Entsagte Herrschaft: Mediale Inszenierungen fürstlicher Abdankungen im Europa der Frühneuzeit [1 ed.] 9783412515652, 9783412515638


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German Pages [225] Year 2019

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Entsagte Herrschaft: Mediale Inszenierungen fürstlicher Abdankungen im Europa der Frühneuzeit [1 ed.]
 9783412515652, 9783412515638

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Susan Richter (Hg.)

Entsagte Herrschaft Mediale Inszenierungen fürstlicher Abdankungen im Europa der Frühneuzeit

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, 50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Cover: Allegorie auf die Abdankung von Kaiser Karl V. in Brüssel, Gemälde von Frans Francken (II.), 1630–1640, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-112; Bildbearbeitung: Gregor Stiebert Korrektorat: Dore Wilken, Freiburg Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz und Layout: Bettina Waringer, Wien

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51565-2





Inhalt

7 Danksagung 9 Susan Richter / Michael Roth / Gregor Stiebert Einleitung 20

Susan Richter Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern Die bildliche Inszenierung der Postreise des jungen Erzherzogs Ferdinand 1555 nach Brüssel

50

Gregor Stiebert Bilder ohne Macht? Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V. (1500–1558) als Geschichtsbilder

79

Michael Roth Machtabgabe aus politischem Kalkül Großherzog Cosimo I. de’ Medici (1519–1574) und sein vorgetäuschter Amtsverzicht

139

Oliver Plate Iddio non vuole, ch’io viva, e muoia Duca di Modona Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este von Modena und Reggio (1591–1644)

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Susan Richter Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der Herrschaft durch Absetzung Die Faits mémorables des empereurs de la Chine (1788)

217

Personen- und Ortsregister

221 Sachregister

Danksagung Dieser Band ist in einem gemeinsamen Forschungs-, Denk- und Gestaltungsprozess am Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit der Universität Heidelberg entstanden. In diesem Rahmen möchte ich zunächst herzlich Maike Wendland danken, die wie immer mit großer Umsicht das Stylesheet und die typografischen Korrekturen der Aufsätze übernommen hat. Erika Lokotsch und Nicolas Schmitt zeichnen für den Index sowie das Lektorat verantwortlich. Oliver Plate hat dafür gesorgt, dass die Digitalisate und Druckgenehmigungen aller Abbildungen des Bandes von verschiedenen internationalen Sammlungen und Museen bereitgestellt wurden. Für die Gewährung der Bildrechte ist daher folgenden Bildgebern zu danken: Bibliothèque nationale de France Paris, Galleria Estense Modena, Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Kapuzinerkloster Meran, Kunsthistorisches Museum Wien, Museo del Prado Madrid, Palazzo Vecchio Florenz, Rijksmuseum Amsterdam, Scala Archives, Städelmuseum Frankfurt, Universitaire Bibliotheken Leiden, Universitätsbibliothek Heidelberg, University Virginia Library, Villa La Petraia Florenz. Das Coverbild ist ein Ergebnis gemeinsamer Überlegungen aller Autoren darüber, wie sich Abdankung für eine breite Leserschaft bildlich darstellen lässt. Für die endgültige grafische Umsetzung und Bildbearbeitung möchte ich Gregor Stiebert danken. Großartig wie immer war die reibungslose, fachlich perfekte und freundliche Zusammenarbeit mit dem Verlag, insbesondere mit Dr. Victor Wang, Julia Roßberg und Stefanie Kovacic. Damit ist ein Buch über ein Thema entstanden, das mich über viele Jahre in Heidelberg begleitet hat. Susan Richter

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Einleitung Susan Richter / Michael Roth / Gregor Stiebert Deshalb hielt Juliana so lange durch. Hollands Königin, die es nicht leicht im Leben hatte, tritt an ihrem 71.  Geburtstag zurück1, titelte 1980 die Neue Revue. Die Abdankung der niederländischen Königin (im Amt von 1948–1980)2 zugunsten ihrer Tochter Beatrix beschäftigte die gesamte europäische Yellow Press im Vorfeld hinsichtlich ihrer Gründe und Auswirkungen auf ihren Rang, Titel und die Gestaltung ihres anschließenden Lebens, des Ablaufs des Abdankungsaktes und der Bilder seiner Inszenierung. Dies wiederholte sich beim Rücktritt von Beatrix im Jahr 2013, als diese zugunsten ihres Sohnes Willem Alexander die Krone niederlegte. Die Zeitschriften boten ihrem Lesepublikum zweimal sehr ähnliche Fotos des großen Amtsabschiedes mit winkenden Königinnen in einer volksfestartigen Atmosphäre mit Luftballons und blumenschwenkender Menge. Sie sprachen von fortschrittlichen Entscheidungen für die jüngeren Königsgeneration und spekulierten, ob und wann es in Großbritannien mit Elisabeth II. soweit sein könnte. Im Jahr 2016 diskutierten japanische Medien nach einer Fernsehansprache Kaiser Akihitos, der öffentlich von nachlassenden Kräften aufgrund seines hohen Alters sprach, ob die Abdankung eines Tenno sinnvoll und möglich wäre. Zu diesem Zeitpunkt war sie durch die japanische Verfassung noch nicht vorgesehen. In die Diskussion schalteten sich Traditionalisten ein, die durch eine eventuelle Abdankung des Kaisers die vollständige Änderung des Thronfolge­gesetzes auch zugunsten von Frauen befürchteten. Die breite Öffentlichkeit zeigte hingegen Verständnis für den kaiserlichen Rücktritt, auch wenn er ein Novum darstelle.3 Zwei Jahre später ist die Debatte beendet, ein Sondergesetz ad personam erlassen und der Abdankungstermin auf den 30. April 2019 festgelegt. Auch diese Nachricht illustrierte 1

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Volland, H.: Deshalb hielt Juliana so lange durch. Hollands Königin, die es nicht leicht im Leben hatte, tritt an ihrem 71. Geburtstag zurück, in: Neue Revue (1980), S. 24–25, hier S. 24. Tamse, Coen A.: Die niederländische Monarchie 1813–1993, in: Freiheitsstreben, Demokratie, Emanzipation. Aufsätze zur politischen Kultur in Deutschland und den Niederlanden, hrsg. v. Horst Lademacher u. Walter Mühlhausen (Niederlande-Studien, Bd. 5), Münster 1993, S. 107–139. Ebenso Art. „Juliana. Königin der Niederlande von 1948–1980“, in: Munzinger Online/Personen – Internationales Biographisches Archiv, unter: http://www. munzinger.de/document/00000000733 (10.09.2018). Japanischer Monarch: Kaiser Akihito deutet Abdankung an, in: FAZ (08.08.2016), unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/japanischer-monarch-kaiser-akihito-deutet-abdankungan-14377403.html (14.09.2018). Einleitung  9

die Gala mit dem Foto des winkenden Akihito.4 Diese zeitgeschichtlichen Beispiele, die sich noch um weitere Amtsverzichte wie beispielsweise dem des 2013 emeritierten Papstes Benedikt XVI. oder des 2014 abgedankten spanischen Königs Juan Carlos I. ergänzen ließen, zeigen, dass der royale Rücktritt medial, in seriösen Medien wie in der Yellow Press als Abschied verstanden und entsprechend immer gleich mit dem winkenden Monarchen oder der winkenden Königin bebildert (und dies, obwohl das Winken bei jedem offiziellen Termin Grundlage des öffentlichen Auftritts ist) wird.5 Die freiwillige Abdankung von Monarchen in Pressemedien als fortschrittlichen Akt zu betrachten, mag der Tatsache geschuldet sein, dass der Politikerwechsel in den demokratischen Systemen des 20. und 21. Jahrhunderts in Westeuropa ein üblicher ist ebenso wie ihre Pensionierung und damit der Anspruch auf ein Privatleben nach getaner Pflicht.6 Als Oberhaupt eines europäischen Staates bzw. einer konstitutionellen Monarchie bis ins hohe Alter die Krone zu tragen, steht stattdessen unter nicht unkritischer Beobachtung der Medien und scheint aus der Zeit gefallen zu sein. In Zeiten steigender Lebenserwartungen in Europa, einer zunehmenden Überalterung der Gesellschaft und damit verbundener erhöhter Sichtbarkeit von Pflegebedürftigkeit wird die Ausübung eines Amtes bis zum Lebensende als nicht mehr zeitgemäß empfunden – weder für den betagten Amtsinhaber, dem ein Recht auf Ruhestand zugestanden wird, noch für die Gesellschaft, die sich auf die volle Arbeitskraft des Funktionsträgers verlassen muss. Gegenwärtig wird gesellschaftlich in den Rücktritt zur richtigen Zeit so etwas wie eine Erneuerung oder ein dynamisches Prinzip in die Institution Monarchie hinein interpretiert, der ihr in ihrem historischen Grund­ gedanken so nicht zu eigen war. Ganz anders stellt sich dagegen die Rezeption von Abdankungen in der Vormoderne dar. Das Verständnis von der Aufgabe der Macht war in der europäischen Frühen Neuzeit vielmehr von der Perpetuierung eines Pflichtgedankens und einer Würde von Generation zu Generation, die gnadenvoll von Gott auf Lebenszeit übertragen worden war, geprägt. Nicht der Mensch durfte diese Gnade aufkündigen, sondern allein Gott durch die Abberufung durch Tod. Daran war ein Herrschaftsverständnis geknüpft, das den Monarchen als Menschen in seiner gebrechlichen Körperlichkeit 4

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Kaiser Akihito: So feierlich wird seine Abdankung, in: Gala (10.04.2018), unter: https://www. gala.de/royals/allgemein/kaiser-akihito--so-feierlich-wird-seine-abdankung-21610744.html (14.09.2018). Das Winken als dem zentralen Moment bei den jüngsten royalen Abdankungen thematisiert auch Schieder, Martin: „Ay, no; no, ay; for I must nothing be.“ Die Abdankung des Monarchen – eine Leerstelle in der Herrscherikonographie, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. Susan Richter u. Dirk Dirbach, Köln/ Weimar/Wien 2010, S. 291–304, hier S. 301 f. Die neue Revue spricht vom Abschied Julianas mit großer Dankbarkeit und Stolz. Volland, Deshalb hielt Juliana so lange durch, S. 25.

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zwang, auch bei Krankheit und im Alter dieser Pflicht nachzukommen und die göttliche Bürde des Amtes zu tragen. Umso spektakulärer wurden von Zeitgenossen einzelne Bestrebungen von Kaisern, Königen und Fürsten in den Blick genommen, die nach theologischen und rechtlichen Legitimationen suchten, als Monarchen zu Lebzeiten abzudanken und sich somit ihrer göttlichen Pflicht zu entledigen. Dies zeigt die stetige zeitgenössische Kritik an Abdankungen, wie etwa diejenige, die im Kontext einer historischen Einordnung Königin Christinas von Schweden (1626–1689) in Anlehnung an die Mélanges de Littérature, d’histoire & de Philosophie d’Alemberts 1754 im Hamburgischen Magazin erschien: […] ich würde gern darein willigen, daß man die Prinzen lobete, welche die Regierung niedergelegt haben, wenn sie es darum gethan hätten, wie sie sich selbst haben Gerechtigkeit wiederfahren lassen, und ihr Unvermögen zu regieren einsahen. Aber die meisten haben nicht einmal den Vortheil, daß sie diese löbliche That aus einem lobenswürdigen Grunde gethan haben. Die Liebe zur Muße, die Begierde, niedrige und schlechtere Neigungen in Ruhe zu befriedigen, sind fast allezeit die Triebfedern dieser Handlung.7 Auch Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Pflicht des Monarchen über die persönlichen Belange gehoben und den abdankenden Fürsten nicht selten Selbstsucht vorgeworfen. Daran änderte auch der Wandel in den Herrschaftsauffassungen, etwa als erstem Diener des Staates und die Etablierung des Amtsgedankens im Zuge der Aufklärung, nichts. Das weitere Wirken des abgedankten Monarchen – sei es zurückgezogen in der Vita contemplativa wie bei Karl V. (1500–1558), als Feldherr im Krieg wie Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach (1573–1638) oder eben als Mittelpunkt der römischen Gesellschaft (wie ­Christina von Schweden) – spielte in der Bewertung des Aktes eine wichtige Rolle.8 In der medialen Verarbeitung waren Abdankungen damit stets mit bestimmten Wertungen verbunden. Wertungsfreier hingegen diskutiert die zeitgenössische Rechtsliteratur die Aufgabe eines (fürstlichen) Amtes: In seiner Dissertation De abdicatione ab officio definiert Johann Ernst Zapf die Abdankung 1686 folgendermaßen: Abdicatio ab officio nihil aliud erit, quam actus, quo quis munus seu ius, alioquin intuitu muneris competens, vel voluntario vel coacte, seu sine vel ex causa, consentiente iubente vel etiam sciente illo, penes quem conferendi potestas est, legitime deponit.9 Er betont also die Amtsnieder­ 7 8

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Teilweise Übersetzung der Mélanges de Littérature, d’histoire & de Philosophie von d’Alemberts in Hamburgisches Magazin 13/4 (1754), S. 340–398, hier S. 369. Roth, Michael: Die Abdankung Markgraf Georg Friedrichs von Baden-Durlach. Ein Fürst im Unruhestand, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. Susan Richter u. Dirk Dirbach, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 191–212; Biermann, Veronika: Von der Kunst abzudanken. Die Repräsentationsstrategien Königin Christinas von Schweden, Köln/Weimar/Wien 2012. Zapf, Johann Ernst: De abdicatione ab officio, Altdorf 1686, S. 7. Die Abdankung von einem Amt ist nichts anderes als jener Vorgang, wodurch jemand ein Amt oder Recht, oder überhaupt Einleitung  11

legung gegenüber der Rechtsperson, die den abdankenden Amtsinhaber ursprünglich eingesetzt hatte. Nach Zapf ist daher auch eine Absetzung darunter zu subsumieren. Der Rechtshistoriker Hans Hattenhauer schließt sich dieser breiten Definition an, die sich auch für die Analyse von fürstlichen Amtsverzichten eigne.10 Trotz aller definitorischen Schwierigkeiten bleibt aber dennoch festzuhalten, dass der Akt an sich erklärungsbedürftig und durch den Abdankenden zu begründen ist: Ein Verzicht kann gegenüber Rechten erfolgen, einer Pflicht kann sich der Mensch nur sträflich entziehen. Rechte und Pflichten zur Herrschaft können dem Träger jedoch von jemand anderem entzogen werden: von der Rechtsperson, die sie ihm verliehen hat. Das meint Gott allein und/oder menschliche Rechtspersonen bzw. eine Rechtsinstitution wie eine Verfassung11, welche diese Befugnis für sich beanspruchen (etwa ein Parlament). Dabei wurde in der Frühen Neuzeit von der Prämisse ausgegangen, dass jede Abdankung eines Monarchen wie sein Amtsantritt auch einen Rechtsakt (actus resignationis) darstellte, der jedoch auf der freiwilligen Entscheidung zum Machtverzicht (=Abdankung) oder dem politisch erzwungenen Rückzug des Monarchen (=erzwungene Abdankung oder Absetzung, nicht selten auch durch Anwendung von körperlicher Gewalt) beruhte.12 Für diesen Rechtsakt gab es keine Regeln. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen hat Susan Richter 2008 auf der von ihr veranstalteten Heidelberger Tagung „Herrschen muss man wollen oder dürfen.“ Möglichkeiten und Grenzen von Herrschaft – Die Abdankung von Monarchen vom Mittelalter bis zur Gegenwart die These aufgestellt, dass frühneuzeitliche Abdankungsakte sehr oft ein Konstrukt darstellen, das aus der Umkehrung von verschiedenen Elementen des Zeremoniells zum Regierungsantritt besteht (wie etwa der Wahl, Krönung oder Huldigung) sowie aus Bestandteilen der Handlungen, die üblicherweise nach dem Tode eines Herrschers vollzogen wurden und den Übergang an den Nachfolger einhinsichtlich irgend eines Amtes, zuständig, freiwillig oder gezwungen, mit oder ohne Begründung, einverständlich oder befohlen, wissentlich gegenüber jenem niederlegt, der die Rechtsmacht hatte, es ihm zu übertragen. 10 Hattenhauer, Hans: Die Abdankung von Monarchen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Eine begriffsgeschichtliche Einleitung, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien bis in die Neuzeit, hrsg. v. Susan Richter u. Dirk Dirbach, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 22–29. S. 24 f. 11 Vgl. Verfassung der Niederlande, unter: http://www.verfassungen.eu/nl/ (10.09.2018), Art. 24–39. 12 Nur wenn dem Herrscher ein eigener Handlungsspielraum verblieb, kann gedankenlogisch überhaupt von Abdankung die Rede sein. Ein solcher Handlungsspielraum setzt nicht notwendig die Abwesenheit von äußerem Zwang voraus. Zur Differenzierung der Begrifflichkeiten vgl. Richter, Susan/Dirbach, Dirk: Einleitung, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. dens., Köln/Weimar/Wien 2010, S. 9–21.

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leiteten.13 Diese These ist nach wie vor gültig. Ein Zeremoniell bildet visuell grundsätzlich Recht ab, sehr oft einen Konsens verschiedener Rechtsvorstellungen. Bevor es aber zu dem Zeremoniell kommen konnte, war eine intensive Auseinandersetzung um unterschiedliche Rechtsvorstellungen zur Abdankung eines Monarchen zu führen. Dabei ging es um das Ob und um das Wie. Die Frage des Ob impliziert die Frage der Legitimation einer Abdankung, das Wie den Vorgang. Beide Fragen erforderten im Vorfeld bzw. während einer Abdankung Kommunikationsstrategien und Kommunikationsakte. Gerade im Hinblick auf die Bedeutung des Zeremoniells für frühneuzeitliche Abdankungen kommt auch dessen medialer Rezeption ein großer Stellenwert zu. Im Vordergrund der nachfolgenden Beiträge einer kleinen Heidelberger Arbeitsgruppe zur Abdankungsforschung stehen daher Produzenten von Argumenten, ihre Vermittlungsstrategien und ihre gewählten Medien. Die vorliegenden Beiträge zeigen, dass einzelne Herrscher für sich bestimmte Formen der Kommunikations- und Informationsvermittlung zu ihrem Vorhaben einer Abdankung entwickelten. Jeder der bearbeiteten Fälle ist dabei einzigartig, denn die Abdankung gibt es nicht. Abdankungen sind historische Erscheinungen, die eigenen persönlichen bzw. politischen Gegebenheiten und insbesondere kulturellen und rechtlichen Eigenheiten folgen. Sie bleiben somit trotz zahlreicher Übereinstimmungen oder Anlehnungen an Vorbilder immer Einzelfälle.14 Gerade deshalb ist die fallbeispielhafte Betrachtung von fürstlichen Abdankungen lohnend: Durch die fehlende Normierung der Amtsaufgabe in der politischen Staatslehre waren amtsmüde Herrscher anders etwa als in der Amtseinsetzung sehr frei in der praktischen Ausgestaltung der Amtsübergabe und konnten situativ Kommunikationsräume schaffen, um weitergehende persönliche wie dynastiestrategische Ziele zu verfolgen. Gleichzeitig waren sie aber auch gezwungen, diesen außergewöhnlichen Schritt gegenüber den Zeitgenossen und der Nachwelt zu kommunizieren, um ihre eigenen Absichten zu legitimieren. Die hier versammelten Aufsätze verstehen sich als Fortführung der 2008 in Heidelberg angestoßenen Forschungen zu Abdankungen und möchten diese in westeuropäischer Perspektive mit dem Schwerpunkt auf der kommunikativ-visuellen Verarbeitung vorstellen. Im Kontext von frühneuzeitlichen Abdankungsintentionen und -akten entstanden erstaunlich vielfältige Kommunikations- und Visualisierungsformen, die sich mit klaren Vermittlungsstrategien an bestimmte Adressatenkreise 13 Richter, Susan: Zeremonieller Schlusspunkt. Die Abdankung als Herrschertod, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. ders. u. Dirk Dirbach, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 75–94. Vgl. auch Bauer, Markus: „Das große Nein – Zum Zeremoniell der Resignation“, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Jörg Jochen Berns u. Thomas Rahn (Frühe Neuzeit, Bd. 25.), Tübingen 1995, S. 98–124. 14 Dazu Hattenhauer, Abdankung, S. 24 f. Einleitung  13

– Zeitgenossen und Nachwelt – richteten und vor allem durch die bildliche Inszenierung dominiert wurden. Diesen medialen Inszenierungen möchte der vorliegende Band nachspüren. Die Frage, auf welche Weise ein Monarch seiner Macht entsagen kann, behandelt auch das Titelbild des Bandes, das in allegorischer Form die Abdankungen Kaiser Karls V. – die meistrezipierte Herrschaftsentsagung der Frühen Neuzeit – darstellt und variiert. Frans Francken (II.) stellt hier den abdankenden Kaiser dar, der durch eine Zeigegeste seinen Herrschaftsbereich zwischen seinem Bruder und seinem Sohn aufteilt und so die Macht abgibt.15 Den Prozess des Entschwindens von der politischen Bühne greift das abgewandelte Titelbild auf: Der Monarch verblasst als politischer Akteur – zurück bleibt in der Bildaussage ein (fast) leerer Thron. Der Kunsttheoretiker Jean-Baptiste Dubos (1670–1742) ging in seinen Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture aus dem Jahr 1719 davon aus, dass der menschliche Zugang zu Bildern leichter sei, aber nicht die Komplexität der Schrift erreichen könne. Die Vermittlung von Inhalten durch visuelle Kunst war aus Sicht Dubos’ – in Anlehnung an John Locke (1632–1704) – begrenzt, oberflächlich, aber erfolgversprechender als ein Text.16 Auf einem Bild konnten Gegenstände leicht in Beziehung gesetzt und so gut zur Anschauung gebracht werden, deren Verhältnis sonst nur umständlich verbal konstruiert werden musste. Ein Bild könne so schneller als ein Text eine knappe Vorstellung vom Ganzen geben. Wichtig war dabei jedoch, dass zuerst der Gegenstand der Darstellung eine erhebliche Wirkung auf den Betrachter haben müsse, um eine Reaktion beim Betrachter hervorzurufen und ihn zu überzeugen. Dies gilt insbesondere für die schwierigen, rechtlich und theologisch teilweise unklaren bzw. komplexen Sachverhalte von Abdankungen. Bilder konnten ausgewählten Betrachtergruppen das Verstehen von Abläufen erleichtern oder aber auch das Ringen von Akteursgruppen mit dieser rechtlichen bzw. theologischen Neuerung dokumentieren respektive quasi didaktisch vermitteln. Genau diesem Ansatz der medialen und kommunikativen Vermittlung und Rezeption von Abdankung möchte sich der vorliegende Sammelband aus verschiedenen Perspektiven widmen. Dazu werden Fallstudien zur Entsagung von der Herrschaft herangezogen, die Sichtweisen unterschiedlicher Akteursgruppen sowohl der Zeitgenossen als auch der Nachwelt aufzeigen. Die Aufsätze belegen damit, dass die kommunikative Vermittlung von Abdankungen weit über das reine Anzeigen der Herrschaftsniederlegung hinausging. Die ersten beiden Beiträge befassen sich dazu mit den Abdankungen Karls  V., etwa mit seiner Resignationen als Großmeister des Ordens vom Goldenen Vlies am 22. Oktober 1555 und dem Rücktritt von seiner Würde als Herzog von Burgund drei Tage später in Brüssel als den Präzedenzfällen für diese Form der Niederlegung welt15 Das Originalbild wird in Gregor Stieberts Aufsatz in diesem Band besprochen. 16 Locke, John: An Essay Concerning Human Understanding, hrsg. v. Peter H. Nidditch, Oxford 1975, S. 519. Kernbauer, Platz des Publikums, S. 103 ff.

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licher Herrschaftsrechte und Pflichten. Susan Richter bietet in diesem Kontext eine Analyse und Interpretationsansätze zu einem bisher kaum beachteten großformatigen Gemälde aus der Kunstkammer des Schlosses Ambras in Innsbruck aus der Zeit um 1560, das die Abdankung Karls V. als Kaiser unter Einsatz der Wegemetapher im Nachhinein als einen dynastischen Aushandlungsprozess der Habsburger dokumentiert. Bildmedien werden in diesem Beitrag weniger hinsichtlich ihres künstlerischen Eigenwertes betrachtet, sondern als memoriale Deutung der Familie verstanden, den Kaiser vom anvisierten Schritt der Abdankung zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgreich abgehalten und so eine politisch-konfessionelle Katastrophe im Alten Reich verhindert zu haben.17 Gregor Stiebert untersucht im Anschluss daran die mediale Verarbeitung und bildliche Inszenierung der Brüsseler Resignation Karls in Kupferstichen, Gemälden und anderen Bildträgern sowie die Rezeption dieses spektakulären Rechtsaktes in späteren Allegorien. An seiner Studie zeigt sich einmal mehr, dass der Ästhetik der Kupferstiche und Bilder eigenständige Wirkungsfelder des Politischen zugestanden werden müssen, die jedoch nur aus ihrem jeweiligen historischen Entstehungskontext heraus verstanden werden können.18 Die bildlichen Darstellungen der Abdankung Karls V. erscheinen damit als Stellvertreter verschiedener Geschichtsbilder, die sich einer unterschiedlichen Interpretation der Resignation des Kaisers bedienten. Die Abdankung wird damit aus der Perspektive der Nachwelt betrachtet und nicht aus der Sicht daran beteiligter Akteure. Das Handeln Karls V. blieb nicht lange ohne Nachfolge. 1564 übergab Herzog Cosimo I. de’ Medici (1519–1574) die Herrschaft über die Toskana an seinen Sohn Francesco (1541–1587). Michael Roth zeigt in seinem Beitrag, dass der Herzog seine Abdankung als Mittel der inneren Herrschaftsstabilisierung und äußeren Machterweiterung für die Dynastie strategisch instrumentalisierte, ohne dabei die Macht anschließend faktisch abgegeben zu haben. Cosimo inszenierte sich dabei als zurückgetretener Fürst, der seinen Zeitgenossen über Texte und Bilder seinen politischen Rückzug geschickt vorgetäuscht hatte, um im Hintergrund an der politischen Rang­ erhöhung zum Großherzog zu arbeiten. Das Fallbeispiel belegt, dass gerade die visu17 Arnold bietet einen guten Überblick über die Rolle von und den Umgang mit Bildern als Quellen in der angloamerikanischen Geschichtswissenschaft. Arnold, Dana: Sehen heißt glauben. Historiker und Bilder, in: Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, hrsg. v. Jens Jäger u. Martin Knauer, München 2009, S. 27–44, hier S. 27. 18 Jäger, Jens/Knauer, Martin (Hgg.): Bilder als historische Quellen? Ein Problemaufriss, in: Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, hrsg. v. dens., München 2009, S. 7–26, hier S. 17. Bredekamp, Horst: Bildakte als Zeugnis und Urteil, in: Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen, Bd.  1, hrsg. v. Monica Flacke, Mainz 2004. Einleitung  15

elle Kommunikation von Abdankungen – etwa auch durch das Zeremoniell – einen integralen Anteil an der Durchsetzung politischer Ziele hatte. Großherzog Cosimos I. jüngste Tochter Virginia de’ Medici (1568–1615) wurde lange nach dem Tod ihres Vaters mit Cesare d’Este (1562–1628) verheiratet, dem zukünftigen Herzog von Modena und Reggio. Auch deren gemeinsamer Sohn Alfonso III. (1591–1644) entschied sich im Juli 1629 nur wenige Monate nach seinem Herrschaftsantritt zur Abdankung. Während sein erstgeborener Sohn Francesco  I. (1610–1658) die Regierung im norditalienischen Herzogtum antrat, begab sich Alfonso nach Südtirol, wo er im September in Meran in den Kapuzinerorden eintrat. Oliver Plate widmet sich in der vorliegenden Fallstudie Motiven, Ablauf und Folgen dieses Abdankungsprozesses und seiner Rezeption in Biographien und Gemälden. Er zeigt dabei auf, dass die Abdankung zum einen aus persönlichen Gründen erfolgte und zum anderen als wesentliche Voraussetzung des späteren Ordenseintritts interpretiert werden muss. Im letzten Beitrag geht Susan Richter der Frage nach, wie es im Jahr 1788 gelingen konnte, einen chinesischen Fürstenspiegel und damit chinesische Herrschaftsethik für ein europäisches, insbesondere ein französisches Hofpublikum und die königliche Familie durch bildliche Übersetzung attraktiv zu machen. Es wird dabei von der These der Bedeutung des Spiegels als Metapher von Niklas Luhmann ausgegangen, die vor allem in der Konfrontation des Menschen mit seiner sozialen Stellung lag. Der Beitrag widmet sich der kommunikativ-belehrenden Rolle der Fürstenspiegelliteratur am Vorabend der Französischen Revolution, einem Herrscher seinesgleichen als positives oder negatives Exempel vor Augen zu halten und anhand des chinesischen Vorbildes die Konsequenzen schlechter Herrschaft, die Absetzung, als Warnung aufzuzeigen. Das Forschungsfeld zu Abdankungen hat sich in den letzten Jahren zumindest in Deutschland von der Geschichtswissenschaft weg hin zur Kunstgeschichte ent­wickelt. Immer stärker stehen damit Medien und Inszenierungen, die medial fixiert wurden, im Fokus der Kolleginnen aus der benachbarten Disziplin. Die Kunsthistorikerin Veronika Biermann19 vertritt in ihrer 2012 erschienenen Habilitationsschrift Von der Kunst abzudanken: die Repräsentationsstrategien Königin Christinas von Schweden die These von der Abdankung als Selbstbestimmung ihrer Person als kinderloser und unverheirateter Königin und dynastisch kluger Etablierung ihres Nachfolgers. Sie widmet sich dabei vor allem den Repräsentationsformen Christinas als Königin und als Person nach ihrer Abdankung, der noch immer daran lag, ihre göttlich verliehene Würde auch nach ihrem Rücktritt zu inszenieren. Ariane Koller20 hat 2018 19 Biermann, Veronika: Von der Kunst abzudanken. Die Repräsentationsstrategie Königin Christi­nas von Schweden, Wien/Köln/Weimar 2012. 20 Koller, Ariane: Die letzte Feier der Monarchia Universalis. Abdankung, Tod und Begräbnis Kaiser Karls  V., in: Tomb – Memory – Space. Concepts of Representation in Premodern

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einen Beitrag zur Inszenierung des körperlichen Todes des abgedankten Karl V. unter Berücksichtigung der zuvor in Kauf genommenen Tode (im Sinne der mors civilis) als Herrscher geleistet. In ihrem Fokus steht somit auch eine kurze Beschreibung der Kupferstiche zur Brüsseler Abdankung von Franz Hogenberg (1535–1590), die vor allem auf die textilgeschichtliche Bedeutung des Ereignisses hin interpretiert werden. Auch jenseits der Kunstgeschichte finden sich neue historische Beiträge zur Abdankungsforschung. Der französische Historiker Jacques Le Brun21 versucht das Phänomen in einem breiten frühneuzeitlichen Rahmen zu fassen, indem er anhand von Fallbeispielen historischer und literarisch-fiktiver abgedankter Monarchen nach den Gründen für den selbstgewählten Machtverlust fragt. Seine Beschreibung fußt auf der Grundprämisse, dass der Christ zwar durch die Bibel zum Verzicht angeleitet wird, dies aber gerade dem Monarchen wegen der göttlichen Verleihung seines Amtes untersagt. Le Brun identifiziert bei seinen Protagonisten teils durch Psychoanalytik als Grund für diesen außergewöhnlichen Schritt eine starke Melancholie. Neue Erkenntnisse indes bietet die Studie nicht. Gleichwohl liegt sein Verdienst darin, monografisch verschiedene Resignationsbeispiele vorzustellen. In England war kürzlich eine Dokumentation über die Abdankung König Edwards VIII. am 11. Dezember 1936 der Auslöser, sich mit den schriftlich geäußerten Rücktrittsintentionen G ­ eorges III. zu beschäftigen. Arthur Burns untersucht den Abdankungsbrief des Königs, der während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges 1783 geschrieben, aber nie politisch wirksam wurde. Er ist Bestandteil des digitalisierten Georgian Papers Programme der Royal Archives in London und steht nun als kommentierte Quelle zur Verfügung.22 Melanie Seidenglanz hat in einer ausgezeichneten Studie Abdankungen als Diskursphänomen der Weimarer Zeit untersucht und sich insbesondere der metaphorischen Konzeptionalisierung von Abdankungen zugewandt. So filterte sie aus Presseberichten und Reden Metaphern von der Kapitänsflucht (von Bord des Staatsschiffs), vom letzten Vorhang im Kontext der Politik als Bühne oder aber des Falls bzw. Sturzes als Raummetaphern.23 Christian and Islamic Art, hrsg. v. Francine Giese, Anna Pawlak u. Markus Thome, Berlin/ Boston 2018, S. 307–344. 21 Le Brun, Jacques: Le pouvoir d’abdiquer. Essai sur la déchéance volontaire, Paris 2009. Außerdem befindet sich in der französischen Forschung ein weiterer Band, der einen Überblick über Abdankungen seit der Antike bieten möchte, in der Drucklegung: Burkardt, Albrecht (Hg.): Destitutions et abdications en Occident, de l’antiquité à nos jours, Actes élargis de la Journée d’études du Centre de recherches interdisciplinaires en Histoire. Histoire de l’art et Musicologie (CRIHAM), Rennes 2019. 22 George  III’s Draft Abdication Letter Released, in: BBC UK (28.01.2017), unter https:// www.bbc.com/news/uk-38771875 (14.09.2018). 23 Seidenglanz, Melanie: Die Abdankungserklärung – eine Textsorte der Zäsur und Diskurselement, in: Demokratiegeschichte als Zäsurgeschichte: Diskurse der frühen Weimarer Republik, hrsg. v. Heidrun Kämper, Peter Haslinger u. Thomas Raithel, Berlin 2014, S. 153–187. Einleitung  17

Gerade in einer Zeit in der, wie eingangs erwähnt, scheinbar zunehmend monarchische Rücktritte zu beobachten sind, herrscht also seitens der Forschung ein reges Interesse am historischen Phänomen der fürstlichen Abdankungen. Die wahrgenommene Bedeutung des Ereignisses in den Augen der Zeitgenossen – seien es politische Beobachter der Frühen Neuzeit oder heutige Boulevardblattleser – scheint dabei jedoch noch nicht hinreichend mit der rechtlichen Außergewöhnlichkeit von Abdankungen in Verbindung gebracht worden zu sein. Die folgenden Heidelberger Beiträge möchten einen Anteil leisten, diese Lücke zu schließen und mit ihren Untersuchungen zur medialen Rezeption von Resignationen eine Brücke zwischen realhistorischer Bedeutung der Herrschaftsrücktritte und deren Wahrnehmung unter Zeitgenossen schaffen. Damit werden Abdankungen auf ihre Bedeutung jenseits der juristischen und politischen Perspektive hin untersucht und die Akteursperspektive weg vom abdankenden Monarchen hin zu dessen zeitgenössischen Beobachtern in der Dynastie oder aber auf Beobachter der Nachwelt verlagert.

Bibliografie Arnold, Dana: Sehen heißt glauben. Historiker und Bilder, in: Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, hrsg. v. Jens Jäger u. Martin Knauer, München 2009, S. 27–44. Art. „Juliana. Königin der Niederlande von 1948–1980“, in: Munzinger Online/Personen – Internationales Biographisches Archiv, unter: http://www.munzinger.de/document/00000000733 (10.09.2018). Bauer, Markus: „Das große Nein – Zum Zeremoniell der Resignation“, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Jörg Jochen Berns u. Thomas Rahn (Frühe Neuzeit, Bd. 25.), Tübingen 1995, S. 98–124. Biermann, Veronika: Von der Kunst abzudanken. Die Repräsentationsstrategie Königin Christinas von Schweden, Wien/Köln/Weimar 2012. Bredekamp, Horst: Bildakte als Zeugnis und Urteil, in: Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen, Bd. 1, hrsg. v. Monica Flacke, Mainz 2004. Burkardt, Albrecht (Hg.): Destitutions et abdications en Occident, de l’antiquité à nos jours, Actes élargis de la Journée d’études du Centre de recherches interdisciplinaires en Histoire. Histoire de l’art et Musicologie (CRIHAM), Rennes 2019. George III’s Draft Abdication Letter Released, in: BBC UK (28.01.2017), unter: https://www. bbc.com/news/uk-38771875 (14.09.2018). Hamburgisches Magazin 13/4 (1754). Hattenhauer, Hans: Die Abdankung von Monarchen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Eine begriffsgeschichtliche Einleitung, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien bis in die Neuzeit, hrsg. v. Susan Richter u. Dirk Dirbach, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 22–29.

18  Susan Richter / Michael Roth / Gregor Stiebert

Jäger, Jens/Knauer, Martin (Hgg.): Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, München 2009. Japanischer Monarch: Kaiser Akihito deutet Abdankung an, in: FAZ (08.08.2016), unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/japanischer-monarch-kaiser-akihito-deutet-abdankung-an-14377403.html (14.09.2018). Kaiser Akihito: So feierlich wird seine Abdankung, in: Gala (10.04.2018), unter: https://www. gala.de/royals/allgemein/kaiser-akihito--so-feierlich-wird-seine-abdankung-21610744. html (14.09.2018). Koller, Ariane: Die letzte Feier der Monarchia Universalis. Abdankung, Tod und Begräbnis Kaiser Karls V., in: Tomb – Memory – Space. Concepts of Representation in Premodern Christian and Islamic Art, hrsg. v. Francine Giese, Anna Pawlak u. Markus Thome, Berlin/Boston 2018, S. 307–344. Le Brun, Jacques: Le pouvoir d’abdiquer. Essai sur la déchéance volontaire, Paris 2009. Locke, John: An Essay Concerning Human Understanding, hrsg. v. Peter H. Nidditch, Oxford 1975. Richter, Susan/Dirbach, Dirk (Hgg.): Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2010. Seidenglanz, Melanie: Die Abdankungserklärung – eine Textsorte der Zäsur und Diskurselement, in: Demokratiegeschichte als Zäsurgeschichte: Diskurse der frühen Weimarer Republik, hrsg. v. Heidrun Kämper, Peter Haslinger u. Thomas Raithel, Berlin 2014, S. 153–187. Tamse, Coen A.: Die niederländische Monarchie 1813-1993, in: Freiheitsstreben, Demokratie, Emanzipation. Aufsätze zur politischen Kultur in Deutschland und den Niederlanden, hrsg. v. Horst Lademacher u. Walter Mühlhausen (Niederlande-Studien, Bd. 5), Münster 1993, S. 107–139. Verfassung der Niederlande, unter: http://www.verfassungen.eu/nl/verf83.htm (10.09.2018). Volland, H.: Deshalb hielt Juliana so lange durch. Hollands Königin, die es nicht leicht im Leben hatte, tritt an ihrem 71. Geburtstag zurück, in: Neue Revue (1980), S. 24–25. Zapf, Johann Ernst: De abdicatione ab officio, Altdorf 1686.

Einleitung  19

Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern Die bildliche Inszenierung der Postreise des jungen ­Erzherzogs Ferdinand 1555 nach Brüssel

Susan Richter

Einleitung Nach den Vorstellungen von Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts wurde einem Fürsten das Amt von Gottes Gnaden oder durch Wahl unter Gottes unmittelbarem Mitwirken auf Lebenszeit übertragen. Erst der Tod als eine Entscheidung Gottes entband ihn von seinen Pflichten. Das Ende der Herrschaft lag somit in Gottes Händen und hatte nicht auf Initiative des Menschen einzutreten. Ein Regierungswechsel zu Lebzeiten des Herrschers war nicht vorgesehen und somit ein ius resignandi rechtlich nirgends fixiert.1 Umso unerhörter war es, wenn ein Monarch tatsächlich freiwillig abdankte und sein Amt zu Lebzeiten – also vorzeitig – aufgab. Damit wurde die monarchische Staatsgewalt in Teilbereichen (eben hinsichtlich des Endes) der göttlichen Wirkungsmacht entzogen und zu einer menschlichen Entscheidung. Diese basierte wie bei Karl V. (1500–1558) bei seinen Abdankungen in den Spanischen Niederlanden, in Spanien und als Kaiser darauf, dass die täglichen Regierungsgeschäfte sowie die sich konfessionell-politisch zuspitzenden Situationen im Kontext der Reformation von ihm als unerträgliche Bürde empfunden wurden. Diese Bürde und sein Scheitern2, 1

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Für sehr gewinnbringende Diskussionen danke ich meinem Lebensgefährten Uwe Pirl, dem ich diesen Aufsatz widme. Wir haben das nachfolgend analysierte Bild bei einem gemeinsamen Besuch in Innsbruck entdeckt. Für Kritik aus der frühneuzeitlichen Perspektive danke ich meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Michael Roth. Zu den fehlenden rechtlichen Fixierungen von Abdankungen vgl. Frisch, Hans von: Der Thronverzicht. Ein Beitrag zur Lehre vom Verzicht im öffentlichen Recht, Tübingen 1906, S. 17 ff. Marcel Nieden verweist darauf, dass der binnenchristliche Dialog in stark instituionalisierten Formen verlief, die ein großes Ziel verfolgten: die Wiederherstellung der Concordia der Christenheit und die damit verbundene Überwindung der Differenzen zu unterschiedlichen Bedingungen. Sie scheiterten aus seiner Sicht aufgrund mangelnder Kompromissbereitschaft und starrer eigener Positionen hinsichtlich der eigenen Glaubenswahrheiten und somit eigentlich unüberbrückbarer inhaltlicher Differenzen, der Befangenheit in Wahrnehmungsund Sprachmustern der einzelnen konfessionellen Gruppierungen, aber auch formalen

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die Einheit der Christenheit wiederherzustellen, mündete in Melancholie und führte zu seinen Resignationen.3 Diese Entscheidung, von allen Herrschaftsrechten zurückzutreten, reifte in Karl V. über einen langen Zeitraum.4 Es betraf damit auch seine gesamte Familie in ihren Ämtern bzw. in ihrem politischen Wirken in Spanien, Burgund und vor allem im Heiligen Römischen Reich. Insbesondere die Verhandlungen König Ferdinands I. (1503–1564) auf dem Augsburger Reichstag im Herbst 1555 und sein Ziel, einen Vergleich zwischen den Konfessionsparteien zu schließen, schienen durch die Abdankungsintentionen Karls  V. gefährdet. Der kaiserliche Rücktritt hätte von den protestantischen Fürsten als Affront gewertet werden können und möglicherweise die Position Ferdinands  I. gegenüber den Fürsten hinsichtlich der Autorität des Reichsabschiedes und der Befugnisse des Königs geschwächt. Darüber hinaus hätte eine kaiserliche Abdankung zu diesem Zeitpunkt auch die Wahlchancen Ferdinands reduzieren können. Zudem bedurfte es zur Abdankung aus Sicht Ferdinands I. der Zustimmung der Kurfürsten im Reich, die nicht vorlag.5 Karl V. musste deshalb aus Sicht Ferdinands I. zu diesem Zeitpunkt unbedingt von einer Abdankung als Kaiser abgehalten werden. Der vorliegende Aufsatz widmet sich deshalb der Analyse eines Gemäldes, das die Intention und die Bemühungen der Familie, Karl V. umzustimmen bzw. seine Abdankung zumindest hinauszuzögern, im Nachgang etappenweise dokumentiert sowie die Haltung der Angehörigen eindrucksvoll inszeniert. Es zeigt den jüngeren Sohn König Ferdinands  I., den 26-jährigen Erzherzog Ferdinand (1529–1595), Statthalter von

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Problemen wie fehlender Vollmachten von Delegierten. Vgl. Nieden, Marcel: Warum Religionsgespräche scheitern. Anmerkungen zum innerchristlichen Diskurs des 16. Jahrhunderts, in: Fiasko. Scheitern in der Frühen Neuzeit. Beiträge zur Kulturgeschichte des Misserfolgs, hrsg. v. Stefan Brakensiek u. Claudia Claridge, Bielefeld 2015, S. 135–170, hier S. 141 ff. Grundlegende Überlegungen zum Begriff der Abdankung bietet Mayer, Mathias: Die Kunst der Abdankung. Neun Kapitel über die Macht der Ohnmacht, Würzburg 2001; Richter, Susan: Zeremonieller Schlusspunkt. Die Abdankung als Herrschertod, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. ders. u. Dirk Dirbach, Köln u.a. 2010, S. 75–94. Pfandl, Ludwig: Philipp II. Gemälde eines Lebens und einer Zeit, München 1938. Das Römische Recht sah für die Aufhebung eines Rechts den gleichen Weg vor wie für den Erwerb des Rechts: Nihil tam naturale est, quam eo genere quidque dissolvere, quo colligatum est. I. 35 D. De R. I. Karl V. sah das eher gegenteilig. Für ihn war die Abdankung eine einseitige Willenserklärung. Conrads erwähnt, dass 1555 mit der Bitte um Verzögerung des Endes des Augsburger Reichstages der kaiserliche Wille verbunden war, der gesamten Versammlung eine Erklärung seiner Abdankung vorzulegen. Conrads, Norbert: Die Abdankung Kaiser Karls V. Abschiedsvorlesung gehalten am 23. Juli 2003 in der Universität Stuttgart (Reden und Aufsätze, Bd. 65), Stuttgart 2003, S. 1. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  21

Abb. 1: Postreise Erzherzog Ferdinands II. nach Brüssel, Gemälde eines unbekannten Malers, um 1560, Kunsthistorisches Museum Wien

Böhmen und späterer Landesherr von Tirol, der von seinem Vater im Oktober des Jahres 1555 zu Kaiser Karl V. nach Brüssel entsandt worden war, auf der Reise dahin. Das großformatige Ölgemälde befindet sich im Besitz von Schloss Ambras bei Innsbruck und stammt von einem unbekannten Maler. Offensichtlich entstand das Gemälde wenige Jahre nach der Reise um 1560 und ist seit 1596 in der Bibliothek des Ambraser Schlosses nachweisbar.6 Das Bild ist bisher weder kunsthistorisch noch im Kontext der historischen Forschung zur Abdankung Karls V. als Kaiser beachtet und besprochen worden.7 Dies soll an dieser Stelle nachgeholt werden. 6

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Öl auf Leinwand, Höhe 128 cm, Breite 419 cm, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. GG 5782. Nach Richter hing das Bild im Zimmer X: Das zweyte Bild ist die Vorstellung einer Postreise des E. H. Ferdinand von Tyrol nach Brüssel. Richter, A. F.: Neueste Darstellung der k. k. Ambraser-Sammlung im Belvedere in Wien. Nach der vor kurzem getroffenen Einrichtung, und des ethnographischen Cabinets, Wien 1835, S. 107. Das Bild gliederte sich laut des Conversations-Lexikons für Bildende Künste aus dem Jahr 1845 in diesem Zimmer in zahlreiche kleine Fürstenporträts sowie Bilder von Berühmtheiten ein. Art. „Ambraser Sammlung“, in: Conversations-Lexicon für bildende Kunst 1 (1845), Sp. 349–353, hier Sp. 351. Es findet nur kurze Erwähnungen in den Katalogen zur Kunstkammer. Schuchen, Elisabeth: Kunsthistorisches Museum, Sammlungen Schloss Ambras. Die Kunstkammer, Innsbruck 1977, S. 143, Nr. 373, Abb. 34. Seipel, Wilfried (Hg.): Meisterwerke der Sammlungen

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Im Falle des Ambraser Gemäldes erscheint das Vorgehen in enger Anlehnung an Rainer Wohlfeils Diktum vom historischen Dokumentsinn visueller Artefakte8 ein geeigneter Zugang zu sein. Er geht von einem grundlegenden dokumentarischen Charakter bildlicher Darstellungen aus. Die Aussagekraft des Ambraser Gemäldes wird deshalb zunächst als historisches Dokument, jedoch im Kontext seiner Entstehung als Inszenierung der Familie untersucht. Mit dem Bild liegt daher ein Quellenzeugnis vor, das zwar nicht unmittelbar Rückschlüsse auf den Abdankungsvorgang Karls V. zulässt, sehr wohl aber die nachträgliche mediale Verarbeitung der Resignation durch die Habsburger untersuchbar macht. Nach einer vorikonographischen Beschreibung

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Schloss Ambras (Kurzführer durch das Kunsthistorische Museum, Bd.  9), Mailand/Wien 2008, S. 140 f., Nr. 59. In der historischen Forschung finden sich immer wieder nur Hinweise auf die Rückreise des Kanzleirats nach Brüssel, der Ferdinand I. die Nachricht von der Abdankungswilligkeit Karls V. überbracht hatte. Schulin, Ernst: Kaiser Karl V. Geschichte eines übergroßen Wirkungsbereichs, Stuttgart 1999, S. 133; Schorn-Schütte, Luise: Karl V. Kaiser zwischen Mittelalter und Neuzeit, München 2000, S. 80 f. Wohlfeil, Rainer: Methodische Reflexionen zur Historischen Bildkunde, in: Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, hrsg. v. dems. u. Brigitte Tolkemitt (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 12), Berlin 1991, S. 17–35, hier S. 21 u. S. 24. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  23

des Bildes erfolgt eine Analyse der Darstellung9, die mit Archivmaterial und Ergebnissen aus der bestehenden Forschung zu einzelnen Stationen der Reise abgeglichen wird. Archivalische Quellen zu dieser Reise lassen sich im Hauptstaatsarchiv in Wien allerdings kaum finden. Fürstliche Reisen sind normalerweise in den Zeremonialakten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien dokumentiert, doch das Verzeichnis Älterer Zeremonialakten beginnt erst mit dem Jahr 1562. Auch in den Postakten zu 1555 konnte kein entsprechender Akt ermittelt werden.10 Aufschluss über den Verlauf der Reise sowie das Gefolge ergibt hingegen ein Konvolut im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv zur Durchreise des Erzherzogs durch das Herzogtum Württemberg Richtung Brüssel sowie zurück im Herbst 1555.11 Der erzherzogliche Briefwechsel zur Vorbereitung der Reise und die Aufzeichnungen zur Organisation vor Ort in Württemberg sollen helfen, dargestellte Personen, den Reiseverlauf sowie Ereignisse auf dem Bild näher zu bestimmen. Gerhard Paul postulierte im Kontext der historischen Bildforschung, dass visuelle Artefakte als historische Quellen wichtige Informationen zu konstruierter Erinnerung und geschichtspolitischen Strategien geben können.12 Die bildliche Darstellung der Postreise soll daraufhin befragt werden, inwieweit sie ein familienstrategisches Wahrnehmungsmuster und eine instrumentalisierte familiäre Deutung der histo­ rischen Ereignisse um die Abdankung Karls V. als Kaiser durch König Ferdinand I. und insbesondere Erzherzog Ferdinand transportiert, indem mit dem Bild die Rolle des Sohnes inszeniert wurde. Es wird von der These ausgegangen, dass es sich bei dem Gemälde neben der teilweisen Ereignisdokumentation vor allem um konstruierte Erinnerung handelt. Auch die Reise des Erzherzogs fand bisher in der älteren und jüngeren Forschung zu Karl V. oder aber auch zum Tiroler Fürsten allerhöchstens Erwähnung in wenigen Sätzen. Diese Lücke soll ebenfalls mit vorliegender Studie geschlossen werden.13

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Sie folgt dem Panofsky’schen Dreischritt: Panofsky, Erwin: Ikonographie und Ikonologie (1939/1955), in: Ikonographie und Ikonologie. Theorien – Entwicklung – Probleme, hrsg. v. Ekkehard Kaemmerling (Bildende Kunst als Zeichensystem, Bd. 1), Köln 61994, S. 207–225. Ich danke Herrn MMMag. Franz-Stefan Seitschek aus dem Allgemeinen Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv in Wien. Vgl. hierzu HstA Stuttgart A 80 Bü 212. Paul, Gerhard: Von der historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung, in: Ein Studienbuch, hrsg. v. dems., Göttingen 2006, S. 7–36, hier S. 19 f. Ganz kurz zur Reise und ihrer Intention der Abdankungsverhinderung vgl. Turba, Gustav: Beiträge zur Geschichte der Habsburger III. Zur deutschen Reichs- und Hauspolitik der Jahre 1553–1558, in: Archiv für österreichische Geschichte 90 (1901), S. 233–319, hier S. 257 f. u. S. 266. Erwähnung findet sie auch bei Forcher, Erzherzog Ferdinand, S. 109.

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Vorikonographische Beschreibung Als Entstehungszeitraum des Gemäldes kommen nach dem Kurator des Schlosses Ambras, Thomas Kuster, die Jahre 1555–1596 infrage. Aus dem Jahr 1596 ist ein Nachlassinventar Ferdinands  II. erhalten, in dem das Bild verzeichnet ist. Es hing offensichtlich immer in den Bibliotheks- und Kunstkammerräumen des Schlosses, wo es auch heute noch zu finden ist.14 Auch aktuell wird es nach der Homepage des Kunsthistorischen Museums Wien auf die Zeit um 1560 datiert.15 Das Gemälde ist von hochwertiger künstlerischer Qualität und wird deshalb in der älteren Forschung dem Umfeld von Pieter Bruegel d. Ä. (1525/30–1569) oder dem von Lucas van Valckenborch (1535[?]–1597) zugeschrieben.16 Im Verzeichnis der Bilder, die Erzherzog Ferdinand von Brueghel d. Ä. und Valckenborch besaß, ist jedoch das der Postreise nicht aufgeführt. Auch im Gesamtkatalog der Brüder Valckenborch bzw. unter den fraglichen, ihnen aber zuzuordnenden Werken ist die Postreise nicht verzeichnet. Von Lucas van Valckenborch existiert lediglich nachweislich ein Gemälde Frühlingslandschaft (Mai) mit einer detaillierten Darstellung des Palastes zu Brüssel im Kunsthistorischen Museum in Wien aus dem Jahr 1587.17 Die Zuschreibung zum Umfeld oder der Werkstatt von Valckenborch ist dennoch nicht unwahrscheinlich, da sich auf dem Ambraser Gemälde ein wesentliches Detail nachweisen lässt, das sich auf vier bekannten Bildern des Malers als Hauptmotiv findet. Es handelt sich um die sogenannten Trinkkurenbilder wie etwa die Landschaft mit Heilbrunnen (Braunschweig), Kaiser Rudolf  II. bei einer Trinkkur (Wien) und Erzherzog Matthias bei einer Heilquelle (Hrádek u Nechnic) sowie das frühe, 1570 von Valckenborch gemalte Bild des Burtscheider Tals mit Quelle.18 Bäder sowie das Trinken von Heilwasser waren Valckenborch thematisch offensichtlich ein Anliegen, zumal es sehr aktuellen Gepflogenheiten seiner Auftraggeber und der porträtierten Bildprotagonisten entsprach und sich darüber hinaus auch eignete, Landschaften für den Betrachter bestimmbar zu machen. Auch auf dem Ambraser Bild erhält das Was14 Kuster, Thomas: „Aus Schatzkisten und Betttruhen“: Das Nachlassinventar Erzherzog Ferdi­ nands II. von 1596. Vortrag 2018. https://arthist.net/archive/17324/view=pdf. (12.03.2019). Ders., Erzherzog Ferdinand  II. – Landesfürst von Tirol. in: Biografisches-bibliografisches Kirchenlexikon. Sp. 637. Haag, Sabine: Meisterwerke der Kunstkammer. Kurzführer durch das Kunsthistorische Museum, Bd. 12. Wien 2012, S. 14. 15 Unter: https://www.khm.at/objektdb/detail/1321/ (23.01.2019). 16 Primisser, Aloys: Die kaiserlich-königliche Ambraser Sammlung, Wien 1819, S. 144. 17 Lhotsky, Alphons: Die Geschichte der Sammlungen. Festschrift des Kunsthistorischen Museums zur Feier des fünfzigjährigen Bestands, Bd. 2, 1. Hälfte: Von den Anfängen bis zum Tode Kaiser Karls VI. 1740, Wien 1947, S. 217. Wied, Alexander: Lucas und Marten van Valckenborch (1535–1597 und 1534–1612). Das Gesamtwerk mit kritischem Oeuvrekatalog, Freren 1990, S. 159. 18 Wied, Lukas und Marten van Valckenborch, S. 44–46. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  25

serschöpfen an einer aufwändig gemauerten Quellfassung, zu der eine Treppe führt, im Mittelpunkt des Bildes eine eigene Inszenierung und Bedeutung, auf die später noch eingegangen werden soll. Das über vier Meter breite Bild muss ungewöhnlicherweise von rechts oben nach links unten betrachtet und interpretiert werden. Die Blickführung des Betrachters ergibt sich einerseits aus dem Motiv des Weges, der am rechten oberen Bildrand mitten im Wald, nicht an einem konkreten Ort beginnt, und seiner Nutzer, einer großen Reiterschar, die konsequent einer Richtung und damit einem Ziel in der linken unteren Bildhälfte zustrebt. Es zeigt eine große, rein männliche Reisegesellschaft, die sich offensichtlich zu Pferd und mit wenig Gepäck fortbewegt. Nur am rechten Bildrand wird ein einziger Wagen sichtbar, der später jedoch keine Rolle im bildlichen Geschehen mehr spielt. Die Komposition des Gemäldes besteht aus verschiedenen Stationen, die durch den sich schlängelnden Weg und wiederkehrende Protago­nisten verbunden sind. So ist Erzherzog Ferdinand mehrfach auf dem Ambraser Bild im schwarzen Mantel und Wams auf einem braunen Pferd dargestellt. In der Mitte des Bildes ragt er als größer konzipierte Figur aus seinem Gefolge heraus und wendet sich für einen Moment aus dem Geschehen mit einem Blick dem Betrachter zu. Auf einem zweiten Weg im Hintergrund bewegt sich eine weitere kleine Gruppe Reiter ebenfalls dem linken unteren Ziel zu. Beide Gruppen treffen in der Bildmitte vor und in einem repräsentativen Gebäude aufeinander. Ferdinand kündigt sich durch zwei Postreiter mit Hörnern an. Die linke Bildhälfte zeigt das Ziel: die Silhouette der Stadt Brüssel in üppiger Landschaft. Vor einem Haus neben einem umzäunten Wildgarten treffen sich zwei unterschiedlich große Reisegesellschaften. Erzherzog Ferdinand ist Teil der kleineren. Die linke größere Gesellschaft in gelb-roten Wämsern, mit Hellebarden bewaffnet, könnte zu Philipp, dem künftigen spanischen König gehören. Ferdinand und jene zweite Person begrüßen sich vor einem weißen, wenig repräsentativen Gebäude. Danach betritt Ferdinand das Haus und steht in der ersten Etage gemeinsam mit zwei weiteren Personen am Bett eines Kranken, bei dem es sich offensichtlich um Karl V. handelt. Der Bildbetrachter schaut dieser Szene durch das Fenster zu. Aus zwei anderen benachbarten Fenstern blicken Herren auf das Geschehen vor dem Haus. Die wichtigsten Stationen des Gemäldes werden durch Ereignisse wie den Sturz mehrerer Reiter von ihren Pferden rechts, die Einkehr und das erste Treffen der Reise­ gesellschaften nahe einer Quelle in der Mitte und letztlich den Zielort Brüssel am linken unteren Bildrand markiert. Es handelt sich um ein ungewöhnliches Fortsetzungsbild, das die Form der Serie auf einer Leinwand fixiert und aus moderner Perspektive an einen Filmstreifen erinnert. In ihm verfließen zudem mehrere Genres: das des Landschaftsbildes mit einem konkreten Bezug zu verschiedenen Orten, die von Zeitgenossen anhand topographischer Details auch erkannt werden sollten, Porträts (wenn auch sehr kleinteilig) mit der Inszenierung Erzherzog Ferdinands als Haupt­ 26  Susan Richter

akteur sowie die Dokumentation eines bedeutenden Ereignisses aus der Retrospektive. Der Reise des Fürsten mit einem klaren politischen Ziel, den Kaiser zu treffen und zu sprechen. Ähnlich wie die zeitgenössische Landschaftsmalerei mit konträren Jahreszeiten arbeitete, um den Lauf der Zeit anzudeuten19, boten hier die Darstellung des Weges und einzelner Stationen den Hinweis auf einen Verlauf.

Ereignisse im Vorfeld der Abdankung: Erzherzog Ferdinands Postreise nach Brüssel Im Vorfeld der Reise hatte König Ferdinand I. brieflich durch den Sekretär Paul Pfinzing Kenntnis von der noch während des Augsburger Reichstags beabsichtigten Abdankung Karls V. als Kaiser erhalten.20 König Ferdinand I. sollte deshalb im Auftrag seines Bruders das Ende des Reichstags verzögern, was er jedoch ablehnte. Dem König ging es stattdessen darum, den kaiserlichen Bruder von einem überstürzten Rücktritt im Herbst 1555 abzuhalten. Dies teilte er seinem Bruder auch mit. Da eine persönliche Begegnung der beiden Brüder zu diesem Zeitpunkt unmöglich war, wofür sich Ferdinand I. bei Karl V. in einem Brief vom 31. Oktober 1555 entschuldigte21, 19 Dazu Michalsky, Tanja: Projektion und Imagination. Die niederländische Landschaft der Frühen Neuzeit im Diskurs von Geographie und Malerei, München 2011, S. 199. 20 Durch Briefe vom 25. September 1555 und vom 19. Oktober 1555. Lanz, Karl (Hg.): Corres­ pondenz des Kaisers Karl V. Aus dem königlichen Archiv und der Bibliothèque de Bourgogne zu Brüssel, Bd. 3: 1550–1556, Leipzig 1846, S. 688–690. 21 […] Aussi, monseigneur, vostre maieste se peult tenir pour assehuree, que le desir que jay la venir visiter et auant son partement communicquer auec jcelle personnellement nest moindre comme celluy de vostredicte maieste, se pouuant toutesfois faire aulcunement sans tumber es jnconueniens contenuz et mesdictes lectres, aussi siennes. Et dieu scait, que mon vouloir nest encoires change, nestoit que les affaires tresjmportans me font changer dopinion, comme vostredicte maieste est soufissamment jnformee pa ce que tant de fois luy ay escript et fait dire par le licenciado Gamiz, ledict Martin de Guzman, et dernierement par mon filz larchiduc Fernande. Et la mercie treshumblement, quelle a receu mes excuses pour legittimes et suffisantes, et en prins toute bonne satisfaction, laquelle je puis reciproquement assehurer, que je ne desire sinon perseuerer jusques au boult a la parfaicte seruitude et fraternelle amitie que de tout temps a este entre vostre maieste et moy, aussi tenir la mesme correspondence auec sa posterite, sans riens pretermectre ou aliener de lhumble debuoir et obeissance quauons tousiours porte a jcelle, et la mutuelle jntelligence quentendons entrentenir auec les siens, aussi tiendray soingneusement la main, que les miens persisteront et obserueront le mesme chemin. Et me remectz pour ma justiffication a ce que vostredicte maieste en aura entendu par mondict filz larchiduc, que seruira pour tesmoingnaige du desir que tous auons, luy demeurer treshumbles frere, nepueurs, et niepces, et jcelle obeyr en toutes choses quil luy plairoit nous commander, lequel aussi ne doubte aura fait rapport a vostre maieste du desir que nostre filz, le roy de Boheme, (moyennant que sa disposition le puist comporter, et le partement dicelle naduint si subit) auroit la venir trouuer, pour luy baiser les mains, comme aussi auec layde de dieu Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  27

Abb. 2: Erzherzog Ferdinand, Porträt von Jakob ­Seisenegger, 1548, Kunsthistorisches Museum Wien

schickte er am 25. September seinen Obristkämmerer und Vertrauten, Martin Guzmán22, und am 13. Oktober zusätzlich seinen jüngeren Sohn23 als Vertreter der Familie nach Brüssel.24 Die Gesandtschaft beider zielte darauf, Karl V. die Probleme und jl ne tiendra a autre, quil nacheue le chemin, sinon a la responce quil plaira a vostre maieste faire en cest endroit sur la relation de mondict filz. […] Lanz, Correspondenz, S. 691 f., Brief Nr. 999. 22 Kohler verweist darauf, Ferdinand I. habe Guzmán mit geheimen Aufträgen versehen. Kohler, Alfred: Ferdinand I., 1503–1564. Fürst, König und Kaiser, München 2003, S. 145. 23 Michael Forcher spricht vom Lieblingssohn des Königs. Forcher, Michael: Erzherzog Ferdi­ nand II. Landesfürst von Tirol. Sein Leben. Seine Herrschaft. Sein Land, Wien 2017, S. 59. 24 Zur Rolle der Söhne Ferdinands als Träger königlicher Autorität in den Kommunikationsprozessen der Habsburger Dynastie und im Reich vgl. Pflüger, Christine: Kommis-

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Folgen seiner Abdankungen für den Religionsfrieden im Alten Reich, aber auch für die Dynastie in persönlichen Gesprächen vor Augen zu führen und ihn damit vom geplanten Vorhaben abzubringen bzw. die Konsequenzen aufzuzeigen.25 Nach Fernand Braudel hatte ja Karls V. Testament aus dem Jahr 1554 bereits auf die Abdankung als Kaiser hingewiesen.26 Es ist sehr gut denkbar, dass König Ferdinand I. seinen Sohn als warnenden Beobachter und Zeugen der anderen geplanten Brüsseler Abdankungen (vom Goldenen Vlies und als Herzog von Burgund) entsandte. Laut Louis-Prosper Gachard erreichte Erzherzog Ferdinand am 22.  Oktober Brüssel.27 Er war somit rechtzeitig zur Abdankungszeremonie Karls als Herzog von Burgund und der Übergabe der Herrschaft über die Niederlande an seinen Sohn Philipp28 im Palais Coudenberg eingetroffen. Es bleibt dennoch unklar, ob er dem Resignationsakt persönlich beiwohnte, da er nirgends als Teil des Gefolges genannt wird.29

sare und Korrespondenzen. Politische Kommunikation im Alten Reich, Köln u.a. 2005, S. 81 f. 25 Michael Forcher spricht davon, dass es Erzherzog Ferdinand gelungen sei, eine Aufschiebung der Abdankung zu erreichen. Gemeint ist bei Forcher sicher diejenige als Kaiser. Dies passt zum kongruenten Verhalten des Vaters: Ferdinand I. beendete entgegen der Bitte seines Bruders den Reichstag in Augsburg. Er befürchtete durch die beabsichtigte Abdankung Karls V. eine Krise im Alten Reich und in der Familie aufgrund unterschiedlicher Interessen die Nachfolge betreffend. Forcher, Erzherzog Ferdinand II., S. 109. Kohler, Karl V., S. 350. 26 Braudel, Fernand: Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II., Bd. 3, Frankfurt a. M. 1990, S. 60. So auch Einem, Herbert von: Karl V. und Tizian, in: Karl V. Der Kaiser und seine Zeit, hrsg. v. Peter Rassow u. Fritz Schalk, Köln/Graz 1960, S. 67–92, hier S. 87. 27 Gachard, Louis Prosper (Hrsg.): Retraite et mort de Charles-Quint au monastère de Yuste, Bd. 1, Brüssel 1854, S. 72, FN 5. Das stimmt mit einem Brief von Eisslinger an Herzog Chris­ toph von Württemberg vom 20. Oktober 1555 überein, in dem er berichtet, der Erzherzog werde für den 22.10. in Brüssel erwartet. In: Ernst, Viktor (Hg.): Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirttemberg [sic!], Bd. 3: 1555, Stuttgart 1902, S. 344, Brief Nr. 180. 28 Vgl. dazu Richter, Zeremonieller Schlusspunkt, S. 75–94. Chaunu, Pierre/Escamilla, Michèle: Charles Quint, Paris 2000, S. 339–399. Koller, Ariane: Die letzte Feier der Monarchia Universalis, in: Tomb – Memory – Space. Concepts of Representation in Premodern Christian and Islamic Art, hrsg. v. Francine Giese, Anna Pawlak u. Markus Thome, Berlin/Boston 2018, S. 307–344. 29 Gachard, Retraite, Bd. 1, S. 84–86, FN 1. Zur Abdankung in den Niederlanden vgl. das Material von Gachard, Louis Prosper (Hg.): Analectes Belgique ou Recueil de Pièces Inédites, Mémoires, Notices, Faits et Anecdotes Concernant l’Historire des Pays-Bas, Bd. 1, Brüssel 1830, S. 70–106. Dazu Chaunu/Escamilla, Charles Quint, S. 339–399. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  29

Versuch einer ikonologischen Deutung des Bildes Das Bild zeigt mehrere Stationen der Reise des jungen fürstlichen Familiengesandten mit einem großen Gefolge von Reitern auf einer intakten baumgesäumten Straße. Die Reise der Gesandtschaft folgte offensichtlich der offiziellen Postroute und ist wahrscheinlich deshalb als Postreise erinnert und bildlich fixiert worden. Zudem sprechen sämtliche Schreiben, die Erzherzog Ferdinands Durchreise durch verschiedene Territorien des Alten Reiches ankündigten, von der „Post“. Der Terminus Post wurde von Zeitgenossen als Synonym für Raiß/Reise verwendet30, wie beispielsweise die Mit­teilung Ferdinands I. an Herzog Christoph zu Württemberg (1515–1568) vom 11. Oktober 1555 beweist. Der Vater kündigte dem Reichsfürsten seinen Sohn an, der sich auf der Post zue der Röm. Kays. May. Unserm lieben Bruder und Herrn31 befinde. Für die spätere Bildbezeichnung als Postreise mag somit der Umstand prägend gewesen sein, dass die Synonyme Post und Reise miteinander verschmolzen sind. Wolfgang Behringer verweist zudem darauf, dass Post um 1560 als Raum- und Zeiteinheit verstanden wurde sowie der Terminus auf die Etappen eines festen Kommunikations- und Reiseweges, die postiae stationes, rekurrierte. Dieses feste Wegesystem wurde durch reitende Boten, die sich ebenfalls ab 1540 Post nannten, regelmäßig frequentiert. Diese Verbindung stellte eine spezifische habsburgische Einrichtung dar, welche die Niederlande kommunikationstechnisch besser an die österreichischen Gebiete anbinden sollte.32 Eben jene gut funktionierende Postverbindung mit einem eigenen Wege- und Stationennetz zwischen den Residenzen, insbesondere der niederländische Postkurs, steht im Mittelpunkt der großformatigen Ambraser Darstellung.33 Die effiziente logistische Funktionsweise des Postkurses kann für einen kleinen 30 Zum Gebrauch des Wortes Reise vgl. etwa das 1563 erschienene Raißbüchlein von Jörg Gail. Gail, Jörg: Ein neuwes nützliches Raißbüchlin der furnemesten Land vnnd Stett, durch mich, Jörg Gail, Burger zu Augspurg in truck verfertiget, Augsburg 1563. 31 Mitteilung König Ferdinands  I. an Herzog Christoph zu Württemberg vom 11.  Oktober 1555, HstA Stuttgart, A 80 Bü 212,1. Gleiches findet sich in einem persönlichen Schreiben Erzherzog Ferdinands an den württembergischen Landesfürsten. Er wollte mitteilen, dass er sich auf der Post zu der Römisch Kas. May. Unserm allergnädigsten Herrn befinde. Schreiben Erzherzog Ferdinands an Christoph hinsichtlich seiner Durchreise durch Württemberg vom 11. Oktober 1555. Ebd. A 80 Bü 212,2. 32 Behringer, Wolfgang: Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2003, S. 21 f. u. S. 689. 33 Innsbruck war über Augsburg direkt mit dem Niederländischen Postkurs verbunden (Augsburg, Cannstatt, Bruchsal, Rheinhausen, Wöllstein, Lieser, Flaminsol, Namur, Brüssel). Carte concernant l’Ininéraire postal de la l’Herba, 1563, unter: https://de.wikipedia.org/wiki/ Niederl%C3%A4ndischer_Postkurs%23/media/File:Postkurse_1563.jpg (15.08.2018). Zunächst waren die Postwege aber nur der kaiserlich-königlichen und damit der politischen Kommunikation vorbehalten, erst ab den 1540er Jahren gab es zunehmend Bestrebungen,

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Ausschnitt im Bereich des Herzogtums Württemberg durch die genauen Anweisungen am Beispiel des Herzogs Christoph im Vorfeld der Durchreise Ferdinands bestätigt werden. Der Herzog von Württemberg war sowohl durch König Ferdinand I. und den Reisenden selbst brieflich im Vorfeld genauestens über die Durchreise sowie die Vorgänge in Brüssel informiert worden.34 Ferdinand und seine Reisegesellschaft nutzten die Poststationen, wie etwa die Herberge in Cannstatt – als einer der ältesten Stationen auf dem niederländischen Postkurs35 – und in Göppingen. Es ergingen Anweisungen seitens des württembergischen Hofes an die Amtleute über die pünktliche Bereitstellung von 60 frischen Postpferden für die Reisegesellschaft, die rechtzeitig aus anderen Stationen zum Aufenthaltsort nach Cannstatt gebracht werden sollten.36 Ferdinand erbat sich in einem Schreiben vom 31. Oktober 1555 an Herzog Christoph offensichtlich die gleiche Anzahl frischer Pferde an die gleichen Orte auf eigene Kosten für seine Rückreise.37 Daraus ergibt sich der Schluss, dass es sich tatsächlich um ein recht großes Gefolge handelte, mit dem der junge Habsburger reiste. Dies deckt sich mit den Aussagen in der älteren Literatur. Ferdinand I. hatte seinem Sohn für die Reise die hohe Summe von 6000 Gulden angewiesen, die dieser offensichtlich

Wege und Poststationen auch für den privaten Verkehr zu nutzen. Vgl. Simon, Ernst-Otto: Der Postkurs von Rheinhausen bis Brüssel im Laufe der Jahrhunderte, in: Archiv für deutsche Postgeschichte 1 (1990), S. 14–41, hier S. 28–31. Das Ambraser Bild lässt sich also auch als Inszenierung der menschlichen bzw. herrscherlichen Leistung verstehen, Orte durch Wege miteinander effizient zu verbinden und die Kommunikation voranzubringen, nicht zuletzt nach antiken Vorbildern. Simmel, Georg: Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft, Stuttgart 1957, S. 2. Unterstützt wird diese Annahme durch die Befehle Karls V. zwischen 1551 und 1552, die Straßen auszubessern. Behringer, Im Zeichen des Merkur, S. 515, FN 888 u. S. 517 f. 34 Herzog Christoph war in einem Brief von Lizensiat Eisslinger vom 16. Oktober 1555 von den bevorstehenden Abdankungen in Brüssel sowie über die mögliche, ebenfalls bevorstehende Abdankung als Kaiser informiert worden. Zusammenfassung des Briefes von Eisslinger an Herzog Christoph vom 16. Oktober 1555. In: Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirttemberg, S. 342 f., Brief Nr. 178. 35 Giovanni da L’Herba verzeichnet in seinem Reisebuch 1563 den niederländischen Postkurs von Innsbruck nach Brüssel mit folgenden Stationen: Füssen, Augsburg, Cannstatt, Bruchsal, Rheinhausen, Wöllstein, Lieser, Flamisoul, Namur und Brüssel. Becker, Hermann-Josef: Der Postkurs Brüssel – Innsbruck im Eifel-, Mosel und Hunsrück-Raum, in: Postgeschichtliche Blätter (PgB), Saarbrücken 1962/1, S. 12–17, 1962/2, S. 4–10. 36 Anfrage des Obervoigts zu Vaihingen vom 15. Oktober 1555, wie er sich bezüglich der für den Zug des Erzherzog Ferdinands II. geforderten Pferde zu verhalten habe. HstA Stuttgart, A 80 Bü 212,4. 37 Danksagung Erzherzog Ferdinands  II. für die Beförderung bei der Hinreise und Anfrage um die gleiche Beförderung bei seiner Rückreise, 31. Oktober 1555. HstA Stuttgart, A 80 Bü 212,7. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  31

für ein zügiges Vorankommen nutzte.38 Die genaue Anzahl der Personen, die Erzherzog Ferdinand begleiteten, lässt sich jedoch nicht bestimmen. Namentlich festzustellen ist aus der Korrespondenz mit Württemberg lediglich ein Begleiter Ferdinands, Franz von Thurn. Es könnte sich einerseits um Francesco della Torre (1518–1565) aus der Görzer Linie, einen Rat und Vertrauten König Ferdinands I. handeln, dem die Reichsfreiherrenwürde mit dem Namen Thurn und Valsassina verliehen wurde und der später als kaiserlicher Gesandter in Venedig fungierte. Andererseits ist auch Franz von Thurn (1508–1586) aus der Kärntner Linie denkbar, der 1541 zum Grafen erhoben worden war. Für ihn spricht die Tatsache, dass der Reisebegleiter Ferdinands in einem Schreiben von Herzog Christoph mit dem Grafentitel angesprochen wurde. Eine eindeutige Identifikation der Person ist jedoch nicht möglich.39 Das Gemälde inszeniert gleichermaßen eine große Reisegesellschaft. Es hätte zunächst vermutet werden können, dass der Erzherzog in geheimer und wenig aufsehenerregender Mission gereist ist. Das Gegenteil ist laut der konsultierten Akten und der mit den Quellen übereinstimmenden bildlichen Darstellung der Fall. Seine Reise wurde durch seinen Vater wie durch Ferdinand selbst bei den Reichsfürsten, deren Territorien er zu durchqueren hatte, unter Nennung des Reiseziels und des kaiserlichen Gesprächspartners vorher schriftlich angekündigt. Das Bild inszeniert zudem eine weitere Form der Ankündigung Erzherzog Ferdinands: die durch Postreiter mit Hörnern. Als Überbringer von wichtigen Nachrichten seines Vaters schlüpfte der Fürst offensichtlich selbst in die Rolle des reitenden (Post-)Boten. Die prunkvolle Darstellung des jungen Erzherzogs durch das Gefolge entsprach also durchaus den Tatsachen, diente aber vor allem der Selbstdarstellung seiner politischen Mission für die Familienmemoria und die Nachwelt. Das Bild dokumentierte zur Entstehungszeit nach 1555 nicht nur die Erfüllung des väterlichen Auftrags, sondern hob auch die Bedeutung seiner Person und seiner Reise als historisches Ereignis im Vorfeld des bisher einmaligen Rücktritts eines Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hervor.40 Ihm, dem jungen Erzherzog, hatte es oblegen, im Namen des Hauses 38 Hirn, Joseph: Erzherzog Ferdinand  II. von Tirol. Geschichte seiner Regierung und seiner Länder, Innsbruck 1885, S. 23 ohne Quellenangabe. Hirn vermerkt, dass Ferdinand II. später, während seiner Regierungszeit, immer sehr viel Wert auf ein umfangreiches Reisegefolge gelegt habe. Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, S. 483. Der Blick in das Hofzahlamtsbuch des Jahres 1555 enthält nach Aussage von MMMag. Franz-Stefan Seitschek aus dem Allgemeinen Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv Wien keinen Hinweis auf Gründe oder die Auszahlung der hohen Summe. In der Österreichischen Hoffinanz konnten auch keine Hinweise auf die Reise ermittelt werden. Für die Hinweise danke ich herzlich. Es ist jedoch im Rahmen des Aufsatzes unmöglich, weitere Recherchen anzustellen. 39 Wurzbach, Constantin von: Della Torre-Valsassina, die Familie, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich 3 (1858), S. 224. 40 Dafür spricht, dass Ferdinand II. als Landesherr von Tirol Waffen und Gegenstände sammelte und in seiner Kunstkammer bzw. seiner Bibliothek ausstellen ließ, die ganz konkret Bezüge

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Habsburg den Kaiser umzustimmen und von seinem falschen zurück auf den richtigen Weg zu bringen. Dafür wurden, wie das Bild zeigt, weder Kosten noch Mühen gescheut. Es handelt sich bei dem Bild der Postreise Erzherzog Ferdinands II. nach Brüssel um ein sogenanntes Wege-Bild, das dem Betrachter zwar nicht im üblichen Sinne eine Wegekreuzung und somit zwei alternative Richtungen des richtigen und falschen Weges eröffnet, aber durch den sich schlängelnden langen Weg auch die Problematik der Darstellung des Suchens nach dem richtigen Weg nicht verschweigt. Die antikmittelalterliche Wegelehre basierte auf der littera mystica des Y als Entscheidungssituation zweier möglicher Lebensrichtungen des Menschen: die der Tugend oder die des Lasters.41 Gemäß Schlotheuber behielt die Wegelehre bis Ende des 14. Jahrhunderts als Wahlmetapher für das rechte Leben eine wichtige Bedeutung.42 Mit dem Ambraser Bild liegt nun aufgrund der inhaltlichen Analyse nicht nur ein Beispiel für die Anknüpfung an diese Tradition im 16. Jahrhundert, sondern auch eine erweiterte, diskursive Ausdeutung einer familiären Interpretation der Wegemetapher vor: Das Bild inszeniert einerseits den Weg des abdankungswilligen Kaisers, der sich in der Darstellung des Ziels, der Krankenstube offenbarte, und andererseits den der Familie. Es handelt sich um den Weg des Abwartens bzw. Aufschiebens, den der junge fürstliche Gesandte zu überbringen hatte. Diese Reise barg, so vermittelt es das Bild zunächst, die Chance eines anderen Geschichtsverlaufs in sich. Deshalb erhält die auffallend starke Betonung von Wegen im Bild auch die angesprochene metaphorische Komponente.43 Mit dieser Metaphorik könnte auch der unübliche Aufbau des Bildes von rechts nach links und die damit verbundene umgekehrte Lesart zusammenhängen. Dieses ungewöhnliche Arrangement der Bildelemente verlangt vom Betrachter, den einzigartigen Weg Karls V. und der kaiserlichen Argumentation von körperlicher Schwäche als Rücktrittsgrund gedanklich mitzuverfolgen. Der Blick von rechts nach links zeigt dem Betrachter, dass hier aus sehr gewichtigen Gründen ein anderer, nicht zu großen historischen Schlachten, Personen oder Ereignissen hatten. Hirn, Erzherzog Ferdi­ nand II. von Tirol, S. 425. 41 Vgl. dazu Schlotheuber, Der Mensch am Scheideweg, S. 40. Ebenfalls: Prostmeier, Ferdi­nandRupert: Art. „Zweiwegelehre“, in: Lexikon f. Theologie und Kirche  10 (2001), Sp.  1521. Harms, Wolfgang: Studien zur Bildlichkeit des Weges, München 1970. 42 Schlotheuber, Autobiographie Karl IV., S. 569 ff. Wenzel, Franziska: Intermediale und intramediale Übertragung. Mittelalterliche Bezeichnungspraktiken in metaphorischer Rede und Illustration, in: Übertragung. Bedeutungspraxis und ‚Bildlichkeit‘ in Literatur und Kunst des Mittelalters, hrsg. v. ders. u. Pia Selmayr, Wiesbaden 2017, S. 1–10, hier S. 5 f. 43 Zur biblischen Wege-Metaphorik im Kontext göttlicher Lebensführung des Einzelnen oder der Suche nach dem richtigen Weg vgl. auch Michel, Paul: Vorwort des Herausgebers, in: Symbolik von Weg und Reise, hrsg. v. dems., Bern u.a. 1992, S. VI–XV. Biehl, Peter: Symbole geben zu lernen. Einführung in die Symboldidaktik anhand der Symbole Hand, Haus und Weg, Neukirchen-Vluyn 1989, S. 102 ff. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  33

üblicher, politischer Weg gegangen wurde. In der umgekehrten Lesart liegt aber zugleich auch die Symbolik des Traurigen, Gescheiterten, des symbolischen Todes des kaiserlichen Bildprotagonisten durch seine Abdankung. Dabei bot die bildliche Konzeption der Wegführung und der Stationen des reisenden Erzherzogs durchaus mögliche Lösungsmöglichkeiten und Alternativen zur Abdankung für den melancholisch-kranken Kaiser: In der Bildmitte befindet sich eine sprudelnde Quelle, aus der Personen des Gefolges Wasser schöpfen und in silberne Gefäße zum Transport verschließen. Es könnte sich um das kaiserliche Reichsstift Burtscheid bei Aachen handeln, wo es heiße Mineralquellen gab und gibt. Sie waren zeitgenössisch bekannt und beliebt, was mit Beschreibungen zweier Ärzte übereinstimmt. Es handelt sich um die Publikation von Peter Bruhezius, dem Leibarzt von Eleonore (1498–1558), der Schwester Kaiser Karls  V., aus dem Jahr 1555.44 Auch die zerbrochenen Ziegeleinfassungen des Beckens und ein gemauertes Gewölbe auf dem Ambraser Bild sprechen für die Aachener/Burtscheider Quellen.45 Diese Form von Gewölbearchitektur zur Regulierung der Quellen wird bereits im Epos Ligurinus von Guntherius de Pairis (1150–1220) (entstanden zwischen 1181–1187) auf die Taten Kaiser Friedrichs  I. Barbarossa angeführt.46 Somit ist anhand der abgebilde44 Es handelt sich um Franciscus Ruremundanus Fabricius, De Balneorvm naturalium praecipue eorum quæ sunt Aquisgrani & Porceti. 1546. Thermæ Aqvenses. Peter Bruhezius hatte Aachen 1549 besucht. Bruhezius, Peter: De thermarum Aquisgranensium viribus, causa ac legitimo usu epistolae duae scritae anno 1550, in quibus etiam acidarum aquarum ultra Leodium exist facultas et sumendi ratio explicatur, Antwerpiae 1555. Schon im 14. Jahrhundert etablierten sich Badefahrten und Trinkkuren. Vgl. hierzu Fürbeth, Frank: Bibliographie der deutschen oder im deutschen Sprachraum erschienenen Bäderschriften des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 13 (1995), S. 217–252. Fürbeth, Frank: Badenfahrten 15. Jahrhundert. Die Wiederentdeckung der Natur als kulturelles Ereignis, in: Natur und Kultur in der deutschen Literatur des Mittelalters, hrsg. v. Alan Robertshaw u. Gerhard Wolf, Tübingen 1999, S. 267–278. 45 Die Quellen von Spa kommen hingegen weniger infrage, da sie zeitgenösisch keine große Bedeutung besaßen. 46 Durch der Ardennen Gebirg erreichte der König den Ort nun, / Den die vergangene Zeit mit dem Namen Aachen benannte. / Wer nach dem Ursprünge forscht und fragt nach des lvamens Bedeutung, / Möge das Wenige, wie ich‘s selber erfahren, vernehmen. / Heimliche Gänge verbirgt im dunkelen Schoosse der Bodent / Wo dem schweigenden Grund entströmen verschiedene Wasser. / Hier mit Schwefel versetzt, mit lebendigem, treten zu Tag sie / Kochend mit wallelldem Rauch, dort aber zur Seite die Quelle / Spendet ein eisiges Nass. Durch gewölbte Canäle geleitet / Strömen die Wasser sodann, zitiert nach Reumont, Alfred von: Aachener Liederchronik, Aachen 1873. Zum Text von Guntherius von Pairis und seinen ausführlichen Informationen zu den Aachener Quellen im 12. Jahrhundert vgl. Sturm, Joseph: Der Ligurinus, Freiburg 1911, S. 415–435. Die Ziegelverwendung stammt teilweise noch von den römischen Quelleneinfassungen und Leitungen, unter: http://www.packbierpeter.de/joomla/images/pdf/acquellen.pdf, S. 87 (15.08.2018).

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ten Quelle sehr wahrscheinlich ein wichtiger Ort der Rast bzw. Einkehr Erzherzog Ferdinands als Aachen zu identifizieren, auch wenn sonst mit dem Gebäude im Mittelpunkt des Bildes kein wirklicher konkreter Bezug zur Stadt hergestellt wird und auch keine Aufzeichnungen zu Erzherzog Ferdinands Aufenthalt in diesem Zeitraum vorliegen.47 Aachen erscheint dennoch logisch: Als alte Kaiserstadt Karls des Großen war sie zugleich auch der Krönungsort Karls V. im Jahr 1520 sowie der seines Vaters Ferdinand I. im Jahr 1531 zum römisch-deutschen König. Karl V. selbst hatte Aachen sehr oft, zuletzt im Juni 1550, aufgesucht.48 Zudem hatte Karl der Große mehrmals Linderung in den Aachener Quellen gefunden und die Therme deshalb ausgebaut.49 Erzherzog Ferdinand streifte somit auf seiner eiligen Reise nach Brüssel möglicherweise mit Aachen einen Ort, der nicht nur fest mit der Geschichte und der Würde der Familie als Reichsoberhäupter verbunden, sondern auch der Ort des Beginns der jeweiligen Herrschaft als König und Kaiser in der Tradition Karls des Großen war. Zugleich spiegelt das Wasserschöpfen an der Quelle das Bestreben Ferdinands und der gesamten Familie, Karl V. in Brüssel Linderung für seine Beschwerden zu bringen, denn die Quellen von und um Aachen galten zeitgenössisch u.a. als Heilwasser gegen Melancholie und gegen Gicht. Karl V. war Thermalkuren nicht abgeneigt, denn er hatte sich beispielsweise 1532 in Abbach bei Kehlheim aufgehalten, um durch das schwefelhaltige Wasser zu genesen. Karl  V. litt Zeit seines Lebens an Gicht. Sein Gesundheitszustand war bisweilen so schlecht, dass er sich kaum bewegen konnte. Schneider vermutete bei Karl V. hinsichtlich des Gichtleidens ein psychosomatisches Leiden. Im Jahr 2006 konnte jedoch ein spanisches Ärzteteam die Gicht durch die Untersuchung eines abgetrennten Fingers zweifelsfrei diagnostizieren.50 Vor diesem Hintergrund erscheint die Identifikation der Quelle als eine der Aachener Thermalquellen als gut möglich. In der recht prominenten Positionierung der Quelle auf dem Ambraser Bild liegt deshalb eine klare Botschaft: Der schwermütig-traurige, körperlich kranke oder al47 Akten aus Aachner Beständen wurden hierzu jedoch nicht geprüft. 48 Pick, Richard: Das Haus zum Birnbaum in Aachen, in: Aus Aachens Vergangenheit. Beiträge zur Geschichte der alten Kaiserstadt, hrsg. v. dems., Aachen 1895, S. 577 f. 49 Christ, Hans: Das karolingische Thermalbad der Aachener Pfalz, in: Germania 36 (1958), S. 119–132. 50 Schneider, Peter: Die Gicht als psychosomatische Erkrankung am Beispiel des Vater-SohnVerhältnisses von Kaiser Karl V. und Philipp II., Diss., Mainz/Hamburg 1996, S. 60 u. S. 25. Zu weiteren Beschwerden vgl. ebd., S. 19–24. Kohler, Alfred: Karl V. Eine Biographie, München 2001, S. 81. Schlechta, Helga: Die letzte Reise eines Kaisers. Auf den Spuren von Karl V. durch Spanien, Norderstedt 2014, S.  90  f. Kahl, Hubert: Spanien: Forscher untersuchen Leiden von Kaiser Karl V., MZ, 03. August 2006. Zu kranken Fürsten in der Frühen Neuzeit vgl. Nolte, Cordula: Der kranke Fürst. Vergleichende Beobachtungen zu Dynastie- und Herrschaftskrisen um 1500, ausgehend von den Landgrafen von Hessen, in: Zeitschrift für historische Forschung 27 (2000), S. 1–36, hier S. 16. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  35

ternde und somit politisch handlungsunfähige Herrscher wurde im 16. Jahrhundert nicht mehr wie König Saul im Alten Testament als gottverlassen eingestuft.51 Er galt vielmehr als bedauernswerte und hilfsbedürftige Person, der aus humanistischer Perspektive körperliche Heilmittel wie Heilwasser oder Bäder, Abwechslung, Musik und Bewegung an der frischen Luft in Form von Jagden und Ausritten helfen sollten. Im 16.  Jahrhundert entstanden deshalb in den protestantischen Territorien zahlreiche Trostbücher und Fürstenspiegel, die sich explizit an regierende Fürsten wandten und mit geistlichem Zuspruch sowie Ratschlägen zur Lebensführung die Bürde des fürstlichen Amtes erträglich zu machen suchten.52 Eine Lösung verwarfen die Trostbücher und Fürstenspiegel jedoch vollkommen: die Abdankung, den vorzeitigen Rücktritt aus dem von Gott übertragenen Amt. Das Genre des Fürstenspiegels findet sich auch im altgläubigen Kontext mit der gleichen Intention. Erasmus von Rotterdam (1466/69–1536) widmete im Jahr 1516 seine Institutio Principis Christiani als ein Handlungsmodell für einen Herrscher dem eben erst mündig gewordenen, späteren Karl  V. Schonungslos führte er seinem Adressaten vor Augen, dass das Herrscheramt voller Mühen und Lasten sei, zu einem ruhelosen Leben führe, den Inhaber um die vergnügliche Jugend betrüge, ihn körperlich schädige und aufgrund schwieriger Entscheidungen durchwachte Nächte mit sich bringe.53 Auch Erasmus rät zu entsprechender Mäßigung und Ausgleich, eine Abdankung aus gesundheitlichen Gründen 51 Tersch, Harald: Die schwermütige Betrachtung des Kometen – Politik und Emotion im „Weißkunig“, in: Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, hrsg. v. Klaus Arnold, Sabine Schmolinsky u. Urs Martin Zahnd, Bochum 1999, S. 63–93, hier S. 63 sowie S. 81 ff. Zur melancholischen Motivation, abzudanken vgl. auch Bauer, Markus: Das große Nein – Zum Zeremoniell der Resignation, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Jörg Jochen Berns u. Thomas Rahn, Tübingen 1995, S. 99–124, hier S. 101 ff. 52 Verwiesen sei auf eine exemplarische Auswahl protestantischer Trostbücher, die sich an Fürsten richteten: Leonhard, Werner: Fürstlicher Trostspiegel vnd Christlicher Seelen-Trost, Jn Wellichem gründtlich verleibt ist, wie eines Fürsten vnd Regenten hertz, sampt seinen Christlichen ehrliebenden vnterthanen […] wider so mancherley versuchung vnd arglistigen anlauff verwaret sol sein […], Frankfurt a. M. 1564. Heyd (Hedio), Caspar: Trost geschrifft, Durch Caspar Hedion, der heiligen geschrifft Doctor, in[n] eyl angestellt, und dem Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd herrn, herrn Ott Hainrichen, Pfaltzgrauen bey Rein, Hertzogen in[n] Nidern vnd Obern Bayern [et]c. zuegeschickt, Neuburgii Danubii 1546. Groner, Johann: Zu Trost allen armen gewissen. Eyn klein Buchlyn, den Herrn Wollf und Johan Fürsten von Anholt [sic!], Wittenberg 1524. 53 Gail, Anton J. (Hg.): Erasmus von Rotterdam. Institutio Principis Christiani. Fürstenerziehung, Paderborn 1968, S. 67. Zum Verhältnis von Erasmus und Karl V. vgl. Ribhegge, Wilhelm: Erasmus und Karl V. – Der Intellektuelle und die Politik, in: Aspekte der Geschichte und Kultur unter Karl V., hrsg. v. Christoph Strosetzki (Studia Hispanica, Bd. 9), Frankfurt a. M. 2000, S. 159–187.

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verwirft er ebenfalls.54 Diese Botschaft transportiert auch die Mitte des Ambraser Bildes. Doch die kommunizierte Hoffnung, eine Lösung im Heilwasser und der Linderung der Beschwerden zu finden, trog. In der unmittelbaren Nähe der Quelle kam es offenbar auch zu einer Begegnung Erzherzog Ferdinands mit einem anderen Reisenden, dessen Weg im Bild eher im Hintergrund dargestellt ist. Es bleibt unklar, wen der junge Habsburger getroffen hat.55 In Brüssel, am Ziel seiner Reise angelangt, traf sich Erzherzog Ferdinand laut Bild mit einer hochrangigen Person. Es handelt sich möglicherweise um Philipp, den künftigen König von Spanien, der im August von Karl V. eine dringende Einladung nach Brüssel erhalten hatte und dort im September 1555 aus London eingetroffen war.56 Eine Begegnung der beiden im Vorfeld der Brüsseler Abdankungen ist nicht unwahrscheinlich, da nach Forcher beide gemeinsam bei Karl V. die Aufschiebung der Abdankung als Kaiser erreicht hätten.57 Für die Begegnung mit Philipp spricht weiterhin auch die gelb-rote Kleidung der ihn umgebenden Garde auf dem Bild. Es handelt sich um die Archeros de Borgoña de Corps oder Guardia Borgoñona, nicht selten auch Guardia Flamenca genannt, die Kaiser Karl V. in Spanien eingeführt hatte.58 Die Garde unterstreicht im Bild einerseits die Würde desjenigen, der im Haus residiert, dem noch amtierenden Herzog von Burgund (Karl) sowie diejenige des künftigen Herrschers über das Herzogtum Burgund: Philipp. Das Ziel des Ambraser Bildes liegt in der Begegnung zwischen Onkel und Neffe, zwischen dem Kaiser und dem Erzherzog, im Park des Palais Coudenberg in Brüssel, am Krankenbett. Karl  V. liegt in einem Gebäude am äußeren linken Bildrand, im weißen Hemd zwischen weißen Leinen im Bett, das von einem grünen Baldachin bekrönt wird. Erzherzog Ferdinand II. wendet sich dem Betrachter durch das geöffnete Fenster zu und verweist mit der rechten Hand auf den Kranken.59 Der Betrachter des Bildes wird somit Zeuge des körperlichen Verfalls des Kaisers und der von Karl V. 54 Es soll an anderer Stelle dieser Untersuchung nochmals auf die Zulässigkeit einer Abdankung bei Erasmus eingegangen werden. 55 Dass es sich dabei um den Gesandten und Vertrauten seines Vaters, Martin Guzmán (?–1564) gehandelt haben könnte, ist eher unwahrscheinlich, da er laut des Berichts des venezianischen Gesandten bereits am 16. Oktober in Brüssel eingetroffen war und den Kaiser vom Besuch seines Neffen unterrichtet hatte. Brief des Federico Badoer vom 16. Oktober 1555 an den Dogen. In: Brown, Rawdon Lubbock (Hg.): Calendar of State Papers and Manuscripts, Relating to English Affairs […], Bd. 6/1: 1555–1556, Cambridge 2013, S. 214, Nr. 248. 56 Edelmayer, Friedrich: Philipp  II. Biographie eines Weltherrschers, Stuttgart 22017, S.  134. Williams, Patrick: Philipp II., London 2001, S. 25. 57 Forcher, Erzherzog Ferdinand, S. 109. 58 Hofmann-Randall, Christina: Das spanische Hofzeremoniell 1500–1700, Berlin 2012. S. 98 f. 59 Pfandl verweist darauf, dass es Karl seit dem Winter 1553/54 gesundheitlich deutlich schlechter ging. Pfandl, Philipp II., S. 287 f. Nolte, Der kranke Fürst, S. 16. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  37

Abb. 3: Monatsbild März mit Blick auf den Palast Coudenberg mit Park, Federzeichnung von Bernhard van Orley, 1531–1533, Universiteitsbibliotheek Leiden

selbst auch genannten Gründe für seine zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollzogene Abdankung als Herzog von Burgund. Im Zimmer befinden sich zwei weitere Herren, die nicht klar zu identifizieren sind.60 Das Gebäude, in dem sich das Krankenzimmer Karls V. befindet, ist im Komplex des Palastes auf dem Coudenberg nicht genau zu bestimmen. Es scheint sich um ein Gartenhaus neben einem Wildgehege zu handeln, deutlich entfernt von der Stadt Brüssel, die mit ihren Türmen im Hintergrund zu sehen ist. Ernst Schulin erwähnt unspezifisch ein kleines Wohngebäude im Brüsseler Schlosspark. Pfandl spricht von einer Parkvilla. Jochen Fühner nennt in seiner Dissertation ebenfalls ein kleines Haus im Park. Karl  V. selbst sprach in der Mitteilung seiner Abdikation gegenüber dem venezianischen Gesandten Federico Badoer (1519–1593) am 25. Oktober 1555 von nostra villa de Brusselles, Badoer selbst wiederum sprach vom Casino in der Nähe des Louvain-Tores im Osten. Stirling verweist darauf, dass dieses Haus eine wichtige

60 Nachweislich war Karl in den Tagen vor seinen ersten Abdankungen ständig mit seiner Schwester, Statthalterin Maria, dem Staatsrat Antoine Perrenot de Granvelle und Louis de Praet, Bischof von Arras sowie seinem Sohn Philipp zusammen. Pfandl, Philipp II., S. 288.

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Rolle in der Kindheit Karls im Palastkomplex eingenommen habe.61 Anna Margarete Schlegelmilch betont die Bedeutung des Wildparks in Brüssel, den Karl V. in seiner Kindheit sehr geschätzt habe.62 Ganz offensichtlich lag nach dem Ambraser Gemälde und nach anderen Darstellungen das Haus ganz in der Nähe des Wildparks. Eine gewisse Ähnlichkeit zur Darstellung des Hauses auf dem Ambraser Gemälde findet sich auf zwei Monatsbildern März (mit Aufbruch zur Jagd) von dem flämischen Maler Bernard/Barend van Orley (1491/92–1541) aus den Jahren 1528/31.63 Beide Federzeichnungen bieten die gleiche Blickrichtung auf den Palastkomplex Coudenberg vom Park bzw. dem Soignies-Wald aus. Auf beiden Blättern findet sich links am Parkrand ein kleineres Haus mit auffallender Galerie und Säulen inmitten von Grün. Die Lage und die Architektur des Gebäudes stimmen grob mit dem Haus links auf dem Ambraser Gemälde überein.64 Häuser im Kontext der Darstellungen metaphorischer Lebenswege auf sogenannten Wege-Bildern gelten als Rückzugsorte und Rückzug ins Innere. Daneben ist das Haus mit den Lebensaltern eines Menschen eng verbunden, sowohl Ort der Geburt und des Todes als auch eines symbolischen und bürgerlichen Todes im Sinne der Abdankung. Gerade in der Redewendung Das Haus bestellen liegt die Kategorie des Ordnens aller relevanten Gegenstände vor dem Tod. Genau dies war es, was Karl V. bei seinem Aufenthalt in Brüssel mit seinen beabsichtigten und durchgeführten Ab61 Hier soll auch die Abdankung von allen spanischen Landen vollzogen worden sein. Schulin, Kaiser Karl V., S. 170; Pfandl, Philipp II., S. 290; Fühner, Kirchen- und antireformatorische Religionspolitik, S.  359. Federico Badoers Brief vom 25.  Oktober 1555 und der Brief des venezianischen Gesandten vom 26. Oktober an den Dogen. Brown, Rawdon Lubbock (Hg.): Calendar of State Papers and Manuscripts, Relating to English Affairs, Bd. 6/1: 1555–1556, Cambridge 2013, S. 221, Nr. 253 u. Nr. 254. Stirling, Maxwell William: The Cloister Life of the Emperor Charles the Fifth, London 1853, S. 13. Ein solches kleineres Haus im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Wildgehege lässt sich auf älteren Abbildungen nachweisen. So etwa auf einem kolorierten Stich aus dem 17. Jahrhundert: Vue du côte du parc, Aulae Bruxellensis Facies Posteriori, Gravure. Oder im Vordergrund das kleine rote Haus, Gravure de J. Van de Velde datant de 1649, unter: https://www.humoeurs-bruxelloises-brussels-zwanze. com/uploads/3/7/7/3/37732779/6953647_orig.jpg (24.08.2018). 62 Schlegelmilch, Anna Margarete: Die Jugendjahre Karls V. Lebenswelt und Erziehung des burgundischen Prinzen, Köln/Weimar/Wien 2011, S. 95. 63 Die braune Federzeichnung ist Bestandteil der Sammlungen der Universitätsbibliothek Leiden, PK-T-2047. Eine Abbildung findet sich bei Damen, Mario: The Town as a Stage? Urban Space and Tournaments in Late Medieval Brussels, in: Urban History 43/1 (2016), S. 47–71, hier S. 49, Fig. 1. Eine andere recht ähnliche Zeichnung findet sich als eine von zwölf, die als Vorlage für den Teppichzyklus „Jagden Maximilians“ (Kaiser Maximilian I.) entstanden. Braune Tinte auf Papier, blau laviert, 40 × 57 cm. Paris, Musée du Louvre, Inv. Nr. 20.160. Vgl. dazu Heymans, V./Cnockaert, L./Honoré, F. (Hgg.): Het Coudenbergpaleis te Brussel. Van middeleeuws kasteel tot archeologische site, Brüssel 2014. 64 Dies gilt jedoch nicht für die Farbe des Daches. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  39

dankungen vorgenommen hatte.65 So kann auch die Szene auf dem Ambraser Gemälde gedeutet werden: Das Zusammentreffen Ferdinands II. mit dem bettlägerigen Kaiser in jenem kleinen, wenig repräsentativen Haus inmitten ländlicher Umgebung unterrichtete den zeitgenössischen Betrachter über den ernsten Zustand des kranken Monarchen und unterstrich einmal mehr, dass sich Karl auch von seinem kaiserlichen Amt ins Private zurückziehen müsse (aus der Perspektive von 1555) und musste (aus der Perspektive der Entstehungszeit des Bildes ca. 1560). Nur in ländlicher Abgeschiedenheit und ohne die Last des kaiserlichen Amtes, so lautete die Botschaft dieses Bildausschnittes, sei vielleicht eine körperliche Genesung Karls möglich. Das Bild bekräftigte die offizielle Begründung Karls V. am 25. Oktober 1555, alle seine Ämter aufgrund der Schwachheit des Leibes nicht mehr ausüben zu können und inszenierte mit der Wahl der ländlichen Umgebung einen bereits von ihm innerlich vollzogenen Rückzug in die Privatsphäre, den er in den kommenden Tagen durch die ersten Amtsniederlegungen als Großmeister des Ordens des Goldenen Vlieses und mit der Abdankung als Herzog von Burgund auch politisch umsetzte. Der Blick ins Krankenzimmer am linken unteren Bildrand des Ambraser Gemäldes bot nur eine Lösung, und zwar eine, die im Sinne Karls V. auch als Kaiser den Wechsel aus der Vita activa des politischen Lebens in die Vita contemplativa kommunizierte und rechtfertigte. Die Aussage des Bildes deckte sich mit dem Zustand Karls, der sich allen Zeugen des Abdankungsaktes am 25. Oktober 1555 in der Aula Magna des Palais Coudenberg offenbarte: Aus Schwäche musste der Scheidende als Herzog von Burgund gestützt und ihm ein Becher mit einer Erfrischung gereicht werden.66 Was das Bild nicht kommunizierte, war eine andere Legitimation als die, die Karl aus der Lektüre von Erasmus’ Institutio Principis Christiani ziehen konnte: Grundsätzlich stellte Erasmus den öffentlichen Nutzen allen Tuns vor private Erwägungen eines Herrschers und forderte die stetige Überprüfung seines Handelns zum gemeinen Wohl. Der geforderte kritische Blick auf das eigene Handeln implizierte aus Sicht von Erasmus auch Konsequenzen für die Herrschaft: Denique non potes tueri regnum, nisi violata justitia, nisi magna sanguinis humani iactura, nisi religionis ingenti dispendio: depone potius ac cede tempori. Non potes succurrere rebus tuorum, nisi vitae tuae periculo: Publicam salutem antepone vitae.67 Nicht die persönlichen, seelischen oder 65 Messimeri, Eleftheria: Wege-Bilder im altgriechischen Denken und ihre logisch-philosophische Relevanz, Würzburg 2001, S. 111 f. Vgl. zur Haus-Metaphorik Biehl, Symbole, S. 74. 66 Hier wird auf den Beitrag von Gregor Stiebert in diesem Band verwiesen. Diesen Aspekt transportieren die bildlichen Darstellungen der Abdankung Karls als Herzog von Burgund. 67 Übersetzung: Es könnte aber auch die Situation entstehen, daß Du Deine Herrschaft nur um den Preis von Rechtsverletzungen, Blutvergießen und Religionsverfolgung behaupten kannst: dann danke lieber ab und weiche der Situation. Kannst Du das Interesse Deiner Bürger nur unter Gefahr für Dein eigenes Leben wahren, dann hat das Staatswohl den Vorrang vor Deinem Leben. Gail, Erasmus, S. 66 f. Dies entspricht inhaltlich exakt dem, was Alfonso de Valdés, der

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körperlichen Befindlichkeiten legitimierten aus Sicht Erasmus’ einen Rücktritt, wohl aber die Einsicht, mit der eigenen Regierung mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Genau das war aus Sicht Karls passiert. Er hatte sein politisches Ziel, die Wiederherstellung der Einheit der Christenheit, nicht erreicht. Die politischen Leitlinien seines Kaisertums waren von seinen Glaubensvorstellungen und der Idee der Universalmonarchie im Sinne des defensor et advocatus ecclesiae68 getragen.69 Karl trug deshalb die Bestrebungen seines Bruders König Ferdinands I., im Alten Reich einen Reli­ gionsfrieden mit den protestantischen Reichsfürsten zu schließen, nicht mit. Erasmus von Rotterdam zeigte in seiner Institutio für die ungewöhnliche Aufforderung zur Entsagung von der Macht zunächst auch abgemilderte Lösungswege auf: Wenn die Amtsniederlegung [Quod si] non licet, certe in huiusmodi quempiam reiice functionem, cuiusmodi te ipsum praestare oportebat.70 Erasmus gab Karl das Instrumentarium der Regentschaft an die Hand, das der Kaiser bereits jahrelang mit seinem jüngeren Bruder, Ferdinand I., erfolgreich genutzt hatte. Gerade durch diese Vertretung durch den Römischen König hatten sich die Qualitäten des jüngeren Bruders für das kaiserliche Amt gezeigt.71 Ferdinand I. war den Reichsständen vertraut und in der aktuellen Situation, die offensichtlich ein konsensorientiertes Kaisertum forderte, der geeignetere Sekretär Karls, seinem Herrn 1532 hinsichtlich einer möglichen Abdankung kommuniziert hatte. Es ist gut möglich, dass Valdés diese Argumentation aus Erasmus’ Institutio entlehnt hatte. Valdés, Alfonso de: Diálogo de Mercurio y Caron. Edición, introducción y notas de José F. Montesinos, Madrid 1929, S. 202. 68 Ziel der monarchia universalis war ein weltumspannender Frieden, den nur ein starker Kaiser schaffen und garantieren konnte. Strohmeyer, Arno: Karl V. und die Universalmonarchie in der deutschen Geschichtsforschung, in: The Histories of Emperor Charles V. Nationale Perspektiven von Persönlichkeit und Herrschaft, hrsg. v. Martina Fuchs u. Scott Dixon (Geschichte in der Epoche Karls V., Bd. 6), Münster 2005, S. 29–44. Bosbach, Franz: Monarchia Universalis. Ein politischer Leitbegriff der Frühen Neuzeit, Göttingen 1988. 69 Fühner, Jochen A.: Die Kirchen- und die antireformatorische Religionspolitik Kaiser Karls V. in den siebzehn Provinzen der Niederlande 1515–1555, Leiden 2004, S. 170. Großkanzler Gattinara formulierte 1521 die Kategorien der monarchia universalis: Die absolute legislative und judikative Gewalt des Kaisers und die Herrschaft des Kaisers als Hirte über den gesamten Erdkreis zur Erlangung des universellen Friedens. Lautemann, Wolfgang (Hg.): Geschichte in Quellen, Bd. 3: Renaissance, Glaubenskämpfe, Absolutismus, München 1966, S. 212 f., Quelle 93. Erasmus von Rotterdam war gegensätzlicher Ansicht. Das Amt des Hirten könne nur Jesus Christus ausüben. Headley, John: Gattinara, Erasmus and the Imperial Configurations of Humanism, in: Archiv für Reformationsgeschichte 71 (1980), S. 64–98, hier S. 72. 70 […] nicht erlaubt ist, übertrage die Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte einem, der so ist, wie du sein müsstest. Gail, Erasmus, S. 110 f. 71 Zum Verhältnis zwischen den Brüdern vgl. Neuhaus, Helmut: Römischer König im Schatten des kaiserlichen Bruders? Zum Verhältnis zwischen Karl V. und Ferdinand I., in: Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee, hrsg. v. Alfred Kohler u.a., Wien 2002, S. 345–358. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  41

Herrscher. Nun galt es seitens Karls durch seinen Verzicht (resignatio), den Regenten als eigentlichen Herrscher zu installieren. Sein freiwilliger Rücktritt vom kaiserlichen Amt und sein Verzicht auf die Herrschaftsrechte72 ermöglichte somit die Realisierung eines besseren Wegs – aber eben nicht im Oktober des Jahres 1555, so jedenfalls die Sicht seines königlichen Bruders. Vielmehr bedurfte es zu diesem Zeitpunkt zugunsten dieses Konstrukts wenigstens eines strategischen Aufschubs. Zumindest in diesem Punkt war die eilige Reise des jungen Erzherzogs erfolgreich: Karl war nicht als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zurückgetreten. Damit stellt Ferdinands Reise einen wichtigen Baustein im Vorfeld der Abdankung des Kaisers dar. Die Reise und das persönliche Gespräch zwischen Onkel und Neffe ermöglichten eine bessere zeitliche und inhaltliche Koordination des Rücktritts im Konsens mit Ferdinand I. und dem Reich. Es dauerte noch gut ein Jahr, bevor Karl V. wirklich auf die Regierung und die Würden als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches verzichtete am 3. August 1556; erst am 14.  März 1558 erfolgte die offizielle Kommunikation der Abdankung in Frankfurt am Main. Danach reiste er nach Spanien, um sich – aller Ämter ledig – in ein Seitengebäude des Klosters San Jerónimo de Yuste zurückzuziehen.73 Kurz nach der Abdankung Karls  V. als Herzog von Burgund trat Erzherzog Ferdinand die Rückreise an und informierte in einem Schreiben vom 31. Oktober 1555 Herzog Christoph von Württemberg über seine erneute Durchreise: Er rechne mit einer Ankunft am 14.  November im Herzogtum.74 Dieser sandte ihm daraufhin am 6. November eine persönliche Einladung, diesmal nicht in der Poststation in Cannstatt, sondern mit seinem Gefolge sein Quartier als Gast des Herzogs zu nehmen. Christoph schieb: Nachdem ich auch begierig mit E. L. [Euer Liebden] Mich dienstlich und freuntlich bekannt zu machen; so bitt ich freuntlich das E. L. durchpostiren durch mein Land mit einer schmalen Herberg zu Stuttgart für gut werden befinden wollen.75 Eine zweite Einladung erging mit gleichem Datum an den Grafen Thurn. Christoph 72 Diese Umdeutung von Herrschaft als Pflicht zu Herrschaft als Recht scheint als Hilfsmittel von Karl selbst vorgenommen worden zu sein, da es ihm ermöglichte, das menschliche Ende von Herrschaft und damit überhaupt eine Abdankung anzuvisieren. 73 Der Abreise Karls ging eine weitere Gesandtschaftsreise eines habsburgischen Prinzen voraus. Ferdinand hatte diesmal seinen ältesten Sohn Maximilian gesandt, um über ihn mit Karl im Juli 1556 drei mögliche Varianten der kaiserlichen Abdankung zu verhandeln. Die maximale Variante beeinhaltete die totale Resignation von allen Ämtern und Titeln im Reich, die mittlere die Resignation unter Beibehaltung der Titel, und die letzte die Beibehaltung von Ämtern und Titeln unter der Stellvertretung Ferdinands I. Karl erwog die beiden ersten, entschied sich für die zweite. Kohler, Ferdinand I., S. 266. Zur Abreise aus Brüssel vgl. auch Schulin, Kaiser Karl V., S. 171. 74 HstA Stuttgart A 80 Bü 212,7. 75 Einladungsschreiben Herzog Christophs von Württemberg an Erzherzog Ferdinand vom 6. November 1555. HstA Stuttgart A 80 Bü 212, 11.

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gab zudem den Befehl, Wildbret in die Stuttgarter Residenz zu liefern.76 Doch offensichtlich verzögerte sich die Reise Ferdinands, worüber die Württemberger durch Boten Herzog Wilhelms V. von Jülich-Kleve-Berg (1516–1592)77 am 16. November 1555 – über die weiterhin unklare Ankunftszeit am 19. November 1555 – informiert wurden.78 Das Interesse der Reichsfürsten an den Vorgängen in Brüssel bzw. am Gesundheitszustand des Kaisers und somit das Bedürfnis an einem Gespräch mit dem Habsburger muss groß gewesen sein, was sich an den regen Stafetten ebenso wie an der prompten Information Christophs über den nun täglich zu erwartenden Besuch Ferdinands in Stuttgart gegenüber Markgraf Karl II. (1529–1577) von Durlach ablesen lässt.79 Über die genauen Gespräche und den Ablauf des Besuchs in Stuttgart, den der Erzherzog offensichtlich absolvierte, lassen sich jedoch keine weiteren Aufzeichnungen finden.

Fazit Ziel des Aufsatzes war es, mit der Dokumentation der erzherzoglichen Durchreise durch Württemberg aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart bisher vernachlässigte Quellen für die Analyse der Ereignisse im Vorfeld der Abdankung Karls V. als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches fruchtbar zu machen. Anhand des Gemäldes auf Schloss Ambras in Innsbruck konnte gezeigt werden, mit welchem medialen Aufwand im Nachgang die Ereignisse inszeniert wurden, Karl im Auftrag der Familie vom Vorhaben seiner Resignation abzubringen bzw. die kaiserliche Abdankung im Oktober 1555 wenigstens verzögert zu haben. Das Bild verweist damit implizit auch darauf, dass Ferdinand I. als Vertreter Karls V. nicht nach der kaiserlichen Krone griff, sondern gerade angesichts der schwierigen Situation im Alten Reich auf die Autorität des Amtsinhabers und die Kontinuität seiner Amtsausübung setzte. Das Bild unterstreicht, dass seitens König Ferdinands I. keine Kosten und Mühen gescheut wurden, Karl im Sinne der ethischen Auffassung der Fürstenspiegel an seine Amtspflichten zu erinnern und ihn von dieser unerhörten und Gott vorgreifenden Entscheidung eines Rücktritts abzubringen. Zugleich inszeniert das Gemälde aber auch Karls V. Beweggründe für den Rückzug aus den Amtsgeschäften: seine Krankheit und seinen körperlichen Verfall. Der Betrachter wurde mit dem schwächlichen und zur Regierung unfähigen Monarchen 76 77 78 79

Ebd., A 80 Bü 212,9. Er war mit einer Nichte Karls V. verheiratet. HstA Stuttgart A 80 Bü 212, 22 und 25. Er informierte seinen Vetter am 19. November über die nun täglich erwartete Ankunft des Erzherzogs in Stuttgart. Ebd. A 80 Bü 212, 26. Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  43

konfrontiert, dessen Resignation eher die Chance eines sinnvollen Neuanfangs in sich barg und so zum Schutz des Reiches akzeptiert werden konnte. Denn dieser kranke, bettlägerige Kaiser, so kommunizierte das Bild, konnte seine Pflichten nicht mehr erfüllen. Dies führt das Gemälde dem Betrachter ungeschönt vor Augen. Dennoch wurde zu diesem äußert kritischen Zeitpunkt im Oktober 1555 durch Erzherzog Ferdinands Reise die kaiserliche Abdankung aus politischen und dynastischen Gründen verhindert. Das Bild dokumentiert und inszeniert somit den Erfolg des jungen Gesandten, der offensichtlich in einem persönlichen Gespräch erreicht wurde. Am aufwändigsten ist auf dem Gemälde in ungewöhnlicher Komposition der weite Weg und das redliche Bemühen des jungen Erzherzogs Ferdinand  II. dargestellt. Sein Vater hatte ihn ausgewählt und ihm die ungeheure Verantwortung der Mission aufgetragen, dem Kaiser die ablehnende Sicht der Familie zu kommunizieren. Für ihn bedeutete diese Reise eine große Ehre sowie eine bedeutende dynastische und politische Aufgabe. Dies mag auch der Grund für den Auftrag des Gemäldes gewesen sein: seine Rolle bei einem ungewöhnlichen, wichtigen und in der politischen Auswirkung auch längst nicht klaren Ereignis zu dokumentieren, um es langfristig in persönlicher und dynastischer Erinnerung zu behalten. Das Bild dürfte nicht für eine größere Öffentlichkeit gedacht und geschaffen worden sein, denn es gibt keine Kopien oder Drucke. Vielmehr war es wohl nur der Familie und Gästen auf Schloss Ambras vorbehalten, einen Blick auf dieses Szenario des Aufwands zu werfen, den die Familie im Vorfeld der kaiserlichen Abdankung trieb, um den Schritt Karls V. zu verhindern oder wenigstens zu verzögern. Genau in diesem Charakter der temporär erfolgreichen familiären Einflussnahme auf den Kaiser liegt der Wert des Gemäldes als Memoria erfolgreicher politischer Einflussnahme auf den Kaiser. Das Bild zeigt die Suche nach dem richtigen Weg bzw. einem Ausweg in einer historisch einmaligen Situation ohne Präzedenzfall. Nicht alle Details des Bildes lassen sich selbst unter Zuhilfenahme von archivalischen Quellen zum Verlauf der Reise identifizieren und einordnen. Vielmehr bleibt manches aufgrund der wenigen vorhandenen Quellen zur Reise reine Interpretation. Es handelt sich dennoch bei dem Ambraser Gemälde hinsichtlich seiner einzigartigen Komposition um ein erzählendes und (teilweise auch) dokumentierendes Entwicklungsbild einer Ereigniskette und eines zeitlichen Verlaufs im Kontext eines für die Zeitgenossen schwierigen Dilemmas des einerseits kranken Körpers und Gemütes eines Herrschers sowie der Pflichten seiner göttlich verliehenen Würde und seiner dynastischen Aufgaben andererseits.

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Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  45

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Abbildungsnachweis Abb. 1: KHM Museumsverband, Inv.-Nr. Gemäldegalerie 5782 Abb. 2: KHM-Museumsverband, Inv.-Nr. Gemäldegalerie 5947 Abb. 3: Universitaire Bibliotheken Leiden PK-T-2047

Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern  49

Bilder ohne Macht? Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V. (1500–1558) als Geschichtsbilder

Gregor Stiebert

Einleitung Nach einer Reihe verschiedener Abdankungsakte innerhalb eines Jahres von Oktober 1555 an entledigte sich Kaiser Karl V. (1500–1558) all seiner Herrschaftsbefugnisse und zog sich in das spanische Hieronymitenkloster Yuste zurück. Die Abdankung erfolgte in mehreren Schritten, zunächst im Oktober 1555 für den Orden des Goldenen Vlieses und die Niederlande, im Januar 1556 für das Königreich Spanien und schließlich September 1556 mit der Niederlegung der Kaiserkrone für das Heilige Römische Reich.1 Die Sukzession im Heiligen Römischen Reich gestaltete sich schwierig, da sie nicht allein von Karl und seiner Familie bestimmt werden konnte, sondern der rechtlichen Grundlage des Reiches gemäß die Kurfürsten integrieren musste.2 In der Reihe der einzelnen Abdankungen ragt der Abdankungsakt in Brüssel am 25. Oktober 1555 besonders hervor. Bei diesem zeremoniellen Ereignis übertrug Karl die Herrschaft für die Niederlande an seinen Sohn Philipp II. (1527–1598) und präsentierte sich somit einer adligen Öffentlichkeit als freiwillig machtlos gewordener Fürst. Obwohl die Abdankung Karls V. ein herausragendes und nahezu singuläres Ereignis darstellte und

1 2

Grundlegend zur Abdankung: Kohler, Alfred: Karl V. 1500–1558. Eine Biographie, München 1999, S. 349–355. Ausführlich dazu: Neuhaus, Helmut: Von Karl V. zu Ferdinand I. Herrschaftsübergang im Heiligen Römischen Reich 1555–1558, in: Recht und Reich im Zeitalter der Reformation. Festschrift für Horst Rabe, hrsg. v. Christine Roll, Frankfurt a. M. u.a. 21997, S. 417–440. Überlegungen zur Machtübertragung der Kaiserkrone gab es zeitgenössisch zahlreich. Ein 1551 in Augsburg verfasster Familienvertrag sah eine wechselnde Thronfolge zwischen österreichischer und spanischer Linie der Habsburger vor. Der Vertrag, der nie in Kraft trat, sah vor, dass auf Ferdinand I. Phillip als Kaiser des Reiches folgen sollte und gleichzeitig Maximilian II. zum Römischen König gewählt werden sollte. Schlussendlich wurde Ferdinands I. Herrschaft erst 1558 von den Kurfürsten anerkannt.

50  Gregor Stiebert

vorbildhaft für andere Rücktritte von der Herrschaft wurde3, fand keinerlei bildliche Verarbeitung des Geschehens in unmittelbarer zeitlicher Nähe des Ereignisses statt. Die Abdankung des machtlos gewordenen Herrschers wurde weder von ihm selbst noch von seinen direkten Nachfolgern in den Fokus eines Bildprogrammes gerückt. In der Folgezeit wurde im Gegensatz dazu das Abdankungszeremoniell von Brüssel außerhalb höfischer Kreise in verschiedenen Darstellungen aufgegriffen und unter jeweils gewandelten zeitlichen Umständen vollkommen neu interpretiert. Allen nachträglichen bildlichen Darstellungen der Abdankung ist gemein, dass sie nur einen Ausschnitt des gesamten Zeremoniells präsentieren und entsprechend dem jeweiligen historischen Kontext bestimmte Elemente hervorheben, auslassen oder neu hinzufügen. Sie sind damit weniger brauchbar, um den Ablauf des Zeremoniells zu rekonstruieren. Stattdessen zeigen die Darstellungen, wie die Nachwelt Karls V. die Abdankung bewertete und teilweise mit neuen Bedeutungen und Sinnzuschreibungen entsprechend den Anforderungen der Entstehungszeitpunkte versah. Sie geben damit einen Einblick in Vorstellungen zur Legitimation und Neuverteilung von Macht weg vom abgedankten machtlos gewordenen Kaiser hin zu neuen Akteuren der Herrschaft. Der vorliegende Aufsatz untersucht vier solcher bildlicher Verarbeitungen des Brüsseler Abdankungsaktes in zwei verschiedenen Gattungen. Einerseits werden zwei Kupferstiche aus dem 16. und 18. Jahrhundert untersucht, welche vor allem zur Illustration historischer Ereignisse in historiographischen Werken dienten. Auf der anderen Seite werden zwei Verarbeitungen ausgewählt, die der Gattung der Historienmalerei zuzurechnen sind. Ein Vergleich von Darstellungen derselben Gattung erscheint sinnvoll, da die Art und Weise der Darstellung von ihrer Funktion abhängt. Diese ist bei illustrativen Abbildungen in historiographischen Werken eine andere als bei Historiengemälden. Die Darstellungen der Abdankung sollen dabei mit den Zeremononialberichten4 abgeglichen werden, wie sie sich in der Quellensammlung der Analectes Belgique von 18805 und in Johann Christian Lünigs (1662–1740)

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4

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Richter, Susan/Dirbach, Dirk (Hgg.): Einleitung, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. dens., Köln/Wien/Weimar 2010, S. 9–22, hier S. 11 f. Die eigentlichen Quellen zur Abdankung in sämtlichen Gebieten der Herrschaft finden sich in verschiedenen Archiven. Siehe dazu Richter, Susan/Roth, Michael: Quellenverzeichnis zum Thronverzicht, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. Susan Richter u. Dirk Dirbach, Köln/Wien/Weimar 2010, S. 327–343, hier S. 329 f., 333–335, 337 f. Die in den Analectes Belgique edierten Quellen beruhen auf den Akten in den Archives générales du Royaume, Brüssel, Manuscrits divers 164. Gachard, Louis Prosper (Hg.): Analectes Belgique ou Recueil de Pièces Inédites, Mémoires, Notices, Faits et Anecdotes Concernant l’Historire des Pays-Bas, Bd. 1, Brüssel 1830, S. 70– 106. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   51

Theatrum Ceremoniale6 von 1720 überliefert finden. Die erstgenannte Quelle ist die Edition einer französischsprachigen Abschrift der Abdankungsakten, die sich in den Archives du Royaume in Brüssel befindet. Der Quellenwert dieser Edition ist relativ hoch zu bewerten, da die Akten zeitlich näher am Ereignis der Abdankung liegen. Trotz einiger bekannter Schwächen in der Genauigkeit der Überlieferung ist der Bericht der Abdankung bei Lünig von 1720 eine weitere gute Quelle zum Abgleich der bildlichen Verarbeitungen mit dem Zeremoniell, bietet sie doch die Möglichkeit, die Abdankung in ihrem gesamten Verlauf zu verfolgen.7 Die Abdankungsberichte dienen damit als Augenzeugen des Zeremoniells. Das Ziel dieses Vergleiches soll nicht sein, die Bilder als Augenzeugenberichte und Quelle für die Abdankung Karls V. auf ihre wirklichkeitsgetreue Darstellung zu untersuchen. Der Abgleich der Bilder mit den Zeremonialberichten ist stattdessen notwendig, um Besonderheiten der visuellen Darstellungen herausarbeiten zu können. Die Abbildungen werden somit als Spiegelungen der jeweiligen Zeit auf das Ereignis angesehen. Die bildlichen Darstellungen zeigen [keine] historische Wirklichkeit, sondern sind als Repräsentationen [nur] Sichtweisen dieser Wirklichkeit.8 Ihre Bedeutung liegt damit in ihrer Darstellungsmächtigkeit, Ordnungsvorstellungen zu visualisieren und auch Jahrhunderte nach dem eigentlichen Ereignis zu verfestigen.9 Sie präsentieren damit auch eine spezifische Sichtweise und Bewertung der Nachwelt auf die Herrschaft Karls V. Die bildliche Verarbeitung von Abdankungszeremonien stellt eine Besonderheit dar, da – anders als bei Krönungen – niemals offizielle Auftragsarbeiten das Ereignis für die Nachwelt oder Zeitgenossen festhielten. Für Abdankungen ist vor allem das Zeremoniell wichtig, da es die Übertragung der Macht legitimiert und somit ab­sichert. Wie alle zeremoniellen Akte dienen die Abdankungen damit der symbolischen Kommunikation und führen durch die Integration verschiedener Körperschaften der entsprechenden Reiche zu einer Anerkennung der erfolgten Machtübertragung.10 Das Abdankungszeremoniell kommt dabei dem Tod des Herrschers gleich, bei dem der body politic und der body natural des Herrschers voneinander getrennt 6 7

8

9 10

Lünig, Johann Christian: Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum, Oder Historisch- und Politischer Schau-Platz Aller Ceremonien, Leipzig 1720, S. 808–812. Zeitgenössisch wurde dem Werk vorgeworfen, ein bloßes Sammelsurium zu sein, dem die nötige Tiefe fehle, teilweise sei es auch bereits veraltet. Vec, Miloš: Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentationen, Frankfurt a. M. 1998, S. 66–69. Blank, Anna-Marie/Isaiasz, Vera/Lehmann, Nadine (Hgg.): Einleitung: Visuelle Repräsentation zwischen Konflikt und Stabilität, in: Bild – Macht – Unordnung. Visuelle Repräsentationen zwischen Stabilität und Konflikt, hrsg. v. dens., Frankfurt a. M. 2011, S. 9–24, hier S. 11. Ebd., S. 11–15. Stollberg-Rilinger, Barbara: Symbolische Kommunikation der Vormoderne. Begriffe – Thesen – Forschungsperspektiven, in: Zeitschrift für Historische Forschung 31 (2004), S. 489–527.

52  Gregor Stiebert

werden. Eine Abdankung ist damit ein vorzeitiger (politischer) Tod zu Lebzeiten.11 Mit erfolgter Übergabe der Macht ist eine Erinnerung an den Abdankungsakt nur noch von sekundärer Bedeutung, da er den kritischen Moment der Herrschaftsübergabe und Machtlosigkeit thematisieren würde. Die verschiedenen Lesarten, die allen Zeremonien gemein sind und die einen wichtigen konstitutiven Faktor dieser Aufführungen darstellen, geraten gerade im Umfeld des fragilen Herrscherwechsels zum Nachteil, da die Nachfolge eigentlich eindeutig sein sollte. Gerade im Fall der Abdankung Karls V. war die Nachfolgeregelung keineswegs so eindeutig, wie es die Darstellungen vermuten lassen.12 Abdankungsszenen eignen sich daher weniger zur Versinnbildlichung einer Herrscheridee als beispielsweise offizielle Herrscherbildnisse oder Krönungsporträts, die die Vorstellung einer lebenslangen Herrschaft transportieren.13 In der frühneuzeitlichen Bildtheorie wird deren Bedeutung zur Veranschaulichung der besonderen Würde des Herrschers hervorgehoben.14 Für die Absicherung der Herrschaft durch die Nachfolgegeneration gibt es daher keinen Grund, Abdankungsszenen in offiziellen Darstellungen zu illustrieren. Die Repräsentation wurde mit erfolgter Übergabe der Herrschaft ganz auf die Erfordernisse und Qualitäten des Nachfolgers zugeschnitten. Zu diesem Zweck ist wiederum das Krönungsporträt besser geeignet, welches ebenso wie das Herrscherporträt eine Idee der Herrschaft präsentiert, diese aber stärker in Bezug zum Antritt der Regentschaft setzt.15 Daher kann, wie von Martin Schieder postuliert, die Abdankung als Leerstelle in der Herrscherikonographie16 angesehen werden. Tatsächlich erscheint es fraglich, weshalb der Moment der Machtlosigkeit bei der Abdankung bildlich festgehalten 11

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15

16

Dazu ausführlich: Richter, Susan: Zeremonieller Schlusspunkt. Abdankung als Herrschertod, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. ders. u. Dirk Dirbach, Köln/Wien/Weimar 2010, S. 75–94. Kohler, Karl V., S. 492–500. Warnke, Martin: Art. „Herrscherbildnis“, in: Handbuch der politischen Ikonografie 1 (2011), S. 481–490, hier S. 482. Becker, Ulrike: Das Bildnis des Kaisers. Zur Entstehung des ganzfigurigen Herrscherporträts, in: The World of Emperor Charles V, hrsg. v. Wim Blockmans u. Nicolette Mout, Amsterdam 2004, S. 267–292, hier S. 267–268. Die Herrschaftszeit Karls V. kann als Geburtsstunde des ganzfigurigen Herrscherporträts gewertet werden. Stilprägend hierfür waren vor allem die Darstellungen des Kaisers durch Jakob Seisenegger (1532) und Tizian (1533). Zur Bedeutung von Krönungsritualen: Steinicke, Marion: Politische und artistische Zeichensetzung. Zur Dynamik von Krönungs- und Investiturritualen, in: Investitur- und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, hrsg. v. ders. u. Stefan Weinfurter, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 1–26. Schieder, Martin: „Ay no; no, ay; for I must nothing be.“ Die Abdankung des Monarchen – eine Leerstelle in der Herrscherikonografie, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. Susan Richter u. Dirk Dirbach, Köln/Wien/ Weimar 2010, S. 291–304. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   53

werden sollte.17 Diente doch die Herrscherikonographie stets zur Herausstellung ­aktiver Herrscher und deren Herrschaftsprogramm.18 Eine bildliche Verarbeitung der Abdankung Karls V. fand aus diesem Grund nur in berichtenden Darstellungen und späteren Historienbildern statt. In der Herrschermemoria oder -repräsentation spielte er hingegen keine Rolle. Die Ereignisse nach dem Tod Karls V. stützen diese Vermutung. In Abwesenheit des Leichnams des verstorbenen Kaisers ließ Philipp II. im Dezember 1558 eine aufwendige Trauerfeier in Brüssel inszenieren. Der neue spanische König nutzte dieses Ereignis, um sich erstmals öffentlich als legitimer Nachfolger Karls zu präsentieren und damit den Schwerpunkt auf die dynastische Kontinuität zu legen.19 Der aufwändig illustrierte Bericht der Trauerzeremonie20 wurde als ein Auftragswerk des neuen Monarchen auf Deutsch, Niederländisch, Französisch, Italienisch und Spanisch in ganz Europa verbreitet. Damit bildete nicht der Abdankungsakt Karls als vorzeitiges Sterben den Anfangspunkt der Inszenierung der Herrschaft Philipps II., sondern der tatsächliche Tod des Kaisers und dessen zeremonielle Feier im Brüsseler Pompa funebris 1558. Im Kontext herrschaftlicher Repräsentation wurde auch in der Folgezeit in Bezug auf die Übertragung der Herrschaft von Karl V. auf Philipp II. lediglich auf die dynastische Kontinuität rekurriert, die trotz der Abdankung Karls gewahrt blieb. In einem Porträtzyklus der spanischen Herrscher für den Goldenen Saal der königlichen Residenz im Alcázar in Madrid tauchen daher Karl V. und Philipp II., als dessen legitimer Nachfolger, in einem Doppelporträt von Antonio Aria Fernández (1614–1684) nebeneinander auf (Abb. 1). Auch auf Seiten der österreichischen Habsburger findet sich ein Beispiel für solch eine Art Doppelporträt. Leopold I. gab 1681 ein Gemälde bei dem flämischen Maler Jan Erasmus Quellinus (1634–1715) in Auftrag, auf dem die Machtübertragung als Krönung Philipps II. durch seinen Vater dargestellt wird (Abb. 2). Da im spanischen Königreich keine zeremoniellen Krönungen stattfanden, unterstreicht das Bild vor allem die dynastische Legitimität und Kontinuität bei der Übertragung der Königswürde. Karl erscheint in dem Bild weiterhin als römisch-deutscher Kaiser, 17 Ders.: Art. „Abdankung“, in: Handbuch der politischen Ikonographie 1 (2011), S. 15–21, hier S. 16. 18 Warnke, Herrscherbildnis, S. 481–483. 19 Koller, Ariane: Die letzte Feier der Monarchia Universalis. Abdankung, Tod und Begräbnis Kaiser Karls  V., in: Tomb – Memory – Space. Concepts of Representation in Premodern Christian and Islamic Art, hrsg. v. Francine Giese, Anna Pawlak u. Markus Thome, Berlin/ Boston 2018, S. 307–344, hier S. 316–344. 20 La magnifique et sumptueuse pompe funèbre faite aus obseques et funérailles du trèsgrand et trèsvictorieus empereur Charles cinquième, célébrées en la ville de Bruxelles le XXIX. jour du mois de décembre M.D.LVIII. par Philippes Roy catholique d’Espaigne son fils, Antwerpen 1559, Bibliothèque nationale de France, Inv.-Nr. RES-OC-1661, unter: https://gallica.bnf. fr/ark:/12148/bpt6k310602f (31.01.2019).

54  Gregor Stiebert

Abb. 1: Karl V. und Philipp II., Gemälde von Antonio Aria Fernández, 1639/ 40, Museo del Prado Madrid

Abb. 2: Karl V. krönt Philipp II., Gemälde von Jan Erasmus Quellinus 1681, Kunsthistorisches Museum Wien

Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   55

der die spanische Königskrone an Philipp weitergibt und somit die Dynastie fortsetzt. Diese Sichtweise spiegelt sich auch in den Berichten der Abdankung wider.

Berichte der Abdankung Trotz fehlender zeitgenössischer bildlicher Darstellungen ist die Überlieferungslage zum eigentlichen Zeremoniell der Abdankung sehr günstig einzuschätzen. Ein ausführlicher Bericht der Abdankung findet sich in dem 1720 erschienenen Werk Johann Christian Lünigs Theatrum Ceremoniale. Das Werk diente der Sammlung verschiedener Zeremonialberichte. Es sollte eine Ordnung und Richtschnur innerhalb des Zeremoniells erstellen und ist damit ein typisches Beispiel für zeremonialwissenschaftliche Literatur. Problematisch ist bei Lünigs Bericht, dass dieser 265 Jahre nach dem eigentlichen Ereignis verfasst wurde und nicht eindeutig feststellbar ist, welche Quellen zur Abfassung des Berichtes benutzt wurden. Bereits zeitgenössisch wurden Zweifel an der Authentizität seiner Zeremonialberichte laut.21 Aufgrund der Fülle der dargestellten Zeremonien dient er dennoch als hilfreiche Quelle, um einen Eindruck über den zeremoniellen Akt der Abdankung zu erhalten. Weiterhin bietet der Bericht aufgrund seiner verlaufshaften Darstellung des Zeremoniells gute Möglichkeiten, dieses nachzuvollziehen. Zur Sammlung der Information für sein Werk bereiste Lünig zahlreiche Archive oder ließ sich durch ein Netzwerk an Korrespondenten mit Berichten beliefern.22 Die Grundlage für den Bericht zur Abdankung Karls V. lieferten dazu vermutlich auch die Akten in den Archives du Royaume in Brüssel, die später in edierter Fassung herausgegeben wurden und ebenfalls als Quelle für die Abdankung dienen. Allgemein beschreibt Lünig eine Abdankung von der Herrschaft als einen außergewöhnlichen Akt, da bei dieser der Herrscher den natürlichen Trieb [zur Herrschaft] verläugnet23. Diesem Muster folgt auch die Beschreibung des Abdankungsaktes Karls V., der am 25. Oktober 1555 im Großen Saal des Schlosses in Brüssel stattfand. Laut Lüngis Bericht wohnten der Abdankung zahlreiche Gesandte und der päpstliche Nuntius bei, ebenso wie Vertreter der niederländischen Stände, die als passive Beobachter teilnahmen und ihre Zustimmung zur Übertragung der Herrschaft signalisieren sollten. Der Kaiser stand als Herzog von Burgund im Zentrum des Geschehens und nahm auf einem erhöhten Thron in der Mitte Platz. Rechts von ihm saßen sein Sohn Philipp und an der linken Seite Maria von Ungarn (1505–1558), die gleichzeitig Statthalterin der Niederlande war.24 21 22 23 24

Vec, Zeremonialwissenschaft, S. 66 f. Ebd., S. 64 f. Lünig, Theatrum Ceremoniale, S. 807. La forme que l’empereur en faisant la cession et resignation des Pays Bas au roy nostre sire, in: Analectes Belgique ou Recueil de Pièces Inédites, Mémoires, Notices, Faits et Anecdotes

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Der Schilderung bei Lünig folgend, wurde der Akt durch die Verlesung einer Urkunde Karls eröffnet, welche Aufschluss über die Motive seiner Abdankung geben sollte. Karl danke ab, da er wegen Alters, Leibesschwachheit und anderer Ursachen [nicht mehr fähig sei] zu göttlicher Ehre, eigenem Wohlstande und Heyl [seiner] Staaten, Reiche und Unterthanen25 zu regieren. Weiterhin ließ der Kaiser ausführen, dass er öffentlich die Macht an seinen Sohn Philipp II. zu übergeben wünsche und unterstrich, dass dies aus eigener Bewegung, freyen Willen und unumschränkter Vollkommenheit26 geschehen solle. Nach der Verlesung der Abdankungsurkunde erhob sich Karl V. und lehnte sich aber, weil er wegen Schwachheit seiner Füsse allein nicht in die Höhe kommen kunte, auf Prinz Wilhelm von Oranien.27 Über die Beteiligung Wilhelms von Oraniens am Abdankungsakt Karls V. wird ausführlicher in den Abdankungsakten aus den Analectes Belgique berichtet. Demnach betritt Wilhelm sogar gemeinsam mit dem Kaiser den Saal, wobei sich Karl auf dessen Schulter stützte.28 Daraufhin bestätigte er die vorher verlesene Urkunde und gab in einer Rede einen Bericht über die Jahre seiner Regierung.29 Weiterhin bestätigte er erneut die Übertragung der Herrschaft an seinen Sohn und stellte dessen Vorzüge als Herrscher heraus. Im Anschluss ließ sich Karl von Königin Eleonora von Frankreich (1498–1558) einen Safft zur Stärkung30 reichen, um zum eigentlichen Ritual der Herrschaftsübergabe zu schreiten. Dazu kniete sich Philipp II. vor den Kaiser und küsste ihm die rechte Hand, woraufhin der scheidende Habsburger die Hand auf seinen Sohn legte und wünschte ihm mit dem Zeichen des Creuzes und Anruffung der Heiligen Dreyfaltigkeit zu der angehenden Regierung Glück.31 Schließlich appellierte Karl an die Emotionen der Zuschauer und bedauerte unter Tränen die Last32 auf Philipp zu legen, woraufhin alle Anwesenden ebenfalls in Tränen ausbrachen. Zum Abschluss des Aktes wird das Geschehen in Urkunden schriftlich fixiert, die eigenhändig durch den Kaiser besiegelt Concernant l’Historire des Pays-Bas, Bd. 1, Brüssel 1830, S. 76–78. Bei Lünig werden noch weitere Persönlichkeiten der Familie der Habsburger genannt, die bei der Zeremonie anwesend gewesen sein sollen, darunter Karls Neffen Maximilian (II.), Eleonora von Frankreich und Karls Tochter Maria von Böhmen. Bis auf Maximilian (II.) erscheint deren Anwesenheit zumindest fragwürdig. 25 Lünig, Theatrum Ceremoniale, S. 808. 26 Ebd., S. 809. 27 Ebd. 28 La forme que l’empereur en faisant la cession et resignation des Pays Bas au roy nostre sire, in: Analectes Belgique ou Recueil de Pièces Inédites, Mémoires, Notices, Faits et Anecdotes Concernant l’Historire des Pays-Bas, Bd. 1, Brüssel 1830, S. 78. 29 Dieser findet sich auf Deutsch übersetzt und vollständig ediert bei Mayer, Mathias: Die Kunst der Abdankung. Neun Kapitel über die Macht der Ohnmacht, Würzburg 2001, S. 33–64. 30 Ebd. 31 Lünig, Theatrum Ceremoniale, S. 809 f. 32 Ebd., S. 810. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   57

werden. Dieser verlässt am Ende den Saal unter erneuter Stütze durch Wilhelm von Oranien, bevor Philipp II. den Thron besteigt, der die alten Siegel Karls zerbrechen lässt, um die Urkunden anschließend neu siegeln zu lassen. Für die im Folgenden zu beschreibenden bildlichen Darstellungen der Abdankung sind die Berichte insofern wichtig, als dass sie eine Vorstellung davon liefern, wie das Zeremoniell stattgefunden hat. Die Frage nach deren Exaktheit ist für die Fragestellung von geringer Bedeutung, da sämtliche bildlichen Darstellung zeremonielle Beschreibungen dieser Art zur Grundlage nahmen.

Die Abdankung in historiographischen Darstellungen Die frühesten bekannten bildlichen Darstellungen der Abdankung, deren exakte Datierung Schwierigkeiten aufweist, wurden in zwei Kupferstichen durch Franz Hogenberg (1535–1590) angefertigt (Abb.  3).33 Der Kupferstecher gab zahlreiche Einblattdrucke zu zeitgeschichtlichen und aktuellen Ereignissen in den sogenannten Historischen Blättern, in thematisch homogenen Folgen geordnet, heraus. Die hier besprochenen Illustrationen sind vermutlich Teil einer im März 1570 erschienenen Reihe.34 Womöglich gehören beide Stiche zu einer Folge, die die Ereignisse zur Vorgeschichte der niederländischen Aufstandsbewegung illustrieren sollte.35 Diese Vermutung wird auch dadurch gestützt, dass in derselben Folge die Leichenfeier Karls V. illustriert ist, die das definitive Ende der ungeteilten Herrschaft über die Habsburger Besitzungen bedeutete. Hogenbergs Abbildungen dienten später auch zur Illustration der 1593 von Emanuel van Meteren herausgegebenen Historia und Abcontrafeytung, fürnemblich der Niederländischen Geschichte, darunter auch die Abbildungen der Abdankung.36 Während die späteren tagesaktuellen Darstellungen von Kriegsgeschehnissen im niederländisch-spanischen Konflikt wohl Berichte und Pläne anderer

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Ihre Rolle in Bezug auf die Abdankungsikonographie wurde bereits bei Schieder, Leerstelle in der Herrscherikonografie, S. 295 f. beschrieben. 34 Hellwig, Fritz (Hg.): Franz Hogenberg. Geschichtsblätter, Nördlingen 1983, S. 14. Hier findet sich auch eine Übersicht über die Verwendung und Weiternutzung der Hogenbergschen Sammlung. 35 Ebd., S. 9, 13 f. Anders als für die anderen Kupferstiche der Reihe, die eher zeitgenössische Ereignisse illustriert, ist hier die in der Forschung verwendete Bezeichnung als Geschichtsblätter berechtigt. Die im September 1570 herausgegebene Folge widmet sich vor allem Ereignissen, die mit der niederländischen Aufstandsbewegung in Verbindung stehen und damit das Tagesgeschehen kommentieren, und können eher als Bildberichterstattung bewertet werden. 36 Ebd., S. 32. Insgesamt wurden 114 Kupferstiche Hogenbergs für die Historia von Meteren benutzt.

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Abb. 3: Abdankung Karls V. als Herzog von Burgund, Kupferstich von Franz Hogenberg, um 1570

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Autoren zum Vorbild nahmen, muss die Herkunft der Informationen über die Abdankung ungewiss bleiben.37 Franz Hogenberg entstammte einer Familie von Kupferstechern und war zunächst als Kartograph in Antwerpen tätig, ehe er 1570 nach Köln übersiedelte, nachdem er als Protestant aus den Niederlanden fliehen musste.38 Dort gab er auch die besprochenen Kupferstiche im eigenen Bildverlag heraus. Seine Arbeit erfolgte auf eigenes unternehmerisches Risiko und er war selbst für den Verkauf der Drucke zuständig. Bereits sein Vater wirkte in dieser Branche ebenso wie sein Sohn, der die Werkstatt und den Vertrieb der Druckplatten fortsetzte.39 Die hogenbergschen Darstellungen in den Historischen Blättern verfolgten das Ziel einer sachlichen und möglichst unvoreingenommenen Berichterstattung. Aus diesem Grund finden sich auf den beiden Drucken, die sich mit der Abdankung befassen, auch die für die Machtübergabe wichtigen Szenen. Die Bildreime, die sich jeweils unter den Illustrationen befinden, stammen von einem anonymen Autor. Sie dienen dazu, das Geschehen eindeutig zu erklären. Die Reimform wird dabei vor allem zur besseren Merkbarkeit des Textes verwendet, sodass die kurze Information, die die Beschreibung des Bildes liefert, auch ohne Bild in Erinnerung gerufen werden kann. Damit kann den Kupferstichen auch ein belehrender Bildungsauftrag zugeschrieben werden, der zum Ziel hatte, die Ereignisse der Abdankung für die Zeitgenossen und die Nachwelt zu konservieren.40 Karls Übertragung der Herrschaft auf den Sohn wird in vier Schritten auf zwei Abbildungen dargestellt. Damit wird das gesamte Abdankungszeremoniell in mehrere Einzelschritte zerlegt, die nur in ihrer Gesamtheit die Zeremonie verständlich machen.41 Die erste Abbildung zeigt die Ehrbezeugung Philipps II. mit dem Kniefall vor Karl, der hier noch als Inhaber des Thrones erscheint. Diese Szene stellt Karl V. im Zentrum des Geschehens dar, welcher der kompletten Unterstützung seiner Untertanen bei der Machtübertragung sicher sein kann. Das Bild zeigt ihn als einzige Person neben seiner Schwester Maria sitzend, während alle anderen Anwesenden stehen. In der zweiten Darstellung steht ebenfalls Karls Handeln im Vordergrund, hier aber nun nicht mehr als Herrscher, vielmehr wird sein Abtritt von der Herrschaft gezeigt: Er 37 Ebd., S. 18 f. 38 Arndt, Johannes: Das Heilige Römische Reich und die Niederlande 1566 bis 1648 (Münstersche Historische Forschungen, Bd. 13), Köln/Weimar/Wien 1998, S. 218 f. 39 Ebd., S. 12. 40 Vliser, Karl (Hg.): Die Welt in einer Nuß. Alte Geschichtslehrwerke aus den Beständen der Universitätsbibliothek Augsburg und der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, Augsburg 2012, S. 6–61. 41 Diese zyklenhafte Darstellungsweise der Geschehnisse war auch für Krönungsdarstellungen gebräuchlich. Hattendorf, Claudia: Art. „Krönung“, in: Handbuch der politischen Ikonographie 2 (2011), S. 65–72, hier S. 70 f.

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bittet seinen Sohn auf dem Thron Platz zu nehmen, verabschiedet sich von seiner Schwester Maria und verlässt mit abgesetztem Hut in der Hand den Saal, während seine Siegel von den Urkunden entfernt werden. Ein Rest an Macht und Würde haftet ihm dabei dennoch an, da sich die anwesenden Gesandten bei seinem Abgang vor ihm verneigen. Tatsächlich war Karl zu diesem Zeitpunkt weiterhin Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, denn die anwesenden Personen zollen seiner Amtswürde auch weiterhin Respekt. Karls Abdankung ist hier noch nicht vollständig, weshalb ihm bei seinem Abgang auch weiterhin Ehre bezeugt wird. Auch durch die Beschriftung, die Karl weiterhin als Carolus C[easar] betitelt, wird auf die noch nicht vollständig erfolgte Abdankung von allen Titeln Bezug genommen; trotz der Übertragung der Niederlande bleibt er weiterhin Kaiser. Auffällig bei der Darstellung ist, dass im Vergleich zu den Abdankungsberichten vollständig auf emotionale Aspekte verzichtet wird. Der in beiden oben genannten Quellen erwähnte Tränenausbruch unterstreicht dort den symbolischen Herrschertod durch den Prozess der Abdankung, der bei den Anwesenden Trauer hervorruft.42 In den Kupferstichen dagegen bleibt diese Deutung der Abdankung aus. Einen weiteren auffälligen Unterschied zwischen der Darstellung Hogenbergs und dem Bericht bei Lünig stellt die Zusammensetzung der dargestellten Personen dar. Bis auf die Statthalterin Maria von Ungarn ist in Hogenbergs Stichen keine Frau anwesend. Damit entsprechen die Personen eher der Zusammensetzung im glaubwürdigeren Bericht in den Analectes Belgique. Möglicherweise wurden bei Lünig weitere Vertreter des Hauses Habsburg hinzugefügt, um den innerdynastischen Konsens darzustellen. Das Fehlen Maximilians (II.) (1527–1576), der möglicherweise auch an der Abdankung beteiligt war, mag in einer intendierten Reduktion der Komplexität der Darstellung liegen. Die Rolle Maximilians (II.) in der Nachfolge Karls war lange Zeit nicht eindeutig geklärt.43 Seine Anwesenheit sollte die Übereinkunft zwischen der spanischen und österreichischen Linie der Habsburger darstellen, die 1551 in den Augsburger Familienverhandlungen getroffen wurde.44 Zwar hatte zum Entstehungszeitraum Maximilian bereits die Nachfolge seines Vaters Ferdinand I. (1503–1564) als Kaiser angetreten, die Darstellung seiner Person hätte jedoch die Deutung der Szene zusätzlich erschwert. In diese Richtung lässt sich auch das Fehlen des in den Berichten der Abdankung hervorgehobenen Wilhelms von Oranien erklären, der seine Anwesenheit während des Zeremoniells seiner bis dahin geltenden Treue zum Haus Habsburg und insbeson42 Richter, Zeremonieller Schlusspunkt, S. 75–94. 43 Kohler, Alfred: Vom Habsburger Gesamtsystem Karls  V. zu den Teilsystemen Philipps  II. und Maximilians II., in: Kaiser Maximilian II. Kultur und Politik im 16. Jahrhundert, hrsg. v. dems. u. Friedrich Edelmayer (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 19), Wien 1992, S. 13–37. 44 Ebd., S. 21–24. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   61

dere zu Karl V. zu verdanken hatte.45 Nach der Inbesitznahme der Spanischen Niederlande durch Philipp II. kam es im Vorfeld des Achtzigjährigen Krieges zum Bruch mit der neuen Linie der spanischen Habsburger.46 Zum Entstehungszeitpunkt des Kupferstiches befand sich Wilhelm im Exil in Dillenburg, nachdem er seine Besitzungen zuvor vor den heranrückenden Truppen unter dem Herzog von Alba (1507–1582) verlassen musste. Auf eine Darstellung seiner Person im Kupferstich verzichtete Hogenberg also, weil Wilhelm als politischer Akteur des Konfliktes in den Niederlanden zu diesem Zeitpunkt zunächst ausgeschieden war.47 Besonders seine seither offen zur Schau gestellte Toleranz hinsichtlich der protestantischen Konfession hatte ihn für eine katholisch geprägte Öffentlichkeit diskreditiert.48 Weiterhin war die prägende Bedeutung Wilhelms für die Entwicklung in den Niederlanden zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig absehbar wie seine Rückkehr dorthin. Vielmehr erschien er nach einem missglückten Feldzug gegen Alba als finanziell ruinierter Fürst, der viel seines ehemaligen Renommees verspielt hatte.49 Eine Darstellung Oraniens bei der Abdankung hätte daher anachronistisch gewirkt und wenig zur Deutung des Geschehens beitragen können, sondern der abgebildeten idealisierten Darstellung einer (katholischen) Universalmonarchie unter Karl V. entgegengewirkt. Im Gegensatz dazu zeigt sich in der zweiten zu besprechenden bildlichen Darstellung der Abdankung ein gewandeltes Bild Wilhelms von Oranien. Sie entstand zwei Jahrhunderte nach der Darstellung Hogenbergs und befindet sich im zwanzigsten Band von Jan Wagenaars (1709–1773) Vaderlandsche historie (1751) (Abb. 4)50, die in insgesamt 40 Büchern aus der niederländischen Geschichte berichtet. Das Werk gilt 45 Wilhelm galt als Gewährsmann Karls V., nachdem er sich als Anführer einer Reiterkompanie verdient gemacht hatte. Die Anwesenheit während des Abdankungszeremoniells wird einerseits als Zeichen der Freundschaft zwischen dem Kaiser und Wilhelm gedeutet, andererseits auch als Zeichen für die besondere Position Wilhelms. Sie unterstreicht außerdem die Autorität Karls als Herrscher, indem er scheinbar willkürlich Mitglieder des niederländischen Adels emporhebt. Ausführlicher dazu: Mörke, Olaf: Wilhelm von Oranien (1533–1584). Fürst und „Vater“ der Republik, Stuttgart 2007, S. 55–60. 46 Greevers, Liesbeth: Family Matters: William of Orange and the Habsburgs after the Abdication of Charles V (1555–67), in: Renaissance Quarterly 63 (2010), S. 459–490. 47 Ausführlicher zum Konflikt in den Niederlanden und Wilhelms Rolle während der Frühphase, siehe Mörke, Wilhelm von Oranien, S. 122–155. 48 Ausführlich zur Religionspolitik Wilhelm von Oraniens und zu seiner Haltung zur Reformation siehe Plate, Oliver: Wilhlem I. von Oranien, in: Herrschaft und Glaubenswechsel. Die Fürstenreformation im Reich und Europa in 28 Biographien, hrsg. v. Susan Richter u. Armin Kohnle, Heidelberg 2016, S. 353–372. 49 Vetter, Klaus: Wilhelm von Oranien. Politische Meinungsbildung und politische Praxis, in: Europäische Herrscher. Ihre Rolle bei der Gestaltung von Politik und Gesellschaft vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, hrsg. v. Günter Vogler, Weimar 1988, S. 85–94. 50 Wagenaar, Jan: Vaderlandsche historie, Bd. 5, Amsterdam 1751, S. 435.

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Abb. 4: Übertragung der Niederlande durch Kaiser Karl V. an seinen Sohn Philipp im Jahr 1555, Kupferstich von Simon Fokke, ca. 1751

als erstes vollständiges Geschichtswerk der nördlichen Niederlande und verschreibt sich dem Ziel, Geschichte unparteiisch und nicht richtend darzustellen.51 Inhaltlich soll eine Art Nationalgeschichte geschrieben werden, die über die Geschichte der einzelnen Provinzen hinausgeht.52 Der Inhalt des Geschichtswerkes wird von mehreren bildlichen Darstellungen illustriert. Die Illustration der Abdankung stammt von Simon Fokke (1712–1784)53 und ist äußerlich in die Zeit des Buches verortet, was vor allem an der zeitgenössischen Kleidung des 18. Jahrhunderts sichtbar wird. Woher der Kupferstecher die Inspiration zur Darstellung nahm, bleibt ungeklärt. 51 Dunk, Hermann von der: Rezension zu: Bron, Waarheid en de Verandering der Tijden. Jan Wagenaar (1709–1773). Een historiografische studie by L.  H.  M. Wessels, in: Historische Zeitschrift 268 (1999), S. 209–211. 52 Vorwort von Wagenaar, Jan: Vaderlandsche historie, Bd. 1, Amsterdam 1749, S. II. 53 Eine Biographie des Kupferstechers findet sich bei Buijnsters-Smets, L.: Simon Fokke (1712– 1784) als boekillustrator, in: Leids Kunsthistorisch Jaarboek  4 (1985), S.  127–146. Fokke machte sich mit der Arbeit an der Vaderlandischen Historie einen Namen. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   63

Wie bei Hogenberg wird auch hier der Fokus der dargestellten Personen auf die maßgeblichen Akteure des Zeremoniells beschränkt, wobei außer Karl V., Philipp II. und Wilhelm von Oranien die anwesenden Personen eher ungeordnet dabeistehen und weniger stark in ein Ordnungsschema eingefügt sind, als in Zeremonialberichten überliefert. Die bei Hogenbergs Darstellung erkennbare strikte Einhaltung des Zeremoniells kommt in Fokkes Darstellung weniger klar zur Geltung. Das gesamte Zeremoniell wird hier auf die Abbildung der Szene der Machtübertragung an Philipp II. reduziert. Die Darstellung weist auf den ersten Blick große Schnittmengen mit den Berichten der Abdankung auf, die bis ins Detail gehen. Beispielsweise hält Karl ein Papier in der Hand, das ihm während seiner Ansprache als Gedächtnisstütze gedient haben soll. Auch im Text des historiographischen Werkes, das durch Fokke illustriert wurde, spiegelt sich die Nähe zu den Berichten der Abdankung wider, beispielsweise durch wortwörtliche Zitate aus verschiedenen Abdankungsberichten, die nicht näher belegt sind.54 Dennoch interpretiert Fokke das Geschehen stärker zu Gunsten Wilhelms von Oranien und der niederländischen Stände, was allein schon in der Beschränkung auf die Szene zur Übertragung der Herrschaft zum Ausdruck kommt. Weiterhin ist in der Bildunterschrift ungenau von der Übertragung der Niederlande und nicht der Würde des Herzogs von Burgund die Rede. Eine Trennung des gesamten burgundische Erbes, wie es ab Beginn des Achtzigjährigen Krieges unter Mitwirkung von Wilhelm von Oranien stattfand, wird damit schon vorweggenommen. Wilhelm erscheint daher in der Abbildung als jugendlicher dynamischer Fürst, der im krassen Gegensatz dazu den stark gealterten Kaiser stützen muss. Seine Bedeutung während des Zeremoniells wird hier im Gegensatz zu den Berichten besonders hervorgehoben. Beide stehen erhöht auf einem Podest unter einem Baldachin, während Philipp II. eine Stufe unter ihnen einen Kniefall andeutet. Bildlich steht Wilhelm damit fast auf einer Stufe mit Karl, jedoch deutlich über Philipp, der sich beiden zu unterwerfen scheint. Die strikte Form des Zeremoniells scheint weitgehend aufgehoben; es ist keinerlei Huldigung der niederländischen Stände zu erkennen, wie sie laut den Zeremonialberichten stattgefunden hat. Einzig Philipp  II., der eigentliche zukünftige Herrscher, wird in demütiger Geste dargestellt; er erscheint als rangniederer Fürst, der vor Wilhelm von Oranien als Stellvertreter der niederländischen Stände knien muss. Die Persönlichkeit Wilhelms von Oraniens war für die Herausbildung eines niederländischen Nationalbewusstseins besonders wichtig.55 Im Zuge dieser Mythi54 Ein gesamtes Kapitel ist der Abdankung gewidmet, siehe dazu Wagenaar, Vaderlandsche historie, Bd. 5, Amsterdam 1751 S. 431–434. 55 Maczkiewitz, Dirk: Der niederländische Aufstand gegen Spanien (1568–1609). Eine kommunikationswissenschaftliche Analyse (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas, Bd. 12), Münster 2005, S. 305–320.

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sierung nahm die Darstellung seines Todes eine große Bedeutung in Gemälden ein, die gerade im 19. Jahrhundert zu einer Art Nationalmythos avancierte.56 Besonders deutlich wird das an der Zuschreibung des Titels pater patriae, der bereits zu Lebzeiten zum Zweck der Eigenpropaganda benutzt wurde und nach Wilhelms Ermordung 1584 auch auf einer Inschrift auf seinem Grab Verwendung fand.57 Gleichzeitig standen die Zeremonien zu seinem Begräbnis denen eines Königs in nichts nach.58 Die Entstehungszeit der Vaderlandschen historie Wagenaars liegt direkt nach der statthalterlosen Periode, in welcher eine heftige publizistische Auseinandersetzung zur Rolle Wilhelms von Oranien stattfand. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Werkes herrschte in den Niederlanden eine versachlichte Sicht auf die Wirkung des Prinzen von Oranien vor.59 Politisch wird diese Zeit dadurch geprägt, dass ab 1747 das Haus Oranien unter Wilhelm IV. erneut das Amt des Generalstatthalters innehatte. Jan Wagenaar, der Autor der Vaderlandschen historie, war eher negativ gegenüber der neuen OranjeStatthalterschaft eingestellt.60 Dies kommt auch in seiner Historie zum Ausdruck, in welcher er von der Freiheit der Niederlande berichten möchte, ohne sich dabei auf Personen der Herrschaft zu stützen: Wy stellen ons voor, de Historie van het Volk, niet zo zeer die van den Vorst, te beschryven.61 Im Werk selbst wird daher die Rolle ­Wilhelms von Oranien auch eher neutral bewertet und weniger glorifiziert, auch wenn er als Akteur des Achtzigjährigen Krieges in mehreren Büchern Raum einnimmt. Einer Deutung der Anwesenheit Wilhelms von Oranien (1533–1584) bei der Abdankung Karls verwehrt sich Wagenaar hingegen. Es herrscht hier also eine Diskrepanz zwischen Text und der bildlichen Darstellung vor.

56 Slechte, Henk: Niederlande. Durch eigene holländische Kunst angeregt, fühle ich, daß ich Holländer bin, in: Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama, hrsg. v. Monika Flacke, München/Berlin 1998, S. 235–238. 57 Mörke, Wilhelm von Oranien, S. 162–165. 58 Vgl. dazu auch die Darstellungen der Zeremonie in einem Kupferstich durch Franz Hogenberg bei Hellwig, Geschichtsblätter, S. 262. Ausführlich zur Beerdigungskultur der Statthalter Janssen, Geert H.: Political Ambiguity and Confessional Diversity in the Funeral Processions of Stadholders in the Dutch Republic, in: Sixteenth Century Journal 40 (2009), S. 283–301. 59 Mörke, Wilhelm von Oranien, S. 265 f. 60 Bakker, Pieter Huisinga: Het leeven van Jan Wagenaar: benevens eenige brieven van en aan denzelven, Amsterdam 1776, S. 33–36. 61 Wagenaar, Jan: Vaderlandsche historie, Bd. 1, Amsterdam 1749, S. V. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   65

Die Abdankung in Historienbildern Ein weiteres Genre, das sich der Abdankung Karls V. widmete, stellen Historiengemälde dar. Stilprägend für diese sind vor allem die Kriterien nach Leon Battista Alberti (1404–1472), der im Rahmen der Kunsttheorie der Renaissance diese Gemälde weniger nach inhaltlichen als eher nach stilistischen Kriterien bewertete. Nach ihm prägten besonders komplexe Darstellungen mit zahlreichen Figuren unterschiedlichen Alters und Geschlechts das Genre. Die Bilder sollten eine komplexe Erzählung bieten, die eine facettenreiche Bildkomposition ermöglichten. Dadurch erscheine dem Betrachter der Inhalt des Bildes weniger einförmig, was der Vermittlung der Bild­inhalte diene. Dies wiederum stelle die Erfüllung der Hauptaufgabe des Bildes sicher, zu erfreuen und zu bewegen.62 Eine belehrende Aufgabe von Historiengemälden kam vor allem nach dem Konzil von Trient hinzu.63 Um die Aufgaben des Historienbildes zu erfüllen, kam es bei der Darstellung weniger auf die historische Wirklichkeit an. Wichtiger war vielmehr, dass das Dargestellte mit großer Wahrscheinlichkeit so geschehen sein könnte, wie es im Gemälde dargestellt ist. Wundersame Erscheinungen oder die bildliche Vereinigung von Akteuren verschiedener Epochen kommen im Historienbild somit seltener zum Ausdruck. Eine Schwierigkeit ergibt sich hierbei daraus, dass sich die Darstellung auf einen bestimmten Moment des Geschehens beschränken muss. Dennoch ist es möglich, die Handlung des Bildes als Verlauf darzustellen, in dem in einem Gemälde mehrere Geschehnisse parallel dargestellt werden.64 Eine vielschichtigere Art der Darstellung ergibt sich, wenn das Historiengemälde zwar ein historisches Ereignis zur Grundlage nimmt, dieses aber allegorisch bearbeitet und somit weitere Interpretationsmöglichkeiten anbietet. Die dritte zu besprechende Darstellung ist jenem Genre zuzuordnen und steht damit im Gegensatz zu den bereits diskutierten Illustrationen Hogenbergs und Fokkes. Das zwischen 1630 und 1640 entstandene Gemälde Frans Franckens (II.) (1581– 62 Diese Ansicht geht auf die Kunsttheorie Leon Battista Albertis und dessen Werk Della Pictura (1435/36) zurück. Dazu: Blum, Gerd: Das Kunstwerk als Modell für Gott. Die Umkehrung der Analogie von Gott und Künstler bei Leon Battista Alberti, Anton Francesco Doni und Giorgio Vasari, in: Gegenwelten, hrsg. v. Christoph Bertsch u. Viola Vahrson (Universität Innsbruck. Institut für Kunstgeschichte: Ausstellungskatalog 27), Innsbruck/Wien 2014, S. 304–315, hier S. 309–311. 63 Baumgarten, Jens: Konfession, Bild und Macht. Visualisierung als katholisches Herrschaftsund Disziplinierungskonzept in Rom und im habsburgischen Schlesien (1560–1740) (Hamburger Veröffentlichungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas, Bd. 11), Hamburg/München 2004, S. 32–40. 64 Roeck, Bernd: Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit. Von der Renaissance zur Revolution, Göttingen 2004, S. 212 f., 222 f. Das wohl beste Beispiel für eine solche Paral­ leldarstellung stellt der Teppich von Bayeux aus dem 11. Jahrhundert dar, der die Eroberung des englischen Festlandes durch Wilhelm den Eroberer zeigt.

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Abb. 5: Allegorie auf die Abdankung von Kaiser Karl V. in Brüssel, Gemälde von Frans Francken (II.), 1630–1640, Rijksmuseum Amsterdam

1642) stellt die Abdankung Karls V. in allegorischem Zusammenhang mit der Idee der Universalmonarchie dar (Abb. 5).65 Abgebildet wird hier kein zeremonieller Akt der Abdankung, sondern vielmehr die Aufteilung des Weltreiches Karls V. unter der spanischen und österreichischen Linie der Habsburger. Der Umfang seines Reiches wird durch die Allegorien der Kontinente Amerika, Afrika und Asien dargestellt, die dem thronenden Kaiser huldigen. Auf der linken Seite bringen Nymphen und eine Neptunsfigur dem Kaiser Gaben vor seinen Thron – ein Hinweis auf den Seehandel und die Herrschaft über das Meer, die wichtige Aspekte der Herrschaft des Weltreiches darstellten. Der Wahlspruch Karls, plus ultra, findet sich auf einem Spruchband, das die Säulen des Herkules, ebenfalls ein Hinweis auf die Universalmonarchie, zu

65 Ausführlich kunsthistorisch besprochen wird dieses Gemälde bei Horn, Hendrik J.: The ‚Allegory on the Abdication of the Emperor Charles V‘ by Frans Francken II: Some Observations on the Iconography of Antwerp’s Plight in the Early Seventeenth Century, in: Revue d’Art Canadienne/Canadian Art Review 13 (1986), S. 23–30. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   67

sammenhält. Diese sind allerdings überkreuzt und scheinen kurz vor dem Kippen zu stehen, deuten somit das Ende der Universalmonarchie an.66 Tatsächlich kam es mit der Trennung des Hauses Habsburg in eine spanische und eine österreichische Linie zum faktischen Ende der Universalmonarchie.67 Dies wird im Gemälde vor allem durch die Nebeneinanderstellung der Protagonisten beider Linien verdeutlicht. An realen Personen sind zwei Gruppen auszumachen, die sich links und rechts des Kaisers aufteilen. Die linke Seite wird von Karls Bruder Ferdinand angeführt, der damit die österreichische Linie der Habsburger versinnbildlicht. Auf der anderen Seite steht Philipp II. einer Personengruppe vor, welche für den spanischen Familienzweig steht. Der Szene wohnen außerdem drei Personifikationen der Habsburger Herrschaftsgebiete bei, die jeweils eine Standarte mit den Wappen sämtlicher Gebiete hochhalten. Darunter sind die siebzehn Provinzen der Spanischen Niederlande, das Königreich Spanien sowie die italienischen Gebiete zu finden. Weiterhin ist eine Personifikation des Heiligen Römischen Reiches, die durch eine Krone und ein Schwert dargestellt wird und in einen roten Adlermantel gehüllt ist, Teil der Szenerie. Daneben gesellt sich eine weitere Frauenfigur dazu, die vermutlich eine Allegorie auf Europa darstellt.68 Damit sind alle Herrschaftsgebiete Karls vereinigt, die gemeinsam den Anspruch der Universalmonarchie darstellen. Karl, der majestätisch erhöht auf einem Podest unter einem Baldachin thront, teilt zwischen beiden Gruppen mit offener Geste seine Herrschaft auf. Vor ihm liegen noch die Insignien seiner Macht: Reichsapfel und Schwert. Er selbst scheint der Macht noch nicht vollständig entsagt zu haben und trägt die Kronen sowie die Collane des Ordens vom Goldenen Vlies. Dies drückt das Fortbestehen der Idee der Universalmonarchie aus, die auch nach seiner Abdankung erhalten bleibt. Im Gegensatz dazu ist im linken Bildhintergrund zu erkennen, wie der altersschwache Kaiser in einer Sänfte in das Kloster Yuste, wo er seinen Lebensabend verbrachte, gebracht wird. Das kann als Verweis auf die oben bereits erwähnte Trennung von body politic und body natural während der Abdankung gedeutet werden. Während Karls sterblicher natürlicher Körper ins Kloster nach Yuste gebracht wird, bleibt der politische Körper weiterhin auf dem Thron in der Mitte. Der Idee nach hat somit die Herrschaft der Habsburger weiterhin Bestand. Als eine von wenigen Gemeinsamkeiten zwischen der Allegorie und den Abdankungsberichten können die Urkunden gedeutet werden, die mit gebrochenen Siegeln zerrissen auf dem Thronpodest des Kaisers liegen. Auch die Szenerie mit dem Thron 66 Schneider, Norbert: Historienmalerei. Vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert, Köln/ Wien/Weimar 2010, S. 62 f. 67 Kohler, Karl V., S. 349 f. 68 Zu den Figuren im Einzelnen siehe McGrath, Elizabeth: Humanism, Allegorical Invention, and the Personification of the Continents, in: Concept, Design & Execution in Flemish Painting (1550–1700), hrsg. v. Hans Vlieghe, Turnhout 2000, S. 43–72.

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erinnert an den Thronsaal in Brüssel. Ansonsten hat die Darstellung weniger die Abdankung in den Niederlanden zum Thema als vielmehr eine Verherrlichung der Universalmonarchie und der Herrschaft Karls V. sowie deren Aufteilung in eine spanische und österreichische Linie der Habsburger.69 Dennoch kann das Gemälde als bildliche Verarbeitung der Abdankung gewertet werden. Das drückt sich auch im offiziellen Titel des Gemäldes, Allegorie op de troonsafstand van keizer Karel V te Brussel, aus. Dieser ist nicht etwa eine spätere Zuschreibung, das Gemälde war bereits bei seiner Entstehung als Abdankungsgemälde gedacht, wie die Widmung am unteren rechten Bildrand verrät: S. R. Imperii spontanea resignatio a Carolo V Imp.70 Warum das Gemälde, welches explizit auf die Universalmonarchie rekurriert, gerade die Abdankung und Teilung der Herrschaft zum Vorbild nimmt, wird aus dem Entstehungskontext des Bildes deutlich. Wie zahlreiche andere Gemälde aus den Spanischen Niederlanden glorifiziert es die Herrschaft Karls V. als Blütezeit der Niederlande.71 Es erinnert damit an die Vergangenheit, in der alle siebzehn Provinzen vereinigt waren. Mit der Abdankung Karls zerbrach diese Einheit endgültig – nicht nur mit der Aufteilung in eine spanische und eine österreichische Linie der Habsburger, sondern auch durch Auflösungserscheinungen in den Niederlanden. Dies bestätigt auch die Widmung des Bildes, die auf dessen Herkunftsort verweist. Es ist in Brüssel im Auftrag des unbekannten Kunstpatrons Petri de Hannicart72 entstanden. Gerade die südlichen Spanischen Niederlande, zu denen auch Brüssel gehörte, erlebten einen wirtschaftlichen Verfall, nachdem sich die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen ab 1581 mit der Unabhängigkeitserklärung in dem Plakkaat van Verlatinghe vom Süden löste.73 Die verkleinerten Spanischen Niederlande stellten einen Hauptschauplatz der kriegerischen Auseinandersetzung im Kampf um die Unabhängigkeit dar. Der aufziehende Konflikt ist im rechten Hintergrund des Bildes 69 In gleiche Richtung äußert sich Schieder, Leerstelle in der Herrscherikonografie, S. 296. 70 Vollständig lautet der Widmungstext: S.R. Imperii spontanea resignatio a Carolo V Imp. in Ferd. I Fr. regnorumq. haered. in Phlm. II Hisp. Regem Fil. Facta Brux. Ae 1555. Ex inven. D. Petri. de Hannicart. Übersetzt: Die freiwillige Abdankung von Karl V. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zugunsten Ferdinands I., seinem Bruder und Erben der Herrschaft von Österreich und Ungarn und von Philipp II., seinem Sohn und König von Spanien in Brüssel 1555. 71 Horn, Allegory on the Abdication, S. 27–29. Rubens gilt beispielsweise als Anhänger einer Idee der Wiedervereinigung der Niederlande. 72 Der Auftraggeber des Gemäldes stilisiert sich in der Widmung zum Erfinder der Darstellung. Tatsächlich ist die Zusammenstellung aller Figuren von Francken selbst erdacht, der dafür sein Gemälde der Hommage des Meeres an Apollo, welches im Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte Oldenburg hängt, zum Vorbild nimmt. McGrath, Personification of the Continents, S. 62 f. 73 Ausführlich dazu Erbe, Michael: Belgien, Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen Raumes, Stuttgart 1993, S. 160–162. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   69

durch die emporragenden Speerspitzen dargestellt, die unter dem Torbogen zu erkennen sind. Als wichtige Akteure des Konfliktes sind links neben der Standarte vermutlich Wilhelm von Oranien74 und neben ihm der Herzog von Alba75 zu erkennen. Besonders während der Statthalterschaft Albas kam es zu einer langanhaltenden Anwesenheit von Militär im Land, die eine Auswanderungswelle zur Folge hatte. Die Republik der Niederlande profitierte davon, indem sie sich im 17. Jahrhundert, ihrem Goldenen Zeitalter, zu einer Handelsmacht entwickeln konnte, während der Süden wirtschaftlich abfiel.76 Dass beide Akteure dieses Konfliktes im Bild friedlich vereint und unbewaffnet an der Seite Philipps II. stehen, drückt die Hoffnung auf eine (Wieder-) Vereinigung mit dem Norden aus.77 Die faktische völkerrechtliche Anerkennung der Trennung der Republik der Niederlande von den Spanischen Niederlanden erfolgte erst 1648 in den westfälischen Friedensverträgen. Aus diesem Grund war eine Vereinigung zu diesem Zeitpunkt noch denkbar; genau diese Hoffnung kommt mit der Allegorie zum Ausdruck. Dieses positive Geschichtsbild von der Regierung Karls V. zeigt sich auch in weiteren Darstellungen jener Epoche. Beispielsweise wurde anlässlich des Einzugs des Kardinalinfanten Ferdinand von Spanien (1609–1641) in Gent ein Zyklus von Wandteppichen zum Leben Karls V. in Auftrag gegeben, der auch die Abdankung thematisierte.78 Die Tapisserie, die Philipp II. und Karl V. ins Zentrum des Geschehens rückt und die versammelten niederländischen Adligen nur ganz am Rand abbildet, kann als Teil einer pro-habsburgischen Erinnerungskultur gewertet werden, die besonders in den Spanischen Niederlanden vorherrschte.79 Ein Motiv für die positive Bewertung der Vergangenheit unter Karl V. war der Schutz vor französischer und nordniederländischer Bedrohung, den sich große Teile der südniederländischen Bevölkerung vom neuen Habsburger Statthalter Ferdinand erwarteten. In der Epoche der Romantik wird die Abdankung Karls V. als beliebtes Motiv erneut aufgegriffen. Ein Beispiel dafür ist das Historiengemälde Louis Gallaits (1838– 1841) (Abb.  6), das der Künstler unter Hinzuziehung mehrerer Personenstudien 74 Dieser ist besonders akzentuiert dargestellt, während die anderen dargestellten Personen ­dieser Gruppe eher in den Hintergrund treten. Das könnte einen Verweis auf die Wichtigkeit des Akteurs darstellen. 75 Für diesen sprechen die Kleidung im typischen schwarzen spanischen Mantelkleid und die Ordenskette vom Goldenen Vlies. 76 Wee, Hermann van der: Die Niederlande 1350–1650, in: Handbuch der Europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 3, hrsg. v. Hermann Kellenbenz, Stuttgart 1986, S. 599 f. 77 Erbe, Belgien, Niederlande, Luxemburg, S. 163 f. 78 Campbell, Thomas P./Bertrand, Pascal-François (Hgg.): Tapestry in the Baroque. Threads of Splendor, New York/New Haven 2007, S. 214. Die Wandteppiche befinden sich heute im Salle de Tenture Musée de Temps in Besançon. 79 Steen, Jasper van der: Memory Wars in the Low Countries, 1566–1700 (Studies in Medieval and Reformation Traditions, Bd. 190), Leiden/Boston 2015, S. 196–208.

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Abb. 6: Die Abdankung des Kaisers Karl V. zugunsten seines Sohnes Philipp II. in Brüssel am 25. Oktober 1555, Gemälde von Louis Gallait, 1838–1841, Städel Museum Frankfurt

der einzelnen handelnden Akteure entwarf.80 Das 1841 entstandene Werk war ein Auftragswerk des belgischen Königs Leopolds  I. und wurde zunächst im deutschsprachigen Raum in mehreren Städten dem Publikum vorgeführt. Die zeitgenössische Kunstkritik deutete es als ein Zeichen der politischen Emanzipation Belgiens, das sich erst 1830 unabhängig von den Niederlanden erklärt hatte.81 Dabei wurde besonders die Farbigkeit und Lebendigkeit der Szene hervorgehoben, die in Bezug zu Darstellungen von Rubens zu verstehen seien. Dies sei ein Zeichen dafür, dass sich mit der Kunst auch die nationale Kultur Belgiens emanzipiere. Im Gegensatz dazu wurde die deutsche Historienmalerei kritisch gewertet, da diese sich aufgrund feh-

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Die Studien befinden sich ebenso wie eine weitere Version des Gemäldes in der Sammlung des Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique in Brüssel. Ein Vergleich von Gallaits Gemälde mit der Allegorie Franckens findet sich bei Waal, Henri van de: Drie eeuwen vaderlandsche geschied-uitbeelding, 1500–1800. Een iconologische studie, Leiden 1952, S. 1 f. Darin wird allerdings lediglich auf den mangelnden Realitätsbezug in der allegorischen Darstellung bei Francken eingegangen, ohne beide Gemälde näher zu interpretieren. Eine ausführliche kunsthistorische Deutung des Bildes liefert: Voisin, Auguste: Abdication de Charles Quint par M Louis Gallait. Légende Historique et Descriptive, o. O. 1841. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   71

lender National­staatlichkeit nicht zu solchen Höhen emporschwingen könne.82 Das Gemälde erfüllt damit die Funktion eines Historienbildes im Zeitalter des Historismus. Nicht mehr die Darstellung einer Idee durch eine allegorische Bildsprache ist entscheidend, sondern vielmehr die Greifbarkeit eines historischen Ereignisses durch eine unmittelbare und detaillierte Art der Darstellung. Die Geschichtsschreibung selbst dient für das Historiengemälde gleichzeitig als vermittelnde Instanz und eine Art Filter des Ereignisses.83 Nur was durch diese überliefert wurde, konnte auch dargestellt werden. Gallait nutze daher auch mehrere Geschichtswerke als Vorlage für das Gemälde.84 Anders als bei Franckens Darstellung der Abdankung, die ebenfalls ein Beispiel für Historienmalerei ist, folgt Gallaits Gemälde einem neuen Ziel. Der Betrachter soll unvermittelt in das Geschehen eingebunden werden und somit in stärkeren Kontext zum Dargestellten gesetzt werden. Nicht die Vermittlung der Botschaft durch ein Bild mit allegorischen Mitteln steht hier im Fokus der Bildidee, sondern das unmittelbare Erleben des Geschehens. Der Betrachter wird damit aktiv in einen Prozeß der politischen Bewußtwerdung85 einbezogen. Um all dies gestalterisch darstellen zu können, verarbeitet Gallait sämtliche in den Quellen erwähnten Details und ordnet diese seinen künstlerischen Vorstellungen entsprechend an. Die dargestellten Personen sind hier viel weniger streng hierarchisch angeordnet als bei den bisher besprochenen Bildern. Gallait zeigt eine Szene, in der Karl V. gestützt auf Wilhelm von Oranien seinem vor ihm knienden Sohn die Hand auflegt, um die Herrschaft auf ihn zu übertragen. Der oben bei der Beschreibung des dritten Gemäldes angesprochene Konflikt wird hier vermieden, da Philipp und Wilhelm auf einer Stufe stehen, der scheidende Kaiser jedoch eine Stufe höher. Der in den Berichten der Abdankung erwähnte Tränenausbruch zeigt sich hier, anders als bei den anderen besprochenen Gemälden, eindeutig. Mit der detailgetreuen Darstellung wesentlicher Persönlichkeiten, die bei der Abdankung anwesend gewesen und alle eindeutig zuordenbar sind, ist das Bild ein Beispiel für den Anspruch an eine empirisch, den Quellen folgende Geschichtswissenschaft nach den Idealen des Historismus.86 Sie begründet damit auch den Anspruch, rechtfertigende Ursachen für Erscheinungen 82 Scholl, Christian: Revisionen der Romantik. Zur Rezeption der „neudeutschen Malerei“ 1817–1906 (Ars et Scientia, Bd. 3), Berlin 2010, S. 155 f. 83 Fleckner, Uwe: Die Ideologie des Augenblicks. Ereignisbilder als Zeugen und Protagonisten der Geschichte, in: Bilder machen Geschichte, hrsg. v. dems. (Studien aus dem WarburgHaus, Bd. 13), Berlin 2014, S. 11–13. 84 Voisin, Abdication Charles V, S. 15. 85 Fleckner, Uwe: Art. „Historienbild“, in: Handbuch der politischen Ikonographie 2 (2014), S. 512. 86 Wittkau, Annette: Historismus. Zur Geschichte des Begriffs und des Problems, Göttingen 1992, S. 13–16.

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der Gegenwart aufzuzeigen. Der sehr souverän wirkende Wilhelm von Oranien kann daher als Verkörperung des zeitgenössischen niederländischen, vor allem aber auch eines belgischen Staates gewertet werden. Genau das ist der Kontext, in dem das Auftragswerk durch den belgischen König Leopold I. zu deuten ist. Trotz der Unabhängigkeitserklärung von den Niederlanden 1830 wird ein Motiv gewählt, welches vor allem für einen niederländischen Nationalmythos von Bedeutung zu sein scheint. Dieser vermeintliche Widerspruch ist damit zu erklären, dass der Achtzigjährige Krieg mit Wilhelm von Oranien auch für eine belgische Nationalidentität bedeutsam war.87 Nach Ansicht der zeitgenössischen Kunstkritik hat Gallait in dem Gemälde die Rolle Oraniens bereits vorweggenommen, der hier als politisch kluger und selbstsicherer Fürst erscheint.88 Das Gemälde rekurriert somit weniger auf die Machtübergabe an Philipp II., sondern vielmehr auf die zukünftigen Ereignisse des Kampfes um die niederländische Unabhängigkeit, die auch für die spätere Herausbildung des belgischen Staates entscheidend waren.

Fazit Die Abdankung Karls V. war ein Ereignis, das in der Nachwelt in verschiedenen Kontexten bildlich rezipiert wurde und somit unter gewandelten Bedingungen und Interpretationen eine Nachwirkung entfalten konnte. Während im Umfeld der spanischen und österreichischen Habsburger die Abtretung der Herrschaft nur am Rande unter dem Fokus auf dynastische Kontinuität verarbeitet wurde, sah dies im Kontext bürgerlicher Bildproduktion anders aus. Hier zeigte sich, dass die Abdankung Karls V. unter historiographischen Gesichtspunkten neu bewertet wurde. Die Intention zur Verarbeitung war in den jeweiligen historischen Kontext eingebettet und reichte von einer sachlichen Berichterstattung bis zu einer Verklärung im Sinne eines Geschichtsmythos. Vor allem in der Darstellung Wilhelms von Oranien ergaben sich dabei Unterschiede, die mit dessen Rolle während des Achtzigjährigen Krieges zu erklären sind. Je nach Provenienz der Darstellung wird dessen Rolle besonders hervorgehoben oder vernachlässigt. Das hängt mit seiner Wahrnehmung einerseits als pater patriae, andererseits als Unruhestifter zusammen. Unter diesen Vorzeichen unterlag auch die Deutung der Abdankung selbst einem Wandel. Zunächst bei Hogenberg als relativ nüchterner Rechtsakt gedeutet, wird es vor allem im Verlauf des Konfliktes um die

87 Koll, Johannes: Belgien. Geschichtskultur und nationale Identität, in: Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama, hrsg. v. Monika Flacke, München/Berlin 1998, S. 55–77, hier S. 69 f. 88 Voisin, Abdication de Charles Quint, S. 18. Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   73

niederländische Unabhängigkeit als Beginn der Trennung zwischen der Republik der Niederlande und den Spanischen Niederlanden angesehen. Eigen ist den Abdankungsdarstellungen auch, dass sie teilweise auf überlieferte Details aus den Berichten des zeremoniellen Aktes zurückgreifen, die dafür sorgen, dass die Illustrationen als Abdankungsszenen zu erkennen sind. Meist steht der Moment des Rituals zur Übertragung der Macht von Karl V. an Philipp II. im Vordergrund, wobei in allen Darstellungen dem neuen spanischen Herrscher nur eine passive Rolle zukommt. Da die Abdankung jedoch nicht zur Illustration einer Herrschaftsidee oder Politik Philipps II. genutzt wurde, sondern u.a. von der Nachwelt im gewandelten historischen Kontext zur Fundierung eines nationalen Geschichtsbildes Bedeutung erlangte, stellte dies kein Problem dar. Der spanische Herrscher bediente sich stattdessen des relativ neuen Typus des Herrscherporträts.89 Die Darstellungen legen den Fokus auf den Abdankungsakt als Übergang des ehemaligen Universalherrschers hin zum freiwillig machtlos gewordenen Fürsten. Abhängig vom jeweiligen historischen Kontext treten in den Darstellungen der Abdankung neue Akteure an die Stelle des nun machtlosen Habsburger Herrschers. Sie dienen damit der Legitimation neuer Formen der Herrschaft. Aus diesem Grund erscheint in der Darstellung Simon Fokkes Wilhelm von Oranien auch als gleichrangig mit dem abdankenden Kaiser. Zwar wird historisch korrekt die Übertragung der Herrschaft an Philipp II. dargestellt. Die Art der Darstellung setzt aber eher Wilhelm von Oranien in den Fokus und lässt die Abdankung als Geburtsstunde einer oranisch regierten Republik der Niederlande erscheinen. Ähnlich erscheint auch der Fokus auf Wilhelm von Oranien bei Louis Gallait. Mit dem Ziel, den Betrachter in das Ereignis hineinzuziehen und zur Parteinahme für einen Akteur zu gewinnen, wird die Machtlosigkeit Karls V. in dem Gemälde als ein Detail aus vielen verschiedenen weiteren geschildert. Im Gegensatz dazu kann in Darstellungen der Abdankung die Machtlosigkeit auch vollkommen ignoriert werden, wie beispielsweise im Gemälde Frans Franckens. Als Erinnerung an eine Vergangenheit, in der Wohlstand herrschte, wird die Abdankung hier losgelöst von der Machtlosigkeit als Moment gedeutet, in dem die Habsburger Territorien noch universell monarchisch vereint waren. Einen Mittelweg zwischen beiden dargestellten Interpretationen wählt Franz Hogenberg indem er das Zeremoniell der Abdankung in mehrere Schritte zerlegt und somit Karl V. zunächst als souveränen Herrscher über alle Habsburger Territorien darstellt. Im zweiten Teil behält er immer noch einen Teil seiner Macht als römisch-deutscher Kaiser. Die Herrschaft über die Niederlande wird hier als legitimer Rechtsakt reibungslos an Philipp II. übergeben. Mit dem Verzicht auf die Darstellung Wilhelms von Oranien lässt Hogenberg keinerlei Interpretationsspielraum für eine Machtlosigkeit.

89 Becker, Bildnis des Kaisers, S. 287–288.

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Die Darstellungen der Abdankung Karls  V. präsentieren damit allesamt keine Machtlosigkeit, sondern lediglich die Übertragung von Macht und Herrschaft. Wenn die Berichte zur Abdankung als glaubhaft gelten können, dann muss festgestellt werden, dass keine der untersuchten Darstellungen einen Anspruch auf eine authentische Illustration der Zeremonie erheben kann. Dies war aber auch nicht das Ziel der Darstellungen. Vielmehr sollten sie einen konkreteren visuellen Eindruck von den Vorgängen in Brüssel vermitteln und das Ereignis in seiner Bedeutung für die eigene Gegenwart neu bewerten. Der Quellenwert der Darstellungen liegt damit vor allem darin, Auskunft über die Rolle der Abdankung im Rahmen eines historisch eingebetteten Geschichtsbildes zu geben.

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Darstellungen der Brüsseler Abdankung Kaiser Karls V.   75

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Abbildungsnachweis Abb. 1: Museo Nacional del Prado, Inv.-Nr. P005582, © Photographic Archive Museo Nacional del Prado Abb. 2: KHM-Museumsverband, Inv.-Nr. Gemäldegalerie 2452 Abb. 3: Hellwig: Franz Hogenberg. Geschichtsblätter, Abb. 12 Abb. 4: Hellwig: Franz Hogenberg. Geschichtsblätter, Abb. 13 Abb. 5: Wagenaar, Jan: Vaderlandsche historie, Kupfertafel nach S. 434, Universitätsbibliothek Heidelberg, B 8087 RES 5 Abb. 6: Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-112 Abb.  7: Städel Museum Frankfurt, Inv.-Nr.  947, © Städel Museum – U.  Edelmann – ARTOTHEK

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Machtabgabe aus politischem Kalkül Großherzog Cosimo I. de’ Medici (1519–1574) und sein vorgetäuschter Amtsverzicht

Michael Roth

Einleitung Der französische Historiker Pierre de Boissat (1556–1613) stellt in seinem Brillant de la Royne in Biographien die Vorfahren der regierenden Königin Maria de’ Medici (1575–1642) vor, unter denen sich so berühmte und für die Entwicklung der Renaissance im Florenz des 15. Jahrhunderts wichtige Persönlichkeiten wie Cosimo der Alte (il Vecchio) (1389–1464) und Lorenzo der Prächtige (il Magnifico) (1449–1492) befinden. Auch der Großvater der Königin, Cosimo I. de’ Medici (1519–1574), (Groß-) Herzog von Florenz und Siena, wird dort behandelt. Seine Biographie erwähnt, dass der Herzog se dechargea d’une partie des affaires, sur le Prince son fils, weil er nicht darauf warten wollte [de] succo[m]ber avec honte, soubs le fais du gouvernement, par indisposition ou imbecillité d’un aage caduc, estant encor en force de corps, & vigueur d’esprit suffisante. Der Autor preist diesen Schritt als einen notable traict de la sagesse.1 Hinter diesen kurzen Ausführungen versteckt sich ein politisches Ereignis, das im Europa des 16. Jahrhunderts nahezu einmalig war: der freiwillige Amtsverzicht eines Fürsten. Cosimo spielte eine wichtige Rolle für die Festigung der Macht seines Hauses in der Toskana und vor allem für die Etablierung der Medici unter den wichtigsten Dynastien in der europäischen société des princes.2 In dieser politischen Erfolgsgeschichte nahm auch der ungewöhnliche Schritt des Amtsverzichts eine wichtige Funktion ein. Die Entscheidung Cosimos ist umso erstaunlicher, weil dieser Fürst auf seine Macht zugunsten seines ältesten Sohnes Francesco (1541–1587) freiwillig verzichtete, der als Principe Reggente herzogliche Kompetenzen übernahm. Dennoch konnte dieser Amtsverzicht nicht die Anstrengungen Cosimos überdecken, die er im Hin1

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Boissat, Pierre de: Le Brillant de la Royne ou les Vies des Hommes illustres du Nom du Medicis, Lyon 1613, S. 325–326. – Für wertvolle Anmerkungen danke ich Sebastian Schütte, M. A. (Heidelberg) sehr herzlich! Bély, Lucien: La société des princes. XVIe–XVIIIe siècle, Paris 1999. Machtabgabe aus politischem Kalkül  79

blick auf einige politische Projekte bis zu seinem Tod zehn Jahre später verfolgte. Bis zuletzt blieb er politisch äußerst aktiv. Aus diesem Grund kann die Amtsaufgabe Cosimos nicht im Sinne Jacques Le Bruns als Abdankung bewertet werden. Diesem zufolge ist eine Abdankung durch den freiwilligen und dauerhaften Verlust der Macht und somit die endgültige Rückkehr in einen privaten Status gekennzeichnet.3 Eine allgemeingültige Definition ist zwar nicht möglich,4 aber es ist für Cosimos Fall zweckmäßiger, von einem im juristischen Sinn widerrufbaren Verzicht auf einige Rechte zu sprechen.5 In dieser Fallstudie wird daher die Amtsübertragung auf den Sohn als ein Teilverzicht6 angesehen, was im Folgenden näher ausgeführt wird. Obwohl Cosimo selbst behauptete, die Abdankung(en) Kaiser Karls  V. nachahmen zu wollen,7 weist sein eigener Amtsverzicht deutliche Unterschiede zu den königlich-kaiserlichen Vorläufern neun Jahre zuvor auf. Eine Untersuchung der Umstände, der politischen Auswirkungen und besonders der Ziele des Herzogs scheint also gewinnbringend zu sein – dies nicht nur wegen der zeitlichen Nähe zu dem Rückzug Karls V., der zudem als Kaiser der Lehnsherr Cosimos war, sondern auch wegen der zahlreichen Anstrengungen Cosimos, sich als erfolgreicher Herrscher in Literatur und Kunst darzustellen. Wie kommunizierte und legitimierte er seinen Amtsverzicht und inwiefern erlaubte dieser es ihm, sich als Herrscherfigur kurz- wie langfristig zu inszenieren? Der Sonderfall des Teilverzichts bringt es wie bei anderen Amtsverzichten auch mit sich, dass der Medici sein Vorgehen adressatengenau erklären musste, um die von ihm gewünschte Lesart zu erreichen: Diese Analyse geht davon aus, dass sich Cosimo zweier verschiedener Kommunikationsstrategien der Erklärung und Legitimation bediente, zum einen gegenüber seinen Untertanen und den toskanischen Eliten, zum anderen gegenüber seinen fürstlichen Kollegen in Italien. Ziel war die Stärkung seiner eigenen sowie der dynastischen Position im Innern (gegenüber den Untertanen) und nach außen (gegenüber anderen Fürsten). Diese 3 4

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Le Brun, Jacques: Le pouvoir d’abdiquer. Essai sur la déchéance volontaire, Paris 2009, S. 12– 29. Hattenauer, Hans: Die Abdankung von Monarchen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Eine begriffsgeschichtliche Einleitung, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. Susan Richter u. Dirk Dirbach, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 22–29. Frisch, Hans von: Der Thronverzicht. Ein Beitrag zur Lehre vom Verzicht im öffentlichen Recht, Tübingen 1906, S. 1. Dieser Terminus (als semi-retraite) wird von Rouchon, Olivier: L’invention du principat médicéen (1512–1609), in: Florence et la Toscane. XIVe-XIXe siècles. Les dynamiques d’un État italien, hrsg. v. dems., Jean Boutier u. Sandro Landi, Rennes 2004, S. 65–90, hier S. 81 vorgeschlagen. Galluzzi, Jacopo Riguccio: Istoria del Granducato di Toscana sotto il Governo della Casa Medici, Bd. 2, Livorno ²1781, S. 280; Saltini, Guglielmo Enrico: Tragedie medicee domestiche (1557–87), Firenze 1898, S. 189.

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Kommunikationsstrategien unterscheiden sich vor allem bezüglich der zukünftigen Rolle des Herzogs, indem in Briefen und Sprechakten unterschiedliche Aspekte betont und Schwerpunkte gesetzt werden. Gleichzeitig spielt die mediale Inszenierung Cosimos in seinem in den Folgejahren ausgeführten Bildprogramm eine wichtige Rolle, um seinen neuen Rechtsstatus nach seinen Wünschen festzuhalten. Deshalb werden private und offizielle Briefe als Selbstzeugnisse,8 die legislative Praxis und Urkunden,9 zeitgenössische Biographien und Trauerreden,10 aber auch das Zeremoniell der Amtsübergabe als zeichenhaftes System und dessen Bewertung durch Zeitgenossen11 sowie Bilder berücksichtigt. Durch die Auswertung dieser Quellen, die in der Perspektive Cosimos auf Zeitgenossen wie die Nachwelt gleichermaßen zielen, ist ein detailreicher Blick in die herzogliche Selbstrepräsentation und seine politischen Ziele möglich. Der größte Teil der Forschung über Cosimo und sein Prinzipat sieht in dem Amtsverzicht keine ernsthafte Bedeutung für seine nachfolgende Regierungszeit. Diese Position folgt nahezu uneingeschränkt den zeitgenössischen panegyrischen Texten. Im Gegensatz dazu möchte die folgende Analyse zeigen, dass der Herzog sehr weitge8 9

Spini, Giorgio (Hg.): Cosimo de’ Medici. Lettere, Firenze 1940. Alle von den toskanischen (Groß-)herzögen erlassenen Gesetze wurden ediert von Cantini, Lorenzo: Legislazione Toscana, 32  Bde., Firenze 1800–1808. Zu diesem Kompendium: Montorzi, Mario: La Legislazione toscana di Lorenzo Cantini e „la cognizione delle leggi della Patria“, in: Tecniche di normazione e pratica giuridica in Toscana in età granducale. Studi e ricerche a margine della Legislazione toscana raccolta ed illustrata dal Dottore Lorenzo Cantini Firenze, 1800–1808, hrsg. v. Mario Montorzi, Pisa 2006, S. 1–8. 10 Moreni, Domenico: Serie d’autori di opere risguardanti la celebre famiglia Medici, Firenze 1826 hat eine Übersicht zu solchen Texten für die Medici zusammengestellt. Zu Cosimo: Baldini, Baccio: Vita di Cosimo Medici I. Primo Gran Duca di Toscana, Firenze 1578; Mannucci, Aldo: Vita di de’ Cosimo I. Medici Granduca di Toscana, Bologna 1586 [Pisa 1823]; Cini, Giovanni Battista: Vita del Serenissimo Signor Cosimo de Medici Primo Gran Duca di Toscana, Firenze 1611; Ammirato, Scipione: Istorie Fiorentine. Parte Seconda, Firenze 1641. Die Trauerreden: Baldini, Baccio: Orazione fatta nell’Accademia Fior. in loco del Ser. Sig. Cosimo de’ Medici Granduca di Toscana di Glor. Mem. Alla Ser. Regina Giovanna d’Austria G. Duchessa di Toscana, Firenze 1574; Betti, Benedetto: Orazione funerale pubblicamente recitata nelle Esequie del Ser. Cosimo Medici G. Duca di Toscana celebrate il dì 13. Giugnio 1574. nella Compagnia di S. Gio. Evangelista con la descrizione dell’apparato, Firenze 1574; Gini, Leonardo: In funere Serenissimi Cosmi Medicis Magni Etruriae Ducis. Funebris Laudatio ad Senenses, Florentiae 1574; Salviati, Lionardo: Orazione funerale da lui publicamente recitata nell’eseque del Sereniß. Cosimo Medici Granduca di Toscana, Gran Maestro della Relligione de’ Cavalieri di Santo Stefano. Celebrate l’ultimo dì d’Aprile dell’Anno 1574. nella Chiesa dell’Ordine in Pisa, Firenze 1574. 11 Corazzini, Giuseppe Odoardo (Hg.): Diario Fiorentino di Agostino Lapini dal 252 al 1596, Firenze 1900; Adriani, Giovanni Battista: Istoria de’ suoi tempi, Firenze 1583; Galluzzi, Istoria. Machtabgabe aus politischem Kalkül  81

spannte politische und dynastische Ziele verfolgte, die im Kalkül Cosimos die noch junge herrscherliche Autorität der Medici über ihr Territorium im Sinne Max Webers stabilisieren und garantieren sollten.12 Diese Strategie war darüber hinaus zentral für seine innen- und außenpolitische Herrschaftskonzeption. Um diese durchzusetzen, bediente sich Cosimo mehrerer Kommunikationsstrategien, die sich entweder in schriftlicher oder symbolischer Form an die toskanischen Eliten oder ausländische Fürsten als Adressaten wandte. Indem diese verschiedenen Kommunikationsebenen untersucht werden, lassen sich tiefgehende Perspektiven auf das Funktionieren des mediceischen Prinzipats und die dynastischen Strategien Cosimos aufzeigen, die der Durchsetzung seiner langfristigen politischen Ideen dienten. Der Beitrag unterteilt sich daher in drei große Abschnitte, die an den Kommunikationsebenen mit den florentinischen und ausländischen Zeitgenossen Cosimos sowie durch die Selbstrepräsentation in Kunst und Literatur mit der Nachwelt orientiert sind. Obwohl der Amtsverzicht Cosimos als ein außergewöhnliches Ereignis im fürstlichen Handlungsrepertoire der Frühen Neuzeit angesehen werden kann, vernachlässigen Forschungen zu diesem Fürsten bis in die Gegenwart13 diesen Aspekt seiner Herrschaft zum allergrößten Teil – anders als bei Karl V.14 Dies ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass eine moderne, nach wissenschaftlichen Kriterien verfasste 12 Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 51972, S. 28. 13 Die einzige Studie, die sich diesem Thema widmet, behandelt es nur unzureichend: Tosi, C. O.: Abdicazione di Cosimo I dei Medici, in: Arte e storia 26 (1907), S. 23–25. Ein unzureichendes und ungenügendes Urteil, das den Amtsverzicht zudem falsch datiert, findet sich bei Cleugh, James: Die Medici. Macht und Glanz einer europäischen Familie, München/ Zürich 52001, S.  354 und Young, George Frederick: Die Medici, München ³1950, S.  435. Selbst die rechtsgeschichtlichen Untersuchungen über das mediceische Prinzipat erwähnen den Verzicht nicht: Fasano Guarini, Elena: Lo Stato mediceo di Cosimo I, Firenze 1973; Anzilotti, Antonio: La costituzione interna dello Stato Fiorentino sotto il duca Cosimo  I de’ Medici, Firenze 1910; Marrara, Danilo: Studi giuridici sulla Toscana medicea. Contribuito alla storia degli stati assoluti in Italia (Pubblicazioni della Facoltà di Giurisprudenza della Università di Pisa, Bd. 10), Milano 1965; Bibl, Viktor: Die Erhebung Herzog Cosimos von Medici zum Großherzog von Toskana und die kaiserliche Anerkennung (1569–1576), Wien 1911. Bei Murry, Gregory: The Medicean succession. Monarchy and Sacral Politics in Duke Cosimo dei Medici’s Florence, Cambridge/London 2014, der eine ansonsten gute Analyse zur Selbstdarstellung Cosimos in seiner Kirchenpolitik und seiner eigenen sacralisation bietet, bleibt der Herrschaftsrücktritt unerwähnt. Vgl. auch den exzellenten Forschungsstand bei Boutier, Jean: Les formes et l’exercice du pouvoir. Remarques sur l’historiographie récente de la Toscane à l’époque des Médicis (XVIe-XVIIe siècles), in: La Toscana in età moderna (Secoli XVI–XVIII). Politica, istituzioni, società: studi recenti e prospettive di ricerca, hrsg. v. Mario Ascheri u. Alessandra Conti, Firenze 2005, S. 1–58. 14 Einen Überblick über die Abdankungen Karls V. bietet Conrads, Norbert: Die Abdankung Kaiser Karls  V. Abschiedsvorlesung gehalten am 23.  Juli 2003 in der Universität Stuttgart (Reden und Aufsätze, Bd. 65), Stuttgart 2003.

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Biographie zu Cosimo nicht vorliegt.15 Wenn der Amtsverzicht Erwähnung findet, fehlen sowohl die Einordnung in einen juristischen Kontext und in die innere politische Verfasstheit der Toskana als auch eine Kontextualisierung mit den nachfolgenden Handlungen Cosimos, besonders zu der großherzoglichen Rangerhöhung. Der Amtsverzicht bleibt somit in dem Forschungsnarrativ fast bedeutungslos für die Erzählung der Biographie des Herzogs und der Ereignisgeschichte der Toskana.16 Lediglich tiefergehende Arbeiten zu kulturgeschichtlichen Fragen der Herrschaft Cosimos im Umfeld seiner Kunstpatronage, so zu seiner Selbstinszenierung oder zu dynastischen Festen in Florenz von Henk Th. van Veen und Matteo Casini, oder aus diplomatischer Sicht Judith Bryce, können für die Fragestellung neue Erkenntnisse bieten.17

Cosimo I. und der teilweise Verzicht auf seine Macht Cosimo de’ Medici wurde am 12. Juni 1519 als Sohn des Giovanni dalle Bande Nere (1498–1526) und der Maria Salviati (1499–1543) aus der jüngeren Nebenlinie der 15 Die älteren Biographien genügen wissenschaftlichen Kriterien nicht: Cantini, Lorenzo: Vita di Cosimo de’ Medici primo Gran-Duca di Toscana, Firenze 1805, S. 438–440; Mellini, Domenico: Ricordi intorno ai costumi, azioni, e governo del Sereniss. Gran Duca Cosimo I., Firenze 1820. Eine gute biographische Notiz bietet Fasano Guarini, Elena: Art. „Cosimo I de’ Medici, duca di Firenze, granduca di Toscana“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 30 (1984), S. 30–48. 16 Leo, Heinrich: Geschichte der italienischen Staaten. Fünfter Theil: Vom Jahre 1492 bis 1830, Hamburg 1832, S.  559  f.; Reumont, Alfred von: Geschichte Toscana’s. Erster Theil (Geschichte der europäischen Staaten), Gotha 1876, S. 240; Cantagalli, Roberto: Cosimo I de’ Medici, granduca di Toscana, Milano 1985, S. 266; Berti, Luciano: Il Principe dello Studiolo, Francesco I dei Medici e la fine del Rincascimento fiorentino, Pistoia 2002, S. 35; Cochrane, Eric: Florence in the Forgotten Centuries 1527–1800. A History of Florence and the Florentines in the Age of the Grand Dukes, Chicago/London 1973, S. 91. Die Studie von Ferrai, Luigi Alberto: Cosimo de’ Medici, duca di Firenze, Bologna 1882 endet 1543. Im Gegensatz dazu widmet sich Diaz, Furio: Il Granducato di Toscana. I Medici (Storia d’Italia, Bd. 13/1), Torino 1976, S. 185 dem Verzicht deutlich tiefer, ebenso wie Carcereri, Luigi: Cosimo primo Granduca, 3 Bde., Verona/Bologna 1926–1929. 17 Van Veen, Henk Th.: Cosimo  I de’ Medici and his Self-Representation in Florentine Art and Culture, Cambridge 2006; Bryce, Judith: Cosimo Bartoli (1503–1572). The Career of a Florentine Polymath, Genève 1983, S. 93–95. Außerdem: Davies, Jonathan: Culture and Power. Tuscany and its Universities 1537–1609, Leiden 2009, S. 66–68. Casini, Matteo: I gesti del principe. La festa politica a Firenze e a Venezia in età rinascimentale, Venezia 1996, S. 84–90. Siehe auch: Forster, Kurt W.: Metaphors of Rule. Political Ideology and History in the Portraits of Cosimo I de’ Medici, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 15/1 (1971), S. 65–104. Machtabgabe aus politischem Kalkül  83

Medici in Florenz geboren, wo zu dieser Zeit sein Verwandter in Rom, Papst Leo X. (Giovanni de’ Medici [reg. 1513–1521]) die Macht ausübte. Die Medici herrschten seit 1512 und ihrer kurzzeitigen Vertreibung und Rückkehr über die Stadt und das Umland, und obwohl die republikanischen Einrichtungen nur Scheinkompetenzen besaßen, war Florenz der Verfassung nach noch immer einer Republik.18 Die regierenden Familienmitglieder Giulio (1479–1516) und Lorenzo II. (1492–1519) konnten deshalb für sich nicht die Würde von Fürsten oder Herzögen von Florenz reklamieren.19 Dies änderte sich mit der erneuten Vertreibung der mediceischen Eliten im Zuge des Sacco di Roma 1527, als sich der zweite Medici-Papst, Clemens VII. (Giulio de’ Medici [reg. 1523–1534]), bedingt durch seine Schaukelpolitik, zwischen den Fronten Kaiser Karls V. (1500–1558) und des französischen Königs Franz I. (1494– 1547) wiederfand und die Medici-Herrschaft zusammenbrach.20 Nach einem kurzen dreijährigen Intermezzo kapitulierte die letzte republikanische Regierung, auf die diese Bezeichnung noch zutraf, vor den kaiserlichen Truppen.21 Dank der Protektion Karls V. wurde der junge Alessandro de’ Medici (il Moro) (1510–1537), ein illegitimer Sohn Lorenzos II., von seinem späteren Schwiegervater 1530 nach erfolgter republikanischer Wahl zum neuen Oberhaupt der Republik Florenz ernannt.22 Seit einer 1532 erlassenen neuen Verfassung hatte Alessandro nun die erbliche Herzogswürde inne, was für die Republik zu der paradoxen Situation führte, dass ihr ein Fürst als duca della Repubblica Fiorentina vorstand.23 Für die Medici hingegen bedeutete diese auf kaiserlichen Druck hin bewirkte Machtverschiebung, dass erstmals ein Mitglied 18 Detailliert: Tewes, Götz-Rüdiger: Kampf um Florenz – Die Medici im Exil 1494–1512, Köln/Weimar/Wien 2001; Stephens, John  N.: The Fall of the Florentine Republic 1512– 1530, Oxford 1983, S.  56–123; Butters, H.  C.: Governors and Government in Early Sixteenth-Century Florence 1502–1519, Oxford 1985. 19 Dennoch erhielten die Medici-Repräsentanten am Arno Herzogstitel, die von außerhalb verliehen wurden: Lorenzo wurde durch Leo X. 1516 mit dem Herzogtum Urbino belehnt und sein Onkel Giuliano, der mit einer Verwandten des französischen Königs verheiratet war, wurde 1515 Herzog von Nemours. Reinhardt, Volker: Die Medici. Florenz im Zeitalter der Renaissance, München ²2001, S. 107. Devonshire Jones, Rosemary: Lorenzo de’ Medici, Duca d’Urbino, „Signore“ of Florence?, in: Studies on Machiavelli, hrsg. v. Myron P. Gilmore, Firenze 1972, S. 297–315. 20 Stephens, Fall, S. 191–202. Diaz, Granducato, S. 21–37. 21 Stephens, Fall, S. 203–255. 22 Durch die Belehnungsurkunde Karls V. vom 28. Oktober 1530 wurde Alessandro lediglich als Reipublicae Florentinae Gubernii, Status et Regiminis Caput eingesetzt, nicht als Herzog von Florenz. Lünig, Johann Christian: Codex Italiae diplomaticus, Bd. 1, Francofurti/Lipsiae 1725, Sp. 1163–1168. Marrara, Studi giuridici, S. 3–9. Zu seiner Person vgl. zuletzt: Fletcher, Catherine: The Black Prince of Florence. The Spectacular Life and Treacherous World of Alessandro de’ Medici, London 2016. 23 Spini, Giorgio: Art. „Alessandro de’ Medici, primo duca di Firenze“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 2 (1960), S. 231–233. Marrara, Studi giuridici, S. 10–12; Albertini, Rudolf

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der einstigen patrizischen Bankiersfamilie langfristig die Herrschaft über ihre Heimatstadt aus eigenem Recht und monarchisch legitimiert ausüben konnte. Nicht nur dieses konstitutionelle Experiment endete abrupt mit der Ermordung Alessandros 1537 durch einen entfernten Verwandten. Da er keine legitimen Nachkommen hatte, starb mit ihm auch die Hauptlinie der Medici aus. Seine Anhänger mussten daher dringend einen neuen Herzog präsentieren, um das Machtgefüge nicht noch instabiler werden zu lassen: Sie fanden ihn in Cosimo, einem siebzehnjährigen Medici aus der jüngeren Linie. Mit der Zustimmung der florentinischen Oligarchie und dem Einverständnis Karls V. wurde Cosimo der neue Herr der Republik.24 Dass der Regierungswechsel ohne Unruhen verlief, liegt in dem Irrtum der führenden Familien begründet, die in dem jungen und politisch gänzlich unerfahrenen Herzog eine machtlose Marionette sahen, der ihre Privilegien und Vorrangstellung unangetastet lassen würde.25 Cosimo hatte allerdings keinesfalls die Absicht, sich fremdbestimmen zu lassen: Mit viel Energie und Gespür für das politisch Notwendige gelang es ihm, seine monarchische Autorität zu etablieren und den republikanischen Staat endgültig in eine Monarchie zu transformieren. So besiegte er die republikanische Opposition 1537 in der Schlacht von Montemurlo kurz nach seiner Machtübernahme, sodass er die florentinische Regierung in eine zentralisierte und auf ihn ausgerichtete Verwaltung überführen konnte, die er mit seinen Gefolgsleuten besetzte. Langfristig führte diese Politik dazu, dass sich die innere Verfassung stabilisierte, weil sie auf politischen Konsens ausgelegt war: Cosimo repräsentierte als Herzog die oberste Gewalt nach innen und außen, während die alten Eliten ihre herausgehobene soziale Position behalten konnten, indem sie über Ämter und Titel sowie im 1562 gegründeten Ritterorden Santo Stefano in das Prinzipatssystem Cosimos eingebunden wurden.26 Auch außenpolitisch war der neue Herzog erfolgreich: 1539 heiratete er Eleonora von Toledo (1522–1562), die Tochter des spanischen Vizekönigs von Neapel, was die Beziehungen zu Kaiser Karl V. während des Kampfes um die Hegemonie in Italien zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich weiter stärkte.27 Die Anlehnung an die kaiserliche Partei brachte Cosimo nicht nur die definitive Anerkennung als

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von: Das florentinische Staatsbewusstsein im Übergang von der Republik zum Prinzipat, Bern 1955, S. 179–209. Cantagalli, Cosimo I, S. 46–49 u. S. 62–65. Diaz, Granducato, S. 66–72. Albertini, Florentinisches Staatsbewusstsein, S. 274–282. Reinhardt, Medici, S.  110–112; Albertini, Florentinisches Staatsbewusstsein, S.  274–282. Diaz, Granducato, S. 73–229. Watt, Mary A.: Veni, sponsa. Love and Politics at the Wedding of Eleonora di Toledo, in: The Cultural World of Eleonora di Toledo. Duchess of Florence and Siena, hrsg. v. Konrad Eisenbichler, Aldershot 2004, S. 18–39; Contini, Alessandra: „Correre la fortuna“ di Cesare. Instabilità, diplomazia ed informazione politica nel principato di Cosimo  I, in: L’Italia di Machtabgabe aus politischem Kalkül  85

Herzog von Florenz und 1543 den Besitz von toskanischen Festungsanlagen (sie waren durch spanische Truppen besetzt worden), sondern als treuer Parteigänger von Karl V. und dessen Nachfolger im spanischen Königsamt Philipp II. (1527–1598) auch deren Unterstützung für seine ambitionierten territorialen Expansionspläne. Cosimo richtete seinen Blick auf die benachbarte Republik Siena, die Teil der französischen Einflusssphäre war. Mit erheblicher Unterstützung von kaiserlich-spanischen Truppen aus Neapel konnte Cosimo die Stadt im April 1555 im Namen des Kaisers erobern. Zwei Jahre später erreichte der Herzog die Belehnung mit dem sienesischen Gebiet durch den italienischen Reichsvikar Philipp II. und integrierte sie in seinen Herrschaftsbereich, wodurch Cosimos Machtbasis erheblich wuchs. Außerdem setzte der Medici die Wahl zweier Päpste durch, Pius IV. (reg. 1559–1565) und Pius V. (reg. 1566–1572), die als weltliche Herren des Kirchenstaates zu wertvollen Verbündeten an seiner Süd- und Ostgrenze avancierten.28 Nach diesen innen- wie außenpolitischen Erfolgen und gleichsam auf einem Höhe­punkt seiner Macht traf Cosimo 1564 die für die zeitgenössische Öffentlichkeit überraschende Entscheidung, zugunsten seines Sohnes Francesco auf einige herzog­ liche Herrschaftsrechte zu verzichten. Dieser Wille äußerte sich erstmals in Briefen, die er am 30. April 1564 an Gesandte und italienische Fürsten schrieb, um sie über seinen Entschluss zu informieren. So teilt er beispielsweise an diesem Tag seinem Gesandten in Venedig, Cosimo Bartoli (1503–1572) mit, dass noi ci siamo risoluti di lassar il carico dell’administratione delli stati, ed del entrate nostre al Principe nostro figlio a nostro beneplacito und dass Bartoli diese Entscheidung dem Senat der Markusrepublik mitzuteilen habe. Cosimo begründet seinen Schritt mit dem Hinweis, dass auf diese Weise sein Sohn sich noch zu seinen Lebzeiten s’introduca nel maneggio de negotii, was verhindern würde, dass dieser sich nach dem Tod des Vaters solo et inesperto fühle, cosa che redunderebbe in detrimento della sua reputatione et in danno grandissimo de suoi popoli. Außerdem ist Cosimo überzeugt, dass Francesco, der gerade von einem mehrmonatigen Aufenthalt am spanischen Hof zurückgekehrt war,29 si capace d’ogni sorte di faccende et si zelante della iustitia, che confidiamo a pieno nella administratione sua.30 Der Meinung des Herzogs in diesem Brief folgend, bietet eine Machtübergabe zu Lebzeiten die Möglichkeit, den Nachfolger aktiv zu unterstützen, um trotz der großen Regierungsqualitäten des Sohnes Schaden an dessen Ruf und sogar an seinen Untertanen zu vermeiden. Carlo V. Guerra, religione e politica nel primo Cinquecento, hrsg. v. Francesca Cantù u. Maria Antonietta Visceglia, s.l. 2003, S. 391–410. 28 Ausführlich: Cantagalli, Roberto: La guerra di Siena, in: I Medici e lo stato senese 1555– 1609. Storia e territorio, hrsg. v. Leonardo Rombai, Roma 1980, S. 9–22. Diaz, Granducato, S. 109–127. 29 Cantagalli, Cosimo I, S. 256–258. 30 Brief Cosimos an Cosimo Bartoli, 30. April 1564, zit. n. Bryce, Cosimo Bartoli, S. 93.

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Als nächsten Schritt, nachdem er die Fürsten über den geordneten Machtransfer informiert hatte, organisierte Cosimo seinen Rückzug. Am nächsten Tag, dem 1. Mai 156431, teilt er dem florentinischen Senat mit, dass er seinem Sohn [ha] dato il Governo, et Amministratione di cotesto domino, et delli altri Stati nostri unter der Bedingung, dass einige Herrschaftsrechte bei ihm verblieben – es handelt sich dabei um die herzogliche Würde, die Suprema Autorità und, eher vage formuliert, altre condizioni convenienti alla conservatione delli Stati, et al publico benefizio.32 Nach Aussage dieses Schreibens ist der Herzog überzeugt, dass der Senat con piacere questa nostra deliberazione aufnehmen werde, und erteilt ihm den Befehl, die Amtsträger in Florenz und im Herzogtum darüber zu informieren, die die Nachricht ihrerseits an die Untertanen weiterzugeben hatten. Zusätzlich wünscht Cosimo, dass sie sich nelli loro affari così di grazia, come di giustizia […] al prefato Principe wenden sollen. Er schließt mit der Versicherung, dass er auch in Zukunft per commodo pubblico, e privato zur Verfügung stehe.33 Mit diesem Brief und der angeordneten Weitergabe an die Untertanen übernahm Francesco die Regierung von seinem Vater, der 28 Jahre lang regiert hatte, und war von nun an für alle Angelegenheiten, insbesondere für die Regierung und die Rechtsprechung, zuständig. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass es sich bei diesem Schriftstück nur um eine Mitteilung an den Senat handelte, wonach der Herzog die Regierung in die Hände des Sohnes übergeben würde. Um dessen Einsetzung auch juristisch verbindlich abzusichern, hätte es einer Urkunde bedurft, in der rechtlich einwandfrei seine Kompetenzen, Rechte und Pflichten hätten fixiert werden müssen. Ob diese Urkunde je existierte, ist nicht mehr zu klären, sie ist jedenfalls nicht mehr aufzufinden.34 Cosimo bezieht sich in dem Senatsbrief auf eine Urkunde 31 Dieser Brief wurde von Lorenzo Cantini in seinem Quellenanhang zu dem Leben Cosimos publiziert. Seiner Edition zufolge ist er datiert auf den ultimo di Maggio MDLXIIII. Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 649. Auch Giovambattista Adriani gibt als Datum in seiner 1583 publizierten Istoria den 31. Mai an (Adriani, Istoria, S. 716), ebenso wie Campana, Cesare: Vita del Catholico, & Invittissimo Re Don Filippo Secondo, Vicenza 1608, S.  147r und Ammirato, Istorie fiorentine, S. 537. Im Gegensatz dazu gibt der übergroße Teil der neueren Forschung den 1. Mai als Tag des Amtsverzichts an. Obwohl sich dafür keine Belege finden lassen, scheint dieses Datum wesentlich wahrscheinlicher, weil der toskanische Resident in Genua Anfang Mai die Anweisung bestätigt, zukünftig seine Berichte an Francesco zu adressieren (Tosi, Abdicazione, S. 24, Nr. 2). Bereits Galluzzi, Istoria, S. 279 und Carcereri, Cosimo primo, I, S. 177, Nr. 265; Cantagalli, Cosimo I, S. 262; Guarini, Cosimo I, S. 44 nennen den 1. Mai. 32 Diese Bedingungen werden bei Cantini, Legislazione Toscana, Bd.  5, S.  113 und Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 438–439 aufgezählt, aber nicht belegt. 33 Brief Cosimos an den florentinischen Senat, Mai 1564. Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 649. 34 Weder die entsprechenden Findbücher des Archivio di Stato di Firenze noch die Forschungsliteratur erwähnen die Existenz einer formellen Amtsverzichtsurkunde. Archivio di Stato di Firenze, Archivio mediceo del Principato. Inventario sommario (Pubblicazioni degli Archivi Machtabgabe aus politischem Kalkül  87

oder ein vergleichbares Schriftstück, indem er die Vergangenheitsform verwendet: habbiamo dato il governo.35 Nachdem Cosimo den Machtransfer dem florentinischen Senat, auswärtigen Fürsten und den Vertretern der Toskana im Ausland kommuniziert hatte, vollzog er den letzten Schritt, um seinen Sohn als Regenten der beiden Herzogtümer Florenz und Siena zu installieren. Als Bühne dafür hatte er für den 11. Juni 1564 einen öffentlichen Festakt vorgesehen, bei dem die wichtigsten territorialen Amtsträger und Räte anwesend zu sein hatten. Das Datum war klug gewählt: Der Akt fand so an einem Sonntag, also einem Feiertag, statt und war außerdem der 45. Geburtstag Cosimos. Diese beiden Aspekte zeigen die Bedeutung des Geschehens, der sich im größten Saal, dem Saal der Fünfhundert im Palazzo Vecchio, der Herzogsresidenz, abspielte. Über den Ablauf berichtet der zeitgenössische Chronist Agostino Lapini (1515–1592).36 In seinem Tagebuch notierte er vor allem die repräsentativen und auf die Medici fokussierenden Ereignisse in Florenz, weshalb er auch nicht die la cirimonia quando il signor principe Francesco figliol del duca Cosimo duca II di Firenze, prese il governo di tutto lo stato di Firenze et di Siena, per commissione del duca Cosimo, suo felicissimo padre unerwähnt ließ.37 Zusätzlich bietet auch der florentinische Historiker Giovanni Battista Adriani (1511–1579) eine ausführliche Beschreibung des Ereignisses in seiner 1583 publizierten Istoria de’ suoi tempi. Seinem Bericht nach nahmen die herzoglichen ­Magistrate – der Magistrato Supremo, der Rat der 200 und der Rat der 48 (der Senat) – als Repräsentanten des florentinischen Staates ebenso wie zahlreiche Höflinge und Stadtbürger daran teil. Der Akt begann mit dem Einzug Francescos und seiner Ratgeber in den Saal, sein Vater blieb abwesend. Anstelle des alten Herzogs übergab sein Sekretär und Vertrauter Bartolomeo Concini (1507–1578)38 den

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di Stato, Bd. 1), Roma 1966; Morviducci, Marcella (Hg.): Carteggio universale di Cosimo I de Medici. Inventario XI (1560–1564) Mediceo del Principato. Filze 489–499A, Pisa 2013; Floria, Silvia (Hg.): Carteggio universale di Cosimo I de Medici. Inventario XII (1562–1565) Mediceo del Principato. Filze 500–514, Pisa 2014; Morviducci, Marcella (Hg.): Carteggio universale di Cosimo  I de Medici. Inventario  XIII (1564–1567) Mediceo del Principato. Filze 515–529A, Pisa 2001. Biagioli, Beatrice/Cibei, Gabriella/Vestri, Veronica (Hgg.): Miscellanea medicea  III (451–730), Roma 2014. Möglicherweise handelt es sich bei Cantini, Legislazione Toscana, Bd 5, S. 113 und Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 438–439 um die Urkunde, weil dort viele der Rechte und Pflichten Francescos angeführt werden. Cantini bietet allerdings keinen Nachweis und es bleibt unklar, warum er sie nicht aufgenommen hat. Siehe auch Galluzzi, Istoria, S. 279–280. Brief Cosimos an den florentinischen Senat, Mai 1564. Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 649. Calonaci, Stefano: Art. „Lapini, Agostino“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 63 (2004), S. 719–721. Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 141. Seit den 40er-Jahren des 16. Jahrhunderts war Concini in den Diensten Cosimos, in denen er sein Sekretär und Vertrauter in politischen und diplomatischen Fragen wurde. Malanima,

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Brief seines Herrn an Giovanni Dini, den Statthalter Cosimos und Vorsteher des Magistrato Supremo. Dieser gab ihn seinerseits an den Rat und fürstlichen Beamten Francesco Vinta weiter.39 Vinta verlas den Brief, den der Senat bereits im Mai erhalten hatte,40 mit lauter Stimme und machte auf die Bedingungen des Rücktritts aufmerksam. Dann ergrifft Francesco das Wort und verlieh seinem Wunsch Ausdruck, dass er gerne von seinem Vater prenderia il carico delli stati, wobei er für seine Regierung auf den consiglio, & l’aiuto seiner Untertanen und Räte zähle. Danach pries Giovanni Dini die Verdienste Cosimos und versicherte, dass dessen Vorgehen allein zum Wohle des Staates geschehe. Der Akt endete, indem alle Magistrate und Räte die Hand Francescos küssten, der von nun an die Funktion eines Prinzregenten übernahm. Im Anschluss folgten ein feierliches Hochamt im Florentiner Dom und ein Bankett für die Amtsträger.41 Als am Ende des Tages der Machttransfer zwischen Vater und Sohn vollzogen war, konnte sich Cosimo gemäß seinen eigenen Wünschen von den Regierungsgeschäften zurückziehen. Wenn jedoch die verschiedenen Schritte während des Aktes und im Folgenden analysiert werden, wird ersichtlich, dass seine Motive viel komplexer waren, als er es gegenüber seinen fürstlichen Kollegen und seinen Untertanen behauptet hatte. Vielmehr verfolgte der Herzog je nach Adressatenkreis unterschiedliche Kommunikationsstrategien.

Die Kommunikation des Verzichts nach innen: Stabilisierung und Stärkung der herzoglichen Position Im Juni 1564 kommunizierte Cosimo den Machtransfer den florentinischen Eliten und seinen Untertanen als persönlichen Rückzug von der Herrschaft, bei dem er sich nur einige wenige Spezialrechte vorbehalten hatte. Der zeitgenössische Chronist, Chorsänger und Kaplan an der Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz, Agostino Lapini, der sicher nicht an dem Akt im Palazzo Vecchio teilgenommen hatte,42 bietet eine gute Einschätzung darüber, was die Florentiner Bürger über das Geschehen hinter den Palastmauern wissen konnten, per quel che si disse. Er schreibt, dass die Magistrate riconobbono amorevolissismamente il detto signor Principe [Francesco] e per vero padrone, e per vero generale governatore, baciandoli uno a uno tutti la mano, mostrando grande allegrezza e jubbilo di tal cosa. Lapini zufolge war bekannt, dass sich der Herzog Paola: Art. „Concini, Bartolomeo“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 27 (1982), S. 722– 725. 39 Adriani, Istoria, S. 716. 40 Bei Adriani, Istoria, S. 716 ist der Brief unter dem 31. Mai 1564 publiziert. Möglicherweise wurde das Schriftstück am 31. Mai erneut für den Einsetzungsakt im Juni ausgestellt. 41 Ebd. 42 Calonaci, Lapini, S. 719. Machtabgabe aus politischem Kalkül  89

den Titel und molt’ altre cose, che in sur una lettere […] si contenevono reserviert hatte, die vor den Magistraten verlesen wurden.43 Er erwähnt in seinem Tagebuch keine anderen zeremoniellen Handlungen, die sich mit Francescos Herrschaftsübernahme befassen. Aus diesem Grund ist das Festereignis am 11.  Juni für die florentinische Öffentlichkeit gleichbedeutend mit der Übernahme des governo di tutto lo stato di Firenze e di Siena durch Francesco.44 Es handelte sich hierbei um einen Akt der symbolischen Kommunikation, der es der anwesenden Öffentlichkeit erlaubte, die politisch-soziale Ordnung persönlich und tiefgehend zu erleben. Darüber hinaus bestätigte sie die neue politische Machtverteilung durch ihre Anwesenheit und aktive Beteiligung.45 Den Forschungen zu dem großen Ritual-Zeremoniell-Komplex der letzten 20 Jahre folgend, sind es genau solche Akte und Ereignisse, die Gesellschaften konstituieren und in ihrer Ordnung stabilisieren.46 In diesem Kontext unterschied sich das Festereignis in Florenz nicht von anderen im mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Europa. Besonders die rites d’institution als Einsetzungsrituale in europäischen Monarchien und Republiken nach Pierre Bourdieu47 waren und sind Gegenstand der ritualdynamischen Forschung, weil sie auf eine besondere Weise das Machtgefüge konstituieren und gleichzeitig abbilden. Sie bestehen aus sprachlichen und symbolischen Handlungssequenzen, die dem neuen Souverän die für die Herrschaft notwendige sakrale und rechtliche Würde verleihen sowie die ausgesprochenen und symbolischen Elemente miteinander verbinden. Den Anregungen Arnold van Genneps und Victor W. Turners folgend, klassifiziert Pierre Bourdieu die rites de passage als rites d’institution, die dem eingesetzten Herrscher einen neuen sozialen und politischen Status verleihen und sicherstellen, dass der neue Souverän dank der sozialen Magie auch als solcher anerkannt wird.48 43 Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 141. 44 Ebd. 45 Stollberg-Rilinger, Barbara: Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriff – Thesen – Forschungsperspektiven, in: Zeitschrift für historische Forschung 31 (2004), S. 489– 527, hier S, 489–491. Zusammenfassend: Stollberg-Rilinger, Barbara: Rituale, Frankfurt/ New York 2013. 46 Für einen guten, wenngleich nicht mehr ganz aktuellen Forschungsbericht: Stollberg-Rilinger, Barbara: Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27 (2000), S. 389–405. Schwedler, Gerald: Rituale und die Ordnung der Welt, in: Rituale und die Ordnung der Welt. Darstellungen aus Heidelberger Handschriften und Drucken des 12. bis 18. Jahrhunderts, hrsg. v. Carla Meyer, Gerald Schwedler u. Karin Zimmermann, Heidelberg 2008, S. 9–12; Stollberg-Rilinger, Rituale. 47 Bourdieu, Pierre: Les rites d’institution, Paris 1982; Ders., Le sens pratique, Paris 1980. 48 Gennep, Arnold van: Les rites de passage. Étude systématique des rites de la porte et du seuil, de l’hospitalité, de l’adoption, de la grossesse et de l’accouchement, de la naissance, de l’enfance, de la puberté, de l’initiation, de l’ordination, du couronnement, des fiançailles et du mariage,

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Die Einsetzung Francescos in die Regentenfunktion ist mit diesen rites d’institution vergleichbar, weil er zu einem bestimmten Moment öffentlich eine politische Qualität erhält, die in ihm als Thronerben von Beginn an zwar angelegt war, aber noch nicht hervortreten konnte. Im vorliegenden Fall ist die Einsetzung des Sohnes noch zu Lebzeiten des Vaters aus zwei Gründen bemerkenswert: Erstens, weil der Amtsverzicht eines Fürsten wie oben beschrieben in Erb- wie Wahlmonarchien nicht vorgesehen war.49 Zweitens, und dieser Punkt ist der bedeutsamere, kannte die noch junge toskanische Monarchie bis zu diesem Zeitpunkt kein etabliertes Ritual, wie ein neuer Herzog überhaupt einzusetzen war. Der alte Herzog und seine engen Berater mussten daher eine zeremonielle Handlungssequenz erfinden, die im Wesentlichen wie alle üblichen Einsetzungsrituale in Monarchien und Republiken in einen sprachlichen und symbolischen Teil aufgeht. Giovanni Battista Adriani fasst die Funktion des Aktes daher treffend zusammen, wenn er schreibt, dass nun alle Anwesenden gekommen waren, um als Zeugen mit eigenen Augen und Ohren zu vedere, & udire.50 Die erste Hälfte des Aktes im Palazzo Vecchio ist durch Reden gekennzeichnet. Im Namen des abwesenden Herzogs gibt Francesco Vinta dessen Willen bekannt, indem er die Anwesenden über die Machtübergabe und die Einsetzung des Sohnes als Principe Reggente informiert. Francesco als nächster Redner hält seine Ansprache als direkte Antwort auf den gerade verlesenen Brief, in dem er der Hauptadressat war. Er akzeptiert darin il buon volere del padre suo, den er sehr liebe, und wendet sich dann unter Bezugnahme auf seine neue Position an die versammelten Magistrate, die er um ihre Unterstützung bittet, damit il mutamento dalla mano del Duca in quella di lui non dovesse recare alcun disagio alle faccende pubbliche.51 Diese beiden Sprechakte bilden einen perlokutiven Akt, in dem sie sich gegenseitig aufeinander beziehen. Selbst wenn der scheidende Herzog nicht persönlich anwesend ist, erklärt er öffentlich seine Rückzugsabsicht, während sein Nachfolger diese sogleich ebenso öffentlich akzeptiert. Auf diese Weise etablieren die Sprechakte Susan Richter folgend eine intergenerationelle Kommunikation zwischen Vater und Sohn, die die dynastische Kontinuität widerspiegelt.52 Der durch Cosimo juristisch bereits im Mai vollzogene Paris 1909; Turner, Victor: The Ritual Process. Structure and Anti-Structure, Chicago 1969; Bourdieu, Rites d’institutions. 49 Richter, Susan: Zeremonieller Schlusspunkt. Die Abdankung als Herrschertod, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. ders. u. Dirk Dirbach, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 75–94, hier S. 75–77. 50 Adriani, Istoria, S. 716. 51 Ebd. 52 Richter, Schlusspunkt, S. 86–90. Sie betont die Übereinstimmungen zwischen diesen Reden und einer fürstlichen Testamentseröffnung. Dies sei auch der Grund, warum die meisten Fürs­ tenabdankungen im Zeremoniell mindestens eine Rede des scheidenden Monarchen vorsehen. Vgl. dazu auch die Fallstudie von Roth, Michael: Die Abdankung Markgraf Georg FriedMachtabgabe aus politischem Kalkül  91

Machtwechsel wurde so nachträglich von Francesco bestätigt. Aus diesem Grund sind die Sprechakte laut Georg Braungart das Herzstück im ganzen zeremoniellen Ablauf – sie erklären ihn begründend und geben den folgenden zeremoniell-rituellen Handlungen dadurch erst einen Sinn.53 Diese Tatsache wird vor allem durch die Analyse des zweiten Teils des Einsetzungsrituals deutlich, der ebenfalls mit einem Sprechakt beginnt. Nachdem der Generationenwechsel vollzogen worden war, liegt es an den Eliten, ihn auch anzuerkennen. Selbst wenn Cosimo seine Stellung im Prinzipat stärken konnte, war er doch vom Konsens mit den alten republikanischen Eliten mindestens auf symbolischer Ebene abhängig.54 Deshalb ist es auch an Giovanni Dini, dem Statthalter des Herzogs, Vorsteher des Magistrato Supremo und somit höchstem Amtsträger nach Cosimo in der florentinischen Verfassung von 1532,55 die Antwort aus Sicht der Stände zu geben.56 Auch er bezieht sich auf die vorangegangenen Reden und bestätigt, dass die Entscheidung des Herzogs der fermezza, & a quiete, & ottimo stato della Città dienen werde, weil alle Bürger von der guten Regierung Francescos überzeugt seien. Anschließend lobt er die Verdienste Cosimos um das Vaterland, dank derer die Toskana erblühe und versichert abschließend, dass der buono ingegno Francescos dem väterlichen Vorbild nacheifern werde.57 Dini approbiert den Regierungswechsel also vollständig. Es fehlte jedoch noch eine symbolische Geste, um die Unterwerfung unter den herzoglichen Willen und die Anerkennung Francescos als neuen Herrn sichtbar zu machen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Monarchien fehlte dem jungen MediciHerzogtum bis dahin ein Ritual, mit dem der neue Herzog symbolisch eingesetzt wurde, eine Krönung etwa.58 Die Gründe dafür finden sich in den politischen

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richs von Baden-Durlach. Ein Fürst im Unruhestand, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. Susan Richter u. Dirk Dirbach, Köln/ Weimar/Wien 2010, S. 191–212, hier S. 194–199. Braungart, Georg: Die höfische Rede im zeremoniellen Ablauf. Fremdkörper oder Kern?, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Jörg Jochen Berns u. Thomas Rahn, Tübingen 1995, S. 198–208, hier S. 204–208. Nach Meinung vieler Staatstheoretiker war auch ein Fürst mit starker Stellung vom Konsens der Stände abhängig, so Günther, Johann: De abdicatione regni, Lipsiae 1682, cap. II, § 1: Quod quid semel suscepit omnium consensu, illi non potest renuntiare nisi accedat omnium consensus. Frisch, Thronverzicht, S. 52. Der Magistrato Supremo bestand aus vier Räten und dem Herzog oder seinem Stellvertreter und war das zentrale Exekutivorgan. Rouchon, Principat médicéen, S. 69. Adriani, Istoria, S. 716. Ebd., S. 716. Vergleichend: Steinicke, Marion/Weinfurter, Stefan (Hgg.): Investitur- und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, Köln/Weimar/Wien 2005; Durchhardt, Heinz (Hg.), Herrscherweihe und Königskrönung im frühneuzeitlichen Europa, Wiesbaden 1983.

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­ edingungen zum Zeitpunkt der Gründung dieses Fürstentums: Die Einsetzung des B ersten Oberhaupts der Republik Florenz, Alessandros, geschah nach seiner offiziellen Ernennung durch den Kaiser 1530 und seiner Proklamation durch die republikanischen Institutionen mit einem feierlichen Akt, als die kaiserliche Goldbulle verlesen wurde und die städtischen Magistrate auf Knien obbedienza perpetua all’ Imperadore, e ad Alessandro dei Medici versprachen.59 Die Rangerhöhung zum erblichen Herzog im Kontext der neuen Verfassung von 1532 wurde am 1. Mai des gleichen Jahres mit einem Hochamt und einem Empfang im Regierungssitz, dem damaligen Palazzo della Signoria, begangen, wo Alessandro come vero, e legittimo Sovrano in possesso del medesimo einzog und als Herzog vom Volk akzeptiert wurde.60 Nach seiner Ermordung 1537 wurde sein nächster Verwandter Cosimo im Einklang mit den konstitutionellen und kaiserlichen Vorgaben zum Capo e Primario del Governo della Città di Firenze e suo Dominio e de’ Magistrati e Officij di quella ernannt. Den Herzogstitel erhielt er nicht.61 Seine Einsetzung geschah am 9.  Januar 1537 mit einer Wahl durch den Rat der 48, bevor er fu fatto sedere in una Sedia, prima quivi apprestata, e fatto con giuramento promettere l’osservante delle leggi, e degli ordini della Città. Anschließend fu incontanente aperto il Palagio, e gridato il suo nome per tutta la Città ad alte voce.62 Der Einsetzungsakt bestand also aus einer Wahl, einem Eid, die Gesetze zu beachten und einer Proklamation des Namens des neuen Capo e Primario del Governo.63 Die Bestätigung durch Kaiser Karl V. erfolgte am 30. September 1537, womit die Herrschaftseinsetzung und Belehnung rechtlich abgeschlossen war.64 Aufgrund der unterschiedlichen Einsetzungsrituale in Florenz musste Cosimo einen eindeutigen symbolisch-rituellen Gestus finden, um den intergenerationellen 59

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Eine Beschreibung dieses Aktes findet sich bei Rastrelli, Modesto: Storia d’Alessandro de’ Medici primo Duca di Firenze, Bd. 1, Firenze 1781, S. 73–84. Auch bei: Reumont, Geschichte, S. 34–36. Marrara, Studi giuridici, S. 4–9. Rastrelli, Storia d’Alessandro de’ Medici, S. 94–98. Marrara, Studi giuridici, S. 19. Die Schilderung des Ablaufs folgt Mannucci, Vita, S.  70 (publiziert 1586). Ähnlich: Ammirato, Istorie Fiorentine, S. 439–439. Die zeitgenössischen Chronisten berichten lediglich, dass die Mitglieder des Rats der 48 feciano capo Cosimo di Giovanni di Giovanni de’ Medici (Ridolfi, Roberto: Diario fiorentino di anonimo delle cose occorse l’anno 1537, in: Archivio storico italiano 116 (1958), S. 544–570, hier S. 549) und dass Cosimo fu creato signore della città di Firenze […] juridicamente e d’accordo […] con grande allegrezza di tutto il populo (Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S.  101). Auch die archivalisch überlieferten Quellen berichten nichts Gegenteiliges: Rossi, Agostino: La elezione di Cosimo  I Medici. Studio storico, in: Atti del Reale Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti. Serie settima. Tomo primo 48/1 (1889–90), S. 369–435, hier S. 432–435. Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 41; Diaz, Granducato, S. 67. Marrara, Studi giuridici, S. 19. Die Urkunde findet sich bei Lünig, Codex Italiae diplomaticus, Sp. 1171–1178. Machtabgabe aus politischem Kalkül  93

Machttransfer visuell, öffentlichkeitswirksam und eindrücklich zu verdeutlichen, damit sein Sohn von seinen Untertanen wie den Eliten als ihr neuer Herr anerkannt wird. Fündig wurden Cosimo und seine Berater im burgundisch-spanischen Zeremoniell, genauer bei einem Gestus, der seit Kurzem in Italien bekannt geworden war65 – dem Handkuss. Auch wenn dieser im Zeremoniell der italienischen Fürstenhöfe bisher eher unüblich war und zudem in den Berichten über die Einsetzung Alessandros und Cosimos nicht erwähnt wird, etablierte ihn Cosimo nachträglich zur zentralen Geste der Anerkennung des neuen Herzogs durch die Magistrate, indem er im Einsetzungszeremoniell zum Zeichen der Unterwerfung unter die fürstliche Autorität und als Gnadenerweis avancierte.66 Schon vor dem Akt von 1564 nutzte der Herzog diese Geste, um ein griffiges Bild seiner eigenen Einsetzung zu (er)finden: 1556 beauftragte er seinen Hofmaler Giorgio Vasari (1511–1574), einen seinem Leben gewidmeten repräsentativen Saal im Quartiere di Leone X im Palazzo Vecchio auszumalen, der seiner herzoglichen Würde angemessen war.67 Das ikonographische Programm um-

65 Der berühmte zeitgenössische Schriftsteller Giovanni della Casa (1503–1556) berichtet in seinem 1558 publizierten Handbuch über die guten Sitten, dem Galateo, dass der Handkuss laquale unsanza senza alcun dubbio a noi non è originale; ma forestiera, & barbara, & da poco tempo in qua, onde che sia, traspassate in Italia, und gegenüber höhergestellten Personen geleistet wurde. Casa, Giovanni della: Il Galateo. Trattato de’ Costumi, e Modi che si debbono tenere, ò schisare nella commune conversatione, Fiorenze 1578, S. 22v. Ebenso: Zakharine, Dmitri: Von Angesicht zu Angesicht. Der Wandel direkter Kommunikation in der ostund westeuropäischen Neuzeit (Historische Kulturwissenschaften, Bd.  7), Konstanz 2005, S. 496–499. Im Gegensatz dazu konnte der Kuss auf den Mund als Freundschaftszeichen gedeutet werden: Eickels, Klaus van: Kuss und Kinngriff, Umarmung und verschränkte Hände. Zeichen personaler Bindung und ihre Funktion in der symbolischen Kommunikation des Mittelalters, in: Geschichtswissenschaft und „performative turn“. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, hrsg. v. Jürgen Martschukat u. Steffen Patzold (Norm und Struktur, Bd. 19), Köln/Weimar/Wien 2003, S. 133–159, hier S. 138–151. 66 In seinem Universal-Lexicon berichtet Zedler, dass zum Hand-Kuß lassen, ist eine GnadenBezeigung, so grosse Herren einem geringeren erweisen. Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste 12 (1735), Sp. 438. 67 Die Räume sind den berühmtesten Mitgliedern der Medici-Familie gewidmet, Cosimo dem Alten, Lorenzo dem Prächtigen, Leo X., Clemens VII., Giovanni dalle Bande nere und Cosimo I. Cinelli, Carlo: Il Quartiere di Leone X, in: Palazzo Vecchio. Officina di opere e di ingegni, hrsg. v. Carlo Francini, Milano 2006, S. 228–233; Bucci, Cristina/Lachi, Chiara, Führer zum Palazzo Vecchio, Florenz 2007, S. 42; Cevolani, Alessandra: Le stanze del Granduca: politica e mecenatismo. Il Salone dei Cinquecento e i Quartieri privati della Corte, in: Palazzo Vecchio a Firenze, hrsg. v. Maria C. Salemi, Firenze 2001, S. 81–111, hier S. 91–111; Allegri, Ettore/Cecchi, Alessandro (Hgg.), Palazzo Vecchio e i Medici, Firenze 1980, S.  143–153; Forster, Metaphors of Rule, S. 96–98.

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Abb. 1: Die Erhebung Cosimos zum Herzog von Florenz, Gemälde von Giorgio Vasari, 1556, Quartiere di Leone X, Sala di Cosimo I, Palazzo Vecchio Florenz

fasst die wichtigsten biographischen Stationen aus Cosimos Lebens, darunter auch seine Wahl (Abb. 1).68 Vasari stellt das Ereignis folgendermaßen dar: Der junge Cosimo thront umgeben von mehreren Mitgliedern des Rats der 48, die ihn gewählt haben, während zwei von ihnen in der Mitte die herzoglichen Hände küssen und ein Sekretär die kaiserliche Belehnung verliest. Durch die Kombination einer Handlung, die wahrscheinlich nie so stattgefunden hat, mit der Ernennung durch den Kaiser mittels einer Urkunde ver68 Zu diesem Gemälde: Erben, Dietrich: Die Reiterdenkmäler der Medici in Florenz und ihre politische Bedeutung, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 40 (1996), S.  287–361, hier S.  305–307; Allegri/Cecchi, Palazzo Vecchio, S.  146. Vgl. auch: Fehl, Philipp: Vasari e Stradano come Panegiristi dei Medici. Osservazioni sul rapporto tra verità storica e verità poetica nella pittura di fatti storici, in: Il Vasari. Storiografo e Artista. Atti del Congresso internationale nel IV Centenario della Morte, hrsg. v. Mario Salmi u.a., Firenze 1976, S. 207–224. Das Gemälde über die nie stattgefundene Krönung Alessandros durch Karl V. im Saal Clemens VII. ist ein weiteres Beispiel für die Neuinterpretation der his­ torischen Fakten, um die Familiengeschichte in der historischen Erinnerung zu glorifizieren. Forster, Metaphors of Rule, S. 92. Machtabgabe aus politischem Kalkül  95

Abb. 2: Die Erhebung Cosimos zum Herzog von Florenz, Bronzerelief von Giambologna, 1598, Sockelrelief des Reiterstandbilds von Cosimo auf der Piazza della Signoria Florenz

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schränkt Vasari die Hauptelemente der Erhebung Cosimos auf einer symbolischen und rechtlichen Ebene. Der Maler selbst erläutert das Bildprogramm in den Ragionamenti, einem fiktiven Dialog zwischen Vasari und Francesco, um es letzterem zu erklären: Li quarantotto cittadini, che rappresentano lo stato, chiamarono et crearono il signor Cosimo nuovo duca della repubblica fiorentina […], et parte de’ quali fanno reverenzia al nuovo duca.69 Diese Geste der Ehrerbietung, immer in der Kombination mit der Verlesung der kaiserlichen Bulle, bildete von nun an70 das zentrale ikonographische Element, um den Beginn der Herrschaft Cosimos zu illustrieren.71 Der Handkuss findet sich auch auf anderen Historiendarstellungen zum Leben Cosimos, so beispielsweise auf einem Bronzerelief auf dem Sockel der Reiterstatue Cosimos von Giambologna (1529–1608) auf der Piazza della Signoria in Florenz, die unter dessen Sohn Großherzog Ferdinando I. (1549–1609) (Abb. 2) errichtet wurde, auf einem Gemälde Jacopo da Empolis (1551–1640), das er für einen ephemeren, anlässlich der Hochzeit Ferdinandos 1589 errichteten Triumphbogen gemalt hat (Abb. 3),72 sowie auf einem großformatigen Wandgemälde aus den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts von Domenico Cresti (gen. Passignano) (1559–1638) im Saal der Fünfhundert im Palazzo Vecchio (Abb. 4).73

69 Vasari, Giorgio: Ragionamenti, in: Le opere di Giorgio Vasari, Bd. 8, hrsg. v. Gaetano Milanesi, Firenze 1981, S. 11–223, hier S. 189–191. Tinagli, Paola: Claiming a Place in History: Giorgio Vasari’s Ragionamenti and the Primacy of the Medici, in: The Cultural Politics of Duke Cosimo I de’ Medici, hrsg. v. Konrad Eisenbichler, Aldershot 2001, S. 63–76. 70 Ein 1539 anlässlich der Dekoration für die Hochzeit Cosimos angefertigtes, aber heute verschollenes Gemälde zeigte die gleiche Szene, aber die überlieferte Beschreibung lässt unklar, wie der Akt dargestellt wurde. Giambullari, Pierfrancesco: Apparato et feste nelle noze dello Illustrissimo Signor Duca di Firenze, et della Duchessa sua Consorte, con le sue Stanze, Madriali, Comedia, & Intermedii, in quelle recitati, Firenze 1539, S. 27–28. Zu den Feierlichkeiten: Minor, Andrew C./Mitchell, Bonner: A Renaissance Entertainment. Festivities for the Marriage of Cosimo I, Duke of Florence, in 1539, Columbia 1968. 71 Auch Casini, Gesti del principe, S. 84–90 unterstreicht die Bedeutung für Cosimo, ein eigenes Einsetzungsritual zu etablieren, er erwähnt aber nicht den Handkuss als zentrale Geste. 72 Erben, Reiterdenkmäler, S. 304–309; Gualterotti, Raffaele: Descrizione del Regale Apparato per le Nozze della Serenissima Madama Cristina di Loreno Moglie del Serenissimo Don Ferdinando Medici III Gran Duca di Toscana, Firenze 1589, S. 159. Hier wird die Machtübertragung an Francesco nicht erwähnt. 73 Das Gemälde ist unterschrieben: FLORENTINUS SENATUS CIVITATIS PRINCIPEM POST ALEXANDRUM PARI IURE AC POTESTATE CONFIRMAT. Starn, Randolph/ Partridge, Loren: Arts of Power. Three Halls of State in Italy, 1300–1600, Berkeley/Los Angeles/Oxford 1992, S. 301; Nissman, Joan Lee: Domenico Cresti (Il Passignano), 1559–1638. A Tuscan Painter in Florence and Rome, s.l. 1979, S. 259–261. Muccini, Ugo: Il Salone dei Cinquecento in Palazzo Vecchio, Firenze 1990, S. 179. Machtabgabe aus politischem Kalkül  97

Abb. 3: Die Erhebung Cosimos zum Herzog von Florenz, aus: Gualterotti: Descrizione del Regale Apparato, S. 159

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Abb. 4: Die Erhebung Cosimos zum Herzog von Florenz, Gemälde von Domenico Cresti, gen. Il Passignano, um 1600, Salone dei Cinquecento, Palazzo Vecchio Florenz

Alle diese Darstellungen zeigen den jungen Cosimo, der sich die rechte Hand küssen lässt, während die Belehnungsurkunde laut verlesen wird. Diese Geste ist nicht nur in der künstlerischen Repräsentation verankert, sondern setzt sich auch für das tatsächlich durchgeführte Einsetzungsritual der Cosimo nachfolgenden Großherzöge Francesco 1574 und Ferdinando I. 1587 fort, wie der Fall des Letzteren deutlich zeigt: tutti [der Rat der 48 und der Rat der 200] unitamente a uno a uno andorno a baciare la mano a S. A. S. [Ferdinando], accettando detto gran duca Ferdinando Medici per loro signore e padrone.74 Im Gegensatz zu den Darstellungen der Erhebung Cosimos wurde das Ritual der realen Investitur auf die zentrale Geste, den Handkuss, reduziert. Indem sie diese Ehrfurchtsbezeugung zum wichtigsten Element der Einsetzung avancieren ließen, hatten die Großherzöge ihren Einsetzungsritus gefunden. 74 Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 261. Hierbei handelte es sich für Ferdi­ nando um ein sehr wichtiges symbolisches Einsetzungsritual, weil seine neue Position als Großherzog nicht von allen Familienmitgliedern vorbehaltlos akzeptiert wurde. Strunk, Christina: Schuld und Sühne der Medici: der Tod Großherzog Francescos für die Kunst (1587–1628), in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft  36 (2009), S.  217–267, hier S. 224. Auch die (zweite) Einsetzung Francescos 1574 geschah solennissimamente e con tutti gli ordini che usar si possono in tal cirimonia, con gran letizia ed allegrazza di ciascuno. Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 184; Borsook, Eve: Art and Politics at the Medici Court I: The Funeral of Cosimo I de’ Medici, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 12/1,2 (1965), S. 31–54, hier S. 36–37. Machtabgabe aus politischem Kalkül  99

Die Verlesung der Urkunde, die chronologisch weder zur Einsetzung Cosimos gehört noch tatsächlich bei ihm geschah, aber Einzug in die bildliche Darstellung fand, fehlte hingegen beim Akt 1587. Dies lässt sich mit der Anerkennung der großherzoglichen Würde durch die römisch-deutschen Kaiser 1576 erklären, durch die eine kaiserliche Bestätigung aus lehnsrechtlicher Sicht nicht mehr erforderlich war.75 Für Cosimo war es viel wichtiger, eine zeremonielle Geste zu etablieren, damit sich die toskanischen Fürsten der Treue ihrer Untertanen versichern lassen konnten. Der Einsetzungsakt als invented tradition76 (Eric Hobsbawm) bot für Cosimo also den Vorteil, gleichsam als Ersatz für eine Huldigung symbolisch die Unterstützung der Magistrate als Repräsentanten der toskanischen Untertanen einzuholen. Bei der Einsetzung Francescos am 11. Juni 1564 wird diese Ersatzhuldigung erstmals durchgeführt und zukünftig stets beachtet. Ihre Bedeutung für die Dynastiegeschichte der Medici und Erinnerung zeigt sich auch deutlich in einem Freskenzyklus, der die Glorie di Casa Medici illustriert (Abb.  5). Entstanden 1642 für die Medici-Villa La Petraia unter Großherzog Ferdinando II. (1610–1670), hält sich das die Einsetzung Francescos zeigende Fresko genau an den Ereignisbericht des 78 Jahre zuvor stattgefundenen Aktes – inklusive Handkuss.77 In diesem Kontext sind auch die bei dem Akt anwesenden Personen von großer Bedeutung und klug ausgewählt. Er fand unter aktiver Mitwirkung der beiden höchsten Gremien des toskanischen Staates statt, wie sie die florentinische Verfassung definiert, also dem Magistrato Supremo und dem Rat der 48, außerdem in Anwesenheit anderer Räte, Höflinge und Bürger.78 Es war so eine ausgewählte Öffentlichkeit präsent, die die herzogliche Verwaltung, die Eliten, den Hof und die Untertanen repräsentierte und damit die wichtigsten politischen und sozialen Gruppen der florentinisch-toskanischen Gesellschaft abzubilden versuchte. Dennoch ist es bemerkenswert, dass mit dem Rat der 48 genau dasselbe Gremium beteiligt war, das 27 Jahre zuvor Cosimo gewählt hatte. Nun aber beeinflusste der Senat die Erhebung eines neuen Herzogs nicht mehr, was der Innenpolitik des Medici geschuldet war. Während seiner Herrschaft konnte er die Kompetenzen der republikanischen Räte, die eigentlich durch die Ordinazioni von 1532 garantiert waren,79 erfolgreich aushöhlen, um seine monarchische 75 Ausführlich: Marrara, Studi giuridici, S. 29–31. Nach Francesco, der die kaiserliche Bestätigung des Großherzogtitels durch Maximilian II. 1576 erhalten hatte, wurden die folgenden Großherzöge nicht mehr durch den Kaiser ernannt oder bestätigt. 76 Hobsbawm, Eric, Introduction: Inventing Traditions, in: The Invention of Tradition, hrsg. v. Eric Hobsbawm u. Terence Ranger, Cambridge 1983, S. 1–14, hier S. 1. 77 Fabbri, Maria Cecilia/Grassi, Alessandro/Spinelli, Riccardo: Volterrano. Baldassare Fran­ ceschini (1611–1690), Firenze 2013, S. 93. 78 Adriani, Istoria, S. 716. 79 Zur Verfassung des florentinischen Staates: Pansini, Giuseppe: Le ordinazioni del aprile 1532 e l’assetto politico del principato mediceo, in: Studi in memoria di Giovanni Cassandro, Bd. 3,

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Abb. 5: Cosimo I. übergibt die Regierung an seinen Sohn Francesco (aus: Fasti medicei), Fresko von Volterrano, 1642, Cortile della Villa Medicea della Petraia Florenz

Macht zu stärken. Zum Zeitpunkt des Machttransfers hatte Cosimo den Höhepunkt seiner innenpolitischen Durchsetzungsfähigkeit erreicht, die er einer loyalen Verwaltung, dem Ausbau seines persönlichen Einflusses in den Räten und besonders dem Aufbau eines feinen Klientelnetzwerkes zu den oligarchischen Eliten zu verdanken hatte. Der Erfolg dieses in der Forschung als Medici-Prinzipat bezeichneten Systems war auch das Resultat einer gelungenen Integration der im Senat vertretenen ehemaligen republikanischen Eliten in den politischen Entscheidungsprozess.80 In diesem Zusammenhang zeigte die Machtübergabe am 11. Juni 1564 auch das Funktionieren und die soziale Ordnung in Cosimos Staat: Die florentinischen republikanischen Institutionen, die eigentlich aus konstitutioneller Sicht ein integraler Bestandteil des politischen Systems sind, wurden an der Einsetzung Francescos insoweit beteiligt, als sie ihm huldigen. Dieses Element war bei der Installation Cosimos noch nicht vorRoma 1991, S. 761–785; Marrara, Studi giuridici, S. 10–12; Rouchon, Principat médicéen, S. 65–70; Anzilotti, Costituzione interna, S. 25–40. 80 Detailliert zu diesem Prozess: Rouchon, Principat médicéen, S. 72–89; Burr Litchfield, R.: Emergence of a Bureaucracy. The Florentine Patricians 1530–1790, Princeton 1986, S. 65– 83; Albertini, Florentinisches Staatsbewusstsein, S. 274–282. Machtabgabe aus politischem Kalkül  101

handen. Obwohl sie ihren alten Einfluss auf die Herzogswahl verloren hatten, symbolisierte ihre Mitwirkung an dem Generationenwechsel zwischen Vater und Sohn con letizia infinita di tutti colore81 und nicht zuletzt der Handkuss deren Einverständnis damit. Dieser Konsens war umso bedeutsamer, weil die junge Herrschaft der Medici zwar unter Cosimo gesichert schien, ein Herrschaftswechsel aber immer die Gefahr von Instabilität mit sich brachte, wie es Cosimo selbst bei seiner eigenen Erhebung miterlebt hatte. Auch wenn alle Urkunden über die Belehnung Alessandros und Cosimos und selbst die Ordinazioni das dynastische Erbprinzip für die Nachkommen oder Verwandten des ersten Medici-Herzogs bestätigt hatten, war der reibungslose Übergang in Bezug auf die Anerkennung des neuen Herrschers keineswegs gesichert. Obwohl in der Verfassung 1532 sogar festgeschrieben wurde, dass die Herrschaft direkt auf den fürstlichen Nachfolger übergeht, wurde Cosimo zunächst vom Rat der 48 gewählt und musste schwören, die Gesetze zu achten.82 Durch den öffentlichen Handkuss veränderte Cosimo die rechtlichen Verbindlichkeiten komplett: Die Eliten erkannten Francesco als ihren Regenten an und demonstrierten symbolisch ihre Treue zu ihm, was Giovanni Dini in seiner Rede vorher mündlich zugesichert hatte. Lapini beschreibt den Vorgang 1564 mit fast den gleichen Worten, wie er 1587 bei der Einsetzung Ferdinandos davon schreiben wird: riconobbono amorevolissimamente il detto signor Principe [Ferdinando] e per vero padrone, e per vero generale governatore.83 Dieser Akt ist demnach mit einer Huldigung vergleichbar, als ein segno dell’ubbidienza.84

81 Adriani, Istoria, S. 716. 82 Die wichtigsten Urkunden und Texte zur erblichen Herrschaft der Medici finden sich bei Lünig, Codex Italiae diplomaticus. Ernennung Alessandros de’ Medici durch Karl  V. (28.10.1530), Sp. 1163–1168, hier Sp. 1165; Proklamation Cosimos de’ Medici durch den Rat der 48 (09.01.1537), Sp. 1171–1172; Urkunde Karls V. über die Einsetzung Cosimos de’ Medici (30.09.1537), Sp.  1171–1178, hier Sp.  1173; Belehnung Cosimos de’ Medici mit Siena durch Philipp II. von Spanien (03.07.1557), Sp. 1177–1186, hier Sp. 1179. Die Ordinazioni vom 27. April 1532 bildeten die konstitutionelle Ordnung der florentinischen Republik und legten fest, dass nach dem Tod des Duca della Repubblica Fiorentina […] succeda immediate senz’alcuna deliberazione il figlio suo, o discendente Maschio di maggior età, e mancando il figlio e descendenti predetti succeda il più prossimo a lui di sangue e di maggior età della famiglia de’ Medici nach der Urkunde Karls V. Ordinazioni, bei Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 1, S. 5–38, hier S. 9. 83 Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 141. 84 Cini, Vita, S. 466. Dennoch scheint es, dass der Handkuss nicht zum zeremonienal-symbolischen Gestenrepertoire der Huldigung gehörte. Distelkamp, Bernhard: Art. „Huldigung“ in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2 (1978), Sp. 1159–1161. Holenstein, André: Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herrschaftskultur (800–1800), Stuttgart/New York 1991.

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Cosimo hatte letztlich die dynastische Sukzession in seinem Sinne geregelt und sicherte seiner Familie die Macht.85 Aus dieser Perspektive ist es überraschend, dass ein solcher Akt nur für das florentinische, nicht aber für das sienesische Herzogtum überliefert ist. Zwar spricht Cosimo in dem am 11. Juni verlesenen Brief von der Regierungsübergabe des cotesto dominio und dann weniger konkret von der delli altri stati nostri.86 Tatsächlich waren aber nur die Magistrate des florentinischen Anteils im großen Saal des Palazzo Vecchio anwesend, sodass die Huldigung für Francesco strenggenommen nur für den Stato di Fiorenze galt. Die Verlautbarung über den herzoglichen Willen auch für den Stato di Siena erreichte die Stadt vier Tage später am 15. Juni 1564, als der Gouverneur Agnolo Niccolini (1500–1566) als ständiger und ranghöchster Vertreter Cosimos darüber berichtete: nel Palazzo di questa città a la presenza della Signoria, della Balìa et delli altri magistrati la concessione di governo, et administratione di questo et delli altri Stati suoi, fatta da lei [Cosimo] al s. r Principe suo primogenito [Francesco], della quale veramente si vedde satisfattione et allegrezza universale.87 Weder Cosimo noch Francesco waren anwesend. Die im Vergleich zu Florenz unterschiedliche Herangehensweise liegt in der anders beschaffenen sienesischen Verfassungsstruktur begründet: Nachdem Cosimo die Republik Siena 1555 erobert hatte, wurde er damit von Philipp II. von Spanien am 3. Juli 1557 belehnt.88 Der Herrscher von Florenz regierte von da an über beide Staaten, aber ohne diese in einer politischen Union zu 85 Auch Galluzzi, Istoria, S.  281 betont die Bedeutung des Machtwechsels auf dynastischer Ebene. 86 Adriani, Istoria, S. 715. 87 Brief Agnolos Niccolini an Francesco de’ Medici, 16. Juni 1564. Ein Teil dieses in dem Archivio di Stato di Firenze (Mediceo del Principato, Bd. 1870, fol. 18) verwahrten Textes ist unter der Nummer 20236 in dem Medici Archive Project einsehbar (www.medici.org). Ausführlich zur Funktion des Gouverneurs: Marrara, Studi giuridici, S. 177–199. Zu den sienesischen Institutionen: Fasano Guarini, Elena: Le istituzioni di Siena e del suo stato nel ducato mediceo, in: I Medici e lo stato senese 1555–1609. Storia e territorio, hrsg. v. Leonardo Rombai, Roma 1980, S. 49–62. 88 Philipp II. war von seinem Vater Karl V. am 30.  Mai 1554 (erneuert am 16. Januar 1556) heimlich zum kaiserlichen Vikar Sienas ernannt worden, kurz bevor er das Königreich Neapel erhielt und Maria Tudor heiratete. Durch dieses Amt konnte er das Reichslehen am 3. Juli 1557 nach der Abdankung seines Vaters als Kaiser am 3. August 1556 vergeben. Lünig, Codex Italiae diplomaticus, Sp. 1177–1186; Brandi, Karl: Kaiser Karl V. Werden und Schicksal einer Persönlichkeit und eines Weltreiches, Darmstadt 71979, S.  524–526; Turba, Gustav: Beiträge zur Geschichte der Habsburger  III. Zur deutschen Reichs- und Hauspolitik der Jahre 1553 bis 1558, in: Archiv für österreichische Geschichte 90/1 (1901), S. 233–319, hier S. 282–284; Reumont, Geschichte, S. 217–223; Marrara, Studi giuridici, S. 25; Zur Frage, ob Siena ein kaiserliches oder spanisches Lehen ist, vgl. Aretin, Karl Otmar von: L’ordinamento feudale in Italia nel XVI e XVII secolo e le sue ripercussioni sulla politica europea, in: Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento 4 (1978), S. 51–94, hier S. 61–63. Machtabgabe aus politischem Kalkül  103

vereinen. Er musste die voneinander getrennten Regierungsinstitutionen daher über seine Rückzugsintention separat informieren.89 Seine Position als Herrscher Sienas, die durch die Belehnung für sich persönlich und seine Nachkommen juristisch garantiert wurde, erschien ihm jedoch wahrscheinlich als so stabil, dass er auf ein vergleichbares Einsetzungsritual verzichten konnte – auf jeden Fall ist ein solcher Akt für Siena nicht überliefert. Diese symbolischen und rechtlichen Feinheiten waren jedoch für die florentinische Öffentlichkeit nicht so offensichtlich. Den Beobachtungen des Florentiners Lapini nach übernahm Francesco mit der Einsetzungsfeier in Florenz il governo di tutto lo stato di Firenze e di Siena.90 Währenddessen waren die republikanischen Eliten von Florenz im Palazzo Vecchio anwesend. Die florentinische Öffentlichkeit wurde in die Erhebung Francescos durch eine Prozession des neues Prinzregenten und seines Gefolges sowie eine Messe im Dom eingebunden.91 Indem sie die Prozession verfolgte, erkannte sie die neue politisch-soziale Ordnung und die neue Position Francescos darin. Die Messe diente nach Lapini, der fast sicher Augenzeuge war, per dua cose cioè: per la natività del duca Cosimo, e per questa nuova letizia del governo del detto Principe.92 Durch das Hochamt erhielt die Machtübergabe auch die sakrale Komponente, die ihr bisher noch gefehlt hatte: Der neue Herrscher und seine Regierung wurden gesegnet und mit einer Heilig-Geist-Messe unter göttlichen Schutz gestellt. Diese besondere Form einer feierlichen Messe unterstrich die Bedeutung des Anlasses, da sie in Florenz nur anlässlich herausragender Ereignisse gefeiert wurde.93 Dies lässt sich auch in eine gesamteuropäische Tradition einbetten: Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit wurden vor allem wichtige politische Anlässe und Wahlen durch eine Heilig-Geist-Messe eröffnet, was auch teilweise durch das kanonische Recht verbindlich vorgeschrieben war.94 Als Abschluss des Tages richtete Francesco ein Bankett für die wichtigsten Räte im Palazzo Vecchio aus.95 Das gemeinsame Mahl war ein typischer Bestandteil der Huldigungsakte, bei denen der Fürst und seine Untertanen vorübergehend eine Gemeinschaft 89 90 91 92 93

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In Siena waren diese etablierten Institutionen die Balìa und die Signoria. Marrara, Studi giuridici, S. 89–175; Rouchon, Principat médicéen, S. 77. Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 141. Ebd.; Adriani, Istoria, S. 716. Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 141. Im liturgischen Kalender von Florenz war diese Art der Messe, wenigstens im 18. Jahrhundert, ausschließlich für die Vorbereitungen des Johannisfestes (24. Juni) in der gleichnamigen Kirche am 20. Juni vorgesehen. Francesconi, Maurizio: Firenze sacra ovvero feste, devozioni, e indulgenze che sono nelle chiese della città di Firenze, Firenze 1739, S. 69. Auch die wichtigsten politischen Wahlakte in Europa waren mit einer Heilig-Geist-Messe verbunden. Moroni, Gaetano: Dizionario di erudizione storico-ecclesiastica 5 (1841), S. 62; Dotzauer, Winfried: Anrufung und Messe vom Heiligen Geist bei Königswahl und Reichstagen in Mittelalter und früher Neuzeit (33) 1981, S. 11–44. Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 141; Adriani, Istoria, S. 716.

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bildeten, die die Übereinstimmung zwischen ihnen symbolisierte.96 Die von Lapini beschriebene Feierlichkeit und die nuova letizia del governo del detto Principe, ebenso wie die suoni di campane, e strepito di artiglieria, e fuochi, e altri modi consueti nelle pubbliche letizie,97 unterstrichen bei aller topischen Erwähnung die Bedeutung der Ereignisse für die Toskana und die Dynastie.98 Diese akustischen (Glockengeläut, Kanonendonner) und visuellen Zeichen (Prozession und prunkvolle Ausstattung) erhöhten die öffentliche Aufmerksamkeit für den Machtwechsel hinter den Mauern des Palazzo Vecchio und die Freude der Untertanen brachte – zumindest äußerlich – erneut auch die Zustimmung der gesamten florentinischen Gesellschaft zum Ausdruck. Letztlich zielte die Kommunikationsstrategie von Cosimo auf ein hohes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit, das sich auf die florentinischen Eliten und Bürger erstrecken sollte. Indem der alte Herzog die Einsetzung seines Sohnes derart feierlich inszenierte, betonte Cosimo die große Bedeutung, die er selbst dem Herrschaftswechsel zumaß. Obwohl Cosimo an jenem Tag zwar der Initiator für das ganze Geschehen war, war doch Francesco an diesem 11. Juni die Hauptperson. Durch die Abwesenheit des alten Herzogs von Florenz, der zeremoniellen Stellung des Prinzregenten und vor allem der Handkussgeste hatte das ganze Zeremoniell eher den Charakter einer Herrschereinsetzung als den einer Amtsniederlegung. Dieser Logik folgend, nahm Francesco vom Palazzo Vecchio als dem Regierungssitz Besitz und zog dort persönlich mit seinem Gefolge ein, während sein Vater in den auf der Südseite des Arno gelegenen Palazzo Pitti umzog.99 Beide Paläste wurden 1565 durch den Vasari-Korridor verbunden. Für den Rückzug Cosimos von den Regierungsgeschäften und dessen zeremonieller Ausgestaltung kann somit nicht von einem Abdankungszeremoniell im Sinne Markus Bauers gesprochen werden, das vergleichbar wäre mit den Rücktritten Karls V. 1555, Christinas von Schweden 1654 oder Johann II. Kasimirs von Polen 1668.100 In Bezug auf die Kommunikation des Verzichts nach innen legte Cosimo vielmehr großen Wert auf politische und dynastische Kontinuität. 96 Holenstein, Huldigung, S. 472–480. 97 Adriani, Istoria, S. 716. 98 Hierbei handelte es sich um typische akustisch-visuelle Elemente, die Rituale feierlicher erscheinen lassen sollten. Berns, Jörg Jochen: Die Festkultur der deutschen Höfe zwischen 1580 und 1730. Eine Problemskizze in typologischer Absicht, in: Germanisch-romanische Monatsschrift 65 (1984), S. 295–311, hier S. 300 f.; Fenlon, Iain: Music and Festival, in: Europa Triumphans. Court and Civic Festivals in Early Modern Europe, Bd. 1, hrsg. v. James Mulryne u.a., London 2004, S. 47–55. 99 Der Palazzo Vecchio war seit 1540 die herzogliche Residenz: Cevolani, Stanze del Granduca, S. 81; Gáldy, Andrea M.: Cosimo I de’ Medici as Collector: Antiquities and Archeology in Sixteenth-Century Florence, Newcastle upon Tyne 2009, S. 72; Allegri/Cecchi, Palazzo Vecchio, S. 323–330. 100 Bauer, Markus: Das große Nein – Zum Zeremoniell der Resignation, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Jörg Jochen Berns u. Thomas Machtabgabe aus politischem Kalkül  105

Die Kommunikation des Verzichts nach außen: Der Griff nach der großherzoglichen Krone In Bezug auf die Kommunikation nach innen bemühte sich Cosimo, seinen teilweisen Rückzug als einen echten Generationenwechsel darzustellen. Es genügte jedoch nicht, dies nur den Untertanen mitzuteilen. Als wichtiger politischer Akteur auf der italienischen Halbinsel musste er auch seine fürstlichen Kollegen über diesen Schritt informieren. Aber welche Auswirkungen und Reaktionen rief seine Absicht in der politischen Welt Italiens hervor? Cosimo erläuterte seine Motivation in Briefen einen guten Monat vor der Einsetzung Francescos am 30. April 1564, die er an italienische Fürsten adressierte. Dem Herzog von Urbino, Guidobaldo II. (1514–1574), schreibt er, dass sein Sohn ihm ha dato sempre buon odore di sé, di maniera che più volte ho pensato di tirarlo al governo de’ miei stati; […] ma hora ch’egli è provetto, et ch’io lo trovo, et forse sopra gl’anni suoi, di fondato intelletto, et d’un giudito tale che mi porge speranza di gran frutto. Deshalb überträgt er ihm su le spalle questo carico a beneplacito mio, salva l’autorità et li tituli con certa parte dell’entrate honestissima per mio uso. Der Herzog erwähnt weiterhin die günstigen, weil friedvollen Zeitumstände, was dem Sohn genügend Zeit gebe, farsi pratico et esperto et da non trovarsi poi soro nella successione und nicht in gefährliche Situation zu geraten. Cosimo versichert außerdem, dass er sich nicht fürchtet, dass briga nè fatica quando sia di bisogno, non gli sarà infruttoso in vita mia, nella quale harà più commodità d’emendare qualche errore, che per l’inesperientia potrebbe commettere. Für Cosimo, sarà [un tempo] di riposo, col quale più commo­ damente potrò conservarmi a lui et alli amici.101 Francesco ist dem Herzog zufolge der ideale Nachfolger, geeignet für die Regierungsgeschäfte, alt genug und durch den vorzeitigen Rückzug des Vaters in der glücklichen Lage, zunächst unter Aufsicht Regierungserfahrung zu sammeln. Cosimo habe so die gute Gelegenheit, sich von den Amtsgeschäften zurückzuziehen. Weitere Briefe des gleichen Inhalts schickte er an benachbarte Herrscher.102 Die Republik Venedig erhielt die Mitteilung durch seinen Gesandten Cosimo Bartoli. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die gleichen Informationen wie in den fürstlichen Briefen: Cosimo schreibt, dass noi ci siamo risoluti di lassar il carico dell’administratione delli stati, ed del entrate nostre al Principe nostro figlio a nostro beneplacito, riservandoci non di meno l’authorità, et li titoli.103 Im Brief an den spanischen König Philipp  II. fügt er noch hinzu, dass er stets dessen kaiserlichen Vater nachahmen wollte und deshalb beschlossen habe, sich zurückzuzieRahn, Tübingen 1995, S. 99–124; Richter, Schlusspunkt. 101 Brief Cosimos an den Herzog von Urbino, 30. April 1564. Spini, Cosimo de’ Medici. Lettere, S. 194–195. Auch ediert bei Tosi, Abdicazione, S. 24. 102 Mindestens die Herzöge von Urbino, Mantua und Savoyen sowie die Republik Venedig wurden informiert. Bryce, Cosimo Bartoli, S. 93. 103 Brief Cosimos an Cosimo Bartoli, 30. April 1564, zit. n. Bryce, Cosimo Bartoli, S. 93.

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hen.104 Cosimo unterstrich in den Schreiben, die Machtübergabe geschehe unter der Bedingung, dass er sich den Herzogstitel und die höchste Entscheidungsgewalt vorbehalten wolle. Obwohl diese Einschränkungen im Wortlaut unterzugehen drohen, ist dies doch eine der wichtigsten Inhalte im gesamten Text: Die Adressaten nahmen zur Kenntnis, dass fortan Francesco der Ansprechpartner für alle Außenbeziehungen war. Gleichzeitig erklärte Cosimo jedoch unmissverständlich, dass er an seiner herzoglichen Würde mit allen Rechten festhalten wolle, die daran gebunden sind: Es handelte sich um die in den Fürstenbriefen erwähnte autorità, die in der im Namen des Herzogs gehaltenen Rede im Palazzo Vecchio als Suprema Autorità präzisiert wurde.105 Auf der einen Seite umfasst der Begriff (lat. plenitudo potestatis), der aus dem kanonischen Recht stammt, um die Universalgewalt des Papstes zu beschreiben,106 die Rechte des Fürsten nach innen und seine höchste Amtsgewalt gegenüber den Entscheidungen Francescos. Auf der anderen Seite beansprucht Cosimo – und das ist das Entscheidende für die Kommunikation nach außen – weiterhin seinen Status als souveräner Fürst, der keine Gewalt über sich kennt. In letzter Konsequenz würde er so sogar die Lehensbindung an den Kaiser negieren. Obwohl einige Politiktheoretiker jener Zeit, etwa Jean Bodin (1529–1596), den italienischen Fürsten wegen ihrer feudalen Abhängigkeit vom Papst oder Kaiser die Souveränität absprachen, widersprachen Cosimo und seine fürstlichen Kollegen ihrer eigenen Rangunterordnung unter das Heilige Römische Reich.107 Während seiner gesamten Regierungszeit verteidigte der Medici den Anspruch, dass questo Stato di Firenze [è] libero e che non riconosce su104 Der Brief wird bei Galluzzi, Istoria, S. 280 und Saltini, Tragedie, S. 189 paraphrasiert. 105 Adriani, Istoria, S. 716. 106 Benson, Robert Louis: Plenitudo Potestatis: Evolution of a Formula from Gregory  IV to Gratian, in: Studia Gratiana 14 (1967), S. 193–217; Verger, Jacques: Il rinascimento del XII secolo, in: La Fioritra della Dialettica. X–XII secolo, hrsg. v. André Cantin u.a., Milano 2008, S. 127–186, hier S. 152. 107 Spagnoletti, Angelantonio: Le dinastie italiane nella prima età moderna, Bologna 2003, S. 110–118; Aretin, Ordinamento feudale, S. 56–59 u. S. 66–70. Diese lehnsrechtlichen Fragen blieben bis zum Ende des Alten Reichs ungeklärt. Der Staatsrechtler Johann Jacob Moser vereint dies, indem er schreibt, dass die Toskana ware kein Reichslehen (S. 412), obwohl er sie unter die welsche Reichs=Lehen (S.  404) subsumiert. Moser, Johann Jacob: Teutsches Auswärtiges Staats=Recht (Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 20), Franckfurt/Leipzig 1772. Die italienischen Juristen des 17. Jahrhunderts erkannten die Lehensunabhängigkeit größtenteils an, zum Beispiel Luca, Giovanni Battista De: Theatrum veritatis et iustitiae, Bd. 3, Romae 1669, S. 118: Nihilomius id intelligitur de illiis feudatarijs dignitatis, qui sunt, Principes, Duces, Marchiones, vel Comites per veritatem quoniam excepto alto seu altissimo dominio, exceptaque maiori superioritate, vulgo sovranità, non recognoscunt superiorem, ac habent jura imperii, et regalia maiora, etiam illa legis condendae, monetas cudendi, vectigalia imponendi, et similia. Spagnoletti, Dinastie italiane, S. 115. Die folgenden Großherzöge wurden nicht mehr durch die Kaiser eingesetzt. Cosimo III. erkannte aber um 1700 die Rechtmäßigkeit der Kontributionszahlungen an den Kaiser an, ohne an der Investitur in Wien 1713 teilzunehmen. SpagnoMachtabgabe aus politischem Kalkül  107

periore alcuno.108 In diesem Punkt ist der Wortlaut der Briefe von großer Bedeutung, denn hier teilt Cosimo deutlich mit, dass er die Regierung an Francesco übergeben hat, dass er aber auch weiterhin seine Würde und herzogliche Autorität mit den ungelösten Unabhängigkeitsansprüchen behält.109 Diese eigentlich widersprüchliche Handlungsweise lässt sich tiefer verstehen, wenn sie mit dem rechtlichen und theologischen Konzept der beiden Körper des Königs analysiert wird, das auch für auf das Medici-Prinzipat anwendbar ist.110 Ernst Kantorowicz zufolge besitzen europäische Monarchen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (vor allem die aus Frankreich und England) einen Körper doppelter Natur: Den body natural als den menschlich-sterblichen Körper sowie den unsterblichen body politic, der von diesem umgeben ist und die politisch-monarchische Macht des Königs beinhaltet. Normalerweise bleiben diese beiden Körper zusammen bis zum natürlichen Tod des Fürsten, wenn der body politic auf den Nachfolger, meist den Sohn, übergeht.111 Obwohl Kantorowicz diese politische Theorie mit Quellen über die französische und englische Monarchie des Mittelalters entwickelt hat, ist sie auch für italienische Monarchien fruchtbar zu machen, wo seit der Renaissance erbliche Fürstentümer die republikanischen Systeme verdrängten. Wie Susanna Pietrosanti und Matteo Casini für die Trauerfeier Cosimos gezeigt haben, übernahmen diese neuen Herzöge und vor allem die Medici die in Europa bekannten Politiktheorien über die Fürstenherrschaft und ließen sie weiterentwickeln, um ihre eigene Machtbasis auch theoretisch zu unterfüttern und zu stärken.112 Bei aller inhaltlichen Stringenz gerät dieses Legitimationsmodell allerdings in eine Krise, wenn der regierende Fürst

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letti, Dinastie italiane, S. 118–122. Nach dem Tod Cosimos I. wurde Francesco jedoch mit Siena belehnt. Aretin, Ordinamento feudale, S. 63. Brief Cosimos de’ Medici an Kaiser Maximilian II., 13. Juni 1565, zit. n. Bibl, Erhebung Herzog Cosimos, S. 13; Marrara, Studi giuridici, S. 23; Carcereri, Cosimo primo, I, S. 188–190. Die Einsetzungsurkunde Karls  V. von 1537 erwähnt den Herzogstitel nicht, Cosimo wird stattdessen vocatum ad ipsum Primatum et Caput gubernii et Status Reipublicae Florentinae. Cantini, Legislazione Toscana, S.  146. Er war daher eigentlich rechtlich nicht befugt, sich als Herzog zu bezeichnen, führte in seinen Edikten aber trotzdem den Titel eines Duca di Fiorenza, & Siena. Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 1–8; Marrara, Studi giuridici, S. 18–20. Kantorowicz, Ernst: The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology, Princeton 1957, S. 20. Siehe auch: Marek, Kristin: Die Körper des Königs. Effigies, Bildpolitik und Heiligkeit, Paderborn 2009. Giesey, Ralph E.: Cérémonial et puissance souveraine, France, XVe–XVIIe siècles, Paris 1987, S. 18–19 u. S. 27–30. Giesey, Cérémonial, S. 45. Pietrosanti, Susanna: „I due corpi del morto e del vivo principe“. I funerali di Cosimo nelle Firenze medicea, in: Gli occhi di Alessandro. Potere sovrano e sacralità del corpo da Alessandro Magno a Ceaucescu, hrsg. v. Sergio Bertelli u. Cristiano Grottanelli, Firenze 1990, S. 88–100; Casini, Gesti del principe, S. 88–94. Zusammenfassend: Spagnoletti, Dinastie italiane, S. 91– 110. Zur Situation in Florenz: Albertini, Florentinisches Staatsbewusstsein, S. 284–298.

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beschließt, bereits zu Lebzeiten seine Macht abzugeben. Den Ausführungen Cosimos nach löste er dieses Problem, indem er seine herzogliche Macht und damit den body politic teilte und die Regierung, die Leitung der Innen- und Außenpolitik sowie das politische Tagesgeschäft abgab, selbst aber den Titel und die herzogliche Autorität behielt. Tatsächlich also übergab er seinem Sohn so im übertragenen Sinn einen Teil seines body politic, während er selbst die herzogliche Suprema autorità ungeteilt behielt.113 Dieses Vorgehen war seinem eigenen Selbstverständnis nach nur logisch, da er sich als von Gottes Gnaden regierender Herrscher nicht vollständig und eigenmächtig von seinem body politic lösen konnte. Schließlich war es Gott allein, der ihn zur Herrschaft auserwählt hatte.114 Verglichen mit den Abdankungen Karls V. lässt sich zudem ein großer Unterschied in Bezug auf den Status des zurückgetretenen Fürsten ausmachen: Karl dankte am 25. Oktober 1555 als Herzog von Burgund zugunsten seines Sohnes Philipp ab.115 Er erklärt deutlich in seiner Abdankungsurkunde, dass er auf die Regierung, die Rechte und den Titel verzichte, sans riens ne aulcune chose y retenir ou reserver, pour en joyr tout ainsi et en telle souveraineté, haulteur, preeminence et manière que nous avons joy ausques à present.116 Mit der Abdankung verlor er seinen body politic, sodass er nur noch den body natural besaß. Für sich selbst verzichtete Karl V. auf jedes Herrschaftsrecht, was er später noch zweimal für Spanien und das Reich wiederholte.117 Besonders die Abdankung als Kaiser ist hierbei von Interesse: Karl war der Ansicht, dass es sehr notwendig gewesen sei, das sy der administration des Hailigen Reichs unnd römischen kaiserthumbs sambt desselbigen verwaltung, auch dem tittel, würden, hochait, scepter unnd cron mit allen unnd jegclichen rechten unnd gerechtigkaiten, so ire Mt. daran gehabt, abstuennden unnd dieselbigen [seinem Bruder Ferdinand], in allermassen, als ob ire kgl. Mt. allein im leben unnd regiment unnd ire ksö. Mt. albereit mit tod abgegangen were, auftzutragen, zuresigniren unnd zuubergeben.118 Der alte Kaiser inszenierte seine Abdankung somit als einen Herrschertod, 113 Cini, Vita, S. 466 behauptet, dass Francesco von einer deutschen Garde begleitet wurde und quasi tutti gl’altri segni del Principato erhielt, kann das aber nicht belegen. 114 Murry, Medicean Succession, S. 50–103. 115 Für den Kontext: Kohler, Alfred: Karl  V. 1500–1558. Eine Biographie, München 1999, S. 327–355; Brandi, Kaiser Karl V., S. 518–531. 116 Abdankungsurkunde Karls  V. für das Herzogtum Burgund, 25.  Oktober 1555. Gachard, Louis Prosper: Analectes belgiques, ou recueil de pièces inédites, mémoires, notices, faits et anecdotes concernant l’histoire des Pays-Bas, Bd. 1, Paris 1830, S. 102–106, hier S. 103. 117 Der gleiche Inhalt findet sich in der Abdankungsurkunde für die spanischen Gebiete (16. Januar 1556): en vos cedemos, renunciamos, y refutamos alle Rechte, que como Rey y Señor natural dellos deveys aver y tener. Sandoval, Prudencio de: Historia della vida y hechos del emperador Carlos V. […]. Segunda parte, Pamplona 1634, S. 815–818, hier S. 816. 118 Proklamation König Ferdinands I. zum Kaiser, 14. März 1558. Leeb, Josef: Deutsche Reichstagsakten. Reichsversammlungen 1556–1662. Der Kurfürstentag zu Frankfurt 1558 und der Reichstag zu Augsburg 1559, Bd. 1, Göttingen 1999, S. 437–439, hier S. 438. Machtabgabe aus politischem Kalkül  109

worauf bereits Markus Bauer und Susan Richter hingewiesen haben.119 Karl V. ging somit in einen rein privaten Status über und zog sich in ein Kloster im spanischen Yuste zurück – ohne body politic.120 Im Gegensatz dazu verlor Cosimo seinen politischen Körper erst im Moment seines Todes, sodass er bei seiner Bestattung wie ein Großherzog behandelt wurde.121 Cosimo verfolgte mit seinem Verzicht also eine andere Strategie: Indem er seine Macht teilte, sich dabei aber die Suprema autorità reservierte, verzichtete er auf das in seiner fürstlichen Würde enthaltene Regierungsrecht. Obwohl der Terminus Abdicatio in der zeitgenössischen Rechtsliteratur nicht eindeutig definiert ist,122 lässt sich konstatieren, dass sein Verzicht (im juristischen Sinn als ein freiwilliger Amtsverzicht)123 anders geartet war als der von Karl V. Aufgrund der zurückbehaltenen obersten Herrschaftsgewalt handelte es sich aus juristischer Sicht nicht um eine volle Abdankung, sondern eher um eine Stellvertreterschaft des Sohnes, eine Regentschaft. Die zeitgenössischen Biographien und Trauerreden sprechen daher auch nicht von einer Abdankung, sondern eher diffus davon, dass Cosimo il governo nelle mani des Sohnes gab oder dass er renunziare wollte al Principe Francesco l’intiero governo e amministrazione dello Stato.124 Der Vater trat daher von einigen Regierungsfunktionen und -aufgaben zurück, weshalb Cosimos Handlung aus Forschungssicht als ein teilweiser Amtsverzicht bewertet werden kann. Durch den Kniff mit der zurückbehaltenen Suprema autorità entzog sich Cosimo zudem der heiklen Frage, ob ein Fürst aus lehensrechtlicher Sicht überhaupt das Recht auf eine Abdankung habe oder ob er nicht vielmehr eine Genehmigung der ihn einst eingesetzten Autoritären einholen müsse.125 Dies war im Fall einer Regentschaft allerdings in keinem Fall nötig. Es ist daher nur folgerichtig, dass sich Francesco in Gesetzeserlassen nun als Principe Governante oder Principe Reggente bezeichnet.126

119 Bauer, Zeremoniell der Resignation; Richter, Schlusspunkt. 120 Kohler, Karl V., S. 356–367; Brandi, Kaiser Karl V., S. 531–538. 121 Vgl. die Beschreibung bei Galluzzi, Istoria, Bd. 3, S. 176. Descrittione della Pompa Funerale fatta nelle Essequie del Ser.mo Sig. Cosimo de Medici Gran Duca di Toscana nell’Alma Città di Fiorenza il giorno xvii. di Maggio dell’Anno MDLXXIIII, Firenze 1574. 122 Hattenauer, Abdankung, S. 26–29. 123 Frisch, Thronverzicht, S. 1. 124 Baldini, Vita, S. 69; Galluzzi, Istoria, S. 279. 125 In der Konzeption der römischen Kurie und Papst Pauls IV., renunciatio alicuius officii debet fieri in manus superioris. Zit. n. Frisch, Thronverzicht, S. 56. 126 Dieser Titel wird weder in den Fürstenbriefen noch während der Einsetzung verwendet, findet sich aber in allen Gesetzeserlassen nach der Machtübergabe. Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 5–8. Der Titel wird auch bei Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 5, S. 113 und Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 438–439 erwähnt.

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Die Regentschaft war eine im monarchischen Europa gut bekannte Institution, um die Regierungsrechte zeitlich begrenzt vom Souverän vorübergehend an einen Regenten, oft ein Familienmitglied, zu übertragen. Dieser Stellvertreter übernahm die Regierung, während der Monarch die fürstliche Autorität und den Titel behielt.127 Als Gründe konnte neben der Minderjährigkeit oder körperlich-geistigen Unfähigkeit auch die Abwesenheit des Fürsten eine Regentschaft sinnvoll erscheinen lassen, was im 16. Jahrhundert vielfach vorgekommen ist: Während seiner Abwesenheit ernannte Karl V. 1543 und mehrmals danach seinen Sohn Philipp zum Regenten für Spanien.128 Dieses Vorgehen war auch in Florenz bekannt:129 Jedes Mal, wenn ihr Mann abwesend war, übernahm Cosimos Ehefrau Eleonora von Toledo die Regentschaft für einige Zeit.130 Sie starb 1562 und somit musste Francesco diese Aufgabe übernehmen, sobald er alt genug dazu war.131 Diese Regentschaft unterschied sich allerdings in dem bedeutsamen Punkt, dass sie zeitlich unbefristet war. Cosimo gab sich daher in den Briefen an seine Fürstenkollegen und in der Kommunikation nach außen so, als ob er sich ganz zurückziehen würde und auf alle politischen Ambitionen verzichten möchte. Gegenüber Philipp II. fügte er sogar hinzu, dass er sich zurückziehe, um nicht als ehrgeiziger Fürst zu erscheinen.132 Um diesen Eindruck zu verstärken, bediente er sich zahlreicher Ausdrücke und Formulierungen, die seine physische Schwäche und zunehmende Unzulänglichkeit unterstreichen sollten: Er bezeichnet 127 Corvisier, André: Les régences en Europe. Essai sur les délégations de pouvoirs souverains, Paris 2002; Nolte, Cordula: Gendering Princely Dynasties. Some Notes on Family Structure, Social Networks, and Communication at the Courts of the Margraves of Brandenburg-Ansbach around 1500, in: Gender and History 12/3 (2000), S. 704–772. Puppel, Pauline: Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500–1700, Frankfurt a. M. 2004. 128 Die Instruktion: Maurenbrecher, Wilhelm: Zwei Schreiben Kaiser Carl des Fünften, in: Forschungen zur deutschen Geschichte 3 (1863), S. 281–310, hier S. 290–310. Für den Kontext: Looz-Corswarem, Otto Adalbert Graf: Die Korrespondenz Karls  V. mit Philipp und mit der Regentschaft in Spanien (1539–1556) (Berichte und Studien zur Geschichte Karls  V., Bd. 15), Göttingen 1939, S. 229. 129 Spagnoletti, Dinastie italiane, S. 260–271. 130 Arrighi, Vanna: Art. „Eleonora de Toledo, duchessa di Firenze“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 42 (1993), S. 439; Götzmann, Jutta: Eleonora von Toledo (1522–1562), Die ‚starke‘ Frau an der Seite des ersten Medici-Großherzogs Cosimo I., in: Die Frauen des Hauses Medici. Politik, Mäzenatentum, Rollenbilder (1512–1743), hrsg. v. Christina Strunck, Petersberg 2001, S.  39–49, hier S.  42; Tomas, Natalie: Eleonora di Toledo, Regency, and State Formation in Tuscany, in: Medici Women: The Making of a Dynasty in Grand Ducal Tuscany, hrsg. v. Giovanna Benadusi u. Judith C. Brown, Toronto 2015, S. 58–89; Baia, Anna: Leonora di Toledo, duchessa di Firenze e Siena, Todi 1907, S. 65. 131 Cosimo ist der Meinung, dass er forse sopra gl’anni suoi, di fondatto inteletto, et d’un giuditio tale che mi porge speranza di bran frutto. Brief Cosimos an den Herzog von Urbino, 30. April 1564. Spini, Cosimo de’ Medici. Lettere, S. 195. 132 Galluzzi, Istoria, S. 280; Saltini, Tragedie, S. 189. Machtabgabe aus politischem Kalkül  111

sein fürstliches Amt als peso und carico und dass es für ihn Zeit sarà di riposo, col quale più commodamente potrò conservarmi a lui [Francesco] et alli amici.133 Cosimo präsentierte sich in den Briefen als alter und gebrechlicher Mann, der sich zurückziehen möchte, um als Privatmann ohne staatspolitische Aufgaben zu leben.134 Dies ist die gleiche Begründung, die auch Karl V. in seiner Rede während seiner Abdankung von den Niederlanden 25.  Oktober 1555 in Brüssel vorgebracht hat.135 Beide, Cosimo und Karl, möchten also nach eigener Aussage keine politische Rolle mehr spielen. Cosimos Rückzugsentscheidung traf die auswärtige Öffentlichkeit völlig unvorbereitet. Sein Gesandter in Venedig, Cosimo Bartoli, informierte Bartolomeo Concini über die Reaktion in der Markusstadt: Weil der Herzog nel piu bello stato della eta sua sei (er ist 45 Jahre alt), würde sein Verzicht als Beispiel für politische Weisheit angesehen, gerade weil er keine gravierenden politischen Probleme habe.136 Auch andere Fürsten lobten Cosimos Schritt, wie etwa Emmanuele Filiberto, der Herzog von Savoyen (1528–1580). Diese Art zu handeln è proceduta da cause veramente degne di una tale determinatione, ma principalmente l’essersi V. E. dimostrata prudentissimo et sapientissimo in tutte le cose.137 Die Strategie Cosimos schien also aufzugehen, aber kurz darauf kamen Gerüchte auf, dass sich der Medici zum Papst wählen lassen wolle, um Francesco in den Rang eines toskanischen Königs erheben zu können.138 Auch wenn es sich dabei nur um eine verwirrende Spekulation handelte, hatten die politischen Beobachter die neuen Spielregeln in den Herzogtümern Florenz und Siena durchschaut. Insbesondere die Berichte der venezianischen Botschafter zeigen sich gut informiert: Der Botschafter Lorenzo Priuli gibt 1566 einen instruktiven Bericht an den Senat Venedigs über die Machtverhältnisse nach Beendigung seiner Gesandtschaft ab: Ihm zufolge besaß Cosimo nur einen kleinen Haushalt. Dennoch zweifelt Priuli nicht daran, dass er quasi l’anima di lui [lo stato] sei. Seinen Ausführungen folgend, Herzog sebbene ha renunziato il governo al principe suo figliuolo, resta però padrone delle entrate, della milizia, delle fortezze, e delibera egli stesso nelle cose 133 Brief Cosimos an den Herzog von Urbino, 30. April 1564. Spini, Cosimo de’ Medici. Lettere, S. 195. 134 Die Unterscheidung zwischen öffentlich und privat hat antike Ursprünge und kam erneut in der italienischen Renaissance auf. Privat umfasste alle Angelegenheiten, die nicht mit dem Staat verbunden waren. Secchi Tarugi, Luisa (Hg.): Vita pubblica e vita privata nel Rinascimento (Atti del XX Convegno Internazionale), Firenze 2010; Castan, Yves: Politique et vie privée, in: Histoire de la vie privée, hrsg. v. Philippe Ariès u. Georges Duby, Paris 1986, S. 27– 69. 135 Die Rede: Gachard, Analectes belgiques, S. 87–91. Meyer, Mathias (Hg.): Kaiser Karl der Fünfte. Rede vor den Generalstaaten der Niederlande am 25. Oktober 1555, Hamburg 2001. 136 Zit. n. Bryce, Cosimo Bartoli, S. 94. 137 Ebd. 138 Cosimo Bartoli berichtete darüber am 20. Mai 1564 aus Venedig. Ebd. Außerdem: Galluzzi, Istoria, S. 280.

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d’importanza, onde il principe non è padrone assoluto, ma è più presto restato per questa renunzia come un vice reggente, il qual leva al duca il disturbo di udire e deliberare alcune cose di manco importanza. Außerdem sei Cosimo adunque quello che delibera da sè medesimo tutte le cose di quello stato, non avendo altro consiglio di stato, nè manco altra persona di conto con la quale si consigli ordinariamente sulle cose sue.139 Für Priuli ist also Cosimo weiterhin ohne Zweifel der eigentliche Herrscher, obwohl dieser sich eigentlich bereits vor zwei Jahren zurückgezogen hatte. Er entscheide alles, während Francesco als Prinzregent nur für die unwichtigeren Aufgaben zuständig sei.140 Tatsächlich entsprechen die erwähnten Reservatrechte Cosimos exakt denen in der Rede vom 11. Juni 1564, den in den Fürstenbriefen formulierten und denen bei Galluzzo und Cantini aufgelisteten Einschränkungen.141 Ohne es ausdrücklich zu sagen, hat der venezianische Botschafter erkannt, dass die Position Cosimos in der Regierung von Florenz und Siena immer noch sehr stark ist und dass Francesco keinesfalls frei agieren kann. Die Ausführungen Priulis bestätigen außerdem, dass der Rückzug Cosimos dessen Stellung als weisungsbefugtes Familienoberhaupt nicht tangiert hat.142 So verzichtete Cosimo beispielsweise nicht auf die Würde des Großmeisters des SantoStefano-Ritterordens, des von ihm 1562 zur Verteidigung der toskanischen Küste gegen muslimische Piraten gegründeten Hausordens der Medici143 – anders als Karl V. es 1555 für den Orden vom Goldenen Vlies vollzog.144 Priulis Beobachtungen lassen sich zusätzlich bestätigen, wenn die Innenpolitik der folgenden Jahre betrachtet wird. Die Zuständigkeiten zwischen Vater und Sohn regelte ein am 1. Mai 1564 ausgestell-

139 Relazione di Firenze del clarissimo M. Lorenzo Priuli, 1566, in: Relazioni degli Ambasciatori veneti al Senato (Serie IIa, volume IIo), hrsg. v. Eugenio Alberi, Firenze 1841, S. 57–93, hier S. 75–76. 140 Priuli ist von den Qualitäten Francescos nicht überzeugt: Dieser non dimostra troppo bell’ingegno, il che si conosce nelle proposte e risposte, e massime nelle resoluzioni, nelli quali è tardo ed irresoluto, e dal duca suo padre è conosciuto per tale. Il quale però volentieri gli ha dato il governo, acciò che con l’esercizio e l’esperienza, possa far buon giudizio delle cose, e farsi principe prudente innanzi alla morte sua. Ebd., S. 78. 141 Cantini und Galluzzi berichten dies ohne Belege: Galluzzi, Istoria, S. 279–280; Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 5, S. 113 und Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 438–439. 142 Ausführlich zu den Oberhäuptern der herzoglichen Familien Italiens: Spagnoletti, Dinastie italiane, S. 225–252. 143 Angiolini, Franco: L’Ordine di Santo Stefano. Una storia plurisecolare, in: Pisa dei Cavalieri, hrsg. v. Clara Baracchini, Milano 1999, S. 7–19, hier S. 7; Albertini, Florentinisches Staatsbewusstsein, S. 276. Nach dem Tod Cosimos wurde Francesco feierlich am 30. Mai 1575 zum Ordensgroßmeister ernannt. Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 186. 144 Brandi, Kaiser Karl V., S. 528. Conrads, Norbert: Die Abdankung Kaiser Karls V. Abschiedsvorlesung, gehalten am 23.  Juli 2003 an der Universität Stuttgart (Reden und Aufsätze, Bd. 65), Stuttgart 2003. Machtabgabe aus politischem Kalkül  113

tes Schriftstück, möglicherweise eine Urkunde.145 Diesem zufolge übernahm Francesco das Governo, e Amministrazione dello Stato […], come ancora tutte le Rendite und die Würde eines Principe Governante. Im Gegenzug reservierte sich der alte Herzog zahlreiche Spezialrechte: Den Titel, die bereits erwähnte Suprema Potestà, die Herrschaft und die Einkünfte der kleinen Markgrafschaft Castiglione della Pescaia, das Ernennungsrecht für hohe Militär- und Verwaltungsämter (wie das des Gouverneurs von Siena und des Statthalters), außerdem die Einkünfte des sienesischen Staates und von Pietrasanta und das Nutzungsrecht aller Familienvillen und -paläste. Francesco darf die Kommandanten der Festungen nur im Einverständnis mit Cosimo ernennen und muss die Bauarbeiten am Palazzo Pitti und den Uffizien sowie den Unterhalt seines Bruders, Kardinal Ferdinando, selbst bestreiten. Zusätzlich darf er keine Lehen selbst vergeben. Cantini zufolge, aber ohne Beleg, behielt sich Cosimo außerdem das Recht auf eine Rückkehr in das Regierungsamt vor, um prendere di nuovo le redini del Governo.146 Der Handlungsspielraum war für Francesco darauf beschränkt zu governare, amministrare, far Leggi [und] rimover Ministri.147 Von einem politischen Rückzug Cosimos kann demnach keine Rede sein, er hatte immer noch die volle Kontrolle über Politik und seine Dynastie. Zu Beginn der Regentschaft Francescos sah es so aus, als ob sich Cosimo tatsächlich von den alltäglichen diplomatischen Angelegenheiten zurückziehen wollte. Die auswärtigen toskanischen Gesandten wurden informiert, ihre Berichte zukünftig an Francesco zu adressieren, was auch geschah.148 Vater und Sohn arbeiteten auch in der Gesetzgebung zusammen. Ab Juli 1564 wurden alle Edikte in ihrer beider Namen

145 Galluzzi, Istoria, S. 279–280. Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 5, S. 113 und Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 438–439 lassen an eine Urkunde denken, geben aber keinen Beleg. 146 Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 5, S. 113 und Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 438–439. 147 Galluzzi, Istoria, S. 280. 148 Diese Anweisungen wurden wenigstens von dem Residenten in Genua und Cosimo Bartoli in Venedig im Mai 1564 bestätigt. Tosi, Abdicazione, S. 24, Nr. 2; Bryce, Cosimo Bartoli, S. 93. Seit 1566 wurden die dispacci aus Rom al Principe Don Francesco de’ Medici adressiert. Canestrini, Giuseppe (Hg.): Legazioni di Averardo Serristori, ambasciatore di Cosimo  I a Carlo V ed in corte di Roma, Firenze 1853, S. 419–485. Giovanni Maria Petrucci schickte seine Berichte aus Paris 1565 bis 1567 an Cosimo und Francesco gemeinsam, ab 1567 dann nur noch an den Prinzregenten. Canestrini, Giuseppe/Desjardins, Abel (Hgg.): Négociations diplomatiques de la France avec la Toscane, tome 3 (Collection de documents inédits sur l’histoire de France. Première série: Histoire politique), Paris 1865, S. 514–826. Im Oktober 1565 erreichte die Anweisung den Botschafter in Spanien, Leonardo de’ Nobili: Il tutto havete a passar comunemente in nome del duca nostro signore et nostro, et scrivere a noi di tutti li negotii senza darne fastidio a sua eccellenza sendole in ogni modo comune (Contini, Alessandra/ Volpini, Paola [Hgg.]: Istruzioni agli ambasciatori e inviati medicei in Spagna e nell’ „Italia spagnola“ [1536–1648], Bd. 1: 1536–1586, Roma 2007, S. 271–273, hier S. 273).

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ausgefertigt.149 Trotz allem blieben die faktischen Zuständigkeiten zwischen beiden in diesen Bereichen nicht klar voneinander abgegrenzt. Cosimo und Francesco unterließen es, die Kompetenzen zwischen ihnen in einem offiziellen Dokument zu fixieren.150 Da eine gründliche Untersuchung ihrer legislativen Praxis noch ein Desiderat bleibt, bleibt die tatsächliche Beteiligung des Prinzregenten an der Regierung unklar. Dennoch muss der Einfluss des alten Herzogs zumindest bis 1569 stark geblieben sein, als Francesco mutmaßlich eine größere Autonomie erlangte.151 So gab zum Beispiel Cosimo allein den Gesandten in Spanien die Instruktionen, möglicherweise weil er im diplomatischen Umgang mit dieser wichtigen Macht keine Fehler riskieren wollte.152 Zudem wurden die Untertanen durch den Magistrato Supremo auf Befehl Cosimos angehalten, sich nicht nur an Francesco, sondern auch an Cosimo zu wenden, wenn sie administrative Ablaufprobleme bemerkten.153 Eine Unterscheidung der Kompetenzen zwischen Innen- (Francesco) und Außenpolitik (Cosimo), wie sie Giovambattista Cini vornimmt, gab es also nicht im engeren Sinn.154 Diese vom Herzog geforderten doppelten Kompetenzstrukturen erforderten eine enge und zuverlässige Kommunikation zwischen Vater und Sohn,155 die Cosimos Sekretär Bartolomeo

149 Lo Illust. & Ecc. S. el S. Duca di Fiorenza, & Siena, & lo Ilustriss. & Eccell. Sig. Principe Governante […].Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 5, S. 117–118. Das erste unter der Regierung Francescos erlassene Gesetz (16. Juni 1564) wurde nur im Namen Cosimos publiziert. Ebd., S. 112. 150 In seiner Legislazione toscana, wo Cantini alle Gesetze und Erlasse der toskanischen Großherzöge zusammengestellt hat, gibt es keinen Hinweis auf den Machtwechsel. Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 5. 151 Nach Diaz, Granducato, S.  185. Ebenso bemerkten die zeitgenössischen Beobachter auch nach dem Tod Cosimos keinen Unterschied in der Regierungspraxis. Ebd., S. 231. Zur Situation der Juden in Florenz existiert eine Spezialstudie, die dies vermuten lässt. Siegmund, Stefanie B.: The Medici State and the Ghetto of Florence. The Construction of an Early Modern Jewish Community, Stanford 2006, S. 71–73. In den Archiven der Medici belegen viele Gesetzesakte die Beteiligung Cosimos und Francescos (gemeinsam oder getrennt) als Urheber von Ernennungen und juristischen Angelegenheiten. Zum Beispiel: Archivio di Stato Firenze, Miscellanea medicea 23, 508, 519, 599. Baggio, Silvia/Marchi, Piero (Hgg.): Miscellanea medicea I (1–200), Roma 2002, S. 203; Biagioli/Cibei/Vestri, Miscellanea medicea III, S. 73, S. 106, S. 276. 152 Contini/Volpini, Istruzioni agli ambasciatori e inviati medicei in Spagna. 153 Brief Cosimos an den Magistrato Supremo, 4. Juni 1568, in: Mellini, Ricordi, S. 11–13. 154 Cini, Vita, S. 466. 155 So informierte Cosimo seinen Sohn am 18.  November 1564, dass er die Beschlüsse des Konzils von Trient in der Toskana umzusetzen gedenke. Das entsprechende Edikt folgte am 24. November 1564 ohne Erwähnung Francescos. Mellini, Ricordi, S. 144–146; Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 5, S. 154–155. Machtabgabe aus politischem Kalkül  115

Concini übernahm,156 gerade weil das persönliche Verhältnis zwischen beiden bereits vorher angespannt war.157 Die zumindest vorübergehende Unzufriedenheit des alten Herzogs mit der Regierung Francescos wurde durch das schlechte Verhältnis zusätzlich verstärkt, und einem an ihn adressierten Brief zufolge verhinderte es nur sein Ehrgefühl, dass Cosimo den Rücktritt nicht annullierte.158 Obwohl sich diese Auseinandersetzungen mehr oder weniger hinter den Kulissen abspielten und für die Öffentlichkeit nicht offensichtlich waren, war die Münzprägungspraxis ein für alle Untertanen sichtbares Zeichen, dass der Herzog im öffentlichen Gedächtnis präsent bleiben wollte: Der Teilverzicht Cosimos hatte keinerlei Auswirkungen auf die Gestaltung der Geldmünzen. Bis zu seinem Tod 1574 wurde nur er darauf abgebildet – Francesco als Regent fand darauf der Logik der herzoglichen autorità folgend keinen Platz.159 Offensichtlich folgte Cosimo nicht seiner Ankündigung, sich zurückzuziehen, um mehr freie Zeit zu haben, wie er an den Herzog von Urbino geschrieben hatte.160 Seine politischen Handlungen von 1564 bis zu seinem Tod widerlegen die Behauptungen der zeitgenössischen Autoren, dass Cosimo cominciò a dilettare di vita privata e rimessa lasciando gran parte delle pompe che si triano dietro le gran Signorie, e prendeva diletto delle ville, e de‘ luoghi solitarij.161 Selbst wenn sich der Herzog für einige Zeit in die Maremma und nach Pisa zurückzog, wo er sich leidenschaftlich der toskanischen Marine, dem Kampf gegen die Piraten, dem Bau neuer Festungsanlagen und diplomatischen Projekten widmete,162 kann bei ihm doch von keinem Rückzug in die private Sphäre gesprochen werden.163 Dies verhinderte nicht allein sein Titel, sondern auch seine Involvierung in laufende politische Geschäfte. Dennoch insis­ 156 Galluzzi, Istoria, S. 281 zufolge wurde er ministro di communicazione und l’arbitro di questo governo. Adriani, Istoria, S. 717; Diaz, Granducato, S. 185. 157 Cosimo missfiel der Lebensstil seines Sohnes. Brief Cosimos an Francesco, 6. August 1564. Spini, Cosimo de’ Medici. Lettere, S. 174–180, besonders was seine Beziehung zu Camilla Martelli anging. Ebd., S. 213–215 u. S. 216–217. 158 Brief Cosimos an Francesco, 22. August 1568: Vi ricordiamo solo, che il riservo, che facemmo, è stato solo per due cause; l’una per la Giustizia, l’altra per li casi toccanti cose d’onore. Zit. n. Mellini, Ricordi, S. 22. Außerdem: Tosi, Abdicazione, S. 25. 159 Galeotti, Arrigo: Le monete del granducato di Toscana, Livorno 1930 (ND Bologna 1971), S. 81–112. 160 Brief Cosimos an den Herzog von Urbino, 30. April 1564. Spini, Cosimo de’ Medici. Lettere, S. 195. 161 Adriani, Istoria, S. 716. Ebenso: Cini, Vita, S. 466; Galluzzi, Istoria, S. 281. 162 Adriani, Istoria, S. 717; Baldini, Vita, S. 70. Im Mai 1564 schickte er dem spanischen König zehn Galeeren. Baggio/Marchi, Miscellanea medicea  I, S.  206. Zu den anderen Projekten: Van Veen, Cosimo I de’ Medici and his Self-Representation, S. 4. Diaz, Granducato, S. 183– 195. 163 Hale, J. R.: Florence and the Medici. The Pattern of Control, Plymouth 1977, S. 139.

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tieren die florentinischen Lebensbeschreibungen über den Herzog auf seinem Status als Privatmann nach dem Amtsverzicht, der ein Leben führte als ein privato pieno di gloria, et d’humanità, haveva con tutti i sudditi acquistatosi gratia singularissima.164 Die zeitgenössischen Historiographen und Biographien, besonders Giovanni Battista Adriani (1511–1579), Giovanni Battista Cini (1528/9–1586) und Scipione Ammirato (1531–1601) zeichnen von ihrem Protektor ebenso wie die von den Medici nach dem Tod Cosimos finanzierten Trauerredner ein von ihm selbst erwünschtes Bild, indem sie die historischen Fakten variieren und neu interpretieren. Der Herzog hatte somit die Möglichkeiten der Selbstinszenierung und gelenkten Erinnerung klar erkannt, die sich ihm durch Kunst und Literatur boten.165 Alle Biographien und Leichenreden erwähnen deshalb auch die offiziellen Motive, die für den Herzog zum Amtsverzicht geführt haben. Sie werden nicht müde, seine Schwäche,166 seine Trauer über den Tod von Familienangehörigen167 und seine Sorge um das Wohl seiner Untertanen durch die Amtsübergabe zu betonen.168 Dabei griffen sie die Motive auf, die Cosimo selbst in seinen Fürstenbriefen mit der topisch vorgebrachten Last des Amtes angeführt hatte.169 Ohne es ausdrücklich zu erwähnen, bediente sich der Medici der gleichen Argumentationsmuster wie Karl V., der auch seine physische Schwäche als Beweggrund für die Abdankung angeführt hatte.170 Auch wenn Cosimo wegen des Todes seiner Frau Eleonora von Toledo und zweier Söhne, Giovanni (1543–1562) und Garzia (1547–1562), zwei Jahre zuvor sicherlich tatsächlich seelisch getroffen

164 Cini, Vita, S. 525. Van Veen, Cosimo I de’ Medici and his Self-Representation, S. 185. 165 Diaz, Granducato, S.  219–227. Ausführlich: Menchini, Carmen: Panegirici e vite di Cosimo I de’ Medici tra storia e propaganda, Firenze 2005. Zu Adriani: Albertini, Florentinisches Staatsbewusstsein, S. 337–341. 166 Adriani, Istoria, S.  716; Cini, Vita, S.  464; Mannucci, Vita, S.  183; Boissat, Brillant de la Royne, S.  326–327; Ammirato, Istorie Fiorentine, S.  537; Vgl. außerdem Pinheiro, Pedro: Vida e Falecimento de Cosme de Médicis Grão Duque de Toscana bei Menchini, Panegirici, S. 174. Galluzzi, Istoria, S. 278: L’assiduo e laborioso governo esercitato per ventotto anni nei tempi I più difficili e pericolosi avea indebolito ormai le sue passioni e stancato le forze e gli spiriti. Bandini, Ottavio: Oratio in obitum Serenißimi Cosmi Medicis Magni Etruriae Ducis. Habita Romae in Aede divi Ioannis Baptistae XIII. Kal. Iulii. MDLXXIV, Florentiae [1574]. Baldini, Vita, S. 69. 167 Baldini, Orazione, S. 31. 168 Salviati, Orazione funerale, o. S. 169 Brief Cosimos an den Herzog von Urbino, 30. April 1564. Spini, Cosimo de’ Medici. Lettere, S. 195. 170 Hierfür ist besonders seine Abdankungsrede in Brüssel von 1555 erhellend. Gachard, Analectes belgiques, S. 87–91. Zum Topos des alten und schwachen Fürsten: Richter, Schlusspunkt, S. 75–77. Machtabgabe aus politischem Kalkül  117

war, waren es vor allem politische Interessen, die ihm den teilweisen Amtsverzicht sinnvoll erscheinen ließen.171 Seit 1560 verfolgte Cosimo das dynastische Projekt, seinen ältesten Sohn Francesco mit der Erzherzogin Johanna von Österreich (1547–1578), einer Tochter Kaiser Ferdinands I. (1503–1564), zu verheiraten, um seine Dynastie dank dieser sehr prestigereichen Verbindung gegenüber den anderen Fürstenfamilien Italiens wie den Este aus Ferrara aufzuwerten.172 Lorenzo Cantini und der ihm darin folgende Luigi Carcereri erkannten in diesem Heiratsprojekt die politische Hauptmotivation Cosimos, seine Macht an Francesco zu übergeben.173 Cantini zufolge forderte Ferdinand I. dies sogar geradezu ein, weil er seine Tochter nicht an einen nicht regierenden Fürsten verheiraten wollte.174 Obwohl eine solche Vorgabe des kaiserlichen Hofes nie existierte und Anna (1528–1590), eine andere Tochter des Kaisers 1546 mit dem ebenfalls noch nicht regierenden, künftigen Albrecht V. von Bayern (1528–1579) verheiratet worden war, setzt der Leichenredner Baldini die Herrschaftsübergabe in einen unmittelbaren Zusammenhang zu dem Heiratsprojekt.175 Auch wenn die Erklärungen hier zu kurz greifen, ist es richtig, dass Cosimo ein besonderes Interesse daran hatte, seinen Verzicht im Rahmen dieser dynastischen Beziehung zu instrumentalisieren, die im Dezember 1565 mit viel Aufwand gefeiert wurde: Für den Einzug der Braut in Florenz ließ Cosimo zwölf Triumphbögen errichten, die allegorisch die Tugenden (zum Beispiel Sieg, Religion und Freude) der neuen Allianzpartner Florenz und Toskana auf der einen und Österreich-Habsburg auf der anderen Seite verherrlichten und diesen gewidmet waren. Der Historiker Vincenzo Borghini (1515–1580) und Vasari waren im Sinne Cosimos für die inhaltlich-künstlerischen Ausführungen zuständig.176 Geschmückt waren diese Triumphbögen mit Inschriften und Statuen, die die Tugenden 171 Dennoch traf ihn der Tod seiner Frau tief, wie der venezianische Botschafter berichtet. CoxRearick, Janet: Bronzino’s Chapel of Eleonora in the Palazzo Vecchio, Berkeley/Los Angeles/ Oxford 1993, S. 52. Diaz, Granducato, S. 185. Im Umfeld der Todesfälle kam das Gerücht auf, dass Cosimo in eine tiefe Depression verfallen sei. Saltini, Tragedie, S. 112–177. 172 Sehr ausführlich: Carcereri, Cosimo primo, I, S. 20, S. 127–153 u. S. 204–208. Besonders die österreichischen Prinzessinnen wurden von den italienischen Fürstendynastien als Partnerinnen umworben, um die Beziehungen zum Kaiser zu stärken. Spagnoletti, Dinastie italiane, S. 252–260. 173 Cantini, Cosimo de’ Medici, S.  438; Carcereri, Cosimo primo, I, S.  176–178. Außerdem: Berti, Principe dello Studiolo, S. 36. 174 Cantini, Cosimo de’ Medici, S. 438. 175 Baldini, Orazione, S. 31. Außerdem: Campana, Cesare: Vita del Catholico, & Invittissimo Re Don Filippo Secondo, Bd. 2, Vicenza 1608, S. 147. 176 Starn/Partridge, Arts of Power, S. 168–178; Scorza, R. A.: Vincenzo Borghini and Invenzione: The Florentine Apparato of 1565, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 44 (1981), S. 57–75. Van Veen, Cosimo I de’ Medici and his Self-Representation, S. 189– 212.

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und Taten des Vaters des Bräutigams priesen: Die ganze künstle­rische Inszenierung des Umzugs zielte so auf die Verherrlichung der Erfolge des kürzlich zurückgetretenen Cosimo.177 Kurz vor dem Ende des Umzugweges war dem Medici als Höhepunkt ein eigener Triumphbogen gewidmet. Auf diesem nach der Prudentia benannten Bogen waren die wichtigsten politischen, militärischen und dynastischen Taten Cosimos sowie Personifikationen seiner Tugenden abgebildet, die in der Inszenierung des Herzogs als siegreicher Feldherr in der Nachfolge des römischen Kaisers Augustus gipfelte.178 Das zentrale Feld in der Mitte und somit genau im Blickfeld der Teilnehmer bildete eine allegorische Darstellung von Cosimos Machtverzicht. Giovanni Battista Cini beschreibt das Gemälde: Si vedeva dipinto il generoso Duca con prudente ed amorevol consiglio renunziare al meritevol Principe tutto il governo degli amplissimi stati suoi; il che si esprimeva per uno scetro sopra una cicogna, che di porgergli faceva sembianza, e dall’ ubbidiente Principe con gran reverenzia pigliarsi.179 Borghini und Vasari hatten damit eine gute und für die Anwesenden leicht entschlüsselbare Darstellung der Herrschaftsübertragung gefunden, obwohl sie so nie stattgefunden hatte. Cosimo übergibt Francesco ein Zepter und damit die Herrschaftsgewalt, während der Storch die Religion oder Frömmigkeit symbolisierte, aber auch für die Liebe zwischen Vater und Sohn stand.180 Darauf bezieht sich auch die beigeordnete Inschrift: Reget patriis virtutibus. Zusammen mit einem anderen Bild für den gleichen Anlass ist es die einzige allegorische Darstellung dieses Aktes und gibt eine Vorstellung davon, wie Cosimo seinen Amtsverzicht in seiner politischen Konzeption verstanden wissen wollte. Für die sich dem Triumphbogen nähernde Johanna war das Bild in einem doppelten Sinn interpretierbar: erstens, dass ihr Ehemann sich der väterlichen Entscheidung widerspruchslos unterworfen hatte und, der Inschrift zufolge, selbst regiert (gleichwohl ohne auf die feinen Unterscheidungen mit der autorità ­suprema hinzuweisen) und zweitens, dass sich ihr überaus erfolgreicher Schwiegervater für den Amtsverzicht auf dem Höhepunkt seiner Macht entschieden hat. Das ganze politische und familiäre Leben Cosimos wurde dank der Anordnung der Gemälde als eine Erfolgsgeschichte präsentiert, an deren Ende der Rückzug von der Macht das natürliche Ende bildete. 177 Starn/Partridge, Three Halls of State, S. 178–180. 178 Ausführlich: Starn/Partridge, Three Halls of State, S. 180 u. S. 291–293; Van Veen, Cosimo I de’ Medici and his Self-Representation, S. 96. 179 Cini, Giovanni Battista: Descrizione dell’apparato fatto in Firenze per le nozze dell’illustrissimo ed eccellentissimo Don Francesco de’ Medici […], in: Le opere di Giorgio Vasari, Bd. 8, hrsg. v. Gaetano Milanesi, Firenze 1981, S. 562. Eine andere Beschreibung findet sich bei Mellini, Domenico: Descrizione Dell’ Entrata Della serenissima Reina Giovanna d’Austria, et dell’ Apparato, fatto in Firenze nella venuta, & per le felicißime nozze di Sua Altezza, Fiorenze 1566, S. 94. 180 Ripa, Cesare: Iconologia overo descrittione dell’imagini universali cavate dall’antichita et da altri luoghi, Roma 1593, S. 213. Machtabgabe aus politischem Kalkül  119

Der Verzicht ist somit in dieser Interpretation kein Zeichen von Schwäche,181 sondern wird in Cosimos Fall als Ausdruck fürstlicher Stärke und Vorsicht oder Klugheit, eben prudentia, gedeutet. Die Hauptinschrift auf dem Architrav des Bogens greift die symbolisch-allegorische Präsentation auf: REBUS URBANIS CONSTITUTIS, FINIB[US] IMERII PROPAGATIS, RE MILITARI ORNATA, PACE UNIQUE PARTA, CIVITATIS IMPERIIQUE DIGNITATE AUCTA, MEMOR TANTORUM BENEFICORUM PATRIA PRUDENTIAE DUCIS OPT[IMI].182 Sie ist als verkürzte res gestae zu lesen, wobei die grammatikalische Struktur den abgeschlossen-vergangenen Charakter der Herrschaft Cosimos unterstreicht. Die Kombination zwischen Text und der mittig platzierten Machtübertragungsallegorie verstärkt die Botschaft nur noch mehr, ebenso wie das gesamte Bildprogramm des Bogens. Die Verbindung zu dem aktuellen Geschehen, der Hochzeit, erfolgt nämlich über die Westfassade des Bogens, und dann über dessen Rückseite, wo der Betrachter an der entsprechenden Stelle der Herrschaftsübergabe eine Darstellung des Abschlusses des Ehevertrages zwischen Francesco und Johanna durch Cosimo sehen konnte.183 Auf künstlerischer und symbolischer Ebene und damit in der Propaganda des Herzogs waren Cosimos Verzicht und die Ehe seines Sohnes logisch fest miteinander verknüpft. Zu der gleichen Gelegenheit wurden außerdem die Wände des Innenhofes des Palazzo Vecchio mit 16 ovalen Gemälden dekoriert, von denen eines auch auf die Herrschaftsübertragung verwies:184 Zwei Hände versuchen, einen Knoten zu lösen, aber sie verwirren die Fäden dabei nur noch fester. Die Beschreibung Cinis erklärt, dass hier unter Bezugnahme auf die amorevol rinunzia die difficultà, o per meglio dire impossibilità, che ha di distrigarsi chi una volta a’ governi degli Stati mette le mani dargestellt sei.185 Hier rückt Cosimo allegorisch die Schwierigkeiten in den Vordergrund, die sich mit seinem Rückzug und dem Versuch der Abgabe von Regierungsverantwortung verbinden. Unter Bezugnahme auf die vorangegangene Darstellung, bei der es keinen Zweifel an der vollständigen Übertragung der Macht gab, scheint sich dieses Bild auf einen begrenzten Rückzug von der Macht zu beziehen. Die ersten Schritte zum Abschluss eines dynastischen Bündnisses zwischen den Medici und den Habsburgern fielen 1560 zusammen mit einem weiteren für Cosimo sehr wichtigen Projekt – seiner eigenen Rangerhöhung. Obwohl sein Herzogstitel weder von den Kaisern noch den Päpsten als den Universalgewalten jemals bestätigt wurde, versuchte Cosimo ab 1560 mit der erfolgreichen Arrondierung seines Territoriums, den Rang eines Königs von der Toskana zu erlangen. Dies geschah auch, um 181 Mayer, Mathias: Die Kunst der Abdankung. Neun Kapitel über die Macht der Ohnmacht, Würzburg 2001, bewertet fürstliche Abdankungen als Ausdruck des persönlichen Scheiterns. 182 Vasari, Descrizione, S. 561. 183 Starn/Partridge, Three Halls of State, S. 292. 184 Van Veen, Cosimo I de’ Medici and his Self-Representation, S. 98. 185 Cini, Descrizione dell’apparato, S. 570. Die Inschrift lautet Explicando Implicatur.

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die ungelöste Frage der Präzedenz mit dem Herzog von Ferrara endgültig in seinem Sinne zu lösen.186 Diese Versuche und ebenso das Projekt der Schaffung eines neuen Erzherzogtitels für ihn scheiterten allerdings am starken Veto der Madrider und Wiener Habsburger, die auf das Lehensverhältnis der Herzogtümer Florenz und Siena zu ihnen verwiesen und zudem befürchteten, dass das fragile politische System Italiens durch die Einrichtung einer neuen Krone gestört werden könnte.187 Cosimo wandte sich daraufhin an das Papsttum, um nun den Rang eines Großherzogs zu erlangen. Pius IV. und Pius V. standen seinem Wunsch grundsätzlich offen gegenüber, weil der Medici bereits seit längerem gute Beziehungen zur Kurie unterhielt.188 Nach längeren Verhandlungen erreichte Cosimo schließlich am 27. August 1569 mittels einer päpstlichen Bulle und dank des Wohlwollens Pius’ V. den Rang eines Großherzogs der Toskana.189 Vorangegangen waren langwierige diplomatische Verhandlungen mit den Höfen von Madrid und Wien, um diesen Titel vom Papst zu erhalten.190 Genau darin sehen moderne Biographen Cosimos eine der Hauptmotivationen, sich von der Macht teilweise zurückzuziehen:191 Durch die Abgabe von Regierungsverantwortung für die Toskana gewann der Herzog Zeit, sich dem großherzoglichen Projekt zu widmen. Wenngleich wie oben beschrieben ausführliche Arbeiten zu der gemeinsamen Regierung bisher fehlen, unterstützen Spezialstudien diese Position.192 Für die Frage nach dem Status des zurückgetretenen Herzogs sind die Rangerhöhung und seine großherzogliche Krönung durch Papst Pius V. am 5. März 1570 in der Sixtinischen Kapelle in Rom sehr aufschlussreich: Obwohl Cosimo den Höhepunkt seines Politikerlebens erreicht und die Lehensverhältnisse zum Nachteil des Kaisers in seinem Sinne entschieden hatte, war sein Regent Francesco weder bei der Krönung anwesend noch spielte er für den zeremoniellen Ablauf eine Rolle.193 Die Gründe für die Abwesenheit des Erstgeborenen und Regenten sind zwar nicht klar, sicher ist aber, 186 Ausführlich: Rouchon, Principat médicéen, S. 81; Bibl, Erhebung Herzog Cosimos, S. 11– 46; Diaz, Granducato, S. 188–191; Carcereri, Cosimo primo, I und II. 187 Bibl, Erhebung Herzog Cosimos, S. 52–54. 188 Pastor, Ludwig von: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd.  8: Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Reformation und Restauration: Pius  V. (1566–1572), Freiburg 91925, S. 477–481; Marrara, Studi giuridici, S. 57–86; Diaz, Granducato, S. 191–195; Murry, Medicean succession, S. 133–162. 189 Die päpstliche Bulle ist publiziert bei Cantini, Legislazione Toscana, Bd. 7, S. 129. 190 Vgl. ausführlich: Carcereri, Cosimo primo, I et II. Contini, Alessandra: Aspects of Medicean Diplomacy in the Sixteenth Century, in: Politics and Diplomacy in Early Modern Italy, hrsg. v. Daniela Frigo, Cambridge 2000, S. 49–94. 191 Cantagalli, Cosimo I, S. 266. Diaz, Granducato, S. 185. 192 Siegmund, Medici State and the Ghetto of Florence, S. 71–73. 193 Lapini berichtet für den 9. Februar 1570, dass Francesco seinen nach Rom reisenden Vater ein kleines Stück begleitete und dann nach Florenz zurückkehrte. Er konnte also an der Krönung nicht teilgenommen haben. Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 166. Machtabgabe aus politischem Kalkül  121

dass den Aussagen des päpstlichen Zeremonienmeisters Cornelio Firmano (1532/3– 1588) zufolge zwei von Cosimos Kindern, Kardinal Ferdinando und seine Schwester Isabella, anwesend waren.194 Möglicherweise wollte Cosimo zeremonielle Schwierigkeiten vermeiden, die sich aus einer aktiven oder passiven Teilnahme des Prinzregenten bei der Krönung ergeben hätten. Da dieser feierliche Akt im fürstlichen Europa kein Vorbild kannte, hätte es leicht zu Rangstreitigkeiten hinsichtlich der Präzedenz unter Botschaftern oder Kardinälen in der Papstkapelle kommen können.195 Es ist außerdem denkbar, dass der neue Großherzog verhindern wollte, dass ein anwesender Nachfolger und Regent einen Gehorsamkeitsschwur auf den Papst hätte ablegen müssen, wie es Cosimo selbst vor der Krönung für sich e i miei Successori tun musste, ohne dabei aber Francesco explizit zu erwähnen.196 Auch dies wäre ein weiterer Baustein zur vollständigen Souveränität der Toskana. Schließlich zeigt die Erlangung der großherzoglichen Krone auch den Erfolg der politischen Amtsniederlegungsstrategie. Im Gegensatz zu seinen Beteuerungen in den Fürstenbriefen, zu schwach für das Regieren zu sein und nicht mehr die Last des Amtes tragen zu wollen, konnte Cosimo im Hintergrund an der Durchsetzung seiner Ziele arbeiten, ohne den Eindruck zu erwecken, durch seine Ambitionen eine Gefahr für das seit dem Frieden von Cateau-Cambrésis von 1559 etablierte Politiksystem Italiens zu sein. Hierbei korrespondierte der Herzog, der stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht war, mit den zentralen Forderungen des florentinischen Humanisten Niccolò Machiavelli (1469–1527): In seinem Principe stellt er fest: Quanto sia laudabile in uno principe il mantenere la fede e vivere con integrità e non con astuzia, ciascuno lo intende; nondimanco si vede per experienzia nelli nostri tempi quelli principi avere fatto gran cose, che della fede hanno tenuto poco conto e che hanno saputo con l’astuzia aggirare i cervelli delli uomini: et alla fine hanno superato quelli che si sono fondati in sulla realtà. Er rät besonders den Fürsten, die ihre Herrschaft neu erlangt haben, so zu tun, als würden sie ihr Wort halten, um gran simulatore e dissimulatore zu sein, gleichzeitig aber stets bereit zu sein a volgersi secondo che e venti della fortuna e la variazione delle cose gli comandano.197 Für Machiavelli sind der Schein und die Kunst des Verstellens aus Gründen der Staatsräson der Schlüssel für einen erfolgreichen Prinzen, seine Ziele zu erreichen. Indem Cosimo vorgab, sich von den Amtsgeschäften zurückzuziehen, hat

194 Moreni, Domenico (Hg.), Della solenne incoronazione del Duca Cosimo Medici in GranDuca di Toscana, fatta dal Som. Pont. S.  Pio  V. Ragguaglio di Cornelio Firmano, Firenze 1819, S. 6 u. S. 40. Die Krönung: Ebd., S. 21–35. 195 Carcereri, Cosimo primo, III, S. 236–287. Casini, Gesti del principe, S. 86. 196 Moreni, Della solenne incoronazione, S. 36. 197 Machiavelli, Niccolò: Il Principe. Der Fürst, hrsg v. Philipp Rippel, Stuttgart 2007, S. 134, 136, 138.

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er im Sinne Machiavellis und seiner Epigonen198 alles erreicht – gerade weil er nach außen andere Aussagen kommunizierte. Der Teilverzicht gab ihm die Möglichkeit, sich als gesättigter und ambitionsloser Fürst zu inszenieren.199 Dank seiner überlegten Kommunikation nach außen war die Rückkehr als politischer Akteur zudem unter Verweis auf seine oberste Herrschaftsgewalt kein Problem. Im Gegensatz zu Karl V. hat Cosimo seinen body politic nie vollständig abgelegt, sodass er ihn jederzeit auch offiziell reaktivieren konnte.

Die mediale Inszenierung des Rücktritts Obwohl die Krönung bis zum Tod Cosimos 1574 keinen Schlussstrich unter die Frage um die Anerkennung des neuen Titels durch die europäischen Mächte ziehen konnte – sie zog sich noch bis zur endgültigen Anerkennung durch Kaiser Maximilian II. 1576 hin –200 konnte Cosimo seine Ziele vollständig durchsetzen. Daran hatte sein Teilverzicht großen Anteil, ohne den die päpstliche und später kaiserliche Zustimmung möglicherweise nicht erfolgt wäre. Der Medici konnte dank der Kommunikation, unter Beibehaltung der Herrschaftsgewalt einen Teil seiner Rechte und Aufgaben an seinen Sohn abzugeben, zwei Problemfelder bedienen. Der Charakter eines Teilverzichts und nicht der einer Abdankung zeigte sich auch noch nach Cosimos Tod 1574: Francesco erhielt die Anerkennung als Großherzog und zudem die Belehnung mit Siena.201 Der neue Großherzog erhielt die volle Qualität des body politic erst nach dem Ableben des Vaters, dessen Amtsverzicht wurde also nicht als ein Herrschertod wahrgenommen. Auch innenpolitisch gab es einen Zusammenhang zwischen 1564 und 1574: Francesco instrumentalisierte die Trauerfeier seines Vaters, um seine legitime Nachfolge zu demonstrieren, obwohl er bereits während des Aktes vom 11. Juni 1564 mit der Huldigung der Eliten zum Regenten ernannt worden 198 Simonetta, Marcello: Francesco Vettori, Francesco Guicciardini and Cosimo  I: the Prince after Machiavelli, in: The Cultural Politics of Duke Cosimo I de’ Medici, hrsg. v. Konrad Eisenbichler, Aldershot 2001, S. 1–8, hier S. 3–8; Capponi, Niccolò: Il principe inesistente. La vita e i tempi di Machiavelli, Milano 2012, S. 288–289. Im Gegensatz dazu bezeichnet Murry, Medicean Succession, S.  104–132 Cosimo as a living anti-Machiavellian prince (S.  132). Trotz allem folgte der Herzog bewusst oder unbewusst den Ratschlägen Machiavellis. 199 Genau dies schrieb er auch Philipp II., um seinen Teilverzicht zu rechtfertigen. Galluzzi, Istoria, S. 280; Saltini, Tragedie, S. 189. 200 Marrara, Studi giuridici, S. 27–31; Pastor, Geschichte der Päpste, S. 480–483; Bibl, Erhebung Herzog Cosimos, S. 56–160. So gab es beispielsweise den Vorschlag des Kaisers, den großherzoglichen Titel abzulegen und ihn durch die kaiserliche Verleihung wieder zu erhalten, nun aber, nach dem Vorbild Karls V. für Alessandro de’ Medici 1530, als Großherzog der Republik Florenz. Bibl, Erhebung Herzog Cosimos, S. 138–155. 201 Aretin, Ordinamento feudale, S. 63. Machtabgabe aus politischem Kalkül  123

war.202 Offensichtlich reichte ihm diese Einsetzung, die dessen Position als legitimer Nachfolger im Kalkül Cosimos zu Lebzeiten zementieren sollte, nicht mehr aus. Dies lag weniger daran, dass dieser Akt seine symbolische Wirkung zehn Jahre später verloren hatte, sondern vielmehr an den veränderten Rahmenbedingungen. Die Rang­ erhöhung zum Großherzog mit den Anerkennungsproblemen machte eine neuerliche Bestätigung und eine Huldigung aus seiner Sicht notwendig, die solennissimamente e con tutti gli ordini che usa si possono in tal cerimonia zwei Tage nach Cosimos Tod, am 23. April 1574 vollzogen wurde.203 Auch wenn der Handkuss als zentrale Geste der Anerkennung nicht ausdrücklich bei Lapini erwähnt wird, zeigte sich der Erfolg Cosimos bei der Etablierung eines neuen Einsetzungsrituals für das mediceische Prinzipat nachträglich, als im Februar 1576 in Florenz die Nachricht über die kaiserliche Bestätigung des Großherzogranges für Francesco eintraf: erneut küssten die Magistrate feierlich die fürstliche Hand. Der Chronist erwähnt ausdrücklich, dass questo lasciò papa Clemente VII, che si facessi in tal cirimonia, che cominciò dal duca ´Lessandro, e così va seg[u]itando.204 Der Konnex zur ersten Einsetzung eines Medici-Herzogs 44 Jahre zuvor drückt eine Traditionslinie aus, die den Großherzog, aber auch das Ritual selbst legitimiert – unabhängig davon, dass die Geste und das Zeremoniell erst seit 1564 existiert hatten. Auf diese Weise ermöglichten Cosimos Teilverzicht, der daraus resultierende Huldigungsakt und dessen künstlerische Verarbeitung in der Kommunikation nach innen die Schaffung eines Einsetzungsrituals, das für die Legitimation und das Funktionieren des Prinzipats als invented tradition essentiell wurde. Abschließend soll noch ein Blick auf die Inszenierung des Teilverzichts in der Historiographie und der Kunst durch und für die Nachwelt geworfen werden. Der (Groß-)herzog erkannte die Möglichkeiten einer gezielten Kulturpolitik, durch Künstler und Schriftsteller ein nach seinen Wünschen gelenktes Bild seiner Herrschaft zu schaffen und langfristig zu erinnern.205 Der Teilverzicht spielte dabei, wie die Analyse gezeigt hat, eine wichtige Rolle für die politische Konzeption Cosimos, dessen Einbeziehung in das künstlerische Programm ist also leicht vorstellbar. Unter dem Einfluss des großherzoglichen Hofes versuchten die nach seinem Tod veröffentlichten Biographien und Trauerreden, das Bild eines gerechten und frommen Prinzen zu zeichnen, der prädestiniert war, eine Dynastie toskanischer Medici-Großherzöge

202 Casini, Gesti del principe, S. 88–94; Descrittione della Pompa Funerale. 203 Corazzini, Diario Fiorentino di Agostino Lapini, S. 184. 204 Arditi, Bastiano: Diario di Firenze e di altre parti della christianità (1574–1579), hrsg. v. Roberto Cantagalli, Firenze 1970, S. 84. Casini, Gesti del principe, S. 87. 205 Allgemein: Eisenbichler, Konrad (Hg.), The Cultural Politics of Duke Cosimo I de’ Medici, Aldershot 2001. Auch Van Veen, Cosimo I de’ Medici and his Self-Representation, der mehrere Phasen unterscheidet; Forster, Metaphors of Rule.

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zu gründen. In diesem Narrativ erhielt auch der partielle Machtverzicht seinen definitiven Platz.206 Die vorzeitige Herrschaftsübergabe war für die Schriftsteller, Historiographen und Trauerredner, etwa auch den eingangs zitierten Pierre de Boissat, ein äußerst lobenswerter Schritt, gerade weil è tanto più da ammirare, quanto [il] è cosa più nuova.207 Noch zu Cosimos Lebzeiten entwickelte dessen Bewertung panegyrische Züge: Sein venezianischer Gesandter Cosimo Bartoli erhob ihn sogar in mythologische Sphären.208 Dieses Narrativ setzte sich auch nach dem Tod des Großherzogs fort. Baccio Baldini stellt fest: Mostro chiaramente il Duca in questo atto meravigliosa prudenza, generosità grandissima & ardente amore verso i sudditi suoi, provedendo in questa guisa à i commodi & al bene esser loro, non solamente mentre che egli vivea ma dopo la morte sua ancora, & e concedendo al figliuolo la sua autorità.209 Das zentrale Argument für die positive Bewertung ist stets die Wohlfahrt der Untertanen. Diese sei gestärkt worden, weil Cosimo ne‘ suoi migliori anni, & nell‘ essere di lei piu fiorito210 es seinem Sohn ermöglichte, Erfahrungen in der Regierungskunst zu sammeln und somit Ehre und Größe zu erlangen, die ihm apertali la via, per la quale poteva salire alla vera gloria, & al sommo dell’umana grandezza, alla quale devono aspirare i Principi grandi.211 Dieses ausschließlich positive Urteil reflektiert auch die Forderungen zeitgenössischer Fürstenspiegel, etwa die der Karl  V. gewidmeten Institutio Principis Christiani des Erasmus von Rotterdam (1467–1536), die im Sinne der Wohlfahrt des Landes für eine frühe einführende Unterweisung der fürstlichen Nachfolger in der Regierung plädieren.212 Cosimo folgte diesem fürstenethischen Ideal also genau, indem er seine Macht frühzeitig abgab.213

206 Menchini, Panegirici, S. 14–32 u. S. 80–82; Diaz, Granducato, S. 219–227. 207 Mannucci, Vita, S. 182. Ebenso Filippo Cavriani, Cosimi Medicis Magni Hetruriae Vita et Res Gestae, bei Menchini, Panegirici, S. 260. 208 Cosimo wird darin mit Atlas verglichen, der il carico de governi a guisa di Atlante sopra le spalle del suo nuovo Ercole aufnimmt. Bartoli, Cosimo: Ragionamenti accademici, Venetia 1567, Widmung. Im Gegensatz dazu erwähnen die Trauerreden auf Francesco den Machtwechsel nicht, so etwa Ammirato, Scipione: Orazione in morte di Francesco Gran Duca di Toscana, Firenze 1587. 209 Baldini, Vita, S. 69. Ebenso: Salviati, Orazione funerale, s. p. 210 Salviati, Orazione, s. p. 211 Adriani, Istoria, S. 717. So auch: Baldini, Vita, S. 69; Boissat, Brillant de la Roye, S. 326. 212 Magnificum ac praeclarum, bene gerere imperium. At non minus egregium, efficere, ne succedat deterior: imo hoc vel praecipuum boni Principis munus est, dare operam, ne possit esse malus Princeps. Gail, Anton J. (Hg.), Erasmus von Rotterdam. Institutio Principis Christiani. Fürstenerziehung, Paderborn 1968, S. 46. 213 Tatsächlich bemerkten auch die zeitgenössischen Beobachter, dass Francesco durch die Regentschaft für seine eigene Herrschaft profitieren konnte. Diaz, Granducato, S. 232. Machtabgabe aus politischem Kalkül  125

Der panegyrische Jubel über die Regentschaft äußerte sich auch in den emphatischen Bewertungen, in denen die gemeinsame und gleichrangige Regentschaft gelobt wird – auch wenn die Studie gezeigt hat, dass Francesco wohl nur wenig eigenen Handlungsspielraum hatte.214 Selbst wenn der Vergleich zu den Abdankungen Karls V. naheliegt und auch gezogen wurde – so durch Jacopo Riguccio Galluzzi, der behauptet, dass Cosimo vorhatte, imitare anco in questa azione l’Imperatore Carlo V –215 dürfen die grundsätzlichen Übereinstimmungen nicht überstrapaziert werden.216 Zeitgenössisch fällt zudem auf, dass in den Texten im Umfeld des Herrschaftsrücktritts am Florentiner Hof keine Anlehnung bei dem kaiserlichen Vorläufer gesucht wird. Cosimos Fall zeigt jedoch, dass vor der Folie des bekannten Beispiels Karls V. durchaus eigenständige und individuelle Ausgestaltungsformen möglich waren.217 Eine zweite Möglichkeit für Cosimo, auf das Erinnerungsbild einzuwirken, das die Nachwelt von ihm zeichnen sollte, stellte die Kunst dar: Im Rahmen der künstlerischen Umgestaltung des Palazzo Vecchio erhielt die allegorische Verarbeitung des Machtverzichts im Saal der Fünfhundert einen herausgehobenen Platz. Seit 1563 arbeitete Vasari an der Ausmalung des größten Saals, der dem ikonografischen Programm zufolge zu einer Ruhmeshalle der Geschichte der Stadt Florenz, aber vor allem der Regierung und der Taten Cosimos und damit des Hauses Medici avancieren sollte.218 In das Zentrum des ausgreifenden Programms setzte Vasari 1565 auf Wunsch des Herzogs, der maßgeblich an der inhaltlichen Ausarbeitung beteiligt war, ein großes Deckentondo über die Apotheose Cosimos I.:219 Cosimo wird als römischer Imperator dargestellt, der von einer Personifikation von Florenz mit einer Krone aus Eichenlaub gekrönt wird, während um ihn herum im Hintergrund zwei Putti die Herzogskrone, das Zepter, das Kreuz vom Santo-Stefano-Ritterorden und die Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies präsentieren (Abb. 6).220 214 Sanleolino, Sebastiano: Serenissimi Cosmi Medycis Primi Hetruriae Magniducis Actiones, Florentiae 1578, S. 45. 215 Galluzzi, Istoria, S. 280. 216 Das ist möglicherweise der Grund, warum Giovanni Battista de Luca den Fall nicht behandelt, wenn er über die Frage der Rechtmäßigkeit von fürstlichen Abdankungen schreibt. Luca, Giovanni Battista De: Il Principe cristiano pratico, Roma 1680, S. 677–680. 217 Im Unterschied zu Bauer: Bauer, Zeremoniell der Resignation, S. 111–112. 218 Cinelli, Carlo: Vasari e l’apoteosi di Cosimo, in: Palazzo Vecchio. Officina di opere e di ingegni, hrsg. v. Carlo Francini, Milano 2006, S. 218–227; Muccini, Salone dei Cinquecento, S. 77–129; Gáldy, Cosimo I de’ Medici as Collector, S. 15–18; Allegri/Cecchi, Palazzo Vecchio, S. 235–255; Salemi, Palazzo Vecchio, S. 82–91. 219 Vasari schlug eine Apotheose einer personifizierten Stadt Florenz vor, aber Cosimo entschied sich für seine eigene Darstellung mit einer Eichenkrone. Salemi, Palazzo Vecchio, S. 82–85; Forster, Metaphors of Rule, S. 97. 220 Muccini, Salone dei Cinquecento, S. 128. Cinelli, Vasari e l’apoteosi di Cosimo, S. 218–227; Allegri/Cecchi, Palazzo Vecchio, S. 243.

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Abb. 6: Apotheose Cosimos I., Gemälde von Giorgio Vasari, 1565, Salone dei Cinquecento, Palazzo Vecchio Florenz

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Henk van Veen hat bereits den engen Konnex zwischen dem Tondo und dem eben genau in diesem Saal ein Jahr zuvor stattgefundenen Machtübergang betont – nicht nur wegen der zeitlichen Nähe des Geschehens zur Ausführung, sondern vor allem wegen der symbolischen Aussage.221 Cosimo ließ sich darauf durch die Eichenkrone und die Kleidung als Augustus inszenieren, der immer wieder als Modell in der Herrschaftskonzeption des Herzogs als Vorbild herangezogen wurde.222 Als Folie bot sich der antike Kaiser auch für den Amtsverzicht an: Der Historiker Cassius Dio (150–235) berichtet, dass Augustus auf die ihm vom Senat verliehene außerordentliche und zeitlich befristete Allgewalt verzichtete, indem er sie 27 v. Chr. an den Senat zurückgab. Er erhielt dafür eine Eichenkrone als Auszeichnung, die corona civica, und den Ehrentitel Augustus, konnte sich aber faktisch alle notwendigen politischen und militärischen Rechte sichern, um zukünftig lebenslang allein zu regieren.223 Die zunächst als freiwilliger Machtverzicht dargestellte Amtsniederlegung entpuppte sich somit als faktischer Machtzuwachs. Cosimo kopierte dieses antike Muster an vorgetäuschter Selbstzurücknahme und ließ es durch Vasari illustrieren. Die Anlehnung an Augustus ist vor allem dank der Eichenkrone eindeutig.224 Trotz aller künstlerischen Überhöhung Cosimos fängt das Tondo die tatsächliche Position des Medici in den Herzogtümern von Florenz und Siena nach seinem vorgeblichen Machtverzicht sowie seine Kommunikation nach innen und außen allegorisch-symbolisch perfekt ein. Auch wenn Cosimo wie Augustus seine Macht niedergelegt hat, verdeutlichen die Symbole seiner persönlichen Macht im Hintergrund bis heute seine weit ausgreifenden politischen Ziele für die Zukunft, die letztlich erfolgreich erreicht wurden. Möglich wurde dies durch den nur scheinbaren, aber in dieser Hinsicht weisen Verzicht auf die Macht.

221 Van Veen, Cosimo I de’ Medici and his Self-Representation, S. 78–79. 222 Die Augustusimitation in der Kunst begann im Umfeld der Bemühungen um die Rangerhöhung. Forster, Metaphors of Rule, S. 85–90. Ebenso: Starn/Partridge, Three Halls of State, S. 180 u. S. 291–293. 223 Caesar hatte nun schon vorher, als die Fragen Niederlegung der Alleinherrschaft und Aufteilung der Provinzen erörtert wurden, viele Sonderrechte und Auszeichnungen empfangen. Denn das Recht, die Lorbeerbäume vor der kaiserlichen Residenz aufzustellen und über ihnen den Eichenkranz aufzuhängen, wurde ihm damals zuerkannt; sie sollten ihn als den ständigen Sieger über seine Feinde und den Retter der Bürger versinnbildlichen. Dio, Cassius: Römische Geschichte, hrsg. v. Otto Veh, Bd. 4, Berlin 22012, LIII, § 16,4. Seine Rede § 3–10. Ebenso die Res gestae des Augustus: […] per consensum uniuersorum [po]tens re[ru]m om[n]ium rem publicam ex mea potestate in senat[us populi]que R[om]ani [a]rbitrium transtuli. Res gestae Divi Augusti. Scheid, John (Hg.): Hauts faits du divin Auguste, Paris 2007, Kap. 34, S. 24. 224 In seinen Ragionamenti beschränkt sich Vasari auf die Interpretation der Allegorie als Triumph Cosimos. Vasari, Ragionamenti, S. 221.

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Abbildungsnachweis Abb. 1: Vasari, Giorgio (1511–1574): Cosimo I eletto duca. Firenze, Palazzo Vecchio (Sala di Cosimo I). © 2019. Foto Scala, Firenze Abb. 2: eigene Aufnahme Abb. 3: https://archive.org/details/descrizionedelre00gual/page/158 (29.04.2019). © Internet Archive Abb. 4: Ligozzi, Jacopo (1547 ca.–1632 ca.): Cosimo creato duca dal senato di Firenze. Firenze, Palazzo Vecchio (Salone dei Cinquecento). © 2019. Foto Scala, Firenze Abb. 5: Volterrano (Franceschini, Baldassarre 1611–1689): Cosimo I affida la reggenza del granducato al primogenito Francesco. Firenze, Villa la Petraia. © 2019. Foto Scala, Firenze – su concessione Ministero Beni e Attività Culturali e del Turismo Abb. 6: Vasari, Giorgio (1511–1574): Apoteosi di Cosimo I. Firenze, Palazzo Vecchio (Salone dei Cinquecento). © 2019. Foto Scala, Firenze

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Iddio non vuole, ch’io viva, e muoia Duca di Modona Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este von Modena und Reggio (1591–1644)

Oliver Plate

Einleitung Dilettissimi nostri. La morte de’ grandi è un libro, dove più che in ogni altro s’impara il disprezzo del Mondo, e l’applicazione alla nostra salute […] ci sentimmo accendere d’ardente disiderio [sic!] di servire à Sua Maestà, e per conseguirlo con più sicurezza, e meno imperfettione, facemmo proposito di ritirarci dal secolo, e di ridurci ne’ Chiostri […].1 Mit diesem Brief verkündete Herzog Alfonso III. von Modena und Reggio (1591– 1644) seiner Residenzstadt Modena am 31. Juli 1629 die Abdankung zu Gunsten seines erstgeborenen Sohnes Francesco (1610–1658), um stattdessen in einem Kloster Gott dienen zu können. Er begab sich dementsprechend noch am selben Tag auf eine Reise nach Tirol, wo er am 8. September 1629 in Meran in den Kapuzinerorden eintrat.2 Nur wenige Monate hatte er nach dem Tod seines Vaters Cesare I. (1562–1628)

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Diesen Brief und einen ähnlichen an die Stadt Reggio sowie beide Antwortschreiben überliefert Alfonsos Beichtvater, der Kapuziner P. Giovanni Albinelli da Sestola, in seiner Biographie. Sestola, P. Giovanni Albinelli da: Il cappuccino d’Este, Modena 1646, S. 152–160, hier S. 152; siehe auch Lecchini, Roberto: Alfonso III duca di Modena e Reggio. P. Giambattista d’Este Cappuccino (Deputazione di Storia Patria per le Antiche Provincie Modenesi. Biblioteca – NS 46), Modena 1979, S. 70–72, hier S. 70. Der Brief an Modena ist auch im Archivio storico della Basilica e Sacro Convento di San Francesco in Assisi überliefert, siehe Este (d’), Alfonso III.: Proclama, in: Miscellanea Francescana 29 (1929), S. 4 f. Die Kapuziner bzw. der Ordo Fratrum Minorum Capucinorum ist eine 1528 aus dem Franziskanerorden hervorgegangene Reformbewegung. Zum Kapuzinerorden: Mehr, Bonaventura von: Art. „Kapuziner“, in: LThK 5 (1960), Sp. 1331–1339; Cuthbert, Father: The Capuchins: a Contribution to the History of the Counter Reformation, 2 Bde., London 1928; Alatri, Mariano da: I Cappuccini. Storia d’una famiglia francescana, Rom 1994; Holzapfel, Heribert: Handbuch der Geschichte des Franziskanerordens, Freiburg 1909, hier S. 609–637. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  139

am 11. Dezember 1628 im Herzogtum Modena und Reggio geherrscht, einem kaiserlichen Lehen Reichsitaliens.3 Der kurzen Regierungszeit entsprechend ist das Fallbeispiel im Rahmen neuerer Untersuchungen zu Abdankungen bisher unberücksichtigt geblieben. In der Forschung tritt Alfonso zumeist als Intermezzo auf, wahlweise in Gesamtdarstellungen der Herzöge Modenas4 oder des Kapuzinerordens5. In den Fokus ihres Interesses haben ihn hingegen nur sehr wenige, teilweise stark veraltete Werke genommen. Diese 3

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Das Herzogtum Modena und Reggio wird zur Übersichtlichkeit im Folgenden als Herzogtum Modena abgekürzt. Zu Cesare I. d’Este: Ascari, Tiziano: Art. „Cesare d’Este, duca di Modena e Reggio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 24 (1980), S. 136–141. Zu Francesco I.: Romanello, Marina: Art. „Francesco I d’Este, duca di Modena e Reggio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 49 (1997), S. 731–737; Rombaldi, Odoardo: Il duca Francesco I d’Este (1629–1658) (Deputazione di Storia Patria per le Antiche Provincie Modenesi. Biblioteca – NS 122), Modena 1992. Amorth, Luigi: Modena capitale. Storia di Modena e dei suoi duchi dal 1598 al 1860, Mailand 1967, hier S. 31–50; Barbolini Ferrari, Elisabetta: I duchi di Modena capitale, in: Ducato di Modena & Reggio 1598–1859. Lo stato – la corte – le arti, hrsg. v. Paolo Vasco Ferrari, Modena 2007, S. 19–42, hier S. 21–24; Berselli, Aldo (Hg.): Storia della Emilia Romagna, Bd. 2: L’età moderna (Realtà regionale. Storia, Bd. 2), Imola 1977, hier S. 42, 715; Bini, Mauro (Hg.): Gli Estensi, Bd. 2: La corte di Modena, Modena 1999, hier S. 26–29; Chiappini, Luciano: Gli Estensi. Mille anni di storia, Ferrara 2001, hier S. 451–458; Litta, Pompeo: Famiglie celebri italiane, Bd. 2, Faszikel 26/4, Mailand 1832, Tafel 16; Marini, Lino: Lo stato estense (Storia degli stati italiani dal medioevo all’unità), Turin 1987, hier S. 80, 106; Muratori, Lodovico Antonio: Delle Antichità Estensi ed Italiane, Bd. 2, Modena 1740, hier S. 530–537, erneut abgedruckt in Namias, Angelo (Hg.): Storia di Modena e dei paesi circostanti dall’origine sino al 1860, Modena 1894 (ND Bologna 1987), hier S. 335–344; Quazza, Romolo: Art. „Alfonso  III d’Este, duca di Modena e Reggio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani  2 (1960), S. 341–342; Rimondi, Riccardo: Estensi. Storia e leggende, personaggi e luoghi di una dinastia millenaria, Ferrara ²2006, S. 209–212; Scharfenberg, J. H. A.: Geschichte des Herzogthums Modena und des Herzogthums Ferrara bis zum Jahre 1815, Mainz 1859, hier. S. 202–204. Bozzone, Antonio M. (Hg.): Art. „G. Battista da Modena“, in: Dizionario Ecclesiastico  2 (1955), S.  176; Gelmi, Josef: Die Kapuziner in Südtirol, in: 400 Jahre Kapuziner in Meran/400 anni Cappuccini a Merano, hrsg. v. Kapuzinerprovinz Brixen, Brixen 2017, S. 24–35, hier S. 28; Hohenegger, P. Agapit Josef: Das Kapuziner-Kloster zu Meran. Ein Denkmal habsburgischer Frömmigkeit, Innsbruck 1898, hier S. 73–86; Ders.: Geschichte der Tirolischen Kapuziner-Ordensprovinz (1593–1893), Bd.  1, Innsbruck 1913, hier S.  105–112; Ders.: P. Johann Bapt. von Este, Herzog Alfons III. von Modena, in: Katholische Blätter aus Tirol 6 u. 7 (1864), S. 113–118 u. 145–149; Ordo fratrum minorum capucinorum (Hg.): Art. „Ioannes Bapt. ab Este“, in: Lexicon Capuccinum (1951), Sp. 831 f.; Forlì, P. Pellegrino da: Annali dell’ordine dei Frati Minori Cappuccini, Mailand 1882, hier S. 567–583; Pozzi, Giovanni/ Prodi, Paolo (Hgg.): I Cappuccini in Emilia-Romagna. Storia di una presenza, Bologna 2002, ad Indicem.

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bieten eher biographische Zugänge und lassen sich grob in säkulare Kritiken und religiöse Verteidigungen Alfonsos einteilen.6 Kaum eines setzt sich dabei allerdings dezidiert mit der Abdankung auseinander, die daher in den Fokus der nachfolgenden Ausführungen gestellt werden soll.7 Der überschaubare Forschungsstand erstaunt vor dem Hintergrund, dass die Überlieferung zu Alfonso III. relativ umfassend ist. Zwar ist die wichtigste Quelle für die politische Geschichte des Herzogtums Modena im späten 16./frühen 17. Jahrhundert, Giovanni Battista Spaccinis (1570–1636) Cronaca di Modena, für die entscheidenden Monate des Jahres 1629 nicht überliefert.8 Im Staatsarchiv Modena sind jedoch Alfonsos Testament und der Abdankungsakt vom 24. bzw. 27. Juli 1629 ebenso erhalten wie ein umfassender Briefwechsel aus den Jahren 1602 bis 1644.9 Ein Teil des Letzteren ist zudem in den bereits erwähnten Monographien publiziert.10 Außerdem sind ausgewählte Briefe einzeln oder in kleineren Editionen veröffentlicht worden.11 Besondere Beachtung verdient unter diesen der Briefwechsel des bereits abgedankten Alfonso mit dem Maler Guercino (1591–1666) zwischen den Jahren 1629 und 1640, den Leone Gualtieri 2016 im Staatsarchiv Bozen wiederentdeckt und veröffentlicht hat. Neben künstlerischen und politischen Ratschlägen kommt es darin auch zum Austausch sehr persönlicher Erfahrungen, die neues Licht auf die 6

Zu den Kritikern zählen: Bravi, Ferruccio: Il principe frate (Alfonso III d’Este – Padre Giovan Battista da Modena), Bozen 1972; Rodolico, Niccolò: L’abdicazione di Alfonso  III d’Este (Racconto storico), Bologna 1901. Verteidigend positionieren sich hingegen: Lecchini, Giambattista; Olmi, Gaspare: Un duca cappuccino, ossia cenni sulla vita di Alfonso III duca di Modena, Genua 1877. Eine relativ neutrale Darstellung bietet Cavazzuti, Giuseppe: Di Alfonso III d’Este, in: Atti e Memorie della R. Deputazione di Storia Patria per le Provincie Modenesi 5/5 (1907), S. 1–90. Für einen ausführlicheren, wenn auch parteiischen Forschungsüberblick siehe Lecchini, Giambattista, S. 111–118. 7 Eine Ausnahme bildet Rodolico, L’abdicazione; das Werk ist jedoch in wesentlichen Teilen überholt. Rodolico beschäftigt sich vor allem mit den möglichen Gründen für die Abdankung und findet daher insbesondere im ersten Kapitel Berücksichtigung. 8 Der für die Jahre 1624–1629 ohnehin lediglich in Form von Annalen verfasste Text ist 1623– 1629 nur fragmentarisch erhalten; eine der größeren Überlieferungslücken befindet sich leider zwischen dem 13. April und dem 28. Oktober 1629, Spaccini, Giovanni Battista: Cronaca di Modena, Bd. 5: anni 1621–1629 (Materiali per la storia di Modena medievale e moderna, Bd. 18), hrsg. v. Rolando Bussi u. Carlo Giovannini, Modena 2006, hier S. 625. 9 Archivio di Stato di Modena, Archivio Segreto Estense, Casa e Stato, 341, Suo testamento und Atto di abdicazione in favore del figlio Francesco I., originale und minuta sowie ASE, Casa e Stato, 91–95. 10 Vor allem in Cavazzuti, Alfonso und Lecchini, Giambattista sowie im Anhang von Bravi, Principe, S. 101–127. 11 Este (d’), P. Giambattista: Epistola ad Card. Bentivoglio, in: Archivum Franciscanum Historicum 8 (1915), S. 243; Rangoni Machiavelli, Lotario Alfonso (Hg.): Tre lettere di Alfonso III d’Este duca di Modena e poi cappuccino, Modena 1874. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  141

Abdankung und die Genese ihrer bekanntesten malerischen Bearbeitung werfen.12 Als wichtigste Quelle muss nichtsdestotrotz die Biographie Alfonsos von P. Giovanni Albinelli da Sestola (gestorben 1647) gelten, dem ehemaligen Guardian des Kapuzinerklosters von Modena. Als Beichtvater Alfonsos verfolgte er als Augenzeuge den gesamten Abdankungsprozess und begleitete den Herzog noch Jahre danach auf seinen zahlreichen Reisen. Seine 1646 nur zwei Jahre nach Alfonsos Tod veröffentlichte Biographie muss allerdings kritisch gelesen werden. Sie ist dem herzoglichen Nachfolger Francesco gewidmet und soll die Tugenden von dessen Eltern memorieren: […] la virtuosa vita, e gloriosa morte de’ Serenissimi Genitori. Dieser Anspruch erklärt ihre hagiographische Konzeption und ihren apologetischen sowie teleologischen Charakter.13 Trotzdem ist die Biographie nicht zuletzt aufgrund der Fülle der darin enthaltenen zeitgenössischen Dokumente wie dem eingangs zitierten Brief Alfonsos an seine Residenzstadt Modena von großem Wert.14 Von P. Giovannis Darstellung ausgehend sollen daher im Folgenden die Gründe, der Ablauf sowie die künstlerische Rezeption der Abdankung Alfonsos III. von Modena und Reggio untersucht werden, wobei verschiedene Briefwechsel das Narrativ immer wieder ergänzen und korrigieren können. Als besonderes Charakteristikum erscheint dabei, dass Alfonso als einziger der im Rahmen dieses Bandes vorgestellten Fürsten aus persönlichen Motiven abdankt. Diese sind jedoch nicht – wie bisher dargestellt – mit außerordentlicher Laienfrömmigkeit oder gar klerikaler Prädestination zu erklären, sondern speisen sich maßgeblich aus dem Wunsch zu persönlicher Buße. 12 Gualtieri, Leone (Hg.): Guercino e il duca. Il carteggio ritrovato tra Giovan Francesco Barbieri e Alfonso III d’Este (Collana. Gli apocrifi, Bd. 2), Mailand 2016. 13 Die Paginierung und Kapiteleinteilung des Werkes weist an mehreren Stellen Fehler auf, sodass Seiten- und Kapitelzahlen doppelt vergeben oder ausgelassen wurden. P. Giovanni weist darin explizit mehrmals auf seinen Status als Augenzeuge hin, P.  Giovanni, Il cappuccino d’Este, Widmung, Vorwort, S. 129. Eine Quellenkritik bietet Cavazzuti, Alfonso, S. 31; weitaus polemischer fällt das Urteil Rodolicos aus: […] val la pena di ricordare i miracoli narrati da Padre Sestola, nella speranza di una santificazione di questo frate, che diverrà, ne son sicuro, il mio santo protettore!, Rodolico, L’abdicazione, S.  82. Zu P. Giovanni da Sestola siehe auch Cargnoni, Costanzo: Spiritualità, santità e devozioni, in: I Cappuccini in Emilia-Romagna. Storia di una presenza, hrsg. v. Giovanni Pozzi u. Paolo Prodi, Bologna 2002, S. 116–197, hier S. 155–157. 14 Die Bedeutung des Werkes zeigt sich auch daran, dass es als maßgebliche Quelle für spätere biographische Bearbeitungen diente: Imola, Bonaventura da: Leggendario cappuccino, ovvero, vite di persone per virtù e pietà illustri della serafica religione cappuccina del padre san Francesco d’Assisi, Bd. V, Faenza 1788; Toulouse, Casimir de: Le triomphe de la croix sur les attraits de la souveraineté ou vie du duc de Modène, capucin, Béziers 1674; Rougnes, Gaspare de: L’illustre capucin le duc de Modène, & Isabelle de Savoye son epouse; ou les sécrets de l’amour des souffrances du sauver dans les cœurs des souverains, Aix 1677; Montoire, Louis de: Vies merveilleuses du duc de Modène, capucin et de la duchesse Isabelle de Savoie, son épouse, Paris 1938.

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Im Anschluss an diese Erläuterung der Abdankungsmotivation steht die Umsetzung im Fokus des Interesses, die sich vor allem durch ihren prozessualen Charakter auszeichnet. Zwar ist sie im juristischen Sinn spätestens am 31. Juli 1629 erfolgt, nachdem Alfonso die eingangs zitierten Briefe unterzeichnet hatte. Da jedoch der in Meran erfolgende Eintritt in den Kapuzinerorden am 8. September 1629 bessere Repräsentationsmöglichkeiten bot, ist eher dieses Datum von den Zeitgenossen memoriert worden. Diese Interpretation belegen abschließend auch die vom Abdankungsprozess überlieferten Gemälde. Indem deren Auftraggeber in Beziehung zur nachfolgenden Bildinterpretation gesetzt wird, wird die Instrumentalisierung der Geschehnisse nicht nur durch den Orden, sondern auch durch die Dynastie der Este deutlich.

Eine Abdankung aus Schuldgefühlen In Bezug auf Alfonsos Motivation zur Abdankung zeichnen Quellen und Forschungsliteratur ein relativ einheitliches Bild: Neben seiner grundsätzlichen Laienfrömmigkeit stellen sie vor allem dessen Trauer über den frühen Tod seiner Ehefrau Isabella von Savoyen (1591–1626) im Kindbett nach der Geburt der jüngsten Tochter Anna Beatrice (1626–1690) als Hauptmotiv heraus.15 Die Hochzeit Isabellas von Savoyen mit Alfonso war von Herzog Cesare I. von Modena arrangiert worden, um sich dynastiepolitisch den Habsburgern anzunähern – als Tochter Herzog Carlo Emmanueles I. von Savoyen (1562–1630) und Katharina Michaelas von Spanien (1567–1597) war sie zugleich Enkelin des spanischen Königs Philipp II. (1527–1598).16 Bereits im hagiographisch-teleologischen Narrativ P. Giovannis, der Alfonso von Geburt an zum zukünftigen Kapuziner prädestiniert,17 15 Zu Isabella von Savoyen: Ferrari, Francesco: Isabella di Savoia, principessa di Modena, Modena 1938; Pinelli, Ines: Isabella di Savoia d’Este nelle corti estense e sabauda, Vasto 1924; Spaccini, Giovanni Battista: Il registro di guardaroba dell’infante Isabella Savoia d’Este (1617–1630) (Quaderni dell’Archivio Storico, Bd. 9), hrsg. v. Grazia Biondi, Modena 2000, hier S. 3–32. Ausführlicher zur Hochzeit: Lecchini, Giambattista, S. 27–41. 16 Amorth, Modena capitale, S. 32; Ascari, Cesare, S. 139. Neben dem Prestigegewinn, den eine Hochzeit mit der Enkelin des spanischen Königs Philipp  II. versprach, dürfte deren hohe Mitgift eine gewisse Rolle bei den Heiratsverhandlungen gespielt haben, Romanello, Francesco, S. 732. Allgemein zur Heiratspolitik der Este: Schnettger, Matthias: Geschichte einer Dekadenz? Die italienischen Dynastien im Europa der Frühen Neuzeit, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 8 (2007), S. 51–75, hier S. 58 f. 17 In P. Giovannis hagiographischer Darstellung genügt allein die exzeptionelle Laienfrömmigkeit zur Begründung der Abdankung. Dieser teleologische Charakter des Werkes wird deutlich an einem Ausspruch Alfonsos gegenüber einem Diener: […] o ch’io lasci il secolo prima che muoia e mi ritiri in una Religione, o che Dio mi mandi un’infermità così lunga, che mi dia tempo di far penitenza […], P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 50. Dass Alfonso noch vor dem Tod Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  143

folgt Alfonsos Lebenswandel auf den Tod Isabellas: Auf dem Sterbebett bittet ihn die fromme Ehefrau um die Gunst, von Kapuzinern zu Grabe getragen und in einer Kapuzinerkutte beerdigt zu werden.18 In diese gehüllt erscheint sie Alfonso kurz nach ihrem Tod im Traum, eine weitere Kutte tragend, die sie ihren Witwer auffordert anzulegen. Spätestens hier reift in Alfonso der Entschluss, in den Kapuzinerorden einzutreten, den er anschließend seinem Beichtvater P.  Giovanni mitteilt. Letzterer betont in seiner Darstellung jedoch, dass der Tod Isabellas lediglich den Anlass zu Abdankung und Ordenseintritt darstellt, die in kausaler Hinsicht aus Alfonsos besonderer Laienfrömmigkeit resultieren.19 Unmittelbar von Alfonso stammende Quellen weisen allerdings eher darauf hin, dass Isabellas Tod auch in Kausalbeziehung zu Alfonsos Lebenswandel steht. Seiner Schwester Eleonora d’Este (vor 1607–1651) – unter dem Namen Schwester Angela Äbtissin im Klarissenkloster Santa Chiara in Carpi – präsentiert er die beiden Ereignisse in einem Brief vom Mai 1629 als direkt zeitlich aufeinander folgend:20 Fui cappuccino di volontà dal primo giorno che passò alla celeste patria l’Infante mia signora di gloriosa memoria.21 Entsprechend nennt auch der Abdankungsakt vom 27. Juli 1629 gleich nach der Datierungszeile das persönliche Motiv der Trauer als maßgebliche Motivation: Cum tres iam prope annos summa Dei providentia serenissima Infantam Isabellam de Sabaudia foelicis [sic!] recordationis à mortali vita ad immortalitatem traxit […].22 Ebenfalls ganz ähnlich argumentieren die bereits erwähnten Abdankungsbriefe an Modena und Reggio. Ersterer stellt göttliche Gnade und die Trauer um den Tod Isabellas als gleichwertige Motive nebeneinander:

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Isabellas mit dem Gedanken eines Ordenseintritts gespielt haben soll, muss vor dem Hintergrund der folgenden Ausführungen als anachronistisch gelten. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die häufigen Besuche des jugendlichen Alfonso im Kapuzinerkloster bzw. der Mönchszelle P. Giovannis äußerst fragwürdig, ebd., S. 12 f. Die Beerdigung von Fürstinnen im Ordenshabit war vor allem bei den Habsburgern eine gängige Tradition, Richter, Susan: „Des Königs“ letzte Kleider – Totenkleidung als Zeichen dynastischen und herrscherlichen Selbstverständnisses, in: Das „letzte Hemd“. Zur Konstruktion von Tod und Geschlecht in der materiellen und visuellen Kultur, hrsg. v. Karen Ellwanger u.a., Bielefeld 2010, S. 105–145, hier S. 137–144. Zur Bedeutung der Kutte im Kapuzinerorden: Lehmann, Leonard (Hg.): Die ersten Kapuziner-Konstitutionen von 1536. Eingeleitet und übersetzt von Octavian Schmucki, Norderstedt 2016, hier S. 65–71. P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 53 f., 63 f., 71, 74 f., 87. Der Geistliche scheint geradezu gegen den Tod Isabellas als Motiv für die Abdankung anzuschreiben, indem er festhält: Conobbe il Principe Alfonso il beneficio non picciolo, che gliene risultava per la morte dell’Infanta, e disse […] che nella morte dell’Infanta tutti hanno perduto fuori di me […] perche hò acquistata la cognizione di me stesso, e quella di Dio […], ebd., S. 84 f. Zu Eleonora d’Este: Litta, Famiglie celebri italiane, Tafel 15; Zu den Klarissen: Holzapfel, Franziskanerorden, S. 638–659. Zitiert nach Lecchini, Giambattista, S. 65 f. ASE, Casa e Stato, 341, Atto di abdicazione in favore del figlio Francesco I. originale, S. 2.

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Questi effetti cagionò in noi prima la gratia di Dio benedetto, e poi la morte dell’Infanta nostra Signora, di gloriosa memoria […]; Letzterer nennt hingegen die Trauer um Isabella als einzigen Grund für die Abdankung: La santa morte dell’Infanta nostra Signora, e vostra Padrona, sarà stata la nostra vita.23 Diese Formulierungen machen deutlich, dass persönliche Trauer um den Tod der Ehefrau das Hauptmotiv für Alfonsos Abdankung bildet, was im Vergleich zu anderen Fallbeispielen außergewöhnlich erscheint. Die von P. Giovanni hervorgehobene außergewöhnliche Laienfrömmigkeit erscheint hingegen eher als untergeordnete Grundvoraussetzung. Die Forschung hat beide Motive dahingehend miteinander verknüpft, dass die sterbende Isabella Alfonso Ratschläge für ein besseres Leben mit auf den Weg gegeben habe. Beginnend bei einem der Stammväter der italienischen Geschichtsschreibung, Lodovico Antonio Muratori (1672–1750), ist seitdem von consigli a lui [Alfonso] lasciati prima di morire dalla piissima Principessa [Isabella] die Rede, die den trauernden Witwer anschließend zu Abdankung und Ordens­ eintritt bewogen hätten.24 Es ist durchaus möglich, dass der knappe 30 Jahre nach Alfonsos Tod geborene Muratori in seiner Eigenschaft als Archivar und Bibliothekar der Herzöge von Modena zwischen 1700 und 1750 noch entsprechende Dokumente einsehen konnte. Zum großen Bedauern der Nachwelt hat er diese jedoch nicht angegeben, was seine Aussage relativiert. Im 20. Jahrhundert wurden die angeblichen Ratschläge vom Historiker Niccolò Rodolico trotzdem aufgenommen und auf die bolognesische Adelsfamilie Pepoli bezogen, die Grafen von Castiglione. Mit ihnen war Alfonso zuvor in einen komplizierten Lehenskonflikt geraten, der zum besseren Verständnis kurz skizziert werden soll. Ercole Pepoli erbte über seine Mutter Laura Pepoli-Contrari Besitzungen der im Mannesstamm ausgestorbenen Markgrafen Contrari in den Herzogtümern Modena und Ferrara. Das päpstliche Lehen Ferrara hatte den eigentlichen Herrschafts­ ursprung der Este gebildet, bevor es 1598 nach dem Tod Herzog Alfonsos II. d’Este (1533–1597) von Papst Clemens  VIII. (1536–1605) eingezogen wurde.25 Durch 23 Beide Briefe wurden bereits zwischen dem 28. und 31. Juli von Alfonso selbst auf der Burg Sassuolo in der Nähe Modenas verfasst; die Datierung erfolgte vermutlich erst unmittelbar vor der Abreise Alfonsos am 31. Juli, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 152, 157. 24 Muratori, Antichità Estensi, S. 528, 531; Namias, Storia, S. 336f. Siehe auch Amorth, Modena capitale, S. 46 f.; Lecchini, Giambattista, S. 11–15. 25 Zur Herrschaft und Vertreibung der Este in/aus Ferrara: Ascari, Cesare d’Este; Bocchi, Francesco: Art. „Este (d’)“, in: LexMa  4 (1989), Sp.  27–28; Bravi, Principe, S.  11–15; Emich, Birgit: Territoriale Integration in der Frühen Neuzeit. Ferrara und der Kirchenstaat, Köln/ Weimar/Wien 2005; Lecchini, Giambattista, S. 11–15. Zu Alfonso II d’Este: Quazza, Romolo: Art. „Alfonso  II d’Este, duca di Ferrara“, in: Dizionario Biografico degli Italiani  2 (1960), S. 337–341. Zu Papst Clemens VIII.: Borromeo, Agostino: Art. „Clemente VIII“, in: ­Enciclopedia dei Papi 3 (2000), S. 249–269. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  145

Alfonsos II. Testament erbte dessen illegitimer Vetter Cesare, der Vater Alfonsos III., folglich nur das zu Reichsitalien gehörende kaiserliche Lehen, das Herzogtum Modena.26 Das Aussterben der Contrari bot nun wiederum den Este nicht nur die Möglichkeit, die Markgrafschaft Guiglia im Herzogtum Modena einzuziehen, sondern auch, Teilbesitz im verlorenen Herzogtum Ferrara wiederzuerlangen. Zudem war Ercole Pepolis Erbanspruch juristisch durchaus zweifelhaft durch dessen Abstammung aus weiblicher Linie und ein Edikt Herzog Alfonsos II. von 1566, das Familien von außerhalb des Herzogtums Ferrara von der Erbfolge ausschloss. Nicht zum ersten Mal mischte sich der zukünftige Alfonso  III. zu diesem Anlass in die Politik seines Vaters Cesare ein, indem er den Kardinal Carlo Emmanuele Pio di Savoia (1585–1641) zum Erben erklärte – den Enkel von Ercole Pepolis Tante Lucrezia Pio Reverelli –, obwohl dessen Großmutter den Erbanspruch bei der Heirat aufgegeben hatte.27 Die anschließende Übertragung der Rechte des Kardinals auf Alfonso ist daher ebenfalls juristisch fragwürdig. Zusätzlich verkompliziert wurde die Angelegenheit dadurch, dass Ercole Pepoli seit 1609 mit Vittoria Cibo (1588–1635) verheiratet war, einer entfernten Verwandten Alfonsos. Ab 1616 verfolgte sie offen die Trennung von ihrem Ehemann, den sie Alfonso gegenüber zum Erreichen dieses Zieles brieflich derart denunzierte, dass er ihr schließlich Asyl in Modena gewährte und sich damit offen gegen die Pepoli positionierte. Diese Mischung aus dynastischen Erbinteressen und von Vittoria berichteter übler Nachrede muss Alfonso dazu bewogen haben, Ercole Pepoli in der Nacht des 17. Dezember 1617 nach Verlassen einer Festgesellschaft in Ferrara durch drei Meuchelmörder umbringen zu lassen.28 Kurz darauf wurden aus 26 Zum Herzogtum Modena als Teil Reichsitaliens: Aretin, Karl Otmar von: Das Alte Reich 1648–1806, Bd.  1: Föderalistische oder hierarchische Ordnung (1648–1684), Stuttgart 1993, hier S. 112–115; Schnettger, Matthias: Das Alte Reich und Italien in der Frühen Neuzeit. Ein institutionengeschichtlicher Überblick, in: QFIAB  79 (1999), S.  344–420, hier S. 353 f. 27 Zu Alfonsos Eingriffen in die Politik Cesares: Cavazzuti, Alfonso, S. 2 f. Zu Kardinal Carlo Emmanuele Pio di Savoia: Ceccarelli, Alessia: Art. „Pio, Carlo Emanuele“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 84 (2015), S. 85–87; Emich, Birgit: Karrieresprung und Imagewechsel. Die zwei Gesichter des Kardinals Carlo Emanuele Pio di Savoia, in: Die Jagd nach dem roten Hut. Kardinalskarrieren im barocken Rom, hrsg. v. Arne Karsten, Göttingen 2004, S. 126– 139. 28 Ergänzend kann der Einfluss machiavellistischer Staatstheoretiker wie beispielsweise Ciro Spontone (um 1552–um 1613) hinzugezogen werden: Spontone, Ciro: Dodici libri del governo di Stato, Verona 1599, S. 267; siehe auch Cavazzuti, Alfonso, S. 9 f. Die Relevanz des Rufmordes als Motiv im Rahmen dieser Entscheidung wird auch daran deutlich, dass die Pepoli noch bis 1621 als Markgrafen der Guiglia nachzuweisen sind, eine Durchsetzung der Erbinteressen also erst vier Jahre später erfolgte, Rodolico, L’abdicazione, S. 44. Ercoles üble Nachrede gegenüber den Este kann belegt werden durch Vittoria Cibos gemeinsam mit Alfonso verfasste Verteidigungsschrift aus dem März 1617, zitiert nach Rodolico, L’abdicazione,

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Modena entsprechende Rechtfertigungen an Kaiser und Papst gesendet. Der päpstliche Hof versuchte daraufhin ebenso erfolglos, zwischen den Parteien zu vermitteln wie die toskanischen Großherzöge als Lehnsherren der Pepoli.29 Im August 1621 begann in Modena schließlich ein Strafprozess gegen vier Familienmitglieder der Pepoli und Dutzende mit ihnen assoziierte Personen. In den Prozessakten erfahren wir dabei von mehreren vergangenen Attentatsversuchen auf Alfonso, von denen einige jedoch eher zweifelhaft erscheinen. Der Hauptbeschuldigten wurden die Este jedoch trotz der Ausschreibung von Kopfgeldern nicht habhaft. Allerdings ist vom 3. Juni 1626 ein missglückter Attentatsversuch auf Filippo Pepoli überliefert, der in diesem Zusammenhang stehen könnte.30 Wird dieser Attentatsversuch Alfonso zugeschrieben, ist Rodolicos Vermutung, die im August 1626 sterbende Isabella habe ihren Ehemann um Versöhnung mit den Pepoli gebeten, zumindest chronologisch gesehen durchaus schlüssig.31 Dagegen spricht allerdings, dass ihr Vater – Herzog Carlo Emmanuele I. von Savoyen –, der von ihr über den Konflikt auf dem Laufenden gehalten wurde, zur Verteidigung Alfonsos riet: bisognava star sulle difese. Im Juni 1621 schickte sie ihm sogar einen Bericht über die Attentatsversuche der Pepoli an Alfonso.32 Den Nachweis zu angeblichen versöhnenden Ratschlägen Isabellas hingegen sind sowohl Muratori als auch Rodolico schuldig geblieben.33 Am deutlichsten spricht gegen diese These zudem ein kürzlich wiederentdeckter Brief Alfonsos an den Maler Guercino vom 15. September 1629.34 In diesem verwahrt sich der abgedankte Herzog gegen die von seinem Brief-

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S.  31–35, hier S.  32; weitere Belege finden sich in Spaccinis Chronik, Spaccini, Giovanni Battista: Cronaca di Modena, Bd. 4: anni 1617–1620 (Materiali per la storia di Modena medievale e moderna, Bd. 17), hrsg. v. Rolando Bussi u. Carlo Giovannini, Modena 2002, S. 277, 279; siehe auch Cavazzuti, Alfonso, S. 8 f. Beide Quellen stehen allerdings – die erste direkt, die zweite indirekt – unter dem Einfluss der Este, was ihre Aussagekraft relativiert. Die Großherzöge der Toskana waren Lehnsherren der Pepoli in ihrer Eigenschaft als Grafen von Castiglione. Zur Genese des Großherzogtums Toskana siehe den Aufsatz von Michael Roth im vorliegenden Band. Zum Erbstreit Alfonsos mit den Pepoli: Bravi, Principe, S. 25 f.; Cavazzuti, Alfonso, S. 3–29; Chiappini, Estensi, S.  452–454; Emich, Ferrara und der Kirchenstaat, S.  753; Evangelisti, Gino: Il duca „cappuccino“ e il processo ai Pepoli (1621), in: Il Carrobbio 12 (1986), S. 131– 140; Rodolico, L’abdicazione, S. 5–51; Lecchini, Giambattista, S. 44–46. Rodolico: L’abdicazione, S. 42, 76 f. Zitiert nach Evangelisti, Processo ai Pepoli, S. 138. Kritik an einer Verteidigung der Pepoli durch Isabella äußert bereits: Cavazzuti, Alfonso, S. 32 f. Gualtieri, Guercino e il duca. Der aus Cento stammende Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino (der Schieler wegen eines charakteristischen Augenfehlers) gilt als einer der führenden Meister des 17. Jahrhunderts. Er wurde 1633 an den Hof Francescos nach Modena berufen, von dem er auch schon zuvor Aufträge entgegengenommen hatte. Zum Künstler (in Auswahl): Bénézit, Emmanuel (Begr.): Art. „Guercino“, in: Benezit Dictionary of Artists 6 Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  147

partner zuvor unterstellten Gründe für seine Entscheidung zur Abdankung mit dem zunächst kryptisch anmutenden Hinweis: Ma non era fuga da Marte [Mars, römischer Kriegsgott], nè anco dal demonio del morbo, forse più da quel che ero […].35 Ein knappes halbes Jahr und einige Briefe später vertraut er Guercino am 22. Februar 1630 schließlich rückblickend den eigentlichen Grund seiner Abdankung an: Di modo che eleggo voi a mia coscientia e per rispondervi più crudamente hora, su quali ragioni spinsero a lasciare, vi dico che Isabella non è morta di parto, ma ha troncato la sua vita gettando seco da una finestra, dopo aver dato al mondo la nostra picciola Anna. / Gli ultimi mesi li haveva passati delirando su miei tradimenti, e mi tiene in vita il solo fatto che non esistevano. Tentai di parare i colpi di questa insensatezza, ma non ne fui capace. […] È certo che son [sic!] qui per non esser infine riuscito a placare la sua disperatione.36 Dieses in seiner Relevanz nicht hoch genug einzuschätzende Dokument räumt gleich mit mehreren Mythen auf: Isabella starb nicht im Kindbett, wovon seit P. Giovannis Darstellung alle bisher erschienenen Werke über Alfonso ausgehen, sondern stürzte sich aus einem Fenster in den Freitod. Für diesen Selbstmord schreibt sich Alfonso die Schuld zu, da es ihm nicht gelungen sei, sie von seiner Treue zu überzeugen, die Isabella zu Unrecht in Zweifel gezogen habe.37 Durch diese veränderte Sachlage erscheinen freundschaftliche Ratschläge Isabellas an Alfonso im Hinblick auf eine bessere Lebensführung sehr unwahrscheinlich: Nicht nur widerlegt ihr plötzlicher Tod einen längeren Sterbeprozess, in dessen Rahmen diese erteilt worden sein sollen, sondern die Ratschläge stehen auch zu dem offenbar zerrütteten ehelichen Verhältnis im Widerspruch. Stattdessen begründet Alfonso seinen Aufenthalt im Kloster Meran und damit auch seine Abdankung im letzten Satz eindeutig mit Schuldgefühlen an Isabellas Selbstmord. Dieser galt theologisch als schwere Sünde: Beginnend beim Römer Laktanz (um 250–nach 317) wurde er mit dem biblischen Gebot non occides in Verbindung gebracht; spätestens mit seiner Ablehnung durch den einflussreichen (2006), S. 815–819; Borea, Evelina: Art. „Guercino“, in: Dizionario della pittura e dei pittori 2 (1990), S. 725–727; Voss, Hermann: Art. „Guercino“, in: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart 15 (1999), S. 216–222, hier S. 216, 218. 35 Gualtieri, Guercino e il duca, S.  15. Zur Pest in Modena: Raselli, Odoardo: La peste del 1630 in Modena, in: Atti e Memorie delle RR. Deputazioni di Storia Patria per le Provincie dell’Emilia, NS 7/1 (1881), S. 189–240. 36 Gualtieri, Guercino e il duca, S. 36. Hervorhebungen durch den Verfasser. 37 Vor dem Hintergrund der Geheimhaltung des Selbstmords erscheint auch Alfonsos Treue­ bekenntnis durchaus fragwürdig, und tatsächlich hat Rodolico im Kontext des Konflikts mit den Pepoli die Möglichkeit eines Verhältnisses Alfonsos zu Vittoria Cibo angedeutet, der Ehefrau Ercole Pepolis, Rodolico, L’abdicazione, S. 36 f. Da Rodolico seine Hypothese allerdings nicht belegen kann, ist sie schon von Cavazzuti verworfen worden, Cavazzuti, Alfonso, S. 5–7; siehe auch Evangelisti, Processo ai Pepoli, S. 134. Weil ansonsten keine Liebschaften Alfonsos bekannt sind, ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine wahre Aussage handelt.

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Kirchenlehrer Augustinus (354–430) galt der Selbstmord als Sünde, da er einen Eingriff in die göttliche Ordnung darstellte.38 In Dantes Aligheris (1265–1321) Divina Commedia begegnen die Selbstmörder dem Protagonisten daher im siebten Höllenkreis in der Gestalt lebloser Bäume.39 Eine derartige Vorstellung muss Alfonso vom Schicksal Isabellas gehabt haben: In der Hölle verdammt durch den Selbstmord, welcher von ihm mitverursacht wurde und von dem er sie nicht abhalten konnte. Abdankung und Ordenseintritt sind daher in erster Linie als Bußgang zu verstehen: Zum einen für das aufgrund seiner Mitschuld gefährdete Seelenheil Alfonsos, zum anderen womöglich auch für das Seelenheil Isabellas, die sich die Möglichkeit zur Buße durch den Selbstmord genommen hat. Für eine solche Lesart spricht auch, was Alfonso Guercino ein knappes Jahrzehnt später in einem Brief vom 11. Oktober 1640 mitteilt. Darin nimmt der abgedankte Herzog die Politik seines Sohnes Francesco in Schutz, anhand derer er erneut auf Isabella zu sprechen kommt: […] il potere è un filo che sei chiamato a tenere continuamente teso, se non lo tagli come per prima Isabella mi ha instruito [sic!] fare. Im Anschluss erklärt er seine Schuldgefühle genauer als im Brief von 1630: Et pure il mio peccato non consiste in un atto da me compiuto, ma nel mio pensiero di haver assolto lei, Isabella, dal peccato mortale di essersi strappata la vita di dosso.40 Nicht mehr die 1630 noch angedeutete (Mit-)Schuld steht hier mehr im Fokus, sondern die von Alfonso erfolgte Vergebung dafür. Diese nennt er klar seine persönliche Sünde, in deren Kontext Abdankung und Ordenseintritt erneut als Bußleistung erscheinen müssen. Alfonsos Schuldgefühle können somit klar als Hauptmotiv der Abdankung bezeichnet werden. Dafür spricht gleichfalls, dass der Tod Isabellas in allgemeinerer Formulierung auch in den anderen eingangs des Kapitels zitierten, ebenfalls von Alfonso selbst stammenden Quellen als Abdankungsmotiv erscheint. Fraglich bleibt allerdings trotzdem, warum Alfonso, der zum Zeitpunkt von Isabellas Tod im August 1626 noch nicht selbst regierte, noch den Tod des Vaters Cesare  I. abwartete und sich selbst noch zum Herzog erheben ließ, um ein knappes halbes Jahr später wieder abzudanken. Tatsächlich berichtet P. Giovanni, dass der Fürst bereits unmittelbar nach dem Tod seiner Ehefrau über einen Eintritt in einen Orden nachgedacht habe.41 Diese Darstellung kann durch Alfonsos eigene Aussage im bereits zitierten Brief an seine Schwester Eleonora d’Este vom Mai 1629 verifiziert werden.42 Auch 38 Ex. 20,13; Hofmann, Dagmar: Suizid in der Spätantike: Seine Bewertung in der lateinischen Literatur (Altertumswissenschaftliches Kolloquium), Stuttgart 2007, S. 50 f., 52–59. 39 Minois, Georges: Geschichte des Selbstmords, Düsseldorf/Zürich 1996, S.  54–58, hier S. 56 f. Siehe auch Biasiori, Lucio: Per una storia sociale del suicidio nell’Italia moderna, in: Studi Storici 52 (2011), S. 491–508. 40 Gualtieri, Guercino e il duca, S. 53. 41 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 86. 42 Lecchini, Giambattista, S. 65 f. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  149

soll Alfonso seine beiden Beichtväter diesbezüglich konsultiert haben, den Kapuziner P. Giovanni selbst und den Jesuiten P. Girolamo Bondinari.43 Diese legten ihm eine zeitliche Verzögerung des Ordenseintritts nahe aus Rücksicht auf l’éta grave del Sereniss [imo] Signor Duca Cesare suo Padre, e la troppo tenera del Signor Principe Francesco suo primogenito, welche zum Todeszeitpunkt Isabellas 62 bzw. 15 Jahre alt waren.44 Abermals wird die Aussage des Geistlichen aus einer unmittelbar von Alfonso stammenden Quelle bestätigt, denn diese Begründung findet sich auffallend ähnlich formuliert auch in den Abdankungsbriefen an Modena und Reggio vom 31. Juli 1629.45 Der Verzicht auf die Realisierung des Ordenseintritts kann somit zumindest bis zum Tod Cesares am 11. Dezember 1628 schlüssig begründet werden.46 Erklärungsbedürftig erscheint allerdings, dass Alfonso zwei Tage darauf selbst die Nachfolge im Herzogtum antritt; am 13. Dezember verzeichnet die für diesen Zeitraum erhaltene Chronik Spaccinis: […] ha Sua Altezza [Alfonso] confirmato tutti i suoi gentiluomini e poi tutti quelli del signor duca suo padre […].47 Zwar befand sich sein erstgeborener Sohn Francesco kurz zuvor noch auf einer diplomatischen Reise, die ihn nach Frankreich, Flandern und ins Reich geführt hatte.48 Sowohl bei P. Giovanni als auch bei Spaccini wird allerdings deutlich, dass der übernächste prädestinierte Thronfolger beim Tod seines Großvaters bereits nach Modena zurückgekehrt war.49 Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Alfonso zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren einen Ordenseintritt plante und diesen nur sechs Monate später tatsächlich durchführte, erscheint fragwürdig, warum nicht der mittlerweile 17-jährige Francesco direkt die Thronfolge antrat, insbesondere nach seinen diplomatischen Erfahrungen im Ausland. 43 Anfangs soll Alfonso noch unentschieden gewesen sein, ob er in den Jesuiten- oder den Kapuzinerorden eintreten solle. P. Giovanni berichtet daraufhin von diversen Gründen, die ihn von Letzterem überzeugt haben sollen, u.a. der bereits angesprochene Traum von Isabella in Kapuzinerkutte und die Lektüre franziskanischer Ordensregeln. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Entscheidung wegen der grundsätzlichen Nähe des Hofes der Este zu den Kapuzinern getroffen wurde, die sich beispielsweise in den Beerdigungen Cesares und Isabellas durch Kapuziner widerspiegelt, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 86 f., 89, 67–73, 117 f. Zu den Jesuiten: Friedrich, Markus: Die Jesuiten. Aufstieg, Niedergang, Neubeginn, München/Berlin/ Zürich 2016. 44 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 91 f. 45 Lecchini, Giambattista, S. 70–72; P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 153, 157. 46 P. Giovanni überliefert den 7.  Dezember als Todeszeitpunkt Cesares, was Anlass zur Annahme gibt, dass auch seine anderen Datierungen kritisch zu hinterfragen sind, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 117. Siehe auch Ascari, Cesare, S. 140; Lecchini, Giambattista, S. 60 f. 47 Spaccini, Cronaca, Bd. 5, S. 597. 48 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 106 f.; Romanello, Francesco, S. 731; Rombaldi, Francesco, S. 12. 49 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 119, 124; Spaccini, Cronaca, Bd. 5, S. 596.

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Niccolò Rodolico verweist im Zusammenhang dieser Auffälligkeit erneut auf Alfonsos Konflikt mit den Pepoli. Vermutlich aus dem Kontext des Strafprozesses gegen Letztere zitiert er den Brief des Fra Vic. aus dem Franziskanerkloster La Verna vom 15. Februar 1622.50 In diesem noch an Herzog Cesare gerichteten Brief kritisiert der anonyme Mönch im Sinne des Matthäusevangeliums diliges prossimum [sic!] tuum sicut te ipsum den designierten Thronfolger Alfonso, […] essendo di natura, che crede troppo alla gente cattiva e di questa non gle ne manca intorno.51 Laut Rodolico sei der Brief nach Cesares Tod Alfonso in die Hände gefallen und habe diesen zur Umsetzung von Abdankung und Ordenseintritt veranlasst. Bestätigt sieht Rodolico diese Theorie durch die spätere Amnestie der Pepoli, die Alfonso nach seiner Abdankung auf dem Weg in ein Kloster der Kapuzinerprovinz Tirol (Provincia Tirolensis) vermutlich aus Desenzano seinem bereits als Nachfolger eingesetzten Sohn Francesco anordnete.52 Hierin rekurriert Alfonso vor der eigentlichen Hauptinformation auf den Spruch aus dem Matthäusevangelium: […] Dilige [sic!] proximum tuum sicut te ipsum […] havendo […] invitato la retta giustizia del Duca mio padre di gloriosa memoria a porre giustamente le taglie, come è noto, contro a’cospiratori contro la persona mia, ho risoluto di liberarli tutti […].53 Die unmittelbar auf die Abdankung folgende Amnestie der Pepoli könnte tatsächlich darauf hinweisen, dass Reue wegen des Konflikts mit der bolognesischen Adelsfamilie bei Alfonsos Entscheidung zu Abdankung und Ordenseintritt eine nebengeordnete Rolle spielte. In diesem Sinne macht Cavazutti darauf aufmerksam, dass eine Rücknahme der Kopfgelder als Herzog Alfonsos Reputation hätte schädigen können, während eine solche Handlung als Kapuziner hingegen eher eine positive Rezeption erwarten ließ; Cavazutti kritisiert jedoch ebenso wie in Bezug auf die Ratschläge Rodolicos dessen unzureichende Quellenlage.54 Tatsäch50 Zitiert nach Rodolico: L’abdicazione, S. 51–57. Das Kloster liegt auf der Erhebung Alverna am Abhang des Monte Penna im Norden der heutigen Gemeinde Chiusi della Verna. Zur Lage des Klosters siehe auch die Karte der Kapuzinerprovinz Bononiensis vel Aemiliae im Kapitel Der Eintritt in den Kapuzinerorden in Meran. 51 Zitiert nach Rodolico, L’abdicazione, S. 51–57, hier S. 54, 57; Die Bibelstelle ist leicht abgewandelt und lautet im Original honora patrem et matrem et diliges proximum tuum sicut te ipsum bzw. secundum autem simile est huic diliges proximum tuum sicut te ipsum, Mt 19,19 bzw. Mt 22,39. 52 Lecchini, Giambattista, S. 73. 53 Zitiert nach ebd. Siehe auch Bini, Estensi, S.  27; Rodolico, L’abdicazione, S.  78. Teile des Briefes finden sich in der Grida sopra la rivocazione delle taglie dei Peppoli et altri […] wieder, die am 4./5. August 1629 zusammen mit Francescos Proklamation zum Herzog veröffentlicht wurde und die Kopfgelder für die Pepoli annulierte, ebd., S. 78 f. Siehe auch Lecchini, Giambattista, S. 73. 54 Cavazzuti, Alfonso, S. 33, 37. Zudem kann Cavazutti Rodolicos zusätzliches Argument widerlegen, dass Alfonso vor dem Tod seines Vaters eine Pilgerreise zum Kloster La Verna plante, um möglicherweise Fra Vic. aufzusuchen: Da der Sohn Cesares den Brief laut Rodolico erst Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  151

lich ist der Spruch aus dem Matthäusevangelium derart populär, dass eine Nennung in zwei ansonsten voneinander zeitlich wie inhaltlich völlig verschiedenen Dokumenten nicht auf einen Kausalzusammenhang schließen lässt. Statt mit pro- und retroperspektiven Hypothesen sollte die weitere Verzögerung des Ordenseintritts vielmehr aus der konkreten Situation 1628/1629 heraus erklärt werden. In dieser wäre das Überspringen einer Generation noch außergewöhnlicher gewesen als die Abdankung als regierender Herrscher: Einen solchen Schritt hätte Alfonso vor seinem kaiserlichen Lehnsherrn entsprechend rechtfertigen müssen, demgegenüber sein Status – als Nachkomme des nur aus einer Nebenlinie der Este stammenden Herzogs Cesare I. – ohnehin nicht unangreifbar war. Die Wichtigkeit der korrekten dynastischen Erbfolge lässt Alfonsos Herrschaftsantritt daher notwendig erscheinen. Dass seine Regierungszeit zwischen dem 13. Dezember 1628 und dem 31. Juli 1629 auch entsprechend kurz blieb, könnte durch eine gewisse Frustration über die Pflichten eines Herzogs zusätzlich motiviert worden sein: In einem Brief vom 10. April 1629 klagt er seinem Bruder gegenüber: Se havessi cento occhi, cento bocche e cento mani, non potrei supplire a ciò che bisogna.55 Zwar lässt sich diese Unfähigkeit zur Regierung nicht in weiteren Quellen greifen; sie taucht jedoch bei anderen fürstlichen Abdankungen vergleichsweise häufig als Motiv auf.56 Vor allem muss allerdings bedacht werden, dass Abdankung und Ordenseintritt eine gewisse Organisation vorausgehen musste, der sich Alfonso in seinem Status als Nachfolger offenbar noch nicht zuwenden konnte. Der ohnehin schon mehrmonatige Abdankungsprozess beginnt schließlich genau genommen bereits im Mai 1629.

Die Abdankung in Sassuolo P. Giovanni schildert die Einleitung der Abdankung wie folgt: Nach göttlicher Eingabe wendet sich Alfonso an seine beiden Beichtväter, dass mit dem Tod des Vaters und dem fortgeschrittenen Alter des Sohnes die aufgezeigten Hindernisse aus dem Weg geräumt seien; P. Girolamo und P. Giovanni lenken daraufhin ein. Alfonso stellt seinem Sohn Francesco anschließend eine Vollmacht zum Regieren aus und zieht sich am 22. Juni 1629 auf die wenige Wegstunden entfernte Burg von Sassuolo zurück,

nach dem Tod des Vaters hat einsehen können, konnte er dessen Inhalt vorher gar nicht kennen, ebd., S. 33; Rodolico, L’abdicazione, S. 79. 55 Zitiert nach Cavazzuti, Alfonso, S. 36. 56 Richter, Susan: Zeremonieller Schlusspunkt. Die Abdankung als Herrschertod, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. von ders. u. Dirk Dirbach, Köln/Weimar/Wien 2010 S. 75–94, hier S. 75–77.

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eine Art Kurresidenz der Este.57 Neben den beiden Mönchen und Francesco werden nur zwei Staatssekretäre bzw. -räte in den eigentlichen Plan eingeweiht, die Grafen Andrea Codebò und Antonio Scapinelli.58 Noch vor der Abreise hatte P. Giovanni brieflich P. Feliciano da Piacenza – Provinzial der Kapuzinerprovinz Bologna (Provincia Bononiensis oder Aemiliae), welche auch Modena mit einschloss – nach Sassuolo gebeten, der dort am Abend des 23. Juni eingetroffen sein soll.59 Bei einem geheimen Treffen am folgenden Tag in einem als Grotta bezeichneten Raum der Burg versucht dieser zunächst,60 Alfonso seinen Plan mit einem Verweis auf das Gottesgnadentum seiner Herrschaft auszureden: Contentisi […] che, stando in istato di Principe assoluto, in cui Dio l’hà fatto nascere, potrà far maggior bene, che nella Religione […].61 Anstelle einer argumentativen Entgegnung – schließlich geht es ihm weniger um religiösen Eifer, sondern um persönliche Schuldgefühle infolge des Selbstmords – pointiert der Herzog daraufhin seine Prädestination: Iddio […] non vuole, ch’io viva, e muoia Duca di Modona [sic!]. Letztendlich droht er sogar mit der Anrufung ranghöherer Instanzen. Als P. Feliciano ihm daraufhin den Eintritt in ein bolognesisches Kapuzinerkloster anbietet, eröffnet ihm Alfonso seinen Wunsch, stattdessen ein Kloster im Reich wählen zu wollen, um an der conversione de gli Eretici, & infedeli mitzuwirken, womit er protestantische Strömungen bezeichnet. Da sich eine solche Konzession jedoch außerhalb der Zuständigkeit des Provinzials bewegt, wird entschieden, eine

57 Lecchini, Giambattista, S. 63. Zur später von Francesco I. zum Palazzo umgebauten Burg von Sassuolo: Vandelli, Vincenzo: Da castello a delizia, in: Il Palazzo Ducale di Sassuolo, hrsg. v. Filippo Trevisani, Parma 2004, S. 21–38. In der Camera delle Virtù estensi zeigt ein Fresko Jean Boulangers (1606–1660) Alfonso in Kapuzinerkutte bei einer Predigt in der Garfagnana, ebd., S. 25. Zur Lage Sassuolos siehe auch die Karte der Kapuzinerprovinz Bononiensis vel Aemiliae im Kapitel Der Eintritt in den Kapuzinerorden in Meran. 58 Laut P. Giovanni wurde am Hof in Modena stattdessen vermutet, dass Alfonso nach seiner längeren Erkrankung Kräfte wiedergewinnen wolle oder den Kapuziner, der in seiner ständigen Begleitung verblieb, auf eine diplomatische Mission an den spanischen Hof vorbereite, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 130 f. Zu den Staatsorganen des Herzogtums Modena: Rombaldi, Francesco, S. 89–129. 59 Der Provinzial einer Kapuzinerprovinz, auch Minister provincialis genannt, war das höchste Amt innerhalb einer Provinz und vertrat selbige nach außen. Ebenso wie der Generalminister wurde er durch ein Definitorium in seinen Befugnissen eingeschränkt, Holzapfel, Franziskanerorden, S. 628. Zu den Provinzen: Ebd., S. 616–623; Alatri, Cappuccini, S. 33–37. Zur Kapuzinerprovinz Bononiensis vel Aemiliae siehe auch die entsprechende Karte im Kapitel Der Eintritt in den Kapuzinerorden in Meran. 60 Zur Grotta: Vandelli, Castello, hier S. 25. 61 Der Versuch, eine drohende Abdankung abzuwenden, kann fast als Topos gelten. In der Regel erfolgt dieser jedoch von Seiten der Untertanen, Richter, Zeremonieller Schlusspunkt, S. 82 f. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  153

Befugnis des Papstes diesbezüglich einzuholen. Drei Tage später reist der Provinzial wieder ab.62 Es ist das Verdienst Roberto Lecchinis, den entsprechenden Brief Alfonsos an die Kurie gefunden und ediert zu haben.63 In diesem Zuge konnte er auch die Darstellung P. Giovannis im Hinblick auf dessen Chronologie korrigieren: der Brief datiert vom Mai 1629. Alfonso war also bereits im Monat vor seiner Abreise nach Sassuolo in Kontakt mit Papst Urban VIII. (1568–1644) getreten.64 Letzterem gegenüber erklärt er seinen ungewöhnlichen Wunsch allein durch göttliche Bestimmung: Diese habe ihn da gran tempo in qua chiamato efficacemente a servirla nella Religione Cappuccina, wovon ihn vari accidenti jedoch bisher abgehalten hätten. Da sein Sohn Francesco nun in einem Alter sei di poter sottentrare al peso del governo, wolle er den Ordenseintritt nicht weiter verzögern.65 Mit einem erklärenden Schreiben wird der Brief unter offenem Siegel zunächst an den Generalprokurator des Kapuzinerordens an der römischen Kurie gesendet – P. Francesco da Genova, genannt Il Neri –, der ihn zur Kenntnis nehmen und anschließend dem Papst präsentieren soll.66 In der Tat kündigt Alfonso hierin zunächst an, in naher Zukunft beim Provinzial der Kapuzinerprovinz Bologna vorstellig zu werden, was die bereits dargestellte Überlieferung P. Giovannis bestätigt. Des Weiteren bittet Alfonso P. Francesco um dispense et obbedienze, von denen dieser noch genauer durch Alfonsos Beichtväter unterrichtet werde, dem Jesuiten 62

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P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 123 f., 127–129, 131 f., 133–139. P. Giovanni überliefert auch einen Brief Alfonsos an den Provinzial vom 27. Juni 1629, in dem er diesen à memoria a ciò, che le dissi l’altr’hieri um seinen Segen bittet. Die Formulierung spricht dafür, dass das Gespräch in Wahrheit am 25. Juni stattgefunden hat; P. Giovanni hat es vermutlich um einen Tag auf den 24. vordatiert, damit es mit dem Johannestag bzw. dem Fest der Geburt Johannes des Täufers zusammenfällt, dessen Namen Alfonso später angenommen hat, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 140, 191 f.; siehe auch Lecchini, Giambattista, S. 65. Der Brief stammt ursprünglich aus den Beständen des Provinzarchivs der Brixener Kapuzinerprovinz, die 2011 in das Zentrale Provinzarchiv der Kapuziner in Innsbruck überführt worden sind. Zu Papst Urban VIII.: Lutz, Georg: Art. „Urbano VIII“, in: Enciclopedia dei Papi 3 (2000), S. 298–321. Zitiert nach Lecchini, Giambattista, S. 66. Ebd., S. 67; P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 143. Der Generalprokurator war nach dem Generalminister und neben dem Generalvikar und dem sechsköpfigen Generaldefinitorium eines der wichtigsten Ämter im Kapuzinerorden. Ihm oblag es, nach dem Tod des Generalministers zur Wahl eines Nachfolgers das Generalkapitel einzuberufen; zudem konnte er den Generalminister vertreten, wenn dieser nicht in Rom weilte, Holzapfel, Franziskanerorden, S.  623–625. Siehe auch Alatri, Cappuccini, S.  64–66. Tatsächlich reiste der Generalminister Giovanni Maria Minniti da Noto (1563–1631) zwischen 1625 und 1631 im Zuge einer Generalvisitation durch die italienischen Kapuzinerprovinzen, Ingegnieri, Gabriele (Hg.): La visita generale di Giovanni Maria Minniti da Noto. Diario e protocollo 1625–1631 (Monumenta Historica Ordinis Minorum Capuccinorum, Bd. 30), Rom 2005.

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P. Girolamo Bondenari und dem Kapuziner P. Giovanni da Sestola.67 Es ist also davon auszugehen, dass auch die beiden Geistlichen noch mit dem Generalprokurator korrespondierten. Tatsächlich ist von diesem ein Antwortschreiben an P. Girolamo vom 5. Juni 1629 überliefert.68 Bezüglich P. Giovanni kann dessen eigener Darstellung entnommen werden, dass er persönlich Alfonsos Briefe an den Papst und den Generalprokurator nach Rom gebracht hat, was eine Gelegenheit zu einem derartigen Gespräch geboten hätte. Da der Kapuziner jedoch angibt, zusammen mit einem Boten des Provinzials gereist zu sein, der erwiesenermaßen zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Angelegenheit wusste, muss auch P. Giovannis persönliche Anwesenheit in Rom fragwürdig bleiben.69 Eine erste wohlwollende Antwort erhielt Alfonso bereits am 5. Juni, also ebenfalls noch vor der Abreise nach Sassuolo.70 Darin informiert Kardinal Antonio Barberini (1569–1646) – Bruder Papst Urbans VIII., selbst Kapuziner und ab 1632 Kardinalprotektor des Kapuzinerordens – Alfonso über den päpstlichen Segen in seiner Angelegenheit und kündigt ein offizielles, bestätigendes Schreiben des Papstes an.71 Noch vor dem Gespräch mit dem Provinzial am 24. Juni ist also die höchstmögliche kirchlich-theologische Instanz nicht nur über das Anliegen informiert, sondern hat den Schritt bereits informell abgesegnet. Dieser Umstand zeigt, dass der Ordenseintritt nicht einfach zeitlich auf die Abdankung folgte, sondern eine wesentliche Voraussetzung dafür bildete: Nur mit der Sicherheit der vom Papst zugesagten Möglichkeit, anschließend in den Kapuzinerorden eintreten zu dürfen, führt Alfonso seine Abdankung durch. Ein weltliches Leben als abgedankter Fürst wie im Falle des toskanischen Herzogs Cosimo de’ Medici (1519–1574) wollte Alfonso also offenbar vermeiden. Stattdessen könnte seine Abdankung von Kaiser Karl V. (1500–1558) inspiriert sein, der seinen Lebensabend zwar nicht als Geistlicher, aber in der Nachbarschaft des Hieronymiten-Klosters von Yuste beschloss.72 67 Lecchini, Giambattista, S. 67. 68 Ebd. 69 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 143. 70 Dessen Briefe an P. Girolamo Bondenari und an Alfonso wurden folglich zeitgleich verschickt. Zu Antonio Barberini: Merola, Alberto: Art. „Barberini, Antonio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 6 (1964), S. 165–166; Alatri, Cappuccini, S. 60; Ordo fratrum minorum capucinorum (Hg.): Art. „Barberini Card. Antonius“, in: Lexicon Capuccinum (1951), Sp. 168 f. 71 Lecchini, Giambattista, S.  67  f. 1564 wurde ein spezieller Kardinalprotektor nur für den Kapuzinerorden eingerichtet, der zuvor vom Kardinalprotektor des Franziskanerordens mitvertreten worden war. Kardinalprotektoren wurden vom Papst bestimmt und moderierten Korrespondenzen eines bestimmten Ordens mit dem Papst und der römischen Kurie, Alatri, Cappuccini, S. 60–62. 72 Siehe die Aufsätze von Susan Richter, Gregor Stiebert und Michael Roth im vorliegenden Band sowie Fazit und Ausblick. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  155

Erst im Juli erreichen Alfonso offizielle Antworten aus Rom: Datiert auf den 5. dieses Monats teilt ihm der Generalprokurator mit, dass die erbetenen Zugeständnisse, die ihm über P. Girolamo und P. Giovanni vermittelt worden waren, von Papst Urban  VIII. gestattet worden seien.73 Weitere Wochen vergehen, bis das offizielle Breve des Papstes eintrifft, auf dem als Datum der 24.  Juli vermerkt ist.74 Zum ersten Mal in der Korrespondenz sind hierin die konzedierten Gnaden verschriftlicht: Alfonso darf in ein Kloster der Kapuzinerprovinz Tirol eintreten; er erhält die Erlaubnis, das Bekenntnis ohne das normalerweise in den Ordensregeln vorgeschriebene einjährige Noviziat zu sprechen; er bekommt P. Giovanni und Bruder Pietro da Modena als Begleiter zugestanden.75 Nach dem Erhalt dieses päpstlichen Breves gestaltet sich ein Abdankungsprozess aus, der Susan Richters These von der Abdankung als Herrschertod in Erinnerung ruft:76 Noch am 24. Juli nimmt P. Girolamo dem Herzog zunächst die Generalbeichte ab. Anschließend beglaubigt der herzogliche Notar Girolamo Torri Alfonsos Testament, das ebenfalls noch vom selben Tag datiert.77 Diese Tatsache spricht nicht nur für die Geschwindigkeit des römischen Boten, sondern lässt auch auf ein bereits vorformuliertes Testament schließen, das nur noch einer Unterschrift und Datierung bedurfte. Darin ist ohne inhaltliche Begründung von Alfonsos […] con l’aiuto dell’ onnipotente Dio fatta risolutione di lasciare il mondo e d’entrare, e fare professione nella Religione di Padri Capuccini [sic!] […] die Rede, woraufhin eine detaillierte Vergabe des Erbes an Familienmitglieder und religiöse Institutionen folgt. Als Zeugen sind am Ende lediglich die beiden eingeweihten Grafen Andrea Codebò und Antonio Scapinelli aufgeführt sowie P. Giovanni da Sestola und der bisher unerwähnte Theatinermönch Don Thomaso Carpegna.78 P. Giovanni berichtet anschließend vom Abdankungsakt, den er wahlweise als donatione oder rinontia bezeichnet. Diesen verortet der Kapuziner in der bereits erwähnten Grotta, was Grund zur Annahme gibt, dass auch die Testamentsunterzeichnung dort stattgefunden hat.79 Anhand des Originals des Aktes kann die Abdankung auf den 27. Juli datiert werden; sie findet damit also erst drei Tage nach der Testamentsunterzeichnung statt.80 Über die Zwischenzeit sind 73 Lecchini, Giambattista, S. 68. 74 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 450–455; Zug, P. Michael von: Bullarium Ordinis FF. Minorum S. P. Francisci Capucinorum […], Bd. 2, Rom 1743, S. 265 f. 75 Lecchini, Giambattista, S. 68. 76 Richter, Zeremonieller Schlusspunkt, S. 77 f. 77 ASE, Casa e Stato, 341, Suo testamento, S. 1; P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 146. 78 ASE, Casa e Stato, 341, Suo testamento, S. 20 f.; P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 146. Zu den Theatinern: Campanelli, Marcella (Hg.): I Teatini (L’inchiesta di Innocenzo X sui regolari in Italia), Rom 1987, hier S. 3–76. 79 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 147 f. 80 ASE, Casa e Stato, 341, Atto di abdicazione in favore del figlio Francesco I., originale, S. 2.

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keinerlei Informationen verfügbar, es liegt jedoch nahe, dass in dieser Absprachen mit dem bereits in Modena regierenden Francesco getroffen wurden. Den Verlauf der Abdankung im Juli 1629 schildert P. Giovanni folgendermaßen: Alfonso spricht einige nicht überlieferte Worte und kniet daraufhin nieder; die anderen in der Grotta Anwesenden – mit Ausnahme des Theatinermönches handelt es sich um denselben Personenkreis wie bei der Testamentsunterzeichnung – tun es ihm gleich. P. Giovanni stimmt daraufhin die Lauretanische Litanei an, der Rest der Gruppe antwortet mehrmals mit ora pro nobis, Alfonso schließt das Responsorium. Im Anschluss daran steht er auf und unterschreibt den Abdankungsakt, auf dem sich neben der Unterschrift P. Giovannis auch die des als Begleiter erbetenen Bruders Pietro da Modena befindet, dessen Anwesenheit in der Erzählung unterschlagen wird. Als letzter unterzeichnet der Notar Torri, Alfonso spricht einige feierliche Worte, die Gemeinschaft singt das Te Deum laudamus, die Zeugen verlassen die Grotta – die Abdankung ist vollbracht, zurück bleiben P. Giovanni und S[ua] A[ltezza] S[erenissima].81 Anhand dieser Anrede wird deutlich, dass Alfonso von P.  Giovanni weiterhin rangrechtlich als Herzog bezeichnet wird – der Titel wird also weiter getragen, was eine Parallele zu vergleichbaren Fällen darstellt.82 Nachdem am Tag darauf Francesco aus Modena angereist ist, speist der Sereniss[imo] Principe mit dem Duca suo Padre. Im Anschluss daran begeben sich die beiden allein in die Grotta und bereden vermutlich die Herrschaftsübernahme. Um 22 Uhr des 28. Juli 1629 – die ungewöhnlich genaue Datierung P. Giovannis zeugt unabhängig von ihrer nicht verifizierbaren Genauigkeit davon, wie viel Bedeutung der Kapuziner diesem Akt beimisst – verlassen Vater und Sohn in Alfonsos Kutsche Sassuolo. Außerhalb der Stadt steigt Francesco aus, verbeugt sich vor seinem Vater und steigt in seine eigene Kutsche um, die offensichtlich mitgefahren war. Alfonso kehrt daraufhin in die Burg zurück und verfasst die bereits thematisierten Abdankungsbriefe an die Städte Modena und Reggio, die er auf den 31. Juli datiert.83 Im Überlieferungszusammenhang der Briefe am Ende eines Kapitels der Schrift P. Giovannis wird die Differenz zwischen Alfonsos Selbst- und Fremdbezeichnung deutlich: Alfonso hat die Briefe an Modena und Reggio nicht als Herzog, sondern lediglich mit Alfonso d’Este unterzeichnet; P. Giovanni schreibt sie jedoch dem Signor Duca bzw. Sua Altezza Serenissima zu.84 Die Stadträte Modenas und Reggios tun sich ähnlich schwer mit der außergewöhnlichen Situation: Zwar fordert Alfonso am Ende beider Briefe, bereits die Antworten Francesco zuzustellen.85 Dennoch richten die Städte ihre Schreiben vom 31. bzw. 6. August an Alfonso, der in 81 Ebd., S. 8; P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 148–150. 82 Auch Karl V. behielt nach seiner Abdankung alle Titel sowie seinen Status als Majestät bei, Richter, Zeremonieller Schlusspunkt, S. 92. 83 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 150–152. 84 Ebd., S. 152, 154. 85 Ebd., S. 154, 158. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  157

der Adresszeile zwar lediglich als Serenissimo Signor, e Padron nostro Collendiss[imo], im Text jedoch mit der herrschaftlich konnotierten Anrede V[ostra] A[ltezza] S[erenissima] bzw. A[ltezza] V[ostra] S[erenissima] betitelt wird.86 Auch der Guardian P. Giuseppe – Amtsnachfolger P. Giovannis im Kapuzinerkloster von Modena – berichtet seinem Amtskollegen in Parma in einem Brief vom 24. September 1629 von der Reise des Sig[nor]. Duca bzw. sogar des Serenissimo Duca Regnante, obwohl Alfonso zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht mehr regiert.87 Und ebenso nennt der herzogliche Nachfolger Francesco seinen Vater trotz unterschriebenem Abdankungsakt in einem Brief an seinen Gesandten Camillo Molza in Rom vom 1. August noch Signor Duca. Da sich diese Titulatur zudem in einem weiteren Brief an Molza vom 31. August wiederholt, scheint auch Francescos Proklamation zum Herzog am 4./5. dieses Monats nichts daran geändert zu haben.88 Während Alfonso die Herrschaft über Modena und Reggio also am 31. Juli 1629 niederlegt, trägt er rangrechtlich weiterhin den Herzogstitel. Susan Richter erklärt diesen Umstand mit ihrer These einer Gleichsetzung der Abdankung mit dem Tod eines Herrschers, da auch auf verstorbene Monarchen weiterhin mit ihrer Titulatur rekurriert wurde.89 Dass auch Alfonso diesen symbolischen Herrschertod stirbt, zeigt sich an den Todesmetaphern der beiden Briefe an Modena und Reggio: La morte de’ grandi è un libro […]; Proponemmo subito di morire al mondo […]; In questa nostra morte volontaria […].90

Der Eintritt in den Kapuzinerorden in Meran Entsprechend verlässt der infervorato Duca in der Darstellung P. Giovannis am Abend desselben Tages Sassuolo unter dem Vorwand, sich auf die Jagd zu begeben.91 Tatsächlich markiert der Auszug Alfonsos jedoch den Beginn seiner Reise nach Tirol, deren Vorboten dort vermutlich bereits angekommen waren. Vom 17. Juli datiert ein Brief P. Felicianos da Piacenza, dem Provinzial Bolognas – der laut P. Giovanni nach seinem Gespräch mit Alfonso am 25. Juni zwei oder drei Tage später wieder aus Sassuolo

86 Ebd., S. 155 f., 159 f. 87 Giuseppe, P.: Brief an den Guardian von Parma, in: Miscellanea Francescana  29 (1929), S. 5–7, hier S. 5, 6. 88 Zitiert nach Rombaldi, Francesco, S. 9. Siehe auch Rodolico, L’abdicazione, S. 78; Lecchini, Giambattista, S. 73. 89 Richter, Zeremonieller Schlusspunkt, S. 92. 90 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 152, 157, 158. 91 Ebd., S. 155 (Seite doppelt vergeben). Datum und Vorwand werden zusätzlich belegt in einem Brief des Sohnes Francesco, Rombaldi, Francesco, S. 9.

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abgereist war –, an den Provinzial Tirols, P. Silverius Meusburger (1582–1638).92 In diesem meldet Ersterer dem Letzteren den Wunsch des Herzogs von Modena, in eines der tirolischen Kapuzinerklöster aufgenommen zu werden. Fast zeitgleich muss P.  Silverius die Meldung Ludovico Ludovisis (1595–1632) erhalten haben, Kardinalprotektor des Kapuzinerordens 1623 bis 1632, dass Alfonso selbige Aufnahme vom Generalprokurator des Ordens sowie vom Papst bereits konzediert worden sei. Entsprechend der ebenfalls zugestandenen Aussetzung des Noviziats beauftragt der Kardinal den Provinzial anschließend, Alfonso gebührend zu empfangen sowie persönlich dessen Einkleidung vor- und Profess entgegenzunehmen.93 In der Zwischenzeit zieht der abgedankte Fürst in der Schilderung P. Giovannis mit einer ausgewählten Schar Getreuer nach Scandiano, unter denen P.  Giovanni den Hofmeister Graf Marcello Guerenghi und den Pagen Giovanni Battista Tritonio hervorhebt.94 In der Nacht nach Alfonsos Einzug im dortigen Gouverneurspalast schleichen er und seine beiden Untergebenen über eine Dienertreppe aus dem Palast zum dortigen Kapuzinerkloster, wo P. Giovanni und Bruder Pietro da Modena bereits warten.95 Unter dem Pseudonym Marchese Bevilacqua reist Alfonso daraufhin in einer Kutsche mit seiner Gefolgschaft nach Norden von Kapuzinerkloster zu Kapuzinerkloster.96 Sie fahren zunächst nach Concordia und überschreiten den Po bei Ostia (Ostiglia). Daraufhin passieren sie Isola della Scala und Verona, erreichen Desenzano am Gardasee, den sie mit einem Boot mit Zwischenstopps in Salò und Garignano (Gargnano) durchqueren, und reisen weiter über Trento (Trient) nach Bolzano (Bozen). Als sie dort davon erfahren, dass der Provinzial in Innsbruck eine Reise nach Bayern und Franken plant, wird ein Bote mit einem Brief P. Giovannis vorausgeschickt, um diesen aufzuhalten ob der Dringlichkeit von Alfonsos Eintritt 92 Zu P. Silverius Meusburger: Zimmermann, J. A. E.: Pater Silverius Meusburger, Kapuziner, Lindau 1875. 93 Die Briefe befinden sich heute im Zentralen Provinzarchiv der Kapuziner in Innsbruck, siehe Hohenegger, Meran, S. 75 f.; Ders., Kapuziner-Ordensprovinz, S. 106 f. Zu Ludovico Ludovisi: Broggio, Paolo/Brevaglieri, Sabina: Art. „Ludovisi, Ludovico“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 66 (2006), S. 460–467; Ordo fratrum minorum capucinorum (Hg.): Art. „Ludovisi Ludovicus“, in: Lexicon Capuccinum (1951), Sp. 1001. 94 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 155 (Seite doppelt vergeben). Siehe auch: P. Giuseppe, Brief, S. 5. Zu Guerenghi siehe auch Cavazzuti, Alfonso, S. 71 f. Hohenegger nennt vermutlich aus archivalischer Überlieferung – allerdings ohne genaue Quellenangabe – auch noch den Kammerdiener Milano Giannelli und den Jugendfreunde Ambrosius Perini, Hohenegger, Meran, S. 76. 95 Das Herzogtum Modena war in folgende acht Verwaltungseinheiten unterteilt, die jeweils von einem Gouverneur verwaltet wurden: Modena, Reggio, Carpi, Rubiera, Brescello, Sassuolo, Sestola und Castelnuovo di Garfagnana, Ascari, Cesare, S. 141. Siehe auch Rombaldi, Francesco, S. 143–183. 96 Das Reisen in Anonymität könnte eine Sicherheitsvorkehrung darstellen. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  159

Abb. 1: Karte der Kapuzinerprovinz Bologna, Kupferstich eines unbekannten Künstlers, 1643, Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar

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Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  161

in den Kapuzinerorden.97 Die Reisegesellschaft zieht weiter nach Persenone (Brixen), wo sie den Boten nach Erfüllung seines Auftrags wiedertreffen.98 Alfonso und seine weltlichen Gefolgsleute verbleiben daraufhin im Brixener Kapuzinerkloster, während P. Giovanni mit Bruder Pietro nach Ispruch (Innsbruck) weiterreitet. Die beiden Kapuziner besprechen sich anschließend dort mit dem Provinzial, kehren nach Brixen zurück und reisen mit Alfonso über Bozen zu dem ihm zugewiesenen Kapuzinerkloster von Marano (Meran).99 Wenn man diese Reiseroute mit den entsprechenden Kupferstichen der Kapuzinerprovinzen aus der Chorographica […] Fratrum Minorum Capucinorum von 1643 (Abb. 1) vergleicht, erscheint sie durchaus plausibel: Für eine Vielzahl der genannten Orte sind auf diesen Kupferstichen Kapuzinerklöster eingezeichnet, in denen die Reisenden meistens untergekommen sein sollen.100 Zusätzlich belegt ist die Reise durch die Parallelüberlieferung in den Annalen der Kapuzinerprovinz Tirol, die Agapit Hohenegger im Zuge seiner Darstellung zum Meraner Kapuzinerkloster eingesehen hat. Durch diese können die Stationen Rovereto und Neumarkt der Route hinzugefügt werden. Zudem konnte Hohenegger im Zentralen Provinzarchiv der Kapuziner in Innsbruck die Briefe P. Giovannis aus Bozen und Alfonsos aus Brixen an den Tiroler Provinzial einsehen. Den Annalen ist ferner zu entnehmen, dass der Provinzial – vermutlich gemeinsam mit den beiden Kapuzinern – zur Begrüßung Alfonsos persönlich nach Brixen reiste, wie es ihm vom Kardinalprotektor seines Ordens aufgetragen worden war. Von Brixen aus begleitete er die Reisenden noch bis nach Bozen zurück.101 97 Tatsächlich umfasste die Kapuzinerprovinz Tirol zu Alfonsos Zeiten auch die bayerischen Kapuzinerklöster. Erst 1668 erfolgte die Abspaltung dieser Klöster, die in einer neuen bayrischen Provinz (Provincia Bavarica) organisiert wurden, Hohenegger, Kapuziner-Ordensprovinz, S. 398–419. 98 P. Giovanni nennt Brixen Persenone statt Bressanone, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S.  175. Die angegebene Entfernung von sieben deutschen Meilen sowie die Existenz eines Kapuzinerklosters – diese sind wegen ihrer karitativen Funktion in erster Linie in größeren Städten nachzuweisen – lassen jedoch eindeutig darauf schließen, dass Brixen gemeint ist. 99 Ebd., S. 155–178 (S. 155–160 doppelt vergeben). 100 Moncalieri, P. Giovanni da (Hg.): Chorographica Descriptio Provinciarum et Conventuum Fratrum Minorum S. Francisci Capucinorum Praedicatorum, Sacerdotum, Clericorum, et Laicorum Universorum eiusdem Ordinis Collectio, Rom 1643 (ND Turin 1654), Karten der Provinzen Bologna, Venetia, Tirolo, ohne Paginierung. Die Karten belegen Kapuzinerklöster in Modena, Sassuolo, Scandiano, Concordia, Ostia, Verona, Trento, Bozen, Brixen, Innsbruck und Meran. Zur Genese der für diese Zeit einzigartigen Quelle: Alatri, Cappuccini, S. 66 f. 101 Der Provinzial hingegen besuchte von Bozen aus noch einige südliche Kapuzinerklöster seiner Provinz – vermutlich Neumarkt, Eppan und/oder Slanders –, bevor er sich am 7. September in Meran einfand, um der Anweisung des Kardinalprotektors entsprechend persönlich Alfonsos Einkleidung durchzuführen und dessen Profess entgegenzunehmen, Hohenegger, Meran, S. 78.

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Der abgedankte Herzog und seine Gefolgschaft zogen von dort aus zum Kapuzinerkloster von Meran, wo sie am 29. August eintrafen.102 Besondere Aufmerksamkeit verdient in P. Giovannis Darstellung dieser Ereignisse dessen oben erwähnte Reise mit Bruder Pietro nach Innsbruck. Zum einen erscheint sie als unnötiger Zeitverlust vor dem Hintergrund, dass der Provinzial anschließend sowieso persönlich nach Brixen reist. Zum anderen mutet insbesondere der Passus abenteuerlich an, in dem von einem Treffen der beiden Kapuziner mit dem Landesfürsten Tirols berichtet wird, Erzherzog Leopold V. von Österreich (1586–1632).103 Allerdings kann die Reise mit einem Brief Francescos vom 31. August 1629 belegt werden, in dem dieser seinem Gesandten Camillo Molza in Rom berichtet: […] si incamminò [Alfonso] a Persinone [Brixen] dove si fermò una settimana intera aspettando il P. Sestola che era andato avanti per abboccarsi col Padre Provinciale di Innspruch.104 Sogar die Begegnung mit Leopold V. scheint tatsächlich historisch zu sein, da auch P. Giuseppe – P. Giovannis Nachfolger in seiner Eigenschaft als Guardian von Modena – am 24. September 1629 seinem Amtskollegen in Parma darüber berichtet. Unabhängig davon, ob das Treffen tatsächlich historisch ist, liefert ein Vergleich seines Briefes mit dem entsprechenden Passus aus P. Giovannis Il cappuccino d’Este interessante Erkenntnisse. Bei P. Giovanni weiß Leopold vom Provinzial, dass sich der Fürst in Tirol aufhält, um dort die Kapuzinerkutte anzulegen. Der Erzherzog entscheidet sich daraufhin, Alfonso unter dem Vorwand einer Jagd auf der Straße von Innsbruck nach Sterzing entgegenzuziehen. Aus dem Brief P. Giuseppes wird hingegen klar, dass Leopold tatsächlich auf Jagd ist und die beiden Kapuziner ihm zufällig begegnen. Auch beim Treffen sind bedeutende Unterschiede festzustellen: In der Darstellung P. Giovannis behauptet dieser, dass der Erzherzog ihn wiedererkannt habe, da er ihn in Wien habe predigen hören, und ihn daher gezielt nach dem Verbleib seines Her102 Hohenegger, Meran, S. 76–78; Ders., Kapuziner-Ordensprovinz, S. 107 f. Der 29. August gilt als Tag der Enthauptung Johannes des Täufers. So wie schon beim 24. Juni (siehe Kapitel Die Abdankung in Sassuolo) handelt es sich daher um ein auf die Namensänderung am 8. September vorausweisendes Datum, das vermutlich weniger als historische Datierung, sondern als teleologisches Element im Rahmen der Erzählung verstanden werden muss. 103 Zu Erzherzog Leopold: Altmann, Hugo: Art. „Leopold V. Ferdinand“, in: NDB 14 (1985), S. 290–293. Als Leopold sich in P. Giovannis Darstellung Bozen nähert, reist Alfonso fluchtartig nach Meran, um weiterhin seine Identität verbergen zu können, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 178. Bei einem späteren Aufenthalt Alfonsos in Innsbruck treffen sich die beiden angeblich regelmäßig, ebd., S. 283–300. Dazu mag auch beigetragen haben, dass Alfonso entfernt verwandt war mit Leopolds Ehefrau Claudia de’ Medici (1604–1648), die bei vielen dieser Treffen ebenfalls zugegen gewesen sein soll. Deren Vater Ferdinando I. de’ Medici (1549–1609) und Alfonsos Mutter Virginia de’ Medici (1568–1615) stammten beide von Großherzog Cosimo de’ Medici ab, Bravi, Principe, S. 71; Muratori, Antichità Estensi, S. 535; Namias, Storia, S. 341 f.; siehe auch den Aufsatz von Michael Roth im vorliegenden Band. 104 Zitiert nach Rombaldi, Francesco, S. 12. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  163

zogs fragt. Bei P. Giuseppe wird hingegen deutlich, dass P. Giovanni die Umstände seiner Reise von sich aus preisgibt. Die Reaktion Leopolds schließlich wird im Brief lediglich allgemein als tanto stupefatto beschrieben. Die Biographie hingegen schreibt Leopold das Urteil zu, dass er Alfonso um seine Entscheidung beneide und selbst bereits mit dem Gedanken einer Abdankung gespielt habe: Invidio (santamente però) il Signor Duca, perche io ancora ebbi già tal pensiero, ma non fui degno di praticarlo […].105 Zwar könnten diese Unterschiede auch in den verschiedenartigen Medien Biographie und Brief begründet sein. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass P. Giovanni fiktive Elemente in seine Darstellung hat einfließen lassen, um die Brisanz von Abdankung und Ordenseintritt seines Herzogs zu verschleiern: Dieser war schließlich trotz des päpstlichen Breves eigentlich von Gott zum Herrschen prädestiniert, worauf bereits der Provinzial der Kapuzinerprovinz Bologna hingewiesen hatte.106 P. Giovanni fingiert daher die Idee von Abdankung und Ordenseintritt bei einer weiteren Autorität im doppelten Sinne: Während die Betonung von Erzherzog Leopolds pietà die vielgerühmte pietas austriaca der Habsburger evoziert, wird er auch in weltlicher Hinsicht hervorgehoben als fratello di Ferdinando Imperatore [Kaiser Ferdinand  II. (1578– 1637)], von dem Alfonso schließlich sein Herzogtum zu Lehen trug. Die Abdankung erscheint somit als vom Lehnsherrn sanktioniert.107 Im Meraner Kloster angelangt bleibt il Duca zunächst acht weitere Tage in habito di seta, bevor sich auch rangrechtlich in P. Giovannis Darstellung erstmals Zeichen einer Transformation des herzoglichen Status’ bemerkbar machen, die im Kontext von Alfonsos auf Mariä Geburt bzw. den 8. September terminierten Einkleidung und Profess stehen. Ein Abgleich der Schilderung dieser beiden Handlungen mit dem zwischen 1609 und 1625 verfassten Zeremoniale des Kapuzinerbruders und Novizenmeisters P. Bartholomeo Vecchi da Bologna zeigt, dass dabei bis auf wenige Ausnahmen die vorgeschriebene Liturgie beachtet wurde.108 Im Einklang mit dieser wird dem 105 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 175–178; P. Giuseppe, Brief, S. 6; siehe auch Muratori, Antichità Estensi, S. 533; Namias, Storia, S. 338. 106 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 133 f. Auch eine schmeichelhafte Selbstdarstellung des Autors könnte die Differenzen zwischen dessen Bericht und dem Brief P. Giuseppes erklären. Siehe hierzu auch die Quellenkritik in der Einleitung. 107 Zu Kaiser Ferdinand II.: Eder, Karl: Art. „Ferdinand II.“, in: NDB 5 (1961), S. 83–85. 108 Die Ordenskonstitutionen von 1536 und 1608 thematisieren die Riten der Einkleidung und Profess nur sehr allgemein, Lehmann, Kapuziner-Konstitutionen, hier S. 56–75; Ordo fratrum minorum capucinorum (Hg.): Constitutiones Ordinis Fratrum Minorum Capuccinorum saeculorum decursu promulgatae, Bd.  1: Constitutiones antiquae (1529–1643), Rom 1980, hier S. 285–297. Das Zeremoniale Bartholomeos da Vecchi ist im Vergleich dazu sehr viel genauer und daher als Norm geeigneter. Zwar wurde das Manuskript dezidiert für die Kapuzinerprovinz Bologna verfasst und erst Ende des 20. Jahrhunderts veröffentlicht; da es jedoch als Verschriftlichung oral zirkulierender liturgischer Praktiken gilt, kann es dennoch auch für andere Kontexte fruchtbar gemacht werden, Bologna, P. Bartholomeo Vecchi da:

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Kandidaten am Vorabend des Ritus’ die Tonsur geschnitten – lediglich der Umstand, dass P. Giovanni die Schere anlegt, erscheint außergewöhnlich.109 Dessen im Breve Papst Urbans VIII. herausgehobene Rolle vermag diese Abweichung vom Zeremoniale jedoch zu erklären.110 Bemerkenswert an P. Giovannis Darstellung ist, dass die rituelle Handlung als Krönung con una corona non imperiale, ma chericale [sic!] beschrieben wird: Die Bezeichnung der Tonsur im Sinne einer kreisförmigen Teilschur bzw. Petrustonsur als corona ist zwar seit dem Mittelalter üblich, die Kontrastierung einer corona imperiale mit einer corona chericale muss hingegen als metaphorisches Spiel mit Herrschaftssymbolik begriffen werden.111 Zudem wird erneut deutlich, dass erst der Eintritt in den Kapuzinerorden Alfonsos herrschaftliche Attribute negiert. Die abgeschlossene Tonsur wird demzufolge mit einer nuova corona und einer nuova renascenza assoziiert.112 Auf den metaphorischen Herrschertod der Abdankung folgt somit eine Wiederauferstehung als Geistlicher beim Ordenseintritt.113 Entsprechend panegyrisch schildert P. Giovanni auch den Ritus am Folgetag vor einem außergewöhnlich großen Publikum: […] concorse sì numeroso popolo non solo cattolico, ma Eretico ancora [protestantisch] che la Chiesa non fù bastevole per capirlo. Wenn diese Formulierung auch in ihrer Intensität womöglich übertrieben ist, kann anhand der Parallelüberlieferung eines anonymen Kapuziners zumindest verifiziert werden, dass neben Religiosi auch eine Öffentlichkeit von Cavalieri e Popolo an der Einkleidung Alfonsos partizipierte.114 Der Ordenseintritt steht daher in deutlichem Gegensatz zur im kleinsten Kreis stattgefundenen Abdankung in Sassuolo. Alfonso

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Modo d’incamminare i novizi della nostra provincia di Bologna con santa uniformità di cerimonie e riti, in: I frati cappuccini. Documenti e testimonianze del primo secolo, Bd. 1, hrsg. v. Costanzo Cargnoni, Perugia 1988, S.  1279–1485. Siehe auch Cargnoni, Spiritualità, S. 116–120. Laut Zeremoniale zeichnet dafür eigentlich der jeweilige Novizenmeister verantwortlich, ebd., S. 1334. P. Michael, Bullarium, S. 266. Häußling, Angelus: Art. „Tonsur“, in: LThK 10 (²1965), Sp. 250 f., hier S. 251. P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 184–189. Siehe Kapitel Die Abdankung in Sassuolo. Zitiert nach Cavazzuti, Alfonso, S. 29 f. Der anonyme Kapuzinerbruder G. G. berichtet in seiner teils 1641, teils nach dem Tod Alfonsos 1644 verfassten Schrift Della Vocatione del Seren[issi].mo Alfonso d’Este […]: […] congregato il popolo, si presentò il Campione di Christo in abito ducale con l’impresa dell’umiltà […] invitandolo [P. Giovanni] a spogliarsi non solo de’ vestimenti ducali, ma d’ogni cosa terrena. Vestito dunque e fatta la professione […] tutti i Religiosi, Cavalieri e Popolo proruppero in tali applausi che se questo Religioso principe non avesse saputo ch’ il Cielo li conservava una ricompensa più gloriosa e più durevole, harebbe preso quest’applauso et affetto del popolo per frutto del suo trionfo, ebd. Den Vergleich am Ende nimmt auch P. Giovanni in seinem Werk auf, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 193 f. Damit ergibt sich für die Abfassung der Schrift des anonymen Kapuziners als terminus ante quem 1646. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  165

wartet dabei zunächst in schwarzen Samt gehüllt darauf, dass P. Giovanni im Chorhemd und der für den Ritus angereiste Provinzial Tirols in Albe den Ordenshabit segnen. Die Anwesenheit des Letzteren, – die Kardinalprotektor Ludovisi brieflich angeordnet hatte115 –, zeigt, dass dem außergewöhnlichen Eintritt eines ehemaligen Herzogs hier durchaus Rechnung getragen wird, weil das Zeremoniale lediglich den jeweils zuständigen Guardian dafür vorsieht.116 Im Einklang mit diesem vollzieht sich hingegen, dass die anderen Brüder einen Kreis um Alfonso bilden und ein Tuch um ihn hochziehen, um den im Entkleiden begriffenen Kandidaten vor den Blicken der Schaulustigen zu schützen.117 Jeweils auf Aufforderung des Provinzials erfolgen daraufhin die einzelnen Schritte: Zunächst gibt Alfonso Schwert und Mantel – Kennzeichen seines adligen Ranges – in die Hände Graf Guerenghis, wobei der Einbezug Nicht-Geistlicher keine Erwähnung im Zeremoniale findet und daher im besonderen Rang des Kandidaten begründet sein muss. Anschließend erhält Alfonso aus den Händen des Provinzials Cilicium bzw. Büßergewand, das er mit Hilfe P. Giovannis anlegt.118 Die Brüder senken daraufhin das Tuch, woraufhin die Transformation vollzogen scheint: Das Volk bestaunt entsprechend den übrig gebliebenen armen Kapuziner […] comparve il campione di Christo alla vista di tutto il popolo, coperto […] d’aspro bigio, e cinto con grossa fune, e povero con un Crocifisso nella mano destra, e col Breviario e la Disciplina nella sinistra.119 Nach einer kurzen italienischen Predigt erkennt P. Giovanni Duca Alfonso auch seinen Namen ab und ordnet stattdessen an: per l’avvenire non si chiamerà piu il Sereniss[imo]. Duca Alfonso, ma Frà Gio:Battista [sic!] d’Este Capuccino, e con questo farà hor [sic!] hora la professione […].120 Mit dem Gebet des Provinzials endet der Ritus. P. Giovanni kündigt daraufhin auch seinem Leser an, dass er Alfonso fortan nur noch bei seinem neuen Namen nennen werde, der zuvor dreimal hintereinander aus einer Vase mit vielen anderen Namen gezogen worden

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Hohenegger, Meran, S. 75 f.; Ders., Kapuziner-Ordensprovinz, S. 106 f. P. Bartholomeo, Modo d’incamminare, S. 1334 f. Ebd., S. 1336. Siehe auch die Parallelüberlieferung bei P. Giuseppe, Brief, S. 6. Auch die Ausstattung der neuen Novizen mit Stundenbuch und Ordensregel und altre cose ist im Zeremoniale festgelegt, P. Bartholomeo, Modo d’incamminare, S. 1434. P. Giuseppe weiß zudem hinzuzufügen, dass die fürstlichen Kleider Alfonsos unmittelbar nach der Einkleidung vom Volk zerrissen worden seien und ein jeder einen Fetzen davon zu ergattern versuchte, P. Giuseppe, Brief, S. 6. 120 P. Giuseppe erklärt das dynastische Suffix damit, dass eine Ortsbezeichnung de Modena oder de Ferrara zu Missstimmungen der Untertanen aus dem jeweils anderen Herzogtum hätte führen können, P. Giuseppe, Brief, S. 6. Da allerdings schon Alfonsos Vater Cesare nicht mehr über Ferrara herrschte, kann diese Erklärung nicht überzeugen. Stattdessen scheint mit d’Este erneut dem besonderen Rang des Kandidaten Rechnung getragen worden zu sein.

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sein soll.121 Entsprechend des päpstlichen Breves legt Giambattista d’Este unverzüglich die Profess gegenüber dem Provinzial ab, die ebenfalls eigentlich nur dem jeweiligen Guardian geleistet werden muss:122 Io F. Gio:Battista [sic!] d’Este faccio voto, e prometto […] tutto il tempo della vita mia osservare la Regola de’ Frati Minori, per il Santiss[imo]. Papa Honorio confirmata.123 Der Provinzial verspricht im Gegenzug bei Befolgung des Gelübdes, von Gott das ewige Leben zugestanden zu bekommen, bevor er mit einer Anrede in deutscher Sprache auch den Ritus der Profess beschließt.124 Nach Einkleidung und Profess im Kapuzinerkloster kann die Abdankung Alfonsos als abgeschlossen gelten; zwar erfolgte sie juristisch gesehen bereits am 29.  Juli und liegt zu diesem Zeitpunkt mehr als einen Monat zurück. Rangrechtlich wurde Alfonso wie bei Abdankungen üblich jedoch auch danach noch von seinem Nachfolger Francesco, den Stadträten Modenas und Reggios, dem Guardian des Kapuzinerklosters Modena und ex post auch von seinem Biographen P. Giovanni als Herzog betitelt.125 Nach der Einkleidung am 8. September erscheint der abgedankte Herzog jedoch bei P. Giovanni sowie in seiner Korrespondenz unter seinem neuen Namen Giambattista.126 Dieser Umstand macht deutlich, dass anders als bei anderen Fallbeispielen die Abdankung nur als erste Etappe eines Abdankungsprozesses dargestellt 121 Hierbei handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein hagiographisches Element, das die göttliche Prädestination des neuen Namens evozieren soll. Diese literarische Strategie lässt sich bereits an den Datierungen von Alfonsos Gespräch mit dem Provinzial Bolognas (25. Juni, Johannestag bzw. Fest der Geburt Johannes des Täufers) sowie seiner Ankunft in Meran (29. August, Tag der Enthauptung Johannes des Täufers) ablesen (siehe Kapitel Die Abdankung in Sassuolo). 122 P. Bartholomeo, Modo d’incamminare, S. 1476, 1481 f. 123 Papst Honorius III. (um 1148–1227) hatte 1223 im Rahmen einer Bulle die endgültige Regel des heiligen Franziskus bestätigt, die deswegen als Bullierte Regel bezeichnet wird. Auch für die 1528 als Reformbewegung aus den Franziskanern hervorgegangenen Kapuziner war diese Regel von bindender Wirkung, Berg, Dieter/Lehmann, Leonhard (Hgg.): FranziskusQuellen. Die Schriften des heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chroniken und Zeugnisse über ihn und seinen Orden (Zeugnisse des 13. und 14. Jahrhunderts zur Franziskanischen Bewegung, Bd. 1: Franziskus-Quellen), Kevelaer 2009, S. 94–102. Zu Honorius III.: Skiba, Viola: Honorius III. (1216–1227). Seelsorger und Pragmatiker (Päpste und Papsttum, Bd. 45), Stuttgart 2016. 124 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 189–193; siehe auch ebd., S. 179; Hohenegger, Meran, S. 78. Die im Anschluss berichtete Konversion zweier Calvinisten ist vermutlich eher als Topos zu begreifen, P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 197 f. Kritik an der Glaubwürdigkeit dieser Episode äußert bereits Bravi, Principe, S. 54–57. Im weiteren Verlauf der Darstellung wird immer wieder von Konversionen zum Katholizismus im Umfeld des abgedankten Herzogs berichtet, Hohenegger, Meran, S. 83 f. 125 Siehe Kapitel Die Abdankung in Sassuolo. 126 ASE, Casa e Stato, 93. Siehe auch Bravi, Principe, S. 106–127; Gualtieri, Guercino e il duca; Rangoni Machiavelli, Tre lettere. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  167

wird, der mit dem Ordenseintritt seinen vorläufigen Abschluss findet. Verfestigt wurde der damit vollzogene Wechsel vom weltlichen in den geistlichen Stand Ende des Jahres 1629 durch ein weiteres Breve Urbans VIII.: Diesem gemäß durchlief Alfonso zwischen dem 31. Dezember 1629 und dem 6. Januar 1633 alle Weihegrade bis hin zum Priesteramt, was laut Ordensregel eigentlich erst sieben Jahre nach dem Noviziat hätte durchgeführt werden dürfen.127 Durch diese Weihen wäre eine eventuelle spätere Umkehrung des Prozesses massiv erschwert worden.128 Möglicherweise ist auch das kurz darauf erteilte Weihesakrament mitverantwortlich dafür, dass aus der Sicht der Zeitgenossen eher die öffentlichkeitswirksame Entkleidung als die Abdankung wahrgenommen wurde. Eine solche Interpretation lässt sich nicht zuletzt damit belegen, dass Francesco als neuer Herzog Modenas erst nach Abschluss des Klostereintritts seines Vaters bei seinem Lehnsherrn Kaiser Ferdinand II. vorstellig wurde.129 Die künstlerische Rezeption der Abdankung macht dabei deutlich, dass diese zeitgenössische Lesart auch das Produkt einer bewussten Lenkung durch die Obrigkeit darstellt.

Abdankung und Ordenseintritt im Bild Der Gesandte Federico Lucchesini schrieb am 9. November 1629 aus Modena an die Republik Lucca, dass Alfonso weder von seiner Herrschaft noch von seiner Familie mehr etwas wissen wolle: Quanto al già duca Alfonso, hora cappuccino, si ritrova in un luogo vicino a Bollano [Bolzano], staccato in maniera dal mondo che non vuol pur sapere nuove alcune nè del governo nè dei suoi più congiunti.130 An seinem Zitat wird deutlich, dass die Abdankung im Umfeld des Hofes der Este gerechtfertigt werden musste, da der Prozess nicht mit zeitgenössischen Vorstellungen von Herrschaft bzw. Gottesgnadentum zu vereinbaren war. Herzog Francesco sah sich daher offenbar genötigt, die 127 Zur Datierung der Weihen: Hohenegger, Meran, S. 81 f.; Ders., Kapuziner-Ordensprovinz, S. 110. 128 Dass eine solche unter besonderen Umständen trotzdem noch möglich gewesen wäre, zeigt das Beispiel des französischen Adeligen Henri de Joyeuse (1563–1608), der nach seinem Eintritt in den Kapuzinerorden inklusive Priesterweihe 1592 aufgrund eines dynastischen Todesfalls noch zum Herzog von Joyeuse und später zum Marschall von Frankreich erhoben wurde. Siehe dazu Cruppi, Jean: Le Père Ange, Duc de Joyeuse, Maréchal de France et capucin, Paris 1928. 129 P. Giuseppe, Brief, S. 6. 130 Pellegrini, Amedeo (Hg.): Relazioni inedite di Ambasciatori Lucchesi alle corti di Firenze, Genova, Milano, Modena, Parma, Torino (Sec. XVI–XVII), Lucca 1901, S. 276–278, hier S. 277. Die kommenden Jahre sollten den zweiten Teil seiner Aussage allerdings widerlegen, siehe Fazit und Ausblick. Zum Zitat siehe auch Cavazzuti, Alfonso, S. 30; Chiappini, Estensi, S. 455.

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Deutungshoheit im anzunehmenden Diskurs um die Abdankung zu erlangen, zumal seine eigene Nachfolge in deren Kontext stand: Alle im Zuge der Abdankung Alfonsos entstandenen Gemälde sind Auftragsarbeiten Francescos. Sie bilden demzufolge keine historischen Realitäten ab, sondern sind als Medien gesellschaftlicher und politischer Sinnproduktion zu begreifen.131 Diese Definition erklärt, warum keines der Sujets die juristische Abdankung Alfonsos in Sassuolo vom 29. Juli 1629 aufgreift, die ob ihrer Außergewöhnlichkeit die Nachfolge Francescos eher in Frage gestellt hätte. Stattdessen zeigen die Gemälde Alfonso bei bzw. nach seinem Eintritt in den Kapuzinerorden am 8. September, um die Frömmigkeit des Vaters in den Vordergrund zu rücken und daraus symbolischen Nutzen zu ziehen. Sie stehen damit in derselben Traditionslinie wie P. Giovannis Biographie von 1646, die laut Widmung an Francesco die Tugenden der Eltern memorieren sollte. Ein zusätzliches Ziel der Gemälde Francescos bzw. der Biographie P.  Giovannis könnte dabei gewesen sein, Alfonso langfristig zum Hausheiligen der Este zu kanonisieren.132 Diese Strategie trifft umso mehr auf eine Auftragsarbeit zu, deren Produkt für den Hof der Este in Modena bestimmt war: Einen guten Monat nach dem Klostereintritt Alfonsos erreicht Matteo Loves das Meraner Kapuzinerkloster.133 Er überbringt 131 Blank, Anna-Marie/Isaiasz, Vera/Lehmann, Nadine: Einleitung: Visuelle Repräsentation zwischen Konflikt und Stabilität, in: Bild – Macht – Unordnung. Visuelle Repräsentationen zwischen Stabilität und Konflikt, hrsg. v. dens., Frankfurt a. M. 2011, S. 9–24, hier S. 12. 132 Andere Dynastien verfügten schon seit Jahrhunderten über Hausheilige, Samerski, Stefan: Hausheilige als Staatspatrone. Der mißlungene Absolutismus in Österreichs Heiligenhimmel, in: Die Habsburgermonarchie 1620 bis 1740. Leistungen und Grenzen des Absolutismusparadigmas, hrsg. v. Petr Mat’a u. Thomas Winkelbauer, Stuttgart 2006, S.  251–278, hier S.  253  f. Die Medici waren beispielsweise erst im vorangegangenen Jahrhundert mit einer Kanonisierung gescheitert, Salvestrini, Francesco: Art. „Rolando, detto de’ Medici“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 88 (2017), S. 156–158. 133 Matteo Loves wurde um 1615 Schüler Guercinos in Cento und begleitete diesen 1632/1633 nach Modena. Seine Reise nach Meran 1629 ist in der Literatur zum Künstler bisher nicht berücksichtigt. Zum Bild (Auswahl): Bentini, Jadranka (Hg.): La Galleria Estense di Modena, Modena 1987, S. 127; Ghetti, Enrico: Note sulla provenienza dell’Alfonso III in abito da cappuccino di Matteo Loves della Galleria Estense di Modena, in: Taccuini d’arte 9 (2016), S. 66– 73; Pallucchini, Rodolfo: I dipinti della Galleria Estense di Modena, Rom 1945, S. 70. Zum Künstler: Censi, Maria: Matteo Loves un fiammingo accanto al Guercino (Atti e Memorie della Deputazione Prov. Ferrarese di Storia Patria, Ser. 4, Bd. 8), Ferrara 1991; Clerici Bagozzi, Nora: Antologia di Artisti. Benedetto Zalone e Matteo Loves, in: Paragone Arte 241 (1970), S. 36–51, hier S. 42–44; Colombi Ferretti, Anna: Art. „Loves, Matteo“, in: Dizionario della pittura e dei pittori 3 (1992), S. 305 f.; Negri, Emilio/Pirondini, Massimo/Roio, Nicosetta (Hgg.): La scuola del Guercino, Modena 2004, hier S. 285–308; Venturi, Adolfo: La regia galleria estense, Modena 1882, S. 187, 200; Vollmer, Hans (Hg.): Art. „Loves (Lauwes), Matteo“, in: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart 23 (1999), S. 421. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  169

ein Schreiben seines Meisters Guercino vom 20. Oktober 1629, das ihn selbst und seinen Auftrag vorstellt: Der più fidato allievo della […] bottega kenne sich in Tirol bereits aus und spreche Deutsch, da er ursprünglich aus Köln stamme. Er sei nicht nur als Bote nach Meran geschickt, sondern auch mit einem Bild Alfonsos beauftragt worden, genauer: di studiare un ritratto da farsi su tela per vostra celebrazione. Diesen Auftrag spezifiziert Guercino anschließend: Vostro figlio, sua eccellenza Francesco, mi ha chiesto questo privilegio di ideare un dipinto ricco di tutti li significati, ma austero come voi solo potreste gradire. Mattheo, se acconsentirete, farà l’effigie del vostro volto in un dissegno [sic!] che servirà al compimento del dipinto. Anhand dieser Aussagen kann zum einen Francesco eindeutig als Auftraggeber des Gemäldes identifiziert werden. Zum anderen wird ebenfalls klar, dass Francesco mit einer detaillierten Komposition bei der Werkstatt vorstellig geworden ist, in die er möglichst originalgetreu das Gesicht seines Vaters malen lassen wollte. Alfonsos Antwort auf den Brief vom 3. November wird vermutlich ebenfalls von Loves überbracht, weil darin von diesem bereits in Vergangenheitsform berichtet wird, er habe drei Bildnisse vom Gesicht des abgedankten Herzogs angefertigt. In besagtem Brief werden zudem die Dimensionen des Gemäldes und einige darstellerische Details offenbar: Mi disse [Matteo Loves] che gli intendimenti di mio figlio sono quelli di havere un ritratto grande e che mi veda ritto, con ai piedi una quantità di oggetti & istrumenti del comando, del diletto & della sapienza. Guercino zeigt sich in seiner Antwort vom 20. Dezember zufrieden mit seinem Schüler und will sich bei Francesco dafür einsetzen, dass Loves auch mit der Ausführung des Gemäldes betraut werde: Matteo ha compiuto un ottimo lavoro e consiglierò al Duca eminentissimo di affidare a lui lo incarico, che’ havendo memoria prossima delle vostre espressioni diviene la mano più adatta alla commessa.134 Diese Informationen bestätigen die Zuschreibung des heute in der Galleria Estense in Modena befindlichen Gemäldes an Matteo Loves (Abb.  2).135 Die Fertigstellung kann wiederum durch einen Zettel an der Wand im Hintergrund auf den 7. Oktober 1635 datiert werden: Aetatis suae anno XXXXIV Religionis VI Anno Do[mini] 1635 Die 7  Octo[bre]. Tatsächlich war Alfonso im Jahr 1635 44 Jahre alt (geboren 1591) und seit sechs Jahren Mitglied des Kapuzinerordens.136 Wie im Briefwechsel 134 Gualtieri, Guercino e il duca, S. 17 f., 22, 24. 135 Katalogisiert ist das Bild leider erst ab 1843; es gibt jedoch Hinweise auf ein Bild Alfonsos in Modena von 1663, das möglicherweise mit dem Bild von Loves identifiziert werden kann – auch wenn Ghetti dies für unwahrscheinlich hält, Ghetti, Provenienza, S. 67, 69, 70. 136 Ghetti stellt die Hypothese auf, dass das Datum stattdessen auf einen besonderen Moment im Leben des Dargestellten anspielen könnte wie beispielsweise den Beginn der Arbeiten am von ihm angeregten Kapuzinerkloster Castelnuovo Garfagnana. Er geht dabei jedoch von einem Auftragswerk Alfonsos aus, während der ihm noch unbekannte Briefwechsel klar Francesco als Auftraggeber nennt. Da im Zusammenhang mit diesem dem 7. Oktober kein besonderes Ereignis zugeordnet werden kann, ist das Datum vermutlich tatsächlich mit der Fertigstellung

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Abb. 2: Giovanni Battista aus Modena, ehemals Herzog Alfonso III. d’Este, Gemälde von ­Matteo Loves, 1635, Galleria Estense di Modena Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  171

angekündigt liegen zu seinen Füßen diverse Objekte, die allegorisch für Herrschertugenden stehen und sich grob in die Themenfelder Kriegsführung und adlige Muße gruppieren lassen. Eine Fahne, ein Pferd, Rüstungsteile und eine Fanfare auf der linken Seite werden einem ( Jagd-)Hund, Musikinstrumenten, aufgeschlagenen Büchern und einer Armillarsphäre auf der rechten gegenübergestellt. Auf einem Tisch im rechten Mittelgrund liegen Vanitas-Symbole – ein Totenschädel und eine laufende Sanduhr –, welche die mit den Gegenständen assoziierbaren Aktivitäten und damit auch das irdische Leben an sich als vergänglich ausweisen. Sie sollen vom Betrachter mit der daneben liegenden Bibel in Beziehung gesetzt werden, die konträr dazu ewiges Leben verheißt. Der inmitten dieser Szenerie stehende Alfonso – bzw. besser gesagt der Mönch P. Giambattista – wird wie von Francesco gefordert durch seine ernste Miene charakterisiert. Mit Tonsur und in Kapuzinerkutte gehüllt tritt er mit seinen Sandalen auf ein Zepter und eine Krone. Diese Insignien sind für das Herzogtum Modena historisch nicht real, sondern stehen vielmehr sinnbildlich für den zeitlich vorher erfolgten Verzicht auf die Herrschaft, den das Medium Bild nur allegorisch einfangen kann. Die eigentlich zeitlich versetzt erfolgte Abdankung wird somit mit dem Ordenseintritt zusammengelegt. Kontrastiert wird diese Handlung durch den Fingerzeig der rechten Hand auf das Kruzifix mit Jesusfigur in der linken Hand. Die Figur expliziert somit die im Arrangement von Bibel, Totenschädel und Sanduhr unterschwellige Verheißung des ewigen Lebens im Jenseits durch entsprechende Handlungen im Diesseits. Weit weniger bekannt als das Gemälde in der renommierten staatlichen Galerie sind die drei Bilder von Alfonso, die noch heute im Meraner Kapuzinerkloster aufbewahrt werden und die aller Wahrscheinlichkeit nach vom Maler Christoph Helfenrieder stammen.137 Am 8. Juli 1630 schickte er ein Porträt Alfonsos bzw. P. Giambattistas an Erzherzog Leopold  V. von Österreich, um die Aufmerksamkeit des als gleichzusetzen, Ghetti, Provenienza, S. 66 f. Zur Gründung des Klosters Castelnuovo Garfag­ nana durch Alfonso siehe Fazit und Ausblick. 137 Der ursprünglich aus München stammende Hofmaler zog 1610 ins Schnalstal und konnte ab 1618 wechselnde Häuser in Meran erwerben, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1635 verblieb. Zum Künstler: Andergassen, Leo: Marginalien zur Kunst des 17. Jahrhunderts im Meraner Raum, in: Der Schlern 69 (1995), S. 37–58, hier S. 40 f.; Bénézit, Emmanuel (Begr.): Art. „Helfenrieder, Christof “, in: Benezit Dictionary of Artists 6 (2006), S. 1348; Hammer, Heinrich: Art. „Helfenrieder, Christof “, in: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart 16 (1999), S. 329; Moeser, Karl: Des Meraner Malers Christoph Helfenrieder Leben und Schaffen, in: Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum 20/25 (1940/45). Festschrift zu Ehren Prof. Dr. Heinrich Hammer’s, Innsbruck 1948, S. 117–148, hier S. 140 f.; Rasmo, Nicolò: Precisazioni su Christoforo Helfenrieder, in: Cultura Atesina/ Kultur des Etschlandes 19 (1965), S. 85–92. Zu den Gemälden: Bravi, Principe, S. 55, 56, 94–97; Hammer, Helfenrieder, S. 329; Hohenegger, Kapuziner-Ordensprovinz, S. 112; Hohenegger, Meran, S. 85 f.; Moeser, Leben und Schaffen, S. 141, Tafel XXVII f.

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Kunstpatron geltenden Fürsten auf sich zu lenken.138 Aus dem dazugehörigen Begleitschreiben, das sich heute im Tiroler Landesarchiv befindet,139 geht hervor: Das Porträt ist das Zweitexemplar einer Auftragsarbeit, die Helfenrieder von Francesco erhalten hat.140 Es zeigt Alfonso im Kapuzinerhabit mit Tonsur und Kruzifix in der linken Hand.141 Als entsprechend wahrscheinlich muss gelten, dass auch die anderen beiden im Folgenden analysierten Gemälde – Entkleidung bzw. Einkleidung Alfonsos – von Helfenrieder angefertigt wurden. Vermutlich handelt es sich auch bei diesen um Auftragsarbeiten Francescos. Ob die Gemälde für das Meraner Kapuzinerkloster bestimmt waren, in dem sie sich heute noch befinden, oder ursprünglich ebenfalls nach Modena geliefert werden sollten, muss in Ermangelung weiterer Quellen allerdings offen bleiben. Da Helfenrieder zum Zeitpunkt von Alfonsos Einkleidung und Profess bereits in Meran wohnhaft war, ist es durchaus möglich, dass er sich persönlich unter den Schaulustigen des 8. September 1629 befand. Mindestens aber wird er mit Augenzeugen des Ereignisses, wenn nicht gar Beteiligten wie P. Giovanni oder Alfonso selbst gesprochen haben.142 Tatsächlich fällt auf, dass viele Details der Gemälde von 1630 mit dem entsprechenden Passus aus P. Giovannis 16 Jahre später erschienener Biographie übereinstimmen; zusätzlich könnte sich Helfenrieder auch an liturgischen Vorgaben wie den Ordenskonstitutionen orientiert haben.143

138 Denkbar ist auch, dass Helfenrieder über Leopolds lebhaftes Interesse am – entfernt mit seiner Gattin verwandten – ehemaligen Herzog unterrichtet wurde, von dem das Treffen der beiden Kapuziner mit dem Erzherzog auf dem Weg nach Innsbruck zeugt, siehe Kapitel Der Eintritt in den Kapuzinerorden in Meran sowie Fazit und Ausblick. 139 Tiroler Landesarchiv, 2.1.26., Nr. 846; siehe auch Moeser, Leben und Schaffen, S. 118, 141. 140 Moeser, Leben und Schaffen, S. 141. Der Autor widerlegt hier die zuvor von Hammer geäußerte Ansicht, dass es sich um eine Auftragsarbeit Erzherzog Leopolds  V. selbst gehandelt habe, Hammer, Helfenrieder, S. 329. 141 Das Porträt trägt zwei Inschriften, von denen die kleinere auf Kopfhöhe vermutlich von Helfenrieder selbst stammt. Anhand der darin enthaltenen Jahreszahl kann das Werk auf 1630 datiert werden. Die größere Inschrift darüber wurde vermutlich später von anderer Hand hinzugefügt, Bravi, Principe, S. 94–97; Hohenegger, Kapuziner-Ordensprovinz, S. 112; Ders., Meran, S. 85 f. Ein zweites Exemplar im Palazzo Coccapani in Modena, bei dem es sich vermutlich um das an Leopold  V. gesendete Exemplar handelt, ist wesentlich besser erhalten. Zwar ist auf diesem die Überschrift sehr viel weniger detailliert, jedoch ist dafür die Jahreszahl in der unteren rechten Ecke platziert worden und trägt den eindeutigen Vermerk: Christoff Helfenrieder Pinxit. Martinelli Braglia, Graziella: Ritratti estensi ed iconografia della moneta, in: Nobilitas Estensis. Conii, punzoni e monete dal medagliere estense, hrsg. v. Jadranka Bentini u. Lisa Bellocchi, Modena 1997, S. 15–32, hier S. 18. 142 Darauf deutet auch die sehr individuelle, womöglich sogar porträtgetreue Darstellung der Personen hin, Moeser, Leben und Schaffen, S. 141. 143 Ich danke P. Robert Prenner vom Kapuzinerkloster Meran für die freundliche Korrespondenz sowie die Überlassung der Aufnahmen. Da mir eine Begutachtung der heute stark restaurieDie Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  173

Abb. 3: Entkleidung von Alfonso d’Este, Gemälde von Christoph Helfenrieder, um 1630, Kapuzinerkloster Meran

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Die Entkleidung (Abb. 3) zeigt Alfonso – wie in P. Giovannis Il cappuccino d’Este beschrieben – in schwarzem Samt,144 wobei sein Status als Adliger vor allem an den krausen Manschetten an den Handgelenken deutlich wird, die auch die adligen Begleiter tragen. Einer von diesen hat Alfonso bereits das Schwert abgenommen und weicht rückwärtsgehend nach links aus der Bildmitte heraus. Er kann aufgrund der Parallelüberlieferung bei P. Giovanni mit einiger Sicherheit als Graf Marcello Guerenghi identifiziert werden.145 Ein weiterer adliger Begleiter hilft Alfonso rechts hinter ihm stehend beim Ausziehen des Mantels.146 Links von den beiden in der Bildmitte ist hingegen ein ranghöherer Ordensmann mit weißem Gewand und Stola bei einer liturgischen Handlung zu sehen, die durch die Gloriole um die in seinen Händen befindlichen Gegenstände kenntlich gemacht wird. Die Position der Figur auf der Epistelseite des Hochaltars und das herabhängende Seil deuten darauf hin, dass es sich um die Weihe des Zingulums handeln könnte. Anhand der Parallelüberlieferung bei P. Giovanni muss es sich entweder um diesen selbst oder den Provinzial Tirols handeln, P. Silverius Meusburger: Beide sind in die Weihe des Habits eingebunden und tragen weiße liturgische Gewänder (Chorhemd bzw. Albe). Im Brief P.  Giuseppes führt diese Handlung hingegen eindeutig der Provinzial durch.147 Möglicherweise ministriert dem Ordensoberen ein im Vordergrund mittig kniender Mönch, mindestens hilft dieser jedoch Alfonso bei der Entkleidung. Er ist durch seine braune Kutte als Kapuziner ausgewiesen und könnte mit Bruder Pietro da Modena in Verbindung gebracht werden. Im rechten Vordergrund kniet hingegen eine Gestalt mit weiblich anmutendem Antlitz, deren Gegenwart im Altarraum bei einem Entkleidungsritus des Kapuzinerordens im 17. Jahrhundert historisch klar negiert werden muss. Sie könnte eine Reminiszenz Helfenrieders an Alfonsos verstorbene Ehefrau Isabella von Savoyen sein. Deren Neigung zum Orden erscheint nach den Erkenntnissen im ersten Kapitel zwar fragwürdig, den Zeitgenossen musste sie jedoch – u.a. wegen ihrer prominenten Rolle in den Abdankungsschreiben an Modena und Reggio vom 31. Juli 1629148 – als treibende religiöse Kraft von Abdankung rungsbedürftigen Gemälde vor Ort leider nicht möglich war, müssen einige Details im Dunkeln bzw. einige Deutungen unsicher bleiben. 144 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 190. 145 Ebd. 146 Nach der Identifikation Guerenghis kann es sich nur noch um Giovanni Battista Tritonio, Milano Giannelli oder Ambrosius Perini handeln. Hohenegger weiß – vermutlich aus archivalischer Überlieferung, allerdings ohne genaue Quellenangabe – zu berichten, dass neben Guerenghi der Kammerdiener Milano Hilfe bei der Entkleidung leistete, was für diesen spräche, Hohenegger, P. Johann Bapt. von Este, S. 145. 147 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 190. P. Giuseppe, Brief, S. 6. 148 P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 152 f., 157. Siehe auch das Kapitel Eine Abdankung aus Schuldgefühlen. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  175

Abb. 4: Einkleidung von Alfonso d’Este, Gemälde von Christoph Helfenrieder, um 1630, Kapuzinerkloster Meran

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und ­Ordenseintritt bekannt sein. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die Gemälde der Entkleidung und Einkleidung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Auftragsarbeiten Francescos sind: Sie zielen nicht auf eine realitätsgetreue Darstellung ab, sondern setzen Alfonso zum Ruhm individueller sowie dynastischer Frömmigkeit in Szene. Dementsprechend ist im daran thematisch anschließenden Gemälde der Einkleidung (Abb. 4) der im linken Vordergrund stehende junge Adlige auch mit dem ebenfalls historisch gesehen abwesenden Herzog Francesco identifiziert worden.149 Weinend hält er die abgelegten Kleider Alfonsos, um dem Betrachter zu kommunizieren, welch einen herben Verlust dessen Ordenseintritt für ihn als Sohn und das Herzogtum Modena als Staat bedeutet. Der Vater selbst kniet bereits mit freiem Oberkörper auf den Stufen des Altars, auf dem zwei Ordensobere in weißen liturgischen Gewändern mit Stolen stehen. Zwar ähnelt keiner der beiden eher braunhaarigen Männer dem schwarzhaarigen Ordensoberen des ersten Bildes. Trotzdem kann es sich nur um den Provinzial P. Silverius und P. Giovanni handeln, da sie zum einen im Bericht des Letzteren den Ritus durchführen und zum anderen als einzige darin ein weißes Chorhemd bzw. eine weiße Albe tragen.150 Da hierin P. Giovanni Alfonso das Cilicium bzw. Büßergewand umlegt, könnte er eher mit der hinteren Figur in Verbindung gebracht werden, die dem knienden Alfonso die braune Kapuzinerkutte umlegt. Unter dieser Voraussetzung läge es nahe, im dabei helfenden Kapuzinermönch Alfonsos zweiten Begleiter Bruder Pietro zu sehen. Der Provinzial Tirols stände dieser Lesart zufolge mit dem Zingulum im Mittelgrund, das er Alfonso entgegenstreckt. Die Szenerie wird eingerahmt von Kapuzinermönchen, die wie bei P. Giovanni beschrieben und im Zeremoniale vorgesehen ein großes Tuch um den Altarbereich gespannt haben, mit dem sie den freien Oberkörper Alfonsos vor den Augen der im Lettner versammelten Schaulustigen bedecken, die durch ihre Halskrausen als adlig gekennzeichnet sind.151 Die gelben, roten und bläulichen Streifen des Tuches sind als Reminiszenz an das Familienwappen der Este zu verstehen.152 Dadurch wird der Ordenseintritt einmal mehr unterschwellig in einen dynastischen Kontext eingeordnet, an dem Francesco zur Vermehrung des Ruhms der Familie sowie zur Stärkung seiner eigenen Position großes Interesse gehabt haben dürfte.

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Moeser, Leben und Schaffen, S. 141. P. Giovanni, Il cappuccino d’Este, S. 190. Ebd.; P. Bartholomeo, Modo d’incamminare, S. 1336. Vgl. das Wappen der Este in: Fontana, Giacomo: Insegne di varii prencipi, et case illustri d’Italia e altre provincie, Modena 1605, ohne Paginierung. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  177

Ausblick – Ein Kapuzinerherzog Zusammenfassend lässt sich zur Abdankung Alfonsos III. von Modena und Reggio 1629 festhalten, dass diese tatsächlich persönlich motiviert und auf den Tod seiner drei Jahre zuvor verstorbenen Ehefrau Isabella von Savoyen zurückzuführen ist. Eine Analyse bisher nicht berücksichtigter Quellen konnte jedoch stark in Zweifel ziehen, Alfonso habe bereits zuvor diesen radikalen Schritt in Erwägung gezogen und Ratschläge der sterbenden Isabella im Hinblick auf ein gottgefälligeres Leben hätten ihn zur Abdankung bewegt. Stattdessen erfolgte diese mit großer Wahrscheinlichkeit aus Schuldgefühlen gegenüber der verzweifelten Ehefrau, die sich aus Eifersucht 1626 in den Selbstmord stürzte. Da Alfonso zumindest in Teilen dafür verantwortlich zeichnete und es sich dabei theologisch um eine schwerwiegende Sünde handelte, entschied sich der gewissensgeplagte Herzog dazu, dieses prägende Ereignis zur Rettung des eigenen Seelenheils sowie möglicherweise auch Isabellas als Kapuziner im Kloster zu büßen. Dass erst nach der Erlaubnis zum Eintritt in den Kapuzinerorden auch die Abdankung erfolgte, konnte eine genaue Rekonstruktion der Chronologie anhand von Briefen beweisen: Erst nachdem Alfonso das Wohlwollen des Papstes bezüglich des Ordenseintritts signalisiert worden war, involvierte der Herzog den für seine Heimat zuständigen Provinzial der Kapuzinerprovinz Bologna in die Angelegenheit. Konkret umgesetzt wurde das Vorhaben bezeichnenderweise erst, nachdem ein Breve des ­Papstes den Ordenseintritt offiziell legitimierte. Lediglich eine Woche nach Erhalt des päpstlichen Schreibens dankte Alfonso III. im Kreise seiner engsten Berater ab und begab sich am 31.  Juli 1629 inkognito auf den Weg in seine Wunschprovinz ­Tirol. Die Erlaubnis zum Ordenseintritt muss daher als wesentliche Voraussetzung der Abdankung und nicht als zeitlich auf sie folgend verstanden werden. Während dieser Reise wurde der abgedankte Herrscher noch wie in vergleichbaren Fällen auch von Begleitern, Untertanen sowie seinem als Nachfolger eingesetzten Sohn Francesco I. rangrechtlich als Herzog betitelt. Dieser Umstand änderte sich jedoch mit dem Eintritt in den Kapuzinerorden und dem damit einhergehenden Wechsel in den Stand eines Geistlichen: In Meran legte Alfonso im Rahmen seiner Einkleidung und Profess seine adligen Insignien sowie den herzoglichen Titel ab, um fortan als Kapuzinerbruder Giambattista d’Este ein klösterliches Leben zu führen. Beim Vergleich der beiden Riten mit den Vorgaben eines zeitgenössischen Zeremoniales konnte deutlich gemacht werden, dass in diesem Rahmen allerdings durchaus dem besonderen Status des Kandidaten Rechnung getragen wurde. Ein Blick auf die künstlerische Rezeption dieser Ereignisse bestätigte den anhand der schriftlichen Medien gewonnenen Eindruck: Nicht die mit dem herrschaftlichen Gottesgnadentum schwer zu vereinbarende und nicht zuletzt deswegen wohl geheim gehaltene Abdankung in Sassuolo, sondern die öffentlichkeitswirksam inszenierte 178  Oliver Plate

Abb. 5: Einkleidung Alfonsos III. d’Este in den Kapuzinerhabit, Gemälde von Adeodato Malatesta, um 1840, ­Galleria Estense di Modena

Einkleidung und Profess sollten den Zeitgenossen im Gedächtnis bleiben. Vor allem diese stehen daher im Fokus der vom herzoglichen Nachfolger Francesco I. bei Matteo Loves in Modena und Christoph Helfenrieder in Meran in Auftrag gegebenen Gemälde. Durch das Exponieren der Frömmigkeit des Vaters auf diesen Bildern sollte dementsprechend auch der herzogliche Nachfolger legitimiert und die Reputation der Dynastie gesteigert werden.153 153 Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Einkleidung Alfonsos erneut in einem Gemälde von Adeodato Malatesta (1806–1891) aufgegriffen (Abb.  5). Aufgrund des frühneuzeitlichen Schwerpunktes des vorliegenden Bandes kann auf jenes in diesem Rahmen jedoch nicht näher eingegangen werden. Zum Künstler (in Auswahl): Bénézit, Emmanuel (Begr.): Art. „Malatesta, Adeodato“, in: Benezit Dictionary of Artists 9 (2006), S. 86; Castelnuovo, Enrico/Toscano, Bruno (Hgg.): Art. „Malatesta, Adeodato“, in: Dizionario della pittura e dei pittori  3 (1992), S.  443; Vollmer, Hans (Hg.): Art. „Malatesta (Malatesti), Adeodato“, in: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart 23 (1999), S. 587. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  179

Allerdings stellte sich bald heraus, dass der abgedankte Vater nicht nur eine Stütze Francescos sein konnte. In mancher Hinsicht entwickelte er sich auch zu einer Last der Herrschaft seines Sohnes, was ein Ausblick auf sein Leben nach dem Ordenseintritt kurz skizzieren soll. Seinen zuvor geäußerten Wünschen gemäß bereitet sich P. Giambattista d’Este zu Beginn des Jahres 1630 zunächst auf eine Mission ins Reich vor. Dort will er im Gebiet der demselben Ahnenstamm wie die Este entsprossenen Welfen um Braunschweig und Lüneburg missionieren, wobei ein realistischeres Ziel sicher die Oberpfalz gewesen wäre, in der zu dieser Zeit eine Kapuzinermission belegt ist.154 Als jedoch in Modena die Pest ausbricht, scheint sich der ehemalige Herzog zu karitativem Beistand berufen zu fühlen. Seine Reise in die Heimat endet jedoch an der Grenze des Herzogtums in Corbola, wo noch heute eine Inschrift an der Pfarrkirche den Aufenthalt des CAPPUCCINO D’ESTE memoriert.155 Von dort aus lässt der bereits aus Modena vor der Pest geflüchtete Francesco den Vater mit Hilfe einer päpstlichen Anordnung nicht einreisen, wobei nicht nur die Gesundheit, sondern auch repräsentative Überlegungen eine Rolle gespielt haben mögen. Francescos eigene Abwesenheit in einer Notsituation wäre bei der Anreise des Vaters dem Volk umso stärker vor Augen geführt worden, was der Reputation des regierenden Herzogs hätte schaden können. Möglicherweise erfolgt daher die Anweisung der Ordens­ oberen zur Rückreise P. Giambattistas auf seinen Wunsch; Letzterer hält sich daraufhin zunächst mehrere Monate im habsburgischen Triest auf, wo er offenbar mehrmals in Kontakt mit Leopold V. tritt. Nach einem längeren Aufenthalt in Görz trifft er den Erzherzog in dessen Residenzstadt Innsbruck wieder. Schließlich reist P. Giambattista 1632 nach Wien weiter, um von dort aus wieder die Mission ins Reich zu forcieren. Obwohl er sich allerdings in den folgenden Monaten immer wieder in der Umgebung Kaiser Ferdinands II. aufhält, gelingt es ihm nicht, diesen von seiner Mission zu überzeugen. In Wien weiht er nicht nur die berühmte Wiener Kapuzinergruft mit ein, sondern stellt auch Kontakte zwischen dem Kaiser und seiner Familie her, woraufhin u.a. seine beiden Brüder Borso (1605–1657) und Foresto (1606–1639) zu den kaiserlichen Truppen stoßen und im Dreißigjährigen Krieg kämpfen. Während all dieser Zeit gibt er Francesco brieflich Ratschläge, manchmal sogar explizite Befehle.156 Möglicherweise auf dessen Anregung oder aber auf die des Papstes verordnet ihm ein Brief der Oberen zur besseren Kontrolle schließlich die Rückkehr in die 154 Zur dynastischen Verbindung der Este mit den Welfen: Bocchi, Este, Sp. 27. 155 Zur Inschrift: Lecchini, Giambattista, S. 85 f. 156 Zum herzoglichen Gebärden Alfonsos siehe dessen Brief an Francesco vom 17. März 1632, in dem er diesem schreibt: E questo dovrà inviolabilmente seguire per mio espresso comando, zitiert nach Bini, Estensi, S. 27 bzw. Cavazzuti, Alfonso, S. 40. Ähnlich äußert sich auch Cosimo Bernardini, der als lucchesischer Gesandter von P. Giambattista im Kapuzinerkloster empfangen wurde, Pellegrini, Ambasciatori Lucchesi, S. 278–281, hier S. 279, siehe auch Lecchini, Giambattista, S. 127 f.

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Ordensprovinz Bologna, wo er im Oktober 1632 inkognito angelangt.157 In den folgenden Jahren widmet er sich der Konversion der Juden sowie Hexenprozessen und hält in den Kirchen der Ordensprovinz diverse Predigten, von denen jedoch lediglich eine im Dom Modenas vom 29. Januar 1633 überliefert ist.158 Währenddessen beginnen 1635 die Bauarbeiten des schon länger von P. Giambattista geplanten Klosters Castelnuovo Garfagnana; das Projekt wird maßgeblich von Francesco finanziert, der damit wohl nicht zuletzt die Abreise des Vaters aus Modena beabsichtigt.159 Tatsächlich zieht dieser nach Fertigstellung 1639 nach Castelnuovo Garfagnana.160 Im selbst gegründeten Kloster verstirbt P. Giambattista d’Este am 24. Mai 1644.161 Der Duca Capucino blieb Zeit seines Lebens eine ambivalente Figur, die bei Zeitgenossen gleichermaßen Bewunderung wie Geringschätzung hervorrief.162 Unter den Kritiken ist im Kontext dieses Buches ein Brief des Gesandten Fulvio Testi (1593– 1646) hervorzuheben, den dieser seinem Herzog Francesco  I. am 4.  Juli 1634 aus Rom zusandte.163 Er wirft Alfonso bzw. P. Giambattista darin vor, sich zum Nachteil seines regierenden Sohnes auch nach der Abdankung noch in die Regierung Modenas einzuschalten. Nicht einmal der Eintritt in ein geistliches Leben inklusive Priesterweihe konnte dem herzoglichen Nachfolger offenbar die Gewissheit bieten, dass sein Vorgänger nicht doch wieder in die Herrschaft eingreifen würde. Um die mit Alfonsos Interventionen einhergehenden Probleme zu verdeutlichen, ruft Testi seinem Herzog die Abdankung Kaiser Karls V. 1555/1556 in Erinnerung, der kurz vor seinem Tod versucht habe, die aufgegebene Herrschaft wieder an sich zu reißen: Carlo 157 Zur Ankunft P. Giambattistas in Modena siehe: Spaccini, Giovanni Battista: Cronaca di Modena, Bd. 6: anni 1630–1636 (Materiali per la storia di Modena medievale e moderna, Bd. 19), hrsg. v. Rolando Bussi u. Carlo Giovannini, Modena 2008, S. 403. 158 Cavedoni, Pietro: Descrizione del Pulpito del Duomo di Modena, Modena 1882. Da das Werk nur in sehr kleiner Auflage erschienen und heute nahezu verschwunden ist, hat Lecchini den Text in seinem Buch erneut abgedruckt, Lecchini, Giambattista, S. 101–106. 159 Zur Strategie Francescos während des Aufenthalts Giambattistas in Modena siehe auch: Negri, Paolo: Un falso sultano e un ex-duca cappuccino, in: La rassegna nazionale (1909), S. 373–379. 160 Zum Kloster Castelnuovo Garfagnana: Raggi, Pier Luigi: Il Convento dei Cappuccini di Castelnuovo Garfagnana, in: La Garfagnana. Storia, cultura, arte. Atti del Convegno tenuto a Castelnuovo Garfagnana il 12–13 settembre 1992 (Deputazione di Storia Patria per le Antiche Provincie Modenesi. Biblioteca – NS 127), hrsg. v. Giordano Bertuzzi, Modena 1999, S. 123–140. 161 Bravi, Principe, S. 62–97; Cavazzuti, Alfonso, S. 38–59; Lecchini, Giambattista, S. 78–144; Rodolico, L’abdicazione, S. 79–81. 162 Die offenbar ursprüngliche Fremdbezeichnung wird von P. Giambattista in einem Brief vom 11. Mai 1644 selbst aufgenommen, Lecchini, Giambattista, S. 141. 163 Zu Fulvio Testi: Fassò, Luigi: Art. „Testi, Fulvio“, in: Enciclopedia italiana di scienze, lettere ed arti 33 (1937), S. 723 f. Siehe auch Cavazzuti, Alfonso, S. 62–69. Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  181

V, dopo essersi abdicato dal mondo, e rinserrato in un monastero, lasciando l’Imperio al fratello, e tanti regni al figliuolo, fu, nell’ultimo della sua vita, tentato a ripigliar il governo, e l’avrebbe fatto, se avesse ritrovato in Filippo II o maggior debolezza, o minor prudenza e risoluzione.164 Der Vergleich zeigt, dass die Gegenüberstellung fürstlicher Abdankungen kein Konstrukt vergleichender moderner Geschichtswissenschaften darstellt, sondern bereits Zeitgenossen diese Parallelen aufzeigten und argumentativ instrumentalisierten.

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Die Abdankung Herzog Alfonsos III. d’Este  187

Zug, P. Michael von: Bullarium Ordinis FF. Minorum S.P. Francisci Capucinorum […], Bd. 2, Rom 1743.

Abbildungsnachweis Abb. 1: Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Signatur Kt 700 – 57 L Abb. 2: Galleria Estense di Modena, Inv.-Nr. 3666 Abb. 3: Kapuzinerkloster Meran Abb. 4: Kapuzinerkloster Meran Abb. 5: Galleria Estense di Modena, Inv.-Nr. 6983

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Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung Die Faits mémorables des empereurs de la Chine (1788)

Susan Richter Am Vorabend der Revolution, im Jahr 1788, widmete der Kupferstecher Isidore Stanislas Henri Helman (1743–1809)1 Madame, Marie Joséphine Louise von Savoyen (1753–1810), der Gemahlin des Grafen Louis-Stanislas-Xavier Comte de Provence (1755–1824), dem jüngeren Bruder König Ludwigs XVI., einen mit 24 seiner Stiche versehenen, handkolorierten chinesischen Fürstenspiegel mit dem Titel Faits mémorables des empereurs de la Chine, tirés des annales chinoises […] tirés du Cabinet de M. Bertin à Paris.2 Den Auftrag für das Kupferstichwerk hatte Helman ursprüng1

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Dieser Aufsatz ist in französischer Sprache unter dem Titel publiziert: Richter, Susan: Une mise en garde contre l’infamie de la destitutio - Les „Faits mémorables des empereurs de la Chine“ (1788), in: Francia 46/2019, S. 191–206. Ich danke meiner studentischen Mitarbeiterin Maike Wendland für Recherchen und Hilfe bei der Erarbeitung des Aufsatzes. Vgl. zu Helmans Werk Portalis, Roger/Béraldi, Henri: Les Graveurs du Dix-Huitième Siècle, Bd. 2, Paris 1881, S. 392 f. Stern, D.: Art. „Helman“, in: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart 16 (1922), Sp. 346 f. Kurz zu dem Fürstenspiegel Keller, Léo: „Un pinceau utile pour le bien de la religion“. Jean Denis Attiret (1707–1768) dit Wang Zhicheng, peintre jésuite à la cour de Chine, in: La chair et le verbe: les jésuites de France au XVIIIe siècle et l’image, hrsg. v. Edith Flamarion, Paris 2008, S. 72. Erwähnt, jedoch nicht abgebildet in Budde, Hendrick (Hg.): Europa und die Kaiser von China 1240–1816. Ausstellung im Martin-Gropius-Bau 12. Mai bis 18. August 1985, Berlin/Frankfurt a. M. 1985, S. 311, Kat. Nr. 10/35,3. Ebenfalls kurz zum Werk Reed, Marcia/ Demattè, Paola (Hgg.): China on Paper. European and Chinese Works from the Late Sixteenth to Early Nineteenth Century, Los Angeles 2007, S. 178 ff. Neuerdings zu alten chinesischen Fürstenspiegeln aus kunsthistorischer Perspektive Murray, Julia K.: Mirror of Morality. Chinese Narrative Illustration and Confucian Ideology, Honolulu 2007. In der Widmung Helmans heißt es: À Madame. Madame, La protection éclairée que vous accordez aux arts, m’a enhardi à vous présenter cet hommage tiré des annales du plus ancien Peuple de l’Univers. La bonté avec la quelle vous avez daigné l’accepter, est pour moi, Madame, le plus honorable et le plus flatteur des encouragemens. Permettez moi de mettre a vos pieds mes faibles Calens et mon eternelle reconnaissance. Je suis avec le plus profond respect, Madame, Votre très humble et très obéissant serviteur Helman. Helman, Isidore Stanislas Henri: Faits mémorables des empereurs de la Chine, tirés des annales chinoises […] tirés du Cabinet de M. Bertin, Paris 1788, o. Pag. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  189

lich von dem Pekinger Jesuiten und Maler Jean-Denis Attiret (1702–1768) erhalten, der engen Kontakt zu Minister Henri-Léonard Jean Baptiste Bertin (1720–1792) am Hof Ludwigs XVI. pflegte.3 Helman sollte für den chinesischen Kaiser Qianlong einen Klassiker, den bebilderten Fürstenspiegel Dijian tushuo aus der Ming-Zeit (erschienen 1573), in einen westlichem Kunststil, den Kupferstich transferieren. Das Original des chinesischen Fürstenspiegels stellte ihm Minister Bertin dafür zur Verfügung. Es war Helmans zweiter Auftrag aus China, denn er hatte bereits 1775 das riesige Kupferstichwerk Suite de Seize estampes representant les conquetes de l’Empereur de la Chine, das Szenen mit Kaiser Qianlong (1711–1799)4 im Krieg, auf der Jagd in Chengde und während der Durchführung von Ritualen darstellte, nach Aquarellen des Jesuiten Attiret gestochen. 1788 folgte nun eine prachtvolle Kupferstichversion des Dijian tushuo mit einer Widmung an die Schwägerin des Königs.5 Den französischen Hof erreichte damit ein Werk, das nicht nur die gute und die schlechte Herrschaft von Kaisern aus der langen chinesischen Geschichte thematisierte, ihre Vergehen oder Leistungen hervorhob, sondern vor allem auch die Konsequenzen für die Herrscher visualisierte, die ihre Herrschaft gegen das Volk und seine Bedürfnisse gerichtet hatten. Eine wichtige Konsequenz bestand in der Absetzung von Kaisern. Sie traf als Strafe Kaiser Kié/Jie (den letzten Kaiser der Xia-Dynastie um 1800 v. Chr.), an dessen Hof sich ein solch verschwenderischer Luxus breit gemacht hatte, dass die Bevölkerung stärker denn je belastet wurde und der Ruin des Landes bevorstand. Das Dijian tushuo hatte Kaiser Kié/Jie ein Blatt gewidmet und auch

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Die Identifikation der Widmung beruht auf dem Porträt der Prinzessin von Elisabeth Vigée Lebrun aus dem Jahr 1778 und dem Allianzwappen des Hauses Savoyen und Bourbon. Mit der Thronbesteigung Ludwigs XVI. erhielt sie traditionell als Gemahlin des nächstjüngeren Bruders den Titel Madame. Bernard-Maitre, Henri: Le Frère Attiret au service de K’ien-Long (1739–1768). Sa première biographie écrite, Shanghai 1943. Bertin war am Hof Ludwigs XVI. Generalkontrolleur der Finanzen und der Compagnie française pour le commerce des Indes orientales sowie Mitglied der 1761 in Paris gegründeten Société Royale d’Agriculture. Zu Bertin vgl. Antoine, Michel: Le Gouvernement et l’Administration sous Louis XV, Dictionnaire Biographique, Paris 1978, S. 34. Ders.: Le secrétariat d’État de Bertin (1763–1780) (Positions des thèses de l’École des Chartes), Paris 1948, S.  11–19. Bourde, André  J.: Agronomie et Agronomes en France au XVIII Siècle, Bd. 2, Paris 1967, S. 1079 ff. Cordier, Henri (Hg.): Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaries en Chine avec H. L. J. Bertin, 12 Bde., 1744–1798, Signatur: Bibliothèque de l’Institut de France, ms. 1515–1521. Die Kaiser werden im Folgenden nach ihrer Regierungsdevise benannt. In der englischsprachigen Forschungsliteratur hat sich die Reihenfolge Qianlong emperor etc. etabliert. Im Französischen erscheint jedoch die Übertragung Qianlong-Kaiser sprachlich nicht sinnvoll. Es wird deshalb im folgenden Text nach dem kaiserlichen Titel die Regierungsdevise genannt. Bestehend aus papier de hollande, handcoloriert mit gelbem Rand, Folio, 278 x 274 mm, in blaues Leder gebunden.

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Helman inszenierte das Fehlverhalten dieses Herrschers eindrucksvoll, der in Hungerszeiten der Untertanen Lebensmittel zu seinem Vergnügen missbrauchte. Er habe einen Kanal (in einigen chinesischen Geschichtswerken wird auch von einem See gesprochen) ausheben und mit Wein auffüllen lassen. Zur Belustigung des Monarchen fuhren seine Konkubinen auf dem Wein in Booten umher und tranken auf sein Geheiß wie Vieh aus dem edlen Gewässer. Da die Verschwendung trotz der Ermahnungen nicht aufhörte, sei der Kaiser schließlich seines Amtes enthoben und abgesetzt worden, berichtete das Dijian tushuo. Insbesondere dieser Kupferstich, letztlich aber das gesamte Werk Helmans stellte in der zeitgenössisch-aktuellen Krise Frankreichs und der inzwischen immer lauter werdenden Kritik am Luxus des Versailler Hofes gegenüber dem König eine bildliche Warnung vor dem möglichen Verlust der Herrschaft dar. Dem Bilderwerk Helmans war jedoch das gleiche Schicksal beschieden wie den meisten Fürstenspiegeln: Es blieb unbeachtet. Im Folgenden soll die Bedeutung von Fürstenspiegeln für die Herrschaftskritik im frühneuzeitlichen Europa und in China beleuchtet werden. Es stellt sich dabei die Frage, wieso es gelingen konnte, einen chinesischen Fürstenspiegel und chinesische Herrschaftsethik für ein europäisches, insbesondere ein französisches Hofpublikum und die königliche Familie attraktiv zu machen. Es wird dabei von der These der Bedeutung des Spiegels als Metapher von Niklas Luhmann ausgegangen, die vor allem in der Konfrontation des Menschen mit seiner sozialen Stellung lag. Es entsprach daher einer Gewohnheit der europäischen Fürstenspiegelliteratur, einem Herrscher auch nur seinesgleichen als positives oder negatives Exempel vor Augen zu halten. Die Ethik kann deshalb die Metapher des Spiegels verwenden – nicht um Faktizität zu verdoppeln, sondern um den Menschen mit dem zu konfrontieren, was er nach Maßgabe seiner sozialen Stellung eigentlich ist, aber ohne Spiegel nicht sehen kann.6 Das Prinzip der Konfrontation des Herrschers mit dem Herrscher lag auch chinesischen Fürstenspiegeln zugrunde. Die Wahl der chinesischen Kaiser schien berechtigt, weil ihr ebenbürtiger Rang und ihre umfassende Macht in Europa anerkannt und unbestritten waren. Somit lag eine Vergleichbarkeit der herrschaftsethischen Vermittlungsstrategien über die sehr sorgfältig ausgewählten und glaubwürdigen biographischen Exempel ausgewählter positiver oder negativer Herrscherpersönlichkeiten in Europa und China vor. Der vorliegende Aufsatz bietet eine exemplarische Analyse der bildlichen Vermittlungsstrategie von Herrschaftskritik anhand von zwei ausgewählten Blättern (I und III) (Abb. 1 und 2) aus den Faits mémorables des empereurs de la Chine.

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Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1997, S. 915. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  191

Abb. 1: Das Schlagen der Trommel zur Ankündigung von Kritik, kolorierter Kupferstich von Isidore Stanilas Helman, aus: Empereurs de la Chine, o. Pag.

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Abb. 2: Kaiser Kié/Jie und die Verschwendung, kolorierter Kupferstich Isidore Stanilas Helmanm, aus: Empereurs de la Chine, o. Pag. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  193

Als Konsequenz schlechter Herrschaft stand in den antiken Lehren Chinas der Verlust der Herrschaft etwa durch Absetzung des Kaisers zur Debatte. Auch die verschwenderische Herrschaft Kaiser Jies endete auf diese Weise. In Europa war Absetzung hingegen keine Alternative. Nun kommunizierten die Faits mémorables des empereurs de la Chine bildlich, worauf zahlreiche Reise- und Missionsberichte aus China schon seit dem 17.  Jahrhundert verwiesen hatten: Chinas Herrscher schienen sich stärker als die europäischen vor den eigenen Untertanen verantworten zu müssen und konnten sich nicht darauf verlassen, dass ihr Fehlverhalten folgenlos bleiben würde. Diese Warnung transportierten Helmans Stiche.

Fürstenspiegel in Europa und China – Medien der Kritik Wo immer im Europa der Frühen Neuzeit politische Theorie oder Ethik in einen engen Bezug zur politischen Realität trat, war der Souverän, in der Regel der Fürst, ihr wesentlicher Bezugspunkt. Diesen Bezug suchte eine Gattung frühneuzeitlicher Publizistik ganz besonders: die Fürstenspiegel. Bei Fürstenspiegeln handelt es sich, so Bruno Singer in Anlehnung an die noch immer gültige Definition aus Meyers Konversationslexikon um Schriften, worin das Musterbild eines Fürsten aufgestellt wird, indem entweder berühmte Fürsten biographisch nach Denk-, Regierungs- und Handlungsweise geschildert oder geschichtliche Persönlichkeiten in freier dichterischer Weise idealisiert oder endlich Grundsätze, Normen und Regeln für das Verhalten eines Fürsten gegeben, besprochen und mit geschichtlichen Beispielen belegt werden.7 Die Auffassung von der Geschichte als magistra vitae kommt in keiner Schriftgattung zu einer so konsequenten Anwendung wie in Fürstenspiegeln. Die Geschichte bietet dem Leser Exempel aus allen Lebens- und Wissensbereichen. Otto Eberhardt ergänzt deshalb treffend: Ein Fürstenspiegel ist ein geschlossenes Werk, das mit dem Zweck der grundsätzlichen Wissensvermittlung oder Ermahnung möglichst vollständig das rechte Verhalten des Herrschers im Blick auf seine besondere Stellung er7

Singer, Bruno: Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der Reformation. Bibliographische Grundlagen und ausgewählte Interpretationen: Jacob Wimpfeling, Wolfgang Seidel, Johann Sturm, Urban Rieger, München 1981, S. 16. Art. „Fürstenspiegel“, in: Meyers Konversationslexikon 6 (1895), Sp. 1012. Der Begriff des Fürstenspiegels wurde im 16. Jahrhundert im Alten Reich geprägt und im 19. Jahrhundert von der deutschen Historiographie als Gattungsbegriff in der Literatur etabliert. Vgl. dazu Singer, Bruno: Art. „Fürstenspiegel“, in: TRE 11 (1983), Sp. 707. Stammen, Theo: Art. „Fürstenspiegel“, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik  3 (1996), Sp.  495–507. Roberts, Michael: Art. „Fürstenspiegel“, in: DNP 4 (1998), Sp. 693–695. Eine Auseinandersetzung mit mittelalterlichen Fürs­tenspiegeln bietet Berges, Wilhelm: Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, Leipzig 1938.

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örtert; dabei liegt meist eine persönliche Beziehung zum Herrscher zugrunde.8 Ulrike Graßnick arbeitet für englische Fürstenspiegel des Spätmittelalters weitere Merkmale heraus, die auch für frühneuzeitliche Fürstenspiegel des deutschsprachigen Raumes gelten: Bei ihnen handelt es sich um Texte pragmatischer Schriftlichkeit in unterschiedlichsten Formen, die zur Erziehung und Beratung von Fürsten und Königen Modelle herrscherlichen Handelns fixieren9. Fürstenspiegel formulierten somit Wertvorstellungen als Standard, die innerhalb der Konfession, vor allem aber innerhalb der gesellschaftlichen Gruppen und Stände weitgehend konsensfähig waren. Diese mündeten in die Konstruktion von Normen als ethisch-moralische Zielvorstellungen, an denen sich die politische Führungselite und die jeweiligen Träger politischer Macht ausrichten sollten. Es handelte sich also um Normen, die an eine bestimmte Rolle und Position in der Gesellschaft geknüpft waren. In der Regel sind Normen jedoch an Sanktionen gebunden. Diese Möglichkeit zur Sanktion fehlte den Fürstenspiegelautoren vollkommen, war aber von ihnen auch gar nicht beabsichtigt. Sie bedienten sich vielmehr grundsätzlich defensiver Vermittlungsstrategien und besaßen ein eigenes Verständnis des Begriffs Norm. Er wird im Zusammenhang der Fürstenspiegel nicht als verbindlich gesetzte oder konstituierte Vorschrift verstanden, denn das war in keinem Fall das Ziel der Spiegelliteratur. Die Gattung verstand sich vielmehr als Anregung für den Fürsten, seine Persönlichkeit mit dem spezifischen Habitus eines idealen Herrschers zu vervollkommnen, und bot ihm die Möglichkeit, sein Verhalten am Maßstab übergeordneter Werte zu messen und gegebenenfalls zu korrigieren.10 In diesem Kontext muss auch Helmans künstlerische Übersetzung des chinesischen Bilderwerks Dijian tushuo verstanden werden. Er lenkte mit seinen 24 Stichen zur guten und schlechten Herrschaft aus diesem großen Werk das Verständnis des Betrachters gezielt in die vom Künstler erwünschte Richtung: zur Belehrung des fürstlichen Lesers. Dafür wurden die Stiche durch kurze Erläuterungen ergänzt. Die Beschriftung von Kunstwerken schien aus Sicht von Zeitgenossen wie dem Kunsttheoretiker Jean-Baptiste Dubos (1670–1742) in Verbindung zur Darstellung die 8

Singer, Fürstenspiegel, S. 16. Eberhardt, Otto: Via Regia. Der Fürstenspiegel Smaragds von St. Mihiel und seine literarische Gattung (Münstersche Mittelalter-Schriften, Bd. 28), München 1977. Der Grundgedanke der Erzieh- und Belehrbarkeit der Obrigkeit findet sich auch in der so genannten Policeyliteratur, die Politik als Tugendlehre eines väterlich handelnden Landesherrn verstand. Zu den Gemeinsamkeiten der Policeyliteratur und den Fürstenspiegeln vgl. Frühsorge, Gotthardt: Privatklugheit. Zur Bedeutungsgeschichte des Politischen in der Hofliteratur des 17. Jahrhunderts in Deutschland und in den politischen Romanen Christian Weises, Stuttgart 1974, S. 61 f. 9 Graßnick, Ulrike: Ratgeber des Königs. Fürstenspiegel und Herrscherideal im spätmittelalterlichen England (Europäische Kulturstudien, Bd. 15), Köln/Weimar/Wien 2004, S. 44. 10 Graßnick, Ratgeber des Königs, S. 1 f. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  195

Betrachtung des Bildes zu perfektionieren und zu einem vollständigen fruchtbaren pädagogischen Augenblick für den Betrachter werden zu lassen und die Intention des Künstlers zu verdeutlichen.11 Die Bilder belehrten somit den Betrachter gemeinsam mit den Texten im Sinne eines Spiegels. Ulrike Graßnick geht davon aus, dass bereits durch den Besitz von Spiegelliteratur und die grundsätzliche Annahme von Erstausgaben dieser belehrenden Literaturgattung als ein dem Regierenden gewidmetes Geschenk eine symbolische Anerkennung der Werte für Herrschende stattfand und der politische Beratungsbedarf der aktuellen oder künftigen Amtsinhaber von den Fürsten akzeptiert wurde.12 Diese Schlussfolgerung scheint angesichts des permanenten Anwachsens der Hof- und Schlossbibliotheken Ende des 16. Jahrhunderts durch Ankäufe und die oft pauschale Integration von riesigen Privatsammlungen, die durch Bibliothekare vorgenommen wurde, zu kurz gegriffen. Allein der Besitz lässt noch keinen Schluss über die Kenntnisnahme und Akzeptanz der Inhalte zu. Denn auch kritische, nicht zuletzt auch zensierte Literatur wurde in die Schlossbibliotheken von den verantwortlichen Bibliothekaren integriert. Zudem verhieß der Besitz eines Werkes noch längst keine Kenntnis des kollektiven Verständnisses von guter Herrschaft. Erst durch das Lesen eines Werkes bewies der Fürst sein Interesse und es bestand die Möglichkeit, ihn und seine Herrschaftsauffassung auf diese Weise durch die Vermittlung kollektiver Werte zu beeinflussen. Nach einer eingehenden analytischen Auseinandersetzung und in Anpassung an individuelle Situationen konnten dann die Modelle idealer Herrschaft aus den Fürstenspiegeln angewandt und umgesetzt oder auch nur symbolisch adaptiert bzw. auch verworfen werden. Dies hing jedoch von der eigenständigen Entscheidung auf der Seite des Herrschaftsträgers ab. Wurde sie getroffen, konnte es zur Rezeption der Inhalte und auch zu einer mehr oder weniger starken Identifikation mit ihnen kommen. Im Falle der Faits mémorables des empereurs de la Chine, tirés des annales chinoises sind keinerlei Reaktionen seitens der Adressatin, ihres Gatten oder gar des Königs bekannt.13 Es ist dennoch anzunehmen, dass gerade der physiokratisch geprägte und an Reformen in Wirtschaft und Herrschaftsausübung interessierte Minister Bertin es war, der Helman veranlasste, den Fürstenspiegel an den Hof, insbesondere in die Nähe des politisch stark interessierten, aber bisher in die Politik nicht involvierten 11 Zu Jean-Baptiste Dubos theoretischen Vorstellungen, den Betrachter zu belehren oder zu rühren vgl. Kernbauer, Eva: Platz des Publikums. Kunst und Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Diss., Trier 2007, S. 106 f. 12 Graßnick, Ratgeber des Königs. S. 283. 13 Zeitgenössische Rezensionen zu Helmans Kupferstichwerk Faits mémorables des empereurs de la Chine sind nicht auffindbar. Es wurde jedoch zahlreich auch in weniger aufwändiger Verarbeitung hergestellt und verkauft. Das Journal Encyclopédique warb im Dezember 1788 dafür und nannte die Preise. Journal Encyclopédique. Par Une Societe De Gens De Lettres […], Bd. 8 (1788), S. 343.

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Louis-Stanislas-Xavier, Comte de Provence, zu schicken. Es ist sehr gut möglich, dass sich Bertin vom jüngeren Bruder des Königs Verständnis für seine Belange und einigen Einfluss für mögliche Reformen versprach. Möglich ist jedoch auch, dass sich das Werk ganz bewusst an die Familie des Comte de Provence richtete, denn LouisStanislas-Xavier galt neben seinen politischen Ambitionen unter Zeitgenossen als geradezu prunksüchtig, und war wegen seines großen Hofstaates und ausufernder Feste ständig verschuldet.14 Es ist also denkbar, dass sich der Fürstenspiegel als direkte Kritik am aufwändigen Leben des jüngeren Bruders des Königs verstand und der kritische Inhalt über dessen Gattin vermittelt werden sollte. Zugleich galt der Comte de Provence auch als ausgesprochener Kenner und Förderer der Künste.15 Es ist also auch anzunehmen, dass sich der Kupferstecher Helman seine Aufmerksamkeit und die Protektion des Grafen für sein künstlerisches Schaffen erhoffte. Inhaltliches Ziel des Kupferstichwerkes war aber in jedem Fall die freundliche Ermahnung der Herrschenden. Minister Bertin hatte seit den 1760er Jahren, auch nach der Aufhebung des Ordens, enge Kontakte zu den Jesuiten in Peking gehalten, um durch Fragebögen und Korrespondenz gelenkten Erkenntnisgewinn und kontrollierte Beobachtung von wirtschaftlichen und politischen Sachverhalten in China für die französische Krone nutzbar zu machen. Bertin war sich dabei vollkommen bewusst, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen oder Organisationsstrukturen Chinas nicht komplett auf Frankreich übertragbar sein konnten. Es ging ihm vielmehr um eine Neuorientierung Frankreichs in einer ökonomisch expandierenden Welt. Er teilte die Ansicht, dass Frankreichs Stärke nicht auf dem Meer, sondern auf dem Land liege, und strebte mit China eine engere Zusammenarbeit an. China und Frankreich stellten aus Bertins Sicht zwei ähnlich starke Mächte auf zwei Erdteilen dar. Bertins Ziel bestand darin, der ineffizienten französischen Wirtschaft durch eine stärkere Orientierung an der Herrschaftsausübung des chinesischen Kaisers ein wenig esprit chinois einzuimpfen.16 Dies bedeutete hinsichtlich der stetig auftretenden Hungersnöte und den daraus resultierenden Unruhen einen entsprechenden Umgang mit Ressourcen, stellte aber in diesem Kontext auch den zeitgenössisch immer stärker kritisierten und karikierten Luxus des Versailler Hofes und die Rolle der Königin Ma14

Malettke, Klaus: Die Bourbonen, Bd. 2: Von Ludwig XV. bis zu Ludwig XVI. 1715–1789/92, Stuttgart 2008, S. 173 f. 15 Sciama, Cyrille: Le comte de Provence et son surintendant des Bâtiments: un partenariat original. 1771–1791, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 3 (2006), S. 61–76. 16 Lewis, Gwynne: Henri-Léonard Bertin and the Fate of the Bourbon Monarchy. The Chinese Connection, in: Enlightenment and Revolution. Essays in Honour of Norman Hampson, hrsg. v. Malcolm Crook, William Doyle u. Alan Forrest, Burlington 2004, S.  71. Richter, Susan: Pflug und Steuerruder. Zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Aufklärung (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 75), Köln/Weimar/Wien 2015, S. 180–198. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  197

rie Antoinette als ignorante Landesmutter, die das Elend ihrer Untertanen nicht zur Kenntnis nahm, zur Diskussion. Genau in diese mediale Diskussion um die Frage des höfischen Luxus17 stieß Helmans Kupferstichwerk, insbesondere das dritte Blatt um die Lebensmittelverschwendung des Kaisers Kié/Jie. In der Beschreibung des Blattes heißt es: III. Estampe. Kie et Techeou, le premier de la Dinastie de Hia, le second de celle des Chang, sont les deux Empereurs qui ont laissé à la Chine la mémoire la plus odieuse. A ses mauvaises qualités Kie joignait le malheur d’avoir épousé une femme encore plus méchante que lui. On la nommait Mei-Hi, et elle déshonora son règne, non seulement par des atrocités, mais par des actes de démence à peine vraisemblables. Les Annales chinoises racontent que pour lui complaire, Kie fit creuser un Canal asséz profond pour qu’il put porter des bateaux. Il le fit remplir de vin, et ce Prince prenait plaisir à voir ces vils Courtisans s’abreuver sur les bords de ce Canal à la manière des troupeaux. Autour de ce même Canal il avait fait suspendre des quartiers de viandes roties, en si grande abondance, que de loin on les eut pris pour une forêt. Enivrés par le vin, et rassasiés de ces viandes les Compagnons de Kie se livraient ensuite aux plus infâmes excès. Ces folles prodigalités ruinèrent l’Empire; les Peuples se souleverent de toutes parts, et Kie fut enfin dethrôné vers l’An 1766 avant notre Ere. Sa chute entraina celle de sa famille qui avait occupé le Thrône pendant 600 ans. On serait tenté de révoquer en doute un pareil détire, si les règnes de Néron de Caligula, d’Héliogabale ne présentaient pas des scènes aussi absurdes. L’Histoire ne conserve qu’a regret le souvenir de ces monstres mais en les conservant elle prouve qu’un insensé, revètu d’un pouvoir sans bornes, est le plus redoutable fléau des Nations.18 Bertins intendierte physiokratische Reformen, die jedoch zunächst eine selbstkritische Revision und Selbstreform der französischen Monarchie und der Hofhaltung bedingten. Es ging Bertin um eine Rückbesinnung auf die Pflichten der Könige und eine Herrschaft im Dienst der Untertanen im festen Einklang mit der Natur.19 Genau der Natur zuwider handelte jedoch Kaiser Kié/Jie, der Wein als Lebensmittel zu seinem Vergnügen zweckentfremdete und seinen Hofstaat zu einem unüblichen Verhalten, wie Vieh zu trinken, anstiftete. Das Blatt stellte eine willkürliche Demütigung von Mensch und Ressource dar, die jedem Herrschaftsauftrag widersprach, vielmehr den Herrscher als Ursache dieser Missstände entlarvte und kritisierte. Kritik durch die Darstellung der Missstände war das Ziel dieses Blatts, aber auch des gesamten Werkes, was bereits auf dem ersten Stich deutlich wurde. 17 Nach Lynn Hunt transportieren die Karikaturen die enttäuschte Hoffnung auf die Königin als gute Mutter. Hunt, Lynn: The Family Romance of the French Revolution, Los Angeles 1992, S. 49–52. Dazu auch Dies.: The Invention of Pornography. Obscenity and the Origins of Modernity. 1500–1800, New York 1993. 18 IIIE. Estampe, in: Helman, Empereurs de la Chine, o. Pag. 19 Richter, Pflug und Steuerruder, S. 209 ff.

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Das Kupferstichwerk Faits mémorables des empereurs de la Chine bediente sich mit seinem ersten Stich ganz gezielt der Äußerung von Herrschaftskritik, allerdings im chinesischen Verständnis: Das Blatt zeigt einen Mann, der am Eingangstor des Palastes eine Trommel schlägt. In der oberen linken Bildhälfte thront der chinesische Kaiser, bereit zur Audienz. Das Blatt erhielt durch Helman folgende Erklärung: L’Empereur Yao, qui regnait 2357ans avant notre Ere, donna à tous les Princes le grand éxemple de faire parvenir la vérité jusqu’au Thrône. À la porte extérieure de son Palais, il fit placer une Tablette sur laquelle tous ses Sujets avaient droit d’écrire les avis qu’ils croiraient utiles au bien de l’Empire. À côté de la Tablette était un Tambour; celui qui venait d’écrire y frappait; le Prince, averti par le son, se faisait apporter sur le champ ce qu’on avait écrit, et profitait, soit pour rendre justice soit pour réformer l’administration, des lumieres que cet expédient lui avait procurées. Cette sage institution condamne la politique de ces Princes qui font consister la Majesté du Thrône à se rendre inaccessibles à leurs Sujets.20 20 IE. Estampe, in: Helman, Empereurs de la Chine, o. Pag. Europäische Universalgeschichten thematisierten die Einrichtung der Trommel nach Jesuitenberichten bereits Mitte des 18.  Jahrhunderts. Es handelte sich somit um eine durchaus bekannte Einrichtung, die Helman in Szene gesetzt hatte: C’étoit faire sa cour à l’Empereur Yu, que de lui donner des avis sur sa conduite, & il ne croyoit point qu’il y eût d’occupation plus digne d’un Monarque, que celle de rendre la justice aux peuples. Pour cela il se rendoit accessible à toute heure : afin qu’on pût facilement lui parler : il fit attacher aux portes de son Palais une cloche, un tambour, & trois tables, lune de fer, l’autre de pierre, & la troisieme de plomb ; & il fit afficher une ordonnance, par laquelle il enjoignoit à tous ceux qui avoient à lui parler, de frapper sur ces instrumens, ou sur ces tables, suivant la nature des affaires qu’on vouloit lui communiquer. La cloche étoit destinée aux affaires civiles ; le tambour devoit être frappé pour celles qui concernoient les Loix & la Religion ; la table de plomp servoit aux affaires propres du Ministere & du Gouvernement : si on avoit à se plaindre de quelque injustice commise par les Magistrats, on frappoit sur la table de pierre ; & enfin sur la table de fer, lorsqu’on avoit reçu quelques traitemens trop rigoureux. L’Empereur recevoit toujours avec bonté, & même avec une forte de reconnoissance, ceux qui venoient, ou lui donner des avis, ou implorer sa justice. On rapporte qu’un jour il quitta deux fois la table au son de la cloche, & qu’un autre jour il sortit trois fois du bain, pour recevoir les plaintes qu’on venoit lui faire. On trouve dans le Livre canonique, nommé Chu King, les instructions qu’il donna aux Princes pour gouverner sagement leurs Etats, & les regles qu’il prescrivit dans la distribution des charges, & dans la levée des Impôts. Il avoit accoutumé de dire, qu’un Souverain doit se conduire avec autant de précaution que s’il marchoit sur la glace ; que rien n’est plus difficile que de regner ; que les dangers naissent sous les pas du Monarque ; qu’il a tout à craindre, s’il se livre tout entier à ses plaisirs ; qu’il doit fuir l’oisiveté, faire un bon choix de ses Ministres, suivre leurs avis ; & quand il a une fois pris sagement une résolution, il doit l’exécuter sans délai. Ce fut sous son regne qu’un nommé Ytie inventa le vin Chinois: c’est un breuvage qui se fait avec le ris. L’Empereur n’en eut pas plutôt goûté, qu’il en témoigna du chagrin : cette liqueur, dit-il, causera les plus grands troubles dans l’Empire. Il bannit de ses Etats l’inventeur de ce breuvage, & défendit, sous de grieves peines, d’en composer à l’avenir. Cette précaution fur inutile ; on conserva le secret de cette liqueur, & elle fait encore maintenant les délices des tables Chinoises. Pufendorf, Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  199

Kaiser Yao galt als einer der sogenannten Drei Erhabenen und als vierter der fünf Urkaiser der Chinesen.21 Die Urkaiser waren kulturstiftende Heroen aus dem dritten bzw. zweiten Jahrtausend vor Christus, die durch weise Einrichtungen als ewige Vorbilder der Herrschaft dynastieübergreifend gelten konnten. Yao hatte während seiner Regierung die Fragestunden in der sogenannten Halle der Wegkreuzung eingerichtet, um sich über die Meinung des Volkes zu informieren. Kaiser Yu22 hatte dann schließlich die Beschwerdetrommel vor seinem Palasttor errichten lassen, die geschlagen werden sollte, wenn es Beanstandungen am Verhalten von Kaiser und Regierung gab.23 Kunde davon gab etwa Mengzi (370 v. Chr.–290 v. Chr.), ein Gelehrter, dem es gelang, die Lehren des Konfuzius in der Han-Dynastie zur Staatsphilosophie zu erheben und somit die Richtlinien für staatsethisches Verhalten zu fixieren und zu etablieren. Durch Instrumentarien wie die Sprechstunden, die Trommel oder Glocken war frühzeitig in den unterschiedlichen antiken chinesischen Teilreichen die Idee von kritischer Öffentlichkeit etabliert und somit der Untertan aufgefordert, formalisiert und legitimiert Herrschaftskritik zu üben. Dafür wurden auffälliger Weise Musikinstrumente verwendet. Die Trommel gilt als eines der ältesten in Zeremonien eingesetztes Instrument, Trommel und Glocke als lauteste Instrumente.24 Die Urkaiser hatten Tönen und Musik mahnenden bzw. ordnungsstiftenden Charakter zugeschrieben, da sie ein harmonisches Verhältnis zwischen den Untertanen, aber auch zwischen dem Kaiser und den Untertanen herstellten. Der Ton der Trommel, dem rollende Bewegung zugeschrieben wurde, besaß in der chinesischen Musiktheorie eine ermutigende Klangassoziation. Sie verkörperte den Mut des Trommlers und kündigte eine Samuel von/Bruzen de la Martinière, Antoine Augustin: Introduction à l‘histoire generale et politique de l’Univers, Où l’on voit l’Origine, les Révolutions, l’Etat présent, & les Intérêts des Souverains, Bd. 6, Amsterdam 1745, S. 95 f. 21 Die moderne zeitliche Einordnung Yaos bewegt sich etwa im Zeitraum zwischen 2353 und 2234 v. Chr. Zu Yao vgl. Allan, Sarah: Erlitou and the Formation of Chinese Civilization. Toward a New Paradigm, in: JAS 66/2 (2007), S. 462 ff. Gottschalk, Gisela: Chinas große Kaiser, Herrsching 1985, S. 8–14. 22 Kaiser Yu gilt in der alten Überlieferung als Begründer der Xia-Dynastie (?–1600 v. Chr.) und als einer derer, die das Mengzi für seinen Weg menschlicher Herrschaft preist. Diese Könige zerstörten nichts, was sie aufbauten. Xiyuan, Chen: „Shengwang dianfan yu rujia ‚nei xian wai wang‘ de shizhi yihan – yi Mengzi dui Shun de quanjie wei jidian“ [Das Vorbild der weisen Könige und die wesentliche Bedeutung des konfuzianischen ‚Innerlich ein Weiser, äußerlich ein König‘ – auf der Grundlage der Interpretation des Shun durch Menzius], in: Historical Development of Mencius’ Thought, hrsg. v. Junjie Huang, Taipeh 1995, S. 23–67. 23 Wilhelm, Richard (Hg./Übers.): Mong Dsï. Die Lehrgespräche des Meisters Meng K’o (Diederichs Gelbe Reihe, Bd. 42), Köln 1982. 24 Shyu, Mei-Ling: Wechselbeziehungen zwischen Musik und Politik in China und Taiwan, Diss. Masch., Hamburg 2000, S. 33, unter: http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2001/454/ pdf/ShyuDiss.pdf (04.03.2016).

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bestehende Disharmonie zwischen Untertan und Kaiser an, brachte in der Folge eines Gesprächs jedoch idealiter das Gegenteil, die Harmonie, zurück. Gleiches galt für den Kampf, die Trommel signalisierte das Aufeinandertreffen der Truppen und die Auseinandersetzung zwischen ihnen.25 Auch die Glocke stand für den Mut dessen, der sie bediente, um die Zuhörer mit ihrem Klang aufzurütteln. Es bedurfte nach Konfuzius in einer Herrschaft keiner tötenden, ständig strafenden Gewalt gegen die Untertanen. Die tugendhafte Herrschaft und Verwaltung ließ sich stattdessen durch die Kraft des Wesens und der Sitte leiten, wodurch das Volk Gewissen erlange und das Gute erreiche.26 Dazu gehörte, dass der Kaiser sich die Nöte des Volkes anhörte, sich über Defizite der Einrichtungen im Staat belehren ließ. Dies geschah in der alten Herrschaftstheorie der Chinesen, wenn die Trommel geschlagen wurde. Helmans erstes Blatt hatte zwar die Einrichtung der Trommel als Kommunikationsmittel zwischen Herrscher und Untertan einem falschen Kaiser (Yao statt Yu) zugewiesen, eröffnete dem Betrachter aber diese lobenswerte Einrichtung zur Überprüfung von Herrschaft. Helman lenkte den kritischen Blick des Betrachters auf die nachfolgenden chinesischen Herrscher und forderte ihn auf, die kritische Sicht der Bilder einer eigenen Prüfung zu unterziehen. Der Stecher ließ sein Publikum sogar in die Rolle des Kritikers schlüpfen, indem er auf den Tafeln zur schlechteren Herrschaft wie etwa der zu Kaiser Kiés/Jies Vergehen zwei Glocken in das Bild einbaute und sie symbolisch dem Betrachter als intervenierende oder warnende Instrumente zur Verfügung stellte. Das Kupferstichwerk bedurfte eines mündigen, sich seines Verstandes und seiner Urteilskraft bedienenden Betrachters. Es bezog den Betrachter aktiv in das Geschehen mit ein und suchte ihn durch eigene Reflexionen zum Gesehenen zu belehren. Helman hatte eine Auswahl aus den ursprünglich 117 Holzschnitten des bebilderten Fürstenspiegels Dijian tushuo aus der Ming-Zeit für seine Faits mémorables des empereurs de la Chine genommen.27 Konzipiert hatte das Werk der kaiserliche Erzieher Zhang Juzheng (1525–1582) für den zehnjährigen künftigen Kaiser Wanli (1523–1620). Das Werk erfuhr unter den Ming und den nachfolgenden Qing zahl-

25 Kap. „Aufzeichnungen über die Musik“, in: Buch der Riten, Bd. 2, 1990, S. 634. Übersetzung Wilhelm, Richard (Hg./Übers.): Li Gi. Das Buch der Riten, Sitten und Gebräuche (Diederichs Gelbe Reihe, Bd. 31), München 31997, S. 85. Shyu, Wechselbeziehungen, S. 28. 26 Kap. „Wenzheng“ des Lunyu, in: Auslegungen der vier Kanonischen Bücher, 1991, S. 112. Übersetzung Wilhelm, Richard (Hg./Übers.): Kungfutse. Gespräche. Lun Yü (Diederichs Gelbe Reihe, Bd. 22), München 71996, S. 42. 27 Bildquellen zur Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft gelangten kaum, und wenn nur in Form von bebilderten chinesischen Büchern, vor allem aber in Form von Darstellungen auf Reispapiertapeten, nach Europa. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  201

Abb. 3: Kaiser Kié/Jie und die Verschwendung, Zeichnung von Ruan Heng (阮亨), aus: Wenxuanlou Congshu (文選樓叢書 Büchersammlung von Wenxuanlou), 1823, Bd. 1, Kapitel 7, S. 1 und 2

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reiche Wiederauflagen und diente vielen Herrschergenerationen als Lehrwerk.28 Das Dijian tushuo folgte dem gleichen Prinzip wie europäische Fürstenspiegel. Es bot eine Exempelsammlung mythischer und historischer Herrscherfiguren verschiedener Dynastien, an denen die gute und die schlechte Herrschaft in der Nachfolge (oder Ignoranz) konfuzianischer Staatsethik thematisiert bzw. in so genannten gushi hua (narrative paintings from the ancient oder bebilderte Geschichten aus dem Altertum)29 visualisiert wurde (Abb. 3). Geschichte diente also wie in Europa auch an den Höfen verschiedener chinesischer Dynastien zur Unterweisung und Orientierung der Prinzen und vor allem des künftigen Herrschers. Die Jesuiten hegten früh ein großes Interesse an diesem Werk, bot es doch eine kommentierte chinesische Herrschergeschichte, mit der sich der Orden vor Ort in Peking seit dem 17.  Jahrhundert intensiv auseinandergesetzt hatte. Von Martino Martini (1614–1661) und Philippe Couplet (1623–1693) lagen seit der Mitte des 17.  Jahrhunderts genealogische und chronologische Tafeln zur Regierungszeit und Skizzen zivilisatorischer oder politischer Verdienste von chinesischen Kaisern vor. Die Fülle des empirischen Materials, die Tradition und das Alter staatlicher Strukturen in China beeindruckten und polarisierten zugleich. Couplet verwies auf 86 Herrscher in 2457 Jahren Geschichte.30 Er hatte in seinen Tabula chronologica den Europäern bereits umfangreiches Wissen um den Kaiser Fu-shi als Gründer einer ersten Ordnung und Gesetzgeber, die kulturstiftenden Herrscher wie Shennong oder die mustergültigen Monarchen wie Yao oder Shun zur Verfügung gestellt.31 China ver28 Grimm, Martin: Kaiser Qianlong (1711–1799) als Poet (Sinologica Coloniensia, Bd. 15), Stuttgart 1993, S. 16. Auch in Japan wurde es rezipiert. Gerhart, Karen M.: The Eyes of Power. Art and Early Tokugawa Authority, Honolulu 1999, S. 39 f. 29 Zur Tradition der Gushi hua Murray, Mirror of Morality, S. 7 ff. 30 Couplet, Philippe: Tabula chronologica monarchiae sinicae juxta cyclos annorum LX. Ab anno post Christum primo, usque ad annum praesentis saeculi 1683, Paris 1686. Ders.: Tabula genealogica trium familiarum Imperialium Monarchiae Sinicae, Paris 1687, S. XI ff. Zur Einordnung der Tabula und Identifizierung der Angaben von Couplet vgl. Cordier, Henri: Histoire générale de la Chine, Bd. 1, Paris 1920. Mungello, David E.: A Study of the Prefaces to Ph. Couplet’s Tabula Chronologica Monarchiae Sinicae (1686), in: Philippe Couplet, S. J. (1623–1696). The Man who Brought China to Europe, hrsg. v. Jérome Heyndrickx (Monumenta serica, Monograph series, Bd. 22), Nettetal 1990, S. 183–199. Jandesek betont das Vertrauen der Jesuiten in die Autorität der Schriftlichkeit hinsichtlich dieser alten Geschichtswerke der Chinesen. Jandesek, Reinhold: Das fremde China. Berichte europäischer Reisender des späten Mittelalters (Weltbild und Kulturbegegnung, Bd.  3), Diss., Pfaffenweiler 1992, S. 327 f. 31 Martini, Martino: Sinicae historiae decas prima res a gentis origine ad Christum natum in extrema Asia, München 1658. Kley, Edwin J. van: Europe’s „Discovery“ of China, in: American Historical Review 76/2 (1971), S. 363. Witek, John W.: Chinese Chronology. A Source of Sino-European Widening Horizons in the Eighteenth Century, in: Actes du IIIE Colloque

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fügte wie Europa über eine lange Geschichte, über eine Antike. Trotz der kritischen Diskussion um die Rolle der Antike in Frankreich im ausgehenden 17. Jahrhundert in der Querelle des Anciens et des Modernes blieb die Antike gerade hinsichtlich großer Herrscherpersönlichkeiten immer wieder Bezugspunkt und Maßstab. Dies galt gleichermaßen für China. Diese Beobachtung sowie die zahlreicher Ähnlichkeiten hinsichtlich der Herrschaftsauffassungen durch die Jesuiten stellte nicht nur eine Vergleichbarkeit zwischen Europa und China her, sondern führte auch zur weitverbreiteten, wenn auch nicht unkritisch betrachteten zeitgenössischen Ansicht der Vorbildhaftigkeit Chinas. Das Dijian tushuo wurde von den Jesuiten als bebilderte Ergänzung zu ihren historischen und konfuzianischen Studien geschätzt sowie der pädagogische Wert des Fürstenspiegels betont. Denn er zeigte nicht nur die Heroen chinesischer Staatskunst, sondern inszenierte auch ihre Zerstörer. Jies Dynastie der Xia folgte in der alten Überlieferung als erste Dynastie auf die mythischen Kaiser (wie etwa Yao). Sie begann gemäß dem chinesischen zyklischen Geschichtsbild32 mit einem großartigen Begründer der Dynastie (Yu), Jies Tugendverfall und seine Willkürherrschaft brachte ihr das Ende. Gerade die Geschichte seiner furchtbaren Herrschaft und das Wirken seiner Konkubine Moxi/Meixi, die aus Mutwillen gewebte Seide zerriss, weil ihr das Geräusch Befriedigung bot, verbreitete sich durch zahlreiche Abschriften von Jesuiten aus chinesischen Geschichtswerken in Europa schnell.33 So hatte auch Jean Bapinternational de Sinologie, Chantilly 1980. Appréciation par l’Europe de la tradition chinoise à partir du XVIIIe siècle, Paris 1983, S. 227. 32 Schwarz, Ernst: Die Weisheit des alten China. Mythos, Religion, Philosophie, Politik, München 1994, S. 125. 33 Im Lie nü zhuan, einem Werk zu Biographien, von Liu Xiang (77–6 v. Chr.), das im Auftrag des Kaisers Cheng (reg. 48–32 v. Chr.) entstand, heißt es zum unheilvollen Wirken der Konkubine: 桀既棄禮義, 淫於婦人, 求美女, 積之於後宮, 收倡優侏儒狎徒能為奇 偉戲者, 聚之於旁, 造爛漫之樂, 日夜與末喜及宮女飲酒, 無有休時。置末喜 於膝上, 聽用其言, 昏亂失道, 驕奢自恣。為酒池可以運舟, 一鼓而牛飲者三 千人, 昙其頭而飲之於酒池, 醉而溺死者, 末喜笑之, 以為樂。Liu, Xiang ( 劉向: Xinkan Gu Lienü Zhuan (新刊古列女傳 Neu gedruckte Biographien der exemplarischen Frauen der Geschichte), in: Wenxuanlou Congshu (文選樓叢書 Büchersammlung von Wenxuanlou), ed. v. Ruan Heng (阮亨), 1823, Kap. 7, S. 1, unter: http://ctext.org/lie-nvzhuan/xia-jie-mo-xi (14.03.2016). Übersetzung: Jie mißachtete dann Riten und Rechtschaffenheit. Er sündigte an Frauen und ließ Schönheiten in seinen Harem bringen. Er suchte nach Gauklern, die extravagante Unterhaltungen bieten konnten, und ließ ausschweifende Musik spielen. Tags und nachts trank er ununterbrochen mit Mo Xi und anderen Hofdamen. Er setzte Mo Xi auf seine Knie und hörte auf sie. In diesem ordnungslosen Zustand verlor er den rechten Weg, wurde arrogant, verschwendungssüchtig und glaubte sich ständig im Recht. Er ließ einen Teich mit Wein füllen, in dem Boote fahren konnten. Aus diesem Teich ließ er drei tausend Leute auf ein Zeichen der Trommel Wein schlürfen wie Kühe an der Tränke. Dabei ließ er die Köpfe der Leute festhalten, so daß sie nicht Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  205

tiste Du Halde in seinem Kompendium Desription de la Chine34 einen langen Bericht aufgenommen und fand für den ausufernden Luxus dieses chinesischen Kaisers ein europäisches Pendant: Kaiser Nero.35 aufhören konnten zu trinken. Wenn Betrunkene im Teich ertranken, lachte Mo Xi darüber und amüsierte sich. Vgl. zur Rolle der Frauen als Vernichterinnen von Reichen und Dynastien O’Hara, Albert Richard: The Position of Woman in Early China: According to the Lieh nü chuan “The Biographies of Chinese Women”, Taipeh 21978, S. 186 f. 34 Du Haldes Description de la Chine galt lange Zeit als große Synthese allen China-Wissens bzw. als Handbuch für China, basierte auf den bekanntesten Briefen, Berichten und ausgewählten Abhandlungen des Tridentiners Martino Martini und sonst ausschließlich französischer Jesuiten. Ihre Berichte hatte er wörtlich, gekürzt oder stilistisch überarbeitet in sein Kompendium übernommen und sich aufgrund der Auswahl schon der zeitgenössischen Kritik ausgesetzt, ein rein französisches China-Bild zu bieten. Du Halde stand bei der Zusammenstellung des Kompendiums sein Mitbruder und aktiver China-Missionar Contancin zur Seite. Vgl. Demel, Walter: Als Fremde in China. Das Reich der Mitte im Spiegel frühneuzeitlicher europäischer Reiseberichte, Habil., München 1992, S. 41. Lühmann, Werner: Konfuzius. Aufgeklärter Philosoph oder reaktionärer Moralapostel? Der Bruch in der Konfuzius-Rezeption der deutschen Philosophie des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts (Lun Wen – Studien zur Geistesgeschichte und Literatur in China, Bd. 2), Wiesbaden 2003, S. 75. 35 La cruauté & les infamies de cet empereur [ Jié/Kié] l’ont fait regarder comme un monstre. Son nom est encore aujourd’hui dans la même exécration, que l’est en Europe celui de Néron, & l’on ne peut donner à un mauvais prince de titre plus infamant, que de dire que c’est un autre Kié. […] Kié fit creuser un assez grand espace de terre, en forme d’étang, & après l’avoir fait remplir de vin, il ordonna à trois mille de ses sujets de s’y plonger. Il y avait dans son palais un appartement secret, où par l’ordre de l’empereur & de l’impératrice, & en leur présence, on se livrait aux plus abominables débauches. Ces affreux scandales révoltèrent tout l’empire: les princes, les Grands, le peuple étaient sur le point de prendre les armes ; ils furent arrêtés par les ministres du prince, qu’un reste de tendresse attachait encore à sa personne. Ils lui représentèrent, avec respect, ses désordres, & le danger prochain où sa conduite licencieuse & tyrannique l’exposait; mais ces remontrances ne servirent qu’à le rendre plus furieux. Un de ces ministres, qui avait porté la parole, fut condamné à mort, & exécuté en sa présence. La colère de l’empereur ne ralentit pas le zèle de ces sages ministres: ils adressèrent un mémorial à ce prince, où ils lui reprochèrent librement ses meurtres, sa cruauté, & les horreurs de sa vie. A peine en eut-il fait la lecture que transporté de rage, il prit la résolution d’en faire mourir les auteurs. […] Ces violences, qui ne faisaient que croître chaque jour, réunirent tous les ordres de l’État contre le tyran. D’un commun consentement ils choisirent Tching tang pour remplir sa place, & le forcèrent à lui déclarer la guerre. Ce prince vertueux & désintéressé, déclara qu’il n’avait nul droit à la couronne, & que s’il prenait les armes, ce ne pouvait être que pour obliger l’empereur à se reconnaître, & à rentrer dans le devoir. Son armée fut bientôt prête, & chacun des princes lui fournit des troupes. […] Dans un abandon si universel, il eut recours à la feinte & à la dissimulation; il avoua ses crimes, & parut se repentir: la seule grâce qu’il demanda, c’est qu’on lui accordât la vie. Tching tang se laissa fléchir, & persuadé que le changement de l’empereur était sincère, non seulement il le laissa vivre, mais il lui rendit aussi sa couronne. Il quitta aussitôt le commandement de l’armée, & retourna dans son petit État, donnant par là un

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Absetzung als Konsequenz schlechter Herrschaftsführung Kaiser Kiés/Jies schlechte Herrschaft führte zu seiner Absetzung, zu seiner Verbannung, in der alten Überlieferung zum Ende der Xia-Dynastie und zur Auflösung seines Reiches.36 Durch sein Fehlverhalten, so kommunizierten die Faits mémorables des empereurs de la Chine, verlor der Monarch als Konsequenz alles: Würde, Thron, Familie und Reich. Die Absetzung eines Monarchen, der aus Gottes Gnade das Herrscheramt erhalten hatte, war aus europäischer Perspektive nur in seltenen Fällen überhaupt denkbar und durchführbar. Zu Absetzungen kam es in der Frühen Neuzeit, interessanterweise gehäuft im 16.  Jahrhundert im Alten Reich, etwa in Fällen von tatsächlicher oder konstruierter Geisteskrankheit von Fürsten. Geisteskrankheit führte zu Rechtsunfähigkeit und damit zu Regierungsunfähigkeit, die insbesondere bei innerdynastischen Konflikten (etwa um die Einführung der Primogenitur) erreicht werden sollte.37 In der Regel setzte jedoch Gott das Ende der Herrschaft durch den Tod. Der Tod, natürlich durch Gottes Einwirken oder durch Tyrannenmord, brachte den Herrscher direkt vor seinen himmlischen Richter, vor dem er sich für seine Regierungsleistung exemple de modération & de désintéressement, qui fut admiré de tout l’empire. A peine l’empereur se vit-il rétabli sur le trône, qu’il se replongea dans ses vices ordinaires; il fit plus, car il leva à la hâte une armée contre Tching tang qu’il traitait de traître & de rebelle. Tching tang se mit aussitôt à la tête de ses troupes pour se défendre. Mais lorsque les deux armées furent en présence, les soldats de l’empereur l’abandonnèrent, & passant dans l’armée de Tching tang, ils jetèrent leurs armes à ses pieds, & le reconnurent pour leur souverain. Kié n’eut plus de ressource que dans la fuite: il se bannit lui-même en sortant de l’empire, & après trois années d’exil, il finit sa criminelle vie, qui a rendu son nom & sa mémoire exécrables à la postérité. Du Halde, Jean-Baptiste: Description géographique, historique, chronologique, politique, et physique de l’empire de la Chine et de la Tartarie chinoise, enrichie des cartes générales et particulieres de ces pays, de la carte générale et des cartes particulieres du Thibet, & de la Corée; & ornée d’un grand nombre de figures & de vignettes gravées en tailledouce, Bd. 1, Paris 1736, S. 303 f. 36 Zur Xia-Dynastie vgl. Bauer, Wolfgang: China und die Hoffnung auf Glück. Paradiese, Utopien, Idealvorstellungen in der Geistesgeschichte Chinas, München 1989. Die Abfolge der Dynastien stellt die heutige Forschung infrage. Sie geht vielmehr davon aus, dass sich die drei Dynastien um die Vorherrschaft bekämpften. 37 Dazu vgl. grundlegend Midelfort, Erik H.: Verrückte Hoheit. Wahn und Kummer in deutschen Herrscherhäusern, Stuttgart 1996, S. 55–67. Vgl. auch mit knappen Fallskizzen Ders.: Geisteskranke Fürsten im 16. Jahrhundert. Von der Absetzung zur Behandlung, in: Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung 7 (1988), S. 25–40. Troßbach, Werner: Fürstenabsetzungen im 18. Jahrhundert, in: ZHF 13 (1986), S. 425–454. Zu bewusst konstruierter Geisteskrankheit im Sinne von nicht konformem Handeln vgl. Richter, Susan: Abgesetzt wegen blodigkeit – Geisteskrankheit als Legitimationsstrategie für erzwungene Herrscherwechsel am Beispiel Markgraf Christophs I. von Baden, in: ZGO 161 (2013), S. 85–111. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  207

zu verantworten hatte. In der Regel wurde ihm durch Gott die entsprechende Strafe für die schlechte Amtsführung zuteil. Nur der seit der Antike bis in die Frühe Neuzeit in der Staatstheorie thematisierte Tyrannenmord enthob den widerrechtlich Herrschenden seiner Herrschaft und seines Lebens durch den Menschen. Erst Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts schien Absetzung ein geeignetes Mittel, die Herrschaft eines Monarchen zu beenden. Eines der wenigen Beispiele dafür ist Ludwig XVI., der im Kontext der Französischen Revolution und damit in einem Umbruch der politischen Ordnung in Frankreich gewaltsam abgesetzt wurde. Am 26. August 1789 verabschiedete die Nationalversammlung die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. In Art. 3 findet sich die Feststellung der Souveränität: Die Quelle der Souveränität liegt ihrem Wesen nach bei der Nation.38 Keine Körperschaft und kein Individuum können Herrschaft ausüben, die nicht unmittelbar von der Nation ausgeht. Die Verfassungskommission ging von einer Gewaltenteilung nach den Postulaten Montesquieus aus und gestand dem König die Exekutive sowie in der Legislative das suspensive Veto zu. Der König wurde aufgefordert, sich der Verfassung zu unterwerfen. Aus Ludwig, von Gottes Gnaden König von Frankreich und Navarra, wurde nun von Gottes Gnaden und aufgrund der Verfassung des Staates der König der Franzosen. Künftig sollte er nicht nach göttlicher Gnade und historischem Recht, sondern durch Delegation der Nationalversammlung im Dienste der Nation und als deren erster Beamter regieren. Durch die Verfassung wurde jedoch die Heiligkeit und Unverletzlichkeit seiner Person und seines Körpers fixiert, sodass er nicht durch ein anderes Staatsorgan abgesetzt werden konnte. Aber diese demokratische Monarchie hatte keinen Bestand. Elf Monate nachdem Ludwig XVI. die Verfassung beschworen hatte, wurde er von der gesetzgebenden Versammlung zunächst wie ein Beamter vom Dienst suspendiert und dann seines Amtes enthoben, also abgesetzt. Die Absetzung kam im zeitgenössischen Rechtsverständnis dem politischen Tod der Person gleich und machte eine Erbfolge erforderlich. Etwa sechs Wochen später beschloss der Nationalkonvent am 21. September 1792 die Abschaffung der Monarchie und rief die Republik als Nachfolgerin aus. Die Absetzung eines Herrschers war seitens seiner Person unfreiwillig und mit äußerem Zwang (körperlicher oder psychischer Gewalt) verbunden. War dieser so stark, dass die zum Verlust der Macht führenden Handlungen gegen oder zumindest ohne den Willen des Herrschers stattfanden, lag eine Absetzung vor. In Anlehnung an einen Terminus aus dem Strafrecht lässt sich in diesen Fällen von vis absoluta spre38 Sellin, Volker: The Breakdown of the Rule of Law: A Comparative View of the Depositions of George III, Louis XVI and Napoleon I. Murder and Monarchy, in: Murder and Monarchy. Regicide in European History 1300–1800, hrsg. v. Robert v. Friedeburg, Basingstoke 2004, S. 259–289. Walzer, Michael: Regicide and Revolution. Speeches at the Trial of Louis XVI (Cambridge Studies in the History and Theory of Politics), London 1974.

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chen.39 Absetzung bedurfte eines Verfahrens40, wofür es in der Staatstheorie Europas des Ancien Régime keine Strukturen und zeremoniellen Abläufe gab. Doch warum war Ende des 18. Jahrhunderts eine gewaltsame Amtsenthebung eines Monarchen plötzlich eine Option? Die Anforderungen an die Legitimität einer monarchischen Regierung waren durch die Aufklärung in Europa grundlegend neu bestimmt worden. Aufklärung als ständiger Revision alter Wissensbestände und politischer Traditionen unterwarf auch die Monarchie der kritischen Prüfung durch die Vernunft. An die Stelle der Berufung auf die Tradition trat das Argument der Zweckmäßigkeit. Bedeutende Köpfe der europäischen Aufklärung hatten den Monarchen lange genug diese Problematik theoretisch vermittelt und Konzepte zur Reform der Monarchie entwickelt. Sie hatten der Monarchie die Aufgabe angetragen, sich ständig der eigenen Legitimität zu versichern und Strategien zu entwickeln, sich gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Genau in diesen Reformdiskurs41 gehört auch Helmans Faits mémorables des empereurs de la Chine, der 1788 als Warnsignal verstanden werden kann. Die Herrscher Europas durchschauten jedoch die Gefahr ihrer schwindenden Legitimität nicht. König Ludwig XVI. war nun als einer der Ersten durch die Revolution dazu gezwungen worden, sich anzupassen bzw. sich zu unterwerfen. Er hatte die Legitimität seiner Herrschaft verloren, weil sich durch den Wandel des allgemeinen Willens die Vorstellungen von einer legitimen monarchischen Herrschaft weiterentwickelt hatten. Es war der Zeitpunkt verpasst worden, die Monarchie an den Wandel des Volonté générale anzupassen. Damit war aus Sicht der Revolutionäre, insbesondere der Jakobiner, die traditionelle Monarchie in eine Zwangsherrschaft (force) umgeschlagen. Und dieser konnte bzw. musste man sich entledigen. In China war der Empfang, Erhalt und Verlust des himmlischen Mandats und damit die Berechtigung zur Herrschaft hingegen traditionell ausschließlich in der moralischen Qualität der Herrschaft begründet.42 Vermessen an die Unwiderruflichkeit seiner Stellung als Träger des himmlischen Mandats zu glauben, war für einen Herrscher nicht klug, denn das Volk konnte als Organ des Himmels theoretisch den

39 Richter, Susan/Dirbach, Dirk: Einleitung, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. v. dens., Köln/Weimar/Wien 2010, S. 9–21, hier S. 14. 40 Hattenhauer, Hans: Die Abdankung von Monarchen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Eine begriffsgeschichtliche Einleitung, in: ebd., S. 22–29. 41 Minard, Philippe: La ‚réforme‘ en France et en Angleterre au XVIIIe siècle, in: Revue d’Histoire Moderne et Contemporaine 56/4 (2009), S. 5–13. Moreau, Isabelle: Les Lumières en mouvement. La circulation des idées au XVIIIe siècle, Lyon 2009. 42 Zum kosmischen politischen Hintergrund vom Mandat des Himmels vgl. Pankenier, David W.: The Cosmo-Political Background of Heaven’s Mandate, in: Early China 20 (1995), S. 121–176. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  209

Herrscher im Falle seiner pflichtvergessenen Regierung nach entsprechender Erinnerung absetzen.43 Der konfuzianische Gelehrte Mengzi hatte Normen für das Verhältnis von Herrscher und Untertan bzw. einer guten Herrschaft entworfen: Aus seiner Sicht bestand die Verpflichtung des Herrschers aus den Normen von Menschlichkeit (ren) und Gerechtigkeit (yi). Bei Nichteinhaltung rechtfertigte Mengzi den Widerstand gegen ungerechte Herrschaft und im Notfall sogar den Mord am Herrscher, der widerrechtlich und ungesetzlich regierte. Das Recht des Herrschermordes gestand er jedoch nur Ministern, die Verwandte des regierenden Monarchen sind, zu. Die Rechtfertigung des Widerstandes beruhte nach Mengzi auf der Lehre vom Volk (min) als der Grundlage eines Staates. Vom Volk ausgehend konnte also eine Absetzung als Widerstandshandlung gegen einen ungerechten Herrscher erfolgen.44 Die Gefahr des Widerstandes hatte der Herrschende zu bedenken: Der Fürst soll wie ein Schiff sein, das Volk die das Schiff tragenden Wellen: Der Fürst ist das Schiff, seine Untertanen sind das Wasser. Das Wasser ist dasjenige, was das Schiff trägt, aber es kann auch umwerfen, deshalb denkt der Fürst an die Gefahr.45 Die Metaphern von Wasser und Schiff für das Verhältnis von Untertanen und Kaiser spielten auch eine große Rolle im T’ang T’ai Tsung’s Ti chien (Mirror for Emperor46), das Bestandteil einer größeren Fürstenspiegelsammlung, des Liu chien chii yao (Collection of Six Mirrors) ist und in Du Haldes Kompendium Description de la Chine in teilweiser Übersetzung ins Französische vorlag. In den Metaphern von Wasser und Schiff konnte der interessierte Leser den Beleg finden, warum einem jeden Untertanen in China durch den Kaiser Respekt zuteilwerden müsse: Das Wasser hatte die Kraft, das Schiff umzuwerfen. Die Herrschaftsform des Mandats des Himmels deuteten die Jesuiten nach Mengzi als naturrechtlich begründete Herrschaftsübertragung. Sie vermittelten in zahlreichen Schriften Kenntnisse des konfuzianischen Widerstandsrechts nach Europa. Die Patres gaben jedoch ausführlichere Informationen zu Lösungsansätzen aus der chinesischen Geschichte, die nicht primär die Absetzung, sondern die Belehrung des Monarchen und seine Einsicht im Blick hatten. Das Dijian tushuo und die europäisierte Variante der Faits mémorables des empereurs de la Chine, tirés des annales chinoises thematisierte die Absetzung als Strafe für die Vergehen eines Monarchen offen, ohne sie jedoch bildlich zu inszenieren. In den Blick nahm der Fürstenspiegel vielmehr das Vergehen, das zur Strafe führte. Nach Europa gelangte durch die Jesuitenberichte, aber auch durch den hier thematisierten Fürstenspiegel, ein Bild der chi43 Darauf verweist schon Creel, Herlee G.: Confucius. The Man and the Myth, New York 1949, S. 268. 44 Die Herrschaft über die Welt (China) werde verloren durch Ungütigkeit. Forke, Alfred: Die Gedankenwelt des chinesischen Kulturkreises, München/Berlin 1927, S. 185. 45 Tchia-yü I, 12r. Zit. n. Forke, Gedankenwelt, S. 184. 46 Hierbei handelt es sich um einen Terminus in der Sinologie.

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nesischen Herrschaft, die sich stärker als die europäische vor den eigenen Untertanen zu verantworten hatte und sich nicht darauf verlassen konnte, dass ihr Fehlverhalten folgenlos bleiben würde.47 Auch wenn die Absetzung das letzte Mittel der Chinesen blieb und die Beispiele dafür immer nur in längst vergangene Zeiten zurückreichten und nicht die zeitgenössische Gegenwart bestimmten, hatte der kaiserliche Erzieher Zhang Juzheng des jungen zukünftigen Kaisers Wanli bei der Konzeption des Dijian tushuo dem Geschehen doch Aktualität zuerkannt. Die theoretische Möglichkeit und Legitimation zur Absetzung seitens der Untertanen bestand auch bei den Ming. Doch bevor es zu einer Absetzung kam, oblag es dem getreuen Untertanen, den Herrscher zu mahnen.

Fazit Helman hatte mit den Faits mémorables des empereurs de la Chine ein chinesisches Bilderwerk in ein europäisches Medium, den Kupferstich, transferiert. Mit der gleichen Intention des Originals, durch die Bilder zu belehren. Nun besaß die Visualisierung als Vermittlungsstrategie durchaus im zeitgenössischen Diskurs einen hohen Stellenwert: Der Kunsttheoretiker Jean-Baptiste Dubos (1670–1742) ging in seinen Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture aus dem Jahr 1719 davon aus, dass der menschliche Zugang zu Bildern leichter sei, aber nicht die Komplexität der Schrift erreiche. Die Vermittlung von Inhalten durch visuelle Kunst war aus Sicht Dubos’ – in Anlehnung an John Locke – begrenzt, oberflächlich, aber erfolgversprechender als ein Text.48 Auf einem Bild konnten Gegenstände leicht in Beziehung gesetzt und so gut zur Anschauung gebracht werden, deren Verhältnis sonst nur umständlich verbal konstruiert werden musste. Ein Bild könne so schneller als ein Text eine knappe Vorstellung vom Ganzen geben. Wichtig war dabei jedoch, dass zuerst der Gegenstand der Darstellung eine erhebliche Wirkung auf den Betrachter haben müsse, um eine Reaktion beim Betrachter hervorzurufen und ihn zu überzeugen. Die Bedeutung von Visualisierung als Vermittlungsstrategie stand zudem im Einklang mit der zeitgenössischen Vorstellung, dass das Auge bzw. das Sehen in Anlehnung an das Auge Gottes das bedeutendste Sinnbild politischer Klugheit und Erkenntnis weltlicher Herrscher darstellte.49 Der Blick des Herrschers musste nach 47 Das hatte schon Montesquieu bewundernd festgestellt. Weinmann, Rudolf: Denken und Gesellschaft Chinas im philosophischen und politischen Diskurs der französischen Aufklärung (Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit, Bd. 25), Hamburg 2002, S. 220 f. 48 Locke, John: An Essay Concerning Human Understanding, hrsg. v. Peter H. Nidditch, Oxford 1975, S. 519. Kernbauer, Platz des Publikums, S. 103 ff. 49 Frühsorge, Privatklugheit, S. 6 ff., 68 ff. Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  211

diesen Vorstellungen nur auf bedeutende Gegenstände gelenkt werden. Helman hatte mit seinen Faits mémorables des empereurs de la Chine das fürstliche Auge seiner Adressatin und der ganzen königlichen Familie nun symbolisch um die Linse eines Fernrohrs ergänzt, um ihren Blick zur Orientierung auf den weit entfernten Erfahrungsraum China und seine guten und schlechten Herrscher zu richten. Helman versprach sich als Künstler sicher Protektion und nachfolgende Aufträge. Somit zielte er natürlich mit seinem Kunstwerk auf die genannten Betrachter und Öffentlichkeit(en) als ästhetische Urteilsinstanz.50 Sie waren aber auch Adressaten der warnenden Botschaft des Bildwerkes. Die Botschaft bestand im moralischen Appell sowie in der Warnung und Belehrung vor möglichen Konsequenzen des Herrschaftsverlusts. Die Faits mémorables des empereurs de la Chine waren symbolisch die Trommel, die den fürstlichen Betrachter über Missstände informierten – zunächst über die einer entfernten Kultur und über längst vergangene Zeiten. Doch die Themen der Stiche, wie eine zu verschwenderische Hofhaltung, waren übertragbar, die Sachverhalte, wie etwa die Luxuskritik, waren Gegenstand aktuellster Diskussionen in ganz Europa. Noch zielte die zeitgenössische Diskussion in Frankreich auf bloße Kritik, mit der Intention, die Monarchie zu stützen, gleichzeitig aber auch darauf, ihr eine Anleitung zur Selbstreform und zu neuer Legitimation zu geben. Drastische Konsequenzen für den Herrscher (wie etwa die Absetzung) wurden dabei kaum thematisiert. In China oblag es dem getreuen Untertanen, den Herrscher zu mahnen. Nicht selten hatten Berater oder unzufriedene Untertanen mit dem Leben zu bezahlen. Doch es war und blieb über die Jahrtausende ihre Pflicht, die Trommel zu schlagen, sich Gehör zu verschaffen. In einer solchen Pflicht der Ermahnung bzw. richtigen Erziehung, quasi als Trommel, sah sich das Dijian tushuo ebenso wie sein europäisiertes Pendant Faits mémorables des empereurs de la Chine sowie hunderte von europäischen Fürstenspiegeln zuvor. Doch erfolglos. Li Weizhen bedauerte 1604, dass Kaiser Wanli den schlechten Rollenmustern aus dem Dijian tushuo oft und den guten Beispielen nur selten folge.51 Gleiches galt für Helmans Werk und es erscheint als Ironie, dass er 1793 die Hinrichtung des abgesetzten Königs als Bürger Louis Capet in einem Kupferstich festzuhalten hatte.52

50 Zur Rolle des Publikums Fort, Bernadette: Théorie du public et critique d’art, in: SVEC 265 (1989). S. 1485–1488. Kernbauer, Platz des Publikums, S. 89 ff. 51 Murray, Mirror of Morality, S. 4. 52 Helman, Isidore Stanislas Henri: Journée du 21 janvier 1793 la mort de Louis Capet sur la place de la Révolution: présentée à la Convention nationale le 30 germinal. Vgl. dazu Baecque, Glory and Terror, S. 100.

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Die Warnung vor dem unrühmlichen Ende der ­Herrschaft durch Absetzung  215

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Abbildungsnachweis Abb. 1: Bibliothèque nationale de France, RES GR FOL-O2N-624 (1–3) Abb. 2: Bibliothèque nationale de France, RES GR FOL-O2N-624 (1–3) Abb. 3: Xin kan Gu Lie nu zhuan : 8 juan. CT3710 .L58 1930 v.4. Special Collections, University of Virginia, Charlottesville, VA

216  Susan Richter

Personen- und Ortsregister A Aachen 34–35 Abbach bei Kehlheim 35 Adriani, Giovanni Battista (1511–1579) 87–88, 91, 117 Albrecht V. (1528–1579), Herzog von Bayern 118 Ambras, Schloss 15, 22, 25, 43–44 Ammirato, Scipione (1531–1601) 117 Anna (1528–1590), Erzherzogin von Österreich 118 Attiret, Jean-Denis (1702–1768) 190 Augsburg 29–31, 50 Augustinus (354–430) 149 Augustus (63 v. Chr.–15 n. Chr.) 119, 128 B Barberini, Antonio (1569–1646) 155 Bartoli, Cosimo (1503–1572) 86, 106, 112, 125 Bayern 36, 118, 159 Beijing (Peking) 197, 204 Bernardini, Cosimo 180 Bertin, Henri-Léonard J. B. (1720–1792) 189–190, 196–198 Bodin, Jean (1529–1596) 107 Böhmen 22, 57 Boissat, Pierre de (1556–1613) 79, 125 Bologna 153–154, 160, 162, 164–165, 178, 181 Bologna, Bartholomeo Vecchi da 164 Bolzano (Bozen) 159, 168 Bondinari, Girolamo 150 Borghini, Vincenzo (1515–1580) 118 Boulanger, Jean (1606–1660) 153 Bourdieu, Pierre 90 Braunschweig 25, 180 Brescello 159 Bruegel d.Ä., Pieter (1525/30–1569) 25 Brüssel 14, 22–31, 33, 35, 37–39, 42–43, 50–52, 54, 56, 67, 69, 71, 75, 112, 117

Burgund 14, 21, 29, 37–38, 40, 42, 56, 59, 64, 109 C Cannstatt 30–31, 42, Carpegna, Thomaso 156 Carpi 144, 159 Cassius Dio (150–235) 128 Castelnuovo di Garfagnana 159, 170, 172, 181 Cento 147, 169 Christina (1626–1689), Königin von ­Schweden 11, 16, 105 Christoph (1515–1568), Herzog von ­Württemberg 29–32, 42 Cibo, Vittoria (1588–1635) 146, 148 Cini, Giovanni Battista (1528/9–1586) 115,117, 119 Clemens VII. (Giulio de’ Medici) (1478– 1534) 84 Clemens VIII. (Ippolito Aldobrandini) (1536–1605) 145 Codebò, Andrea 153, 156 Concini, Bartolomeo (1507–1578) 88, 112, 116 Concordia 159, 162 Corbola 180 Coudenberg, Palais 29, 37–40 Couplet, Philippe (1623–1693) 204 Cresti, Domenico (gen. Passignano) (1559– 1638) 97, 99 D Dante, Alighieri (1265–1321) 149 Desenzano del Garda 151, 159 Dini, Giovanni 89, 92, 102 Dubos, Jean-Baptiste (1670–1742) 14, 195, 211 E Edward VIII. (1894–1972), König von Großbritannien 17 Personen- und Ortsregister  217

Eleonora von Toledo (1522–1562), Herzogin von Florenz 85, 111, 117 Eleonore von Kastilien (1498–1558) 34 Eppan 162 Erasmus von Rotterdam (1466/69–1536) 36–37, 40–41, 125 Este, Alfonso II. d’ (1533–1597) 145–146 Este, Borso d’ (1605–1657) 180 Este, Cesare d’ (1562–1628) 16, 139, 143, 146, 149–152, 166 Este, Eleonora d’ (vor 1607–1651) 144, 149 Este, Foresto d’ (1606–1639) 180 Este, Francesco I. d’ (1610–1658) 16, 139– 140, 142, 149–154, 157–158, 167–170, 172–173, 177–181 F Ferdinand (1609/10–1641), Kardinalinfant von Spanien 70 Ferdinand I. (1503–1564), Kaiser 23–24, 27–29, 31–32, 35, 41–42, 50, 61, 68, 109, 118 Ferdinand II. (1529–1595), Erzherzog von Österreich 21–22, 24–26, 32, 35, 37, 42–44 Ferdinand II. (1578–1637), Kaiser 164, 168 Fernández, Antonio Aria (1614–1684) 54 Ferrara 118, 121, 145–146, 166 Firmano, Cornelio (1532/3–1588) 122 Flandern 150 Florenz 79, 83–84, 86–90, 93, 95–99, 103– 105, 111–113, 115, 118, 121, 123–124, 126, 128 Fokke, Simon (1712–1784) 63–64 Francken, „Frans der Jüngere“ (1581–1642) 14, 67, 69, 71 Franken 159 Frankreich 57, 85, 108, 150, 168, 191, 197, 205, 208, 212 G Gallait, Louis (1810–1887) 71–74 Genova, Francesco (il Neri) da 154 Georg Friedrich (1573–1638), Markgraf von Baden-Durlach 11

218  Personen- und Ortsregister

Giambologna (Giovanni da Bologna) (1529– 1608) 96–97 Giannelli, Milano 175, 159 Görz 32, 180 Großbritannien 9 Guerenghi, Marcello 159, 175 H Heidelberg 12–13, 18, 79 Helfenrieder, Christoph (1590–1635) 172– 174, 176, 179 Helman, Isidore Stanislas Henri (1743– 1809) 189–193, 196–197, 199, 201, 211–212 Hobsbawm, Eric 100 Hogenberg, Franz (1535–1590) 17, 58–60, 62, 64–65, 73–74 Holland 9, 190 Honorius III. (Cencio Savelli) (um 1148– 1227) 167 I Il Guercino (Giovanni Francesco Barbieri) (1591–1666) 141, 147–149, 170 Innsbruck 15, 20, 22, 30–31, 43, 154, 159, 162–163, 173, 180 Isola della Scala 159 Italien 16, 68, 80, 85–86, 94, 106–108, 112–113, 118, 121–122, 145 J Johann II. Kasimir (1609–1672), König von Polen 105 Johanna (1547–1578), Erzherzogin von Österreich 118–120 Johannes der Täufer 154, 163, 167 Joyeuse, Henri de (1563–1608) 168 K Kantorowicz, Ernst 108 Karl V. (1500–1558), Kaiser 11, 17, 20–22, 24, 26–28, 35–43, 50, 53–55, 57, 60–64, 67–71, 74, 82, 85–86, 93, 95, 103, 105, 108–113, 117, 123, 125, 155, 157 Köln 60, 170

L La Verna, Kloster 151 Laktanz (um 250–nach 317) 148 Lapini, Agostino (1515–1592) 88–89, 102, 104–105, 121, 124 Le Brun, Jacques 17, 80 Leo X. (Giovanni de’ Medici (1475–1521) 84, 94 Leopold I (1790–1865), König von Belgien 71, 73. Leopold I. (1640–1705), Kaiser 54 Leopold V. (1586–1632), Erzherzog von Österreich 163–164, 172–173, 180 Locke, John (1632–1704) 14, 211 London 17, 37 Loves, Matteo 169–171, 179 Lucchesini, Federico 168 Ludovisi, Ludovico (1595–1632) 159, 166 Ludwig XVI. (1754–1793), König von Frankreich 189–190, 208–209 Lüneburg 180 Lünig, Johann Christian 51–52, 56–57, 61 M Machiavelli, Niccolò (1469–1527) 122 Madrid 54, 121 Malatesta, Adeodato (1806–1891) 179 Maria (1505–1558), Statthalterin der Spanischen Niederlande 38, 56, 60–61, Martini, Martino (1614–1661) 204, 206 Maximilian II. (1527–1576), Kaiser 42, 50, 57, 61, 100, 123 Medici, Alessandro (il Moro) de’ (1510– 1537) 84, 93 Medici, Claudia de’ (1604–1648) 163 Medici, Ferdinando I. de’ (1549–1609) 97, 99, 102, 163 Medici, Ferdinando II. de’ (1610–1670) 100, 114, 122 Medici, Francesco I. de’ (1541–1587) 15, 79, 86–92, 97, 99–100, 102–116, 118–126 Medici, Garzia de’ (1547–1562) 117 Medici, Giovanni (dalle Bande Nere) de’ (1498–1526) 83, 94

Medici, Giovanni de’ (1543–1562) 117 Medici, Giulio de’ (1479–1516) 84 Medici, Lorenzo II. de’ (1492–1519) 84 Medici, Lorenzo il Magnifico de’ (1449– 1492) 79, 94 Medici, Maria de’ (1575–1642) 79 Medici, Virginia de’ (1568–1615) 16, 163 Meran 16, 139, 143, 148, 158, 162–163, 167, 169–170, 172–173, 178–179 Meusburger, Silverius (1582–1638) 159, 175 Modena 16, 139–148, 150, 153, 156–159, 162–163, 166–173, 175, 177–181 Modena, Pietro da 156–157, 159, 175 Molza, Camillo 158, 163 Monte Penna 151 Montemurlo 85 München 172 Muratori, Lodovico Antonio (1672–1750) 145, 147 N Navarra 208 Neapel 85–86, 103 Neumarkt 162 Niccolini, Agnolo (1500–1566) 103 Niederlande 12, 29–30, 41, 50, 56, 61–65, 68–70, 74 Noto, Giovanni Maria Minniti da 154 O Oberpfalz 180 Oranien, Wilhelm von (1533–1584) 57– 58, 61–62, 64–65, 72–71, 73–74 Ostia 159, 162 P Parma 158, 163 Pepoli, Ercole 145–148, 151 Pepoli, Filippo 147–148, 151 Pepoli-Contrari, Laura 145–146 Perini, Ambrosius 159, 175 Persenone (Brixen) 162 Philipp II. (1527–1598), König von Spanien 50, 54, 57–58, 62, 64, 68–71, 73–74, 86, 102–103, 106, 111, 123, 143 Personen- und Ortsregister  219

Piacenza, Feliciano da 153, 158 Pisa 116 Pius IV. (Giovanni Angelo Medici) (1499– 1565) 86, 121 Pius V. (Antonio Michele Ghislieri) (1504– 1572) 86, 121 Priuli, Lorenzo 112–113 Provence, Comte de (Ludwig XVIII.) (1755– 1824) 189, 197 Q Qianlong (1711–1799), Kaiser von China 190 Quellinus, Jan Erasmus (1634–1715) 54 R Reggio Emilia 16, 139–140, 144, 150, 157–159, 175, 178 Reverelli, Lucrezia Pio 146 Rom 84, 114, 121, 154–156, 158, 163, 181 Rovere, Guidobaldo II. della (1514–1574), Herzog von Urbino 106, 116 Rovereto 162 Rubiera 159 S Salò 159 Salviati, Maria (1499–1543) 83 Sasuolo 145, 152–155, 157–159, 162, 165, 169, 178 Savoia, Anna Beatrice di (1626–1690) 143 Savoia, Carlo Emmanuele I. di (1562–1630) 143, 147 Savoia, Carlo Emmanuele Pio di (1585– 1641) 146 Savoia, Emmanuele Filiberto di (1528–1580) 112 Savoia, Filiberto Emmanuele di (1528–1580) 112 Savoia, Isabella di (1591–1626) 143–145, 147–150, 175, 178 Savoia, Marie Joséphine Louise di (1753– 1810) 189 Savoyen 106, 112, 143, 147, 175, 178, 189–190

220  Personen- und Ortsregister

Scandiano 159, 162 Scapinelli, Antonio 153, 156 Schnalstal 172 Sestola 159 Sestola, Giovanni Albinelli da 142, 155– 156, 163 Siena 79, 86, 88, 90, 102–104, 108, 112– 115, 121, 123, 128 Slanders 162 Spaccini, Giovanni Battista (1570–1636) 141, 150 Spanien 20–21, 37, 42, 50, 68–70, 103, 109,111, 114–115, 143 Spontone, Ciro (um 1552–um 1613) 146 Sterzing 163 Stuttgart 42–43 Südtirol 16 T Testi, Fulvio (1593–1646) 181 Thurn, Franz von (1508–1586) 32, 42 Tirol 22, 32, 139, 151, 156, 158, 162–163, 170, 178 Toledo 85, 111, 117 Torre, Francesco della (1518–1565) 32 Torri, Girolamo 156–157 Toskana 15, 79, 82–83, 88, 92, 105, 107, 115, 118, 120–122, 147 Trento (Trient) 159, 162 Triest 180 Tritonio, Giovanni Battista 159, 175 Turner, Victor W. 90 U Urban VIII. (Maffeo Barberini) (1568– 1644) 154, 156 V Valckenborch, Lucas van (1535 (?)–1597) 25 Vasari, Giorgio (1511–1574) 94–95, 97, 105, 118–119, 126–128 Venedig 32, 86, 106, 112, 114 Verona 159, 162 Versailles 191, 197

Vinta, Francesco (?–1570) 89, 91

Württemberg 24, 29–32, 42–43

W Wagenaar, Jan (1709–1773) 65 Wien 24–25, 32, 121, 163, 180

Z Zapf, Johann Ernst 11–12

Sachregister A Abdankungsakt 9, 12, 40, 50–54, 56–57, 74, 141, 144, 156–158, siehe auch actus resignationis Abdankungsprozess 9, 16, 142–143, 152, 156, 167 Absetzung 12, 16, 189–190, 194, 207–212 actus resignationis 12 Amnestie 151 Amtsaufgabe 13, 80 Amtseinsetzung 13 Amtsenthebung 209 Amtsinhaber 10, 12, 43, 196 Amtsniederlegung 40–41, 105, 122, 128 Amtsverzicht 10, 12, 79–83, 87, 91, 110, 117–119, 123, 128 Asyl 146 Attentat 147 autorità suprema 87, 107, 109–110, 116, 119, 125

C Chorhemd 166, 175, 177

B Beichtvater 139, 142, 144, 150, 152, 154 Bibel 17, 151, 172 Bildtheorie 53 Biographie 63, 79, 83, 139, 142, 164, 169, 173 Buße 142, 149, 178 Büßergewand, cilicium 166, 177

F Franziskanerorden 139, 150,151, 155, 167 Freitod 148 Fürstenspiegel 16, 36, 43, 125, 189–191, 194–197,201, 204–205, 210, 212

D Dreißigjähriger Krieg 180 Dynastie 13, 15, 18, 28-29, 56, 79, 100, 105, 114, 118, 124, 143, 169, 179, 190, 200, 204–207 dynastische Kontinuität 54, 73, 91, 105 E Einkleidung 159, 162, 164–167, 173, 176–179 Einsetzung 87, 91, 93–94, 99–102, 105– 106, 110, 124 Erbe 64, 69, 91,146, 156 Erbfolge 146, 152, 208 Erbstreit 147 Este, (d’) 118, 139, 143, 145–147, 150, 152–153, 168–169, 177, 180

G Geisteskrankheit 207 Gelübde 167, siehe auch Profess Geschichtsbild 15, 70, 74, 205 Sachregister  221

Gott 10, 12, 20, 36, 43, 57, 104, 109, 139, 144, 149, 152, 154, 164, 167–168, 178, 207–208 Gottesgnadentum 153, 168, 178 Großherzog 15–16, 83, 97, 99–100, 107, 110, 115, 121–125, 147, 163 H Habsburg, (von) 15, 23, 28, 30–31, 33, 37, 42–43, 50, 54, 57–58, 61–62, 66–70, 73–74, 118, 120–121, 143–144, 164, 180 Hagiographische Konzeption 142 Handkuss 94, 97, 99–100, 102, 105, 124 Heiratspolitik 143 Herrschaftskritik 191, 199–200 Herrschaftsverständnis 10 Herrscherikonographie 53–54 Herrschertod 61, 109, 123, 152, 156, 158, 165 Historiengemälde 66, 70, 72 Hochaltar 175 Hochzeit 97, 120, 143. Huldigung 12, 64, 100, 102–104, 123–124 I Insignien 68, 172, 178 Inszenierung 9, 14–17, 23, 26, 31, 54, 81, 83, 117, 119, 124 J Jesuitenorden 150, 154, 190, 197, 199, 204–206, 210 K Kapuzinerorden 139–140, 143, 150–151, 153, 155–157, 159, 162–163, 166, 173, 175, 178 Kardinalprotektor 155, 159, 162, 166 Klarissenorden 144 Kloster 68, 110, 139, 144, 148, 151, 153, 155–156, 158–159, 162–164, 167–169, 178, 181 Kommunikation 13, 16, 28–31, 42, 52, 90–91, 105–107, 111, 115, 123–124, 128, 201

222  Sachregister

Kommunikationsstrategien 13, 80–82, 89, 105 Körper 12, 17, 33, 35–37, 40–41, 43–44, 68, 108, 110, 208 Krone 9–10, 43, 50, 56, 68, 121–122, 126, 128, 172, 197 Krönung 12, 54, 92, 121–123, 165 Kupferstich 15, 17, 51, 58, 60–62, 65, 162, 189–191, 196–199, 201, 211–212 Kurie 110, 121, 154–155 L Lehnsherr 80, 147, 152, 164, 168 Lettner 177 Liturgie 164 M Machtverlust 17 Machtverzicht 12, 119, 125–126, 128 Mars, römischer Kriegsgott 148 Matthäusevangelium 151–152 mediale Inszenierung 81, 123 Medici, (de’) 15–16, 79–80, 82–86, 88, 92–95, 99–102, 107–108, 111–112, 114–117, 119–121, 123–124, 126, 128, 163, 169 Medien 9–10, 13, 16, 164, 169, 178, 194 Melancholie 17, 21, 35 Metapher 15–17, 33, 158, 191, 210 Mitgift 143 Monarchie 10, 85, 90–92, 108, 198, 208– 209, 212, siehe auch Universalmonarchie N Nachfolger 12, 16, 51, 53–54, 86, 91, 102, 106, 108, 122, 124–125, 142, 151–152, 154, 158, 163, 167, 178–179, 181, 208 Nachwelt 13–15, 18, 32, 51–52, 60, 73–74, 81–82, 124, 126, 145 O Öffentlichkeit 9, 44, 50, 62, 86, 90, 94, 100, 104, 112, 116, 165, 168, 178, 200, 212 Orden vom Goldenen Vlies 113 Ordenseintritt 16, 144–145, 149–152,

154–155, 164–165, 168, 172, 177–178, 180 Ordenskonstitutionen 164, 173 P Papst 10, 56, 84, 86, 107, 110, 112, 120– 123, 145, 147, 154–156, 159, 164–165, 167, 178, 180 Post 30, 32 Prädestination 142, 153, 167 Privatleben 10 Profess 159, 162, 164, 167, 173, 178–179 Proklamation 93, 151, 158 Publikum 71, 165, 201 R Rechtsakt 12, 73–74 Rechtsperson 12 Reform 139, 167 Reformation 20, 41, 62 Regentschaft 41, 53, 110–111, 114, 125– 126 Regierungsantritt 12 Regierungswechsel 20, 85, 92 Reichsitalien 140, 146 Reise 22, 24, 27, 30–33, 35, 37, 42–44, 139, 150, 158–159, 162–164, 169, 178, 180, 194 Republik 69–70, 74, 84–86, 90–93, 100– 104, 106, 108, 123, 168, 208 resignatio 42, 69 Resignation 15, 23, 42–44 Reue 151 Ritual 53, 57, 74, 90–93, 97, 99, 104–105, 124, 190 Rücktritt 9–10, 14, 16–18, 21, 27, 32–33, 36, 41–43, 51, 82, 89, 105, 116, 123, 126 Ruhestand 10 S Schuld 148–149 Seelenheil 149, 178 Selbstmord 148–149, 153, 178, siehe auch Freitod Selbstrepräsentation 81–82

Sturz 17, 26 Sünde 148–149, 178 T Teilverzicht 80, 116, 123–124 Testament 29, 36, 91, 141, 146, 156–157 Theatinerorden 156–157 Thronfolge 9, 50, 150–151 Titulatur 158 Tod 10, 16, 20, 39, 52–54, 80, 86, 99, 102, 108–109, 113–118, 123–125, 139, 142– 145, 148–152, 154, 158, 165, 172, 178, 181, 207–208 Tonsur 165, 172–173 Trauer 61, 117, 143–145 U Universalmonarchie 41, 62, 67–69 Untertan 60, 80, 86–87, 89, 94, 100, 102, 104–106, 115–117, 125, 153, 166, 178, 191, 194, 198, 200–201, 210–212 Urkunde 57–58, 61, 68, 81, 84, 87–88, 93, 95, 99–100, 102, 108–109, 114 V vanitas 172 Vermittlungsstrategien 13, 191, 195 Verzicht 12, 17, 20, 42, 74, 80, 82–83, 110, 112, 118, 120, 128, 150, 172, siehe auch resignation und Resignation Visualisierung 66, 211 vita activa 40 vita contemplativa 40 W Wappen 68, 177, 190 Welfen 180 Z Zepter 119, 126, 172 Zeremoniell 13, 16, 52, 56, 58, 64, 74, 81, 90–92, 94, 105, 124 Zeuge 37

Sachregister  223