Entwicklung der empirischen Handelsforschung in der Bundesrepublik Deutschland: Rückblick und Ausblick [1 ed.] 9783428476084, 9783428076086


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German Pages 214 Year 1992

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Entwicklung der empirischen Handelsforschung in der Bundesrepublik Deutschland: Rückblick und Ausblick [1 ed.]
 9783428476084, 9783428076086

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SCHRIFTENREIHE DES IFO-INSTITUTS FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG Nr. 133

Dokumentation des

Kolloquiums über ausgewählte Fragen der empirischen Handelsforschung im ifo Institut für Wirtschaftsforschung

am 11. Mai 1992

anläßlich der Verabschiedung von

Dr. Erich Batzer Vorstandsmitglied des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und Leiter der Abteilung Absatzwirtschaft bzw. Handel und Sonstige Dienstleistungen von 1957 bis 1991

IFO-INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

Entwicklung der empirischen Handelsforschung in der Bundesrepublik Deutschland Rückblick und Ausblick llerausgegeben von

Erich Greipl, Helmut Laumer und Uwe Chr. Täger

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

MÜNCHEN

Die Herausgeber danken dem Bundesministerium für Wirtschaft für die finanzielle Unterstützung dieser Veröffentlichung. Für die redaktionelle Bearbeitung und Gestaltung dieser Dokumentation war Dipl.-Kauffrau Christine Ahrens, Referentin in der Abteilung "Handel und Wettbewerb" des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, verantwortlich.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Entwicklung der empirischen Handelsforschung in der Bundesrepublik Deutschland : Rückblick und Ausblick ; [Dokumentation des Kolloquiums über Ausgewählte Fragen der Empirischen Handelsforschung am Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung am 11 . Mai 1992 anlässlich der Verabschiedung von Dr. Erich Batzer] I Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Hrsg. von Erich Greipl . .. - Berlin ; München : Duncker und Humblot, 1992 (Schriftenreihe des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung; Nr. 133) ISBN 3-428-07608-7 NE: Greipl, Erich [Hrsg.]; Kolloquium über ausgewählte Fragen der Empirischen Handelsforschung (1992, München); lfo-Institut für Wirtschaftsforschung (München): Schriftenreihe des lfo-Instituts . ..

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0445-0736 ISBN 3-428-07608-7

Vorwort

Jürgen Möllemann Bundesminister für Wirtschaft

Die empirische Handelsforschung hat in Deutschland eine lange Tradition. Die gewaltigen Strukturveränderungen im Groß- und Einzelhandel sowie in der Handelsvermittlung in den letzten vier Jahrzehnten wurden von den Repräsentanten und Instituten der empirischen Handelsforschung mit zahlreichen Untersuchungen begleitet. Diese Ergebnisse haben wesentlich dazu beigetragen, daß die Binnenhandels- und Wettbewerbspolitik der Bundesrepublik Deutschland auf einer breiten empirischen Grundlage ihre gesetzgeberischen Aktivitäten entfalten sowie ein in der Praxis bewährtes Förderinstrumentarium für kleine und mittlere Handelsunternehmen entwickeln konnte. Ich begrüße es sehr, daß anläßlich des handelspolitischen Kolloquiums des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung die Gelegenheit genutzt wird, den derzeitigen "Stand der empirischen Handelsforschung" in Deutschland öffentlich darzustellen. Diese Dokumentation soll insbesondere dazu dienen, der fachinteressierten Öffentlichkeit und den Verbänden des Handels eine Informationsunterlage über grundlegende und aktuelle Probleme der Handelsforschung an die Hand zu geben. Darüberhinaus kann sie eine wesentliche Hilfe für den Aufbau empirischer Handelsforschung z. B. in den Staaten Osteuropas darstellen. Mehr denn je ist die empirische Handelsforschung aufgerufen, ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in geeigneter Form der Handels-Praxis anzubieten und mitzuteilen. Aus diesem Grunde wünsche ich diesem Dokumentationsband eine recht hohe Verbreitung im Kreise der interessierten Handelsforscher und -praktiker.

Bann, im Oktober 1992

Inhalt

Einleitung und Begrüßung . ............ . ............ .. . .. . PROFDR. K.H.OPPENLÄNDER Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung

Einführung in die Themengebiete des Kolloquiums . . . . . . . . . . . . 3 DR. U. CHR. TÄGER Leiter der Abteilung "Handel und Wettbewerb" des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung

"Positionlerung und Stellenwert der Handelsforschung Im Rahmen der empirischen Wirtschaftsforschung" .... . ... . ...... 13 PROF. DR. B. TIETZ Ordinarius für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Warenhandelslehre, an der Universität des Saarlandes und Direktor des Handelsinstituts im Institut für empirische Wirtschaftsforschung an der Universität des Saarlandes

•oie empirische Handelsforschung und ihre Ergebnisse aus der Sicht der Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik" ...... . .... . 93 PROF. DR. O.SCHLECHT Staatssekretär a.D. Präsident der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn und stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung

"Wird das Wettbewerbsrecht den neuen Handelsstrukturen noch gerecht?" Einführung in die Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . 107 PROF. DR. V. BEUTHIEN Direktor des Instituts für Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht der Philipps-Universität Marburg und Direktor des Instituts für Genossenschaftswesen an der Philipps-Universität Marburg VII

Podiumsgespräch: Aktuelle und künftige Herausforderungen der 115 empirischen Handelsforschung durch Politik und Wirtschaft Moderation: DA. H. LAUMER, Vorstandsmitglied des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung DR. G. OLESCH, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Gewerblicher Verbundgruppen e. V. (ZGV), Bann DA. P. SPARY. Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels e. V., Bann MIN.-RAT DR. R. WARM, Leiter des Referats: Binnenhandel und lnlandsmessen, Bundesministerium für Wirtschaft, Bann MIN.-RAT A.D. W. J. FLECK, Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels und ehemaliger Leiter des Referats Handel im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, München DR. K. H. STÖVER, Berater des Generaldirektors, Generaldirektion IV: Wettbewerb, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel

"Leitbilder der Ökonomlsierung der Warendistribution • Auftrag und Möglichkelten der Handelsforschung ·" .. . . .... . 149 PROF. DR. E. GREIPL Mitglied der Geschäftsleitung der Metro-Gruppe und Mitglied der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim

"1957 • 1992 Absatz- und Handelsforschung Im lfo Institut • Rückblick und Ausblick -· . ........... .... . . ......... . ... 171 DR. E. BATZER Vorstandsmitglied des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und vormaliger Leiter der Abteilung "Handel und Sonstige Dienstleistungen"

VIII

Schlußwort . ........... . ............ . ... . ......... . . . . . 185 PROF. DR. K. H. OPPENLÄNDER Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung

Anhang . . . . .............. . ......... .. ............ . . . .. 189 DR. K. H. STÖVER Symposium "Markenstrategien und Handelskonzepte - in neuen Dimensionen denken" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Verzeichnis der Teilnehmer

Ahrens, Christine, Dipi.-Kfm., Abteilung Handel und Wettbewerb im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Ahrens-Fuchs, Christine, Dipi.-Kfm., Handelsinstitut der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Arnold, Ulli, Prof. Dr. Dr. habil., Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Universität Würzburg Beiersdorfer, Rudolf, Dr. habil., Handelshochschule Leipzig Beuthien, Volker, Prof. Dr., Ordinarius für Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht der Philipps-Universität Marburg Bongert, Jürgen, RA, Dipi.-Ktm., Cash & Carry-Verband, Bonn Breitenacher, Michael, Dipi.-Vw., Abteilung Industrie im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Bunge, Helmut, Dr., Geschäftsführer der Forschungsstelle für den Handel (FfH), Berlin Clement, Hermann, Dr., Geschäftsführer im Osteuropa-lnstitut, München Deutsch, Elisabeth, Landesverband des Bayerischen Groß- und Außenhandels, München Doerfler, Friedrich, Siemens AG, München Doll, Arno, Geschäftsleitung Tengelmann, München Erdmann, lngeborg, Dr., Bundesministerium für Wirtschaft, Außenstelle Berlin, Ref. Handel Feuerstein , Stefan, Geschäftsführer der EK Großeinkauf e.G., Sielefeld Fiss, Lothar, EK Großeinkauf e.G., Sielefeld

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Fleck, Winfried, Min.-Rat a. D., Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Bayern e.V., München Frank, Klaus, , Möbel-Frank, Rosenheim Fuehrer, Erhard, Dr., EFP International Geltenpoth, Pater, VOKO Bürozentrum, München Gentschew, Ognjan, Dr., Handelhochschule Leipzig, Delitzsch Gerstenberger, Wolfgang, Dipi.-Vw., Leiter der Abteilung Industrieländer und europäische Integration im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Goldrian, Georg, Dr., Leiter der Abteilung Ökonometrie im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Grefermann, Klaus, Dr., Leiter der Abteilung Industrie im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Greif, Siegfried, Dr., Deutsches Patentamt, München/Berlin, Statistisches Referat Grelpl, Erich, Prof. Dr., Metro-Gruppe, Düsseldorf Grinot, Annette, Dipi.-Oek., Handelshochschule Leipzig Grohmann, Helmut, Dipi.-Vw., Leiter der Handelsabteilung der IHK Augsburg Groll, Oliver, Dipi.-Vw., Deutscher Industrie- und Handelstag, Bonn Groß, Albert, Min.-Rat Dr., Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn Günther, Hans-A., Geschäftsführer im Institut für Marktforschung GmbH, Leipzig Härig, Gerd, Geschäftsführer im Hauptverband des Deutschen Lebensmittel-EH, Bonn Halbach, Axel, Dipi-Kfm., Abteilung Entwicklungsländer im ifo Institut für Wirtschaftsforschung

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Harden, Hans, Dipi.-Ök., Bundesverband der Filialbetriebe und Selbstbedienungs-Warenhäuser, Sonn Heinzl, Katrin, Dipi.-Oek., Handelshochschule Leipzig Heyde, Werner, Dr., Grünwald Hörschgen, Hans, Prof. Dr., Universität Hohenheim, Stuttgart Hohn, Horst Walter, Min.-Rat Dr., Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, München Hummel, Marlies, Dipi.-Vw., Leiterin der Abteilung Kultur und Wirtschaft im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Irrgang, Wolfgang, Prof. Dr., Fachhochschule München Jentsch, Werner, Mitglied der Geschäftsführung im Bundesverband Deutscher Banken, Köln Koll, Robert, Dr., Leiter der Abteilung Regional- und Stadtökonomie im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Knigge, Jürgen, Dr., Dr. Knigge Franchise Management, München Krug-Than Trong, Gertrud, Abteilung Handel und Wettbewerb im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Krumper, Arthur, Dr., Vorstandsmitglied des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Kuhn, Gustav, Prof. Dr., Fachhochschule München Kunkel, Ralf, Dr., Siemens Nixdorf Informationssysteme AG, München Kürzinger, Karl, Dipi.-Vw., Geschäftsführer der IHK München Lachner, Josef, Dipi.-Vw., Abteilung Handel und Wettbewerb im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Lang, Hans, Geschäftsführer im Deutschen Franchise-Verband e.V., München

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Laumer, Helmut, Dr., Vorstandsmitglied des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Laurent, Monika, Dipi.-Kfm., Handelsinstitut der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Laven, Gerd, Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, München Lehmann, Michael, Prof. Dr., Max-Pianck-lnstitut, München Leibfritz, Willi, Dr., Leiter der Abteilung Gesamtwirtschaftliche Analysen im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Lindner, Lorenz, "Die Einrichtung", München Linkert, Karin, Statistisches Bundesamt, Ref. Handel. Wiesbaden Lob, Harald, Dr., Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt Lorenz, Hugh, Fa. Lorenz & Partner, Basel Maier, Erwin Otto, Mitglieds des Bayerischen Senats, Präsident des Landesverbandes des Bayerischen Einzelhandels München Marquardt, Wilhelm, Dr., Vorstandsmitglied des ifo Instituts i. R. Müller, Peter, Dr. habil., Prorektor für Bildung, Handelshochschule Leipzig Müller-Armack, Andreas, Min.-Dirig. Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, München Müller-Hagedorn, Lothar, Prof. Dr., Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln Müller, Ulfried, Planungsreferat der Landeshauptstadt München, Bereich Wirtschaft Muschiol, Peter, Dipi.-Vw., Fa. Luger, München Nassua, Themas, Dipi.-Ök., Abteilung Handel und Wettbewerb im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Ochs, Guntram, Oipi.-Kfm., Handelsinstitut der Universität des Saarlandes, Saarbrücken XIII

Olesch, Günter, Dr., Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Gewerblicher Verbundgruppen e. V., Bonn Oppenländer, Karl Heinrich, Prof. Dr., Vorsitzender des Vorstandes des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Osterhammer, Georg W., Dipi.-Bw., Industrie- und Handelskammer München, Ref. Handel Petersen, Olaf, Dipi.-Vw., BAG, Statistisches Büro, Köln Pfeifer, Manfred, Dr., Abteilungsleiter im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, Dresden Pogoda, Christiane, Karstadt AG, Essen Pretsch von Lerchenhorst, Jürgen, Dipi.-Kfm., Fa. Pretsch von Lerchenhorst, Deggendorf Rademacher, Manfred Direktor im Arbeitsamt München Reumont, Hubertus von Hauptgeschäftsführer im Landesverband des Bayerischen Einzelhandels, München Rückl, Hermann Geschäftsführer Ludwig Beck am Rathauseck, München Rußig, Volker, Dr. Leiter der Abteilung Bau- und Wohnungswirtschaft im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Sattel , Werner, Dipi.-Kfm., Hauptgeschäftsführer im Landesverband des Bayerischen Groß- und Aussenhandels, München Schader, Otmar, Arbeitsamt München Schaible, Ernst Martin, Der Kreis, Einkaufsgesellschaft für Küche und Wohnen, Leonberg Schlecht, Otto, Prof. Dr., Staatssekretär a. D., Präsident der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bann Schlonsak, Horst Michael, Geschäftsführer der Karstadt AG, München

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Schmalfuß, Helmut, Geschäftsführer im BBW Bundesverband Bürowirtschaft, Köln Schulz, Gerd, Reg.-Dir., Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, München Seyler, Hermann, Abteilung Handel und Wettbewerb im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Singer, Eugen, Mag., Stadtverwaltung, Reutte/Tirol Spannagel, Ralf, Dipi.-Kfm., stellv. Geschäftsführer der Forschungsstelle für den Handel (FfH) Berlin Spary, Peter, Dipi.-Vw. Dr., Hauptgeschäftsführer im Bundesverband des Deutschen Groß- und Aussenhandels, Bann Stange, Udo, Geschäftsführer der Sütex-Textii-Verbund AG, Sindelfingen Steudtner, Hans-Christoph, Prof. Dr., Dekan für Betriebswirtschaft, Handelshochschule Leipzig Stöver, Klaus H., Dr., Generaldirektion IV: Wettbewerb, Kommission der Europäischen Gemeinschatten, Brüssel Strigel, Werner, Dr., Sauerlach Täger, Uwe Christian, Dr.. Leiter der Abteilung Handel und Wettbewerb im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Tletz, Bruno, Prof. Dr.. Direktor des Handelsinstituts der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Frau Tietz, E., Saarbrücken Tischer, Bernd, Brötje Heizungstechnik, Nürnberg Ullrich, Hanns, Prof. Dr., Bundeswehrhochschule München Vlncentz, Volkhart, Dr., Osteuropa-lnstitut, München Vonhoff, Jürgen, Dr. habil., Handelshochschule Leipzig, Fachbereich Betriebswirtschaftslehre

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Warm, Ralf, Min.-Rat Dr., Leiter des Ref. Binnenhandel und Inlandsmessen im Bundesministerium für Wirtschaft, Bann Weidner, Editha, Dr., Handelshochschule Leipzig Weimer, Harry, Dr., Harry Weimar-Marketing, München Weitzel, Günter, Dipi.-Kfm., Abteilung Handel und Wettbewerb im ifo Institut für Wirtschaftsforschung Wolfrum,. Dieter, Dr., Geschäftsführer Fa. Wolfrum & Gerbeth, Garehing b. München, Vizepräsident der IHK München und Vizepräsident des Landesverbandes des Bayerischen Groß- und Außenhandels, München Zellentin, Rüdiger, Dr., Patentanwalt, München Zimmermann, Klaus, Prof. Dr., Universität München Zipperlen, Konrad, Dr., IHK München

Einleitung und Begrüßung Professor Dr. K. H. Oppenländer, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie recht herzlich hier im ifo Institut zu einer- wie ich meine- außerordentlich interessanten Tagung begrüßen, nämlich zu einem Kolloquium über ausgewählte Fragen der empirischen Handelsforschung. Sie ist deshalb außerordentlich, weil nicht nur das Thema interessiert und weil hier kompetente Persönlichkeiten versammelt sind, die etwas zum Thema zu sagen haben, sondern vor allen Dingen auch deshalb, weil wir die Gelegenheit benutzen wollen, unseren sehr verehrten, lieben Kollegen Dr. Batzer zu verabschieden, der Ende Januar dieses Jahres in den wohlverdienten Ruhestand getreten ist. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist der langjährigen Tätigkeit von Herrn Dr. Batzer im ifo Institut sehr angemessen, daß heute ein solches Kolloquium hier stattfindet. Es zeigt deutlich, daß Herr Dr. Batzer sich auf diesem Forschungsgebiet im Laufe der letzten vier Jahrzehnte ein hohes Ansehen erworben hat, und daß er vor allen Dingen merkliche Fortschritte in der wissenschaftlichen Durchdringung dieses Gebietes erzielt hat, von der dann auch Ausstrahlungen auf andere Gebiete ausgegangen sind. Im ifo Institut steht die arbeitsteilige Forschungstätigkeit im Vordergrund. Es werden verschiedene Gebiete behandelt, und es gehört auch zur Aufgabe innerhalb des Instituts, eine gegenseitige Befruchtung dieser Gebiete zu erreichen. Ich glaube, Herr Dr. Batzer hat es vermocht, dies für viele Gebiete herbeizuführen. ln seiner Eigenschaft als langjähriges Vorstandsmitglied im ifo Institut und als Dezernent hatte er reichlich Gelegenheit dazu. Welcher Stellenwert kommt der empirischen Handelsforschung in der heutigen Zeit innerhalb der empirischen Wirtschaftsforschung zu? Gibt es nicht andere, wichtigere Forschungsgebiete, auf denen zu arbeiten ist? Mit der Errichtung des Gemeinsamen Europäischen Binnenmarktes und '.ier Ostöffnung 1 ifo·Kolloquium

haben sich völlig neue Fragen ergeben, die gerade auch für uns im ifo Institut als Herausforderung zu gelten haben. Wir sind, so glaube ich, im ifo Institut bereit, diese Herausforderung anzunehmen. Durch die Umfirmierung des Abteilungsnamens in "Handel und Wettbewerb", haben wir bewiesen, daß wir nicht nur den Handel in seiner ursprünglichen Funktion sehen, sondern auch den Wettbewerb mit in die Betrachtung einbeziehen. Dies ist ein außerordentlich interessanter und wichtiger Aspekt, zumal auch in einer Landschaft, in der sich die Transformation von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft vollziehen muß. Dieser Transformationsprozeß ist getragen und muß getragen sein vornehmlich von der Errichtung und Funktionsfähigkeit eines entsprechenden Wettbewerbs in der Distribution. Lassen Sie mich zum Schluß noch einige persönliche Worte an Herrn Dr. Batzer richten. Herr Batzer, ich glaube, wir haben uns seit meinem Eintritt in das ifo Institut am 1. September 1958 immer gern gesehen. Dies ist ja nicht so ohne weiteres üblich. Wir haben in vielen Diskussionen zur Sache und zur Fortentwicklung des ifo Instituts immer "weiträumigen Konsens" erzielt. Es steht Ihnen und Ihrer ehemaligen Abteilung gut an, daß dieses Kolloquium heute stattfindet, und nicht einfach eine mehr oder weniger gut gehaltene Rede zum Abschied erfolgt ist. Dieses Kolloquium beweist, welch' hohes Ansehen Sie in der empirischen Handels- und Wirtschaftsforschung haben, und Sie sehen aus dem Programm, wie alle nach München geeilt sind, um Ihnen am heutigen Tag Referenz zu erweisen. Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, lieber Herr Batzer, daß Sie noch recht oft in das ifo Institut kommen und daß wir uns noch recht oft hier sehen werden. Ihr Rat ist nach wie vor gefragt. Ich kann mir nicht vorstellen, meine Damen und Herren, daß ein Wissenschaftler überhaupt in den Ruhestand geht. Er wird sich auch weiterhin intensiv mit den Fragen beschäftigen, die ihn Zeit seines Lebens beschäftigt haben. Noch einmal recht herzlichen Dank für alles, was Sie für das ifo Institut getan haben. Ich möchte nun das Kolloquium eröffnen, begrüße Sie noch einmal recht herzlich, und danke Ihnen, daß Sie so zahlreich gekommen sind. Ich möchte nun den Nachfolger in der Abteilungsleitung, Herrn Dr. Täger, bitten, die thematische Einführung in das heutige Kolloquium zu übernehmen.

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Einführung in die Themengebiete des Kolloquiums und in die Forschungsfelder der Handelsabteilung des lfo Instituts Dr. Uwe Chr. Täger Leiter der Abteilung Handel und Wettbewerb im ifo Institut für Wirtschaftsforschung

Sehr geehrter Herr Dr. Batzer, sehr verehrte Damen und Herren, ich möchte Sie heute morgen zu diesem Kolloquium im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der "alten und jetzigen" Handelsabteilung im ifo Institut sehr herzlich begrüßen. Es freut uns sehr, daß Sie an diesem Montag den Weg ins ifo Institut gefunden haben. Ich bin davon überzeugt, daß das Kolloquium reich an Anstößen und Anregungen für uns alle sein wird und unsere tägliche Arbeit für den Handel damit unterstützen kann. Bevor wir mit dem Kolloquium beginnen, möchte ich in einigen kurzen Erläuterungen - Ihnen die Intentionen zu diesem Kolloquium darlegen, - Ihnen einen kleinen Einblick in die derzeitigen Forschungsfelder der ifo Handelsabteilung vermitteln und - den schwierigen Versuch unternehmen, die Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Dr. Batzer, aus der Sicht Ihrer Mitarbeiter· etwas "zu entschlüsseln", d.h. die Punkte zu nennen, die für unsere gemeinsamen Forschungsaktivitäten in den letzten Jahren entscheidend waren. Zunächst zu den Intentionen des ifo Instituts und insbesondere der früheren und jetzigen Mitarbeiter der ifo Handelsabteilung, dieses Kolloquium über Fragen der empirischen Handelsforschung anläßlich der Verabschiedung von Herrn Dr. Batzer vorzubereiten. Ich gebe hier kein Geheimnis preis, wenn ich sage: Es war schon immer ein Anliegen von Herrn Dr. Batzer, einmal die "Gemeinde der an der empirischen

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Handelsforschung Interessierten" zusammenzurufen, damit der gegenseitige Austausch von Erfahrungen und Urteilen forciert wird. Die Überlegung zu diesem Kolloquium war, einmal auch das Gespräch über wichtige Felder der empirischen Handelsforschung zwischen den Instituten der empirischen Handelsforschung, den zuständigen Bundes- und Landesministerien, den Verbänden des Handels und den Handelsunternehmen selbst zu intensivieren. Herr Dr. Greipl und Herr Dr. Laumer - als engagierte Mitinitiatoren dieses Kolloquiums und als Kollegen von Ihnen, Herr Dr. Batzer - und ich sind froh und dankbar, daß wir für dieses Kolloquium aus der Handelswissenschaft und -politik Vortragende und Diskutanten gewinnen konnten, die teilweise als Weggefährten von Herrn Dr. Batzer in den letzten 30 Jahren in sehr engagierter Art und Weise für den Handel gearbeitet und "gehandelt" haben. Für Ihr aktives Mitwirken an diesem Kolloquium möchten wir Ihnen im voraus schon herzlich Dank sagen. Wir haben versucht, solche Themenfelder auf die Tagesordnung dieser Veranstaltung zu setzen, die sowohl aus der Sicht der empirischen Handelsforschung als auch der Sicht der in die Binnenhandelspolitik involvierten Ministerien, Verbände und Unternehmen von aktueller Bedeutung sind. Darüber hinaus haben wir das Ziel verfolgt, die Themenfelder in enger Verbindung zu den Forschungsaktivitäten von Herrn Dr. Batzer auszuwählen. Wir haben für unser Anliegen bei den Angesprochenen spontane Zusagen erhalten. Dies zeigt sehr deutlich, welch' hohe Anerkennung Herrn Dr. Batzer aus der Handelsforschung und der Handelspolitik entgegengebracht wird. So sind wir Ihnen, sehr verehrter Herr Professor Tietz, sehr verbunden, wenn Sie am Anfang dieses Kolloquiums in grundsätzlichen Überlegungen den Stellenwert der Handelsforschung im Rahmen der empirischen Wirtschaftsforschung aufzeigen werden. Wir haben gerade Sie, lieber Herr Tietz, um diesen Vortrag gebeten, da Sie zum einen die notwendige Anbindung des Handels an die gesamtwirtschaftlichen Geschehnisse immer betont und praktiziert, zum anderen aber oft gemeinsam mit Herrn Batzer die Handelslandschaft erkundet haben, so z. B. zu Anfang der 60er Jahre auf Studienreisen in den USA. Wir sind auch deshalb sehr gespannt auf Ihre Ausführungen und Erfahrungen, weil Ihr Handelsinstitut in Saarbrücken im Institut für empirische Wirtschaftsforschung an der Universität des Saarlandes integriert ist, und Sie und Ihre Mitarbeiter deshalb in Ihren Forschungsaktivitäten wohl auch schon organisatorisch nicht aus der gesamtwirtschaftlichen Einbindung entfliehen kön4

nen. Dies ist vergleichbar mit der ifo Handelsabteilung im ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Daß der Handel und daß insbesondere innovative Handelsunternehmen oft im Mißkredit der amtlichen Wettbewerbspolitik bzw. der Amts- und Spruchpraxis der Wettbewerbsbehörden und -gerichte stehen, hat sich in den letzten Jahren oft an eklatanten Beispielen gezeigt. Die Handelshistorie der letzten 50 Jahre zeigt, daß der Handel ein reiches Betätigungsfeld für eine sehr "politisch" gefärbte Wettbewerbspolitik bietet. Um diese schwierigen Gegebenheiten etwas transparenter zu machen, haben wir Sie, sehr verehrter Herr Professor Schlecht, eingeladen, der Sie sich immer zu Ihrer Freiburger Herkunft aus der Euckener Schule aktiv bekannt haben. Das Postulat der Wettbewerbsund Handlungsfreiheit steht an erster Stelle dieser Schule. Für uns im ifo Institut ist dieses Postulat ein entscheidendes Kriterium, um Wettbewerbsstrukturen und Handlungsweisen in der Handelslandschaft in den neuen und alten Bundesländern auf ihre beschränkenden Wirkungen hin kritisch abzuprüfen. Wir sind Ihnen daher dankbar, sehr verehrter Herr Schlecht, daß Sie die schwere Aufgabe übernehmen, die manchmal zu Tage getretenen Wirrnisse zwischen Binnenhandels- und Wettbewerbspolitik mit Ihrer sehr persönlichen Handschrift zu entflechten. Herr Professor Beuthien ist unserer Bitte gefolgt, die Diskussion über die beiden ersten Beiträge mit einem kleinen Einblick in die kartellrechtliche Problematik einzuleiten. Den Handelsökonomen wird oft nachgesagt, daß sie in manchen Fällen einen Nachholbedarf an rechtsökonomischen Erkenntnissen hätten. Deshalb sind wir Ihnen, sehr verehrter Herr Beuthien, außerordentlich verbunden, wenn Sie uns an diesem Tag aus rechtswissenschaftlicher Sicht begleiten. Für die am Nachmittag stattfindende Gesprächsrunde haben wir Weggefährten der empirischen Handelsforschung von Herrn Dr. Batzer eingeladen, um aktuelle und künftige Herausforderungen an die empirische Handelsforschung mit Ihnen zu erörtern. Sie, Herr Dr. Laumer, als ehemaliger Mitarbeiter der ifo Handelsabteilung und jetzt verantwortlich für die gesamten Forschungsaktivitäten des ifo Instituts, werden sicherlich dafür sorgen, daß in dieser fachkompetenten Gesprächsrunde nicht nur wissenschaftliche Höflichkeiten ausgetauscht werden. Wir haben die Vertreter aus den Bundes- und Länderministerien sowie der EG-Kommission und den Handelsverbänden herzlich gebe-

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ten, auch kritische "Statements" zur empirischen Handelsforschung zu formulieren. Dabei sollte in einem Kolloquium nicht jede Facette einer Stellungnahme auf die "Goldwaage" gelegt werden. Vielmehr erhoffen wir von den Teilnehmern dieser Runde lebendige Anregungen und Anstöße für die Forschungsfelder, die es in nächster Zeit zu beackern gilt. Daran ist nicht nur das ifo Institut interessiert, sondern auch alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Institutionen der empirischen Handelsforschung. Meinen ehemaligen Kollegen, Herrn Professor Dr. Greipl, brauche ich in diesem Kreis nicht weiter vorzustellen. Herr Greipl hat einen wesentlichen Anteil an dem Zustandekommen dieses Kolloquiums gehabt. Als ehemaliger enger Mitarbeiter von Herrn Dr. Batzer haben Sie, Herr Greipl, nach Ihrem Ausscheiden aus dem ifo Institut im Jahr 1981 niemals die Bindung zu Herrn Dr. Batzer und zum Institut einschlafen lassen. Wir haben vielmehr einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch zu unserem gegenseitigen Vorteil entwickelt und uns gegenseitig in sehr freimütiger und kritischer Auseinandersetzung in unserem Urteil abgeprüft. Wir sind deshalb sehr froh, Sie in Ihrer alten "Werkstatt" einmal wieder zu sehen und sind gespannt auf Ihre Sichtweise, da wir ja wissen, mit welch' hohem Engagement Sie sowohl aus der Sicht Ihres Hauses als auch aus der Sicht eines Handelswissenschaftlers den Handel beobachten und beurteilen. "Rückblick und Ausblick" - so ist der Untertitel des Beitrages von Herrn Dr. Batzer über nahezu 35 Jahre ifo Handelsforschung. Darin soll uns Handelsforschern ein Spiegelbild vorgehalten werden, was wir in den letzten Jahren geschafft haben, was wir nicht geschafft haben und wohin es gehen soll. Wir sind gespannt, sehr verehrter Herr Dr. Batzer, welche "Zensuren oder Noten" den einzelnen Aktivitätsfeldern der empirischen Handelsforschung von Ihnen zuerkannt und welche Überlegungen und Erinnerungen Sie nach über 30 Jahren Handelsforschung im ifo Institut formulieren werden. Jeder von uns in diesem Raum weiß, wie schwer es ist, derartige Überlegungen in Worte zu kleiden. Ihre ehemaligen Mitarbeiter und Kollegen sind Ihnen deshalb sehr dankbar, wenn Sie am Ende dieses Kolloquiums Ihren wohl sehr persönlichen Rückblick und Ausblick geben werden.

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Um Ihnen einen kleinen Einblick in die augenblicklichen Forschungsfelder der Handelsabteilung des ifo Instituts zu vermitteln, erlauben Sie mir hierzu einige kurze Anmerkungen. Insgesamt haben wir derzeit vier Schwerpunktfelder in unseren Forschungsaktivitäten: I.

An erster Stelle sind natürlich unsere Untersuchungsaktivitäten über die strukturellen und konjunkturellen Entwicklungen im Einzel- und Großhandel in den neuen Bundesländern zu erwähnen. Dieses Forschungsprojekt wird in enger Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für den Handel in Berlin durchgeführt, wobei das ifo Institut für seine Untersuchungsfelder mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Handelshochschule Leipzig und hier insbesondere mit Herrn Dr. Müller und Herrn Prof. Steudtner zusammenarbeitet. Dabei stehen die Beobachtung und Analyse der Entwicklungen des Großhandels, der Handelsvermittlung und der Verbundgruppen sowie des Wettbewerbsgeschehens in der gesamten Warendistribution in den neuen Bundesländern im Vordergrund. Zwei vorläufige Ergebnisse sollten hier Erwähnung finden: a) Im Vergleich zu den Alt-Bundesländern ist bei einer größeren Anzahl von Handelsunternehmen eine starke Vermischung von Groß- und Einzelhandelsfunktionen zu beobachten. Viele neugegründete Handelsunternehmen suchen noch ihre Position im derzeitigen Wettbewerbsgeschehen in den neuen Bundesländern. Die Tendenz geht wohl dahin, daß - im Zuge einer rigorosen Spezialisierung auf bestimmte Nachfragesegmente hin - einzelne Gruppen von Abnehmern als wichtige Zielgruppen anvisiert werden, um die verschiedenen Bedarfe von privaten Haushalten, Handwerksunternehmen, Groß- und Einzel- oder Produktionsunternehmen abzudecken. b) Weiterhin ist zu beobachten, daß der sog. Vertragsvertrieb über den Handel von einigen markenbekannten Herstellern stark forciert wird, um auf diese Weise mehr Einfluß auf die Gestaltung der Verkaufspreise und die Kundenauswahl zu erhalten. Hieraus resultiert die wettbewerbspolitische Gefahr, daß Handelsunternehmen ihre Wettbewerbs-

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flexibilität verlieren könnten, was natürlich für die Entwicklung des Wettbewerbs in der Distribution nicht immer förderlich ist. II. Als zweites Forschungsfeld sollten unsere Forschungsaktivitäten hinsichtlich der Entwicklung von wettbewerbskonformen Binnenhandelssystemen in ausgewählten mittel- und osteuropäischen Staaten Erwähnung finden. Dabei gehen wir von der Arbeitshypothese aus, daß gerade eine große Anzahl von kleinen und mittleren, inhabergeführten Handelsunternehmen einen starken ordnungspolitischen Druck zur Einführung und Realisierung einer Marktwirtschaft in diesen Ländern auslösen können, auch wenn in der ersten Phase einer solchen Einführung ein starker Wildwuchs von zunächst recht konturlosen Handels-"Gebilden" zu beobachten ist. Im Hinblick auf unsere Forschungsaktivitäten in den neuen Bundesländern und in den ehemaligen RGW-Staaten müssen wir eingestehen, daß wir manchmal zu arglos an den Wirkungsintensitäten der sozio-kulturellen und historisch gewachsenen Einflußfaktoren dieser Länder vorbeigegangen sind, die für die Entwicklung von marktwirtschaftliehen Binnenhandelssystemen bedeutsam sind. 111. Das dritte schwerpunktmäßige Forschungsfeld sind handels-und wettbewerbspolitische Fragen der Warendistribution. Hier arbeiten wir z. Zt. zusammen mit Herrn Professor Beuthien u. a. an einem Forschungsprojekt über die Problemstellung, inwieweit Handelskooperationen in ihrem Verbund förderwirtschaftliche Franchise-Elemente implementieren können. Diese Forschungsaktivitäten zeigen sehr deutlich, daß bestimmte europäische Wettbewerbsregeln, wie z. B. die EG-Freistellungs-Verordnung für Franchise-Systeme, auch für kooperationswirtschaftliche Distributionssysteme im Handel Anwendung finden könnten und sollten, die sich im Zuge der stärkeren Intensität des Wettbewerbs neu organisieren und ausrichten wollen. Gerade den vielen Kooperationen des mittelständischen Einzelund Großhandels sollte stärker die Möglichkeit eingeräumt werden, die gleichen Organisations- und Wettbewerbsinstrumente zu nutzen, die von ihren Hauptkonkurrenten eingesetzt werden, nämlich von den Franchiseund Filialsystemen.

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IV. Als viertes Forschungsfeld sollten hier noch zwei Gebiete erwähnt werden: a) Unsere Untersuchungsaktivitäten auf dem Gebiet der Messen, wo wir z.Zt. insbesondere die multiplikativen Folgewirkungen von Messeausgaben für das Umland einer Messestadt mit Unterstützung unserer Kollegen aus der ökonometrischen Abteilung berechnen. Beispielsweise entfallen für München auf 1.000 DM originäre Messeausgaben nochmals 1.000 DM Folgeausgaben für den Freistaat. b) Nicht zu vergessen sind unsere Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der gewerblichen Schutzrechte und des Lizenzwesens. Nach unserer Beobachtung hat die vom Patent und anderen Schutzrechten ausgehende Ausschließlichkeit an Bedeutung gewonnen - zu Lasten des Wettbewerbs. Anders formuliert: das Patent hat in den letzten zwei Jahrzehnten an Marktterrain gegenüber dem "freien Wettbewerb" gewonnen - auch ausgelöst durch die zunehmende Bedeutung der Technologie im Produktwettbewarb und auf wichtigen Weltmärkten. Insgesamt betrachtet, beschränken wir also unsere Forschungsaktivitäten nicht allein auf die Warendistribution, sondern beziehen auch andere Bereiche des Leistungsaustausches ein, wobei in den letzten Jahren Fragen des Wettbewerbs mehr und mehr der Transmissionsriemen für unsere Fragestellungen waren. Gestatten Sie mir zum Ende dieser Einführung in das Kolloquium noch einige persönliche Anmerkungen zur Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Dr. Batzer: Wir - und damit meine ich hauptsächlich die ehemaligen und jetzigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung von Herrn Dr. Batzer - kommen nicht umhin, uns selbst und auch Ihnen, sehr verehrter Herr Dr. Batzer, darüber Rechenschaft abzulegen, was uns im Alltag unserer gemeinsamen handelsforscharischen Tätigkeit im ifo Institut in den letzten Jahren verbunden hat. Drei Dinge waren für uns in der Zusammenarbeit mit Ihnen besonders wichtig: 1. ln einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut ist es für einen engagierten Wissenschaftler von großer Bedeutung, daß er nach der schon erwähnten 9

zweiten, der akademischen Lehre im ifo Institut selbständig zu einem eigenständigen Urteil über einen Sachverhalt gelangt und sich dazu in der Diskussion mit den Kollegen und der Fachöffentlichkeit geradezu "durchquält". Wir, d. h. die mir bekannten Kollegen in der absatzwirtschaftlichen Abteilung im ifo Institut, wurden in dieser Beziehung von Herrn Dr. Batzer und dies meine ich im positiven Sinn - immer an der langen Leine geführt, so daß wir die notwendige wissenschaftliche Freiheit hatten, im Rahmen eines Forschungsprojekts eigenständig Wertungen und Empfehlungen zu entwickeln und zu formulieren. Letztendlich zeigt sich das Rückgrat eines Wirtschaftsforschers in seiner Urteilsbereitschaft und Urteilsfähigkeit, die es fortwährend zu schulen gilt. Diese Freiheit der Urteilsbildung und -findung haben Sie, Herr Dr. Batzer, uns stets eingeräumt, wofür wir Ihnen sehr dankbar sind. 2. Als zweiter Punkt gilt es zu erwähnen, daß die empirische Handelsforschung unter Leitung von Herrn Dr. Batzer vor allem dadurch gekennzeichnet war, daß die Ergebnisse sich immer durch eine breite empirische Fundierung auszeichneten. Empirische Handelsforschung heißt im ifo Institut weitgehend Auftragsforschung. Dies fordert die Mitarbeiter immer wieder heraus und zwingt sie, Handelsunternehmen in ihren Aktivitäten zu beobachten, zu interpretieren und zu beurteilen. Es war das Anliegen von Ihnen, Herr Dr. Batzer, daß die empirisch-induktiven Verfahren der Informationsgewinnung und -aufbereitung auch voll genutzt wurden. Jeder, der in der Handelsabteilung seinen Berufsweg begonnen hat, mußte den manchmal dornenreichen Weg von Expertengesprächen an der Handelsfront gehen und dabei auch leidvolle Erfahrungen sammeln. Gerade bei den wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen wurde uns immer wieder vorgeführt, wie schwierig es manchmal ist, den genauen Sachverhalt herauszuarbeiten und anschaulich darzustellen. 3. ln den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Handelsabteilung unter der Leitung von Herrn Dr. Batzer nicht damit begnügt, ihr Hauptaugenmerk ausschließlich auf Forschungsfelder des Handels zu legen. Es war auch immer das Bestreben von Ihnen, Herr Dr. Batzer, neue und verwandte Forschungsfelder für Ihre Mitarbeiter zu erschließen, zu thematisieren und zu realisieren, damit der wissenschaftliche Zugang für andere interessante Felder der Wirtschaftsforschung geöffnet blieb.

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Diese Entwicklung eines möglichst breiten Leistungsprofils der Handelsabteilung im ifo Institut hat auch den Mitarbeitern in dieser Abteilung recht gut getan, da sie stets für neue Forschungsfelder offen sein mußten. Die erwähnten drei Punkte, nämlich - die Förderung der eigenen Urteilsbereitschaft und -fähigkeit, - die Hinwendung zur objektivierbaren Empirie sowie - die stetige Öffnung der Handelsabteilung für neue Forschungsfelder sind für mich und die Kollegen drei wesentliche Eckpfeiler der Zusammenarbeit mit Ihnen gewesen, die unseren Werdegang in der ifo Handelsabteilung geprägt haben. Ich darf Ihnen auch im Namen aller ehemaligen und jetzigen Mitarbeiter, sehr geehrter Herr Dr. Batzer, dafür sehr herzlich danken. Wir alle in der Handelsabteilung haben manchmal über das Ergebnis einer Untersuchung sehr intensiv diskutiert und hart gestritten, ohne daß wir uns dabei persönlich entzweit hätten. Sie haben dabei - auch nach harten Diskussionen - das persönliche Urteil des Mitarbeiters stets respektiert, was für einen engagierten Wirtschaftsforscher sehr wesentlich, ich muß sagen: existenziell, ist.

Verehrte Gäste, die jetzigen und ehemaligen Kolleginnen und Kollegen der ifo Handelsabteilung wünschen Ihnen für dieses Kolloquium alles Gute und viele Anstöße für Ihr Wirken im Interesse eines wettbewerbsaktiven Handels.

Posltionierung und Stellenwert der Handelsforschung Im Rahmen der empirischen Wirtschaftsforschung Bisherige Entwicklung und künftige Herausforderungen in der Bundesrepublik Deutschland

Prof. Dr. B. Tietz Ordinarius für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Warenhandelslehre, an der Universität des Saarlandes und Direktor des Handelsinstituts im Institut für empirische Wirtschaftsforschung an der Universität des Saarlandes

Gliederunq 0. Einführung

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1. Historische Aspekte der Entwicklung von Handel, Binnenhandelspolitik und Handelsforschung 1.1. Die fünfziger Jahre 1.2. Die sechziger Jahre 1.3. Die siebziger Jahre 1.4. Die achtziger Jahre 1.5. Die neunziger Jahre 1.6. Zusammenfassung der bisherigen Entwicklung 2. Träger der Handelsforschung 2.1. Der Überblick 2.2. Zur Situation an den Universitäten 2.3. Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis 2.4. Zur Forschungspolitik für den Handel

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16 16 21 27

36

43 46

52 52 57 60 61

Seite 3. Die Paradigmen der Handelsforschung 3.1. Der Gegenstand 3.2. Ausgewählte Paradigmen

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4. Zur Forschungsevaluation

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5. Die Kommunikation von Ergebnissen der empirischen Handelsforschung

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6. Langfristige Zukunftsprobleme des Handels 6.1. Ausgewählte gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen 6.2. Ausgewählte Aspekte der Handelsdynamik

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7. Zur künftigen Entwicklung der Handelsforschung 7.1. Die Forschung nach Aussageklassen 7.2. Sachliche Forschungsschwerpunkte 7.3. Zur Methodenforschung 7.4. Aspekte der lnstitutionalisierung

84 84 89 91 92

8. Schlußbemerkung

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0. Einführung Nach meiner Zusage zur Übernahme dieses Festvortrages anläßlich der Ver· abschiedung von Dr. Erich Batzer, mit dem mich seit Ende der fünfziger Jahre immer wieder fachliche und persönliche Kontakte zusammengeführt haben, kamen mir Zweifel, ob die Organisatoren das richtige Selektionsprinzip angewandt haben. Haben wir doch beide, Dr. Batzer seit 1954 im ifo Institut und ich seit 1956 an der Universität des Saarlandes bzw. seit 1957 in dem dort von Prof. Dr. Hans Buddeberg gegründeten Handelsinstitut, 38 bzw. 36 Jahre und damit den wesentlichen Teil unseres Berufslebens der empirischen Handelsforschung gewidmet. Vielleicht wäre es besser gewesen, einen Außenstehenden mit der Vergangenheits- und Zukunftsanalyse der empirischen Handelsforschung zu betrauen, zumal unsere Forschungsansätze teilweise ähnlich sind und auch gleiche Sachgebiete betreffen. Dagegen wird man jedoch positiv ins Feld führen können: Das ifo Institut und das Handelsinstitut an der Universität des Saarlandes sind im deutschsprachigen Raum die beiden Einrichtungen, in denen eine vergleichsweise große Vielfalt von empirischen Handelsforschungsarbeiten von einer bescheidenen Anzahl von Forschungsmitarbeitern unter einer über Jahrzehnte gleichen Leitung und Verantwortung bearbeitet worden ist. Selbst im Forschungsbereich dürfte es kaum jemanden geben, der soviel Publikationen von Batzer und seinen Mitarbeitern wie Tietz und umgekehrt soviel Publikationen von Tietz und seinen Mitarbeitern wie Batzer gelesen hat. Aus der fachlichen und paradigmatischen Nähe kennen wir uns einfach am besten. Wir waren und sind bei der Akquisition von Forschungsprojekten bisweilen Konkurrenten. Aber auch dadurch haben wir vermutlich beide viel gewonnen. Wir haben sicher beide einen recht ähnlichen Erfahrungshorizont über die Entwicklung, Nutzung und Abwehr von Forschungsergebnissen über den Handel. Bei manchen Fragen, denen wir uns gleicherweise - oft zeitlich versetzt - zugewandt haben, haben wir die Abneigung von Verbänden und Politikern, teil15

weise auch von Unternehmen, zu spüren bekommen. Wir haben beide das Verschwinden von unliebsamen Forschungsergebnissen in den Schubladen von Auftraggebern erlebt. Wir mußten beide erfahren, daß eindeutige empirische Ergebnisse forensisch unterdrückt oder - unverstanden - nicht beachtet wurden. Für mich hatte die Vorbereitung auf diesen Vortrag den Vorteil zu reflektieren, was in der Zeitspanne einer guten Generation in der Handelsforschung passiert ist und was nicht, welche Herausforderungen für die Zukunft bestehen und ob materielle und personelle Chancen gegeben sind, diesen Herausforderungen zu begegnen. Nicht zuletzt läßt sich zeigen, wie viele Ergebnisse der Handelsforschung im Laufe der Jahrzehnte zu einer normalen Sozialtechnik geworden sind und in Unternehmen, Verbänden und sonstigen Institutionen angesiedelt und weiterentwickelt wurden.

1. Historische Aspekte der Entwicklung von Handel, Binnenhandelspolitik und Handelsforschung 1.1.

Die fünfziger Jahre

Zur Dynamik im Handel Im Einzelhandel gab es in der Mitte der fünfziger Jahre: 1. den aufgefächerten privatwirtschaftliehen Großhandel und Einzelhandel, der sich bei Lebensmitteln in freiwillige Ketten und Gruppen zusammenschloß, 2. die Einkaufsgemeinschaften des Einzelhandels, so Edeka und Rewe für Lebensmittel, aber auch andere Verbundgruppen für Nichtlebensmittel, 3. die Filialunternehmen, 4. die Warenhausunternehmen, 5. den Versandhandel. Es gab weder Supermärkte noch Diskonter oder Verbrauchermärkte. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) war die alleinige

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rechtliche Grundlage der Wettbewerbssteuerung. Erst am 1. Januar 1958 ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Kraft getreten. Bis zu diesem Zeitpunkt - eigentlich bis zur Emanzipation des Handels durch die Erfindung der Selbstbedienung - war der Handel beim Absatz von Markenartikeln der verlängerte Arm der Industrie. Der Markenartikel war ideologisch und ertragsmäßig intakt. Der Handel wollte größere Mengen absetzen als die Hersteller liefern konnten (und teilweise wollten). Der Wettbewerb wurde auch Mitte der fünfziger Jahre durchaus als hart empfunden. Dabei galten vor allem die Lebensmittelfilialisten als leistungsfähig und aggressiv. Von den damaligen Big Five Pfannkuch, Stüssgen, Latscha, Lichdi und Schürmann besteht heute nur noch das erstgenannte Unternehmen. Die Preisbindung der Zweiten Hand, die nur von sehr agilen Konsumenten durch Einkauf beim Großhandel umgangen wurde, gestattete sichere Spannen mit guten Erträgen und erleichterte die Expansion. Im Jahre 1951 gab es erst 39 Selbstbedienungsläden in der Bundesrepublik Deutschland. Die Selbstbedienung wurde noch 1957 als für den deutschen Konsumenten abartig und abwegig in Frage gestellt; es wurde heftig gestritten, ob die Selbstbedienung Erfolg haben könnte. Erst im Jahre 1957 entstand der erste Supermarkt. Mit der Breitenwirkung des Wirtschaftswunders begann eine atemberaubende Handelsdynamik: Die ersten Cash-and-carry-Läger entstanden 1957 (Terfloth & Snoek). Der erste Cash-and-carry-Markt mit einem Schwerpunkt bei Lebensmitteln und einem Sortiment im Non-feod-Bereich war im Jahre 1957 der Ratio-Markt in Bochum, der sich aus einem Großhandelslager entwickelt hatte. Den Cash-and-carry-Lägern für Lebensmittel wurden im Jahre 1963 in Bochum und Hannover-Laatzen Non-food-Einzelhandelsmärkte mit je 6 000 Artikeln angegliedert. Hugo Mann hat das Konzept der konsequenten Selbstbedienung und Abho-

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~o-Kolloquium

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lung von Hartwaren einschließlich Möbel 1 in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Vor dem Zweiten Weltkrieg verfolgte er diese Geschäftspolitik in preisorientierten Möbeleinzelhandelsläden, indem er Großhandelsläger und Einzelhandelsläden direkt miteinander verknüpfte. Der 1958 nach diesem Konzept in Karlsruhe-Durlach eröffnete Wertkauf-Verbrauchermarkt umfaßte 3 500 qm Verkaufsfläche mit Non-feod-Artikeln, damals noch ohne Lebensmittel. Mit der Mehrbranchen-Hartwaran-Selbstbedienung war er der Vorläufer der Verbrauchermarkt-Non-feod-Bereiche. Der Prototyp war eher ein Free-Standing-Discount-Non-food-Store. Ihm folgten in den Jahren 1966 und 1968 Wertkauf-Center in Harnburg und München mit je 7 500 qm bzw. 20 000 qm Verkaufsfläche. Erst nach 1970 erfolgte der zügige Ausbau des Netzes. Weitere Ansätze zu Verbrauchermärkten wie Fachmärkten waren die offenen, allen Kunden zugänglichen Diskonter mit Elektrogeräten und Hartwaren, die von 1954 bis 1956 entstanden waren, auch der nur kurze Zeit lebensfähige Lebensmitteldiskonter Omnia in Heidelberg. Bereits Mitte der fünfziger Jahre (1955) wurden im Lebensmittelgroßhandel, der damals 2 000 bis 3 000 Artikel führte, die Adrema-Fakturierung - dies war eine Fakturierung auf der Grundlage einer Metallplatten-Ziehkartei - und der vollständige sowie der für eine Auftragsannahme verkürzte Ordersatz eingeführt. Dies war der Ausgangspunkt für die Artikelnumerierung, Standardmengen, Basispreise und eine an Artikelmengen orientierte Lagerorganisation und letztlich für die späteren Lochkartenziehkarteien und weitere Generationen der elektronischen Datenverarbeitung. Aus kleinsten Anfängen entwickelten sich der Versandhandel und der Direktvertrieb. Die Buchgemeinschaften wurden für Bücher und Schallplatten und auch für Waren des braunen Sortiments zum erfolgreichen Vertriebszweig. Die Gründungen des Versandhandels liegen teilweise bereits vor dem Zweiten Weltkrieg, Witt (1907), Baur (1925), Quelle (1927), Bader (1929). Nachkriegsgründungen sind Neckermann (1948 mit Versand ab 1950) oder Otto (1949), Schwab (1955). Der Aufschwung erfolgte in den sechziger Jahren durch die konsequente Kombination von Sammelbestellern und Vertretern im Neben-

Vgl. Tietz, Bruno: Konsument und Einzelhandel, Strukturwandel in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1995, 3. Aufl., (Lorch-Verlag) Frankfurt a. M. 1983, S. 824-825.

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beruf mit dem klassischen Katalogversand sowie durch den Aufbau der Agentursysteme. Die Direktvertriebsunternehmen haben teilweise ebenfalls eine lange Tradition in Deutschland, Elektrolux (1922), Vorwerk (1931), Awoba (1932}, Avon (1959}, Tupperware (1962). Die im Dritten Reich infolge ihrer parteipolitischen und christlichen Tradition kräftig behinderten Buchgemeinschaften2 mußten nach dem zweiten Weltkrieg neu beginnen, so 1950 der Lesering von Bertelsmann, 1959 der Deutsche Bücherbund, dessen Vorläufer, die Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, 1937 von Georg von Holzbrinck übernommen worden war.

Zur Entwicklung der Binnenhandelspolitik Die wirtschaftliche Aufschwungphase in Deutschland hatte zunächst einen nur geringen binnenhandelspolitischen Handlungsbedarf zur Folge. Das Ladenschlußgesetz vom 28. November 1956 wurde am 9. November mit 153 gegen 129 Stimmen bei 6 Enthaltungen verabschiedet, d. h. von insgesamt 478 stimmberechtigten Bundestagsabgeordneten hatten nur 288 an der Abstimmung teilgenommen. Seit Erlaß hat es darüber eine heftige Diskussion gegeben. Zahlreiche Untersuchungen haben aus der Sicht der Konsumenten einen Wunsch nach Lockerung des Gesetzes, aus der Sicht des Handels eine ambivalente Einschätzung gezeigt. Von 1958 bis 1961 wurden in den Bundesländern die Verbraucherzentralen gegründet. Bereits am 30. April 1953 war die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher (AgV) - damals Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände geschaffen worden.

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2'

Vgl. Tietz, Bruno: Struktur und Dynamik des Direktvertriebs, Eine betriebswirtschaftliche Analyse für die Bundesrepublik Deutschland, (Verlag Moderne Industrie) Landsberg a. L. 1985, S. 24 II.

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Schwerpunkte der Handelsforschung ln den fünfziger Jahren entstanden neuartige Betriebsvergleiche und Betriebsanalysen, den Kern bildeten innovative, quantitative und qualitative Fragebogenprogramme. Das damals entwickelte Instrumentarium fand Eingang bei anderen Instituten und Verbänden, die Betriebsvergleiche durchführen3 , allen voran das Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln. Ein weiterer Schwerpunkt lag bereits in dieser Zeit bei quantitativen und qualitativen Analysen über Konsumenten. Die ersten Preis- und Sortimentsvergleiche kamen auf. ln den fünfziger Jahren diskutierte die Handelsforschung kontrovers über die Chancen der Selbstbedienung in Deutschland und Europa. Bereits im Jahre 1955 erschien die Schrift von Gerhard Schreiterer: "Raumökonomie im Einzelhandel". Gegen Ende der fünfzigerJahreerschienen die praxisorientierten Großhandelsuntersuchungen der Rationalisierungs-Gemeinschaft des Handels (RGH). Im ifo Institut entstand eine Analyse mit einer noch heute aktuellen Fragestellung über das Handwerk als Konkurrent des Einzelhandels (1958) 4 , außerdem die erste Untersuchung über den Großhandel, der viele weitere folgten. 5 Georg Reddewig und Hans Achim Dubberke kamen im Jahre 1959 mit dem Werk "Einkaufsorganisation und Einkaufsplanung" auf den Markt.

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Buddeberg, Hans: Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Eingliederung in ausgewählten Branchen des saarländischen Einzelhandels - Ergebnisse aus Betriebsvergleichen und Betriebsuntersuchungen für das zweite Halbjahr 1958 und das zweite Halbjahr 1959 -, Gutachten im Auftrage des saarländischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft, des Bundesministeriums für Wirtschaft und der Produktivitätszentrale Saarbrücken, (Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH) Saarbrücken, März 1961. 4 Batzer, Erich; Laumer, Helmut: Das Handwerk als Konkurrent des Einzelhandels, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 34, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1958. 5 Batzer, Erich; Laumer, Helmut: Der Gro~handel in Gegenwart und Vergangenheit, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 35, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1958.

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1.2. Die sechziger Jahre Zur Dynamik Im Handel ln den sechziger Jahren begann der Aufschwung der Diskonter. Aldi hatte im Jahre 1950 13 Läden; 1960 wurden bereits 90 Mill. DM Umsatz in 300 Läden erzielt; erst 1962 wurde der erste für Albrecht typische Laden in Dortmund eröffnet. Im Jahre 1990 gab es über 2 000 Aldi-Läden, die etwa 20 Mrd. DM umsetzten; der umsatzstärkste Laden erzielt auf weniger als 1 000 qm über 40 Mill. DM Umsatz. Im Jahre 1963 wurde der Ratio-Markt für Konsumenten mit Kaufkartensystem geschaffen. Die Lebensmitteleinzelhändler, die Ratio-Großmarktkunden waren, verteilten Kaufkarten und erhielten für die Einkäufe der Konsumenten 4 % Provision. Im Jahre 1968 wurde das Kaufkartensystem abgeschafft. Die RatioMärkte wurden für jedermann zugänglich. Diese Entwicklung ist deswegen interessant, weil im Rahmen des EG-Binnenmarktes sowohl Konsumentankaufkarten wieder zugelassen und das Rabattgesetz mit seiner derzeitigen Begrenzung des Barzahlungsrabatts auf 3 % aufgehoben werden könnten. Noch im Jahre 1966 wurde von Profikauf im Euro-lndustriepark, München, wie auch gleichzeitig in Münster nach dem Prinzip des Kundenausweishandels verkauft. Wenig später wurden die Betriebe allgemein zugänglich. Die Profikaufmärkte und das Einkaufszentrum Schempp in Schwanhausen bei Esslingen (1966) waren die ersten kombinierten Food-Non-food-Verbrauchermärkte. Der Verbrauchermarkt bestand somit im Jahre 1991, wenn man die Profikaufmärkte und Schempp als den eigentlichen Beginn ansieht, erst seit 25 Jahren. Kari-Heinz Kipp eröffnete im Jahre 1965 in Alzey seinen ersten Verbrauchermarkt, damals auch noch ohne Lebensmittelsortiment mit Schwerpunkt Bekleidung. Ein weiterer Vorläufer des Verbrauchermarktes war der lebensmittelorientierte Kappes-Markt in Bonn-Hangelar. Er bestand von 1967 bis 1969. Die Allkauf-Gruppe aus Mönchengladbach erprobte erfolgreich die Synthese 21

von Lebensmittelsortiment und Non-feod-Sortiment in einem ihrer Lebensmittei-Cash-and-carry-Märkte und stieg danach mit diesem Konzept auf den Einzelhandel um. Das Ergebnis dieses Prozesses war die Gründung des Allkaufs Heinsberg im Jahre 1968, eines der ersten deutschen SB-Warenhäuser. Im übrigen wurde im Jahre 1964 die Metro von Otto Beisheim gegründet. Als weitere Inhaber traten die Spar-Großhändler Michael und Rainer Schmidt-Ruthenbeck (1965) und die Franz-Haniei-Gruppe (1967) hinzu. Seit den sechziger Jahren begannen die Warenhausunternehmen, und dies nur an ihren etablierten Standorten, sich um Lebensmittel zu kümmern, ohne damit Erfolge zu haben. Fachmärkte: Die bisher letzte Entwicklung im Bereich der Betriebstypen des Ladeneinzelhandels waren die Fachmärkte. ln den späten sechziger Jahren entstanden die Baumärkte und die Hobbymärkte als erste voll sortierte Nichtlebensmittelmärkte mit fachlicher Ausrichtung. Die Bau- und Heimwerkermärkte haben sich aus Großhandelsbetrieben der Baubranche zur Abdeckung des stark wachsenden Freizeit- und Baubedarfs der Konsumenten entwickelt. Durch Bau- und Heimwerkermärkte wurden die Sortimente unterschiedlicher Einzelhandelsfachgeschäfte gebündelt unter einem Dach in meist ebenerdigen Gebäuden angeboten. Zu ihren wichtigsten Erfolgsfaktoren gehört die konsumentenfreundliche Produkt- und Verpackungspolitik der Hersteller. Seit dem Jahre 1968, in dem es etwa 250 Bastlerfachgeschäfte gab, sind bis Anfang 1990 2 150 Vollsortimentsbaumärkte mit durchschnittlich 2 500 qm Verkaufsfläche und zusätzlich etwa 1 500 Spezialfachmärkte entstanden. Einkaufszentren: Die ersten Shopping Centers entstanden erst in den sechziger Jahren: - Main-Taunus-Zentrum (Mai 1964), - Ruhrpark-Zentrum Bochum (November 1964). - Eibe-Einkaufszentrum, Hamburg-Groß-Fiottbeck (Frühjahr 1966). Das Eibe-Zentrum wurde nicht auf der grünen Wiese errichtet, sondern war innerstädtisch orientiert. 22

Außerstädtisch bzw. randstädtisch waren - das Rhein-Neckar-Zentrum bei Viernheim/Mannheim (1972). - das Einkaufszentrum Essen-Mühlheim (1973). Heute wird über einheitlich geplante oder in Innenstädten einheitlich sanierte und überdachte Megazentren nachgedacht.

Kooperationen im Einzelhandel Die Verbundgruppen des Lebensmittelhandels, die Edeka und die Rewe, und die freiwilligen Ketten hatten zunächst bis in die frühen siebziger Jahre eine kräftige Wachstumsphase und dann eine Niedergangsphase. Von 21 freiwilligen Ketten und Gruppen in den sechziger Jahren konnten sich nur Spar und Selex/Markant - und dies auch nicht flächendeckend - behaupten. Die Rewe wurde mit Leibbrand zu einem hybriden System mit dem Schwerpunkt auf Filialen und hoher zentraler Steuerung; die Edeka wird aus den Regionen gestaltet, in denen sie noch stark ist. Eine überwiegend positive Entwicklung hatten die teilweise erst in den fünfziger und sechziger Jahren entstandenen Verbundgruppen des Nichtlebensmittelhandels. Fusionen zwischen Gruppen, die noch keineswegs beendet sind, oder die Desaster bei Dugena, bei der die Mitglieder ihre zu Weihnachten verkauften Auswahlsendungen nicht bezahlten, Esüdro, die die Fachmarktentwicklung nicht wahrhaben wollten und Sütex mit einer zu differenzierten Behandlung der Mitglieder, zeigen jedoch auch hier eine fundamentale Veränderung der Existenzbedingungen. Neuentwicklungen waren die Agentursysteme Foto-Porst und Foto-Quelle sowie die Depotsysteme in der Form der Kommissionsagentursysteme, die seit Mitte der sechziger Jahre den Versand und Filialen ergänzen, so Tchibo und Eduscho mit rd. 34 000 Partnern 1990 allein in Westdeutschland. Ende der sechziger Jahre entstanden die ersten Franchisesysteme außerhalb des Tankstellen- und Kfz-Bereichs. Im Jahre 1972 gab es rd. 60 Systeme mit 5 000 Partnern, 1990 rd. 200 Systeme bei rd. 13 Mrd. DM Umsatz. Beispiele sind Ihr Platz (1968), Obi (1970) oder Porst nach Aufgabe des Agentursystems. ln bezug auf eine breite Akzeptanz des Franchising haben sich - im 23

Gegensatz zu den USA oder den Niederlanden - bisher die Erwartungen jedoch nicht erfüllt.

Terrorismus im Einzelhandel ln der Nacht zum 3. April 1968 brach im Kaufhaus Schneider und im Kaufhof an der Zeil in Frankfurt Feuer aus. Tagsüber versteckte Plastikflaschen, nach Art der Molotowcocktails mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllt und einem auf Mitternacht eingestellten Zeitzünder versehen, verursachten einen Millionenschaden. Vier Tage später nahm die Polizei aufgrund eines anonymen Hinweises im Frankfurter Stadtteil Bockenheim vier junge Leute fest: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Prall und Horst Söhnlein. Es war die Stunde Null des Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland, die Geburt der RAF- auch wenn dieser Name erst drei Jahre später von Ulrike Meinhof verwandt wurde.6 Durch diesen Angriff an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Konsument wurde die erste Phase des Widerstandes gegen das demokratische und marktwirtschaftliche Gesellschaftssystem in Westdeutschland eingeleitet. Der politische Terrorismus glaubte, die "Konsummarktgesellschaft" zunächst ohne Verlust von Menschenleben aushebein zu können.

Zur Entwicklung der Binnenhandelspolitik ln den sechziger Jahren waren die ersten Konturierungen der Verbraucherpolitik zu verzeichnen: Im Jahre 1964 wurde die privatrechtliche Stiftung Warentest in Berlin geschaffen, deren Testprogramme beachtliche Auswirkungen auf Industrie und Handel hatten. Bis Ende 1991 wurden 258 Dienstleistungsuntersuchungen und 2 020 Warentests bei 37 500 Prüfprodukten durchgeführt. Seit 1962 war auch die EG intensiver im Feld der Wettbewerbspolitik tätig, so durch die Negativatteste und Freistellungen vom Kartellverbot Am 29. Juli 6

Vgl. Neander, Joachim: Schon beginnen die Konturen der Anfange zu verschwimmen, in: Die Weit, Nr. 96, 24. April 1992, S. 3.

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1968 erfolgten die Europäische Kooperationsbekanntmachung, am 29. Dezember 1977 die Europäische Bagatellbekanntmachung. Zum härtesten Instrument der Einzelhandelssteuerung wurden die Flächenrestriktionen, die vor allem von den Warenhausunternehmen mit dem Slogan "Rettet die City" gefordert wurden. ln der Fassung von 1968 enthielt der § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) eine flächenmäßige Ausweisung für Einkaufszentren und Verbrauchermärkte mit dem Zwang zur Genehmigung von Sondergebieten für Einzelhandelsflächen zur übergemeindlichen Versorgung. Im Jahre 1977 erfolgte dann die Festlegung der Bruttogeschoßflächenklausel auf 1 500 qm, im Jahre 1987 auf 1 200 qm. Die Stützung der Warenhäuser und der mittelständischen Fachgeschäfte wurde nur bedingt erreicht. Fachdiskonter und Fachmärkte wurden die Gewinner dieser Regelung, auch der NichtladeneinzelhandeL

Schwerpunkte der Handelsforschung ln die sechziger Jahre fallen die ersten großangelegten Branchen- und Sektorenanalysen für Einzelhandel, Großhandel, Industrie und Landwirtschaft. Die ersten Berechnungen über künftige Umsatz- und Flächenentwicklungen für den Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland - und damit die ersten Flächenbestands- und -bedarfsrechnungen für den Einzelhandel - wurden im Jahre 1963 vorgelegt. Aus dieser Zeit stammen auch oie Differenzierungen in funktionalen und institutionellen Einzelhandel sowie in laden- und nichtladenrelevante Nachfrage der Konsumenten. Diese und weitere begriffliche Präzisierungen und Differenzierungen über den Einzelhandel und später auch über den Großhandel haben heute Eingang in die Verbandsstatistiken und teils in die Programme der amtlichen Statistik gefunden. Eine umfassende Dokumentation über die Nachfrage der Konsumenten und den Einzelhandel war im Jahre 1966 die erste Auflage des Werkes "Konsument und Einzelhandel - Strukturwandlungen in der Bundesrepublik Deutschland von 1950 bis 1975" von Tietz.

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Die beginnenden Konzentrationsprozesse haben zu ersten Arbeiten über die optimale Betriebs- und Unternehmensgröße im Handel geführt. Seit den sechziger Jahren wurden Gutachten zur Planung von Einzelhandelsbetrieben, so von Fachgeschäften, Warenhäusern und Verbrauchermärkten, zur Errichtung von Einkaufszentren und zur Sanierung innergemeindlicher Einzelhandels- und Dienstleistungszentren Gegenstand universitärer und außeruniversitärer Forschungsrichtungen. Im Jahre 1963 erschien von Rüdiger Schoneweg, damals RGH, die erste Arbeit über den Cash-and-carry-Handel. Die Überlegungen zu den Einzelhandelszentren wurden dann auf Großhandelszentren und Industrieparks übertragen. Zu den großangelegten Serienforschungen in Drei- oder Vierjahresabständen gehören die Besucherund Ladenfrequenzanalysen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels seit 1965. Ende der sechziger Jahre wurde die pluralistische Gesellschaft bis hin zur Konfetti-Gesellschaft entdeckt. Dies führte zu einem kräftigen Schwerpunkt im Bereich der Werteforschung als Teil der Konsumentenforschung. Im Jahre 1960 legten Batzer und Laumer ihre Untersuchung über die deutsche Handelsstatistik vor. Leider sind die Bestrebungen zur Verbesserung der amtlichen Statistik7 nicht konsequent fortgesetzt worden, so daß auch heute noch gravierende lnformationsdefizite, vor allem in bezug auf die differenzierte Erfassung von Betriebstypen, zu beklagen sind. Weitere Arbeiten des ifo Instituts betraten den Funktionsrabatt8 , eine Fragestellung, die an Aktualität eingebüßt hat, wenngleich die Konditionenfragen nach wie vor Bedeutung haben. Mit der Studie über neue Vertriebswege in Industrie und Handel9 wurde den

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Batzer, Erich; Laumer, Helmut: Die deutsche Handelsstatistik - Quellen, Vergleichbarkeit und Aussagewert, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 39, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1960. 8 Batzer, Erich: Zur Bedeutung und Problematik des Funktionsrabanes, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 48, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1962. 9 Batzer, Erich; Laumer, Helmut: Neue Vertriebswege in Industrie und Handel, (Verlag Neue Industrie) München 1963.

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damaligen Informationsbedürfnissen über neue praktische Problemlösungen entsprochen. Es folgten zwei weitere Arbeiten über den Großhandel 10. ln den sechziger und siebziger Jahren gab es auch eine erste Forschungswelle über internationale Handelsprobleme. Bereits in den sechziger Jahren hat das ifo Institut Untersuchungen über EG-Fragen vorgelegt, so über die Auswirkungen des Gemeinsamen Marktes bei elektrotechnischen Gebrauchsgütern (1967) 11 und Schuhen (1968) 12 . Weiter ist eine Analyse über den Vertragsvertrieb zwischen Industrie und Handel (1969) 13 zu nennen, ein Themenbereich, der unter Kontraktvertrieb bzw. Kontraktmarketing und heute Trade Marketing an vielen Stellen weiterverfolgt wurde.

1.3.

Die slebziger Jahre

Zur Dynamik im Handel Die Warenhäuser14 , die die Handelslandschaft noch in den sechziger Jahren dominierten, hatten aufgrund des Aufkommens der Verbrauchermärkte und später der flächengrößeren SB-Warenhäuser im Jahre 1973 ihren Zenit erreicht. Ihr Marktanteil ist von rd. 13 % auf 6 % im Jahre 1992 rückläufig gewesen. Einige mittelständische Warenhäuser, so Breuninger, Stuttgart, oder 10 Batzer, Erich: Der Grophandel in der westdeutschen Wirtschaft, Schriftenreihe des ifo In-

stituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 47, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1962 und 1963; Batzer, Erich; Laumer, Helmut: Unternehmenspolitik und Erscheinungsbild des Grophandels in der modernen Wirtschaft, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 64, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1966. 11 Batzer, Erich u. a.: Auswirkungen des Gemeinsamen Marktes auf dem Gebiet der elektrotechnischen Gebrauchsgüter, hrsg. v. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1967. 12 Batzer, Erich; Eli, Max: Auswirkungen des Gemeinsamen Marktes auf dem Schuhsektor, Hauptergebnisse einer empirischen Studie, hrsg. v. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1968. 13 Batzer, Erich; Greipl, Erich; Meyerhoefer, Waller: Bedeutung des Vertragsvertriebs zwischen Industrie und Grophandel, hrsg. v. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1969. 14 Aus den Textilfilialunternehmen von Leonhard Tietz (1879) (heute Kaufhof), Rudolf Karstadt (1881) und Oskar und Hermann Tietz (1882) (heute Hertie) entwickelten sich die ersten Warenhäuser moderner Prägung: Hertie 1889 in München und 1900 in Berlin, der heutige Kaufhof 1900 in Köln, Karstadt 1912 in Hamburg.

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Kaufring- und früher Grohag-Häuser konnten sich besser als die Warenhauskonzerne behaupten. Auch die 1925 bis 1927 ins Leben gerufenen Kleinpreisunternehmen bekamen mit Ausnahme von Woolworth in den siebziger Jahren Probleme, vor allem Kepa und bilka. Im Jahre 1977 teilte Karstadt mit, daß die Kleinpreistochter Kepa aufgegeben werde. Hertie traf in den achtziger Jahren die Entscheidung, bilka aufzugeben. Die Erfolge von Woolworth mit 2,5 Mrd. DM Nettoumsatz und 5,3 % Gewinn (1990) und von Kaufhalle zeigen, daß weniger unüberwindbare Defekte des Betriebstyps als Managementschwächen der Grund für diese Aufgabe waren. Zu Beginn der siebziger Jahre kamen die Drogeriemärkte auf: Sie entstanden im Jahre 1972 als Drogeriediskonter und begannen mit begrenzten Sortimenten, bei deren Zusammenstellung sie die Aushöhlung der Preisbindung der Zweiten Hand für Drogeriewaren ausnutzten. Ihr Aufschwung begann mit dem offiziellen Wegfall der Preisbindung aufgrund der Zweiten GWB-Novelle aus dem Jahre 1973 zum Jahresbeginn 1974. Die Bau- und Heimwerkermärkte, auch die Drogeriemärkte, waren Vorreiter einer Entwicklung. Ihr Erfolg führte zur Übertragung des Fachmarktprinzips auf andere Branchen. Die Bekleidungsfachmärkte nutzten das Vakuum, das Konkurrenten, so Fachfilialunternehmen wie C & A, aber auch Fachgeschäfte und Warenhausunternehmen durch Trading up entstehen ließen. Fachmärkte entwickelten insbesondere den Ehrgeiz, durch Ausschöpfung des Größenschlüssels alle Kundengruppen zuverlässig zu bedienen. Die Marktanteile blieben jedoch bei Bekleidung bis heute begrenzt. Ein weiterer Entwicklungsstrang betrifft den teilweise kometenhaften Aufstieg einiger Filialunternehmen (Umsatz in Mill. DM):

28

Unternehmen

1970/71

1980/81

1990/91

Leibbrand 1> Tengelmann 2> Asko AG

133 2 340 179

15 151 7 720 1 540

18 100 19 560 12 100

1)

1980: Rewe Handelsgesellschaft Leibbrand oHG (RHG Leibbrand); 1990: Rewe & Co. oHG, Bad Homburg.

2)

Bruttoumsätze der Unternehmensgruppe.

Als Sonderentwicklung seien die Solitärunternehmen herausgestellt, die längst vor der eigentlichen Entdeckung der grünen Wiese an frequenzlosen Standorten Großkapazitäten errichtet haben: - Kraft, Bad Segeberg, mit rd. 1,3 Mrd. DM Umsatz mit Einrichtungsbedarf (1992), - Dodenhof, Ottersberg bei Bremen, mit rd. 400 Mill. DM Vollwarenhausumsatz (1990) . Im Jahre 1973 führte IBM in den USA das erste Point-of-Sale-System (POS) ein und setzte damit die Voraussetzung für das ausgangsorientierte Waranwirtschaftssystem mit Laser-Scanning; 1979 folgte das IBM 3 680 System. Aufgrund des französischen Vorbildes der "Produits Libres" von Carrefour im Jahre 1976 entstanden im Jahre 1978 in Deutschland die No names - zunächst beim Deutschen Supermarkt, später bei der AVA, Ihr Platz und Reichelt. Im Jahre 1982 kamen Die Sparsamen von Spar und Ja von Rewe, es folgten die Edeka, weiter auch A & P (Tengelmann) und TIP (Schaper) - sowie weitere neue Handelsmarkenkonzepte, durch die der Streit um Markenartikel versus Handelsmarken, aber auch um Marken versus nicht markierte Produkte neu belebt wurde.

29

Zur Entwicklung der Binnenhandelspolitik Im Jahre 1971 hat die Bundesregierung in ihrem Bericht zur Verbraucherpolitik erstmalig verbraucherpolitische Ziele veröffentlicht. Dazu gehörten:15 - die Stärkung der Stellung des Verbrauchers am Markt durch Erhaltung und Förderung eines wirksamen Wettbewerbs in allen Wirtschaftsbereichen, - die Sicherung der Kaufkraft und Erhöhung der Realeinkommen aller Verbraucher, - der umfassende Schutz des Verbrauchers gegen gesundheitliche Gefährdungen, - die Durchsatzung des Prinzips der Umweltfreundlichkeit für Produktion und Produkte, - die bestmögliche Versorgung der Verbraucher mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, - die Sicherung des Angebotes an wirtschaftlichen Wohnungen unter optimalen städtebaulichen Bedingungen, - die Wahrung der Verbraucherinteressen bei der Gütekennzeichnung und Normung, - der Schutz des Verbrauchers vor Irreführung, unlauteren Verkaufspraktiken und den Verbraucher unbillig benachteiligenden Vertragsbedingungen, - die Unterrichtung des Verbrauchers über grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge, - die Information und Beratung des Verbrauchers über aktuelles Marktgeschehen, die Eigenschaften der Waren, richtiges Marktverhalten und rationelle Haushaltsführung, - die Stärkung und Straffung der verbraucherpolitischen lnteressenvertretungen. Damit begann in Deutschland eine intensive Gesetzgebung. Allein zwischen 1971 und 1977 sind 88 Gesetze, 142 Verordnungen und 32 Gesetzesänderungen im Bereich des Verbraucherrechts erlassen worden.16

15

16

Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen, Bereich Wirtschaft (Hrsg.): Bericht der Bundesregierung zur Verbraucherpolitik, Bonn-Duisdorf 1971 , S. 9 f. Vgl. Dicht!, Erwin: Grundzüge der Binnenhandelspolitik, (Gustav Fischer Verlag) Stuttgart-New York 1979, S. so.

30

ln der EG entstanden im Jahre 1973 die Dienststelle für Umwelt- und Verbraucherschutz und der Beratende Verbraucherausschuß. Der faktische Zusammenbruch der Preisbindung der Zweiten Hand und das dann am 1. Januar 1974 folgende gesetzliche Verbot waren Voraussetzungen für die Eskalation der Preisschlachten, die bei Unterhaltungselektronik (1962) und Fotoartikeln (1968) bereits in den sechziger Jahren begonnen hatten. Im Jahre 1974 wurde erstmalig intensiv über die Nachfragemacht des Einzelhandels diskutiert, nachdem sich auch das Bundesministerium für Wirtschaft diesen Begriff zu eigen gemacht hatte. Am 12. November 1974 wurde das Sündenregister des Bundesministeriums für Wirtschaft veröffentlicht. ln Verbindung damit und aus der Idee der Wettbewerbsregeln des Markenverbandes erwuchs im November 1975 die Gemeinsame Erklärung zur Sicherung des Leistungswettbewerbs als Versuch einer ersten Selbsthilfemaßnahme der Wirtschaft, den Wettbewerbskampf zu normalisieren - dies mit nur geringen Wirkungen. ln den Siebziger Jahren setzte eine kräftigere Kooperationsförderung ein, die in der Bundesrepublik Deutschland Ausdruck in den Grundsätzen einer Strukturpolitik für kleine und mittlere Unternehmen gefunden hat. 17 Auf dieser Grundlage wird im Aktionsprogramm zur Leistungssteigerung in der Fassung vom 19. Mai 1976 festgehalten: "Institutionelle Förderung - Errichtung von Kooperationsleitstellen. z. B. für die Vermittlung von Zulieferungen und für handwerkliche Reparaturleistungen, - Errichtung von EDV-Gemeinschaftseinrichtungen für die kooperative Übernahme von Betriebsfunktionen, - Ausbau der RKW-Kooperationsbörse für Vermittlungen im Bundesgebiet und im zwischenstaatlichen Bereich. Projektbezogene Förderung - Unterstützung von Gemeinschaftsveranstaltungen und Einrichtungen, die kooperativen Zielen dienen, z. B. Leistungsschauen als Werbemaßnahmen

17 Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.): BT-Drucksache 6/1666, S. 7.

31

zur Absatzsteigerung, - Erarbeitung und Verbreitung von Leitfäden, Merkblättern und Planspielen für kleine und mittlere Unternehmen über Probleme der Kooperation." 18 Diese Vorgaben wurden in der Mittelstandsfibel des Bundesministers für Wirtschaft vom Mai 1980 bestätigt. Ergänzend wurden festgelegt: 19 - die Förderung modellhafter und volkswirtschaftlich bedeutsamer Kooperationsvorhaben, - die Förderung spezieller Kooperationsberatungen. Weiter wird auf die Kooperationsaspekte in Ländermittelstandsgesetzen hingewiesen, so § 11 des baden-württembergischen Mittelstandsförderungsgesetzes vom 16. Dezember 1975: "Zum Ausgleich von Nachteilen, die sich aus der Unternehmensgröße ergeben, fördert das Land die Zusammenarbeit kleiner und mittlerer Unternehmen, insbesondere: (1) die Gründung und die Tätigkeit von Arbeitskreisen zur Verwertung fachlicher Erfahrungen, (2) die Durchführung und Auswertung von Betriebsvergleichen, (3) die Prüfung von Kooperationsmöglichkeiten in einzelnen Wirtschaftssparten und die Erarbeitung von Kooperationsmodellen, (4) die Bildung von Gemeinschaftseinrichtungen, insbesondere auf dem Gebiet des betrieblichen Rechnungswesens." Zwischen 1974 (Bayern) und 1978 (Rheinland-Pfalz) sind in den meisten Bundesländern Mittelstandsgesetze in Kraft getreten. ln dieser Zeit sind auch durch die Handelsforschung nationale und regionale Mittelstandshandbücher entstanden. Das Bundeskartellamt hatte am 27. November 1978 eine Grundsatzerklärung in bezug auf die kartellrechtliche Zulässigkeit von Einkaufsvereinigungen abgegeben, ohne auf die Kartelleigenschaft einzugehen: "Die grundsätzlich posi-

18

lbielski, Dieter: Marksteine der Unternehmenskooperation, hrsg. v. Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerbe. V., Köln 1983, S. 9 f. 19 Vgl. lbielski, Dieter: Marksteine der Unternehmenskooperation, hrsg. v. Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerbe. V., Köln 1983, S. 13.

32

tive Einschätzung der Einkaufskooperation selbständiger Handelsunternehmen beruht auf wettbewerbspolitischen Überlegungen." Bedenken bestehen, wenn die Mitglieder von Einkaufsgemeinschaften in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt werden. ln der Regel werden daher folgende Bindungen beanstandet: - mittelbare Bezugsbindungen wie Konzentrationsrabatte, - das Verbot der Doppelmitgliedschaft in Verbänden, es sei denn, die Doppelmitgliedschaft gefährdet den Gesellschaftszweck, - Platzschutzvereinbarungen, - Ausschluß der Direktbelieferung von Mitgliedern. Das Bundeskartellamt hat alle vertraglichen Bezugsbindungen für unzulässig erklärt.20 Das Problem besteht jedoch weiter bei der faktischen oder mittelbaren Bezugsbindung in Form der unzulässigen Veranlassung zur Auftragskonzentration. Mit der Fusion von Neckermann und Karstadt im Jahre 1977 wurde vom Kartellamt erstmalig ein großer Fusionsfall im Einzelhandel diskutiert. Faktum ist, daß Karstadt bis 1986 brauchte, um das Neckermann-Engagement wieder zu rentabilisieren. Allein von 1977 bis 1984 sind Verluste in Höhe von 1,2 Mrd. DM entstanden; alles in allem dürften es knapp 2 Mrd. DM gewesen sein. Das ebenfalls kartellamtlich diskutierte Joint-venture Horten-Edeka wurde ein großer Flop. Der im Jahre 1979 gegründete Supermarkt bei der Horten GmbH als Gemeinschaftsunternehmen von Edeka und Horten wurde im gegenseitigen Einvernehmen 1992 vorzeitig vertraglich aufgelöst.

Schwerpunkte der Handelsforschung Im Oktober 1970 erschien die erste Ausgabe der Begriffsdefinitionen des Katalog E der Katalogkommission für die handels- und absatzwirtschaftliche

20 Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit

in den Jahren 1979/80 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinen Aufgabengebieten ( 50 GWB), BT-Drucksache 9/565, S. 73.

3 ifo·Kolloquium

33

Forschung, der Anregungen für die Handelsstatistik und Rechtsprechung vermittelte. Seit Beginn der siebziger Jahre wurden verstärkt Personalprobleme des Handels bearbeitet, neben Problemen der lang- und kurzfristigen Personalplanung, insbesondere der Personalentwicklungs- und der Laufbahnplanung, standen Fragen der betrieblichen Bildungsarbeit ln diesen Bereich gehören auch neue Ansätze zur Personaleinsatzplanung im Handel, insbesondere auch Untersuchungen zur Besuchssteuerung von Außendienstmitarbeitern. ln vielen Forschungsarbeiten erfolgte eine Auseinandersetzung mit Kooperationssystemen, so mit freiwilligen Ketten, Einkaufsgemeinschaften, mit Fragen des Kontraktmarketing zwischen Industrie und Handel und mit Franchising. Es wurden neue Modelle zur Umstrukturierung und Weiterentwicklung bestehender Verbundgruppen des Handels entwickelt, insbesondere das Betriebstypenkonzept für Einkaufsgemeinschaften im NichtlebensmittelhandeL ln die siebziger Jahre fällt auch der Aufbruch der internen Optimierungskonzepte, z. B. Regaloptimierungs- und Layoutoptimierungskonzepte im Handel, z. B. Modelle wie COSMOS oder Lageroptimierungsmodelle wie HOREST. Erst in den neunziger Jahren, d. h. mit einer Verspätung von über 20 Jahren, liegen die Hardware- und Softwarevoraussetzungen vor, diese Modelle praktisch zu nutzen. Die Handelsforschung hatte somit hier einen großen zeitlichen Vorsprung mit großer Frustration der lnnovatoren, die ihre Konzepte wegen fehlender technischer Voraussetzungen nicht in die Praxis transportieren konnten. Im ifo Institut ist in den siebziger Jahren zunächst eine Analyse über die Handelsvertretung in Deutschland (1970) 21 entstanden, ein anderenorts vernachlässigter Bereich. Weiter wurden die Auswirkungen des Markenartikelvertriebs

21

Batzer, Erich; Meyerhoefer, Walter: Aufgaben, Stellung und Entwicklungsperspektiven der Handelsvertretung in der Bundesrepublik Deutschland, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1970.

34

auf den Wettbewerb (1970) 22 analysiert. Im Jahre 1971 wurden die ersten größeren Strukturuntersuchungen über den Einzelhandel 23 herausgebracht. Der Schwerpunkt Großhandel24 wurde mit mehreren Arbeiten weiterentwickelt. Der zunehmenden Bedeutung des Außenhandels wurde mit der Arbeit über den deutschen Ein- und Ausfuhrhandel im Entwicklungsländergeschäft (1971 )25 Rechnung getragen. Die Untersuchung über den Ausleseprozeß im Handel (1974) 26 trug den Fragestellungen der damals beginnenden Abschmelzung von Handelsbetrieben Rechnung. Eine sorgfältige Arbeit befaßte sich mit einer empirischen Untersuchung und der Wirkung der unverbindlichen Preisempfehlung. 27 Gesellschaftskritische Werke begannen die Handelsforschung und den Handel zu beeinflussen. Im Jahre 1972 erschien "Die Grenzen des Wachstums" als erster Bericht des 1968 gegründeten Club of Rome. Im Jahre 1973 schrieb E. F. Schumacher das technologie- und industriekritische Werk "Small is beautiful". Ebenfalls 1973 erschien von Daniel Bell das Werk "The Coming of

22

23

24

25

26 27

3.

Laumer, Helmut; Batzer, Erich; Greipl, Erich: Der Markenartikelvertrieb in den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und seine Auswirkungen auf den Wettbewerb, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 72, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1970. Batzer, Erich u. a.: Marktstrukturen und Wettbewerbsverhältnisse im Einzelhandel, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1971 . Batzer, Erich; Greipl, Erich: Marktstrukturen und Wettbewerbsverhältnisse im Großhandel in der Bundesrepublik Deutschland, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1974; Batzer, Erich u. a.: Marktstrukturen und Wettbewerbsverhältnisse im Großhandel in den Ländern der Europäischen Gemeinschaften, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1974; Batzer, Erich; Greipl, Erich: Marketingperspektiven des Großhandels, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 84, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1975. Batzer, Erich; Greipl, Erich; Laumer, Helmut: Der deutsche Ein- und Ausfuhrhandel im Entwicklungsländergeschäft, Schrittenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 76, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1971. Batzer, Erich u. a.: Der Ausleseprozej} im Groß- und Einzelhandel, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 82, (Duncker & Humblot) Berlin-MOnchen 1974. Batzer, Erich; Greipl, Erich; Singer, Eugen: Handhabung und Wirkung der unverbindlichen Preisempfehlung, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 90, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1976.

35

Post-lndustrial Society".

1.4.

Die achtziger Jahre

Zur Dynamik im Handel Mehrere wichtige Ereignisse, die noch jahrzehntelang Einfluß ausüben werden, prägten die Mitte der achtziger Jahre: die Perestroika von Michael Gorbatschow im Jahre 1985 und der Reaktorunfall von Tschernobyl am 26. April 1986. Am 1. Juli 1987 begann mit der Einheitlichen Europäischen Akte die Initialzündung zum Europäischen Binnenmarkt. Die Umsatzentwicklung im Einzelhandel mit Lebensmitteln blieb weh in den achtziger Jahren beträchtlich günstiger als die allgemeine Nachfrageentwicklung. Der Grund liegt in der systematischen Ausweitung der Sortimente der Filialunternehmen des Lebensmittelhandels auf Nichtlebensmittel durch die Schaffung von Mehrbranchengeschäften und reinen Nichtlebensmittelmärkten - meist Fachmärkten und Fachdiskontern - durch die Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen. Die Strukturbereinigung auf der Einzelhandelsstufe mit einem rapiden Abschmelzungsprozeß von Kleinbetrieben vollzog sich ohne gravierende wirtschaftspolitische und sozialpolitische Auseinandersetzungen. Filialisierende Unternehmen konnten sich insgesamt besser durchsetzen als kooperative Systeme. Es ist den Verbundgruppen nicht gelungen, ihre Marktanteile zu halten. Beim Wachstum der Verbundgruppen, sowohl bei den Einkaufsgemeinschaften als auch bei den freiwilligen Ketten, ist die Bedeutung der selbständigen Einzelhändler relativ rückläufig, weil in den letzten Jahren die Filialisierung der Gruppen zugenommen hat. Weniger im Lichte der Öffentlichkeit hat sich die Filialisierung im Bereich der Einkaufsgemeinschaften Edeka und Rewe, hier auch ohne Leibbrand, und der freiwilligen Ketten, so Spar und Markant entwickelt. Konzentration und Kooperation sind eine Symbiose eingegangen.

36

Bei den Selbständigen handelt es sich zum erheblichen Teil um Nebenerwerbsbetriebe, die häufig nur mit Schwierigkeiten Nachfolger finden, d. h. um Auslaufbetriebe. Filialen und Regiebetriebe sind im Durchschnitt viel größer als die Betriebe der Selbständigen. ln den achtziger Jahren vollzogen sich die ersten Mega-Fusionen bzw. Mega-Übernahmen: Metro-Kaufhof (1987) und ASKO-divi-Schaper/Unger (1986/87). ln den USA erfolgten die Leverage-Buyouts von Hocker und Campeau, die zahlreiche Warenhausunternehmen an den Rand des Ruins brachten oder dazu führten, daß diese aus der Einzelhandelslandschaft verschwanden.

Neue Medien im Einzelhandel Die neuen Medien im Einzelhandel fanden mit der Einführung von Btx im Jahre 1984 als Instrument für Kundenkontakte Aufmerksamkeit. Schnell wurden jedoch die Schwächen dieses Konzeptes für den Einzelhandel deutlich: zu langsame, zu komplizierte und zu teuere Technik sowie zu wenig Angebote, dadurch auch eine zu geringe Akzeptanz. Die Mitte der achtziger Jahre mit der Entwicklung des medialen Einzelhandels verbundenen Erwartungen haben sich trotz interessanter Ansätze bisher nicht erfüllt. Die schwache Entwicklung von Btx in der Bundesrepublik Deutschland birgt die Gefahr einer Fehlbeurteilung der medialen Evolution. Zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland gibt es extreme Unterschiede, was die faktische Nutzung, aber auch die Innovations- und Experimentierfreudigkeit angeht. ln Frankreich hat sich bis 1991 die Anzahl der Minitelanschlüsse auf 6 Mill. erhöht. Jedoch ist der Anschluß dort kostenlos und die Gebühren sind niedrig. Minitel wird u. a. auch nach Portugal, Kanada, Belgien und in die Schweiz exportiert. Die ersten Teleshopping-Sendungen im Fernsehen wurden im Jahre 1987 von Quelle mit Eureka bzw. später RTL Plus sowie 1988 von Otto mit SAT 1 gestartet. Aufgrund der geringen Akzeptanz wurden diese Aktivitäten bis Ende 1991 wieder eingestellt.

37

Ein weiterer Zukunftstrend ist POS-Banking, das die nach wie vor kleinmütigen Diskussionen aller Beteiligten bald überwunden haben dürfte. Die neuen Medien haben neue Formen des Handels mit Teilen und Geräten der Mikroelektronik zur Folge gehabt. Der Handel hat insbesondere in den achtziger Jahren durch seine differenzierten Leistungen mit differenzierten Preiskonzepten sehr zur sozialen Befriedigung und dabei auch vor allem zur besseren Integration von Ausländern - darunter 3 Mill. Zuwanderer in den letzten vier Jahren - beigetragen. Dadurch daß vielen Menschen geeignete Waren zu sehr günstigen Preisen angeboten wurden, ist auch ein bisher nicht genügend gewürdigter Beitrag zum sozialen Frieden geleistet worden. Im Großhandel hat in den siebziger und achtziger Jahren als Folge der besseren Informationssysteme und differenzierteren Logistiksysteme das Strekkengeschäft gegenüber dem Lagergeschäft stark zugenommen (1979: 19,9 %, 1985: 35,9 % der Unternehmen; 1978: 47,3 %, 1984: 66,6 %des Umsatzes). Hier ist mit Recht die Erstarkung der Speditionen und damit die Ausschaltung der physischen Distribution zu erkennen. 28 Bereits Anfang der achtziger Jahre war klar erkannt, daß ein eigenständiger Ökologie-, Recycling- und Entsorgungsgroßhandel entstehen würde.

Terrorismus im Einzelhandel ln den achtziger Jahren überzog eine Terrorismuswelle den Handel, die vielleicht zu schnell vergessen wurde, z. B.: - die Zerstörung der Zürcher Bahnhofstraße, - die Zerstörung der Frankfurter Freßgasse, Bombendrohungen und Brandschatzung in Adler-Bekleidungsmärkten (1987),

28

Vgl. Batzer, Erich u. a.: Der Handel in der Bundesrepublik Deutschland, Teil I: Handel in der Gesamtwirtschaft - Gro~handel - Handelsvermittlung, ifo Studien zu Handels- und Dienstleistungsfragen. Nr. 40, hrsg. v. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1991 , S . 102.

38

- die Brandstiftung an Lastkraftwagen der Rewe (1988). Dies geschah aus völlig unterschiedlichen Motiven, aufgrund der Schließung eines Jugend;zentrums bis hin zur Forderung nach höheren Löhnen in Südkorea und nach Ablehnung von Produkten aus Südafrika oder Israel. Mit der Todesdrohung an den Autor Salman Rushdie waren und sind iranische Drohungen gegen Verlage und den Buchhandel verbunden, die die "Satanischen Verse" veröffentlichten oder vertrieben.

Zur Entwicklung der Binnenhandelspolitik ln den siebziger und auch achtziger Jahren zeigte sich vor allem bei der Einschätzung der Nachfragemacht und auch der Kooperation im Handel ein Gegensatz zwischen Erkenntnissen der empirischen Handelsforschung, der Monopolkommission und dem Verhalten der staatlichen Binnenhandelspolitik. Am 14. Oktober 1983 kam es zum ersten Berliner Gelöbnis mit Bestrebungen zur Fortschreibung der Gemeinsamen Erklärung, die am 25. Juni 1984 zur Unterschrift führten . Am 18. Oktober 1984 wurde das Berliner Gelöbnis erneuert. Inhalte waren die Verringerung des Zeitraumes für Eröffnungsangebote und ein Verbot der Mengenbegrenzung. Hier ist zu fragen, ob ein derartiges Vorgehen mit dem GWB vereinbar ist. Dieses Wohlverhaltensbemühen blieb weitgehend wirkungslos. Ein weiteres Beispiel: Faktum ist, daß weder das Bundeskartellamt noch die Monopolkommission durch ihre Sondergutachten über Mißbräuche der Nachfragemacht von 197729 bzw. die Konzentration von Nachfragemacht im Lebensmittelhandel von 198530 Ergebnisse der Handelsforschung zur Kooperation rezipiert haben und somit zu Fehlurteilen gekommen sind. Die Stellungnahmen der Monopolkornmission führten 29

zu vermehrten

Vgl. Monopolkommission (Hrsg.): Sondergutachten 7, Mißbräuche der Nachfragemacht und Möglichkeiten zu ihrer Kontrolle im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, (Nomos Verlagsgesellschaft) Baden-Baden 1977, S. 98. 30 Vgl. Monopolkommission (Hrsg.): Sondergutachten 14, Die Konzentration im Lebensmittelhandel, (Nomos Verlagsgesellschaft) Baden-Baden 1985.

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Äußerungen über deren unzulängliche fachliche Kompetenz. Dazu gehörte zunächst die Zusammensetzung jenseits der fachlichen Orientierung. Über die Nachfragemacht im Handel oder über die Konzentration im Lebensmittelhandel wurde in den achtziger Jahren von zwei Wissenschaftlern und drei Praktikern votiert, die für die Fragen nicht oder nur begrenzt kompetent waren. "So beklagten z. B. Markenverband und Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie in einer Stellungnahme die 'unzulängliche Diagnose' und kritisierten, daß Daten und Einschätzungen des relativ gut bekannten Absatzmarktes des Handels auf den Beschaffungsmarkt, den Hersteller/Handelsmarkt, übertragen werden. Am Beispiel von Aldi, Rewe und Coop wurde in diesem Zusammenhang nachgewiesen, daß der von der Kommission mit mangelndem Detailwissen ermittelte Umsatzanteil von 22,7 Prozent für 1983 in Wahrheit 28,7 Prozent betrug."31 32 Die Bestrebungen des Bundeskartellamtes zur Fusionsverhinderung blieben - wie zu erwarten war - wirkungslos. ln den achtziger Jahren hatte das Kartellamt weder mit der Florimex-Rewe-Entscheidung noch mit der letztlich doch genehmigten Husse1-Mara-Fusion eine glückliche Hand. Durch die BGH-Entscheidung mit der Zulassung eines Ausbaus der Beteiligung der Metro im Fall Metro/Kaufhof wurde auch der Fall Coop AG/Helmut Wandmaker GmbH gelöst, weil das Bundeskartellamt darauf verzichtete, gegen die Aufhebung seiner Untersagungsverfügung beim Bundesgerichtshof Revision einzulegen. Im Jahre 1986 konstatierte das Bundeskartellamt durch die Veröffentlichung der These vom "Sechser-Oligopol", dem Aldi, Edeka, Rewe/Leibbrand, Ten31 0. V.: Verri~ auf ganzer Linie- Monopolkommission im Kreuzfeuer der Verbandkritik, in: Lebensmittel-Zeitung, 37. Jg., Nr. 45, 8. November 1985, S. 3.

32 Hier einige wichtige Auseinandersetzungen mit dem Sondergutachten der Monopolkom-

mission zur Konzentration im Lebensmittelhandel: Ahlert, Dieter: Das Sondergutachten der Monopolkommission zur Konzentration im Lebensmittelhandel, in: Markenartikel, 47. Jg., 1985, Nr. 11, S. 536-542; Arndt, Helmut: Irrwege der Monopolkommission, in: Markenartikel, 47. Jg., 1985, Nr. 11, s. 559-563; 0. V.: Die Konzentration im Lebensmittelhandel: Sondergutachten der Monopolkommission gemä~ 24b Abs. 5 Satz 4 GWB, in: Markenartikel, 47. Jg., 1985, Nr. 11 , S. 559-563; 0. V.: Gegen Reglementierungen des Wettbewerbs- BdSW zum Sondergutachten der Monopolkommission, in: Markenartikel, 47. Jg., 1985, Nr. 11, S. 579-580.

40

gelmann, Coop und Metro angehörten, das Vorliegen von Nachfragemacht der Großunternehmen des Handels gegenüber der Industrie. Mit dieser Begründung wurden Unternehmenszusammenschlüsse untersagt, an denen eines der führenden Lebensmittelhandelsunternehmen beteiligt war. Die Nachtragemacht und Marktbeherrschung der Lebensmittelhandelsunternehmen wurde durch folgende Argumente belegt: 1. Das "Käufermarktargument": Die Lebensmittelhersteller werden autgrund des Angebotsüberhangs auf dem Käufermarkt zu günstigeren Konditionen "erpreßt".

2. Das "Unverzichtbarkeitsargument": Von der Größenordnung der Nachfrage her sind die führenden Lebensmittelhandelsunternehmen für die Nahrungsmittelhersteiler unverzichtbar. Diesen Argumenten wurde seitens der Wirtschaftsforschung widersprochen.33 Aus den Auseinandersetzungen mit dem Kartellamt zogen Einkaufskontore die Konsequenz und gingen ins Ausland . Auf diese Vertreibung war seitens der Handelsforschung wiederholt und frühzeitig hingewiesen worden. Im Jahre 1987 wurde aus Selex + Tania Markant; der Firmensitz wurde von Offenburg nach Pfäffikon, Schweiz, verlegt. Damit fand die Untersagung der Zusammenarbeit zwischen Selex und Tania durch das Bundeskartellamt im Jahre 1985 ihren Abschluß. Durch die Einheitliche Europäische Akte im Jahre 1987 begann eine Intensivierung der Supranationalisierung des Rechtsrahmens. Davon wurde auch der Binnenhandel betroffen. Der im Herbst 1989 eingeführte Dienstleistungsabend mit längeren Ladenöffnungszeiten am Donnerstag war das erste Beispiel für eine Auflockerung der strengen Ladenzeitregelung in der Bundesrepublik Deutschland. 33 Vgl. Berg, Hartmut Ist die Auffassung der Berliner Bundesbehörde über Nachfragemacht nur auf Sand gebaut?, in: Handelsblatt, 41. Jg., Nr. 66, 7. April 1986, S. 23.

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ln den achtziger Jahren und in den beginnenden neunziger Jahren sind die wesentlichen handelsrelevanten Regelungen zur Umweltschutzpolitik entstanden.

Schwerpunkte der Handelsforschung ln den achtziger Jahren beginnt der Siegeszug der Berater als Handelsforscher. Durch Berater wurde seit den siebziger Jahren das Lebenszyklus- und Portfolio-Denken gefördert. Berater und Softwarehäuser entwickeln Warenwirtschaftssysteme und sonstige interne lnformationsprogramme. Durch Berater mit Unterstützung von Unternehmen wurden Data-Base-Marktbearbeitung und Weiterentwicklungen von Erfolgsrechnungskonzepten, so DPR, entwickelt. Nach den Vorläufern von Procter & Gamble und McKinsey in den USA zu Beginn der achtziger Jahre brachte das Food Marketing Institute im Jahre 1985 ein Direct-Product-Profitability-Programm auf PC-Basis mit Lotus 1-2-3. Seit den ersten empirischen Studien mit gleichen Fragestellungen in den USA (Eagle, Bird's Eye) waren rd. 25 Jahre vergangen . Praktikable Vorschläge zur Neuentwicklung und Verbesserung von Betriebstypen ergaben sich aus Studien und Berichten der empirischen Handelsforschung über Fachmärkte. Eine Renaissance erfuhren in den achtziger Jahren Forschungen zur regionalen Handelsforschung, dort auch zur City- und zur Städteforschung unter besonderer Berücksichtigung der Einzelhandels- und Großhandelskapazitäten sowie der Beziehungen zwischen Verkehr und Handel. Durch die Möglichkeiten des Scanning entstanden neue Erhebungs- und Auswertungskonzepte über die Marktentnahme der Konsumenten im Handel. in den achtziger Jahren sind durch die EG-Initiativen die ersten Studien zur ·Internationalisierung im Handel entstanden. Im gleichen Zeitraum liegen auch die Schwerpunkte der Forschungen auf Positionierungs-, Profil- und ldentitätsstragien im Handel, so Werke von Ludwig G. Poth, Ludwig Berekoven oder Wolfgang Oehme. Das ifo Institut war in den achtziger Jahren mit folgenden Veröffentlichungen

42

an der Handelsforschung beteiligt: - Kooperation im Einzelhandel (1982) 34 , - Die Warendistribution in der Bundesrepublik Deutschland (1984) 35 , - Die Außenhandelsunternehmen in der Europäischen Gemeinschaft (1985) 36 . Besonders hervorzuheben ist die mehrbändige Analyse der Kooperation im Großhandel. 37 Ende der achtziger und zu Beginn der neunziger Jahre entstanden mehrere Veröffentlichungen zum SelbstbedienungsgroßhandeL

1.5.

Die neunziger Jahre

Zur Dynamik im Handel Das auch den Handel dominierende und am meisten beeinflussende Ereignis zu Beginn der neunziger Jahre war die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, der die Wirtschafts-. Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 vorausgegangen war. Für alle westdeutschen Handelsunternehmen begann eine Art Feldzug nach Osten, der noch nicht abgeschlossen ist. Bereits seit der Öffnung der Mauer am 9. November 1989 hatten Handelsbetriebe begonnen, sich in der ehemaligen DDR durch Lieferungen von Waren zu engagieren, ohne zu wissen, welche materiellen Konsequenzen dies haben Batzer, Erich; Greipl, Erich; Täger, Uwe: Kooperation im Einzelhandel, (Duncker & Humblot) Berlin-München 1982. 35 Batzer, Erich u. a.: Die Warendistribution in der Bundesrepublik Deutschland, lfo Studien zu Handels- und Dienstleistungsfragen, Nr. 24, hrsg. v. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1984. 36 Batzer, Erich; Ziegler, Rainer: Die Au~enhandelsunternehmen in der Europäischen Gemeinschaft: Funktionen, Strukturen, Wettbewerb, erstellt für die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1985. 37 Batzer, Erich; Lachner, Josef; Meyerhöfer, Waller: Die handels- und wettbewerbspolitische Bedeutung der Kooperationen des Konsumgüterhandels, ifo Studien zu Handelsund Dienstleistungsfragen, Nr. 36, Bd. 1: Allgemeiner und zusammenfassender Teil, Bd. 2: Branchen: Nahrungs- und Genu~mittel, Möbel, Spielwaren, Elektroartikel, Bd. 3: Branchen: Textilien und Bekleidung, Schuhe, Sportartikel, Haushaltswaren, Fotoartikel, hrsg. v. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1989. 34

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würde. Große Unternehmen hatten sich entschieden, hohe Risiken einzugehen. Weitere Einflüsse werden vom Binnenmarkt und den ab 1993 veränderten Regelungen und vor allem von der Osteuropaöffnung auf den deutschen Handel ausgehen. Kurzfristig sind aus der Ostöffnung weitergehandere Einflüsse als aus dem Binnenmarkt zu erwarten. Die beginnende Ökologisierung der Wirtschaft wird im Handel zu vielen Veränderungen führen. Ein totales Recycling wie auch die Befassung mit alten Deponien und sonstigen ökologischen Altlasten werden zu neuen Handelsund Produktionskonzepten führen.

Zur Entwicklung der Binnenhandelspolitik Die rechtlichen Regelungen der Wiedervereinigung wirken auf den Handel in Deutschland, so vor allem das Eigentumskonzept und die gewollte Zerschlagung der Groß- und Einzelhandelsstrukturen der ehemaligen DDR. Die Wirtschaftspolitik und die Binnenhandelspolitik werden zunehmend durch die Innovationen in den Bereichen neue Medien - Ökologie - Biotechnik geprägt. Gesetze zur Verhinderung der Monopolisierung der Logistik aus ökologischen Gründen und damit eine Einbeziehung der Güterverkehrspolitik in die Binnenhandelspolitik stehen ins Haus.

Schwerpunkte der Handelsforschung Die Handelsforschung begleitet den Wiedervereinigungsprozeß. Andere Themen sind auf Zeit in den Hintergrund getreten. ln den neunziger Jahren wird der Handelsforschung die Osteuropaöffnung überdies ein großes Betätigungsfeld bieten. Dazu kommt die Befassung mit dem Binnenmarkt. Die Forschungsarbeiten über Hersteller-Handels-Beziehungen in Form des Kontraktmarketing, Trade Marketing, Kategoriemanagement laufen gerade an.

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Damit beginnt ein harmonisiertes zweidimensionales Systemmarketing mit neuartigen, dem Hauruck-Wettbewarb fremden vertikalen Abstimmungen zwischen Hersteller und bedeutenden Handelssystemen sowie mit horizontalen Abstimmungen innerhalb eines Handelssystems sowie durch den Hersteller und zwischen konkurrierenden Handelssystemen. Zu erwarten sind neue Arbeiten über die Betriebstypenpolarisierung zwischen Mehrbranchendiskontanbietern und hochspezialisierten Serviceanbietern. Eine aktuelle Studie des ifo Instituts befaßt sich mit den Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten des deutschen Großhandels im europäischen Binnenmarkt.38 Die empirischen Untersuchungen bestätigen viele der Hypothesen über Binnenmarktwirkungen. Als eine der jüngsten Arbeiten des ifo Instituts ist eine umfassende Analyse - und dies erstmalig in Deutschland - über Großhandel, Handelsvermittlung und Einzelhandel entstanden.39 Im Jahre 1991 erschien eine Untersuchung über den Großhandel in den neuen Bundesländern.40 ln den neunziger Jahren ist durch die Binnenmarkt- und die Osteuropaöffnung eine Renaissance der Behandlung des Großhandels zu erwarten. Hier kann man nur wünschen, daß die von Erich Batzer, Erich Greipl und Helmut Laumer begründete Tradition fortgesetzt wird. Eine rapide Weiterentwicklung der Forschung ist durch die Auswertung von Daten aus betrieblichen lnformationssystemen, so insbesondere von Scanner-Daten oder Daten aus Kunden-Datenbasen, zu erwarten. Dabei werden auch anspruchsvolle statistische Methoden, so das Gonjoint Measurement, eingesetzt werden. 38 Batzer, Erich u. a.: Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten des deutschen

Groj)handels im europäischen Binnenmarkt, ifo Studien zu Handels- und Dienstleistungsfragen, Nr. 38, hrsg. v. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1990. 39 Vgl. Batzer, Erich u. a.: Der Handel in der Bundesrepublik Deutschland - Strukturelle Entwicklungstrends und Anpassungen an veränderte Markt- und Umfeldbedingungen -, Teil 1: Handel in der Gesamtwirtschaft - Groj}handel - Handelsvermittlung; Teil II: Einzelhandel - Handel im internationalen Vergleich - Zusammenfassung, ifo Studien zu Handels- und Dienstleistungsfragen, Nr. 40, hrsg. v. ifo-lnstitut für Wirtschaftsforschung, München 1991. 40 Vgl. Batzer, Erich; Lachner, Josef; Täger, Uwe Chr.: Der Groj)handel in den neuen Bundesländern, ifo Studien zu Handels- und Dienstleistungsfragen, Nr. 41, hrsg. v. lfo-lnstitut für Wirtschaftsforschung, München 1991.

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Einen weiteren Schwerpunkt der Handelsforschung werden in naher Zukunft Ökologiefragen bilden. Wichtige neue Forschungsfelder entstehen im Schnittstellenbereich zwischen neuen Medien, Ökologie und Verkehr. So wird der Versandhandel in Zukunft aus ökologischen Gründen keine Kataloge im bisherigen Umfange mehr herausbringen können, obwohl in der Recyclierbarkeit große Fortschritte gemacht worden sind. Bereits heute wird mit dem Chip-Katalog experimentiert. Wichtig dürften Untersuchungen über die Substitution von Verkehr durch neue Medien und auch über die Substitution von Einkaufsverkehr sowie von Ladenflächen durch neue Medien werden. Man wird sich damit befassen, ob die Hauszustellung - getrennt vom Warenpreis - günstiger wird als die Einkaufsfahrt mit dem Automobil. Mediale Bestellungen erleichtern dieses System.

1.6. Zusammenfassung der bisherigen Entwicklung ln den nachfolgenden Übersichten werden die bereits dargelegten historischen Aspekte von Handel, Binnenhandelspolitik und Handelsforschung in Deutschland seit Beginn der fünfziger Jahre zusammengefaßt.

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Übersicht 1 Handel, Binnenhandelspolitik und Handelsforschung in Deutschland von 1950 bis 1959 Handel

Binnenhandelspolitik

Handelsforschung

Dominanz der lndustrie Selbstbedienung

GWB (1958)

Konzentration

Ladenschlußgesetz (1956) Verbraucherzentralen (1958- 1961)

Wettbewerb Handel Handwerk

C&C Erste Diskontwelle

Markenartikel Selbstbedienung Großhandel (Konsumentenforschung) Betri~bsvergleiche

Raumökonomie

47

Übersicht 2 Handel, Binnenhandelspolitik und Handelsforschung in Deutschland von 1960 bis 1969 Handel

Binnenhandelspolitik

Handelsforschung

Zweite Diskontwelle

Stiftung Warentest

Preisdiskriminierung

Kaufkarten-Handel

Konditionen, FunkBaunutzun~sverordtionsrabatt nung (1968 EG-Wettbewerbspolitik Konzentration Eurogäische Koo~era- ~ooperation, Franchitions ekanntmac ung s1ng

Verbrauchermärkte Baumärkte

(1964)

(1968)

Mittelstandspolitik Handelsstatistik Projektionen über Nachfrage der Konsumenten Projektionen über Einzelhandel Branchenprojektionen EG- Handel Methoden der Standort- und Geschäftsflächenplanung Großhandelszentren Regionale Handelsforsctiung Ladenzeitanalysen Besucher- und Ladenfrequenzanalysen Imageforschung Fachhandel Verbrauchermärkte Diskonter Vertriebswege Vertragsvertrieb

Einkaufszentren Direktvertrieb Verbundgruppen Agentur- und Depotsysteme Franchising

Betriebsvergleiche

48

Übersicht 3 Handel, Binnenhandelspolitik und Handelsforschung in Deutschland von 1970 bis 1979 Handel

Binnenhandelspolitik

Niedergang der Bericht zur VerbraucherWarennäuser (ab politik 1973)

Drogeriemärkte Filialisierungsdynamik

Verbraucherrecht Dienststelle für Umweltund Verbraucherschutz bei der EG (1973)

Großfusion Nek- Verbot der Preisbindun~ kermann-Karder zweiten Hand (1974 stadt (1976) Nachfra1emachtdiskrimiGroßes Jointnierung 1974) Venture EdekaHorten Gemeinsame Erklärung

Handelsforschung Preisempfehlung Preisauszeichnung Einzelhandelsflächenregulierung Begriffskatalog E Ausleseprozeß im Handel Strategien für Großhandelszentren Wertedynamik

Strukturanalrsen -Großhande -Außenhandel Fusionskontrolle -Handelsvertreter Kooperationsförderung in -Einzelhandel Aktionsprogrammen zur EG-Markenvertrieb Leistungssteigerung (1975)

(1976)

Kooperation - Franchising Ländermittelstandsgesetze (ab 1974) Handelsimmobilien Europäische BaRatellbekanntmachung 1977)

Betriebstypenanalysen -Handelsvertreter -Warenhäuser -Diskonter -Cash-&-Carry -Direktvertrieb -Betriebstypenvergleich Europa-Handel Außendienstpolitik Sortimentspolitik Personalprobleme im Handel Kosten- und Leistungsrechnung Handelsinformationssysteme

4

~o-Kolloquium

49

Übersicht 4 Handel, Binnenhandelspolitik und Handelsforschung ln Deutschland von 1980 bis 1989

Handel Strukturbereinigung

Binnenhandelspolitik HandelsforschunQ Mittelstandsfibel (1980) Handelswettbewerb

Nachfragemacht von Konzentra 1on und Umweltschutzpolitik Kooperation Einheitliche EuropäiAnsätze für neue sehe Akte (1987) Medien Verbindun~

Öko-Recycling und Entsorgungshandel

Gruppenwettbewerb Kooperation und Wettbewerb Stadtmanaandel

Stadtmarketi~,

gement und

City- und Stadtforschung Neue Medien Industrie und Handel (Vertikalisierung)

Logistikdynamik

Handel in USA Handel in Japan Euromärkte Handelsinternationalisierung Eurohandel (Vergleiche) Handelsnetze Verkehr und Handel Handelslogistik Außenhande~häuser

Kooperation Fachmärkte Off-price Stores Factory Outlets Portfolio-Denken Data-Base-Marketing Scanning-Daten DPR Betriebstypenforschung Qualität im Handel

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Übersicht 5 Handel, Binnenhandelspolitik und Handelsforschung ln Deutschland von 1990 bis 1999 Handel

Binnenhandelspolitik

Handelsforschung

Handel in den neuen BundesIändern

Wiedervereinigung

Handel und Wiedervereinigung

Handel in Osteuropa

Europäische Binnenhandelspolitik -Europäischer Binnenmarkt -Europäischer Wirtschaftsraum

Handelseuropäisierung

Ostöffnung

Umweltprobleme

Handel in Osteuropa Einzelhandefsinternationalisierung Strategische Handelsallianzen Ökologie und Handel

Verkehrsprobleme

Strukturanalysen -Großhandel -Außenhandel -Handelsvermittlung -Einzelhandel

Elektronische Zahlungssysteme im Handel

Kontraktmarketing Kategoriemarketing Betriebstypenpolarisierung

4.

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2. Träger der Handelsforschung 2.1. Der Überblick Die Handelsforschung wird von öffentlichen und privaten Institutionen betrieben. Die bedeutenden universitätsgebundenen Institute der Handelsforschung sind im deutschsprachigen Raum: 1. ln Deutschland - die Forschungsstelle für den Handel Berlin (FfH) e. V., - das Handelsinstitut an der Universität des Saarlandes, - das Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln. Wünschenswert wären weitere Einrichtungen in Ostdeutschland. 2. ln der Schweiz und in Österreich - die Forschungsstelle für den Handel am Institut für Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen (1957), seit 1967: Forschungsinstitut für Absatz und Handel, - das Institut für Handelsforschung, Wien. 3. Dazu kommen die großen Wirtschaftsforschungsinstitute, teils mit ausgebauten Handelsabteilungen: - das ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München, - das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, - das Hamburger Weltwirtschaftsarchiv (HWWA), - das Kieler Institut für Weltwirtschaft, - das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Düsseldorf. Zu erwähnen sind weiter: - die GfK, Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e. V., Nürnberg, - das Deutsche Handelsinstitut, Köln. Das im Jahre 1990 gegründete Deutsche Handelsinstitut ist eine Gemeinschaftsinstitution der Wirtschaft, seit 1991 Deutsches Handelsinstitut GmbH, hervorgegangen aus dem Institut für Selbstbedienung (ISB) unter Integration

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der Rationalisierungs-Gemeinschaft des Handels (RGH). Die am 15. Juli 1964 auf Initiative von Rudolf Seyffert, Köln, gegründete Katalogkommission für die handels- und absatzwirtschaftliche Forschung wies in ihrem Katalog A in der 3. Ausgabe vom Dezember 1972 31 Hochschulinstitute, 15 Hochschulseminare und 12 gleichgestellte Forschungsinstitutionen aus, davon ausländische Einrichtungen in Graz, Linz und St. Gallen. Trotz der Namensänderung am 25. Mai 1973 in Kommission zur Förderung der handelsund absatzwirtschaftlichen Forschung war diesen Bestrebungen zur Dokumentation und Transparenz über Forschungsvorhaben kein Erfolg beschieden. Ungeeignete Selektionskriterien, vor allem auch die Ausschaltung von Beratungsunternehmen und die Selektion der Verbände, überzogene Koordinierungsinteressen und Versuche zur Monopolisierung von Forschungsgegenständen bei bestimmten Institutionen sowie manifeste Verbandsinteressen haben die Bemühungen der Katalogkommission zu Fall gebracht. Lediglich die Arbeiten am Katalog E mit den Begriffen aus Handel und Absatzwirtschaft werden fortgesetzt. Handels-, Verbraucher- und lndustrieverbände, so der Markenartikelverband und der Deutsche Industrie- und Handelstag, befassen sich mit Forschungsprojekten über Handelsfragen. Beispielhaft seien die Analysen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels erwähnt. Weitere Träger der Handelsforschung sind die Verbänden angegliederten Betriebswirtschaftlichen Beratungsstellen, so die frühere Betriebswirtschaftliehe Beratungsstelle für den Einzelhandel (BBE), Köln, heute BBE-Unternehmensberatung GmbH. Auch Verbundgruppen und Unternehmen beteiligen sich an der Handelsforschung. Zeitungen und Zeitschriften bzw. Verlage haben in zunehmendem Umfange Handelsanalysen, meist Betriebs- und Vertriebstypenanalysen sowie Branchenanalysen, in ihr Serviceprogramm für ihre Anzeigenkunden aufgenommen. Beispiele sind Gruner + Jahr oder der Bauer-Verlag, beide Hamburg.

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Zu den bemerkenswerten Forschungsergebnissen der Lebensmittel-Zeitung gehört z. B. die Analyse der Flopraten von Lebensmitteln: von 1 134 Produkten, die im Jahre 1980 als Neuheiten in den Stammordersätzen enthalten waren, waren 965 im Jahre 1984 darin nicht mehr vertreten, dies entspricht einer Floprate von 85 %. Die Zeitschrift "Lebensmittel-Praxis" folgte seit 1986 mit Analysen der zehn erfolgreichsten Produktinnovationen der letzten zwölf Monate. "Food und Non-food" (heute EuroMagazin) hat bereits im Jahre 1980 die Bereitschaft der Verbraucher zum Konsum innovativer Produkte analysiert. Bedeutend waren in den fünfziger und sechziger Jahren direkte oder indirekte Spin-offs: Aus dem Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln erwuchsen die BBE (1953), die Rationalisierungs-Gemeinschaft des Handels, das Institut für Selbstbedienung - heute das Deutsche Handelsinstitut, alle Köln. Dazu kommt das Handelsinstitut an der Universität des Saarlandes. Letztlich sind alle diese Einrichtungen aus der Schule von Rudolf Seyffert hervorgegangen. Daneben stehen eigene Entwicklungen, so die Handelsabteilung im ifo Institut. Auch die GfK, Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e. V., Nürnberg, ist hier zu nennen. Im Zeitablauf läßt sich die Verbreiterung der Basis der Handelsforschung wie folgt skizzieren: 1. die Spin-offs aus bestehenden universitätsnahen Einrichtungen, 2. die eigenen Entwicklungen der großen außeruniversitären Forschungsinstitute mit zunehmenden handelsbezogenen Themen, 3. Forschungsaktivitäten in Verbänden der Wirtschaft, 4. Forschungsinitiativen von Verbundgruppen und Unternehmen, 5. die Entwicklungen von Beratungen mit dem Schwerpunkt im Handel und in der Absatzwirtschaft, oft durch frühere Mitarbeiter der universitären und nicht-universitären Forschungsinstitute, 6. das Eindringen der großen amerikanischen Beratungsgesellschaften mit starker Handels- und Absatzorientierung, 7. das Aufkommen der Fachhochschulen mit dem Bestreben der dortigen Hochschullehrer, sich an der Forschung zu beteiligen.

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Die Literatur über den Handel wird inzwischen aus den Fachhochschulen 41 und von Beratungspraktikern42 mitgeprägt Aus diesen übersichtsartigen Aufzählungen mag der Eindruck entstehen, daß es viel Handelsforschung gibt. Dies ist keineswegs der Fall. Faktum ist, daß die Universitäten und die universitätsnahen Institute wegen fehlender Mittel von der Forschung mehr und mehr ausgeblendet werden. Faktum ist weiter, daß sich die Forschung tendenziell in die Beratungsunternehmen verlagert. Hier seien beispielhaft als zeitlich als erste damit befaßte Unternehmen die Prognos AG oder Roland Barger genannt. Immer mehr Gewicht haben in Europa die amerikanischen Beratungsunternehmen, die teilweise auch als Wirtschaftsprüfungsunternehmen tätig sind oder zumindest daraus hervorgegangen sind: Boston Consulting, McKinsey, Arthur Anderson, Cooper and Lybrand.

Die internationale Handelsforschung Der Anteil der internationalen Handelsforschung oder auch der Rezeption von Ergebnissen der ausländischen Handelsforschung ist niedrig. Die Handelsforschung war frühzeitig · siehe Josef Hellauers "Welthandelsleh· re" • global orientiert. Abgesehen von dem Lehrauftrag von Robert Ringel, Bundesstelle für Außenhandelsinformation, in den fünfziger Jahren in Köln und Arbeiten zum internationalen Marketing (Hans Günther Meissner, Ludwig Berekoven) blieb der internationale Zweig der Handelsforschung wenig ausgeprägt. Erst spät sind an deutschen Universitäten, z. B. Dortmund und Saarbrücken (1991). Lehrstühle für Außenhandel und Internationales Management geschaffen worden.

41 Vgl. Falk, Bernd; Wolf, Jakob: Handelsbetriebslehre, 1 o. Aufl. (1. Aufl.), (Verlag Moderne Industrie) Landsberg a. L. 1991 (1971); vgl. Lerchenmüller, Michael: Handelsbetriebslehre, (Friedrich Kill Verlag) Ludwigshafen 1992. 42 Oehme, Wolfgang: Handels-Marketing - Entstehung, Aufgabe, Instrumente, 2. Aufl. (1 Aufl.), (Verlag Franz Vahlen) München 1992 (1983).

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Beiträge anderer Forschungsbereiche Die empirische Sozialforschung und die Marktforschung haben durch Konsumentenanalysen wie auch durch Produkt- und Ladenlayoutstudien Beiträge zur Handelsforschung geleistet. ln den siebziger Jahren wurden die Konzepte der Marktwirkungsfunktionen zur Erfassung der Konsumentendynamik verfeinert und die Einflüsse des Lebensalters und des Lifestyling für den Handel, vor allem für die Betriebs- und Vertriebstypen des Einzelhandels, erkannt und überwiegend in den achtziger Jahren umgesetzt.

Die Handelsforschung in den neuen Bundesländern und ln Osteuropa ln den neuen Bundesländern und mehr noch in Osteuropa entstehen durch die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Umorientierung auf Demokratie und Marktwirtschaft eigenständige Forschungsaufgaben. Den Bestrebungen zur Auflösung der Handelshochschule Leipzig, im Jahre 1898 gegründet, Vorläufer zahlreicher anderer Handelshochschulen, die inzwischen Universitäten sind, so Aachen (1898), Köln (1901 ), Wien (1899) oder Mannheim, wird weder von der Handelspraxis noch der Handelswissenschaft energisch genug widersprochen. ln Ostdeutschland und Osteuropa entstehen zahlreiche eigenständige Forschungsaufgaben, die möglichst auch durch in Ostdeutschland und in den Reformstaaten ansässige, universitätsgebundene oder universitätsnahe Institute bearbeitet werden sollten, nicht zuletzt, um einen Transfer in die universitäre Ausbildung zu sichern. Ein Aufbau leistungsfähiger Institutionen der Handelsforschung in den neuen Bundesländern und in Osteuropa ist nur durch intensive Kooperations- und Partnerschaftsprogramme möglich. Dies bedeutet: Die Tätigkeit von marktwirtschaftlich nicht geschulten Mitarbeitern in den alten Bundesländern und von westdeutschen Forschern in Ostdeutschland und Osteuropa.

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Handelsforschung im Ausland ln den letzten Jahrzehnten hat sich mindestens in folgenden Ländern eine tragfähige Handelsforschung entwickelt, die in Deutschland bisher wenig wahrgenommen wird: - USA, - Großbritannien, - Frankreich,

Italien, Niederlande Schweden.

An Handelsarchiven, die die Entwicklung des Handels in der Nachkriegszeit dokumentieren, besteht weder in Hochschulen noch in außeruniversitären Instituten Interesse, weil jedermann die Kosten der Pflege scheut. So läßt sich z. B. für das wertvolle Handelsarchiv des ehemaligen Kaufhof-Managers Kurt Henkel aus Darmstadt keine Heimat finden.

2.2. Zur Situation an den Universitäten Im deutschsprachigen Raum gibt es an Universitäten nur 10 handelswissenschaftliche Lehrstühle, denen rd. 80 Marketinglehrstühle gegenüberstehen, von denen sich einige wenige auch mit Handelsfragen befassen.

Die Verbannung der Forschung aus den Universitäten Bei den Herausforderungen an die Forschung, in einer immer komplexere" Weit oparationale Vorschläge zur Weiterentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft zu erbringen, ist die Trennung zwischen Lehre und Forschung, wie sie sich jetzt an den Universitäten weitgehend vollzieht, das.genaue Gegenteil dessen, was benötigt wird. Die Trennung zwischen Lehre und Forschung an den Universitäten ergibt sich aus mehreren Gründen: Einmal werden die Universitätentrotz rapide steigender Studentenzahlen von Sparprogrammen überzogen, durch die die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter je Lehrstuhl auf zwei bis drei beschränkt wird, so daß neben der Lehre kein Mitarbeiter für die Forschung bleibt. Zum anderen wird die praxisfinanzierte Forschung zunehmend aus Universitätsinstituten

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oder "An"-lnstituten, die für die Handelsforschung typisch waren, in universitätsunabhängige Einrichtungen und in Beratungsfirmen sowie Verbände ausgegliedert. Eine Verbindung zwischen den praxisorientierten Einrichtungen und den Universitätsinstituten besteht praktisch nicht, sie wird teilweise auch nicht gewünscht.

Die Entwicklung der Hochschulen Die Qualifikation der Lehre an den Hochschulen ist eine Grundlage für die Forschung. Zur Zeit sind qualifizierte und geeignete Mitarbeiter für die wissenschaftliche Laufbahn kaum mehr zu gewinnen. Die Universitäten befinden sich in der Wirtschaftswissenschaft vor einer ziemlich desaströsen Nachwuchssituation, die nach dem meist noch vor dem Jahre 2000 erfolgenden Ausscheiden der jetzigen Akteure zu bisher kaum angedachten ungewöhnlichen Rekrutierungsritualen zwingen wird. Ohne eine konsequente Integration von Mitarbeitern außeruniversitärer Forschungsinstitute, auch aus qualifizierten Beratungsunternehmen und nicht zuletzt aus Unternehmen und Verbänden, wird es nicht gehen. Es ist höchste Zeit, daß sich Wirtschaft und Politik möglichst umgehend weiterführende konzeptuelle Gedanken machen. Die Universitäten wie auch die außeruniversitären Forschungsinstitute stehen vor dem Problem, den Nachwuchs zu gewinnen, den sie benötigen. Hier entstehen grundsätzliche Probleme: Eine Gesellschaft, die nicht mehr in der Lage sein will, ihre jungen Menschen bestmöglich auszubilden, wird ihre globale Position nicht behaupten können. Da der Stellenwert von Wissenschaft und Forschung in der Gesellschaft ten·denziell sinkt, verschärft sich das Problem weiter.

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Zur Trennung von Grundlagenforschung und anwendbarer Forschung43 ln der Regel wird den Universitäten nach wie vor die Aufgabe der Grundlagenforschung, den nicht-universitären Instituten und Einrichtungen sowie den von Verbänden und Unternehmen getragenen Einrichtungen die Aufgabe der anwendbaren Forschung zugeordnet. Im Interesse einer an der Wirtschaftspraxis orientierten Handelsforschung ist eine stärkere gegenseitige Durchdringung zwischen methodischer und theoretischer Grundlagenforschung einerseits und der Lösung empirisch relevanter Probleme andererseits eine zentrale und unerläßliche Forderung. Die aufgrund einer Analyse der Wirtschaftsforschungsinstitute vom Wissenschaftsrat vertretene Position über die Aufgabenteilung zwischen universitären und außeruniversitären Wirtschaftsinstituten erscheint eher kurzsichtig. So wurde die Zuständigkeit für die Weiterentwicklung wirtschaftswissenschaftlicher Theorien und Methoden den Universitäten, die Erfüllung des aktuellen Beratungsbedarfs der Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung hingegen den außeruniversitären Wirtschaftsinstituten zugeordnet. Durch die Erfahrung der letzten Jahrzehnte wird bestätigt, daß Forschungseinrichtungen innerhalb oder an Universitäten den wissenschaftlichen wie ausbildungsmäßigen Rang erhöhen, wenn sie sowohl Kompetenz bei Grundlagen- als auch bei Anwenderproblernen haben. Man darf nicht übersehen, daß eine Beschränkung auf die theoretische Forschung mit einem Kompetenzverlust der Universität für das Verständnis der Probleme der Realität verbunden ist. Umgekehrt kann man es nur begrüßen, wenn Institute außerhalb von Universitäten, so ifo oder DHI, möglichst auch Forschung betreiben. Mehr Durchlässigkeit wäre zweckmäßig.

43 Vgl. Tietz, Bruno: Binnenhandelspolitik, (Verlag Franz Vahlen) München 1986, S. 547 ff.

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2.3. Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis in den Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis gibt es zwei zentrale Transferprobleme: die Durchführung des Transfers von Forschungsergebnissen zwischen Wissenschaft und Praxis und das Herantragen von forschungsrelevanten Themen aus der Praxis an die Wissenschaft. Es ist erstaunlich, daß trotz der enormen Zunahme der Zahl der Hochschulabsolventen und trotz der Zunahme an wissenschaftlichen Informationen die Integration zwischen Unternehmen, politischen und sonstigen Entscheidungsträgern und Wirtschaftswissenschaft nach wie vor unbefriedigend ist. Pluralismus und Partikularegoismus, auch fehlender Realitätssinn mit der Konsequenz gegenseitiger Überforderung und damit auch harter gegenseitiger Kritik sind Hemmschuhe für offene Kontakte und Transfermöglichkeiten. Die Gründe, die die gegenseitigen Beziehungen hemmen oder fördern, sind vielfältig und von Fall zu Fall unterschiedlich. 44 Einige Aspekte seien erwähnt: 1. Transferhemmende Faktoren zwischen Wissenschaft und Praxis: - Die Sprache der Wissenschaft wird in der Praxis nicht verstanden. - Die Art der zukunftsbezogenen Aussagen wird mißverstanden, z. B. die Abhängigkeit der Aussagen von Annahmen oder die Unterschiede zwischen Momentum-, Wahrscheinlichkeits- und Zielprognosen. - Die Beziehungen zwischen Forschungsergebnis und Umsetzbarkeil werden nicht deutlich. 2. Transferhemmende Faktoren zwischen Praxis und Wissenschaft: - Die Offenheit bei der Problemdarstellung ist begrenzt. - Das Vertrauen in die Problemlösungsbeiträge ist gering. - Die Gefahr der Nichtbestätigung der eigenen Meinung behindert die Kommunikation. - Die Bereitschaft, auf Ergebnisse zu warten, fehlt.

44

Vgl. auch Tietz, Bruno: Binnenhandelspolitik, (Verlag Franz Vahlen) München 1986.

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- Man will Ergebnisse allein haben und nicht mit anderen teilen.

45

Zentrale Akzeptanzbarrieren der Praxis gegenüber den Forschungsergebnissen der Wissenschaft beruhen nicht zuletzt auch auf der Widersprüchlichkeil einzelner Ergebnisse. Zur Vermeidung eines weiteren Konsenszerfalls in der Gesellschaft, vor allem zwischen wirtschaftlichen Entscheidungsträgern und Wirtschaftsforschern, werden die Wissenschaft und die Wirtschaft mehr als in der Vergangenheit zur Schaffung tragfähiger Transferrituale aufgerufen sein. Man wird sich auch intensiver mit der Ausbildungsinfrastruktur auseinandersetzen müssen, d. h. mit der Optimierung der Institutionen des Bildungswesens. Die Diskrepanz zwischen den berufsbezogenen Fähigkeiten von Absolventen eines naturwissenschaftlichen Studiums und denen der Wirtschaftsund Sozialwissenschaften ist zur Zeit sehr hoch. Die Abhilfe besteht darin, die Ausbildungsprogramme besser an den Anforderungen der Wirtschaftspraxis auszurichten.

2.4. Zur Forschungspolitik für den Handel Die Förderung der Handelsforschung liegt in der Finanzierung von Forschungsprojekten durch den Staat, so Bundes- und Landesministerien, wie auch durch die Wirtschaft. Eine konsequent dauerhafte Förderung gibt es nicht, eher eine mehr oder minder an aktuelle Probleme angeknüpfte Vergabetechnik. Der Staat beteiligt sich tendenziell nur in geringem Umfange an der Finanzierung der Handelsforschung. Im Prinzip entsteht die Förderung der Handelsforschung durch Unternehmen, teilweise auch durch Verbände über Forschungsaufträge oder Beratungsaufträge. Auch dieses Volumen ist bescheiden. ln diesem Zusammenhang muß man weiter die Frage stellen, auch im Hinblick auf die neuen Forschungsaufgaben, ob man hier die Entwicklung innerhalb 45 Vgl. auch Tietz, Bruno: Binnenhandelspolitik, (Verlag Franz Vahlen) München 1986, S. 552.

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und außerhalb der Universitäten einfach laufen lassen will oder was geschehen soll. Von der Beantwortung dieser Frage ist auch abhängig, wie Handelsforschung in den neuen Bundesländern betrieben werden soll und welche Mitwirkung der deutschen Handelsforschung in Osteuropa möglich sein kann. Ohne eine weitaus intensivere und teilweise auch konzertierte Förderung der Handelsforschung durch Staat und Wirtschaft werden bereits in den nächsten Jahren Defizite deutlich werden, die negative Einflüsse auf die Außen- und Binnenhandelspolitik und auf die Unternehmenspolitik im Handel haben können. Es geht hier nicht um konkrete Forderungen, sondern nur darum, daß in Politik, Verbänden und Unternehmen eine Vorstellung darüber entwickelt werden muß, welche und wieviel Handelsforschung und auch akademische Ausbildung für den Handel in den nächsten Jahren erforderlich sind und was dafür zu tun ist.

3. Die Paradigmen der Handelsforschung 3.1. Der Gegenstand Hypothesen über die Abläufe von Forschungsprozessen wurden von Kuhn 46 im Jahre 1962 durch die Einführung des Konstruktes des Forschungsparadigmas vorgelegt. Kuhn unterscheidet normale Zeiten und Krisenzeiten. ln normalen Zeiten sind die Forscher sich weitgehend einig, in Krisenzeiten beginnt eine Unruhe und Unzufriedenheit. Richtungskämpfe werden ausgelöst. 47 Die vorherrschenden Paradigmen werden angegriffen, neue Paradigmen entstehen. Bei einem einheitlichen Paradigma arbeiten die anerkannten Forscher nach gleichen Methoden, verwenden oft gleiche Begriffe und haben einen einheitlichen Wertehimmel über das, was in einem Fachgebiet wichtig und unwichtig

46 47

Vgl. Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, (Suhrkamp-Verlag) Frankfurt a. M. 1976. Vgl. auch Kroeber-Riel, Werner: Konsumentenverhalten, 4. Aufl., (Verlag Franz Vahlen) München 1990, S. 17 ff.

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ist und damit auch darüber, womit man sich wie beschäftigt und was man lieber bleiben läßt. Im Durchsetzungsprozeß eines neuen Paradigmas hat bei der empirischen Forschung die Anerkennung durch die Praxis einen nicht unerheblichen Anteil.

3.2. Ausgewählte Paradigmen Die Aussageklassen der empirischen Forschung Einheitlich ist heute der Kanon der Aussageklassen von Forschungsergebnissen: - Analyse, - Erklärung, - Projektion, - Bewertung und Beurteilung, - Entscheidungshilfe. ln der ifo Jubiläumsschrift aus dem Jahre 1979 wurden fünf Tätigkeitsfelder der empirischen Wirtschaftsforschung genanne8 - Theorie, - Prognose, - Wirtschaftspolitik, - Datensammlung, - Datenaufbereitung.

Die Zeitigkelt der Handelsforschung Nach den Beziehungen zwischen der Situation und Entwicklung des Handels und der Handelsforschung kann man vereinfacht unterscheiden: 1. die nachlaufende Handelsforschung, auch historische Handelsforschung,

48

Vgl. Marquard, Wilhelm (Hrsg.) : Dreissig Jahre Wirtschaftsforschung im lfo-lnstitut 1949-1979, hrsg. v. lfo-lnstitut für Wirtschaftsforschung, München 1979, S. 13.

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2. die begleitende Handelsforschung, 3. die vorlaufende projektive Handelsforschung. Nach wie vor hat die den Entwicklungen in der Praxis nachlaufende explikative Handelsforschung die größte Bedeutung. Es wird analysiert und gewertet, was war und was ist. Nur selten ist die Handelsforschung begleitend tätig, ganz abgesehen davon, daß solche Begleitungen ohne geeignete Qualifikation der Begleitforscher wenig hergeben. Dies haben Begleitversuche bei neuen Medien, so Btx, gezeigt. Vereinzelt hat es gute Ergebnisse begleitender unternehmensbezogener Handelsforschung in den Bereichen Betriebstypenpolitik, Layoutpolitik oder Sortimentspolitik gegeben. Die vorlaufende projektive Handelsforschung wurde nachgewiesenermaßen von zwei Institutionen zu Beginn der sechziger Jahre entwickelt: - vom Handelsinstitut an der Universität des Saarlandes mit den ersten Projektionen in Deutschland über Einzelhandel und Einzelhandelsflächen und - vom ifo Institut in München. Ein altes arabisches Sprichwort sagt: "Wer etwas vorhersagt, der lügt, selbst wenn er die Wahrheit sagt." Dennoch bleibt der Bedarf an zukunftsorientierten Aussagen hoch. Vieles an Voraussagen war auch im Handel zutreffend. Die klassischen statischen und ökonometrischen Projektionen wurden im Handel bereits in der Vergangenheit durch den Einbau optionaler und im Zeitablauf variabler Einflußgrößen ergänzt. Die Szenariokonzepte sind jedoch längst noch nicht ausgeschöpft. Noch zwei weitere allgemeine Beispiele: Immer hat es frühzeitig Voraussagen gegeben, die eingetroffen sind: ln der Unternehmenszentrale von Shell wurde seit 1968 daran gearbeitet, in Anbetracht der Abhängigkeit der Erdölversorgung von den arabischen Staaten die Auswirkungen einer Erdölpreiserhöhung zu analysieren. Shell hat dadurch nach dem Erdölschock von 1973 eine

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weit überdurchschnittliche Wachstums- und Gewinnentwicklung genommen.49 Marvin Cetron kommt m. E. das Verdienst zu, bereits im Jahre 1982 (amerikanische Originalversion) in einem Buch die Wiedervereinigung Deutschlands vorausgesehen zu haben, was in Deutschland praktisch nicht zur Kenntnis genommen wurde: "Die eine politische Veränderung von größter Bedeutung wird die Wiedervereinigung Deutschlands sein. Rechnen Sie damit. Der Prozeß hat bereits begonnen."50 Cetron erwartete die Wiedervereinigung um 1995. Eine Vorahnung über Veränderungen in Osteuropa war weiter verbreitet. Aber der Zeithorizont lag eher später.

Paradigmen gegen die empirische Forschung Durch die Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften und die überzogenen und überheblichen Versprechungen der Leistungsfähigkeit der Operations Research ist die empirische Forschung in vielen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre in den sechziger und siebziger Jahren zurückgedrängt worden. Vor allem klassische Instrumente wurden teilweise ohne jede Selbstkritik der Fachvertreter abgewertet. Dies betrifft in der empirischen Handelsforschung vor allem den Betriebsvergleich, dessen Wert für Theorie und Praxis noch keineswegs ausgeschöpft ist, wie kürzlich auch Müller-Hagedorn, der heute das Institut für Handelsforschung in Köln leitet, diskutiert hat. 51

Analytische und narrative Forschung Durch philosophische Arbeiten der letzten Jahre ist der Erkenntnisgewinnungsprozeß in einen analytischen und damit klassisch-wissenschaftlichen

49 Vgl. Schwartz, Peter: The Art of the long View, (Doubleday) New York 1991 .

50

51

Cetron, Marvin; O'Toole, Thomas: Begegnungen mit der Zukunft: eine Prognose über das Leben bis ins 21. Jahrhundert, (Verlag für Au pergewöhnliche Publikationen) Wiesbaden 1983, S. 144. Vgl. Müller-Hagedorn, Lothar: Herausforderungen an die Unternehmen im Handel • die Beitrage der Forschung, in: Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung an der Universitat zu Köln, 44. Jg., 1992, Nr. 3, S. 37-41.

5 ifo·Kolloquium

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Prozeß und einen narrativen Prozeß untergliedert worden. 52 Bereits heute scheint erwiesen, daß analytische und narrative Erkenntnisse gleichwertig sein können. Beispielhaft seien die Arbeiten von Robert Nieschlag und Herbart Grass erwähnt, die aufgrund der Art der narrativen Darstellung von Forschungsergebnissen und von Praxisbeispielen große Wirkungen auf die Handelspraxis ausgeübt haben. Die Gefälligkeit und Unmittelbarkeit der Präsentation von Forschungsergebnissen ist eine wichtige Akzeptanzgrundlage. Weiter sind in Deutschland auch Einflüsse der amerikanischen Forschung nachzuweisen, in der die Beispieldarstellung einschließlich der Fallstudien zu Lasten der Systematik und Analytik im Vordergrund stehen. ln der deutschen Handelsforschung ist heute ein breiter Methodenpluralismus anzutreffen. Die Aufnahme von Ergebnissen der Mikrotheorie und auch deren Weiterentwicklung in der Handelsforschung sind ein Beispiel analytischer Erkenntnisgewinnung. Diese Entwicklung ist verbunden mit Namen wie Rudolf Gümbel, Paul Theisen, Hans-Hermann Weber. Ein weiteres neues Feld sind die nicht verbale Kommunikation und damit auch nonverbale Erkenntnisprozesse, z. B. Lernen und Wissen durch Bilder oder Filme, durch Pläne von Läden oder Einkaufszentren oder durch Besuche von Ladengeschäften oder Lägern. ln diesem Feld gibt es bereits zahlreiche pragmatische Ansätze. Die Forschung steht im Vergleich der Erkenntnisprozesse noch am Anfang.

Der funktionale und der institutionelle Forschungsansatz Nach dem Zweiten Weltkrieg begann bereits in den fünfziger Jahren eine Dominanz der funktionalen gegenüber der institutionellen Gliederung von Lehrstühlen und damit von universitärer Forschung. Den Lehrstühlen für Absatz- und Beschaffungslehre folgten die Marketinglehrstühle.

52 Lyotard, Jean-Franctois: Das postmoderne Wissen, hrsg. v. Peter Engelmann, (Hermann

Bohlaus Nachf. Gesellschaft) Graz-Wien 1986.

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Gerade diese, einem vorübergehenden Zeitgeist entsprechende, Neuorientierung der Lehrstühle hat wichtige institutionelle Forschungsfragen in den Hintergrund treten Jassen und die ganzheitlichen Ansätze in der Betriebswirtschaftslehre zurückgedrängt.

Fehlendes historisches, geographisches und anthropologisches Bewußtsein Eine weitere Schwäche der Wirtschaftswissenschaft und der Handelsforschung war nach dem Zweiten Weltkrieg die inhumane Asepsis mit einer Vernachlässigung aller zeitlichen, räumlichen und menschlichen Bezüge. Dies hat eine Zerrbildökonomie zur Folge gehabt, von der man sich zur Zeit langsam erholt. Heute fragt man sich, wie eine Wissenschaft so blind werden konnte. Wenn sich in der Handelsforschung wegen der Nähe zum realen Geschehen auch nicht die extremen Auswüchse der linearen Durchprogrammierung entwickelt haben, so hat der wissenschaftliche Zeitgeist der sechziger und siebziger Jahre der wissenschaftlichen Diskussion geschadet. So litten die Leistungen von Wissenschaftlern wie Eugen Leitherer oder Hans-Otto Schenk unter dem Zeitgeist. Die paradigmatischen Ansätze mit einer Wiederentdeckung des Menschen, z. B. das Rehumanisierungskonzept mit personalistischer Kunden-, Lieferanten- und Mitarbeiterorientierung, sind ein Beleg. 53 Hier werden auch in Zukunft weitere Forschungen erwartet.

Explorationsfetischismus Der Explorationsfetischismus hat zwar größere Bedeutung in der Konsumentenforschung, aber auch die Handelsforschung ist davon nicht frei. Miserable Fragebogentechnik und eine minime Anzahl von Erhebungseinheiten bei extremer Übernutzung anspruchsvoller statistischer Methoden unter 53 Vgl. Tietz, Bruno: Marktbearbeitung morgen - Neue Konzepte und ihre Durchsetzung,

(Verlag Moderne Industrie) Landsberg a. L. 1988.



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Vernachlässigung von deren lmplikationen, z. B. der Orthogonalität und damit der Unabhängigkeit von Variablen bei den multivariaten Standardanalysen, haben zu einer unübersehbaren Zahl von bestätigten und verworfenen Hypothesen geführt, oft genug mit extrem widersprüchlichem Inhalt. Die Hypothesitis (Hype mongers) bezieht sich auf das Kaufverhalten von Männern, Frauen und Kindern und erst recht von Lebensstilgruppen oder auch auf Besitzwünsche, Stil und Design. Hier liegt eine Krux weiter Teile der empirischen Sozialforschung. Vieles, aber längst nicht alles liegt an den fehlenden finanziellen Mitteln für vernünftige Erhebungen.

Grundlagenforschung und angewandte Forschung Die Qualität der wirtschafts'-, gruppen- und unternehmenspolitischen Entscheidungen hängt von der Qualität - hier von der empirischen Tragfähigkeit - der Theorie und der Methode zur Gewinnung und Beurteilung von Theorien ab. Daher ist in der Sozialwissenschaft im Objektbereich die Frage der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung kein Gegensatz, sondern des sequentiellen oder konsekutiven Aufeinanderfolgens. Die Weiterentwicklung der Handelsforschung wird gleicherweise durch die Entwicklung von zunächst nicht unmittelbar praxisbezogenen Theorien als auch durch unmittelbar auf praktische Ergebnisse gerichtete Forschungsarbeiten gefördert. Immer wieder werden zunächst rein theoretische Erkenntnisse in die Praxis übertragen. So hat das Schema der Handelsfunktionen von Oberparleiter (1918) das Funktionsabkommen von 1934 zwischen der Wirtschaftsgruppe Groß-, Ein- und Ausfuhrhandel und den Rückstand der deutschen Industrie mitbestimmt.54

54

Vgl. Schenk, Hans-Otto: Handelsforschung, in: Marketing Enzyklopädie, Bd. 1, (Verlag Moderne Industrie) München 1974, S. 891 -900, S. 893.

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Ein Grundproblem besteht darin, daß die Handelsforschung wie auch generell die empirische Wirtschaftsforschung eher zu wenig empirisch relevante Theorien und Entscheidungshilfen bereitstellen. Die Wahl der Forschungsschwerpunkte ist normativ. Jeder Forscher entscheidet mit, über was geforscht wird und worüber nicht. Dadurch entstehen Forschungslücken sowie Mehrfachbearbeitungen von Fragestellungen.

Zur Makro- und Mikroorientierung der Handelsforschung Zu den kategorialen Paradigmen der Handelsforschung gehört die aus der intensiven Beschaffungs- und Absatzmarkteinbindung beruhende Verknüpfung makroökonomischer und mikroökonomischer Fragestellungen. Dies kommt auch in den Titeln und Inhalten der beiden bekanntesten Lehrbücher, die die fünfziger und teils auch noch die sechziger Jahre dominiert haben, zum Ausdruck: - Josef Hellauer: - Rudolf Seyffert:

Welthandelslehre, 55 Wirtschaftslehre des Handels. 56

Die Handelsforschung hat seit eh und je eine Mehrpoligkeit, durch die sie klassische und noch vorherrschende Konventionen über Wissenschaftsgebiete überschreitet. Einem kräftigen betriebswirtschaftliehen Zweig steht ein ausgebauter gesamtwirtschaftlicher Bereich gegenüber. Durch die Zunahme von Verbundgruppen und Unternehmensgruppen mit eigenen gruppeninternen Fragestellungen ist auch eine gruppenwirtschaftliche Komponente entstanden. ln langer Tradition gehören nationalökonomische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen zum Gebiet der Handelsforschung. Problematischer als die Konvention über die Aufgaben der Handelsforschung sind die wissenschaftliche wie auch gesellschaftliche Anerkennung der Relevanz der Handelsfor-

55 Hellauer, Josef: System der Welthandelslehre 10. Aufl., (1. Aufl.,), (Betriebswirtschaftli-

cher Verlag Dr. Th. Gabler) Wiesbaden 1954 (191 0). 56 Seyffert, Rudolf: Wirtschaftslehre des Handels, (Westdeutscher Verlag) Köln und Opladen 1951.

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schung und die methodische Bewältigung der Forschungsaufgaben.

Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung und Handelsforschung Die Ideologieelemente und die Vorurteile in der sozialen Marktwirtschaft sind in Theorie, Judikatur und Praxis differenziert und im Zeitablauf variabel und volatil. Ein typisches Beispiel ist das Wettbewerbsleitbild, das sich seit der Diskussion um die Schaffung des GWB von 1958 bis heute gravierend verändert hat. Man muß sich fast wundern, was ein Grundkonstrukt wie der Wettbewerb an Erklärungs- und Gestaltungsalternativen zuläßt. Von diesem Phänomen der Dynamik der Gesellschaftsordnung ist auch die empirische Handelsforschung nicht unberührt geblieben. Bis heute wird durch Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung versucht, divergente wirtschafts- und binnenhandelspolitische Konzepte und Strategien zu untermauern oder abzulehnen. Hier hat die empirische Forschung zwangsläufig Probleme, u. a.: 1. Unterschiedliche Normen im Sinne primärer Werturteile über die soziale Marktwirtschaft oder die Transaktionsoptimierung im Handel lassen Forscher bei gleichem Tatbestand zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen kommen. 2. Hypothesen über die Wirkung von Maßnahmen können in der Regel nicht vor deren Einführung durch analoge oder experimentelle Antizipation nachgewiesen werden. 3. Die Forscher machen ihre Paradigmen nicht genügend transparent und sind daher nicht nachvollziehbar. Oder wissenschaftlich ausgedrückt: Als schwieriges Feld erweist sich die normative Orientierung auf der Basis sekundärer Werturteile oder die offene Systemgestaltung unter Einbeziehung primärer Werturteile. Wenn die Handelsforschung sich im Rahmen eines nicht weiter hinterfragten gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Leitbildes äußert, entstehen Normativismen.

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Die volle Einordnung in das Gesellschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft fiel der Handelsforschung mindestens bis in die sechziger Jahre schwer, weil normative ständische und zünftlerische Elemente über die Struktur des Handels und damit auch über Betriebstypen, Betriebsgrößen und Ausprägungen des Mittelstandes auch in der Handelsforschung ihren Niederschlag fanden. Damit begab sich die Handelsforschung teilweise in das Fahrwasser der Spitzenverbände des Handels. Bis heute hängen sich Handelsforscher an vermeintlich tragfähige partielle wirtschaftspolitische Ideologien. Wegen der engen Verbindung der Handelsforschung mit der Praxis waren die Forscher auf diesem Gebiet auch überdurchschnittlich Anhänger der normativen Schule: Johann Friedrich Schär, Heinrich Nicklisch, Rudolf Seyffert. Im heutigen Zeitkleid würde man sagen, sie befürworteten ethische Vorgaben. Konsequent findet man dazu bei Seyffert wirtschaftspolitische Festlegungen der folgenden Art: "Es hat sich gezeigt, daß im Grundsätzlichen der bestehende Zustand dem wünschenswerten entspricht, in dem der Handel ganz überwiegend mittelständischen Charakter trägt."57 Weiter heißt es: "Diese wirtschaftspolitische Linie ist auf die Klein- und insbesondere auf die Mittelbetriebe auszurichten, sie sind als die Normalform anzusehen."58 Erst in den letzten zwanzig Jahren traten entscheidungsorientierte, verhaltensorientierte und EDV-orientierte Ansätze in den Vordergrund. Dennoch sind Auseinandersetzungen mit primären und sekundären Werturteilen in einer Weiterentwicklung der Handelsforschung stärker als in anderen Forschungsbereichen der empirischen Wirtschaftsforschung anzutreffen. Bis heute haben sich Begründungszwänge für den gesellschaftlichen Wert des Handels erhalten.

57 Seyffert, Audolf: Wirtschaftslehre des Handels, (Westdeutscher Verlag) Köln-Opladen

1951, s. 721 . 58 Seyffert, Audolf: Wirtschaftslehre des Handels, (Westdeutscher Verlag) Köln-Opladen 1951 , s. 272.

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Trotz der Übernahme vieler Elemente der US-amerikanischen wie auch der englischen Wirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen freier Handel und Marketing zu den konstitutiven Grundlagen gehörten, mußte im Deutschland der Nachkriegszeit noch kräftig um eine positive Bewertung des Handels in der Gesellschaft gerungen werden. Die gleiche Diskussion ist heute nach über 40 Jahren in Ostdeutschland noch einmal neu erforderlich.

Betrachtungsweisen der Handelsforschung Es gibt zwei Hauptbetrachtungsweisen, wie Handelsforschung betrieben werden kann: 1. Man solle das Objekt seiner Forschung eher aus der Ferne betrachten, eine zu hohe lnvolvierung in die praktischen Probleme lenke ab. 2. Man müsse sehr genau und im Detail Bescheid wissen, um empirisch relevante Aussagen zu machen, kurz: man müsse das praktische Arbeitsfeld seiner Forschung durch sekundär- und primärstatistische Erhebungen beackern und aus darauf beruhenden Gesetzmäßigkeiten Schlüsse ziehen und Urteile abgeben. Dabei gilt auch hier der Grundsatz: Eine gute Theorie ist die beste Stütze für zweckmäßiges praktisches Handeln. Empirische Handelsforschung und empirische Wirtschaftsforschung bedeuten eine Auseinandersetzung mit den realen Gegebenheiten, gestützt auf möglichst zuverlässige Informationen aus der Praxis. Oft genug geht es dabei auch darum, Hypothesen und Modelle der primär theoretisch konzipierten Forschung zu testen. Die Polarisierung der Theoretiker und Empiriker läßt sich somit eigentlich auflösen.

Interne Auseinandersetzungen in der Handelsforschung Eine offene Auseinandersetzung über Ergebnisse der Handelsforschung zwischen Wissenschaftlern ist seit langem zu vermissen. Viel häufiger ist der Weg, daß mehr oder minder offenen Ablehnungen zum Beginn der Vorlage neuer Ergebnisse oft Jahrzehnte später das Plagiat folgt.

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Kontroverse Diskussionen um Forschungsergebnisse lassen sich an einer Hand abzählen. Ein Beispiel ist die Auseinandersetzung zu Nieschlags Thesen über die Dynamik der Betriebsformen, zu der Lothar Müller-Hagedorn durch einen Artikel anläßlich des 80. Geburtstages von Robert Nieschlag in Marketing - Zeitschrift für Forschung und Praxis {Heft 1/1985, S. 21 ff.) anregte. Daran beteiligten sich Walter Marzen {Heft 4/1986, S. 279 ff.), Vladimir Potucek (Heft 4/1987, S. 289 ff.) und Friedrich W. Köhler (Heft 1/1990, S. 59 ff.). Schließlich nahm Wolfgang Oehme in seiner Neuauflage von "Handels-Marketing" im Jahre 1992 die Diskussion auf (S. 407 ff.). Wolfgang Oehme kommt im Ergebnis zu der Feststellung, daß sich keine Gesetzmäßigkeit beim Ent· stehen oder bei der weiteren Entwicklung von Betriebstypen feststellen lasse: "Der Handel bleibt unberechenbar". 59

Konflikte zwischen Wissenschaft und Praxis Beispiele für kontroverse Themen in der Praxis und zwischen Wissenschaft und Praxis waren und sind: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

die Entwicklung der Selbstbedienung, die Position und Entwicklung des Mittelstandes, die Entwicklung der Einzelhandels- und Großhandelsstandorte, der Verkehr und der Einzelhandel, die Entwicklung und Wertung der Konzentration, die Entwicklung und Wertung der Kooperation, die Wertung des Direktvertriebes, die Wertung des Cash-and-carry-Handels, die Regelung der Ladenöffnungszeiten, der Datenschutz und die Daten-Basen-Zulässigkeit, die Regelung des Rabattgesetzes, die warenbezogenen Gesetze, die Umweltregelungen, die Regelungen zur Werbung.

59 Oehme, Wolfgang: Handels-Marketing, 2. Aufl., (Verlag Franz Vahlen) München 1992,

s. 418.

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Mehr und mehr werden diskussionsfähige Forschungskonflikte jedoch auf eine andere Betrachtungsebene gehoben. Mit Forschung wird Politik betrieben, und Forschung wird zur Politik.

4. Zur Forschungsevaluation Die Forschungsevaluation ist abhängig vom Standpunkt und damit von der Kategorie des Betroffenen oder Nutzers von Forschungsergebnissen und darüber hinaus auch von den Zielen, die von der jeweiligen Nutzergruppe verfolgt werden.

Nutzer der Handelsforschung Die Nutzer der Handelsforschung sind vielfältig, u. a.: - Politik und Staat, - Regionale ebietskörperschaften: Länder, Städte und Gemeinden, - Verbundgruppen und Unternehmenssysteme, - Unternehmen, - Verbände, - Kunden, - Lieferanten, - Konkurrenten, - Mitarbeiter, - Kapitalgeber, - Investoren.

Das Standpunktproblem bei der Bewertung Die Probleme der Bewertung von Forschungsergebnissen beruhen darauf, ·daß die Bewertung je nach dem eigenen Standpunkt und Bewertungsmaßstab unterschiedlich ausfällt. Oft entsteht eine Ambivalenz der Ergebnisse, z. B.:

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Gegenstand

positiv

negativ

Betriebsgrößenwachstum

Rationalisierung

Versorgungsbequemlichki

neue Ladenflächen

Versorgung

Verkehr, Ökologie

So ist ein Shopping-Center aus der Sicht der Investoren, Handelsunternehmen und Konsumenten positiv zu bewerten, bereits aus der Sicht der sozialen Kosten oder der ökologischen Belastungen negativ.

Divergierende Interessen Politik, Verwaltung und Handelspraxis haben an bestimmten Ergebnissen der Handelsforschung Interesse, andere werden abgelehnt. Kritische Auftragsgutachten verschwinden in Schubladen auf Nimmerwiedersehen. Wünschenswerte spätere Veröffentlichungsrechte werden versagt. ln der Nachreaktion heißt dies, Mittel werden für erwünschte Programme gewährt, Mittel werden bei unerwünschten Ergebnissen entzogen. Einige Handelsverbände haben es sich seit Jahren zur Gewohnheit gemacht, unliebsame Ergebnisse der Handelsforschung, so über die Flächen- und Standortdynamik im Handel oder über Ladenöffnungszeiten, rücksichtslos und brutal abzuwerten und die Institute mit verbandsabweichender Meinung zu verhöhnen und zu diffamieren.

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Übersicht 6 Beispiele zur unterschiedlichen Bewertung der Handelsforschung Ablehnung der Ergebnisse

Indifferenz, Neutralität Akzeptanz der Ergebgegenüber Ergebnissen nisse

Ergebnis

Entscheidungsträger

Ergebnis

Entscheidungsträger

Ergebnis

Verlängerung der Ladenöffnungszeiten

Staat, teils Unternehmen

bessere Handelsstatistik

Staat

zusätzliche Flächenund StandOrtbedarfe im Handel

Verbände, Staat, teils Unternehmen

Aufhebung Staat der Preisbindung der Zweiten Hand 1974 EG positive gesamtwirtschaftliehe Bedeutung des Franchising

Ergebnisse Forscher der Katalogkommission

UnterRechtspreschiedlich- chung keit von gewerbIiehern und privatem Bedarf

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Entscheidungsträger

Zur forensischen Nutzung von Ergebnissen der Handelsforschung Die im Zuge der französischen Revolution von 1789 entstandene Gewaltenteilung mit Legislative und Exekutive sowie einer unabhängigen Judikatur ist nach wie vor das Leitbild moderner Demokratien. Speziell im Bereich aller ökonomischen Transaktionsprozesse besteht eine hoch differenzierte Gesetz- und Verordnungsgebung und dauerhafter Anlaß zur weiteren Auslotung der Gesetze durch die Rechtsprechung. Dabei ist hier die Frage zu stellen, ob und in welchem Umfange Forschungsergebnisse durch die Rechtsprechung aufgegriffen werden. Hier ist festzustellen, daß Richter ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nach wie vor durch alleinigen Rückgriff auf die eigene Lebenserfahrung gerecht zu werden versuchen. Es wird so Recht gesprochen, wie der jeweilige Richter sich das Funktionieren der Transaktion und des Handels vorstellt. Wie kann die Wirtschaft auf eine überforderte Judikatur reagieren? 1. Die Auftindung von außergerichtlichen zufallsabhängigen Kompromissen, die dringend notwendige forensische Regelungen gar nicht erst ans Tageslicht fördern. 2. Der Abschluß von gerichtlichen Vergleichen, die ebenfalls der Bequemlichkeit der Richter entgegenkommt, keine gut begründeten Urteile schreiben zu müssen. 3. Der Weg durch die Instanzen, der nur für Unternehmen gangbar ist, die genügend Mittel haben, einen Rechtsstreit durchzustehen. Dabei läßt sich das folgende Ergebnis nicht vermeiden. ln vielen Feldern - erst recht nach der Wiedervereinigung - muß man die Funktionsfähigkeit der Judikatur in Frage stellen. Häufig könnte die empirische Wirtschaftsforschung sinnvolle Entlastung bringen. Relevante Rechtsprobleme bleiben über Jahrzehnte ungeklärt. Es entwickeln sich fast mittelalterliche außergerichtliche Kompromißusancen. Wenig relevanten Rechtsproblemen wird bis zum Exzeß nachgegangen. Verbände versuchen hier teilweise Leistungsbeweise auf Nebenschauplätzen zu erbringen und lenken sich und die Mitglieder dadurch von den echten Proble-

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men ab. Als Beispiel für Probleme in diesem Feld sei die Auseinandersetzung zwischen Einzelhandels- und sonstigen Interessenverbänden und dem Cash-and-carry-Handel herangezogen. ln dem jahrelangen Streit HDE/Metro sind mehrere wissenschaftliche Untersuchungen vorgelegt worden, die nachweisen, daß es nicht möglich ist, Waren nach ihrer Eigenschaft für eine private oder geschäftliche Verwertbarkeit zu differenzieren. Diese Aussage wurde von den Gerichten nicht zur Kenntnis genommen. Es ist auch eingehend zu überprüfen, ob die Zukunft der Handelsdynamik dadurch gekennzeichnet sein soll, daß über die Judikatur in zunehmendem Umfange eine Spezialgesetzgebung für unterschiedliche Betriebstypen entwickelt wird, die dann auch dazu beiträgt, daß diese Betriebstypen in ihrer Entwicklung, da sie im Visier der Gerichte stehen, behindert werden. Es ist also zu fragen, ob die Betriebstypenpolitik des Handels in Zukunft forensisch bestimmt werden soll.

Forschungs-Assessment Immer heftiger werden die Forderungen, daß Wissenschaftler, und damit auch empirische Handelsforscher, bei all ihrem Tun die Folgen ihres Tuns für Gesellschaft und Natur abschätzen. Anzuregen ist ein Forschungs-Assessment, d. h. eine Folgenabschätzungsforschung, z. B. in den Bereichen - Medienfolgen, - Ökologiefolgen. Weitere Aspekte der Forschungsevaluation betreffen folgende Fragen: - Welche Wirkungen haben die Forschungsergebnisse? - Wer entscheidet mit welcher Absicht über die Forschungsgegenstände, d. h. wer bestimmt, worüber geforscht wird?

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Bei den Kriterien zur Bewertung der Ergebnisse der Handelsforschung ist zu fragen: - Wer gibt die Ziele vor? - Im Hinblick auf welche Ziele und Standpunkte sind die Ergebnisse positiv zu bewerten? Man muß bewerten, mit welchem Aufwand an bestimmten Fragen gearbeitet worden ist, was an Ergebnissen herausgekommen ist, wie dies von unterschiedlichen Standpunkten bewertet wurde und auf welchen unterschiedlichen Standpunkten die Ergebnisse beruhten.

5. Die Kommunikation von Ergebnissen der empirischen Handelsforschung Praxis und Wissenschaft Im Beziehungsfeld zwischen Praxis und Wissenschaft zeigen sich nach wie vor beachtliche Kontaktschwächen. Wissenschaft und Praxis sehen die Welt oft durch eine sehr unterschiedliche Brille. Die Wahrnehmung ist anders und die Sprache ist nicht die gleiche. Wer auf beiden Schultern tragen kann, erlebt dies immer neu schmerzlich, daß ohne Individual- und Detailkenntnisse Erklärungen, Wertungen und gut gemeinte Entscheidungshilfen der Forschung für die Praxis in die Irre gehen. Hier kann nur gefordert werden, daß auch Forscher während ihres Lebens gezwungen sein müßten, auf Zeit in der Praxis tätig zu sein. Sehr wünschenswert, aber heute praktisch nicht anzutreffen ist eine Durchlässigkeit zwischen Forschung und Praxis.

Forschungstransfer Der Forschungstransfer leidet primär unter den Schwierigkeiten, die Ergebnisse der Forschung für die Praxis mundgerecht und damit nutzbar aufzubereiten, und der fehlenden Bereitschaft der Praxis, sich ernsthaft mit den For79

schungsergebnissen auseinanderzusetzen. Als Transfereinrichtungen sind inzwischen spezielle Institutionen in Universitäten entstanden, so die Zentralstelle für Forschungs- und Entwicklungstransfer an der Universität Essen oder die Technologie-Transfer-Stelle der Technischen Universität in Berlin. Relevant für den Transfer der empirischen Handelsforschung sind sie bisher nur am Rande.

Die schwelgende Akzeptanz Durch Kooperation zwischen den Handelsforschern könnte auch zu einer Verbesserung des Transfers der Ergebnisse in die Praxis beigetragen werden. Aber auch folgendes ist zu beachten: Von der Wirtschaftspraxis werden viele Ergebnisse der empirischen Handelsforschung lautlos rezipiert. Die Forschungsergebnisse sind dann gesellschaftlich akzeptiert, wenn sich etwa folgende Phasen nachweisen lassen: 1. die Vorlage von Forschungsergebnissen, 2. die Aufnahme als Sozialtechnik in Unternehmen, 3. die Integration als Informations- und Entscheidungsgrundlage in Unternehmen. Dies läßt sich gut bei Betriebsvergleichen, Passanten- und innerbetrieblichen Kundenstromanalysen, Image- oder Standortanalysen nachweisen.

Veröffentlichung der Ergebnisse Die wissenschaftlichen Zeitungen und Zeitschriften befinden sich in Deutschland in einem durch Akzeptanzdefizit geprägten Abschmelzungsprozeß. Durch die Präponderanz des funktionalen Marketingdenkans ist die institutionelle Handelsbetrachtung zudem bei der Kommmunikation von Forschungsergebnissen in den Hintergrund getreten. Die empirische Handelsforschung hat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges

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kein eigenständiges Publikationsorgan. Die drei Handelsforschungsinstitute in Berlin, Köln und Saarbrücken haben oder hatten zwar ihre eigenen Schriftenreihen und Zeitschriften. Diese dienten jedoch fast ausschließlich zur Publikation eigener Forschungsergebnisse ohne jede wissenschafts-publizistische Diskussion. Forschungsergebnisse der Handelsforschung werden heute primär durch die Handelsfachpresse transportiert, so die Lebensmittel-Zeitung, die Textilwirtschaft, die Absatzwirtschaft. Zweckmäßig wäre ein eigenständiges Publikationsorgan für die Handelsforschung, da manche interessante Ergebnisse zur Zeit schwer auffindbar in allgemeinen Zeitschriften publiziert werden.

6. Langfristige Zukunftsprobleme des Handels Treibende Kräfte oder Basistrends kennzeichnen meist übergeordnete gesellschaftliche Wandlungen, an die die Unternehmen sich anpassen, mit denen sie mitraufen, deren Wucht sie noch verstärken oder den sie durch ihre Aktivitäten initiieren und damit erst ins Rollen bringen. Schwächen und Probleme von Handelsunternehmen wie Industrieunternehmen werden auf solche Einflußgrößen zurückgeführt. Teilweise wird von einer Explosion von Einflußgrößen gesprochen. Es ist zum einen schwierig, solche Einflußgrößen zu erkennen und zu definieren und es ist zum anderen problematisch, ihre Bedeutung für die Gesellschaft als ganzes oder für ein Unternehmen abzuschätzen. Basistrends erwachsen aus allen menschlichen Lebensbereichen und aus der Natur: Demographie, Kultur, Technik, Werte, Lebensstile, Globalisierung, neue Gesetze, seien beispielhaft genannt. Die Einbeziehung dieser treibenden Kräfte in die Strategien kennzeichnet die Orientierung an der Zukunft und die Loslösung von den Strategien der Vergangenheit. Die Kräfte, die die Gestaltung der Vergangenheit bestimmt haben, sind nicht die Zukunft bestimmenden.

6 ilo·Kolloquium

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6.1. Ausgewählte gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen Der Handel wird über das Jahr 2000 hinaus durch mehrere Haupttrends beeinflußt werden. Dazu gehören: 1. Bevölkerungszunahme und Migration - Altersumschichtungen, - Ausländer und neue Deutsche; 2. Neue Werte-Cluster - Neuorientierung der Beziehungen Mensch und Natur, - Veränderung des Zeitbewußtseins, - Rehumanisierung und Personalisierung, - Ethisierung, - Wellness als dynamisches Konstrukt physischer und mentaler Gesundheit, auch: freiwillige Einfachheit, - Altersaufwertung, so junge Alte, - aber auch: Terrorismus - Mobbing, Polarisiertes Drogenverhalten; 3. Internationalisierung der Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme - Neue Demokratieprinzipien, - Neue Aspekte der dezentralen Wirtschattssteuerung, - Globalisierung der Wirtschaft; 4. Neustrukturierung des Rechts - Internationales bis globales Vertragsrecht, - Kulturübergreifendes Strafrecht, - EG-Recht in Osteuropa und GUS (auch unabhängig vom Beitritt) ; 5. Neue Technologien - Glasfaser, regenarierbare Rohstoffe, - Beschleunigung von Innovation und Diffusion ; 6. Mediale Evolution - Neue Kommunikationsstrategien, - Neue interne lnformationskonzepte; 7. Umweltorientierung - totales Recycling, - Produktion auf Bestellung, z. B. bei Presseerzeugnissen zur Verhinderung von Remittenden, - Neue Mobilitätsmuster;

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8.

Bioevolution - Die Ausdehnung der Ernährungsgrundlage - Salzresistente Getreidesorten, - Herbizidresistente Pflanzen, - Bakterielle Stickstofferzeugung durch Pflanzen, - Klonen von Gemüsekulturen, - Ergänzung der Pflanzenproteine um Aminosäuren; 9. Neue Verkehrskonzepte; 0. Neue Waren und Dienste 1 - Veränderte lndustriestrukturen, - Veränderte Postindustriestruktur.

6.2. Ausgewählte Aspekte der Handelsdynamik Langfristig wird der Handel durch mindestens folgende Maßnahmen auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren : 1. Totale Ökologieintegration in den Handel; 2. Expansion internationaler Aktivitäten - Beschaffung, -Absatz, - Logistik, - Finanzierung; 3. Medialer Handel - lnstore-Konzepte, 4.

5.

6. 7. 6"

- Teleshopping-Konzepte; Neue polarisierte Betriebs- und Vertriebstypendimensionen - Super-Discounter, - Super-Dienstleister: Bequemlichkeit, persönlicher Kundendienst, - Super-Sortimenter, z. 8. 30 000 PC-Programme bei IBM, 300 000 Bücher im Bestand, - Super-Qualitäten, - Super-Geschwindigkeit; Mega-Systeme von Unternehmen und Verbundgruppen - Mischung von Kooperation und Konzentration , - Weltdienstleister für den Handel; Neue Kontrakt- und Kooperationsformen; Mega-Logistiksysteme;

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8. Neue Steuerungskonzepte - Neo-Controlling; 9. Neue Organisations- und Führungskonzepte, so Dekomplexion; 10. Neue Finanzierungskonzepte.

7. Zur künftigen Entwicklung der Handelsforschung 7 .1. Die Forschung nach Aussageklassen Mit den Überlegungen zu weiteren Entwicklungen der Handelsforschung über die magische Grenze des Jahres 2000 hinaus werden vor allem Aspekte angesprochen, die bisher noch wenig erkannt, anerkannt oder gar bewertet sind.

Die Meta-Forschung Durch die Meta-Forschung sind Informationen darüber zu gewinnen, von welchen Standpunkten aus welche als relevant erachtete Forschungsaufgabe mit welcher Priorität bearbeitet werden soll. Durch die Meta-Forschung ist weiter zu klären, nach welchen Kriterien in Zukunft die Evaluation von Forschungsergebnissen erfolgen kann und soll. Darüber hinaus ist mehr Klarheit über Ethikaspekte der Forschung zu gewinnen. Umgekehrt sind Ethikaspekte für Politik und Gesellschaft zu konturieren.

Vielfalt der Standpunkte Für entscheidungsrelevante Standpunkte sind die Ergebnisse der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung wie auch der Handelsforschung besser zu differenzieren. 60 Beispiele für relevante Standpunkte sind:

60

Vgl. auch Tietz, Bruno: Konsument und Einzelhandel, Strukturwandel in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1995, 3. Aufl., (Lorch-Verlag) Frankfurt a. M. 1983,

S. 1 228 II.

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-

der der der der der der der der

Standpunkt der Konsumenten, Standpunkt der Betriebe, Standpunkt der Unternehmen, Standpunkt der Unternehmensgruppen und der Verbundgruppen, Standpunkt der regionalen Gebietskörperschaften, gesamtwirtschaftliche oder der gesellschaftliche Standpunkt, supranationale Standpunkt, globale Standpunkt.

Die Ergebnisse einer Untersuchung könnten im Hinblick auf die Zielwirkungen gegenüber verschiedenen Standpunkten analysiert werden, und es könnten Vorschläge unterbreitet werden, mit welchen Maßnahmen vom jeweiligen Standpunkt aus günstige Entwicklungen gefördert und ungünstige Entwicklungen gehemmt werden.

Deskriptive und projektive Forschung Die deskriptiven und explikativen Erkenntnisse der Handelsforschung werden auch in Zukunft einen Schwerpunkt mit hoher praktischer Relevanz und Akzeptanz darstellen. Die in die Zukunft gerichtete projektive Handelsforschung wird trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten eher stärker als bisher gefordert werden. ln Zukunft wird mehr Bedarf an einer Kombination aus Momentum-Projektionen und Ziel-Projektionen bestehen. Dies gilt generell für die Wirtschafts- und Sozialforschung, aber speziell auch für die Handelsforschung. Einmal wird wie bisher prognostiziert werden, was sein wird. ln Anbetracht der zunehmenden Mängel, die sich in den Steuerungssystemen der hochentwikkelten Industriestaaten zeigen, wird man darüber hinaus bessere Möglichkeiten zur Gestaltung der Märkte und des Wettbewerbs suchen müssen. Man wird nicht nur fragen : - Was wird sein und warum?, sondern auch - Was soll sein und warum?

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Die Vergleichs- und Wirkungsforschung Für alle Standpunkte, insbesondere für die Wirtschaftspolitik, aber auch für die Binnenhandelspolitik und die Außenhandelspolitik, sind mindestens die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen: 1. Die intersubjektive Abschätzung der Wirkungen der nationalen und internationalen rechtlichen Regelungen und deren Änderungen. 2. Die Entwicklung wünschenswerter Leitbilder oder die Auseinandersetzung mit veränderten, durch internationale Kompromisse entstehenden Leitbildern, z. B. im Bereich der EG-Wettbewerbs- oder lndustriepolitik. 3. Die Überprüfung der Konsequenzen der veränderten Leitbilder auf die Rahmenbedingungen, z. B. rechtliche Konsequenzen, und auf die Gesellschaft. 4. Die Überprüfung der Steuerungsinstrumente und der lnstitutionalisierung in der Gesellschaft. Das übergeordnete Problem hinter diesen Fragen ist die Entwicklung von Vergleichsmethoden zur Messung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Vorund Nachteile. Ansatzpunkte sind die gesamtgesellschaftlichen oder auch konsumentenbezogenen Wohlstandsindikatorenmodelle. Aus derartigen Vergleichen zwischen realem System bzw. realen und hypothetisch konstruierten Konzepten erwachsen Anregungen zu einer zuverlässigeren politischen Gestaltung und Veränderung. Aus diesen übergeordneten Fragen ergeben sich spezielle Theorien für den Vergleich von Nationen, Außenhandelsstrukturen, Groß- und Einzelhandelsstrukturen und Konzernstrukturen. Dies mündet schließlich in Vergleiche innerhalb und zwischen Betriebstypen des Groß- und Einzelhandels und von Verbundgruppen und Kooperationssystemen.

Aufdeckung der Mythen Die Gesellschaftspolitik wie die Wirtschafts- und Unternehmenspolitik stützen sich auf falsche Theorien oder Prinzipien, die als Mythen bezeichnet werden.

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Zwischen Verfechtern unterschiedlicher Ideologien verschärft sich der unerbittliche Kampf um tragfähige Elemente und um Mythen. Dabei besteht ein Hauptproblem darin, daß sich die Auffassungen der Menschen über die ökonomische und soziale Tragfähigkeit ändern. Dies führt dazu, daß bisher geeignete Konzepte obsolet werden und bisher abgelehnte in den Vordergrund treten. Zu sehr lag das Gewicht der Wertediskussion auf den individuellen Werten. Entsprechend wurden Veränderungen auch primär durch neue individuelle Werte begründet. Vernachlässigt blieben kollektive Werte, auf deren Bedeutung und Brisanz vor allem die Wiedervereinigung aufmerksam gemacht hat. Ungeklärt und intransparent bleiben die Ausgleichsmechanismen zwischen individuellen und kollektiven Werten, die Gewichtung zwischen Eigennutzen und Gemeinschaftsnutzen. So fordert der Club of Rome in seiner jüngsten Analyse die Notwendigkeit eines ethischen Ansatzes als wesentliches Element der "Weltlösungsstrategie", "als moralischer Kodex für das Handeln und Verhalten". 61 Kein Paradigmenwandel kann größer sein als der Übergang der Hochentropiegesellschaft zur Niedrigentropiegesellschaft im Sinne von Jeremy Rifkin 62 und damitvon der Konsumgesellschaft zu einer Konsumbegrenzungsgesellschaft.

Innovationsforschung Für projektive Aussagen spielen die Innovationseffekte wie auch die Beharrungseffekte eine bedeutende Rolle. Wenig bekannt ist, wie Innovationen im Handel auftreten, und erst recht, wie sie gefördert und behindert werden . Hier sind gleicherweise Analysemethoden und Innovationsmethoden sowie -technologien wünschenswert.

61

Vgl. King, Alexander; Schneider, Bertrand: Die erste globale Revolution, Ein Bericht des Rates des Club of Rome, (Horizonte Verlag) Frankfurt a. M. 1992, S. 121. 62 Rifkin, Jeremy; Howard, Ted: Entropie - ein neues Weltbild, (Verlag Hoffmann-Campe) Harnburg 1982, S. 234 ff.

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Die entscheidungsorientierte Forschung Aus den bisherigen Überlegungen sollte erkennbar werden, wie Entscheidungsgrundlagen verbessert werden. Daraus müssen Konzepte zur Entscheidungshilfe abgeleitet werden. Nur ein Beispiel: Bei den Entscheidungshilfen für Unternehmen wird es noch viele Jahre dauern, ehe mehr zuverlässige und oparationalisierbare Informationen, so z. B. über den Sortimentsverbund und die Preisarchitektur der Betriebs- und Vertriebstypen des Handels, vorliegen.

Systemdenken ln engem Zusammenhang damit steht der Zwang zum Systemdenken und Netzdenken und damit zur komplexen Wirkungsforschung. Die Logik des Mißlingens63 , um den Buchtitel von Dietrich Dörner zu zitieren, beruht darauf, daß das menschliche Denken bisher in Furchen eingebunden ist, bei dem die Gefahr besteht, bei der zunehmenden Komplexität der Beziehungen Überlebensfehler zu machen. Diese Überlebensfehler beziehen sich auf Institutionen wie Menschen. Daher wird jede spezielle Forschungsrichtung - so auch die Handelsforschung - in Zukunft mehr als bisher über den Tellerrand sehen müssen und auch von der gesamtgesellschaftlichen Einbindung des Handels ausgehen.

Zur Volatilität der Erfahrung Die explikativen und dezisionistischen Paradigmen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften basieren teilweise auf Prinzipien und Erfahrungsregeln, die durch Innovationen wertlos werden. Die Anpassung der Entscheidungen an neue Bedingungen erweist sich als ein schwieriger Prozeß. Alle laufen zunächst konsequent in eine Richtung, die später als falsch erkannt wird.

63

Vgl. Dörner, Dietrich: Die Logik des Miplingens, (Rowohlt) Reinbek bei Harnburg 1989.

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Hier hat die Forschung sicher die Aufgabe, den Paradigmenübergang zu erleichtern. Man muß dafür auch eine neue Theorie der Erfahrungsregeln und Prinzipien entwickeln. Die Metaforschungsgegenstände der Zukunft werden somit mindestens sein: -

die die die die die die

Vergleichsforschung, Wirkungsforschung, lnnovationsforschung, Entscheidungsforschung, Vernetzungsforschung, Erfahrungsregelforschung.

7.2. Sachliche Forschungsschwerpunkte Die Zeit nach der Jahrtausendwende wird vor allem durch eine Superkomplexität mindestens von -

Internationalisierung bis Globalisierung, Ökologisierung, Medialisierung und lnformatisierung, Neo-Industrialisierung und Postindustrialisierung, Neo-Kapitalismus

gekennzeichnet sein. Die Handelsforschung ist in diese Entwicklungsstränge voll eingebunden. Sie wird sich daher weitaus stärker mit Außenhandelsfragen bzw. innerhalb der EGoder NAFTA mit Versandfragen befassen müssen. Die Triadisierung mit einer stetig wachsenden Bedeutung der Pazifikstaaten, die sich von einem Rudel Tiger zu einem goldenen Vieleck mausern, bringt für die Außenhandelsforschung neue Fragestellungen. Dazu kommen Fragen des Handels mit der dritten Weit. Viele spezielle Aufgaben werden bei der Weiterentwicklung und Wirtschaftsintegration von Osteuropa zu lösen sein, da dort vermutlich der Großhandel

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als Steuerungsmodul für die industrielle Produktion und für den Einzelhandel völlig neue Aktivitäten entfalten muß. Beispiele für weitere Forschungsschwerpunkte könnten sein: -

Handel Handel Handel Handel

und und und und

Ökologie, neue Medien, Freizeit, Landwirtschaft.

Vor allem fehlen Untersuchungen über die Beziehungen zwischen neuen Medien und Ökologie oder neuen Medien und Internationalisierung. Die Beteiligung von Handels- und Dienstleistungsbetrieben an neuen medial gestützten Entsorgungssystemen werden zu einer Gemeinschaftsaufgabe zwischen Handels-, Logistik-, Technologie- und lnformatikforschung. Die derzeitigen Bemühungen beim Konzept des Grünen Punktes dürften sich dabei als vorsintflutlich erweisen. Weiter lassen sich folgende komplexe Forschungsprojekte anregen: - Einflußgrößen auf die nationale und internationale Transaktionsdynamik, - ökonomische und ökologische Tragfähigkeit der Transaktionsdynamik. Die künftige Welthandelsforschung wird sich auch mit dem Problem der ressourcenschonenden Handelsströme und mit dem Standort der Bezugsquellen und damit der Produktionsstätten befassen müssen. Die Paradigmen über die Funktionsfähigkeit der Geld- und Gütermärkte und der Markttransaktionen bedürfen einer handfesten Überarbeitung. So wird in Zukunft die Arbeitsteilung zwischen Wirtschafts- und Handelspolitik mit der Setzung von Rahmenbedingungen einerseits und Unternehmen mit der Aus·nutzung bis Übernutzung aller Spielräume andererseits nicht mehr so funktionieren wie bisher.

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Konkrete Projekte Für die Handelsforschung bleiben jedoch auch viele spezifische Handelsfragen zu bearbeiten. Zu empfehlen ist - vergleichbar mit der Lösung in Frankreich - ein zwei- oder dreijähriger Handelsbericht und zwar 1. der Handelsbericht für die Bundesrepublik Deutschland, 2. der Handelsbericht für die Europäische Gemeinschaft. Alle EG-Staaten sollten ihrerseits möglichst Handelsberichte vorlegen. ln Handelsberichten werden die Informationen über den Handel und seine Verbundgruppen nach einheitlichen Kriterien aufbereitet und die Vorschläge aller Berührten und Betroffenen über überflüssige und zusätzliche Regelungsbedarfe vorgelegt.

7.3. Zur Methodenforschung Die Handelsforschung ist Teil der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung. Die potentiellen Ergebnisse sind vom Entwicklungsstand der Methoden und Theorien zur Bearbeitung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder betrieblicher Fragestellungen abhängig. Zuviel Wert wurde in den letzten Jahren auf anspruchsvolle ökonometrische und statistische Methoden gelegt. Man selektierte die Untersuchungsgegenstände eher nach dem Motto: Ich habe die Methode, gebt mir dafür das geeignete Problem. Richtig wäre: Welches ist das prioritäre und relevante Problem und wie kann ich etwas zur Lösung beitragen, selbst wenn der Methodenbaukasten unvollkommen und unvollständig ist. ln diesem Feld liegen enorme Defizite, die nur durch eine neue Forschungsorganisation bewältigt werden können. Dazu gehört die Sammlung gleichartiger Probleme, die von unterschiedlichen Instituten bearbeitet werden, die Diskussion ihrer Lösung mit gleichen wie unterschiedlichen Methoden sowie 91

eine Prüfung der Effektivität und Effizienz der Ergebnisse. Konkurrierende Forschungsinstitute könnten sich hier zu regelmäßigen Methoden-Symposien zusammenfinden, dies möglichst auf internationaler Basis und möglichst unter Einbeziehung der Entscheidungsträger in Wirtschaft und Gesellschaft, die sich mit den Problemen auseinanderzusetzen haben.

7.4. Aspekte der lnstltutionallslerung Anzuregen wäre eine Stiftung Handelsforschung, die sich ohne Ausschließlichkeits- und Totalitätsanspruch- um Initiativen einzelner Einrichtungen nicht zu behindern - mit einem Clearing der von bestimmten Entscheidungsträgern als relevant erachteten Forschungsthemen, deren Finanzierung und der Vergabe an Institutionen der Handelsforschung befassen könnte. Diese Stiftung könnte außerdem mit der Breitenpublikation der von ihr als wichtig erachteten, selbst vorgegebenen oder auch unabhängig von ihr erarbeiteten Forschungsergebnisse betraut werden. Bei allen Aktivitäten sind universitäre wie außeruniversitäre Forschung, auch kommerzielle und gemeinnützige Forschung, einzubeziehen. Zu integrieren wären hier möglichst alle relevanten Entscheidungsträgergruppen.

8. Schlußbemerkung Die Zukunft, wie auch die Zukunft der Forschung, ist ein Entdeckungsverfahren mit schwer erkennbaren Ausgängen. Die Handelsforschung kann im Sinne einer Transaktionsforschung in Verbindung mit vielen anderen Bereichen der empirischen Wirtschaftsforschung sicherlich interessante Beiträge zu deren Entdeckungsverfahren leisten. Den Forschern des ifo Instituts und den anderen hier vertretenen Handelsforschern wünsche ich in der Weiterentwicklung bestehender und der Aufschließung neuer Forschungsvorhaben allen Erfolg. Daß Problemlösungen wieder neue Probleme aufwerfen, sollte dabei erhöhter Ansporn sein.

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Die empirische Handelsforschung und ihre Ergebnisse aus der Sicht der Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik

Prof. Dr. Otto Schlecht Staatssekretär a.D. Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung Stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung

Gliederung 0. Einführung

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1. Der Handel als aktiver Marktgestalter

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2. Möglichkeiten einer ganzheitlichen Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern

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3. Zur Rolle der Handelsforschung bei einer aktiven Unterstützung der Reformprozesse in den mittel- und osteuropäischen Staaten

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4. Förderung des Wettbewerbsgedankens durch konsistente Marktöffnung im EG-Binnenmarkt

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5. Schlußbetrachtung

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0. Einführung

Für die Einladung, hier im ifo Institut anläßlich der Verabschiedung von Herrn Dr. Batzer einige Worte an Sie zu richten, danke ich Ihnen. Ich habe sie gern angenommen. Als langjähriger Staatssekretär und als Mitglied des ifo Vorstandsrates war ich Konsument und Mitakteur bei ifo Institut. Im Vorstandsrat bin ich dem Institut weiterhin verbunden. ln den langen Jahren meiner Amtszeit habe ich mich den ordnungspolitischen Grundsätzen unserer Wirtschaft stets besonders verpflichtet gefühlt. Meine neue Aufgabe als Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung erlaubt es mir, weiterhin im Sinne meiner wirtschaftspolitischen Grundüberzeugungen tätig zu sein - und dies in einer Zeit, in der die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zu neuer, ungeahnter Bedeutung nicht nur für unser Land, sondern auch für ganz Mittel- und Osteuropa gelangt sind. Wir sind hier zu einem handelspolitischen Kolloquium zusammengetroffen in einem Hause, das seinen Ruf als eines der führenden Forschungsinstitute der Bundesrepublik begründete und seitdem durch seine hervorragende Arbeit immer wieder unter Beweis stellt. Herr Dr. Batzer hat die empirische Handelsforschung hier im ifo Institut über Jahrzehnte hinweg geprägt: durch sein Engagement und seine überragende, breite wie tiefe Fachkenntnis der Handelsstrukturen, insbesondere auch des in der Forschung leider oft stiefmütterlich bedachten Großhandels. Die amtliche Wirtschaftspolitik hat davon profitiert. Dr. Täger und Prof. Tietz haben bereits aus ihrem Expertenwissen heraus eine Abgrenzung und Erläuterung der empirischen Handelsforschung im wissenschaftlichen Kontext vorgenommen. (Die bekundete Zusammenarbeit zwischen Tietz und Batzer könnte vermuten lassen, daß es sich dabei um ein enges Oligopol mit abgestimmter Verhaltensweise gehandelt hat!) Damit möchte ich hier und heute nicht konkurrieren. Lassen Sie mich daher den Akzent meiner eigenen Ausführungen ein wenig anders setzen. Ich möchte die Ziele und Probleme der Wirtschaftspolitik als Ausgangspunkt nehmen und aus diesem Blickwinkel heraus das Beziehungsgeflecht zwischen Forschung und Politik an einigen Beispielen nachzeichnen.

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1. Der Handel als aktiver Marktgestalter Der Handel ist einer der Lebensnerven einer jeden Volkswirtschaft und - zumindest in einem freiheitlichen System - weit davon entfernt, nur Warenverteiler zu sein. Ich will mich hier nicht auf eine der zahlreichen konkurrierenden Funktionenlehren festlegen. Aber die Unterschiede in den Theoriegebäuden von Oberparleiter, Seyttert, Buddeberg, Sundhoff, Behrens und Hoppmann - um nur einige Namen zu nennen - machen uns zumindest deutlich, daß der Handel eine Fülle von Aufgaben zu erfüllen hat und sein Profil den Anforderungen eines modernen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems immer wieder neu anpaßt. Wir haben es hier mit einer Wirtschaftstätigkeit zu tun, die nicht nur zu den ältesten der Welt gehört, sondern gleichzeitig auch zu den modernsten, dynamischsten und marktwirtschaftlichsten. Als aktiven Marktgestalter, so hat der frühere Präsident und jetzige Ehrenpräsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Wolfgang Hinrichs, den Handel zu Recht in seinem Buch "Faszination im Handel" beschrieben. Mit etwa 10 % der Bruttowertschöpfung kommt dem Handel ein erhebliches Gewicht in unserer Volkswirtschaft zu. Ihm gehören in den alten Bundesländern knapp 30 % aller steuerpflichtigen Unternehmen an. Etwa 3, 7 Mio Menschen sind in ihm beschäftigt. Etwa 500.000 kommen hinzu in den neuen Bundesländern. Aus diesem Grund wurde immer wieder die Forderung laut nach einem gesonderten Ministerium oder wenigstens nach einem besonderen Staatssekretär und nach einer speziellen Handelspolitik. Dieser Wunsch mag auf den ersten Blick verständlich erscheinen. Dennoch halte ich es für vernünftig, daß ihm - anders als in einigen europäischen Nachbarländern - nicht Rechnung getragen wurde. Als Staatssekretär habe ich solchen Wünschen aus Handwerk und Handel selbstbewußt und ordnungstreustets entgegengehalten: "Le Secretaire d'Etat c'est moi!" Nicht umsonst habe ich den Handel mit einem Nerv verglichen - er reagiert ähnlich hochsensibel auf Berührungen und leitet Impulse auch so schnell weiter. Sich des Handels in paternalistisch-schützender Staatsfunktion anzunehmen, hieße deshalb, ihm eher zu schaden als zu nutzen.

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Sicher gibt es immer wieder Entwicklungen, die der sorgfältigen Beobachtung, wenn nicht gar der Kontrolle bedürfen. Ich komme darauf noch zu sprechen. Aber dies muß, so unbeliebt die politische Formel auch zuweilen ist, stets in Abstimmung mit dem Gesamtrahmen unserer Wirtschaftsordnung erfolgen. Isolierte Maßnahmen können immer nur für einen begrenzten Zeitraum Schutz gewähren. Langfristig schmälern sie nicht nur die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt, nein, sie schaden auch ihrem Schützling. Sie vermindern den Druck zur notwendigen Anpassung und Fortentwicklung. Der Handel als ein überaus lebendiges, mobiles System eignet sich vielleicht sogar am wenigsten für gutgemeinte, aber schlecht durchdachte Eingriffe. Deshalb bleibe ich bei meiner Überzeugung, daß eine gute allgemeine Wirtschaftspolitik auch eine gute Handelspolitik ist. Hierbei muß es auch in Zukunft bleiben, damit der Handel seiner Funktion als Schaufenster der Marktwirtschaft weiterhin gerecht werden kann. Mit dieser Aussage will ich die Probleme im Handel keineswegs verniedlichen, dazu sind sie zu ernst und zu offenbar. ln den vergangenen beiden Jahrzehnten haben wir einen schnellen und drastischen Konzentrationsprozeß erlebt. Der Wunsch der Konsumenten nach einem möglichst preiswerten und dabei vielfältigen Angebot hat großflächige Betriebstypen mit zum Teil aggressiven Preis- und Marketingstrategien begünstigt. Viele Mittelständler mußten weichen. Der Kostendruck ließ Ladengeschäfte entstehen, in denen der Kunde selbst einen Teil der Dienstleistungen des Handels übernahm, und in denen die Flächenproduktivität die Dominanz über die Personalproduktivität errang. Es war von der Trivialisierung und Verarmung der Handelslandschaft, vom "Tante-Emma-Sterben" und von der Tristesse unserer Innenstädte die Rede. Die Wirtschaftspolitik hat sich des Problems in ernsthafter und verantwortungsvoller Weise angenommen. Dies war oft genug ein schwieriges Kurshalten. Ich will dies an der 5. Kartellnovelle verdeutlichen, deren Vorbereitung einigen ordnungspolitischen Kummer bereitet hat. Einerseits galt es, den Versuchungen und Forderungen zu widerstehen, ein sektorales Sonderrecht für den Handel zu etablieren, bei der Fusionskontrolle vom Marktbeherrschungsbegrifft abzukoppeln und bei der Verhaltenskontrolle Extrempositionen nachzugeben wie dem Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis oder einem allgemeinen Diskriminierungsverbot

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Andererseits haben wir uns nicht der Einsicht verschlossen, gewisse verschärfende Konkretisierungen bei der Verhaltenskontrolle vorzunehmen und die Marktbeherrschungskriterien um vertikale Elemente zu ergänzen. Dabei muß aber aufgapaßt werden, daß aus dem notwendigen Schutz des dynamischen Leistungswettbewerbs nicht in den Schutz vor Konkurrenten geschlittert und der Marktzutritt für neue - auch für kapitalkräftige - Unternehmen versperrt wird. Denn nur bei Gewährleistung "unverfälschten Wettbewerbs" - wie es Artikel 3 f EWGV so treffend formuliert - ist sichergestellt, daß sich die Handelsstrukturen entsprechend dem Nachfrageverhalten des Verbrauchers und zu seinem Vorteil optimal entwickeln können. Zu dieser Struktur gehören neben einem breit gefächerten Mittelstand auch kapitalkräftige Großunternehmen, vor allem als innovative lmpulsgeber. Das jeweils optimale Nebeneinander von Betriebstypen und Betriebsgrößen ist allerdings schwer ·zu finden und als Fragestellung in Wirtschaft, Lehre und Politik viel diskutiert worden. Sicher ist, daß die Antwort weder vom Staat noch von Branchengremien gegeben werden kann. Optimale Strukturen müssen sich vielmehr auf der Basis einzelunternehmerischer Entscheidungen in einem ständigen Suchprozeß am Markt herausbilden. Dazu ist es erforderlich, daß der Staat durch Satzung der Rahmenbedingungen den freiheitlichen Ablauf dieses Suchprozesses garantiert. Wichtig war aber auch, den Blick nicht nur der Absatz-, sondern auch der Beschaffungsseite zuzuwenden. Nachfragemacht im Einkauf und eine entsprechende Konditionenpolitik sind zumeist bereits der Ansatzpunkt für die Vormachtstellung der "Großen". Vor diesem Hintergrund hat der § 5c des GWB die Einkaufskooperationen - als ein Mittel zur "Gegenmacht" für den Mittelstand - im wesentlichen vom Kartellverbot freigestellt, allerdings unter der Voraussetzung, daß sie auf ihre Mitgliedsfirmen keinen Bezugszwang ausüben und ihre Tätigkeit den Gesamtwettbewerb in keinem nennenswerten Umfange verzerrt. Eine Einzelfallbewertung kann dabei nicht quantitativ, sondern muß stets qualitativ - unter Berücksichtigung der Struktur- und Wettbewerbsgegebenheiten auf den jeweiligen Branchenmärkten - erfolgen. ln der Praxis haben diese Selbsthilfeorganisationen vor allem für den Mittelstand eine erhebliche Bedeutung erlangt, wie besonders zwei große Unter7 ilo-Kolloquium

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suchungen des ifo Instituts im Auftrag des BMWi aufgezeigt haben: durch ihre zentralisierten Serviceleistungen, durch branchenspezifische Konzepte und durch das Aufspüren qualitativer und regionaler Marktnischen. Gestärkt wird aber vor allem die "Verhandlungsmacht" im Zusammenschluß kooperativer Partner. Die jüngste Entwicklung zielt auf den Zusammenschluß der Einkaufsgesellschaften des Fachhandels zu transnationalen Kooperationen, mit deren Hilfe der Mittelstand den Herausforderungen im europäischen und im internationalen Handel wohl gewachsen ist. Ein großes Verdienst für die Wettbewerbs- und die Mittelstandspolitik kommt den Untersuchungen der empirischen Forschung zu. Sie hat nicht in den allgemeinen Tenor miteingestimmt und den Mittelstand vor der Zeit - vielleicht kommt diese Zeit auch nie - totgesagt. Vielmehr ist es ganz besonders dem ifo Institut zu danken, daß auch in Phasen des größten Strukturpessimismus das wettbewerbliehe Potential der kleinen und mittleren Unternehmen eine differenzierte Würdigung fand. Die nüchterne Analyse der Schwachstellen, aber auch der Stärken sogenannter KMU trug viel dazu bei, den allgemeinen Wettbewerbspessimismus zu dämpfen und Erfolgsfaktoren klar herauszustellen. Selbst im deutlich von den "Großen" dominierten Lebensmitteleinzelhandel mit seinem Prinzip des Massenvertriebs und der Standardsortimente mit marginalen Handelsspannen hat sich ein Kreis selbständiger Unternehmer behauptet. Eine geschickte Marktnischenpositionierung, Individualisierung und gezieltes Trading Up sowie die Zusammenarbeit mit einem effizienten Großhandellassen auch für die Zukunft Chancen erkennen. Herr Batzer hat mit seiner Forschung wesentlich dazu beigetragen, die Bedeutung der Kooperation für die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen nachzuweisen und daraus per saldo eine Förderung des Wettbewerbs abzuleiten.

2. Möglichkeiten einer ganzheitlichen Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern Eine besondere Brisanz erhalten die Themen "Mittelstand", "Konzentration", "Ansiedlung von Großunternehmen auf der Grünen Wiese" durch die derzeitige Entwicklung in den neuen Bundesländern. Immer häufiger wird davor gewarnt, die Fehler der 70er und BOer Jahre jetzt im Osten Deutschlands zu

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wiederholen. An dieser These fällt zweierlei auf: die Vorstellung eines strukturpolitischen Determinismus mit einem "objektiv richtigen" Endziel und der Glaube, man könne im Wege der obrigkeitsgelenkten "Machbarkeit" Zwischenstufen der Entwicklung überspringen. Meiner Ansicht nach ist auch hier die Forderung nach einer vorbestimmten "gemachten" optimalen bzw. notwendigen Struktur problematisch. Sie verstößt nicht nur gegen die Grundprinzipien der freien unternehmerischen Entfaltung, sondern sie versucht auch eine Struktur zu verabsolutieren, die uns heute wünschenswert erscheint, von der wir jedoch nicht wissen, ob sie unseren Bedürfnissen von morgen noch genügt. Das Vordringen großer Handelsketten in die neuen Bundesländer und die starke Tendenz zu großflächigen Discount-Läden stellt sowohl die Raumordnungs- als auch die Mittelstandspolitik vor Aufgaben. Davor will ich meine Augen nicht verschließen. Aber es wäre einseitig, hier nur das "aggressive" Verhalten einiger großer Handelsunternehmen zu sehen bzw. anzuprangern. Vielmehr sollten wir auch sehen, daß nur bereits funktionsfähige, kapitalkräftige und gut durchorganisierte Vertriebssysteme der Aufgabe gewachsen waren, die Bevölkerung in den neuen Ländern so schnell wie möglich mit den von ihr gewünschten Gütern zu versorgen. Und wenn gegenwärtig niedrigpreisige Sortimente mit reduzierten Serviceleistungen besonders vertreten sind, so entspricht dies nicht zuletzt der Einkommens- und Bedarfssituation der Verbraucher. Ich denke, daß sich die Strukturen in Ost und West mittelfristig angleichen werden und daß die Entwickung in den neuen Bundesländern gewissermaßen "im Zeitraffer" verlauten wird. Fehlplanungen der Unternehmen werden dabei nicht zu vermeiden sein. Bislang hat die Wissenschaft Schumpeters Theorie von der schöpferischen Zerstörung nicht widerlegt. Die Entwicklung in Ostdeutschland mit ihrer totalen strukturellen Runderneuerung ist meines Erachtens im Gegenteil ein Paradebeispiel dafür. Die Politik sollte sich nicht dazu verleiten lassen, die Marktkräfte aufhalten zu wollen. Sicherlich ist die Regierung aufgefordert, die Bedingungen zu schatten, unter denen das System funktionieren kann . Aber die wichtigsten Probleme sind weder branchenspezifisch zu lösen, noch sollten sie immer neue Subventionstatbestände begründen. Klärung offener Eigentums- und Vermögensfragen, die schnellstmögliche Beseitigung des Mangels an Gewerbeflächen sowie die Heranbildung qualifizierten Humankapitals sind 7'

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nicht durch protektionistische Schutzzäune, Zuschüsse, kleine Einzelprogramme und marktwidrige Eingriffe wie z.B. in das Mietrecht zu ersetzen. Gefragt ist erneut Ludwig Erhards Sicht von einer "ganzheitlichen" Wirtschaftspolitik. Er warnte schon 1957 vor einer wachsenden Zersplitterung und Mediatisierung unserer Gesellschaft, vor der Tendenz zu Teilregelungen und Teilordnungen, die die materiellen Wünsche der jeweils stärksten Interessengruppen befriedigen sollen. Lassen Sie mich diesen Punkt mit einem Erhard-Zitat warnend zusammenfassen: "Der staatliche Dirigismus und Kollektivismus werden umso üppiger gedeihen, je mehr aus diesem Grunde ein Zwang vorliegt, das Getrennte mit künstlichen Mitteln wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen." Gerade in diesem zuweilen kaum noch überschaubaren Dickicht von hochstilisierten Scheinproblemen und echtem, dringlichem Handlungsbedarf müssen sich die politischen Entscheidungsträger auf objektive, nüchterne und sorgfältig recherchierte Informationen stützen. Das Bundesministerium für Wirtschaft hat deshalb beim ifo Institut und bei der Forschungsstelle für den Handel, Berlin, eine strukturbegleitende Untersuchung zum Handel in den neuen Bundesländern in Auftrag gegeben. Bei der Auswertung der Zwischenberichte wird besonders darauf geachtet, solche Forschungsergebnisse in die politische Meinungsbildung mit einfließen zu lassen und auch aufkommenden Handlungsbedarf frühzeitig zu erkennen. Gerade an diesem Beispiel OstDeutschlands zeigt sich, wie hilfreich eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Politik sein kann.

3. Zur Rolle der Handelsforschung bei einer aktiven Unterstützung der Reformprozesse in den mittel- und osteuropäischen Staaten ln diesem Zusammenhang_ möchte ich auch auf den immensen Informationsbedarf zu sprechen kommen, der sich uns durch das Ende der "kommunistischen Regime" und den sozioökonomischen Umbau Osteuropas aufgetan hat. Als demokratischer Rechtsstaat mit Sozialer Marktwirtschaft und eine der führenden Industrienationen in der Welt können wir uns der Verantwortung nicht entziehen, den Reformprozeß in den mittel- und osteuropäischen Nachbarländern wie auch in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion aktiv zu unterstützen. Dazu sind wir bereit. 100

Marktwirtschaft und rechtsstaatliche Demokratie sind ein Koppelprodukt, welches keine längerfristige Spaltung verträgt. Unsere Erfahrungen von gut vierzig Jahren haben plötzliche und unerwartet hohe Aktualität gewonnen. Und so kann ich vorbehaltlos zu der Aussage stehen, die ich vor mehr als vier Jahrzehnten in meiner Freiburger Diplomarbeit über "Vereinbarkeit von wirtschaftlicher und staatlicher Ordnung" am Schluß getroffen habe: "Die Wettbewerbsordnung ist die Wirtschaftsordnung, welche die wirtschaftliche Freiheit optimal gewährleistet, und sie ist damit gleichzeitig die Ordnung, welche eine freiheitliche Verfassung des Staates und des Rechts - die rechtsstaatliche Demokratie - möglich macht. Sie ist es deshalb, weil die menschliche Freiheit nach allen Seiten hin unteilbar ist, weil die politische, rechtliche und kulturelle Freiheit die wirtschaftliche zur Voraussetzung hat, und ebenso eine Freiheitliche Wirtschaftsordnung nur zu haben ist bei einer entsprechenden freiheitlichen Staats- und Rechtsordnung." Dieser Interdependenz-Gedanke sollte uns heute abermals leiten. Allerdings kann eine Therapie nur dann Erfolg versprechen, wenn wir überhaupt eine hinreichende Diagnose stellen können. Im Klartext: Die ideologische Teilung der Weit hat bewirkt, daß wir über das Funktionieren der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mechanismen, aber auch über ganz simple Basisdaten in den Ländern jenseits des früheren "Eisernen Vorhangs" viel zu wenig wissen. Mehr als je zuvor sind wir deshalb darauf angewiesen, daß die Forschung ihren Beitrag schon zur "Diagnostik" leistet. Eine der vordringlichsten Aufgaben der Wirtschaftspolitik in den mittel- und osteuropäischen Staaten wird im Auf- und Ausbau leistungsfähiger Distributionssysteme bestehen, von denen wichtige Impulse auf die Industrie und die Landwirtschaft ausgehen. Besonders wichtig hierfür ist der Großhandel. Nur ein differenziertes privatwirtschaftliches Handelsnetz wird in der Lage sein, dem Versorgungsnotstand in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten abzuhelfen und große Bereiche wieder in die "legale" Wirtschaft zu überführen. Hierzu sind zügige grundlegende Reformschritte - wie z.B. die Privatisierung von Grund und Boden - notwendig. Erforderlich wird aber auch sein, daß wir in der Lage sind, in erheblichem Umfange "intellektuellen Beistand" • wie etwa Beratungs- und Managementhil· fen • zu leisten. Auch die Forschungsinstitute stehen hier vor einer großen

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Herausforderung. Beispielsweise sind die Absatzwege in diesen Ländern mit der Situation in der Bundesrepublik nicht zu vergleichen. Hinzu treten Schwierigkeiten allgemein-wirtschaftlicher und infrastruktureller Art. Vor allem wäre es wichtig, Kenntnisse zu erwerben über das Potential kleiner und mittlerer Unternehmen, die schnell Handelsfunktionen übernehmen können und welche Funktionsbedingungen hierfür erfüllt werden müssen . Unter dieser Zielsetzung hat das Bundeswirtschaftsministerium dem ifo Institut und dem Osteuropa-Institut einen gemeinsamen Forschungsauftrag erteilt. Er wird als Basis für die weiteren Überlegungen dienen, welche Beratungs- und Qualifizierungshilfen der Westen leisten kann, und über welche Organisationen sie transportiert werden sollen. Die größten Schwierigkeiten bestehen sicher für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Die anderen mittel- und osteuropäischen Staaten sollten wir aber ebenfalls nicht vernachlässigen. Polen, Ungarn, die CSFR, aber auch Bulgarien, Rumänien und Albanien befinden sich in einer Phase des Aufbruchs. Jeder dieser Staaten bietet andere Ausgangsvoraussetzungen, die Reformen sind unterschiedlich weit vorangeschritten. ln Ungarn - einem Land, dem ich durch meine Tätigkeit im BMWi, aber auch danach als wirtschaftspolitischer Berater sehr verbunden bin - ist der Privatisierungsprozeß im Handel deutlich in Gang gekommen. Aber auch hier befanden sich Anfang 1991 noch 24 % der Geschäfte im Lebensmittelhandel in Staatseigentum, 39 % waren genossenschaftlich organisiert. Durch Verkäufe an ungarische Firmen und an westliche Investoren sowie die Schließung von staatlichen Geschäften kündigt sich ein weiterer rascher Strukturwandel an. Erheblicher Bedarf besteht noch für größere Einheiten. ln Polen und der CSFR zeichnen sich deutliche Wirtschaftsgefälle zwischen den grenznahen und den grenzfernen, weiter östlichen Regionen ab. Standardkonzepte sind daher sicher nicht am Platze, es gibt keine Allgemeinlösungen. Auch ich bin der Ansicht, daß unser System nicht einfach "überstülpt" werden kann. Um es in den Begriffen meines Lehrers Walter Eucken zu sagen: die "konstitutierenden Prinzipien" sind unverrückbar und müssen stimmen; die "regulierenden Prinzipien" müssen die besonderen Ausgangsbedingungen berücksichtigen. Will der Westen seinen Beitrag zur wirtschaftlichen Gesundung leisten, so wird er in vielen Fällen konzeptionelles Neuland betreten

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müssen - ohne eine aktuelle, sorgfältig und objektiv recherchierte Datenbasis eine nahezu unlösbare Aufgabe.

4. Förderung des Wettbewerbsgedankens durch konsistente Marktöffnung Im EG-Binnenmarkt ln den neunziger Jahren verstärkt sich für den Wettbewerb der maßgebliche Einfluß des EG-Binnenmarktes. Das Warenangebot wird internationaler, die Präferenzstruktur der Nachfrageseite verändert sich. Vorhandene nationale Wettbewerbsvorteile können dabei gemeinschaftsweit ausgebaut werden allerdings auch mit der Folge einer stärkeren Konzentration im Inland. Ich blicke einer solchen Entwicklung relativ gelassen entgegen. Denn ein gröBeres Europa mit ungehindertem Warenverkehr bedeutet zugleich größere Märkte, mehrAnbieterund Nachfrager und damit auch mehr Wettbewerb und weniger Chancen für Machtmißbrauch - auch ohne Tätigwerden der Kartellbehörden. Öffnung der Märkte im lnnern und nach außen wird ein wichtigerer wettbewerbspolitischer Aktionsparameter als das spezielle Wettbewerbsrecht Wir wissen aus Erfahrung, daß gerade die Bundesrepublik stets von ihrer Öffnung nach außen und von ihrer europäischen wie auch internationalen Wirtschaftsverflechtung profitiert hat. Die Neubildung oder Neugewichtung regionaler Zentren eröffnet positive Entwicklungschancen für grenznahe Gebiete, aber auch für Regionen wie das Ruhrgebiet, für Harnburg oder Leipzig. Überaus hilfreich und wegweisend sind auch hier die Untersuchungsergebnisse der Forschung, z.B. über die Perspektiven des Großhandels in der EG. Ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt wird durch die Harmonisierung von Normen und Vorschriften und den Abbau nationaler Reglementierungen zu leisten sein. Das Ladenschlußgesetz, ein ordnungspolitischer "Sündenfall" nach Ludwig Erhard dürfte sich als Relikt einer nationalstaatliehen Politik kaum noch halten lassen. Mit der Zusammenführung von Produkt- und Wettbewerbsvorschriften und der Vereinheitlichung der Informations- und Kommunikationssysteme sowie der statistischen Datenbasen verbinde ich durchaus positive Hoffnungen. Generell gesagt wird die wettbewerbspolitische Musik im engeren und weiteren Sinne zunehmend in Brüssel und weniger in Berlin und Bann spielen. 103

Allerdings ist auch die EG-Kommission anfällig für Partikularinteressen und hat vielfach den einfacheren, aber weniger nutzbringenden Weg des "Fiickenteppichs" von Richtlinien und Programmen gewählt. Unsere konsistente Politik bleibt deshalb auch in Brüssel weiterhin gefordert, um Fehlentwicklungen vorzubeugen. Ich halte es gleichwohl für bedeutsam, daß sich der Ministerrat im November 1989 - erstmals seit 20 Jahren auch der Probleme und Fragen des Handels angenommen und die Kommission mit der Aufgabe betraut hat, ein integrationsfähiges Politikkonzept für den Handel zu entwickeln. Der Handel ist damit aus seinem Brüsseler Schattendasein herausgetreten; endlich scheint die physiokratische Vorstellung vom "unproduktiven Sektor" aus unserem modernen Denken verbannt zu werden. Positiv werte ich, daß die Kommission ihr Aktionsprogramm "Auf dem Wege zu einem Binnenmarkt für den Handel" dabei nicht als Vorlage für eine neue Sektorpolitik versteht, sondern als längst fällige Anerkennung der Schlüsselrolle, durch die der Handel die gesamte Gemeinschaftspolitik - Unternehmenspolitik, Information, Aus- und Fortbildung, Wettbewerb, Innovation - beeinflußt. Dies entspricht auch unserer Sichtweise; wir sollten die Kommission, falls nötig, daran erinnern. ln seinem Kern sieht das Aktionsprogramm vor, den Interessen des Handels künftig auf vier Ebenen verstärkt Rechnung zu tragen: - durch zielgerichtete lnformationspolitik, - durch verbesserte Zusammenarbeit der mit Handelsfragen befaßten Gemeinschaftsgremien, - durch die Entwicklung eines harmonisierten Rechtsrahmens im Handelsbereich und - durch die Stärkung des Handels im Wege einer verbesserten Bildungs- und Beratungspolitik, gespeist aus den bereits bestehenden Programmen des EG-Strukturfonds. Grundsätzlich sind die Zielsetzungen dieses Programms zu begrüßen. Besonders im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen liegt die Verbesserung der lnformationspolitik. Viele dieser Unternehmen sind hoffnungslos überfordert, sich über die vielen Verordnungen, Richtlinien und Programme ein Bild machen zu können und die für sie geeigneten Informationen herauszufiltern. Verbessert werden muß auch die statistische Datenbasis.

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Für außerordentlich wichtig halte ich es aber auch, daß die Unternehmen und ihre Verbände besser als bisher in die Entscheidungstindung der Kommission einbezogen werden und den 1978 gebildeten Ausschuß für Handel und Vertrieb verstärkt als "Sprachrohr" nutzen können. Immer noch sehr eingeschränkt ist jedoch das Mitspracherecht im Bereich neuer Rechtsetzungsakte. ln zahlreichen Einzelregelungen zum Verbraucherschutz und zum Wettbewerb vermögen weder Bundesregierung noch Wirtschaftsvertreter einen konkreten Handlungsbedarf zu erkennen. Hier scheint die Kommission immer noch viel zu wenig auf die Kompatibilität von Handelsund anderen Politiken zu achten. Auch die Öffnung der Förderprogramme für den Handel bedarf einer etwas differenzierteren Betrachtung. Sicherlich ist es sinnvoll, das Berufsbild der im Handel Beschäftigten zu verbessern, den grenzüberschreitenden Personalaustausch zu erleichtern und steigenden Qualifizierungsanforderungen zu entsprechen. Vor allem müssen die kleinen und mittleren Unternehmen verstärkt mit neuen Handelsmethoden und neuen Technologien bekanntgemacht werden. Gerade sie können durch den Abbau der hier bestehenden Defizite einen großen Schritt zum Wettbewerb im vollendeten Binnenmarkt tun. Wer allerdings eine angebliche Diskriminierung des Handels gegenüber Landwirtschaft und Industrie in der Fördertrage anprangert und für den Handel "Nachholbedarf" anmeldet, dem fehlt das Grundverständnis für die ordnungspolitische Verpflichtung der Handelspolitik, über die ich eingangs gesprochen habe. Ich halte es für verfehlt, die bereits viel zu weit verzweigte Strukturpolitik der Gemeinschaft damit noch weiter aufzublähen. Sie muß im Gegenteil wieder stärker auf Rahmenordnungspolitik zurückgeführt werden. Vor dem Hintergrund der Maastrichter Beschlüsse enthält diese Warnung einen besonderen Nachdruck. Gerade die Bundesregierung muß es sich zum Ziel setzen, an einer europäischen Politik der großen und geraden Linien mitzuwirken. Sie sollte sich an einer weiteren Düngung des Subventionsdschungels nicht beteiligen, sondern insbesondere im Hinblick auf die Währungsunion einer maßvollen und verantwortlichen nationalen wie gemeinsamen Haushaltspolitik das Wort reden. Dazu gehört nunmal nicht Ausbau, sondern Abbau von Subventionen.

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Die Beschränkung auf eine geringere Anzahl genereller effizienzsteigernder Förderinstrumente muß nicht zwangsläufig zu einer Benachteiligung des Sektors Handel oder gar des Mittelstandes führen. Ich erhoffe mir von klareren, "abgespeckten" Förderstrukturen und breiteren Wirkungsbereichen einen wesentlich höheren Nutzen gerade für kleine und mittlere Unternehmer. Gegenwärtig schneidet derjenige finanziell am besten ab, der sich den Zeit- und Personalaufwand für eine entsprechende Informationsbeschaffung über dieses kaum durchdringbare System sowie für eine direkte Interessenvertretung in den entsprechenden Brüsseler Gremien leisten kann. Dieser Zustand ist wohl kaum als mittelstandsfreundich anzusehen.

5. Schlußbetrachtung Ich habe nur einige Aktions- und Problemfelder unserer Politik herausgegriffen, um das Spannungsfeld zwischen Forschung, klassischer Lehre und praktischer Politik exemplarisch zu skizzieren. Unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit sind dabei meines Erachtens durchaus ermutigend. So hat sich gezeigt, daß Mahnungen und Warnungen, aber auch positive Richtungsempfehlungen der empirischen Forschung in der Bundespolitik immer wieder eine positive Resonanz gefunden haben. Umgekehrt lenkten konkrete Forschungsaufträge den Blick der Wissenschaft auf Themen mit besonders dringendem Handlungs- und lnformationsbedarf. Ich glaube, daß sich dieses Zusammenspiel bewährt hat. Herr Tietz hat viele Ansatzpunkte dafür aufgezeigt. Daher kann ich, wenn Sie mich nach einem Wunsch für die Zukunft fragen, nur antworten: Ich wünsche mir, daß sich die konstruktive und vertrauensvolle Kooperation zwischen der ratsuchenden Politik einerseits und der empirischen Forschung andererseits - im einzelnen dabei auch der Kontakt zum ifo Institut und zu anderen Forschungseinrichtungen mit ihren Fachleuten - in bewährter Weise und unter marktwirtschaftlicher Zielsetzung fortsetzen möge. fch danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vor allem danke ich Herrn Dr. Batzer für seine fruchtbare Arbeit und wünsche ihm alles Gute für den neuen Lebensabschnitt.

Wird das Wettbewerbsrecht den neuen Handelsstrukturen noch gerecht? Einführung in die Diskussion

Prof. Dr. Volker Beuthien Direktor des Instituts für Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht der Phitipps-Universität Marburg und Direktor des Instituts für Genossenschaftswesen an der Phitipps-Universität Marburg

Gliederung 0. Einleitung

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1. Zur Kooperationsfreiheit im Handel

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2. Wettbewerbsrechtliche Problematik eines Kooperationszwangs im Handel

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3. Fragwürdige Rechtslage bei Bezugszwängen in Verbundgruppen

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4. Vertikale Unternehmenskooperation als Leitungsprozeß

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5. Einengung der Kooperationsfreiheit durch ein überholtes gesellschaftrechtliches Kartellverständnis 6. Zusammenfassung

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0. Einleitung Herr Tietz hat uns in einer historischen Rückschau den umfassenden Wandlungsprozeß im Bereich der Warendistribution geschildert und hat aufgezeigt, wie die empirische Handelsforschung diesen Strukturwandel begleitet, zum Teil auch vorbereitet hat. Herr Schlecht hat berichtet, wie die staatliche Wettbewerbspolitik versucht hat, den Strukturwandel im Handel in geordnete Bahnen zu lenken und vor allzu starker Vermachtung zu bewahren. Ich möchte in die Diskussion einen dritten Gesichtspunkt einbeziehen: Hat die Wettbewerbspolitik für ein Wettbewerbsrecht gesorgt, das mit dem tiefgreifenden Strukturwandel im Handel geistig Schritt gehalten hat oder ist die tatsächliche Handelsentwicklung dem deutschen Wettbewerbsrecht davongelaufen. Ich fürchte, das Letztere ist der Fall. Herr Schlecht hat zu Recht betont, daß der EG-Binnenmarkt eine konsistente (d.h. grundsätzlich in sich stimmige) Wettbewerbspolitik erfordert und daß eine gute Wettbewerbspolitik stets auch eine gute Handelspolitik ist.

1. Zur Kooperationsfreiheit im Handel Eine gute Handelspolitik muß sich darüber klar sein, ob, warum und wieviel Kooperationsfreiheit sie dem Handel gewähren will. Der Standpunkt der staatlichen Wettbewerbspolitik war insoweit zunächst eindeutig. Noch 1976 lautete es in der Kooperationsfibel des Bundeswirtschaftsministeriums: Kartellverbot heißt nicht Kooperationsverbott Auch das Bundeskartellamt betonte das noch in seinem Tätigkeitsbericht 1988/89. Von dieser wettbewerbspolitischen Leitlinie ist man jedoch unter dem Einfluß der im Schrifttum vordringenden Folgetheorie und der ZVN-Entscheidung des BGH immer mehr abgewichen. Das Kammergericht hat sie in der Selex-Tania-Entscheidung endgültig verlassen, indem es Einkaufszusammenschlüsse schon aufgrund der von den Mitgliedern bezweckten NachfragebündelunQ und der damit verbundenen Nachfragemacht als Kartell ansah. Faßt man aber die Einkaufskooperation schon von ihrer Struktur her als sog. per se-Kartell auf, so droht diese wettbewerbsrechtlich vor dem Ende zu stehen. 108

Das sah auch der Gesetzgeber. Deshalb wollte er die Einkaufskooperation mit dem 1989 eingeführten § Sc GWB aus der Not befreien, in die sie durch die jüngste Rechtsprechung geraten war. ln der Tat hat diese Vorschrift die Bezugsgemeinschaften wettbewerbspolitisch entlastet. Aber sie ist den eigentlichen Problemen, die mit der Einkaufskooperation verbunden sind, ausgewichen. Nach § Sc GWB sind nämlich nur Einkaufskooperationen ohne Bezugszwang der Mitglieder vom Kartellverbot freigestellt. Damit aber lebt bei § Sc GWB der alte Streit, ob für einen Kartellvertrag i.S. des § 1 I 1 GWB anstelle einer rechtlichen auch eine wirtschaftliche Bindung der Mitglieder genügt und worin diese zum Ausdruck kommen muß, wieder auf. Insbesondere fragt sich, wann eine sog. wirtschaftliche Sogwirkung, die dafür grundsätzlich nicht ausreichen soll, in einen Bezugszwang i.S. des § Sc GWB umschlägt. Je frühzeitiger man das annimmt, desto eher läuft § 5c GWB leer. Umgekehrt macht es wettbewerbspolitisch wenig Sinn, § 5c GWB nur auf den rechtlichen Bezugszwang zu beschränken. Denn ein Kartell funktioniert nur, weil und solange sich die Beteiligten davon wirtschaftliche Vorteile versprechen. Ein Kartell beruht also weniger auf Rechtszwang als auf den wirtschaftlichen Eigeninteressen seiner Mitglieder. Dementsprechend kann ein Kartell, das die Beteiligten nur wirtschaftlich zusammenhält, tatsächlich viel fester sein als eines mit rechtlichen Bezugspflichten. Das gilt um so mehr, als sich solche Rechtspflichten angesichts des stets heiklen Streitgegenstandes ohnehin praktisch kaum durch Klage und Zwangsvollstreckung durchsetzen lassen, sondern im wesentlichen nur psychologische Wirkung haben. Insofern ist ein rechtlich bindendes Kartell wettbewerbspolitisch kaum gefährlicher als ein "nur" wirtschaftlich bindendes.

2. Wettbewerbsrechtliche Problematik eines Kooperationszwangs im Handel Überhaupt fragt sich, ob es noch systemgerecht ist, die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Unternehmenskooperationen davon abhängig zu machen, daß sich die Mitglieder keinem Kooperationszwang unterwerfen. Durch das Verbot des aufeinander abgestimmten Verhaltens hat der Gesetzgeber den Kartelltatbestand in § 25 I GWB und damit schlüssig auch im funktional 109

gleichwertigen § 1 I 1 GWB von der wirtschaftlichen Bindung der Abstimmungsbeteiligten gelöst und statt dessen allein darauf abgehoben, daß die Beteiligten tatsächlich darauf verzichtet haben, von ihrer Wettbewerbsfreiheit eigenständig Gebrauch zu machen. Darauf hätte auch § Sc GWB abstellen sollen, anstatt den wettbewerbspolitisch untauglichen Versuch zu machen, wettbewerbsrechtlich zwischen ganz bösen und weniger bösen Kartellen zu unterscheiden. Zudem können auch die Marktverhältnisse im Einzelfall derart sein, daß kleine und mittlere Unternehmen im Gruppenwettbewerb mit den großen Einheitsunternehmen und Filialsystemen nur dann wirklich chancengleich sind, wenn die Kooperationszentrale die Verbundmitglieder ganz oder teilweise (insbesondere innerhalb bestimmter franchisegleicher oder franchiseähnlicher Marketingschienen) zum Bezug verpflichtet. Insofern widerspricht es dem Schutzzweck des § Sc GWB, die Freistellung vom Kartellverbot stets vom Nichtbestehen eines Bezugszwanges abhängig zu machen. Deshalb bleibt § Sc GWB mittelstandspolitisch auf halbem Wege stehen.

3. Fragwürdige Rechtslage bei Bezugszwängen in Verbundgruppen Wer bei der Freistellung vom Kartellverbot in Bezugszwängen denkt, wird der Eigenart der heutigen Handelsstrukturen zu wenig gerecht. Für die heutige Warendistribution ist kennzeichnend, daß die Bezugsgemeinschaften immer mehr auch Vertriebsfunktion erhalten und zunehmend Systemführungsaufgaben übernehmen. Infolgedessen ähneln sich die Vertriebs- und Bezugssysteme, ja durchdringen sich zum Teil wechselseitig. Angesichts dessen wird es wettbewerbspolitisch immer fragwürdiger, den bei den herkömmlichen Vertriebssystemen üblichen Bezugsbindungen den wettbewerbsrechtlichen Vorzug des § 18 GWB zu gewähren, aber die Bezugskooperationen, die sich funktional ähnlich vertikal in die vorgelagerte Wirtschaftsstufe integrieren, unter der grundsätzlichen Strenge des § 1 GWB zu lassen und ihnen gegenüber auch noch bei der Freistallung durch § Sc GWB engherzig zu verfahren. Hinzu kommt die mit § Sc GWB verbundene Rechtsunsicherheit. Nach Ansicht der Gesetzesverfasser soll ein Bezugszwang i.S. des § Sc GWB vorliegen, 110

wenn die Mitglieder aufgrund von tatsächlichen Bindungen entscheiden, die in ihrer Wirkung einer rechtlichen Bezugspflicht gleichkommen. Aber damit hat man der Praxis Steine statt Brot gegeben. Denn wann ist das der Fall und bei welchem Bindungsgrad liegt die wettbewerbspolitisch kritische Grenze? Nicht zu Ende gedacht ist auch der mit § 5c GWB bezweckte Schutz kleiner und mittlerer Unternehmen. So ist völlig ungeklärt, ob und wieviele Großunternehmen an einer mittelstandsförderlichen Kooperationsgruppe i.S. des § 5c GWB beteiligt sein dürfen. Ist sogar die Beteiligung von Großunternehmen, die auf dem jeweiligen Markt zur Spitzengruppe gehören, unschädlich?

4. Vertikale Unternehmenskooperation als Leitungsprozeß Nicht auf den Grad der Gruppendisziplin sollte es daher kartellrechtlich ankommen, sondern vornehmlich darauf, ob die betreffende Unternehmenskooperation überhaupt Kartellfunktion hat. Letzteres ist zu bezweifeln, wenn die betreffende Bezugsgemeinschaft im Wege der vertikalen Integration auf die vorgelagerte Wirtschaftsstufe vordringt, dort eine die einzelnen Mitgliederwirtschaften übersteigende, eigenständige Marktfunktion übernimmt und dabei als neues selbständiges Unternehmen (anders als ein nur reaktives Kartell) marktstrategisch aktiv nach beiden Marktseiten unabhängig im Wettbewerb steht. Entwickeln sich dann im Verhältnis zwischen dem Systemführer und den systemzugehörigen Einzelhändlern Bezugsbindungen, liegt keine horizontale, sondern eine vertikale Wettbewerbsbeschränkung vor, für die § 5c GWB nicht einschlägig ist. Nur wo es unter den systemzugehörigen Einzelhändlern zu horizontalen Verhaltensabstimmungen kommt, fragt sich, ob diese Wettbewerbsbeschränkung ausnahmsweise zwecks strukturellen Nachteilsausgleichs über § 5c GWB geduldet werden kann. Not tut also schon im Vorfeld des § 5c GWB eine teleologisch-funktionale Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Wettbewerbsbeschränkung" i.S. der§§ 1 I 1, 25 I GWB, welche die förderwirtschaftliche Unternehmenskooperation nicht als einen auf eine Wirtschaftsstufe abzielenden Abstimmungsvorgang, sondern als einen sich zwischen zwei Wirtschaftsstufen vollziehenden Leitungsprozeß begreift. 111

Die förderwirtschaftliche Bezugskooperation so zu sehen, ist nicht nur für das deutsche Wettbewerbsrecht, das vertikale Bezugsbindungen grundsätzlich gestattet (§ 18 GWB), sondern auch für das europäische Wettbewerbsrecht wichtig, obwohl dieses grundsätzlich auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen verbietet (Art. 85 I EWGV). Denn nur wenn man erkennt, daß auch eine Bezugskooperationsgruppe vertikal geführt werden kann, wird der Blick darauf frei, daß ein derartiges förderwirtschaftliches Bezugssystem kein perse-Kartell ist und daher (auch wenn es mit Bezugsbindungen arbeitet) wettbewerblich nichts anderes tut als die mit ihm konkurrierenden vertikalen Vertriebssysteme und daher wettbewerblieh nichts per se Böseres (und daher im Rahmen des Art. 85 111 EWGV nicht weniger freistellungswürdig) ist als diese.

5. Einengung der Kooperationsfreiheit durch ein überholtes gesellschaftsrechtliches Kartellverständnis Die Kooperationsfreiheit wird ferner dadurch belastet, daß das überholte gesellschaftsrechtliche Kartellvertragsverständnis bewußt oder unbewußt fortwirkt. Zwar hat der Bundesgerichtshof schon vor Jahren festgestellt, daß die Worte "zu einem gemeinsamen Zweck" i.S. des § 1 I 1 GWB nicht gesellschaftsrechtlich, sondern eigens wettbewerbsrechtlich auszulegen sind. Aber diese richtige Erkenntnis wird, sobald es um die förderwirtschaftliche Bezugskooperation geht, nicht oder nur zögerlich umgesetzt. So wendet das Bundeskartellamt gegenüber förderwirtschaftlichen Franchisesystemen (d.h. gegenüber franchisegebenden Gesellschaften, an denen die Franchisenehmer als Gesellschafter beteiligt sind) ein, bei diesen läge kein Unternehmerhandeln für eigene Rechnung vor und diesen fehle die vertikale Vertriebsstruktur. Das mag im Einzelfall zutreffen. Aber nicht überall, wo Einzelhändler eine franchisegebende Gesellschaft gründen oder sich an dieser gesellschaftsrechtlich beteiligen, liegt ein die angeschlossenen Einzelhändler horizontal abstimmendes Kartell vor. Vielmehr kommt es auf die jeweilige gesellschaftsrechtliche Binnenstruktur der franchisegebenden Gesellschaft an. Je eigenverantwortlicher, d.h. je weisungsfreier, diese geleitet wird, desto mehr verliert sich gesellschaftsrechtlich der Einfluß des einzelnen franchisenahmenden Einzelhändlers im Organaufbau des Franchisegebers und desto ferner liegt wettbewerbsrechtlich der Vorwurf, es liege ein Kartell in Gestalt des sog. unechten Franchising vor. 112

6. Zusammenfassung Insgesamt gilt es daher vier Gesichtspunkte zu beachten: (1) Es herrscht grundsätzlich Kooperationsfreiheit (2) Die Freistellung vom Kartellverbot hätte in § 5c GWB mittelstandspolitisch nicht vom Bestehen oder Nichtbestehen eines rechtlichen oder wirtschaftlichen Bezugszwanges, sondern allein von der Notwendigkeit des wettbewerbliehen Nachteilsausgleichs für kleine und mittlere Unternehmen abhängig gemacht werden sollen. (3) Sobald die Bezugsgemeinschaft auf der vorgelagerten Wirtschaftsstufe eine die einzelnen Mitgliederwirtschaften übersteigende, eigenständige Marktfunktion übernimmt, liegt eine als solche nicht unter die §§ 1 I 1, 25 I GWB fallende vertikale Integration vor. Kommt es im Vollzuge dieser vertikalen Integration zu einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Bezugszwang, handelt es sich nicht um eine horizontale, sondern eine vertikale Wettbewerbsbeschränkung. Diese unterliegt entweder nur einer Mißbrauchsaufsicht (so in § 18 GWB) oder ist nicht weniger freistellungswürdig als andere Vertikalbindungen (so in Art. 85 111 EWGV). (4) Die Kooperationsfreiheit darf nicht durch ein gesellschaftsvertragliches Verständnis des Kartelltatbestandes eingeengt werden. Zu fragen ist vielmehr, ob die am Bezugssystem beteiligten Einzelhändler im Einzelfall überhaupt gesellschaftsrechtlich imstande sind, ihr Wettbewerbsverhalten mittels der Gruppenzentrale aufeinander abzustimmen. Das ist viel seltener der Fall, als gemeinhin angenommen wird.

8 ifo-Kolloquium

Podiumsgespräch Aktuelle und künftige Herausforderungen der empirischen Handelsforschung durch Politik und Wirtschaft

Dr. H. Laumer Vorstandsmitglied des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Ich darf Sie zur Nachmittagssitzung unseres Kolloquiums begrüßen. Zunächst möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß ich - obwohl ich seit langem nicht mehr zu diesem illustren Kreis von Handelsforschern gehöre, der sich hier versammelt hat, - eingeladen worden bin, dieses Gespräch über aktuelle und künftige Herausforderungen der empirischen Handelsforschung durch Politik und Wirtschaft zu moderieren. Immerhin liegen ja auch die Wurzeln meiner wissenschaftlichen Tätigkeit im ifo Institut auf diesem Gebiet. Ich bin 1955 nach dem Studium in die Handelsabteilung eingetreten, die damals noch von Walter Hesse geleitet wurde. 15 Jahre lang habe ich mich dann - in enger Zusammenarbeit mit Erich Batzer, aus der sich eine nun schon 35 Jahre währende Freundschaft entwickelte, auf diesem Feld getummelt. Eine ganze Reihe gemeinsamer Publikationen erinnern an diese meine -im Rückblick interessante und produktive - Zeit in der empirischen Handelsforschung. Nun, dies liegt lange zurück und das erschwert natürlich meine heutige Aufgabe. Denn ein guter Moderator sollte - wie ich meine - über intime Kenntnisse der zu diskutierenden Problef!le verfügen. Erleichtert wird mir meine Aufgabe allerdings durch die Zusammensetzung des Podiums, auf dem ich fünf besonders kompetente Kenner der Materie - sozusagen als "Konsumenten" der empirischen Handelsforschung, als Vertreter der Interessen des Handels und der Wirtschaftspolitik - begrüßen darf. Jeder der fünf Herren wird zunächst ein Statement zu unserem Thema aus der Sicht seiner Organisation abgeben. Darüber werden wir dann unter Einbeziehung des gesamten Plenums diskutieren.



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Da im letzten Teil der heutigen Vormittagsveranstaltung das Problem der Kooperationen eine große Rolle gespielt hat, möchte ich mit dem Vertreter des genossenschaftlichen Handels beginnen. Die verschiedenen Typen kooperativer Gemeinschaftsunternehmen des Groß- und Einzelhandels waren ja schon immer ein wesentlicher Schwerpunkt der ifo Handelsforschung. Nahezu alle Handelsunternehmen sind - in unterschiedlicher Intensität - an eine Kooperation angebunden, und das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen den Kooperationszentralen und den Mitgliedsunternehmen ist für Außenstehende nur sehr schwer zu durchschauen. Eines der Anliegen der zahlreichen ifo Kooperationsstudien war es, dieses Beziehungsgeflecht transparenter zu machen. Ich freue mich, daß wir mit Herrn Dr. Günther Olesch den Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands gewerblicher Verbundgruppen heute bei uns haben, und ich möchte ihn bitten, mit seinem Statement zu beginnen.

Dr. G. Olesch Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Gewerblicher Verbundgruppen e. V. (ZGV), Bonn Vielen Dank, Herr Dr. Laumer. Ich will an den letzten Beitrag des heutigen Vormittags von Herrn Dr. Greipl anknüpfen und zwei, drei grundsätzliche Anmerkungen zu Nutzen und Defiziten der Handelsforschung machen : Heute vormitlag wurde ausführlich über die Kooperationen diskutiert. An ihnen läßt sich, wie ich meine, gut erkennen, was die Handelsforschung geleistet hat. ln der Diskussion über ihre kartellrechtliche und wettbewerbspolitische Einordnung wurden zwei Positionen eingenommen. Die eine war die der Handelspolitik, die andere die der Wettbewerbspolitik. Herr Dr. Greipl fragte ganz generell, wie diese Positionen vereinbart werden können. Der ZGV hat als Interessenvertretung diesen Konflikt ganz elementar erlebt. Er zieht sich noch heute durch die nationalen und internationalen Entscheidungsträger. Selbst innerhalb des Kartellamtes waren beide Positionen vertreten, ebenso innerhalb des Bundeswirtschaftsministeriums, innerhalb der EG-Kommission und auch in den rechtsprechenden Körperschaften. Daraus 116

folgt für uns als ein erstes Anliegen, daß die Handelsforschung diese interdisziplinäre Transferleistung besser erfüllt. Auch in den Studien des ifo Instituts über die Kooperationen ist der zweigeteilte Ansatz zu erkennen. Die erste grundlegende Studie befaßte sich mit der handelspolitischen Bedeutung der Kooperationen, die zweite mit ihrer wettbewerbspolitischen Struktur. Die Vereinbarung beider Positionen und eine ganzheitliche Zusammenschau ist ein zentrales Thema für uns. Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf das Zeitproblem, auf das auch Herr Oppenländer in seiner Einleitung zu sprechen kam. Wir haben, so empfinden es viele, in unserer Rechtssatzung im Grunde das richtige Zeitmaß verloren. Wir gelangen in einen Zustand der immer schnelleren Verrechtlichung. So mußte z. B. die fünfte Kartellgesetznovelle einiges von der vierten Kartellnovelle wieder korrigieren, weil man damals zu rasch gehandelt hatte. Hier sehe ich eine weitere Aufgabe der Handelsforschung. Sie sollte auf den Gesetzgeber einwirken, das richtige Zeitmaß wieder herzustellen. Hätten wir uns nicht gerade durch die Einschaltung des ifo Instituts 10 Jahre Zeit genommen, um die Kooperationsproblematik zu lösen, dann wäre statt eines § Sc GWB etwas viel Schrecklicheres herausgekommen, denn die ersten Entwürfe und die Auffassung der Monopolkommission in ihrem Gutachten über Nachfragemißbrauch waren eine Katastrophe. Hier hat sich die Einschaltung der Handelsforschung also auf den "Faktor Zeit" positiv ausgewirkt. Dagegen gibt es auch Beispiele negativer Auswirkungen bei einer Ausklammerung der Handelsforschung. Dazu zählt etwa die EG-Freistellungsverordnung zu den Franchise-Unternehmen. Sie ist zweifellos ein Erfolg für die Franchise-Unternehmen; es wurde aber nicht bedacht, wie sich diese Verordnung auf die Kooperationen auswirken kann. Die Franchise-Unternehmen dürfen auf der Grundlage dieser Freistellungsverordnung in erheblichem Ausmaß wettbewerbsbeschränkende Abreden treffen, die Kooperationen dagegen werden hieran gehindert und fallen möglicherweise sogar noch unter Artikel 85 EGVertrag. Hier ist also nach den wettbewerbspolitischen Auswirkungen und der Rechtfertigung der EG-Kommission für die bevorzugte Behandlung der FranchiseUnternehmen zu fragen. Die bisher im nationalen Rahmen geführte Diskussion steht auf EG-Ebene in einem viel weiteren und schwierigeren Zusammenhang. 117

Deshalb kann man das ifo Institut nur ermuntern, mehr auf die internationale Schiene zu setzen. ln diesem Zusammenhang möchte ich noch einen anderen Themenbereich einbringen: Wir haben noch keine richtige Vorstellung darüber, wie sich die neuen lnformationstechnologien auf den Wettbewerb auswirken. Wir können uns zwar vorstellen, wie und in welcher Geschwindigkeit sie eingeführt werden und was sie betriebswirtschaftlich für die Rationalisierung usw. bedeuten, aber nicht, welche Rolle sie als Wettbewerbsfaktor spielen. Hier haben wir ein wichtiges Thema aufzuarbeiten. Da die lnformationstechnologien, wie viele neue Technologien, in erster Linie von den Großunternehmen genutzt werden, scheint eine neue Diskrepanz zwischen Großunternehmen und den kleinen und mittleren Unternehmen zu entstehen. Die wettbewerbspolitischen Auswirkungen in diesem Bereich wären ein sehr lohnendes Untersuchungsthema.

Dr. Laumer Vielen Dank, Herr Olesch. Wir wollen über ihre Aussagen dann nach der ersten Runde diskutieren. Meine Damen und Herren, wenn ich mich an meine aktive Zeit in diesem Metier in den 50er und 60er Jahren zurückerinnere, dann war es insbesondere der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels, der unsere Arbeit - nicht nur finanziell - förderte. Vor allem Dr. Göke Frerichs, der spätere Hauptgeschäftsführer, legte großen Wert auf die wissenschaftliche Begleitung der Arbeit des Verbandes und auf die systematische Erforschung des Großhandels. Viele unserer Arbeiten auf diesem Gebiet sind auf seine Anregung zurückgegangen. Dieser enge und fruchtbare Kontakt zur BGA blieb bis heute erhalten. Ich begrüße sehr herzlich den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Groß- und Außenhandels, Herrn Dr. Peter Spary. Darf ich Sie um Ihr Statement bitten.

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Dr. P. Spary Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels e.V., Bann Herr Laumer, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich fühle mich hier auch als Konsument angesprochen, und wenn eine so elegante Kost wie am heutigen Vormittag serviert wird, dann nimmt man besonders gern teil. Wo gibt es schon so viele Vertreter der Handelsforschung in einem Raum wie heute? Diese Situation ist sehr motivierend und hat mir viele neue Impulse gegeben. Ich fühle mich aufgefordert, die gute Arbeit, die mein Vorgänger Dr. Göke Frerichs geleistet hat, möglichst fortzusetzen. Wie Sie bereits sagten, Herr Dr. Laumer, haben wir schon in den 70er Jahren viel von Herrn Dr. Batzer profitiert und müssen ihm Dank sagen für seine Forschung. Heute früh wurde ja schon seine Arbeit über den Deutschen Ein- und Ausfuhrhandel im Entwicklungsländergeschäft zitiert. Wir haben damals aus dieser Studie Konsequenzen für die Verbandsarbeit gezogen und eine Kontaktstelle zur Förderung der Einfuhr aus Entwicklungsländern gegründet, die noch heute erfolgreich arbeitet und entscheidend dazu beiträgt, daß wir ein weltweit anerkannter Verband sind. Es gibt eine lange Reihe von Veröffentlichungen von Herrn Dr. Batzer, aus denen wir profitieren konnten, einige sind zitiert worden. Er hat die europäische Ebene im Großhandel beleuchtet. Das wird dazu beigetragen haben, Herr Dr. Batzer, daß wir, der BGA als Spitzenverband, heute zweimal von Staatssekretär Professor Schlecht zitiert wurden. Das ist natürlich für uns sehr motivierend, aber wir haben es letztlich Ihnen zu danken. Sie haben unsere Arbeit auf der Ebene der Bundesrepublik und natürlich auch in Bayern unter die Lupe genommen. Man fragt sich natürlich, ob da noch eine Herausforderung offengeblieben ist, die wir in der Diskussion behandeln könnten. Ich denke, dabei sollte man sich der Verbandspolitik zuwenden. Die Parteipolitik sitzt heute nicht am Tisch und kann sich nicht verteidigen. Ich hätte dies viele Jahre tun können, da ich früher in diesem Bereich tätig war und die lange Liste der Gesetze, die Professor Tietz apostrophiert hat, auf der anderen Seite des Tisches miterlebt habe und zum Teil auch mitgestalten konnte. Durch meine zusätzliche Tätigkeit von 1972 - 1982 als Generalsekretär der Europäischen Drogistenvereinigung be-

kam ich auch in die Entwicklung des Handels auf der europäischen Ebene gute Einblicke. Im Bundesverband Groß- und Außenhandel haben wir vor ein paar Tagen die Einrichtung einer Grundsatzabteilung beschlossen. Das hat bisher noch kein anderer Spitzenverband getan. Wir wollen diese Abteilung hochkarätig besetzen, so daß die Anforderungen, die zu Recht an einen Spitzenverband gestellt werden, erfüllt werden, nämlich auch eine Brücke zur Wissenschaft zu sein. Ich denke, über eine solche Abteilung sind künftig noch mehr Möglichkeiten für dauerhafte Kooperation von Wissenschaft und Praxis gegeben. Aber auch vor Gründung dieser Abteilung haben wir uns schon bemüht, die Wege zu beschreiten, die es gibt. Es wurden ja heute früh die drei Zentren der Handelsforschung angesprochen. Ich selbst habe 1960 meine Studien in Saarbrücken beim damaligen wissenschaftlichen Assistenten Tietz begonnen. Er hat mich dazu motiviert, in dieses Geschäft einzusteigen. Herr Professor Müller-Hagedorn war damals ebenfalls einer Ihrer Schüler, Herr Professor Tietz. Seit kurzem leitet er das zweite renommierte Institut des Handels und hat natürlich schon eine "Antrittsvorlesung" bei BGA gehalten. Wir waren sehr fasziniert von der Motivationskraft, die aus seinem Referat für unsere Arbeit erwachsen ist. Außerdem möchte ich auf den allerdings recht bescheidenen Beitrag hinweisen, den wir finanziell nach Berlin leisten. Vorhandene Zahlen belegen aber dennoch, daß wir dem Appell von Professor Tietz nach finanzieller Flankierung der Forschung durch die Verbände im Prinzip bereits Folge geleistet haben. Denn es kann ja nicht auf Dauer akzeptabel sein, daß von 60 Lehrstühlen sich nur noch 10 mit der Handelswissenschaft beschäftigen. Ich bin sehr erfreut darüber, daß sozusagen aus dem früheren Areopag der Handelswissenschaft in Leipzig fast die ganze Fakultät hier in München erschienen ist. Zwei der Professoren sind mir im Laufe meiner knappen Zeit beim Handel schon in persönlichen Begegnungen bekanntgeworden, und ich schätze unseren Dialog sehr. Dagegen ist aus Aachen, wo es ja auch im Jahre 1898 die Gründung einer Handelshochschule gab, niemand mehr da. Wir sind daher auch aus der Verbandssicht gehalten, darauf zu achten, daß an möglichst vielen Stellen über den Handel geforscht wird.

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ln den Schriften dieses Berliner Instituts, der Forschungsstelle für den Handel, habe ich nachgelesen, daß einer meiner Amtsvorgänger, Herr Dr. Leo Engel, damals, vor gut 60 Jahren, diese Forschungsstelle mitbegründet hat. Wir wollen heute keine neue Forschungsstelle begründen, aber unser neuer Präsident Dr. Fuchs hat uns dazu aufgerufen, die Wissenschaft nicht nur in den bisherigen Formen des universitären Lebens weiter zu entwickeln, sondern auch darüber nachzudenken, ob es Sinn macht, daß sich eigentlich nur in Koblenz eine private Hochschule den unternehmerischen Fragen widmet. Wir wollen hier den Vorschlag unterbreiten, ob man eine der vielen Kari-Marx-Universitäten der alten DDR nicht doch in eine Ludwig-Erhard-Universität umgründen sollte, denn die fehlt uns ja eigentlich noch. Die Idee ist vielleicht nicht ganz originell, aber sie ist noch nicht realisiert. Es böten sich z. B. Frankfurt an der Oder oder vielleicht auch Leipzig an, wo ja umstrukturiert wird. Wir selbst haben in Goslar an der ehemaligen Zonengrenze das Bildungszentrum des Groß- und Außenhandels aufgebaut. Warum soll nicht dort auch so etwas wie eine private Forschungsstelle entwickelt werden? Dazu haben Sie heute so viele Anregungen und Motivationen gegeben, daß diese Idee auf jeden Fall weiter verfolgt werden wird. Es wurde hier bislang nur von Handelsforschung gesprochen. Ich habe aus meinen früheren Erfahrungsbereichen gelernt, wie wichtig die Forschung für die Politik ist. ln der Verkehrswissenschaft hat man eine eigene Lehre von den Besonderheiten des Verkehrs entwickelt. Das führte möglicherweise dazu, daß wir ein eigenes Verkehrsministerium haben. Ob wir es im EG-Markt noch brauchen, ist die zweite Frage. Die Agrarwissenschaft trug vielleicht dazu bei, ein Landwirtschaftsministerium zu begründen. Wir haben jetzt mittlerweile ein eigenes Ministerium für die Ärzte. Für die Industrie gibt es das schon lange, in Form des Forschungsministeriums, d.h. es gibt Bereiche, in denen eine sehr hohe Konzentration der Forschung zur Bildung entsprechender Bürokratien beigetragen haben mag. Im Handel waren wir schwerpunktmäßig auf die drei genannten Institute angewiesen und sind sehr dankbar, daß wir von hier viele Impulse bekommen haben. Aber im Vergleich zu den anderen Wirtschaftsbereichen liegen wir noch zurück.

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Wenn wir nun der Aufforderung von Herrn Täger folgen und wie Herr Olesch ein paar störende Anregungen geben, dann möchte ich zwei Dinge unterstreichen. Heute hat der Kanzler in seiner großen 11. Wirtschaftskonferenz ein Programm für den industriellen Mittelstand verabschiedet und dieses Programm liest sich, obwohl es aus dem Hause des Wirtschaftsministeriums oder des BDI kommt, auf 38 Seiten wie ein reiner Subventionskatalog. Es liest sich nur so, es kann natürlich keiner sein, weil es aus dem Wirtschaftsministerium kommt. Das zeigt aber deutlich, daß wir doch darüber nachdenken müssen, ob es wirklich Sinn macht, daß heute zur Förderung des Aufschwungs in den neuen Bundesländern der Bundeskanzler, die Ministerpräsidenten, die Kabinettsmitglieder, die Treuhandanstalt und die Verbände als einziges Ergebnis ihrer vereinten Bemühungen nur ein Programm für den industriellen Mittelstand gebären. Ich habe bisher ohne Erfolg im Wirtschaftsministerium angeregt, wenigstens das Wort "industriell" zu streichen, um das Programm besser verkaufen zu können. ln der "Gemeinschaftsaufgabe Regionale Strukturpolitik" wird noch einmal eine Subvention kräftig erhöht. Hier ist der Handel seit eh und je im Prinzip ausgeschlossen. Unser Verband hat zwar einen großen Umsatz, aber die durchschnittliche Beschäftigungszahl unserer Mitgliedsunternehmen liegt nur bei etwa 20 Beschäftigten pro Unternehmen. Durch die Ausführungsbestimmungen ist der Handel, auch der Einzelhandel und das Handwerk, von dieser "Gemeinschaftsaufgabe Regionale Strukturpolitik" praktisch ausgeschlossen, da es dort heißt, wir schafften den sogenannten Primäreffekt nicht. Dies ist eine ganz alte Diskussion, bei der wir bislang auch etwas zu wenig Unterstützung durch die Wissenschaft hatten. Unsere neuen Verbände in den neuen Bundesländern können es einfach nicht glauben, daß der so produktive Handel bei einer Maßnahme ausgeklammert bleibt, zu deren Erfolg er wesentlich beitragen könnte. ich will mit einigen Beispielen die Problematik verdeutlichen. Der Versandhandel kann gefördert werden, obwohl er kaum Arbeitsplätze schafft, weil er ja z.B. nur eine große Versandanlage computergesteuert in den neuen Ländern aufbaut. Arbeitsplätze werden damit bei Siemens oder bei IBM in Stuttgart geschaffen, da diese dann Zulieferbetriebe für diese Anlage sind. Der Versandhandel wird gefördert, aber der personalintensive Fachhandel z.B. der 122

Drogisten bleibt ausgeschlossen. Ein Importeur von Südfrüchten, der im Hafen von Rostock ein Millionenobjekt hinsetzt, eine riesige Kühlhalle, wird gefördert, aber der Blumengroßhändler auf dem Markt von Wismar bleibt ausgeschlossen, weil er zu klein ist. Der Bäckermeister wird nicht gefördert, weil er nur für den lokalen Markt anbietet, obwohl er viele Beschäftigte hat, die Brotindustrie, die nur mit Automaten fertigt, die wiederum auch in Baden-Württemberg gekauft werden, wird auch in den neuen Bundesländern gefördert, um den Bäckermeister zu verdrängen. Ich habe das zwar jetzt etwas überzeichnet dargestellt, da der Sinn der Maßnahme höher sein mag. Doch wir konnten unseren Handelsunternehmen diese Form der geringen Wertschätzung der produktiven Funktion des Handels bislang nicht verständlich machen. Darf ich mich noch an Herrn Dr. Stöver wenden, damit er mir vielleicht antwortet, obwohl er in der EG-Kommission nicht in der Generaldirektion XXIII tätig ist, sondern in der Generaldirektion IV. Die Generaldirektion XXIJI hat uns dieses Programm "Auf dem Weg zu einem Binnenmarkt für den Handel" präsentiert. Und darin merkt man, wie notwendig die Handelsforschung ist, denn in dem Programm heißt es, der Großhandel sei kaum noch als eigener Wirtschaftszweig auszumachen. Also sind die Schriften von München noch nicht bis nach Brüssel vorgedrungen! Es heißt dann weiter: Über den Handel mit industriellen Zwischenprodukten, wie beispielsweise Maschinen, sei nur sehr wenig bekannt. Trotzdem trifft die Kommission sehr weitgehende Schlußfolgerungen. Es war Herrn Professor Schlecht überlassen, die vier positiven Aspekte des Programms zu beleuchten. Ich habe daher ein paar zusätzliche Bemerkungen gemacht, um eigentlich nur zu belegen, wie notwendig es ist, daß wir die Handelsforschung nicht nur betreiben, sondern auch Ergebnisse in die Politik, in die Verwaltung, und natürlich auch in die Verbände hinüberbringen. Hier ist noch enorm viel zu tun. An dieser Stelle möchte ich mit meinen Anregungen für die Diskussion abbrechen. Vielen Dank.

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Dr. Laumer Vielen Dank, Herr Dr. Spary. Sie haben mit Ihren Ausführungen sicher dafür gesorgt, daß die folgende Diskussion sehr lebhaft wird. Professor Schlecht fühlt sich wahrscheinlich nicht nur wegen Ihrer Anregung, eine Ludwig-ErhardUniversität ins Leben zu rufen, angesprochen. Ich nehme auch an, daß sich Herr Dr. Warm als Vertreter des Wirtschaftsministeriums angesprochen fühlt. Das Bundesministerium für Wirtschaft, meine Damen und Herren, ist der wichtigste Auftraggeber des ifo Instituts, auch auf dem Gebiet der Handelsforschung. Vor allem zum Referat Handel und lnlandsmessen wurden schon sehr frühzeitig intensive Arbeits- und Forschungsbeziehungen geknüpft. Sowohl in dem früheren Referatsleiter, Herrn Dr. Groß, den ich hier auch als "alten" ifo Kollegen begrüßen darf, als auch in Ihnen, Herr Dr. Warm, hat das ifo Institut engagierte Wegbegleiter der empirischen Handelsforschung als Ansprachpartner gehabt, die auch für politisch brisante Themen immer aufgeschlossen waren. Darf ich Sie bitten, Herr Dr. Warm, zum Thema aus der Sicht Ihres Hauses Stellung zu nehmen.

Min.-Rat Dr. R. Warm Leiter des Referats: Binnenhandel und Messen, Bundesministerium für Wirtschaft, Bann Vielen Dank, Herr Dr. Laumer. Meine Damen und Herren, wir haben in dem Vortrag von Herrn Professor Schlecht ja schon viel über die Binnenhandelspolitik gehört und ich glaube, ich sollte das nicht wiederholen. Unserem marktwirtschaftliehen Credo zufolge könnte man beim Thema regionale Wirtschaftsförderung diskutieren, ob es der Handel überhaupt nötig hat, dort einbezogen zu werden, oder ob er so florierend ist und sich auch lokal einfindet, daß er keinen lnvestitionszuschuß nötig hat. Es stellt sich ja nicht die Frage, wie produktiv Zweige sind und ob sie gefördert werden sollen, weil sie produktiv sind, sondern es sollen ja Zusatzeffekte ausgelöst werden. Wir können gern darüber diskutieren, ob das beim Handel in diesem speziellen Fall notwendig ist.

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Aber zunächst möchte ich noch einige allgemeine Aspekte zum Ausdruck bringen. 1. Aus der Sicht des Bundesministeriums für Wirtschaft hat die empirische Handelsforschung die Aufgabe, aktuelle und grundsätzliche Probleme und Erscheinungsformen zu untersuchen, die den Prozeß der Warendistribution nicht nur unmittelbar, sondern auch indirekt betreffen (wie z.B. das Konsumentenverhalten, den Umweltschutz, den technischen Fortschritt). 2. Die empirische Handelsforschung hat in Deutschland eine lange Tradition. Hierbei ist auf so bekannte Namen wie Rudolf Seyffert, Joachim Tiburtius, Robert Nieschlag und heute besonders Professor Tietz hinzuweisen. Sie haben den guten Ruf der Handelsforschung in Deutschland begründet und sind Verpflichtung zugleich. Hinzu kommt eine Anzahl von Lehrstühlen, die sich heute aber immer stärker dem einzelwirtschaftlichen Marketing-Gedanken "gewidmet" haben. Sie sind inzwischen auf 10 geschrumpft. Nicht zu vergessen ist die Gründung spezieller handelswissenschaftlicher Forschungsinstitute, wie seinerzeit die Handelshochschule in Leipzig, das Institut für Handelsforschung in Köln, das Handelsforschungsinstitut an der Universität Saarbrücken und - außeruniversitär - die Forschungsstelle für den Handel in Berlin. Daneben bedeutsam in der Handelsforschung sind auch die allgemeinen Wirtschaftsforschungsinstitute, die sich in ihrer Mehrzahl aber nur ab und zu handelspolitischen Fragen zuwenden. Eine Ausnahme bildet hier sicher das ifo Institut in München, das für die Felder der empirischen Handelsforschung eine eigene Abteilung besitzt, die viele Jahre hindurch durch Herrn Dr. Batzer so erfolgreich geleitet wurde und Hervorragendes geleistet hat. Die Einbettung der Handelsforschung in die empirische Wirtschaftsforschung hat dabei zweifelsohne erhebliche positive Synergieeffekte, die jedoch aktiv zu erarbeiten sind. 3. Die Themen in der Handelsforschung haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte stark gewandelt. Die zunächst mehr handelstechnisch orientierten Themen der Handelsforschung wurden abgelöst durch die Lehre der Handelsfunktionen. Um nur einige Themen von "gestern" zu nennen: ln Lehrbüchern der Handelskunde wurden besonders "Übersichten" von

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Münzen und Maßen mit normativen Anleitungen zur kaufmännischen Korrespondenz oder zum kaufmännischen Rechnen herausgestellt, in der Betriebslehre des Warenhandels (sie fand Niederschlag in den Lehrstühlen zur Handelsbetriebslehre) Fragen der Verkehrslehre, der Beschaffung, des Absatzes, der Werbung, der Preisstellung und Buchführung. Diese dominierenden Themen führten auf der einen Seite dazu, daß die Handelswissenschaft viel zu sehr ein isoliertes Eigenleben führte. Zu wenig Notiz wurde dadurch von der Entwicklung in der allgemeinen Wirtschaftswissenschaft genommen. Auf der anderen Seite wurde in der allgemeinen Theorie der Volkswirtschaftslehre von Handelsproblemen häufig abstrahiert, wie z. B. im Modell der vollkommenen Konkurrenz. Hier wird höchstens auf Beispiele wie Wochenmärkte, Börsen usw. Bezug genommen. Es wurde also von wichtigen Markt- bzw. Wettbewerbsfunktionen der Distribution weitgehend abgesehen. Diese grundsätzliche Einstellung zum Handel wirkt auch heute in manchen Auffassungen über die Bedeutung des Handels weiter. Zwar spielen auch Kosten des Vertriebs und die Vertriebsformen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Dennoch dominieren in den Wirtschaftswissenschaften eindeutig die Probleme der Produktion. Bis heute war deshalb die Handelsforschung, ja der Handel selbst, stets um Anerkennung ringend. Dabei ging es nicht nur um die Anerkennung im gesellschaftlichen Bereich, um die Position in der gesellschaftlichen Werteskala, sondern auch sehr praxisnah um die Frage der Bereitschaft z.B. von Hochschulabsolventen, ja Abiturienten, im Handel zu arbeiten. Seit Jahren bestehen auch erhebliche Probleme, in den letzten Jahren sogar verstärkt, ausreichend Auszubildende zu finden (gegenwärtig ist von einer Nachfragelücke von etwa 20% mit steigender Tendenz die Rede). Worin liegt diese "mangelnde Wertschätzung" bzw. das vorhandene bzw. vermeintliche "nicht ausreichende Image" des Handels? Welche Identitätsprobleme finden hierin ihren Niederschlag? Um hier nur einige der Gründe zu nennen:

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- Vielfach ist der Handel zu "publizitätsscheu" und dies nicht nur in seinen Bilanzen. Die großen Handelsunternehmen sind vielfach zu zurückhaltend, sich der "Fach"-Öttentlichkeit und dem Konsumenten-Publikum in ihren Unternehmens- und Betriebsstrukturen zu öffnen. Der kleine "Krämer-Laden" kann den Handel politisch nicht repräsentieren. Überhaupt war der KrämerHändlergeist ohnedies in der Geschichte oft negativ belegt. Dies begann schon mit der Diskussion um den gerechten Preis im Mittelalter. - Handelsfunktionen werden häufig - entgegengesetzt zum Handwerk - als leicht erlernbar aufgefaßt. Ihre Erlernung und Ausübung sind mit wenig Aufwand verbunden und es bestehen nur geringe Marktzugangsbeschränkungen. Im Handel existiert daher auch kein Gegenstück zur Handwerksordnung. - Der Handel wird häufig auch als wenig produktiv angesehen. Dies begann schon mit der Anschauung der Physiokraten über die produktiven Sektoren und schlug sich besonders spektakulär in den planwirtschaftliehen Systemen nieder. Der Handel wurde hier in seinen Funktionen sträflich vernachlässigt, mit verheerenden Folgen für die Versorgung der Bevölkerung und die Stabilität ganzer Systeme. - Häufig wird auch die "wissenschaftliche Abkoppelung" bzw. die "geringe Wissenschaftlichkeit" überhaupt als Grund für eine mangelnde Wertschätzung angesehen. Auch heute noch leidet der Handel bzw. die Handelsforschung unter diesen Urteilen bzw. Vorurteilen. Deshalb ist es wichtig, daß der Handel generell, aber auch die Handelsforschung viel stärker aus diesem "Schatten" heraustritt. Wie läßt sich dies bewerkstelligen? Lassen Sie es mich so formulieren, für die empirische Handelsforschung besteht in den nächsten Jahren die Notwendigkeit, sich viel stärker auch mit wirtschaftspolitischen Problemen auseinanderzusetzen, die - wie ich es schon anfangs sagte - direkt und indirekt den Prozeß der Warendistribution beeinflussen.

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So interessiert nicht nur der warentypologische Ansatz, die Vertriebskostenanalyse, der Betriebsvergleich, der institutionenorientierte bzw. funktionenorientierte Ansatz. Viel wichtiger scheint mir heute, Querverbindungen zu anderen wirtschaftspolitischen und wirtschaftswissenschaftlichen Bereichen und Bezüge zu volkswirtschafts-und gesellschaftspolitischen Themen herzustellen. Viel stärker als bisher muß der Handel bzw. die Handelsforschung aus der "einzelwirtschaftlichen Isolierung" herausgeführt werden, wozu heute auch gehört, einmal "gegen" die Verbände und Handelsinstitutionen Ergebnisse zu formulieren. Dabei will ich hier nur einige Felder herausgreifen, die mir für die "Emanzipation" der Handelsforschung im Vergleich zu anderen Gebieten wichtig erscheinen: 1. Wichtigster Bezug besteht heute nach wie vor zur Wettbewerbstheorie bzw. zur Wettbewerbspolitik. Stichworte sind hier: die Konzentration und Kooperation im Handel, die Nachfragemacht des Handels, die Entwicklung der Großbetriebsformen des Handels immer stärker zu diversifizierten Dienstleistungskonzernen. Wie kann sich der Mittelstand, der selbständige Einzel- und Großhandel bei dieser Entwicklung behaupten? Wie ist überhaupt der Mittelstand im Handel empirisch "abzubilden"? Wie kann einem sich verstärkendem Wettbewerbsdruck langfristig standgehalten werden? Wie kann dem zunehmenden Wettbewerb noch stärker als bisher durch die Nutzung von Einkaufskooperationen, Verbundgruppen, des Franchising, durch Abstellen von Schwachstellen und Nutzen von Stärken begegnet werden? Diese Fragen stellen sich im Verhältnis von West- wie Ostdeutschland. 2. Ein anderer Berührungspunkt stellt heute immer stärker die Umsetzung des technischen Fortschritts im Handel dar. ln den meisten kleinen und mittleren Handelsunternehmen hat der technische Fortschritt erst relativ spät stattgefunden. Durch die Expansion in den Großvertriebsformen hat sich viel verändert. Auch im übrigen Handel muß dem Technologietransfer noch viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden als bisher, so z.B. im Bereich der integrierten Warenwirtschaftssysteme, der Kassen- und Zah-

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lungssysteme, der EDV-Anwendung, der neuen Medien wie des Bildschirmtextes, des Tele-Shoppings. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, daß die heutigen Wettbewerbs-"Vorteile" der umsatzstarken Handelsunternehmen zu einem großen Teil darauf zurückzuführen sind, daß diese Unternehmen schon sehr frühzeitig moderne Kommunikations- und lnformationstechnologien in ihre Marketing- und Wettbewerbsstrategien eingebaut haben. 3. Auch der Handel steht heute massiv vor umweltpolitischen Herausforderungen. Ein wichtiger Anknüpfungspunkt für umweltpolitische Maßnahmen stellt heute "das Invarkehrbringen von Produkten" dar. Die Verpackung ist hier nur ein, wenn auch sehr wichtiges Beispiel. "Umweltproblematische" bzw. "gefährliche" Güter und Stoffe werden folgen (siehe z.B. ElektronikSchrott-VO, Batterie-VO, Altpapier-VO usw.). Wie kann sich der Handel am besten auf diese Herausforderungen einstellen? Eine reine Verweigerungshaltung wird sicher nicht durchzuhalten sein. "Intelligente" Gemeinschaftslösungen sind zunehmend gefragt. Auch der Handel muß immer stärker zu kooperativen Lösungen mit Herstellern bzw. mit Kommunen bereit sein. 4. Auch im Bereich der Verkehrspolitik steht der Handel heute vor vielfältigen Herausforderungen. Wie kann der Handel an allgemeinen "Verkehrslösungen" mitwirken? Die Städte vor Verkehrsinfarkten zu schützen, gleichzeitig aber auch eine gute Erreichbarkeit für den innerstädtischen Handel zu sichern, wird eine wichtige Aufgabe sein. 5. Neue wichtige Anforderungen wird auch das Zusammenwachsen zu einem gemeinsamen Binnenmarkt ab 1993 in der EG von 340 Mio Bürgern bzw. Verbrauchern an den Handel stellen. Welche Entwicklungschancen hier bestehen, wie sie genutzt, wie Risiken begegnet werden kann, wird deshalb eine wichtige Aufgabe für die Handelsforschung sein. Noch stärker als bisher müssen "kooperative" Lösungen gesucht und Formen der "Assoziierung" genutzt werden. Dabei darf der selbständige Mittelstand allerdings nicht unter die Räder geraten. Wichtig erscheint mir auch, wie das Leistungsangebot der deutschen Handelsforschung in Brüssel besser bekanntgemacht und genutzt werden kann. 9 ilo-Kolloquium

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6. Neue Binnenhandelssysteme müssen heute in den früheren Staatshandelsländern mit allen ihren Schwierigkeiten aufgebaut werden. Wie kann hier sinnvollerweise geholfen werden? Vieles, was bei uns im marktwirtschaftliehen Kontext selbstverständlich war, muß wieder verstärkt sichtbar und übertragbar gemacht werden. Systeme werden nicht einfach übergestülpt werden können. Neue sozial-kulturelle Gegebenheiten müssen mit einbezogen werden. Auch hier gibt es Aufgaben in Hülle und Fülle für die Handelsforschung. Bereits die immense Herausforderung in Deutschland durch die Wiedervereinigung und die damit verbundene Anpassung eines völlig maroden Distributions- und Produktionssystems an westliche Verhältnisse haben gezeigt, wie schwierig diese Anpassungsprozesse besonders auch in der Akzeptanz der Bevölkerung laufen. Lange Entwicklungsprozesse im Westen werden im Zeitraffer auf wenige Jahre zusammengedrängt, begleitet von erheblichen Strukturbrüchen und Anpassungsproblemen. "Handel ist Wandel". Dies gilt auch für die Handelsforschung. Ihr wird daher in Zukunft viel abgefordert werden. Sie muß deshalb wesentlich verstärkt und verbessert werden. Dies liegt auch im Interesse der "ratsuchenden" Politik. Sie hat sich immer wieder an die Handelsforschung gewandt. So war das Bundesministerium für Wirtschaft stets im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht, Aufträge zu vergeben, die dieser neuen Aufgabenstellung bereits Rechnung getragen haben. Diese Politik des fruchtbaren Zusammenwirkans wird auch in Zukunft fortgesetzt werden.

Dr. Laumer Vielen Dank, Herr Dr. Warm. Als in München ansässiges Wirtschaftsforschungsinstitut fühlen wir uns natürlich der Bayerischen Wirtschaft und damit auch dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr besonders verbunden. Wir haben in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet des Handels eine Reihe von z. T. recht komplizierten regionalen Untersuchungen für dieses Ministerium durchgeführt. Ich denke dabei z.B. an die Studie über die Stellung der genossenschaftlichen

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Baywa oder auch an eine Studie über die Bedeutung der kleinen und mittleren Lebensmittelläden für die Flächenversorgung im Freistaat. Der langjährige Leiter des Referats Handel, Herr Min.-Rat Winfried Fleck war in dieser Funktion stets ein verständnisvoller Ansprechpartner. Ich darf ihn hier in seiner neuen Funktion als Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Bayern begrüßen. Herr Fleck, vielleicht können Sie uns etwas zu einer bayerischen Handelspolitik sagen, und wie sie aussieht, falls es so etwas gibt?

Min.-Rat a. D. W. Fleck Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Bayern e. V., München Herr Dr. Laumer, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ein paar weißblaue Schlaglichter sind sicher auch in Ihrem Sinne, Herr Dr. Batzer, da wir mit Ihnen in all den Jahren eine sehr gute und fruchtbringende Zusammenarbeit hatten. Gibt es überhaupt eine bayerische Handelspolitik? Wie ist eigentlich deren Verhältnis zur Handelsforschung? Ja, es gibt eine solche Politik, wie sich auch mit Taten belegen läßt. Dafür gibt es gute Gründe: Die Bedeutung Bayerns aufgrundseiner Wirtschaftskraft, seiner Bevölkerungszahl und seiner erfolgreichen Wirtschaftspolitik. Als Flächenstaat hat Bayern besondere Probleme. Deshalb haben wir dem Thema Versorgung in der Vergangenheit große Aufmerksamkeit gewidmet. Bei den derzeitigen Problemen der neuen Bundesländer wird manches aus diesen Studien wieder ganz aktuell, wie Herr Dr. Bunge von der Forschungsstelle für den Handel Berlin sicher bestätigen wird. Wir haben uns auch immer wieder der Frage der Unterversorgung gewidmet, z. B. in Verbindung mit den letzten kleinen "Tante-Emma"-Lebensmittelgeschäften in den 80er Jahren. Heute stellen sich derartige Probleme wieder in den neuen Ländern. g•

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Bayerische Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren, betont besonders den Mittelstand. Eine eigene Mittelstandspolitik ist auch in Bayern nur bedingt praktizierbar, da auch wir natürlich unter einem marktwirtschaftliehen Credo stehen, aber wir werden uns nie von der Basis Mittelstand lösen können. 98 % der Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft in Bayern sind dem Mittelstand zuzurechnen. Auch 98 % der Handelsunternehmen sind mittelständisch, auch wenn sie nur noch einen Marktanteil von 28 % besitzen. Daher dürfen Fragen des Mittelstandes von der bayerischen Wirtschaftspolitik bei aktuellen Themen wie Ladenschluß und Rabattgesetz nicht vernachlässigt werden. Das gilt natürlich auch bei Themen, die die EG betreffen. Manchmal ist mir die Euro-Euphorie ein bißchen zu groß, wenn es um den EG-Binnenmarkt geht, denn mir scheint, daß bei der geringen, noch verbleibenden Zeit die Gesetzgebung ins Schleudern geraten könnte. Wenn Sie sich z.B. vier d ieser neuen Richtlinien der letzten Jahre, die von Brüssel gekommen sind, mal genau darauf hin ansehen, was die Haftungsfragen der gewerblichen Wirtschaft betrifft. So hat uns zwar der Cecchini-Bericht vorgerechnet, welche Einsparungseffekte die Wirtschaft haben und welche Wohlfahrtseffekte die verschärfte Haftungsregelung für den Verbraucher bringen wird, aber es hat bisher niemand ausgerechnet, was ihre Anwendung die deutsche Wirtschaft kosten wird. All diesen Richtlinien wie Produkthaftung, Produzentenhaftung, Verbraucherkredit, Haftung für Dienstleistungen, Umwelthaftung laufen darauf hinaus, dem deutschen Haftungsrecht allmählich seine Basis zu entziehen. Dadurch bekommen wir weitgehend französisches Recht, weil die Bürokraten in Brüssel zum großen Teil Franzosen sind. Hier sehe ich persönlich ein interessantes Forschungsthema, einmal auszurechnen, welche Kosten mit den jetzt bereits verabschiedeten und demnächst umsetzbaren Richtlinien aus Brüssel für die deutsche Wirtschaft verbunden sind. Die ganzen Haftungsrisiken, die versicherungsmäßig abgedeckt werden müssen und die sich natürlich auch in den Preisen niederschlagen, sollte man auch bedenken. Die Politik wäre wahrscheinlich dankbar, wenn sie in dieser Hinsicht von der Wissenschaft einen Kosten-Nutzen-Vergleich der Euro-Euphorie vorgerechnet bekäme. Ich bin ein absoluter Befürworter des Binnenmarktes, allein das Tempo macht mir Sorge.

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Nun noch einige Anmerkungen zum bayerischen Handel und zur bayerischen Handelspolitik. Wir haben in Bayern seit den 60er Jahren ein eigenes Handelsreferat, das nur für Binnenhandel zuständig ist. 1979 haben wir einen speziellen bayerischen Einzelhandelsbericht vorgelegt, den einzigen dieser Art, der bisher erschienen ist. Darin haben wir auch Ziele für die Binnenhandelspolitik formuliert, die natürlich an der Wissenschaft orientiert waren. Ich möchte einige Sätze daraus vorlesen: "Die wichtigste Aufgabe der Binnenhandelspolitik liegt darin, durch Sicherung des Wettbewerbs und durch sonstige Maßnahmen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit auf eine optimale Funktionserfüllung des Binnenhandels hinzuwirken. Letzteres heißt hinwirken auf optimale Rahmenbedingungen, Beseitigung von Anpassungshemmnissen und Ergreifen von Maßnahmen zur Leistungssteigerung." Hier sind also auch andere Felder der Wirtschaftspolitik angesprochen, bis hin zur Bildungspolitik. Die bayerische Handelspolitik ist natürlich eingebunden in die Bundeshandelspolitik und hat von ihr profitiert. Umgekehrt aber hat auch Bann ein bißchen von uns profitiert, da wir immer wieder Akzente gesetzt haben, wo bayerische Verhältnisse dazu Anlaß gaben. Wir haben unsere Politik an der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Instituten ausgerichtet, so natürlich mit dem ifo Institut, aber auch mit der Forschungsstelle für den Handel (FfH) Berlin, der GfK Nürnberg oder dem Kölner Institut für Handelsforschung. Dabei haben wir vor allem auf folgenden Feldern Forschungsansätze gesehen: Gesetzesinitiativen (Wettbewerbsrecht, Baurecht und Landesplanung) und Gewerbeförderung. Im übrigen gibt es in Bayern nicht nur eine Mittelstandsfibel, sondern auch eine Fördertibel Handel, die aktuell in der 2. Auflage erschienen ist. Sie beinhaltet alle handelsrelevanten Gewerbeförderungsmaßnahmen von Bund und Freistaat Bayern und enthält viele nützliche Anschriften. Weitere Forschungsaufträge: Herrn Spary's Aussage ist richtig, daß der Großhandel in den neuen Ländern nicht dieselbe Hilfe, wie beispielsweise der produzierende Bereich, bekommt. Genau dieses Thema haben wir bereits 1982 mit Herrn Dr. Batzer untersucht. Wir wollten damals die Versorgung des produzierenden Gewerbes in Bayern mit Leistungen des Produktionsverbindungshandels untersuchen und damit den Nachweis erbringen, welche Be133

deutung es auch für den produzierenden Sektor hat, daß der Großhandel in Form von Produktionsverbindungshandel in seiner Nähe ist. Wir haben eigentlich das Bewußtsein dafür geschaffen, daß die Existenz von Großhandel ein Standortfaktor ist. Allerdings standen hinterher die Gelder in Bann nicht zur Verfügung, um den Großhandel in die Förderung miteinzubeziehen. Mit einer anderen Studie über Einzelhandelsförderung wollten wir feststellen, wo in Bayern ein besonderer Engpaß in der Versorgungssituation gegeben ist. Um das Problem wissenschaftlich-methodisch anzugehen, sollte uns die Forschungsstelle für den Handel in Berlin einen Indikator liefern, wie Versorgungsqualität zu messen sei. Leider mußten wir diese Studie ohne Ergebnis beenden, als sich herausstellte, daß der methodisch eingeschlagene Weg nicht gangbar war. Momentan entwickeln wir mit der Gesellschaft für Handelsberatung, einer Tochter des Bayerischen Groß- und Außenhandels, einen Euro-Kompaß für Unternehmen des Bayerischen Groß- und Außenhandels. Darin geht es um Fragen wie Managementstrategien, Informationssysteme und Absatzorientierung im EG-Binnenmarkt, die branchenmäßig aufbereitet sind und von Unternehmen des Groß- und Außenhandels genutzt werden können. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, die Ergebnisse der Wissenschaft durch Informationsveranstaltungen an die Unternehmen heranzubringen. 1983 haben wir einen Tag "Handel und neue Medien" zu Erkenntnissen über Bildschirmtext veranstaltet. Im Januar 1990 gab es in Bayreuth eine Informationsveranstaltung über Handel in der DDR mit 400 Teilnehmern, zusammen mit den Herren Professoren aus Leipzig. Im letzten Jahr führten wir mit Herrn Dr. Olesch und Herrn Dr. Knigge eine Veranstaltung durch über "Kooperation und/oder Franchising". Wir wollten bewußt den Handel in Bayern provozieren und ihn an Franchising als ein wichtiges Instrument neben Kooperationen heranführen. Wir haben eine Fülle von Broschüren herausgegeben, so z.B. den "Ratgeber Kooperation und Wettbewerb", den "Weg in die Selbständigkeit im Einzelhandel". Wir haben einen Modellversuch "rollende Läden" gemacht, wir haben einen Modellversuch "Betriebskonzepte für kleine Läden" durchgeführt und wir 134

haben vor kurzem den Modellversuch "City-Management - Stadtmarketing" abgeschlossen. Herr Professor Tietz, ich darf Sie ganz konkret ansprechen, mir ist natürlich bekannt, daß Sie auf diesem Feld sehr beispielgebende Veröffentlichungen herausgebracht haben und daß Sie ein Wegweiser waren. Für uns war es wichtig, den Kommunen ein Signal zu geben und deswegen haben wir vor Ort diesen Modellversuch in drei bayerischen größeren Gemeinden gemacht. Die Erkenntnisse sind vielversprechend, vorübergehend einen professionellen Manager in dieser Stadt zu installieren. Wir werden jetzt diese Ergebnisse in mehreren Informationsveranstaltungen an die bayerischen Bürgermeister herantragen und jede Gemeinde mit dieser Broschüre versorgen, um die Erkenntnisse tatsächlich an diejenigen zu bringen, die letztlich die Entscheidung treffen. Lassen Sie mich vielleicht noch zwei Themen anschneiden, die ich für forschungsrelevant halte. Das Stichwort "City-Marketing" ist schon gefallen. Dabei sollte man der Öffentlichkeit einmal bewußt machen, was der City-Handel für die Attraktivität und die Finanzen einer Kommune bedeutet. Wir wissen doch heute, daß viele Kommunen gar nicht mehr in der Lage sind, z.B. ihre Theater noch zu betreiben. Viele Gewerbetreibende und gerade auch der großbetriebliche Handel sind in die Stadtrandgemeinden gegangen. Dorthin fließen heute die Steuern, die in der Großstadt fehlen. Ich bin mir der Problematik durchaus bewußt, daß die Betriebe in der Innenstadt nicht zu halten waren, aber den jetzigen Bestand von Einzelhandelsbetrieben in der Innenstadt müssen wir versuchen zu halten, da sonst die zukünftige Versorgungslage problematisch werden könnte. ln der Kommune fehlt das Bewußtsein für die Bedeutung des City-Handels genauso, wie bei den Parlamentariern das Bewußtsein für die Bedeutung des Handels fehlt. Danke schön.

Dr. Laumer Vielen Dank Herr Fleck. Nun begrüße ich - last but not least - Herrn Dr. Klaus Stöver von der Generaldirektion Wettbewerb bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel. Auch wenn die europäischen Wettbewerbsregeln und Verordnungen den deutschen Handel in den letzten Jahren noch nicht so massiv 135

tangiert haben wie beispielsweise die Industrie, so werden mit der Vollendung des Binnenmarktes einzelne Wettbewerbsregeln der Kommission mit Sicherheit größeren Einfluß auf die Weiter- und Fortentwicklung der Handelsstrukturen gewinnen. Ich kann mir vorstellen, daß damit auch für die Kommission der Forschungsbedarf zunimmt. Herr Dr. Stöver, wir sind neugierig, Ihre Meinung zu hören. Ich nehme an, daß Sie auch auf das von Herrn Schlecht heute vormitlag angesprochene Aktionsprogramm Binnenmarkt für den Handel eingehen. Bitte sehr.

Dr. K. Stöver Generaldirektion IV: Wettbewerb, Kommission der Europäischen Gemeinschatten, Brüssel Vielen Dank, Herr Dr. Laumer. Zunächst, Herr Dr. Batzer, danken wir Ihnen persönlich sehr, daß unter Ihrem maßgeblichen Einfluß das ifo Institut der EGKommission und der Generaldirektion Wettbewerb mehrfach Erkenntnisse vom hohen Wert vermittelt hat. Als Wettbewerbspraktiker der europäischen Administration und Mitwegbereiter der europäischen Gesetzgebung sind wir auf solchen Rat selbstverständlich auch weiterhin angewiesen, insbesondere auf dem Gebiete der vergleichenden Handelsforschung. 1. Als Thema der empirischen Handelsforschung, das unser Interesse hat, möchte ich zunächst die Marktinformationsverfahren erwähnen. Sie sind in Brüssel als bedenklich angesehen worden, soweit sie durch künstlich erhöhte Transparenz Oligopolverhältnisse herbeiführen. Uns ist inzwischen bewußt geworden, daß es hier Nahtstellen gibt, die zu einer vorsichtigeren Anwendung des Kartellverbotes in diesem Bereich mahnen; denn der Informationsfluß hinsichtlich der beim Wirtschatten unerläßlichen Statistiken darf nicht ins Stocken geraten. Man darf auch nicht übersehen, daß es einige große Unternehmen gibt, die ihren Markt dadurch besser beherrschen, daß sie sich selbst mit den nötigen Informationen versorgen und eigene Marktforschung betreiben. Diese Unternehmen sind natürlich höchst zögerlich bei der Verbreitung und Mitteilung von Daten an Dritte, von Daten, die dann noch wissen136

schaftlieh umgesetzt und neutralisiert werden müßten und eigentlich allen Marktteilnehmern zugänglich sein sollten. Ich meine, daß in dieser Hinsicht die Zusammenhänge und die Rolle des Kartellrechts von der Forschung noch besser aufgedeckt und verdeutlicht werden könnten. 2. Ich soll hier - zu meiner Überraschung - den Part des Deus ex machina spielen. Lassen Sie mich aber zunächst das Thema der Erweiterung der Märkte um die zentral- und osteuropäischen Länder eingehen. Bereits das Abkommen über die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsraums unter Beteiligung der Rest-Efta-Länder1 schafft eine neue Qualität des Unternehmensumfeldes auch für den Handel und wird zu Veränderungen führen. Einige möchten der europäischen Gemeinschaft bekanntlich einen kleineren Umfang mit einer in sich gefestigten Qualität verleihen, andere streben an, daß sich die Gemeinschaft in erster Linie wie eine Zollunion verhält. Für die Handelsunternehmen ist die Einschätzung der künftigen Entwicklungen naturgemäß von großer Bedeutung. Mit dem Europäischen Wirtschaftsraum kommt es wahrscheinlich gleichzeitig mit dem Start in den Binnenmarkt 93 zu einem noch größeren Markt und verstärkten Wettbewerbseinflüssen. Im Europäischen Wirtschaftsraum mit den Rest-Efta-Ländern und den Gemeinschaftsländern wird es identische Wettbewerbsregeln geben. Auch das gesamte ergänzende Recht wird en bloc von Rest-Efta-Ländern übernommen. Wir müssen uns darüber im klaren sein, welch revolutionäre Veränderung der Rechtslandschaft in diesem großen Europäischen Wirtschaftsraum mit eigenem grenzübertretenden Kartell- und Beihilferecht und Kompetenzen gemeinsamer Instanzen statttinden wird. Die durch Verträge mit der Gemeinschaft assoziierten Länder Zentraleuropas wie Polen, die Tschecheslowakei und Ungarn stehen zwar handelspolitisch noch außerhalb der Gemeinschaft, aber auch sie sollen einen besonderen Status bekommen. Damit werden der Warenfluß in diese Länder, von diesen Ländern zu uns und die Investitionsmöglichkeiten in diesen Ländern verändernde Rückwirkungen auf Handelsunternehmen und Handelsgruppierungen in den alten Mitgliedsländern haben; sie werden

Bulletin der Europ. Gern. Nr. 4, 1992 (1.4.1.)

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mit ähnlichen Problemen belastet werden, wie sie die Erweiterung der Bundesrepublik hin zu den neuen Bundesländern mit sich brachte. Was die Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorstellungen in den östlichen Ländern angeht, haben wir natürlich nichts zu empfehlen. Die zentraleuropäischen Länder holen sich ihren Rat in der ganzen Welt. Die Amerikaner sind in diesen Beratungsbereichen sehr aktiv und wollen ihre Philosophien verkaufen. Wir Europäer haben im Rahmen von PHARE auch Programme entwickelt, mit denen wir unsere Rechtstechniken zu vermitteln versuchen. Den zentraleuropäischen Ländern dienen wir an, die Grundsatznormen. also das grundsätzliche Kartellverbot und das Mißbrauchsverbot für Marktbeherrscher zu übernehmen, aber auch ein Fusionskontrollrecht zu schaffen. welches den Prozeß der Privatisierung begleitet und von vornherein die Entstehung von Marktmacht verhindert. Wie diese Länder die Grundsatznormen im einzelnen umsetzen. ist eine noch offene Frage. Es ist übrigens auch höchst zweifelhaft, ob diese Länder bereits Gruppenfreistellungsverordnungen nach unserem Muster brauchen, z.B. eine solche für Spezialisierungskartelle. Es macht sich mehr und mehr die Überzeugung breit, daß Marktwirtschaft nur in einem allmählichen Prozeß herbeigeführt werden kann. Eine Rahmengesetzgebung allein bewirkt noch nichts und schon gar nicht das Modell der Kooperation von Unternehmen als solches. Dazu gehören auf komplementären Gebieten aktive Partner. von denen zumindest einer über einen hohen Wissensfundus verfügt. Gerade jetzt, da wir unsere Rechtsordnung den Polen und anderen Ländern vorstellen, verspüren wir. daß es vielleicht schon an der Zeit ist, unsere eigenen Rechtsnormen zu vereinfachen und zu harmonisieren. Das gilt z.B. für die umfangreichen EGGruppenfreistellungs-Verordnungen im Bereich der Vertikalverträge (Vertrieb. Franchising, Lizenz}. 3. Es ist hier angedeutet worden, daß manchmal in puristischer Weise dem Denkmodell der vollkommenen Konkurrenz nachgegangen werde. Für Brüssel und das Gemeinschaftsrecht trifft eine solche Wertung nicht zu. Wir haben vielmehr sogleich das neue Leitbild von schutzwirksamem Wettbewerb der Anwendung unserer Kartellverbotsbestimmung zugrunde ge-

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legt. Auch wenn wir Deutschen innerhalb der europäischen Szene bei der Vermittlung solcher Ideen gelegentlich Schwierigkeiten haben, so hat die deutsche Kartellrechtsdoktrin doch erhebliche werbende Kratt. Die Verteidiger der Marktwirtschaft müssen selbstverständlich stets aufmerksam die Entwicklungen in Brüssel verfolgen. Was den manchmal auftretenden Konflikt zwischen Industriepolitik und Wettbewerbspolitik betrifft, so ist gerade die Forschung aufgerufen, stets weiter verfeinerte Instrumente zur Abgrenzung der beiden Standpunkte anzubieten. Im Bereich der Handelspolitik steht in Brüssel natürlich auch die Mittalstandsproblematik im Vordergrund. Durch unsere Bagatellverordnung, durch unsere Kooperationen begünstigende Entscheidungspraxis auf dem Gebiet des Kartell- und Beihilferechts haben wir immer wieder weitgehend grünes Licht gegeben. Das galt auch für genossenschaftliche Formen; wir waren da nie puristisch 2 . Allerdings muß bei Genossenschatten und genossenschaftsähnlichen Gebilden auf das Umfeld und auf mögliche Gefahren des Mißbrauchs geachtet werden. Allein auf die Belange des Handels blickend kann man nicht gleich alle Konzepte der Kartellpolitik über Bord werfen, sondern muß die Dinge differenzierter sehen. Die im Rahmen der Fusionskontrolle ergangenen Entscheidungen zum Handel zeigen, daß die Kommission bei grenzüberschreitenden Investitionen großer Unternehmen weder blind die Schranken öffnet, noch den Wettbewerb bereichernde Investitionen verhindert, sondern dabei ist, eine wirksame Fusionskontrolle und ein funktionsfähiges Kartellrecht aufzubauen. 3 4. Es stehen einige wichtige Entscheidungen bei uns an. Als erste läuft 1995 die Gruppenfreistellungs-Verordnung für den Krattfahrzeugvertrieb aus. Die Franchise-Verordnung dagegen gilt noch bis Ende '99. Sie interessiert hier ganz besonders. Die Franchise-Verordnung mit ihren vielen wettbe-

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Vgl. zuletzt Mitteilung der Kommission 'Auf dem Wege zu einem Binnenmarkt für den Handel' (KOM (91) 41 sowie Bulletin EG 3, 1991, Ziff. 1.2.51) und COMM 2000 LADZ.C 209 vom 10.8.1991 J sowie zuvor Entschließung des Rates über den Binnenhandel im Binnenmarkt LADZ.C 297 vom 25.11.1989). Vgl. anliegenden Beitrag des Ver!. v. 14.1.1992 und die Wettbewerbsberichte der Kommission (20. Bericht, 1990, Ziff. 27 bis 32 und 116 bis 119, sowie 21 . Bericht, 1991 , SEK (92) 756 (noch nicht veröffentlicht), 2. Teil, Kap. I, A; und Anhang 111 u. IV).

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werbsbeschränkenden Klauseln soll, wie man hört,. benutzt werden, um auch im Verbund mit Kooperationsformen oder Genossenschaftsformen neue Vertikalstrukturen herbeizuführen. Bei uns besteht insoweit noch erheblicher lnformationsbedarf. 1. 2. 3.

Worin besteht eigentlich der spezifische Franchise-Know-how, wer entwickelt ihn und wie soll er umgesetzt werden? Wie sieht das vom Produktmarkenimage losgelöste Markenimage dieser Franchiseinstitution aus und wie vertragen sich beide miteinander? Wie soll sich der ständige Wissensfluß, der für den Bestand einer Franchise unerläßlich ist, vollziehen?

Natürlich kann man und wird man zu diesem Thema eine Reihe von Denkmodellen entwickeln. Mit den von mir gesetzten Fragezeichen möchte ich abschließend die auf diesem Feld noch notwendige Diskussion beleben.

Dr. Laumer Vielen Dank Herr Stöver. ln allen Statements waren viele interessante Anregungen enthalten. Aufgrund der begrenzten Zeit möchte ich auf eine Zusammenfassung an dieser Stelle verzichten und zunächst die Diskussion freigeben. Wer möchte sich zu dem Gehörten äußern?

Lang (Deutscher Franchise-Verband e.V., München) Herr Stöver, ich bin etwas ratlos, nicht weil die Wissenschaft noch nicht tätig geworden wäre, sondern weil Ihre Fragen mich völlig überrascht haben. Die Beantwortung dieser Fragen ist seit etlichen Jahren Standard jeden Franchise-Systems. Das kann sicher auch der Kollege von den Einkaufsverbänden, der auch über Franchising Vorlesungen hält, beurteilen. Da unsere 200 Franchisegeber diese Fragen fast täglich selbst beantworten, brauchen sie hierfür weder die Wissenschaft noch uns als Verbandsfunktionäre. Zu diesem Thema sollten die Vertreter der Generaldirektion einmal Kontakt zu uns als Praktikern aufnehmen.

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Dr. Stöver (EG-Kommission) Daß das Franchise-System jedem Unternehmen offensteht, ist völlig klar. Ich habe nur davon gesprochen, daß in Organisationsgebilden, die ohne eigenen unternehmerischen Know-how entstanden sind, lediglich ein künstlicher Knowhow entwickelt wird und damit sodann selbständige Unternehmer sein wollen. Die solchen Organisationen Angeschlossenen begeben sich möglicherweise in eine Franchiseabhängigkeit von einem Franchisegeber, dem sie selbst ihren Know-how vermittelt haben. Wenn solche Organisationen ein unternehmerisches Eigenleben führen, Großhandelsfunktionen übernehmen, einen Großhandelsnamen entwickeln und ein ständiger Informationsfluß zugunsten der abhängigen Unternehmer stattfindet, dann kann es sich um eine typische Lizenzierung, eine typische Franchise handeln. Wenn das geschieht, ist dagegen nichts einzuwenden. Ich habe aber die Entwicklungen, die jetzt im Gange sind, so verstanden, daß man auf diese Weise in erster Linie Bezugsbindungen produzieren will, also ein gegenüber der Genossenschaft verändertes System ersinnen will. Ich glaube, Herr Beuthien, so waren die von Ihnen mir gegebenen Informationen gedacht. Ich wollte hier nicht die Franchise als solche problematisieren, denn dazu besteht zur Zeit kein Anlaß, auch wenn man nicht weiß, wie es 1999 aussehen wird, wenn die Freistellungsverordnung abläuft, ob man dann vielleicht erkennt, daß einige Beschränkungsformen zu großzügig gehandhabt worden sind.

Dr. Olesch (Zentralverband Gewerbliche Verbundgruppen) Um die Frage hier nochmal zu präzisieren: Es geht, aus unserer Sicht jedenfalls, darum, wie die Kooperationen den Franchise-Unternehmen gleichgestellt werden können, wenn sie das Instrument des Franchising nutzen wollen. Das ist die Kernfrage und Ihre Antworten legen es doch nahe oder bestätigen eigentlich genau das, was ich vermutet habe. Wir haben erheblichen Aufklärungsbedarf für die Handelswissenschaft. Das ermutigt uns auch in dem Vorhaben, einen entsprechenden Forschungsauftrag zu forcieren. Auch wenn ich nicht "erschüttert" bin, wie mein Herr Kollege Lang, so geht es trotzdem um einen Sachverhalt, den auch wir sehen und bei dem wir die Befürchtung haben, daß er bei der Kommission noch nicht angekommen ist. Deshalb scheint 141

es notwendig, ihn durch ein wissenschaftliches Gutachten so zu untermauern und zu transferieren, daß er dort auch wahrgenommen wird.

Prof. Tietz (Universität des Saarlandes) Gestatten Sie mir dazu, Herr Olesch, eine kurze Anmerkung. Es sind ja in den 80er Jahren eine Fülle von kooperationsorientierten Arbeiten entstanden. Auch bei der EG wurde nicht nur eine Gruppen-Freistellungsverordnung für Franchising vorgeschlagen, sondern es liegen auch aus der Mitte der 80er Jahre Vorschläge vor, eine Kooperationsrichtlinie zu entwickeln. Daher kann man nicht sagen, daß die Wissenschaft versagt hätte. ln Anbetracht der jetzigen Diskussion über die Gruppen-Freistellungsverordnung bei Automobilen ist nach der richtigen rechtlichen Form zu suchen, wenn man nicht ein sektorales Wettbewerbsrecht will. Herr Schlecht hat dagegen sicher mit guten Gründen Stellung genommen. Daher ist die jetzige Gruppen-Freistellungsverordnung ein Schritt auf einem neuen Weg, und den sollten Sie jetzt sauber vorbereiten. Da ist wohl auch die Wissenschaft aufgerufen, hier weiterzuhelfen. Es ist auf jeden Fall nicht so, daß keine anderen Vorschläge bei der EG vorgelegt worden wären. Es ist nicht so, daß man sagen könnte, daß wir da eine Entwicklung verschlafen hätten. Es war nicht dem Zeitgeist gemäß, und aufgrund der großen Lobby für die Gruppen-Freistellungsverordnung für Automobile war es zunächst zweckmäßiger, die Franchiselösung abzuspalten. Jetzt geht es im nächsten Procedere wieder um eine runde Lösung, hoffe ich.

Dr. Stöver (EG-Kommission) Es besteht nicht der geringste Zweifel darüber, daß, wenn in einer Branche sich alle verabreden, vom selektiven Vertrieb Gebrauch zu machen, diese Absprache unter das Kartellverbot fällt. Wir wollen den heutigen Tag nicht zu einem Kartellrechtsseminar umfunktionieren, aber es stellt sich doch wohl die Frage, ob Franchisesysteme, die mehrstufig sind und in einer Dachorganisation koordiniert werden, sich noch in einem kartellfreien Raum befinden. Mehr habe ich nicht in Frage gestellt. Deshalb müssen die besonderen Tatbestände, die Sie im Auge haben, im Detail erläutert werden. Damit wird nicht plötz142

lieh das gesamte Franchisewesen in Zweifel gezogen. Davon kann nicht die Rede sein.

Dr. Knigge (Franchise-Management München) ln dieser Form muß ich sagen, Herr Dr. Stöver, bin ich als Franchiseunternehmensberater von Zentralen auch erstaunt, genauso wie Herr Lang. Ich sehe sehr wohl auch die Problematik der Einkaufsgruppierungen. Wenn Sie einerseits sagen, daß Gefahren bestehen, daß Bezugsbindungen, wie z. B. Franchising, eingebaut werden, so haben Sie doch andererseits in der Freistellungsverordnung relativ deutlich gesagt, wo Bezugsbindungen sein dürfen. Warum bekommt man plötzlich in Brüssel Angst vor der EG-Freistellungsverordnung? Ich habe die Einkaufsgruppierung sehr genau betrachtet und ich sehe eine Menge neuer Franchisesysteme entstehen. Ich befürchte, Sie werden neue Betriebstypen und neue Marktzutrittschancen für bestehende Einzelhändler verhindern, wenn sie verbieten, daß Einkaufsgruppierungen, die aus eigener Kraft neue Betriebstypen, also neue Läden entwickeln, die im Markt gut laufen, diese durch Gründung einer neuen Gesellschaft gezielt multiplizieren, wie beim Franchising. Wenn Sie das abbiegen, werden Sie ein großes Potential für Selbständigkeit in der EG abwürgen. Danke sehr.

Dr. Stöver (EG-Kommission) Ich habe nicht gesagt, daß wir bestimmte Formen nicht tolerieren werden. Wir wollen sie nur registrieren und werden sie dann gegebenenfalls auch sogar freistellen. Es geht aber nicht an, generell zu sagen, das Kartellverbot greife überhaupt nicht. Ein Franchisenehmer ist ein Unternehmer von anderer Qualität als ein Mitglied eines genossenschaftlichen Verbundes, da er durch eine Franchise in eine größere Abhängigkeit gerät. Ich will hier nicht jenen folgen, die sagen, der Franchisegeber müsse die Sozialversicherung für die Franchisenehmer bezahlen, aber daß die Abhängigkeiten in einigen Fällen sehr groß sind und das 143

Franchisesystem aus wettbewerbsrechtlicher Sicht auch gewisse Bedenken schürt, ist auch in der Wissenschaft zur Genüge dargestellt worden. Deshalb müssen wir die Problematik strukturbezogen betrachten. Wenn wir mittelständische Unternehmen durch einen Verbund mit Franchisesystemen in besonderen Fällen stärken wollen, welche auf mittelständische Unternehmen beschränkt bleiben und wenn das System im vertikalen Verbund nicht zu weit reicht, dann ist es schwierig, für die Systemausgestaltung im voraus objektive Kriterien allgemeiner Zu Iässigkeit zu finden. Deshalb ziehe ich mich hier und heute auf die Einzelfallbetrachtung und den Hinweis auf mögliche Freistellungen in individuelle Verfahren zurück.

Gerstenberger (ifo Institut} Wenn es gestattet ist, würde ich ganz gern das Thema wechseln und auf ein paar andere interessante Statements zurückkommen, die auf dem Podium entwickelt wurden. Besonders interessant fand ich ja Herrn Spary's Attacke auf die deutsche Regionalförderung, die sicher unter den verschiedensten Aspekten sehr kritisierbar ist. Ich muß allerdings gestehen, daß ich etwas überrascht war, daß vom BGA, der eigentlich für seine konsequente Haltung gegen Subventionen bekannt ist, die Forderung kam. wenn wir schon Subventionen geben, dann doch bitte diese auch noch auf die Klientel des BGA auszuweiten. Meine Frage ist daher, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn wir den umgekehrten Weg gehen würden und gerade auch angesichts der Probleme in den neuen Bundesländern die Regionalförderung wieder auf die Kernbereiche, wo wir sie wirklich brauchen, zurückführen. Dann kämen ja vielleicht auch der Versandhandel oder bestimmte Bereiche der binnenwirtschaftlich orientierten Industrie nicht mehr in Frage. Daß wir aber das Instrument Regionalförderung brauchen, um im internationalen Standortwettbewerb auch noch mitreden zu können und um zu versuchen, auch Industrien von den Agglomerationen weg in die weniger bevorteilten Räume zu bekommen, müßte man daran, glaube ich, weiterhin als Grundsatz festhalten. Zum anderen nehme ich nehme gern die Anregung von Herrn Fleck auf, mal etwas in die Kosten der ganzen Binnenmarktinitiative hineinzuleuchten. Nur

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würde ich in diesem Fall das Thema gern viel breiter anlegen. Es ist nämlich bemerkenswert, daß es inzwischen um die Forschungsbegleitung der Wirkungen des Binnenmarktprogrammes sehr ruhig geworden ist. Es gab noch ein paar Studien von der EG-Kommission zu diesem Thema, aber danach gab es kaum noch etwas. Ich glaube, die Dinge sind nach wie vor so interessant, ob nun für den Handel oder für andere Wirtschaftsbereiche, daß es sich durchaus auch mal lohnen würde, jetzt nach der der ersten Phase der Wirkungen des Binnenmarktprogrammes eine Art Bilanz zu ziehen. Wir sind uns alle darüber klar, daß sich sehr viel über Ankündigungseffekte vollzogen hat und jetzt müssen wir untersuchen, was über diese Ankündigungseffekte hinaus jetzt vielleicht noch zu erwarten ist. Vielen Dank.

Dr. Spary (Bundesverband des deutschen Groß- und Außenhandels) Sie haben uns natürlich richtig interpretiert, wir haben eine sehr konsequente Haltung bezüglich der Subventionsvergaben. Nur, das Kürzen von Subventionen ist bei uns Chefsache. Deshalb hat heute unser Präsident beim Kanzler die gesamte regionale Förderung in vollem Umfang zur Überprüfung und ggf. Kürzung vorgeschlagen. Auch Herr Dr. Warm hat recht mit seinem Zweifel, ob der Handel Subventionen braucht. Wir brauchen sie nicht, sind aber zutiefst überzeugt, daß auch die Industrie sie nicht braucht. Natürlich wurde der Mitnahmeeffekt zu gern akzeptiert, Herr Dr. Warm, also weg damit. Wir wollen ja auch Ihrem Wirtschaftsminister nun wirklich entgegenkommen, daß er aus der Wirtschaft mal etwas Substanz zur Streichung bekommt. Hier hat er eine ganze Menge konkreter Anregungen dazu.

Dr. Warm (Bundesministerium für Wirtschaft) Wir haben gerade schon gehört, daß in der Kanzlerrunde der industrielle Mittelstand im Vordergrund gestanden hat, auch angeregt durch ein Papier, das aus dem Bundeswirtschaftsministerium stammt. Ich glaube, daß hier in der Tat die Hauptproblematik besteht und daß vor allem die Primäreffekte auf die 10 ifo·Kolloquium

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Beschäftigung und die Einkommen zu überregionalen Zusatzeffekten führen. Dagegen sind Handel und Handwerk meistens regional und finden sich auch ein, wie wir es in den neuen Bundesländern sehen. Daher glaube ich, daß es angesichts der knappen Finanzen schwierig ist, hier zusätzlich Geld zur Verfügung zu stellen. Herr Gerstenberger, Sie haben die Frage der Belastung des Handels angesprochen. Wir hatten letztens eine Diskussionsrunde im Bundestag mit Parlamentariern vor der strukturpolitischen Gesellschaft, die konkret auf diese Frage zielte. Wie sehen die gesamten Belastungen des Handels inzwischen aus, die sich aus Umweltschutz, Rechtssetzungsakten, den Richtlinien und Verordnungen der EG und natürlich aus den Verkehrsregelungsmaßnahmen der Städte ergeben? Meiner Meinung nach ist auch besonders wichtig, inwieweit der Einfluß der EG zu einer Entlastung für den Handel führt. Allein eine Betrachtung der Haftungsregelung, bei welcher der Handel nur für Risiken haftet, die er selbst verschuldet hat, zeigt, daß die Regelungen nicht ganz so negativ zu sehen sind, wie das hier zum Teil anklang. Trotzdem kann einiges auf den Handel zukommen, besonders auch aus der verbraucherpolitischen Ecke. Probleme ergeben sich hier aus den Regelungen zur vergleichenden Werbung und zum Distanzhandel, die wir als nicht notwendig ansehen, um nur einige zu nennen. Hier gibt es durchaus viele Untersuchungsfelder für die Handelsforschung.

Dr. Laumer (ifo Institut) Vielen Dank, meine Damen und Herren. Da wir die Zeit bereits überschritten haben, muß ich leider schließen, obwohl ich weiß, daß noch viel Diskussionsbedarf wäre. Ich glaube, für die Arbeit des Instituts und die Abteilung von Herrn Täger haben sich viele Anregungen ergeben. Ich ziehe die Schlußfolgerung, daß immer mehr handelsspezifische Themen bereichsübergreifend werden, wie Handel und Verkehr, Handel und Stadtplanung usw. ln diesem Punkt liegt, glaube ich, auch eine besondere Stärke des ifo Instituts, das als ein breit angelegtes Wirtschaftsforschungsinstitut auch für 146

alle diese Spezialfragen Fachabteilungen besitzt, in denen das Handels-Knowhow kombiniert werden kann mit dem speziellen Fach-Know-how. Auf einen zweiten Punkt hat ja bereits Herr Olesch hingewiesen, indem er uns den Rat gab, mehr auf die internationale Schiene zu setzen. Ich darf sagen daß wir auf dieser Schiene bereits laufen, denn Handelsforschung ist heute weitgehend europäische Handelsforschung. Aus diesem Grunde haben wir auch einen europäischen Verbund von Forschungsinstituten gegründet, die sog. ERECO (European Economic Research and Advisory Consortium) mit Partnern in Frankreich, den Niederlanden, Italien, Großbritannien. Ich glaube, auch hier sind wir für die Aufgaben, die auf die empirische Wirtschaftsforschungen und speziell auf die empirische Handelsforschung zukommen, gut gerüstet. Ich darf den Teilnehmern an diesem Podium, den Herren an diesem Tisch, herzlich für Ihre Mitwirkung danken. Herzlicher Dank auch an alle Diskussionsteilnehmer.

10.

Leitbilder der Ökonomisierung der Warendistribution - Auftrag und Möglichkeiten der Handelsforschung -

Prof. Dr. E. Greipl Mitglied der Geschäftsführung der METRO-Gruppe, Düsseldorf, und Mitglied der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität Mannheim

Gliederung

Seite

1. Erklärungsansätze der Wertigkeit der Handelsfunktionen

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2 . Was meint Ökonomisierung?

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3. Relevante Leitbilder und Zielsetzungen

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4. Wo liegen wichtige Ansatzfelder der Forschung? 4.1. Konzentrations- und Wettbewerbsforschung 4.2. Zielgerechtigkeit von Instrumenten zur Steuerung räumlicher Entwicklungen 4.3. Redistributionsforschung: lmplikationen der Verpackungsverordnung für die Ökonomisierung der Distribution 4.4. Verbraucherforschung zur Erfassung von Versorgungsqualität und Versorgungszufriedenheit 4.5. Rechtstatsachenforschung zur Fundierung von Gerichtsentscheidungen

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5. Verbesserung des Forschungstransfers

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1. Erklärungsansätze der Wertigkeit der Handelsfunktionen Geht man allgemein konsensfähig davon aus, daß Leistungziel und -kern moderner, offener Verkehrswirtschaften die Transaktion von Gütern und Leistungen zur Deckung von intermediärem und Letztverbraucher-Badart ist, so muß die über Jahrhunderte geführte Diskussion über strukturellen und rollenbedingten Ausbeutungsverdacht durch den Handel, über Handelsspannensyndrom und Legitimationsparadoxon der Institution Handel als in der Zielrichtung der Anti-Händler unangebracht und ohnehin unergiebig abgetan werden und als in ihrer zentralen Fragestellung empirisch erledigt gelten.1 Beispielhaft für die historische Kette der Fehldeutungen, die sich von der antiken griechischen Gesellschaftsphilosophie (Aristoteles) über die Lehre der Physiokraten (Quesnay), den sog. wissenschaftlichen Sozialismus (Marx) bis in die neueren Sozialwissenschaften (Sombart, Perroux) und Wirtschaftswissenschaften (Hölzl) verfolgen läßt, sei eine Wertung zum Handel aus der Lehre der Hoch-Scholastik (Thomas von Aquin): Danach ist Handel ein notwendiges Übel, das es möglichst einzuschränken gilt. Bei Fernhalten des Handels würde vor allem vermieden, daß mit dem Handel die Habgier und Lasterhaftigkeit in die Städte einziehe. Zur Abhilfe des Mangels sei er zwar zuzulassen, aber auf das Mäßige zu beschränken. Wenn die Erfüllung von Transaktionsfunktionen erforderlich ist - und dieses mit Vergrößerung der Wirtschaftsräume und Erhöhung der gegenseitigen Leistungsverflechtung um so mehr-, kann die Funktionsart als solche in ihrer volkswirtschaftlichen Berechtigung nicht ernsthaft in Frage gestellt werden . Wenn die Opportunitäts- oder Alternativkosten, die jedwedem Funktionsträger auf derAnbieter-oder Nachfragerseite erwachsen würden, komparativ größer sind als die Distributionsfremdkosten bei Nutzung einer spezialisierten Institution, so spricht das ökonomische Prinzip, zumindest aber das Effektivitätskonzept dafür, sich dieser Institutionen zu bedienen.

1

Vgl. hierzu Gümbel, R., Handel, Markt und Ökonomik, Wiesbaden 1985, S. 261 ff.

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Eine Reihe von Erklärungsansätzen, so das Opportunitätskosten-Konzept, die Konzepte der komparativen Kostenvorteile und der komparativen Nutzenvorteile, die Handelsketten- und Funktionenanalyse und die TransaktionskostenAnalyse, sucht die Funktionswertigkeit des Handels in Verkehrswirtschaften zu belegen bzw. partiell abzuleiten. Beispielhaft sei das Schär'sche Gesetz über die Ein- und Ausschaltung des Welthandels zitiert, das sich - schon Anfang dieses Jahrhunderts formuliert - zunehmend als ein ökonomisches Gesetz von zeitloser Gültigkeit2 , richtungsweisend für die Bewertung vieler politischer Forderungen und Strömungen erweist: "Selbständigkeit und Existenzmöglichkeit jedes Gliedes sind bedingt durch die Summe von nützlichen und notwendigen Diensten in der Güterzirkulation, die es leistet bzw. die von einem anderen Glied nicht ebensogut und wirtschaftlich verrichtet werden können. Wer ein Glied ausschalten will, muß erstens genau wissen, welche Dienste dieses Glied bisher geleistet hat, zweitens erwägen, ob er diese Dienste nunmehr ebensogut selbst ausführen kann, und drittens kalkulieren, ob der Vorteil aus der Ausschaltung größer oder kleiner ist als der Aufwand, um das ausgeschaltete Glied zu ersetzen."3 Das Schär'sche Gesetz hat damit explikativen und entscheidungsorientierten Charakter im mikro- und makrowirtschaftlichen Rahmen. Träger von Handelsfunktionen und ihre spezialisierten Institutionen sind wie kein anderer Bereich unserer Wirtschaft mit der Organisation von Märkten unterschiedlichster Profile und der Generierung von Wettbewerb befaßt. Das gilt für den Groß- und Außenhandel wie für den Einzelhandel in der Bundesrepublik, die aufgrund ihrer organisatorischen und funktionalen Innovationskraft, die sich nicht zuletzt in einem breiten Betriebsformenspektrum ausdrückt, sicherlich führend in der Weit sind. Gerade dieser Theorieansatz der Märkte- und Wettbewerbsgenerierung führt uns beim näheren Betrachten des Versorgungs- und Leistungsstandards sowie der Handelsstruktur der Staatshandelsländer klar vor Augen, daß dort, wo der Handel nicht autonom Märkte organisieren konnte, diese Initialwirkung zum Abbau von MarktungleichgeVgl. Tietz, B. u. Rothhaar, P., Kundendynamik und Kundenpolitik im Selbstbedienungsgroßhandel, Stuttgart 1988, S. 159. 3 Schar Johann, F., Allgemeine Handelsbetriebslehre 1923, S. 194, zitiert in Tietz, B. u. Rothaar, P., Kundendynamik und Kundenpolitik im Selbstbedienungsgroßhandel, S. 158 f.

2

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wichten nicht gegeben war und deshalb der Handel als inaktives, unproduktives Verteilungsglied abgetan wurde. 4 Aufgrund dieser elementaren qualitativen Schlüsselposition des Handels für Funktionsfähigkeit und Marktergebnisse der Marktwirtschaft ist der generelle Regelungs- und Ordnungsbedarf für die Marktwirtschaft mit einem ganz spezifischen sektoriellen Auftrag für den Handel verknüpft. 5 Wenn Konsens darüber besteht, daß der Handel zur Vermeidung von Marktversagen und von Ressourcenverschwendung wesentlich beitragen kann, oder anders ausgedrückt, qualifizierte Marktversorgung und effektivere Ressourcennutzung generieren soll, so können die essentiellen Fragestellungen nur solche nach Optimierungsmöglichkeiten und eventuellen Optimierungsbarrieren sein. Die Adressaten und Betroffenen dieser Fragestellungen sind

nicht nur die Nutzer und Träger der Distributionsfunktionen, sondern ebenso die Gestalter der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im Distributionsbereich. Was sind Elemente und Ausdrucksformen der Qualifizierung? Mit welchen strukturellen und konzeptionellen Ansätzen ist eine Verbesserung des Zielerreichungsniveaus möglich? Wo liegen Hemmnisse für die Effektivität und deren Erhöhung? Wie können evtl. Hemmnisse abgebaut werden unter Berücksichtigung übergeordneter gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Zielsetzungen?

2. Was meint Ökonomisierung? Wenn wir in Anlehnung an Seyffert6 alle Maßnahmen, die der marktadäquaten

und wirtschaftlichen Durchführung von Bedarfsdeckungsfunktionen dienen, als Ökonomisierung bezeichnen, so haben wir es mit einer Optimierungsauf4

Vgl. insbes. Schenk, H.-0., Marktwirtschaftslehre des Handels, Wiesbaden 1991, S. 64 f. 5 Vgl. Tietz, B., Binnenhandelspolitik, München 1986, S. 8 ff.; Schenk, H.-0., Marktwirtschaftslehre des Handels, S. 574. 6 Vgl. Seyffert, R., Der Mensch als Betriebsfaktor, Stuttgart 1922, S. 173 ff.

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gabe zu tun, die sowohl den Leistungs-Output wie den Faktor-Input betrifft. Der Begriff Rationalisierung würde den Aufgabenbereich in diesem Zusammenhang nicht voll decken, zumal sich Rationalisierung nur auf die Verbesserung des Leistungsgrades (Faktornutzung) beziehen würde. Der Leistungs-Output umfaßt sowohl die Anforderungsgerechtigkeit des Leistungsprofils entsprechend den Wünschen und Bedürfnissen des Marktes - als auch eine leistungsgemäße Preisstellung? Die Zielbereiche der Optimierung sind also überbetrieblich wie innerbetrieblich. Faßten wir aber nun lediglich die einzelnen Unternehmen als Adressaten und Verantwortliche des Ökonomisierungsauftrages auf, so wäre der analytisch-wissenschaftliche Aufgabenbereich nur einer der Betriebswirtschaftspolitik. Das wäre eine zu enge Fassung der Aufgabenstellung. Ökonomisierung der Distribution ist eine umfassende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aufgabe: Ihr Anspruch und Ergebnis kommen nicht nur in Betriebskennziffern zum Ausdruck, sondern finden quantitativen und qualitativen volkswirtschaftlichen Niveauniederschlag. Das Wirtschaftsordnungssystem selbst hat als wesentlichen Ausdruck seines Selbstverständnisses bestimmte distributionsfeldrelevante bzw. distributionsfeldbezogene Leitbilder, Normen, Ziele und Optionen entwickelt und sucht distributionswirtschaftliche Prozesse über die Kontrolle institutioneller Gegebenheiten zu lenken. 8 Gerade in diesem weiteren Bezugsfeld der analytisch-wissenschaftlichen Begleitung des Ökonomisierungsprozesses liegt meines Erachtens ein ganz wesentlicher Auftrag der empirischen Handelsforschung, ohne damit den betriebswirtschaftliehen Relevanzbereich 9 geringer zu bewerten.

7

Vgl. hierzu Klein-Bienkers, F., Die Ökonomisierung der Distribution, Köln und Opladen 1964, s. 1 ff. 8 Vgl. Dicht!, E., Grundzüge der Binnenhandelspolitik, Stuttgart, S. 60 ff. 9 Vgl. hierzu: Müller-Hagedorn, L., Herausforderungen an die Unternehmen - die Beitrage der Forschung, in: Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung an der Universitat zu Köln, März 1992, S. 37 ff.

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3. Relevante Leitbilder und Zielsetzungen Welches sind nun in diesem Sinne relevante Leitbilder und Zielsetzungen? Aus dem Bereich der Ordnungs-, Struktur- und Wettbewerbspolitik, der Raum-, Regional- und Stadtentwicklungspolitik, der Verbraucherpolitik, der Umweltpolitik hat - ohne Gewichtung und Rangordnung eine Reihe von Normvorstellungen durchaus signifikante Struktur- und Verhaltensrelevanz. Der Katalog der "institutionell aktiven" Normativ-Sätze ist umfassend und nicht immer in sich konsistent. Beispielgebend seien 10 leitbildhafte Postulate aus verschiedenen handelspolitischen Instrumentalbereichen umrissen: (1)

Die Marktstrukturen im Handel sollen durch eine ausgewogene, gesunde Mischung aus Groß-, Mittel- und Kleinunternehmen geprägt sein.

(2)

Das Netz der KonsumgüteNersorgung ist möglichst verbrauchernah, flächendeckend und hierarchisch-gestuft zu strukturieren.

(3)

Die Strukturverhältnisse der Märkte sollen wirksamen, leistungsorientierten Wettbewerb ermöglichen und fördern.

(4)

Die Transaktionen zwischen Marktteilnehmern jeder Stufe sollen durch Leistungskriterien, nicht durch Machtverhältnisse bestimmt werden.

(5)

Organisatorische und vertragliche Gestaltungen der auf Dauer angelegten Transaktionen sollen die Kräfte des Marktes und des Wettbewerbs nicht zurückdrängen oder schädigen.

(6)

Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe sollen nur an solchen Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden, wo sie sich nach Größe, Einzugsgebiet und Entfernung zu anderen Einrichtungen in das zentralörtliche Versorgungssystem einfügen.

(7)

Aufgabe eines modernen Handels ist es nicht nur die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, sondern vor allem, dem Verbraucher über eine große Angebotsvielfalt das Einkaufen zum Erlebnis zu machen.

154

(8)

Die Industrie- und Handelsunternehmen haben eine umweltschonende Sortiments- und Verpackungsmittelpolitik sowie die Wertstaft-Redistribution und stoffliche Verwertung von Verpackungsmaterial sicherzustellen.

(9)

Die Funktionsgerechtigkeit von Großhandel und Einzelhandel ist zu gewährleisten. ln der Distributionskette hat eine angemessene, dem jeweiligen "Handelsstufenprofil" entsprechende Funktionsaufteilung zu erfolgen.

(1 0) Die Versorgung der gewerblichen und privaten Nachfrager mit den Bedarfsgütern soll kostengünstig und leistungsgerecht erfolgen.

Der Katalog derartiger normativer Vorgaben und Grundsätze ist - wie gesagt -nur beispielhaft und keineswegs vollständig dargestellt. 10 Normen prägen Institute, deren Anwendung und Auslegung. Sie sind damit ordnend, beeinflussend, gestaltend und greifen in nachhaltiger Form in die Struktur und Effektivität von Distributionsprozessen ein. Handelspolitische und handelsrelevante Konzeptionen sind im Zielsystem niemals konfliktfrei. Sie bedürfen daher der laufenden Überprüfung, Einpassung und Kompromißentscheidung sowie eines ausreichenden Grades an Systemkonsistenz. 11 Hier ist die Wissenschaft, die Handelsforschung mit einem Bündel an interdisziplinärem Fachwissen gefordert, um die Entscheidungstindung sachkompetent zu unterlegen und Entscheidungen an Erkenntnissen der empirischen Forschung zu messen. Aufgabe der Handelsforschung kann somit nicht nur die Darstellung von Strukturen, Trends und Szenarien, die Überprüfung von Ziel-Mittel-Zusammenhängen und die technologische Beschäftigung mit Konzepten und Sensitivitätsanalysen sein. Der Wissenschaftler hat, und das bei der wachsenden Komplexität von Fragen und Problemen um so mehr, nach Maßgabe seines Wissens (und zwar nicht nur "gesicherten Wissens", sondern auch lediglich

10 Vgl. hierzu auch Berekoven, L., Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing, München

1990,

s. 4.

11 Vgl. Tietz, B., Binnenhandelspolitik, München 1986, S. 6.

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hypothetischer Erkenntnisse und Erkenntnisansätze) und nach Maßgabe seiner sozialen Verantwortung an Optimierungslösungen, an Ansätzen zur Ökonomisierung der Distribution mitzuwirken. 12 Über das Erarbeiten und Aufbereiten von Struktur- und Verhaltensinformationen, das Aufgreifen von Fragenbereichen, geht es also ganz wesentlich um eine wertende Analysearbeit, die sich bezieht auf die Tauglichkeit von Instrumenten für Ziele die Tauglichkeit von Zielen zur Realisierung von Leitbildern die Adäquanz und Tragfähigkeit von Leitbildern die Systemkonsistenz von Instituten und institutionellen Gestaltungsformen. Der aktuell gültige, in diesem Zusammenhang relevante Auftrag der Handelsforschung im Rahmen der Ökonomisierung der Distribution in Form der Qualifizierung der Binnenhandelspolitik wurde bereits vor über 30 Jahren von Hoppmann umrissen: Danach hat die Binnenhandelspolitik als Wissenschaft nicht nur zu analysieren, welche Gestaltungen des Binnenhandels möglich und widerspruchsfrei sind, sondern sie hat auch zu beurteilen, ob diese Gestaltungen volkswirtschaftlich zweckmäßig und unter Dynamikaspekten tragfähig sind. 13

4. Wo liegen wichtige Ansatzfelder der Forschung? Die Handelspolitik hat mit Konzepten und Instituten einen nicht unwesentlichen Einfluß auf die Entwicklung von Struktur-, Standort- und Funktionsbildern im Distributionsbereich genommen. Daß Konzepte - je nach Betroffenheitsrichtung und -grad - bei den Unternehmen Konflikte hervorrufen können, liegt auf der Hand. Signifikantes "Unbehagen" bereiten Konfliktsituationen aber erst dann, wenn sich der Eindruck verdichtet, daß die den Entscheidungen zugrundeliegenden Leitbilder obsolet bzw. nicht mehr hinreichend gültig sein können oder daß der Einsatz der verfügbaren Rechtsinstitute im Hinblick auf

12 13

Vgl. Schenk, H.-0., Marktwirtschaftslehre des Handels, S. 564. Vgl. Hoppmann, E. , Binnenhandel und Binnenhandelspolitik, Berlin/Frankfurt 1969,

s. 72f.

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die volkswirtschaftlichen Effekte eher als per Saldo einer Distributions-Ökonomisierung abträglich angesehen werden muß. Lassen Sie mich aus dieser Sicht einige relevante Fragenbereiche der Distributionsforschung ansprechen:

4.1. Konzentrations- und Wettbewerbsforschung Der Konzentrationsprozeß, wie er in industriell entwickelten Volkswirtschaften auch im Distributionsbereich zu beobachten ist, gilt nicht zu Unrecht als notwendige Begleiterscheinung der Wohlstandsmehrung. So vertritt H. Arndt die Ansicht, daß der hohe Lebensstandard der Bevölkerung in modernen Industriestaaten der Unternehmenskonzentration zu verdanken sei. Oder Grosser formuliert- etwas vorsichtiger -, daß infolge der technischen Entwicklung seit Beginn der Industrialisierung ein gewisses Maß an Konzentration unvermeidlich und volkswirtschaftlich sinnvoll sei. Dahinter stehen die Zielvorstellungen der Effizienzsteigerung und Wachstumsförderung. Beginnend ab etwa Mitte der sechziger Jahre hat nun aber eine kritischere Beurteilung und Behandlung der wirtschaftlichen Konzentrationsphänomene Platz gegriffen. Konzentrationsanalysen und Konzentrationsmaße erhalten erst dann - von den Strukturaussagen abgesehen - weiterführende Aussagekraft, wenn eine Beziehung zu Marktverhalten und Marktergebnis aufgezeigt werden kann. Die bislang entwickelten quantitativen Maßverfahren weisen hier aber entscheidende Mängel auf, da überwiegend in wenig differenzierter Form von Marktstrukturen auf Marktverhalten geschlossen wird . Es muß daher versucht werden, über qualitative Ansätze die Wettbewerbs- und Marktergebniswirkungen von Konzentrations-, Konglomerations- und lntegrationsvorgängen, aber auch von Hybridformen der Marktorganisation besser zu erfassen. Dabei erscheint eine Betrachtung sowohl der Wettbewerbsintensität auf den relevanten Märkten als auch der Wettbewerbsposition der Unternehmen erforderlich. Gerade die jüngst geführte Literatur-Diskussion zu Maßproblemen der Konzentration im Handel unterstreicht, daß es einer Weiterführung der Analyse- und Wertungsansätze über statistisch-technische Verfahren hinaus bedarf. 14 14

Vgl. hierzu die Beiträge von Böcker, F., Dahremöller, A., Müller-Hagedorn, L. und Tietz, B. in: ZfB 1986, S. 654- 660 und 1987, S. 195-222.

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Sind Konzentrationserscheinungen in der Wirtschaft, speziell im Bereich der Distribution, nun Ausdruckformen zwangsläufiger Entwicklungsprozesse, wie sie einem dynamischen Sozialsystem eigen sind, sind sie die logische Konsequenz veränderter Rahmenbedingungen? Versucht man nur einige der wesentlichen Bedingungen anzusprechen, so zeigt sich, daß Konzentration erst die Basis für die Erreichung bestimmter gesellschaftswirtschaftlicher Ziele oder die Realisierung bestimmter Zielniveaus bot. Das gilt in ganz ausgeprägter Form für die Unternehmens- und die Betriebsstättenkonzentration im Lebensmittelhandel und im Konsumgüter-Massenbedarfsbereich. Daß die Umstrukturierung unseres Distributionsapparates und damit auch konzentrative Phänomene insgesamt positive Ergebnisse gezeitigt haben, ist unbestritten. Es geht vielmehr um die Durchdringung und wertende Analyse der Arndt'schen These, daß die Unternehmenskonzentration den wirtschaftlichen Wohlstand, den sie schafft, zugleich auch zu gefährden vermag. Damit ist die Frage nach den funktionalen Beziehungen zwischen Konzentrationsgrad einerseits und irgendwelchen interessierenden abhängigen Variablen gestellt, und zwar im Sinne einer wirtschaftspolitischen Zielfunktion. Formal wäre also nach dem Konzentrationsgrad zu fragen, bei dem gewisse Zielfunktionen ihr Maximum bzw. Minimum aufweisen (wie etwa Wachstum des Sozialprodukts, Höhe der Distributionskosten, Versorgungsqualität). Angenommen, es ließen sich für einzelne Zielfunktionen Aussagen gewinnen, so bestünde das Problem im Zielvergleich, da sich ja für verschiedene Zielvorstellungen gänzlich verschiedene Konzentrationsgrade als optimal erweisen könnten. Bedenkt man weiter, daß an sich die einzelnen Variablen, da sie nicht immer unabhängig voneinander sind (keine ceteris paribus Bedingungen), in eine einzige zu maximierende Zielfunktion zusammengeführt werden müßten, so wird die wirtschaftspolitische Problematik deutlich. Konzentriert man sich allein auf die Ziele der Wettbewerbspolitik, so zeigt sich schon, daß zwischen den ordnungspolitischen Zielen und den ökonomischen Funktionen des Wettbewerbs deutliche Zielkonflikte auftreten können. Rangiert das Ziel der Erhaltung der Handlungs- und Entschließungsfreiheit, der Kontrolle wirtschaftlicher Macht, in jedem Falle vor dem Ziel der Wachstumssteigerung, der Durchsatzung des technischen Fortschritts, der Ökonomisierung von Distributionsprozessen?

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Wie weit gehen Ermessensspielräume? Je nach Zielgewichtung und Bewertung einzelner Vorgänge werden somit auch Aussagen zur Verträglichkeit von Konzentrationsvorgängen verschieden ausfallen. Wie unterschiedlich Zielprioritäten ausfallen können, bestätigt recht eindrucksvoll ein Blick in die Wettbewerbspolitik anderer lndustrienationen. ln diesem Zusammenhang wird häufig betont, daß ein zu niedriger Konzentrationsgrad ein Luxuskonsumgut einer Gesellschaft werden könnte. Vergleichen wir etwa die Spitzengruppe der 10 größten europäischen Handelsgruppen mit jener Japans im Konsum- und lnvestitionsgüterhandel, so wird ein Gefälle der Durchschnittsgröße von 1 : 5 sichtbar. Da eine Fortsetzung konzentrativer Tendenzen wahrscheinlich ist, gleichzeitig die Wettbewerbsräume sich ausweiten und die Reaktionsverbundenheit von Märkten zunehmend größer wird, muß dem Kompensationsprozeß zwischen positiven Effekten der Ökonomisierung der Distribution und deren negativen Wirkungen verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Basis hierfür muß ein verstärkter lnformationsprozeß, eine eingehendere und differenziertere Analyse konzentrativer Wirkprozesse gerade im Distributionsbereich sowie eine Fortentwicklung konzentrativer Meß- und Wertungsansätze sein. Erst darauf aufbauend lassen sich Zielprioritäten besser bestimmen. Aus fortgesetzten konzentrativen Phänomenerscheinungen, ohne qualifizierte Erfassung und Wertung der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Wirkungen von Konzentrations- und Kooperationsvorgängen, den Ruf nach dem Gesetzgeber abzuleiten, führt nicht zu einer Erhellung des Fragenkreises und schon gar nicht zu Ökonomisierungslösungen. Die Wiedervereinigung Deutschlands, die Umwälzungen und der Systemaufbruch im Ostblock haben uns die Macht des Marktes, die Kraft der Idee dezentraler unternahmarischer Entscheidungen und der Konsumentensouveränität wieder vor Augen geführt. Wir konnten in eindrucksvoller Weise erfahren, wie die rechtlich und sozial noch ungebändigte Kraft des freien Unternehmertums Versorgungslücken aufspürt und schließt. Wir bekamen aber (so Albach) plötzlich Angst vor dieser ungebändigten Kraft und versuchten mit all unseren Regularien, diese Kraft zu bändigen. Möglicherweise wäre - wie Albach vermutet und mit Nachdruck argumentiert - der Transformationsprozeß zügiger verlaufen, wenn wir die vielfältigen ge-

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setzliehen Vorschriften, welche die Ökonomisierung und die Dynamik der wirtschaftlichen Restrukturierung bremsen ,können, gelockert und mehr auf die Kräfte des nachstoßenden Wettbewerbs gesetzt hätten, die auch befähigt sind, monopolistische Strukturen aufzubrechen. 15 ln einem vor kurzem durchgeführten Unternehmergespräch in Erfurt wurde nachhaltig die These vertreten: Mit den Rechtsinstituten und Regularien von 1992 wäre der Start ins westdeutsche Wirtschaftwunder 1948 gescheitert.16 Wissenschaft und Forschung sind vor dem Hintergrund dieser aktuellen Eindrücke und des gesammelten hypothetischen Wissens aufgerufen, an der Weiterentwicklung und Verbesserung der struktur- und verhaltensrelevanten Rahmenbedingungen mitzuarbeiten.

4.2. Zielgerechtigkeit von Instrumenten zur Steuerung räumlicher Entwicklungen Im Rahmen der Diskussion und Bemühungen . um Erhaltung und Qualitätssicherung des Wettbewerbs wird eine Fülle an Aktivitäten und Initiativen ergriffen. Vom Ausgang der Initiativen sowie der Handhabung von Instrumenten sind für die Entwicklungs- und Existenzfähigkeit vieler Betriebe und Angebotstypen einschneidende Auswirkungen zu erwarten. Besorgniserregend im Rahmen der Diskussion ist dabei nicht die teilweise sehr unterschiedliche Bewertung einzelner Instrumente, sondern die häufig wenig trennscharfe Einschätzung und geforderte Anwendung von Instrumenten der Ordnungs-, Wettbewerbs- und Raumpolitik. Wenn Wettbewerb das Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft ist, dann stellt sich stets aufs Neue die Frage, ob wir den Schutz des Wettbewerbs wollen, der zu veränderten Strukturen führen kann und führt, oder ob wir bestimmte Strukturen vor dem Wettbewerb schützen wollen. Wenn das Ziel der Wettbewerbswirtschaft die Verbesserung der Leistungen sein soll, kann es nicht systemgewollt sein, die Durchsatzungskraft leistungsstärkerer Strukturen und Betriebsformen zu behindern.

15 16

Albach, H., Die Dynamik der mittelständischen Unternehmen in den neuen Bundesländern, in: Hochschulnachrichten aus der WHU, 1/92, S. 13. Vgl. Wirtschafts-Journal, Erfurt 4/92, S. 9.

160

- Ein wettbewerbs- und raumgerechter Strukturwandel im Handel, der anerkanntermaßen mit den Instituten der Ordnungs-, Wettbewerbs- und Raumpolitik "kontrolliert" werden muß, führt zu einer der Wirtschafts- und Wertedynamik entsprechenden Verbesserung der Verbraucherversorgung. Das heißt aber auch, daß Instrumente - auch in bezug auf Raumentwicklung und Verbraucherversorgung - hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zur Zielerreichung sowie zur Vermeidung von Zielkonflikten überprüft und weiterentwickelt werden müssen. Eine verstärkte, breit angelegte und differenzierte Kommunikation zwischen öffentlicher Hand, Unternehmen und Forschung bildet die Voraussetzung dafür. Das setzt aber auch sachliche Offenheit und Lernbereitschaft der Partner voraus.

- Zielkonflikte aus unternehmerischer Sicht sind nicht vermeidbar, da die einzelwirtschaftliche sowie die volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Zielgerechtigkeit von Handlungen nicht grundsätzlich übereinzustimmen brauchen. Wo immer aber mit institutioneller Autorität in Wirtschaftsabläufe eingegriffen wird sowie Unternehmerische Entscheidungsbereiche eingegrenzt werden, ist es aus Gründen der Rechtssicherheit sowie der Systemidentifikation der Betroffenen erforderlich, daß die Vollzugsinstitutionen nachvollziehbar darlegen, daß bei Abwägung aller widerstreitenden Rechtsgüter im Interesse des Allgemeinwohls so zu entscheiden ist. 17 Gerade im Zusammenhang mit der räumlichen Planung ist die Handelsforschung, im Sinne der Ökonomisierung der Distribution sowie einer Durchlässigkeit und Dynamik städtischer Funktionsprofile, aufgerufen, informationserstellend und -wertend an der Weiterentwicklung von Leitbildern mitzuarbeiten. Ein eklatantes Beispiel für Forschungsbedarf stellt die sog. typische und atypische Fallgestaltung dar. ln Ländererlassen bzw. Durchführungsanleitungen zu Raumordnungsverfahren werden Handelsbranchen kategorisch-normativ als innenstadt-typisch oder -atypisch eingeteilt und dementsprechend die Zulässigkeit von über dem Flächenquorum des § 11/3 BauNVO liegenden

17

Vgl. hierzu auch Greipl, E., Der Konsumgüterhandel auf dem Weg ins 21. Jahrhundert - Eckpunkte, Szenarien, Optionen, in: ARL (Hrsg.), Situation und Perspektiven des Einzelhandels aus der Sicht der räumlichen Planung, Hannover 1988, S. 31 ff.

11 ifo-Kolloquium

161

Betriebsstätten außerhalb der städtischen Kernbereiche von diesem Normbild der Standortpositionierung abhängig gemacht. Ohne das gültige Leitbild der Multifunktionalität und Erhaltung der Lebensfähigkeit städtischer Kernbereiche hier in Frage zu stellen, muß doch die Apodiktik der Standortnormierungen vor dem Hintergrund der Dynamik der städtisch-regionalen Entwicklung, der Verbraucherverhaltensweisen sowie der Ökonomisierungsertordernisse des Handels inhaltlich und methodisch als Irrung angesehen werden. Ohne Dynamik in der Betrachtungsweise und Offenheit in der Verarbeitung von Erkenntnissen wäre es nicht gelungen, die Charta von Athen als Leitbild der nach Funktionsbereichen strikt segmentierten Stadt zu überwinden und zur Urbanität und Funktionsmischung als Leitnorm zurückzukehren. Ich halte aber auch raumordnerische Bewertungen und Raumordnungsverfahren, die in Form demokratischer Abstimmung zustande kommen bzw. in regionalen Planungsausschüssen oder sonstigen Mandatsträgar-Gremien durch Voten programmiert werden, wegen der mangelnden Objektivität und der interessenpolitischen argumentativen Unterlegung für falsch; sie tragen nicht zur Ökonomisierung der Distribution bei, sondern zu Ressourcenverschwendung im öffentlichen und Unternehmerischen Bereich. Wenn die politische Opportunität für die Schaffung und Zulassung von Großfläche ausschlaggebend ist, wird die Glaubwürdigkeit von Instituten zur Sicherung der räumlichen Ordnung gefährdet. Es erscheint Betroffenen kaum verständlich, daß ein Handels- und Dienstleistungs-Großprojekt in der Dimension zwischen 75.000 und 240.000 qm Verkaufsfläche im westdeutschen Ballungsraum möglicherweise als räumlich verträglich angesehen wird, weil die prozeßpolitische Zielsetzung der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum dominant Pate stand, während gleichzeitig im selben Raum die Erweiterung existenter Handelsprojekte um 1.200 qm Verkaufsfläche als mit den Zielsetzungen der räumlichen Ordnung in bezug auf den Einzelhandel nicht vereinbar abgelehnt wurde. Nur über eine Weiterentwicklung der Grundlagenforschung sowie eine Neugestaltung von Leitbildern lassen sich Zielkonflikte besser lösen und "Kompromißmodelle" der Ökonomisierung entwickeln.

162

Es wird viel von Deregulierungserfordernissen in unserer Wirtschaft gesprochen. Hier bestehen aus der Sicht aller wettbewerbsorientierten Beteiligten breite Ansatzmöglichkeiten. "ln Locri, im alten Griechenland, so erzählt man, mußten diejenigen Parlamentarier, die neue Gesetze einbrachten, mit einer Schlinge um den Hals zur Abstimmung erscheinen. Wenn ihr Vorschlag abgelehnt wurde, war die Strafe: Tod durch Erdrosseln. Es wird berichtet, daß dort 200 Jahre lang keine neuen Gesetze mehr erlassen wurden."18 Kein Vorschlag, sondern eine klassische Reminiszenz, die nachdenklich stimmt.

4.3. Redistributionsforschung: lmplikationen der Verpackungsverord· nung für die Ökonomislerung der Distribution Die Bundesregierung hat unter Ausnutzung des Ermächtigungsrahmens aus § 14 Abfallgesetz im Juni 1991 eine Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen, die sog. Verpackungsverordnung, erlassen. Die Verpackungsverordnung sieht - an Industrie und Handel gerichtet - ein Bündel von Maßnahmen vor, um die Abfallmenge aus gebrauchten Verpakkungen zu vermindern und die öffentliche Abfallentsorgung künftig möglichst wenig mit gebrauchten Verpackungen zu belasten. Vom gesamten Entsorgungsaufkommen an Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen im Bundesgebiet (ca. 32 Millionen Tonnen) entfallen derzeit ca. 30 % des Gewichts bzw. 50 % des Volumens auf Verpackungsabfälle. Eine zentrale Maßnahmegruppe dieser Verordnung bilden die Rücknahmeund Verwertungspflicht für Verkaufsverpackungen und die Rücknahme-, Pfanderhebungs- und Verwertungspflicht für Getränkeverpackungen sowie für Verpackungen von Wasch- und Reinigungsmitteln und von Dispersionsfarben durch die Vertreiber dieser Waren (Handel und Industrie).

18 Dicht!, E., Grundzüge der Binnenhandelspolitik, S. 141. 11.

163

Die Verpflichtungen können aber entfallen, wenn sich Hersteller und Vertreiber an einem System beteiligen, das flächendeckend eine regelmässige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher oder in der Nähe des Endverbrauchers in ausreichender Weise gewährleistet. Diese Freistellungsmöglichkeit hat der Verordnungsgeber erst vorgesehen, nachdem Industrie und Handel zur Abwendung der absehbaren schwerwiegenden Belastungen, insbesondere in den Einzelhandelsverkaufsstellen, die Konzeption zum Aufbau des Dualen (neben der öffentlichen Entsorgung fungierenden) Entsorgungssystems zur Vermeidung und Verminderung von Verpackungsabfall vorgetragen und ihre Verwirklichung begonnen hatten. 19 Noch bevor die entscheidende 3. Stufe dieser Verordnung zum 1.1.1993 beginnt, werden das Duale System und der Grüne Punkt vielfach als Mogelpackung, als Irreführung des Verbrauchers, als Geldschneider auf Kosten des Konsumenten bezeichnet. Kommunen kündigen mit Vorratsbeschlüssen an, daß sie sich nicht an der Realisierung dieses "Freistellungssystems der Wirtschaft" beteiligen werden. Da aber für die Akzeptanz dieses Systems durch die zuständigen Aufsichtsbehörden ihr flächendeckendes Funktionieren gewährleistet sein muß, besteht die große Gefahr, daß Milliarden-Beträge in die Installation dieses Systems (als versunkene Kosten) gehen, die Problemlösungen und dabei auch die distributionswirtschaftliche Zielsetzung, die Verpackungsrückflut von den Märkten fernzuhalten, nicht gelingen. Es besteht kein Zweifel daran, daß ein Bündel von Maßnahmen zu ergreifen ist, um den drohenden Müllinfarkt zu verhindern. in einem komplexen Zielbündel sind aber auch die distributionswirtschaftlichen lmplikationen von Regelungen zu bewerten, wobei es zu eng gesehen wäre, das Problem nur als ein solches der Konsumgüterdistribution abzutun. Wenn, ungeachtet einer möglichen Reduzierung, das Problem der Verpakkungsmenge uns unvermeidbar weiter begleiten wird, wenn wir, ungeachtet von Umsetzungsproblemen in Redistributionssystemen, versuchen müssen, im Sinne der gesamten Volkswirtschaft distributionswirtschaftliche Entwicklungsniveaus zu erhalten, so ist die Einbindung aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppierungen in die Problemlösung erforderlich.

19

Vgl. Greipl, E., Duales System, in: WIST, Heft 1, 1992, S. 29 ff.

164

Zur VersachlichunQ der Diskussion, zur Darstellung der distributionswirtschaftlichen lmplikationen unterschiedlicher Modelle (und zwar in struktureller, kostenmäßiger und qualitativer Hinsicht), zur Darstellung von Ökobilanzen mit Aussagen zur Ressourcenverbrauchsintensität von Einweg- und Mehrwegsystemen, zur Erfassung der Akzeptanz und Tragfähigkeit von alternativen Distributionssystemen und Wertstoffredistributionsmodellen und zur Gestaltung optimierter Systeme ist in beachtlichem Umfang auch die Handelsforschung aufgerufen, und zwar in erheblich stärkerem Umfang, als sie es bislang offensichtlich wahrhaben wollte und sich in die Pflicht genommen sah.

4.4. Verbraucherforschung zur Erfassung von Versorgungsqualität und Versorgungszufriedenheit Entsprechend den erklärten Leitbildvorstellungen können wir die Zufriedenheit der Verbraucher mit dem Versorgungssystem an Waren und Diensten als wesentlichen Ausdruck der Distributionsqualität ansehen. Die Orientierung der Versorgungsleistung an den Verbraucheransprüchen ist wesentlicher Bestandteil der Ökonomisierung der Distribution. Um nicht zu Normvorgaben zu kommen, die dem mehrdimensionalen Konstrukt "Versorgungsqualität" nicht gerecht werden, ist es erforderlich, daß sich der kundenproblem-orientierte Teil der Handelsforschung noch intensiver um die Erfassung der Versorgungsgrade, der irradiierenden Faktoren und der Idealvorstellungen bemüht. Erst mit diesen Informationen können ernsthafte Störungen der gewerblichen und privaten Versorgungsqualität geortet und weitere Ansatzpunkte für eine Optimierung der Bedarfsgerechtigkeit mit Auswirkungen auf die politische Bewertung alternativer Standorte, Angebotstypen und Betriebsformen gewonnen werden.20 Wenn als Orientierungsgröße für die Ausstattung mit Einzelhandelsverkaufsfläche in den neuen Bundesländern (und damit als Standard einer anzustrebenden Basis der Versorgungsqualität) ca. 1 qm pro Einwohner vorgegeben wird, eine Größe, die sich aus unserer 4> Ist-Ausstattung in den alten Bundesländern ergibt, so besteht sichtbar die große Gefahr, daß die Planer in den Kommunen und Bezirksbehörden (wie in den 30er Jahren mit Richtwerten von

20 Vgl. dazu Dichtl, E., Grundzüge der Binnenhandelspolitik, S. 17 ff.

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Feder und Rechenberg) lst-•-Ausstattungen zu Normwerten für Projekttragfähigkeiten ohne spezifischen Raumbezug machen. Die Handelsforschung ist hier aufgerufen, mit brauchbaren Basisinformationen zu Potentialgrößen, Flächenproduktivitäten und Zentralitätsniveaus von Standortbereichen sowie zu Modellflächengrößen der Raumbedeutsamkeit eine Oparationalisierung der Planung und eine Ökonomisierung der Versorgungsqualität zu ermöglichen.

4.5. Rechtstatsachenforschung zur Fundierung von Gerichtsentschel· dungen Rechtsinstitute und ihre Handhabung sind wesentliche Parameter der Entwicklung der Ökonomisierung im Handel. Das gilt etwa für die Fusionskontrolle, das Ladenschlußgesetz, das Baurecht oder auch für wettbewerbsrechtliche Bestimmungen wie die idealtypische Trennung zwischen Groß- und Einzelhandel.21 ln einem Podiumsdialog zur Frage der vom BKartA bei der Fusionskontrolle praktizierten sachlichen Marktabgrenzung im Lebensmittelhandel antwortete Herr Kantzenbach Herrn Kartte, der sich in der Sortimentsfrage vom Kammergericht bestätigt sah: "Nun gut, das Kammergericht ist ihrer Auffassung, aber für einen Nationalökonomen ist eine solche Gerichtsentscheidung auch nicht die letzte Wahrheit. Wir werden auch Gerichtsentscheidungen in dieser Frage kritisieren. "22 Da der Eindruck besteht, daß sich das Richterrecht in zahlreichen Bereichen zu einer neuen qualitativen "Dimension" entwickelt, in der Erkenntnisse der sozialwissenschaftliehen Forschung offensichtlich keine Berücksichtigung finden, oder wie Dichtl es ausdrückt, "in hochmütiger Weise als Luft deklariert werden"23, hierbei aber für Ökonomisierungsaktivitäten in der Distribution einschneidende Weichenstellungen erfolgen, sind die sozialwissenschaftliehen Disziplinen, ist insbesondere die Handelsforschung aus ihrer fachspezifischen 21 Vgl. Picot, A., Transaktionskosten im Handel - Zur Notwendigkeit einer flexiblen Struk22 23

turentwicklung in der Distribution, in: Betriebsberater, Beilage 13/1986 zu Heft 27/1986, s. 12 ff. Unternehmertagung 1986, S. 79. Vgl. Dichtl, E., Gerichte können sich irren, in: Lebensmittel-Zeitung 30 vom 20. Juli 1991, s. 55.

166

Kompetenz zu einer verstärkten Aktivität im Bereich der Rechtstatsachenforschung herausgefordert. Dabei geht es sowohl um definitorische Klarstellungen, um Wirkungsanalysen als auch um die Beantwortung von Fragen der Kompatibilität von Instrumenten, Forderungen und Auslegungen mit Systemverständnis und Zeitgeist sowie um deren methodische Tragfähigkeit. 24 Es erscheint im Sinne aller Beteiligten und zur Schaffung von Rechtssicherheit erforderlich, verstärkt fachwissenschaftliche und methodische Erkenntnisse in objektivierter Form zur Fundierung der Entscheidungspraxis der Gerichte einzubringen. Dabei muß auch über neue Formen der Einbindung der Forschung nachgedacht werden, um Forschungsergebnisse nicht - trotz ihrer methodischen und sachlichen Kompetenz - als Parteienvortrag zu relativieren oder zu ignorieren. Die Fragestellung nach Optimierungsansätzen in der Handelskette richtet sich auch auf die Organisationsform von Transaktionen, deren Ökonomisierungseffekte und deren wettbewerbsrechtliche Wertung. Die Transaktionskosten werden je nachdem, ob es sich jeweils um ad-hoc-Marktbeziehungen, um Hierarchie-Formen (Integration) oder Hybridformen (Kooperation) handelt, unterschiedlich sein. Mit der Ausweitung der Markträume, dem global sourcing bei der Warenbeschaffung und dadurch neuen Dimensionen auf der Anbieter- und Nachfragerseite wird diesen Fragen eine neue Wertigkeit zukommen. Es besteht der Eindruck, daß wir hier - ausgehend von herkömmlichen Organisations- und Strukturleitbildern - häufig überschnell zu Wirkungsurteilen über neue Allianzmodelle, z. 8. Einkaufskooperationen auf internationaler Basis, kommen, ohne uns dem eigentlichen Kern der Problemstellung richtig genähert zu haben.

5. Verbesserung des Forschungstransfers Gerade dann, wenn der Eindruck vorherrscht, daß die "politische" Dimension der Entscheidungstindung stets stärker ist als die rational, datisch unterlegte Argumentationsführung und daß die Qualität des Forschungs- und Informationstransfers offensichtlich nicht dem Stand der Erkenntnisse angemessen 24

Vgl. auch Holub, H.W., Kauter, E., Tappeiner, G., Die Überprüfbarkeit der betriebsfremden Privatentnahme, Frankfurt 1991, S. 63 f.

167

ist, muß eingehend über Optimierungsmöglichkeiten nachgedacht werden. Betroffen davon sind sowohl die Organisation und Finanzierung der Forschung als auch die Art der "Vermarktung" der Forschungsergebnisse. Diskussionen mit Parlamentariern über Ausgestaltung und Wirkung von Rechtsinstituten anläßlich ihrer Novellierung haben aus Parlamentarier-Sicht verschiedentlich folgende Empfehlung hervorgebracht: "Die Wissenschaft muß nicht nur über ihre Methoden und ihre wissenschaftlichen Sacherkenntnisse nachdenken. Ebenso wichtig erscheint das Wissenschafts-Marketing gerade im parlamentarischen, politischen Bereich. Der mangelnde Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die handels-politischen/-relevanten Entscheidungen ist nicht zuletzt in diesem Mangel begründet." Hier liegen über diese Anregungen hinaus meines Erachtens beachtliche Brachfelder und durchaus wichtige Ansatzpunkte zur Ökonomisierung der Distribution. Die Handelsforschung hat im Rahmen der Ökonomisierungsbemühungen der Distribution die wesentlichen Informationsinstrumente und das fachspezifische Erfahrungs- und Bewertungswissen zu liefern. Ohne qualifizierte und permanent weiterentwickelte wissenschaftliche Analyse und Wertung laufen Handel und Handelspolitik Gefahr, daß Punktualismus, Konzeptionsmangel, Bewertungsirritation, Interventionismus und Bürokratismus allfällige Ökonomisierungsmöglichkeiten behindern. Nur über die fachwissenschaftliche Fundierung lassen sich Politisierung und Emotionalisierung aus den Sachdiskussionen zurückdrängen. Dort wo offensichtlich rechtlich-institutionelle und sonstige leitbildgeprägte Restriktionen dem umfeldbedingten Flexibilitätsbedarf der Handelsunternehmen und damit notwendigen Ökonomisierungsmaßnahmen der Distribution entgegenstehen, hat die Handelsforschung Wege einer effizienteren Gestaltung der Transaktionsprozesse mitzuentwickeln und zu bewerten. Wenn ein Mangel an Forschungsfundierung und Forschungstransfer im handelspolitischen Bereich gegeben ist, die Behebung dieses Mangels aber für die Ökonomisierung als unerläßlich erscheint, so sind Mittel und Wege dafür zu suchen. Die Handelsunternehmen stehen operationalen und erfolgversprechenden Modellen im eigenen Interesse aufgeschlossen gegenüber.

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Bevor ich das Pult an Herrn Dr. Batzer abgebe, möchte ich einige persönliche Worte an ihn richten. Lieber Herr Dr. Batzer, Sie haben in den angesprochenen und vielen weiteren Themen über die zeitliche Länge mindestens eines Kondratieff Zyklus hinweg empirisch gearbeitet und dabei in sachlicher wie in methodischer Hinsicht einen Beitrag zur Ökonomisierung der Distribution geleistet. Wir - Ihre Schüler, Mitarbeiter und Kollegen, sind dankbar und glücklich, daß wir Sie auf diesem Weg der empirischen Handelsforschung begleiten und unterstützen durften. ln der Ihnen angemessenen Zurückhaltung darf ich sagen, daß Sie mit Ihrer Forschungsarbeit einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte der empirischen Handelsforschung geschrieben haben, auf dem aufzubauen und weiterzuarbeiten Verpflichtung und Herausforderung darstellt. Danke!

1957 - 1992 Absatz- und Handelsforschung Im ifo Institut - Rückblick und Ausblick -

Dr. Erich Batzer Vorstandsmitglied des ifo Instituts und vormaliger Leiter der Abteilung "Handel und Wettbewerb"

Gliederung

Seite

0. Einleitung

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1. Anlaß sowie grundsätzliche Ziele und Aufgaben der ifo Absatz- und Handelsforschung

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2. Theoretischer Hintergrund, Ansätze und Instrumente der ifo Absatz- und Handelsforschung

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3. Forschungsschwerpunkte in den vergangenen Jahren

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4. Neue Schwerpunkte der ifo Absatz- und Handelsforschung

181

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0. Einleitung Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Keltegen von außerhalb und aus dem ifo Institut, ich möchte in meinen Ausführungen darauf zu sprechen kommen, warum wir im ifo Institut der Absatz- und Handelsforschung relativ breiten Raum gegeben haben, welche Ziele wir mit ihr verfolgen, auf welchen theoretischen Grundlagen sie basiert und wo die Forschungsschwerpunkte in den vergangenen Jahren gelegen haben und m.E. künftig liegen werden.

1. Anlaß sowie grundsätzliche Ziele und Aufgaben der ifo Absatz- und Handelsforschung Daß das ifo Institut im Vergleich zu den anderen großen Wirtschaftsforschungsinstituten in der Bundesrepublik absatz- und handelswirtschaftlichen Frage- und Problemstellungen schon bald nach seiner Gründung zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt und relativ breiten Raum gegeben hat, geschah aus der Erkenntnis heraus, daß dem Handel als Warenmittler und Dienstleister für ein möglichst reibungsloses Funktionieren der Transaktionen zwischen Produktion und Verbrauch eine ganz zentrale Bedeutung zukommt. Effizienz und Produktivität seiner Leistungserbringung bestimmen in hohem Maße die gesamtwirtschaftliche Produktivität und Leistungsfähigkeit mit. 1 Auf Niveau und Entwicklung der Preise hat der Handel wesentlichen Einfluß, und schließlich leistet er einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Durchsatzung von Innovationen gerade im Konsumgüterbereich . Nicht nur dem institutionellen Handel, d.h. den Unternehmen des Groß- und Außenhandels, der Handelsvermittlung und des Einzelhandels kommt in dieser Beziehung große Bedeutung zu, sondern auch den gesamten absatzwirtschaftlichen Prozessen und Systemen. Das ifo Institut hat von Anbeginn seiner Absatz- und Handelsforschung versucht, mit empirischen Analysen einen vertieften Einblick in die Strukturverhältnisse und Probleme der Warendistribution zu vermitteln, auf die Auswir1

Vgl. Schiller, Karl: Absatzwirtschaft als produktive Aufgabe, Schriften der Forschungsstelle für Konsumwirtschaft, Harnburg 1957.

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kungen bestimmter Entwicklungen hinzuweisen und die notwendigen wirtschaftspolitischen Handlungserfordernisse sowie Lösungsansätze aufzuzeigen. Im Rahmen einer breiten und vielfältigen Handelsforschungsszene in der Bundesrepublik mit einer Reihe von Spezialinstituten und Forschungsstellen hat sich die ifo Handelsforschung vorrangig auf mehr gesamtwirtschaftlich relevante sowie branchen- und warenbereichsbezogene Fragestellungen konzentriert. Im Laufe des Fortschritts der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik haben dabei wettbewerbspolitische Frage- und Problemstellungen im Zusammenhang mit erheblichen Konzentrationsvorgängen in Industrie und Handel und nachhaltige Verschiebungen in den Machtverhältnissen immer größere Bedeutung erlangt. ln der jüngeren Vergan.genheit erhielt dieser Problembareich eine zunehmende internationale Dimension; dies besonders im Zuge der Realisierung des EG-Binnenmarktes. Im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung und dem Systemwandel in den osteuropäischen Ländern ist in jüngster Zeit die Frage des notwendigen und möglichen Beitrags des Handels für die Implementierung und den Aufbau einer Wettbewerbsordnung in diesen Ländern stark in den Vordergrund getreten ; ich möchte sagen zurecht, denn der Handel kann oft die Vorreiterrolle im Rahmen dieses grundlegenden Umwandlungsprozesses übernehmen. Bezüglich der mikroökonomischen Datenfundierung wurde von uns immer in erheblichem Maße auf Untersuchungsergebnisse anderer Forschungseinrichtungen zurückgegriffen. Da jedoch einzelwirtschaftliche Aspekte der Handelsunternehmen zunehmende Bedeutung gerade auch für deren marktbezogene Verhaltensweisen erlangen, haben wir teilweise auch durch eigene Erhebungsansätze in diesem Bereich unsere Informationsbasis ergänzt. So haben wir uns u.a. immer wieder mit den Kosten- und Ertragsverhältnissen sowie den Kapital- und Finanzierungsverhältnissen der Handelsunternehmen befaßt. Auch Art und Umfang der Investitionsaktivitäten der Unternehmen wurden und werden von uns mit Hilfe des ifo Investitionstests laufend erfaßt und analysiert. Die Adressaten unserer Absatz- und Handelsforschung sehen wir in den wirtschaftspolitisch zuständigen Instanzen, in den Verbänden des Handels und 173

anderer Wirtschaftsbereiche sowie nicht zuletzt in den Unternehmen selbst. Im Laufe von vier Jahrzehnten wurde ein außerordentlich tragfähiges Gerüst von Arbeits- und Informationsbeziehungen zu den einschlägigen Ministerien, zu zahlreichen Verbänden sowie besonders auch zu anderen Forschungseinrichtungen mit absatzwirtschaftlicher Orientierung aufgebaut. Der damit verbundene permanente Diskussionsprozeß hat uns dazu in die Lage versetzt, die wesentlichen Frage- und Problemstellungen im Distributionsfeld rechtzeitig zu erkennen und zu analysieren. Ohne diesen ständigen und manchmal auch recht schwierigen Dialog ist eine empirische Handelsforschung kaum möglich.

2. Theoretischer Hintergrund, Ansätze und Instrumente der ifo Absatzund Handelsforschung Lassen Sie mich - ehe ich auf bestimmte Themenschwerpunkte unserer Distributionsforschung in den vergangenen Jahren näher zu sprechen komme einige kurze Anmerkungen zum theoretischen Hintergrund und zu den Forschungsansätzen und Instrumenten machen. Zur theoretischen Basis glaube ich mir die Feststellung erlauben zu dürfen, daß es zwar eine außerordentlich umfangreiche absatz- und handelswissenschaftliche Literatur gibt, jedoch keine geschlossene wissenschaftliche Theorie des Handels und der Absatzwirtschaft.2 Die deutsche Absatz- und Handelswissenschaft hat sich vor allem mit der Funktionenlehre3 , der lnstitutionenlehre, mit Kosten- und Ertragsaspekten, mit bestimmten Fragen der Preisbildung sowie mit den Absatzmethoden, der Produktgestaltung und Werbung befaßt. Preis- und wettbewerbstheoretische Fragen werden von der Absatz- und Handelswissenschaft noch nicht lange behandelt. Eine spezielle Wettbewerbstheorie des Handels sehe ich bisher nicht, so daß bei einschlägigen Untersuchungen auf die allgemeine Wettbewerbstheorie zurückgegriffen werden muß, die jedoch die Wettbewerbsphänomene und -mechanismen im absatzwirt-

2

3

Vgl. Leitherer, Eugen: Geschichte der handels- und absatzwirtschaftlichen Literatur, Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen, 1961; Sund hoff, Edmund: Dreihundert Jahre Handelswissenschaft, Schriften zur Handelsforschung, Verlag Otto Schwartz & Co., Göttingen 1979. Vgl. u.a. Schenk, Hans-Otto: Geschichte und Ordnungstheorie der Handelsfunktionen, Schriftenreihe der Forschungsstelle für den Handel, Dritte Folge Nr. 5, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1970.

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schaftliehen Bereich nur unzureichend erklären kann. 4 Der insgesamt heterogenen Theorienbasis entsprechend sind die Methoden der Handelsforschung durch Pluralismus gekennzeichnet. Außer traditionellen Ansätzen der Waren- und Funktionenlehre und der Institutionenlehre finden sich eine Reihe von tragfähigen und empirisch gut nutzbaren Ansätzen ordnungstheoretischer, typologischer, aktionsanalytischer und verhaltensorientierter Art. Gerade Tietz hat dies in seinen Grundlagen der Handelsforschung ausführlich herausgearbeitet.5 Da wir uns im Rahmen unserer Distributionsforschung im ifo Institut hauptsächlich mit Marktstruktur- und Wettbewerbsphänomenen befaßt haben, war für uns neben den klassischen Betrachtungsansätzen der wettbewerbs- und preistheoretische Erklärungshintergrund besonders wichtig, auch wenn sich damit - wie schon gesagt - die recht komplizierten Wettbewerbsphänomene im Handel nur unzureichend erklären lassen. Was das Instrumentarium betrifft, so möchte ich hier nur auf die ausgebauten Unternehmerberichtskreise des ifo Instituts in allen wichtigen Wirtschaftsbereichen hinweisen, darunter die des Groß- und Einzelhandels. Dies hat uns immer die in dieser Hinsicht fast konkurrenzlose Möglichkeit geboten, durch schriftliche wie persönliche Erhebungen auf breiter Basis originäre quantitative und qualitative Informationen zu gewinnen und damit die Analysen auf eine fundiertere Bewertungsbasis zu stellen.

3. Forschungsschwerpunkte ln den vergangenen Jahren ln den Anfangsjahren unserer Handelsforschung standen zunächst Beiträge zu den ifo Konjunkturanalysen und Darstellungen von Strukturphänomenen im Vordergrund. Schon bald haben wir jedoch zu aktuellen Fragen und Proble-

4

5

Vgl. Batzer, Erich und Greipl, Erich: Zum Wettbewerbsphänomen im Handel, in: Handelsforschung heute, Schriftenreihe der Forschungsstelle für den Handel, Dritte Folge Nr. 7, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1979; Schenk, Hans-Otto: Wettbewerbsstruktur im deutschen Handel, in: Absatzwirtschaft in Japan und Deutschland, Schriftenreihe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Nr. 131, Verlag Dunekar & Humboldt, Berlin/München 1992. Tietz, Bruno: Grundlagen der Handelsforschung, Erster Band Die Methoden, gdi Verlag, Gottlieb Duttweiler-Institut für wirtschaftliche und soziale Studien, Rüschlikon-ZOrich 1969.

175

men des Handels Sondererhebungen in den Handels- und lndustrieberichtskreisen des ifo Instituts durchgeführt, etwa zur Arbeitsmarktsituation und Beschäftigtenentwicklung im Handel, über die Vermögens- und Finanzierungsverhältnisse der Handelsunternehmen, über deren Aus- und Fortbildungsaktivitäten, über den Technikeinsatz und dessen Auswirkungen auf Beschäftigung und Produktivität und immer wieder über die Kooperationsaktivitäten und -probleme der kleinen und mittleren Handelsunternehmen. Zunehmend wurden dann jedoch vor allem im Auftrag des Sundesministeriums für Wirtschaft, des Bayer. Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr sowie von verschiedenen Handelsverbänden und -gruppen, später auch der EG-Kommission, Forschungsprojekte zu spezifischen Problemstellungen des Handels durchgeführt. Dies mit dem vorrangigen Ziel, der Wirtschaftspolitik und hier insbesondere der Wettbewerbs-, Struktur- und Mittelstandspolitik z.B. für geplante Gesetzesvorhaben empirische Informationen zur Verfügung zu stellen, Befunde über die Auswirkungen auf die Strukturverhältnisse im Handel zu vermitteln sowie auch auf die uns erforderlich erscheinenden Maßnahmen hinzuweisen. Ich möchte nun keine Aufzählungen und Skizzierungen von durchgeführten Forschungsprojekten vornehmen. Erlauben Sie mir aber doch, den Blick kurz zurückzuwerfen auf einige Problembereiche, mit denen wir uns zur jeweiligen Zeit besonders kritisch und engagiert befaßt haben. Noch gut erinnere ich mich an die schier unendlichen Auseinandersetzungen und heißen Diskussionen zwischen den verschiedenen Interessentengruppen und auch in der Literatur über die Preisbindung der zweiten Hand in den 60er Jahren. Geradezu zementiert war in weiten Kreisen die Auffassung, daß das Markenartikelsystem ohne lückenlose Preisbindung nicht denkbar sei. Wir haben uns schon frühzeitig mit den Auswirkungen der Preisbindung auf das Markenartikelsystem, das Konsumpreisniveau und den Wettbewerb in der Konsumgüterdistribution befaßt. Da wir einen zwingenden Zusammenhang zwischen Preisbindung und Funktionsfähigkeit des Markenartikelsystems nicht erkennen konnten, jedoch erhebliche negative Auswirkungen hinsichtlich eines überhöhten Preisniveaus und Wettbewerbsverzerrungen vor allem auf der Einzelhandelsstufe, haben wir uns schon frühzeitig für die Aufgabe der Preisbindung ausgesprochen. Es war für uns natürlich nicht überraschend, daß wir damit nicht allenthalben auf große Zustimmung trafen, ja uns teilweise massi-

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ve Kritik zuzogen. Die Preisbindung wurde dann bekanntlich mit Ausnahme weniger Bereiche ab Anfang 1974 abgeschafft und durch die Möglichkeit der unverbindlichen Preisempfehlung ersetzt. Da auch dieses Instrument mit erheblichen Problemen verbunden ist, wurden wir vom Bundesministerium für Wirtschaft mit einem Folge-Gutachten mit dem Thema "Handhabung und Wirkung der unverbindlichen Preisempfehlung" beauftragt.6 Neben der Ermittlung von Bedeutung und Einsatzbreite dieses Instruments in Industrie und Handel ging es vor allem um die Erfassung und Wertung von Handhabungspraktiken etwa im Zusammenhang mit dem sog. "Mondpreisproblem" und den hierdurch hervorgerufenen Lockvogelwirkungen. Wir sind damals auch mittels umfangreicher Primärerhebungen in den ifo Berichtskreisen zu dem generellen Befund gelangt, daß von einer Preisempfehlung zwar keine gravierenden preiserhöhenden Wirkungen ausgehen, daß aber aufgrund der in der Praxis auftretenden verunsichernden und verzerrenden Wirkungen im Wettbewerb die Marktkonformität dieses Instruments in Frage zu stellen ist. Inzwischen sind Markt und Wettbewerb großenteils auch über die Verbraucherpreisempfehlung hinweggegangen, so daß sich dieses Thema nahezu erledigt hat. Aus diesen Studien heraus ist bei mir die Auffassung gereift, daß die unternehmerische Freiheit der Preisgestaltung unbedingt gewahrt bleiben muß, um den Wettbewerb zwischen den leistungsaktiven Unternehmen nicht einzuschränken. Besondere Beachtung haben wir unter dem Aspekt der Effizienz und Kosten des Vertriebs wie der Wettbewerbs-, Preis- und Strukturwirkungen auch den anderen wichtigen industriellen Absatzsystemen und -instrumenten geschenkt wie den in einigen Branchen dominierenden Vertragshändlersystemen, den Exklusiv- und Ausschließlichkeitsvertriebsformen und der Vertriebsbindung. Immer waren dabei positive Befunde hinsichtlich der Steuerungserfordernisse und der Effizienz des Vertriebs mit negativen Befunden hinsichtlich der diesen Systemen immanenten Marktzutrittsbarrieren, des Ausschlusses von potentiellen Konkurrenten und der Durchsatzung einer Quasi-Preisbindung zu saldieren. Erhebliche Veränderungen in Art und Umfang der industriellen Vertriebs-

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Batzer, Erich; Greipl, Erich; Singer, Eugen: Handhabung und Wirkung der unverbindlichen Preisempfehlung, ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Verlag Dunekar & Humblot, Berlin-München 1976.

12 ifo-Kolloquium

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systeme gerade auch im Zusammenhang mit der Schaffung des EG-Binnenmarktes erfordern künftig eine noch intensivere Beobachtung. Eine zentrale Rolle hat in unseren Analysen generell das Wettbewerbsphänomen gespielt, d.h. der Wettbewerb auf den Handelsstufen zwischen den verschieden strukturierten Unternehmen, Betriebsformen und Gruppen des Handels sowie besonders auch der Stufenwettbewerb zwischen Handel und Industrie speziell im Konsumgüterbereich. Erwähnen möchte ich hier nur zwei Untersuchungen unter den Themenstellungen "Wettbewerbssituation und -entwicklung im Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland"7 und "Der Ausleseprozeß im Groß- und Einzelhandel - Ursachen und Wirkungen"8 • Ich glaube, daß wir u.a. mit unseren immer wieder aktualisierten Marktanteilsberechnungen, -Schätzungen und -prognosen die Informationsgrundlagen zu diesem Problembereich erheblich verbessern konnten und auch künftig wesentliche Informationen bereitstellen werden. Spezielle Aufmerksamkeit ist bei den wettbewerbsbezogenen Untersuchungen naturgemäß auch immer der Frage zu schenken, in welcher Weise und in welchem Ausmaß die gesetzlichen Bestimmungen und Veränderungen sowie die marktmorphologischen Bedingungen den Wettbewerb im Handel und zwischen Industrie und Handel beeinflussen. Hierzu sind die relevanten Bestimmungen, vor allem des GWB, des Bundesbaugesetzes und der Bau-Nutzungsverordnung eingehend unter dem Aspekt ihrer Wirkung auf Strukturen sowie auf Intensität und Qualität des Wettbewerbs zu prüfen und zu bewerten. Bei der Analyse der Veränderungen der marktmorphologischen Bedingungen geht es besonders um die Konzentrationsvorgänge in Industrie und Handel und die hierdurch ausgelösten Veränderungen im Angebots-/Nachfrageverhältnis zwischen den Wirtschaftsstufen und - davon abgeleitet - um Schlußfolgerungen bezüglich marktmachtbedingter Verhaltensänderungen. Nun muß ich bekennen, daß es uns im ifo Institut, aber auch in den anderen Instituten bislang nicht gelungen ist, Marktmacht und die hieraus resultieren-

7

8

Greipl, Erich: Wettbewerbssituation und -entwicklung des Einzelhandels in der Bundesrepublik Deutschland, ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Verlag Duncker & Humblot, Berlin-München 1978. Batzer, Erich; Greipl, Erich; Meyerhöfer, Walter; Singer, Eugen: Der Ausleseprozeß im Groß- und Einzelhandel, ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Verlag Dunekar & Humblot, Berlin-München 1974.

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den Verhaltensweisen und Strukturwirkungen in Industrie und Handel hinreichend zu identifizieren und zu erfassen. Auf diesem Feld ist noch erhebliche Forschungsarbeit zu leisten. Unverändert starke Konzentrationsvorgänge besonders auch im Handel lassen die Dringlichkeit der Befassung mit dieser Thematik deutlich werden. Die viel diskutierte Nachfragemacht des Handels ist zwar als Phänomen definiert, doch bestehen bis heute keine empirisch hinreichend gestützten Vorstellungen über das tatsächliche Ausmaß ihrer Geltendmachung und ihrer Auswirkungen. 9 Gerade mit Analysen zu den Angebots-/Nachfragestrukturen und -Verhaltensweisen speziell im Konsumgüterbereich bewegt man sich naturgemäß in einem heißen Diskussionsfeld, wird doch von der einen Markt- und Interessentenseite eine zunehmende Nachfragemacht des Handels beklagt und auf stark negative Auswirkungen insbesondere auf die kleinen und mittleren Unternehmen der Industrie hingewiesen, während die großen Unternehmen und Gruppen des Handels Nachfragemacht mit solchen Auswirkungen nicht zu erkennen vermögen. Ich hoffe, daß wir in diesem Problembereich mit unseren Arbeiten einen gewissen Beitrag zur Versachlichung leisten konnten und künftig hoffentlich noch mehr leisten können. Dieses schwierige Forschungsfeld sollte auch vor dem Hintergrund der Verschiebungen in der Arbeitsteilung zwischen Produktions-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen gesehen werden. Es müssen künftig noch mehr als bisher die gesamtwirtschaftlichen Aspekte Berücksichtigung finden, um zu einer politischen Beurteilung dieser an Bedeutung noch zunehmenden Probleme zu gelangen. ln jüngsten Analysen des ifo Instituts hat vor allem Herr Täger mit Kollegen dieses Betrachtungsfeld auf den EG-Raum ausgeweitet und herausgearbeitet, welche Verschiebungen sich in den Markt- und Wettbewerbskonstellationen im Verhältnis Industrie/Handel im Rahmen der Verwirklichung des EG-Binnenmarktes eregeben. Es ist, glaube ich, gelungen zu verdeutlichen, daß die Markt- und Machtverhältnisse zwischen Industrie und Handel in regionaler, branchenbezogener und warengruppenbezogener Hinsicht sehr differenziert gesehen werden müssen. Durch Typisierungen von Marktkonstellationen und deren Analyse wird das transparent.

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12"

Vgl. hierzu u.a. Wettbewerbsbeziehungen zwischen Industrie und Handel, FIWSchriftenreihe Heft 102, Carl Heymanns Verlag KG 1982.

179

Ein anderes gerade von der ifo Handelsforschung schon frühzeitig angegangenes und unverändert aktuelles Themenfeld betrifft die Kooperationen des Handels10. Wir haben in bestimmten Zeitabständen im Auftrag des BMWI und in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden der Kooperationsgruppen sowie zahlreichen Einzelkooperationen immerer wieder umfangreiche Erhebungen in den Mitgliederkreisen der Gruppen und aufbauend hierauf Analysen durchgeführt. Damit konnte die Informationsbasis zu diesem Themenfeld erheblich verbessert und verdeutlicht werden, welch' große Bedeutung den Kooperationen als Gegengewicht zu den Filialsystemen des Handels und für die Existenzfähigkeit der mittelständischen Handelsunternehmen zukommt. Gleichzeitig machten unsere Analysen aber deutlich, daß auch den Kooperationen und Verbundgruppen selbst Konzentrationstendenzen immanent sind und aus wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten in gewissem Umfang auch sein müssen. Ich muß gestehen, daß gerade die Beteiligung an der Diskussion über die Rolle und Bedeutung der Kooperationen und ihre Wettbewerbsrelevanz in der Konsumgüterdistribution sowie ihre wettbewerbspolitische Bewertung und gesetzliche Behandlung für mich wie für die Kollegen außerordentlich lehrreich war, nicht zuletzt deshalb, weil wir hier noch mehr als bei anderen Themen mit rechtsökonomischen Sicht- und Argumentationsweisen konfrontiert wurden. Dabei mußten wir zur Kenntnis nehmen, daß Befunde über ökonomische Gegebenheiten allein oft nicht ausreichen, sondern rechtlichen bzw. rechtssystematischen Gesichtspunkten große Bedeutung zugemessen werden muß. Von den Ökonomen wird das offensichtlich nicht immer im erforderlichen Maße beachtet. Doch auch im rechtswissenschaftliehen Bereich erscheint mir umgekehrt durchaus gerade bei der Würdigung absatzwirtschaftlicher Institute ein erhöhter Integrationsbedarf an wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen gegeben zu sein. Die Beobachtung und Analyse der Veränderungen im Bereich der Handelskooperationen bzw. großen Verbundgruppen wird m.E. auch künftig einen

10

Vgl. Batzer, Erich; Greipl, Erich; Täger, Uwe: Kooperation im Einzelhandel, ifo Schriftenreihe 'Struktur und Wachstum, Absatzwirtschaft' Heft 11, Verlag Duncker & Humblot, Berlin-München 1982. Batzer, Erich; Lachner, Josef; Meyerhöfer, Waller: Die handels- und wettbewerbspolitische Bedeutung der Kooperationen des Konsumgüterhandels, ifo Studien zu Handels- und Dienstleistungsfragen Nr. 36/1-111, München 1989.

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besonderen Schwerpunkt der ifo Absatz- und Handelsforschung bilden müssen. Ich will noch anmerken, daß wir uns immer wieder mit der Rolle und Bedeutung des Großhandels für das Funktionieren der Märkte befaßt haben, in jüngster Zeit vor allem mit Blick auf die neuen Bundesländer11 • Auch die Bedeutung der Außenhandelshäuser im Rahmen der Außenhandelstätigkeit und im Exportmarketing war und ist immer wieder Gegenstand von ifo Analysen. 12 Gerade unter dem Aspekt bzw. dem Erfordernis eines systematischeren Exportmarketing in weiten Unternehmensbereichen und insbesondere in der mittelständischen Industrie wird diesem Untersuchungsbereich m.E. künftig noch größere Bedeutung zukommen. Erwähnen möchte ich schließlich noch, daß wir uns in den letzten Jahren auch verstärkt mit den Distributionssystemen anderer großer Industrieländer beschäftigt haben, so mit dem komplizierten japanischen Absatzsystem. Es erschwert nach unseren Erkenntnissen in erheblichem Maße den Marktzugang für ausländische Erzeugnisse. 13 Seit vielen Jahren unterhalten wir enge Kontakte zu japanischen Universitäten und Fachkollegen und pflegen hierüber sowie über andere distributionswirtschaftliche Fragen und Probleme einen intensiven Erfahrungsaustausch. Ohne unbescheiden zu sein, glaube ich feststellen zu dürfen, daß unsere Analyseergebnisse die Binnenhandelspolitik in Japan spürbar beeinflußt haben.

4. Neue Schwerpunkte der lfo Absatz· und Handelsforschung Die künftigen Schwerpunkte der ifo Absatz- und Handelsforschung sind, glaube ich, im Rahmen dieses Rückblicks schon großenteils deutlich geworden.

11

12

13

Vgl. Batzer, Erich; Lachner, Josef; Täger, Uwe: Der Großhandel in den neuen Bundesländern, ifo Studien zu Handels- und Dienstleistungsfragen Nr. 41, München 1991. Vgl. u.a. Batzer, Erich; Ziegler, Rainer: Die Außenhandelsunternehmen in der Europäischen Gemeinschaft: Funktionen, Strukturen, Wettbewerb, Dokument der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg 1985. Batzer, Erich; Laumer, Helmut: Marketing Strategies and Distribution Channels for Foreign Companies in Japan, published in cooperation with the ifo Institute for Economic Research, Munich, Westview Special Studies in International Economic and Business, Westview Press, USA, Boulder, Colorade 1989.

181

Viele Themenbereiche bleiben für weitere Untersuchungen aktuell. Das gilt insbesondere für die Beobachtung und Analyse der Marktstruktur- und Wettbewerbsveränderungen im Distributionsbereich und die Existenzbedingungen und -Voraussetzungen für die kleinen und mittleren Unternehmen. Dabei gewinnt nun die internationale Beobachtungsebene, speziell der EG-Raum, an Bedeutung. Wesentlich intensiver als schon bisher muß sich die ifo Handelsforschung mit den handelspolitischen Fragestellungen in den osteuropäischen Ländern befassen, da dem Handel sowohl im Rahmen der Umgestaltung der Volkswirtschaften als auch für das Funktionieren der angestrebten Marktwirtschaftsordnungen in diesen Ländern eine zentrale Rolle zukommt. Es ist eine wesentliche Aufgabe der ifo Handelsforschung, hier mit aussagefähigen Informationen und Analyseergebnissen Hilfestellung zu leisten. Dazu gehört, daß sowohl die wettbewerbsfördernden als auch möglichewettbewerbsbeschränkende Marktaktivitäten der Handelsunternehmen und -gruppen offengelegt und unter gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen analysiert werden. Gerade beim Aufbau neuer Handelssysteme in den bisherigen Planwirtschaften besteht durchaus die Gefahr des Entstehans wettbewerbsverzerrender Strukturen. Ein weiterer wichtiger Forschungsbereich wird künftig generell in bezug auf Logistik bestehen, da hier neue Formen der Funktionenteilung und Kooperation besonders zwischen dem Handel und anderen Wirtschaftsbereichen erforderlich sind. Die ifo Handelsforschung kann hier m.E. durch räumlich-regionalbezogene Analysen in enger Kooperation mit der Regionalforschung und Verkehrsforschung des Instituts wesentliche Informationsunterlagen bereitstellen. Ich will es mit diesen Hinweisen bewenden lassen, zumal ich weiß, daß die genannten Aufgabenfelder von den in der empirischen Handelsforschung tätigen Kollegen auch gesehen werden und ihre Wahrnehmung ins Auge gefaßt, ja teilweise schon in Angriff genommen ist. Im übrigen ist das Aufgabenfeld der empirischen Handelsforschung natürlich noch wesentlich umfangreicher als ich es mit Blickrichtung vor allem auf die ifo Handelsforschung zu skizzieren versucht habe. Die Beiträge von Tietz, Schlecht und Greipl, aber auch der Podiumsteilnehmer haben die hohen Anforderungen an die empirische Handelsforschung insgesamt sehr deutlich gemacht und auch gezeigt, welch' wesentliche Beiträge dieser Forschungsbereich für die Erreichung 182

wichtiger wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Ziele wie der weiteren Ökonomisierung des Distributionsbereichs bei gleichzeitiger Bewahrung differenzierter und wettbewerbsfördernder Unternehmensstrukturen leisten kann. Mir verbleibt, den Wunsch auszudrücken, daß die ifo Absatz- und Handelsforschung auch in Zukunft eine maßgebliche Rolle im Rahmen der empirischen Warendistributionsforschung in Deutschland spielen wird. Ich bin sicher, daß ihr das auch gelingt. Erlauben Sie mir abschließend einige Worte des Dankes. Zunächst möchte ich mich ganz persönlich sehr herzlich dafür bedanken, daß Sie der Einladung zu diesem Kolloquium gefolgt sind. Für mich ist es eine große Freude, daß meine aktive Berufslaufbahn mit einer solchen Fachveranstaltung abgeschlossen und abgerundet wird. Besonders bedanken möchte ich mich bei allen, die dieses Kolloquium initiiert und vorbereitet haben, vor allem bei meinen langjährigen Vorstandskollegen Oppenländer, Laumer und Krumper und den Weggefährten Greipl und Täger sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ifo Handelsabteilung. Daß so viele Kolleginnen und Kollegen von außerhalb teilnehmen und mitwirken, erfüllt mich für das Institut aber auch persönlich mit großer Genugtuung und Freude. Es soll keine Zurücksetzung anderer bedeuten, wenn ich einen Fachkollegen von außerhalb besonders anspreche, nämlich Professor Tietz. Seine Forschungsarbeit haben wir immer mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Ihre Arbeiten, lieber Herr Tietz, waren für unsere eigene Handelsforschung von besonderem Ansporn und spezifischer Herausforderung. Ich freue mich auch sehr über Ihre Teilnahme, sehr geehrter Herr Schlecht. Sie waren und sind für uns ifo Forscher eine besonders wichtige Bezugsperson. Dies vor allem als kritischer Adressat der für die Wirtschaftspolitik bestimmten Analyse- und Prognoseergebnisse über mehrere Jahrzehnte hinweg und seit einiger Zeit als Mitglied des Vorstandsrats des Instituts. Eine große Freude ist es mir aber auch, daß als langjährige Partner bei vielen Forschungsprojekten aus dem Bundesministerium für Wirtschaft die Herren Dr. Groß und Dr. Warm sowie Herr Fleck für das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr teilnehmen und von der Seite der Verbände, mit

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denen wir langjährige enge Kooperationsbeziehungen unterhalten, u.a. die Herren Dr. Spary, Dr. Olesch, Senator Maier und Herr von Reumont. Eine abschließende besondere Dankadresse möchte ich an alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten, mit denen ich über ein Berufsleben hinweg in wechselnden Besetzungen zusammenarbeiten durfte. Ohne ihr hohes fachliches Engagement und ihre Loyalität wäre das Forschungsprofil des ifo Instituts in diesem Forschungsbereich, wie ich es hier skizzieren durfte, nicht entstanden. Nochmals aber ein herzliches Dankeschön Ihnen allen und meine besten Wünsche für Ihre weitere berufliche Tätigkeit wie vor allem auch für Ihr persönliches Wohlergehen!

Schlußwort

Professor Dr. K. H. Oppenländer, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung

Lieber Herr Batzer, meine sehr verehrten Damen und Herren, Wir haben einen ereignisreichen und inhaltsschweren Tag hinter uns, wir haben sehr viel gehört, Neues aufgenommen, Altes bestätigt bekommen. Ich möchte eigentlich dem nicht mehr viel hinzufügen. Lassen Sie mich lediglich zwei Eindrücke schildern. Das ifo Institut arbeitet nach einem Leitbild, das lautet: Bewährtes bewahren und Neues anpacken. Gerade die Abteilung Handel unter der langjährigen wissenschaftlichen Leitung von Herrn Dr. Batzer hat immer wieder dokumentiert, daß man beide Wege verfolgen muß. Man muß Bewährtes über Jahrzehnte hinweg pflegen und halten. Nur in dieser "Hartnäckigkeit" wird man angesehen und beachtet, nur so kann man im Wettbewerb mit anderen bestehen. Man muß aber auch immer wieder Neues anpacken, um Strukturveränderunge einfangen und analysieren zu können. Ein zweiter Eindruck drängt sich mir auf. Offensichtlich hat die Handelsforschung in diesem Institut erreicht, was anderen Gebieten der Volks- und Betriebswirtschaft nicht in dem Maße gelungen ist: nämlich die Symbiose von Theorie, Empirie und Politikberatung. Neulich ist ein Vortrag von einem sehr bekannten Ökonomen veröffentlicht worden. Hier wird eine Studie über die Frage vorgestellt, ob nun eigentlich die Wirtschaftspolitik der Wirtschaftstheorie vorausläuft oder umgekehrt. Er hat herausgefunden, daß die Wirtschaftspolitik der Theorie in all den Jahren seit dem Mittelalter im Durchschnitt um etwa 25 Jahre vorausgeeilt ist. Die Theorie konnte nur im Nachhinein bestätigen oder kritische Anmerkungen machen.

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Wenn ich mir nun die Ergebnisse von heute so vergegenwärtige, dann zeigt die Handelsforschung ein anderes Bild. Zwar haben auch Sie vom Pluralismus der Theorien gesprochen, aber ich kann mir gut vorstellen, daß die Empirie gerade in diesem Bereich sehr stark die Lücke zwischen Theorie und Politik überbrückt. Wie auch am Vormittag gesagt worden ist, läßt sich durch mikroökonomische Untersuchungen relativ rasch diese Lücke füllen, so daß die empirische Handelsforschung der Politik möglicherweise sogar Einiges voraus ist, sowohl in der Diagnose als auch in der Prognose. Insofern blicken wir etwas neidisch auf unsere Handelsforschung, möchten ihr aber auch weiter Mut machen, so fortzufahren. Nun erlauben Sie mir noch einige persönliche Anmerkungen zu dem langjährigen Leiter dieser Abteilung, zu Ihnen, Herr Batzer. Ich glaube, man wird am Ende einer solcher Zeit nicht nur dahingehend beurteilt, was als Leistung herauskam, was veröffentlicht wurde, welche Vorträge gehalten wurden. Wir wissen, daß Herr Batzer in die Literatur der Handelsforschung eingegangen ist, daß er sehr viel veröffentlicht hat und daß er im Kreis der Handelsforschung sehr angesehen ist. Man wird aber auch danach beurteilt, ob man rechtzeitig einen Nachfolger für sich gefunden hat. Es sollte eine Kontinuität zu dem hergestellt werden, was man zeit seines Lebens aufgebaut hat. Sie waren ja immerhin 35 Jahre hier ein reiches Forscherleben. Die Wahl eines würdigen Nachfolgers ist Ihnen sicherlich gelungen. Ich darf mich recht herzlich bei Herrn Dr. Täger und seiner Mannschaft bedanken, daß diese Tagung so voll gelungen ist, und ich bin guten Mutes, daß wir auch in Zukunft eine empirische Handelsforschung in diesem Institut haben werden, die angesehen sein wird und die immer wieder Neues anpackt. Wir möchten gern Herrn Dr. Batzer zur Wahl in das ifo Kuratorium vorschlagen. Ich bin sicher, Herr Batzer, daß Sie diesen Wahlvorschlag akzeptieren, und wir sind, wie ich heute vormittag schon sagte, Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns weiterhin mit Ihrem reichen Wissen begleiten. Ich darf Sie nunmehr alle recht herzlich zu einem lmbiß einladen und darf Ihnen noch einmal sehr für Ihr Erscheinen danken. Ich darf vor allen Dingen den Referenten und den Diskussionsrednern danken, und ich darf auch denjenigen danken, die diese Tagung finanziell unterstützt haben. Das ist zum 186

einen die Otto-Beisheim-Stiftung, München, das sind zum anderen das Bundesministerium für Wirtschaft, Bann, und das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr in München, die mit dazu beigetragen haben, daß wir heute dieses handelspolitische Kolloquium durchführen konnten.

Anhang

Symposium "Markenstrateglen und Handelskonzepte - in neuen Dimensionen denken" 1

Dr. K. H. Stöver Berater des Generaldirektors, Generaldirektion IV: Wettbewerb Kommission der Europäischen Gemeinschaften

1.

Beamte aus Antitrustbehörden2 spielen lieber aus der Hinterhand. Sie reagieren vorzugsweise auf Tatbestände, die von Unternehmen berPits geschaffen wurden. Sie haben nicht zu empfehlen, was Unternehmer tun sollen, sondern darauf zu reagieren, wenn diese etwas tun, was sie nicht tun sollen. Deshalb werde ich mir Ratschläge verkneifen. Dynamische, durch den Binnenmarkt 92 angestoßene Entwicklungen fördern also in erster Linie den Unternehmer. Anpassungen an den größer werdenden Markt und die Bestimmung der richtigen Betriebs-, Unternehmensgröße und Unternehmensform müssen auf Unternehmerischen Initiativen beruhen. Auch wir in Brüssel empfehlen weder Zusammenschlüsse, Kartellbildungen oder Genossenschaften noch die Gründung von Europäischen Interessengemeinschaften. Der überstrapazierte, aber unerläßliche Begriff der Rahmenbedingungen muß auch in der Europäischen Gemeinschaft herhalten, um staatliche Interventionen zu begründen und zu begrenzen. Die Instrumente, die wir den Unternehmen zur Verfügung stellen, sind vielfältig. Zu ihnen gehören die inzwischen weitgehend konkretisierten Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages. Von Interesse sind vor allem die für horizontale und vertikale Kooperationen gewährten Freiräume mit eingebauter Bremse für schädliche Kartelle und marktabschottend wir-

2

Veranstaltet von 'Lebensmittelzeitung• und Lds.Verbd. des Bayerischen Lebensmittelhandels, München, 14. Januar 1992. Diese einleitenden Bemerkungen von Dr. Klaus H. Stöver, Berater, Generaldirektion Wettbewerb der Kommission der Europaischen Gemeinschaften, die er anlaßlieh der Podiumsdiskussion machte, geben nur seine persönliche Meinung wieder. Sie vermögen die Kommission in keiner Weise zu binden.

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kende Vertragsklauseln3 sowie die bis zur Grenze der Vermachtung zugelassenen Unternehmenszusammenschlüsse4 • 2.

Mit Blick auf den Lebensmittelsektor - welche Entwicklungen werden die Brüsseler Wettbewerbshüter auf den Plan rufen? Der traditionelle Export/-lmporthandel hat das Feld des Gemeinsamen Marktes in etlichen Bereichen verloren. Produzierende Unternehmen integrierten vertikalen Vertrieb, gründeten Tochter-Importgesellschaften in den anderen Mitgliedsstaaten bis hin zur Errichtung von flächendekkenden Vertriebs- und Franchisesystemen. Der produzierende Mittelstand kooperiert miteinander und verfolgt teilweise gleiche expansive Ziele. Der verbrauchernähere Handel wandelte sich ebenfalls gewaltig. Er schuf unterschiedlichste Einkaufs- und Weiterverkaufsformen und dehnte sich in regionaler, nationaler und transnationaler Dimension aus. Kooperationen, genossenschaftliche und genossenschaftsähnliche Formen, Übernahmen von Unternehmen und inneres Wachstum schufen eine bunte europäische Vertriebslandschaft. Auch unter den kooperativ begründeten Einkaufs- und Verkaufsmittlern, den Genossenschaften, genossenschaftsähnlichen Unternehmungen und Dachorganisationen wuchs und wächst der Drang aufs europäische Wettbewerbsfeld. Sie lösen sich gleichsam von ihren Wurzeln der reinen regionalen Interessenwahrung für ihre Mitglieder und wollen die Vollfunktion eines europäischen Großhändlers übernehmen. Aldo Tomasina von Jacobs-Suchard hat mit seinem Satz "Die Einrichtung des EG-Binnenmarktes wird von den Politikern beredet, von der Industrie vollzogen und vom Lebensmittelhandel zur Kenntnis genommen;,s offensichtlich eine transnationale Partnersuche ausgelöst.

3 4

5

Art. 85 und 86, Art. 3 Buchst. I) des EWG-Vertrages sowie diverse Gruppenfreistellungs-Verordnungen. EG-Fusionskontroii-Verordnung. Zitiert nach Peter/Zilles, Europa 1992 - Handelt der Handel? in Gruber!Titze, Der Handel für die Märkte von morgen, (Frankfurt am Main) 1990, S. 293

192

Man sucht nach zündenden Hersteller- und Handelsmarken, die tunliehst europa- und weltweit zugkräftig sein sollen. Wir erkennen Trends zu Qualitätsmarken mit eigenen oder franchisierten Vertriebssystemen. Den breiten Sortimentern stehen Handelsspezialisten mit hoher Markenidentität gegenüber. Europaweit konzipierte Marketing-Konzepte werden bei allen gegebenen Marketing-Schwierigkeiten zunehmen, auch die, die auf Kooperation zwischen Handelsorganisationen beruhen. Das gesamte Mittelfeld ist mit anderen Worten heftig umkämpft. Wenn ich es recht sehe: Es wimmelt nur so von unterschiedlichsten Unternehmenstypen und -Strukturen und Strategien. Was wollen die Apostel der Marktwirtschaft mehr - möchte man meinen! 3.

Da der Warenkorb des Verbrauchers im Lebensmittelbereich eine begrenzte Kapazität hat, wird sein Interesse an wettbewerbliehen Alternativen dann berührt, wenn eine immer größer werdende Anzahl von Produkten aus der Hand von wenigen Produzenten stammt, aber auch dann, wenn sie nur noch wenige Handelsunternehmen, also solche mit hohen Marktanteilen, durchläuft. Seine Lage verschlimmert sich noch, wenn es zu Gebietsabgrenzungen im Gemeinsamen Markt kommt, wobei man gar nicht an Absprachen zu denken braucht. Dem Wettbewerbspuristen ist nicht wohl, wenn sich die Marktstrukturen auf verschiedenen Wirtschaftstufen verengen, wenn sich bipolar enge Oligopole herausbilden. Dann leiden sowohl die Außenseiter, die Kleinen auf vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen und, last not least, die Endverbraucher. Das Wettbewerbsklima kann dann plötzlich umschlagen. Wo gestern noch Wettbewerb herrschte, kann angesichts solcher Entwicklungen Stillstand eintreten oder kann es zu mißbräuchlichen Verdrängungen und unfairen Ausbeutungen kommen.

13 ifo·Kolloquium

193

4.

An der bisherigen Praxis der Kommission ist abzulesen 6 , daß sie auf die sich vollziehenden Veränderungen mit Einzelfall-bezogener Entscheidungspraxis reagiert und sich am Maßstab der Störintensität für wirksamen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder wesentlichen Teilen desselben orientiert. Das gilt für die Prüfung von Kartellen ebenso wie für die von Unternehmenszusammenschlüssen. Am interessantesten sind im heranwachsenden einheitlichen Binnenmarkt die Gemeinschaftsunternehmen mit konzentrativem oder kooperativem Gehalt. Man kann absehen, daß es im food-Sektor zu weiteren Gemeinschaftsunternehmen kommt, an denen Unternehmen aus mehreren Mitgliedstaaten, darunter marktstarke Handelsunternehmen und Einkaufsgruppierungen, beteiligt sind.

5.

Wenn ich es richtig einschätze, sind folgende Freiräume bzw. wettbewerbsrechtlichen Gefahrenzonen zu erkennen. Der Expansion, selbst großer Handelsunternehmen in die strukturschwächeren Länder der Gemeinschaft, wie Griechenland, Portugal und Irland, dürften sich kaum Hemmnisse entgegenstellen. Dabei handelt es sich zum Teil um Neuinvestitionen verbunden mit einem know how-Transfer. Eine solche Lage war bisher auch noch für Länder wie Italien und Spanien anzunehmen. Die großen Einzelhandelsorganisationen und -ketten müssen bei ihren Planspielen vor Kooperationen, Akquisitionen oder Fusionen künftig mit strengen Prüfungen der Auswirkungenn solcher Vorhaben auf den Wettbewerb rechnen.

6.

Die Kommission hat bereits eine Reihe von Anhaltspunkten für die Abgrenzung der relevanten Produktmärkte gegeben, die ihre Beurteilung des Vorgangs bestimmen. 7 Danach kommt es mehr auf die Dienstleistung des Vertriebs einer umfassenden Produktreihe als auf die einzelnen Produkte an. Aber nicht nur die Alternativen, die sich Endverbrauchern bieten, bestimmen einen Markt, sondern auch die der Lieferanten.

6

7

Vgl. den 20. Bericht der Kommission zur Wettbewerbspolitik und insbesondere den demnächst erscheinenden 21. Bericht, der zusammenfassend darstellen wird, wie sich mehr und mehr Abgrenzungskriterien für zulässige und unzulässige Kooperationen und Zusammenschlüsse herausschälen. Vgl. die Fälle: Otto/Grattan; La Redoute/Empire; Eridania/ISI

194

So können denn mehrere Märkte für die Prüfung der möglicherweise übermäßigen Wettbewerbsreduzierung maßgebend sein. Von großer Bedeutung ist die geographische Marktabgrenzung. Daß es nicht immer mindestens der gesamte Gemeinsame Markt ist, der zugrunde zu legen ist, ist bekannt. Entscheidend für die Annahme, ob verschiedene, untereinander abgrenzbare Märkte anzunehmen sind, ist, ob nachhaltig unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen bestehen. Charakteristische Strukturunterschiede mögen in Marktzutrittsschranken, langfristig hohen Preisunterschieden, erheblich unterschiedlichen Marktanteilen sowie wechelseitig fehlender Präsenz in den Nachbarmärkten zu erblicken sein. Umgekehrt sprechen natürlich eine Reihe von Umständen auch für die Annahme einer größeren Wettbewerbsregion: so das Fehlen von Marktzutrittsschranken oder von Preisunterschieden, die Präsenz der hauptsächlichsten Anbieter, großes zwischenstaatliches Handelsaustauschvolumen, geringe Transportkosten, keine "buy abroad" Zurückhaltung, die Gleichartigkeit von Vertriebssystemen, die Homogenität des Produktes.8 7 .

Bei der eigentlichen Vereinbarkeilsprüfung mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft geht es darum, ob sich die Unternehmen außerhalb des wettbewerbliehen Steuerungsprozesses begeben wollen, m. a. W., ob sie derart beherrschend geworden sind, daß sie ohne Rücksicht auf Wettbewerber am Markt operieren können. Marktanteile und deren wahrscheinliche Entwicklungen determinieren natürgemäß in erster Linie die kritischen Bereiche, und zwar im horizontalen wie vertikalen Kontext, wieweit ein konglomeraler Verbund auch reichen mag. Wichtig ist also, daß die verbleibenden Wettbewerber auf den Produktmärkten und den ihnen zuzuordnenden regionalen Märkten stark genug bleiben, um im Wettbewerb bestehen und zur Wohlstandsmaximierung beitragen zu können. Hohe Marktanteile sind aber nicht unumstößlich festgeschrieben. Die Außenseiter mögen hinreichend stark sein und dynamische Einflüsse versprechen. Die Struktur der Nachfrage mag ebenfalls in gewissem

8 13'

Vgl. u.a. Otto/Grattan; La Redoute/Empire; Sanofi/Sterling Drug; Eridania/ISI.

195

Umfang dämpfend und korrigierend wirken. Mehr noch können aber naheliegende Möglichkeiten des Marktzutritts von new comers und bevorstehenden Innovationsimpulsen das Wettbewerbsverhalten von Unternehmen verändern, die aus Zusammenschlüssen hervorgegangen sind und hohe Marktanteile besetzen. 8.

Künftig wird man sicher mehr Aufmerksamkeit den Einflüssen von Minderheitsbeteiligungen eines der Kooperations- oder Fusionsbeteiligten bei Dritten und von Kartell- und Kooperationsbeziehungen zu Dritten zu geben haben. Überhaupt gebietet eine Beurteilung nach dynamischen Marktentwicklungsmaßstäben, die potentiellen Wettbewerbsimpulse marktweit genau zu analysieren und zu gewichten. Sie mögen aus anderweit verfügbaren überschüssigen Kapazitäten herrühren. Es mag eine Produktionsumstellung Dritter nicht abwegig sein und schließlich mag ein Abnehmer über hinreichende Kenntnisse verfügen, um selbst in die Herstellung des fraglichen Produktes einzusteigen.

9.

Im Lebensmittelsektor wird der Kampf zwischen den Handelsformen weitergehen und mit der Binnenmarkt-Expansion neue Formen annehmen. Wir müssen aufpassen, daß die Großformen des Handels und vertikal integrierte Konzerne nicht die Oberhand gewinnen und daß sie die Hersteller und Lieferanten nicht ihrerseits in ein Fusions- und Kooperationskarussel versetzen und, schließlich, daß der Mittelstand in Europa nicht auf der Strecke bleibt.

10.

Ich vergaß übrigens nicht - weil inzwischen selbstverständlich - hier besonders herauszustellen, daß Genossenschaften eine wichtige und notwendige Einrichtung im Wettbewerb sind. Deshalb wollen wir auch eine Euro-Genossenschaftsform schaffen. Genossenschaften sind gerade dann, wenn ein Fusions- und Kooperationskarussel in Gang gesetzt wird, wichtig, um Klein- und Mittelunternehmen das Überleben zu sichern. Sie sind in diesem Feld keine Kartelle. Genossenschaften und genossenschaftsähnliche Formen sind aber im übrigen mit anderen Unternehmensverbindungen im Antitrustrecht gleich zu behandeln, sobald sie sich von ihrer "Basis gelöst" haben und wie andere Wettbewerber auftreten. Bezugs- und Absatzverpflichtungen sind nur im "unteren Bereich" tolerierbar, im übrigen aber den Kartellen und Vertikal-

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bindungen gleichzustellen. Das sind naturgemäß nur Faustregeln. Es kommt auf den Einzelfall an. Lassen Sie mich mit der Bemerkung schließen, daß es Kartelljuristen grad so schwer haben, einen Zusammenschluß oder eine Kooperation gesamtwirtschaftlich zu beurteilen, wie die Beteiligten es schwer haben, solche Operationen vorzubereiten und zustandezubringen.

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