundeseisenbahnvermögen - Treuhand - ostd. Wohnungswirtschaft
3,4 2,5 2,4
4,1 6,6 2,7
4,9 11,0 2,3
5,1 14,0 2,3
-130,1
-170,8
-181,3
-121,0
-93,8 -36,3
-90,3 -80,4
-105,1 -76,2
-72,0 -49,0
72,3
108,6
189,0
265,2
307,0
34,5 14,1 23,7
43,1 39,4 26,1
53,4 106,8 28,8
65,7 168,3 31,2
71,2 204,6 31,2
Einnahmen insgesamt
laufende Übertragungen für Verluste aus laufender Rechnung - Bundeseisenbahnvermögen - Treuhand Ausgaben insgesamt Von Zurechnung nicht betroffen Staatsverbrauch Nettoinvestitionen Lfd. Übertragungen (Haushalte / Übrige Welt) Vermögensübertragungen Von Zurechnung betroffen Nettozinsen
Finanzierunssaldo ohne Zusatzschulden aus Zusatzschulden
Kumulierte Zusatzschulden - Bundeseisenbahnvermögen - Treuhand - ostd. Wohnungswirtschaft 1) Gebietskörperschaften und Sozialversicherung
Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank, Schätzungen und Berechnungen des DIW
2
Entwicklung der Szenarienannahmen
2.1 Tendenzen in wichtigen Entwicklungsfeldern
Das im Szenarienmodell des DIW gewählte Vorgehen verlangt eine sorgfältige Betrachtung der Veränderung wichtiger Rahmenbedingungen der künftigen Wirtschaftsentwicklung (Görzig, Gornig, Schulz 1994). Was zu den wichtigen Rahmenbedingungen zu rechnen ist, kann allerdings aufgrund der Fülle möglicher Einflußgrößen im Einzelfall unterschiedlich bewertet werden. Handhabbar ist eine quantitative Szenariotechnik jedoch nur, wenn man sich bei der Ausarbeitung des Rahmengerüsts auf einige Felder beschränkt. Auswahlkriterien für die hier durchgeführten Szenarien war, daß zum einen eine spürbare Veränderung der Rahmenbedingungen eingetreten bzw. absehbar ist, und zum anderen potentiell bedeutende ökonomische Folgewirkungen zu erwarten sind. Die konkrete Bewertung hängt dabei wesentlich vom Zeithorizont der Projektionen ab. Für die Szenarien bis zum Jahr 2010 wurden hier vor allem folgende Felder betrachtet: -
die Fortentwicklung des Welthandels
-
die Integrationsprozesse in der EU
-
der technologisch-organisatorische Wandel
-
die Einbindung Ostdeutschlands
-
die Finanz- und Umweltpolitik
-
die Außenwanderungen der Bundesrepublik
Veränderungen
im Welthandel
Für ein stark außenhandelsorientiertes Land wie die Bundesrepublik ist die Sicherung und Weiterentwicklung des Welthandels von großer Bedeutung. Nach schwierigen Interessenabwägungen ist es hier im Rahmen der WTO und des GATT gelungen, verbesserte Rahmenbedingungen für einen freien und fairen Welthandel zu schaffen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem -
die
Ausweitung
der
GATT-Regeln
auf
den Dienstleistungshandel
und
hier
insbesondere der verstärkte Schutz von Eigentumsrechten, -
die verbesserten Regelungen über den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse und
-
die Neuregelungen für Textil- und Argarmärkte.
Von der durch die Vereinbarungen zum WTO und GATT verkörperte neue Welthandelsordnung können deutlich positive Impulse für das globale Wirtschaftswachs65
tum ausgehen. Wenn die Umsetzung der Vereinbarungen gelingt, dürfte weltweit eine Industrialisierungs- bzw. Modernisierungsstrategie zu erwarten sein.
Es darf allerdings auch nicht übersehen werden, daß weiterhin erhebliche Gefahrenpotentiale für die Aufrechterhaltung eines freien und fairen Welthandels bestehen. So ist eine befriedigende Lösung für den Agrarsektor der EU noch nicht gefunden, die USA weisen immer noch hohe Außenhandelsdefizite aus, und die agressive Exportstrategie vieler südostasiatischer Länder setzt die etablierten Industrieländer stark unter Druck. A u c h wenn ein Rückfall zu stark protektionistischen Maßnahmen wenig wahrscheinlich ist, könnte doch die Liberalisierung im Welthandel deutlich langsamer vorankommen.
Dies gilt vor allem für den Handel zwischen den drei großen
Wirtschaftsblöcken Westeuropa, Nordamerika und Südostasien.
Wesentliche Bedeutung für die Entwicklung des Außenhandels der Bundesrepublik haben darüber hinaus Veränderungen in der Konkurrenzsituation im Welthandel. Bereits auf mittlere Frist von Bedeutung ist dabei zunächst die voranschreitende Industrialisierung der Schwellenländer in Südostasien und Lateinamerika. In diesen Ländern ist die Kostensituation derzeit im Vergleich zu Deutschland weitaus günstiger. Gleichzeitig besitzen einige dieser Länder Potentiale, auch in technologisch höherwertige
Produktionsbereiche
einzudringen. Allerdings zeigen die
Entwicklungen
beispielsweise in Taiwan und Südkorea auch, daß mit der fortschreitenden Industrialisierung die Lohnstückkostenvorteile gegenüber etablierten Industriestaaten wie der Bundesrepublik spürbar zurückgehen.
Von noch weitaus stärkerer Bedeutung können die Veränderungen der Konkurrenzsituation für die deutsche Wirtschaft durch die Öffnung der Staaten Mittel- und Osteuropas sein. In welchen Fristen und mit welcher Intensität diese Länder als Handelspartner für die Bundesrepublik an Gewicht gewinnen, ist allerdings schwer vorherzusagen.
Die
ehemals
kommunistischen
Länder
Mittel-
und
Südosteuropas
sowie
der
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten befinden sich in einem tiefgreifenden politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Wandel. Neben dem weitgehend abgeschlossenen Aufbau einer institutionellen Infrastruktur und der häufig spürbar vorangekommenen makroökonomischen Stabilisierung ist gegenwärtig die schwierigste Aufgabe im Transformationsprozeß die Umstellung der Betriebe (Thanner 1992; Schrettl, Clement 66
1991). Hinzu kommt der enorme privatwirtschaftliche und öffentliche Kapitalbedarf bei der Umstrukturierung der Produktion und der Modernisierung der Infrastruktur (Handler/Kramer/Stankovsky 1992; Ochel 1991).
Der Umstrukturierungsprozeß dürfte sich insgesamt eher langsam vollziehen. Zu beachten ist allerdings auch, daß die hier betrachtete Stactengruppe der mittel- und osteuropäischen Länder einschließlich der ehemaligen UdSSR sehr heterogen ist. Die ökonomischen Potentiale der Länder und ihrer Regionen weichen stark voneinander ab (Gritsai/Treivish 1990). Dementsprechend sind häufig Vorstellungen über ein phasenoder ringweises Entwicklungsmuster anzutreffen (Nötzold 1990; Siebert 1992).
Die günstigsten Voraussetzungen für eine starke Einbindung in die Weltwirtschaft werden hierbei den zentraleuropäischen Staaten beigemessen. Vor allem in der Tschechischen Republik, Polen und Ungarn wird es aufgrund der historisch engen Bindungen zu Westeuropa, den stärker marktwirtschaftlichen Traditionen, des vergleichsweise gut ausgebildeten Facharbeiterpotentials und des relativ hohen Niveaus von Auslandsinvestitionen eher zu einer Stabilisierung der Wirtschaft kommen. Für die südosteuropäischen Staaten, die europäischen Nachfolgestaaten der UdSSR und vor allem für Rußland selbst wird trotz der langfristig hohen Entwicklungspotentiale mittelfristig mit weniger starken Bindungen an Westeuropa und eher noch längeren Zeiträumen des Anpassungsprozesses gerechnet.
Zu der Frage, in welchen Feldern Mittel- und Osteuropa als Bezugsmarkt künftig an Bedeutung gewinnen wird, gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit der Abschätzung des spezifischen Exportpotentials dieser Länder befassen (Neven/Röller 1991;
Klodt
1991).
Die höchsten
Exportpotentiale
zeigen sich demnach
bei
Rohstoffen und Nahrungsmitteln sowie Industriewaren mit hoher Arbeitsintensität, also in Feldern, die auch schon bislang die Importstrukturen der Bundesrepublik prägen.
Hinsichtlich der strukturellen Dimension vor allem im industriellen Bereich greifen solche
überschlägigen
Modellrechnungen
allerdings
zu kurz.
Denn
anders
als
beispielsweise die Standortvorteile der typischen Schwellenländer beziehen sich diese nicht allein auf geringere Lohnkosten. Die neue Dimension für Deutschland liegt in der Kombination von 67
-
meist gut ausgebildeter Facharbeiterschaft,
-
räumlicher Nähe und
-
Lohnkostenvorteilen.
Entsprechend wird sich die Einbindung Mittel- und Osteuropas als Bezugsmarkt für Deutschland auch in anderen Bereichen ergeben, als sie von den bisherigen Niedriglohnländern besetzt werden. Diese neuen Importbereiche werden sich vor allem auf jene relativ einfachen lohnintensiven Produktionen beziehen, die sich aufgrund hoher Transportkosten bislang einer Internationalisierung entzogen haben. Neben einzelnen Zulieferbereichen sind hier vor allem die Industrie der Steine und Erden, die Holzindustrie und die Papierindustrie zu nennen.
Allerdings dürfte die Ausweitung des Warenaustausches in solchen transportsensiblen Bereichen durch die bislang desolaten Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen in den Staaten Mittel- und Osteuropas begrenzt werden. Selbst für die direkten Anrainerstaaten dürfte sich auch bei deutlich steigenden Infrastrukturinvestitionen die Situation erst langfristig entscheidend verbessern.
Wenig wahrscheinlich scheint auch, daß es den Staaten Mittel- und Osteuropas in absehbarer Zeit gelingt, bei komplexeren Produkten oder Produktkomponenten Exporterfolge zu erzielen. Neben den Defiziten in der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur erscheinen hierfür insbesondere die technologischen Rückstände in der Qualifikation der Beschäftigten und in der Forschungsinfrastruktur zu groß.
Die Nutzung des Bezugsmarktes Mittel- und Osteuropas durch die Bundesrepublik darf darüber hinaus nicht nur als Gefahr für die heimische Produktion angesehen werden. Die räumliche Nähe zu den Staaten Mittel- und Osteuropas ist bespielsweise auch eine Chance durch Bezug von Vorleistungsprodukten
die Wettbewerbsfähigkeit
der
deutschen Wirtschaft zu stärken. Gleichzeitig könnte sich mit der Erhöhung der Exportfähigkeit dieser Länder langfristig Mittel- und Osteuropa zu einem bedeutenden Absatzmarkt für deutsche Produkte entwickeln (DIW 1996c). Die Struktur des Importbedarfs
Mittel- und Osteuropas wird voraussichtlich vor allem durch den
vordringlichen
Modernisierungsbedarf
in den
Bereichen
Energie/Rohstoffe
und
Verkehr/Kommunikation bestimmt. Einige konkrete Großprojekte - teils mitfinanziert durch westliche Unternehmen und Staaten - zeichnen sich in diesen Feldern bereits ab. 68
Integrationsprozesse
in der EU
Deutschland ist ein fester Bestandteil der Europäischen Gemeinschaft und eng eingebunden in die politischen und wirtschaftlichen Netzwerke Westeuropas. Die Entwicklung von Wirtschaft und Bevölkerung in Westdeutschland ist in den letzten Jahrzehnten stark von den westeuropäischen Integrationsprozessen geprägt worden, wie auch umgekehrt die deutsche Wirtschaftsentwicklung maßgeblichen Einfluß auf das Integrationstempo hatte. Hohe Bedeutung ist dementsprechend den politisch-wirtschaftlichen Veränderungen in Westeuropa beizumessen, will man Einschätzungen zu den
künftigen
Tendenzen
der
Wirtschafts-
und
Bevölkerungsentwicklung
in
Deutschland gewinnen.
Besonders Augenmerk wurde hierbei Ende der achtziger Jahre auf die Ankündigung der Schaffung eines "Einheitlichen Europäischen Marktes" gelegt. 1985 legte die EGKommission ein Weißbuch zur Vollendung des EG Binnenmarktes bis zum Jahresende 1 9 9 2 vor. Insgesamt hielt die EG-Kommission die Verabschiedung von etwa 3 0 0 Einzelmaßnahmen zur Vereinheitlichung und Deregulierung für erforderlich. Allerdings konnten
bis heute nicht
alle Maßnahmen
in ihrer ursprünglich
vorgesehenen
Kompromißlosigkeit realisiert werden. Dies gilt etwa im Bereich der Steuerharmonisierung oder bei einer Reihe von Dienstleistungen.
Ende 1991 wurden in Maastricht weitere Schritte zur wirtschaftlichen und politischen Integration innerhalb der Europäischen Union beschlossen (EG-Kommission 1992). Hinsichtlich wirtschaftlich wichtiger Einzelentscheidungen wie der Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung bestehen dennoch in bezug auf Terminplanung und konkrete Umsetzung noch große Unsicherheiten (Lehment/Scheide 1992, DIW 1995c, Ohr 1996). Die Schwierigkeiten bei der Realisierung einer gemeinsamen Wirtschafts-
und Finanzpolitik und die immer noch hohen Disparitäten in der
Wirtschaftskraft der einzelnen Mitgliedsländer sprechen dafür, daß erst auf weit längere Frist als bisher angenommen eine Europäische Währungsunion
möglich
erscheint. Insbesondere Fragen der monetären Konvergenz und zunehmend auch der Konsolidierung der Staatshaushalte spielen dabei eine herausragende Rolle. Dennoch dürfte davon auszugehen sein, daß Wege gefunden werden, mit dem Beginn des neuen Jahrtausends zumindest einen Einstieg in eine gemeinsame Währung zu finden.
69
Gegenwärtig steht der Integrationsprozeß zur Währungsunion in einer entscheidenden Phase. Die größten Disparitäten treten zur Zeit bei den fiskalpolitischen Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages
auf, wohingegen bei Inflationsrate und Zins-
entwicklung deutliche Fortschritte bei der Angleichung in den letzten Jahren zu verzeichnen sind.
Bei den fiskalpolitischen Konvergenzkriterien steht das Erfordernis einer Reduzierung des gesamtstaatlichen Defizits auf einen Anteil von unter 3 vH des Bruttoinlandsproduktes im Vordergrund. Versuchen die potentiellen Teilnehmerländer zugleich, mit einem harten fiskalpolitischen Restriktionskurs bis Ende 1997 das Staatsdefizit unter die vorgegebene Schranke zu drücken, ist aufgrund der hohen außenwirtschaftlichen Verflechtung in Europa mit Wachstums- und Beschäftigungseinbußen zu rechnen. Damit dürften angesichts der derzeitigen konjunkturellen Schwächephase die Chancen, die Staatsfinanzen termingerecht zu konsolidieren, eher weiter abnehmen. Gleichzeitig wächst die Gefahr, daß mit den dann zunehmenden wirtschaftlichen Spannungen der Konvergenzerfolg bei den monetären Maastricht-Kriterien wieder zunichte gemacht wird und der europäische Einigungsprozeß einen Rückschlag erfährt (DIW 1996).
Bedeutend für die Bundesrepublik sind neben der Intensivierung der politisch-wirtschaftlichen Beziehungen auch die Erweiterungen um neue Mitgliedsstaaten. Mit Österreich, Schweden und Finnland sind jüngst wichtige Handelspartner Deutschlands aus dem ehemaligen EFTA-Verband der EU beigetreten. Parallel dazu signalisieren vor allem die Polen, die Tschechen und die Ungarn ihr Interesse, möglichst bald die Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu erlangen. Auch wenn die wirtschaftlichen Probleme dieser Länder einer raschen Mitgliedschaft entgegenstehen, könnte sich dies rasch ändern, wenn die Notwendigkeit immer größer würde, den Demokratisierungsprozeß in Mittel- und Osteuropa stärker abzustützen.
Der EG-Binnenmarkt und die langfristige Umsetzung einer Wirtschafts- und Währungsunion ebenso wie die jüngste Norderweiterung und eine eventuelle Einbindung mitteleuropäischer Staaten stellen allerdings für die Bundesrepublik nicht unbedingt zusätzlich neue Rahmenbedingungen dar. Sie können vielmehr im wesentlichen als eine Fortsetzung der Integrationsprozesse in Westeuropa verstanden werden, bei dem eine weitere Vereinheitlichung und Verbesserung der institutionellen Bedingungen für arbeitsteilige Produktion und Warenaustausch erreicht wird. 70
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen der weiteren Integrationsbereiche kann insgesamt
von
zusätzlichen
Wachstumsimpulsen
ausgegangen
werden.
Sind
Ausgangspunkt dafür beim Binnenmarkt die kostensenkenden Effekte der Deregulierung und des Wegfalls der Grenzkontrollen, so sind es bei der Wirtschafts- und Währungsunion die Verringerung der Transaktionskosten und die höhere Stabilität wirtschaftspolitischer Rahmendaten.
Wie in der Vergangenheit dürften dabei gravierende Änderungen der Stellung der deutschen Wirtschaft innerhalb der Europäischen Union nicht zu erwarten sein. Hierfür sprechen
auch die Ergebnisse vieler Studien zu den regionalen
Effekten
des
Binnenmarktes. Sowohl die primär auf sektorale (Prognos 1990; Empirica 1989) als auch die primär auf räumliche Effekte abzielenden Ansätze (Sinz/Steinle
1989;
Genosko 1990; Zimmermann 1991) belegen durchgreifende Veränderungen der Regionalstrukturen nicht.
Technologisch-organisa torischer Wandel
Die Abschätzung der ökonomischen Wirkungen neuer Technologien ist äußerst schwierig. Dies gilt schon allein wegen der prinzipiellen Unvorhersehbarkeit
von
Innovationen und wegen der Vielfalt neuer technologischer Entwicklungen. Um das Spektrum künftig wichtiger Technologiefelder abzugreifen, ist es daher notwendig, auf thesenartige Bewertungsschemata für Technologiebereiche zurückzugreifen (BMFT 1 9 9 3 ; DIW 1990d; Prognos 1989). Als neue Technologiefelder mit hohen ökonomischen Wirkungen können danach angesehen werden: -
die Bio- und Gentechnik
-
die Bereiche neue Werkstoffe und Materialien
-
die Optoelektronik und Magnetoptik.
Für die nächsten Jahre werden in diesen Bereichen hohe Zuwachsraten erwartet. In der Biotechnologie liegen wichtige Wachstumsfelder zunächst in den Bereichen der Nahrungs- und Genußmittel, der Pharmazie und der Umwelttechnik. In den anderen Bereichen sind es vor allem die Verbundwerkstoffe, die Lasertechnik und die Sensorik, denen hohe Wachtumspotentiale zugeschrieben werden.
Auf absehbare Zeit werden allerdings die ökonomisch bedeutenden Veränderungen von Produkt- und Produktionsstrukturen voraussichtlich weiterhin von Technologien 71
ausgehen, die im Zusammenhang mit der Mikroelektronik stehen. Zwar ist die Mikroelektronik als grundlegende Innovation nicht mehr unbedingt neu, aber die Anwendungsfelder in der Wirtschaft dürften bei weitem noch nicht ausgeschöpft sein.
Ein wichtiges, bislang aber nur wenig erschlossenes Anwendungsfeld zeichnet sich beispielsweise
in der Vernetzung
Produktionsprozeß
ab (VDI-TZ
einzelner
computergestützter
1991). Die hohe Bedeutung
Aktivitäten
im
computergestützter
integrierter Produktionsprozesse für die künftige Wirtschaftsentwicklung begründet sich dabei vor allem durch die Reduzierung der Bedeutung -
von Skalenerträgen und
-
von Transaktionskosten.
Im Zusammenhang mit den Auswirkungen computergestützter Produktionstechniken sind parallel laufende Veränderungen der Organisationskonzepte eine wichtige Einflußgröße (Peters, Waterman 1982; Picot, Reichwald 1980). Ausgangspunkt für die Überlegungen zu neuen Organisationskonzepten der Produktion waren neben den neuen technischen Möglichkeiten vor allem auch Veränderungen der Nachfrage. Diese zeichneten sich im Vergleich zur Vergangenheit durch eine steigende Differenzierung der Produktanforderungen und eine zunehmende Instabilität der Verbrauchsansprüche aus. Gleichzeitig verstärkte die zunehmende Internationalisierung der Märkte den Konkurrenzdruck.
Eine mögliche A n t w o r t im Bereich Organisation auf die zunehmende Produktvielfalt, die höheren Auslastungsschwankungen und den steigenden Preis- und Kostendruck ist die Verringerung der Fertigungstiefe der Unternehmen in dem Sinne, daß sie sich auf für sie strategisch wichtige Tätigkeitsbereiche konzentrieren und die anderen Teilbereiche auslagern. Betrachtet man Beispiele für das Konzept der "schlanken Produktion" in japanischen, US-amerikanischen und auch deutschen Automobil- und Elektrotechnikkonzernen, so zeigt sich, daß die organisatorischen Veränderungen sehr viel breiter angelegt sind. Untrennbar verbunden mit den neuen Produktionskonzepten ist beispielsweise die Veränderung der Arbeitsorganisation innerhalb der Betriebe (Piore, Säbel 1984). Zunehmende Komplexität und Ansprüche an Qualität und Flexibilität machen offensichtlich
eine Integration von Arbeitsschritten in Form
unterschiedlicher Arten der Gruppenarbeit erforderlich.
72
Die Anwendung neuer Organisationsformen in Verbindung mit neuen Fertigungs- und Kommunikationstechnologien schafft Potentiale auch zur Veränderung der internationalen Arbeitsteilung. Dies gilt generell bei einer umfassenden Verringerung der Fertigungstiefe
von Unternehmen bzw. Betrieben. Eine Reihe von Produktions-
prozessen sind damit nicht mehr von vornherein an den Standort des Hauptbetriebes bzw. der Entstehung des Hauptprodukts gebunden. Exemplarisch für die Nutzung dieses Freiheitsgrades sind die Strategien des "world-wide-sourcing" (Imrie 1986; Thurow 1985). Räumlich differenzierend wirkende Transport- und Transaktionskosten werden weitgehend vernachlässigt. Der Produktionsstandort eines Gutes mit einer bestimmten Qualität liegt dann dort, w o die geringsten Lohn- und Kapitalkosten bzw. die
niedrigsten
Produktionsauflagen
und
Abgabenbelastungen
vorliegen.
Die
Ausnutzung internationaler Produktionskostenunterschiede ist dabei an sich nichts Neues. Lohnkosteninduzierte räumliche Verlagerungsprozesse konnten beispielsweise schon in den sechziger Jahren bei der Textil- und Bekleidungsindustrie festgestellt werden. Die neue Dimension liegt vielmehr in der zunehmenden Möglichkeit, einzelne Produktionsprozesse räumlich getrennt durchzuführen.
Entscheidende Voraussetzung dafür, ob die neuen Freiheitsgrade in der Standortwahl tatsächlich zu Dezentralisierungsprozessen im Sinne einer Strategie des "global-sourcing" führen, ist, daß räumliche Fühlungsvorteile (Lokalisationsvorteile) künftig eher unbedeutend sind. Dies dürfte dann der Fall sein, wenn sich der Informationsaustausch standardisieren und er sich damit über die neuen Telekommunikationsinfrastrukturen abwickeln läßt. In bestimmten Bereichen wird dies allerdings auf absehbare Zeit sicherlich nicht der Fall sein. Bei komplexen und technisch hochwertigen Produkten werden der hohe Bedarf an Produktabstimmung sowie die hohen Anforderungen an Liefergenauigkeit und an eine rasche Umstellung des Lieferumfanges räumlich enge Verbindungen auch künftig notwendig machen. Entsprechend werden persönliche Kontakte und das In- Augenscheinnehmen wichtig bleiben.
Versteht man die neuen Organisationskonzepte nicht nur als Versuch, durch die Trennung von Produktionsprozessen bestehende räumliche Kostendifferenzen besser auszunutzen, sondern auch als Versuch, die Flexibilität des Gesamtproduktionsprozesses durch Spezialisierung und Kooperation zu erhöhen, dürften die räumlichen Effekte eher in Polarisierungstendenzen münden. Je nachdem, inwieweit bei bestimmten Teilproduktionen die Kooperationsprozesse standardisierbar sind, ergibt sich eine andere Richtung der Standortverlagerungen: 73
-
einerseits eine noch weitergehende Dezentralisierung von einfachen untergeordneten Produktionen im Sinne einer Strategie des "global sourcing" und
-
andererseits eine noch stärkere räumliche Zusammenführung zentraler Tätigkeitsfelder des Produktionsprozesses.
In den Aggregaten der VGR schlägt sich der technologisch-organisatorische Wandel u.a. in einer Intensivierung des Außenhandels nieder. Entsprechend dürfte unter den günstigen Annahmen zu den institutionellen Regelungen keine weitere Abschwächug des Wachstums des Welthandels zu erwarten sein. Daneben ergeben sich Impulse für die Produktivitätsentwicklung nicht nur in der Industrie, sondern auch in anderen Wirtschaftsbereichen, die stärker in die internationale Arbeitsteilung eingebunden sind.
Aufholprozeß Ostdeutschlands
Eine der wesentlichen wirtschaftspolitischen Herausforderungen bildet auf mittlere und längere Frist die Integration Ostdeutschlands. Inwieweit ein erfolgreicher
wirt-
schaftlicher Neuaufbau in den neuen Ländern gelingt oder nicht, beeinflußt dabei nicht unerheblich auch die Wachstumsperspektiven der deutschen Wirtschaft insgesamt. So besteht die Gefahr, daß durch die starken Belastungen des Staatshaushalts oder eine überzogene Orientierung der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik
auf die
Innenentwicklung die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsspielräume eingeschränkt werden. Umgekehrt können sich aber auch durch Anstöße für eine Verbesserung privater und staatlicher Organisationsformen neue gesamtwirtschaftliche Entwicklungschancen bieten.
Für den wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß in Ostdeutschland ergeben sich hierbei ganz eigene spezifische Ausgangssituationen. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil sich in Ostdeutschland eine Umbruchsituation ergab, die in dieser Form ohne wirtschaftshistorische Beispiele ist. Auch fünf Jahre nach der wirtschaftlichen Eingliederung der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland sind die Perspektiven der ökonomischen Entwicklung in Ostdeutschland noch nicht klar zu übersehen. Zwar schält sich nach einer Phase der Euphorie und einer Phase der Desillusionierung eine Differenzierung der Analysen heraus, ein einheitliches Bild von der künftigen
wirtschaftlichen
Situation in Ostdeutschland
schaftlichen Diskussion aber noch nicht erkennbar.
74
ist in der
wissen-
Zu welcher Einschätzung man hier kommt, hängt entscheidend davon ab, ob und wann in Ostdeutschland eine selbsttragende Wirtschaftsentwicklung in Gang kommt. Dies wird wiederum letztlich vom Aufbau eines wettbewerbsfähigen Kapitalstocks und damit
durch
den
Investitionsprozeß
und
seine
Determinanten
bestimmt.
Die
Investitionstätigkeit von auswärtigen Unternehmen in Ostdeutschland hat hierbei in den letzten Jahren einen erheblichen Umfang erreicht,
der wohl ebenfalls
als
wirtschaftshistorisch einmalig bezeichnet werden kann. Auf der Basis vor allem der Direktinvestitionen aus Westdeutschland ist in Ostdeutschland 1994 ein Investitionsvolumen im Unternehmensbereich außerhalb des Wohnungsbaus von über 100 Mrd. DM erreicht worden. Dies sind mehr als ein Viertel der Investitionen in diesem Bereich Gesamtdeutschlands. Bezogen auf die Bevölkerungszahl oder die Beschäftigten liegt damit die Investitionstätigkeit weit höher als in Westdeutschland. Gleichzeitig konnte der Privatisierungsprozeß weitgehend abgeschlossen werden. Nur noch an wenigen Industrieunternehmen sind der Bund oder die ostdeutschen Länder direkt oder indirekt beteiligt.
Beides
reicht
bislang
allerdings
nicht
aus,
einen
eigenständigen
dauerhaften
wirtschaftlichen Erholungsprozeß Ostdeutschlands zu tragen. Worauf es ankommt, ist nicht ein einmaliger Investitionsschub, sondern ein dauerhaftes Engagement westlicher Unternehmen in Ostdeutschland, verstärkt auch im industriellen Sektor. Ob dies geschehen wird, hängt wesentlich von der Frage ab, wie der Industriestandort Ostdeutschland auf mittlere bis längere Frist eingeschätzt wird (Krakowski, Lau, Lux 1992). Dies gilt insbesondere hinsichtlich alternativer Engagements in Westdeutschland und den grenznahen Gebieten in Osteuropa. Als Standortvorteile Ostdeutschlands bei westlichen Direktinvestitionen können in diesem Bezug vor allem folgende Punkte genannt werden: -
Verfügbarkeit fachlich qualifizierten Personals;
-
Möglichkeit zur Differenzierung bei der Personalauswahl auch nach sozialen Qualifikationen;
-
Leichtere Durchsetzbarkeit neuer Organisations- und Arbeitsformen;
-
Großes und vielfältiges Gewerbeflächenpotential;
75
-
Gutes Investitionsklima für privatwirtschaftliche Großprojekte;
-
Hohe staatliche Subventionierung von Investitionen;
-
Günstige Voraussetzungen zur Partizipation an öffentlichen Großaufträgen;
-
Nutzung von Transportkostenvorteilen bei der Befriedigung der Binnennachfrage;
-
Geringeres Effektivlohnniveau trotz massiver Tariflohnsteigerungen.
Standortnachteile bzw. Investitionshemmnisse für ein Engagement in Ostdeutschland lassen sich dagegen häufig in folgenden Feldern ausmachen: -
Qualitativ rückständige Verkehrsinfrastruktur;
-
Finanzielle und ökologische Altlasten;
-
Teilweise immer noch ungeklärte Eigentumsverhältnisse, die die Nutzung von Gewerbeflächen erschweren;
-
Behinderungen
im
Aufbau
mittelständischer
Strukturen
durch
eine
häufig
schwerfällige Administration; -
Mangelhafte Wohn- und Umweltsituation, die die Anwerbung westlicher Führungskräfte erschwert;
-
Fehlendes innovatives Umfeld bzw. mangelnde Forschungsinfrastruktur.
So nützlich und wichtig eine solche Gegenüberstellung für das Verständnis des gegenwärtigen Niveaus und der Struktur westlicher Direktinvestitionen ist, besitzt sie doch nur beschränkte Aussagekraft für die mittel- und langfristigen Investitionspfade. In der Umbruchsituation Ostdeutschlands ist ein statischer Standortvergleich unangebracht, vielmehr unterliegen die genannten Standortvor- und -nachteile ständiger Veränderung und sind in gewisser Weise selbst vom Investitionsprozeß abhängig.
So ist sicherlich zu erwarten, daß bei einer hohen Investitionsbereitschaft westlicher Unternehmen und der damit verbundenen günstigeren wirtschaftlichen Situation die Finanzierungsspielräume der öffentlichen Hand zunehmen. Infrastruktur-,
Umwelt-
schutz- und Wohnumfeldmaßnahmen werden sich eher realisieren lassen. Mit dem Abbau dieser und anderer Investitionshemmnisse könnte daher ein dynamisch sich selbst verstärkender Investitionsprozeß einsetzen. Umgekehrt dürften sich bei einer geringen Neigung zu Direktinvestitionen in vielen Bereichen die Standortbedingungen weiter verschlechtern. Ohne umfangreiche Direktinvestitionen wird sich insbesondere das Angebot an attraktiven Beschäftigungsmöglichkeiten kaum verbessern, und gerade Arbeitskräfte mit hohen fachlichen und sozialen Qualifikationen könnten wieder
76
verstärkt abwandern. Ostdeutschland würde damit hinsichtlich seines vermutlich wichtigsten Standortvorteils geschwächt.
Diese Überlegungen verdeutlichen, daß die Einschätzung des möglichen Pfads privater Direktinvestitionen in Ostdeutschland auch aus heutiger Sicht noch höchst ambivalent bleiben muß. Dies gilt vor allem auch, weil mögliche Standortvorteile künftig nur dann zu
Kapitalzuflüssen
führen
werden,
wenn
überhaupt
neue
bzw.
zusätzliche
Produktionsstandorte gesucht werden. Das Niveau der Direktinvestitionen wird also nicht nur von den relativen Standortbedingungen, sondern auch von der gesamtwirschaftlichen Entwicklung in Deutschland und Europa bzw. der Welt insgesamt abhängen. Neue Produktionsstandorte werden im Regelfall nur dann aufgebaut, wenn zusätzliche Produktionskapazitäten benötigt werden. Produktionsverlagerungen eines Betriebes stellen eher die Ausnahme dar.
Entsprechend unsicher müssen Einschätzungen zum wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß in Ostdeutschland bleiben. Allerdings geht es hierbei nicht um die Frage, ob ein wirtschaftlicher Aufholprozeß Ostdeutschlands stattfindet, sondern welcher Art er sein wird und welches Tempo er annimmt. So weisen Berechnungen zur Entwicklung des Kapitalstocks bei unterschiedlicher Setzung bestimmter Investitionspfade darauf hin, daß selbst bei deutlich rückläufigen Unternehmensinvestitionen sich Produktivität, Gewinnsituation und Einkommensentwicklung an westdeutsche Verhältnisse annähern (Görzig 1992; Gornig 1992).
Finanz- und um weltpolitische
Erfordernisse
Die Notwendigkeit, den Umstrukturierungsprozeß in Ostdeutschland sozial abzufedern und gleichzeitig durch die Modernisierung der Infrastruktur und die Förderung privater Investitionen
den
wirtschaftlichen
Neuaufbau
anzuschieben,
haben
zu
einem
sprunghaften Anstieg der Staatsverschuldung in Deutschland geführt. Der Anteil der Nettoneuverschuldung des Staates am Bruttosozialprodukt stieg unter Einrechnung der Nebenhaushalte Bundesbahn, Treuhandanstalt u.a. 1991 auf 4,5 vH. Durch die Rezession in Westdeutschland erhöhte sich dieser Wert noch und erreichte mit fast 6 vH 1993 seinen Höhepunkt.
Die Bundesrepublik lag damit weit entfernt von den im Rahmen der MaastrichtVereinbarungen gesteckten Zielmarke für die Teilnahme an der Währungsunion, die 77
bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt 3 vH beträgt. Kostendämpfende Maßnahmen und die starken Steuer- und Abgabenerhöhungen in jüngster Zeit konnten nicht verhindern, daß aufgrund der sich abflachenden Konjunktur auch 1995 diese Zielmarke verfehlt wurde. Die Finanzpolitik der Bundesrepublik und darüber hinaus der meisten Länder der Europäischen Union ist daher auf Konsolidierung gerichtet. In schwachen Konjunkturphasen wie zur Jahreswende 1995/96 bedeutet dies allerdings, daß die Wirtschaftspolitik nicht ausreichend zur Stabilisierung der Nachfrage beiträgt, sondern die Abschwächungstendenzen verstärkt. Auch im Zuge der notwendigen solidierung müßten konjunkturbedingte
Kon-
Defizite hingenommen werden, soll die
Finanzpolitik nicht prozyklisch wirken.
Hiergegen wird eingewendet, eine solche Strategie stünde im Widerspruch zu dem Wunsch, die Maastricht-Verhältnisse zu realisieren. Dabei wird übersehen, daß auch eine prozyklische Finanzpolitik zu einer Erhöhung der Defizite führen kann, da sie sowohl die Einnahmen infolge des schwächeren Wirtschaftswachstums mindert als auch die Ausgaben, insbesondere infolge zusätzlicher Arbeitslosigkeit, ansteigen läßt.
Die Finanzpolitik steht damit in den nächsten Jahren vor schwierigen Aufgaben. Auf der Ausgabenseite müssen aus wirtschaftspolitischer Sicht in wichtigen Bereichen die staatlichen Aktivitäten erhöht werden. Ein wichtiger Bereich ist hier die Modernisierung und Verbesserung der Infrastrukturausstattung. In Ostdeutschland dürfen - soll ein selbsttragendes Wachstum erreicht werden - die Investitionsausgaben nicht wesentlich zurückgeführt werden. In Westdeutschland wäre sogar eine deutliche Aufstockung
der staatlichen Investitionen erforderlich,
um die Attraktivität
als
Produktionsstandort im internationalen Vergleich zu sichern und weiterzuentwickeln.
Auf der Einnahmenseite sind Rückführungen der Steuer- und Abgabenbelastungen ebenfalls notwendig, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht nachhaltig gefährdet werden soll. Neben einer weiteren Rückführung der Gewinnsteuerbelastungen geht es dabei vor allem um eine Begrenzung der Belastungen durch die Sozialversicherungen. Entscheidend dafür, ob dies gelingt, wird sein, welche zusätzlichen
Anforderungen
sich aus der Veränderung
der Altersstruktur
der
Bevölkerung und der Entwicklung der Erwerbstätigkeit ergeben.
Die Spielräume, die Diskrepanzen zwischen Einnahme- und Ausgabenseite des Staatshaushaltes durch eine über konjunkturelle Schwächephasen hinaus anhaltend 78
hohe Neuverschuldung auszugleichen, sind gering. Entscheidend sind dabei weniger die fiskalpolitischen
Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages,
der für
eine
Teilnahme an der Währungsunion auch Abweichungen von der strikten Einhaltung der Kriterien erlaubt (Bofinger 1996). Von Bedeutung sind vielmehr die zusätzlichen Zinsbelastungen, die bei einem weiteren kräftigen Anstieg des Bestandes der Staatsschulden entstehen. Letztlich wird hierdurch der Handlungsspielraum des Staates noch weiter eingeschränkt. Die Konsolidierung kann daher nur über Kosteneinsparungen gelingen. Ein wichtiges Feld sind hierbei sicherlich die Subventionen, die in West- und Ostdeutschland mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht haben. Auch Fragen der Privatisierung staatlicher Leistungen werden bei den Konsolidierungsbemühungen eine wichtige Rolle spielen. Zudem dürften auch spürbare Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme nicht ausgeschlossen sein.
Wirtschaftspolitische Erfordernisse bestehen aber nicht nur im unmittelbaren Bereich der Finanzpolitik. Sicherlich zu den vordringlichen Zielen gehört hier die Verbesserung der Umweltqualität. In der Abfallwirtschaft und im Gewässerschutz sind bereits heute deutlich schärfere umweltpolitische Regelungen erkennbar. Der wohl schwierigste, aber auch wichtigste Bereich ist allerdings der Verkehr. Er zählt zum einen zu den Haupteinflußfaktoren der Umweltbelastung in den Agglomerationsräumen (Luftverschmutzung, Flächenverbrauch, Lärm). Zum anderen ist er eine wesentliche Quelle des weltweiten C0 2 -Ausstoßes.
In den nächsten 10 bis 15 Jahren sind daher einschneidende
umweltpolitische
Maßnahmen zur Reduktion verkehrlich induzierter Umweltbelastungen zu erwarten. Welche konkreten Maßnahmen aus der breiten Palette der Umweltpolitik
dies
allerdings sein werden, ist derzeit noch offen. Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Diskussion stehen unterschiedliche Besteuerungsmodelle, die entweder am Energieverbrauch oder am Schadstoffausstoß ansetzen.
Problematisch bei diesen Berechnungsmodellen ist allerdings, daß sie unmittelbar zur Erhöhung der Produktionskosten führen, wenn ausreichende Substitutionsmöglichkeiten nicht bestehen. Daher ist zu erwarten, daß eine massive Energieverteuerung sich nur im internationalen Rahmen und hier vor allem im Zusammengehen der EU-Staaten umsetzen lassen wird. Bei einem nationalen Alleingang dürften die Steuersätze deutlich niedriger sein. Gleichzeitig wäre mit breiten Ausnahmeregelungen für den industriellen Bereich zu rechnen. 79
Bei steigenden spezifischen Transportkosten ist zu berücksichtigen, daß diese zunächst eine Gegentendenz zur räumlichen Trennung von Produktionsprozessen durch die Zunahme der technologisch-organisatorischen Standortfreiheit und der politisch-wirtschaftlichen Standortvielfalt darstellen. Auf absehbare Zeit dürfte jedoch die gegenwärtige Tendenz zur räumlichen Trennung lediglich abgebremst und nicht aufgehoben werden. Zum einen bleiben die bislang angedachten ökologisch bedingten Transportkostenerhöhungen im Vergleich z.B. zu den internationalen Lohnkostenunterschieden bescheiden. Zum anderen bestehen noch erhebliche Anpassungsspielräume bei der Organisation des überregionalen Verkehrs, die eine Abmilderung der relativen Transportkostenerhöhung
erlauben.
Beispielsweise
können
die
überregionalen
Transportintervalle durch die Zusammenfassung zu Bauelementen reduziert werden. Gleichzeitig würde damit auch die Verlagerung vom LKW- zum Schienentransport erleichtert werden.
80
2 . 2 Annahmen zu zwei Szenarien
Die Auswirkungen der Veränderungen in den Konkurrenzverhältnissen des Welthandels insbesondere mit Bezug auf die Entwicklung in Mittel- und Osteuropa auf Bevölkerung und Wirtschaft in Deutschland ergeben zur Zeit kein klares Bild, zumal auch im politischen
Bereich noch viele Entscheidungen zur Konkretisierung
der
neuen
Rahmenbedingungen ausstehen. Ein großes Potential zur Veränderung von Niveau und Struktur der Wirtschaft Deutschlands besitzt zweifelsohne auch der technologischorganisatorische Wandel der Produktion. Mit welcher Dynamik der Diffusionsprozeß neuer Techniken und Organisationsformen
in den nächsten 10 bis 15 Jahren
voranschreitet, ist allerdings ebenso wenig konkret vorhersehbar.
Um
dennoch zu Vorstellungen
über die demographischen
und
ökonomischen
Entwicklungen in Deutschland bis zum Jahr 2 0 1 0 zu gelangen, ist es daher unumgänglich, alternative Annahmen zu solchen Rahmenbedingungen zu setzen. Grundsätzlich ergeben sich dabei sehr viele unterschiedliche Kombinationen möglicher Entwicklungstrends in den einzelnen Bereichen des technisch-organisatorischen und politisch-wirtschaftlichen Wandels. Hier wurde allerdings, um die Komplexität nicht zu groß werden zu lassen, versucht, die unterschiedlichen Annahmen zu zwei als realistisch eingeschätzte Szenarien zu bündeln (vgl. Abbildung 2/1). Diese können allerdings weder die gesamte Bandbreite möglicher Entwicklungen einfangen, noch den wahrscheinlichen Pfad festlegen, wohl aber diesen eingrenzen.
Im ersten sogenannten
"Integrationsszenario"
wird damit gerechnet, daß eine
Sicherung und Weiterentwicklung des liberalen Welthandels gelingt und in Osteuropa eine Stabilisierung der Wirtschaft einsetzt, die allmählich eine stärkere Einbindung dieser Länder in den Welthandel ermöglicht. Die hiermit erfahrungsgemäß verbundenen Impulse lassen erwarten, daß die weltwirtschaftliche Dynamik überwiegend hoch ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß die Finanzpolitik in Europa auf die Konsolidierungserfordernisse
aufgrund des Maastricht-Vertrages nicht mit einem zu harten
Restriktionskurs in der aktuellen konjunkturellen Schwächephase reagiert. Vielmehr muß einer konjunkturgerechten finanzpolitischen Strategie der Vorzug
gegeben
werden, die gegebenenfalls kurzzeitig auch einen Anstieg des Staatsdefizits in Kauf nimmt. In Verbindung mit einer entsprechenden Geld- und Lohnpolitik können damit auch für die längerfristige Wachstums- und Beschäftigungsentwicklung
positive
Impulse gegeben werden. 81
Abbildung 2/1: Typisierung der Szenarien 2 0 1 0
Entwicklungsfeld
Integrationsszenario
Restriktionsszenario
Welthandel
Fortsetzung der Liberalisierung im GATT; starke Zunahme des Welthandels; Bedeutungsgewinne S-OAsien und L-Amerika; Einbindung Osteuropas
Blockbildung zwischen Europa, N-Amerika, S-O-Asien; mäßige Zunahme des Welthandels; Bedeutungsgewinne S-O-Asien
EU-Integration
Schrittweise Umsetzung der Währungsunion; Anbindung der Visegrad-Staaten
Nur Ansätze zur Umsetzung der Währungsunion; keine Ausweitung nach Osteuropa
Technologien
Starke Produktivitätsschübe durch Fortsetzung der Erschließung des Technikfeldes Mikroelektronik
Produktivitätsimpulse neuer Technologien bleiben auf Einzelbereiche beschränkt
Organisationsformen
Stark zunehmende intrasektorale Arbeitsteilung; Entwicklung internationaler Produktionscluster
Einseitige Ausrichtung auf Konzepte des global-sourcing
Ostdeutschland
Fortsetzung des Aufholprozesses; Annäherung in allen Bereichen an Westniveau
Abschwächung des Aufholprozesses; dauerhaft geringerer Industrialisierungsgrad
Geld- und Fiskalpolitik
Modernisierungsschub bei der Infrastruktur; konjunkturgerechte Finanzpolitik; ausgeprägte stabilitäts- und wachstumsorientierte Geldpolitik
Ziele der Haushaltskonsolidierung werden einseitig mit restriktiver Fiskalpolitik verfolgt; Wachstumsimpulse der Geldpolitik bleiben schwach
Bevölkerung
Abnehmender Einwanderungsdruck vor allem aus Osteuropa; unveränderte Süd-Nord-Wanderungsmuster
Weiterhin hoher Einwanderungsdruck insbesondere aus Osteuropa
82
Mit der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung dürfte der Einwanderungsdruck auf Deutschland vor allem aus Osteuropa tendenziell abnehmen. Gleichzeitig sind in einem solchen
Umfeld
auch die Chancen für
eine Fortsetzung des
Aufholprozesses
Ostdeutschlands günstig. Darüber hinaus wird angenommen, daß der Staat offensiv die Zukunftsaufgaben angeht. Vor allem wird mit einer Modernisierungsstrategie im Infrastrukturbereich und einer Umsetzung einer Energiebecteuerung im Rahmen von EU-Regelungen gerechnet.
Das zweite sogenannte "Restriktionsszenario" ist dagegen eher durch zunehmende Behinderungen des Welthandels und starke Belastungen im Zuge des wirtschaftlichen Umstellungsprozesses
in Osteuropa
gekennzeichnet.
Wachstumsimpulse
neuer
Techniken und Organisationsformen bleiben auf einzelne Bereiche der Volkswirtschaft beschränkt. Hier ist anzunehmen, daß dies auch negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung weltweit besitzt und der Anpassungsdruck auf Deutschland hoch
bleibt.
Innerhalb der EU setzen sich abgestimmte
wachstumsorientierte
Politikkonzepte nicht durch. Vor allem die vielfach restriktive Finanzpolitik behindert den
Entwicklungsprozeß.
Eine
Abschwächung
des
Wachstumsprozesses
in
Ostdeutschland dürfte unter diesen Bedingungen zu erwarten sein. Im Mittelpunkt der Staatstätigkeit steht die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Dem hohen Zuwanderungsdruck
aus Osteuropa dürften restriktive
Einwanderungsregelungen
gegenüber stehen.
Zur Abbildung der quantitativen Entwicklungspfade beider Szenarien werden für eine Vielzahl von Parametern die qualitativen Überlegungen in quantitativen Einheiten konkretisiert. Entsprechend dem modularen Aufbau des Szenarienmodells ist dabei eine durchgehende Unterscheidung in Vorgaben (exogene Variablen) und abgeleitete Größen (endogene Variablen) nicht möglich. Dennoch lassen sich hier aber einige zentrale Parameter für die einzelnen Entwicklungsfelder benennen, die stark durch exogene Setzungen bestimmt sind und gleichzeitig den quantitativen Pfad insgesamt wesentlich beeinflussen (vgl. Abbildung 2/2).
Zu diesen zentralen Parametern zählen die Entwicklungspfade des Welthandelsvolumens und der Weltproduktion in denen sich die Annahmen zur Entwicklung der Bedingungen des Welthandels widerspiegeln. Aber auch der Entwicklungspfad der Produktion in der Europäischen Union - abgeleitet auch aus den Annahmen zur Geld und Fiskalpolitik - ist eine der wichtigen quantitativen Vorgaben im Szenarienmodell. 83
Abbildung 2/2 Zentrale Parameter der Szenarien 2 0 1 0
Entwicklungsfeld/ Parameter
2010 Integrationsszenario
Restriktionsszenario
Welthandel Produktion - jahresdurchschnittliche Veränderung in vH
3,3
2,8
Handelsvolumen - jahresdurchschnittliche Veränderung in vH
5,0
3,7
2,2
1,8
0,9
0,3
65,4
61,3
9108
8659
40,7
41,7
1,9
1,1
14,5
15,2
EU-Integration Produktion - jahresdurchschnittliche Veränderung in vH Technologien Totale Faktorproduktivität - jahresdurchschnittliche Veränderung in vH Organisationsformen Exporte und Importe / BIP - Anteil in vH Ostdeutschland kumulierte Anlageinvestitionen der Unternehmen 1 ) - Mrd. DM in Preisen von 1991 Geld- und Fiskalpolitik Steuern und Abgaben / BIP - Anteil in vH Staatsinvestitionen - jahresdurchschnittliche Veränderung in vH Bevölkerung kumulierte Zuzüge - Mio. Personen 1) ohne Wohnungsvermietung.
84
Die Überlegungen zum technologisch-organisatorischen
Wandel der
Wirtschaft
schlagen sich vor allem in den Quantifizierungen der Außenhandelsintensität und der totalen Faktorproduktivität nieder.
Wesentlich durch exogene Vorgaben muß der Entwicklungspfad der ostdeutschen Wirtschaft quantifiziert werden. Ausgehend von den qualitativen Überlegungen zur Entwicklungen der Standortqualität, der Hauptabsatzmärkte und der Förderkonditionen wurde hier insbesondere das Investitionsvolumen im wesentlichen exogen gesetzt.
Bei der Geld- und Fiskalpolitik gehen die qualitativen Überlegungen zum einen in die Eingrenzung des möglichen Korridors des Zinsniveaus und zum anderen in die Quantifizierung des Einnahme- und Ausgabeverhaltens des Staates ein. Besondere strategische Bedeutung haben dabei die Annahmen zur Investitionstätigkeit und zur Steuerbelastungsquote.
Für die Berechnungen im Szenarienmodell sind darüber hinaus Quantifizierungen der möglichen Höhe der Zuwanderungen nach Deutschland für den iterativen Abstimmungsprozeß von wesentlicher Bedeutung. Diese Vorabschätzungen basieren auf den unterschiedlichen Zuwanderungspotentialen bei jeweils anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen.
85
3
Bevölkerung und Arbeitskräfteangebot
Die demographische Entwicklung in Deutschland war in den letzten fünf Jahren durch zwei Einflüsse stark geprägt: durch die hohen Zuwanderungen nach Deutschland und den dramatischen Rückgang der Geburtenzahlen in Ostdeutschland. Obwohl sich angesichts der Asylrechtsänderung seit Juli 1993 die Zuzüge nach Deutschland abgeschwächt haben, betrug der Saldo der grenzüberschreitenden Wanderungen im Zeitraum 1990 bis 1994 knapp 2,9 Mill, darunter waren 1,8 Mill. Ausländer (Tabelle 3/1). Aus der natürlichen Bevölkerungsentwicklung war hingegen ein Verlust von rund 4 0 0 0 0 0 Personen zu verzeichnen. Insgesamt ist die Einwohnerzahl in Deutschland um 2,5 Mill, gestiegen; sie betrug zum Jahresanfang
1995 81,5 Mill, und der
Ausländeranteil 8,7 vH.
3.1 Vergangenheitsentwicklung und Prognoseannahmen
Niveau und Struktur der Außen wanderungen
Seit der Öffnung der Staaten Ost- und Südosteuropas hat sich die Struktur der Zuwanderungen
nach Deutschland deutlich gewandelt.
Insbesondere
aus
den
Nachfolgestaaten der Sowjetunion, aus Polen und Rumänien sind verstärkt Aussiedler, also deutschstämmige Personen, eingewandert, zugenommen hat ebenfalls die Zahl der Asylbewerber aus den ost- und südosteuropäischen Ländern.
In den Jahren 1990 bis 1994 sind rund 1,3 Mill. Aussiedler im Bundesgebiet aufgenommen worden. Gut 70 vH der Aussiedler kamen aus der ehemaligen Sowjetunion, 16 vH aus Polen, 13 vH aus Rumänien und weniger als 1 vH aus den übrigen Staaten. Durch die Regelungen im Kriegsfolgenbereinigungsgesetz ist die Zahl der jährlichen Aufnahmezahl auf rund 220 0 0 0 begrenzt. Die Verstetigung der Zuwanderungszahlen ist auf diese Regelung zurückzuführen. Die Zahl der Anträge auf Anerkennung der deutschen Volkszugehörigkeit und Einreise nach Deutschland war in der Vergangenheit deutlich höher als die Aufnahmezahlen. In letzter Zeit zeichnet sich jedoch ein Rückgang der Antragszahlen ab, so daß sich der Überhang deutlich verringert hat. Damit dürften künftig die Zuzugszahlen unter die Aufnahmehöchstgrenze fallen.
86
Die Zahl der Zuzüge deutscher Personen insgesamt (Aussiedler und übrige Deutsche) aus dem Ausland belief sich im Zeitraum 1990 bis 1994 auf rund 1,6 Mill. Im gleichen Zeitraum haben fast 0,5 Mill. Deutsche die Bundesrepublik verlassen, der Wanderungssaldo betrug somit 1,1 Mill.
Merklich höher fällt mit rund 1,8 Mill, der Wanderungssaldo der Ausländer aus. In den letzten fünf Jahren sind 4,7 Mill. Ausländer ins Bundesgebiet eingewandert. Die Fortzüge waren jedoch mit gut 2,9 Mill, ebenfalls beachtlich. Die jährlichen Fortzüge lagen deutlich
über denen der achtziger Jahre. Während in den achtziger Jahren
durchschnittlich jährlich 60 0 0 0 Deutsche und 4 5 0 0 0 0 Ausländer aus dem Bundesgebiet ins Ausland gezogen sind, waren es in den letzten fünf
Jahren
durchschnittlich jährlich rund 90 0 0 0 Fortzüge deutscher und gut 5 8 0 0 0 0 Fortzüge ausländischer Personen.
Unter den Zugezogenen nimmt die Zahl der Ausländer, die in Deutschland Asyl beantragen, eine herausragende Rolle ein. Ihr Anteil an den nach Deutschland eingewanderten Ausländern stieg ständig bis auf 36 vH im Jahr 1992. Einen großen Anteil
an den
Asylantragstellern
hatten
die
Bürgerkriegsflüchtlinge
aus
dem
ehemaligen Jugoslawien; 1992 betrug der Anteil 28 vH.
Nach der Änderung des Asylrechts, die zum 1. Juli 1993 in Kraft trat, ging die Zahl der Antragsteller insbesondere aus den als "sichere Herkunftsländer" eingestuften Gebieten zurück.
Wesentlich war die Verringerung
der Asylbewerberzahl
aus
Rumänien, Jugoslawien (Bürgerkriegsflüchtlinge brauchen i.d.R. keinen Asylantrag stellen), Nigeria, der Türkei und Ghana.
Während im Jahr 1993 noch über 3 2 0 0 0 0 Asylanträge gestellt wurden, verringerte sich die Zahl im Jahr 1994 auf gut ein Drittel (127 000) und verblieb mit 128 0 0 0 auch 1995 auf diesem Niveau. Das neue Asylrecht zeigt somit deutlich Wirkung. Dennoch ist damit zu rechnen, daß die Asylbewerberzahlen weiterhin in einer ähnlichen Größe liegen werden wie 1995. Bereits 1980 und 1986 wurden Asylbewerberzahlen von rund 100 0 0 0 registriert. Auch künftig erscheinen Asylbewerberzahlen in dieser Größenordnung realistisch.
Die in den beiden Szenarien gesetzten unterschiedlichen Rahmenbedingungen werden sich auf die Wanderungen über die Grenzen Deutschlands auswirken. Die Höhe des 87
Wanderungssaldos
wird
sich jedoch
in den beiden Szenarien
nicht
drastisch
unterscheiden. Dies liegt an der teilweise kompensierenden Wirkung der unterschiedlichen Rahmensetzungen. Im Integrationsszenario mit seinen vergleichsweise günstigen wirtschaftlichen Entwicklungen auch in Osteuropa wird der Einwanderungsdruck schwächer ausfallen als unter den ungünstigeren Bedingungen des Restriktionsszenarios. Hingegen dürfte die Aufnahmebereitschaft zusätzlicher Zuwanderer bei einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung höher sein. In beiden Szenarien wird von weiteren Nettozuzügen ausgegangen, die sich im Laufe der Zeit abschwächen, da insbesondere aus den europäischen Ländern, die nicht der Europäischen Union angehören, die Zuzüge geringer werden. Im Restriktionsszenario wird angesichts des höheren Einwanderungsdrucks insbesondere aus den mittel- und osteuropäischen Ländern der Wanderungssaldo über dem des Integrationsszenarios liegen. Insgesamt wird im Integrationsszenario im Zeitraum 1995 bis 2 0 0 0 mit 2,0 Mill. Nettozuzügen und im Zeitraum 2 0 0 0 bis 2 0 1 0 mit weiteren
1,9 Mill.
Nettozuwanderungen
gerechnet, im Restriktionsszenario sind es 2,1 Mill, und 2,2 Mill. Nettozuzüge.
Regionale Verteilung
der Außen wanderungen
Die Zuzüge nach und die Fortzüge aus Deutschland betreffen nicht alle Regionen in gleichem Maße. Obwohl im Prinzip sowohl für die Erstaufnahme von Aussiedlern als auch für die regionale Verteilung der Asylbewerber die sogenannte Quotenregelung gilt, nach der jedes Bundesland seinem Bevölkerungsanteil entsprechend diese Zuwanderergruppen aufnehmen soll, bleiben durch die Sekundärwanderungen und die Wanderungen der übrigen Personengruppen Ungleichgewichte bestehen. Von den Zuzügen aus dem Ausland in den Jahren 1990 bis 1994 sind fast 95 vH nach Westdeutschland gegangen, von den Fortzügen kamen ebenfalls 95 vH aus den westdeutschen Bundesländern. Insbesondere die Zu- und Fortzüge der Ausländer ohne Asylbewerber konzentrieren sich auf die alten Bundesländer. Zum einen ist der Ausländeranteil in Ostdeutschland wesentlich geringer, so daß in diesen Gebieten auch nur ein geringes "Fortzugspotential" besteht. Zum anderen kommen Ausländer (ohne Asylbewerber), die nicht die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes besitzen, zumeist im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland. Die Familienangehörigen leben jedoch fast ausschließlich in Westdeutschland, so daß die bestehende regionale Verteilung der Ausländer auch die Verteilung dieser Zuwanderungen determiniert.
88
Die Unterschiede auf den Arbeitsmärkten und die sozialen Netzwerke werden auch in den nächsten 15 Jahren die regionale Verteilung der Außenwanderungen bestimmen. Während künftig in beiden Szenarien von der Quotenregelung bei der Erstaufnahme von Aussiedlern und Asylbewerber ausgegangen wird, beeinflussen die Entwicklungsunterschiede auf den Arbeitsmärkten die regionale Verteilung der übrigen Wanderungen sowie die Höhe der Sekundärwanderungen. So »st bei der vergleichsweise günstigen Arbeitsmarktentwicklung im Integrationsszenario der Anreiz für die in Ostdeutschland aufgenommenen Aussiedler geringer, diese Regionen aus arbeitsmarktbedingten Gründen wieder zu verlassen (dies gilt in Grenzen auch für die Aylbewerber). Darüber hinaus dürfte es eine etwas größere Zahl von Ausländern geben, die in Ostdeutschland wohnen und arbeiten wollen. Im Restriktionsszenario ist zwar die Zuwanderung nach Deutschland etwas höher. Angesichts der vergleichsweise
ungünstigen
Arbeitsmarktentwicklung
in Ostdeutschland
ist jedoch
die
Motivation, nach der Erstaufnahme in westdeutsche Regionen zu ziehen, größer. Ebenso werden die "freiwilligen" Zuzüge nach Ostdeutschland geringer ausfallen. Insgesamt wird damit grechnet, daß im Integrationsszenario von den Nettozuzügen nach Deutschland in den Jahren 1995 bis 2000 80 vH und von denen der Jahre 2001 bis 2010 81 vH auf Westdeutschland entfallen, im Restriktionsszenario sind es jeweils rund 81 vH.
Wanderungen zwischen West- und Ostdeutschland
Die anfänglich hohen Abwanderungen aus Ost- nach Westdeutschland haben sich im Laufe der letzten fünf Jahre merklich abgeschwächt, gleichzeitig sind die Fortzüge aus West- nach Ostdeutschland gestiegen. Insgesamt haben in den letzten fünf Jahren 1,2 Mill. Personen Ostdeutschland in Richtung Westen verlassen, umgekehrt sind knapp 5 0 0 0 0 0 Personen in die neuen Bundesländer gezogen. Der Anteil der Ausländer an diesen Binnenwanderungen hat sich auf 11 vH bei den Wanderungen nach Ostdeutschland erhöht. Im Jahr 1994 sind mehr Ausländer in die neuen Bundesländer gezogen als in umgekehrter Richtung. Die Zuzüge von Ausländern nach Ostdeutschland dürften sich jedoch auf wenige Regionen konzentrieren, die eine im Vergleich der ostdeutschen Regionen dynamische Entwicklung aufweisen.
Die Wanderungen zwischen den Regionen Deutschlands sind zum größten Teil arbeitsmarktbedingt. Die Suche nach einem geeigneten Ausbildungs- und Arbeitsplatz determiniert die gegenwärtigen Ost-West-Wanderungen. Dieses Wanderungsmotiv 89
wird künftig ebenfalls den größten Einfluß ausüben. Deshalb wird damit gerechnet, daß diese Binnenwanderungsströme in den beiden Szenarien unterschiedlich ausfallen. Im Integrationsszenario wird sich der Wanderungsüberschuß gegenüber Ostdeutschland bis zum Jahr 2 0 0 0 merklich verringern. Für die Jahre ab 2001 wird mit einem ausgeglichenen Wanderungssaldo gerechnet. Langfristig dürfte sich der Wanderungssaldo zugunsten Ostdeutschlands umkehren. Angesichts der unterstellten relativ günstigen wirtschaftlichen Entwicklung wird ab dem Jahr 2010 mit höheren Zuzügen nach Ostdeutschland als in umgekehrter Richtung gerechnet.
Im Restriktionsszenario wird zwar ebenfalls langfristig ein Abbau des Wanderungsüberschusses gegenüber Ostdeutschland angenommen, dennoch werden auch im Endjahr des Vorausberechnungszeitraumes
2 0 1 0 die Wanderungen nach West-
deutschland höher sein als die Umzüge nach Ostdeutschland. Insgesamt wird in den Jahren 1995 bis 2 0 0 0 mit weiteren Abwanderungen aus Ostdeutschland in Höhe von 250 0 0 0 gerechnet, im Zeitraum 2001 bis 2 0 1 0 belaufen sich die Nettofortzüge auf gut 3 0 0 000.
Natürliche Bevölkerungsentwicklung
Daß die Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen tendenziell auf eine Verringerung des Geburtenniveaus in Ostdeutschland hinwirken werden, wurde allgemein erwartet. Der seit 1990 einsetzende drastische Geburtenrückgang war jedoch nicht vorhersehbar.
1990 wurden in Ostdeutschland rund
179 0 0 0 Kinder geboren, 1994 rund 78 700. Dies ist eine Reduzierung um fast 60 vH. Der Rückgang der Geburtenzahlen scheint jedoch 1995 ein Ende gefunden zu haben, denn es wurden mit über 82 4 0 0 Kinder rund 3 7 0 0 Kinder mehr geboren als 1994.
Die zusammengefaßte Geburtenziffer sank in Ostdeutschland von 1 517 im Jahr 1990 auf 7 5 0 im Jahr 1994. Für diese Entwicklung sind zwei Effekte von Bedeutung. Zum einen haben sich die jungen Frauen in ihrem Geburtenverhalten rasch demjenigen in Westdeutschland angenähert. Die Ausbildung und die Integration in den Arbeitsmarkt hat für diese Frauen einen hohen Stellenwert. Die unzureichende Vereinbarkeit von (Klein)kindern und Berufstätigkeit und die Furcht, den Arbeitsplatz zu verlieren und vom Arbeitsmarkt ganz verdrängt zu werden, ließen hier die Geburtenraten rasch sinken. 90
Zum anderen haben Frauen in den mittleren Altersjahren auf (weitere)
Kinder
verzichtet. Die hohe Betroffenheit der Frauen von Arbeitslosigkeit bei einem weiterhin hohen Erwerbswunsch führte dazu, daß Frauen befürchten, ihre Wettbewerbschancen durch eine Schwangerschaft und (weitere) Kinder zu mindern. Hinzu kommt, daß die finanzielle Lage vieler Familien und alleinerziehender Frauen angespannt ist und auch deshalb auf (weitere) Kinder verzichtet wird.
Die altersspezifischen Geburtenziffern sind in allen Altersjahren der Frauen gesunken. Bei den verschiedenen Altersgruppen hat dies auf die künftigen Geburtenzahlen jedoch unterschiedliche Auswirkungen. Bei den heute jungen Frauen führt die Änderung des Geburtenverhaltens zu einer Verschiebung der Erstgeburt auf ein späteres Lebensalter und teilweise zu einem Rückgang der Geburtenraten. Die Frauen, die heute in den mittleren Altersjahren sind, haben zum größten Teil bereits ein, zwei oder mehr Kinder. Ein "Nachholen" (weiterer) Kinder ist hier eher unwahrscheinlich.
Längerfristig wird damit gerechnet, daß sich das Geburtenverhalten der Frauen in Ostdeutschland demjenigen in Westdeutschland angleicht. Es wird angenommen, daß das Geburtenverhalten der Frauenkohorte 1985 in West- und Ostdeutschland gleich ist. Von 1 0 0 0 deutschen Frauen dieses Geburtsjahrgangs werden im Laufe ihres Lebens rund 1 3 3 0 Kinder geboren werden. Danach wird bis zur Geburtsjahrgangskohorte 1995 ein weiterer leichter Rückgang der Geburtenziffer angenommen. Die zusammengefaßte kohortenspezifische Geburtenziffer beträgt bei diesem Geburtsjahrgang rund 1 320.
In Westdeutschland ist das Geburtenverhalten der deutschen Frauen in den letzten Jahren relativ stabil geblieben. In den letzten fünf Jahren schwankte die periodenspezifische zusammengefaßte Geburtenziffer zwischen 1 3 7 0 und 1 340. Geht man von der Periodenbetrachtung auf die Kohortenbetrachtung über, wird deutlich, daß das Durchschnittsalter bei der Erstgeburt weiterhin gestiegen ist. Zudem haben sich die altersspezifischen Geburtenziffern der jungen Frauen verringert, die der Frauen ab dem 29. Lebensjahr leicht erhöht. Die Dynamik war allerdings nicht groß. Für die Zukunft wird lediglich mit geringfügigen Veränderungen gerechnet. Es wird angenommen, daß die altersspezifischen Geburtenziffern abnehmen
und ab dem 30.
bis zum 29. Lebensjahr der Mütter leicht
Lebensjahr
leicht steigen.
Die
zusammengefaßte
Geburtenziffer wird etwas zurückgehen und für die Frauen der Geburtsjahrgangskohorte 1995 rund 1 3 2 0 betragen. 91
Das Geburtenverhalten der ausländischen Frauen kann statistisch auf zweierlei Weisen berechnet werden. Üblich ist es, die Geburtenziffern nach der Legaldefinition der Kinder zu ermitteln. Bei diesem Verfahren werden die Neugeborenen, denen nach deutschem Recht eine ausländische Staatsbürgerschaft zugeordnet wird, auf die durchschnittliche Zahl der ausländischen Frauen in den entsprechenden Altersjahren bezogen. Nach diesem Berechnungsverfahren ergab sich in den letzten fünf Jahren ein deutlicher Rückgang der zusammengefaßten Geburtenziffer auf 1 610 (1993). Es kann jedoch ebenso der Weg beschritten werden, die von ausländischen Müttern geborenen Kinder auf die durchschnittliche Zahl der ausländischen Frauen in den entsprechenden Altersjahren zu beziehen. Im Unterschied zur ersten Methode werden die ehelich geborenen Kinder mit einem deutschen Vater und einer ausländischen Mutter, die nach der Legaldefinition die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, mit einbezogen. Die so ermittelten Geburtenziffern ausländischer Frauen fallen merklich höher aus.
In dieser Vorausschätzung sind die Geburtenziffern nach der Legaldefinition als Basis verwendet worden, das sonst ein Teil der Neugeborenen ausländischer Mütter quasi als Einbürgerung der deutschen Bevölkerung hätte zugeordnet werden müssen. Für die Analyse und Messung des Geburtenverhaltens scheint jedoch die zweite Methode geeigneter zu sein. Es wird davon ausgegangen, daß durch die Zunahme gemischtnationaler Ehen die Geburtenziffer noch auf rund 1 530 sinkt. Dieser Wert wird ab dem Jahr 2 0 0 0 unterstellt und für die übrigen Vorausberechnungsjahre
konstant
gehalten.
Sterblichkeit
Nach der allgemeinen Sterbetafel
1970/72
betrug die Lebenserwartung
eines
Neugeborenen in Westdeutschland bei den Männern 67,4 Jahre und bei den Frauen 73,8 Jahre. In der abgekürzten Sterbetafel 1991/93 wurde für die Lebenserwartung der Männer 73,1 Jahre und die der Frauen 79,5 Jahre ausgewiesen. In 20 Jahren ist in Westdeutschland die Lebenserwartung somit um jeweils 5,7 Jahre gestiegen.
In Ostdeutschland verlief die Entwicklung ähnlich. Nach der allgemeinen Sterbetafel 1 9 7 1 / 7 2 lag die Lebenserwartung der Männer bei 68,8 Jahren, die der Frauen bei 7 3 , 8 Jahren. Damit war die Lebenserwartung der Frauen genauso hoch wie in Westdeutschland, während die Lebenserwartung der Männer sogar um 1,4 Jahre über dem westdeutschen Wert lag. Nach der abgekürzten Sterbetafel 1991/93 betrug die 92
Lebenserwartung der Männer 69,9 Jahre und die der Frauen 77,2 Jahre. Die Lebenserwartung ist somit wesentlich schwächer gestiegen als in Westdeutschland. Ein Vergleich mit der abgekürzten Sterbetafel 1991/93 in Westdeutschland ergibt für Männer eine um 3,2 Jahre und für Frauen um 2,3 Jahre geringere Lebenserwartung in Ostdeutschland.
Für die Zukunft wird davon ausgegangen, daß sich die Lebenserwartung weiter erhöht, angesichts des bereits erreichten medizinischen Fortschritts jedoch mit abnehmenden Raten. Für Westdeutschland wird mit einer Lebenserwartung der Männer von 74,1 Jahren im Jahr 2000 und 75,1 Jahren im Jahr 2 0 1 0 gerechnet. Die Lebenserwartung der Frauen wird 80,5 Jahre (2000) und 81,4 Jahre (2010) betragen. Für Ostdeutschland wird mit einer etwas rascheren Erhöhung der Lebenserwartung gerechnet. Insbesondere wird eine starke Verminderung der bisher über dem westdeutschen Durchschnitt liegenden Säuglingssterblichkeit angenommen. Unter diesen Annahmen steigt die Lebenserwartung der Frauen auf 78,2 Jahre im Jahr 2 0 0 0 und auf 8 0 , 4 Jahre im Jahr 2 0 1 0 und die der Männer auf 72,1 Jahre (2000) bzw. 7 4 , 2 Jahre (2010).
93
Tabelle 3/1:
Entwicklung der Einwohnerzahl 1990 bis 1994 Westdeutsch- Ostdeutschland land in 1000 Personen
Bevölkerung am Jahresanfang 1990 Natürliche Entwicklung 1990-1994 -Geborene -Gestorbene -Saldo
Deutschland
62679
16343
79022
3579 3532 47
534 968 -434
4113 4500 -387
1416 464 952
166 22 144
1582 486 1096
Außenwanderungen 1990-1994 Deutsche -Zuzüge -Fortzüge •Saldo Ausländer -Zuzüge -Fortzüge -Saldo Insgesamt -Zuzüge -Fortzüge -Saldo
4429 2754 1675
302 156 147
4731 2910 1821
5845 3218 2627
469 178 291
6313 3396 2917
Wanderungen zwischen Ost- und Westdeutschland 1990-1994 1) -Zuzüge nach Westdeutschland -Zuzüge nach Ostdeutschland -Saldo
1154 -456 698
-1154 456 -698
0 0 0
66050
15502
81552
Bevölkerung am Jahresanfang 1995
1) 1994 nur bis einschließlich Oktober. Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des DIW.
3 . 2 Ergebnisse der Bevölkerungsvorausschätzung
Die
Bevölkerungsvorausschätzungen
im
Integrations-
und
Restriktionsszenario
unterscheiden sich lediglich in bezug auf die Wanderungsannahmen: Im Restriktionsszenario fallen die Zuzüge nach Deutschland sowie die Umzüge von Ost- nach Westdeutschland höher aus. Unter diesen Annahmen wird die Einwohnerzahl im Integrationsszenario bis zum Jahr 2 0 0 0 auf 83 Mill, steigen und im Jahr 2 0 1 0 rund 82,5 Mill, betragen. Im Restriktionsszenario ist die Einwohnerzahl mit 83,1 Mill. (2000) und 82,9 Mill. (2010) etwas höher (Tabelle 3/2).
In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wird der Verlust aus der natürlichen Bevölkerungsentwicklung (Sterbeüberschuß) durch die Nettozuzüge kompensiert. Im anschließenden Zehnjahreszeitraum werden auch die höheren Zuzüge im Restriktionsszenario nicht ausreichen, den hohen Sterbeüberschuß der deutschen Bevölkerung auszugleichen. Angesichts der günstigen Altersstruktur der ausländischen Migranten sowie der höheren Geburtenrate wird bei einer insgesamt sinkenden Einwohnerzahl die Zahl der Personen ausländischer Herkunft zunehmen. Im Integrationsszenario wird ihre Zahl auf 11,4 Mill, im Jahr 2010, im Restriktionsszenario auf 11,6 Mill, steigen.
Trotz der hier unterstellten Zuwanderungen junger ausländischer Erwerbspersonen wird sich das Durchschnittsalter der Bevölkerung erhöhen. Im Jahr 1993 betrug das Durchschnittsalter 4 0 Jahre, im Jahr 2 0 1 0 wird es auf 4 4 Jahre gestiegen sein. Die Erhöhung des Durchschnittsalters fällt in beiden Szenarien ähnlich aus. Dies wird auch in der Verschiebung der Altersstruktur sichtbar. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren sinkt von 21,5 vH 1993 auf rund 18,3 vH (Integration) bzw. 18,4 vH (Restriktion) im Jahr 2 0 1 0 ab. Der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 60 Jahren) verringert sich um 2 Prozentpunkte, während der Anteil der 60jährigen und älteren um gut 5 Prozentpunkte steigt.
Die künftige Bevölkerungsentwicklung stellt sich in beiden Szenarien ähnlich dar. Dagegen unterscheiden
sich die Entwicklungen
in West- und
Ostdeutschland
deutlicher voneinander. Ein Unterschied ergibt sich aus der regionalen Verteilung der Außenwanderungen:
der
Großteil
der
ausländischen
Zuwanderer
wird
nach
Westdeutschland ziehen. Ein anderer Unterschied ergibt sich aus dem drastischen Geburtenrückgang der letzten Jahre in Ostdeutschland. Auch wenn die Geburtenraten
95
wieder
steigen werden,
wird der "Geburtenknick"
die künftige
Bevölkerungs-
entwicklung beeinflussen.
Die Bevölkerungszahl
wird in Westdeutschland
bis zur Jahrtausendwende
im
Integrationsszenario auf 67,8 Mill, und im Restriktionsszenario auf 68 Mill, steigen. In den darauffolgenden zehn Jahren ist im Integrationsszenario mit einem Rückgang der Einwohnerzahl bis auf 67,2 Mill, im Jahr 2 0 1 0 zu rechnen, während
im
Restriktionsszenario sich der Bevölkerungszuwachs zunächst fortsetzt und dann erst ein Rückgang einsetzt. Im Jahr 2010 werden in diesem Szenario in Westdeutschland 2 0 0 0 0 0 Personen mehr leben als im Jahr 2 0 0 0 (Tabelle 3/3).
Im Integrationsszenario kann die unterstellte Zuwanderung den Verlust aus der natürlichen Bevölkerungsentwicklung in den Jahren nach der Jahrtausendwende nicht mehr ausgleichen. Ab dem Jahr 2 0 0 4 geht nach diesen Berechnungen die Einwohnerzahl zurück. In den Jahren 1995 bis 2 0 0 0 beträgt der Wanderungsgewinn Westdeutschlands aus den Außenwanderungen und den Wanderungen mit Ostdeutschland 1,7 Mill., der Gestorbenenüberschuß beläuft sich auf rund 50 000, wobei der Verlust aus der natürlichen Entwicklung der Deutschen (-600 Tsd.) durch den Geburtenüberschuß bei der ausländischen Bevölkerung fast ausgeglichen wird. In den Jahren 2001 bis 2 0 1 0 wächst der Verlust aus der natürlichen Entwicklung der Deutschen auf 2,75 Mill, an und der Geburtenüberschuß der Ausländer erhöht sich auf rund 0,8 Mill. Die Wanderungen nach Westdeutschland betragen knapp 1,4 Mill. Der Bevölkerungsverlust in diesem Zeitraum beläuft sich auf 6 0 0 Tsd.
Im Restriktionsszenario kann in Westdeutschland der Verlust aus der natürlichen Bevölkerungsentwicklung durch die Zuwanderungen im gesamten Vorausberechnungszeitraum ausgeglichen werden. Hier ist nach der Jahrtausendwende mit einem weiteren Anstieg der Einwohnerzahl zu rechnen. Die Bevölkerungszahl wird bis auf 68,2 Mill, im Jahr 2 0 1 0 steigen.
Der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung wird von gegenwärtig 10,5 vH in Westdeutschland in beiden Szenarien auf rund 12,4 vH im Jahr 2 0 0 0 und auf 15,4 vH (Integrationsszenario) bzw. 15,8 vH (Restriktionsszenario) im Jahr 2 0 1 0 steigen. Unberücksichtigt
sind bei diesen
Berechnungen
die jährlichen
Einbürgerungen
ausländischer Einwohner. Differenziert wird zwischen Ermessens- und Anspruchseinbürgerungen. Während Anspruchseinbürgerungen zumeist Aussiedler und deren 96
Familienangehörige betreffen, die in den Szenarien von vornherein als Deutsche eingestuft werden, betreffen Ermessenseinbürgerungen Ausländer, die nach den Ausländergesetzen einen Antrag auf Einbürgerung unter bestimmten Voraussetzungen stellen können.
Im Jahr 1993 betrug die Zahl der Ermessenseinbürgerungen 45 Tsd.. Bezogen auf die Zahl der ausländischen Einwohner Deutschlands waren das rund 6 von 1 0 0 0 , also weniger als 1 vH. Da die Zahl der Ausländer mit langen Aufenthaltsdauern in Deutschland künftig weiter zunehmen wird und damit gerechnet werden kann, daß der Anteil der Einbürgerungswilfigen - insbesondere bei der zweiten und dritten Generation - zunimmt, wird hier angenommen, daß der Anteil der Ermessenseinbürgerungen auf 8 von 1 0 0 0 bis zum Jahr 2 0 1 0 steigt. Die Zahl der jährlichen Ermessenseinbürgerungen erhöht sich dann je nach Szenario auf 74 bis 77 Tsd. im Jahr 2 0 1 0 . Unter Berücksichtigung dieses Wechsels der Staatsbürgerschaft reduziert sich der Anteil der Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft im Jahr 2 0 0 0 in beiden Szenarien auf 12 vH und im Jahr 2 0 1 0 auf 14 vH im Integrationsszenario bzw. auf 14,3 vH im Restriktionsszenario.
Das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Westdeutschland wird wie im Bundesdurchschnitt trotz Zuwanderungen steigen. Im Jahr 1994 betrug der Anteil der 6 0 Jahre und älteren Personen fast 21 vH, er wird bereits bis zum Jahr 2 0 0 0 auf über 23 vH steigen und im Jahr 2 0 1 0 bei ca. 26 vH liegen. In den nächsten sechs Jahren wird demgegenüber der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter (20- bis unter 60jährige) um 3 vH-Punkte auf rund 55 vH abnehmen und im anschließenden Zehnjahreszeitraum fast konstant bleiben. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen im Alter unter 20 Jahren wird in diesem Jahrtausend annähernd konstant bleiben, danach jedoch um gut 2 vH-Punkte sinken.
In Ostdeutschland wird sich die Einwohnerzahl in beiden Szenarien verringern. Im Integrationsszenario beträgt der Rückgang 2 8 0 Tsd. bis zum Jahr 2000. Anschließend bleibt die Bevölkerungszahl fast konstant. Im Restriktionsszenario fällt der Bevölkerungsverlust mit rund 4 0 0 Tsd. bis zum Jahr 2 0 0 0 höher aus, und der Rückgang wird im anschließenden Zehnjahreszeitraum anhalten. Im Jahr 2 0 1 0 beträgt die Einwohnerzahl 14,7 Mill, während sie im Integrationsszenario 15,3 Mill, erreicht (Tabelle 3/4). Der starke Rückgang der Geburtenrate hat zur Folge, daß sich eine stärkere Verschiebung in der Altersstruktur vollzieht als in Westdeutschland. Während 1994 97
der Anteil der Personen unter 20 Jahren mit über 23 vH größer war als in Westdeutschland, sinkt er bereits bis zum Jahr 2 0 0 0 unter das westdeutsche Niveau. Im Jahr 2 0 1 0 treten die Unterschiede kraß zutage: In Ostdeutschland beträgt der Anteil der unter 20jährigen über 14 vH, in Westdeutschland über 19 vH.
Ebenfalls schneller als in Westdeutschland wird der Anteil der 60jährigen und älteren zunehmen. Von einem niedrigeren Niveau im Jahr 1994 wird er im Integrationsszenario auf 25,5 vH und im Restriktionsszenario auf 26,3 vH bis zum Jahr 2 0 1 0 steigen und damit knapp unter (Integration) bzw. über (Restriktion) dem westdeutschen Wert liegen.
Obwohl auch in die östlichen Bundesländer Ausländer zuwandern werden, wird der Ausländeranteil (ohne Einbürgerungen) im Jahr 2 0 1 0 noch deutlich unter dem westdeutschen Durchschnitt liegen. Der Anteil von Personen ausländischer Herkunft wird im Integrationsszenario auf 7,3 vH und im Restriktionsszenario auf 5,8 vH anwachsen.
98
Tabelle 3/2:
Struktur und Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland
Bevölkerung Altersstruktur in vH 0-20 Jahre 20-60 Jahre 60 Jahre und älter Ausländeranteil an der Bevölkerung In vH 1) Kumulierte Außenwanderungen 2) Zuzüge Fortzüge Saldo davon: Deutsche Ausländer Kumulierter Saldo der natürlichen Bevölkerungsentwicklung 2) Deutsche Ausländer Insgesamt
2000 Integrations- Restriktionsszenario szenario in Mill. Personen
2010 Integrations- Restriktionsszenario szenario
1991
1994
80,3
81,6
83,0
83,1
82,5
82,9
21,5 58,0 20,4
21,5 57,8 20,7
21,2 55,4 23,4
21,2 55,4 23,4
18,4 55,8 25,9
18,4 55,8 25,8
7,6
8,9
10,7
10,7
13,9
14,0
6,2 4,2 2,0
6,4 4,3 2,1
8,3 6,4 1,9
8,8 6,5 2,3
0,9 1.1
1.0 1,1
0,2 1,7
0,4 1,8
-1,2 0,6 -0,6
-1.2 0,6 -0,6
-3,3 0,8 -2,5
-3,3 0,9 -2,4
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
1) Ohne Einbürgerungen.- 2) 1995 bis 2000 bzw. 2001 bis 2010. Quellen: Statistisches Bundesamt; 1994: Schätzungen des DIW; 2000 und 2010: Szenarienmodell des DIW.
99
Tabelle 3/3:
Struktur und Entwicklung der Bevölkerung in Westdeutschland
Bevölkerung Altersstruktur in vH 0-20 Jahre 20-60 Jahre 60 Jahre und älter Ausländeranteil an der Bevölkerung in vH 1) Kumulierte Außenwanderungen 2) Zuzüge Fortzüge Saldo davon: Deutsche •Ausländer Kumulierter Saldo der natürlichen Bevölkerungsentwicklung 2) Deutsche Ausländer Insgesamt
2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario in Mill. Personen .
1991
1994
64,5
66,1
67,8
68,0
67,2
68,2
20,8 58,5 20,7
21,1 58,1 20,8
21,5 55,1 23,4
21,5 55,2 23,3
19,2 54,8 26,0
19,3 55,0 25,7
9,2
10,5
12,4
12,4
15,4
15,7
6,0 3,9 2,1
5,7 4,0 1.7
7,3 5,9 1.4
7,9 6,1 1,8
0,7 0,9
0,8 0,9
0,1 1,2
0,3 1,5
-0,6 0,5 -0,0
-0,6 0,5 -0,0
-2,7 0,8 -2,0
-2,7 0,8 -1,9
-
-
-
-
-
-
-
-
•
-
-
-
-
-
•
•
1) Ohne Einbürgerungen.· 2) 1995 bis 20ΘΘ bzw. 2001 bis 2010. Quellen: Statistisches Bundesamt; 1994: Schätzungen des. DIW; 2000 und 2010: Szenarienmodell des DIW.
100
Tabelle 3/4:
Struktur und Entwicklung der Bevölkerung in Ostdeutschland
Bevölkerung Altersstruktur in vH 0-20 Jahre 20-60 Jahre 60 Jahre und älter Ausländeranteil an der Bevölkerung In vH 1) Kumulierte Außenwanderungen 2) Zuzüge Fortzüge Saldo davon: Deutsche Ausländer Kumulierter Saldo der natürlichen Bevölkerungsentwicklung 2) Deutsche Ausländer Insgesamt
2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario In Mill. Personen
1991
1994
15,8
15,5
15,3
15,1
15,3
14,7
24,6 56,2 19,2
23,4 56,6 20,0
19,8 56,7 23,5
19,8 56,5 23,7
14,7 59,8 25,5
14,4 59,3 26,3
0,9
1,7
3,4
3,2
7,3
5,8
0,7 0,3 0,4
0,7 0,3 0,4
1,0 0,5 0,5
0,9 0,5 0.4
0,2 0,2
0,2 0,2
0,0 0,5
0,1 0,3
-0,6 0,0 -0,6
-0,6 0,0 -0,6
-0,6 0,1 -0,5
-0,6 0,1 -0,5
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
•
•
1) Ohne Einbürgerungen.- 2) 1995 bis 2000 bzw. 2001 bis 2010. Quellen: Statistisches Bundesamt: 1994: Schätzungen des DIW; 2000 und 2010: Szenarienmodell des DIW.
101
3.3 Entwicklung des Arbeitskräfteangebots
Neben der Entwicklung der Zahl und Struktur der Bevölkerung ist insbesondere für den Arbeitsmarkt die Zahl der Personen von Bedeutung, die erwerbstätig sind oder eine Arbeitsstelle suchen. Für das Arbeitskräfteangebot gibt es drei unterschiedliche Definitionen. Nach dem Konzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden zu den Erwerbspersonen die Erwerbstätigen sowie die registrierten Arbeitslosen gezählt. Nach dem Mikrozensuskonzept wird die Zahl der Erwerbspersonen als Summe der Erwerbstätigen und der Zahl der Personen ermittelt, die angeben, eine Arbeitsstelle zu suchen (Erwerbslose). Da es sich hier um eine Selbsteinstufung der Befragten handelt, ergeben sich zur offiziell gemessenen Zahl der registrierten Arbeitslosen Abweichungen. Zum einen gibt es registrierte Arbeitslose, die sich selber als nicht mehr arbeitssuchend einstufen und somit nicht zu den Erwerbslosen gezählt werden. Zum anderen gibt es Personen, die ohne beim Arbeitsamt registriert zu sein eine Arbeitsstelle suchen. Nach dem Konzept des IAB wird zusätzlich die Zahl derjenigen abgeschätzt,
die
unter
günstigen
Arbeitsmarktbedingungen
einen
Arbeitsplatz
nachfragen würden, unter den jetzigen Umständen jedoch nicht aktiv nach einer Arbeitsstelle suchen (passive Stille Reserve).
Um
die Vergleichbarkeit
vorausgeschätzten
mit
den wirtschaftlichen
Erwerbstätigen
- zu ermöglichen
Daten - insbesondere und
den
Arbeitsmarktbilanzen
aufstellen zu können, ist die Abgrenzung der Erwerbspersonenzahl nach dem Konzept der VGR notwendig. Nach diesem Konzept liegen jedoch nur die Gesamtzahlen vor, während nach dem Mikrozensus nach Alter, Geschlecht und Nationalität differenzierte Zeitreihen
existieren.
Damit ist eine wesentlich bessere Vorausschätzung
der
Erwerbsbeteiligung möglich. Deshalb wird hier zunächst die Zahl der Erwerbspersonen nach dem Mikrozensuskonzept vorausgeschätzt. Dazu werden die Mikrozensuserwerbsquoten für die ausländischen und deutschen Frauen und Männer in West- und Ostdeutschland unter bestimmten Annahmen über das Erwerbsverhalten in den jeweiligen Altersklassen bis zum Jahr 2 0 1 0 fortgeschrieben.
Bezogen auf die
vorausberechnete Bevölkerung in der jeweiligen Untergliederung ergibt sich die Erwerbspersonenzahl. Um die Ergebnisse auf das VGR-Konzept umrechnen zu können, wird der Weg über die Vorausschätzung der umfassendsten Größe, des Erwerbspersonenpotentials, gewählt. Zu den Erwerbspersonen ist dementsprechend der Teil der Stillen Reserve hinzuzuschätzen, der sich selbst nicht als aktiv arbeitssuchend
102
einschätzt. Dieser Teil der Stillen Reserve besteht zum Großteil aus Frauen in der Familienphase.
Erwerbsverhalten
in den neuen Bundesländern
Für Ostdeutschland liegen die Erwerbsquoten für 1990 aus dem sozio-oekonomischen Panel (SOEP) und für die Jahre 1991 bis 1993 aus dem Mikrozensus vor. Für die Männer ist danach die Erwerbsbeteiligung bei den 15- bis unter 20jährigen sowie bei den über 55jährigen deutlich gesunken.
In den mittleren Altersjahren
ist die
Erwerbsbeteiligung dagegen nahezu stabil geblieben. Die Verringerung der Erwerbsbeteiligung in den jungen Altersjahren ist durch eine verstärkte Bildungsbeteiligung bedingt und ist tendenziell eine Annäherung an westdeutsche Verhältnisse. In den älteren Altersjahren wurde die Erwerbsquote durch die sozialpolitischen Maßnahmen in den letzten Jahren erheblich beeinflußt. Genannt seien das Altersübergangsgeld, vorzeitige Verrentungen, verstärkte - auch arbeitsmarktbedingte - Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten. Es ist davon auszugehen, daß sich die Erwerbsquote in den älteren Altersjahren künftig wieder erhöht und nicht mehr - wie zur Zeit - deutlich unter dem westdeutschen Niveau liegen wird.
Hier wurde angenommen, daß sich das Erwerbsverhalten der Männer in Ostdeutschland demjenigen der deutschen Männer in Westdeutschland annähern und im Jahr 2 0 1 0 gleich sein wird. Nach der Jahrtausendwende wird sich angesichts der Regelungen des Rentenreformgesetzes
1992 und der Neuregelung von 1996 die
Erwerbsbeteiligung der 55jährigen und älteren erhöhen. Dennoch wird es auch künftig einen Teil der Erwerbsfähigen geben, die vor dem regulären Renteneinstiegsalter infolge von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ihre Arbeit aufgeben. Es wird damit gerechnet, daß von den 55- bis unter 60jährigen 86 vH erwerbstätig (bzw. erwerbslos) sein werden, in der Altersgruppe der 60- bis unter 65jährigen wird die Erwerbsquote bis auf zwei Drittel steigen.
In den mittleren Altersjahren wird mit kaum einer Veränderung gerechnet. Dagegen wird eine steigende Bildungsbeteiligung bei den jüngeren Personen die Erwerbsquote noch leicht nach unten drücken.
Die Erwerbsbeteiligung der Frauen in Ostdeutschland ist wie diejenige der Männer in den jungen und alten Altersjahren in den letzten Jahren deutlich gesunken. Die 103
Ursachen hierfür sind die gleichen wie bei den Männern: zum einen die steigende Bildungsbeteiligung, zum anderen die verstärkte Verrentung von Personen vom 55. Lebensjahran. Dies hat in den letzten Jahren dazu geführt, daß die insgesamt gemessene Erwerbsquote (der 15- bis unter 65jährigen) auf rund 73 vH (von 82 vH 1990) gesunken ist. Die Erwerbsbeteiligung der 20- bis unter 55jährigen Frauen hat sich jedoch kaum verändert. Trotz der überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit der Frauen ist der Erwerbswunsch weiterhin hoch.
Das künftige Erwerbsverhalten der ostdeuschen Frauen wird durch unterschiedliche Determinanten beeinflußt. Je nach Stärke dieser Einflüsse könnte es weiterhin zu einer hohen oder abgeschwächten Erwerbsbeteiligung kommen. Für eine weiterhin hohe Erwerbsbeteiligung sprechen die andere Sozialisation dieser Frauen, für die es bislang immer selbstverständlich war, voll erwerbstätig zu sein. Dies wird sicherlich auch die Einstellung der Töchter zur Erwerbstätigkeit beeinflussen. Des weiteren wird bei den immer
noch niedrigen Löhnen sowie der Arbeitslosigkeit
der (Ehe)partner
die
Notwendigkeit des Einkommenserwerbs noch längere Zeit bestehen bleiben.
Für eine Verringerung der Erwerbsbeteiligung der Frauen sprechen hingegen der zunehmende Verdrängungsprozeß vom Arbeitsmarkt
(von den Neueinstellungen
profitieren Frauen weit unterdurchschnittlich), die schlechten Rahmenbedingungen in bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Mangel an Arbeitsplätzen für Frauen in den ländlichen Gebieten. Lange Wegstrecken zwischen Arbeits- und Wohnort und die eng begrenzte Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel erschweren die Aufnahme einer weiter entfernten Erwerbstätigkeit insbesondere dann, wenn kein Privat-PKW vorhanden ist.
Welche dieser Effekte überwiegen werden, ist schwer abzuschätzen. Hier ist die Verringerung der Erwerbsbeteiligung angenommen worden. Die Erwerbsbeteiligung der Frauen in den mittleren Altersjahren wird jedoch im Vorausberechnungszeitraum noch über derjenigen deutscher Frauen in Westdeutschland liegen.
Erwerbsverhalten
in den alten Bundesländern
Die Erwerbsbeteiligung der deutschen
Männer wird sich in den jungen Altersjahren
zwar weiterhin verringern, aber abgeschwächt, da sich der Anstieg der Bildungsbeteiligung deutlich verlangsamt. In den mittleren Altersjahren ist die Erwerbs104
beteiligung in der Vergangenheit relativ konstant geblieben, dies wird sich auch künftig wohl nicht ändern. In den älteren Altersjahren wird angesichts des Rentenreformgesetzes
1992 die Erwerbsbeteiligung nach der Jahrtausendwende
wieder
steigen. Die Erwerbsbeteiligung der 60- bis unter 65jährigen wird sich bis zum Jahr 2 0 1 0 im Vergleich zu 1993 fast verdoppeln. Von den 65- bis unter 70jährigen wird jeder siebente im Jahr 2010 erwerbstätig sein, bei den ü ! ^r 70jährigen wird sich die Erwerbsbeteiligung kaum erhöhen.
Die künftige Erwerbsbeteiligung der deutschen Frauen wurde in den früheren Vorausschätzungen auf der Grundlage des Erwerbsverhaltens der Frauen in Abhängigkeit von der Kinderzahl ermittelt (DIW 1990c sowie DIW 1993). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen und den Ergebnissen des Mikrozensus für die Jahre 1989 bis 1993 wurde diese Vorausschätzung aktualisiert. Insbesondere in den mittleren Altersjahren war die Zunahme der Erwerbsbeteiligung deutlich höher als in der Vorausschätzung unterstellt.
Dies könnte teilweise mit dem neuen Befragungskonzept,
bei dem
ausdrücklich auch nach der geringfügigen Beschäftigung gefragt wird, zusammenhängen. Deshalb wurde hier von einem wesentlich schnelleren Anstieg der Erwerbsbeteiligung in den nächsten Jahren ausgegangen, der sich nach dem Jahr 2 0 0 0 abschwächt. Unter diesen Annahmen wird die Erwerbsbeteiligung der Frauen im Jahr 2 0 1 0 bis zur Altersgruppe der 25- bis unter 30jährigen auf gut 8 0 vH steigen und in den anschließenden Altersgruppen wegen der Aufgabe der Erwerbstätigkeit aufgrund der Kindererziehung sinken. Da immer mehr Frauen jedoch die Erwerbstätigkeit gar nicht oder nur für kurze Zeit unterbrechen, wird der Rückgang wesentlich geringer ausfallen als heutzutage. In der Altersgruppe der 40- bis unter 45jährigen wird die Erwerbsbeteiligung wieder auf rund 80 vH gestiegen sein. In den älteren Altersjahren ist eine zunehmende Erwerbsbeteiligung aufgrund des Rentenreformgesetzes
1992
unterstellt.
Die Erwerbsbeteiligung der ausländischen Mikrozensus in den Jahren
Männer war nach den Ergebnissen des
1989 bis 1993 derjenigen der deutschen
Männer
vergleichbar. In den Altersjahren bis 30 lag die Erwerbsbeteiligung etwas über, danach etwas unter derjenigen der Deutschen. Wesentlich höher war die Erwerbstätigkeit bei den älteren Personen. Es ist angenommen worden, daß sich die Erwerbsbeteiligung künftig
nicht
wesentlich
ändert.
Die höhere
Bildungsbeteiligung
der
zweiten
Generation wird die Erwerbsquoten in den jungen Altersjahren etwas sinken lassen, 105
die Regelungen des Rentenreformgesetzes führen auch bei den Männern ausländischer Herkunft zu einer höheren Erwerbstätigkeit im Alter.
Die Erwerbsbeteiligung der ausländischen
Frauen lag in der Vergangenheit deutlich
unter derjenigen der deutschen Frauen. Hier wird bis zum Jahr 2 0 1 0 mit einem Anstieg der Erwerbsquoten gerechnet. Die zweite Generation wird gegenüber ihrer Müttergeneration ein anderes Bildungsniveau (deutsche Bildungsabschlüsse, weil bessere Sprachkenntnisse) besitzen und sich in ihrem Erwerbsverhalten wohl kaum von demjenigen der Deutschen unterscheiden. Bei neu hinzugewanderten Frauen wird jedoch die Erwerbsquote weiterhin gering sein. Insgesamt ergibt sich ein Anstieg, die Erwerbsquoten werden jedoch auch im Jahr 2 0 1 0 noch unter der deutschen Erwerbsbeteiligung liegen. Die Vorausschätzung der Erwerbsbeteiligung der Personen ausländischer Herkunft gilt sowohl für West- als auch für Ostdeutschland.
Entwicklung
der Erwerbspersonenzahl
Die Zahl der Erwerbspersonen in Deutschland wird von 40,5 Mill, im Jahr 1994 im Integrationsszenario auf 41,2 Mill, und im Restriktionsszenario auf 4 1 , 4 Mill, bis zum Jahr 2 0 1 0 steigen (Tabelle 3/5). Bei dieser Variante ist ein Rückgang der Frauenerwerbsbeteiligung
in den neuen Bundesländern unterstellt. Würde die
Erwerbs-
beteiligung weiterhin auf dem gegenwärtigen hohen Niveau verbleiben, ergäbe sich eine um 0,5 Mill, höhere Erwerbspersonenzahl.
Wie bei der Bevölkerung setzt auch bei den Erwerbspersonen eine Alterung ein. Während die Zahl der Erwerbspersonen im Alter bis unter 4 0 Jahren bis zum Jahr 2 0 1 0 um 4,8 Mill, zurückgehen wird, steigt die Erwerbspersonenzahl bei den über 40jährigen um 5,5 Mill. Diese Entwicklung vollzieht sich in beiden Szenarien gleichermaßen.
In West- und Ostdeutschland ergeben sich deutliche Unterschiede in der Entwicklung der Erwerbspersonenzahl. In Ostdeutschland wird entgegen dem gesamtdeutschen Trend ein Rückgang der Erwerbspersonenzahl erwartet. Im Integrationsszenario geht die Erwerbspersonenzahl bis zum Jahr 2 0 0 0 um rund 150 Tsd. zurück und steigt anschließend bis 2 0 1 0 auf das Niveau von 1994. Im Restriktionsszenario wird die Erwerbspersonenzahl 106
auch nach der Jahrtausendwende
aufgrund
der
höheren
Abwanderungen weiter abnehmen. Bei diesem Szenario wird die Erwerbspersonenzahl im Jahr 2 0 0 0 7,7 Mill, betragen und bis 2 0 1 0 auf 7,6 Mill, zurückgehen. Im Integrationsszenario ist die Erwerbspersonenzahl im Jahr 2 0 0 0 7,8 Mill, und 2 0 1 0 rund 7,9 Mill.
In Westdeutschland steigt die Erwerbspersonenzahl bis zum Jahr 2 0 0 0 um rund 2 0 0 Tsd. auf 32,7 Mill. (Integrationsszenario) bzw. um 3 0 0 Tsd. auf 32,8 Mill. (Restriktionsszenario). Im Jahr 2010 werden es 33,3 Mill. (Integration) bzw. 33,9 (Restriktion) sein.
Die Alterung der Erwerbspersonen fällt in Westdeutschland etwas höher aus als in Ostdeutschland. In Ostdeutschland waren 1994 rund 58 vH der Erwerbspersonen jünger als 4 0 Jahre, im Jahr 2010 wird der Anteil rund 4 7 vH (Integration) betragen. Dies ist ein Rückgang um 11 vH-Punkte. In Westdeutschland betrug der Anteil der unter 40jährigen im Ausgangsjahr 55 vH; er wird bis zum Jahr 2010 auf 42 vH fallen, also um 13 vH-Punkte.
Entwicklung
des Erwerbspersonenpotentials
Um von der Erwerbspersonenzahl zur umfassenderen Größe des Erwerbspersonenpotentials zu gelangen, muß die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter abgeschätzt werden, die unter günstigeren Bedingungen am Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle suchen würden. Zur Ermittlung der Stillen Reserve wird vom IAB ein komplexes Verfahren angewandt (Thon 1986). Ausgehend von den Erwerbsquoten des Mikrozensus werden Potentialerwerbsquoten
geschätzt,
und
zwar
differenziert
nach
Geschlecht,
Altersgruppen und Nationalität. Eine solche differenzierte Vorausschätzung erfolgt hier nicht. Da die passive Stille Reserve zumeist aus den Frauen in den mittleren Altersjahren besteht, die sich in einer Familienphase befinden (bzw. aus den Personen, die "unfreiwillig" vom Arbeitsmarkt verdrängt wurden), wird hier global diese Größe geschätzt.
Angesichts der steigenden Erwerbsbeteiligung der Mütter sowie der kürzer werdenden Unterbrechungsphase wird in Westdeutschland eine Verringerung der passiven Stillen Reserve unterstellt, die dann bis zum Jahr 2 0 1 0 nahezu konstant bleibt. In Ostdeutschland wird sich eine Stille Reserve weiter aufbauen, da hier ein Rückgang der
107
Frauenerwerbsbeteiligung erwartet wird. Die passive Stille Reserve wird sich bis zum Jahr 2 0 0 0 erhöhen und anschließend ebenfalls nahezu konstant bleiben.
Insgesamt wird das Erwerbspersonenpotential in Deutschland von rund 4 1 , 8 Mill, im Jahr 1994 bis zum Jahr 2 0 0 0 auf 42,1 Mill, steigen und im Jahr 2 0 1 0 mit rund 4 3 Mill. (Restriktionsszenario) bzw. 4 2 , 8 Mill. (Integrationsszenario) nochmals höher liegen. Das Erwerbspotential entwickelt sich in West- und Ostdeutschland unterschiedlich. Es wird in Westdeutschland bis zum Jahr 2 0 1 0 auf 35 Mill. (Restriktion) bzw. 34,3 Mill. (Integration) anwachsen. In Ostdeutschland wird es im Integrationsszenario zunächst etwas rückläufig sein, im Jahr 2 0 1 0 jedoch nahezu wieder den Ausgangswert erreichen. Im Restriktionsszenario nimmt das Erwerbspersonenpotential im gesamten Vorausberechnungszeitraum ab und wird im Jahr 2 0 1 0 rund 8,1 Mill, betragen.
108
Tabelle 3 / 5 :
Entwicklung von Erwerbspersonen und Erwerbspersonenpotential in 1000 Personen 1989
1991
1994
2000 Integra- | Restrikionsszenario
2010 Integra- | Restrikionsszenario
Deutschland Bevölkerung Alter 15-65 Erwerbspersonen insgesamt Altersstruktur in vH 15-20 20-40 40-60 60-65 65 u.a. Erwerbspersonen in vH der Bevölkerung 1) Erwerbspersonenpotential 2)
54 680
55142
55 743
56 370
56 428
55 107
55 436
.
40 087
40 442
40 476
40 515
41 174
41 420
4,4 50,2 42,1 2,4 0,8
3,8 51,8 41,6 2,1 0,7
3,9 48,3 43,7 3,3 0,8
3,9 48,3 43,7 3,3 0,8
3,6 39,2 51,3 4,6 1,3
3,6 39,3 51,2 4,6 1,2
.
72,1
72,0
71,2
71,2
73,8
73,8
40,8
41,1
41,8
42,1
42,1
42,8
43,0
Westdeutschland Bevölkerung Alter 15-65 Erwerbspersonen insgesamt Altersstruktur in vH 15-20 20-40 40-60 60-65 65 u.ä. Erwerbspersonen in vH der Bevölkerung 1) Erwerbspersonenpotential 2)
43 628
44 559
45101
45 489
45 653
44 652
45 424
30 622
31 360
32 510
32 695
32 821
33 252
33 852
5,1 51,1 40,6 2,4 0,8
4,1 49,8 42,4 2,7 1,0
3,6 51,5 41,7 2,4 0,9
3,7 48,3 43,4 3,5 1,0
3,7 48,4 43,3 3,5 1,0
4,0 38,0 51,8 4,8 1,5
4,0 38,3 51,5 4,7 1,4
69,6
69,7
71,5
71,2
71,2
73,4
73,4
30,9
32,2
33,3
33,8
33,9
34,3
35,0
Ostdeutschland Bevölkerung Alter 15-65 Erwerbspersonen insgesamt Altersstruktur in vH 15-20 20-40 40-60 60-65 65 u.ä. Erwerbspersonen in vH der Bevölkerung 1) Erwerbspersonenpotential 2)
11 052
9,6
10 583
10 642
10 882
10 775
10 455
10011
8 727
7 932
7 780
7 693
7 922
7 569
5,4 51,6 41,3 1,5 0,2
4,6 53,0 41,5 0,8 0,1
4,9 47,9 44,8 2,3 0,1
4,9 47,6 45,1 2,3 0,1
2,1 44,5 49,2 3,9 0,3
2,1 43,7 49,9 4,0 0,3
82,3
74,5
71,4
71,3
75,5
75,3
8,9
8,5
8,3
8,2
8,5
8,1
1) Erwerbspersonen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren in vH der Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren.- 2) In der Abgrenzung des IAB. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; Schätzungen des DIW (1994); Szenarienmodell des DIW (2000, 2010).
109
4
Nachfrage und Produktion
4.1 Entwicklungen des Außenhandels
Für die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven der Bundesrepublik nehmen Überlegungen zur Stellung der deutschen Wirtschaft im internationalen Handel eine zentrale Rolle ein. Die frühere Bundesrepublik zählte in den achtziger Jahren zu den Ländern mit den höchsten Außenhandelsüberschüssen. 1986 beispielsweise betrug der Außenhandelsüberschuß in Preisen von 1991 über 110 Mrd. DM. Dies entsprach einem Anteil von rund 5 vH am Bruttoinlandsprodukt. Entscheidend für die Wettbewerbsstärke der alten Bundesrepublik waren vor allem Vorsprünge im Qualitätswettbewerb unterstützt durch eine hervorragende Infrastrukturausstattung
und ein breit
gefächertes
und hohes
Qualifikationsniveau
der
Beschäftigten. Demgegenüber stand und steht ein vergleichsweise hohes Lohnniveau.
In jüngster Zeit allerdings häufen sich Zweifel an der Vorteilhaftigkeit des Produktionsstandortes Deutschland (Siebert 1993). Ausgangspunkt für diese Diskussion war die für Gesamtdeutschland negative Außenhandelsbilanz. Allerdings schlugen hier vor allem die Umstrukturierungsprobleme in Ostdeutschland und der Zusammenbruch der osteuropäischen Exportmärkte zu Buche. Angeführt wurde aber darüber hinaus, daß es auch für Westdeutschland zu einer Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit gekommen war. Allerdings weisen die sehr hohen Exportzuwächse der deutschen Wirtschaft 1994 und deren Rückgang im Jahr 1995 darauf hin, daß es sich hierbei vornehmlich um konjunkturelle Einflüsse handelte.
In der mittel- und langfristigen Perspektive dürften die Gefährdungen des Produktionsstandortes Deutschland eher in einer anderen Richtung zu suchen sein. Mit der voranschreitenden
Industrialisierung
der
Schwellenländer
in
Südostasien
und
Lateinamerika und der Öffnung Osteuropas sind neue Konkurrenten im Welthandel hinzugetreten. In diesen Ländern ist die Kostensituation im Vergleich zu Deutschland weitaus günstiger. Gleichzeitig besitzen diese Länder Potentiale, auch in technologisch höherwertige Produktionsbereiche einzudringen. Bei den mittelosteuropäischen Staaten kommt hinzu, daß sie aufgrund der räumlichen Nähe zusätzlich bei transportkostensensiblen Produktionen als Konkurrenten auftreten. Auf der anderen Seite werden jedoch die osteuropäischen Länder auf absehbare Zeit nicht die Infrastrukturausstattung und die Schwellenländer nicht den Ausbildungsstand der Beschäftigten in Deutschland erreichen. Darüber hinaus zeigen beispielsweise die Entwicklungen der 110
Lohnstückkosten in Ländern wie Taiwan und Südkorea, daß mit dem
fortschreitenden
Entwicklungsniveau die Lohnkostenvorteile gegenüber den Industrienationen spürbar zurückgehen.
Wenn es gelingt, das Umfeld für technologisch-wirtschaftliche Innovationen weiter zu verbessern und gleichzeitig den Anstieg der Lohnstückko o + en zu begrenzen, ist eine generelle und dauerhafte Verschlechterung der Wettbewerbsposition des Standorts Deutschlands nicht in Sicht. Vielmehr ist zu erwarten, daß es zu einer noch stärkeren Spezialisierung Deutschlands im Außenhandel kommt. Dabei werden im Zuge des technologisch-organisatorischen Wandels die Spezialisierungen immer mehr auch innerhalb der Branchen stattfinden. Die außenwirtschaftlichen
Herausforderungen
werden damit vor allem strukturelle Anpassungsprozesse notwendig machen. In diesem Zusammenhang muß auch der zu erwartende zusätzliche Konkurrenzdruck, der durch die Öffnung Mittel- und Osteuropas entsteht, nicht nur als Gefahr für die heimische Produktion angesehen werden. Sie ist auch eine Chance, durch die Nutzung des Bezugsmarktes Osteuropa die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern.
Für die Abschätzung der Außenhandelsentwicklung ist neben der technologischen und preislichen Wettbewerbsfähigkeit
entscheidend, wie sich die Bedingungen des
Welthandels insgesamt verändern. Die neue Welthandelsordnung (WTO/GATT) hat dabei die Chancen für einen stabilen und fairen Welthandel deutlich verbessert. Wenn die Umsetzung der Vereinbarungen gelingt, werden davon deutlich positive Impulse für das globale Wirtschaftswachstum ausgehen.
Im Integrationsszenario
wird
angenommen,
daß für
die weltweite
Produktion
Zuwachsraten von rund 3 vH bis zum Jahr 2 0 1 0 erreicht werden. Für das Welthandelsvolumen wird ein Wachstum von durchschnittlich etwa 5 vH angesetzt. Zur hohen Entwicklungsdynamik trägt insbesondere der Aufstieg Südostasiens bei. Besondere Wachstumsimpulse werden hier vor allem aus China erwartet, wenngleich angenommen wird, daß sich das Wachstumstempo gegenüber dem heutigen Niveau spürbar abschwächen wird. Für Japan wird - wie für die anderen OECD-Staaten - mit einem Rückgang der Weltmarktanteile gerechnet. Überdurchschnittliche Wachstumspotentiale werden dagegen auch in Lateinamerika gesehen. Für Mittel- und Osteuropa wird angenommen, daß zunächst die Exporte noch schwach steigen und vor allem Rußland Exporterfolge nur im Bereich von Rohstoffen und Energie erzielen kann. 111
Längerfristig wird mit einer zunehmenden Integration in den Welthandel gerechnet, bei der auch das Güterspektrum insgesamt deutlich zunimmt.
Die unter diesen Bedingungen zu erwartende weltweite Industrialisierungs-
und
Modernisierungsstrategie eröffnet gerade für die Bundesrepublik mit ihrer leistungsfähigen
Investitionsgüterindustrie
gute Exportmöglichkeiten.
Für den
gesamten
Prognosezeitraum wird mit einem jahresdurchschnittlichen Zuwachs der deutschen Exporte von 4 , 4 vH gerechnet. Dabei wird erwartet, daß im Zuge der konjunkturellen Erholung überdurchschnittliche Zuwächse bis 2 0 0 0 realisiert werden. Gleichzeitig findet die Nutzung der Effizienzvorteile des internationalen Handels seinen Niederschlag aber auch bei den Importen. Für diese wird im Integrationsszenario mit einem Zuwachs von 3,9 vH gerechnet. Die Außenhandelsverflechtung Deutschlands wird damit kräftig steigen und die Bundesrepublik wird künftig wieder hohe Außenhandelsüberschüsse erzielen. Der Außenhandelsüberschuß in Preisen von 1991 dürfte über rund 25 Mrd. DM im Jahr 2 0 0 0 auf fast 60 Mrd. DM im Jahr 2 0 1 0 steigen. Die Spitzenwerte der alten Bundesrepublik in den achtziger Jahren werden allerdings real nicht mehr erreicht.
Im Restriktionsszenario wird davon ausgegangen, daß die Chancen eines neuen Liberalisierungsschubes für den Welthandel nur teilweise genutzt werden. Darüber hinaus werden die Möglichkeiten einer Revitalisierung der Industrieländer und einer Einbindung Osteuropas ungünstiger als im ersten Szenario eingeschätzt. Es wird mit einer Abschwächung des Wachstums der globalen Produktion (2 Vi vH) und des Welthandelsvolumens (3 Vi vH) gerechnet.
Für die Bundesrepublik Deutschland können unter diesen Umständen insbesondere langfristig nur vergleichsweise geringe Exportzuwächse erwartet werden. Im gesamten Prognosezeitraum werden die Zuwächse bei durchschnittlich 2,9 vH pro Jahr liegen, womit auch der Anteil am Welthandel spürbar zurückgeht. Auf der Importseite werden aufgrund
einer geringen
Inlandsnachfrage
zwar ebenfalls
die
Wachstumsraten
rückläufig sein. Dennoch dürfte langfristig mit anhaltenden realen Einfuhrüberschüssen zu rechnen sein. Im Zusammenhang mit der weitergehenden Spezialisierung der deutschen Ausfuhr auf höherwertige Produktionen werden sich die Terms of Trade günstig entwickeln. Nominell ist daher auch im Restriktionsszenario mit einer positiven Außenhandelsbilanz zu rechnen.
112
Der Außenhandel der Bundesrepublik wird derzeit fast ausschließlich durch die westdeutsche Wirtschaft bestimmt. Von den deutschen Exporten 1994 entfallen nach der offiziellen Statistik etwa 97 vH auf Westdeutschland. Unberücksichtigt bleiben hierbei
allerdings
Lieferungen
ostdeutscher
Betriebe,
die
über
westdeutsche
Exportunternehmen abgewickelt werden. Wie groß der Anteil solcher Lieferungen ist, kann jedoch auch künftig nicht quantifiziert werden. Für den Prognosezeitraum wurde daher angenommen, daß der Anteil Ostdeutschlands an den deutschen Exporten in dem Maße zunehmen wird, wie der Anteil Ostdeutschlands am verarbeitenden Gewerbe in Deutschland steigt. Im Integrationsszenario erreicht der ostdeutsche Anteil an den Exporten im Jahr 2010 damit einen Wert von gut 7 vH. Im Restriktionsszenario liegt er bei 5 vH.
Ähnlich problematisch ist die Aufteilung auf West- und Ostdeutschland bei den Importen. 1994 lag der Anteil Ostdeutschland an allen deutschen Importen bei noch nicht einmal 3 vH. Hierin dürfte zum Ausdruck kommen, daß ein Großteil des Importbedarfs Ostdeutschlands über westdeutsche Importeure abgewickelt wird und somit als Einfuhren Westdeutschlands verbucht werden. Für die Prognose wurde angenommen, daß sich an dieser Praxis nichts Gundsätzliches ändert. Der Anteil an den Importen wurde daher in Anlehnung an die Exportentwicklung fortgeschrieben.
113
4 . 2 Tendenzen der Binnennachfrage
Investitionen und Kapitalstock
Mit der günstigen Entwicklung im Außenhandel im Integrationsszenario
werden
positive Impulse auch bei der inländischen Nachfrage in Deutschland ausgelöst. Dies gilt zunächst für die Investitionstätigkeit der Unternehmen ohne Wohnungsvermietung. Die jährlichen Zuwachsraten dürften hier für Deutschland insgesamt bis zum Jahr 2 0 1 0 durchschnittlich fast 3 vH erreichen. Deutlich geringer - aber dennoch über 2 vH - liegen die Wachstumsraten bei den Wohnungsbauinvestitionen.
Hinter diesem expansiven Pfad der Unternehmensinvestitionen für Gesamtdeutschland stehen allerdings sehr unterschiedliche Entwicklungen in den beiden Landesteilen. Diese ergeben sich vor allem aus unterschiedlichen Einschätzungen des Wachstumpfades beim Produktionspotential. Im Unternehmensbereich ohne Wohnungsvermietung Westdeutschlands lag 1994 das Volumen der Bruttoanlageinvestitionen mit 3 0 0 Mrd. DM nur bei 80 vH des 1991 erreichten Höchstwertes. Im verarbeitenden Gewerbe ist das Investitionsniveau im letzten Jahr sogar auf nur noch 65 vH des letzten Höchstwertes gefallen. Dieser größte Investitionseinbruch der Nachkriegszeit hat deutliche Spuren auch im Potentialwachstumspfad hinterlassen. Vor allem auf mittlere Frist ist daher im Integrationsszenario ein deutlicher Investitionsanstieg um mehr als 4 vH pro Jahr erforderlich, um ein angemessenes Wachstum des westdeutschen Bruttoanlagevermögens
der Unternehmen ohne Wohnungsvermietung
zu
gewährleisten. Der kräftige Investitionsanstieg ist auch erforderlich, weil weiterhin mit einer abnehmenden Kapitalproduktivität zu rechnen ist.
In der Vergangenheit ist die um Auslastungsschwankungen bereinigte potentielle Kapitalproduktivität bis zum Zeitpunkt der Vereinigung, mit abnehmender Rate, ständig gesunken. Der vorübergehende Anstieg der potentiellen Kapitalproduktivität im Zuge der Vereinigung dürfte ausschließlich auf die während dieser Zeit erfolgte verstärkte Ausweitung der betrieblichen Nutzungszeiten zurückzuführen sein. Für die nächsten Jahre wird wieder mit einem Sinken der potentiellen Kapitalproduktivität zu rechnen sein, allerdings nicht mehr in dem Tempo wie in den achtziger Jahren. Diese Entwicklung vollzieht sich, ohne daß es zu Einbußen bei der Kapitalrentabilität kommt, da der Anteil der Lohneinkommen an der Bruttowertschöpfung weiter zurückgeht, die steuerliche Belastung der Unternehmen vermindert wird und die im internationalen 114
Vergleich überdurchschnittlich hohe Lebensdauer der Anlagen tendenziell gesenkt wird.
Unter den vergleichsweise günstigen Rahmenbedingungen des Integrationsszenarios wird mit einer Zunahme der totalen Faktorproduktivität gerechnet wie im Durchschnitt der Jahre seit 1980. Bei künftig geringerem Lohnkostenanstieg wird angesichts einer gegenüber
der
Vergangenheit
schwächer
sinkenden
Kapitalproduktivität
der
Kapitaleinsatz je Arbeitsplatz nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit zunehmen. Bei einer solchen Konstellation von steigender totaler sinkender
Kapitalproduktivität
Arbeitsproduktivität
Faktorproduktivität
wird sich die Abschwächung
des Anstiegs
Ende der achtziger Jahre nicht fortsetzen.
und der
Angesichts der
zunehmenden Produktivitätsdynamik inbesondere bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungen gehen auch von den Veränderungen der Wirtschaftsstruktur keine negative Wirkungen auf den künftigen Produktivitätsanstieg aus.
In Ostdeutschland stellt sich die Situation im Bereich der Unternehmen
ohne
Wohnungsvermietung dagegen ganz anders dar. In den letzten Jahren sind die Investitionen in Ostdeutschland sehr stark gestiegen. 1995 dürften in Preisen von 1991 mehr als 100 Mrd. DM investiert worden sein. Selbst wenn die Investitionen darüber hinaus nicht mehr steigen und gleichzeitig aufgrund des kräftigen Anstiegs der Kapitalintensität die Kapitalproduktivität weiter sinkt, wächst das Produktionspotential stark an. Damit verliert das Gewicht der Altanlagen aus DDR-Zeiten immer mehr an Bedeutung, so daß sich die Anpassung an westdeutsche Produktionsverhältnisse beschleunigt. Berücksichtigt man zusätzlich die Produktionsspielräume bei einer Anpassung des Auslastungsgrades an westdeutsche Werte der Normalauslastung dürften angebotsseitig Produktionszuwächse von mittelfristig fast 10 vH jährlich im Unternehmensbereich ohne Wohnungsvermietung möglich sein. Langfristig würde bei diesem
Investitionspfad
Ostdeutschland
einen
Anteil
am
gesamtdeutschen
Produktionspotential von über 20 vH erreichen. Für eine starke Aufstockung der Investitionen auch unter den günstigen Bedingungen im Integrationsszenario spricht daher wenig. Dennoch wird es weiterhin zu einem im Vergleich zu Westdeutschland kräftigen Anstieg der Arbeitsproduktivität Investitionsniveau
kommen. Bei dem erreichten
hohen
wird der Austausch alter aus DDR-Zeiten stammenden Anlagen
durch neue mit hoher Arbeitsproduktivität ausgestattete Anlagen weiterhin zügig voranschreiten.
115
Bei den Investitionen im Wohnungsbau zeichnen sich mittelfristig
Stagnations-
tendenzen in Westdeutschland ab. Vor allem bei der Neubautätigkeit dürfte mit den Fertigstellungszahlen des Jahres 1995 auf absehbare Zeit ein Höhepunkt erreicht worden sein. Selbst bei hohen Einkommenszuwächse wie im Integrationsszenario dürfte dies der Fall sein. In Ostdeutschland ist die Neubautätigkeit zur Zeit ebenfalls sehr hoch. Allerdings wird hier durch den noch anstehenden Modernisierungsschub im Wohnungsbestand ein weiteres kräftiges Wachstums der Investitionen möglich sein. Das ostdeutsche Bruttoanlagevermögen im Bereich der Wohnungsvermietung wird dennoch bis zum Jahr 2 0 1 0 auch unter den günstigen Bedingungen des Integrationszenarios nur einen Anteil am gesamtdeutschen Wert von lediglich rund 1 5 vH erreichen können.
Im Restriktionsszenario werden nur geringe Nachfrageimpulse aus dem Ausland erwartet. Bei auch binnenwirtschaftlich schlechteren Absatzerwartungen wird die Investitionstätigkeit in Deutschland sowohl bei den Unternehmen ohne Wohnungsvermietung als auch im Wohnungsbau deutlich weniger wachsen. Die erwarteten jahresdurchschnittlichen Zuwachsraten bis zum Jahr 2010 reduzieren sich auf 2,0 vH bzw. 1,3 vH. Deshalb wird es auch zu einer verlangsamten Diffusion moderner Techniken im Produktionsapparat
kommen. Die totale Faktorproduktivität
wird
schwächer zunehmen als im Integrationsszenario. Davon betroffen ist sowohl die Arbeits- als auch die Kapitalproduktivität. Dabei ist zu berücksichtigen, daß angesichts des national wie auch international verlangsamten Wachstumstempos auch die Kapitalrentabilität geringer ausfällt.
Bei der Investitionstätigkeit sind hinsichtlich der Abweichungen zwischen beiden Landesteilen ähnliche Strukturen zu erwarten wie im Integrationsszenario. Teilweise werden dabei die Investitionszahlen rückläufig sein. So dürften in Westdeutschland aufgrund der ungünstigeren Einkommensentwicklung trotz höherer Bevölkerungszahlen die Wohnungsbauinvestitionen mittelfristig leicht schrumpfen. In Ostdeutschland ist im Bereich der Produktionsunternehmen sogar mit einem kräftigen Rückgang der Investitionen zu rechnen. Bedingt durch das derzeit hohe Investitionsniveau dürfte jedoch auch dann das Produktionspotential in Ostdeutschland noch mit durchschnittlich über 3 vH bis zum Jahr 2 0 1 0 wachsen.
116
Haushaltskonsolidierung
und staatliche Aktivitäten
Bei staatlichen Aktivitäten besteht anders als im Bereich der Unternehmen und Haushalten
kein direkter
Zusammenhang
zwischen
zahlungsfähiger
Nachfrage
einerseits und Produktionskosten andererseits. Dies gilt schon allein deshalb, weil zumeist ein unmittelbares Entgelt für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen nicht zu entrichten ist. Vorstellungen zum künftigen Umfang der Staatsinvestitionen und des Staatsverbrauchs lassen sich daher nur aus einer Gegenüberstellung der Veränderung des Bedarfs öffentlicher Leistungen mit den möglichen generellen Finanzierungsspielräumen entwickeln.
Der Bedarf an öffentlichen
Leistungen wird dabei grundsätzlich im politischen
Willensbildungsprozeß ermittelt. Unterstellt man allerdings eine gewisse Konstanz staatlicher
Regelungen in diesem Bereich, bestehen durchaus unmittelbar
hängigkeiten zur Entwicklung in anderen Teilen der Volkswirtschaft.
Ab-
Dies gilt
beispielsweise für die Transferzahlungen, die beeinflußt werden von der Anzahl potentieller Transferempfänger, oder für die Erstellung und den Betrieb von wirtschaftsnaher Infrastruktur, die teilweise in komplementärer Beziehung zur privatwirtschaftlichen Produktion steht. Auf der Finanzierungsseite ergibt sich - wenn man nur begrenzte Variationen der Steuer- und Abgabenquoten unterstellt - ebenfalls eine hohe Abhängigkeit von der generellen wirtschaftlichen Entwicklung. Dies gilt auch deshalb, weil die Finanzierungsspielräume über eine Erhöhung der öffentlichen Verschuldung angesichts
der
bereits
heute hohen Belastung durch Zinszahlungen
und
den
Konsolidierungserfordernissen für die Teilnahme an der Währungsunion sehr begrenzt sind.
Im
Integrationsszenario
ergibt
sich eine günstige
wirtschaftliche
Entwicklung
unterstützt durch eine weitsichtige Finanzpolitik, die nicht allein auf kurzfristige Erfolge bei der Reduzierung des Haushaltsdefizits
setzt. So kann auch bei sinkenden
Steuerlastquoten die Einnahmesituation spürbar verbessert werden. Die sich über eine Beschleunigung der Wachstumskräfte mittel- und langfristig eröffnenden Finanzierungsspielräume dürften vor allem für eine deutliche Erhöhung der Staatsinvestitionen verwendet werden. Bedarf ergibt sich hier vor allem bei der Modernisierung und Ergänzung wirtschaftsnaher Infrastruktur zur Sicherung und Weiterentwicklung der Attraktivität
des
Produktionsstandortes
Deutschland.
Die
durchschnittlichen
Zuwachsraten bis zum Jahr 2000 dürften nahezu 2 vH erreichen. Der Staatsverbrauch 117
wird hingegen deutlich unterproportional wachsen. Hier wird mit einem moderaten Zuwachs von knapp 1,5 vH gerechnet.
Die angenommene ungünstigere Wirtschaftsentwicklung im Restriktionsszenario läßt erwarten, daß die Finanzierungsspielräume des Staates weiter zurückgehen. Es werden daher vermutlich alle Anstrengungen unternommen, das Wachstum des Staatsverbrauchs und der Staatsinvestitionen zu begrenzen. Die durchschnittlichen Zuwachsraten in diesen Bereichen dürften daher bis zum Jahr 2 0 1 0 lediglich rund 1 vH erreichen.
In beiden Szenarien wird damit gerechnet, daß es sukzessive zu einer Rückverlagerung der Gewichte staatlicher Aktivitäten von Ost- nach Westdeutschland kommt. 1994 lagen in Ostdeutschland die Staatsinvestitionen je Einwohner gerechnet fast doppelt so hoch (188 vH) wie in Westdeutschland. Beim Staatsverbrauch je Einwohner ergaben sich 1994, wenn man die Preisrückstände im Jahr 1991 berücksichtigt, ebenfalls real höhere Werte in Ostdeutschland. Der Staatsverbrauch je Einwohner dürfte etwa um 13 vH über dem westdeutschen Wert gelegen haben.
Im Prognosezeitraum bis 2010 werden die Wachstumsraten in Ostdeutschland sowohl bei den Staatsinvestitionen als auch beim Staatsverbrauch unter denen Westdeutschlands liegen. Im Bereich der Investitionen werden in Ostdeutschland die Beträge sogar teils rückläufig sein. Vor allem für den Zeitraum zwischen 2 0 0 0 und 2 0 1 0 wird angenommen, daß die Investitionen des Staates in Ostdeutschland nicht auf einem solch hohen Niveau gehalten werden können. Besonders kräftig fallen die Rückgänge im Restriktionsszenario aus. Dennoch dürfte es bis zum Jahr 2 0 1 0 in beiden Szenarien gelingen, das Ausstattungsniveau mit Infrastruktur je Einwohner deutlich an das westdeutsche Niveau heranzuführen. Die Relation des Bruttoanlagevermögens des Staates je Einwohner in Ostdeutschland in vH Westdeutschlands dürfte sich von 50 vH 1 9 9 4 über rund 70 vH im Jahr 2 0 0 0 auf etwa 90 vH im Jahr 2 0 1 0 verbessern.
Einkommen und privater
Verbrauch
Von der inländischen Nachfrage hat der private Verbrauch das größte Gewicht. Wesentliche Bestimmungsgrößen des privaten Verbrauchs sind die Zahl der Konsumenten und das verfügbare Einkommen der Haushalte. Im ersten Szenario zeichnet sich aufgrund der hohen außenwirtschaftlichen Impulse und den stärkeren Aktivitäten 118
des
Staates
eine
mittelfristig
wieder
bessere
Beschäftigungsentwicklung
ab.
Gleichzeitig bestehen Produktivitätsspielräume, die eine günstige Entwicklung der Einkommen zulassen. Obwohl die Sparneigung wieder deutlich auf fast 13 vH zulegen wird, ist daher mit einer kräftigen Ausweitung des realen privaten Verbrauchs zu rechnen. Die Zuwächse werden mit über 2 vH im Durchschnitt der Jahre bis 2 0 1 0 sehr hoch ausfallen. Eine wesentliche Voraussetzung für diesen günstigen Wachstumspfad des privaten Verbrauchs in Deutschland ist, daß eine Rückführung der Belastungsquote durch direkte Steuern gelingt und die Transferzahlungen insgesamt, ähnlich wie in der Vergangenheit, stärker zunehmen als die Nettolöhne.
In den hohen gesamtdeutschen Zuwächsen im Integrationsszenario schlägt sich auch der
angenommene
weitere
Aufholprozeß
Ostdeutschlands
nieder.
Der
private
Verbrauch dürfte im Gesamtzeitraum von 1994 bis 2010 um durchschnittlich 3,7 vH pro Jahr zunehmen. Unter Berücksichtigung der Preisrückstände im Basisjahr 1991 dürfte die pro-Kopf-Relation Ostdeutschlands beim privaten Verbrauch fast den westdeutschen Wert erreichen. 1994 lag diese Relation noch bei knapp 7 4 vH.
Im Restriktionsszenario ist mit der geringeren wirtschaftlichen Dynamik in Deutschland und den Belastungen durch höhere staatliche Abgaben von einer ungünstigeren Entwicklung der verfügbaren Einkommen auszugehen. Der private Verbrauch dürfte daher deutlich langsamer zunehmen als im ersten Szenario. Kompensationseffekte, die sich aus der etwas stärkeren Bevölkerungszunahme durch osteuropäische Zuwanderungen ergeben, werden dagegen gering bleiben. Ein Großteil der Einwandernden wird bei den wirtschaftlichen Bedingungen im Restriktionsszenario nur schwer den Zugang in stabile Beschäftigungsverhältnisse
finden.
Dies wird
entsprechende
Auswirkungen auf die Beanspruchung des Transfersystems und die Einkommensposition dieser Bevölkerungsgruppe haben.
Die Anpassungsprozesse Ostdeutschlands beim privaten Verbrauch werden sich allerdings auch im Restriktionsszenario fortsetzen, wenngleich in abgeschwächter Form. Hierfür sprechen vor allem zwei Gründe. Zum einen werden die verbleibenden Arbeitsplätze eine deutlich höhere Produktivität aufweisen als in der Vergangenheit. Ein Teil der Bevölkerung wird daher in der Lage sein, sein Konsumverhalten relativ rasch westdeutschen Verhältnissen anzupassen. Zum anderen wird davon ausgegangen, daß durch die Nettolohnorientierung vieler Transferleistungen an Haushalte die Entwicklung der ostdeutschen Kaufkraft weiterhin gestützt wird, auch wenn sich die Lohnangleichung deutlich verlangsamen wird.
119
Tabelle 4 / :
Nachfrage und Produktion in eutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM 1)
1991
1994
Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
1 629 555 655
1 707 579 680
1 963 626 812
1 894 608 757
2 461 726 1 017
2195 669 893
Staat Wohnungsbau Unternehmen 2)
74 168 413
80 219 381
90 247 475
86 233 438
107 304 606
95 270 528
Lagerveränderungen Außenbeitrag
19 -4
21 -22
20 24
20 2
27 58
27 -13
714 718
718 740
979 955
880 878
1 433 1 375
1 138 1 151
2 854
2 965
3 445
3 281
4 289
3 771
Export Import Bruttoinlandsprodukt
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
1,6 1,4 1,3
2,4 1,3 3,0
1,7 0,8 1,8
2,3 1,5 2,3
1,5 1,0 1,7
Staat Wohnungsbau Unternehmen 2)
2,6 9,2 -2,7
2,0 2,0 3,7
1,2 1,0 2,4
1,7 2,1 2,5
1,0 1,5 1,9
Lagerveränderungen Außenbeitrag Export Import Bruttoinlandsprodukt
-
-
-
-
-
-
-
-
0,2 1,0
5,3 4,3
3,4 2,9
3,9 3,7
2,6 2,7
1,3
2,5
1,7
2,2
1,4
1) In west- bzw. ostdeutschen Preisen von 1991.- 2) Ohne Wohnungsvermietung. Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
120
-
Tabelle 4 / 2 :
Nachfrage und Produktion in Westdeutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM1)
1991
1994
Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
1 449 467 563
1 496 485 525
1 674 529 620
1 634 514 592
2 080 619 811
1 878 571 729
Staat Wohnungsbau Unternehmen 2)
60 151 352
56 181 287
63 189 368
61 180 351
81 231 499
73 211 444
Lagerveränderungen Außenbeitrag
20 149
14 189
15 183
15 170
20 158
20 118
875 727
959 770
1 225 1 042
1 117 947
1 654 1 496
1 355 1 237
2 648
2 709
3 021
2 925
3 687
3315
Export Import Bruttoinlandsprodukt
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
-
Staat Wohnungsbau Unternehmen 2) Lagerveränderungen Außenbeitrag Export Import Bruttoinlandsprodukt
-
1,1 1,3 -2,3
1,9 1.5 2,8
1,5 1,0 2,0
2,2 1,6 2,7
1,4 1,1 2,1
-2,3 6,2 -6,6
2,0 0,7 4,2
1,4 -0,1 3,4
2,5 2,0 3,1
1,8 1,6 2,4
-
-
-
-
-
-
. -
-
3,1 1,9
4,2 5,2
2,6 3,5
3,0 3,7
2,0 2,7
0,8
1,8
1,3
2,0
1,3
1) In westdeutschen Preisen von 1991.- 2) Ohne Wohnungsvermietung. Quellen: Statistisches Bundesamt: Szenarienmodeil des DIW.
121
Tabelle 4 / :
Nachfrage und Produktion in stdeutschland 1991
1994
2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM1)
Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
180 88 92
211 94 156
289 97 192
260 94 166
380 107 207
316 99 163
Staat Wohnungsbau Unternehmen 2)
14 17 61
24 38 94
27 58 107
26 53 87
27 73 107
21 59 83
-1 -152
6 -211
5 -159
5 -168
7 -99
7 -131
47 199
67 278
164 323
128 296
329 428
198 329
257
424
357
603
454
Lagerveränderungen Außenbeitrag Export Import Bruttoinlandsprodukt
206
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
5,4 2,2 19,2
5,4 0,5 3,5
3,5 0,0 1,0
2,8 1,0 0,8
2,0 0,5 -0,2
Staat Wohnungsbau Unternehmen 2)
19,7 30,8 15,5
2,0 7,3 2,2
1,3 5,7 -1.3
0,0 2,3 0,0
-2,1 1.1 -0,5
Lagerveränderungen Außenbeitrag Export Import Bruttoinlandsprodukt
-
-
-
-
-
-
-
12,5 11.8
16,1 2,5
11,4 1,1
7,2 2,9
4,5 1,1
7,7
8,7
5,6
3,6
2,4
1) In ostdeutschen Preisen von 1991.- 2) Ohne Wohnungsvermietung. Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
122
-
Tabelle 4 / :
Nachfrage und Produktion
inhn
Ostdeutschland in vH von Westdeutschland 1991
1994
2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario zu ostdeutschen Preisen von 1991
Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
51 77 67
60 83 127
77 82 138
72 82 126
80 76 112
78 80 104
Staat Wohnungsbau Unternehmen 1)
95 46 71
183 90 140
191 137 130
192 133 112
146 139 94
133 130 87
22 112
30 154
60 138
52 141
87 126
68 123
Bruttoinlandsprodukt
32
40
63
55
72
64
Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen
62 104 71
74 113 136
95 111 148
88 112 135
99 104 121
96 109 111
Staat Wohnungsbau Unternehmen 1)
102 49 75
190 99 149
205 149 138
199 145 118
152 154 100
146 141 92
Export Import
22 112
30 154
60 138
52 141
87 126
68 123
44
55
80
71
89
80
Export Import
zu westdeutschen Preisen von 1991
Bruttoinlandsprodukt 1) Ohne Wohnungsvermietung.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
123
4.3 Wachstumspfade der Produktion
Im Integrationsszenario kann, ausgelöst durch außenwirtschaftliche und staatliche Impulse und getragen vom privaten Konsum, insgesamt in Deutschland eine hohe wirtschaftliche Dynamik erreicht werden. Mittelfristig wird bei einer anhaltenden konjunkturellen Erholung in Westdeutschland und bei weiterhin hohen Zuwachsraten in Ostdeutschland mit einer gesamtdeutschen jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr 2 0 0 0 von 2,5 vH gerechnet. Auch in der darauf folgenden Periode bis zum Jahr 2 0 1 0 können unter den Bedingungen des Integrationsszenarios, vor allem aufgrund anhaltend positiver Impulse aus dem Außenhandel und dem technologisch-organisatorischem Wandel, Zuwachsraten der Produktion in Deutschland von 2,2 vH erreicht werden.
Im Restriktionsszenario wird bereits mittelfristig bis zum Jahr 2 0 0 0 ein deutlich geringerer Wachstumspfad der Produktion in Deutschland erwartet. Es wird mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von lediglich 1,7 vH gerechnet. In der Periode 2 0 0 0 bis 2010 wird sich unter den Annahmen des Restriktionsszenarios das geringe Wachstumstempo noch weiter abschwächen. Jahresdurchschnittlich werden in dieser Periode die Zuwachsraten nur bei 1,4 vH liegen.
Starke Unterschiede zwischen den beiden Szenarien bestehen jedoch nicht nur beim generellen Wachstumstempo. Deutliche Differenzen werden auch für die regionale Verteilung der Produktion auf West- und Ostdeutschland erwartet. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts Ostdeutschlands im Integrationsszenario dürfte zwischen 1994 und 2 0 1 0 im Durchschnitt bei jährlich 5,5 vH liegen. Die hohen Zuwächse bei der Produktion sind dabei Ausdruck des bereits laufenden und sich fortsetzenden Aufbaus eines neuen Produktionspotentials. In Westdeutschland liegt das Wachstumstempo im gleichen Zeitraum lediglich bei rund 2 vH. Im Restriktionsszenario werden für Ostdeutschland deutlich niedrigere Wachstumsraten erwartet. Im gesamten Prognosezeitraum liegt der Zuwachs hier aufgrund des schwächeren Investitionsprozesses bei 3,6 vH. Für Westdeutschland wird durchgehend mit einer Wachstumsrate von jährlich 1,3 vH gerechnet.
In beiden Szenarien kommt es damit zu spürbaren regionalen
Produktionsver-
schiebungen zugunsten Ostdeutschlands. Da gleichzeitig die inländische Verwendung sich jeweils in beiden Regionen ähnlich entwickelt, wird sich die derzeitige enorme 124
Diskrepanz
zwischen Nachfrage
und Produktion in Ostdeutschland
sukzessive
verringern. Je Einwohner gerechnet lag bereits 1994 die reale inländische Verwendung in Ostdeutschland fast genauso hoch wie in Westdeutschland. Dies gilt zumindest dann, wenn man die realen Zeitreihen um die Preisrückstände Ostdeutschlands im Basisjahr der Preisbereinigung 1991 berücksichtigt. Beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner erreichte im gleichen Jahr Ostdeutschland lediglich rund 55 vH des westdeutschen Wertes.
Im Integrationsszenario wird langfristig die Relation Bruttoinlandsprodukt je Einwohner Ostdeutschlands mit knapp 90 vH nahezu westdeutsches Niveau erreicht haben. Auch mittelfristig ergeben sich hier schon deutliche Anpassungsfortschritte. Im Jahr 2 0 0 0 dürfte die Produktion je Einwohner in Ostdeutschland bei knapp 80 vH des westdeutschen Wertes liegen. Im Restriktionsszenario fällt der Aufholprozeß bei der Produktion spürbar geringer aus. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner steigt in Relation zu Westdeutschland auf 80 vH in Jahr 2010. Im Jahr 2000 dürfte sie bei rund 70 vH liegen.
Ausdruck des Aufholprozesses Ostdeutschlands sind vor allem Veränderungen im Handel mit Westdeutschland. 1994 wies Ostdeutschland aufgrund der Defizite zu Westdeutschland einen Einfuhrüberschuß in Preisen von 1991 von rund 210 Mrd. DM auf. Die Einfuhren aus Westdeutschland lagen dabei mehr als fünfmal so hoch wie die Ausfuhren Ostdeutschlands nach Westdeutschland. Allerdings hat in den Entwicklungen der Ein- und Ausfuhren im Handel zwischen West- und Ostdeutschland in den letzten Jahren ein Trendwechsel stattgefunden. Seit 1992 nehmen die Lieferungen Ostdeutschlands nach Westdeutschland dreimal so schnell zu wie die Lieferungen in umgekehrter Richtung.
Für den Prognosezeitraum wird angenommen, daß sich die positive Entwicklung bei den Ausfuhren nach Westdeutschland fortsetzt. Vor allem mittelfristig wird weiterhin mit zweistelligen Zuwachsraten gerechnet. Hierfür spricht insbesondere, daß die mittlerweile privatisierten internationalen
Industrieunternehmen
Kooperationen
der
meist
verstärkt
westdeutschen
in die nationalen und Muttergesellschaften
eingebunden sind. Ein nicht unwesentlicher Teil des im Zuge des angenommenen Investitionsprozesses neu entstehenden Produktionspotentials wird auch für den überregionalen Absatz produzieren. Der Anteil der Exporte an der Produktion bleibt allerdings in beiden Szenarien niedriger als in Westdeutschland, obwohl in der Regel 125
kleinere Regionen wie z.B. Belgien oder die Niederlande eher höhere Exportquoten besitzen.
Noch stärker als auf der Exportseite dürfte sich die laufende Umstrukturierung und der erwartete Neuaufbau des Produktionspotentials in Ostdeutschland auf der Importseite bemerkbar machen. Betrachtet man die bisherige Struktur der Direktinvestitionen und die Privatisierungserfolge, so liegen die Schwerpunkte vor allem bei Branchen, die stark auf den binnenwirtschaftlichen Absatz ausgerichtet sind. Zudem läßt sich bei den ostdeutschen
Konsumenten wieder eine stärkere Präferenz
für
heimische
Verbrauchsgüter erkennen, und auch das hohe Gewicht von Infrastruktur-
und
Bauinvestitionen spricht für eine Rückverlagerung der Nachfrage auf ostdeutsche Produzenten. Entsprechend dürften insgesamt die Lieferungen Westdeutschlands nach Ostdeutschland mittel- und langfristig nur noch wenig zunehmen.
Das reale Handelsdefizit Ostdeutschlands gegenüber Westdeutschland wird sich damit in beiden Szenarien merklich verringern. Rechnet man noch die Beträge aus dem grenzüberschreitenden Handel hinzu, dürfte im Integrationsszenario das Defizit über etwa 160 Mrd. im Jahr 2 0 0 0 langfristig auf unter 100 Mrd. sinken. Im Restriktionsszenario fällt entsprechend dem geringen Tempo beim Aufbau neuer Produktionsstrukturen die Erholung niedriger aus. Hier wird mit einem realen Außenhandelsdefizit im Jahr 2 0 1 0 von über 130 Mrd. DM gerechnet.
In dem Maße wie sich die Position im innerregionalen Handel für Ostdeutschland verbessert,
verschlechtert
sie sich selbstverständlich für Westdeutschland.
Im
Integrationsszenario jedoch werden diese Effekte weitgehend durch Verbesserungen im internationalen Handel kompensiert, die vornehmlich Westdeutschland zugute kommen. Entsprechend wird der Rückgang im realen Handelsüberschuß Westdeutschlands im Integrationsszenario gering ausfallen. Er dürfte langfristig um etwa 30 Mrd. DM auf rund 160 Mrd. DM sinken. Im Restriktionsszenario bleiben die Überschüsse aus dem Handel mit Ostdeutschland höher. Dies reicht jedoch nicht aus, die ungünstigeren Entwicklungen im internationalen Handel auszugleichen. Der reale Außenhandelsüberschuß Westdeutschlands dürfte im zweiten Szenario im Jahr 2 0 1 0 nur noch einen Wert von knapp 120 Mrd. DM erreichen.
126
5
Beschäftigung und Arbeitsmarkt
5.1 Produktivität und Beschäftigung
Im Integrationsszenario wird für Deutschland insgesamt von einer anhaltend hohen Wachstumsdynamik der Produktion ausgegangen. Auch im Restriktionsszenario wird mit Produktionszuwächsen gerechnet, wenngleich diese deutlich geringer ausfallen. Inwieweit sich der jeweilige Produktionsanstieg allerdings auch in einem Mehr von Beschäftigung
niederschlägt, hängt von der Einschätzung der Entwicklung der
Arbeitsproduktivität ab. Die Entwicklung der Produktion und der Arbeitsproduktivität sind freilich nicht voneinander unabhängig, sondern stehen zusammen mit der Lohnentwicklung
in kreislauftheoretischen
Beziehungen.
Die Abhängigkeit
der
Produktionsentwicklung von dieser Größe wurde an anderer Stelle erläutert (vgl. Kapitel 4). Hier soll die Entwicklung der Arbeitsproduktivität bei gegebener Produktionsentwicklung im Vordergrund stehen.
Determinanten für die Entwicklung der Arbeitsproduktivität sind der technische Fortschritt
und der Substitutionsprozeß.
Der technische
Fortschritt
führt
zur
Verbesserung der Gesamteffizienz der Produktion. In den meisten Fällen ist er kapitalgebunden. Allerdings
Die Gesamteffizienz
dienen die Investitionen
wird mit Hilfe der Investitionen
nicht
nur der Effizienzsteigerung,
erhöht. sondern
gleichzeitig auch dazu, den teurer werdenden Faktor Arbeit durch Kapital zu substituieren. Dies schlägt sich auch in der Entwicklung der Kapitalintensität nieder. Zur Einbindung solcher Überlegungen in die quantitativen Projektionen ist hier das Potentialmodell des DIW für den Unternehmensbereich ohne Wohnungsvermietung in West- und Ostdeutschland verwendet worden.
Voraussetzung für den günstigen Wachstumspfad im Integrationsszenario ist die rasche Umsetzung technologisch-organisatorischer Innovationen. Beispiele aus der Praxis belegen dabei, daß mit der Anwendung neuer Technologien und Organisationsformen in Fabrik und Büro teilweise spektakuläre Steigerungen der Kapitalintensität und der Arbeitsproduktivität möglich sind. Gesamtwirtschaftlich allerdings schlagen sich solche Produktivitätssprünge nur begrenzt nieder. Einerseits werden häufig zur Umsetzung der neuen Techniken und Organisationsformen in anderen Bereichen der Unternehmen vergleichsweise arbeitsintensive Vorleistungen benötigt. Andererseits können die Wachstumsimpulse, z.B. in den hochproduktiven Bereichen der Industrie, über verschiedene Kreislaufzusammenhänge zu Beschäftigungszuwächsen in ganz 127
anderen Teilen der Volkswirtschaft mit relativ geringem Produktivitätsniveau, wie beispielsweise bei haushaltsorientierten Dienstleistungen, führen.
Für Westdeutschland ist zudem zu berücksichtigen, daß im Integrationsszenario mit vergleichsweise geringen Lohnsteigerungen gerechnet wird, so daß von dieser Seite her keine zusätzlichen Impulse für eine Erhöhung der Kapitalintensität ausgehen. Für die Entwicklung der Kapitalintensität in diesem Szenario wurde daher mit moderaten Zuwachsraten von 2,2 vH jährlich bis zum Jahr 2 0 1 0 gerechnet. Für die Arbeitsproduktivität
im
Unternehmensbereich
ohne
Wohnungsvermietung
liegen
die
Zuwachsraten bei jährlich 1,6 vH. Im Restriktionsszenario wird mit einer spürbar langsameren
Umsetzung
technologisch-organisatorischer
Neuerungen
in
der
Gesamtwirtschaft gerechnet. Gleichzeitig werden ähnliche Lohnzuwächse erwartet wie im ersten Szenario. Die Erhöhung der Kapitalintensität wird daher auch kaum geringer sein. Bei der Arbeitsproduktivität hingegen zeichnen sich die Unterschiede zum ersten Szenario deutlicher ab. Die Arbeitsproduktivität in den Unternehmen Westdeutschlands dürfte im Durchschnitt der Jahre zwischen 1994 bis 2 0 1 0 nur um jährlich 1 vH wachsen. Hierin kommt auch zum Ausdruck, daß im Zusammenhang mit den
hohen
Zuwanderungen
zumeist
weniger
produktive
haushaltsorientierte
Dienstleistungen an Bedeutung gewinnen.
In Ostdeutschland befindet sich der Kapitalstock in einem grundlegenden
Um-
strukturierung- und Erneuerungsprozeß. Im Zuge der Errichtung neuer Anlagen wird die Gesamteffizienz der Produktion deutlich erhöht. Zudem werden Produktionsprozesse installiert, die entsprechend den neuen Kostenrelationen mit einer weit höheren Kapitalintensität ausgestattet sind. Entsprechend sind auch weitere kräftige Sprünge bei der Arbeitsproduktivität schon mittelfristig zu erwarten. Wenn, wie im Integrationsszenario angenommen, das Tempo des Neuaufbaus des Kapitalstocks anhält, dürften bis zum Jahr 2000 Zuwächse der Arbeitsproduktivität im ostdeutschen Unternehmenssektor von nahezu 7 vH jährlich möglich sein. Selbst wenn das Investitionsvolumen wie im Restriktionsszenario zurückgeht, könnten bis zu diesem Zeitpunkt noch Arbeitsproduktivitätszuwächse
von fast 5 vH im Jahr realisiert
werden. Nach 2 0 0 0 werden solche Produktivitätssprünge in beiden Szenarien zwar nicht mehr zu erwarten sein, dennoch werden die Produktivitätszuwächse bis zum Jahr 2 0 1 0 noch doppelt so hoch sein wie die, die für Westdeutschland erwartet werden.
128
Aufgrund
dieser Überlegungen ist davon auszugehen, daß die in den
letzten
Jahrzehnten permanent gesunkene Beschäftigungsschwelle des Wachstums auch künftig
eher niedrig anzusetzen ist. Bei den hohen Produktionszuwächsen
im
Integrationsszenario wird deshalb mit einer deutlichen Zunahme der Beschäftigung gerechnet. Die Zahl der Beschäftigten wird unter Errechnung des Staates, der Organisationen und der Wohnungsvermietung im Jahr 2 0 1 0 in Deutschland um rund 3 Mill. Personen höher sein als im Jahr 1994 und rund 38 Mill. Personen erreichen. Die Beschäftigung wird dabei in Westdeutschland über den gesamten Prognosezeitraum relativ gleichmäßig zunehmen. Sie dürfte von 28,6 Mill. Personen 1994 über 29,5 Mill, im Jahr 2 0 0 0 auf 31 Mill, im Jahr 2 0 1 0 steigen. In Ostdeutschland wird sich das Beschäftigungswachstum dagegen erst nach 2 0 0 0 spürbar beschleunigen. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte von 6,3 Mill. 1994 über 6,4 Mill, auf 6,9 Mill. Personen im Jahr 2 0 1 0 steigen.
Im Restriktionsszenario wird ebenfalls eine Zunahme der Erwerbstätigenzahl für die Gesamtwirtschaft in Deutschland erwartet. Der Zuwachs wird mit rund 1 Mill. Personen jedoch deutlich niedriger als im ersten Szenario ausfallen. In Ostdeutschland wird mit rund 6 Mill. Personen das Beschäftigungsniveau im Jahr 2010 sogar niedriger liegen als heute. In Westdeutschland wird die Beschäftigtenzahl bis zum Jahr 2 0 0 0 auf 29 Mill. Personen steigen. Nochmals 900 0 0 0 Personen mehr werden im Jahr 2 0 1 0 beschäftigt sein.
Die Verlagerung von Produktion und Beschäftigung in Deutschland von der Warenproduktion zum Dienstleistungsbereich setzt sich mittel- und langfristig fort.
Das
Tempo des Tertiärisierungsprozesses wird in beiden Szenarien etwa gleich sein. Gegenüber den achtziger Jahren in der früheren Bundesrepublik jedoch verliert der Tertiärisierungsprozeß an Schwung. Auf mittlere Frist dürften sogar gegenüber 1994 kaum größere Anteilsverschiebungen zwischen Warenproduktion und Dienstleistungsbereich zu beobachten sein. Grund hierfür ist einerseits die konjunkturelle Erholung im verarbeitenden Gewerbe Westdeutschlands und andererseits der Wiederaufbau der Industrie in Ostdeutschland. Langfristig ist die Abschwächung im Tertiärisierungstempo vor allem auf den Staatssektor zurückzuführen. Anders als noch in der früheren Bundesrepublik werden die Beschäftigungsanteile des Bereichs Staat und Organisationen künftig spürbar zurückgehen. Dies gilt vor allem für Ostdeutschland.
Die
Bedeutungsgewinne des privaten Dienstleistungsbereichs werden dagegen in Ost- und Westdeutschland auch langfristig beträchtlich sein. Sie werden dabei im Integrationsszenario getragen von hoch produktiven Branchen wie der Telekommunikation; der Bereich wird auch stärker in den internationalen Austausch eingebunden sein.
129
Tabelle 5/1:
Entwicklung des Produktionspotentials der Unternehmen 1) in Deutschland 2010 2000 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario in Mrd. DM 2) bzw. in Mill. Personen
1991
1994
Bruttoanlagevenmögen Kapitalproduktivität Produktionspotential
5 732 0,44 2 511
6 250 0,43 2 708
7 547 0,41 3105
7415 0,39 2 924
10 224 0,39 3 964
9 499 0,36 3 400
Bruttowertschöpfung Auslastungsgrad in vH
2 223 89
2 323 86
2 782 90
2 622 90
3 551 90
3 049 90
Kapitalintensität Arbeitsplatzproduktivität Arbeitsplätze
172 75 33
196 85 32
237 97 32
236 93 31
302 117 34
294 105 32
Erwerbstätige Besetzungsgrad in vH
29 86
27 86
29 90
28 90
31 90
29 90
Arbeitsproduktivität
78
84
97
93
116
105
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH Bruttoanlagevermögen Kapitalproduktivität Produktionspotential
-
2,9 -0,4 2,6
3,2 -0,9 2,3
2,9 -1,6 1.3
3,1 -0,6 2,5
2,5 -1,0 1,5
Bruttowertschöpfung
-
1.5
3,1
2,0
2,5
1,5
Kapitalintensität Arbeitsplatzproduktivität Arbeitsplätze
-
4,4 4,1 -1.4
3,2 2,3 -0,0
3,2 1,6 -0,3
2,4 1,8 0,6
2,2 1,2 0,3
Erwerbstätige
-
-1,4
0,8
0,4
0,6
0,3
Arbeitsproduktivität
-
2,9
2,3
1,7
1,8
1,2
-
1) Ohne Wohnungsvermietung.· 2) In westdeutschen Preisen von 1991 Quellen: Statistisches Bundesamt; Potentialrechnunq und Szenarienmodell des DIW.
130
Tabelle 5 / 2:
Entwicklung des Produktionspotentials der Unternehmen 1) in Westdeutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario in Mrd. DM 2) bzw. in Mill. Personen
1991
1994
Bruttoanlagevermögen Kapitalproduktivität Produktionspotential
5 254 0,42 2194
5 703 0,42 2 398
6 528 0,40 2 623
6 484 0,39 2 523
8 484 0,38 3 258
8 077 0,36 2 880
Bruttowertschöpfung Auslastungsgrad in vM
2 036 93
2 071 86
2 347 90
2 263 90
2 918 90
2 582 90
Kapitalintensität Arbeitsplatzproduktivität Arbeitsplätze
202 84 26
216 91 26
249 100 26
249 97 26
306 118 28
300 107 27
Erwerbstätige Besetzungsgrad in vH
24 90
23 86
24 90
23 90
25 90
24 90
Arbeitsproduktivität
87
91
99
97
117
107
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH Bruttoanlagevermögen Kapitalproduktivität Produktionspotential
- .
2,8 0,2 3,0
2,3 -0,8 1,5
2,2 -1,3 0,9
2,7 -0,4 2,2
2,2 -0,9 1,3
Bruttowertschöpfung
-
0,6
2,1
1,5
2,2
1,3
Kapitalintensität Arbeitsplatzproduktivität Arbeitsplätze
-
2,2 2,4 0,6
2,4 1,7 -0,2
2,4 1,1 -0,2
2,1 1,6 0,6
1,9 1,0 0,3
Erwerbstätige
-
-1,0
0,6
0,4
0,6
0,4
Arbeitsproduktivität
-
1,6
1,5
1,1
1,6
1,0
-
-
-
1) Ohne Wohnungsvermietung.- 2) In westdeutschen Preisen von 1991. Quellen: Statistisches Bundesamt; Potentialrechnung und Szenarienmodell des DIW.
131
Tabelle 5/3:
Entwicklung des Produktionspotentials der Unternehmen 1) in Ostdeutschland 1991
1994
2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario in Mrd. DM 2) bzw. in Mill. Personen
Bruttoanlagevermögen Kapitalproduktivität Produktionspotential
478 0,66 317
546 0,57 310
1 020 0,47 482
931 0,43 400
1 740 0,41 705
1 422 0,37 519
Bruttowertschöpfung Auslastungsgrad in vH
187 59
251 81
434 90
359 90
633 90
467 90
Kapitalintensität Arbeitsplatzproduktivität Arbeitsplätze
65 43 7
101 57 5
180 85 6
176 75 5
281 114 6
264 96 5
Erwerbstätige 3) Besetzungsgrad in vH
5 70
5 87
5 90
5 90
6 90
5 90
Arbeitsproduktivität
36
54
85
76
114
96
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH Bruttoanlagevermögen Kapitalproduktivität Produktionspotential Bruttowertschöpfung
-
4,5 -5,0 -0,7
11,0 -3,0 7,6
9,3 -4,5 4,3
5,5 -1,5 3,9
4,3 -1,6 2,6
-
10,3
9,5
6,1
3,8
2,7
10,1 6,8 0,8
9,7 4,7 -0,4
4,6 3,0 0,9
4,2 2,5 0,2
-
Kapitalintensität Arbeitsplatzproduktivität Arbeitsplätze
-
15,5 9,7 -9,5
Erwerbstätige
-
-3,1
1,4
0,2
0,9
0,2
Arbeitsproduktivität
-
13,8
8,0
5,9
2,9
2,5
-
1) Ohne Wohnungsvermietung.- 2) In westdeutschen Preisen von 1991 .- 3) Für 1991 auf Vollbeschäftigteneinheiten umgerechnet. Quellen: Statistisches Bundesamt; Potentialrechnung und Szenarienmodell des DIW.
132
5.2 Entwicklungstendenzen am Arbeitsmarkt
Die Differenzen bei der Beschäftigungsentwicklung zwischen den Szenarien führen auch am Arbeitsmarkt in Deutschland zu unterschiedlichen Einschätzungen. Im Integrationsszenario wird deutlich, daß mit einer Verstärkung der Wachstumskräfte zumindest langfristig eine spürbare Verringerungen der Arbeitmarktprobleme möglich ist. Allerdings wird selbst unter den günstigen wirtschaftlichen Bedingungen des Integrationsszenarios langfristig der Angebotsüberschuß beträchtlich sein. Auch wenn die Arbeitslosenzahlen um fast 1 Mill. Personen niedriger sein werden als heute, dürften immerhin noch etwa 2,8 Mill. Personen ohne Beschäftigung sein.
Daß sich die günstigere Beschäftigungsentwicklung im Integrationsszenario nicht voll auf den Arbeitsmarkt niederschlägt, hat zwei Gründe. Quantitativ bedeutend ist vor allem der weitere Anstieg des Erwerbspersonenpotentials, der sich aus der Veränderung von Altersstruktur und Nationalitätenstruktur der Bevölkerung und der im Niveau für Deutschland insgesamt höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen erklärt. Daraus leitet sich ein Mehrangebot am Arbeitsmarkt von allein 1 Mill. Personen ab. Daneben ist zu berücksichtigen, daß in Deutschland verstärkt Einpendler Beschäftigung suchen werden. 1994 war der Saldo von Aus- und Einpendlern noch nahezu ausgeglichen. Kurz- und vor allem langfristig ist jedoch damit zu rechnen, daß vor allem aus Polen und Tschechien das heimische Arbeitskräfteangebot ergänzt werden dürfte. Der mögliche Einpendlerüberschuß wurde hier für das Jahr 2010 auf 1 55 0 0 0 Personen quantifiziert.
Die Arbeitsmarktsituation
wird sich trotz des wirtschaftlichen
Aufholprozesses
Ostdeutschlands auch im Integrationsszenario zwischen beiden Landesteilen weiterhin stark unterscheiden. Für Westdeutschland wird erwartet, daß die Arbeitslosenquote bis zum Jahr 2 0 0 0 allmählich auf 7,5 vH gesenkt werden kann. Der absolute Rückgang bei der Zahl der Arbeitslosen ist allerdings noch gering. Erst im Jahr 2 0 1 0 wird erwartet, daß die Zahl der registrierten Arbeitslosen auf etwa 2 Mill. Personen zurückgeht. Dies bedeutet eine Arbeitslosenquote von etwas mehr als 6 vH und wäre im Vergleich zu den Werten der früheren Bundesrepublik in den achtziger Jahren als eine relativ günstige Arbeitsmarktlage anzusehen.
Unter den Bedingungen des Integrationsszenarios dürfte in Ostdeutschland bereits mittelfristig eine spürbare Verbesserung am Arbeitsmarkt eintreten. Die Arbeits133
losenquote im Jahr 2 0 0 0 wird mit knapp 12 vH fast 3 vH-Punkte unter dem Wert von 1 9 9 4 liegen. Positiv wirken sich dabei die weiterhin hohen Auspendlerüberschüsse und das leicht sinkende Erwerbspersonenpotential aus. Längerfristig ist damit zu rechnen, daß die Arbeitslosenquote auf 9 vH sinkt. Der Grad der Unterbeschäftigung in Ostdeutschland läge immer noch im Vergleich zu Westdeutschland um rund die Hälfte
höher.
Ein wesentlicher
Grund hierfür
ist das weiterhin relativ
höhere
Arbeitskräfteangebot.
Die Perspektiven für den Arbeitsmarkt in Deutschland sind sehr viel ungünstiger, wenn, wie im Restriktionsszenario angenommen, starke Wachstumseffekte
aus-
bleiben. Unter diesen Bedingungen könnte die Zahl der registrierten Arbeitslosen mit knapp 4 Mill. Personen sich auch langfristig auf einem Niveau bewegen wie im konjunkturellen Tiefpunkt am Arbeitsmarkt zu Beginn des Jahres 1996. Rechnet man noch die sogenannte Stille Reserve hinzu, wird im Jahr 2 0 1 0 unter diesen Bedingungen das Erwerbspersonenpotential in Deutschland zu fast 17 vH nicht ausgeschöpft sein.
Belastend auf den Arbeitsmarkt wirken sich dabei vor allem in Westdeutschland die hohen Zuwanderungen aus. Zudem muß der westdeutsche Arbeitsmarkt weiterhin hohe Einpendlerzahlen aus Ostdeutschland verkraften. Die Arbeitslosenquote dürfte in Westdeutschland mit 9 vH einen historischen Höchstwert erreichen. In Ostdeutschland wird sich die Arbeitslosenquote mit rund 13 vH im Jahr 2 0 1 0 gegenüber dem heutigen Niveau kaum verringert haben. Dies gilt auch für den Angebotsüberschuß insgesamt, bei dem die Stille Reserve mit eingerechnet ist.
134
Tabelle 5 / :
Produktionsentwicklung und Arbeitsmarkt in eutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario in 1000 Personen
1991
1994
Baittoinlandsprodukt in Mrd. DM 1) Produktivität in 1000 DM 1)2) Erwerbstätige im Inland
2 854 78 36 511
2 965 85 34 959
3 445 96 35 950
3 281 93 35100
4 289 113 37 925
3 771 105 36 025
Pendlersaldo Erwerbstätige Inländer
-53 36 564
4 34 955
55 35 895
55 35 045
155 37 770
125 35 900
Erwerbspersonenpotential Angebotsüberschuß
41 081 4 517
41 824 6 869
42 068 6173
42 106 7 061
42 794 5 024
43 036 7136
Registrierte Arbeitslose Stille Reserve
2 602 1 915
3 697 3172
3 272 2 901
3 773 3 288
2 758 2 266
3 867 3 269
nachrichtlich: Arbeitslosenquote in vH Bruttoinlandsprodukt 1) Produktivität 2) Erwerbstätige im Inland
6,6 -
9,6 8,4 9,7 6,8 jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH 1,3 2,8 -1,4
2,5 2,1 0,5
1,7 1,6 0,1
2,2 1,7 0,5
9,7 1,4 1,1 0,3
1) Zu west- bzw. ostdeutschen Preisen von 1991.- 2) Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Erwerbspersonenpotentialrechnung des IAB; Szenarienmodell des DIW.
135
Tabelle 5 / 5:
Produktionsentwicklung und Arbeitsmarkt in Westdeutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario in 1000 Perso,,en
1991
1994
2 648 91 29190
2 709 95 28 636
3 021 102 29 500
2 925 101 29 000
3 687 119 31 000
3 315 111 29 900
216
330
310
330
360
360
Erwerbspersonenpotential Angebotsüberschuß
32 226 3 252
33 297 4 991
33 760 4 570
33 890 5 220
34 335 3 695
34 954 5 414
Registrierte Arbeitslose Stille Reserve
1 689 1 563
2 556 2 435
2 382 2 188
2 752 2 468
2 041 1 654
2 936 2 478
8,3
7,5
8,8
Bruttoinlandsprodukt in Mrd. DM 1) Produktivität in 1000 DM 1) 2) Erwerbstätige Pendlersaldo
nachrichtlich: Arbeitslosenquote in vH
5,5
6,2
9,0
jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Voiperiode in vH Bruttoinlandsprodukt 1) Produktivität 2) Erwerbstätige
-
0,8 1,4 -0,6
1,8 1,3 0,5
1,3 1,1 0,2
2,0 1,5 0,5
1) Zu westdeutschen Preisen von 1991.- 2) Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Erwerbspersonenpotentialrechnung des IAB; Szenarienmodell des DIW.
136
1,3 1,0 0,3
Tabelle 5 / :
Produktionsentwicklung und Arbeitsmarkt in stdeutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario in 1000 Personen
1991
1994
206 28 7 321
257 41 6 267
424 66 6 450
357 59 6100
603 87 6 925
454 74 6125
-269
-326
-255
-275
-205
-235
Erwerbspersonenpotential Angebotsüberschuß
8 855 1 265
8 527 1 934
8 308 1 603
8215 1 840
8 459 1 329
8 082 1 722
Registrierte Arbeitslose Stille Reserve
913 352
1 142 792
889 714
1 022 818
717 612
931 791
10,7
14,8
11,7
13,8
7,7 13,4 -5,0
8,7 8,2 0,5
5,6 6,1 -0,4
Bruttoinlandsprodukt in Mrd. DM 1) Produktivität in 1000 DM 1) 2) Erwerbstätige Pendlersaldo
nachrichtlich: Arbeitslosenquote in vH Bruttoinlandsprodukt 1) Produktivität 2) Erwerbstätige
-
9,1 jahresdurchschnittliche Veränderungen zur Vorperiode in vH 3,6 2,9 0,7
12,8 2,4 2,4 0,0
I 2 ) Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen. 1) Zu ostdeutschen Preisen von 1991 Quellen: Statistisches Bundesamt: Erwerbspersonenpotentialrechnung des IAB; Szenarienmodell des DIW.
137
6
Einkommensverteilung und -Umverteilung
6.1 Preise, Löhne und Gewinne
Bei der Abschätzung der künftigen Preisentwicklung in Deutschland muß berücksichtigt werden, daß im Jahr 1991, dem Basisjahr der Preisindexreihen, große Unterschiede im Preisniveau zwischen West- und Ostdeutschland herrschten. Insbesondere in Bereichen mit staatlicher Einflußnahme waren die Preise in Ostdeutschland niedriger. Im Zuge der Anpassung an westdeutsche Verhältnisse nach der Vereinigung stiegen die Preise in Ostdeutschland kräftiger als in Westdeutschland. Gemessen an westdeutschen Preisen dürfte trotzdem das Preisniveau Ostdeutschlands 1994 im Durchschnitt erst knapp 90 vH des Niveaus in Westdeutschland erreicht haben. Im Zuge einer weiteren Preisniveauangleichung ist auch künftig mit höheren Preissteigerungen in Ostdeutschland zu rechnen. Um aus diesen stark divergierenden Entwicklungen in West- und Ostdeutschland die Preisentwicklung für Gesamtdeutschland konsistent abzuleiten, ist für 1991 eine mit Westdeutschland vergleichbare Preisbasis für Ostdeutschland errechnet worden.
Unter dem Einfluß des Preisanpassungsprozesses wird sich bis zum Jahr 2 0 0 0 der gesamtwirtschaftliche Preisauftrieb in Deutschland in beiden Szenarien auf jahresdurchschnittlich
rund 3 vH erhöhen.
Danach kann aber mit einer
deutlichen
Verlangsamung innerhalb des Integrationsszenarios auf unter 2 Vi vH, im Restriktionsszenario auf deutlich weniger als 3 vH gerechnet werden. Damit liegt in beiden Szenarien der Preisanstieg im gesamten Prognosezeitraum unter den Raten der achtziger Jahre, die zum Teil stark vom Preisverfall beim Rohöl geprägt waren.
Voraussetzung für diese sehr stabile Entwicklung des Preisniveaus auf gesamtdeutscher Ebene ist, daß die Zentralbank auch weiterhin ihre Politik auf Preisniveaustabilität ausrichtet, ohne ihre Verantwortung für ein angemessenes Wirtschaftswachstum in Form einer wachstumsadäquaten Zinsentwicklung aus dem Auge zu verlieren. Dies gilt sowohl für die Bundesbank als auch nach dem Übergang zur europäischen Währungsunion für eine europäische Zentralbank. Angenommen wurde, daß die Geldpolitik insbesondere im Integrationsszenario den sich durch den geringeren Preisanstieg eröffnenden Spielraum nutzt, um ein niedriges Zinsniveau zu ermöglichen. Dies wird die realwirtschaftlichen Wachstumsimpulse verstärken.
138
Auch die relativ moderate Steigerung der Importpreise trägt zur stabilen Entwicklung des Preisniveaus in Deutschland bei. Zwar ist in Zukunft nicht mehr wie Anfang der neunziger Jahre mit einem Rückgang der Importpreise zu rechnen, weil insbesondere ein deutlicher Anstieg der Weltmarktpreise für fossile Energieträger zu erwarten ist. Aber die Importmöglichkeiten aus Niedriglohnländern, insbesondere in Osteuropa und die durch hohe Effizienzgewinne gekennzeichnete Verstärkung der internationalen Arbeitsteilung
im
Integrationsszenario
wirken
entlastend
für
den
gesamtwirt-
schaftlichen Preisauftrieb. Im Restriktionsszenario ist dieser Effekt durch die insgesamt geringere Nachfrage nach Rohstoffen und Produkten mit relativ geringem Wertschöpfungsanteil sogar noch stärker.
Zur Abschätzung der Entwicklung der Exportpreise wurde unterstellt, daß ein Großteil der Exportgüter mit der gleichen Kostenstruktur wie die inländischen Ausrüstungsinvestitionen hergestellt werden. Kennzeichnend für eine hohe Wettbewerbsfähigkeit der Investitionsgüterhersteller wäre, wenn sie den mark-up im Inland problemlos auch auf den Weltmärkten durchsetzen könnten. In diesem Falle müßte die Preisentwicklung der Ausrüstungsinvestitionen der Entwicklung der Exportpreise in DM entsprechen. In der Vergangenheit verlief jedoch die Exportpreisentwicklung
eher
unterdurchschnittlich.
Ein Grund für den schwächeren Anstieg der Exportpreise (auf DM-Basis)
liegt
sicherlich in der fehlenden Belastung der Exporte mit inländischen indirekten Steuern, mit deren Zunahme in der Zukunft hier gerechnet wurde. Von besonderer Bedeutung dürfte jedoch die Aufwertung der DM gewesen sein. Um den Marktanteil auf den Weltmärkten halten bzw. ausbauen zu können, verzichteten die Unternehmen auf einen Teil der bei Gütern für die inländische Verwendung vorgenommenen, kostenbedingten Preiserhöhung. Zwar wird für die Zukunft wieder von einem Anstieg des Dollars gegenüber der DM ausgegangen. Für eine Abwertung der DM gegenüber den europäischen Währungen spricht hingegen wenig. Im Gegenteil: Im Integrationsszenario dürfte es mit der Stärkung der Nettogläubigerposition Deutschlands eher zu weiteren Aufwertungstendenzen kommen. Auch nach Beginn der Währungsunion wird mit keiner sich in einer Abwertung der neuen Währung ausdrückenden Vertrauenskrise an den Finanzmärkten gerechnet.
Daher wird im Prognosezeitraum der Anstieg der Exportpreise im Vergleich zu den Steigerungsraten Anfang der achtziger Jahre moderat ausfallen. Bedingt durch die 139
stärkere Spezialisierung auf höherwertige Produkte werden sie jedoch in Zukunft stärker zunehmen als im bisherigen Verlauf der neunziger Jahre. Im Restriktionsszenario dürfte der Anstieg der Exportpreise aufgrund der schlechten Entwicklung des Welthandels insgesamt etwas schwächer ausfallen. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit
der Bundesrepublik auf den Weltmärkten wird sich damit nur leicht
verschlechtern. Die Entwicklung der terms of trade wird unterhalb der durchschnittlichen Steigerungsrate in den achtziger Jahren verlaufen.
Entscheidende Bedeutung für die Sicherung der Preisstabilität und für Spielräume zur Zinssenkung hat die Entwicklung der Lohnstückkosten. Für Westdeutschland wird im Integrationsszenario angenommen, daß die Durchschnittslöhne je Arbeitnehmer bis zum Jahr 2 0 1 0 um jährlich gut 3 Vi vH steigen werden. Bei einer im Trend der letzten Jahre liegenden Arbeitszeitverkürzung steigen damit die Durchschnittslöhne pro Stunde jahresdurchschnittlich um weniger als 4 Vi vH. Diese Rate liegt leicht unter dem Durchschnitt der achtziger Jahre. Der Anteil der Lohnsumme am Bruttoinlandsprodukt (einschließlich kalkulatorischer Löhne für die Nicht-Abhängigen) wird damit weiter sinken, wenn auch wesentlich langsamer als im Durchschnitt der letzten 1 5 Jahre. Unter Berücksichtigung des angenommenen Produktivitätszuwachs wird ein längerfristiger Preisanstieg des Bruttoinlandsprodukts von von rund 2 Vi vH erwartet. Bei dem geringeren Wachstumspfad im Restriktionsszenario wird davon ausgegangen, daß die Verteilungskämpfe an Schärfe gewinnen. Dadurch fällt der Rückgang der Lohnquote geringer aus. Die Durchschnittslöhne der Arbeitnehmer steigen zwar aufgrund der angespannten Arbeitsmarktlage etwas schwächer als im Integrationsszenario. Bei dem deutlich geringeren Produktivitätsanstieg wird es dennoch zu einem stärkeren Anstieg der Lohnstückkosten und damit der Preise kommen.
In Ostdeutschland wird im Integrationsszenario bis zum Jahr 2000 das Lohnniveau pro Arbeitnehmer 86 vH des westdeutschen Niveaus erreicht haben. Im Restriktionsszenario fällt die Lohnanpassung nicht viel schwächer aus. Der Grund ist in den heute schon vielfach tarifvertraglich festgelegten Anpassungsschritten an das westdeutsche Lohnniveau zu sehen. Auch langfristig werden die Durchschnittslöhne je Arbeitnehmer nicht das westdeutsche Niveau erreichen, bedingt durch die sektorale Struktur der Beschäftigung. Der Anteil der relativ hoch vergüteten Beschäftigungsverhältnisse im industriellen Bereich und bei den produktionsorientierten
Dienstleistunen an der
gesamten Erwerbstätigkeit verbleibt unterhalb des westdeutschen Niveaus. Im Integrationsszenario kann im Jahr 2 0 1 0 eine Anpassung auf 93 vH, im Restriktions140
szenario auf 88 vH des westdeutschen Lohnniveaus erwartet werden. Trotzdem geht dieser Prozeß mit einem deutlichen Rückgang der Lohnquote einher. Allerdings muß auch langfristig mit einer höheren Lohnquote als in Westdeutschland gerechnet werden. Dennoch werden die Lohnstückkosten aufgrund der hohen Produktivitätszuwächse deutlich schwächer als in Westdeutschland ansteigen. Zusammen mit den unterstellten Aufholprozessen des Preisniveaurückstandes gegenüber Westdeutschland ergibt sich hieraus ein mittelfristiger Preisanstieg von jahresdurchschnittlich rund 4 Vi vH in beiden Szenarien. Im Jahr 2 0 0 0 wird damit das ostdeutsche Preisniveau 98 vH des westdeutschen Niveaus erreichen und bis zum Jahr 2 0 1 0 diesem entsprechen. Die Preissteigerungsraten in der zweiten Prognoseperiode liegen deshalb nur noch geringfügig über denen Westdeutschlands.
Neben den Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit (Löhne), deren Entwicklung bisher beschrieben wurde, setzt sich die primäre Verteilung der Einkommen aus den folgenden Komponenten zusammen: Indirekte Steuern abzüglich Subventionen Abschreibungen Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen (Gewinne). In dieser Rechnung ergeben sich die Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen als Rest.
Die indirekten Steuern belasten letztendlich den inländischen privaten Verbrauch sowie die Käufe von Sachausgaben der Gebietskörperschaften und der Sozialversicherung. Bezieht man die indirekten Steuern in Westdeutschland auf den privaten Verbrauch, so erhält man für den Durchschnitt der achtziger Jahre eine Steuerquote von 22 vH mit leicht rückläufiger Tendenz. In den Jahren nach der Vereinigung stieg diese Quote kräftig an. Das Steueraufkommen stieg vor allem durch die nach Ostdeutschland exportierten Güter, die - anders als Exporte in das Ausland - voll mit den jeweiligen Verbrauchssteuern und der Mehrwertsteuer belastet sind. Bezieht man dagegen die indirekten
Steuern
auf
den privaten
Verbrauch
zuzüglich des
innerdeutschen
Außenbeitrags, so erhält man auch für die ersten drei Jahre seit der Vereinigung eine vergleichsweise stabile Quote von rund 22 vH, 1 994 von 23 vH durch die Verbrauchssteuererhöhungen. Bei unveränderten Steuersätzen müßte diese Quote wegen der mengenabhängigen Verbrauchssteuern längerfristig eher rückläufig sein. Dieser Effekt wurde bisher durch Steuererhöhungen ausgeglichen. Für die Zeit bis zum Jahr 2 0 1 0 ist mit einem deutlichen Anstieg der indirekten Steuern gerechnet worden. Im 141
Integrationsszenario wird angenommen, daß die Steuerquote auf knapp 26 vH steigt. Berücksichtigt wurde hierbei zum einen eine weitere Mehrwertsteuererhöhung auf 17 vH und damit eine Anpassung in Richtung auf den EU-Durchschnittssatz, zum anderen eine deutliche Erhöhung der Energiesteuern im EU-Rahmen. Der Anteil von Steuern und Abgaben am durchschnittlichen Endverbraucherpreis der Energieträger wird von rund 38 vH 1995 auf rund 4 4 vH im Jahr 2 0 1 0 steigen. Im Restriktionsszenario wird von einer schwächeren Anhebung der Energiesteuern ausgegangen, die Quote der indirekten Steuern zum privaten Verbrauch steigt deshalb langfristig nur auf knapp 25 vH. Für Ostdeutschland wird über den gesamten Prognosezeitraum mit einer gleich hohen Belastung durch indirekte Steuern wie in Westdeutschland gerechnet.
Die Subventionen
hatten in Westdeutschland 1994 einen Anteil von 2 vH am BIP ohne
Staatsverbrauch. Für die Zukunft wird hier mit einer leichten Abnahme gerechnet, wie sie sich schon in den letzten Jahren abzeichnete (DIW 1995b). Allerdings wird sich das Tempo des Abbaus, das in den letzten Jahren von der Umschichtung der Subventionsmittel von West- nach Ostdeutschland geprägt war, nicht in gleichem Maße fortsetzen. In Ostdeutschland war der Subventionsanteil mit 20 vH zunächst sehr viel höher. Es ist damit zu rechnen, daß dieser Anteil in der Zukunft kräftig herabgesetzt wird. Trotzdem wird er im Jahr 2010 das Zweieinhalbfache des Wertes in Westdeutschland betragen. Es wurde angenommen, daß die für die nahe Zukunft vereinbarten Unterstützungen für Unternehmen insbesondere der Stahlindustrie und im Bereich der Werften auch dauerhaft nicht entfallen werden. Bedingt durch den gegenüber Westdeutschland geringeren Industrialisierungsgrad fällt der Subventionsabbau im Restriktionsszenario in Ostdeutschland noch schwerer.
Die Abschreibungen
hängen von der Entwicklung des Anlagevermögens und damit
vom Investitionsverlauf bis zum Jahr 2 0 1 0 ab. Sie sind mit Hilfe der Anlagevermögensrechnung des DIW berechnet worden. Als Folge der starken Investitionstätigkeit unmittelbar nach der Vereinigung und der künftig eher schwach zunehmenden Investitionen werden die Abschreibungen in Westdeutschland schneller steigen als das Bruttosozialprodukt. Trotz merklich geringerer Investitionen im Restriktionsszenario verringert sich die Höhe der Abschreibungen nur geringfügig, da gleichzeitig die Wiederbeschaffungspreise für Investitionsgüter stärker steigen.
In Ostdeutschland stiegen die Abschreibungen seit der Vereinigung besonders stark. Dies lag im wesentlichen an Sonderabschreibungen, die vorgenommen 142
werden
mußten, weil im Zuge der neuen Produktionsbedingungen und der fortschreitenden Lohnangleichung an Westdeutschland die Altanlagen aus DDR-Zeiten zunehmend unrentabel
wurden
und
als
Verschrottungen
aus
dem
Bruttoanlagevermögen
ausscheiden mußten. Dieser Prozeß wird - wenn auch mit abnehmender Bedeutung bis zum Jahr 2 0 0 0 anhalten. Auch bis zum Jahr 2010 werden die Abschreibungen stärker zunehmen als in Westdeutschland. Ursächlich hierfür sind nun jedoch jene Abschreibungen,
die auf dem hohen Investitionsniveau
in den Jahren nach der
Vereinigung beruhen. Wegen des geringen Wachstums des Inlandsproduktes im Restriktionsszenarios liegt der Anteil der Abschreibungen am Bruttosozialprodukt über dem des Integrationsszenarios.
Die Gewinne errechnen sich durch Abzug der Abschreibungen, der indirekten Steuern abzüglich Subventionen und der Bruttolöhne vom Bruttosozialprodukt. Im Integrationsszenario wird der Anteil der Gewinne am Bruttosozialprodukt
Westdeutschlands
mittelfristig weiterhin kräftig zunehmen und in der zweiten Prognoseperiode nahezu konstant bleiben. Im Restriktionsszenario wird infolge weiterhin überdurchschnittlich zunehmender Abschreibungen trotz leicht sinkender Lohnquote der Gewinnanteil am Bruttosozialprodukt bis zum Jahr 2 0 0 0 schwächer zunehmen und danach sogar rückläufig
sein. Auch in Ostdeutschland kommt es im Integrationsszenario
im
Vergleich zum Bruttosozialprodukt zu einem überdurchschnittlichen Anstieg der Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Bei der Abschätzung der Gewinnentwicklung der ostdeutschen Unternehmen ist zu berücksichtigen, daß in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bis 1994 bei den Gewinnen auch die Verluste der Treuhandanstalt und deren Unternehmen ausgewiesen werden. Diese Verluste wurden letztlich, vermittelt durch Kreditaufnahmen der Treuhandanstalt vom Staat ausgeglichen. Die entsprechenden Schulden und die damit einhergehenden Zinszahlungen wurden hier schon von 1990 an dem Staat zugerechnet (vgl. Abschnitt 1.2). Nach den weitgehend abgeschlossenen Privatisierungen der Treuhandanstalt ist bei den im Markt verbleibenden Unternehmen mit einer positiven Gewinnentwicklung zu rechnen. Auch im Restriktionsszenario ist zwar eine kräftige Zunahme der Gewinne zu erwarten, doch wird die Entwicklung u.a. durch die hohen Abschreibungen gebremst, so daß die Gewinne lediglich zwei Drittel des Wertes im Integrationsszenario erreichen.
143
Tabelle 6 / :
Preisentwicklung in eutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Preisindex Westdeutschland 1991=100
1991
97
109
129
130
164
170
98 95 99
109 104 107
126 126 130
128 126 130
156 162 170
163 166 176
99 99 99
104 113 109
122 143 135
122 143 134
151 203 184
157 208 187
100 100
102 97
115 106
112 104
134 120
128 117
Bruttoinlandsprodukt Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Unternehmen Wohnungen Staat Ausfuhr Einfuhr
1994
jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode Bruttoinlandsprodukt
-
Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Unternehmen Wohnungen Staat Ausfuhr Einfuhr
2,9
3,0
2,4
2,7
3,6 3,3 2,7
2,6 3,2 3,2
2,7 3,2 3,2
2,1 2.5 2,8
2,5 2,8 3,1
1,6 4,4 3,4
2,6 4,1 3,6
2,7 4,0 3,5
2,2 3,5 3,1
2,5 3,8 3,4
0,7 -1,2
2,0 1,6
1,5 1,3
1,6 1,3
1,3 1,1
jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode
nachrichtlich: terms of trade bereinigte Bruttolohnquote Lohnstückkosten
3,7
-
1,9 -0,9 2,5
Quellen: Statistisches Bundesamt: Szenarienmodell des DIW.
144
0,4 -0,7 2,2
0,2 -0,5 2,4
0,3 -0,4 2,1
0,2 -0,2 2,5
Tabelle 6 / 2 :
Preisentwicklung in Westdeutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Preisindex Westdeutschland 1991=100
1991
Bruttoinlandsprodukt Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Unternehmen Wohnungen Staat Ausfuhr Einfuhr
1994
100
110
129
130
164
170
100 100 100
110 107 108
127 127 129
129 127 130
156 162 169
165 167 175
100 100 100
104 113 109
121 143 135
122 143 134
151 203 184
157 209 187
100 100
103 97
115 107
113 105
135 123
129 118
jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode Bruttoinlandsprodukt
-
Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Unternehmen Wohnungen Staat
2,7
2,8
2,4
2,7
3,2 2,4 2,5
2,4 2,8 3,1
2,6 2,9 3,1
2,1 2,5 2,7
2,5 2,8 3,1
1.4 4,0 2,9
2,6 4,1 3,6
2,7 4,0 3,5
2,2 3,6 3,2
2,6 3,9 3,4
2,0 0,9 1,6 1,5 1,7 1,4 1,4 •1,1 jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode
Ausfuhr Einfuhr nachrichtlich: bereinigte Bruttolohnquote Lohnstückkosten
3,2
-
-0,8 2,3
-0,4 2,4
-0,3 2,5
-0,3 2,1
1,3 1.2 -0,2 2,6
Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
145
Tabelle 6 / :
Preisentwicklung in stdeutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Preisindex Westdeutschland 1991=100
1994
1991
Bruttoinlandsprodukt Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Unternehmen Wohnungen Staat Ausfuhr Einfuhr
72
98
127
128
164
170
81 74 94
101 93 107
124 124 131
123 123 132
154 161 173
157 161 178
94 91 94
104 113 109
123 143 135
124 143 134
151 202 183
156 206 186
100 100
100 104
114 117
11 115
136 134
130 130
jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode Bruttoinlandsprodukt Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Unternehmen Wohnungen Staat Ausfuhr Einfuhr nachrichtlich: bereinigte Bruttolohnquote Lohnstückkosten
-
10,7
4,4
4,5
2,6
2,9
7,4 8,3 4,5
3,5 4,8 3,4
3,3 4,7 3,5
2,2 2,7 2,8
2,5 2,8 3,1
3,3 7,3 5,1
2.9 4,1 3,6
3,0 4,1 3,5
2,0 3,5 3,1
2,4 3,7 3,3
0,2 1.3
2.2 1,9
1,7 1,6
1,8 1,4
1,6 1,3
jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode -5,9 ΙΙ 3,3 II
Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
146
-3,5 0,5
-2,9 1,3
-0,8 1,7
-0,8 2,0
Tabelle 6 / :
Einkommensverteilung in eutschland 1)
Bruttosozialprodukt Abschreibungen Indirekte Steuen abzügl. Subventionen Indirekte Steuern Subventionen Einkommen aus unselbstständiger Arbeit Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen
2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM
1991
1994
2 882
3 300
4 574
4 359
7 248
6 528
365 262
443 352
618 525
617 494
1 058 905
1 033 788
358 96
443 91
613 88
588 94
1 023 118
914 126
1 610
1 815
2 396
2 302
3 655
3 377
646
690
1 036
945
1 630
1 330
jahresdurchschnittliche Veränderungen invH zur Vorperiode Bruttosozialprodukt Abschreibungen Indirekte Steuen abzügl. Subventionen Indirekte Steuern Subventionen Einkommen aus unselbstständiger Arbeit Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen
4,6
5,6
4,7
4,7
4,1
6,7 10,4
5,7 6,9
5,7 5,8
5,5 5,6
5,3 4,8
7,3 -2,0
5,6 -0,5
4,9 0,6
5,3 3,0
4,5 2,9
-
4,1
4,7
4,0
4,3
3,9
-
2,3
7,0
5,4
4,6
3,5
13,4 23,2 3,4 27,5
13,5 23,9 2,4 30,2
14,2 23,6 2,7 29,1
14,6 25,8 2,0 30,8
15,8 24,7 2,4 28,3
-
-
-
nachrichtlich: Abschreibungen in vH des BSP Indirekte Steuern in vH des Priv. Verbrauchs Subventionen in vH des BIP 2) Bruttogewinneink. in vH des Volkseinkommens
12,6 22,0 4,2 28,6
1 ) Nach Zurechnung der Nebenhaushalte zum Staat ab 1991.- 2) Nach Abzug des Staatsverbrauchs. Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmodell des DIW.
147
Tabelle 6 / 5 :
Einkommensverteilung in Westdeutschland 1)
Bruttosozialprodukt Abschreibungen Indirekte Steuen abzügl. Subventionen Indirekte Steuern Subventionen Einkommen aus unselbstständiger Arbeit Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen Bruttosozialprodukt
2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM
1991
1994
2 668
2 949
3 917
3 798
6 060
5 595
333 287
389 360
526 468
528 456
871 749
868 683
337 50
407 47
522 54
515 59
827 78
767 84
1 422
1 553
1 988
1 933
2 998
2 827
626 647 936 881 1 442 1 217 jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode -
Abschreibungen Indirekte Steuen abzügl. Subventionen Indirekte Steuern Subventionen Einkommen aus unselbstständiger Arbeit Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen
3,4
4,8
4,3
4,5
4,0
5,3 7,8
5,1 4,5
5,2 4,0
5,2 4,8
5,1 4,1
6,5 •2,2
4,2 2,4
4,0 3,8
4,7 3,6
4,1 3,6
3,0
4,2
3,7
4,2
3,9
1,1
6,3
5,3
4,4
3,3
13,2 22,9 2,0 29,4
13,4 23,9 1,7 32,0
13,9 23,6 1,9 31,3
14,4 25,8 1,6 32,5
15,5 24,7 1,9 30,1
nachrichtlich: Abschreibungen in vH des BSP Indirekte Steuern in vH des Priv. Verbrauchs Subventionen in vH des BIP 2) Bruttogewinneink. in vH des Volkseinkommens
12,5 21,6 2,4 30,6
1) Nach Zurechnung der Nebenhaushalte zum Staat ab 1991. - 2) Nach Abzug des Staats Verbrauchs. Quellen: Statistisches Bundesamt: Szenarienmodell des DIW.
148
Tabelle 6 / 6:
Einkommensverteilung in Ostdeutschland 1)
Bruttosozialprodukt Abschreibungen Indirekte Steuen abzügl. Subventionen Indirekte Steuern Subventionen Einkommen aus unselbstständiger Arbeit Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen Bruttosozialprodukt Abschreibungen Indirekte Steuen abzügl. Subventionen Indirekte Steuern Subventionen Einkommen aus unselbstständiger Arbeit Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen
200^ 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM
1991
1994
214
352
657
561
1 187
932
32 -25
55 -8
92 57
90 38
187 156
166 105
21 46
36 44
91 33
73 35
197 40
146 42
188
262
408
369
657
550
20 43 100 64 187 112 jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode -
18,0
11,0
8,1
6,1
5,2
-
19,8
9,2
8,7
7,3 10,6
6,3 10,7
19,7 -1,9
16,7 -4,3
12,6 -3,5
8,1 1,9
7,0 1,7
-
11,7
7,7
5,9
4,9
4,1
-
29,5
15,0
6,9
6,5
5,7
14,8 31,9 38,3 9,6
15,5 27,6 19,3 14,1
14,1 23,9 6,4 19,7
16,0 23,6 8,1 14,8
15,7 25,8 4,1 22,2
17,8 24,7 5,6 16,9
-
-
nachrichtlich: Abschreibungen in vH des BSP Indirekte Steuern in vH des Priv. Verbrauchs Subventionen in vH des BIP 2) Bruttogewinneink. in vH des Volkseinkommens
1) Nach Zurechnung der Nebenhaushalte zum Staat ab 1991.- 2) Nach Abzug des Staatsverbrauchs. Quellen: Statistisches Bundesamt: Szenarienmodell des DIW.
149
6.2 Abgaben und Transfers
Da aus dem Bruttoeinkommen sowohl aus unselbständiger Arbeit, als auch aus Unternehmertätigkeit
und Vermögen Abgaben entrichtet
werden und der Rest zur
Verwendung in den Unternehmen und den Haushaltungen zur Verfügung steht, sind im Rahmen der Umverteilungsrechnung
Überlegungen über die Belastung
der
Bruttoeinkommen mit Abgaben angestellt worden. Zusammen mit der Entwicklung der indirekten Steuern ergeben sich damit die Veränderungen der Einnahmen des Staates.
Der Anteil der Sozialabgaben
der privaten
Haushalte in Deutschland an den
Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit betrug 1994 rund 32 vH. Diese Quote nahm in jüngster Zeit noch leicht zu und es wird hauptsächlich aufgrund der Verschiebungen der Altersstruktur für die Zukunft eine deutliche Steigerung dieser Abgabenquote
befürchtet
(Deutsche
Bundesbank
1995).
Bei dem
bisherigen
Sozialversicherungssystem wäre damit eine Steigerung der Lohnnebenkosten, also eine zusätzliche Belastung des Faktors Arbeit verbunden. Um das zu verhindern, wird teilweise eine starke Kürzung von sozialen Leistungen empfohlen. Die Vorschläge reichen hier bis zu einem Sozialversicherungssystem, das nur noch eine Grundsicherung bietet.
Von einer solchen radikalen Umstrukturierung des Systems der sozialen Sicherung wurde hier nicht ausgegangen. Gleichwohl wurden weitere Anstrengungen
zu
Einsparungen unterstellt. Insbesondere bei der Rentenversichung und der Bundesanstalt für Arbeit ist mit spürbaren Einschnitten bei den Anspruchsgrundlagen gerechnet worden, wie sie beispielsweise mit der Anhebung des Rentenzugangsalters oder der geringeren Anrechnung von Ausbildungszeiten jüngst im Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz verabschiedet wurden. Dies führt dazu, daß per saldo die Transferzahlungen pro Leistungsempfänger leicht unter der Nettolohnentwicklung zurückbleiben.
Entlastungspotentiale bei der Finanzierung der Sozialversicherung ergeben sich auch auf der Einnahmenseite. Durch die relativ günstige Beschäftigungsentwicklung im Integrationsszenario kann mit einer Zunahme des Beitragsaufkommens gerechnet werden, ohne das es einer Steigerung der Beitragssätze bedarf. Insbesondere die langfristig wieder zunehmende Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland führt dazu, daß die
150
Ausgaben der Sozialversicherung zunehmend durch eigene Einnahmen finanziert werden können. Unterstützend im Bereich der Krankenversicherung wirkt auch, daß durch die steigende Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland sich die Relation von beitragszahlenden
zu mitversicherten
Mitgliedern
verbessert.
Ebenso wird
die
Rentenversicherung durch tendenziell abnehmende Hinterbliebenenrenten entlastet.
Die Sozialversicherungssysteme
werden in nicht unerheblicher Weise durch die
Zahlung von versicherungsfremden Leistungen belastet. Abzüglich des geleisteten Bundeszuschusses betrugen diese Leistungen 1993 gut 110 Mrd. DM (Vogler-Ludwig 1996). Für die Zukunft wurde angenommen, daß die Refinanzierung von versicherungsfremden Leistungen in wesentlich stärkerem Maße als bisher nicht über Sozialabgaben, sondern im Integrationsszenario auch durch das wachstumsbedingte erhöhte Steueraufkommen erfolgt.
Insgesamt kann dadurch der Anteil der Sozialabgaben an den Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit im Integrationsszenario mittelfristig nahezu konstant bleiben. Auf lange Frist erscheint aber aufgrund der demographischen Belastungen ein Anstieg der Abgabenquote unvermeidlich, wegen der Einsparungsbemühungen fällt er mit einem vH-Punkt auf 33 vH allerdings sehr moderat aus. Im Restriktionsszenario ist dieser Anstieg schon mittelfristig insgesamt höher, insbesondere aufgrund
des
erhöhten Finanzierungsbedarfs der Arbeitslosenversicherung.
Die Lohnsteuerquote
stieg in Westdeutschland in den achtziger Jahren um durch-
schnittlich 1 vH. Für die nächsten Jahre ist jedoch aufgrund des Jahressteuergesetzes 1996 von einer leichten Abnahme auszugehen. Gleichzeitig wurde angenommen, daß das erhöhte Steueraufkommen aus den indirekten Steuern (vgl. Abschnitt 6.1) im Integrationsszenario
- soweit
es nicht
zur
Finanzierung
versicherungsfremder
Sozialversicherungsleistungen benötigt wird - auch dafür genutzt wird, um die Lohnsteuerbelastung der Arbeitnehmereinkommen langfristig zu senken. Schon mittelfristig kann in diesem Szenario eine Entlastung durch die Abschaffung oder Senkung des Solidaritätszuschlages erwartet werden. In Ostdeutschland lag die Steuerlastquote bereits 1994 bei 72 vH des westdeutschen Wertes. Im Integrationsszenario wird für das Jahr 2000 mit einer Relation von 85 vH gerechnet. Angesichts des in Ostdeutschland niedrigeren Einkommensniveaus im Restriktionsszenario wird hier eine Relation von 82 vH erwartet. Mit der zunehmenden Lohnangleichung an Westdeutschland 151
steigt langfristig auch die Steuerlastquote auf 93 vH im Integrations- und auf 89 vH im Restriktionsszenario.
Zu den Gewinnabführungen
gehören vor allem die Körperschaftssteuer
und die
veranlagte Einkommensteuer sowie in geringem Umfang soziale Leistungen der Unternehmen an private Haushalte, die hier allerdings mit geringen Einnahmen der Unternehmen nur saldiert berücksichtigt sind. Im Gefolge der Steuerreform ist diese Abgabenbelastung in den achtziger Jahren kräftig gesunken. Durch das Standortsicherungsgesetz wurden die Unternehmen nochmals entlastet, so daß der Anteil der Gewinnsteuern an den Nettogewinnen der Unternehmen 1994 den niedrigsten Wert seit 15 Jahren erreichte. Dies war allerdings auf Sonderfaktoren im Zusammenhang mit der Senkung der Körperschaftssteuersätze zurückzuführen (DIW 1996b). In der Zukunft
werden
weitere
Entlastungen, z.B. im Rahmen der Abschaffung
der
Vermögenssteuer, dafür sorgen, daß im Jahr 2000 die Abgabenquote nur leicht über, im Jahr 2 0 1 0 leicht unter dem Wert von 1994 liegen wird. In Ostdeutschland ist gegenwärtig das Aufkommen von Gewinnsteuern sehr gering. Hier dominieren bei den Gewinnabführungen bestimmte soziale Leistungen der Unternehmen. Angesichts des sich nur langsam vollziehenden Abbaus der verschiedenen Steuererleichterungen wurde für das Jahr 2 0 0 0 eine Steuerlastquote von 80 vH des westeutschen Wertes im Integrations- und von 70 vH im Restriktionsszenario zugrunde gelegt. Auch im Jahr 2 0 1 0 wird hier nicht vollständig die Belastungsquote Westdeutschlands erreicht, weil beispielsweise die Pro-Kopf-Einkommen der Selbständigen nach wie vor geringer ausfallen.
Die
Rückführung
der
Steuer-
und
Abgabenbelastungen
insgesamt
führen
im
Integrationsszenario zu einer nur leicht langsameren Entwicklung der Staatseinahmen im Vergleich zu den Steigerungsraten des nominalen Bruttosozialprodukts.
Im
Restriktionsszenario verbleibt in der Summe die Belastungsquote im Jahr 2 0 1 0 gegenüber der Situation 1995 mit einer vergleichsweise hohen Belastung auf einem nahezu konstanten Niveau.
Auf der Ausgabenseite des Staatshaushalts spielen neben den Entwicklungen beim Staatsverbrauch und bei den Investitionen die Transferzahlungen eine herausragende Rolle. Diese werden in der VGR in laufende Übertragungen und Vermögensübertragungen unterteilt werden.
152
Bei den Übertragungen
des Staates an die Privaten
Haushalte
handelt es sich
überwiegend um soziale Leistungen. Der größte Teil sind Transfers der Sozialversicherung. Bezogen auf die Zahl der Leistungsempfänger stiegen diese Übertragungen in Westdeutschland in den achtziger Jahren stärker als die Nettolöhne je Beschäftigten. Aufgrund
der günstigen Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung
im
Integrationsszenario ist es möglich, einen radikalen Abbau Her Transferleistungen zu vermeiden. Die sich vollziehende Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und zielgruppenadäquate Anpassungen im Transfersystem erlauben es sogar, in einigen Bereichen die Transferzahlungen pro Empfänger zu erhöhen, wie beispielsweise beim Kinder- und Wohngeld. Durch die größere Zahl von Erwerbstätigen nimmt gleichzeitig langfristig die Bedeutung der Rentenempfänger mit relativ hohen Pro-Kopf-Transfers gegenüber anderen Transferempfängern zu. Aufgrund dieser strukturellen Entwicklungen ist im Integrationsszenario auch in der Zukunft mit leicht stärker steigenden Transfers gegenüber den Nettolöhnen je Beschäftigten zu rechnen.
Das Restriktionsszenario ist aufgrund der ungünstigen Beschäftigungsentwicklung durch eine deutlich höhere Zahl der Transferempfänger gekennzeichnet. Es wird davon ausgegangen, daß sowohl infolge der stärker zunehmenden Zahl von Transferempfängern
mit geringem Einkommen als auch den zu erwartenden
stärkeren
spezifischen Leistungskürzungen der Anstieg der Leistungen je Kopf insgesamt niedriger ausfallen wird. Insgesamt wird das Transfervolumen dagegen die gleiche Größenordnung haben wie im Integrationsszenario.
Für Ostdeutschland wird angenommen, daß die Transfers je Leistungsempfänger, die gegenüber Westdeutschland 1994 rund 90 vH erreichten, zumindest langfristig in beiden Szenarien über denen in Westdeutschland liegen werden. Ursächlich hierfür ist zum einen das zunehmende Gewicht der Rentner bei der Struktur der Transferempfänger
gegenüber
überdurchschnittlichen
Westdeutschland. Rentenzahlungen
pro
Zum
anderen
Rentner,
muß
aufgrund
mit der
leicht längeren
Beitragszeiten und inbesondere der höheren Frauenerwerbstätigkeit zu Zeiten der DDR gerechnet werden. Der Anteil der Arbeitslosen sowie der Abstand der Leistungen je Arbeitslosen im Vergleich zu Westdeutschland gehen deutlich zurück. Aufgrund des zwar
rückläufigen,
aber
dennoch
stärkeren
Einsatzes
arbeitsmarktpolitischer
Maßnahmen muß jedoch auch dauerhaft mit höheren Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit pro Arbeitslosen gerechnet werden. Bei den übrigen Transferleistungen ist
153
dagegen bis zum Jahr 2 0 1 0 eine Angleichung an westdeutsche
Verhältnisse
angenommen worden.
Bei den Vermögensübertragungen des Staates an die Unternehmen handelt es sich im wesentlichen um Investitionszuschüsse.
Bezogen auf die Investitionen sind diese
Beträge in Westdeutschland in den achtziger Jahren leicht gestiegen, seit der Vereinigung aber kräftig gesunken, mitbedingt durch die Umlenkung der Investitionszuschüsse nach Ostdeutschland. Es wurde angenommen, daß die Investitionszuschüsse in Westdeutschland bis zum Jahr 2 0 1 0 auf diesem niedrigen Niveau verharren. Im Integrationsszenario kann sogar eine weitere Rückführung dieses Anteils erwartet werden.
In Ostdeutschland erreichten die Investitionszuschüsse des Staates bisher bis zu 26 vH des Investitionsvolumens der Unternehmen. Ab dem Jahr 1993 ist hier jedoch ein Rückgang zu verzeichnen. Im Integrationsszenario wird davon ausgegangen, daß die Quote zwar auch künftig weiter sinkt, eine vergleichsweise hohe Unterstützung der Investitionen in Ostdeutschland durch staatliche Hilfen aber weiterhin erfolgt. Der entsprechende Anteil dürfte mit 8 vH im Jahr 2 0 1 0 immer noch mehr als dreimal so hoch wie in Westdeutschland sein. Im Restriktionsszenario fällt bei einem mittelfristig gleich hohen Niveau der Investitionszuschüsse die Rückführung der Förderquote schwächer aus. Im Jahr 2 0 1 0 beträgt sie immer noch knapp 11 vH.
Die Übertragungen
des Staates an die übrige Welt werden im Projektionszeitraum
kräftig steigen. Dies ist der Ausdruck des größeren Gewichts und der Verantwortung Deutschlands innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft. Bei einer Anbindung der Visegrad-Staaten an die EU ist beispielsweise eine weitere deutliche Aufstockung der Strukturfonds zu erwarten. Aber auch bei den für Osteuropa nicht so günstigen Entwicklungsperspektiven im Restriktionsszenario dürften die Transfers, z.B. wegen der vereinbarten Zusammenarbeit im Bereich der Asylverfahren, stark zunehmen.
154
Tabelle 6/7:
Entwicklung des Staatshaushalts 1 ) 2000 Integrations- Restriktionsszenario szenario Mrd. DM
2010 Integrations- Restriktionsszenario szenario
1991
1994
1068
1286
1794
1722
2832
2621
262 491 221 95
352 586 264 85
525 776 365 129
494 750 358 120
905 1207 534 186
788 1139 531 163
1199
1407
1877
1843
2901
2796
Staatsverbrauch Nettoinvestföonen Nettozinsen 2) Transferzahlungen
554 55 48 542
640 65 75 620
834 89 120 834
810 83 129 820
1238 142 158 1364
1171 121 214 1291
Haushalte Unternehmen Übrige Welt
429 51 62
531 37 61
701 46 87
695 46 79
1162 53 149
1113 58 120
-130
-121
-83
-121
-70
-177
30,7 14,6 15,8 13,3 6.6
32,4 15,1 12,6 14,4 2,7
32,5 15,6 12,9 18,4 2,4
32,7 16,0 13,0 18,0 2,6
33,0 14,8 11.7 31,0 2,2
33.7 16,0 12,1 27,5 2,6
29,3 7.1 16.9 0.5 22,9
31,8 10,9 11.4 12.8 15,5
31,7 13,3 10,3 18,7 12,2
31,9 13,1 9,1 17.0 14,3
33,0 13.7 10,7 33,0 7.9
33,7 14,3 10,0 29,0 10,6
Einnahmen Indirekte Steuern abzügl. Subventionen Scziatbeftr&ge Lohnsteuern Gewinnsteuern u.a. Ausgaben
Finanzierungssakk) nachrichtitch: Westdeutschland Sozialbeitragsquote in vH des Bruttolohns Lohnsteuerquote in vH des Bruttolohns Gewinnsteuern in vH der Nettogewinne Clbertr. an HH je Transferempf. in Tsd. DM VermögensObertr. in vH der Untemehmensinv. Ostdeutschland Sozialbeitragsquote in vH des Bruttolohns Lohnsteuerquote in vH des Bruttolohns Gewrmsteuem in vH der Nettogewinne Clbertr. an HH je Transferempf. in Tsd. DM Vermögensübertr. in vH der Untemehmensinv.
1 ) Gebietskörperschaften und Sozialversicherung einschließlich Nebenhaushalte (THA, Bahn, ostd. Wohnungswirtschaft) 2) Zinsausgaben abzügl. Vermögenseinkommen Quellen: Statistisches Bundesamt; Szenarienmoden des DIW
155
6.3 Sektorale Finanzierungspositionen
Um Aussagen über die Finanzierungspositionen des Haushalts- und Unternehmenssektor treffen
zu können, muß beachtet werden, daß neben den
staatlichen
Umverteilungsmaßnahmen auch Gewinneinkommen und Vermögensübertragungen zwischen diesen Sektoren fließen. Unbeantwortet blieb bieder auch die Frage, ob es mit den skizzierten Entwicklungen der Einnahmen und Ausgaben des Staates gelingt, die mit der Vereinigung sprunghaft angestiegene Staatsverschuldung in der Zukunft zu senken. Nicht zuletzt ist von Interesse, wie sich mit den Finanzierungssalden der einzelnen
Sektoren
der
(Netto-)Gläubigerstatus
der
Bundesrepublik
insgesamt
gegenüber der übrigen Welt entwickeln wird.
In der Vergangenheit
sind die Entnahmen
je
Selbständigen
einschließlich
der
mithelfenden Familienangehörigen sehr viel schneller gestiegen als die Nettolöhne je Arbeitnehmer. Dies mag zum Teil durch den Rückgang bei der Zahl der mithelfenden Familienangehörigen insbesondere in der Landwirtschaft erklärbar sein. Dieser Prozeß dürfte sich allerdings in gleichem Umfang nicht fortsetzen. Im Integrationsszenario wird für die nächsten Jahre angenommen, daß die Pro-Kopf-Entnahmen in Deutschland zwar weiterhin stärker als die durchschnittlichen Nettolöhne der Arbeitnehmer steigen, allerdings mit einem sich vermindernden Abstand. Im Restriktionsszenario
wird
angesichts der schlechteren Ertragslage der Unternehmen mit einem geringeren Anstieg der Entnahmen gerechnet. Für Ostdeutschland wird angenommen, daß sich die Pro-Kopf-Entnahmen der Selbständigen die gegenwärtig bei rund 20 vH der westdeutschen Werte liegen, im Integrationsszenario bis zum Jahr 2 0 0 0 schon auf gut 90 vH erhöhen und danach nur noch geringfügig zunehmen werden. Im Restriktionsszenario werden dagegen erst langfristig 85 vH des westdeutschen Wertes erreicht. Damit wurde hier ein sehr steiler Anstieg der Entnahmen unterstellt. Denkbar wäre auch, daß die Selbständigen sich wie in den letzten Jahren zurückhalten. Ein solches Verhalten bliebe jedoch unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen nicht ohne Einfluß auf das verfügbare Einkommen und damit die Sparquote. Sie müßte damit in der Zukunft gegenüber dem sehr niedrigen Niveau von 1994 weiter absinken.
Die Vermögensübertragungen
der privaten Haushalte an die Unternehmen betreffen
vor allem die Finanzierung von Wohnungsbauinvestitionen. Seit Mitte der achtziger Jahre ist in Westdeutschland der Anteil des Eigenheimbaus an den gesamten 156
Wohnungsbauinvestitionen beständig zurückgegangen. Für die Zukunft wird hier jedoch mittelfristig mit einer Stabilisierung des bisher erreichten Niveaus, danach mit einem leichten Wiederanstieg gerechnet. In Ostdeutschland ist dieser Anteil 1994 sprunghaft angestiegen und übertraf damit den entsprechenden Wert in Westdeutschland. Aufgrund der sich erst allmählichen verbessernden
Wohnraumversorgung
gegenüber Westdeutschland wurde angenommen, daß dem Eigenheimbau auch zukünftig ein größeres Gewicht zukommt und erst langfristig sein Stellenwert sich dem westdeutschen annähert. Berücksichtigt werden muß allerdings, daß mit den ausgewiesenen Vermögensübertragungen nur derjenige Teil der Eigenheimfinanzierung erfaßt wird, der über Bausparverträge läuft.
Für die Entwicklung bis zum Jahr 2010 zeichnet sich damit in Westdeutschland keine wesentliche Veränderung der Finanzierungsstrukturen der Investitionen im Unternehmensbereich ab. Von 1991 an werden etwa 20 vH der Bruttoinvestitionen der Unternehmen fremdfinanziert. Dies entspricht auch etwa der langfristigen Fremdfinanzierungsquote, die im Durchschnitt bei 20 vH bis 25 vH lag. Für die Stichjahre des Prognosezeitraums werden die Quoten ungefähr in dieser Bandbreite bleiben, wobei sich innerhalb des Integrationsszenarios durch die günstige Gewinnentwicklung leichte Verbesserungen abzeichen könnten. Betrachtet man den ostdeutschen Unternehmenssektor einschließlich der Treuhandbetriebe und der Reichsbahn, so mußten in den Jahren 1991 bis 1994 rund 80 vH der Bruttoinvestitionen über den Kreditmarkt finanziert werden. Ursache hierfür war vor allem die desolate Gewinnsituation der ostdeutschen Unternehmen. Teilweise kompensiert wurden diese Eigenfinanzierungsschwächen
der
Unternehmen
durch
hohe staatliche
Vermögensübertragungen
(Investitionszuschüsse). In beiden Szenarien steigt das Potential für die Eigenfinanzierung des Investitionsprozesses in Ostdeutschland. Notwendig bleibt aber, daß der Investitionsprozeß im ostdeutschen Unternehmenssektor finanziell weiterhin durch staatliche Vermögensübertragungen unterstützt wird. Die Selbstfinanzierungsquoten verbleiben aber auch selbst dann langfristig unterhalb den in Westdeutschland üblichen Werten,
weil gleichzeitig die Rückflüsse
aus den
Direktinvestitionen
insbesondere nach Westdeutschland spürbar ansteigen.
Mit den gegenüber den Nettolöhnen überdurchschnittlich steigenden Entnahmen der Selbständigen wird insgesamt das Gewicht der Lohneinkommen am verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte künftig weiter zurückgehen. Auch die Vermögenseinkommen, die in Form von Nettozinsen vom Staat und den Unternehmen an die 157
Haushalte fließen, werden angesichts der hohen Bestände an Geldvermögen einen weiterhin zunehmenden Beitrag zum verfügbaren Einkommen leisten. Bedingt durch die zunehmende Zahl der Rentenbezieher wird sich auch das Gewicht der Transfereinkommen der Privaten Haushalte erhöhen.
Im Integrationsszenario mit seiner günstigen Beschäftigungsentwicklung und einem durchschnittliche Einkommensanstieg der Transferempfänger, der insgesamt leicht höher ausfällt als der Nettolohnanstieg je Arbeitnehmer, wird für Westdeutschland davon ausgegangen, daß die Sparquote wieder deutlich ansteigt. Im Jahr 2010 könnte sie mit knapp 13 vH den konjunkturell günstigen Wert von 1992 erreichen. Im Restriktionsszenario werden die Transfereinkommen trotz der sehr viel höheren Zahl der
Arbeitslosen
und
Sozialhilfeempfänger
durchschnittlichen Transferleistungen
etwas
langsamer
zunehmen.
Die
werden durch den steigenden Anteil von
Personen mit geringem Leistungsbezug eher schwächer steigen als im Integrationsszenario. Gleichwohl dürfte der Anteil der Transfereinkommen schaftlichen verfügbaren
Einkommen größer sein. Aufgrund
am gesamtwirt-
der höheren
Kon-
sumneigung der Transferempfänger wird die Ersparnis langsamer steigen. Der Anstieg der Sparquote, die 1994 ihren niedrigsten Wert seit 1983 erreichte, wird sich deshalb erst allmählich vollziehen und am Ende des Prognosezeitraums mit 11,7 vH auf einem im Zeitvergleich sehr niedrigen Niveau verharren. Der private Verbrauch wird nominal daher lediglich etwas geringer expandieren als im Integrationsszenario. Berücksichtigt man jedoch die größere Wohnbevölkerung und die höhere Preissteigerungsrate, ergibt sich je Kopf der Bevölkerung gegenüber 1994 nur eine geringfügige Steigerung des realen privaten Verbrauchs.
In Ostdeutschland haben gegenwärtig die Transfereinkommen einen sehr viel größeren Anteil am verfügbaren Einkommen als in Westdeutschland, während die Entnahmen und Vermögenseinkommen der privaten Haushalte kaum ins Gewicht fallen. Mit zunehmender Bedeutung der Selbständigen und dem stetigen Aufbau des Geldvermögens der ostdeutschen Haushalte werden die Entnahmen jedoch kräftig steigen. Durch die fortschreitende
Angleichung an Westdeutschland
Jahrtausendwende allerdings auch die Transfereinkommen
werden
nach der
im Vergleich zu den
Lohneinkommen der Haushalte an Bedeutung gewinnen.
In Ostdeutschland wird die Sparquote in beiden Szenarien auch weiterhin unterhalb der Westdeutschlands bleiben. Dafür spricht nicht allein das geringere Einkommens158
niveau. Mit dem geringeren Anteil der Einkommen aus Geldvermögen der privaten Haushalte Ostdeutschlands wird auch die "Selbstfinanzierungsquote" der Ersparnisse aus Zinseinkommen im Jahr 2 0 1 0 wesentlich geringer sein als in Westdeutschland.
Das Finanzierungsdefizit des Staates sank 1994 erstmalig nach der Vereinigung. Zählt man die Nebenhaushalte des Erblastentilgungsfonds und des Bundeseisenbahnvermögens schon von 1990 an in der hier vorgenommenen Form zum Staatssektor, läge der Anteil des Staatsdefizits am Bruttoinlandsprodukt in der Vergangenheit durchgängig über 3 vH. Damit hätte die Bundesrepublik bei der Defizitquote das MaastrichtKriterium bisher verfehlt. Die in beiden Szenarien unterstellten Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung, insbesondere auf der Ausgabenseite, zeitigen im Hinblick auf die Defizitquote Erfolg. Auch wenn kurzfristig der Staat bereit ist, erhöhte konjunkturbedingte Defizite zu tolerieren, kann unter den damit verbundenen günstigen Bedingungen des Integrationsszenarios der Anteil der Nettoneuverschuldung am Bruttosozialprodukt langfristig auf 1 vH zurückgeführt werden. Dies hat zur Folge, daß der Anteil des Nettoschuldenbestandes bezogen auf das Bruttosozialprodukt von 39 vH 1 9 9 4 auf 33 vH im Jahr 2010 sinkt. Mittelfristig ist hier allerdings trotz des Konsolidierungskurses keine wesentliche Entlastung zu erwarten. Aus diesem Grund ist zunächst mit einem steigenden Anteil der Zinsaufwendungen an den Staatseinnahmen zu rechnen.
Innerhalb des Restriktionsszenarios wird auch langfristig der Handlungsspielraum des Staates durch Zinszahlungen eingeengt, die einen immer größeren Teil der Einnahmen absorbieren. Obwohl sich auch hier die Defizitquote über den gesamten Zeitraum unterhalb der vorgegebenen Schranke bewegt und damit die Teilnahme an einer Währungsunion aus diesem Blickwinkel als gesichert erscheint, steigen die Nettoschulden so stark an, daß die Verschuldungsquote weiter zunimmt.
Die Summe der Finanzierungssalden der einzelnen Sektoren bestimmt den Finanzierungssaldo Deutschlands gegenüber der übrigen Welt. Dieser gibt die Veränderung des Nettogeidvermögens der Bundesrepublik an. Seit 1991 wurden ständig Leistungsbilanzdefizite realisiert, weil der Handelsbilanzsaldo zusammen mit dem Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen nicht mehr ausreichten, um die traditionellen Defizite der Dienstleistungs- und Übertragungsbilanz auszugleichen. Damit verringerte sich die Nettogläubigerposition der Bundesrepublik, die insbesondere durch die hohen Leistungsbilanzüberschüsse in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zugenommen hatte.
159
Im Integrationsszenario mit seiner günstigen Außenhandelsentwicklung kann eine Umkehr dieses Trends erwartet werden. Trotz der stark zunehmenden Übertragungen an die übrige Welt dürfte mittelfristig eine ausgeglichene Leistungsbilanz erreicht werden. Es werden zwar nach wie vor mehr Vermögenseinkommen an die übrige Welt geleistet als von ihr empfangen, weil die im Zuge der Vereinigung eingegangene Verschuldung im Ausland erst allmählich reduziert werden kann. Mit der zunehmenden Globalisierung der Produktion und den damit einhergehenden
Direktinvestitionen
deutscher Unternehmen im Ausland nehmen jedoch auch die Rückflüsse zu, so daß Deutschland netto langfristig positive Vermögenseinkommen erhalten wird. Im Jahr 2 0 1 0 dürfte der Leistungsbilanzüberschuß die Größenordnung des Jahres 1989 wieder erreichen.
Obwohl auch im Restriktionsszenario mit einem zunehmenden Anteil des Außenhandels am Bruttosozialprodukt gerechnet werden kann, gelingt ein Umschwung bei der Entwicklung des Leistungsbilanzsaldos nicht. Fallen die Defizite dauerhaft in der für die Stichjahre des Prognosezeitraums skizzierten Größenordnung aus, muß befürchtet werden, daß die Bundesrepublik langfristig ihren Gläubigerstatus verliert und sich zum Nettoschuldnerland wandelt.
160
Tabelle 6/8:
Finanzierungspositionen in Deutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM
1991
1994
138
101
159
124
268
140
62 77
35 65
72 87
40 84
137 131
16 124
Nettoinvestitionen
255
250
379
316
584
457
Finanzierungssaldo
-117
-150
-220
-192
-316
-317
1 865
2142
2 913
2 806
4 543
4188
898 537 430
965 645 532
1 255 956 703
1 194 915 697
1 914 1 464 1 165
1 707 1 365 1 116
1 628 237 -27
1 907 235 -31
2 565 348 -44
2 493 313 -41
3 965 578 -80
3 702 486 -68
210
205
304
273
498
417
1068
1286
1794
1722
2832
2621
554 55 48 542
640 65 75 628
838 89 120 835
810 83 129 821
1238 142 158 1364
1171 121 215 1291
486 55
589 39
785 50
773 49
1302 62
1227 64
-130
-121
-84
-122
-70
-177
-38
-65
0
-41
112
-77
80,5 12,7 4,5 28,3 4,5
77,6 11.0 3,7 39,0 5,8
77,1 12,0 1.8 38,8 6,7
78,7 11,2 2,8 42,9 7,5
80,1 12,7 1,0 33,1 5,6
77,9 11.6 2,7 46,3 8,2
Unternehmen Einnahmen Nicht entnommene Gewinne Vermögensübertragungen
Haushalte Verfügbares Einkommen Nettolöhne * Entnahmen 1) Laufende Übertragungen Privater Verbrauch Ersparnis Vermögensübertragungen Rnanzlerungssaldo Staat Einnahmen Staatsverbrauch Nettoinvestitionen Nettozinsen Transferzahlungen Laufende Übertragungen Vermögensübertragungen Finanzierungssaldo Finanzierungssaldo gegenüber Übriger Welt nachrichtlich: Selbstfinanzierung der Unternehmen in vH Sparquote der Haushalte in vH Staatsdefizit in vH des BSP Nettoverschuldung des Staates in vH des BSP Nettozinsen Staat in vH der Einnahmen
1) Entnommene Gewinne und Nettozinseinnahmen. Quellen: Statistisches Bundesamt: Szenarienmodell des DIW.
161
Tabelle 6 / 9 :
Finanzierungspositionen in Westdeutschland 1991
1994
2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM
Unternehmen 103
40
97
67
203
89
44 58
7 33
53 44
25 43
122 80
10 79
Nettoinvestitionen
209
146
232
198
419
336
Finanzierungssaldo
-106
-106
-135
-131
-216
-246
1 671
1 850
2 420
2 368
3 728
3 498
779 532 360
815 614 421
1 030 835 554
991 821 556
1 564 1 246 918
1 421 1 193 884
1 449 222 -27
1 645 205 -22
2125 295 -29
2 101 266 -28
3 246 482 -56
3 090 408 -52
196
184
266
239
426
355
30,1 127,1 79,7 13,3
32.3 146,3 79.4 11,1
39,5 187,1 81,5 12,2
38,8 183,2 81,3 11,3
56,9 275,6 82,6 12,9
53,8 257,4 78,7 11,7
Einnahmen Nicht entnommene Gewinne Vermögensübertragungen
Haushalte Verfügbares Einkommen Nettolöhne Entnahmen 1) Laufende Übertragungen Privater Verbrauch Ersparnis Vermögensübertragungen Finanzierungssaldo nachrichtlich: Nettolohneink. Je Arbeitnehmer in Tsd. DM Entnahmen 2) je Selbständigem in Tsd. DM Selbstfinanzierung der Unternehmen in vH Sparquote der Haushalte In vH
jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode Nettolohneink. je Arbeitnehmer in Tsd. DM Entnahmen 2) je Selbständigem in Tsd. DM
-
2,4 4,8
3,4 4,2
1) Entnommene Gewinne und Nettozinseinnahmen. - 2) ohne Nettozinseinnahmen Quellen: Statistisches Bundesamt: Szenarienmodell des DIW.
162
3,1 3,8
3,7 4,0
3,3 3,5
Tabelle 6/10:
Finanzierungspositionen in Ostdeutschland 2000 2010 Integrations- Restriktions- Integrations- Restriktionsszenario szenario szenario szenario Mrd. DM
1991
1994
36
60
62
57
65
51
17 19
28 33
19 43
15 41
15 50
6 45
Nettoinvestitionen
46
105
147
118
165
121
Finanzierungssaldo
-11
-44
-85
-61
-99
-71
194
292
494
439
815
689
119 5 69
150 31 111
224 121 149
203 95 141
350 218 247
286 172 231
180 14 -1
262 30 -9
440 54 -15
392 47 -13
719 95 -24
611 78 -16
14
21
39
34
72
62
Unternehmen Einnahmen Nicht entnommene Gewinne Vermögensübertragungen
Haushalte Verfügbares Einkommen Nettolöhne Entnahmen 1) Laufende Übertragungen Privater Verbrauch Ersparnis Vermögensübertragungen Finanzierungssaldo nachrichtlich: Nettolohneink. Je Arbeitnehmer in Tsd. DM Entnahmen 2) Je Selbständigem in Tsd. DM Selbstfinanzierung der Unternehmen in vH Sparquote der Haushalte in vH Nettolohneink. je Arbeitnehmer in Tsd. DM Entnahmen 2) Je Selbständigem in Tsd. DM
24,5 16,5 36,6 34,7 54,1 49,5 -11,8 26,1 173,2 140,9 261,9 219,0 86,1 71,8 63,6 69,7 70,8 74,5 7,5 10,3 10,9 10,6 11,7 11,3 jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH zur Vorperiode -
14,0
-
6,9 37,1
5,9 32,5
4,0 4,2
3,6 4,5
1) Entnommene Gewinne und Nettozinseinnahmen. - 2) ohne Nettozinseinnahmen Quellen: Statistisches Bundesamt: Szenarienmodell des DIW.
163
Literaturverzeichnis Bach, S., Gornig, M., Stille, F., Voigt, U. , 1994: Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturausstattung, strukturellem Wandel und Wirtschaftswachstum. Beiträge des DIW zur Strukturforschung, Heft 151, Berlin. Bartholmai, B. und Melzer, M., 1993: Wohnungsbaufinanzierung und Finanzierung der Wohnungsnachfrage in den neuen Bundesländern, Stuttgart. Birg, H./Flöthmann, E.-J./Reiter, I., 1990: Biographische Theorie der demographischen Reproduktion. Materialien des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik, Bielefeld. Birg, H./Koch, H., 1987: Der Bevölkerungsrückgang in der Bundesrepublik Deutschland - Langfristige Bevölkerungsvorausschätzungen auf der Grundlage des demographischen Kohortenmodells und der biographischen Theorie der Fertilität. Forschungsberichte des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik, Band 13, Bielefeld. Blossfeld, H.-P., 1989: Kohortendifferenzierung und Karriereprozeß. Eine Längsschnittstudie über die Veränderung der Bildungs- und Berufschancen im Lebenslauf. Frankfurt, New York. Bofinger, Peter, 1995: Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion. In: Wirtschaftsdienst, Heft 12. Bofinger, Peter, 1996: Die Krise der europäischen Währungsintegration: Ursachen und Lösungsansätze. In: Wirtschaftsdienst, Heft 1. Bucher, H./Gatzweiler, H.-P./Schmalenbach, I., 1984: Das regionale Bevölkerungsprognosemodell der BfLR. In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 2. Bundesministerium für Forschung und Technologie, 1993: Deutscher Delphi-Bericht zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik, Bonn. Deutsche Bundesbank, 1994: Die Finanzen der Treuhandanstalt. In: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Nr. 4. Deutsche Bundesbank, 1996: Funktion und Bedeutung der Ausgleichsforderungen für die ostdeutschen Banken und Unternehmen. In: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Nr. 3. Deutscher Bundestag, 1994: Staatsverschuldung, Drucksache 12/8227. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1990a: Vereintes Deutschland - geteilte Frauengesellschaft? Erwerbsbeteiligung und Kinderzahl in beiden Teilen Deutschlands. Bearb.: E. Kirner, E. Schulz, J. Roloff. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 41. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1990b: Neue Technologien und Beschäftigungsstruktur. Bearb.: J. Blazejczak und M. Gornig. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 16. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1990c: Angebot an Arbeitskräften in Deutschland auf längere Sicht. Bearb.: E. Schulz und E. Kirner. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 44.
164
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1992: Unterbrochene Erwerbsverläufe von Frauen mit Kindern. Bearb.: E. Kirner, E. Schulz. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 19. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1993: Entwicklung des Arbeitskräfteangebots in Deutschland bis zum Jahr 2010. Bearb.: E. Schulz. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 42. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1994: Öffentliche Haushalte 1994/95: Trotz Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen weiterhin hohe Finanzierungsdefizite. Bearb.: D. Teichmann und D. Vesper. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 36. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1995a: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung. Bearb.: Arbeitskreis Konjunktur. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 1. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1995b: Hohe Subventionen in Ostdeutschland - wenig Abbau in Westdeutschland. Bearb.: F. Stille und D. Teichmann. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 4. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1995c: Gratwanderung zur Eurowährung? Bearb.: Marcel Stremme. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 29. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1995d: Öffentliche Haushalte 1 9 9 5 / 9 6 : Steuerpolitische Lösungen bleiben unbefriedigend. Bearb.: D. Teichmann und D. Vesper. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 35. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1996a: Wie wichtig sind die finanzpolitischen Konvergenzkriterien? Bearb.: Marcel Stremme. In: Wochenbericht des DIW, Nr.
6.
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1996b: Öffentliche Haushalte 1 9 9 6 / 9 7 : Finanzpolitik weiterhin auf schmalem Grat. Bearb.: D. Teichmann und D. Vesper. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 35. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1996c: Mehr Beschäftigung in der EU durch Außenhandel mit Transformationsländern. Bearb.: D. Schumacher. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 36. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), IfW unter Mitarbeit des IWH, 1993: Gesamtwirtschaftliche und unternehmerische Anpassungsschritte in Ostdeutschland - Neunter Bericht. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 41. EG-Kommission, 1992: Von der Einheitlichen Akte zu der Zeit nach Maastricht: Ausreichende Mittel für unsere ehrgeizigen Ziele. In: Bulletin der Europäischen Gemeinschaft, Beilage 1. Empirica, 1989: Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Binnenmarktes auf Sektoren und Regionen in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn. Genosko, J., 1990: Trends der regionalen und der sektoralen Entwicklung von peripheren Gebieten in der EG. In: J. Steinbach (Hrsg.): Regionalstruktur in einer neuen Phase der europäischen Integration, Beiträge zum Sommerseminar der Gesellschaft für Regionalforschung Eichstätt, Jahrbuch für Regionalwissenschaft 11, Göttingen.
165
Gerlach, H., 1994: Mietentwicklung und Wohnkostenbelastung in den alten und neuen Bundesländern. In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11. Görzig, B., 1984: Zur Berechnung des Produktionspotentials. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung des DIW, Heft 1. Görzig, B., 1992: Zur Kapitalausstattung des verarbeitenden Gewerbes Ostdeutschlands - Simulation für das Jahr 2 0 0 0 -, Diskussionspapiere des DIW, Nr. 48. Görzig, B., 1995: Anlagevermögen und Produktionspotential in Ostdeutschland. In Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung des DIW, Heft 3. Görzig, B. und Gornig, M., 1991: Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der DDR. In: Beiträge zur Strukturforschung des DIW, Heft 121, Berlin. Görzig, B., Gornig, M. und Schulz, E., 1994: Quantitative Szenarien zur Bevölkerungsund Wirtschaftsentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2000. Beiträge zur Strukturforschung des DIW, Heft 150, Berlin. Gornig, M., 1992a: Szenarien der Wirtschaftentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2 0 0 0 . Diskussionspapiere des DIW, Nr. 46. Gornig, M., 1992b: Perspektive Ostdeutschland: Zweites Wirtschaftswunder oder industrieller Niedergangsprozeß. In: Konjunkturpolitik, Heft 1. Gornig, M., 1994: Szenarien zur Entwicklung der Bundesrepublik bis zum Jahr 2 0 0 0 . In: Beihefte zur Konjunkturpolitik, Heft 42. Gornig, M. und Schmidt-Faber, C., 1995: Strukturwandel von Nachfrage und Produktion in Ostdeutschland. Veränderte Einschätzungen durch Berücksichtigung von Preisunterschieden. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Heft 3. Gritsai, O. und Treivish, Α., 1990: Stadical Concept of Regional Development: Centre and Periphery in Europe. In: Geographische Zeitschrift, Heft 3. Handler, H., Kramer, H. und Stankovsky, J., 1992: Dept, Capital Requirement and Financing of the Eastern Countries. Austrian Institute of Economic Research, Vienna. Hauser, J. Α., 1983: Ansatz zu einer ganzheitlichen Theorie der Sterblichkeit. In: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, 9. Jg., 2/83. Huinink, J., 1989: Ausbildung, Erwerbsbeteiligung von Frauen und Familienbildung im Kohortenvergleich. In: Wagner, G. (Hg.): Familienbildung und Erwerbstätigkeit im demographischen Wandel, Berlin/Heidelberg/New York. Imrie, R., 1986: Work Decentralisation from Large to Small Firms, a Preliminary Analysis of Subcontracting. In: Environment and Planning, Vol 18. Jorgensen, D.W., 1961: The Structure of Multisector Dynamic Models. In: International Economic Review, Vol. 2, No. 3. Klein, T., 1989: Bildungsexpansion und Geburtenrückgang. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Heft 3.
166
Klodt, H., 1991: Comperative Advantage and Prospective Structural Adjustment in Eastern Europe. Kiel Working Paper. Krakowski, M., Lau, D. und Lux, Α., 1992: Die Standortqualität Ostdeutschlands. In: Wirtschaftsdienst, Heft 10. Krelle, W . , 1967: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. 2. Auflage, Berlin. Kydland, F.E. und Prescott, E.C., 1996: The Computational Experiment: Econometric Tool. In: Journal of Economic Perspectives, Vol. 10, No. 1.
An
Lehment, H. und Scheide, J., 1992: Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion: Probleme des Übergangs. In: Die Weltwirtschaft, Heft 1. Müller-Krumholz, K., 1994: Sozialprodukt und Einkommensverlauf 1/1989 bis 11/1994. Vierteljährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für Ostdeutschland, Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Myrdal, Α., Klein, V., 1971: Die Doppelrolle der Frau in Familie und Beruf. Berlin, Köln. Neven, D. und Roller, L.-H., 1991: East-West-Trade and Manufacturing Sektor. In: L. Winters and A. Venables (Ed.), European Integration: Trade and Industry, Cambridge. Nijkamp, Ρ. , 1984: A Multidimensional Analysis of Regional Infrastructure and Economic Development. In: Anderson, A.E., Isard, W. and Puu T. (eds.): Regional and Industrial Development Theories, Models and Empirical Evidence, Elseviev. Nötzold, J., 1990: Europa im Wandel: Entwicklungstendenzen nach der Ära des OstWest-Konflikts, Baden-Baden. Ochel, W., 1991: Der Kapitalbedarf Osteuropas und der Sowjetunion. In: IfO-Schnelldienst, Heft 31. Ohr, Renate, 1996: Eine Alternative zum Maastricht-Fahrplan. In: Wirtschaftsdienst, Heft 1. Pagan, Α., 1994: Calibration and Econometric Research: An Overview. In: Journal of Applied Econometrics, Vol. 9, Supplement, Dec. 1994. Pasenetti, L., 1988: Technical Progress and International Trade. In: Empirica, Vol. 5, No. 2. Peters, Th. und Waterman, R., 1982: In Search of Excellence, (Harpers & Row) New York. Picot, Α. und Reichwald, R., 1980: Untersuchung der Auswirkungen neuer Kommunikationstechnologien im Büro auf Organisationsstruktur und Arbeitsinhalte, München. Piore, M. und Säbel, J., 1984: The Second Industrial Divide: Possibility and Prosperity, New York. Prognos, 1989: Arbeitslandschaft bis 2 0 1 0 nach Umfang und Tätigkeitsprofilen. Bearbeiter: Höfer, P., Weidig, I., Wolff, H. In: Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Bd. 131 und 132, Nürnberg.
167
Prognos, 1990: Prognos world reports: Industrial Countries 1991, Basel. Salazar-Carillo, J. und Tirado de Alonso, I., 1988: Real Product and Price Comparisons between Latin America and the Rest of the World. In: The review of income and wealth, series 34, number 1. Schrettl, W. und Clement, H., 1991: Konjunkturanalyse für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten unter den Bedingungen von Depression und Schocktherapie. Working Papers des Osteuropa-Instituts, München. Siebert, H., 1992: Die neue wirtschaftliche Landschaft in Europa - Spekulationen über die Zukunft. Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 184. Siebert, H. 1993: Zu starke Binnenorientierung - Ursache der deutschen Wettbewerbsschwäche. In: Die Weltwirtschaft, Heft 3. Stäglin, R. und Filip-Köhn, R., 1994: Quantitative Analyse der wirtschaftlichen Verflechtungen von alten und neuen Bundesländern und ihrer Arbeitsmarktwirkungen. In: BeitrAB 183, Nürnberg, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit. Statistisches Bundesamt, 1994: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Fachserie 18, Reihe 1.3, Konten und Standardtabellen 1993, Hauptbericht, Wiesbaden. Stille, F., 1992: Strukturwandel im Prozeß der deutschen Vereinigung, Strukturberichterstattung 1992. Beiträge des DIW zur Strukturforschung, Heft 136, Berlin. Ströhl, G., 1994: Zwischenörtlicher Vergleich des Verbraucherpreisniveaus in 50 Städten. In: Wirtschaft und Statistik, Heft 6. Szirmai, A. und Pilat, D., 1990: Comparison of Purchasing Power, Real Output and Labour Productivity in Manufacturing in Japan, South Korea and the USA, 1975 - 85. In: The review of income and wealth, series 36, number 1. Tatom, J.A., 1991: Public Capital and Privat Sector Performance. In: Review of Federal Reserve Bank of St. Louis, May/June. Thanner, Β., 1992: Kaum Vorbilder für die Wirtschaftsreformen in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. In: IfO-Schnelldienst, Heft 7. Thon, M., 1986: Das Erwerbspersonenpotential in der Bundesrepublik Deutschland. Nürnberg. Thurow, L., 1985: America, Europe and Japan. In: The Economist, 9. Nov. 1985. Toedter, K.-H., 1992: Modelling the German Economy after Unification. In: Economic Policy Coordination in an Integrating Europe, Ed.: Hamalainen, S., Helsinki. United Nations, 1968: A System of National Accounts. New York. VDI-Technologiezentrum (Hrsg.), 1991 : Chancen und Risiken von CIM. Ergebnisbericht eines vom Bundesminister für Forschung und Technologie berufenen Sachverständigenausschusses, Düsseldorf.
168
Vogeler-Ludwig, Κ., 1996: Sozialpolitik, Beschäftigung und Wettbewerb. In: IfoSchnelldienst, Nr. 17-18. Westphal, U. unter Mitarbeit von Dieckmann, B. und Wiswe, S., 1993: Arbeitsbuch zur angewandten MakroÖkonomik, 2. Auflage, Hamburg. Wren-Lewis, S., Darby, S., Ireland, S. und Ricchi, Ο., 1996: The Macroeconomic Effects of Fiscal Policy: Linking an Econometric Model with Theory. In: The Economic Journal, Vol. 106, May 1996.
169