Einführung in die Statistische Physik und Thermodynamik: Grundlagen und Anwendungen 9783486711387, 9783486702057

Eine umfassende und anschauliche Einführung in die Grundlagen und Anwendungen der Statistischen Physik und Thermodynamik

218 101 2MB

German Pages [244] Year 2010

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Table of contents :
Einleitung
1. Grundlagen der Statistischen Physik
1.1. Zustände in der Quantenmechanik
1.1.1 Zustände, Observable, Erwartungswerte
1.1.2 Beispiele für gemischte Zustände
1.1.3 Die Zeitentwicklung
1.2 Statistische Beschreibung eines Systems
1.3 Nichtwechselwirkende Teilchen in einem Kasten
1.4 Energieänderung eines makroskopischen Systems
1.5 Entropie und Temperatur
1.5.1 Gleichgewicht und Randbedingungen
1.5.2 Makroskopische Systeme im thermischen Kontakt
1.5.3 Quasistatische Änderungen der Energie
1.5.4 Ideales Gas
1.6 Systeme im Kontakt mit der Umgebung
1.6.1 Wärmeaustausch
1.6.2 Wärme- und Teilchenaustausch
1.7 Übungsaufgaben
2. Thermodynamik
2.1 Die Hauptsätze der Thermodynamik
2.2 Thermodynamische Potentiale
2.2.1 Definition von extensiven und intensiven Größen
2.2.2 Legendre-Transformationen und thermodynamische Potentiale
2.2.3 Die kalorische Zustandsgleichung
2.2.4 Materialgrößen
2.2.5 Die Adiabatengleichung
2.3 Wärmemaschinen und Wärmereservoire
2.4 Gleichgewichtsbedingungen
2.4.1 Gleichgewicht bei Austauschprozessen
2.4.2 Stabilitätsbedingungen
2.4.3 Chemische Reaktionen und Reaktionsgleichgewicht
2.5 Gleichgewicht zweier Phasen einer Substanz
2.6 Übungsaufgaben
3 Thermodynamik idealer und realer Gase
3.1 Das van der Waals-Gas
3.2 Ideale Gase und die Adiabatengleichung
3.3 Freie Expansion eines Gases
3.4 Der Joule-Thomson-Effekt
3.5 Die Schallgeschwindigkeit
3.6 Ideale Gase und das Daltonsche Gesetz
3.7 Reaktionsgleichgewichte idealer Gase
3.8 Verdampfung und Verdunstung
3.9 Übungsaufgaben
4 Methoden der Statistischen Physik
4.1 Zustandssummen und thermodynamische Potentiale
4.2 Zusammenfassung: Statistik – » Thermodynamik
4.3 Alternative Herleitung der Ensembles
4.4 Die klassische Näherung
4.4.1 Vorbetrachtungen
4.4.2 Zustandssummen in klassischer Näherung
4.4.3 Die klassische Näherung am Beispiel des idealen einatomigen Gases
4.5 Übungsaufgaben
5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung
5.1 Die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung
5.2 Die barometrische Höhenformel
5.3 Der Gleichverteilungssatz
5.4 Das zweiatomige ideale Gas
5.5 Ortho- und Parawasserstoff
5.6 Wärmekapazität eines Systems mit zwei Energieniveaus
5.7 Verdünnte Lösungen
5.7.1 Die freie Enthalpie von verdünnten Lösungen
5.7.2 Der osmotische Druck
5.7.3 Die Siedepunktserhöhung
5.7.4 Die Dampfdruckerniedrigung
5.7.5 Das Henrysche Gesetz
5.8 Ionisierung einatomiger idealer Gase
5.9 Festkörper: Wärmekapazität des Gitters
5.10 Ideale Spinsysteme: Paramagnetismus
5.11 Adiabatische Entmagnetisierung
5.12 Ideale Quantengase
5.13 Das Photonengas
5.14 Ideales Bose-Gas
5.15 Ideales Fermi-Gas
5.16 Magnetische Eigenschaften des idealen Fermi-Gases
5.16.1 Magnetfelder und thermodynamische Potentiale
5.16.2 Der Pauli-Paramagnetismus
5.16.3 Der Landau-Diamagnetismus
5.16.4 Der de Haas-van Alphen-Effekt
5.17 Para- und Diamagnetismus im Festkörper
5.17.1 Nichtmetall
5.17.2 Metall
5.18 Übungsaufgaben
6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung
6.1 Reales Gas: Cluster- und Virialentwicklung
6.2 Die van der Waals-Gleichung
6.3 Der Phasenübergang gasförmig - flüssig
6.4 Oberflächeneffekte bei der Dampfkondensation
6.5 Zustandsgleichung eines Plasmas mit niedriger Dichte
6.6 Der Ferromagnetismus
6.7 Übungsaufgaben
7 Annäherung an das Gleichgewicht
7.1 Mastergleichungen
7.1.1 Bilanzgleichungen
7.1.2 Magnetische Resonanz
7.2 Die Boltzmann-Gleichung
7.3 Transportphänomene in Metallen
7.4 Temperaturausgleich
7.5 Übungsaufgaben
Lösungen der Übungsaufgaben
Liste der wichtigsten verwendeten Symbole und Abkürzungen
Tabellen
Literaturverzeichnis
Register
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Einführung in die Statistische Physik und Thermodynamik: Grundlagen und Anwendungen
 9783486711387, 9783486702057

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Einführung in die Statistische Physik und Thermodynamik Grundlagen und Anwendungen von Dr. habil.Walter Grimus

Oldenbourg Verlag München

Dr. habil. Walter Grimus studierte Physik und Mathematik an der Universität Wien, wo er 1978 mit einer Arbeit über Teilchenphysik promovierte. Er war zwei Jahre am CERN tätig, habilitierte sich 1988 in Theoretischer Physik und ist seitdem außerordentlicher Universitätsprofessor an der Universität Wien. E-mail: [email protected] Zum Titelbild: Mit der Rotation des Wasserstoffmoleküls assoziierte Wärmekapazitäten. Für Details siehe Unterkapitel 5.5.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2010 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Kristin Berber-Nerlinger Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Grafik + Druck GmbH, München ISBN 978-3-486-70205-7

Vorwort Dieses Buch ist aus einer 4-st¨ undigen einsemestrigen Vorlesung u ¨ber Statistische Physik und Thermodynamik entstanden und setzt Grundkenntnisse der klassischen Mechanik, Elektrodynamik und besonders der Quantenmechanik voraus. Das urspr¨ ungliche Vorlesungsmanuskript ist um eine Reihe von Themen erweitert worden, bzw. einige Themen werden detaillierter dargestellt. Das Buch enth¨ alt also betr¨achtlich mehr Material, als man in einem Semester vortragen kann. Neben den Konzepten der Statistischen Physik liegt der Schwerpunkt des Buches auf dem Gleichgewicht von Systemen nichtwechselwirkender Teilchen, wo die Sch¨onheit der Statistischen Physik voll zum Ausdruck kommt, ohne wesentlich durch technische Schwierigkeiten getr¨ ubt zu werden. In diesem Sinne werden von manchen Themen diffiziler Natur nur die Grundlagen bzw. einige ausgew¨ahlte Aspekte besprochen. Das trifft z.B. auf Phasen¨ uberg¨ ange zweiter Ordnung und die Diskussion von Nichtgleichgewichtssystemen zu. In solchen F¨ allen wird auf geeignete Literatur verwiesen. Das Buch ist auch zum Selbststudium geeignet, vorausgesetzt man besitzt die oben erw¨ahnten Kenntnisse. Bei der numerischen Auswertung von Formeln werden f¨ ur Gr¨oßen wie L¨angen, Massen und Energien dem Problem angepasste Einheiten verwendet. Z.B. wird f¨ ur die Energie im atomaren Bereich die Einheit Elektronvolt, im makroskopischen Bereich Joule ben¨ utzt. F¨ ur den Druck wird neben Pascal auch 1 bar = 105 Pa verwendet. Um elektrodynamische Zusammenh¨ ange darzustellen, halte ich mich an das in der theoretischen Physik bevorzugte Gaußsche System. Bei den im Buch vorkommenden F¨allen ist die Transformation auf SI-Einheiten fast durchwegs trivial. Dort, wo das nicht der Fall ist, wird die Umrechnung erl¨ autert. Mathematische Sachverhalte, die f¨ ur die Er¨orterung von physikalischen Problemen notwendig sind, werden ohne Beweis in Form von Theoremen dargeboten und dadurch von der physikalischen Argumentation abgegrenzt. Bei der Abfassung des Buches habe ich mir von vielen Lehrb¨ uchern Anregungen geholt. Folgende B¨ ucher m¨ ochte ich besonders hervorheben: F. Reif, Fundamentals of Statistical and Thermal Physics, T. Fließbach, Statistische Physik, und Yu.B. Rumer und M.Sh. Ryvkin, Statistical Physics and Kinetics. Ganz besonders m¨ochte ich in diesem Zusammenhang die Vorlesung Thermodynamik, Theoretische Physik 4“ von Prof. ” Peter Hertel erw¨ ahnen, die er im Wintersemester 1974/75 an der Universit¨at Wien gehalten hat. Mit dieser Vorlesung hat er mein Interesse an der Statistischen Physik geweckt und damit einige Teile des Buches beeinflusst. Bei Regina Hitzenberger, Martin Neumann, Eduard Oberaigner und Jakob Yngvason bedanke ich mich f¨ ur wertvolle Diskussionen und Hinweise und bei Herrn Patrick Ludl f¨ ur das Korrekturlesen des Vorlesungsmanuskripts. Besonderer Dank geb¨ uhrt meiner Frau f¨ ur ihre unersch¨ utterliche Unterst¨ utzung w¨ahrend der langen Zeit der Abfassung des Buches. Wien, Juli 2010

Walter Grimus

Inhaltsverzeichnis Einleitung

1

1

Grundlagen der Statistischen Physik

5

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3

Zust¨ ande in der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zust¨ ande, Observable, Erwartungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele f¨ ur gemischte Zust¨ ande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zeitentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 5 7 9

1.2

Statistische Beschreibung eines Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.3

Nichtwechselwirkende Teilchen in einem Kasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.4

Energie¨ anderung eines makroskopischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4

Entropie und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichgewicht und Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Makroskopische Systeme im thermischen Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Quasistatische Anderungen der Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.6 1.6.1 1.6.2

Systeme im Kontakt mit der Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 W¨ armeaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 W¨ arme- und Teilchenaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

1.7

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2

Thermodynamik

2.1

Die Haupts¨ atze der Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5

Thermodynamische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition von extensiven und intensiven Gr¨oßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legendre-Transformationen und thermodynamische Potentiale . . . . . . . . . Die kalorische Zustandsgleichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materialgr¨ oßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Adiabatengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3

W¨ armemaschinen und W¨ armereservoire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3

Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichgewicht bei Austauschprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilit¨ atsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische Reaktionen und Reaktionsgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 18 19 21 22

27

29 29 29 31 33 38

41 41 42 43

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.5

Gleichgewicht zweier Phasen einer Substanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

2.6

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

3

Thermodynamik idealer und realer Gase

3.1

Das van der Waals-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

3.2

Ideale Gase und die Adiabatengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

3.3

Freie Expansion eines Gases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

3.4

Der Joule-Thomson-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

3.5

Die Schallgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

3.6

Ideale Gase und das Daltonsche Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

3.7

Reaktionsgleichgewichte idealer Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

3.8

Verdampfung und Verdunstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

3.9

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

4

Methoden der Statistischen Physik

4.1

Zustandssummen und thermodynamische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4.2

Zusammenfassung: Statistik → Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

4.3

Alternative Herleitung der Ensembles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3

Die klassische N¨ aherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustandssummen in klassischer N¨ aherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die klassische N¨ aherung am Beispiel des idealen einatomigen Gases . . . .

4.5

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

5

Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

5.1

Die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

5.2

Die barometrische H¨ ohenformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

5.3

Der Gleichverteilungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

5.4

Das zweiatomige ideale Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

5.5

Ortho- und Parawasserstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

5.6

W¨ armekapazit¨ at eines Systems mit zwei Energieniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . 95

5.7 5.7.1 5.7.2 5.7.3 5.7.4

Verd¨ unnte L¨ osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die freie Enthalpie von verd¨ unnten L¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der osmotische Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Siedepunktserh¨ ohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Dampfdruckerniedrigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

67

75 75 76 78

81

97 97 99 100 102

Inhaltsverzeichnis

IX

5.7.5

Das Henrysche Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

5.8

Ionisierung einatomiger idealer Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

5.9

Festk¨ orper: W¨ armekapazit¨ at des Gitters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

5.10

Ideale Spinsysteme: Paramagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

5.11

Adiabatische Entmagnetisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

5.12

Ideale Quantengase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

5.13

Das Photonengas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

5.14

Ideales Bose-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

5.15

Ideales Fermi-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

5.16 5.16.1 5.16.2 5.16.3 5.16.4

Magnetische Eigenschaften des idealen Fermi-Gases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetfelder und thermodynamische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Pauli-Paramagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Landau-Diamagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der de Haas-van Alphen-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.17 5.17.1 5.17.2

Para- und Diamagnetismus im Festk¨ orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Nichtmetall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Metall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

5.18

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

6

Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

6.1

Reales Gas: Cluster- und Virialentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

6.2

Die van der Waals-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

6.3

Der Phasen¨ ubergang gasf¨ ormig – fl¨ ussig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

6.4

Oberfl¨ acheneffekte bei der Dampfkondensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

6.5

Zustandsgleichung eines Plasmas mit niedriger Dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

6.6

Der Ferromagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

6.7

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

7

Ann¨ aherung an das Gleichgewicht

7.1 7.1.1 7.1.2

Mastergleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Bilanzgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Magnetische Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

7.2

Die Boltzmann-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

7.3

Transportph¨ anomene in Metallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

7.4

Temperaturausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

140 140 141 142 146

153

181

X 7.5

Inhaltsverzeichnis ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

¨ L¨ osungen der Ubungsaufgaben

199

Liste der wichtigsten verwendeten Symbole und Abk¨ urzungen

215

Tabellen

219

Literaturverzeichnis

223

Register

227

Einleitung Die Statistische Mechanik, als deren Begr¨ under James Clark Maxwell, Ludwig Boltzmann und Josiah Willard Gibbs angesehen werden, ist eine physikalische Disziplin, die sich mit makroskopischen Systemen besch¨ aftigt und versucht, deren Gesetzm¨aßigkeiten aus mikroskopischen Befunden herzuleiten. Die Thermodynamik, die sich ebenfalls mit der Beschreibung makroskopischer Systeme besch¨aftigt, ist ¨alter als die Statistische Mechanik. Sie ist eine empirische, ph¨ anomenologische Theorie und stellt eine bedeutende und großartige Leistung der klassischen Physik dar. Das Gedankengeb¨aude der Thermodynamik ist relativ abstrakt, jedoch finden ihre grundlegenden Konzepte wie W¨arme, Entropie und Temperatur in der Statistischen Physik eine nat¨ urliche Begr¨ undung bzw. erfahren durch die Mikrophysik, also die Physik der Atome, Molek¨ ule, Photonen, etc., eine konkrete Deutung. Die Begriffe Statistische Mechanik“ und Statistische Physik“ ” ” werden heutzutage meistens synonym verwendet, jedoch wird in diesem Buch der zweite Begriff bevorzugt, da er eine allgemeinere, von der klassischen Mechanik losgel¨oste Bedeutung nahelegt. Die fundamentale Theorie der Mikrophysik ist die Quantenmechanik bzw. die Quantenfeldtheorie. Kennt man f¨ ur ein Problem die mikroskopischen Wechselwirkungen, kann man den entsprechenden Hamiltonoperator angeben und zumindest im Prinzip das Problem l¨ osen. Allerdings w¨ are selbst eine exakte L¨osung im Fall eines makroskopischen ¨ Systems relativ sinnlos wegen der Uberf¨ ulle von Informationen, mit denen man im makroskopischen Bereich wenig anfangen kann, wo – besonders im Fall des Gleichgewichts – wenige Parameter zur Beschreibung eines Systems gen¨ ugen. Der Schritt von der Mikrophysik zur Makrophysik kommt nat¨ urlich nicht ohne Zusatzannahmen aus, wie im Folgenden dargelegt wird. Das vorliegende Buch besch¨ aftigt sich fast ausschließlich mit dem thermischen Gleichgewicht. Nur im letzten Teil, in Kapitel 7, werden einige Konzepte f¨ ur die Beschreibung des Verhaltens von makroskopischen Systemen vorgestellt, die sich nicht im Gleichgewicht befinden, sondern sich dem Gleichgewicht ann¨ahern oder durch einen station¨aren Zustand in der N¨ ahe des Gleichgewichts beschrieben werden k¨onnen. Bei der Beschreibung des Gleichgewichts gehen wir von den Eigenzust¨anden des Ha¨ miltonoperators eines Systems aus, den sogenannten Mikrozust¨anden. Der Ubergang zum Makrozustand (Ensemble) des Systems wird durch eine Wahrscheinlichkeitsaussage vollzogen, n¨ amlich durch die Angabe der Wahrscheinlichkeitsverteilung, mit der die Mikrozust¨ ande im Ensemble vorkommen. Der spezielle Charakter des Gleichgewichtszustands wird durch folgende Punkte verdeutlicht: • Der Hamiltonoperator, nach dem die Mikrozust¨ande klassifiziert werden, ist im Allgemeinen idealisiert und braucht nicht die Wechselwirkung, die das System ins

2

Einleitung Gleichgewicht gebracht hat, zu beinhalten. D.h., die Vorgeschichte des Systems ist irrelevant f¨ ur die Beschreibung des Gleichgewichts. Ein typischer Fall ist das ideale Gas, wo man gleichzeitig die Annahme des Gleichgewichts und die der Wechselwirkungsfreiheit der Gasmolek¨ ule macht. • Die Annahme, auch Fundamentalpostulat genannt, die die Verbindung vom Hamiltonoperator bzw. den Mikrozust¨ anden zum Makrozustand herstellt, ist von bestechender Einfachheit und physikalischer Intuition: In einem isolierten System kommen alle mit den vorgegebenen makroskopischen Parametern vertr¨aglichen Mikrozust¨ ande mit gleicher Wahrscheinlichkeit vor. • Die f¨ ur die Anwendungen relevanten Makrozust¨ande leiten sich aus dem Fundamentalpostulat her und sind somit universelle Funktionen des im Gleichgewicht relevanten Hamiltonoperators.

In Kapitel 1 werden diese Punkte detaillierter betrachtet. Wie bei der Thermodynamik, nur diesmal auf der Ebene der Mikrophysik, fassen die genannten Punkte Erfahrungstatsachen der Statistischen Physik zusammen, auf die ihr Erfolg beruht. Der Zusammenhang zwischen der Entropie S und der Wahrscheinlichkeitsrechnung wurde von Ludwig Boltzmann hergestellt [1], indem er das Fundamentalpostulat einf¨ uhrte. Er bediente sich dabei der Diskretisierung der klassischen Variablen eines Systems und der Anzahl der Kombinationen, bei Boltzmann Komplexionen“ genannt, welche einen ” vorgebenen Makrozustand realisieren. Die Gr¨oße der diskreten Volumina im Phasenraum blieb bei Boltzmann frei, denn dazu brauchte man erst einmal eine neue Naturkonstante, das Plancksche Wirkungsquantum. Nach einem ph¨anomenologischen Ansatz, um die Wiensche Strahlungsformel f¨ ur die Spektralverteilung eines schwarzen Strahlers zu modifizieren und dadurch den experimentellen Befunden anzupassen [2], griff Max Planck die Idee der Boltzmannschen Komplexionen auf und konnte mit deren Hilfe seinen ph¨ anomenologischen Ansatz auf eine theoretische Basis stellen [3]; dabei f¨ uhrte er eine neue Naturkonstante, das Wirkungsquantum h = 2π ein, um der Frequenz ν eines Photons eine diskrete Energie Eν = hν zuzuordnen. In derselben Arbeit f¨ uhrte er auch die Konstante k ein, die heute nach Boltzmann benannt ist. In einer unmittelbar darauf folgenden Publikation [4] brachte Planck schließlich den Boltzmannschen Zusammenhang zwischen Entropie und Anzahl der Komplexionen auf die Form S = k ln W , wobei in der modernen Sprache W die Anzahl der Zust¨ande des mikrokanonischen Ensembles ist; in den heutigen Lehrb¨ uchern verwendet man meistens Ω statt W . Durch Planck und seine Theorie des Photonengases hat also das Wirkungsquantum h Eingang in die Statistische Physik gefunden. Das Verdienst, dem Wirkungsquantum eine allgemeine Bedeutung in der Statistischen Physik zu geben, weil es f¨ ur Gase von massiven Teilchen die Diskretisierung des Phasenraumvolumens festlegt, geb¨ uhrt Hu¨ go Tetrode und Otto Sackur. Ausgangspunkt ihrer Uberlegungen war das Nernstsche W¨ armetheorem [5], welches heute meistens dritter Hauptsatz der Thermodynamik genannt wird; vereinfacht besagt dieser Satz, dass S = 0 am absoluten Nullpunkt der Temperatur gilt. Durch diese Erkenntnis von Walther Nernst ist es m¨oglich, Entropien u ¨ber Phasengrenzen hinweg und zwischen verschiedenen Stoffen zu vergleichen. Insbesondere ist dadurch die Entropie eines einatomigen homogenen Stoffes absolut, d.h. ohne

Einleitung

3

freie Konstante, festgelegt. Wenn man gen¨ ugend viele kalorische Daten in der festen und fl¨ ussigen Phase (W¨ armekapazit¨ aten und latente W¨armen) zur Verf¨ ugung hat, kann man daraus den absoluten Wert der Entropie in der Gasphase dieses Stoffes bestimmen, mit der nach dem Boltzmannschen Verfahren berechneten Entropie vergleichen und dadurch auf die Gr¨ oße der Elementarzelle“ im Phasenraum schließen. Tetrode und Sackur haben ” das anhand von Quecksilberdaten durchgef¨ uhrt und auf diese Weise empirisch gefunden, dass die Diskretisierung des Phasenraumes durch ΔqΔp = h bestimmt ist [6, 7], wobei q und p zueinander konjugierte Variablen sind. Die Formel f¨ ur den absoluten Wert der Entropie des einatomigen idealen Gases wird daher Sackur-Tetrode-Gleichung genannt. Das vorliegende Buch hat zum Ziel, ausgehend von der Quantenmechanik die Konzepte der Statistischen Physik kurz und b¨ undig zu erkl¨aren und auf Ph¨anomene anzuwenden. Die klassische Statistische Mechanik erscheint als klassischer Limes der Quantenmechanik. Weiters werden auch die wesentlichen allgemeinen thermodynamischen ¨ Uberlegungen durchgef¨ uhrt und dar¨ uber hinaus solche, die zum Verst¨andnis der betrachteten Ph¨ anomene wichtig sind. Besonderer Wert wird auf die Motivation und Erl¨ auterung der Annahmen gelegt, auf denen die Berechnungen basieren. Numerische Betrachtungen werden als wichtiger Teil der Beschreibung und des Verst¨andnisses der diskutierten Ph¨ anomene gesehen. In Kapitel 1 formulieren wir – nach einer kurzen Zusammenfassung der wesentlichen Punkte der Quantenmechanik – das Fundamentalpostulat. Damit stellen wir die wichtigsten Begriffe der Thermodynamik wie Gleichgewicht, Entropie, Temperatur, W¨arme und Arbeit auf eine statistische Grundlage und f¨ uhren schließlich die Ensembles ein. Kapitel 2 entwickelt aus den in Kapitel 1 eingef¨ uhrten Begriffen die Grundz¨ uge der Thermodynamik, z.B. die Haupts¨ atze, die thermodynamischen Potentiale und die Geichgewichtsbedingungen. Wenn Teilchen zwischen zwei Komponenten eines Systems ausgetauscht werden k¨ onnen, dann ist f¨ ur die Diskussion des Gleichgewichts die Gleichheit der chemischen Potentiale von herausragender Bedeutung und vielseitig anwendbar, was schon in Kapitel 2 betont und sp¨ ater bei den Anwendungen klar zum Ausdruck kommen wird. Der Thermodynamik von Gasen ist ein eigenes Kapitel 3 gewidmet, da dieser Aggregatzustand durch seine Einfachheit eine große Rolle in der Thermodynamik spielt. In Kapitel 4 arbeiten wir im Detail den Zusammenhang zwischen Statistischer Physik und Thermodynamik heraus, wobei die Berechnung der thermodynamischen Potentiale aus den Zustandssummen das zentrale Thema darstellt. Auch der klassische Limes der Quantenstatistischen Physik wird hier diskutiert. Kapitel 5 ist das gr¨oßte Kapitel des Buches und zeigt, dass man in sehr vielen F¨allen und bei verschiedensten Ph¨ anomenen mit der Annahme von nichtwechselwirkenden Teilchen schon weitreichende Aussagen herleiten kann. Im Gegensatz dazu behandelt Kapitel 6, das sich mit einigen Ph¨ anomenen wechselwirkender Teilchen besch¨ aftigt, nur wenige Themen, da hier die Methoden von Fall zu Fall recht verschieden und aufwendig sind. Dasselbe trifft auch auf Kapitel 7 zu, das sich mit Systemen in der N¨ahe des Gleichgewichts befasst; da es sich dabei um ein Gebiet handelt, das um Vieles umfangreicher und komplexer als die Statistische Physik des Gleichgewichts ist, basiert die im Buch getroffene Auswahl der Themen auf dem Wunsch der Einfachheit und Anwendbarkeit. ¨ Jedes Kapitel schließt mit einigen Ubungsaufgaben, deren L¨osungen am Ende des Buches zu finden sind.

1

Grundlagen der Statistischen Physik

1.1

Zust¨ande in der Quantenmechanik

1.1.1

Zust¨ande, Observable, Erwartungswerte

Zustandsvektoren: In der Quantenmechanik ist ein Zustandsvektor ψ ein normierter Vektor aus einem Hilbertraum (ψ = 1). Nat¨ urlich machen solche Vektoren f¨ ur die Physik nur dann Sinn, wenn sie zumindest in einer N¨ aherung ein physikalisches System beschreiben, d.h., wenn die Erwartungswerte von relevanten Observablen, die mathematisch durch hermitische Operatoren auf dem Hilbertraum dargestellt werden, die Resultate von Messungen ann¨ ahern. Beispiele: i. Ein Teilchen ohne Spin wird durch seine ψ (x) beschrieben, wobei  Wellenfunktion 2 ullt. Observable sind ψ die Normierungsbedingung ψ2 = d3 x |ψ (x)| = 1 erf¨   X (Ort), P (Impuls) und Funktionen davon.   a ii. Ein Spin (Spin 1/2) wird durch ψ = ∈ 2 mit ψ2 = |a|2 + |b|2 = 1 b  beschrieben. Die dazugeh¨ origen Observablen (Spinoperatoren) sind σ /2 = S, wobei die σj (j = 1, 2, 3) die Pauli-Matrizen sind. iii. F¨ ur ein Teilchen Spin werden die beiden vorigen Zustandsvektoren kombiniert  mit     ψ1 (x) 2 2 zu ψ (x) = mit ψ2 = d3 x |ψ1 (x)| + |ψ2 (x)| = 1. Observable ψ2 (x)  P , S  und Funktionen davon. sind X, Observablenalgebra: Die Kommutatorrelationen [Xi , Xj ] = 0,

[Pi , Pj ] = 0,



[Xi , Pj ] = iδij ,

(1.1)

[Si , Sj ] = iijk Sk (1.2) definieren die Observablenalgebra f¨ ur ein Teilchen mit Spin. Den nichthermitischen Elementen der Observablenalgebra kann nat¨ urlich keine physikalische Messung entsprechen. F¨ ur die Kommutatorrelationen des Spins haben wir die Formel



σi σj = δij + iijk σk

(1.3)

6

1 Grundlagen der Statistischen Physik

ben¨ utzt, wobei δij das Kronecker-Symbol und ijk der total antisymmetrische Tensor ur den Spin besteht aus allen dritter Stufe ist (123 = 1). Die Observablenalgebra f¨  2 = (32 /4) auch die Einheitsmatrix enth¨alt. 2 × 2-Matrizen, da sie wegen S



Erwartungswerte: Den Erwartungswert einer Observablen A in einem System, das durch den Zustandsvektor ψ beschrieben wird, erh¨ alt man als w(A) ≡ ψ|Aψ.

(1.4)

Beschreibt ψ das System ad¨ aquat, dann ist der Erwartungswert w(A) die Vorhersage f¨ ur die Messung von A am System. Der Zustand w – als Abbildung der Observablenalgebra in die komplexen Zahlen [8] – hat folgende Eigenschaften: i) w(αA + βB) = α w(A) + β w(B) mit α, β ∈

(Linearit¨at),

at), ii) w(A† A) ≥ 0 (Positivit¨



iii) w( ) = 1 (Normierung). Die allgemeine Definition und Form eines Zustands: Die soeben erw¨ ahnten drei Eigenschaften legen nahe, diese f¨ ur die allgemeine Definition eines Zustands zu ben¨ utzen. Dann kann man Folgendes zeigen [8]. Zu jeder Abbildung w, die die obigen drei Eigenschaften erf¨ ullt, gibt es eine Indexmenge I (endlich oder  unendlich), Zahlen ρr > 0 mit r∈I ρr = 1 und ein Orthonormalsystem (ON-System) ψr (r ∈ I), so dass w(A) gegeben ist durch w(A) =

 r∈I

ρr ψr |Aψr 

(1.5)

f¨ ur alle A. Reiner Zustand: I hat nur ein Element und das dazugeh¨orige ρr muss daher eins sein. Zur Beschreibung des Zustands gen¨ ugt ein Zustandsvektor. Der Erwartungswert einer Observablen ist also wie in Gl. (1.4) gegeben. Das ist der u ¨ bliche Fall in der Quantenmechanik. Gemischter Zustand: I enth¨ alt mindestens zwei Elemente. Ein gemischter Zustand ist also ein gewichtetes Mittel von reinen Zust¨ anden. F¨ ur endlichdimensionale Hilbertr¨ aume kann man leicht einen Beweis f¨ ur Gl. (1.5) skizzieren. In diesem Fall kann man einfach den Raum d betrachten (d ∈ ), und jede Observable ist eine Matrix. Wegen der Linearit¨at l¨asst sich w(A) als



w(A) =

d 

ρk Ak

(1.6)

k,=1

schreiben. Nimmt man weiters spezielle Observable der Form Ak = bk b∗ mit Einheitsvektoren b ∈ d , gilt A† A = A2 = A. Eigenschaft ii) gibt dann b† ρb ≥ 0, also ist

1.1 Zust¨ ande in der Quantenmechanik

7

ρ eine positive Matrix und damit auch hermitisch, da durch einen antihermitischen urde. Wegen der Positivit¨at sind alAnteil von ρ im Allgemeinen b† ρb komplex sein w¨ le Eigenwerte ρr von ρ gr¨ oßer oder gleich Null. Wegen Eigenschaft iii) gilt außerdem d 1. Mit der ON-Basis {ψr } von Eigenvektoren von ρ haben wir die Darstelr=1 ρr = d lung ρ = r=1 ρr ψr ψr† und w(A) =

d 

d 

ρr (ψr )k (ψr )∗ Ak =

r=1

ρr ψr |Aψr 

(1.7)

r=1

f¨ ur eine beliebige Observable A. Die Dichtematrix: Ein Projektor P auf einem Hilbert-Raum ist ein linearer Operator mit den Eigenschaften P 2 = P , P † = P . Mit einem Zustandssvektor kann man folgenden Projektor definieren: Pψ ≡ |ψψ|

mit Pψ φ = ψψ|φ.

(1.8)

Die Koeffizienten ρr und das ON-System {ψr } im Erwartungswert Gl. (1.5) definieren die Dichtematrix  ρ= ρr |ψr ψr |. (1.9) r∈I

andiges ON-System, also eine ON-Basis eines Hilbert-Raums. Dann Sei {ϕi } ein vollst¨ definiert man die Spur eines Operators A als  ϕi |Aϕi . (1.10) Sp A = i

Es l¨ asst sich leicht zeigen, dass die Definition unabh¨angig von der gew¨ahlten ON-Basis ist. Die Spur hat folgende Eigenschaften: Sp (αA + βB) = α Sp A + β Sp B,

Sp (AB) = Sp (BA).

(1.11)

Gl. (1.5) l¨ asst sich somit umschreiben als w(A) = Sp (ρA).

1.1.2

(1.12)

Beispiele fu ¨r gemischte Zust¨ande

Kathodenstrahlen und Spin des Elektrons: In Kathodenstrahlen sind die Spins zuf¨ allig verteilt. Es sei ψ ein beliebiger Zustandsvektor aus 2 und A eine beliebige Spin-Observable:     cos α A11 A12 iγ ψ= e , A= . (1.13) A21 A22 sin α eiβ Dann erh¨ alt man ψ|Aψ = cos2 α A11 + sin2 α A22 + cos α sin α eiβ A12 + cos α sin α e−iβ A21 .

(1.14)

8

1 Grundlagen der Statistischen Physik

Da die Richtung der Elektronspins zuf¨ allig ist, mittelt man bei einer Messreihe u ¨ ber α und β. Das Ergebnis einer Spinmessung ist also 2π 1 dα 2π dβ ψ|Aψ = (A11 + A22 ) . (1.15) 2π 2π 2 0 0 Daraus folgt, dass die Dichtematrix durch  1 | ↑↑ | + | ↓↓ | ρ= 2

mit

gegeben ist. Diese Dichtematrix ist einfach ρ = ON-Basis bilden.

  1 ↑≡ , 0 1 2

  0 ↓≡ 1

(1.16)

, weil die beiden Vektoren ↑, ↓ eine

Systeme bestehend aus zwei Teilsystemen: Gegeben sei das Gesamtsystem Atotal = A ∪ A , wobei {ϕm } eine ON-Basis im Teilsystem A und {ϕn } eine ON-Basis im Teilsystem A ist. Das System sei in einem reinen Zustand und werde durch den Zustandsvektor   2 cmn ϕm ⊗ ϕn mit |cmn | = 1 (1.17) ψ= m,n

m,n

beschrieben. Wir betrachten nun den Fall, dass nur Messungen am Teilsystem A durchgef¨ uhrt werden, d.h., nur Observable der Gestalt A ⊗ werden in Betracht gezogen. Dann sieht der Zustand des Systems im Allgemeinen gemischt aus, bzw. durch Messung von Observablen der Gestalt A ⊗ allein kann man im Allgemeinen nicht feststellen, dass das System eigentlich in einem reinen Zustand ist.





Der Nachweis dieser Behauptung erfolgt in drei Schritten: Schritt 1:  c∗mn cpq ϕm ⊗ ϕn |(A ⊗ ) ϕp ⊗ ϕq  ψ|A ⊗ ψ =





m,n,p,q

=



c∗mn cpq ϕm |Aϕp ϕn |ϕq 

m,n,p,q

=



Mmp ϕm |Aϕp ,

m,p

wobei die Matrix M definiert ist als Mmp =



c∗mn cpn .

n

Schritt 2: M erf¨ ullt

∗ Mmp = Mpm ,

Sp M = 1,

M ≥0

und kann durch Eigenvektoren vr mit Eigenwerten ρr diagonalisiert werden:  M vr = ρr vr mit ρr ≥ 0, ρr = 1. r

1.1 Zust¨ ande in der Quantenmechanik Damit hat man Mmp =

9 

∗ ρr vrm vrp .

r

Schritt 3:



ψ|A ⊗ ψ = mit der ON-Basis {ψr =



 m,p

∗ ∗ ρr vrm ϕm |A vrp ϕp  =

r



ρr ψr |Aψr 

r

∗ m vrm ϕm }.

Wir illustrieren den hergeleiteten Sachverhalt durch folgendes Beispiel. Wir betrachten ein Teilchen mit Spin, die Teilsysteme A und A seien der Wellenfunktion bzw. dem Spin zugeordnet. Angenommen, es werden keine Spinmessungen durchgef¨ uhrt. Dann ist   die Observable A eine Funktion f von X, P und ψ|Aψ = d3 x (ψ1∗ f ψ1 + ψ2∗ f ψ2 ) , (1.18) wobei ψ im Beispiel iii. von Kapitel 1.1.1 erkl¨ art ist. Nun machen wir die vereinfachende Annahme ψ1 |ψ2  = 0 und erhalten das ON-System {ϕ1 , ϕ2 } durch ψi  = λi und ϕi = ψi /λi . Damit schreibt man Gl. (1.18) um in ψ|Aψ = λ21 ϕ1 |f ϕ1  + λ22 ϕ2 |f ϕ2  mit

λ21 + λ22 = 1.

(1.19)

Also sieht man effektiv einen gemischten Zustand mit der Dichtematrix  ρi |ϕi ϕi | und ρi = λ2i . ρ=

(1.20)

i=1,2

Eine relative Phase zwischen ψ1 und ψ2 ist ohne Spinobservable unmessbar.

1.1.3

Die Zeitentwicklung

Das Schr¨ odinger-Bild ist definiert durch die Zeitentwicklung ˙



iψ(t) = Hψ(t) bzw. ψ(t) = exp(−itH/)ψ(0),

(1.21)

der Hamiltonoperator ist. Daher erh¨alt wobei ψ(0) ein beliebiger Zustandsvektor und H man die Zeitentwicklung eines Erwartungswerts als  ρr ψr (t)|Aψr (t). (1.22) wt (A) = r∈I

Die Zeitentwicklung der Dichtematrix ist somit gegeben durch 



ρr |ψr (t)ψr (t)| = exp(−itH/)ρ(0) exp(itH/). ρ(t) =

(1.23)

r∈I

Durch Ableitung dieser Gleichung erh¨ alt man die zur Schr¨odinger-Gleichung ¨aquivalente Gleichung i

(1.24) ρ(t) ˙ = [ρ(t), H]  f¨ ur die Zeitentwicklung der Dichtematrix. Die Zeitentwicklung ¨andert nicht die Koeffizienten ρr . Ist also das System anfangs in einem reinen (gemischten) Zustand, dann bleibt das System f¨ ur alle Zeiten in einem reinen (gemischten) Zustand.

10

1.2

1 Grundlagen der Statistischen Physik

Statistische Beschreibung eines Systems

Makroskopische Systeme: Ein makroskopisches System besteht aus sehr vielen Teilchen, z.B. aus NA Teilchen, wobei NA = 6.0221415(10) × 1023 mol−1 die Loschmidt- bzw. Avogadro-Zahl ist [9]. Diese Zahl ist unmittelbar mit der atomaren Masseneinheit verkn¨ upft, welche definiert ist durch 1 u = Masse(12 C-Atom)/12. Da 1 mol einer Substanz NA Molek¨ ule hat, gilt 1 u = 1 g/(NA × 1mol). Makroskopische Systeme werden durch sehr wenige Parameter im Vergleich zur Zahl der Freiheitsgrade beschrieben, denn die Zahl der Freiheitsgrade ist proportional zu N , der Anzahl der Teilchen. Parameter zur Beschreibung makroskopischer Systeme sind z.B. Energie, Druck, Volumen, etc.

enth¨ Der Hamiltonoperator H alt externe Parameter Yi . Im minimalen Fall sind das N und das Volumen V des Systems. Es gibt viele M¨oglichkeiten f¨ ur weitere externe Parameter: Das System kann mehrere Teilchensorten enhalten, dann ist die Anzahl jeder Teilchensorte ein eigener externer Parameter; dasselbe gilt f¨ ur das Volumen V , das aus Teilvolumina bestehen kann, u ¨ ber deren Grenzen nur auf bestimmte Weise physikalische  Wechselwirkungen stattfinden k¨ onnen; auf das System k¨onnen externe Magnetfelder H oder externe elektrische Felder wirken, und so weiter. Wir nehmen immer an, dass das System auf ein endliches Raumgebiet V eingeschr¨ankt ist, dessen Volumen V daher ebenfalls endlich ist. Formal hat der Hamiltonoperator folgende Gestalt:

=H

kin + H

int + H

B , H

(1.25)

ist also eine Summe aus kinetischer Energie, der Wechselwirkungsenergie der Teilchen

B , welcher die Randbedingung untereinander und mit ¨ außeren Feldern, und dem Term H

B formalisiert; gilt xj ∈ V f¨ ur den Koordinatenvektor xj eines Teilchens, dann wird H der Wert ∞ zugeordnet, liegen die Koordinatenvektoren aller Teilchen in V, dann hat

B den Wert Null. H Nun besprechen wir einige f¨ ur den Aufbau der Statistischen Physik sehr wichtige Begriffe. Isoliertes System: F¨ ur ein solches idealisiertes System ist keine Wechselwirkung mit der Umgebung m¨ oglich, insbesondere kein Energie- oder Teilchenaustausch. Mikrozust¨ande: Eigenzust¨ ande ψr des Hamiltonoperators nennt man Mikrozust¨ande. F¨ ur ein isoliertes System verlangen wir zus¨ atzlich, dass die Eigenwerte Er in einem

r = Er ψr mit Er ∈ [U − ΔU, U ]. Diese vorgegebenen Energieintervall liegen, also Hψ Festsetzung erlaubt, f¨ ur ΔU  U dem isolierten System eine wohldefinierte Energie

diszuzuweisen. Weil wir ein endliches Volumen betrachten, sind die Eigenwerte von H kret. Die L¨ ange ΔU des Energieintervalls soll außerdem viel gr¨oßer als der Abstand zwischen benachbarten Energieniveaus sein, es sollen also sehr viele Energieniveaus im vorgegebenen Intervall liegen. Makrozustand: Er ist definiert durch die externen Parameter Y = {Yi } und das Energieintervall [U − ΔU, U ].

1.2 Statistische Beschreibung eines Systems

11

Gleichgewichtszustand eines makroskopischen Systems: Ein Gleichgewichtszustand ist station¨ ar, d.h., die dazugeh¨orige Dichtematrix hat die Gestalt 

r = Er ψr ⇒ ρ˙ = 0. ρr |ψr ψr | mit Hψ (1.26) ρ= r

Die Eigenschaft station¨ ar“ gen¨ ugt nicht f¨ ur das Gleichgewicht! Dieses wird durch das ” sogenannte Fundamentalpostulat beschrieben [10, 11, 12, 13]:

FUNDAMENTALPOSTULAT DER STATISTISCHEN PHYSIK: Im Gleichgewicht kommen alle im Makrozustand enthaltenen Mikrozust¨ande eines isolierten Systems mit gleicher Wahrscheinlichkeit vor. Im Weiteren verwenden wir die Abk¨ urzung FP f¨ ur das Fundamentalpostulat. Dem statistischen Gleichgewicht entspricht ein gemischter quantenmechanischer Zustand bzw. eine Dichtematrix, die durch folgende mathematische Formulierung des FPs festgelegt ist: FP: Es sei I = {r|Er ∈ [U − ΔU, U ]} und Ω = Anzahl der Mikrozust¨ ande = Anzahl der Indizes in I. Dann wird das Gleichgewicht beschrieben durch die Dichtematrix 1 1/Ω f¨ ur r ∈ I, |ψr ψr | bzw. ρr = ρMK = 0 sonst. Ω r∈I

Das FP definiert das Gleichgewicht. Die Rechtfertigung f¨ ur das FP ist durch das Experiment gegeben; in fast allen F¨ allen erh¨ alt man mit dem FP eine erfolgreiche Beschreibung des Gleichgewichts. Den Zustand, der durch ρMK festgelegt ist, nennt man mikrokanonisches Ensemble. Ein wichtiger Punkt ist, dass sich das FP auf isolierte Systeme bezieht. Ist ein System durch eine Wechselwirkung mit der Umgebung im Gleichgewicht, muss auch diese in die Anwendung des FPs einbezogen werden. Die Anzahl der Zust¨ande Ω ist eine Funktion Ω(U, ΔU, Y). Nun stellen wir einige Betrachtungen u ¨ ber das Verh¨altnis von Quantenmechanik zur Statistischen Physik an. Die Quantenmechanik ist eine fundamentale Theorie und sollte auch makroskopische Systeme beschreiben. Man kann sich daher folgende Fragen stellen: Unter welchen Annahmen folgt das FP aus der Quantenmechanik? Welche dieser Annahmen haben physikalischen (und nicht nur rein mathematischen) Inhalt? Klarerweise gilt das FP nur f¨ ur makroskopische Systeme. Um ein makroskopisches System zu erhalten, kann man die Teilchendichte ρ ≡ N/V konstant halten und N bzw. V sehr groß werden lassen. L¨ asst man die Zeitentwicklung bei t = 0 in einem reinen Zustand starten, wird im Allgemeinen das System nicht im Gleichgewicht sein. Erst nach einer Zeit t  τr wird sich das Gleichgewicht einstellen, wobei τr die Relaxationszeit des Systems ist. D.h., τr ist die typische Zeit, die ein System braucht, um nach einer

12

1 Grundlagen der Statistischen Physik

pl¨ otzlichen St¨ orung wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Es ist auch m¨oglich, dass ein System f¨ ur verschiedene Freiheitsgrade verschiedene Relaxationszeiten hat. Das FP ¨ besagt, dass der Gleichgewichtszustand ein gemischter Zustand ist. Der Ubergang vom reinen Zustand bei t = 0 zum gemischten Gleichgewichtszustand kann nicht durch die ¨ Schr¨ odinger-Gleichung zustande kommen. F¨ ur den Ubergang von einem reinen Zustand zum mikrokanonischen Ensemble im Fall eines abgeschlossenen makroskopischen Systems hat man unter anderem folgende m¨ ogliche Begr¨ undungen angegeben: • Anzahl der Observablen  Anzahl der Freiheitsgrade ⇒ Effektiv sieht man einen gemischten Zustand (siehe voriges Unterkapitel). • Makroskopische Messungen dauern eine endliche Zeit τM  δτ , wobei δτ die typische Zeit ist, in der eine Wechselwirkung stattfindet. D.h., effektiv beobachtet man nicht den Zustand zur Zeit t, sondern den in einem Zeitintervall der L¨ange τM gemittelten Zustand. • Ein System ist nie vollst¨ andig isolierbar, insbesondere wenn es makroskopisch ist und daher die Energieniveaus des Systems extrem nahe beisammen liegen und schon eine sehr kleine St¨ orung aus der Umgebung oder eine nichtber¨ ucksichtigte ¨ Wechselwirkung der Teilchen untereinander Uberg¨ ange zwischen verschiedenen Mikrozust¨ anden bewirken k¨ onnen. Jeder dieser Punkte kann in gewissen F¨ allen f¨ ur die Herleitung des FPs aus der Quantenmechanik herangezogen werden. Es ist allerdings fraglich, ob eine allgemeing¨ ultige physikalische Herleitung u ¨ berhaupt existiert. Z.B. k¨onnen in einem System mehrere Relaxationszeiten von v¨ ollig verschiedener Gr¨ oßenordnung vorhanden sein, so dass eine gemeinsame Begr¨ undung des Gleichgewichts unwahrscheinlich ist. Damit verbunden ist das Faktum, dass manche metastabile Zust¨ ande außerordentlich langlebig sind, man denke z.B. an Diamant bei Raumtemperatur und normalem Atmosph¨arendruck; trotzdem werden auch solche metastabile Zust¨ ande im Rahmen der Statistischen Physik gut beschrieben. Betrachten wir den dritten Punkt der obigen Aufz¨ahlung etwas genauer. Wir k¨onnen

tot = H

+H

 +H

 , wobei die Klassifikaden totalen Hamiltonoperator aufspalten in H S S

erfolgt, eine a tion der Mikrozust¨ ande nach H ¨ußere St¨orung (Wechselwirkung mit der

 beschrieben wird und eine innere St¨orung Umgebung durch die Gef¨ aßwand) durch H S 

; dabei verstehen wir unter einer inneren St¨orung eine Restwechselwirkung durch H S

enthalten ist und daher nicht zur Bestimmung von ρMK der Teilchen, die nicht in H

 f¨ herangezogen wird. Trotzdem kann, auch wenn die Vernachl¨assigung von H S ur die Bestimmung des Gleichgewichts eine gute N¨ aherung ist, die Ann¨aherung an das Gleich  erfolgen. Ein typisches Beispiel ist das ideale Gas, wo man per Defigewicht durch H S nition die Wechselwirkung zwischen den Molek¨ ulen vernachl¨assigt, obwohl ohne St¨oße zwischen den Gasmolek¨ ulen im Allgemeinen die Relaxation zum Gleichgewicht nicht richtig beschrieben wird. Es ist plausibel, dass man in vielen F¨allen eine Hierarchie von typischen Zeiten hat dergestalt, dass δτ  τM  τr  τG gilt, wobei τG die Zeitspanne sein soll, ab der man von Gleichgewicht sprechen kann. Eine durch Messung bzw. Rechnung nachvollziehbare Entwicklung zum Gleichgewicht hat man im Allgemeinen erst

1.3 Nichtwechselwirkende Teilchen in einem Kasten

13

f¨ ur Zeiten, wenn die Relaxation zum Gleichgewicht einsetzt. F¨ ur eine weitergehende urlich nur der Gleichgewichtszustand Diskussion siehe [12]. Falls τM  τr gilt, ist nat¨ relevant. Einige Aspekte der Entwicklung zum Gleichgewicht werden in Kapitel 7 dagelegt. Wir gehen vorl¨ aufig vom FP aus und betrachten, außer eben in Kapitel 7, immer das Gleichgewicht. Zum Abschluss dieses Unterkapitels noch eine Pr¨azisierung der Begriffe Thermodynamik und Statistische Physik: Die Thermodynamik ist die Theorie der Makrozust¨ande. Die Statistische Physik beschreibt, wie man mit Hilfe des FPs die makroskopischen Gesetze der Thermodynamik aus der Betrachtung der Mikrozust¨ ande herleitet.

1.3

Nichtwechselwirkende Teilchen in einem Kasten

Wir betrachten zuerst ein besonders einfaches Beispiel f¨ ur die Berechnung der Anzahl der Zust¨ ande Ω, n¨ amlich nichtwechselwirkende Teilchen ohne innere Freiheitsgrade in einem Kasten. Das entspricht dem Fall des einatomigen idealen Gases in einem quaderf¨ ormigen Volumen mit Kantenl¨ angen L1 , L2 und L3 . Die Freiheitsgrade der Teilchen bestehen nur aus den Translationen. Die Wellenfunktion eines einzelen Teilchens im Kasten erh¨alt man durch L¨osen des Eigenwertproblems des Hamiltonoperators: −

2 Δψ = Eψ 2m

mit

0 ≤ xi ≤ Li .

(1.27)

Mit dem Volumen V = L1 L2 L3 und der Randbedingung ψ = 0 am Kastenrand findet man     2  2   3 2 n1 ni πxi n2 n3 8 2 π 2 sin + + . ψn (x) = mit En = V i=1 Li 2m L1 L2 L3 (1.28) Wir ben¨ utzen die Notation n ≡ (n1 , n2 , n3 ). Diese Eigenfunktionen bilden eine ONBasis und wir haben daher die Normierung ψn |ψn  = δnn . Nun betrachten wir N Teilchen und f¨ uhren die Bezeichnung   nα1 nα2 nα3 κα ≡ , , (α = 1, · · · , N ), κ ≡ (κ1 , · · · , κN ) L1 L2 L3

(1.29)

ein. Dann erf¨ ullen die Mikrozust¨ ande die Bedingung U − ΔU ≤

2 π 2 2 κ ≤U 2m

bzw.

2m(U − ΔU ) 2mU ≤ κ2 ≤ 2 2 . 2 π 2  π

(1.30)

Um die Anzahl der Zust¨ ande zu bekommen, brauchen wir das Volumen einer n-dimensionalen Kugel.

14

1 Grundlagen der Statistischen Physik

Theorem 1 Eine n-dimensionale Kugel mit Radius R hat das Volumen Vn (R) =

Rn π n/2  . Γ n2 + 1

(1.31)

Jedes κ beschreibt einen N -Teilchenzustand und besetzt im 3N -dimensionalen Raum eine Zelle mit Volumen 1/V N in einer Kugelschale R12 ≤ κ2 ≤ R22 , wobei die Radien, welche die Dimension einer inversen L¨ ange haben, von der zweiten Formel in Gl. (1.30) abgelesen werden. Damit k¨ onnen wir  3N/2  3N/2  1 2m(U − ΔU ) 2mU π 3N/2 N ˜=  3N  Ω V − (1.32) 3N 2 2 2 2 2  π  π Γ 2 +1 Zust¨ ande in der erw¨ ahnten Kugelschale unterbringen. Der Faktor 1/23N kommt daher, dass jede der 3N Komponenten von κ positiv sein muss. Bei der Herleitung von ˜  1 gilt, dass also sehr viele Zellen Gl. (1.32) haben wir implizit angenommen, dass Ω in der Kugelschale Platz haben. Denn bei der Abz¨ahlung bauen wir ja die Kugelschale mit quaderf¨ ormigen Zellen n¨ aherungsweise nach, was eine umso bessere N¨aherung ist, je mehr Zellen in die Kugelschale hineinpassen. Ber¨ ucksichtigen wir noch einen Faktor 1/N !, weil Atome ununterscheidbar sind, und ˜ !, so bekommen wir definieren wir Ω = Ω/N  3N/2   3N/2  2mU VN π 3N/2 ΔU 1 × . (1.33) Ω= ×  3N 1− 1− 3N 2 (2π)  U N! Γ 2 +1 Die Gr¨ oße des Energieintervalls ΔU ist willk¨ urlich und sollte daher keine physikalische Relevanz haben. Angenommen, wir setzen ΔU/U ≥ 10−10 und N ∼ 1023 , dann erhalten wir die Absch¨ atzung    3N/2  3N ΔU ΔU 1− ln 1 − = exp U 2 U     2 1 ΔU 3N ΔU + = exp − + ··· 2 U 2 U    13 3N ΔU < exp − ∼ 10−10 . 2 U

(1.34)

Damit ist f¨ ur makroskopische Systeme und f¨ ur alle praktischen Zwecke die Gr¨oße Ω unabh¨ angig von ΔU . Dies gilt sogar f¨ ur ein so kleines ΔU mit ΔU/U = 10−10 , welches sicher unterhalb einer realistischen Messgenauigkeit liegt, und daher umso mehr f¨ ur gr¨ oßere Energieintervalle ΔU . Nun verwenden wir die Stirlingsche Formel f¨ ur die Gammafunktion.

1.4 Energie¨ anderung eines makroskopischen Systems

15

Theorem 2 F¨ ur alle x > 0 existiert ein ϑ mit 0 < ϑ < 1, so dass √ Γ(x + 1) = 2πx xx e−x+ϑ/(12 x) . F¨ ur x ∈

 gilt Γ(x + 1) = x!. Die Stirlingsche Formel liefert f¨ur große x Γ(x + 1) 

 x x √ 2πx . e

Damit bekommen wir  Ω

U N

3N/2 

V N

N 

me5/3 3π2

3N/2

1 √ . 6 πN

(1.35)

Im Logarithmus ist der letzte Faktor vernachl¨assigbar und wir erhalten das relativ einfache Endresultat  3 U V 3 m 5 ln Ω = N ln + ln +K mit K = ln (1.36) + . 2 N N 2 3π2 2 Noch eine Bemerkung zur G¨ ultigkeit von Gl. (1.36). Wir haben bei der Abz¨ahlung der Zust¨ ande implizit angenommen, dass Einteilchenniveaus, die mehrfach besetzt sind, keine Rolle spielen. Sonst w¨ are der Faktor 1/N ! nicht richtig. D.h., Gl. (1.36) ist nur f¨ ur verd¨ unnte Gase richtig. Man kann zeigen, dass auch f¨ ur wechselwirkende Teilchen in einem endlichen Raumgebiet n¨ aherungsweise Ω ∼ U αN gilt, wobei α von der Gr¨oßenordnung eins ist.

1.4

Energiea¨nderung eines makroskopischen Systems

Wir betrachten ein mikrokanonisches Ensemble mit Mikrozust¨anden ψr und Energieeiasst sich eine infinitesimale Energie¨anderung folgendermaßen genwerten Er (Y). Dann l¨ auspalten: dU = d- Q + d- A, (1.37) ¨ d Q = Energie¨ anderung ohne Anderung der externen Parameter ≡ W¨arme, ¨ d- A = Energie¨ anderung durch Anderung der externen Parameter Y ≡ Arbeit. Ein Wort zur Schreibweise: d- Q, d- A sind keine exakten Differentiale, d.h., zu d- Q gibt es keine Funktion FQ , so dass dFQ = d- Q. Dasselbe gilt f¨ ur d- A. Das Differential dU der inneren Energie ist selbstverst¨ andlich ein exaktes Differential. Geht man von einem Anfangszustand i zu einem Endzustand f u ¨ ber einen Weg Cf i im Raum der Parameter, die das System beschreiben, so ist die Energiedifferenz durch Uf −Ui gegeben und daher

16

1 Grundlagen der Statistischen Physik

Gas  vK

K o l b e n

Abbildung 1.1: Ein Kolben wird mit Geschwindigkeit vK in einen Gasbeh¨ alter hineingedr¨ uckt.

vom Weg Cf i unabh¨ angig. Hingegen ist die entlang von Cf i zugef¨ uhrte W¨arme und die am System geleistete Arbeit sehr wohl vom Weg abh¨angig, deren Summe aber nicht, da sie mit dem Wegintegral u ¨ber dU identisch ist. Dieser Sachverhalt l¨ asst sich mathematisch einfach verstehen. Betrachten wir eine Funktion f (x1 , . . . , xn ) und deren exaktes Differential df =

n  ∂f dxi . ∂xi i=1

Spalten wir dieses Differential in zwei Differentialformen auf, d.h., wir schreiben df = ωa + ωb

mit ωa =

r  ∂f dxi , ∂x i i=1

ωb =

n  ∂f dxi , ∂x i i=r+1

so werden im Allgemeinen ωa und ωb nicht ¨ ber diese Differen Integrale u  exakt und die tialformen wegabh¨ angig sein, jedoch ist (ωa + ωb ) = df selbstverst¨andlich wegunabh¨ angig. Quasistatischer Prozess: In diesem Fall nimmt man an, dass der Prozess so langsam vor sich geht, dass das System dabei beliebig nahe am Gleichgewicht bleibt. Ein Beispiel ist ein Gasbeh¨alter mit einem Kolben wie in Abb. 1.1; dr¨ uckt man den Kolben mit einer Geschwindigkeit vK , die sehr viel kleiner als die Schallgeschwindigkeit des Gases ist, hinein, dann bleibt das System dabei im Gleichgewicht. Gleichung (1.37) gilt f¨ ur quasistatische Prozesse. Adiabatische Zustands¨anderung: Bei einer solchen Zustands¨ anderung ist das System w¨armeisoliert. Oft hat man Zustands¨ anderungen, die gleichzeitig adiabatisch und quasistatisch vor sich gehen; in diesem Fall gilt d- Q = 0 und dU = d- A.

1.4 Energie¨ anderung eines makroskopischen Systems

17

Verallgemeinerte Kr¨afte:



= Sp (ρH)

= Weil man f¨ ur praktische Zwecke U mit H r∈I Er /Ω identifizieren kann, falls ΔU/U  1 ist, l¨ asst sich Gl. (1.37) formal auch so herleiten [14]:  

= Sp (dρ H)

+ Sp (ρ dH)

⇒ d- Q ≡ Sp (dρH),



dU = d Sp (ρH) d- A ≡ Sp (ρ dH). (1.38)

Damit hat man folgende Darstellung f¨ ur d- A:   1   ∂Er (Y)

= 1 d- A = Sp (ρ dH) dEr (Y) = dYi = Ki dYi Ω Ω ∂Yi i i r∈I

(1.39)

r∈I

mit den verallgemeinerten Kr¨ aften Ki =

1  ∂Er (Y) ∂U = . Ω ∂Yi ∂Yi

(1.40)

r∈I

Druck und Volumen: Betrachten wir wieder Abb. 1.1. Angenommen, das Gas habe den Druck p und der Kolben werde ein kleines St¨ uck Δx hineingedr¨ uckt. Die am System geleistete Volumsarbeit ist gegeben durch ΔAV = p F Δx = −p ΔV , wobei F die Querschnittsfl¨ache des Kolbens ist. Damit erhalten wir d- AV = −p dV

und

∂U = −p. ∂V

(1.41)

Nehmen wir das ideale einatomige Gas als Beispiel. Die entsprechenden Energieeigenwerte sind in Gl. (1.28) angegeben. Wenn wir die Kantenl¨ange Li des Kastens ¨andern, erhalten wir  2 2 U ∂En 2 2 π 2 ni 2 dLi 2 U dV, p = . (1.42) =− × ⇒ d- AV = − U =− ∂Li Li 2m Li 3 Li 3 V 3 V Dabei haben wir die Erfahrung ausgen¨ utzt, dass in jedem der drei translatorischen Freiheitsgrade im Mittel dieselbe kinetische Energie U/3 vorhanden ist. In Unterkapitel 5.12 wird die Formel f¨ ur p in Gl. (1.42) ganz allgemein f¨ ur Gase ohne innere Freiheitsgrade hergeleitet. Chemisches Potential und Teilchenzahl: Die zur Teilchenzahl N geh¨ orende verallgemeinerte Kraft wird chemisches Potential genannt und mit μ bezeichnet: ∂U μ≡ . (1.43) ∂N Kommen in einem System mehrere Teilchensorten i mit Teilchenzahlen Ni vor, dann gibt es f¨ ur jede Teilchensorte ein chemisches Potential μi . Das chemische Potential hat zwar keine so anschauliche Bedeutung wie der Druck, jedoch werden wir sehen, dass diese Gr¨ oße bei Prozessen mit Teilchenaustausch eine entscheidende Rolle spielt.

18

1 Grundlagen der Statistischen Physik

1.5

Entropie und Temperatur

1.5.1

Gleichgewicht und Randbedingungen

Wir betrachten ein isoliertes System A und Ω(y) sei die Anzahl der Zust¨ande in Abh¨angigkeit von einem Parameter y, welcher z.B. ein externer Parameter oder eine Energie sein kann. Zur Zeit t < t0 sei y = y0 fixiert und wir bezeichnen das System in seinem ur initial steht. Nun nehmen wir an, dass f¨ ur Anfangszustand Ai , wobei der Index i f¨ Zeiten t > t0 der Parameter y frei variieren kann und sich das System f¨ ur t − t0  τr , wobei τr die Relaxationszeit des Systems nach L¨osen der Fixierung y = y0 ist, wieder in einem Gleichgewichtszustand Af befindet; der Index f bedeutet final. Weil der Parameter y f¨ ur t > t0 frei ist, kann er als Observable aufgefasst werden. Sind die Einstellungen y = y1 , . . . , y erlaubt und wenden wir das Fundamentalpostulat auf Af  an, so ist y = yk mit Wahrscheinlichkeit Pk = Ω(yk )/Ωf ; dabei ist Ωf = k=1 Ω(yk ).  Der Erwartungswert von y ist y¯ = k=1 yk Pk . Ist y nicht diskret sondern kontinuierlich, wird die Summation durch eine Integration ersetzt. Das Wesentliche an makroskopischen Systemen ist, dass das Maximum von Ω(y) sehr ausgepr¨ agt ist. Liegt das Maximum bei y = y¯, bedeutet das, dass bei gleicher Wahrscheinlichkeit der Mikrozust¨ ande von Af praktisch alle Mikrozust¨ande bei y  y¯ liegen. Betrachten wir als Beispiel Ω(y) = Ky ν1 (L − y)ν2



y¯ =

ν1 L. ν1 + ν2

(1.44)

Dabei haben wir K als unabh¨ angig von y angenommen und 0 ≤ y ≤ L. F¨ ur sehr große Zahlen ν1 , ν2 (ν ≡ ν1 + ν2 ) erh¨ alt man n¨ aherungsweise – durch Entwicklung von ln Ω(y) um das Maximum y¯ – das Resultat   2  1 (y − y¯) L Ω(y)  Ω(¯ y ) exp − (1.45) mit Δy =  2 Δy ν 1 + 1 ν1

und

Ωf  Ω(¯ y)



1 dy exp − 2



(y − y¯) Δy

2  =

√ 2π Δy Ω(¯ y ).

ν2

(1.46)

√ F¨ ur ν1,2 von der Gr¨ oßenordnung NA ist Δy/¯ y ∝ 1/ ν extrem klein. Da Gl. (1.45) eine Gauß-Verteilung ist, liegt y mit einer Wahrscheinlichkeit von 99.7% innerhalb von y¯ ± 3Δy. F¨ ur alle praktischen Zwecke ist auch y¯ ± 10Δy nicht von y¯ zu unterscheiden, wenn wir ein makroskopisches System haben. Dann ist aber die Wahrscheinlichkeit, dass y außerhalb von y¯ ± 10Δy liegt, schon kleiner als 10−22 . Die Konklusion ist daher, dass f¨ ur alle praktischen Zwecke y = y¯ erf¨ ullt ist. Betrachten wir als Beispiel ein ideales einatomiges Gas in zwei Beh¨altern, die durch eine w¨ armedurchl¨ assige Wand getrennt, sonst aber von der Umgebung isoliert sind – siehe Abb. 1.2. Wegen Energieerhaltung haben wir U = U1 + U2 , wobei U die Gesamt3N /2 3N /2 energie ist. Mit y = U1 , der Energie im linken Teilsystem, und Ω(y) ∝ U1 1 U2 2 –

1.5 Entropie und Temperatur

19

U1 N1

U2 N2

Abbildung 1.2: Das System besteht aus zwei Teilsystemen und erlaubt Energieaustausch in Form von W¨ arme durch die Trennwand.

siehe Gl. (1.35) – bekommen wir f¨ ur Af durch Anwendung von Gl. (1.44) das folgende Resultat f¨ ur die Aufteilung der Energien auf die Teilsysteme: ¯2 ¯1 U U = . N1 N2

(1.47)

Die eben durchgef¨ uhrte Diskussion legt nahe, das FP folgendermaßen zu erweitern: FP’: Angenommen, ein isoliertes System Ai sei in einem Gleichgewichtszustand und es werden Randbedingungen gel¨ ost oder entfernt. Nach dem Erreichen des neuen Gleichgewichts ist das System Af dadurch charakterisiert, dass alle von Ai aus erreichbaren Mikrozust¨ ande gleich wahrscheinlich sind. Mit der vorigen Diskussion bedeutet das, dass nach dem L¨osen der Randbedingung y = y0 im neuen Gleichgewichtszustand der Wert des Parameters y durch das Maximum von Ω(y) gegeben ist. Da der Logarithmus eine monoton wachsende Funktion ist, kann man statt des Maximums von Ω(y) das von ln Ω(y) bestimmen. Irreversibler Prozess: Ein irreversibler Prozess ist definiert durch Ωi < Ωf nach L¨osen oder Entfernung einer Randbedingung. Ein Beispiel, wiederum f¨ ur ein ideales einatomiges Gas, ist in Abb. 1.3 angegeben: Sind anfangs alle N Atome im Volumen V1 , verteilen sie sich nach Herausziehen der Trennwand auf das Gesamtvolumen, denn es gilt Ωf /Ωi = (V1 + V2 )N /V1N  1.

1.5.2

Makroskopische Systeme im thermischen Kontakt

Wir betrachten noch einmal das in Abb. 1.2 charakterisierte System und die zeitliche Abfolge, wie sie in Abschnitt 1.5.1 beschrieben wurde. Nachdem sich das Gleichgewicht durch W¨ armeaustausch eingestellt hat, k¨ onnen wir das mikrokanonische Ensemble in

20

1 Grundlagen der Statistischen Physik 6

V1 Gas

V2 Vakuum

Abbildung 1.3: Das Gesamtsystem ist isoliert, Gas ist anf¨ anglich nur im linken Beh¨ alter. Nach dem Herausziehen der Trennwand stellt sich der Gleichgewichtszustand Af ein.

A1 ∪ A2 folgendermaßen beschreiben. Wenn die Mikrozust¨ande in A1 mit ψr und die Energieeigenwerte mit Er und jene von A2 mit ψr  und Er  bezeichnet werden, dann sind die Mikrozust¨ ande in A1 ∪ A2 durch ψr ⊗ ψr  mit Energieeigenwerten Er + Er  gegeben. Definieren wir I = {(r, r )|U − ΔU ≤ Er + Er  ≤ U }

(1.48)

und sei Ω die Anzahl der Paare (r, r ) ∈ I, so erhalten wir ρMK (A1 ∪ A2 ) =

1  |ψr ⊗ ψr  ψr ⊗ ψr  |. Ω 

(1.49)

(r,r )∈I

Welche Energien tragen wesentlich in dieser Summe bei? Da ΔU , sofern es nicht zu klein gew¨ ahlt wird, f¨ ur die Beschreibung des Systems irrelevant ist, k¨onnen wir folgendermaßen die Anzahl der Zust¨ ande in A1 ∪ A2 abz¨ ahlen. Angenommen, in A1 sei die Energie U1 vorhanden. Dann ist in dieser Situation die Anzahl der Zust¨ande im Gesamtsystem gegeben durch Ω1 (U1 )Ω2 (U − U1 ), und insgesamt haben wir  Ω(U ) = Ω1 (U1 )Ω2 (U − U1 ). (1.50) U1

Wie wir schon im vorigen Abschnitt diskutiert haben, kommt der einzig relevante Beitrag in ρMK (A1 ∪ A2 ) vom Maximum von Ω1 (U1 )Ω2 (U − U1 ). Wird das Maximum bei ¯1 angenommen, gilt jedoch U     ∂ ∂ ln Ω1 (U1 ) = ln Ω2 (U2 ) . (1.51) ∂U1 ∂U2 ¯1 ¯2 U U ¯2 = U − U ¯1 definiert. Dabei haben wir U

1.5 Entropie und Temperatur

21

Dieser Sachverhalt legt die Definition von zwei physikalischen Gr¨oßen nahe: Entropie: S(U, Y) = k ln Ω(U, Y),  ∂S  1 Temperatur: = . ∂U Y T

(1.52) (1.53)

Die so definierte Temperatur heißt absolute Temperatur, die Konstante k, ein his” torisches Relikt“, heißt Boltzmann-Konstante. Die Festlegung von k wird sp¨ater besprochen. Wie wir gerade hergeleitet haben, hat die Temperatur T folgende wichtige Eigenschaft:

Zwei makroskopische Systeme im thermischen Gleichgewicht haben dieselbe Temperatur.

Wie schon fr¨ uher erw¨ ahnt, gilt allgemein Ω(U ) ∼ U αN bzw. S ∼ kN α ln U , wobei α eine positive Zahl von der Gr¨ oßenordnung eins ist. Daher ist ∂S/∂U = 1/T ∼ kN α/U positiv und ebenso ∂T /∂U ∼ 1/(kN α). Also ist anzunehmen, dass allgemein die Ungleichungen T > 0,

∂T >0 ∂U

(1.54)

gelten. In Ausnahmef¨ allen, wenn man nicht alle Freiheitsgrade des Systems betrachtet, k¨ onnen auch negative Temperaturen Sinn machen. Positive Temperaturen erlauben es, bei festgehaltenen externen Parametern die Umkehrfunktion von S(U, Y) zu berechnen: ∂S 1 ∂U = > 0 ⇒ ∃ U (S, Y) mit = T. ∂U T ∂S

1.5.3

(1.55)

¨ Quasistatische Anderungen der Energie

Die Wechselwirkung eines Systems A sei so langsam, so dass A beliebig nahe am Gleichgewicht bleibt. F¨ ur diesen Fall haben wir soeben Folgendes hergeleitet: dU = T dS +



 bzw. dS = T1 (dU − i Ki dYi ) ,  d- Q = T dS, d- A = i Ki dYi . i

Ki dYi

(1.56)

Die Relationen in der ersten Zeile dieser Gleichung sind a¨quivalent. Sehr h¨aufig ist eine Situation mit externen Parametern V und N . In diesem Fall lautet das Differential der Entropie 1 (1.57) dS(U, V, N ) = (dU + p dV − μ dN ) . T Zur Erl¨ auterung von Gl. (1.56) sind einige Bemerkungen angebracht:

22

1 Grundlagen der Statistischen Physik 1. Wir haben die Entropie S nur im Gleichgewicht definiert! Damit gilt dasselbe auch f¨ ur U (S, Y) und die Temperatur. 2. Die nat¨ urlichen Variablen von U sind S und Y, d.h.,   ∂S  Ki ∂U  = Ki bzw. =− . ∂Yi S ∂Yi U T

(1.58)

3. Zur Zeit t = t0 sei das System Ai im Gleichgewicht. Durch L¨osen von Randbedingungen durchlaufe Ai Nichtgleichgewichtszust¨ande und lande schließlich im Gleichgewichtszustand Af . Dann sind Si , Sf und Ui , Uf wohldefiniert, auch wenn ¨ der Ubergang Ai → Af nicht quasistatisch erfolgt ist. Definition des W¨armebads: Ein W¨ armebad oder W¨ armereservoir ist ein System A˜ mit Temperatur T , das 1. viel gr¨ oßer ist als das System A, an dem experimentiert wird, und 2. mit A nur W¨ arme austauschen kann. Das bedeutet, dass sich die Temperatur T des W¨armebads nicht ¨andert, wenn A aus A˜ ˜ U ˜ + Q)  ln Ω( ˜ U ˜) + die W¨ armemenge Q aufnimmt oder Q an A˜ abgibt. Wegen ln Ω( Q/(kT ) erhalten wir ˜ = Q = T ΔS˜ ΔU (1.59) f¨ ur die Energie¨ anderung des W¨ armereservoirs, wenn es die W¨armemenge Q aufnimmt.

1.5.4

Ideales Gas

Ein ideales mehratomiges Gas hat außer den translatorischen auch innere Freiheitsgrade. ur verd¨ unnte Gase Ωinn nicht vom Volumen abh¨angt, gilt Wegen Ω = Ωtr Ωinn und weil f¨ S = Str + Sinn

und

In Gl. (1.36) haben wir Str bereits als  3 Utr V Str = kN ln + ln +K 2 N N

∂Sinn = 0. ∂V

mit

K=

3 m 5 ln + 2 3π2 2

(1.60)

(1.61)

bestimmt. Diese Gleichung heißt nach ihren Entdeckern Sackur-Tetrode-Gleichung. Wegen ∂Str 3kN 1 (1.62) = = ∂Utr 2Utr T kommen wir zum Ergebnis Utr =

3 N kT. 2

(1.63)

1.6 Systeme im Kontakt mit der Umgebung

23

Nun leiten wir S nach dem externen Parameter V ab und erinnern uns, dass die zu V geh¨ orige verallgemeinerte Kraft der negativ Druck, also −p ist – siehe Gl. (1.41). Wir verwenden der Reihe nach Gl. (1.60), Gl. (1.61) und Gl. (1.58): ∂Str kN p ∂S = = = . ∂V ∂V V T

(1.64)

Somit erhalten wir die thermische Zustandsgleichung des idealen Gases pV = N kT.

(1.65)

Nun zwei wichtige Bemerkungen: 1. Quantenmechanik und FP haben uns Gl. (1.65) geliefert, was ein erster und wichtiger Hinweis auf den Erfolg dieses Konzepts f¨ ur die Statistische Physik ist. 2. Die abstrakte Definition der Temperatur stimmt mit der Temperatur des idealen Gases u ¨ berein. In den Bereichen, wo ein Gas hinreichend ideal ist, kann man ein solches als Thermometer verwenden: Bei festen Gr¨oßen V und N erh¨alt man die Temperatur durch Messung des Drucks. Gleichung (1.63) kann dazu ben¨ utzt werden, um Str als Funktion von T zu formulieren. Dann kann Gl. (1.61) mit Hilfe von h λ≡ √ , 2πmkT

(1.66)

der thermischen de Broglie-Wellenl¨ange eines Teilchens mit Masse m, relativ einfach geschrieben werden als  V 5 + Str (T, V, N ) = kN ln . (1.67) N λ3 2 ¨ Ubrigens ist, wie wir sp¨ ater explizit sehen werden, im Gleichgewicht die Temperatur T universell f¨ ur translatorische und innere Freiheitsgrade.

1.6

Systeme im Kontakt mit der Umgebung

1.6.1

W¨armeaustausch

˜ dessen Temperatur T ist – siehe Das System A sei im Kontakt mit dem W¨ armebad A, ˜ Abb. 1.4. Die Mikrozust¨ ande von A ∪ A sind gegeben durch ψ˜r˜ ⊗ ψr , die Gesamtenergie ˜ + U mit U  U ˜ . Die Wahrscheinlichkeit ρr , dass der Zustand ψr in A ist U0 = U auftritt, folgt aus dem FP:  ˜ 0 − Er ), ρr ∝ Ω(U ρr = 1. (1.68) r

24

1 Grundlagen der Statistischen Physik

A˜ (T )

A

˜ welches die Temperatur T Abbildung 1.4: System A im Kontakt mit einem W¨ armebad A, hat.

Wegen Er  U0 kann man folgende Entwicklung machen: ˜ 0 ) − Er ˜ 0 − Er )  ln Ω(U ln Ω(U

 ˜ U ˜ )  ∂ ln Ω(  ˜ ˜ ∂U

˜ 0 ) − βEr = ln Ω(U

mit

U=U0

β=

1 , kT

(1.69) wobei wir die Definition der Temperatur aus Gl. (1.53) angewendet haben. Damit erhalten wir die vollst¨ andige Beschreibung des Gleichgewichtszustands f¨ ur das System A: −βEr   ρr = e Z , Z = r e−βEr ⇒ ρK = r ρr |ψr ψr |. (1.70) Die Gr¨ oße Z heißt kanonische Zustandssumme, den durch Dichtematrix ρK festgelegten Zustand ρK nennt man kanonisches Ensemble (Ensemble = Gesamtheit) und die Gr¨ oßen e−βEr sind die Boltzmann-Faktoren. Die Umgebung von A, das W¨armebad mit Temperatur T , bestimmt β = 1/(kT ) in ρK .

1.6.2

W¨arme- und Teilchenaustausch

Nun nehmen wir an, dass A mit A˜ nicht nur W¨arme sondern auch Teilchen austauschen ˜  N und N0 = N ˜ + N sei die kann. D.h., A˜ ist auch ein Teilchenreservoir mit N ˜

r = Er ψr , Gesamtanzahl der Teilchen in A ∪ A. Die Zust¨ande ψr von A sind durch Hψ ˆ ˆ ¨ N ψr = Nr ψr charakterisiert, wobei N der Teilchenzahloperator ist. Die Uberlegung analog zum kanonischen Fall liefert ˜ 0 − Er , N0 − Nr )  ln Ω(U ˜ 0 , N0 ) − βEr − αNr ln Ω(U  ˜ U ˜, N ˜ )  ∂ ln Ω( mit α = = −βμ.  ˜  ∂N ˜ ˜ U=U 0 , N =N0

(1.71)

¨ 1.7 Ubungsaufgaben

25

Im letzten Schritt haben wir Gl. (1.57) ben¨ utzt. Der Zustand des Systems A ist somit gegeben durch −βEr −αNr ρr = e , Y

Y =

 r

e−βEr −αNr ⇒ ρGK =

 r

ρr |ψr ψr |.

(1.72)

Die Gr¨ oße Y heißt großkanonische Zustandssumme, der Zustand mit der Dichtematrix ρGK wird großkanonisches Ensemble genannt. Die Umgebung von A, das W¨arme- und Teilchenreservoir, geht nun durch die zwei Gr¨ oßen β und α ein. W¨ ahrend das mikrokanonische Ensemble nur f¨ ur makroskopische Systeme gerechtfertigt ist, gelten das kanonische und großkanonische Ensemble auch f¨ ur kleine Systeme. Bei der Herleitung der beiden letzteren Ensembles war wichtig, dass A im Gleichgewicht mit dem makroskopischen W¨ armebad A˜ (und Teilchenreservoir) ist, also das Gesamtsystem makroskopisch und damit das FP anwendbar ist. Ist allerdings das System A ebenfalls makroskopisch, dann verschwindet der Unterschied zwischen allen drei Gesamtheiten (mikrokanonisch, kanonisch, großkanonisch). D.h., in diesem Fall erh¨ alt man aus den drei Gesamtheiten eine ¨aquivalente Beschreibung des Systems A, wie wir in Kapitel 4 sehen werden.

1.7 1.

¨ Ubungsaufgaben

Eine Dichtematrix f¨ ur ein Teilchen mit Spin 1/2 sei gegeben durch  1 a | ↑↑ | + b | ↓↓ | mit a ≥ 0, b ≥ 0 und a + b = 1. ρ= 2 Berechnen Sie die Erwartungswerte der Spinoperatoren Sk (k = 1, 2, 3) und deren ur welchen Wert von a sind alle Spinerwartungswerte gleich Schwankungen ΔSk . F¨ Null?

2.

3.

4.

Ein aus zwei Spins bestehendes System werde durch den reinen Zustand  1  ψ = √ | ↑ ⊗ | ↓ + eiα | ↓ ⊗ | ↑ 2 beschrieben. Angenommen, man f¨ uhrt nur Messungen am linken Spin durch. Durch welche Dichtematrix kann man dann den Zustand des linken Spins effektiv beschreiben?   Es seien zwei Operatoren A = k ak σk , B = k bk σk im Spinraum gegeben,  wobei a und b relle Vektoren sind. Berechnen Sie den Erwartungswert von A ⊗ B im Zustand ψ aus dem vorigen Beispiel. Was ist die Bedingung an a und b, so dass man einen Effekt der Phase α bemerkt? L¨ osen Sie dieselbe Aufgabe wie in Beispiel 2 mit  1  ψ = √ | ↑ ⊗ | ↓ + | ↓ ⊗ | ↓ + | ↓ ⊗ | ↑ . 3

26

1 Grundlagen der Statistischen Physik

5.

Die Dichte von trockener Luft ist ca. 1.29 kg m−3 bei Normbedingungen und setzt sich etwa aus 78% Stickstoff, 21% Sauerstoff und 1% Argon (Volumsprozente) zusammen. Wieviele N2 -Molek¨ ule sind pro Kubikmeter vorhanden?

6.

Berechnen Sie U (S, V, N ) und p(S, V, N ) f¨ ur ein einatomiges ideales Gas.

7.

Zwei Volumina V1 und V2 seien durch eine Wand getrennt. In beiden Volumina befinde sich ein einatomiges ideales Gas mit Temperatur T und Druck p, aber die Gase in den beiden Volumina seien verschieden. Nach dem Entfernen der Trennwand vermischen sich die Gase und kommen wieder ins Gleichgewicht. Berechnen Sie die Differenz ΔS der Entropien zwischen End- und Anfangszustand (Mischentropie). Wie groß ist ΔS, wenn sich vor dem Entfernen der Trennwand in beiden Volumina das gleiche Gas befunden hat?

8.

F¨ uhren Sie die Rechnungen des vorigen Beispiels noch einmal durch, diesmal mit einem Ausdruck S  f¨ ur die Entropie, der die Ununterscheidbarkeit der Gasatome einer Sorte nicht ber¨ ucksichtigt. Zeigen Sie, dass f¨ ur zwei gleiche Gase der Ausdruck S  auf einen Widerspruch f¨ uhrt (Gibbssches Paradoxon).

9.

Ein System A sei im Kontakt mit einem W¨armebad und einem weiteren großen System, mit dem es u ¨ ber eine bewegliche Trennwand einen Volumsaustausch“ ” durchf¨ uhren kann. Zeigen Sie, dass man in diesem Fall ∞ dV e−γV Z(T, V ) X(β, γ) = 0

mit γ = βp als Zustandssumme von A interpretieren kann.

2

Thermodynamik

2.1

Die Haupts¨atze der Thermodynamik

Die Haupts¨ atze formulieren einige fundamentale Erkenntnisse, die wir im ersten Kapitel gewonnen haben. • 1. Hauptsatz: Ein makroskopischer Gleichgewichtszustand eines Systems A kann charakterisiert werden durch die innere Energie U (S, Y). a) A isoliert ⇒ U ist konstant. ¨ b) Bei einem quasistatischen Ubergang Ai → Af (Ai,f sind Systeme im Gleichgewichtszustand) ist die Energie¨ anderung gegeben durch ΔU = ΔQ + ΔA, wobei ΔQ die vom System absorbierte W¨arme und ΔA die am System durch ¨ ΔY = Anderung der externen Parameter geleistete Arbeit ist. • 2. Hauptsatz: Ein makroskopischer Gleichgewichtszustand eines Systems A kann charakterisiert werden durch die Gr¨ oße Entropie S(U, Y). a) System isoliert, Ai → Af ⇒ ΔS = Sf − Si ≥ 0. d- Q b) System nicht isoliert, quasistatischer Prozess ⇒ dS = T . • 3. Hauptsatz: lim S = S0 ,

T →0

wobei S0 eine von allen Parametern, die den Zustand eines Systems charakterisieren, unabh¨ angige Konstante ist. Der 1. Hauptsatz ist nur eine Version der Energieerhaltung – siehe Gleichungen (1.37) und (1.56). Der 2. und 3. Haupsatz folgen aus dem FP. Der Punkt a) des 2. Hauptsatzes folgt insbesondere aus der Version FP’ des FPs, welche in Abschnitt 1.5.1 bespro¨ chen wurde. Die Beschreibung einer quasistatischen Anderung durch dU bzw. dS sind a quivalent, wie in Gl. (1.56) dargelegt ist. ¨ Der 3. Hauptsatz [5] kann durch Betrachtung des kanonischen Ensembles verstanden werden: U → E0 (E0 ist die Grundzustandsenergie des Systems) ⇔ T → 0. Hat das System einen eindeutigen Grundzustand, dann ist S0 = k ln 1 = 0. Ist der Grundzustand g0 -fach entartet, dann ist S0 = k ln g0 . Es ist denkbar, dass die Entartung des Grundzustands von der Anzahl der Teilchen abh¨angt, wobei der Entartungsgrad exponentiell mit der Teilchenanzahl zunimmt. In diesem Fall h¨atten wir ln g0 ∝ N und S0 ∝ kN – siehe auch Abschnitt 2.2.4.

28

2 Thermodynamik

Festlegung der absoluten Temperaturskala: Die absolute Temperaturskala ist definiert durch die Festsetzung der Temperatur am Tripelpunkt von Wasser, an dem alle drei Phasen des Wassers gleichzeitig vorhanden sind: Tt ≡ 273.16 Kelvin.

(2.1)

Die Celsius-Skala wird heutzutage definiert durch Θ[◦ C] = T [K] − 273.15.

(2.2)

Gl. (2.1) erlaubt die experimentelle Fixierung der Boltzmannkonstante k zu [9] k = 1.3806504(24) × 10−23 JK−1 = 8.617343(15) × 10−5 eV K−1 .

(2.3)

Noch ein paar Worte zu den Einheiten des Drucks. Die SI-Einheit ist Pascal. Jedoch sind auch 1 bar = 105 Pascal und

1 atm = 101325 Pascal

(2.4)

gebr¨ auchlich (1 atm  1 bar!). Am Tripelpunkt von Wasser ist der Druck ziemlich klein, n¨ amlich ca. 6 mbar = 0.006 bar. In Abb. 2.5 ist das Phasendiagramm von Wasser schematisch dargestellt. Das Produkt NA k ≡ R heißt Gaskonstante. Ihr genauester numerischer Wert gem¨aß CODATA 2006 [9] ist R = 8.314472(15) JK−1 mol−1 . Dass die Temperatur eine eigene Einheit hat, hat historische Gr¨ unde. Eigentlich tritt immer das Produkt kT auf und man k¨ onnte die Temperatur in Energieeinheiten, z.B. in Millielektronvolt, angegeben. In dem Fall w¨ urden 0 ◦ C und 100 ◦ C Energien von 23.54 meV bzw. 32.16 meV entsprechen; das w¨are sicher gew¨ohnungsbed¨ urftig. Klarerweise kann man die Boltzmannkonstante nur aus der Angabe, dass sich der Tripelpunkt des Wassers per Definition bei einer Temperatur von Tt = 273.16 K befindet, bestimmen. Wie wird k tats¨ achlich bestimmt? Interessanterweise erfolgt die zur Zeit genaueste Bestimmung (CODATA 2006 [9]) durch Quotientenbildung k = R/NA , also aus den Werten der Gaskonstante und der Loschmidt-Zahl. Dabei wird R u ¨ber die Messung der Schallgeschwindigkeit von Argon bei Tt bestimmt – siehe Bemerkung in Unterkapitel 3.5. Die Loschmidt-Zahl erh¨ alt man durch die Vermessung von hochreinen und m¨ oglichst perfekten Siliziumeinkristallen, und zwar aus der relativen Atommasse Ar (Si), der Massendichte ρm und der Gitterkonstante a. Denn mit der molaren Masalt man das molare Volumen als Ar (Si)Mu /ρm und senkonstante Mu = 1 g mol−1 erh¨ somit [9] Ar (Si)Mu NA = 3 , (2.5) (a /8)ρm wobei a die Gitterkonstante des Siliziumkristalls und 8 die Anzahl der Atome pro Einheitszelle ist. Das Si-Kristallgitter entspricht dem Diamantgitter, bei dem die Einheitszelle ein W¨ urfel ist, der acht Atome enth¨ alt.

2.2 Thermodynamische Potentiale

A

29

−→

A1

A2

Abbildung 2.1: Das System A sei im Gleichgewicht und werde durch Einschieben einer Trennwand in zwei Teilsysteme unterteilt.

2.2

Thermodynamische Potentiale

2.2.1

Definition von extensiven und intensiven Gr¨oßen

In homogenen Systemen kann man thermodynamische Gr¨oßen in extensive und intensive Gr¨ oßen einteilen. Diese Begriffe werden folgendermaßen definiert. Wir stellen uns ein System A im Gleichgewicht vor und unterteilen es durch Einschieben einer Trennwand – siehe Abb. 2.1. Betrachten wir eine thermodynamische Gr¨oße Λ in A, so hat diese Gr¨ oße dann den Wert Λ1 in A1 und Λ2 in A2 . Dies l¨asst folgende Definitionen zu:  Extensive Gr¨ oße: Λ = Λ1 + Λ2 , nach Einschub der Trennwand. Intensive Gr¨ oße: Λ = Λ1 = Λ2 Beispiele f¨ ur extensive Gr¨ oßen sind S, V , N , U , w¨ahrend T , p, μ intensive Gr¨oßen sind.

2.2.2

Legendre-Transformationen und thermodynamische Potentiale

Wir betrachten jetzt Systeme mit nur einer Teilchensorte, und abgesehen von N sei V der einzige zus¨ atzliche externe Parameter. Wir gehen von U (S, V, N ) aus und bilden weitere thermodynamische Potentiale mit Hilfe von Legendre-Transformationen, welche durch folgendes Theorem charakterisiert sind. Theorem 3 Es sei f (x) eine auf einem offenen Intervall I zweimal stetig differenzierbare Funktion mit f  (x) = 0 auf I. Dann definiert y = f  (x) eine Variablentransformation auf I und g(y) ≡ f (x(y)) − y x(y) heißt Legendre-Transformierte von f (x). Schreiben wir das Differential von f als df (x) = y dx, dann ist dg(y) = −x dy das Differential von g. Die so erhaltenen wichtigsten Potentiale sind in Tabelle 2.1 aufgelistet. Alle diese Potentiale sind extensive Gr¨ oßen.

30

2 Thermodynamik

Tabelle 2.1: Die wichtigsten thermodynamischen Potentiale und deren Differentiale.

Variable S T S T T

V V p p V

N N N N μ

Thermodynamisches Potential Energie freie Energie Enthalpie freie Enthalpie großkan. Potential

U F = U − TS H = U + pV G = U − T S + pV J = U − T S − μN

Differential dU = T dS − pdV + μ dN dF = −SdT − pdV + μ dN dH = T dS + V dp + μ dN dG = −SdT + V dp + μ dN dJ = −SdT − pdV − N dμ

Betrachen wir als Beispiel die freie Energie F = U − T S. Deren Differential ist dF = dU − SdT − dS T = −SdT − pdV + μdN und F wird als Funktion von T anstatt S aufgefasst. Die nat¨ urlichen Variablen der Potentiale sind in Tabelle 2.1 angegeben. D.h., wenn z.B. von U ohne weitere Spezifikation die Rede ist, sind die Variablen S, V , N gemeint. Soll U als Funktion von T , V , N betrachtet werden, dann werden die Variablen explizit angegeben. Sei f (Λi , Λe ) ein thermodynamisches Potential, Λi = {Λiα } und Λe = {Λeβ } die intensiven bzw. extensiven Variablen, von denen das Potential abh¨angt. Der Parameter λ (0 < λ < 1) beschreibe eine Unterteilung von A, so dass λΛeβ der Wert dieser ur das Potential f in A1 Variablen in A1 und (1 − λ)Λeβ in A2 ist. Damit haben wir f¨ λf (Λi , Λe ) = f (Λi , λΛe ).

(2.6)

Differenzieren wir diese Relation nach λ und setzen danach λ = 1, so erhalten wir  ∂f (Λi , Λe ) f (Λi , Λe ) = Λeβ . (2.7) ∂Λeβ β

Wenden wir die soeben hergeleitete Relation auf G und J an, finden wir ∂G = N μ(T, p), ∂N ∂J = −V p(T, μ). J(T, V, μ) = V ∂V G(T, p, N ) = N

(2.8) (2.9)

Maxwell-Relationen: Ist f ein thermodynamisches Potential und sind x1 , x2 zwei Variable von f , dann gilt ∂ ∂f ∂ ∂f = . ∂x1 ∂x2 ∂x2 ∂x1

(2.10)

Die daraus folgenden Relationen heißen Maxwell-Relationen. Nehmen wir U (S, V, N ) als Beispiel und w¨ ahlen die Variablen S, V , dann ergibt sich   ∂ ∂U ∂T  ∂p  ∂ ∂U = ⇒ = −  . (2.11) ∂V ∂S ∂S ∂V ∂V  ∂S S,N

V,N

In Tabelle 2.2 sind einige n¨ utzliche Maxwell-Relationen aufgelistet.

2.2 Thermodynamische Potentiale

31

Tabelle 2.2: Einige Maxwell-Relationen. Die Teilchenzahl N ist fix.

Potential

Variable

U

S

V

F

T

V

H

S

p

G

T

p

Maxwell-Relation   ∂T  ∂p  = −  ∂V S ∂S V   ∂S  ∂p  = ∂V T ∂T V   ∂T  ∂V  = ∂p S ∂S p   ∂S  ∂V  = − ∂p  ∂T  T

2.2.3

p

Die kalorische Zustandsgleichung

Thermische Zustandsgleichung und W¨armekapazit¨at: In diesem Abschnitt nehmen wir eine fixe Teilchenzahl N an. Thermische und kalorische Zustandsgleichung sind folgendermaßen definiert: Thermische Zustandsgleichung: p = p(T, V ), Kalorische Zustandsgleichung: U = U (T, V ). Wir haben betont, dass die nat¨ urlichen Variablen von U gegeben sind durch S, V , N . Manchmal ist es jedoch n¨ utzlich, U in Abh¨angigkeit von der Temperatur T zu betrachten. Wie leitet man das Differential von U (T, Y) her? Man bekommt es mit Hilfe der freien Energie F (T, Y) und der Gibbs-Helmholtz-Gleichung U (T, Y) = F + T S = F − T

∂F . ∂T

(2.12)

Wegen

erh¨ alt man sofort

∂F = Ki ∂Yi

(2.13)

  ∂U  ∂Ki  = K − T . i ∂Yi T ∂T Y

(2.14)

Als n¨ achstes definieren wir die W¨ armekapazit¨ at  d- Q  CV = , dT Y

(2.15)

welche angibt, welche W¨ armemenge d- Q man zuf¨ uhren muss, um bei konstantem Volumen (alle anderen externen Parameter sind ebenfalls fix) die Temperatur¨anderung dT

32

2 Thermodynamik

zu erzielen. Wir erhalten mehrere ¨ aquivalente Ausdr¨ ucke f¨ ur CV :   2 ∂S  ∂ F ∂U  = −T = . CV (T, Y) = T ∂T Y ∂T 2 ∂T Y

(2.16)

Die letzte Relation folgt aus Gl. (2.12). Damit ergibt sich das gew¨ unschte Differential zu     ∂Ki  dU (T, Y) = CV dT + Ki − T dYi . (2.17) ∂T Y i Spezialisieren wir uns auf die Variablen T , V , dann liefert uns Gl. (2.17)    ∂p  dU (T, V ) = CV (T, V )dT + T − p dV, ∂T V woraus wir die Maxwell-Relation

  ∂CV  ∂ 2 p  = T ∂V T ∂T 2 V

(2.18)

(2.19)

erhalten. Die letzte Gleichung besagt, dass aus Konsistenzgr¨ unden die W¨armekapazit¨at angig von V sein muss, falls p eine lineare Funktion von T ist; das trifft f¨ ur CV unabh¨ das ideale Gas zu, aber auch f¨ ur die van der Waals-Gleichung, welche eine empirische Gleichung f¨ ur reale Gase ist und im n¨ achsten Kapitel besprochen wird. Leiten wir nun die zu Gl. (2.18) analoge Gleichung f¨ ur die Entropie her. Mit   ∂S  ∂S  dT + dV, dS(T, V ) = ∂T V ∂V T Gl. (2.16) und der zweiten Maxwell-Relation in Tabelle 2.2 finden wir  CV ∂p  dS(T, V ) = dT + dV. T ∂T V

(2.20)

(2.21)

Die kalorische Zustandsgleichung des idealen Gases: Wenden wir das, was wir jetzt hergeleitet haben, auf das ideale Gas an. D.h., wir verwenden die thermische Zustandsgleichung (1.65). F¨ ur diese gilt  ∂p  T −p=0 (2.22) ∂T V und somit dU (T, V ) = CV (T ) dT. (2.23) Die kalorische Zustandsgleichung des idealen Gases ist eine Funktion von T allein, d.h., unabh¨ angig von V . Aus Gl. (2.22) folgt sofort, dass U als Funktion von T , V – im Gegensatz zu U (S, V ) – nicht die volle thermodynamische Information eines Systems enth¨ alt. Wenn wir aus dU (T, V ) die thermische Zustandsgeichung des idealen Gases rekonstruieren wollen, m¨ ussen wir Gl. (2.22) verwenden. Diese Gleichung gibt uns aber nur p = ϕ(V )T , wobei ϕ eine unbestimmte Funktion ist. Mit anderen Worten, die thermische Zustandsgleichung l¨ asst sich nicht vollst¨andig aus der kalorischen Zustandsgleichung erhalten.

2.2 Thermodynamische Potentiale

33

Vollst¨andigkeit der thermodynamischen Information: Diese Frage der l¨ asst sich allgemein folgendermaßen beantworten [11]: i. Sind p = p(T, V ) und CV (T, V0 ) bekannt, dann kann man daraus CV (T, V ) und U (T, V ) berechnen (letzteres bis auf eine additive Konstante). ii. Die Gr¨ oßen p = p(T, V ) und CV (T, V0 ) enthalten die vollst¨andige thermodynamische Information. Der erste Punkt folgt unmittelbar aus Gl. (2.19). Fasst man n¨amlich diese Gleichung als Differentialgleichung f¨ ur CV als Funktion von V auf, dann ist die rechte Seite durch p(T, V ) gegeben und man kann eine L¨ osung berechnen; jedoch braucht man zur vollst¨ andigen Bestimmung eine Anfangsbedingung, also CV an einem bestimmten Volumen V0 . Mit Gl. (2.18) bestimmt man dann U (T, V ) bis auf eine Konstante. Der zweite Punkt ergibt sich folgendermaßen. Verwendung von Gl. (2.21) liefert S(T, V ), daraus erh¨ alt man T (S, V ) und somit U (S, V ) = U (T (S, V ), V ). Behandeln wir schließlich noch die Frage, wieweit F (T, V ) bestimmt ist, wenn man U (T, V ) kennt. Diese Frage wird durch L¨ osen der Gibbs-Helmholtz-Gleichung (2.12) beantwortet: T U (T  , V ) F (T, V ) = −T dT  + φ(V )T (2.24) T 2 T0 ¨ mit einer unbestimmten Funktion φ(V ), die – wie schon bei der Uberlegung zum idealen Gas besprochen – erst durch Kenntnis der thermischen Zustandsgleichung festgelegt wird.

2.2.4

Materialgro¨ßen

In Tabelle 2.3 sind die wichtigsten Materialgr¨ oßen zusammengestellt. Die W¨armekapazit¨ at CV kennen wir schon vom vorigen Abschnitt, ebenso ihre Darstellung als Ableitung der Entropie. Analog ist Cp definiert. Im Fall der adiabatischen Kompressibilit¨at ist nat¨ urlich eine quasistatische Kompression bei d- Q = 0 gemeint. Materialgr¨oßen und die thermische Zustandsgleichung: Die Gr¨ oßen α, β, κT lassen sich aus der thermischen Zustandsgleichung berechnen. Da p = p(T, V ) bei fixem N nur von zwei Variablen abh¨angt, muss es eine Relation zwischen den drei Materialgr¨ oßen geben. Diese kann mit dem folgenden mathematischen Theorem berechnet werden. Theorem 4 Es sei f (x, y, z) eine stetig differenzierbare Funktion, definiert in einer Umgebung von (x0 , y0 , z0 ). Weiters sei f (x0 , y0 , z0 ) = 0 und alle drei partiellen Ableitungen von f bei (x0 , y0 , z0 ) seien ungleich Null. Dann definiert f (x, y, z) = 0 in einer Umgebung von (x0 , y0 , z0 ) die Funktionen x(y, z), y(x, z), z(x, y) und es gilt    ∂x  ∂y  ∂z  = −1. ∂y z ∂z x ∂x y

34

2 Thermodynamik

Tabelle 2.3: Liste der wichtigsten Materialgr¨ oßen. Die Teilchenzahl ist fix.

Materialgr¨oßen Isobarer Ausdehnungskoeffizient Isochorer Spannungskoeffizient

 1 ∂V  α≡ V ∂T p  1 ∂p  β≡ p ∂T  V

Isotherme Kompressibilit¨ at Adiabatische Kompressibilit¨ at W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Volumen W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Druck

 1 ∂V  κT ≡ − V ∂p T  1 ∂V  κS ≡ − V ∂p S   d- Q  ∂S  CV ≡ = T dT V ∂T V   d- Q  ∂S  Cp ≡ = T dT  ∂T  p

Wenden wir dieses Theorem auf f (p, T, V ) = p − p(T, V ) an, erhalten wir    ∂p  ∂T  ∂V  = −1 ∂T V ∂V p ∂p T bzw. α=

   1 ∂V  1 ∂p  ∂V  = − . V ∂T p V ∂T V ∂p T

p

(2.25)

(2.26)

Die Definitionen von κT und β liefern schließlich die gesuchte Relation α = p κT β.

(2.27)

Die Differenz Cp − CV ist ebenfalls durch die thermische Zustandgleichung bestimmt. Dies sieht man aus    ∂S  d ∂S  ∂V  Cp = T S(T, V (T, p)) = CV + T =T . (2.28) ∂T p dT ∂V T ∂T p Verwendet man f¨ ur die Ableitung der Entropie die zweite Maxwell-Relation aus Tabelle 2.2, ergibt sich das Resultat   ∂p  ∂V  V T α2 Cp − CV = T = pV T αβ = . (2.29)   ∂T V ∂T p κT

2.2 Thermodynamische Potentiale

35

F¨ ur das ideale Gas mit der thermischen Zustandsgleichung (1.65) erhalten wir f¨ ur die soeben diskutierten Materialgr¨ oßen α=β=

1 , T

κT =

1 , p

Cp − CV = N k.

(2.30)

Ist das Gas monoatomar, dann folgt CV = 32 N k aus Gl. (1.63). Der Zusammenhang zwischen κS und κT : Die Herleitung folgt [15] und nimmt Gl. (2.21) als Ausgangspunkt, wobei allerdings dT umgeformt wird: T dS = CV

     ∂T  ∂T  ∂p  dp + CV +T dV. ∂p V ∂V p ∂T V

(2.31)

Da κS bei konstanter Entropie erhalten wird, setzen wir dS = 0 und formen die vorige Gleichung um in 

   2   ∂p  ∂p  ∂T  0 = CV dp + CV +T dV ∂T V ∂V p ∂T V      2  ∂p  ∂p  ∂V  = CV dp − CV − T dV, ∂V T ∂p T ∂T V

(2.32)

wobei wir Gl. (2.25) verwendet haben. Nochmalige Verwendung dieser Gleichung und der Gl. (2.29) liefert  ∂p  Cp dV. (2.33) 0 = CV dp − ∂V  T

Damit erhalten wir das Resultat κS =

CV κT . Cp

(2.34)

Mit den Gleichungen (2.29) und (2.34) k¨ onnen wir die W¨armekapazit¨aten durch die Kompressibilit¨ aten ausdr¨ ucken: CV =

V T α2 κS , κT − κS κT

Cp =

V T α2 . κT − κS

(2.35)

Es sind also von den sechs in Tabelle 2.3 angef¨ uhrten Materialgr¨oßen nur drei unabh¨ angig. Da bei Festk¨ orpern und Fl¨ ussigkeiten die Bestimmung von Gr¨oßen bei konstantem Volumen in der Praxis schwer durchf¨ uhrbar ist, k¨onnen β und CV aus den anderen Materialgr¨ oßen mit Hilfe der hier abgeleiteten Relationen bestimmt werden.

36

2 Thermodynamik

Materialgr¨oßen und thermodynamische Potentiale: Die Materialgr¨ oßen lassen sich durch Ableitungen von geeigneten thermodynamischen Potentialen gewinnen. In Analogie zu Gl. (2.16) erhalten wir sofort  ∂S  ∂2G = −T . (2.36) Cp (T, p) = T  ∂T p ∂T 2 W¨ ahrend CV durch Ableitung von U (T, V ) nach T zu erhalten ist – siehe Gl. (2.16), gilt f¨ ur Cp im Allgemeinen nicht, dass es durch Ableitung von U (T, p) nach T zu erhalten ist. Der Grund ist, dass U (T, p) gegeben ist durch U (T, p) = G − T und wir somit

∂G ∂G −p ∂T ∂p

  ∂U  ∂V  = Cp − p . ∂T p ∂T p

(2.37)

(2.38)

bekommen. Der zweite Term auf der rechten Seite ist offensichtlich im Allgemeinen ungleich Null. Nehmen wir als Testfall das ideale Gas, dann k¨onnen wir n¨amlich Folgendes herleiten:  ∂U  Ideales Gas ⇒ = Cp − N k = CV , (2.39) ∂T p wobei wir die thermische Zustandsgleichung und Gl. (2.30) verwendet haben. Kehren wir zu Gl. (2.36) zur¨ uck. Durch Ableitung nach p folgern wir, dass allgemein   ∂Cp  ∂ 2 V  = −T (2.40) ∂p T ∂T 2 p gilt. Die rechte Seite dieser Gleichung ist Null f¨ ur ein ideales Gas, allerdings kann man sich leicht u ur ein van der Waals-Gas nicht mehr gilt. ¨ berlegen, dass selbiges f¨ Nehmen wir als n¨ achstes Beispiel β, welches eine Ableitung nach T bei konstantem V enth¨ alt; daher ist F ein geeignetes Potential. F¨ ur κS sind z.B. U und H geeignet. Diese Beispiele ergeben   −1 −1 2  −1 2 ∂F ∂H ∂ F ∂ H 1 ∂2U β= , κS = = − . (2.41) 2 ∂V ∂T ∂V V ∂V ∂p ∂p2 Materialgr¨oßen und der 3. Hauptsatz: Der 3. Hauptsatz der Thermodynamik hat wichtige Konsequenzen f¨ ur das Verhalten von Materialgr¨ oßen bei T → 0 [16, 17]. Untersuchen wir als Erstes das Verhalten von CV . Mit Gl. (2.21) und dV = 0 erhalten wir T T  CV (T  , V )  CV (T , V ) dT bzw. S(T, V ) = S0 + dT  , S(T, V ) − S(0, V ) =  T T 0 0 (2.42)

2.2 Thermodynamische Potentiale

37

wobei S0 gem¨ aß dem 3. Hauptsatz der von allen Parametern unabh¨angige Wert der Entropie bei T = 0 ist. In Analogie zu Gl. (2.21) leitet man  ∂V  Cp dT − dp (2.43) dS(T, p) = T ∂T p her und somit



T

S(T, p) = S0 +

dT 

0

Cp (T  , p) . T

(2.44)

Weil die Integrale in den Gleichungen (2.42) und (2.44) wohldefiniert sein m¨ ussen, folgt aus dem 3. Hauptsatz lim CV (T, V ) = lim Cp (T, p) = 0.

T →0

T →0

Mit der zweiten Maxwell-Relation aus Tabelle 2.2 und Gl. (2.42) erhalten wir   T  ∂p  ∂S  ∂  CV (T , V ) = = dT . ∂T V ∂V T ∂V 0 T

(2.45)

(2.46)

Nun verwenden wir Gl. (2.19) f¨ ur die Ableitung von CV nach V , was uns zu      ∂p  ∂p  ∂p  = − ∂T V ∂T V ∂T V T =0 f¨ uhrt. Analog behandeln wir die Ableitung von V nach T . Wir erhalten somit       ∂p  ∂V  = 0 und = 0. ∂T  ∂T  V

p

T =0

(2.47)

T =0

Das ergibt mit den Definitionen von α und β und mit Gl. (2.29) das Verhalten lim α = lim β = 0 und

T →0

T →0

lim

T →0

Cp − CV = 0. T

(2.48)

Der 3. Hauptsatz macht jedoch keine Aussage u ¨ ber das Verhalten der Kompressibilit¨aten bei T → 0 [17]. Man kann sich fragen, ob es Substanzen gibt, deren Entropie S0 von Null verschieden ist. Na¨ urlich kann man S0 nicht direkt messen, aber man kann Gl. (2.44) zur Bestimmung von S0 heranziehen. Man h¨ alt den Druck z.B. bei einer Atmosph¨are fest und misst die W¨ armekapazit¨ at Cp einer Substanz von T = 0 bis zu einem so hohen T , bei dem die Substanz gasf¨ ormig ist und sich in guter N¨ aherung wie ein ideales Gas verh¨alt; die linke Seite von Gl. (2.44) wird durch die Theorie bestimmt – siehe Gl. (1.67) f¨ ur ein monoatomares ideales Gas. Die Theorie liefert ja f¨ ur ein ideales Gas eine außerordenlich gute Beschreibung und gibt den absoluten Wert der Entropie an. Somit liefert Gl. (2.44) eine Methode, um die Restentropie S0 zu bestimmen: T Cpexp (T  , p) dT  . (2.49) S0 = S(T, p)|Gas,Theorie − T 0

38

2 Thermodynamik

Beim Integral ist zu beachten, dass man, immer wenn eine Phasengrenze u ¨ berschritten wird, den Beitrag Q /T  dazunehmen muss; dabei ist T  die Temperatur, bei der der Phasen¨ ubergang stattfindet, und Q ist die W¨arme, die man aufwenden muss, um das System von einer Phase in die andere u uhren. Diese Vorgehensweise folgt aus ¨ berzuf¨ der Definition von Cp – siehe Tabelle 2.3. Weiters ist festzuhalten, dass der theoretische Term im Fall von mehratomigen Gasmolek¨ ulen durch spektroskopische Methoden kontrolliert und korrigiert werden kann. Andrerseits kann man Cpexp nicht bis T = 0 messen und notgedrungen muss daher zum absoluten Nullpunkt extrapoliert werden, wobei wiederum theoretische Modelle eingehen. Beispielsweise f¨ ur Orthowasserstoff, Kohlenmonoxid, Distickstoffmonoxid und Wassereis wurden auf diese Weise Restentropien S0 festgestellt [18, 19]. Besonders interessant ist der Fall von Eis, wo Linus Pauling den Wert S0  N k ln(3/2) absch¨ atzte [20] (siehe auch [21]), welcher gut im Einklang mit dem experimentellen Resultat ist und einen großartigen Erfolg der Anwendung der elementaren Statistischen Physik darstellt, da es sich bei der theoretischen Bestimmung ahlung von erlaubten Konfigurationen handelt. Aus diesem Grunde von S0 um Abz¨ gibt die Messung von S0 auch Hinweise auf Kristallstruktur und Kristallverhalten bei sehr tiefen Temperaturen. Allerdings sollte man bei der Diskussion von S0 bedenken, dass sich das System bei Messungen von Cp bei tiefen Temperaturen m¨oglicherweise doch nicht im absoluten thermischen Gleichgewicht befindet und man unter idealen Bedingungen und bei gen¨ ugend tiefen Temperaturen vielleicht S0 = 0 f¨ ur jedes System findet [20]. Eine ¨ ahnliche wie die in Gl. (2.49) beschriebene Methode wurde von Tetrode [6] und Sackur [7] verwendet, um die Gr¨ oße des Diskretisierungsvolumens im Phasenraum zur Abz¨ ahlung der verschiedenen Mikrozust¨ ande zu bestimmen. Da sie Daten von Quecksilber zur Verf¨ ugung hatten, dessen Dampf monoatomar ist, verwendeten sie als theoretischen Ausdruck die von ihnen berechnete Sackur-Tetrode-Gleichung (1.61) f¨ ur die Entropie des einatomigen idealen Gases, welche sie mit Utr /N = 3kT /2 und V /N = kT /p in Str (T, p) umformten. Sie ersetzten das in der Konstanten K in Str (T, p) enthaltene Plancksche Wirkungsquantum  durch z. Mit Gl. (2.49) und S0 = 0 bestimmten Sackur und Tetrode den Wert von z und wiesen damit empirisch nach, dass z  1 und das Phasenraumvolumen in der Tat durch das Plancksche Wirkungsquantum bestimmt ist.

2.2.5

Die Adiabatengleichung

Wird ein quasistatischer Prozess w¨ armeisoliert durchgef¨ uhrt, dann durchl¨auft man in der T –V -Ebene eine bestimmte Kurve. Die Differentialgleichung f¨ ur diese Kurve bekommt man aus Gl. (2.21) durch dS = 0:  ∂p  CV (T, V )dT + T dV = 0. (2.50) ∂T V Will man die Adiabatenkurve in der p–V -Ebene haben, greift man am besten auf Gl. (2.33) zur¨ uck:  Cp ∂p  dV. (2.51) dp = CV ∂V  T

2.3 W¨ armemaschinen und W¨ armereservoire

39

 Σ  6 A ' A˜1 , T1

Q1-

M

&

$ Q2-

A˜2 , T2

%

Abbildung 2.2: Schema einer zyklisch arbeitenden W¨ armemaschine.

In diesem Fall muss man nat¨ urlich T als Funktion von p und V in diese Gleichung einsetzen.

2.3

W¨armemaschinen und W¨armereservoire

Der Wirkungsgrad: Eine Maschine M arbeite periodisch und verrichte Arbeit am System Σ. In einem Zyklus entnimmt die Maschine dem W¨ armereservoir A˜1 die W¨armemenge Q1 , verrichtet an Σ armereservoir A˜2 ab – siehe Abb. 2.2. Damit haben die Arbeit A und gibt Q2 an das W¨ wir folgende Energie- und Entropiebilanz des gesamten Systems: ΔUtot = −Q1 + A + Q2 = 0,

ΔStot = −

Q1 Q2 + ≥ 0. T1 T2

(2.52)

Setzen wir Q2 = Q1 − A in die Entropiebilanz ein, erhalten wir η≡

T2 A ≤1− , Q1 T1

(2.53)

wobei η eine geeignete Definition des Wirkungsgrads der Maschine ist. Nur bei einem reversiblen Prozess gilt das Gleichheitszeichen. Das System Σ erleidet keine Entropie¨ anderung, da es Energie nur in Form von Arbeit aufnimmt. H¨ atten wir kein Reservoir A˜2 , das die W¨ armemenge Q2 pro Zyklus aufnimmt, w¨are ΔStot negativ. Daraus folgt die Unm¨oglichkeit eines Perpetuum Mobile zweiter Art: Es ist nicht m¨ oglich, mit einer periodisch arbeitenden Maschine Energie einem W¨ armereservoir mit Temperatur T > 0 zu entnehmen und als Arbeit einem System Σ zuzuf¨ uhren, ohne sonstige Ver¨anderungen hervorzurufen.

40

2 Thermodynamik T 6

Q1 -

T1

?

6  Q2

T2

S1

S2

-S

Abbildung 2.3: Der Kreisprozess einer Carnot-Maschine in der S–T -Ebene.

Die Carnot-Maschine: Eine Carnot-Maschine ben¨ utzt eine Arbeitssubstanz (z.B. ein ideales Gas), mit der sie einen quasistatischen Kreisprozess in der S–T -Ebene ausf¨ uhrt, wie in Abb. 2.3 skizziert ist. Der Kreisprozess besteht aus folgenden Schritten: 1. Isotherme Zustands¨ anderung bei Temperatur T1 von S1 nach S2 . Dabei nimmt die Arbeitssubstanz die W¨ armemenge Q1 = T1 (S2 − S1 ) aus A˜1 auf. 2. Adiabatische Zustands¨ anderung bei Entropie S2 . 3. Isotherme Zustands¨ anderung bei Temperatur T2 von S2 nach S1 . Dabei gibt die Arbeitssubstanz die W¨ armemenge Q2 = T2 (S2 − S1 ) an A˜2 ab. 4. Adiabatische Zustands¨ anderung bei Entropie S1 . Nach dem Energiesatz ist die geleistete Arbeit A = Q1 − Q2 und η = A/Q1 = 1 − Q2 /Q1 = 1 − T2 /T1 . Daher hat eine Carnot-Maschine den maximalen Wirkungsgrad – siehe Gl. (2.53). Wir betrachten nun einen allgemeinen quasistatischen Kreisprozess in der S–T -Ebene mit der Annahme, dass die beiden W¨ armereservoire dieselben Temperaturen wie vorhin haben – siehe Abb. 2.4. Damit bekommen wir T dS = T¯1 (S2 − S1 ), Q2 = − T dS = T¯2 (S2 − S1 ), (2.54) Q1 = γ1

γ2

wobei wir den Mittelwertsatz der Integration angewendet haben, der T¯1 und T¯2 bestimmt. Es gilt T2 ≤ T¯2 < T¯1 ≤ T1 . (2.55)

2.4 Gleichgewichtsbedingungen T 6

41

γ1 →

T1

T2

← γ2

S1

S2

-S

Abbildung 2.4: Ein allgemeiner Kreisprozess einer Maschine in der S–T -Ebene.

Damit ergibt sich f¨ ur den Wirkungsgrad T2 T¯2 η =1− ¯ ≤1− . T1 T1

(2.56)

D.h, bei vorgegebenen Temperaturen der W¨ armereservoire ist der Wirkungsgrad beliebiger periodischer W¨ armemaschinen stets schlechter als der der Carnot-Maschine. Bei irreversibler Arbeitsweise verschlechtert sich der Wirkungsgrad weiter.

2.4

Gleichgewichtsbedingungen

Wir diskutieren hier Anwendungen des zweiten Hauptsatzes.

2.4.1

Gleichgewicht bei Austauschprozessen

Zuerst betrachten wir ein abgeschlossenes System A = A1 ∪ A2 , bestehend aus zwei Teilsystemen mit inneren Energien Ui , Volumina Vi und Teilchenzahlen NAi , NBi (i = 1, 2). Wir nehmen an, dass wir zwei Teilchensorten A und B haben. Wir betrachten das Gleichgewicht in Abh¨ angigkeit von den Eigenschaften der Trennwand zwischen A1 und A2 . Weil A abgeschlossen ist, sind U1 + U2 , V1 + V2 , NA1 + NA2 und NB1 + NB2 konstant. Wir ben¨ utzen, dass die Entropie im Gleichgewicht ein Maximum hat, also ur die folgende Diskussion auf Gl. (1.56) zur¨ uck. dS = dS1 + dS2 = 0 gilt, und greifen f¨ Trennwand w¨armedurchl¨assig: In diesem Fall nehmen wir also an, dass die Trennwand nur W¨armeaustausch erlaubt.

42

2 Thermodynamik

Das f¨ uhrt zu dS =

dU1 dU2 + = T1 T2



1 1 − T1 T2

 dU1 = 0



T1 = T2 .

(2.57)

Trennwand beweglich: Wir nehmen zus¨ atzlich an, dass die Trennwand w¨armeisolierend wirkt und keinen Teilchenaustausch erlaubt. Bei der quasistatischen Zustands¨anderung gilt nun dU1 = −p1 dV1 = −dU2 . Damit ist dS1 identisch Null und daher dS1 = dS2 = 0. Setzen wir dU2 = p1 dV1 und dV2 = −dV1 in dS2 = (dU2 + p2 dV2 )/T2 ein, erhalten wir dS = dS2 = (p1 − p2 )

dV1 =0 T2



p1 = p2 .

(2.58)

D.h., unabh¨ angig von den Temperaturen in den Teilsystemen m¨ ussen die Dr¨ ucke gleich sein. Trennwand durchl¨assig f¨ ur die Teilchen der Sorte A: F¨ ur Teilchen der Sorte B soll die unbewegliche Trennwand undurchl¨assig sein, ebenso f¨ ur W¨ arme. Nun ist dU1 = μA1 dNA1 = −dU2 und dNA2 = −dNA1 . Mit der analogen Argumentation wie beim Druck erhalten wir dS = − (μA1 − μA2 )

dNA1 =0 T2



μA1 = μA2 .

(2.59)

Man kann die Eigenschaften der Trennwand auch kombinieren. Ist sie z.B. w¨armedurchl¨ assig und beweglich, gilt im Gleichgewicht T1 = T2 und p1 = p2 .

2.4.2

Stabilit¨atsbedingungen

Nun betrachten wir ein System A im Kontakt mit einer Umgebung. Als Erstes nehmen wir an, die Umgebung sei ein W¨ armebad A˜ mit Temperatur T . In A˜ ∪ A kann die Gesamtentropie Stot nur zunehmen. Wenn das System A die W¨armemenge ΔQ aufnimmt und die Arbeit A leistet, erhalten wir ΔStot = ΔS˜ + ΔS = −

−ΔU + T ΔS − A −ΔF − A ΔQ + ΔS = = ≥ 0, T T T

(2.60)

¨ wobei ΔU = ΔQ − A die Anderung der inneren Energie von A ist. Daher gilt ΔF ≤ −A im System A. Sind die externen Parameter von A fix, dann wird keine Arbeit A geleistet und daher ist ΔF ≤ 0. Wir haben somit folgende zu ΔStot ≥ 0 ¨aquivalente Formulierung gefunden:

In einem System mit fixen externen Parametern, welches im Kontakt mit einem W¨ armebad ist, hat die freie Energie ein Minimum.

2.4 Gleichgewichtsbedingungen

43

Nun sei das System A im Kontakt mit einem W¨ armebad A˜ und einem Volumsreservoir  ˜ A . Ein Volumsreservoir ist ein System, das einen fixen Druck p hat und nur Arbeit in ˜  = −p dV˜  leistet; damit ist dS˜ = 0. Zwischen A und A˜ sei Form von Volumsarbeit dU eine bewegliche Trennwand, die den Druck in A konstant beim Wert p des Volumsreser˜ A˜ ∪A und die Gesamtentropie voirs h¨ alt. Wir betrachten wieder das Gesamtsystem A∪ Stot . Dann haben wir die Bilanz −ΔU + T ΔS − pΔV − A −ΔG − A ΔQ + ΔS = = . (2.61) ΔStot = ΔS˜ + ΔS = − T T T Nun ist ΔU = ΔQ − pΔV − A. Es gilt daher ΔG ≤ −A und wir erhalten folgenden Merksatz:

In einem System, in welchem alle externen Parameter außer V fix sind und welches im Kontakt mit einem W¨ armebad und u ¨ ber V mit einem Volumsreservoir ist, hat die freie Enthalpie ein Minimum.

Detaillierte Diskussionen von Stabilit¨ atsbedingungen sind in [15, 22] zu finden. ¨ In diesem Abschnitt kann der Ubergang vom Anfangszustand Ai des Systems A in den Endzustand Af irreversibel sein, jedoch Ai und Af m¨ ussen im Gleichgewicht sein, damit ΔF bzw. ΔG wohldefiniert sind.

2.4.3

Chemische Reaktionen und Reaktionsgleichgewicht

Bei vielen chemischen Prozessen dient die Atmosph¨are als W¨armebad und Volumsreservoir, d.h., f¨ ur Ai und Af sind T und p gleich. Ein Beispiel ist die Reaktion 2 H2 + O2 → 2 H2 O. Hat man eine chemische Reaktion A  B, dann gibt ΔG an, in welche Richtung die Reaktion abl¨ auft. Nehmen wir an, es sei ΔG < 0. Wir haben soeben hergeleitet, dass dann die Reaktion in der Richtung A → B abl¨ auft. Dabei nennt man ΔH = ΔU + pΔV die Reaktionsw¨ arme oder W¨ armet¨ onung. Ist ΔH < 0, dann heißt die Reaktion exotherm und die W¨ armemenge −ΔH wird durch den chemischen Prozess an die Umgebung abgegeben. F¨ ur ΔH > 0 nennt man die Reaktion endotherm und die W¨armemenge ΔH muss zugef¨ uhrt werden; damit in diesem Fall die Reaktion von A nach B abl¨auft, muss T ΔS > ΔH sein, also die Entropieproduktion groß genug sein, um ΔG < 0 zu erreichen. Eine verwandte Fragestellung ist die des chemischen Gleichgewichts, welches niemals zu 100% auf einer Seite der Reaktionsgleichung ist. In diesem Falle betrachtet man gem¨aß ¨ der Uberlegung im vorigen Abschnitt das Minimum der freien Enthalpie, also dG = 0. Wir nehmen an, dass alle miteinander reagierenden Stoffe bestehend aus Molek¨ ulen Aj (j = 1, . . . , r) homogen gemischt sind. Dann h¨ angt n¨amlich G nur von den Variablen T, p, N1 , . . . , Nr ab, wobei Nj die Zahl der Molek¨ ule des Stoffes j ist. Formal l¨asst sich

44

2 Thermodynamik

eine chemische Reaktion als

r 

νj Aj = 0

(2.62)

j=1

schreiben. Die ganzen Zahlen νj seien negativ, wenn sich Aj auf der linken Seite der Reaktionsgleichung befindet, und positiv f¨ ur die rechte Seite. Wenn wir als Beispiel das Reaktionsgleichgewicht 2 H2 + O2  2 H2 O betrachten, haben wir ν1 = −2, ν2 = −1 ¨ der Nj u und ν3 = 2. Da eine Anderung ¨ ber die chemische Reaktion Gl. (2.62) nur mit dNj = νj dn mit einem gemeinsamen dn m¨oglich ist, erh¨alt man aus dG = 0 die Relation r  νj μj = 0 (2.63) j=1

f¨ ur die chemischen Potentiale μj . Diese Gleichung ist die Grundlage des Massenwirkungsgesetzes, welches wir sp¨ ater f¨ ur chemische Reaktionen von idealen Gasen herleiten werden.

2.5

Gleichgewicht zweier Phasen einer Substanz

Koexistenz zweier Phasen einer Substanz: In Abh¨ angigkeit von Temperatur und Druck k¨onnen Stoffe in verschiedenen Aggregatzust¨ anden oder Phasen auftreten. Im Normalfall k¨onnen diese Phasen durch die Adjektive fest, fl¨ ussig und gasf¨ ormig charakterisiert werden, wobei allerdings die feste Phase meistens noch weiter in Phasen mit verschiedenen Kristallstrukturen unterteilt ist. Wir betrachten ein System, das aus Teilchen einer Sorte besteht, jedoch r¨aumlich inhomogen ist, weil eine Phasengrenze besteht; in den einzelnen Phasen soll das System jedoch homogen sein. An der Phasengrenze k¨ onnen W¨arme und Teilchen ausgetauscht werden. Nach der Diskussion in Abschnitt 2.4.1 haben wir folgende Gleichgewichtsbedingungen: Thermisches Gleichgewicht: Teilchenaustausch:

T1 = T2 , μ1 = μ2 .

Wir bezeichnen allgemein eine Koexistenzkurve zweier Phasen im p–T -Diagramm mit p¯ = p¯(T ). Im Speziellen bezeichnen wir die Dampfdruckkurve, wo die Phasen Fl¨ ussigkeit und Dampf (Gas) koexistieren, mit p¯d (T ). Phasen¨ ubergang erster Ordnung: Nach der Klassifikation von Paul Ehrenfest ist bei einem Phasen¨ ubergang erster Ordnung die erste Ableitung von μ(T, p), wenn man orthogonal zur Koexistenzkurve p¯ = p¯(T ) ableitet, unstetig. Wegen G(T, p, N ) = N μ(T, p) erh¨alt man V ∂μ = ≡ v, ∂p N

(2.64)

wobei v das Volumen pro Teilchen ist. Damit gilt Folgendes f¨ ur Phasen¨ uberg¨ange erster Ordnung:

2.5 Gleichgewicht zweier Phasen einer Substanz

45

Wird bei einer quasistatischen Zustands¨ anderung die Koexistenzkurve u ¨ berquert, macht das Volumen pro Teilchen einen Sprung. Herleitung der Clausius-Clapeyronschen Gleichung: Diese Gleichung dr¨ uckt die Steigung der Koexistenzkurve durch Gr¨oßen aus, die den Phasen¨ ubergang beschreiben. Sie wird folgendermaßen hergeleitet. Schritt 1: Entlang der Koexistenzkurve gilt μ1 (T, p¯(T )) = μ2 (T, p¯(T )) ⇒

∂ ∂ d¯ p d Δμ(T, p¯(T )) = Δμ + Δμ = 0, dT ∂T ∂p dT

(2.65)

wobei wir Δμ = μ2 − μ1 definiert haben. Schritt 2: Wir leiten eine Maxwell-Relation f¨ ur G her, n¨amlich ∂ ∂G ∂μ(T, p) ∂ ∂G ∂S(T, p, N ) = = =− . ∂T ∂N ∂T ∂N ∂T ∂N

(2.66)

Es gilt jedoch S(T, p, N ) = N s(T, p), wobei s(T, p) die Entropie pro Teilchen ist. Somit erhalten wir ∂μ(T, p) = −s(T, p). (2.67) ∂T Schritt 3: Kombination von Gl. (2.65) und Gl. (2.67) ergibt d¯ p s2 (T, p¯) − s1 (T, p¯) = . dT v2 (T, p¯) − v1 (T, p¯) Definieren wir die latente W¨arme pro Teilchen als   q(T ) = T s2 (T, p¯(T )) − s1 (T, p¯(T )) ,

(2.68)

(2.69)

welche die W¨ armemenge angibt, um ein Teilchen aus der Phase 1 in die Phase 2 u uhren, k¨ onnen wir schließlich Gl. (2.68) in die Form der Clausius-Clapeyronschen ¨ berzuf¨ Gleichung f¨ ur die Koexistenzkurve bringen: 1 q(T ) d¯ p = . dT T v2 (T, p¯) − v1 (T, p¯)

(2.70)

Als Beispiel ist in Abb. 2.5 das Phasendiagramm von Wasser schematisch abgebildet. Die qualitativen Z¨ uge sind bei vielen Substanzen dieselben. Die drei abgebildeten Kurven sind die Dampfdruckkurve vom Tripelpunkt zum kritischen Punkt, die Schmelzdruckkurve vom Tripelpunkt nach oben und die Sublimationsdruckkurve vom Tripelpunkt zum Nullpunkt. Am kritischen Punkt verschwindet der Unterschied zwischen Fl¨ ussigkeit und Dampf, da die molekularen Volumina v = V /N f¨ ur beide Phasen gleich werden. Man kann einen Stoff vom fl¨ ussigen in den gasf¨ormigen Aggregatzustand und umgekehrt u uhren, ohne jemals eine Phasengrenze zu u ¨berf¨ ¨ berschreiten, vorausgesetzt man macht die Zustands¨ anderung im p–T -Diagramm entlang eines Weges, der um den kritischen Punkt herumf¨ uhrt. Eine Besonderheit f¨ ur Wasser in Abb. 2.5 ist allerdings

46

2 Thermodynamik

p 6 • fl¨ ussig

1 atm fest

• 0◦ Tt

gasf¨ ormig

Ts

-T Tc

Abbildung 2.5: Schematisches Phasendiagramm von Wasser (nicht maßstabsgetreu). Eingezeichnet sind der Nullpunkt der Celsiusskala (0 ◦ C = 273.15 K), der Tripelpunkt (Tt = 273.16 K, pt  6.117 mbar), der Siedepunkt Ts  100 ◦ C und der kritische Punkt (Tc  647.4 K, pc  221.2 bar).

d¯ p/dT < 0 f¨ ur die Schmelzdruckkurve. Dies ist eine Folge der sogenannten Anomalie des Wassers: beim Schmelzen von Eis verkleinert sich das Volumen, denn Wasser hat f¨ ur p = 1 atm bei 3.98 ◦ C die gr¨ oßte Dichte. Bei fast allen Substanzen vergr¨oßert sich beim Schmelzen das Volumen. Allerdings hat Eis bei h¨oheren Dr¨ ucken eine ganze Reihe von anderen Modifikationen, wo dann die Schmelzdruckkurve wieder eine positive Steigung aufweist. Die negative Steigung der Schmelzdruckkurve in Abb. 2.5 w¨are in einer maßstabsgetreuen Abbildung wesentlich ausgepr¨agter, da der Unterschied zwischen 0 ◦ C und dem Tripelpunkt nur 0.01 K betr¨ agt. Man kann leicht die Clausius-Clapeyronsche Gleichung verwenden, um eine N¨aherung f¨ ur die Dampfdruckkurve p¯d (T ) zu bekommen. Dazu nehmen wir an, dass es f¨ ur unsere Zwecke gen¨ ugt, den Dampf als ideales Gas zu beschreiben. Ben¨ utzen wir die Zustandsgleichung (1.65) des idealen Gases, erhalten wir das Volumen pro Teilchen im Dampf als kT . (2.71) vd  p¯d Weiters gilt bei Temperaturen gen¨ ugend weit unterhalb der kritischen Temperatur, dass ussigkeit viel kleiner als vd ist. Ben¨ utzen wir diese das Volumen pro Teilchen vf in der Fl¨ N¨ aherungen in Gl. (2.70), vereinfacht sich diese Gleichung zu d¯ pd qv (T )  p¯d , (2.72) dT kT 2 wobei wir die Verdampfungsw¨ arme mit qv bezeichnet haben. Wenn wir weiters qv (T ) als konstant annehmen, k¨ onnen wir eine L¨ osung der Gl. (2.72) erhalten: p¯d (T )  p¯0 e−qv /kT .

(2.73)

¨ 2.6 Ubungsaufgaben

47

Z.B. f¨ ur Wasser ist diese N¨ aherungsformel experimentell u ¨ ber weite Bereiche relativ gut best¨ atigt – siehe [22]. Allerdings gilt nicht nur vf = vd am kritischen Punkt, u ¨ berdies verschwindet dort auch qv . Daher kann Gl. (2.73) keineswegs f¨ ur T → Tc richtig sein. Eine genauere Diskussion der Dampfdruckkurve und der Verdampfungsw¨arme f¨ ur T  Tc findet sich in Unterkapitel 3.8. Wir k¨ onnen Gl. (2.73) dazu ben¨ utzen, um f¨ ur Wasser die Abh¨angigkeit des Siedepunkts von der H¨ ohe abzusch¨ atzen. Dazu brauchen wir den Luftdruck pl als Funktion der H¨ ohe h. Der Siedepunkt Ts ist durch die Gleichung pl (h) = p¯d (Ts ) bestimmt. Ein realistisches Modell der Atmosph¨ are und damit f¨ ur pl (h) liefert die sogenannte U.S.Standardatmosph¨ are [23]. Diese gibt bei einer H¨ ohe von 0 m den Normdruck von 1.01325 und z.B. bei 5000 m bzw. 9000 m Dr¨ ucke von 0.54007 bzw. 0.30727 bar vor. Mit einer molaren Verdampfungsw¨ arme von Wasser qmol = 40.63 kJ mol−1 (bei 100◦ C) und Ts = 100◦ C bei h = 0 m erhalten wir mit Gl. (2.73) die Sch¨atzwerte Ts (5 km)  83 ◦ C und Ts (9 km)  69 ◦ C. Es gilt also die Daumenregel, dass bis zu den h¨ochsten Bergspitzen der Erde der Siedepunkt von Wasser pro 290 m H¨ohe etwa um ein Grad abnimmt [24].

2.6

¨ Ubungsaufgaben

1.

Zwei Systeme mit den Temperaturen T1 und T2 und den W¨armekapazit¨aten C1 und C2 werden bei festen externen Parametern in thermalen Kontakt gebracht. Nach der Wiederherstellung des Gleichgewichts habe das Gesamtsystem die Temperatur T . Schreiben Sie eine Bestimmungsgleichung f¨ ur T an, falls die W¨armekapazit¨aten Funktionen der Temperatur sind. Wie groß ist T , falls die Ci nicht von der Temperatur abh¨ angen?

2.

¨ Berechnen Sie die Anderung ΔS der Entropie f¨ ur den im vorigen Beispiel beschriebenen Prozess und zeigen Sie, dass ΔS ≥ 0 gilt.

3.

Arbeiten Sie den Unterschied zwischen  ∂S  und ∂V U

 ∂S  ∂V T

heraus. Was ergeben beide Ausdr¨ ucke f¨ ur ein ideales Gas? 4.

Zwei Volumina V1 und V2 seien durch eine Wand getrennt. In beiden Volumina befinde sich das gleiche Gas mit Temperatur T und Druck p. Beweisen Sie mit Hilfe der Extensivit¨ at der freien Energie, dass sich – unabh¨angig von den Eigenschaften des Gases – die Entropie nach Herausziehen der Trennwand nicht ¨andert.

5.

F¨ uhren Sie alle Schritte aus, um 

aus dem 3. Hauptsatz herzuleiten.

  ∂V  ∂T p

=0 T =0

48

2 Thermodynamik

6.

Zwei Teilsysteme seien durch eine w¨ armedurchl¨assige, bewegliche Wand getrennt. Argumentieren Sie, dass im Gleichgewicht beide Teilsysteme dieselbe Temperatur und denselben Druck haben.

3

Thermodynamik idealer und realer Gase

3.1

Das van der Waals-Gas

Die thermische Zustandsgleichung: Das van der Waals-Gas ist durch die urspr¨ unglich empirisch aufgestellte Zustandsgleichung   aN 2 aN 2 N kT − 2 p + 2 (V − bN ) = N kT bzw. p(T, V ) = (3.1) V V − bN V definiert. F¨ ur a → 0 und b → 0 geht die van der Waals-Gleichung in die ideale GasGleichung (1.65) u ¨ber. Die Herleitung von Gl. (3.1) erfolgt sp¨ater. Die freie Energie des van der Waals-Gases: unden muss CV unabh¨angig Vorgegeben seien CV (T ) und p(T, V ). Aus Konsistenzgr¨ von V sein – siehe Gl. (2.19). Wegen Gl. (2.16) und dF in Tabelle 2.1 ist F durch folgende Gleichungen bestimmt: CV (T ) ∂2F , =− 2 ∂T T

∂F = −p(T, V ). ∂V

(3.2)

Ein geeigneter Integrationsweg zur Berechnung von F ist in Abb. 3.1 dargestellt. Damit berechnen wir zuerst F (T, V0 ):   T  ∂F  ∂F   CV (T ) − = − dT ⇒ (3.3) ∂T (T,V0 ) ∂T (T0 ,V0 ) T  T0  T T  ∂F    CV (T ) F (T, V0 ) − F (T0 , V0 ) − (T − T ) = − dT dT . 0 ∂T (T0 ,V0 ) T  T0 T0

(3.4)

Der vertikale Teil des Integrationsweges in Abb. 3.1 ergibt   V 1 1 V − bN   2 F (T, V ) − F (T, V0 ) = − − aN − dV p(T, V ) = −N kT ln . V0 − bN V V0 V0 (3.5) Um noch die richtige Abh¨ angigkeit von N zu erhalten, ber¨ ucksichtigen wir, dass F , CV und V extensive Gr¨ oßen sind und definieren  F (T0 , V0 ) 1 ∂F  CV (T ) V0 f0 = , f0 = , v0 = . (3.6) , cV (T ) = N N ∂T (T0 ,V0 ) N N

50

3 Thermodynamik idealer und realer Gase V 6

(T, V ) • 6

-• (T, V0 )

• (T0 , V0 )

-T Abbildung 3.1: Der Integrationsweg zur Berechnung von F .

Damit erhalten wir das Endresultat F (T, V, N ) = N f0 + N f0 (T − T0 ) − N



T

dT 



T0

T

T0

dT 

cV (T  ) T 

aN V /N − b aN 2 − + −N kT ln . v0 − b V v0

(3.7)

Die freie Energie ist also bis auf zwei freie Konstante bestimmt, vorausgesetzt wir kennen die W¨ armekapazit¨ at des Gases; mit dieser werden wir uns sp¨ater besch¨aftigen. Nun kommen einige Anwendungen von Gl. (3.7). Wegen S = −∂F/∂T erhalten wir T V /N − b cV (T  ) , (3.8) S(T, V, N ) = N s0 + N dT  + N k ln  T v0 − b T0 wobei wir s0 = −f0 definiert haben. Die kalorische Zustandsgleichung ist bestimmt durch U = F + T S, was T T cV (T  )   U (T, V, N ) = N f0 − N f0 T0 − N dT dT  T  T0 T0 T aN cV (T  ) aN 2 + +N T dT  − (3.9)  T V v0 T0 ergibt. Wir definieren die Konstante u0 = f0 − f0 T0 und beobachten, dass T T T T  cV (T  )  cV (T ) dT  dT  + T dT = dT  cV (T  ) − T  T T0 T0 T0 T0

(3.10)

gilt. Damit erhalten wir das Resultat

T

U (T, V, N ) = N u0 + N T0

dT  cV (T  ) −

aN aN 2 + . V v0

(3.11)

Allerdings h¨ atte uns Gl. (2.18) die kalorische Zustandsgleichung schneller geliefert.

3.2 Ideale Gase und die Adiabatengleichung

51

Die W¨armekapazit¨at bei konstantem Druck: Dazu verwenden wir die van der Waals-Gleichung und Gl. (2.29). Zuerst erhalten wir  N kT ∂p  . (3.12) = T ∂T V V − Nb Die Ableitung von V nach T bei konstantem p erh¨alt man durch implizite Ableitung der van der Waals-Gleichung:    N kT 2aN 2 ∂V  Nk 0= − . (3.13) + +  2 3 (V − N b) V ∂T p V − N b Damit liefert Gl. (2.29) das Resultat Cp (T, V ) = CV (T ) +

Nk . 2aN (V − N b)2 1− kT V 3

(3.14)

F¨ ur T → ∞ und/oder V → ∞ ergibt sich Cp − CV = N k,

(3.15)

das Resultat des idealen Gases. Betrachtet man molare W¨armekapazit¨aten, dann ist die Differenz der W¨ armekapazit¨ aten des idealen Gases gleich der Gaskonstante R = NA k.

3.2

Ideale Gase und die Adiabatengleichung

Wir nehmen ein ideales Gas an und setzen CV =

1 N kf, 2

(3.16)

wobei f im Allgemeinen eine Funktion von T ist. Wir werden sp¨ater in Unterkapitel 5.4 sehen, dass f jedoch in vielen Bereichen konstant ist, was praktisch f¨ ur viele Anwendungen ist. Der Gleichverteilungssatz aus Unterkapitel 5.3 wird uns sagen, dass f gleich der Anzahl der angeregten Freiheitsgrade ist. (F¨ ur ein monoatomares Gas gilt f = 3, was aus Gl. (1.63) folgt, f¨ ur zweiatomige Gase gilt f = 5 im Allgemeinen.) Wir definieren weiters Cp f +2 γ= . (3.17) ⇒ γ= CV f F¨ ur ein ideales Gas gilt

 ∂p  p =− . ∂V T V

(3.18)

Setzen wir diese Relation in die Adiabatengleichung Gl. (2.51) ein, bekommen wir dp γp =− dV V

(3.19)

52

3 Thermodynamik idealer und realer Gase

als Differentialgleichung f¨ ur die Adiabatenkurve in der p–V -Ebene. Falls γ von T abh¨ angt, muss T = pV /(N k) gesetzt werden. Falls γ konstant angenommen werden kann, liefert Gl. (3.19) sofort pV γ = konstant bzw. T V γ−1 = konstant.

(3.20)

Die Potenz γ heißt Adiabatenexponent. Wird also quasistatisch und w¨armeisoliert das Volumen eines idealen Gases von V0 auf V1 ge¨ andert, ist die entsprechende Druck¨anderung durch  γ V0 (3.21) p1 = p0 V1 gegeben. Im Vergleich dazu ist die Druck¨ anderung auf einer Isotherme durch p1 = p0 V0 /V1 gegeben. Allerdings laufen oft, obwohl keine besondere W¨armeisolierung vorliegt, Prozesse so schnell ab, dass sie zwar noch quasistatisch sind, aber effektiv keine W¨ arme ausgetauscht wird. Dann ist Gl. (3.20) anzuwenden. Beispiele daf¨ ur sind die Erw¨ armung der Fahrradpumpe beim Pumpen oder Schallschwingungen.

3.3

Freie Expansion eines Gases

Wir diskutieren hier eine Expansion wie in Abb. (1.3) skizziert. Da hier weder Energie zugef¨ uhrt noch vom Gas Arbeit geleistet wird, hat man ΔU = 0. Weiters ist der Ausgangszustand im Gleichgewicht und der Endzustand, wenn man gen¨ ugend lang nach dem Herausziehen der Trennwand wartet, ebenfalls. Daher ist die kalorische Zustandsgleichung (3.11) anwendbar. Wir verwenden die Bezeichnung T1 , V1 f¨ ur Temperatur und Volumen im Anfangszustand und T2 , V2 > V1 im Endzustand. Aus ΔU = 0 ergibt sich T2 T1 aN aN   dT cV (T ) − = dT  cV (T  ) − , (3.22) V V2 1 T0 T0 bzw.



T1





dT cV (T ) = aN T2



1 1 − V1 V2

 .

(3.23)

Da die W¨ armekapazit¨ at positiv ist, k¨ uhlt sich ein reales Gas bei der freien Expansion (Gay-Lussac-Prozess) ab. Ist cV im betrachteten Temperaturbereich konstant, erhalten wir f¨ ur die Temperatur¨ anderung ΔT ≡ T2 − T1 das Resultat   aN 1 1 ΔT = − . (3.24) − cV V1 V2

3.4

Der Joule-Thomson-Effekt

Das Schema der Joule-Thomson-Expansion ist in Abb. 3.2 skizziert. Am Anfang hat man V1 > 0, V2 = 0, am Ende ist V1 = 0, V2 > 0. Bei der Expansion wird das Gas durch eine por¨ ose Wand oder Drossel gedr¨ uckt, so dass man die Dr¨ ucke p1 >

3.4 Der Joule-Thomson-Effekt

p1 V1

53

··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ···

··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ··· ···

p2 V2

Abbildung 3.2: Schema der Joule-Thomson-Expansion. Die por¨ ose Wand ist durch die Punktierung angedeutet, die Kolben durch die Schraffur. Das linke Bild skizziert den Anfangszustand, das rechte den Endzustand.

p2 konstant h¨ alt. Es erfolgt eine Expansion des Gases unter Arbeitsleistung mit der folgenden Energiebilanz: ΔU = U2 − U1 = ΔQ + ΔA = 0 + (p1 V1 − p2 V2 )



ΔH = 0.

(3.25)

Es bleibt also die Enthalpie erhalten. Damit ist die Temperatur¨anderung gegeben durch die Ableitung von T nach p bei konstanter Enthalpie H, also     ∂S  ∂S  dT + T + V dp 0 = dH = T dS + V dp = T ∂T p ∂p T    ∂V  + V dp. (3.26) = Cp dT + −T ∂T p Im letzten Schritt haben wir die Relation f¨ ur Cp aus Tabelle 2.3 und die letzte MaxwellRelation aus Tabelle 2.2 ben¨ utzt. Mit dem isobaren Ausdehnungskoeffizienten α – siehe Tabelle 2.3 – erhalten wir das Endresultat  ∂T  V = (T α − 1). (3.27) ∂p H Cp F¨ ur ein ideales Gas gilt gem¨ aß Gl. (2.30) 1 α= T

und

 ∂T  = 0. ∂p H

(3.28)

Es ist also ein reales Gas f¨ ur einen nichtverschwindenden Effekt notwendig. Mit der van der Waals-Gleichung und Gl. (3.13) erhalten wir den isobaren Ausdehnungskoeffizienten α=

1 T

1 − ρb , 2aρ(1 − ρb)2 1− kT

(3.29)

wobei wir die Teilchendichte ρ = N/V ben¨ utzt haben. Aus der van der Waals-Gleichung folgt ρ < 1/b. Der Joule-Thomson-Effekt f¨ uhrt zu einer Temperaturzunahme f¨ ur T α < 1

54

3 Thermodynamik idealer und realer Gase

und zu einer Temperaturabnahme f¨ ur T α > 1. Die Kurve T α = 1 in der ρ–T -Ebene nennt man Inversionskurve. Aus Gl. (3.29) folgt, dass der Bereich, wo eine Temperaturabnahme eintritt, durch 2a kT < (1 − ρb)2 (3.30) b gegeben ist. Also ist eine notwendige Bedingung f¨ ur Temperaturabnahme T < Tinv =

2a . kb

(3.31)

Hat das Gas eine Temperatur T > Tinv , tritt beim Joule-Thomson-Effekt auf alle F¨alle Erw¨ armung ein. Hier sind die Inversionstemperaturen f¨ ur einige Gase [10]: He mit 34 K, H2 mit 202 K, N2 mit 625 K. Man sieht also, dass f¨ ur Helium und Wasserstoff Vork¨ uhlung notwendig ist, damit mit dem Joule-Thomson-Effekt u ¨ berhaupt eine Temperaturabnahme erfolgt. Technisch wird der Effekt zur Verfl¨ ussigung von Luft im Linde-Verfahren eingesetzt – f¨ ur Details siehe [25].

3.5

Die Schallgeschwindigkeit

Die Berechnung der Schallgeschwindigkeit stellt eine Anwendung der Adiabatengleichung dar. Allerdings geht diese Berechnung u ¨ber die Thermodynamik hinaus, da dazu auch Elemente der Str¨ omungslehre notwendig sind. Wir nehmen an, dass wir ein ideales Gas einer Teilchensorte mit Masse m haben. Weiters sei γ = Cp /CV unabh¨angig von T . Das Geschwindigkeitsfeld v (t, x) beschreibe die Bewegung der Dichteschwankungen im Gas. Damit haben wir folgendes Gleichungssystem: ∂ρ  + ∇ · (ρv ) = 0, ∂t 1  ∂v    + v · ∇ v = − ∇p, Euler-Gleichung: ∂t mρ p p0 Adiabatengleichung: γ = γ . ρ ρ0

Kontinuit¨ atsgleichung:

(3.32) (3.33) (3.34)

Die Euler-Gleichung u ¨ bernehmen wir aus der Str¨omungslehre. Um Gl. (3.34) zu bekommen, haben wir in Gl. (3.20) V = N/ρ eingesetzt. Die Dichteoszillationen in Schallwellen erfolgen so schnell, dass kein W¨ armeaustausch mit dem umgebenden Gas stattfindet, daher ist die Adiabatengleichung zust¨ andig. Die obigen Gleichungen stellen ein nichtlineares System von partiellen Differentialgleichungen dar und sind f¨ ur unsere Zwecke viel zu kompliziert. Wir nehmen daher an, dass kleine Dichte- und Druckschwankungen um eine mittlere Dichte ρ0 bzw. einen mittleren Druck p0 stattfinden. Somit ist ρ = ρ0 + ρ1 ,

p = p0 + p1 ,

(3.35)

3.5 Die Schallgeschwindigkeit

55

wobei ρ0 und p0 von Ort und Zeit unabh¨ angig sein sollen. Weiters sei auch v klein“; die ” Bedeutung dieser Aussage wird sp¨ ater konkretisiert. Obige Gleichungen k¨onnen damit linearisiert werden: ∂ρ1  · v = 0, + ρ0 ∇ ∂t

∂v 1  ∇p1 , =− ∂t mρ0

p1 = γ

p0 ρ1 . ρ0

(3.36)

Dieses Gleichungssystem l¨ asst sich leicht l¨ osen, indem wir eine Wellengleichung f¨ ur ρ1 herleiten:   ∂ 2 ρ1  · ∂v = −ρ0 ∇  · − 1 ∇p  1 = γp0 Δρ1 . = −ρ0 ∇ (3.37) ∂t2 ∂t mρ0 mρ0 Somit erhalten wir

1 ∂ 2 ρ1 − Δρ1 = 0 c2s ∂t2

mit

cs =

γp0 = mρ0



γkT . m

(3.38)

Im letzten Schritt haben wir die ideale Gasgleichung ben¨ utzt. Hiermit haben wir die Schallgeschwindigkeit cs eruiert. Betrachten wir Schallwellen mit einer Kreisfrequenz ω, wird Gl. (3.38) durch den Ansatz   ω mit k = n (3.39) ρ1 (t, x) = ρ10 sin ωt − k · x cs gel¨ ost, wobei n ein beliebiger Einheitsvektor ist, der die Ausbreitungsrichtung der Schallwellen anzeigt. Aus Gl. (3.36) erh¨ alt man weiter   p0 p1 (t, x) = γ ρ10 sin ωt − k · x (3.40) ρ0 und v (t, x) = ncs

  ρ10 sin ωt − k · x . ρ0

(3.41)

Man kann leicht nachrechnen, dass die lineare N¨aherung Gl. (3.36) konsistent ist, falls ρ10  1. ρ0

(3.42)

Insbesondere ist mit dieser Konsistenzbedingung in der Eulergleichung der zweite Term gegen¨ uber dem ersten um den Faktor ρ10 /ρ0 kleiner. Wir haben somit das Ergebnis, dass – in der betrachteten N¨aherung – Schallwellen longitudinale, dispersionslose Dichteschwingungen sind, d.h. v (t, x) ∝ k und cs unabh¨angig von ω. Die Schallgeschwindigkeit ist bei gegebener Temperatur vom Druck unabh¨angig. Die sogenannte Schallschnelle |v | ist – dank Gl. (3.42) – allerdings viel kleiner als die Schallgeschwindigkeit. Bis jetzt haben wir ein ideales Gas bestehend aus einer Teilchensorte betrachtet. Wie ¨ andert sich die Uberlegung zur Herleitung der Schallgeschwindigkeit, wenn das Gas ein ¨ Gemisch von idealen Gasen ist? Die Herleitung muss an zwei Stellen modifiziert werden:

56

3 Thermodynamik idealer und realer Gase

In Gl. (3.33) muss auf der rechten Seite statt mρ die Massendichte ρm eingesetzt werden und in Gl. (3.34) muss γ unter Ben¨ utzung von Gl. (3.17) entsprechend abge¨andert werden. Nehmen wir an, es seien r ideale Gase beteiligt mit rpartiellen Dichten ρj und Massen mj . Dann ist die Gesamtteilchendichte durch ρ = j=1 ρj und die Konzentrationen der Gase durch cj = ρj /ρ gegeben. Weiters sei fj die Anzahl der beim Gas j angeregten Freiheitsgrade. Dann muss wegen ¯ ρm = mρ

mit

m ¯ =

r 

m j cj

(3.43)

j=1

die Masse m in der Formel f¨ ur die Schallgeschwindigkeit in Gl. (3.38) durch m ¯ und der Adiabatenexponent γ durch f¯ + 2 γ¯ = f¯

mit

f¯ =

r 

f j cj

(3.44)

j=1

ersetzt werden. Betrachten wir als Beispiel trockene Luft. Vernachl¨assigt man den einprozentigen Volumsanteil von Argon, so sind Stickstoff und Sauerstoff beide zweiatomige Gase und haben f = 5 – siehe Unterkapitel 5.4; in diesem Fall ist γ = 7/5 = 1.4. Ber¨ ucksichtigung des Argon-Anteils, wobei Argon als einatomiges ideales Gas nur die drei translatorischen Freiheitsgrade hat, ergibt jedoch eine sehr kleine Korrektur: γ¯ = 1 + 2/(0.99 × 5 + 0.01× 3)  1.402. Mit Volumsanteilen von 21% O2 , 78% N2 und 1 % Ar in der Luft erh¨ alt man einen Wert der mittleren Masse von m ¯ = 48.14 × 10−27 kg. Mit Gl. (3.38) berechnet sich dann die Schallgeschwindigkeit bei 20◦ C zu cs = 343 m s−1 , was sehr gut mit dem gemessenen Wert u ¨ bereinstimmt [26]. 2 ¨  – siehe Unterkapitel 5.1 – Uber das mittlere thermische Geschwindigkeitsquadrat vth l¨ asst sich eine mittlere Geschwingkeit auf folgende Art definieren:  2 mvth 3  3kT 2 = kT bzw. v¯th ≡ vth  = . (3.45) 2 2 m Diese unterscheidet sich von der Schallgeschwindigkeit nur dadurch, dass γ durch 3 ersetzt ist, also sind cs und v¯th von derselben Gr¨oßenordnung; es gilt sogar v¯th > cs . Man kann sich daher fragen, warum die ungeordnete thermische Bewegung der Gasmolek¨ ule u asst. Der Grund daf¨ ur ist die kleine mittlere freie Wegl¨ange ¨berhaupt Schallwellen zul¨ , also die Strecke, die ein Molek¨ ul im Mittel zwischen zwei St¨oßen zur¨ ucklegt. Die Bedingung f¨ ur die M¨ oglichkeit von Schallwellen ist, dass sich ein Molek¨ ul im Mittel w¨ ahrend einer Periode τ = 2π/ω viel weniger weit als die Wellenl¨ange λ der Schallwelle bewegt. Erleidet das Molek¨ ul in der Zeit τ eine mittlere Anzahl n von St¨oßen, muss daher √  nλ (3.46) gelten. Wir ucksichtigt, dass ein Molek¨ ul nach n St¨oßen im Mittel die √ haben hier ber¨ Distanz  n vom Ausgangspunkt entfernt ist, da wir es mit einem sogenannten random ” walk“ zu tun haben – siehe [11]. Verwendet man n ∼ τ v¯th / und cs = λ/τ , kommt man mit n ∼ λ¯ vth /(cs ) zur Bedingung √ √ √ √ v¯th   λ bzw.   λ. (3.47) cs

3.6 Ideale Gase und das Daltonsche Gesetz

57

Im letzten Schritt haben wir v¯th ∼ cs verwendet. Die mittlere freie Wegl¨ ange wird abgesch¨ atzt durch ∼

1 , ρd2 π

(3.48)

wobei d die typische Abmessung eines Molek¨ uls ist. Betrachten wir nun Luft und ber¨ ucksichtigen, dass das menschliche Ohr T¨ one im Bereich zwischen 15 und 20000 Hz wahrnimmt. Die kleinsten Wellenl¨ angen sind also im Zentimeterbereich. Mit den typischen Werten ρ ∼ 1026 m−3 und d ∼ 10−10 m ergibt sich  ∼ 10−7 m, also ist die Bedingung von Gl. (3.47) erf¨ ullt. Eine detailliertere Diskussion von St¨oßen von Luftmolek¨ ulen ist in Unterkapitel 7.2 zu finden. Zum Abschluss dieses Unterkapitels wollen wir noch besprechen, wie der in Unterkapitel 2.1 angegebene Wert der Gaskonstante R bestimmt wird. Wie dort schon erw¨ahnt, erfolgt die Bestimmung von R durch Messung der Schallgeschwindigkeit. Die Vorgangsweise ist folgendermaßen. Erweitert man den Bruch in der Formel f¨ ur cs aus Gl. (3.38) mit der Loschmidt-Zahl, wird im Z¨ ahler die Boltzmann-Konstante durch die Gaskonstante und im Nenner die Teilchenmasse durch die molare Masse ersetzt. Um eine m¨ oglichst genaue Bestimmung von R zu gew¨ ahrleisten, muss sich das Gas m¨oglichst ideal verhalten. Also nimmt man ein Edelgas, das nur die translatorischen Freiheitsgrade und somit γ = 5/3 hat. Weiters muss die Messung bei der Temperatur Tt am Tripelpunkt von Wasser erfolgen, die die Temperaturskala festlegt, und um alle Abweichungen vom idealen Verhalten soweit als m¨oglich auszuschalten, f¨ uhrt man die Messung der Schallgeschwindigkeit bei kleinen Dr¨ ucken durch. Als Edelgas wird Argon verwendet. Die Gleichung  5 RTt , c2s (Ar, Tt )p→0 = 3 Ar (Ar)Mu

(3.49)

wobei Mu = 1 g/mol die molare Massenkonstante ist, beschreibt den Messvorgang [9]. Zur Bestimmung der Gaskonstante braucht man nat¨ urlich auch den genauen Wert der relativen Atommasse Ar (Ar).

3.6

Ideale Gase und das Daltonsche Gesetz

In diesem Abschnitt verwenden wir die freie Energie des idealen Gases, welche wir aus Gl. (3.7) durch a = 0 und b = 0 als   V F (T, V, N ) = N χ(T ˜ ) − kT ln (3.50) v0 N mit



T

χ(T ˜ ) = f0 − s0 (T − T0 ) − T0

dT 



T T0

dT 

cV (T  ) T 

(3.51)

erhalten. Diese Form von F wird sich auch im n¨achsten Unterkapitel als n¨ utzlich erwiesen. In einem Bereich, wo cV n¨ aherungsweise temperaturunabh¨angig angenommen

58

3 Thermodynamik idealer und realer Gase

werden kann, erh¨ alt man durch Integration die explizite Form   T χ(T ˜ ) = f0 − s0 (T − T0 ) + cV T − T0 − T ln . T0

(3.52)

F¨ ur ein Gemisch von idealen Gasen ist die gesamte freie Energie durch F (T, V, N1 , . . . , Nr ) =

r 

Fj (T, V, Nj )

j=1

  V mit Fj (T, V, Nj ) = Nj χ ˜j (T ) − kT ln v0 Nj

(3.53)

gegeben. Die Gr¨ oße χ ˜j (T ) h¨ angt u ¨ ber die in ihr vorkommenden Konstanten und u ¨ ber die W¨ armekapazit¨ at von der Molek¨ ulsorte ab. Die Annahme idealer Gase geht zweifach in Gl. (3.53) ein, n¨ amlich in der Form von Fj und in der Summe u ¨ ber j, welche nur dann gerechtfertigt ist, wenn man die Wechselwirkung der Molek¨ ule verschiedener Sorten untereinander vernachl¨ assigen darf. Nun erh¨ alt man aus Gl. (3.53) den Druck durch  Nj kT ∂F = , ∂V V j=1 r

p=− bzw. p=

r 

pj

mit pj =

j=1

(3.54)

Nj kT . V

(3.55)

Somit haben wir das Daltonsche Gesetz erhalten: Der Gesamtdruck p ist gleich der urlich gilt auch bei einem Gemisch von idealen Gasen Summe der Partialdr¨ ucke pj . Nat¨  r wieder p = N kT /V , wobei N = j=1 Nj die Gesamtanzahl der Gasmolek¨ ule ist.

3.7

Reaktionsgleichgewichte idealer Gase

F¨ ur die Diskussion chemischer Reaktionen ben¨otigen wir das chemische Potential. F¨ ur ideale Gase erhalten wir aus Gl. (3.50) μ(T, V, N ) = χ(T ˜ ) + kT − kT ln

V . v0 N

(3.56)

Einsetzen von V /N = kT /p liefert das Resultat μ(T, p) = χ(T ) + kT ln 

mit χ(T ) = χ(T ˜ ) + kT

p p0

T 1 − ln T0

(3.57)  ,

(3.58)

3.7 Reaktionsgleichgewichte idealer Gase

59

wobei wir als Referenzdruck p0 = kT0 /v0 gesetzt haben. Da f¨ ur ideale Gase cp = cV + k gilt, kann man aus den Gleichungen (3.51) und (3.58) leicht T T cp (T  )  dT dT  (3.59) χ(T ) = μ0 − s0 (T − T0 ) − T  T0 T0 mit μ0 ≡ f0 + kT0 herleiten. Wenn man cV bzw. cp konstant annehmen kann, erh¨alt man schließlich   T χ(T ) = μ0 − s0 (T − T0 ) + cp T − T0 − T ln . (3.60) T0 ur ein Gemisch von idealen Gasen bestimNun wollen wir die chemischen Potentiale μj f¨ men. Dazu schreiben wir die freie Enthalpie G = F + pV an, wobei wir F aus Gl. (3.53) ¨ einsetzen und gem¨ aß der Uberlegung am Ende des vorigen Unterkapitels pV = N kT ben¨ utzen; N ist wiederum die Gesamtanzahl der Gasmolek¨ ule. Dann erhalten wir    r  T p0 ˜j (T ) − kT ln Nj χ × + N kT G(T, p, N1 , . . . , Nr ) = T0 cj p j=1   r  cj p = Nj χj (T ) + kT ln . (3.61) p0 j=1 Die Gr¨ oße cj =

pj Nj = N p

(3.62)

definiert die Konzentration des Gases der Sorte j, und χj geht wie in Gl. (3.58) angegeben aus χ ˜j hervor. Schließlich bekommen wir das Resultat μj (T, p, N1 , . . . , Nr ) =

∂G cj p = χj (T ) + kT ln . ∂Nj p0

(3.63)

ucksichtigt werden. D.h., das Bei der Ableitung von G nach Nj muss ∂N/∂Nj = 1 ber¨ chemische Potential μj des Gases der Sorte j in einem Gemisch erh¨alt man aus Gl. (3.57) durch Ersetzen des Druckes durch den Partialdruck pj = cj p. Nun betrachten wir ein Gemisch von idealen Gasen im Reaktionsgleichgewicht (2.62). Gem¨ aß Gl. (2.63) gilt die Relation   cj p νj χj (T ) + kT ln = 0. (3.64) p0 j Durch Exponentieren bekommen wir das Massenwirkungsgesetz f¨ ur Reaktionsgleichgewichte idealer Gase ⎛ ⎞  − Pj νj 

ν p cj j = K(T ) ≡ K(T, p) mit K(T ) = exp ⎝−β νj χj (T )⎠ . p 0 j j (3.65)

60

3 Thermodynamik idealer und realer Gase

Die Gr¨ oße K(T, p) heißt Reaktionskonstante. Wie wir soeben hergeleitet haben, ist f¨ ur ideale Gase die Abh¨ angigkeit vom Druck in K(T, p) durch ein Potenzgesetz bestimmt. Um seine Bedeutung klar zu machen, schreiben wir die chemische Reaktion in der Form |ν1 |A1 + · · · + |νk |Ak  νk+1 Ak+1 + · · · + νr Ar

(3.66)

an. Die Stoffe auf der linken Seite (νj < 0) nennen wir Ausgangssubstanzen, die auf der rechten Seite (νj > 0) nennen wir Reaktionsprodukte. Wir erhalten aus Gl. (3.65) cνk+1 · · · cνr |ν | c1 1

|ν | . . . ck k

∝ p−ν ,

(3.67)

r wobei wir ν = j=1 νj definiert haben. Ist ν > 0, ist das Volumen der Reaktionsprodukte gr¨ oßer als das der Ausgangssubstanzen; in diesem Fall verschiebt Druckverminderung das Gleichgewicht zugunsten der Reaktionsprodukte. Umgekehrt, falls ν < 0 ist, bewirkt Druckerh¨ ohung eine h¨ ohere Konzentration der Reaktionsprodukte. Bei ν = 0 h¨ angt das Reaktionsgleichgewicht nicht vom Druck ab. Betrachten wir zum Beispiel die Ammoniaksynthese 3 H2 + N2  2 NH3

νH2 = −3, νN2 = −1, νNH3 = 2.

mit

(3.68)

Hier ist ν = −2. Die industrielle Ammoniaksynthese im Haber-Bosch-Verfahren findet tats¨ achlich bei Dr¨ ucken von u ¨ber 100 bar statt. Betrachten wir zum Abschluss noch die Temperaturabh¨angigkeit der Reaktionskonstante. Wendet man auf die Ableitung  1   d ln K(T ) = νj χj (T ) − T χj (T ) (3.69) 2 dT kT j die Gleichungen (2.12), (3.53) und (3.58) an, liefert das d 1  ln K(T ) = νj (uj (T ) + kT ) dT kT 2 j



T

mit uj (T ) = u0j +

dT  cV j (T  ), (3.70)

T0

ur ein Teilchen der Sorte j ist. Die Summe wobei uj die kalorische Zustandsgleichung f¨ auf der rechten Seite der Gleichung ist aber gerade die Reaktionsw¨arme  Δh(T ) = νj uj (T ) + pΔV, (3.71) j

 wobei wir kT = pV verwendet und ber¨ ucksichtigt haben, dass ΔV ≡ j νj V die Volums¨ anderung bei der Reaktion darstellt. Bei Temperaturerh¨ohung verringert sich daher f¨ ur eine exotherme Reaktion (Δh < 0) die Ausbeute an Reaktionsprodukten, w¨ ahrend sich f¨ ur eine endotherme Reaktion (Δh > 0) die Ausbeute erh¨oht. Trotzdem kann man daraus nicht schließen, dass niedrige Temperaturen f¨ ur die Herstellung eines Stoffes in einer exothermen Reaktion unbedingt g¨ unstig sind, weil bei bei Temperaturerniedrigung die Reaktiongeschwindigkeit herabgesetzt wird. Ein typisches Beispiel ist uhrt wird, obwohl die wieder die Ammoniaksynthese, die bei mehreren 100 ◦ C durchgef¨ Reaktion (3.68) exotherm ist.

3.8 Verdampfung und Verdunstung

3.8

61

Verdampfung und Verdunstung

Die Dampfdruckkurve: In diesem Unterkapitel wollen wir die Temperaturabh¨angigkeit der Dampfdruckkurve p¯d (T ), die wir in Unterkapitel 2.5 schon besprochen haben, genauer studieren. Dazu ben¨ otigen wir das chemische Potential μf (T, P ) der fl¨ ussigen Phase. Um dieses n¨ aherungsweise zu bekommen, kann man das Konzept der idealen Fl¨ ussigkeit [27] einf¨ uhren, das die Konstanz des Volumens unter Temperatur- und Druck¨anderung postuliert:   ∂V  ∂V  = 0, = 0. (3.72) ∂p T ∂T p Aus der zweiten Gleichung folgt eine Konsistenzbedingung f¨ ur die W¨armekapazit¨at Cp :   ∂ ∂2G ∂ 2 V  ∂Cp  = −T = −T = 0. (3.73) ∂p T ∂p ∂T 2 ∂T 2 p ochstens von T abh¨ angig sein. Im Weiteren nehmen wir jedoch an, Also kann Cp /N h¨ dass Cp u ¨ berhaupt konstant ist. Anstelle der freien Energie konzentrieren wir uns auf das chemische Potential, welches die Gleichungen ∂ 2 μf cf p , =− 2 ∂T T

∂μf = vf ∂p

mit vf = konstant

(3.74)

erf¨ ullt. Wie fr¨ uher beziehen sich Kleinbuchstaben auf Gr¨oßen pro Teilchen und der Index f kennzeichnet die Fl¨ ussigkeit, w¨ ahrend sich im Folgenden der Index d auf die Dampfphase bezieht. Mit derselben Methode wie in Unterkapitel 3.1, wo wir die freie Energie des van der Waals-Gases berechnet haben, erhalten wir jetzt   T (3.75) + vf (p − p0 ), μf (p, T ) = μf 0 − sf 0 (T − T0 ) + cf p T − T0 − T ln T0 wobei T0 eine Referenztemperatur und p0 ein Referenzdruck ist, so dass μf (T0 , p0 ) = μf 0 gilt und sf 0 die Entropie pro Teilchen an diesem Referenzpunkt ist. Zum Vergleich geben wir mit Hilfe der Gleichungen (3.57) und (3.60) das chemische Potential das Dampfes an:   T p μd (p, T ) = μd0 − sd0 (T − T0 ) + cdp T − T0 − T ln (3.76) + kT ln . T0 p0 Dabei betrachten wir den Dampf als ideales Gas. Inwiefern sind die Annahmen in Gl. (3.72) gerechtfertigt? Die Druck- bzw. Temperaturabh¨ angigkeit des Fl¨ ussigkeitsvolumens vf h¨ angt mit der isothermen Kompressibilit¨at κT f bzw. mit dem isobaren Ausdehnungskoeffizienten αf zusammen: p2 T2 vf (T, p2 ) − vf (T, p1 ) = − dp vf κT f , vf (T2 , p) − vf (T1 , p) = dT vf αf . (3.77) p1

T1

62

3 Thermodynamik idealer und realer Gase

Betrachten wir Wasser als Beispiel. Bei 20 ◦ C ist κT f = 0.50 × 10−4 bar−1 in einem Druckbereich von 1 ÷ 25 bar und αf = 2.1 × 10−4 K−1 bei p = 1 atm [26]. Gleichung (3.77) zeigt daher, dass bei Bedingungen, die nicht extrem von Normbedingungen (pn = 1.01325 bar, Tn = 273.15 K) entfernt sind, zumindest f¨ ur Wasser die Annahme eines konstanten Volumens vf recht gut erf¨ ullt ist. Eine weitere Beobachtung betrifft den letzten Term im chemischen Potential der Fl¨ ussigkeit Gl. (3.75). In einer Fl¨ ussigkeit 3 A , was f¨ ur Wasser zutrifft, sind die Teilchen dicht gepackt. Nehmen wir z.B. vf ∼ 30 ˚ und einen Druck von 1 bar an, ergibt das Produkt dieser beiden Gr¨oßen 3 1 bar × 30 ˚ A = 3 × 10−24 J = 1.87 × 10−5 eV.

(3.78)

Das ist eine typische Gr¨ oßenordnung f¨ ur den letzten Term in μf . Andrerseits, da das chemische Potential durch Legendre-Transformation aus der inneren Energie erhalten wird, muss die Energie −B , mit der ein Teilchen in der Fl¨ ussigkeit gebunden ist, in μf 0 stecken. Bei Wasser ist B wegen der Wasserstoffbr¨ uckenbindungen zwischen den Molek¨ ulen relativ groß, etwa von der Gr¨ oßenordnung 0.1 eV. Bei den temperaturabh¨angigen Termen k¨ onnen wir als Gr¨ oßenordnung cf p T ∼ kT annehmen, was bei T = 300 K etwa ucken venachl¨assigbar. 1/40 eV ist. Also ist der Term vf (p − p0 ) bei nicht zu hohen Dr¨ Nach diesen Betrachtungen k¨ onnen wir unter Vernachl¨assigung des Terms vf (p − p0 ) aus der Bedingung μf (T, p¯d (T )) = μd (T, p¯d (T )) (3.79) die Temperaturabh¨ angigkeit der Dampfdruckkurve durch Einsetzen der chemischen Potentiale Gl. (3.75) und Gl. (3.76) in Gl. (3.79) berechnen:    1 T . (3.80) p¯d (T ) = p0 exp −Δμ0 + Δs0 (T − T0 ) − Δcp T − T0 − T ln kT T0 Diese Beziehung ist etwas genauer als Gl. (2.72), die wir durch einfache N¨aherung aus der Clausius-Clapeyronschen Gleichung erhalten haben. In Gl. (3.80) haben wir die Definitionen Δμ0 = μd0 − μf 0 , etc. verwendet. Weil −Δμ0 umso kleiner ist, je st¨arker ein Teilchen in der Fl¨ ussigkeit gebunden ist, sehen wir, dass bei gegebener Temperatur eine gr¨ oßere Bindungsenergie einen kleineren Dampfdruck bewirkt. Die Verdampfungsw¨arme: Die latente W¨ arme pro Teilchen bei der Verdampfung ist gegeben durch qv (T ) = T (sd (T, p¯d (T )) − sf (T, p¯d (T ))) .

(3.81)

Mit sf = −∂μf /∂T |p und sd = −∂μd /∂T |p erhalten wir die Verdampfungsw¨arme qv aus den chemischen Potentialen. Das Resultat ist   T p¯d (T ) qv (T ) = T Δs0 + Δcp ln . (3.82) − k ln T0 p0 Einsetzen von p¯d aus Gl. (3.80) liefert [28] qv (T ) = Δμ0 + Δs0 T0 + Δcp (T − T0 ).

(3.83)

3.8 Verdampfung und Verdunstung

63

Wegen cf p > cdp ist qv (T ) eine mit T fallende Gerade. Da wir die N¨aherung vf  vd ben¨ utzt haben und am kritischen Punkt vf = vd gilt, verliert Gl. (3.83) bei T → Tc ihre G¨ ultigkeit. Allerdings ist Gl. (3.83) f¨ ur T  Tc eine brauchbare N¨aherung. Z.B. f¨ ur Wasser f¨ allt die Verdampfungsw¨ arme zwischen 0 ◦ C und 160 ◦C n¨aherungsweise linear [26] von 45.03 auf 37.48 kJ/mol, bzw. von 0.47 auf 0.39 eV pro Teilchen. Die Verdampfungsw¨ arme l¨ asst sich aufspalten in qv = Δu + p¯d Δv mit Δv = vd − vf , wobei Δu die sogenannte Abtrennarbeit und p¯d Δv die Verschiebungsarbeit ist; letztere muss aufgewendet werden, um das Volumen beim Verdampfen gegen den Druck p¯d zu vergr¨ oßern. Die Verschiebungsarbeit ist klein gegen¨ uber der Abtrennarbeit. Betrachten wir wieder Wasser. Als Dampfdruck w¨ ahlen wir p¯d = 1013 mbar mit der dazugeh¨origen Siedetemperatur definiert als p¯d (Ts ) = 1013 mbar, die in diesem Fall 100 ◦ C ist. Weil 1 mol Wasserdampf bei 100◦ C ein Volumen von 31.3 dm3 /mol hat [26], ist die Aufspaltung in Abtrenn- und Verschiebungsarbeit qv (Ts ) = (37.6 + 3.0) kJ/mol = 40.6 kJ/mol. Gleichung (3.83) enth¨ alt nur die Temperaturabh¨angigkeit als Information. Die absolute ¨ Gr¨ oße der Verdampfungsw¨ arme l¨ asst sich aus unseren thermodynamischen Uberlegungen nicht gewinnen, weil wir in Gl. (3.83) die Konstante Δs0 nicht kennen. Eine Daumenregel, die sogenannte Troutonsche Regel [28], besagt, dass bei der Siedetemperatur und bei Normdruck die Verdampfungsw¨ arme pro Teilchen etwa qv (Ts )  (8 ÷ 10) kTs

(3.84)

ist. Diese Regel l¨ asst sich gut verstehen, wenn man annimmt, dass der Großteil der Entropiezunahme bei der Verdampfung durch die Volumsvergr¨oßerung zustande kommt und dass die Volumsabh¨ angigkeit der Entropie wie beim idealen Gas – siehe Gl. (3.8) mit b = 0 – durch k ln V gegeben ist. Sch¨ atzen wir die Volumsvergr¨oßerung ab. Da bei 3 Wasser vf  30 ˚ A gilt, nehmen wir an, dass das im Allgemeinen eine charakteristische ur das Dampfvolumen pro Teilchen vd ben¨ utzen wir die Gr¨ oßenordnung f¨ ur vf ist. F¨ 4 ˚3 ideale Gasgleichung und erhalten vd ∼ 4 × 10 A mit Ts ∼ 300 K. Daraus ergibt sich vd /vf ∼ 103 und die Entropie¨ anderung durch Volums¨anderung ist etwa vd  k ln 103  7 k (3.85) Δsv = k ln vf ¨ pro Teilchen. Diese Absch¨ atzung ist in ziemlich guter Ubereinstimmung mit der Troutonschen Regel. Helium weicht anscheinend betr¨ achtlich von der Troutonschen Regel ab, da man qv |He  2.4 kTs hat. Allerdings ist bei Helium das Volumen vd sehr klein, weil der Siedepunkt 3 mit Ts = 4.2 K sehr niedrig ist, und außerdem ist vf  46 ˚ A relativ groß, was zu dem uhrt. Da ln 10  2.3 sehr gut mit dem numerischen kleinen Verh¨ altnis vd /vf  10 f¨ Faktor in qv |He u asst sich also auch bei Helium die Verdampfungsw¨arme ¨ bereinstimmt, l¨ mit Entropiezunahme durch Volumsvergr¨ oßerung erkl¨aren. Bei Wasser ist der numerische Faktor in der Troutonschen Regel etwa 13, also deutlich gr¨ oßer als in Gl. (3.84). Hier kann man keine Volumsargumente f¨ ur die Abweichung ur qv angeben. Allerdings liest man am Vorkommen von Δμ0 in Gl. (3.83) ab, dass f¨ auch die Bindungssenergie der Fl¨ ussigkeitsteilchen eine gewisse Rolle spielt. Diese ist bei Wasser durch die Wasserstoffbr¨ uckenbindung besonders hoch, daher ist es nicht verwunderlich, dass Gl. (3.84) die Verdampfungsw¨arme zu niedrig einsch¨atzt.

64

3 Thermodynamik idealer und realer Gase

p 6 • fl¨ ussig



1 atm



fest 

p¯2 • p¯1

gasf¨ ormig



T1

T2

-T

Abbildung 3.3: Luft im thermischen Gleichgewicht mit Wasserdampf und Wasser bzw. Eis. Bei vorgebenem Gesamtdruck p (in der Abbildung ist p = 1 atm) und vorgegebener Temperatur alt man den Dampfdruck p¯i , indem man die Senkrechte durch Ti mit der entsprechenden Ti erh¨ Dampfdruckkurve schneidet.

Verdunstung: ¨ Den Ubergang von Fl¨ ussigkeitsmolek¨ ulen in die Gasphase bei Anwesenheit weiterer Gase nennt man Verdunstung. Das ist eine h¨aufige Situation, denken wir z.B. an das Verdunsten von Wasser in Luft. Verdunstet eine Fl¨ ussigkeit vollst¨andig, um das thermische Gleichgewicht zu erreichen, hat man ein unges¨attigtes Gas-Dampf-Gemisch. Bei Koexistenz von Dampf und Fl¨ ussigkeit nennt man den dazugeh¨origen Dampfdruck S¨attigungsdruck ; wir bezeichnen ihm mit p¯s (T ). Anstelle von Gl. (3.79) hat man jetzt die Gleichung μf (T, p) = μd (T, p¯s (T )) (3.86) zur Bestimmung des S¨ attigungsdrucks, da die Fl¨ ussigkeit den Gesamtdruck p, der die Summe von Gasdruck und S¨ attigungsdruck ist, sp¨ urt. Dabei nehmen wir an, dass wir Effekte der L¨ osung der Gase in der Fl¨ ussigkeit vernachl¨assigen k¨onnen. Aus der Kleinheit des druckabh¨ angigen Terms in μf – siehe Gl. (3.75) – l¨asst sich schließen, dass der Unterschied zwischen p¯s und p¯d sehr klein ist, sofern der Gesamtdruck p nicht zu groß ist. Es macht daher keinen Sinn, die bei der Berechnung von p¯d verwendeten N¨aherungen zu ben¨ utzen, um die Differenz p¯s − p¯d zu bekommen, sondern wir m¨ ussen von Gl. (3.86) ausgehen, um eine verl¨ assliche Formel zu bekommen. Wir machen den Ansatz p¯s (T ) = p¯d (T ) (1 + ε(T )) ,

(3.87)

wobei ε(T ) klein ist, und schreiben Gl. (3.86) um in μf (T, p¯d + (p − p¯d )) = μd (T, p¯d + p¯d ε).

(3.88)

Entwicklung nach den Dr¨ ucken links und rechts des Gleichheitszeichens ergibt μf (T, p¯d ) + vf (p − p¯d )  μd (T, p¯d ) + vd p¯d ε.

(3.89)

¨ 3.9 Ubungsaufgaben

65

Auf der linken Seite haben wir soeben ben¨ utzt, dass f¨ ur die Fl¨ ussigkeit im Allgemeinen die Druckabh¨ angigkeit klein ist. Weil f¨ ur den Dampfdruck μf = μd gilt, erhalten wir ε  vf (p − p¯d )/(vd p¯d ). Setzen wir noch vd p¯d  kT , bekommen wir das Resultat     vf (p − p¯d ) vf (p − p¯d ) p¯s  p¯d 1 +  p¯d 1 + . (3.90) vd p¯d kT Wie erwartet, ist die Korrektur zu p¯s = p¯d klein, wenn der Druck p nicht zu hoch ist. Da bei der Herleitung von Gl. (3.90) vf /vd  1 wesentlich ist, sollte die Temperatur des Systems gen¨ ugend weit unterhalb der kritischen Temperatur der verdunstenden Fl¨ ussigkeit sein, damit Gl. (3.90) verl¨ asslich ist. Z.B. bei Wasser liegt (¯ ps − p¯d )/¯ pd f¨ ur Dr¨ ucke von p ∼ 1 ÷ 10 bar im Promillebereich – siehe [25] – und f¨ ur die meisten praktischen Zwecke kann man einfach p¯s = p¯d setzen. Gibt man sich also f¨ ur ein ges¨attigtes LuftWasserdampf-Gemisch einen Punkt in der p–T -Ebene vor, wird der S¨attigungsdruck durch den Schnitt der Senkrechten durch diesen Punkt mit der Dampfdruckkurve er¨ Eis halten. In Abb. 3.3 ist diese Situation f¨ ur eine Temperatur T2 angedeutet. Uber erh¨ alt man den S¨ attigungsdampfdruck analog – siehe Temperatur T1 in Abb. 3.3, weil die feste Phase genauso wie die fl¨ ussige nur eine geringe Kompressibilit¨at hat.

3.9

¨ Ubungsaufgaben

1.

Leiten Sie die kalorische Zustandsgleichung des van der Waals-Gases unter Verwendung von Gl. (2.18) her.

2.

Berechnen Sie S(T, V, N ) und G(T, p, N ) aus der freien Energie f¨ ur ein ideales Gas unter der Annahme, dass die W¨ armekapazit¨at konstant ist.

3.

Diskutieren Sie den Carnot-Kreisprozess in der p-V -Ebene mit einem idealen Gas als Arbeitssubstanz (Skizze!). Dabei sei der Adiabatenexponent γ = Cp /CV konstant und in der p–V -Ebene habe die Ecke mit dem gr¨oßten Druck die Koordinaten (p1 , V1 ), die mit dem kleinsten Druck die Koordinaten (p3 , V3 ) (V1 < V3 ). Berechnen Sie die Koordinaten der beiden anderen Ecken, die aus dem W¨armereservoir mit der h¨ oheren Temperatur aufgenommene W¨armemenge Qa und die an das ¨ W¨ armereservoir mit der tieferen Temperatur abgegebene W¨armemenge Qb . Uberpr¨ ufen Sie, dass der Wirkungsgrad tats¨ achlich maximal ist.

4.

Der Zyklus eines Ottomotors kann folgendermaßen approximiert werden: 1. 2. 3. 4.

Adiabatische Kompression von V1 auf V2 . Verbrennung des Treibstoff-Luft-Gemisches bei konstantem Volumen. Adiabatische Expansion von V2 auf V1 . W¨ armeabgabe bei konstantem Volumen.

Nehmen Sie an, Sie kennen V1 , T1 , V2 /V1 und die im Schritt 2 zugef¨ uhrte W¨armemenge Qa . Berechnen Sie die Temperaturen an den restlichen drei Ecken des Prozesses, die im Schritt 4 abgegebene W¨ armemenge Qb und den Wirkungsgrad als Funktion von V2 /V1 . Die Arbeitssubstanz sei ein ideales Gas mit konstanter W¨ armekapazit¨ at CV und konstantem Adiabatenexponenten γ.

66

3 Thermodynamik idealer und realer Gase

5.

Betrachten Sie die freie Expansion von Stickstoff vom Volumen V1 zum Volumen V2 . Die Anfangsbedingungen seien durch den Normzustand gegeben und der molare Koeffizient am aus der van der Waals-Gleichung ist am = 136 kPa m6 kmol−2 f¨ ur Stickstoff. Berechnen Sie die Temperaturdifferenz zwischen Anfangs- und Endzustand f¨ ur V2 /V1 = 2.

6.

Berechnen Sie die Inversionskurve f¨ ur den Joule-Thomson-Effekt in der p–T -Ebene und f¨ uhren Sie eine Kurvendiskussion durch. Verwenden Sie dazu die schon berechnete Inversionskurve in der ρ–T -Ebene und stellen Sie den Inversionsdruck als Funktion von T /Tinv dar.

7.

Wie h¨ angt die Reaktion I2  2 I vom Druck ab?

8.

Betrachten Sie die Reaktion H2 + I2  2 HI und nehmen Sie an, dass das Reaktiule und N2 Wasseronsgef¨ aß urspr¨ unglich N1 nichtdissoziierte Jodwasserstoffmolek¨ stoffmolek¨ ule enthielt. Schreiben Sie das Massenwirkungsgesetz mit dem Verh¨altnis N2 /N1 und dem Dissoziationsgrad α = (N1 − NHI )/N1 an. Wie ¨andert sich α mit N2 /N1 ? Wie h¨ angt die Reaktion vom Druck ab?

9.

Betrachten Sie die Dissoziation von Wasser: 2H2 O  2 H2 + O2 . Wie h¨angt diese Reaktion vom Druck ab? Schreiben Sie das Massenwirkungsgesetz unter Verwendung des Dissoziationsgrades an.

4

Methoden der Statistischen Physik

In diesem Kapitel beschr¨ anken wir uns auf die externen Parameter V und N .

4.1

Zustandssummen und thermodynamische Potentiale

W¨ ahrend die mikrokanonische Zustandssumme einen direkten Zusamenhang mit der Entropie hat, ist der Zusammenhang zwischen der kanonischen und großkanonischen Zustandssumme mit thermodynamischen Potentialen noch nicht herausgearbeitet. Das soll hier gemacht werden. Zuerst aber wiederholen wir das Wesentliche des mikrokanonischen Ensembles. Mikrokanonische Zustandssumme: Hier ist ein Energieintervall [U −ΔU, U ] vorgegeben. Die Energien Er der Mikrozust¨ande ψr bestimmen eine Indexmenge I durch Er ∈ [U −ΔU, U ] und damit die Zustandssumme  Ω(U, V, N ) = 1 (4.1) r∈I

und die Entropie S(U, V, N ) = k ln Ω(U, V, N ).

(4.2)

Temperatur und innere Energie sind durch Gl. (1.55) gegeben, die Differentiale dS und dU durch Gl. (1.56). Im mikrokanonischen Ensemble ist die Energie U vorgegeben.

in diesem Daneben gibt es aber auch den Erwartungswert des Hamiltonoperators H

Ensemble. Man kann U mit H vergleichen. Nehmen wir an, dass gr¨oßenordnungsm¨aßig Ω ∝ U αN ist (α ∼ 1), wie wir bei der Abz¨ ahlung der Zust¨ande in einem Kasten gesehen

∝ 1/N und auch ΔH

∝ 1/N ist. haben, dann kann man leicht zeigen, dass U − H

praktisch identisch. Also ist f¨ ur makroskopische Systeme U mit H Kanonische Zustandssumme: Hier ist die Temperatur vorgegeben und wir summieren u ¨ ber alle Energieeigenwerte der Mikrozust¨ ande in der Zustandssumme  Z(T, V, N ) = e−βEr (V,N ) . (4.3) r

68

4 Methoden der Statistischen Physik

Z kann auch als Funktion von β = 1/(kT ) anstatt T aufgefasst werden. Die innere

gegeben, also Energie ist jetzt durch den Erwartungswert von H

U ≡ H



U (T, V, N ) = −

∂ ln Z(β, V, N ). ∂β

(4.4)

Berechnen wir die W¨ armekapazit¨ at CV gem¨ aß Gl. (2.16), erhalten wir 1 ∂2 ∂ ∂ ln Z(β, V, N ) = ln Z(β, V, N ) ∂T ∂β kT 2 ∂β 2  2   1 ∂ 1 1 ∂2 = Z(β, V, N ) Z(β, V, N ) − kT 2 Z ∂β 2 Z ∂β

CV (T, V, N ) = −

und damit CV (T, V, N ) =

2 (ΔH) kT 2

mit

2 = H

2  − H

2. (ΔH)

(4.5)

(4.6)

des Hamiltonoperators Die W¨ armekapazit¨ at CV ist also durch die Schwankung ΔH (Energieunsch¨ arfe) bestimmt. Weiters haben wir f¨ ur das Verh¨altnis von Schwankung

zu mittlerer Energie ΔH √

kCV ΔH T. (4.7) =

U H



Mit √ der plausiblen Annahme U ∝ N , CV ∝ N folgt aus Gl. (4.7), dass ΔH/H ∝ oßer das System ist, desto kleiner ist die relative Energieschwankung. 1/ N gilt. Je gr¨ F¨ ur ein makroskopisches System ist die Energie praktisch v¨ollig scharf. Nun stellen wir einen Zusammenhang von Z mit der Entropie im Fall von makroskopischen Systemen her, also von Systemen mit großer Teilchenzahl N und makroskopischem Volumen V bei vorgegebener Teilchendichte ρ = N/V . Im Extremfall betrachtet man den Limes N → ∞ und V → ∞ bei konstanter Teilchendichte. Dieser Limes wird thermodynamischer Limes genannt [29]. Wir behaupten, dass dieser Zusammenhang gegeben ist durch S = k(ln Z + βU ). (4.8) Beweis: Zuerst betrachten wir das Differential  ∂Er  ∂Er e−βEr dV − βZ −1 e−βEr dN. d ln Z = −U dβ − βZ −1 ∂V ∂N r r

(4.9)

Blicken wir zur¨ uck auf die Definition der verallgemeinerten Kr¨afte und auf Gl. (1.56), sehen wir Folgendes: d ln Z = −U dβ + β p dV − β μ dN ⇒ d(ln Z + βU ) = β(dU + p dV − μ dN ) = dS/k. (4.10) Der Vergleich mit Gl. (1.57) zeigt, dass Gl. (4.8) bis auf eine Konstante S  mit S u ¨bereinstimmt. Wir wollen beweisen, dass S  = 0 gilt. Die Energieeigenwerte seien geordnet als E0 < E1 < · · · und haben die Entartungen g0 , g1 , . . ., also Z = g0 e−βE0 + g1 e−βE1 + . . .

(4.11)

4.1 Zustandssummen und thermodynamische Potentiale

69

Im asymptotischen Limes T → 0 gilt daher Z → g0 e−βE0 ,

U → E0

und

  ln Z + βU → ln g0 e−βE0 + βE0 = ln g0 .

(4.12)

Nach dem 3. Hauptsatz ist aber limT →0 S = k ln g0 und daher S  = 0. Nun erhalten wir mit F = U − T S and Gl. (4.8) den Zusammenhang von Z mit der freien Energie: F (T, V, N ) = −kT ln Z(T, V, N ). (4.13) Ein wichtiger Spezialfall der kanonischen Zustandssumme (4.3) ist der von N nichtwechselwirkenden, ununterscheidbaren Teilchen, die im Mittel soweit voneinander entfernt sind, so dass Spin und Statistik keine Rolle spielen. In diesem Fall gilt   Z1N Z1 Z= und F = −N kT ln +1 , (4.14) N! N wobei Z1 die kanonischen Zustandssumme eines einzelnen Teilchens ist. F¨ ur die Herleitung von Gl. (4.14) haben wir die Stirlingsche Formel ln N !  N (ln N − 1) ben¨ utzt. In Gl. (4.14) ist die Abh¨ angigkeit von N vollst¨andig bekannt, damit erh¨alt man das chemische Potential als Z1 μ = −kT ln . (4.15) N Betrachten wir noch den Spezialfall, dass jedes Energieniveau in der kanonischen Zustandssumme denselben Entartungsgrad g hat, also Z = gZ (0) ist, wobei in Z (0) jedes Energieniveau nur einmal gez¨ ahlt wird. Dann liefert der Entartungsgrad den Beitrag −N kT ln g zu F und daher −kT ln g zum chemischen Potential, w¨ahrend der Entartungsgrad nicht zur W¨ armekapazit¨ at beitr¨ agt, da man diese durch die zweite Ableitung von F nach T bekommt – siehe Gl. (2.16). Ein typischer Fall f¨ ur eine solche Entartung sind Kernspins in Atomen von Molek¨ ulen eines idealen Gases; die Anzahl der Spineinstellungen hat keinen Einfluss auf die W¨ armekapazit¨aten, jedoch muss sie sehr wohl in Reaktionsgleichgewichten ber¨ ucksichtigt werden. Großkanonische Zustandssumme: In Abschnitt 1.6.2 haben wir die Zustandssumme  Y (β, V, α) = e−βEr −αNr

(4.16)

r

erhalten. Die Teilchenzahl ist hier nicht fixiert, sondern durch den Erwartungswert N ˆ gegeben: des Teilchenzahloperators N N=

1  Nr e−βEr −αNr . Y r

Wie vorhin gilt U =−

  ∂ ln Y  . ∂β V, α

(4.17)

(4.18)

70

4 Methoden der Statistischen Physik

In Analogie zur Behandlung der kanonischen Zustandssumme betrachten wir d ln Y =

∂ ln Y ∂ ln Y ∂ ln Y dβ + dV + dα = −U dβ + β p dV − N dα ∂β ∂V ∂α

(4.19)

und weiters d(ln Y + βU + αN ) = β dU + β p dV + α dN.

(4.20)

Verwenden wir α = −βμ und vergleichen mit dem Differential der Entropie in Gl. (1.57), erhalten wir das Resultat S = k(ln Y + βU − βμN ). (4.21) Dabei haben wir ben¨ utzt, dass das chemische Potential μ die mit N assoziierte verallgemeinerte Kraft ist – siehe Gl. (1.43) – und dass man wie vorher S  = 0 zeigen kann. Die großkanonische Zustandssumme ist somit eine Funktion von T , V und dem chemischen Potential μ. Das dazugeh¨ orige thermodynamische Potential ist J(T, V, μ) = −p(T, μ)V = −kT ln Y (T, V, μ).

(4.22)

Das sieht man sofort aus J = U −T S−μN = U −kT (ln Y +βU −βμN )−μN = −kT ln Y . Durch eine Umordnung der Summation in Y kann man die großkanonische Zustandssumme auf eine Summe u uckf¨ uhren: ¨ ber kanonische Zustandssummen zur¨ Y =

∞ 

eβμN



e−βEr (V,N ) =

r

N =0

∞ 

eβμN Z(T, V, N ).

(4.23)

N =0

¨ Ubrigens konvergiert diese Summe im Allgemeinen nicht f¨ ur alle μ, wie wir sp¨ater explizit sehen werden. ˆ . Dieselbe Rechnung Nun diskutieren wir die Schwankung des Teilchenzahloperators N wie in Gl. (4.5) liefert uns  ∂2 1 ∂2J 1 ∂N  2 2 ˆ ln Y = β (ΔN ) = − = , (4.24) ∂μ2 kT ∂μ2 kT ∂μ T,V bzw. ˆ )2 = kT (ΔN Damit haben wir ˆ ΔN 1 = N N



 kT

  2 −1 ∂ F ∂N  = kT . ∂μ T,V ∂N 2

∂2F ∂N 2

−1

1 ∼ √ , N

falls

∂2F 1 ∼ . ∂N 2 N

(4.25)

(4.26)

Letzteres k¨ onnen wir uns anhand des idealen Gases plausibel machen. Dort ist F = N kT ln N + · · · (siehe Gl. (3.7) mit a = 0, b = 0), wobei die Punkte Terme mit linearer Abh¨ angigkeit von N andeuten. √ Damit ist die zweite Ableitung von F nach N gegeben durch kT /N und ΔN/N = 1/ N . Auch f¨ ur das van der Waals-Gas kann man Gl. (4.26) ∂2 F verifizieren, wenn man ben¨ utzt, dass im thermodynamischen Limes in ∂N 2 das Volumen durch N/ρ ersetzt werden kann.

4.2 Zusammenfassung: Statistik → Thermodynamik

4.2

71

Zusammenfassung: Statistik → Thermodynamik

Wir fassen jetzt zusammen, was wir bis jetzt u ¨ ber Statistische Physik und Thermodynamik gelernt haben. Wir haben folgendes Schema: ⎧ ⎨ Ω(U, V, N ) −→ S(U, V, N ), FP

QM H −→ Er (V, N ) −→ Z(T, V, N ) −→ F (T, V, N ), ⎩ Y (T, V, μ) −→ J(T, V, μ). Am Anfang steht der Hamiltonoperator, am Schluss gewisse thermodynamische Potentiale. Die Pfeile vor diesen Potentialen symbolisieren den thermodynamischen Limes. Die Abk¨ urzung QM steht f¨ ur Quantenmechanik. Die Haupts¨ atze der Thermodynamik folgen aus Energieerhaltung (1. Hauptsatz), FP (2. Hauptsatz) und QM+FP (3. Hauptsatz). Nun einige wichtige Punkte: • Mikrokanonisches, kanonisches und großkanonisches Ensemble sind im thermodynamischen Limes ¨aquivalent ; d.h., erh¨ alt man S aus Ω, dann l¨asst sich daraus U , F , J, etc. ausrechnen. Die so erhaltenen Funktionen F , J sind mit denen, die man aus Z bzw. Y erh¨ alt, identisch. • F¨ ur kleine“ N beschreiben die Dichtematrizen ρMK , ρK , ρGK v¨ollig verschieden ” Zust¨ ande. • Im thermodynamischen Limes beschreibt ρMK ein abgeschlossenes System im Gleichgewicht. Das ist der Inhalt des FPs. • Die Dichtematrix ρK ist f¨ ur beliebiges N f¨ ur ein System im Kontakt mit einem W¨ armebad richtig. • Die Dichtematrix ρGK ist f¨ ur beliebiges μ f¨ ur ein System im Kontakt mit einem W¨ armebad und einem Teilchenreservoir richtig. In Tabelle 4.1 wird der Zusammenhang Statistik – Thermodynamik noch einmal dargestellt und Hinweise gegeben, wie man die thermische und die kalorische Zustandsgleichung bekommt. ¨ Die Aquivalenz der Ensembles im thermodynamischen Limes ist n¨aher diskutiert in [10, ¨ 13]. Im vorigen Unterkapitel haben wir diese Aquivalenz festgestellt, indem wir mit Hilfe von Z bzw. Y je einen Ausdruck gebildet haben, der mit der Entropie identifiziert werden kann, weil dessen Differential mit dS aus Gl. (1.57) u ¨bereinstimmt. Diese Strategie hat uns auch auf den Zusammenhang zwischen F und Z bzw. J und Y gef¨ uhrt. ¨ In Abschnitt 4.4.3 werden wir diese Aquivalenz anhand des idealen einatomigen Gases durch expliziten Vergleich der thermodynamischen Potentiale S, F und J illustrieren. Hier wollen wir zum Abschluss noch mit einer direkteren Methode zeigen, dass im thermodynamischen Limes die aus der kanonischen Zustandssumme (4.3) folgende

∂S p = T ∂V und U (T, V, N )

thermische Zustandsgleichung zu berechnen aus:

∂ ln Z ∂β bzw. ∂F U =F −T ∂T

∂S 1 = T ∂U

U (T, V, μ) = ∂ − ln Y + μN ∂β und ∂J bzw. N =− ∂μ J ⇒ F ⇒ U (T, V, N )

kalorische Zustandsgleichung zu berechnen aus:

J(T, V, μ) = −kT ln Y

F (T, V, N ) = −kT ln Z

S(U, V, N ) = k ln Ω

∂F p=− ∂V

U =−

p(T, V, μ) = −J/V und ∂J N (T, V, μ) = − ∂μ

W¨ armebad und Teilchenreservoir Y (T, V, μ)

Z(T, V, N )

W¨armebad

keine (System abgeschlossen) Ω(U, V, N )

großkanonisch

Umgebung des Systems Zustandssumme thermodynamisches Potential

kanonisch

mikrokanonisch

Ensemble

72 4 Methoden der Statistischen Physik

Tabelle 4.1: Zusammenhang zwischen Statistik und Thermodynamik.

4.3 Alternative Herleitung der Ensembles

73

Entropie (4.8) mit jener definiert in Gl. (1.52) gleich ist. Wie vorhin diskutiert, ist die relative Schwankung der Energie im kanonischen Ensemble sehr klein, wenn das System makroskopisch ist. Wenn wir daher ein Energieintervall der L¨ange ΔU haben, f¨ ur das

 10 ΔU  U = H

gilt, so werden zwischen U − ΔU/2 und U + ΔU/2 praktisch ΔH alle Energien liegen, die zu Z beitragen. Denn erstens liegen die Energieniveaus sehr ¯ dicht und zweitens, wenn wir die Anzahl der Energieniveaus in E ± ΔU/2 mit Ω(E) −βE ¯ bezeichnen, hat die Funktion Ω(E)e ein extrem scharfes Maximum bei E  U . Als Konsequenz haben wir ¯ )e−βU ⇒ ln Z + βU  ln Ω(U ¯ ). Z  Ω(U

(4.27)

¯ )  ln Ω(U, V, N ), wobei Ω(U, V, N ) der Ausdruck aus Gl. (1.52) ist, folgt Wegen ln Ω(U daraus die obige Behauptung der Gleichheit der Entropien.

4.3

Alternative Herleitung der Ensembles

Wiederholen wir nun die Ensemblewahrscheinlichkeiten: 1 f¨ ur r ∈ I, 0 sonst, Ω e−βEr , kanonisch: ρr = Z e−β(Er −μNr ) großkanonisch: ρr = . Y

mikrokanonisch: ρr =

Die erste Zeile ist wiederum der Inhalt des Fundamentalpostulats, die beiden anderen folgen daraus unter den bekannten Bedingungen. Auf der Menge der Dichtematrizen l¨ asst sich durch  ˜ S(ρ) = −k ρr ln ρr

(4.28)

r

ein Funktional definieren, das man von Neumann-Entropie nennt. Der Begriff Funktional bedeutet hier einfach Abbildung von der Menge der Dichtematrizen nach . Wir machen die Beobachtungen



1 1 ln = k ln Ω, Ω Ω r∈I  e−βEr e−βEr ˜

= k(ln Z + βU ), S(ρK ) = −k ln = k(ln Z + βH) Z Z r  e−β(Er −μNr ) e−β(Er −μNr ) ˜

− βμN ˆ ) S(ρGK ) = −k ln = k(ln Y + βH Y Y r = k(ln Y + βU − βμN ),

˜ MK ) = −k S(ρ

welche sich wie folgt zusammenfassen lassen:

(4.29)

74

4 Methoden der Statistischen Physik Das Funktional S˜ stimmt auf den Ensembles mit der Entropie u ¨ berein.

Die Menge der Dichtematrizen ist konvex, d.h., haben wir zwei Dichtematrizen ρi und zwei positive Zahlen ai mit a1 + a2 = 1 gegeben, so ist ρ = a1 ρ1 + a2 ρ2 wieder eine Dichtematrix, also positiv mit Sp ρ = 1. Man kann zeigen, dass S˜ die interessante Eigenschaft der Konkavit¨at hat [14, 29], d.h. ˜ 1 ) + a2 S(ρ ˜ 2 ). ˜ 1 ρ1 + a2 ρ2 ) ≥ a1 S(ρ S(a

(4.30)

Setzt man S˜ mit der Entropie gleich, heißt das, dass Mischen von Zust¨anden die Entropie niemals kleiner sondern im Allgemeinen gr¨ oßer macht. ¨ Nun wollen wir eine Uberlegung anstellen, wie man ein Maß f¨ ur die Gemischtheit einer Dichtematrix einf¨ uhren kann. Dabei werden wir wieder auf S˜ gef¨ uhrt werden. Wir nehmen an, dass wir ein Ensemble von M gleichartigen, unterscheidbaren Systemen haben. Dabei seien Mr Systeme im Mikrozustand ψr . Wir definieren M = r Mr und ρr = Mr /M und nehmen Mr  1 an. Daher ist ρr die Wahrscheinlichkeit, das System im Mikrozustand ψr zu finden. Dann ist die Anzahl der m¨oglichen Verteilungen der M Systeme auf die Mikrozust¨ ande gegeben durch Γ=

M! . M1 !M2 ! · · ·

(4.31)

Nehmen wir den Logarithmus dieser Gr¨ oße und ben¨ utzen die Stirlingsche Formel, erhalten wir   ln Γ = ln M ! − ln Mr !  M (ln M − 1) − Mr (ln Mr − 1) r

= −M

 Mr r

Mr M ˜ ln = S(ρ). M M k

r

(4.32)

W¨ ahrend M eine (sehr große) willk¨ urliche Zahl ist, sind die Wahrscheinlichkeiten ρr f¨ ur das Ensemble charakteristisch. Also ist S˜ in der Tat ein allgemeines Maß f¨ ur die Gemischtheit eines Ensembles und damit f¨ ur die Gemischtheit der entsprechenden Dichtematrix. ˜ Nun wollen wir zeigen, dass das Maximum von S(ρ) mit gewissen Nebenbedingungen [10, 11] genau die gew¨ unschten Ensemblewahrscheinlichkeiten liefert: Mit den Nebenbedingungen i) ii) iii)

  

r

ρr = 1,

r

ρr Er = U ,

r

ρr N r = N

ergibt sich i) ⇒ mikrokanonisches Ensemble, i)+ii) ⇒ kanonisches Ensemble, i)+ii)+iii) ⇒ großkanonisches Ensemble.

4.4 Die klassische N¨ aherung

75

Beweis: Die Gr¨ oßen λi (i = 1, 2, 3) seien Lagrangemultiplikatoren. Nehmen wir nur die  ˜ erste Nebenbedingung, dann m¨ ussen wir das Maximum von S(ρ)/k − λ1 r ρr suchen. Ableitung dieses Ausdrucks nach ρr liefert ρr = e−1−λ1 ≡

1 . Ω

Die Nebenbedingung stellt eine Zusammenhang zwischen λ1 und Ω her. Als n¨achstes verwenden wir die erste  und die zweite Nebenbedingung und suchen daher das Maxi˜ mum von S(ρ)/k − r (λ1 ρr + λ2 ρr Er ). Wir erhalten durch Ableitung ln ρr + 1 + λ1 + λ2 Er = 0



ρr = e−1−λ1 −λ2 Er .

Also ergibt sich das kanonische Ensemble mit λ2 = β und Z = exp(1 + λ1 ). Das Verfahren mit allen drei Nebenbedingungen geht analog.

4.4

Die klassische N¨aherung

4.4.1

Vorbetrachtungen

G¨ ultigkeitsbereich der klassischen N¨aherung: Wir betrachten ein Gas und stellen die Frage, unter welcher Bedingung quantenmechanische Effekte keine Rolle spielen und wir einfach die klassische Hamiltonfunktion anstelle des Hamiltonoperators zur Berechnung der thermodynamischen Potentiale verwenden d¨ urfen. Die quantenmechanischen Unsch¨ arferelationen f¨ ur Orts- und Impulsoperatoren eines Teilchens lauten  (4.33) ΔXi ΔPj ≥ δij . 2 ¯ zwischen den Gasteilchen und einen mittleren Definiert man einen mittleren Abstand R ¯ Impuls P , so wird sich ein Gas klassisch beschreiben lassen, falls die Bedingung ¯ P¯   R

(4.34)

erf¨ ullt ist. Denn in diesem Fall hat das Teilchen im Phasenraum soviel Platz, so dass die Unsch¨ ankung darstellt. Wir wissen, dass in einem Gas √ arferelation keine Einschr¨ ¯  /P¯ ∼ λ, P¯ ∼ mkT gilt. Daher l¨ asst sich Bedingung Gl. (4.34) umschreiben in R wobei λ die thermische de Broglie-Wellenl¨ ange Gl. (1.66) ist. Hiermit erhalten wir 

V N

1/3 λ

(4.35)

als Bedingung daf¨ ur, dass sich ein Gas klassisch behandeln l¨asst. Numerisch ist die thermische de Broglie-Wellenl¨ange sehr klein. Normieren wir sie auf die Masse des Wasserstoffmolek¨ uls und auf eine Temperatur von 300 K, erhalten wir ˚ × mH2 × 300 K . λ = 0.71 A (4.36) m T

76

4 Methoden der Statistischen Physik

Dies ist zu vergleichen mit einem Volumen von ca. (33.4 ˚ A)3 , das ein Molek¨ ul eines idealen Gases bei dieser Temperatur und einem Druck von 1 bar einnimmt. Sp¨ater werden wir bei der klassischen Virialentwicklung sehen, dass der relevante Entwicklungsparameter durch das Inverse von V /(N λ3 ) gegeben ist. Mit den obigen Werten von p und T ist diese Gr¨ oße etwa 105 f¨ ur Wasserstoff und 3 × 106 f¨ ur Neon. Diese Gase sind also selbst bei relativ tiefen Temperaturen klassisch zu behandeln. Andrerseits gilt f¨ ur das Elektronengas in einem Metall die Absch¨atzung V /(N λ3 ) ∼ 10−4 und selbst bei Temperaturen viel h¨ oher als die Raumtemperatur ist die klassische N¨aherung ung¨ ultig. G¨ ultigkeit von Integration statt Summation: Wir betrachten nichtwechselwirkende Teilchen in einem Kasten, also ein einatomiges ideales Gas. Die Energien der Mikrozust¨ ande sind in Gl. (1.28) gegeben. Wir fassen die kanonische Zustandssumme Auge und wollen uns u ¨ berlegen, wann wir die Summe  ins onnen. Daf¨ ur muss erst einmal der Summand u ¨ber n durch ein Integral d3 p ersetzen k¨ exp(−βEn ) glatt genug sein. Die Bedingung daf¨ ur ist     ∂  |exp(−βEn+Δn ) − exp(−βEn )|  Δnj exp(−βEn )  exp(−βEn ), (4.37) ∂nj bzw. β

2 π 2 nj  1, m L2j

(4.38)

wobei nj eine mittlere Quantenzahl bedeutet. Da man P¯j = πn√j /Lj als den mittleren Impuls des Teilchens im Kasten auffassen kann und daher P¯j ∼ mkT gilt, erh¨alt man schließlich die Bedingung λ  min Lj . (4.39) Diese Bedingung ist viel schw¨ acher als die Bedingung Gl. (4.35) und im Allgemeinen auch f¨ ur Quantengase erf¨ ullt. Gilt die klassische N¨aherung, dann kann man auf alle F¨ alle die Summation durch die Integration ersetzen. Dies bewerkstelligt man durch 



n

d3 n =

nj ≥0

d3 p pj ≥0

L1 L2 L3 , (π)3

(4.40)

was schließlich die Ersetzung  n



V (2π)3

d3 p

(4.41)

ergibt.

4.4.2

Zustandssummen in klassischer N¨aherung

Wir diskutieren die kanonische Zustandssumme, die sich als b

Z = Sp e−β H

(4.42)

4.4 Die klassische N¨ aherung

77

schreiben l¨ asst. Wir definieren das betrachtete Volumen wie f¨ ur die Teilchen in einem Kasten – siehe Gl. (1.27) – und beschr¨ anken uns, um die Notation zu vereinfachen, auf ein Teilchen. Da die Spur unabh¨ angig von der ON-Basis ist, k¨onnen wir eine geeignete w¨ ahlen. Wir nehmen nicht die von Gl. (1.28) sondern ⎞ ⎛ 3 /L n 1 1

1 1 # e2πinj xj /Lj = √ ei pn · x/ mit pn = 2π ⎝ n2 /L2 ⎠ . φn = (4.43) L V j n3 /L3 j=1 Damit schreiben wir     b b φn |e−β H φn  = d3 x φ∗n (x) e−β H φn (x). Z=

(4.44)

Formal k¨ onnen wir nun so vorgehen. Wir definieren   b Iβ (x, p n ) = φ∗n (x) e−β H φn (x).

(4.45)

n

n

V

Wegen V φn (x)φ∗n (x) = 1 haben wir weiters     ∂Iβ b

n Iβ ) (x). = −φ∗n (x) He−β H φn (x) = −V φ∗n (x) H(φ ∂β Mit

2

= P + U (X)   H und P = −i∇ 2m

(4.46)

(4.47)

erhalten wir

2 i ∂Iβ  β +  ΔIβ , = −Hkl (x, pn )Iβ + pn · ∇I (4.48) ∂β m 2m wobei der erste Term mit der klassischen Hamiltonfunktion von der Anwendung von  2 auf φn stammt. Im klassischen Limes ist pn fest bei  → 0, und somit ist ∇

Iβ = e−βHkl .

(4.49)

Verallgemeinern wir auf N Teilchen und ber¨ ucksichtigen, dass die Teilchen ununterscheidbar sind, erhalten wir die klassische N¨ aherung 1 d3 pN −βHkl ( x1 ,..., xN, p 1 ,..., pN ) d3 p1 Zkl (T, V, N ) = d3 x1 · · · d3 xN · · · e . N! V (2π)3 (2π)3 V (4.50) F¨ ur die beiden anderen Zustandssummen ergibt sich Ykl (T, V, μ) =

∞ 

eβμN Zkl (T, V, N )

(4.51)

N =0

und Ωkl = (4.52) 3 3 1 d pN d p1 d3 x1 · · · d3 xN ··· [Θ(U − Hkl ) − Θ(U − ΔU − Hkl )] 3 N! V (2π) (2π)3 V

78

4 Methoden der Statistischen Physik

mit der Heaviside-Funktion Θ. Man kann sich noch genauer u ¨ berlegen, welche N¨aherung man gemacht hat, um von Gl. (4.48) auf Gl. (4.49) zu kommen. Betrachten wir z.B. den zweiten Term auf der  −β Hb ) und daher die rechten Seite von Gl. (4.48). Die Ableitung von Iβ nach x muss ∇(e Ableitung des Potentials enthalten. Daher m¨ ussen wir den Term β

  pn · ∇U m

(4.53)

¯ die typische Distanz ist, in der sich U wesentlich ¨andert, hat dieser absch¨ atzen. Wenn D Term relativ zu U den Faktor  P¯ (4.54) ¯ P¯ . ¯ ∼ D mkT D Dieser Faktor muss viel kleiner als eins sein, damit man den zweiten Term in Gl. (4.48) gegen¨ uber U vernachl¨ assigen kann. Geht U n¨aherungsweise nach einem Potenzgesetz, ¯ durch R ¯ ersetzt, weil die Teilchen im Mittel den Abstand wird in Gl. (4.54) die L¨ ange D ¯ R haben; dann ist Gl. (4.54) auf alle F¨ alle viel kleiner als eins wegen der Bedingung ¯ P¯ )  1 f¨ /(R ur die klassische N¨ aherung – siehe Gl. (4.34). Genauso wie wir die klassische N¨ aherung f¨ ur die kanonische Zustandssumme diskutiert haben, k¨ onnen wir die klassische N¨ aherung f¨ ur den Erwartungswert eines Operators A behandeln und bekommen AK = Sp (AρK )  (4.55) 3 3 1 d pN d p1 ··· fkl (x1 , . . . , xN, p1 , . . . , p N ) e−βHkl ( x1 ,..., xN, p 1 ,..., pN ) , N ! Zkl (2π)3 (2π)3 wobei wir A als Funktion f von Ort und Impuls angenommen haben. In Gl. (4.55) ist fkl dann einfach die entsprechende Funktion im Phasenraum. Nimmt man f¨ ur fkl Projektoren auf Gebiete P im Phasenraum, also Funktionen, die den Werte eins annehmen, wenn die Koordinaten aller Teilchen in P liegen und sonst Null sind, folgert man daraus, dass e−βHkl ( x1 ,..., xN, p 1 ,..., pN ) 3 d3 p1 d3 pN d x1 · · · d3 xN ··· 3 Zkl (2π) (2π)3

(4.56)

die Wahrscheinlichkeitsverteilung im Phasenraum angibt.

4.4.3

Die klassische N¨aherung am Beispiel des idealen einatomigen Gases

Das einatomige ideale Gas hat nur translatorische Freiheitsgrade, daher ist die kanonische Zustandssumme f¨ ur N Teilchen gegeben durch Z=

1 N Z , N ! tr

(4.57)

4.4 Die klassische N¨ aherung

79

wobei Ztr die kanonische Zustandssumme f¨ ur die translatorischen Freiheitsgrade eines  ) = p 2 /(2m) und Teilchens ist. Wegen Hkl (x, p 2 1 1 (4.58) d3 p e−β p /(2m) = 3 (2π)3 λ erh¨ alt man Ztr =

V . λ3

(4.59)

mit der thermischen de Broglie-Wellenl¨ ange λ aus Gl. (1.66). Daher ist Zkl =

1 VN , N ! λ3N

und gem¨ aß Gl. (4.14) ist die freie Energie gegeben durch   V F (T, V, N ) = −N kT ln + 1 . N λ3

(4.60)

(4.61)

Mit Gl. (4.51) und dem Resultat Gl. (4.60) kann man die großkanonische Zustandssumme berechnen:  βμ  Ve , (4.62) Ykl = exp λ3 und daher ist J(T, V, μ) = −kT

V eβμ . λ3

(4.63)

Die Entropie als Funktion von T , V , N f¨ ur das einatomige ideale Gas – hergeleitet mit dem mikrokanonischen Ensemble – ist in Gl. (1.67) gegeben. Somit stehen uns die drei thermodynamischen Potentiale, die aus den drei Ensembles folgen, zur Verf¨ ugung. Vergleich der Gesamtheiten: Wir haben diskutiert, dass im thermodynamischen Limes die Ensembles ¨aquivalent sind. Das k¨ onnen wir jetzt anhand der Resultate f¨ ur das einatomige ideale Gas testen. Berechnen wir zuerst die thermische Zustandsgleichung aus J. Dazu verwenden wir −

V eβμ ∂J =N = . ∂μ λ3

(4.64)

Mit −J = pV (T, μ) erhalten wir daraus pV = N kT . Als n¨ achsten Test betrachten wir die Legendre-Transformation, die uns aus J die freie Energie liefern soll. Aus Gl. (4.64) berechnen wir μ = kT ln(N λ3 /V ) und damit F = J + μN = −kT × N + kT ln(N λ3 /V ) × N, was mit F in Gl. (4.61) identisch ist.

(4.65)

80

4 Methoden der Statistischen Physik

Schließlich wollen wir aus dieser freien Energie noch S(T, V, N ) berechnen:   ∂F V 1 dλ S(T, V, N ) = − = N k ln . + 1 − 3N kT × 3 ∂T Nλ λ dT

(4.66)

Wegen dλ λ =− (4.67) dT 2T $   % erhalten wir schlussendlich S = N k ln V /(N λ3 ) + 5/2 , also Gl. (1.67), welche mit dem mikrokanonischen Ensemble berechnet wurde.

4.5 1.

¨ Ubungsaufgaben

Ein System A sei im Kontakt mit einem W¨armebad und einem Volumsreservoir. Zeigen Sie, dass das Schwankungsquadrat des Volumens durch  ∂ V¯  2 (ΔV ) = −kT ∂p T gegeben ist, wobei V¯ den Erwartungswert des Volumens von A bezeichnet. Verwenden Sie dazu die Zustandssumme X aus Beispiel 9.

2.

Berechnen Sie die relative Schwankung ΔV /V¯ f¨ ur ein ideales Gas.

3.

Es sei ρ eine Dichtematrix auf einem n-dimensionalen Raum (n < ∞). Zeigen Sie, ˜ dass dann S(ρ) ≤ k ln n gilt.

4.

Zeigen Sie, dass ρ=

 1  1 | ↑  ↑ | + | ↓  ↓ | + | ↑  ↓ | + | ↓  ↑ | 2 3

˜ eine Dichtematrix im Spinraum ist und berechnen Sie S(ρ). 5.

Bestimmen Sie f¨ ur Teilchen in einem quaderf¨ormigen Volumen mit Kantenl¨ange L eine charakteristische Temperatur T0 , so dass T0  T die Bedingung ist f¨ ur die ur Wasserstoff und G¨ ultigkeit von Integration statt Summation. Sch¨atzen Sie T0 f¨ L = 1 cm ab.

6.

Verwenden Sie das großkanonischen Potential f¨ ur ein einatomiges ideales Gas und berechnen Sie damit Entropie, Energie und Druck als Funktion von T , V und μ. Rechnen Sie weiters S(T, V, μ) in S(T, V, N ) um.

5

Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

5.1

Die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung

Als erste Anwendung der kanonischen Zustandssumme wollen wir die Geschwindigkeitsverteilung eines idealen Gases berechnen. Dazu gen¨ ugt die klassische N¨aherung. Wir greifen ein Teilchen heraus. Die anderen Teilchen bilden das W¨armebad. Weil die Translationsfreiheitsgrade unabh¨ angig von den inneren Freiheitsgraden sind, hat die kanonische Zustandssumme die Form Z = Ztr Zinn .

(5.1)

Die Koordinaten x,  p beziehen sich auf den Schwerpunkt des Teilchens. Die Bewegung des Schwerpunkts, also die Translationen, werden klassisch behandelt mit der Hamiltonfunktion p 2 Hkl (x, p + U (x ). (5.2) ) = 2m Dabei kann U irgendein ¨ außeres Potential sein. Gem¨aß Gl. (4.56) ist die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen im Phasenraumvolumen d3 x d3 p um (x, p ) zu finden, gegeben durch e−βHkl d3 x d3 p mit Z = d3 x e−βU( x ) (5.3) U Ztr ZU (2π)3 V und Ztr aus Gl. (4.59). Weil die Hamiltonfunktion die Summe aus kinetischer und potentieller Energie ist, ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung im Phasenraum das Produkt aus den Wahrscheinlichkeiten f¨ ur Impuls und Ort. Daher gibt Gl. (5.3) an jedem Ort x die Wahrscheinlichkeitsverteilung im Impulsraum als (2πmkT )−3/2 e−β p

2

/(2m) 3

d p.

(5.4)

Wir schreiben diese Verteilung auf eine Verteilung f¨ ur die Geschwindigkeit um und ber¨ ucksichtigen, dass diese nur von v, dem Betrag der Geschwindigkeit abh¨angt. So erhalten wir die Maxwell-Verteilung   ∞  m 3/2 mv 2 v 2 exp − dv fM (v) = 1. (5.5) fM (v) = 4π mit 2πkT 2kT 0 Wegen Gl. (5.1) gilt diese Geschwindigkeitsverteilung f¨ ur beliebige Gase, unabh¨angig von den inneren Freiheitsgraden der Gasmolek¨ ule.

82

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Das mittlere Gechwindigkeitsquadrat berechnen wir zu ∞ 3kT . dv v 2 fM (v) = m 0

(5.6)

Dieses Resultat stimmt mit Gl. (1.63) und Gl. (3.45) u ¨berein. Wir k¨onnen zum Vergleich das Maximum von fM angeben. Es liegt bei 2 vmax =

2kT . m

(5.7)

¨ Machen wir eine Uberschlagsrechnung f¨ ur Luft. Die Massen der O2 und N2 -Molek¨ ule ur Raumtemperatur mit sind etwa 30 GeV/c2l , wobei cl die Lichtgeschwindigkeit ist. F¨ kT  (1/40) eV ergibt sich vmax (Luft) ∼ 400 m/s. (5.8)

5.2

Die barometrische H¨ohenformel

Nun diskutieren wir den Einfluss des Schwerefelds auf Dichte- und Druckverteilung eines idealen Gases. Wir gehen aus von einem Gasmolek¨ ul mit der Hamiltonfunktion ) = Hkl (x, p

2 p + mgz, 2m

(5.9)

wobei g die Erdbeschleunigung und z die H¨ ohe ist. Nach der Logik des vorigen Unterkapitels ist die Wahrscheinlichkeit, ein Gasmolek¨ ul zwischen z und z + dz vorzufinden proportional zu exp(−βmgz). Damit erhalten wir eine Formel f¨ ur die Teilchendichte:  mgz  ρ(z) = ρ(0) exp − . (5.10) kT Die ideale Gasgleichung in der Form p = kT ρ liefert die barometrische H¨ohenformel  mgz  p(z) = p(0) exp − . (5.11) kT Allerdings haben wir hier thermisches Gleichgewicht durch alle H¨ohenschichten angenommen, was nat¨ urlich f¨ ur die Atmosph¨ are nicht richtig ist. Die Temperatur in der Atmosph¨ are nimmt mit der H¨ohe ab, jedoch ist die Abnahme nicht drastisch, denn von der Erdoberfl¨ ache bis zur Tropopause ist sie etwa 20% in der absoluten Temperatur. Man kann daher in Gl. (5.11) eine mittlere Temperatur verwenden, was zu   z p(z)  p(0) exp − (5.12) hs ur die ganze f¨ uhrt mit einer Skalenh¨ ohe hs  8 km [24]. Diese Formel stimmt ganz gut f¨ Troposph¨ are.

5.3 Der Gleichverteilungssatz

5.3

83

Der Gleichverteilungssatz

Wir betrachten die klassische Beschreibung eines Molek¨ uls bestehend aus n Atomen. Die dazugeh¨ orige Hamiltonfunktion sei Hkl (q1 , . . . , q3n , p1 , . . . , p3n ), wobei die qi , pi verallgemeinerte Koordinaten im Sinn der Hamiltonschen Theorie sind. F¨ ur jeden Index i l¨ asst sich der Erwartungswert & ' ∂Hkl ∂Hkl −βHkl 1 · · · dq e dq dp1 · · · dp3n pi pi = 1 3n 3n ∂pi Zkl (2π) ∂pi ∂ −βHkl kT = − e (5.13) dq1 · · · dq3n dp1 · · · dp3n pi Zkl (2π)3n ∂pi durch partielle Integration umformen, falls  pi e−βHkl 

pi =±∞

=0

(5.14)

gilt. F¨ ur Impulse sollte diese Bedingung erf¨ ullt sein. Das Resultat der partiellen Integration, zusammen mit dem Analogon f¨ ur qi , ist der Gleichverteilungssatz : & ' & ' ∂Hkl ∂Hkl pi = kT, qi = kT ∀ i = 1, . . . , 3n. (5.15) ∂pi ∂qi Im zweiten Teil dieser Gleichung haben wir allerdings auch f¨ ur qi angenommen, dass  qi e−βHkl qi am Rand = 0 (5.16) f¨ ur das betrachtete Gebiet V gilt, zumindest in ausreichender N¨aherung. Das werden wir am Ende dieses Unterkapitels best¨ atigen. Der Gleichverteilungssatz erlaubt die klassische Berechnung der W¨ armekapazit¨ aten von Gasen und Festk¨orpern. Diese Berechnung werden wir im Folgenden durchf¨ uhren. Einatomiges Gas: In dem Fall ist Hkl = p 2 /(2m) und daher 3 

pi

i=1

∂Hkl = 2 Hkl . ∂pi

(5.17)

Mit Gl. (5.15) erhalten wir Hkl  = 3kT /2 und damit eine W¨armekapazit¨at von cV = 3k/2 pro Teilchen. Zweiatomiges Gas: Die beiden Atome haben die Massen m1 und m2 . Wir definieren die reduzierte Masse, die Schwerpunktskoordinaten und die Relativkoordinaten: μ=

m1 m2 , m1 + m2

x =

m1 x1 + m2 x2 , m1 + m2

ξ = x1 − x2 .

(5.18)

84

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Die Koordinaten x1 , x2 sind die Koordinaten der Atomkerne. Mit der Abk¨ urzung M = m1 + m2 erhalten wir m2  m1  ξ, x2 = x − ξ. (5.19) x1 = x + M M Wir nehmen an, dass das Potential V zwischen den beiden Kernen nur vom Abstand abh¨ angt. Um Hkl zu berechnen, gehen wir aus von der Lagrangefunktion L=

   2 1  2 1 1   2 1  ˙ 2 m1 x˙ 1 + m2 x˙ 2 − V (|x1 − x2 |) = M x˙ + μ ξ − V ( ξ ). (5.20) 2 2 2 2

Das Potential V habe ein Minimum beim Abstand R0 . Wir machen die N¨aherung der kleinen Schwingungen und entwickeln V in 2   1 V = V (R0 ) + V  (R0 )  ξ  − R0 + · · · 2

(5.21)

Nun betrachten wir nur Rotationen und Schwingungen des Molek¨ uls. Zu diesem Zweck identifizieren wir den Koordinatennullpunkt mit dem Molek¨ ulschwerpunkt und der Winkel ϑ sei der Winkel zwischen z-Achse und der Verbindungslinie zwischen den beiden   Atomkernen. Mit ζ ≡  ξ  − R0 k¨ onnen wir ξ darstellen als ⎛

⎞ cos φ sin ϑ ξ = (R0 + ζ) ⎝ sin φ sin ϑ ⎠ , cos ϑ woraus

(5.22)

 2 ˙ ξ = ζ˙2 + (R0 + ζ)2 sin2 ϑ φ˙ 2 + (R0 + ζ)2 ϑ˙ 2

(5.23)

folgt. Weil wir kleine Schwingungen betrachten, nehmen wir |ζ|  R0 an und vernachl¨ assigen ζ in der kinetischen Energie, und in der Entwicklung Gl. (5.21) brechen wir nach dem quadratischen Term ab. Wir f¨ uhren das Tr¨agheitsmoment Θ des Molek¨ uls und die Oszillatorfrequenz ω ein: Θ = μR02 ,

V  (R0 ) = μω 2 .

(5.24)

Somit erhalten wir die gen¨ aherte Lagrangefunktion L =

 1 1  ˙ 2 1 ˙ 2 1  2 ˙ 2 M x + μ ζ + Θ sin ϑ φ + ϑ˙ 2 − μω 2 ζ 2 . 2 2 2 2

(5.25)

Mit den verallgemeinerten Impulsen p = M x˙ , 

˙ pζ = μζ,

˙ pφ = Θ sin2 ϑφ,

pϑ = Θϑ˙

(5.26)

finden wir schließlich die gew¨ unschte Hamilonfunktion Hkl =

p2ζ p2φ 1 p 2 p2ϑ + + + μω 2 ζ 2 . + 2 2M 2μ 2Θ sin ϑ 2Θ 2

(5.27)

5.3 Der Gleichverteilungssatz

85

Tabelle 5.1: Zusammenfassung der Anzahl der Freiheitsgrade eines Molek¨ uls gem¨ aß dem Gleichverteilungssatz.

einatomig linear (n ≥ 2) nichtlinear (n ≥ 3)

ft 3 3 3

fr 0 2 3

fv 0 3n − 5 3n − 6

f 3 6n − 5 6n − 6

Jetzt k¨ onnen wir den Zusammenhang mit Gl. (5.15) herstellen durch   3  ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ Hkl = 2 Hkl . pi + pζ + pϑ + pφ +ζ ∂pi ∂pζ ∂pϑ ∂pφ ∂ζ i=1

(5.28)

Das liefert das Resultat

7 kT, 2 weil in Gl. (5.27) sieben quadratische Variable vorkommen. Hkl  =

(5.29)

n-atomiges Gas: Die Rechnung f¨ ur das zweiatomige Gas l¨ asst sich sofort auf ein n-atomiges verallgemeinern, wenn wir wieder in der N¨ aherung der kleinen Schwingungen rechnen. Wir setzen (5.30) f = ft + fr + 2fv , wobei die Anzahl der Translationsfreiheitsgrade ft , die sich auf die Schwerpunktsbeweussen wir zwischen gung bezieht, immer drei ist. Bei den Rotationsfreiheitsgraden fr m¨ einem linearen und einem nichtlinearen Molek¨ ul unterscheiden. Im linearen Fall ist fr = 2, im nichtlinearen gibt es drei unabh¨ angige Rotationsfreiheitsgrade, also fr = 3. Nach dem Gleichverteilungsatz tr¨ agt jeder dieser Freiheitsgrade 12 kT zur mittleren Ener¨ gie des Molek¨ uls bei, da Translationen und Rotationen keine Anderungen der relativen Positionen der Atome beinhalten und daher der zweite Teil von Gl. (5.15) nicht wirkur die Schwingungen u sam ist. Die Anzahl der Koordinaten fv , die f¨ ¨ brig bleiben, ist 3n − ft − fr . Pro Schwingungsfreiheitsgrad sind nun beide Teile von Gl. (5.15) wirksam, ¨ d.h., wir haben kT pro Schwingungsfreiheitsgrad. Diese Uberlegungen sind in Tabelle 5.1 zusammengefasst. Dabei ist f die effektive Anzahl der Freiheitsgrade, die mittlere Energie ist also 1 (5.31) Hkl  = f kT 2 in unserer klassischen Betrachtung. Widerspr¨ uche zum Gleichverteilungssatz: Gem¨ aß dem Gleichverteilungssatz sollten zweiatomige Gase die W¨armekapazit¨at CV = 7N k/2 haben. Tats¨ achlich wird im Allgemeinen CV = 5N k/2 gemessen (z.B. bei Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, HCl, etc.). Weiters k¨onnen wir aus dem Gleichverteilungssatz die Regel von Dulong–Petit herleiten. Wir fassen einen Kristall als großes Molek¨ ul

86

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

bestehend aus N Atomen auf. Wegen N  6 muss der Kristall die W¨armekapazit¨at 3N k haben. Das ist tats¨ achlich meistens gut erf¨ ullt bei Temperaturen wie der Raumtemperatur und dar¨ uber, jedoch gibt es davon auch signifikante Abweichungen, z.B. bei Diamant. Die Widerspr¨ uche zum Gleichverteilungssatz, der aus der klassischen Physik folgt, werden durch die Quantenmechanik gel¨ ost. In den n¨achsten Unterkapiteln werden wir die W¨ armekapazit¨ at von idealen Gasen und Festk¨orpern mit Hilfe der Quantenmechanik diskutieren und dabei die Grenzen der klassischen Physik sehen. Betrachtung zur Bedingung Gl. (5.16): Wie wir gesehen haben, ist f¨ ur Gl. (5.16) das Potential eines harmonischen Oszillators ur große“ AuslenkunU (q) = mω 2 q 2 /2 relevant. Wir wollen herleiten, dass Gl. (5.16) f¨ ” gen von Molek¨ ulschwingungen f¨ ur alle praktischen Zwecke erf¨ ullt ist. Wir nehmen dabei folgende typische Werte an: ω ∼ 0.1 eV,

qmax ∼ 10−10 m,

μ  0.5 GeV/c2l .

Der erste Wert ist dem Experiment entnommen, qmax kann sicher nicht gr¨oßer als der typische Atomabstand sein, ohne dass das Molek¨ ul zerf¨allt, und die reduzierte Masse muss mindestens so groß wie die des H2 -Molek¨ uls sein. Damit bekommen wir 2  2 μω 2 qmax μc2 ω qmax 10 = l eV,  2 2 cl 16 wobei wir cl  200 MeV fm ben¨ utzt haben. Bei Raumtemperatur mit β  40 eV−1 erhalten wir daher   e−25 . e−βU q max

Also ist Gl. (5.16) erf¨ ullt und die Verletzung des Gleichverteilungssatzes kann nicht auf einen Randterm in der partiellen Integration von qi zur¨ uckgef¨ uhrt werden.

5.4

Das zweiatomige ideale Gas

Vorbetrachtungen: Im Gegensatz zum vorigen Unterkapitel f¨ uhren wir nun eine quantenmechanische Beschreibung der Schwingungs- und Rotationsfreiheitsgrade durch und diskutieren deren ¨ Einfluss auf die W¨ armekapazit¨ at. Wir stellen ein paar allgemeine Uberlegungen an den Anfang. Ein ideales Gas hat per Definition keine Wechselwirkung zwischen den Molek¨ ulen. Wir nehmen zus¨ atzlich an, dass sich die Freiheitsgrade des zweiatomigen idealen Gases, Translationen (tr), Vibrationen (vib) und Rotationen (rot), gegenseitig nicht beeinflussen. Daher haben wir die Form der kanonischen Zustandssumme Z=

1 N (Ztr Zvib Zrot ) . N!

(5.32)

Damit ist die kalorische Zustandsgleichung durch die Summe U = Utr + Uvib + Urot

(5.33)

5.4 Das zweiatomige ideale Gas

87

1

0.8

0.6

0.4

0.2

0

0

0.5

1

T/Tv

1.5

2

Abbildung 5.1: Cvib /(N k) als Funktion von T /Tv .

gegeben und die W¨ armekapazit¨ at, die wir in diesem Unterkapitel ausrechnen wollen, hat ebenfalls drei Beitr¨ age: CV = Ctr + Cvib + Crot .

(5.34)

Wir haben fr¨ uher – siehe Gl. (1.63) – hergeleitet, dass Utr = 23 N kT gilt. Damit haben wir 3 (5.35) Ctr = N k. 2 Nur f¨ ur die mit den Translationen verbundene W¨armekapazit¨at ist es von Belang, dass wir CV und nicht Cp berechnen. Vibrationen: Wir n¨ ahern das Potential zwischen den zwei Atomkernen durch das Potential eines harmonischen Oszillators an. Das ist richtig f¨ ur nicht zu große Auslenkungen. Wir haben damit die Energiewerte   1 En = ω n + (n = 0, 1, . . .) (5.36) 2

88

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

und Zvib =

∞ 

e−βEn =

n=0

e−βω/2 . 1 − e−βω

(5.37)

Diese Formel liefert mit Hilfe von Gl. (4.4)  Uvib (T ) = N ω

1 1 + 2 eω/(kT ) − 1

 .

(5.38)

Schließlich erhalten wir das gew¨ unschte Ergebnis  Cvib = N k

Tv T

2

eTv /T  2 eTv /T − 1

mit

Tv = ω/k.

(5.39)

ur F¨ ur T  Tv ist Cvib  N k und der klassische Gleichverteilungssatz gilt. Aber f¨ T  Tv haben wir  2 Tv Cvib  N k e−Tv /T , (5.40) T d.h., f¨ ur tiefe Temperaturen sind die Schwingungen eingefroren“. Dieser quantenme” chanische Effekt ist in Abb. 5.1 illustriert. Bei T = Tv ist Cvib /(N k)  0.92. Rotationen: Zur exakten quantenmechanischen Beschreibung der Rotationen eines Molek¨ uls ben¨otigt man den quantenmechanischen Kreisel – siehe z.B. [30]. Hier gen¨ ugt es plausibel zu argumentieren, um auf die gew¨ unschten Energieeigenwerte und Entartungen zu kommen. Wir haben ein raumfestes xyz-Koordinatensystem und ein k¨orperfestes ξηζSystem. Letzteres hat den Nullpunkt im Schwerpunkt des Molek¨ uls und die ζ-Achse ist durch die Symmetrieachse des zweiatomigen Molek¨ uls gegeben. Der Hamiltonoperator bez¨ uglich Rotationen ist daher Hrot

  2 L2ξ L2ζ L2η L 1 1 1 = = − + + + L2ζ , 2Θ 2Θ 2Θζ 2Θ 2 Θζ Θ

(5.41)

wobei Lξ , etc. die Drehimpulskomponenten im k¨orperfesten Koordinatensystem sind, Θ das Tr¨ agheitsmoment orthogonal zur Symmetrieachse und Θζ das Tr¨agheitsmoment um die Symmetrieachse ist. Der Satz von Drehimpulsoperatoren  2 = L2x + L2y + L2z = L2ξ + L2η + L2ζ , L

Lz ,



(5.42)

kommutiert miteinander. Dass [Lz , Lζ ] = 0 gilt, ist plausibel, da die Rotation eines K¨ orpers um die z-Achse von der um die ζ-Achse unabh¨angig ist. Wegen Θζ  Θ sind Rotationen um die ζ-Achse sehr energiereich und in guter N¨aherung kann der Eigenwert von Lζ als Null angenommen werden. Andererseits h¨angt Hrot gar nicht von den Eigenwerten von Lz ab, d.h., bei gegebener Bahndrehimpulsquantenzahl  von

5.4 Das zweiatomige ideale Gas

89

 2 hat der Eigenwert 2 ( + 1)/(2Θ) von Hrot eine (2 + 1)-fache Entartung. Damit L kommen wir zur kanonischen Zustandssumme Zrot =

∞ 

(2 + 1)e−βE

mit E =

=0

2 ( + 1) . 2Θ

(5.43)

F¨ ur diese Zustandssumme kann keine geschlossene Formel in elementaren Funktionen angegeben werden. Jedoch kann man Aussagen u ¨ ber Zrot gewinnen, indem man die Eulersche Summenformel ben¨ utzt. Theorem 5 Eulersche Summenformel: 1  =0



1

f () =

df () + 0

In unserem Fall ist

f (0 ) + f (1 ) f  (0 ) − f  (1 ) f  (0 ) − f  (1 ) − + ± ··· 2 12 720

  Tr ( + 1) f () = (2 + 1) exp − , 2T

(5.44)

wobei die Rotationstemperatur Tr gegeben ist durch Tr =

2 . Θk

(5.45)

Theorem 5 erlaubt, f¨ ur hohe Temperaturen, also T  Tr , eine N¨aherung f¨ ur Zrot zu erhalten. Der Integralterm in der Eulerschen Summenformel mit 0 = 0 und 1 = ∞ ergibt   ∞ Tr ( + 1) 2T d(2 + 1) exp − . (5.46) = 2T Tr 0 Es stellt sich heraus, dass man bis zur dritten Ableitung von f () gehen muss, um die Zustandssumme vollst¨ andig bis zur Ordnung Tr /T zu erhalten. Erst die vierte Ableitung ohere Potenzen. Das Ergebnis dieser Rechnung ist [11, 31] enth¨ alt (Tr /T )2 und h¨ Zrot =

Tr 2T 1 + ··· , + + Tr 3 30T

bzw. ln Zrot

1 2T 1 Tr + = ln + Tr 6 T 360



Tr T

(5.47)

2 + ···

(5.48)

Die Punkte in der letzten Gleichung stehen f¨ ur Terme der Ordnung (Tr /T )3 und h¨ohere Potenzen. Mit Urot (T, N ) = N kT 2

∂ ln Zrot ∂T

(5.49)

90

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

1

0,5

0

0

0,5

T/Tr

1

1,5

Abbildung 5.2: Crot /(N k) als Funktion von T /Tr .

erhalten wir das Ergebnis der N¨ aherung im Limes hoher Temperaturen:   1 1 Tr2 + ··· , Urot (T, N ) = N k T − Tr − 6 180 T   1 Tr2 Crot (T, N ) = N k 1 + + ··· . 180 T 2

(5.50) (5.51)

Wir lesen ab, dass f¨ ur T  Tr der klassische Gleichverteilungssatz gilt. Interessanterweise n¨ ahert sich Crot /(N k) von oben dem Grenzwert eins – siehe Abb. 5.2. Im Limes T  Tr , erhalten wir Zrot  1 + 3 e−Tr /T + · · ·

(5.52)

Urot (T, N )  3N kTr e−Tr /T ,  2 Tr Crot (T, N )  3N k e−Tr /T . T

(5.53)

und damit

Also sind die Rotationen f¨ ur T  Tr eingefroren.

(5.54)

5.4 Das zweiatomige ideale Gas

91

Numerisch l¨ asst sich Crot /(N k) leicht berechen. Diese Funktion ist in Abb. 5.2 angegeben. Man sieht, dass sie u ¨ ber eins hinausschießt, bevor sie asymptotisch von oben gegen eins geht. Das Maximum der Funktion ist bei T  0.40 Tr , wo die Funktion etwa 1.098 ist, also um fast 10% u ¨ ber eins hinausschießt. Die Temperatur, wo die Rotationsfreiheitsgrade voll angeregt sind, ist daher eher Tr /2 als Tr . Das Verh¨altnis von Tv zu Tr : Der Grundzustand des harmonischen Oszillators ist gegeben durch die Wellenfunktion    2  1  x 1 ψ(x) = # √ exp − . (5.55) mit x0 = 2 x0 μω x0 π Die Gr¨ oße x0 ist die charakteristische L¨ ange, die die Breite der Wellenfunktion wiedergibt. Damit kann Tv ausgedr¨ uckt werden als Tv =

2 , kμx20

(5.56)

was zum Verh¨ altnis

 2 R0 Tv = (5.57) Tr x0 oßenordnung der Auslenkung der Schwingung ist, muss x0  R0 f¨ uhrt. Da x0 von der Gr¨ und daher Tv  Tr gelten. Schematisch l¨ asst sich der Verlauf der W¨ armekapazit¨at eines zweiatomigen idealen Gases bei Temperaturerh¨ ohung so angeben: 3 Tr 5 Tv 7 Tdiss −→ −→ −→ 3. (5.58) 2 2 2 ul dissoziiert. In der Realit¨at Dabei ist Tdiss die typische Temperatur, bei der das Molek¨ ist der Anstieg von 3/2 auf 5/2 nur bei Wasserstoff und seinen Isotopen zu sehen, da der Siedepunkt jedes anderen zweiatomigen Gases u ¨ber Tr liegt; denn Tr ist proportional zu 1/Θ, was sehr kleine Rotationstemperaturen f¨ ur gr¨oßere Massenzahlen bedingt. Das bedeutet, dass – abgesehen von Wasserstoff – nach dem Verdampfen des Gases sofort die Rotationsfreiheitsgrade angeregt sind. Wir f¨ uhren einige Gase mit ihren Temperaturen Tr und Tv an [12]: HCl mit Tv = 4227 K, Tr /2 = 15.0 K, NO mit 2719 bzw. 2.5, CO mit 3103 bzw. 2.8, Cl2 mit 808 bzw. 0.35 und N2 mit 3374 bzw. 2.9. Man sieht, dass Tv außerordentlich hoch ist, hingegen armekapazi¨ at eines zweiatomigen Gases bei normalen“ Tr sehr niedrig. Also ist die W¨ ” Temperaturen (Tr  T  Tv ) durch 5/2 gegeben. Die Behandlung der Rotationen, die wir hier durchgef¨ uhrt haben, ist, genau genommen, nur f¨ ur zweiatomige Gase mit verschiedenen Atomen anwendbar. Da der Siedepunkt eines jeden Stoffes außer Wasserstoff weit u ul aus zwei ver¨ber Tr liegt und das Molek¨ schiedenen Atomen bestehen soll, ist die Kurve in Abb. 5.2 nur f¨ ur ein einziges Molek¨ ul relevant, n¨ amlich HD, wobei D f¨ ur Deuterium steht. Der Fall mit identischen Atomen wird im n¨ achsten Unterkapitel anhand vom H2 -Molek¨ ul behandelt. Der volle Verlauf des Schemas in Gl. (5.58) gilt jedoch f¨ ur alle Molek¨ ule, die aus Wasserstoffisotopen zusammengesetzt sind. F¨ ur andere Gase f¨ angt das Schema erst bei 5/2 an.

92

5.5

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Ortho- und Parawasserstoff

Bei identischen Atomen muss in der Diskussion von Crot das Pauli-Prinzip ber¨ ucksichtigt werden, was interessante Effekte ergibt. Da aber, wie vorher erw¨ahnt, nur bei Wasserstoff und seinen Isotopen das Einfrieren der Rotationsfreiheitsgrade beobachtet werden kann, beschr¨ anken wir hier die Diskussion auf H2 . ul besteht aus zwei Protonen und zwei Elektronen. Im Grundzustand Das H2 -Molek¨ haben die Elektronen zusammen Spin 0 und Bahndrehimpuls Null. Da elektronische Anregungsenergien von der Gr¨ oßenordnung eV sind (1 eV =

11600 K), k¨onnen wir elektronische Anregungen als eingefroren betrachten. Die beiden Protonspins k¨ onnen allerdings Gesamtspin s = 0 oder s = 1 und damit folgende Spinzust¨ ande haben: 1 Para-H2 : √ (↑ ↓ − ↓ ↑) , 2 ⎧ ↑↑ ⎨ 1 √ (↑ ↓ + ↓ ↑) . Ortho-H2 : ⎩ 2 ↓↓

(5.59)

(5.60)

Da das Potential zwischen den beiden Protonen nur vom Abstand R abh¨angt, ist ihr relativer Bahndrehimpuls erhalten und die Protonwellenfunktion in den Relativkoordinaten ξ hat einen wohldefinierten Bahndrehimpuls . Damit ist der Winkelteil der Protonwellenfunktion gegeben durch die Kugelfl¨achenfunktionen Ym (θ, φ). Die Koordinaten R, θ und φ sind die zu ξ geh¨ origen Kugelkoordinaten. Wegen ξ → −ξ ⇒ θ → π − θ, φ → φ + π ⇒ Ym (θ, φ) → (−1) Ym (θ, φ),

(5.61)

bekommt die Gesamtwellenfunktion der Protonen unter Vertauschung der Orts- und Spinargumente das Vorzeichen (−1)s++1 . (5.62) Da Protonen Fermionen sind, kommen wir damit zu folgendem Schluss: Para-H2 : s = 0,  = 0, 2, 4, . . . , Ortho-H2 : s = 1,  = 1, 3, 5, . . . . Nun k¨ onnen wir Zrot hinschreiben als [11, 31] Zrot = Zpara + 3 Zortho mit

  Tr ( + 1) (2 + 1) exp − , 2T =0,2,...    Tr ( + 1) = (2 + 1) exp − , 2T

Zpara = Zortho



=1,3,...

(5.63)

(5.64) (5.65)

5.5 Ortho- und Parawasserstoff

93

wobei wir in Gl. (5.63) die drei Spineinstellungen f¨ ur ortho-H2 ber¨ ucksichtigt haben. Damit erhalten wir das Verh¨ altnis der Dichten von Ortho- zu Paramodifikation im Gleichgewicht als Zortho (T ) 3 (T  Tr ),  η(T ) = 3 (5.66) 9 e−Tr /T (T  Tr ). Zpara (T ) Die obere Relation folgt aus Gl. (5.46), die auch f¨ ur para- und ortho-H2 angewendet werden kann, wenn man die rechte Seite durch 2 dividiert: Zpara (T )  Zortho (T ) 

T . Tr

(5.67)

Die untere Relation folgt aus der Betrachtung der dominanten Terme in den beiden Zustandssummen. Definieren wir Upara = −N

∂ ln Zpara , ∂β

Uortho = −N

∂ ln Zortho , ∂β

(5.68)

erhalten wir mit Gl. (4.4) ∂ ln(Zpara + 3 Zortho ) ∂β 1 η(T ) = Upara (T, N ) + Uortho (T, N ). 1 + η(T ) 1 + η(T )

Urot (T, N ) = −N

(5.69)

Wir dr¨ ucken damit die W¨ armekapazit¨ at aus als Crot (T, N ) =

1 η(T ) Cpara (T, N ) + Cortho (T, N ) + (5.70) 1 + η(T ) 1 + η(T )     d d η(T ) 1 Upara (T, N ) + Uortho (T, N ) (5.71) dT 1 + η(T ) dT 1 + η(T )

mit

∂Upara ∂Uortho , Cortho = . (5.72) ∂T ∂T Die Aufteilung von Crot in Gl. (5.70) und Gl. (5.71) macht Sinn f¨ ur H2 , weil die Relaxationszeit τr , in der Para- und Orthomodifikation miteinander ins Gleichgewicht kommen, viel gr¨ oßer als die Zeit ist, in der die beiden Modifikationen f¨ ur sich ins thermische Gleichgewicht kommen. Tats¨ achlich ist bei Normaldruck, wenn keine besonderen Voroßenordnung von Jahren. Lagert man daher kehrungen getroffen werden, τr von der Gr¨ Wasserstoff sehr lang bei der Temperatur T0 und f¨ uhrt dann Temperatur¨anderungen agt die Zeile Gl. (5.71) nicht zu Crot bei. In in Zeitr¨ aumen viel kleiner als τr durch, tr¨ dieser Situation misst man daher die W¨ armekapazit¨at Cpara =

Crot (T, T0 , N ) =

1 η(T0 ) Cpara (T, N ) + Cortho (T, N ). 1 + η(T0 ) 1 + η(T0 )

(5.73)

94

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

3 25% para-H2 + 75% ortho-H2 2.5 H2 (Gleichgewicht) 2 para-H2

1.5

1

0.5

0

ortho-H2

0

0.5

1

T/Tr

1.5

2

Abbildung 5.3: Crot /(N k) als Funktion von T /Tr . Die Kurven bezeichnet mit para-H2 und ortho-H2 beziehen sich auf reinen Para- bzw. Orthowasserstoff. Bei der mit H2 (Gleichgewicht) bezeichneten Kurve wird angenommen, dass zwischen den Para- und Orthomodifikationen thermisches Gleichgewicht herrscht, w¨ ahrend bei der strichpunktierten Kurve angenommen wird, dass kein W¨ armeaustausch zwischen den Modifikationen stattfindet.

Ist insbesondere T0  Tr , misst man Crot (T, T0 , N )  Cpara (T, N ). Ist T0  Tr , hat man 25% Para- und 75% Orthowasserstoff. Daher ist bei hohen Temperatur wegen Gl. (5.67) Crot  Cpara  Cortho  N k. Die W¨armekapazit¨aten Cpara , Cortho und ur H2 ist Tr /2 = 85.3 K und 0.25 Cpara + 0.75 Cortho sind in Abb. 5.3 dargestellt. F¨ Tv = 6215 K. Die Rotationstemperatur liegt weit u ¨ ber dem Siedepunkt Ts = 20.35 K. Durch Katalysatoren (Aktivkohle) kann man die Relaxation ins Gleichgewicht zwischen Para- und Orthomodifkation beschleunigen. In dem Fall sieht man die in Abb. 5.3 mit Gleichgewicht“ bezeichnete Kurve, welche ein ausgepr¨agtes Maximum bei T  0.29 Tr ” hat. Siehe auch die Diskussion in [32]. ollig analog zu der f¨ ur H2 , da Tritium Spin Die Diskussion f¨ ur T2 (T = Tritium) ist v¨ 1/2 hat. Anders ist die Situation f¨ ur D2 , weil Deuterium ein Boson mit Spin 1 ist. Wie aus den Theoremen der Drehimpulsaddition hervorgeht, kann der Gesamtspin der Deuteriumkerne s = 0, 1 oder 2 sein, wobei die Spinwellenfunktion unter Vertauschung der Kerne gerade ist f¨ ur s = 0, 2 und ungerade f¨ ur s = 1. Daher hat man 6 Spinzust¨ande pro geradem Bahndrehimpuls und 3 Spinzust¨ande pro ungeradem Bahndrehimpuls.

5.6 W¨ armekapazit¨ at eines Systems mit zwei Energieniveaus

5.6

95

Wa¨rmekapazit¨at eines Systems mit zwei Energieniveaus

Bisher haben wir in diesem Kapitel Systeme mit unendlich vielen Energieniveaus betrachtet. Nun nehmen wir im Gegensatz dazu an, dass wir ein System mit nur zwei Niveaus 1 und 2 mit Δ = 2 − 1 > 0 haben, deren Entartungsgrad g1 bzw. g2 sei. Damit ist die kanonische Zustandssumme einfach Z2 = g1 e−β1 + g2 e−β2 .

(5.74)

Die dazugeh¨ orige W¨ armekapazit¨ at ist dann durch [31]  c2 (T ) = k

Δ kT

2

g1 g2 e−βΔ (g1 + g2 e−βΔ )2

(5.75)

gegeben. Es ist leicht zu sehen, dass lim c2 (T ) = lim c2 (T ) = 0

T →0

T →∞

(5.76)

gilt. Also ist c2 (T )  0 sowohl f¨ ur kT  Δ als auch f¨ ur kT  Δ, und nur in einem Bereich kT ∼ Δ von Null verschieden. Eine weitere Eigenschaft von Gl. (5.75) ist, dass die W¨ armekapazit¨ at f¨ ur g1 = g2 nicht von der Entartung abh¨angt, wie schon in Unterkapitel 4.1 besprochen. Man kann nachrechnen, dass Gl. (5.76) immer gilt, wenn man nur eine endliche Zahl von Energieniveaus in der Zustandssumme hat. Tats¨ achlich treten Systeme mit zwei Energieniveaus in der Natur auf, z.B. bei Stickstoffmonoxid. Beim NO-Molek¨ ul ist die Projektion des Bahndrehimpulses auf die Verbindungslinie der beiden Atome im Grundzustand gleich 1 . Weil das NO-Molek¨ ul ein Radikal ist, also ein ungepaartes Elektron hat, ist die Projektion des Gesamtdrehimpulses auf die Verbindungslinie entweder /2 oder 3/2 (2 Π1/2 bzw. 2 Π3/2 -Zust¨ande). Der Energieunterschied Δ zwischen den beiden elektronischen Zust¨anden ist 0.015 eV, entspricht der Feinstruktur und ist weit kleiner als die Energien u ¨ blicher elektronischer Anregungen, die wir bei der Diskussion zweiatomiger Molek¨ ule vernachl¨assigen. Da die Gesamtdrehimpulse zwei m¨ ogliche Richtungen auf der Verbindungslinie haben, ur eine Diskussion des NO-Molek¨ uls verweisen wir z.B. auf [33]. Da ist g1 = g2 = 2. F¨ das NO-Molek¨ ul nat¨ urlich auch die Translations- und Rotationsfreiheitsgrade besitzt, ist die kanonische Zustandssumme durch Z=

1 (Z2 Ztr Zrot )N N!

(5.77)

gegeben, und die W¨ armekapazit¨ at bei Temperaturen, wo die Schwingungen noch nicht angeregt sind, ist daher CV c2 5 = + . (5.78) Nk k 2 Z.B. bei T = 300 K ist CV /(N k) um 0.077 gr¨ oßer als 5/2. Das Maximum von c2 /k liegt bei etwa 73 K und ist relativ weit unterhalb von Te = Δ/k, ja sogar unterhalb des Siedepunkts von Stickstoffmonoxid.

96

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

0.5

0.4

0.3

0.2

0.1

0

0

100

Ts

Te

200

T

300

400

500

Abbildung 5.4: Die W¨ armekapazit¨ at c2 /k als Funktion von T . F¨ ur Te = Δ/k wurde der f¨ ur Stickstoffmonoxid relevante Wert Te = 174 K eingesetzt. Unterhalb des NO-Siedepunkts ur das NO-Gas keinen Sinn, ist jedoch relevant f¨ ur die allgemeine Ts = 121 K macht die Kurve f¨ Form von c2 .

Der in Abb. 5.4 dargestellte Zwei-Level-Effekt f¨ ur die W¨armekapazit¨at ist auch bei den Rotationen des Wasserstoffmolek¨ uls bemerkbar, denn die Spitze der c2 -Kurve ist umso schm¨ aler, je gr¨ oßer das Verh¨ altnis der Entartungsgrade ist [31]; auf dem Hintergrund von unendlich vielen Energieniveaus kann dadurch ein lokales Maximum erzeugt werden. Solche lokalen Maxima treten in Cpara bei para-H2 und in Crot beim Gleichgewicht zwischen Para- und Orthowasserstoff auf, wie in Abb. 5.3 ersichtlich ist. Bei Parawasserstoff ist das Verh¨ altnis der Entartungsgrade zwischen  = 0 und  = 2 gleich 5, was f¨ ur ein lokales Maximum ausreicht; bei Orthowasserstoff hingegen beginnt man mit  = 1 und  = 3 und einem Verh¨ altnis von 7/3, was kein Maximum produziert. Wesentlich ausgepr¨ agter ist das Maximum im Fall von Ortho- und Parawasserstoff im Gleichgewicht, wo der Entartungsgrad von 1 bei  = 0 auf 9 bei  = 1 (drei Spineinstellungen mal drei Bahndrehimpulseinstellungen) hinaufgeht und bei  = 2 wieder auf 3 zur¨ uckf¨ allt.

5.7 Verd¨ unnte L¨ osungen

97

5.7

Verdu¨nnte L¨osungen

5.7.1

Die freie Enthalpie von verdu ¨nnten L¨osungen

In einem L¨ osungsmittel bestehend aus N Molek¨ ulen einer Sorte seien Nc Molek¨ ule eines anderen Stoffes gel¨ ost. Wir betrachten eine L¨osung als verd¨ unnt, wenn wir die Konzentration c des gel¨ osten Stoffes durch c = Nc /(N + Nc )  Nc /N ann¨ahern und die gegenseitige Wechselwirkung der Molek¨ ule des gel¨osten Stoffes vernachl¨assigen k¨onnen. In diesem Sinn ist eine verd¨ unnte L¨ osung ein System von Teilchen ohne Wechselwirkung. Die Wechselwirkung des gel¨ osten Stoffes mit dem L¨osungsmittel d¨ urfen wir nat¨ urlich nicht vernachl¨ assigen; wir werden sie ber¨ ucksichtigen, ohne sie n¨aher festzulegen. Auf diese Weise werden wir gewisse universelle Eigenschaften von verd¨ unnten L¨osungen beschreiben k¨ onnen. Vorderhand nehmen wir auch an, dass der gel¨ oste Stoff nicht dissoziiert ist. Ein gutes Beispiel w¨ are eine Zuckerl¨ osung in Wasser. Das Ziel dieses Abschnitts ist es, die Abh¨ angigkeit der freien Enthalpie G(T, p, N, Nc ) von N und Nc zu bestimmen und daraus Aussagen u ¨ber die chemischen Potentiale des L¨osungsmittels und des gel¨osten Stoffes zu bekommen. Wegen der Annahme der Verd¨ unntheit ist es naheliegend, die freie Enthalpie nach Nc zu entwickeln. Allerdings, wenn wir uns vorstellen, dass wir G aus F gewinnen, sehen wir aus Gl. (4.14), dass wegen der Ununterscheidbarkeit der Nc Molek¨ ule des gel¨ osten Stoffes der bei Nc = 0 nichtanalytische Term kT ln Nc !  Nc kT (ln Nc − 1) in G vorkommen muss [34]. Das legt den Ansatz G(T, p, N, Nc ) = G(T, p, N, 0) + Nc f (T, p, N ) + Nc kT (ln Nc − 1)

(5.79)

nahe, wobei (0)

G(T, p, N, 0) = N μl (T, p)

(5.80)

die freie Enthalpie des reinen L¨ osungsmittels ist. Die Funktion f ist unbekannt, aber ¨ immerhin l¨ asst sich mit folgender Uberlegung ihre Abh¨angigkeit von N bestimmen. Die extensiven Variablen in G sind N und Nc . Daher gilt nach Gl. (2.7)   ∂ ∂ + Nc (5.81) G(T, p, N, Nc ) = G(T, p, N, Nc ). N ∂N ∂Nc Einsetzen von Gl. (5.79) und Gl. (5.80) in diese partielle Differentialgleichung liefert N

∂f = −kT ∂N



f (T, p, N ) = −kT ln N + ϕ(T, p)

(5.82)

¨ mit einer Funktion ϕ(T, p), die aus unseren allgemeinen Uberlegungen nicht hervorgeht; zu deren Bestimmung m¨ usste man Kenntnis der Wechselwirkung zwischen L¨osungsmittel und gel¨ ostem Stoff haben. Somit erhalten wir als Resultat, dass G f¨ ur eine verd¨ unnte L¨ osung die Gestalt   Nc (0) −1 (5.83) G(T, p, N, Nc ) = N μl (T, p) + Nc ϕ(T, p) + kT ln N

98

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

hat. Daraus folgen durch Ableiten nach N und Nc die chemischen Potentiale [22, 34] (0)

μl (T, p, c) = μl (T, p) − ckT, μc (T, p, c) = ϕ(T, p) + kT ln c

(5.84) (5.85)

f¨ ur L¨ osungsmittel und gel¨ ostem Stoff im Fall einer verd¨ unnten L¨osung. Insbesondere haben wir erhalten, dass die Abh¨ angigkeit der chemischen Potentiale von der Konzentration c universell, also unabh¨ angig von L¨ osungsmittel und gel¨ostem Stoff ist. ¨ Wir erweitern unsere Uberlegungen auf dissoziierte gel¨oste Stoffe. Wir behandeln nur die vollst¨ andige Dissoziation. Ein Beispiel w¨ are Wasser als L¨osungsmittel, in dem Kochsalz gem¨ aß NaCl → Na+ +Cl− dissoziiert. Etwas komplizierter ist der Fall von Natriumsulfat in Wasser mit Na2 SO4 → 2Na+ +(SO4 )2− . Um alle denkbaren F¨alle zu ber¨ ucksichtigen, nehmen wir eine Dissoziation der Molek¨ ule des gel¨osten Stoffes in ν Ionen an, von denen ν1 von einer Sorte, ν2 von einer anderen Sorte, etc. sind, also ν = ν1 + ν2 + · · · gilt. Im obigen Beispiel von Kochsalz w¨ are ν1 = ν2 = 1, f¨ ur Natriumsulfat h¨atten wir ν1 = 2, ν2 = 1. Nun haben wir ν1 Nc , ν2 Nc , etc. gleiche Ionen und anstelle von Gl. (5.79) schreiben wir  (0) G(T, p, N, Nc ) = N μl (T, p) + Nc f (T, p, N ) + (νj Nc ) kT [ln(νj Nc ) − 1] (5.86) j

= wobei wir ν=



(0) N μl (T, p)

νj

und

+ Nc f¯(T, p, N ) + νNc kT (ln Nc − 1),

f¯(T, p, N ) = f (T, p, N ) + kT

j



νj ln νj

(5.87)

(5.88)

j

definiert haben. Dabei ist ν die Gesamtzahl der Ionen, in die das gel¨oste Molek¨ ul dissoziiert. Gilt νj = 1 ∀ j, dann ist f¯ = f ; das ist z.B. f¨ ur Kochsalz der Fall. Wie f¨ ur f finden wir nun f¯(T, p, N ) = −νkT ln N + ϕ(T, p) (5.89) und   Nc (0) −1 . G(T, p, N, Nc ) = N μl (T, p) + Nc ϕ(T, p) + νkT ln N

(5.90)

Setzt man ν = 1 (keine Dissoziation), erh¨ alt man wieder Gl. (5.83). Die chemischen Potentiale, verallgemeinert auf die M¨ oglichkeit der Dissoziation in ν Bestandteile, sind daher gegeben durch (0)

μl (T, p, c) = μl (T, p) − νckT, μc (T, p, c) = ϕ(T, p) + νkT ln c, wobei die Konzentration weiterhin als c = Nc /N definiert ist.

(5.91) (5.92)

5.7 Verd¨ unnte L¨ osungen

99

c>0 p + Δp

c=0 p

Abbildung 5.5: Das System besteht aus zwei Teilsystemen und erlaubt Austausch der Molek¨ ule des L¨ osungsmittels durch die semipermeable Membran. Nur im rechten Teilsystem befindet sich gel¨ oster Stoff mit Konzentration c. Die Membran soll außerdem W¨ armeaustausch erlauben.

5.7.2

Der osmotische Druck

Wir betrachten ein System, das aus zwei Teilsystemen mit den Volumina V0 und V beullt, steht – siehe Abb. 5.5. Das Gesamtvolumen V0 + V sei mit einem L¨osungsmittel gef¨ außerdem seien im rechten Teilsystem (Volumen V ) Nc Molek¨ ule eines Stoffes gel¨ost. Wir machen die Annahme, dass die beiden Teilsysteme durch eine ideale semipermeable Membran getrennt sind, welche nur die Molek¨ ule des L¨osungsmittels durchl¨asst. Weiters sei W¨ armeaustausch m¨ oglich und daher die Temperaturen der Teilsysteme gleich. Da die Membran unbeweglich sein soll, ist kein Volumsaustausch m¨oglich, und die Dr¨ ucke in den Teilsystemen k¨ onnen verschieden sein. Weil die Membran f¨ ur die Molek¨ ule des L¨ osungsmittel durchl¨ assig ist, m¨ ussen aber die chemischen Potentiale des L¨ osungsmittels in den Teilsystemen gleich sein: (0)

μl (T, p) = μl (T, p + Δp, c).

(5.93)

Die Druckdifferenz Δp wird osmotischer Druck genannt. Unser Ziel ist die Berechnung von Δp. Wir ben¨ utzen Gl. (5.91) f¨ ur die rechte Seite (0) von Gl. (5.93) und entwickeln μl (T, p + Δp) bis zum Term linear in Δp; letzteres ist gerechtfertigt, da wir verd¨ unnte L¨ osungen behandeln. Diese Schritte f¨ uhren zu (0)

(0)

μl (T, p + Δp, c) = μl (T, p) +

∂μl Δp − νckT. ∂p

(5.94)

(0)

Die Ableitung von μl nach p liefert das Volumen vl , das von einem Molek¨ ul des L¨ osungsmittels eingenommen wird. Somit ergibt sich Δp = νckT /vl . Mit Δp ≡ posm und vl = V /N erhalten wir das van t‘ Hoffsche Gesetz νNc kT . (5.95) V Der osmotische Druck einer verd¨ unnten L¨ osung hat dieselbe Form wie der Druck eines idealen Gases; die Anzahl der Gasmolek¨ ule ist ersetzt durch die Anzahl νNc der Ionen in der L¨ osung. posm =

100

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Berechnen wir als Beispiel den osmotischen Druck von Meerwasser. Die Salzhaltigkeit wird durch die Salinit¨ at σS angegeben; ist mS die Masse der gel¨osten Salze und mW die Masses des Wassers, in dem die Salze aufgel¨ost sind, dann ist die Salinit¨at durch σS = mS /(mW + mS ) definiert [25]. Wenn im Wasser nur eine Sorte von Salz aufgel¨ost ist, kann man sich leicht u ¨ berlegen, dass man die Teilchendichte des Salzes in der L¨osung durch σS ρm ρc = (5.96) MS osung und MS die Masse des Salzmolek¨ uls erh¨ alt, wobei ρm die Massendichte der L¨ ist. Die Salinit¨ at der verschiedenen Meere ist betr¨achtlich verschieden. Die sogenannte Standardsalinit¨ at ist durch σS = 34.449 g/kg festgelegt. Um posm zu berechnen, legen wir im Weiteren die Standardsalinit¨ at zugrunde und nehmen an, dass wir es mit einer reinen Kochsalzl¨ osung zu tun haben. Die Masse von Na Cl ist MS = 97.04 × 10−27 kg. In guter N¨ aherung nehmen wir an, dass ρm = 1 kg/Liter gilt. Dann gibt Gl. (5.96) die Teilchendichte von Kochsalz als ρc  35.5 × 1022 pro Liter. Mit Gl. (5.95) und ν = 2 erh¨ alt man f¨ ur eine Temperatur von 15 ◦ C den erstaunlich hohen Wert posm  28 bar. Dieser Wert ist mit 25 bar zu vergleichen, der in [25] mit Hilfe einer empirischen Formel ¨ berechnet wurde; die Ubereinstimmung ist in Anbetracht der verwendeten N¨aherungen nicht schlecht. Allerdings sind so hohe Werte f¨ ur posm nur bei idealen semipermeablen Membranen zu erreichen. Sind Salze im Wasser gel¨ost, erh¨oht sich seine Dichte, da Wasserstoffbr¨ uckenbindungen durch die Salzionen aufgebrochen werden. Ber¨ ucksichtigt man das im vorliegenden Fall, w¨ are ρc und damit posm um etwa 2% gr¨oßer [35], der Effekt ist also klein. F¨ ur die Standardsalinit¨ at ist die Konzentration c  0.011, und die Annahme der verd¨ unnten L¨ osung ist gerechtfertigt.

5.7.3

Die Siedepunktserh¨ohung

¨ Der gel¨ oste Stoff beeinflusst den Ubergang zwischen der fl¨ ussigen Phase und der Dampfphase des L¨ osungsmittels. Betrachten wir das System der L¨osung im Gleichgewicht mit dem Dampf des L¨ osungsmittels. Wir nehmen an, dass der gel¨oste Stoff nichtfl¨ uchtig ist, also nur in der fl¨ ussigen Phase des L¨osungsmittels enthalten ist. Daher haben wir den Fall von Teilchenaustausch des L¨osungsmittels u ¨ ber die Oberfl¨ache der Fl¨ ussigkeit. Da bei einem Phasen¨ ubergang fl¨ ussig – gasf¨ormig im Schwerefeld sich die H¨ ohe des Fl¨ ussigkeitsstandes an die Gleichgewichtsbedingung anpasst, ist Volumsaustausch m¨ oglich und daher der Druck in der fl¨ ussigen Phase gleich dem in der Gasphase. Geben wir also p und c vor, lautet die Gleichgewichtsbedingung μl (T, p, c) = μd (T, p), wobei μd das chemische Potential des L¨ osungsmittels in der Gasphase ist. Der Druck p osungsmittels. ist identisch mit dem Dampfdruck pd des L¨ Obige Bedingung bestimmt den Siedepunkt der L¨osung, da T der einzige freie Parameter ist, wenn wir p festhalten. Wenn Ts der Siedepunkt des L¨osungsmittels bei c = 0 ist, wird sich der Siedepunkt bei c = 0 um ΔTs ver¨andern. Somit erhalten wir die Gleichung μl (Ts + ΔTs , p, c) = μd (Ts + ΔTs , p)

(5.97)

zur Bestimmung von ΔTs . Wiederum ben¨ utzen wir, dass die L¨osung verd¨ unnt ist, und (0) entwickeln Gl. (5.97) bis zur ersten Ordnung in ΔTs . Wegen μl (Ts , p) = μd (Ts , p), was

5.7 Verd¨ unnte L¨ osungen

101

ja den Siedepunkt f¨ ur c = 0 festlegt, erhalten wir mit Gl. (5.91)   (0) ∂μl  ∂μd  ΔT − νckT = ΔTs ⇒ −sl ΔTs − νckTs = −sd ΔTs .  s s ∂T  ∂T Ts

(5.98)

Ts

ussigkeit bzw. im In dieser Gleichung sind sl und sd die Entropien pro Teilchen in der Fl¨ Dampf bei der Temperatur Ts . Mit der Verdampfungsw¨arme pro L¨osungsmittelmolek¨ ul osungsmittel erhalten wir schließlich qv = Ts (sd (Ts , pd ) − sl (Ts , pd )) im reinen L¨ ΔTs =

νckTs2 . qv

(5.99)

¨ Die Anderung des Siedepunkts ist positiv, daher f¨ uhrt der gel¨oste Stoff zu einer Erh¨ohung des Siedepunkts. Nun betrachten wir die Situation, dass die L¨ osung mit einem Gasgemisch im Gleichgewicht ist. Dann ist der Druck p nicht mit dem Dampfdruck pd identisch, sondern p > pd . Anstelle von Gl. (5.97) ist die Gleichgewichtsbedingung μl (Ts + ΔTs , p, c) = μd (Ts + ΔTs , pd )

(5.100)

und die latente W¨ arme q˜ = Ts (sd (Ts , pd ) − sl (Ts , p)) = qv + Ts (sl (Ts , pd ) − sl (Ts , p)) ,

(5.101)

wobei qv vor Gl. (5.99) definiert ist. Analog zu Gl. (5.98) und mit Δp = p − pd erhalten wir (5.102) −sl ΔTs − νckTs + vl Δp  −sd ΔTs , osungsmittelmolek¨ ul ist, und die Entropien sl and sd sind wobei vl das Volumen pro L¨ wie in Gl. (5.98) bei Ts und pd zu nehmen. Der dritte Term auf der linken Seite von Gl. (5.102) ist vernachl¨ assigbar, da, wie wir in Unterkapitel 3.8 argumentiert haben, dieser f¨ ur Fl¨ ussigkeiten sehr klein ist. Somit gilt auch in dem hier betrachteten Fall wiederum Gl. (5.99) f¨ ur die Siedpunktserh¨ ohung. Auch die latente W¨arme bleibt praktisch unver¨ andert, denn q˜  qv +Ts αl vl Δp  qv , wobei αl der isobare Ausdehnungskoeffizient des L¨ osungsmittels ist. In Analogie kann man argumentieren, dass bei einer verd¨ unnten L¨osung eine Gefrierpunktserniedrigung vorliegt. Wir legen die Annahme zugrunde, dass der gel¨oste Stoff beim Gefrieren im fl¨ ussigen Anteil des L¨ osungsmittels bleibt. Wenn Tg den Gefrierpunkt bezeichnet, ist die Gleichgewichtsbedingung μl (Tg + ΔTg , p, c) = μk (Tg + ΔTg , p).

(5.103)

Der Index k bezeichnet den Festk¨ orper. Wie oben erh¨alt man sofort ΔTg = −

νckTg2 qs

mit

qs = Tg (sl (Tg , p) − sk (Tg , p)).

(5.104)

Da die Schmelzw¨ arme qs positiv ist, tritt nun eine Gefrierpunktserniedrigung ein.

102

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Betrachten wir als Beispiel NaCl gel¨ ost in Wasser. Bei gegebener Salinit¨at ist das exakte Verh¨ altnis der Anzahl der gel¨ osten Salzmolek¨ ule zur Anzahl der Wassermolek¨ ule Nc σS Ar (H2 O) = , N 1 − σS Ar (NaCl)

(5.105)

wobei Ar (X) die relative Molek¨ ulmasse von X symbolisiert. F¨ ur 1 g Kochsalz pro Kilogramm L¨ osung erh¨ alt man mit dieser Formel die Konzentration c  Nc /N  3.08×10−4, wobei f¨ ur unsere Genauigkeit der Term linear in σS gen¨ ugt. Kochsalz zerf¨allt in L¨osung in zwei Ionen, also ist ν = 2. Die Formeln Gl. (5.99)) und Gl. (5.104) liefern ΔTs  0.018 K und ΔTg  −0.064 K. Nach dieser Rechnung sollte Meerwasser mit Standardsalinit¨ at erst bei etwa −2 ◦ C gefrieren.

5.7.4

Die Dampfdruckerniedrigung

¨ Nun geben wir die Temperatur vor und wollen die Anderung der Dampfdruckkurve ussigkeit aufgrund der Konzentration c eines gel¨osten Stoffes berechnen. p¯d (T ) einer Fl¨ Unter diesen Voraussetzungen lautet die Gleichgewichtsbedingung μl (T, p¯d + Δ¯ pd , c) = μd (T, p¯d + Δ¯ pd ),

(5.106)

aus der wir Δ¯ pd bestimmen k¨ onnen. Um die Notation nicht zu schwerf¨allig zu machen, haben wir bei p¯d die T -Abh¨ angigkeit weggelassen. Einsetzen von Gl. (5.91) in Gl. (5.106) und Entwicklung bis zur ersten Ordnung in den kleinen Gr¨oßen liefert vl Δ¯ pd − νckT = vd Δ¯ pd ,

(5.107)

wobei vl und vd die molekularen Fl¨ ussigkeits- und Dampfvolumina des L¨osungsmittels beim Phasen¨ ubergang sind. Mit vl  vd erhalten wir Δ¯ pd =

νckT νckT −  −νc¯ pd , vl − vd vd

(5.108)

wobei im letzten Schritt die ideale Gasgleichung p¯d vd = kT als N¨aherung f¨ ur den Dampf verwendet wurde. Somit erhalten wir das Raoultsche Gesetz : Δ¯ pd  −νc. p¯d

(5.109)

Es besagt, dass u osung der Dampfdruck erniedrigt ist; unabh¨angig von der ¨ber einer L¨ Temperatur ist die relative Dampfdruckerniedrigung f¨ ur verd¨ unnte L¨osungen einfach durch die Konzentration νc der gel¨ osten Ionen gegeben.

5.7.5

Das Henrysche Gesetz

Hier betrachten wir die Situation, dass sich u ¨ ber dem L¨osungsmittel ein Gemisch von r idealen Gasen befindet. Der Gesamtdruck p der Gase ist daher gleich der Summe aus den Partialdr¨ ucken pj der Gase plus dem Dampfdruck des L¨osungsmittels. Wir haben es also hier mit L¨ osungen von Gasen und nicht Salzen zu tun. Es soll die Frage er¨ortert werden,

5.7 Verd¨ unnte L¨ osungen

103

wie hoch die Konzentration der Gase in der L¨ osung ist. Zum Unterschied zu den vorigen Abschnitten diskutieren wir nicht den Austausch der L¨osungsmittelteilchen zwischen fl¨ ussigem und gasf¨ ormigem Aggregatzustand, sondern den Austausch von Gasmolek¨ ulen zwischen Gasphase und L¨ osung. Da wir jetzt r gel¨ oste Stoffe haben, m¨ ussen wir die in Abschnitt 5.7.1 durchgef¨ uhrte Diskussion der freien Enthalpie auf den Fall von mehreren gel¨osten Stoffen erweitern. Das L¨ osungsmittel enthalte wieder N Molek¨ ule, w¨ahrend vom Gas der Sorte j (j = 1, . . . , r) die Anzahl der Molek¨ ule in der L¨ osung Nj sei mit Nj  N . Somit machen wir analog zu Gl. (5.79) den Ansatz G(T, p, N, N1 , . . . , Nr ) = G0 (T, p, N ) +

r 

Nj fj (T, p, N ) + kT

j=1

r 

Nj (ln Nj − 1),

j=1

(0) N μl (T, p)

(5.110) die freie Enthalpie des reinen

wobei G0 (T, p, N ) ≡ G(T, p, N, 0, . . . , 0) = L¨ osungsmittels ist. Ben¨ utzen wir wiederum, dass ⎞ ⎛  ∂ ⎠ ⎝N ∂ + G(T, p, N, N1 , . . . , Nr ) = G(T, p, N, N1 , . . . , Nr ) Nj ∂N ∂N j j

(5.111)

erf¨ ullt sein muss, werden wir entsprechend Gl. (5.82) auf N

∂fj = −kT ∂N



fj (T, p, N ) = −kT ln N + ϕj (T, p)

(5.112)

gef¨ uhrt und erhalten somit (0)

G(T, p, N, N1 , . . . , Nr ) = N μl (T, p) +

r  j=1

Nj

  Nj −1 . (5.113) ϕj (T, p) + kT ln N

Daraus folgen die chemischen Potentiale [22, 34] (0)

μl = μl (T, p) −

r 

cj kT,

(5.114)

j=1

μcj = ϕj (T, p) + kT ln cj

(5.115)

f¨ ur das L¨ osungsmittel und die gel¨ osten Stoffe, wobei wir die Konzentrationen cj = Nj /N in der N¨ aherung Nj  N definiert haben. Diese Formeln stellen die Verallgemeinerung von Gl. (5.84) und Gl. (5.85) dar. Eine triviale Bemerkung dazu: W¨ahrend die Gr¨oßen cj die Konzentrationen der Gase der Sorte j im L¨osungsmittel bezeichnen, sind ihre Konzentrationen in der Gasphase durch pj /p mit den Partialdr¨ ucken pj gegeben. Nun ist es ein Leichtes, die am Beginn dieses Abschnittes gestellte Aufgabe zu l¨osen. Die Gleichgewichtsbedingung f¨ ur das j-te Gas lautet μcj = μgj , wobei μgj das chemische Potential (3.57) eines idealen Gases ist, in dem p durch den Partialdruck pj ersetzt wird. Einsetzen der chemischen Potentiale in die Gleichgewichtsbedingung ergibt pj ϕj (T, p) + kT ln cj = χj (T ) + kT ln (5.116) p0

104

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

und daher cj =

pj exp {β (χj (T ) − ϕj (T, p))} . p0

(5.117)

Das wesentliche Resultat ist, dass die Konzentration des j-ten Gases in der L¨osung zu seinem Partialdruck proportional ist. Der Proportionalit¨atsfaktor h¨angt von der Gassorte und der Temperatur ab und enth¨ alt auch den Gesamtdruck p. Die Abh¨angigkeit vom urlich keine Bedeutung; er erscheint in Gl. (3.57) Referenzdruck p0 hat physikalisch nat¨ ja nur, um allen vorkommenden Gr¨ oßen eine geeignete physikalische Dimension zuzuschreiben. Die Abh¨ angigkeit von p auf der rechten Seite von Gl. (5.117) kann jedoch f¨ ur nicht zu große Dr¨ ucke vernachl¨ assigt werden. Das kann mit Hilfe der aus der freien Enthalpie der L¨ osung folgenden Maxwell-Relation  ∂V  ∂ϕj (T, p) ∂ ∂G = (5.118) = ∂p ∂p ∂Nj ∂Nj T, p, N, Nk =Nj geschlossen werden; bei der Ableitung von V nach Nj sind Nk mit k = j festgehalten. Die rechte Seite dieser Gleichung ist n¨ amlich von der Gr¨oßenordnung vj , das ist das Volumen, das ein Gasmolek¨ ul der Sorte j in der L¨osung einnimmt. Daher ist der oßenordnungsm¨aßig durch pvj gegeben. Wie in Unterdruckabh¨ angige Teil in ϕj (T, p) gr¨ kapitel 3.8 besprochen, ist so ein Term auf alle F¨alle gegen¨ uber χj (T ) vernachl¨assigbar. Damit erhalten wir das Gesetz von Henry: cj ∝ p j .

(5.119)

In Worten besagt es, dass die Konzentration der Gasmolek¨ ule der Sorte j in der L¨osung proportional zum Partialdruck dieses Gases u ussigkeitsoberfl¨ache ist und die¨ ber der Fl¨ ser Proportionalit¨ atsfaktor nur von der Temperatur und der Gassorte j abh¨angt.

5.8

Ionisierung einatomiger idealer Gase

Die Ionisierung von Gasatomen kann man bei vorgegebener Temperatur und vorgegebenem Druck als Reaktionsgleichgewicht A  A+ + e−

(5.120)

μA = μA+ + μe−

(5.121)

auffassen, welches u ¨ ber zu einem Massenwirkungsgesetz f¨ uhrt. Um dieses herzuleiten, legen wir folgende vereinfachende Annahmen zugrunde: 1. Wenn das Gas kein Edelgas ist, kann es bei nicht zu hohen Temperaturen z.B. aus A2 -Molek¨ ulen bestehen. Wir nehmen jedoch an, dass T so hoch ist, dass praktisch alle Molek¨ ule dissoziiert sind. 2. F¨ ur Atome mit mehreren Elektronen soll T nicht zu hoch sein, so dass wir Mehrfachionisation vernachl¨ assigen k¨ onnen. F¨ ur die Behandlung von Mehrfachionisation siehe z.B. [34].

5.8 Ionisierung einatomiger idealer Gase

105

3. Angeregte Zust¨ ande in A und A+ sollen f¨ ur unsere Betrachtungen ebenfalls vernachl¨ assigbar sein. Nun k¨ onnen wir das angek¨ undigte Massenwirkungsgesetz schnell herleiten [31, 34]. Gem¨ aß Gl. (4.59) hat man f¨ ur einatomige ideale Gase, welche nur translatorische Freiheitsgrade besitzen, die kanonische Zustandssumme Z1a = ga

V −βεa e λ3a

(5.122)

mit dem Index a = A, A+ , e− f¨ ur das neutrale Atom, das ionisierte Atom und das Elektron. Dabei bezeichnet εa (a = A, A+ ) die Grundzustandsenergie der Elektronenh¨ ulle. Das Elektron ist frei und hat daher εe− = 0. Die Gr¨oßen ga bezeichnen den Entartungsgrad der Grundzust¨ ande von A und A+ , der aus dem Drehimpuls des elektronischen Grundzustands und dem Kernspin resultiert. F¨ ur das (freie) Elektron gilt immer ge− = 2, weil das Elektron Spin 1/2 und daher zwei Spineinstellungen hat. Z.B. beim Wasserstoffatom hat sowohl der Kern als auch das Elektron im Grundzustand Spin 1/2, also ist gA = 2 × 2 = 4 und gA+ = 2. Mit Gl. (4.15) erh¨alt man aus Z1a durch Einsetzen der Formel Gl. (1.66) f¨ ur die de Broglie-Wellenl¨ange λ das chemische Potential    3/2 2πma (kT )5/2 + εa . μa (T, p) = −kT ln ga (5.123) h2 ca p Wir haben hier außerdem die thermische Zustandsgleichung des idealen Gases und das Gesetz von Dalton ben¨ utzt in der Form V /Na = kT /(ca p), was uns die Abh¨angigkeit von der Konzentration ca in μa (T, p) liefert. Mit ge− = 2 und mA  mA+ f¨ uhrt uns Gl. (5.121) zum Massenwirkungsgesetz  3/2 cA+ ce− (kT )5/2 −B/(kT ) 2gA+ 2πme e = . (5.124) cA gA h2 p Dabei ist B = εA+ − εA die Bindungsenergie des Elektrons. Nun definieren wir die Zahl N0 ≡ NA +NA+ , welche bei der Ionisierung gleich bleibt, und ucksichtigung von NA+ = Ne− k¨onnen den Ionisierungsgrad α = NA+ /N0 . Unter Ber¨ wir die Konzentrationen in cA =

1−α , 1+α

cA+ = ce− =

α 1+α

umschreiben. Damit erhalten wir aus Gl. (5.124) die Saha-Gleichung  3/2 α2 2gA+ 2πme (kT )5/2 −B/(kT ) e = 1 − α2 gA h2 p

(5.125)

(5.126)

f¨ ur das Ionisierungsgleichgewicht. Schreibt man die rechte Seite dieser Gleichung als K(T )/p, ergibt sich der Ionisierungsgrad zu 1 α= # . 1 + p/K(T )

(5.127)

106

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Eine n¨ utzliche Version von Gl. (5.126) erh¨ alt man, wenn der Druck durch p=

(NA + 2NA+ ) kT (NA + NA+ + Ne− ) kT = V V

(5.128)

ersetzt wird. Dann kann man n¨ amlich α2 = 2 ϕ(T, V ) 1−α

g + V mit ϕ(T, V ) = A gA N0



2πme kT h2

3/2

herleiten. In dieser Version ist der Ionisierungsgrad durch # α(T, V ) = −ϕ(T, V ) + ϕ2 (T, V ) + 2ϕ(T, V )

e−B/(kT )

(5.129)

(5.130)

gegeben und h¨ angt statt vom Druck von der Gesamtdichte N0 /V der schweren Teilchen ab. Weiters l¨ asst sich noch die Funktion ϕ(T, V ) auf die Gestalt  ϕ(T, V ) =

T T0

3/2

e−B/(kT )

(5.131)

bringen, wenn wir die Temperatur T0 definiert durch  kT0 =

gA g A+

2/3 

N0 V

2/3

h2 2πme

(5.132)

einf¨ uhren. Mit Gl. (5.130) k¨ onnen wir eine kritische Temperatur [31] durch ϕ(Tkr , V ) = 1 definie√ ren, bei welcher daher α(Tkr , V ) = 3 − 1  0.73 gilt. Damit lassen sich die Grenzf¨alle T  Tkr : α(T, V )  1 − 1/(2ϕ(T, V )), # T  Tkr : α(T, V )  2 ϕ(T, V )

(5.133)

¨ unterscheiden; Tkr ist die typische Temperatur, wo der Ubergang zur Ionisierung stattfindet. Ist die Dichte N0 /V so gering, so dass kT0 viele Gr¨oßenordnungen kleiner als die Binachtlich unterhalb von B liegen; d.h., das Gas dungsenergie B ist, dann kann kTkr betr¨ ist schon ionisiert, auch wenn T noch betr¨ achtlich kleiner als B/k ist. Um das zu sehen, wollen wir unter diesen Voraussetzungen die Gleichung Tkr 3 B = ln kTkr 2 T0

(5.134)

f¨ ur Tkr l¨ osen. Mit ln (Tkr /T0 ) = ln {B/(kT0 )} − ln {B/(kTkr )} und unter Vernachl¨assigung von ln{B/(kTkr )} liefert Gl. (5.134) die Absch¨atzung kTkr 

3 2

B . B ln kT 0

(5.135)

5.9 Festk¨ orper: W¨ armekapazit¨ at des Gitters

107

1.0

0.8



0.6

0.4

0.2

0 3000

3500

4000

T (K)

4500

5000

Abbildung 5.6: Der Ionisierungsgrad α als Funktion von T . Als Dichte wurde N0 /V = 104 cm−3 angenommen.

Als Illustration betrachten wir ein H II-Gebiet um heiße Sterne, welches aus Wasserstoffatomen und H-Ionen besteht. Als tyische Richtwerte nehmen wir N0 /V = 104 cm−3 und T = 104 K. Dann ergibt sich T0  4.1×10−8 K. Mit der Ionisierungsenergie B = 13.6 eV f¨ ur Wasserstoff erh¨ alt man aus Gl. (5.135) kTkr  B/43.5 bzw. Tkr  3630 K. Also sollte, weil T = 104 K betr¨ achtlich u ¨ ber Tkr liegt, das Gas stark ionisiert sein. Tats¨achlich ist es schon bei 5000 K vollst¨ andig ionisiert – siehe Abb. 5.6. Aus dieser Abbildung sieht man auch, dass der Temperaturbereich, in dem α stark zunimmt, relativ schmal ist: von 3700 K bis 4300 K ¨ andert sich α von etwa 0.1 auf 0.9. Es zeigt sich auch, atzt, denn im vorliegenden Fall ergibt die dass Gl. (5.135) die Temperatur Tkr untersch¨ numerische L¨ osung von Gl. (5.134) den Wert Tkr  4150 K.

5.9

Festk¨orper: W¨armekapazit¨at des Gitters

In Unterkapitel 5.3 haben wir aus dem klassischen Gleichverteilungssatz die Regel von Dulong-Petit erhalten. Gleichzeitig haben wir jedoch festgestellt, dass die gemessenen W¨ armekapazit¨ aten von Festk¨ orpern oft unterhalb von CV = 3N k liegen. Wie wir im Folgenden sehen werden, liefert die Quantenmechanik eine nat¨ urliche Erkl¨arung f¨ ur diesen Sachverhalt.

108

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Normalschwingungen: Wir betrachten einen Kristall, der aus N Atomen oder N einatomigen Ionen besteht, welche Schwingungen mit kleinen Amplituden durchf¨ uhren. Es gibt 3N − 6 Normalschwingungen (Phononen), d.h., harmonische Oszillatoren. Wir nehmen an, dass diese Oszillatoren voneinander entkoppelt sind. Der Kristall soll makroskopisch groß sein, daher kann die Frequenzverteilung als kontinuierlich aufgefasst werden und es gilt 3N − 6  3N . Bezeichnen wir mit σ(ω) dω die Anzahl der Normalschwingungen im Intervall [ω, ω + dω], haben wir die Normierungsbedingung ∞ dω σ(ω) = 3N, (5.136) 0

die kalorische Zustandsgleichung (siehe Gl. (5.38))   ∞ 1 1 U= + dω σ(ω) ω 2 eβω − 1 0

(5.137)

und die W¨ armekapazit¨ at



CV = k

dω σ(ω) 0

(βω)2 eβω 2

(eβω − 1)

.

Mit der Variablen x = βω l¨ asst sich die W¨ armekapazit¨at in   ∞ x x2 ex dx CV = k σ β β (ex − 1)2 0

(5.138)

(5.139)

umformen. Die Funktion g(x) = x2 ex /(ex − 1)2 schneidet das Integral bei ca. x = 1 ab. F¨ ur x  1 ist g(x) n¨ aherungsweise eins. Regel von Dulong-Petit: Wir untersuchen nun Gl. (5.139) im Limes T → ∞ bzw. β → 0. Da im Kristall die Gitterkonstante(n) eine untere Schranke an die Wellenl¨ange der Schwingungen vorgeben, gibt es ein ωmax , so dass σ(ω) = 0 f¨ ur ω > ωmax (5.140) gilt. Sobald kT  ωmax erf¨ ullt ist, ist x ≤ βωmax  1 und Gl. (5.139) liefert   βωmax ωmax x dx T →∞ σ dω σ(ω). (5.141) CV −→ k =k β β 0 0 Somit erhalten wir die Regel von Dulong-Petit lim CV (T, N ) = 3N k,

T →∞

(5.142)

unabh¨ angig von der speziellen Form der Verteilung σ(ω). Allerdings muss man beachten, dass die Regel von Dulong-Petit nicht f¨ ur molekulare Kristalle G¨ ultigkeit haben kann; Beispiele w¨ aren fester Stickstoff, der aus N2 -Molek¨ ulen

5.9 Festk¨ orper: W¨ armekapazit¨ at des Gitters

109

besteht, oder Wassereis, dessen Bausteine H2 O-Molek¨ ule sind. In solchen F¨allen ist die W¨ armekapazit¨ at pro Molek¨ ul immer gr¨ oßer als 3k, da zus¨atzliche Freiheitsgrade vorhanden sind. Z.B. bei Eis hat man etwa 4.5k. Nat¨ urlich trifft dasselbe auch f¨ ur Ionenkristalle zu, die zusammengesetzte Ionen enthalten wie z.B. Ca2+ (SO4 )2− ; die W¨ armekapazit¨ at pro Molek¨ ul ist h¨ oher als 6k, was der Wert nach der Regel von DulongPetit w¨ are. Das Verhalten von CV f¨ ur T → 0: Bevor wir diesen Limes durchf¨ uhren, m¨ ussen wir einige Fakten u ¨ber die Normalschwingungen zusammenstellen – siehe z.B. [36]. Angenommen, der Kristall sei aus Ne Kopien seiner kleinsten Einheit, der Elementarzelle, aufgebaut. Die Elementarzelle wiederum bestehe aus r Atomen oder Ionen, also ist N = rNe . Bei einem monoatomaren Kristall gilt in den meisten F¨ allen r = 1, w¨ ahrend z.B. bei NaCl r = 2 gilt. Dann gibt es 3r Dispersionsrelationen ωs (k ), wobei k der Wellenzahlvektor und s = 1, . . . , 3r ist. Von diesen 3r Dispersionsrelationen gibt es drei akustische Zweige (s = 1, 2, 3),  sogenannte     ullt ist (k ≡ k ). F¨ ur die anderen Zweige, die sogenannf¨ ur die limk→0 ωs (k ) = 0 erf¨ ¨ liegen die Frequenzen der optischen ten optischen Zweige, ist ωs (0 ) = 0. Ublicherweise Zweige u ¨ber denen der akustischen Zweige. Fixieren wir eine Richtung durch einen Einheitsvektor n, dann k¨ onnen wir f¨ ur die akustischen Zweige den Limes lim

k→0

ωs (kn ) ≡ us (n ) (s = 1, 2, 3) k

(5.143)

bilden, wobei us (n ) die Schallgeschwindigkeiten sind, die im Allgemeinen von der Richtung n abh¨ angen. In Kristallgittern mit hoher Symmetrie ist us (n ) jedoch richtungsunabh¨ angig und es gibt zwei Schallgeschwindigkeiten, u mit longitudinaler Polarisation und ut mit zwei transversalen Polarisationen. F¨ ur sehr niedrige Temperaturen tragen in Gl. (5.139) nur kleine Frequenzen bei, da g(x) die hohen Frequenzen unterdr¨ uckt. Im Limes T → 0 sind daher nur mehr die akustischen Moden im linearen Bereich ihrer Dispersionskurve relevant: ωs (kn )  us (n) k.

(5.144)

Da die Z¨ ahlung der Schwingungsmoden u ussen wir auf die Integration ¨ ber k erfolgt, m¨ u ange λ der Normalschwingung sehr viel gr¨oßer ¨ ber ω umrechnen. Wenn die Wellenl¨ als der Gitterabstand ist, kann der Festk¨ orper als Kontinuum aufgefasst werden und die Z¨ ahlung der Freiheitsgrade erfolgt wie beim idealen Gas u ¨ ber den Impuls gem¨aß Gl. (4.41). Allerdings verwendet man beim Festk¨orper den Wellenzahlvektor k anstelle des Impulsvektors p = k. Damit erfolgt die Z¨ahlung der Freiheitsgrade durch die Integration V d3 k/(2π)3 . Da wir letzten Endes die Integration nur auf Funktionen von ω anwenden werden, k¨ onnen wir sie folgendermaßen durchf¨ uhren: 3 3  V  dΩ ∞ V d3 k · · · = dk k 2 · · · 3 2 (2π) 2π 4π 0 s=1 s=1 ∞ 3 3V 1  dΩ 1 dω ω 2 · · · ,  2π 2 3 s=1 4π u3s (n ) 0

(5.145)

110

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

wobei dΩ das Raumwinkelelement ist. Im letzten Schritt haben wir Gl. (5.144) ben¨ utzt. Zur Abk¨ urzung definieren wir die effektive Schallgeschwindigkeit u u ¨ ber 3 1 1  dΩ 1 . (5.146) = u3 3 s=1 4π u3s (n ) Bei hoher Kristallsymmetrie hat man daher   1 1 1 2 = + . u3 3 u3 c3t

(5.147)

Gleichungen (5.139), (5.145) und (5.146) liefern somit das asymptotische Verhalten der W¨ armekapazit¨ at f¨ ur kleine Temperaturen:  3 ∞ 3V kT x4 ex T →0 dx (5.148) CV −→ k 2 2. 2π u (ex − 1) 0 Jetzt ben¨ otigen wir noch den Wert des Integrals Gl. (5.148). Da bei der Behandlung der freien Quantengase ¨ ahnliche Integrale vorkommen, formulieren wir ein n¨ utzliches Theorem. Theorem 6 Integralformeln: Wir definieren die Integrale ∞ ∞ xα xα ex I± (α) = (α > 0), J± (α) = dx x dx x (α > 1). e ±1 (e ± 1)2 0 0 Dann ergibt sich der Zusammenhang J± (α) = αI± (α − 1) und weiters I− (α) = ζ(α + 1)Γ(α + 1),

  1 I+ (α) = ζ(α + 1)Γ(α + 1) 1 − α , 2

wobei die Zeta-Funktion definiert ist durch ∞  1 (y > 1). ζ(y) = y n n=1 Zwei wichtige Werte der Zeta-Funktion sind ζ(2) = π 2 /6 und ζ(4) = π 4 /90. Anwendung des Theorems liefert ∞ dx 0

und somit

x4 ex 4π 4 = (ex − 1)2 15

(5.149)

 3 2π 2 kT V. (5.150) CV −→ k 5 u Das ist ein wichtiges, allgemein g¨ ultiges Resultat: auf Grund der akustischen Phononen verh¨ alt sich CV f¨ ur kleine Temperaturen wir T 3 . T →0

5.9 Festk¨ orper: W¨ armekapazit¨ at des Gitters

111

Das Debye-Modell: Durch Wahl einer speziellen Verteilung σD interpoliert dieses Modell zwischen den Grenzf¨ allen des T 3 -Gesetzes im Limes T → 0 und der Regel von Dulong-Petit im Limes T → ∞. Das Modell nimmt sich die linearen Dispersionsrelationen Gl. (5.144) zum Vorbild, woraus f¨ ur kleine Frequenzen gem¨aß Gl. (5.145) σ(ω) ∝ ω 2 folgt. Die Grundannahme des Debye-Modells ist, diese Relation bis zur maximalen Frequenz als g¨ ultig anzunehmen. Daher ist Kω 2 (ω < ωD ), σD (ω) = (5.151) 0 (ω > ωD ). Durch die Normierungsbedingung Gl. (5.136) k¨onnen wir die Konstante K durch die Debye-Frequenz ωD ausdr¨ ucken, womit wir σD (ω) =

9N ω 2 3 ωD

(ω < ωD )

erhalten. Damit k¨ onnen wir Gl. (5.139) umschreiben in  3 TD /T T x4 ex ωD CV (T, N ) = 9N k . dx x mit TD = 2 TD (e − 1) k 0

(5.152)

(5.153)

Das ist die Debye-Formel f¨ ur die W¨ armekapazit¨at eines Kristalls. Die Temperatur TD heißt Debye-Temperatur. Mit dem Integral Gl. (5.149) erhalten wir sofort 3  12π 4 T f¨ ur CV  Nk 5 TD

T  TD .

(5.154)

Mit Hilfe von Gl. (5.150) k¨ onnen wir einen Zusammenhang zwischen der Debye-Temperatur bzw. Debye-Frequenz und der effektiven Schallgeschwindigkeit u herstellen: (kTD )3 ≡ (ωD )3 = 6π 2 (u)3 ρ

(5.155)

mit der Teilchendichte ρ = N/V . Die Verteilung σ(ω) kann durch inelastische Neutronstreuung am Kristall gemessen und ¨ mit σD (ω) verglichen werden. Wie erwartet, ist die Ubereinstimmung f¨ ur große ω sehr schlecht – siehe z.B. [36]. Die Interpolationsformel Gl. (5.153) f¨ ur die W¨armekapazit¨at stimmt trotzdem auch im mittleren Temperaturbereich in den meisten F¨allen u ¨ berraschend gut mit den Messungen u ¨ berein. Deutliche Abweichungen von Gl. (5.153) im mittleren Bereich kommen jedoch vor, z.B. bei Diamant. Es ist nicht eindeutig, wie man mit experimentellen Daten f¨ ur die W¨ armekapazit¨at aus Gl. (5.153) die DebyeTemperatur extrahiert. Man k¨ onnte z.B. TD durch einen Fit an Daten u ¨ ber einen großen Temperaturbereich bestimmen. Andrerseits k¨ onnte man TD im Tieftemperaturbereich mit Hilfe von Gl. (5.154) festlegen; da f¨ ur T → 0 nur σ(ω) ∝ ω 2 beitr¨agt und damit 3 das T -Gesetz exakt wird, ist das eine physikalisch sinnvolle Festlegung, wie in [36] argumentiert wird. Die numerische Werte von TD , die im Folgenden angegeben werden, sind durch diese Konvention bestimmt worden.

112

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Das Einstein-Modell und optische Phononen: Dieses Modell ist noch einfacher als das Debye-Modell. Es nimmt an, dass im Phononenspektrum nur eine einzige Frequenz ωE vorkommt, also die Verteilung durch eine δ-Funktion σE (ω) = 3N δ(ω − ωE ) (5.156) gegeben ist. Aus der Diskussion in diesem Unterkapitel ist offensichtlich, dass dieses Model zwar die Regel von Dulong-Petit wiedergibt, jedoch nicht das T 3 -Gesetz; f¨ ur tiefe Temperaturen f¨ allt die W¨ armekapazit¨ at exponentiell ab, wie man sofort aus Gl. (5.138) herleiten kann:  2 ωE 1 (E) . (5.157) CV (T, N ) = N k E 2kT sinh2 ω 2kT In manchen F¨ allen macht es jedoch Sinn, das Einstein-Modell f¨ ur die optischen Phononen zu verwenden, falls die Dispersionsrelationen ωs (k) (s = 4, . . . , 3r) nicht stark von k abh¨ angig sind. F¨ ur die akustischen Phononen gilt nat¨ urlich weiterhin das Debyeur alle optischen Modell. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass eine Frequenz ωopt f¨ Phononenzweige gen¨ ugt, bekommen wir die Verteilung σ(ω) =

9Ne ω 2 Θ(ωD − ω) + (3r − 3)Ne δ(ω − ωopt ). 3 ωD

(5.158)

Jetzt ist die Debyefrequenz nur u ¨ ber die akustischen Phononen definiert, daher haben wir 3 = 6π 2 u3 Ne /V (5.159) ωD anstelle von Gl. (5.155). Nachdem weiterhin Gl. (5.154) mit N statt Ne zur Bestimmung der Debye-Temperatur verwendet werden soll, muss man selbige als kTD = r1/3 ωD

(5.160)

definieren. Andrerseits ist die maximale Frequenz der akustischen Phononen wie fr¨ uher durch ωD gegeben. Daher lautet die W¨ armekapazit¨at [12, 36]  CV (T, N ) = 9rNe k

T TD

3

+ (3r − 3)Ne k

TD /(r 1/3 T )

dx 0



ωopt 2kT

2

x4 ex (ex − 1)2 1

ωopt sinh2 2kT

.

(5.161)

Von dieser Form von CV kann man unter obigen Bedingungen an die akustischen Phononen erwarten, dass sich die Qualit¨ at der Interpolation zwischen T  TD und T ∼ TD verbessert. Vergleich mit dem Experiment: Viele Debye-Temperaturen sind von der Gr¨ oßenordnung 102 K. Die folgenden Werte ur Si, 428 K f¨ ur Al, 105 K f¨ ur Pb, 321 K f¨ ur NaCl sind aus [37]. Z.B. ist TD = 640 K f¨ und 174 K f¨ ur KBr. Bei Diamant ist TD = 2230 K ungew¨ohnlich hoch und die Regel

5.10 Ideale Spinsysteme: Paramagnetismus

113

von Dulong-Petit gilt nicht bei Raumtemperatur; auch bei Si ist sie verletzt, wenn auch schw¨ acher. Numerisch erh¨ alt man aus Gl. (5.153) f¨ ur T = TD den Wert CV /(3N k) = 0.952. Daher ist laut Debye-Modell die Regel von Dulong-Petit recht gut erf¨ ullt f¨ ur T  TD . F¨ ur Metalle muss man bei der Bestimmung von TD beachten, dass bei tiefen Temperaturen nicht nur das Kristallgitter mit CV ∝ T 3 sondern auch die Elektronen zur W¨ armekapazit¨ at beitragen; allerdings ist deren Beitrag proportional zu T und kann daher gut von dem des Kristallgitters absepariert werden – siehe Unterkapitel 5.15. Freie Energie und Enthalpie des Festk¨orpers: In diesem Unterkapitel haben wir nur die kalorische Zustandsgleichung des Festk¨orpers und Folgerungen daraus besprochen. F¨ ur manche Anwendungen ist es jedoch n¨ utzlich, die freie Energie bzw. Enthalpie zu kennen. Um diese thermodynamischen Potentiale zu berechnen, gehen wir von der allgemeinen Form der kalorischen Zustandsgleichung (5.137) aus. Will man das Debye-Modell verwenden, braucht man nur σ(ω) durch σD (ω) ersetzen. Es ist nicht schwer nachzupr¨ ufen, dass ∞   (5.162) dω σ(ω) ln 1 − e−βω F = F0 + φ(V )T + kT 0

die Gibbs-Helmholtz-Gleichung (2.12) erf¨ ullt, wobei die Nullpunktsenergie in der Konurlich bleibt die Funktion φ(V ) bei Verwendung von Gl. (2.12) unstante F0 steckt. Nat¨ bestimmt. Allerdings k¨ onnen wir eine Aussage zu φ(V ) durch Anwendung des 3. Hauptsatzes erhalten, welcher besagt, dass f¨ ur T → 0 die Entropie verschwinden sollte, weil dann alle Oszillatoren im Grundzustand sind. Berechnen wir die Entropie S durch Ableiten von F aus Gl. (5.162) nach T , erhalten wir limT →0 S = −φ(V ) = 0. Das erscheint auf dem ersten Blick seltsam, allerdings kann man sich u ¨ berlegen, dass harmonische Schwingungen des Kristalls sein Volumen konstant lassen – siehe [31], also unsere N¨ aherung gar keine Volumsabh¨ angigkeit beinhaltet und somit F = G gilt. Da ein Festk¨ orper tats¨ achlich relativ inkompressibel ist, ist die N¨aherung, dass G nicht ¨ vom Druck abh¨ angt, f¨ ur die meisten Zwecke ziemlich gut; Ahnliches haben wir schon bei Fl¨ ussigkeiten diskutiert. Zum Schluss kommen wir noch zur Konstante F0 . Wenn wir die freie Energie des Festk¨ orpers mit jener seines fl¨ ussigen oder gasf¨ormigen Aggregatzustandes vergleichen, m¨ ussen wir F0 relativ zur anderen Phase festlegen. Damit schreiben wir F0 = −N B , wobei B die Bindungsenergie eines Atoms im Festk¨oper ist, wenn wir eine monoatomare Substanz betrachten. Somit erhalten wir ∞   F = −N B + 3N kT (5.163) dω σ ¯ (ω) ln 1 − e−βω , 0

wobei σ ¯ (ω) auf eins normiert ist, um die Abh¨ angigkeit des Integralterms von N sichtbar zu machen.

5.10

Ideale Spinsysteme: Paramagnetismus

Wir betrachten N Atome oder Ionen mit Spin bzw. Gesamtdrehimpuls j (j ist ganzoder halbzahlig), welche gen¨ ugend Abstand voneinander haben, so dass man die Wechselwirkung der Atome bzw. Ionen untereinander vernachl¨assigen kann. Alternativ kann

114

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

 so stark ist, dass die Wechselwirkung man auch annehmen, dass das Magnetfeld H der Spins mit dem Magnetfeld dominiert. D.h., wir betrachten f¨ ur ein Teilchen den Hamiltonoperator

= −  mit μ = μM J/.  H μ·H (5.164) Wegen der Division durch  hat μM die Dimension eines magnetischen Moments. In dieser Gleichung haben wir ausgen¨ utzt, dass nur der Gesamtdrehimpuls J des Teilchens eine Richtung vorgibt und dass f¨ ur das magnetische Moment daher nur dieser Vektor zur Verf¨ ugung steht. (Das ist nicht ganz richtig. Ist die Elektronenschale des Ions nicht gef¨ ullt aber J  = 0, kann trotzdem ein kleiner paramagnetischer Effekt, der van Vleck-Paramagnetismus, auftreten – siehe [36].) Unser Ziel ist es, mit dem Hamiltonoperator (5.164) bei vorgegebener Temperatur die Magnetisierung des Systems zu berechnen. Wir bezeichnen die z-Komponente des Magnetfelds mit H. Die Energieeigenwerte f¨ ur einen einzelnen Spin sind somit Em = −μM Hm mit

m = −j, −j + 1, . . . , j − 1, j.

(5.165)

Wir nehmen an, dass sich die Spins in einem W¨armebad der Temperatur T befinden. Definieren wir (5.166) η = βμM H, ist die kanonische Zustandssumme gegeben durch Aufsummierung einer geometrischen Reihe: j  1 − eη(2j+1) sinh η(j + 1/2) . (5.167) eηm = e−ηj = Zmag = η 1 − e sinh η/2 m=−j Nun k¨ onnen wir leicht den Erwartungswert des magnetischen Moments hinschreiben: μz  =

1

j 

Zmag

m=−j

μM meηm =

Die Differentiation liefert μz  = μM jBj (η)

mit

Bj (η) =

1 j

1 μM ∂Zmag ∂Zmag = . Zmag ∂η Zmag β ∂H

(5.168)

     1 1 1 1 j+ coth j + η − coth η , (5.169) 2 2 2 2

wobei Bj die sogenannte Brillouin-Funktion ist. Das gesamte Magnetfeld ist im Gaußschen System gegeben durch [41]  =H  + 4π M . B

(5.170)

 und dem Feld, das durch die Es setzt sich zusammen aus dem ¨ außeren Magnetfeld H  wird erhalten Ausrichtung der magnetischen Momente entsteht. Die Magnetisierung M aus  = N μ . M (5.171) V

5.10 Ideale Spinsysteme: Paramagnetismus

115

Gem¨ aß Gl. (5.169) ergibt sich Mz =

N μM jBj (η). V

(5.172)

Nun wollen wir die Grenzf¨ alle |μM H|/(kT )  1 und |μM H|/(kT )  1 betrachten. Dazu ben¨ utzen das Theorem 7 Die Funktion coth y hat folgende Eigenschaften: lim coth y = ±1 und

coth y =

y→±∞

1 y + + ··· , y 3

wobei diese Entwicklung die Laurent-Reihe um y = 0 ist. ¨ F¨ ur die weiteren Uberlegungen nehmen wir H > 0 an. Der erste Grenzfall wird mit dem ersten Teil des Theorems behandelt, aus dem lim Bj (η) = sgn(μM )

η→∞

(5.173)

folgt. Damit erhalten wir Mz →

N |μM |j, V

(5.174)

also die maximale Magnetisierung. Im zweiten Grenzfall ben¨ utzen wir die Laurent-Reihenentwicklung um η = 0 mit dem Resultat j+1 η. (5.175) Bj (η) → 3 Damit erhalten wir das Curie-Gesetz Mz = χH

mit

wobei χ=

χ=

N μ2M j(j + 1) , V 3kT

 ∂Mz  ∂H T

(5.176)

(5.177)

die isotherme magnetische Suszeptibilit¨ at ist. Wie kommt das magnetische Moment eines Ions oder Atoms zustande? Wir vernachl¨assigen Kernmomente, die ca. drei Gr¨ oßenordnungen kleiner als das Bohrsche Magneton μB =

e 2me cl

(5.178)

sind, und betrachten freie Ionen bzw. Atome. Das magnetische Moment kommt daher von der Elektronenh¨ ulle und wir k¨ onnen den Ansatz μM = −gμB machen, wobei wir mit

116

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

dem Minuszeichen die negative Ladung des Elektrons ber¨ ucksichtigen. Allerdings folgt aus den obigen Gleichungen, dass das Vorzeichen des magnetischen Moments irrelevant ist. Die Magnetisierung zeigt immer in dieselbe Richtung wie das ¨außere Magnetfeld und verst¨ arkt es daher. Genau diesen Effekt nennt man Paramagnetismus. Wie groß ist nun g, der sogenannte Land´e-Faktor ? Wir nehmen an, dass der Zustand der Elektronenspins einen wohldefinierten Gesamtspin mit Quantenzahl s hat und ebenso der Gesamtbahndrehimpuls durch  gegeben ist. Kommt der Spin des Ions nur von den Elektronenspins (s = 0,  = 0), haben wir g = 2. Addieren sich die Elektronenspins zu Null (s = 0) und nur der Bahndrehimpuls  = 0 tr¨ agt bei, dann ist g = 1. Im Allgemeinen muss daher der Land´e-Faktor durch die Erwartungswerte  + 2S   = gJ  L

(5.179)

bestimmt werden. Als Resultat bekommt man g =1+

j(j + 1) + s(s + 1) − ( + 1) . 2j(j + 1)

(5.180)

Die Berechnung des Land´e-Faktors ist z.B. in [38] durchgef¨ uhrt. Es stellt sich heraus, dass f¨ ur die meisten Ionenkristalle mit dreiwertigen Ionen der seltenen Erden (4f-Elemente) das Curie-Gesetz mit dem Faktor in Gl. (5.180) gut zutrifft [36], z.B. ur die seltenen Erden hat das Feld des Kristallgitters wef¨ ur Ce3+ , Pr3+ , etc. D.h., f¨ ¨ nig Einfluss auf das Ion. Dies ist#nicht so f¨ ur Ubergangsmetalle (3d-Metalle), wo man # n¨ aherungsweise g j(j + 1)  2 s(s + 1) hat, z.B. bei V4+ , V3+ , V2+ , Cr3+ , Cr2+ , ort das Kristallfeld die Rotationssymmetrie so stark, dass man Fe3+ , Fe2+ , etc. Hier st¨ effektiv  = 0 erh¨ alt. N¨ aheres siehe bei [36].

5.11

Adiabatische Entmagnetisierung

Mit adiabatischer Entmagnetisierung kann man paramagnetische Salze von ca. 1 K bis ca. 0.01 K abk¨ uhlen. Da wir die Anzahl der paramagnetischen Ionen im Salz nicht ver¨ andern, bezeichnen wir hier die Abh¨ angigkeit der thermodynamischen Gr¨oßen von N nicht. Dasselbe machen wir mit dem Volumen V , das hier ebenfalls keine Rolle spielt. Im Unterschied zum vorigen Unterkapitel ber¨ ucksichtigen wir hier in einer effektiven Weise eine Wechselwirkung zwischen benachbarten Ionen. Die freie Energie der paramagnetischen Ionen im Kristall: Wir nehmen wieder an, dass wir die Dipolwechselwirkung benachbarter paramagnetischer Ionen vernachl¨ assigen k¨ onnen, erlauben aber die M¨oglichkeit einer gewissen Aufspaltung der elektronischen Energieniveaus durch das Magnetfeld benachbarter paramagnetischer Ionen [39]. Das ber¨ ucksichtigen wir mit dem heuristischen Ansatz Eim = δi + gμB Hm

(5.181)

f¨ ur die Energieniveaus eines einzelnen Ions, wobei die δi die Aufspaltungsenergien des elektronischen Grundzustands angegeben. Somit ist die kanonische Zustandssumme n¨ aherungsweise durch N (5.182) Z = (Zint Zmag )

5.11 Adiabatische Entmagnetisierung

117

S 6

H=0

Schritt 1

Schritt 2



?

T1

T0

H = H0

-T

Abbildung 5.7: Das Prinzip der K¨ uhlung durch adiabatische Entmagnetisierung.

gegeben mit Zint =



e−βδi

(5.183)

i

und Zmag aus Gl. (5.167). Dann erhalten wir mit Gl. (5.168) und Gl. (5.171) F (T, H) = −kT ln Z

und

∂ ∂F = −N kT ln Zmag = −Mz (T, H), ∂H ∂H

(5.184)

wobei wir das totale magnetische Moment Mz = V Mz definiert haben. Somit ist das Differential der freien Energie gegeben durch dF = −SdT − Mz dH. Das Prinzip der K¨ uhlung durch adiabatische Entmagnetisierung: Wir definieren die W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Magnetfeld   d- Q  ∂S  =T , CH (T, H) = dT H ∂T H woraus wir CH

 ∂S  >0 ⇒ >0 ∂T H

ablesen. Nun leiten wir die Maxwell-Relation   ∂S  ∂Mz  ∂ ∂F = =− ∂H T ∂H ∂T ∂T H

(5.185)

(5.186)

(5.187)

(5.188)

118

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

her und folgern aus dem Curie-Gesetz Gl. (5.176), dass  ∂S  1 ist; in diesem Fall ist gα (1) = ζ(α). Wie die Teilchenzahl kann auch die Energie nach der Fugazit¨at entwickelt werden:   1 ∂ (±z) − e−βε  ∂β =1   ∞  1 ∂  = ±(2s + 1) V (±z) − . ∂β λ3 5/2

U = ±(2s + 1)

V (2π)3



d3 p

∞ 

(5.238)

=1

Mit −

∂ 1 3 kT = ∂β λ3 2 λ3

(5.239)

erhalten wir schließlich V 3 U (T, V, μ) = ± kT (2s + 1) 3 g5/2 (±z). 2 λ

(5.240)

Wir betonen nochmals, dass bei der Herleitung angenommen wurde, dass innere Freiheitsgrade keine Rolle spielen. Nun betrachten wir den Fall, dass die Fugazit¨ at klein ist. Nach Gl. (5.236) ist das genau ugen dann der Fall, wenn ρλ3 klein ist, wobei ρ = N/V die Teilchendichte ist. Wir begn¨ uns in den Gleichungen (5.236) und (5.240) mit den Termen linear und quadratisch in z:     V V z2 3 z2 N  (2s + 1) 3 z ± 3/2 , U  kT (2s + 1) 3 z ± 5/2 . (5.241) λ 2 λ 2 2 ur N . Einsetzen Mit y ≡ ρλ3 /(2s + 1) erhalten wir z  y(1 ∓ y/23/2 ) aus der Gleichung f¨ in U liefert das gesuchte Resultat   3 1 ρλ3 U  N kT 1 ∓ 5/2 . (5.242) 2 2s + 1 2

126

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Der zweite Term in der Klammer stellt die Quantenkorrektur zu U = 32 N kT auf Grund der BE-Statistik (Minuszeichen) bzw. der FD-Statistik (Pluszeichen) dar. Nun wollen wir den Druck in die Betrachtung einbeziehen. Ersetzen wir wieder mit Hilfe von Gl. (4.41) Summation durch Integration, dann liefert Gl. (5.213)   d3 p p(T, μ) −β(ε−μ) . (5.243) = ∓(2s + 1) ln 1 ∓ e kT (2π)3 Im hier auftretenden Integral verwenden wir Polarkoordinaten. Mit p ≡ | p | und partieller Integration ergibt sich ∞   dp p2 ln 1 ∓ e−β(ε−μ) 0 ∞ 1 ∞  ∓e−β(ε−μ) βp/m 1 = p3 ln 1 ∓ e−β(ε−μ)  + dp p3 3 3 0 1 ∓ e−β(ε−μ) 0 ∞ ε 2 = ∓ β dp p2 −β(ε−μ) . (5.244) 3 e ∓1 0 Somit erhalten wir das Resultat

2 U . (5.245) 3 V Diese Relation ist uns schon beim idealen einatomigen Gas in Unterkapitel 1.4 begegnet. Die neue Erkenntnis hier ist allerdings, dass sie auch bei Ber¨ ucksichtigung der Quantenstatistik, und zwar unabh¨ angig von BE oder FD, G¨ ultigkeit hat. p=

Gleichungen (5.242) und (5.245) liefern eine Quantenkorrektur zur thermischen Zustandsgleichung des idealen Gases:   1 ρλ3 pV  N kT 1 ∓ 5/2 . (5.246) 2s + 1 2 F¨ ur Bosonen ist der Druck etwas geringer, f¨ ur Fermionen etwas h¨oher als im rein klassischen Fall. Die praktische Bedeutung der Quantenkorrektur zur Zustandsgleichung des idealen Gases ist gering. F¨ ur ein gew¨ ohnliches Gas gibt es bereits einen Korrekturterm ρb in der van der Waals-Gleichung (3.1), welcher wegen λ3  b im Allgemeinen wesentlich gr¨oßer als die Quantenkorrektur ist, da b etwa durch das Vierfache des Eigenvolumens des Gasmolek¨ uls gegeben ist – siehe Unterkapitel 6.2 – und die thermische de Broglie-Wellenl¨ange recht klein ist – siehe Gl. (4.36). Zum Vergleich geben wir auch das Volumen eines Molek¨ uls eines idealen Gases bei Normbedingungen an: vn = 1/ρn  (33.4 ˚ A)3 ; dies 3 verdeutlicht die Kleinheit von ρλ , wenn das Gas nicht sehr dicht ist. F¨ ur Elektronen im Zentrum der Sonne ist die Dichte mit ρel  6 × 1025 cm−3 hoch, jedoch ist wegen T  15 × 106 K die thermische de Broglie-Wellenl¨ange trotzdem nur etwa 0.2 ˚ A. Allerdings ist ρλ3  0.45 und somit die Quantenkorrektur zum Druck der Elektronen etwa 4 %. F¨ ur die Protonen und 4 He-Kerne im Zentrum der Sonne spielen Quantenkorrekturen zum Druck keine Rolle, da die de Broglie-Wellenl¨ange zu klein ist.

5.12 Ideale Quantengase

127

In guter N¨ aherung kann man das Plasma im Zentrum der Sonne als ideales Gas betrachten und der Gesamtdruck setzt sich daher aus den Partialdr¨ ucken der Elektronen, Protonen und 4 He-Kerne zusammen [40]; das verringert noch etwas die Bedeutung der Quantenkorrektur zum Gesamtdruck. Jedoch wird sich in Unterkapitel 5.15 zeigen, dass die FD-Statistik f¨ ur Elektronen in weißen Zwergen und Leitungselektronen im Metall eine entscheidende Rolle spielt. In diesen F¨ allen ist allerdings Gl. (5.246) unbrauchbar und man muss auf die exakten Formeln in Gl. (5.233) zur¨ uckgreifen. Das ultrarelativistische ideale Quantengas: In der Diskussion des fr¨ uhen Universums werden h¨aufig die Teilchen- und Energiedichten von ultrarelativistischen massiven Teilchen bei μ → 0 verwendet. Aus Gl. (5.233) mit p | und den Integralformeln ε( p ) = cl |



dx 0

x2 = 2 ζ(3) mit ζ(3)  1.202, x e −1





dx 0

π4 x3 = −1 15

ex

(5.247)

aus Theorem 6 erhalten wir die gew¨ unschten Formeln f¨ ur Teilchen- und Energiedichte ρBE

ζ(3) = (2s + 1) 2 π



kT cl

3 ,

ηBE = (2s + 1)

π 2 (kT )4 , 30 (cl )3

(5.248)

welche f¨ ur die BE-Statistik gelten. Die Formeln der FD-Statistik unterscheiden sich von denen der BE-Statistik nur durch Zahlenfaktoren: ρFD =

3 ρBE , 4

ηFD =

7 ηBE . 8

(5.249)

Diese Zahlenfaktoren bekommt man wiederum mit Theorem 6. Um den Druck im Fall von relativistischen Teilchen zu berechnen, gehen wir wieder von Gl. (5.243) aus. Nun kann μ wieder beliebig sein. In Gl. (5.244) m¨ ussen wir nur p | haben. Das hat zur beachten, dass wir nun die relativistische kinetische Energie cl | Folge, dass am Ende der Gl. (5.244) der Faktor 1/3 statt 2/3 steht. Somit gilt p=

1 U 3 V

(5.250)

im relativistischen Fall und μ beliebig. Zum Abschluss berechnen wir noch die Entropiedichten bei μ → 0. Wir verwenden, dass wir mit Gl. (5.250) 1 (5.251) J = −pV = − U 3 bekommen. Einsetzen der obigen Energiedichten und Ableiten nach T liefert die Entropiedichten  3 kT 2π 2 7 k sBE = (2s + 1) und sFD = sBE . (5.252) 45 cl 8

128

5.13

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Das Photonengas

Das chemische Potential der Photonen: Die Anzahl der Photonen in einem Beh¨ alter kann nicht vorgegeben werden, da an den W¨ anden st¨ andig Photonen erzeugt und absorbiert werden. Betrachten wir das Gesamtsystem Hohlraum mit Photonen und das dazu gekoppelte W¨armebad, muss die Entropie als Funktion der Zahl der Photonen N ein Maximum haben. Daher gilt ∂S μ =− =0 ∂N T



μ = 0,

(5.253)

wobei μ das chemische Potential der Photonen ist. Folglich ist Y = Z f¨ ur die Photonen im Hohlraum. Die Abz¨ahlung der Zust¨ande: Dazu stellen wir uns vor, dass die Gef¨ aßw¨ ande aus Metall sind. Daher ist die Randbe = 0 f¨ dingung E ur das elektrische Feld parallel zur Wand [41]. Das Gef¨aß ist definiert durch 0 ≤ xj ≤ Lj (j = 1, 2, 3). Wenn k der Wellenzahlvektor ist, muss sin(k · x ) an den Gef¨ aßw¨ anden Null sein. Daher ist ⎞ ⎛ n1 /L1 k = π ⎝ n2 /L2 ⎠ mit nj ∈ . (5.254) n3 /L3



¨ F¨ ur jeden Wellenzahlvektor gibt es zwei Polarisationen. Ubrigens kann man zeigen, dass ¨ die spezielle Form des Gef¨ aßes keine Rolle f¨ ur die Uberlegungen zur Hohlraumstrahlung spielt, falls die relevanten Wellenl¨ angen viel kleiner als die Gef¨aßdimensionen sind [10]. F¨ ur die Photonenergie gilt p | = ω ⇒ d| p| = ( p ) = cl |

 dω. cl

(5.255)

Daher k¨ onnen wir wie in Abschnitt 4.4.1 bei der Abz¨ahlung der Zust¨ande vorgehen und erhalten ∞ V V 3 2× dω ω 2 . (5.256) d p→ 2 3 (2π)3 π cl 0 Dabei haben wir Gl. (5.255) verwendet und auch schon die Winkelintegration durchgef¨ uhrt. Die Strahlungsgesetze der Hohlraumstrahlung: ¨ Die Abz¨ ahlung der Zust¨ ande zusammen mit den Uberlegungen aus dem Unterkapitel 5.12 liefern sofort die spektrale Teilchendichte ρ(ω) =

1 ω2 ω π 2 c3l e kT − 1

(5.257)

und die spektrale Energiedichte (Plancksches Strahlungsgesetz ) η(ω) =

 ω3 . ω π 2 c3l e kT − 1

(5.258)

5.13 Das Photonengas

129



θ    

 

 

¨ Abbildung 5.8: Strahlungsleistung eines Hohlraums. Aus der Offnung mit der Fl¨ ache A entweicht Hohlraumstrahlung.

F¨ ur die integrierten Versionen von Gl. (5.257) und Gl. (5.258) wenden wir die Formeln aus Gl. (5.247) an. Damit erhalten wir  3 2 ζ(3) kT π 2 (kT )4 ρ(T ) = , η(T ) = , (5.259) 2 π cl 15 (cl )3 wobei die Formel f¨ ur η(T ) Stefan-Boltzmann-Gesetz genannt wird. Wir h¨atten diese Beziehungen auch aus Gl. (5.248) erhalten k¨ onnen durch Ersetzung von 2s + 1 durch 2. Zuletzt untersuchen wir, bei welcher Frequenz sich das Maximum der spektralen Energiedichte befindet. Dazu brauchen wir das Maximum von x3 /(ex − 1), welches bei xm  2.822 liegt. Somit erhalten wir das Wiensche Verschiebungsgesetz ωmax = xm . kT

(5.260)

Der Strahlungsdruck: Hier f¨ uhren wir im Wesentlichen nur die am Ende des Unterkapitels 5.12 angedeutete Rechnung f¨ ur den ultrarelativistischen Fall durch. Wegen p = −J/V = (kT /V ) ln Y ben¨ utzen wir die großkanonische Zustandssumme f¨ ur Bosonen und berechnen ∞   kT p =− 2 3 dω ω 2 ln 1 − e−βω = π cl 0    −βω  ∞ 1 ∞ kT 1 3  −βω 3 βe ω ln 1 − e − 2 3 − dω ω . (5.261) π cl 3 3 0 1 − e−βω 0 Dies ergibt das Resultat p(T ) =

1 η(T ). 3

(5.262)

Strahlungsleistung eines Hohlraums: ¨ Wir nehmen an, dass der Hohlraum eine kleine Offnung der Fl¨ache A hat – siehe ¨ Abb. 5.8. Dann entweicht senkrecht zur Offnung durch die Fl¨ache dxdy pro Sekunde die Energie η dx dy cl . Im Winkel θ zur Normalen ist die Energie um den Faktor

130

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

cos θ verringert. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Strahl durch das Raumwinkelelement ¨ dΩ = sin θdθdφ geht, ist dΩ/(4π). Daher ist die durch die Offnung emittierte Strahlungsleistung gegeben durch π/2 2π 1 Pem = η(T ) cl A dφ dθ sin θ cos θ. (5.263) 4π 0 0 Somit haben wir das Resultat Pem =

1 cl A η(T ). 4

(5.264)

Diese Ableitung ist auf einen Hohlraum bezogen (Hohlraumstrahlung oder Schwarze Strahlung), jedoch ist der G¨ ultigkeitsbereich ein viel gr¨oßerer. Auch die Abstrahlung von Materieoberfl¨ achen ist oft durch Pem gegeben, abgesehen von Abweichungen z.B. durch Emissions- und Absorptionslinien. Die Sonnenoberfl¨ache ist n¨aherungsweise ein schwarzer Strahler mit T ∼ 5800 K, wenn man die bekannte Strahlungsleistung der Sonne hernimmt und mit Gl. (5.264) und η aus Gl. (5.259) der Sonne eine Tempera¨ tur zuordnet. Die Kosmische Hintergrundstrahlung, ein Uberbleibsel vom Urknall, hat mit extrem guter Genauigkeit das Frequenzspektrum der Hohlraumstrahlung. Diese Strahlung ist zuletzt bei der e+ e− -Annihilation etwa zwei Sekunden nach dem Urknall aufgeheizt worden und hat sich seitdem gem¨aß dem Gesetz T ∝ 1/a(t) abgek¨ uhlt, wobei a(t) der Skalenfaktor in der Friedmann-Robertson-Walker-Metrik ist. Heute hat die Kosmische Hintergrundstrahlung eine Temperatur von T0 = 2.725 ± 0.001 K. Eine Diskussion des fr¨ uhen Universums ist z.B. in [42] zu finden. Freie Energie und Entropie des Photonengases: Wegen Z = Y f¨ ur Photonen gilt Gleichheit von freier Energie und großkanonischem Potential, und daher ist F = −pV . Wir schreiben als Abk¨ urzung f¨ ur das Stefan-BoltzmannGesetz η = σSB T 4 , wobei die Konstante σSB aus Gl. (5.259) abgelesen werden kann. Dann erhalten mit Gl. (5.262) 1 F (T, V ) = − σSB V T 4 3

5.14

und

S(T, V ) = −

4 ∂F = σSB V T 3 . ∂V 3

(5.265)

Ideales Bose-Gas

Anzahl der Teilchen und Bose-Einstein-Kondensation: In diesem Unterkapitel besch¨ aftigen wir uns mit nichtrelativistischen freien Teilchen mit Spin 0 und Masse M . Daher ist ε( p) =

2 p 2M

und μ < 0.

(5.266)

Letzteres folgt aus Gl. (5.211) und wurde schon in Unterkapitel 5.12 verwendet, wo wir auch V h (5.267) N (T, V, μ) = 3 g3/2 (z) mit λ = √ λ 2πM kT

5.14 Ideales Bose-Gas

131

hergeleitet haben. Betrachten wir Gl. (5.267) genauer. Wenn wir ρ = N/V festhalten und T kleiner werden lassen, muss wegen ρ ∝ T 3/2 g3/2 (z) die Fugazit¨at z = exp(−βμ) bzw. das chemische Potential μ gr¨ oßer werden (d.h., |μ| wird kleiner), um ρ zu reproduzieren. Das geht allerdings nur bis zu einer kritischen Temperatur Tc (ρ), wo μ = 0 erreicht wird. Die kritische de Broglie-Wellenl¨ ange und die kritische Temperatur sind daher gegeben durch ρλ3c = ζ(3/2) bzw. kTc =

2 ρ2/3 2π 2/3 M [ζ(3/2)]

(5.268)

mit ζ(3/2)  2.612. Damit haben wir gefunden, dass Gl. (5.267) nur f¨ ur T ≥ Tc g¨ ultig ist. Andrerseits hat N = ¯j aber f¨ ur jedes T eine L¨ osung. Im Prinzip ist die Energie ja quantisiert jν in einem endlichen Volumen, auch wenn die Abst¨ande zwischen den Niveaus sehr klein sind, und wir k¨ onnen immer beliebig viele Teilchen in den Grundzustand stecken, sofern ur β(ε0 − μ)  1 erhalten μ nur gen¨ ugend nahe bei der Grundzustandsenergie ε0 ist. F¨ wir n¨ amlich kT 1  ν¯0 = β(ε −μ) (5.269) ε0 − μ e 0 −1 ¨ und ν¯0  1. Die Schranke T ≥ Tc ist also ein Artefakt des Ubergangs von der Summation zur Integration und im thermodynamischen Limes mit makroskopischer Besetzung N0 ≡ ν¯0 des Grundzustands ist μ  ε0 − kT /N0 . Das Endresultat ist damit ⎧ ⎨ V3 g3/2 (z) (T ≥ Tc ), N (T, V, μ) = λ ⎩ N0 + V ζ(3/2) (T ≤ Tc ). λ3

(5.270)

Mit Hilfe von Gl. (5.268) machen wir die Umformung V λ3 ζ(3/2) = c3 ρV = 3 λ λ was mit Gl. (5.270) zu N0 = N



0 1−



T Tc

3/2



T Tc

3/2 N,

(5.271)

(T ≥ Tc ), (T ≤ Tc )

(5.272)

f¨ uhrt. Der Prozess, bei dem sich makroskopisch viele Teilchen im Grundzustand ansammeln, heißt Bose-Einstein-Kondensation. Die Energie des idealen Bose-Gases: Von Gl. (5.240) wissen wir, dass die innere Energie durch U (T, V, μ) =

3 V kT 3 g5/2 (z) f¨ ur 2 λ

T ≥ Tc

(5.273)

132

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

gegeben ist. Falls T ≤ Tc gilt, m¨ ussen wir in dieser Gleichung μ = 0 setzen. Das Kondensat tr¨ agt nicht zur Energie bei, da alle Teilchen im Kondensat die Energie Null haben. Daher ist V 3 ur T ≤ Tc . (5.274) U = kT 3 ζ(5/2) f¨ 2 λ Mit der Umformung Gl. (5.271) erhalten wir schließlich U=

3 ζ(5/2) N kT 2 ζ(3/2)



T Tc

3/2 (T ≤ Tc ).

(5.275)

Dabei ist ζ(5/2)  1.2415. Gleichung (5.273) hat den u ¨ blichen Nachteil von Erwartungswerten des großkanonischen Ensembles, dass U von μ abh¨ angt. Im konkreten Fall muss man f¨ ur T > Tc die Fugazit¨at z aus (5.276) ρλ3 = g3/2 (z) bestimmen – siehe Gl. (5.267) – und in Gl. (5.273) einsetzen, um U als Funktion von T , V , N , bzw. U/N als Funktion von T und ρ zu erhalten. Statt ρ kann man auch die kritische Temperatur verwenden bzw. die Identit¨at  ρλ3 = ζ(3/2)

Tc T

3/2 ,

(5.277)

die man aus Gl. (5.271) erh¨ alt. Den Fall T  Tc haben wir eigentlich schon in Unterkapitel 5.12 betrachtet und das Resultat Gl. (5.242) erhalten. Formen wir dieses unter Verwendung von Tc um, ergibt sich   3/2  ζ(3/2) Tc 3 U (T, V, N )  N kT 1 − 5/2 (5.278) 2 T 2 und, wenig u ur T  Tc , die Energie des freien einatomigen ¨ berraschend, U  3N kT /2 f¨ Gases. F¨ ur hohe Temperaturen ist n¨ amlich Gl. (4.35) f¨ ur die klassische Behandlung eines Gases erf¨ ullt. Der Druck des idealen Bose-Gases ist gem¨ aß Gl. (5.245) durch p = 2U/(3V ) gegeben und liefert somit keine zus¨ atzliche Information. Interessanterweise h¨angt p unterhalb −3/2 der kritischen Temperatur nur von T ab, weil ρTc von ρ (und T ) unabh¨angig ist, was man von Gl. (5.268) ablesen kann. Die W¨armekapazit¨at: Gl. (5.275) und Gl. (5.278) ergeben die W¨ armekapazit¨at ⎧  3/2 ⎪ 15 ζ(5/2) T ⎪ ⎪ (T ≤ Tc ), ⎨ 4 ζ(3/2) T CV c    3/2 = ζ(3/2) Tc 3 Nk ⎪ ⎪ ⎪ 1 + + · · · (T > Tc ). ⎩2 T 27/2

(5.279)

5.14 Ideales Bose-Gas

133

2

1.5

1

0.5

0

0

1

2

T/Tc

3

4

Abbildung 5.9: CV /(N k) f¨ ur das ideale Bose-Gas.

W¨ ahrend wir f¨ ur T ≤ Tc die W¨ armekapazit¨ at explizit als Funktion von T berechnen konnten, l¨ asst sich f¨ ur T > Tc aus den Gleichungen (5.273), (5.276) und (5.277) nur schließen, dass wir in diesem Fall eine Potenzreihe in (Tc /T )3/2 haben, von der wir in Gl. (5.279) nur die beiden ersten Terme berechnet haben. Es ist allerdings m¨ oglich, f¨ ur T > Tc eine exakte implizite Darstellung von CV zu erhalten, n¨ amlich u ¨ ber eine Parameterdarstellung von CV und T als Funktion von z. Diese Parameterdarstellung wollen wir jetzt herleiten. Zuerst leiten wir Gl. (5.273) nach T ab und erhalten   g5/2 (z) d U 3 d CV = = T = Nk dT N k 2 dT g3/2 (z)       (z) dz g5/2 (z) g5/2 (z) g3/2 3 g5/2 (z) +T − . (5.280) 2 g3/2 (z) g3/2 (z) g3/2 (z) g3/2 (z) dT Die totale Ableitung von z nach T soll anzeigen, dass auch μ nach T abgeleitet wird bei konstantem N und V . Die Gr¨ oße dz/dT berechnen wir aus Gl. (5.276) und Gl. (5.277): 3 g3/2 (z) dz =−  (z) . dT 2T g3/2

(5.281)

134

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

F¨ ur die weitere Rechnung ben¨ otigt man Ableitungen von gα (z), die durch d 1 gα (z) = gα−1 (z) dz z

(5.282)

auf gα−1 (z) zur¨ uckgef¨ uhrt werden. Setzen wir die beiden Relationen in Gl. (5.280) ein, bekommen wir die angek¨ undigte Parameterdarstellung im Bereich T > Tc : CV 15 g5/2 (z) 9 g3/2 (z) = − Nk 4 g3/2 (z) 4 g1/2 (z)

mit

T = Tc



ζ(3/2) g3/2 (z)

2/3 ,

(5.283)

wobei die Formel f¨ ur T /Tc aus den Gleichungen (5.276) und (5.277) hergeleitet wird. ur T > Tc implizit als Funktion von T gefunden. Mit Hilfe der Formeln Damit ist CV f¨ aus Gl. (5.283) ist CV /(N k) in Abb. 5.9 dargestellt. Im Bereich T ≤ Tc stellt die Kurve in Abb. 5.9 die erste Relation in Gl. (5.279) dar. Die W¨armekapazit¨at hat bei T = Tc einen Knick. Mit Gl. (5.283) ist es ein Leichtes, die beiden Grenzf¨alle in z zu untersuchen. F¨ ur z → 1 ur z → 1. Das geht T → Tc und CV /(N k) → 15ζ(5/2)/(4ζ(3/2)) wegen g1/2 (z) → ∞ f¨ stimmt mit der ersten Zeile in Gl. (5.279) f¨ ur T = Tc u ¨ berein. Im Limes z → 0 haben wir den asymptotischen Limes gα (z) → z, daraus folgt T → ∞ und CV /(N k) → 3/2. Wieder haben wir das entsprechende Ergebnis aus Gl. (5.279) reproduziert, diesmal ohne N¨ aherung. ¨ Der Ubergang vom Bose-Gas zum Bose-Einstein-Kondensat kann als Phasen¨ ubergang aufgefasst werden. F¨ ur die Diskussion der Natur dieses Phasen¨ ubergangs verweisen wir z.B. auf [13, 31]. Bemerkungen zur Realisierung der Bose-Einstein-Kondensation im Experiment: Die Bedingung f¨ ur die Bose-Einstein-Kondensation (BEK) eines idealen, also wechselwirkungsfreien Gases beinhaltet zwei widerstrebende Forderungen: Damit T < Tc experimentell realisierbar ist, sollte gem¨ aß Gl. (5.268) die Dichte ρ gen¨ ugend groß sein, w¨ ahrend die Wechselwirkungsfreiheit eine m¨ oglichst kleine Dichte verlangt. Im Normalfall verfl¨ ussigt sich ein Gas, bevor man Tc erreicht hat. So war vor 1995 das einzige System, das man mit BEK in Verbindung gebracht hat, fl¨ ussiges 4 He mit der Eigenschaft der Suprafl¨ ussigkeit. Allerdings zeigt der fl¨ ussige Aggregatzustand, dass man hier die Wechselwirkung keineswegs vernachl¨ assigen darf und der Zusammenhang mit der A3 f¨ ur fl¨ ussiges BEK ist unklar. Nimmt man Gl. (5.268) und berechnet Tc aus 1/ρ  46 ˚ 4 Helium, erh¨ alt man 3.13 K. Das ist nicht weit weg von Tλ = 2.17 K, wo He einen Phasen¨ ubergang zu einem suprafl¨ ussigen Anteil hat, was daf¨ ur spricht, dass die BEK am suprafl¨ ussigen Zustand beteiligt ist. 1995 gelang es, die BEK von Rb und Na-Atomen zu realisieren [43, 44]. Die Abk¨ uhlung erfolgte in zwei Schritten: Laserk¨ uhlung auf ca. 10 μK, danach Verdampfungsk¨ uhlung in einer magnetischen Falle. Rb und Na sind gut in einer magnetischen Falle manipulierbar. Das erste Kondensat wurde mit 87 Rb erreicht bei etwa 200 nK mit etwa 20 000 Atomen. Warum ist 87 Rb ein Boson? Rb hat eine Edelgaselektronenh¨ ulle plus ein einzelnes Elektron in der ¨ außeren Schale. Zusammen mit dem halbzahligen Kernspin hat 87 Rb einen ganzzahligen Gesamtdrehimpuls und ist damit ein Boson. Im Kondensat ist

5.15 Ideales Fermi-Gas

135

die Dichte ca. 1010 Atome pro cm3 . Die geringe Dichte sorgt daf¨ ur, dass die Wechselwirkung zwischen den Atomen klein ist, also ein ideales Gas angen¨ahert wird. Das erste Na-Kondensat hatte etwa hundertmal soviele Atome wie das Rb-Kondensat.

5.15

Ideales Fermi-Gas

Zustandsdichte und Energiedichte: Wir nehmen an, dass wir nichtrelativistische Teilchen mit Spin 1/2 haben. Wir ha¨ ben zwar den Ubergang von Summation u ¨ ber die Zust¨ande zur Integration schon in Unterkapitel 5.12 diskutiert, jedoch ist eine Wiederholung hier angebracht, weil wir zweckm¨ aßigerweise die Integration in einer etwas anderen Form schreiben wollen. Mit den zwei Spineinstellungen erhalten wir ∞  V V 3 →2× × 4π dp p2 . (5.284) d p→2× 3 3 (2π) (2π) 0 j Im zweiten Schritt haben wir die Winkelintegration durchgef¨ uhrt. Wir verwenden die Notation p = | p |. Weiters verwenden wir p 2 m ε( p) = ⇒ dp = dε, (5.285) 2m 2ε woraus wir schließlich  j

→V



dε g(ε) mit g(ε) = 0

√ 3/2 √ 2m ε 2 3 π 

(5.286)

erhalten. Die Funktion g(ε) heißt Zustandsdichte. Die spezielle Funktion in Gl. (5.286) ist die Zustandsdichte des idealen Fermi-Gases. Somit erhalten wir Teilchen- und Energiedichte als Funktion von T und μ: ∞ ∞ 1 ε dε g(ε) β(ε−μ) dε g(ε) β(ε−μ) , η(T, μ) = . (5.287) ρ(T, μ) = e +1 e +1 0 0 Nat¨ urlich wollen wir letzten Endes das chemische Potential μ elimieren und η als Funktion von T und ρ berechnen. Dazu m¨ ussen wir ρ(μ, T ) in Gl. (5.287) umkehren und μ(T, ρ) berechnen. Bevor wir dieses Problem anpacken, behandeln wir zuerst den Spezialfall T = 0. Der Limes T → 0: Die mittlere Besetzungszahl ist in diesem Limes gegeben durch eine Stufenfunktion: 1 1 f¨ ur ε < μ, → (5.288) β(ε−μ) 0 f¨ ur ε > μ. e +1 Mit



μ

dε g(ε) = 0

2 μg(μ), 3



μ

dε g(ε) ε = 0

2 2 μ g(μ) 5

(5.289)

136

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

erhalten wir

2 μg(μ), 3 Die Fermi-Energie ist definiert als ρ(0, μ) =

η(0, μ) =

2 2 μ g(μ). 5

εF (ρ) = μ(0, ρ).

(5.290)

(5.291)

Wir k¨ onnen sie aus ρ(0, μ) in Gl. (5.290) bestimmen: εF (ρ) =

2  2 2/3 3π ρ . 2m

(5.292)

Mit der Definition von εF schreibt sich die erste Relation in Gl. (5.290) als ρ=

2 εF g(εF ). 3

(5.293)

Damit erhalten wir die Energiedichte als Funktion von ρ: η(0, ρ) =

2 2 3 εF g(εF ) = ρ εF . 5 5

(5.294)

Wir k¨ onnen auch sofort die mittlere Energie pro Teilchen bei T = 0 angeben: 3 η(0, ρ) = εF . ρ 5

(5.295)

Gem¨ aß Gl. (5.245) erh¨ alt man den Zusammenhang zwischen Druck und Energiedichte durch 2 p = η, (5.296) 3 was f¨ ur beliebige Temperaturen gilt. Den Druck bei T = 0 nennt man Fermi-Druck : pF = p(T = 0, ρ). Mit unseren Resultaten erhalten wir pF =

2 ρ εF . 5

(5.297)

Wir betonen, dass der Fermi-Druck ein rein quantenmechanischer Effekt der FD-Statistik ist. In Tabelle 5.2 sind einige Systeme angef¨ uhrt, f¨ ur die die Behandlung als ideales FermiGas in mancher Hinsicht Sinn macht. Die Werte sind grobe N¨aherungen. Betrachten wir als Beispiel den Atomkern. Sein Radius ist n¨aherungsweise R = r0 A1/3

mit

r0 = 1.3 × 10−13 cm,

(5.298)

wobei A die Massenzahl ist. Mit der Kernladungszahl Z ist die Dichte der Protonen gegeben durch ρp =

Z 3 Z = ∼ 4πR3 /3 4πr03 A/3 8πr03

f¨ ur

Z ∼ A/2.

(5.299)

5.15 Ideales Fermi-Gas

137

Tabelle 5.2: Gr¨ oßenordnungen f¨ ur Systeme, die in gewisser N¨ aherung als ideales Fermi-Gas behandelt werden k¨ onnen.

ρ−1/3 [cm] −8

Metall He-Fl¨ ussigkeit Weißer Zwerg (Kern) Atomkern

10 10−8 10−10 10−13

3

εF [eV]

Teilchensorte

10 10−4 107 107

Elektronen 3 He-Atome Elektronen Protonen bzw. Neutronen

Setzt man das so erhaltene ρp und die Protonmasse in Gl. (5.292) ein, ergibt sich εF  28 MeV. Im Metall sind die Leitungselektronen bei Vernachl¨assigung der Abstoßung ein ideales Fermi-Gas. Man kann die Dichte der Leitungselektronen in einem Metall X durch ρ=

z v ρm Ar (X)u

(5.300)

absch¨ atzen, wobei zv die Anzahl der Valenzelektronen, ρm die Massendichte, Ar (X) die relative Atommasse und u die atomare Masseneinheit ist. F¨ ur Kupfer ist zv = 1 und ρm = 8.96 g cm−3 . Mit obiger Formel ist die Teilchendichte der Leitungselektronen 3 somit ρ  8.5 × 1022 cm−3 bzw. ρ−1  12 ˚ A , woraus man εF  7 eV absch¨atzt. Das entspricht einer Fermi-Temperatur TF = εF /k  80 000 K. Im Zentrum der Sonne ist die Fermi-Energie der Elektronen ca. 560 eV und daher TF  6.5 × 106 K. Das ist etwa halb so groß wie die Temperatur. Trotzdem ist das Elektronengas im Zentrum der Sonne definitiv nicht entartet – siehe Diskussion in Unterkapitel 5.12. Bei Weißen Zwergen hingegen, wo Sonnenmassen auf Radien von etwa 104 km komprimiert sind, ist die Fermi-Temperatur im Zentrum des Sterns von der Gr¨ oßenordnung TF ∼ 1010 K und wegen T  TF das Elektronengas entartet [40]. F¨ ur 3 He-Atome ist die Fermi-Energie deswegen so klein gegen¨ uber εF im Metall, weil He etwa 6000 Mal schwerer als ein Elektron ist.

3

Entwicklung der Energiedichte nach der Temperatur: Sowohl die Teilchen- als auch die Energiedichte haben die Gestalt ∞ 1 dεf (ε) ν¯(ε) mit ν¯(ε) = β(ε−μ) , e +1 0 was man mit der Heaviside-Funktion Θ in μ ∞ dεf (ε)¯ ν (ε) = dεf (ε) + 0

0



dεf (ε) [¯ ν (ε) − Θ(μ − ε)]

(5.301)

(5.302)

0

umschreiben kann. Die grundlegende Annahme f¨ ur die weitere Rechnung ist kT  εF (ρ),

(5.303)

138

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

was nach der obigen Diskussion z.B. f¨ ur Leitungselektronen eine exzellente Annahme ist. Ist Gl. (5.303) erf¨ ullt, nennt man das Fermi-Gas entartet. Der wesentliche Punkt ist, dass bei T = 0 die Funktion ν¯(ε) eine Stufenfunktion ist: f¨ ur ε < εF ist sie eins, f¨ ur ε > εF ist sie null – siehe Gl. (5.288). Gleichung (5.303) besagt dann, dass die Stufe nur wenig abgerundet wird, wobei dies auf einer Breite von ca. kT um εF passiert. Um das zweite Integral in Gl. (5.302) auszuwerten, f¨ uhren wir die dimensionslose Variable x = β(ε − μ) (5.304) ein und die Funktion η(x), die im folgenden Theorem definiert ist. Theorem 8 Eine Funktion η auf

 sei gegeben durch η(x) =

ex

1 − Θ(−x). +1

Dann gilt η(−x) = −η(x). Wegen obiger Bemerkung zu ν¯(ε) bei T = 0 ist es sinnvoll, die Sommerfeld-Technik anzuwenden und f (kT x+μ) um x = 0 zu entwickeln. Wir erhalten somit aus Gl. (5.302) ∞ dεf (ε)¯ ν (ε) = (5.305) 0   μ 1 ∞ 1 1 dεf (ε) + dx η(x) f (μ) + f  (μ)x + 2 f  (μ)x2 + · · · . β −βμ β 2β 0 Stellen wir uns ein Metall bei Raumtemperatur vor, dann ist βμ von der Gr¨oßenordnung 400, wenn wir μ ∼ εF ∼ 10 eV und kT ∼ 1/40 eV setzen. Also machen wir die Ersetzung βμ → ∞. Wegen Theorem 8 fallen die Integrale mit geraden Potenzen von x weg. Somit ist bis auf v¨ ollig zu vernachl¨ assigende Terme der Ordnung e−βμ   μ ∞ 1 ∞ 1  1  3 f (μ)x + 3 f (μ)x + · · · . dεf (ε)¯ ν (ε)  dεf (ε) + dx η(x) β −∞ β 6β 0 0 (5.306) Weil die rechte Seite dieser Gleichung im Wesentlichen eine Entwicklung nach kT /εF darstellt, beschr¨ anken wir uns auf die beiden ersten Terme. Theorem 6 liefert ∞ ∞ π2 x = . (5.307) dx η(x) x = 2 dx x e +1 6 −∞ 0 Wir erhalten eine Entwicklung bis T 2 : ∞ dεf (ε)¯ ν (ε)  0

0

μ

dεf (ε) +

π2  f (μ) (kT )2 . 6

(5.308)

5.15 Ideales Fermi-Gas

139

F¨ ur die Teilchendichte ist f gleich der Zustandsdichte g, f¨ ur die Energiedichte ist f (ε) = εg(ε). Somit erhalten wir die T 2 -Korrektur zu Gl. (5.290)

μ

π2  g (μ) (kT )2 , 6 0 μ π2 (g(μ) + μg  (μ)) (kT )2 . dε ε g(ε) + η(T, μ) = 6 0 dε g(ε) +

ρ(T, μ) =

(5.309) (5.310)

Die Gleichung f¨ ur die Energiedichte η ist noch nicht in der gew¨ unschten Form, weil wir erst μ(T, ρ) aus ρ(T, μ) berechnen und in η(T, μ) einsetzen m¨ ussen. Da wir uns mit der Korrektur der Ordnung T 2 begn¨ ugen, machen wir den Ansatz μ = εF + δμ. Einsetzen in Gl. (5.309) ergibt zur gew¨ unschten Ordnung ρ=

εF

dε g(ε) + g(εF )δμ + 0

π2  g (εF ) (kT )2 . 6

(5.311)

Wie wir bei T = 0 herausgearbeitet haben, ist ρ identisch mit dem ersten Integral auf der rechten Seite. Damit erhalten wir das chemische Potential in der gew¨ unschten Form μ(T, ρ) = εF −

π 2 g  (εF ) (kT )2 , 6 g(εF )

(5.312)

woraus das Endresultat

εF

η(T, ρ) =

dε ε g(ε) + 0

π2 g(εF ) (kT )2 6

(5.313)

folgt. Wir betonen, dass in den Gleichungen (5.309), (5.310), (5.312) und (5.313) nirgends die spezielle Form der Zustandsdichte eingeht, also diese Gleichungen f¨ ur eine allgemeine Zustandsdichte g(ε) gelten. Spezialisieren wir uns auf das ideale Fermi-Gas mit der Zustandsdichte Gl. (5.286) und der Ableitung g(μ) g  (μ) = , (5.314) 2μ erhalten wir das chemische Potential  μ(T, ρ) = εF

π2 1− 12



kT εF

2  (5.315)

und mit Gl. (5.289) und Gl. (5.294) die Energiedichte  2   3 5π 2 kT η(T, ρ) = ρ εF 1 + . 5 12 εF

(5.316)

140

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Die W¨armekapazit¨at des idealen Fermi-Gases: Gleichung (5.316) gibt den f¨ uhrenden Term der W¨armekapazit¨at CV = V ∂η/∂T des idealen entarteten Fermi-Gases als CV =

kT π2 Nk . 2 εF (ρ)

(5.317)

F¨ ur Elektronen im Metall k¨ onnen wir das schon vorhin erw¨ahnte Verh¨altnis kT /εF ∼ 1/400 heranziehen. Die W¨ armekapazit¨ at ist also relativ klein: Nur die Elektronen an der Fermi-Kante k¨ onnen zur elektronischen W¨armekapazit¨at Cel beitragen. Bei Raumtemperatur dominieren die Phononen des Kristallgitters die W¨armekapazit¨at eines Metalls. Das ¨ andert sich bei tiefen Temperaturen unterhalb der Debye-Temperatur, wo die W¨ armekapazit¨ at Cphon der Phononen sich wie T 3 verh¨alt. Also hat die W¨armekapazit¨at CV des Metalls die Form CV = αT 3 + γT mit Konstanten α und γ, wenn T  TD ist. Nehmen wir freie Leitungselektronen im Metall an und zwar genau eines pro Atom, erhalten wir mit Gl. (5.154), Gl. (5.317) und εF = kTF 3 Cel TD 5  . Cphon 24π 2 TF T 2

(5.318)

ugend tiefen Temperaturen von vergleichbarer Gr¨oßenAlso sind Cel und Cphon bei gen¨ ordnung, bzw. bei sehr tiefen Temperaturen dominiert sogar Cel .

5.16

Magnetische Eigenschaften des idealen Fermi-Gases

Nun diskutieren wir den Einfluss eines ¨ außeren Magnetfelds auf das ideale Fermi-Gas. Da wir eine Anwendung der Resultate auf Leitungselektronen beabsichtigen, betrachten wir ein nichtrelativistisches entartetes Fermi-Gas bestehend aus Elektronen.

5.16.1

Magnetfelder und thermodynamische Potentiale

 Wie im Unterkaptiel 5.10 Die Probe befinde sich in einem ¨ außeren Magnetfeld H.  = H  + 4π M  , wobei M  die erw¨ ahnt, ist das Gesamtmagnetfeld [41] in der Probe B Magnetisierung ist. F¨ ur Para- und Diamagnetismus ist die Magnetisierung viel kleiner als das angelegte Magnetfeld. Elektronen mit Ladung −e und Masse m in einem Magnetfeld werden durch den Hamiltonoperator 2 

= 1 P + e A  −  mit μ H μ·H  = −μB σ (5.319) 2m cl beschrieben, wobei P der Impulsoperator, μB das Bohrsche Magneton, μ der Operator  das Vektorpotential mit H  = rot A  ist. Wir betrachdes magnetischen Moments und A  ten hier nur konstante Magnetfelder H. F¨ ur das entsprechende Vektorpotential k¨onnen wir z.B. = 1H  × x A (5.320) 2

5.16 Magnetische Eigenschaften des idealen Fermi-Gases

141

hinschreiben. Das Vektorpotential ist eindeutig bis auf Eichtransformationen der Gestalt →A  + ∇Λ,   A wobei Λ eine beliebige Funktion von x ist [41]. Da die Magnetisierung M als Dipoldichte definiert ist, erhalten wir aus dem Hamiltonoperator (5.319) in einem abgeschlossenen System im Gleichgewicht  =−1 VM Ω bzw.



 H Er (H),  ∇

(5.321)

r∈I

 N ) = T dS − p dV − V M  · dH  + μ dN. dU (S, V, H,

(5.322)

Daher haben wir f¨ ur die freie Energie  H F = −V M  ∇

(5.323)

und die entsprechenden Relationen f¨ ur die thermodynamischen Potentiale H, G und J. Siehe auch Unterkapitel 5.11. Die isotherme magnetische Suszeptibilit¨at ist definiert in Gl. (5.177). Im Weiteren soll das Magnetfeld immer in z-Richtung zeigen und wir verwenden die Notation Hz ≡ H.

5.16.2

Der Pauli-Paramagnetismus

Der Paramagnetismus des idealen Fermi-Gases kommt vom magnetischen Moment der Spins. Daher verwenden wir von Gl. (5.319) nur die kinetische Energie und den Spinteil. Da die Zustandsdichte g(ε) aus Gl. (5.286) einen Faktor 2 f¨ ur die beiden Spineinstellungen enth¨ alt, m¨ ussen wir bei H = 0 in der Teilchen- und Energiedichte wieder durch 2 dividieren:   ∞ 1 1 g(ε) + dε ρ= , (5.324) 2 eβ(ε−μB H−μ) + 1 eβ(ε+μB H−μ) + 1 0   ∞ ε − μB H g(ε) ε + μB H dε + . (5.325) η = 2 eβ(ε−μB H−μ) + 1 eβ(ε+μB H−μ) + 1 0 F¨ ur die Berechnung der Magnetisierung ber¨ ucksichtigen wir, dass laut Gl. (5.319) den Energieeigenwerten ε ± μB H die magnetischen Momente ∓μB in z-Richtung entsprechen. Somit erhalten wir   ∞ −μB μB g(ε) + dε Mz = . (5.326) 2 eβ(ε−μB H−μ) + 1 eβ(ε+μB H−μ) + 1 0 In einem realistischen Fall von Elektronen in einem Metall gilt immer εF  kT und εF  μB H. Wir d¨ urfen daher f¨ ur die Magnetisierung den Limes T → 0 durchf¨ uhren: T →0

Mz −→   μ−μB H μ+μB H 1 μB dεg(ε) − dεg(ε)  2 0 0   μ μ 1 μB dεg(ε) + μB Hg(μ) − dεg(ε) + μB Hg(μ) = μ2B g(μ)H. (5.327) 2 0 0

142

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Wegen μ = εF bei T = 0 erhalten wir die Suszeptibilit¨at χPauli = μ2B g(εF ).

(5.328)

Wir betonen, dass dieses Resultat f¨ ur freie Elektronen gilt. Im Metall ist nat¨ urlich die Abstoßung zwischen den Elektronen wirksam und Gl. (5.328) nur eine grobe N¨aherung. F¨ ur freie Elektronen k¨ onnen wir Gl. (5.293) verwenden und Gl. (5.328) umschreiben in χPauli = 3μ2B ρ/(2εF ). Weiters bemerken wir, dass μ auch bei T = 0 von H abh¨angen wird. In niedrigster Ordnung muss diese Abh¨ angigkeit allerdings quadratisch in H sein, weil μ nicht von der Richtung von H abh¨ angen kann, also hat μ die Gestalt   2  μB H μ(T = 0, H)  εF 1 + a2 (5.329) εF urde einen mit einem konstanten Koeffizienten a2 . Das Einsetzen von diesem μ in Mz w¨ Zusatzbeitrag quadratisch in H in der Suszeptibilit¨at geben, der v¨ollig vernachl¨assigbar ist. Das Entsprechende gilt auch im Fall des Landau-Diamagnetismus, f¨ ur den wir den Koeffizienten a2 explizit berechnen werden.

5.16.3

Der Landau-Diamagnetismus

In diesem Abschnitt berechnen wir den Diamagnetismus, der von der Bahnbewegung freier Elektronen erzeugt wird. Statt Gl. (5.320) ist es g¨ unstiger, das Vektorpotential ⎛ ⎞ 0  = ⎝ xH ⎠ A (5.330) 0 zu verwenden, welches aus Gl. (5.320) durch eine Eichtransformation mit Λ = Hxy/2

aus Gl. (5.319) mit dem Vektorpotential aus hervorgeht. Um die Eigenwerte von H Gl. (5.330) zu berechnen, machen wir den Ansatz     1 0 ψ(x, s) = es ei(py y+pz z)/ ϕ(x) mit s = ±1 bzw. ±, e+ = , e− = 0 1 (5.331)

= Eψ zur Differentialgleichung f¨ ur die Eigenzust¨ ande. Dann f¨ uhrt Hψ   1 p2z 2  2 2 ϕ (x) + mωc (x − x0 ) ϕ(x) = E − − μB Hs ϕ(x). (5.332) − 2m 2 2m Dabei ist ωc die Zyklotronfrequenz, welche mit dem Bohrschen Magneton folgendermaßen zusammenh¨ angt: eH = 2μB H. (5.333) ωc = mcl Weiters ist x0 gegeben durch x0 = −

py p y cl =− . eH mωc

(5.334)

5.16 Magnetische Eigenschaften des idealen Fermi-Gases

143

Da Gl. (5.332) genau die Gestalt der Gleichung f¨ ur den harmonischen Oszillator hat, k¨ onnen wir sofort die Energieeigenwerte hinschreiben:   p2z 1 + ωc ν + E(pz , ν, s) = + sμB H mit pz ∈ , ν ∈ 0 , s = ±1. (5.335) 2m 2





Die Eigenwerte h¨ angen vom kontinuierlichen Parameter pz und den diskreten Parametern ν und s ab. Die nat¨ urliche Zahl ν numeriert die sogenannten Landau-Niveaus durch. Da wir die großkanonische Zustandssumme berechnen wollen, muss man sich die Frage stellen, wievielfach die Entartung bei gegebenem ν ist. Wir nehmen an, dass sich die Elektronen in einem Kasten mit den Abmessungen Lx , Ly , Lz befinden. W¨ahrend wir in z-Richtung das u ¨bliche Integrationsmaß Lz dpz /(2π) haben, ist in der xy-Ebene der Nullpunkt x0 des harmonischen Potentials vom Impuls py abh¨angig – siehe Gl. (5.334). Weil die y-Abh¨ angigkeit von ψ(x, s) durch exp(ipy y/) gegeben ist, m¨ ussen wir periodische Randbedingungen w¨ ahlen [13]: eipy Ly / = 1 ⇒ py =



2πn (n ∈ ). Ly

(5.336)

Weiters m¨ ussen wir 0 ≤ x0 ≤ Lx verlangen; somit ist n negativ und 2π|n|/(Ly mωc ) ≤ Lx . Das liefert den Entartungsgrad pro ν bezogen auf die xy-Ebene gxy =

Lx Ly mμB H Lx Ly mωc = . 2π π2

(5.337)

¨ Damit haben wir das Problem von freien Fermionen in einem Magnetfeld gel¨ost. Ubrigens h¨ atten wir auch in Unterkapitel 1.3 bei der Behandlung freier Teilchen im Kasten ˜ der periodische Randbedingungen verwenden k¨ onnen und h¨atten dieselbe Anzahl Ω Zust¨ ande wie in Gl. (1.32) erhalten. Ab jetzt betrachten wir in diesem Abschnitt nur den Effekt des Vektorpotentials im Hamiltonoperator Gl. (5.319), was bedeutet, dass wir in E aus Gl. (5.335) den Spinteil weglassen. Allerdings m¨ ussen wir bei der Abz¨ahlung der Zust¨ande die m¨oglichen Spineinstellungen ber¨ ucksichtigen, um die richtige Suszeptibilit¨at zu bekommen, die mit der Bahnbewegung der Elektronen zusammenh¨ angt. Mit der Abk¨ urzung   p2z 1 + ωc ν + ν (pz ) = (5.338) 2m 2 ist unser gew¨ unschtes großkanonisches Potential somit gegeben durch J(T, H, μ) = −2kT gxy

∞  ν=0



−∞

  Lz dpz ln 1 + e−β(ν (pz )−μ) , 2π

(5.339)

wobei der Faktor 2 die Spineinstellungen ber¨ ucksichtigt. Das Volumen V = Lx Ly Lz halten wir konstant und bezeichnen daher in J die Abh¨angigkeit von V nicht.

144

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Zur Berechnung von J in Gl. (5.339) machen wir zuerst eine partielle Integration und erhalten ∞ p2 4gxy Lz  ∞ 1 dpz z β( (p )−μ) . (5.340) J =− ν z π ν=0 0 2m e +1 Anstelle von pz verwenden wir die Integrationsvariable z : p2z m ⇒ dpz = dz . z = 2m 2z Nach diesem Zwischenschritt erhalten wir ∞ 4gxy Lz ∞ m  z J =− dz . π 2z ν=0 eβ(ν (pz )−μ) + 1 0

(5.341)

(5.342)

Zur Berechnung des Diamagnetismus gen¨ ugt es, den Limes T → 0 zu betrachten. F¨ ur die Summation in Gl. (5.342) verwenden wir die Eulersche Summenformel aus Theorem 5 und brechen nach dem Ableitungsterm ab: ∞ 



1

eβ(z +ν −μ) + 1 ν=0





dν 0

1 + eβ(z +ν −μ) + 1

(5.343)

1 1 βωc eβ(z +0 −μ) 1 + , β( + −μ) 2 e z 0 + 1 12 (eβ(z +0 −μ) + 1)2 wobei wir die Abk¨ urzungen   1 ν = ωc ν + , 2

0 =

1 ωc 2

(5.344)

verwendet haben. Der Limes T → 0 auf der rechten Seite von Gl. (5.343) l¨asst sich leicht durchf¨ uhren unter Ber¨ ucksichtigung von Gl. (5.288) und lim

β→∞

βeβu 2

(eβu + 1)

= δ(u),

(5.345)

wobei δ(u) die Delta-Funktion ist. Als Resultat bekommen wir F (z ) =

1 1 1 (μ−0 −z ) Θ(μ−0 −z )+ Θ(μ−0 −z )+ ωc δ(μ−0 −z ) (5.346) ωc 2 12

mit der Heaviside-Funktion Θ(u). Als N¨ achstes berechnen wir ∞ √ 4 1 1 1 5/2 3/2 1/2 ωc (μ − 0 ) . (5.347) dz z F (z ) = (μ − 0 ) + (μ − 0 ) + 15 ωc 3 12 0 Die Gr¨ oße des Bohrschen Magnetons ist μB = 5.7884 × 10−5 eV T−1 . Daher ist μ  F  μB H = ωc /2 und wir entwickeln Gl. (5.347) nach ωc = 2μB H. Weil wir f¨ ur

5.16 Magnetische Eigenschaften des idealen Fermi-Gases

145

die Suszeptibilit¨ at die Ableitung der Magnetisierung nach H ben¨otigen, gen¨ ugt es, J quadratisch in H zu kennen. Eine Potenz von H steckt in gxy , daher reicht in Gl. (5.347) die Entwicklung bis zur ersten Ordnung in ωc : ∞ √ 4 5/2 1 1/2 μ (ωc )−1 − μ ωc . dz z F (z )  (5.348) 15 24 0 Nun setzen wir dieses Resultat und den Entartungsgrad der Landau-Niveaus Gl. (5.337) in Gl. (5.342) ein und erhalten das Endresultat, welches sich mit Hilfe der Zustandsdichte (5.286) recht einfach darstellen l¨ asst:  4 2 1 J(T = 0, H, μ)  −V g(μ) (5.349) μ − (μB H)2 . 15 6 Der erste Term auf der rechten Seite dieser Gleichung stimmt mit dem großkanonischen Potential des idealen Fermi-Gases bei T = 0 aus Unterkapitel 5.15 u ¨ berein. Durch Ableitung von J erh¨ alt man Magnetisierung und Teilchendichte: Mz = −

1 ∂J , V ∂H

ρ=−

1 ∂J . V ∂μ

(5.350)

Die zweite Gleichung erlaubt, das chemische Potential μ als Funktion von T , ρ und H auszudr¨ ucken. Mit J aus Gl. (5.349) werten wir die zweite Gleichung unter Verwendung von Gl. (5.314) aus und erhalten   2  2 1 μB H ρ  g(μ)μ 1 − . (5.351) 3 8 μ Offensichtlich gilt μ = εF bei H = 0. Damit ergibt die n¨aherungsweise Umkehrung von Gl. (5.351)  2   1 μB H μ(T = 0, H, ρ)  εF 1 + . (5.352) 12 εF Wie zu erwarten war, ist der Korrekturterm zu εF quadratisch in H. D.h., setzen wir atzlich zum H-unabh¨angigen Term einen Term Gl. (5.352) in Mz ein, erzeugen wir zus¨ quadratisch in H in der Suszeptibilit¨ at. Da wir uns mit einer H-unabh¨angigen Suszeptibilit¨ at begn¨ ugen, verwenden wir μ = εF in Mz und erhalten das Endresultat 1 1 χLandau = − μ2B g(εF ) = − χPauli . 3 3

(5.353)

Die Bahnbewegung der Elektronen bewirkt also eine negative Suszeptibilit¨at, d.h., einen diamagnetischen Effekt. Allerdings ist der Nettoeffekt aus Pauli-Paramagnetismus und Landau-Diamagnetismus f¨ ur freie Elektronen ein paramagnetischer, denn χPauli + χLandau = 23 χPauli ist positiv. Wir betonen nochmals, dass die ab Gl. (5.338) gef¨ uhrte Diskussion ausschließlich auf den Landau-Diamagnetismus zugeschnitten ist, weil zwar die Fermi-Statistik ber¨ ucksichtigt, jedoch der Spinteil in Gl. (5.338) weggelassen ist. Z.B. ist Gl. (5.352) keineswegs das vollst¨ andige chemische Potential des idealen Elektronengases im Magnetfeld [13].

146

5.16.4

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Der de Haas-van Alphen-Effekt

In den beiden vorigen Abschnitten haben wir in der Suszeptibilit¨at die Spineffekte und Bahnbewegung der Elektronen getrennt behandelt. Allerdings ist das vollst¨andige J f¨ ur das freie Fermi-Gas gegeben als ∞     Lz dpz (5.354) J(T, H, μ) = −kT gxy ln 1 + e−β(E(pz ,ν,s)−μ) 2π s=±1 ν=0 mit E aus Gl. (5.335) und dem Entartungsgrad gxy aus Gl. (5.337). Daraus ist nicht zu sehen, warum sich Spin- und Bahneffekte getrennt behandeln lassen sollten. Tats¨achlich ist die vollst¨ andige Suszeptibilit¨ at gegeben durch χ = χPauli + χLandau + χosz ,

(5.355)

wobei χosz der Teil ist, wo sich diese Effekte eben nicht trennen lassen. Allerdings wird dieser Anteil nur bei tiefen Temperaturen wirksam. Die Berechnung von χosz ist aufwendig; es wird auf [13] verwiesen. Das Resultat ist n¨aherungsweise   πp εF π   − cos ∞ 1/2  εF 3π 2 kT μB H 4  2  . ρ 2 p1/2 χosz  (5.356) 2 H μB H π pkT p=1 sinh μB H Offensichtlich ist die Suszeptibilit¨ at χosz f¨ ur Temperaturen kT  μB H exponentiell unterdr¨ uckt. Setzen wir ρ aus Gl. (5.293) in χosz ein und verwenden Gl. (5.328), erhalten wir   πp εF π  3/2  − cos ∞ εF kT μB H 4  2  . p1/2 χosz  χPauli × π 2 (5.357) μB H μB H π pkT p=1 sinh μB H ur gen¨ ugend kleine TemperatuIn dieser Form sieht man wegen εF  μB H leicht, dass f¨ ren χosz viel gr¨ oßer als χPauli ist. Das oszillierende Verhalten der magnetischen Suszeptibilit¨ at in 1/H, welches bei tiefen Temperaturen auftritt, heißt de Haas-van AlphenEffekt – siehe auch Abschnitt 5.17.2.

5.17

Para- und Diamagnetismus im Festk¨orper

Als Anwendung und Abrundung der besprochenen para- und diamagnetischen Effekte f¨ uhren wir eine vereinfachte Diskussion des Festk¨orpers im Magnetfeld durch. F¨ ur weitergehende Diskussionen verweisen wir z.B. auf [36].

5.17.1

Nichtmetall

Paramagnetismus: Enth¨ alt der Festk¨ orper Ionen mit Gesamtdrehimpuls j = 0, ist er paramagnetisch mit einer Suszeptibilit¨ at entsprechend dem Curie-Gesetz (5.176).

5.17 Para- und Diamagnetismus im Festk¨ orper

147

Diamagnetismus: Viele Ionenkristalle enthalten Ionen mit abgeschlossen Schalen; z.B. F− und Na+ haben eine Elektronenh¨ ulle entsprechend der des Edelgases Neon. Solche Ionen erzeugen einen Diamagnetismus, wie wir jetzt darlegen werden. Der relevante Hamiltonoperator eines solchen Ions ist der Hamiltonoperator der Elektronen im konstanten Magnetfeld. Wir m¨ ussen also das Vektorpotential aus Gl. (5.320) in den Hamiltonoperator (5.319) einsetzen und auf den Fall von mehreren Elektronen verallgemeinern. Unter Ben¨ utzung der Umformung   e i · H  +A  · Pi = μB L  Pi · A (5.358) 2mcl  erhalten wir damit    ze  2    2  2 P e μ B i

=  2X 2 − H +  i + 2S i · H  ·X i H H + L , (5.359) i 2 2m  8mc l i=1  i , Li und S i Impuls-, Orts-, Bahndrehimpuls- und Spinoperator des i-ten wobei Pi , X Elektrons sind. Die Summe geht u ¨ ber die ze Elektronen im Ion. Der zweite Term auf der rechten Seite ergibt den Paramagnetismus f¨ ur Elektronenzust¨ande mit j = 0, der dritte Term ist f¨ ur den Diamagnetismus verantwortlich. Da bei Raumtemperatur die Elektronen des Ions im Grundzustand ψ sind und die Energie elektronischer Anregungen viel gr¨ oßer als kT ist, ist der f¨ ur den Diamagnetismus relevante Beitrag zur Energie [36] gegeben durch ze e2 H 2  ΔEdia = ψ|(Xi2 + Yi2 )ψ. (5.360) 8mc2l i=1 Wir definieren r2  =

ze 1  ψ|(Xi2 + Yi2 + Zi2 )ψ ze i=1

(5.361)

und ber¨ ucksichtigen, dass der Zustand ψ rotationssymmetrisch ist. Damit erhalten wir die von Gl. (5.360) herr¨ uhrende T -unabh¨ angige negative Suszeptibilit¨at χIon dia = −

N ∂2 N e2 2 ΔE = − × ze r2 , dia 2 2 V ∂H V 4mcl 3

(5.362)

wobei N die Anzahl der diamagnetischen Ionen ist. Mit dem Bohrschen Radius a0 = 2 /(me2 ) und der Feinstrukturkonstante α = e2 /(cl ) schreiben wir Gl. (5.362) um in 1 2 2 χIon dia = − ρ α a0 ze r . 6

(5.363)

Sind mehrere Sorten von diamagnetischen Ionen vorhanden, muss man in Gl. (5.363) u ¨ ber die Sorten summieren, wobei die Werte von ρ, ze und r2  im Allgemeinen von der Sorte abh¨ angen. Die Suszeptibilit¨ at χ ist eine dimensionslose Gr¨oße. Allerdings unterscheidet sich ihr Wert im SI-Einheitensystem von dem im Gauß-System durch einen numerischen Faktor: χ|SI = 4π χ|Gauß . Die Umrechnung von SI in Gauß-Einheiten und vice versa ist im

148

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

Detail im Anhang von [45] diskutiert. Im Folgenden wollen wir die Gr¨oßenordnungen von Dia- und Paramagnetismus vergleichen. Da wir in diesem Buch f¨ ur elektromagnetische Gr¨ oßen das Gauß-System ben¨ utzen, k¨ onnten wir insbesondere f¨ ur die paramagnetische Suszeptibilit¨ at χpara aus dem Curie-Gesetz (5.176) alle Gr¨oßen in cgs-Einheiten einsetzen. Es gibt aber einen einfacheren Weg, um diesen Vergleich zu machen, der noch dazu alle m¨ oglichen Schwierigkeiten bei der Umrechung zwischen SI und Gauß-Einheiten vermeidet. Dieser Weg n¨ utzt aus, dass in der paramagnetischen Suszeptibilit¨at als einzige elektromagnetische Gr¨ oße das Bohrsche Magneton auftritt und dass sich in μB das Verh¨ altnis e/m zu Gunsten der Feinstrukturkonstante und des Bohrschen Radius eliminieren l¨ asst: 1 (5.364) μ2B = α3 a20 cl . 4 uhren. Nun k¨ onnen wir leicht einen Gr¨ oßenordnungsvergleich von χpara mit χIon dia durchf¨ 2 2 Mit r  ∼ a0 erhalten wir die grobe Absch¨ atzung χIon dia /χpara ∼

a0 kT . αcl

(5.365)

ogliche verschiedene Dichten von diamagnetischen und Dabei haben wir weder ze noch m¨ paramagnetischen Ionen ber¨ ucksichtigt. Setzen wir in Gl. (5.365) a0  0.5 × 10−10 m und T ∼ 300 K ein, bekommen wir, dass der Diamagnetismus etwa zwei bis drei Gr¨ oßenordnungen kleiner als der Paramagnetismus ist [36]. In absoluten Zahlen ist −5 χpara ∼ 10−2 ÷ 10−3 und χIon . dia ∼ 10

5.17.2

Metall

Wir unterscheiden die zwei F¨ alle kT  μB H und kT ∼ μB H. kT  μB H: Betrachten wir Raumtemperatur, also kT ∼ 1/40 eV, und H  20 Tesla, was etwa den gr¨ oßten im Labor erzeugbaren Magnetfeldern entspricht, finden wir μB H  10−3 eV, also ist μB H viel kleiner als kT . Wir orientieren uns am freien Elektronengas als N¨ aherung f¨ ur die Leitungselektronen. Daher haben wir insgesamt χ = χPauli + χLandau + χA dia ,

χosc  0,

(5.366)

umpfe entspricht, also das Analogon zu χIon wobei χA dia dem Diamagnetismus der Atomr¨ dia ist. Das freie Elektronengas ist allerdings zu stark idealisiert. In einer Verallgemeinerung, die nur in einfachen F¨ allen funktioniert, kann die Elektronmasse m durch eine effektive Masse m∗ f¨ ur die Bahnbewegung ersetzt werden [36]. Es ist leicht einzusehen, dass dann die Energieeigenwerte aus Gl. (5.335) ersetzt werden m¨ ussen durch [13]   p2 1 m E(pz , ν, s) = z ∗ + 2μ∗B H ν + (5.367) + sμB H mit μ∗B = ∗ μB . 2m 2 m Damit wird Gl. (5.353) korrigiert zu χLandau 1  m 2 =− . χPauli 3 m∗

(5.368)

5.17 Para- und Diamagnetismus im Festk¨ orper

149

kT ∼ μB H: In diesem Bereich dominiert, wie beim freien Elektronengas besprochen, at und damit der de Haas-van Alphen-Effekt. Allerder Anteil χosc in der Suszeptibilit¨ dings m¨ ussen wir wieder in Gl. (5.356) an geeigneten Stellen die Ersetzung m → m∗ machen [13]:   πp εF π   1/2   − cos ∞ μ∗B H 4 εF 3π 2 kT m∗ p 1/2   . (5.369) ρ 2 χosz  (−1) cos πp p 2 2 H μ∗B H m π pkT p=1 sinh μ∗B H Dass die Ersetzung

  m∗ 1 = (−1) cos(πp) → (−1) cos πp ∀p m p

p

(5.370)

zu machen ist, ist nur aus der Berechnung von χosc erkennbar – siehe [13]. Das Vorkommen von m∗ /m weist darauf hin, dass χosc ein Effekt ist, wo sowohl die Landau-Niveaus als auch die Spineinstellungen in untrennbarer Weise beitragen. Gleichung (5.369) hat eine Oszillationsperiode (Grundschwingung) in 1/H von Δ

1 2μ∗B = . H εF

(5.371)

Wie kommt dieser Effekt zustande? Wir betrachten die Energieniveaus Gl. (5.367) und ullt sind. Der ber¨ ucksichtigen, dass die Energieniveaus im Wesentlichen nur bis εF gef¨ Entartungsgrad gxy der Landau-Niveaus – siehe Gl. (5.337) – ist proportional zu H. Reduzieren wir die Feldst¨ arke, wird gxy daher kleiner. Halten wir s fest, dann rutscht bei   2μ∗B ν + 12 + sμB 1 = (5.372) Hν εF das ν-te Landau-Niveau unter die Fermi-Kante und wird bei weiterer Reduzierung von H bef¨ ullt. Man kann n¨ amlich zeigen, dass sich durch das Einschalten des Magnetfelds die Anzahl der Zust¨ ande mit Energien kleiner gleich εF nicht ¨andert, die Zust¨ande werden nur umgeordnet“. Das ist insofern einleuchtend, als das Einschalten des Magnetfelds ” zwar die Bahnen der Elektronen aber nicht deren kinetische Energie ver¨andert. Die −1 − Hν−1 ergibt gerade Gl. (5.371). Definieren wir die Fermi-Kugel als die Differenz Hν+1 Fl¨ ache im k-Raum gegeben durch 2k 2 = εF , 2m∗ erhalten wir Δ

1 e 2π = H cl AF

mit

(5.373)

AF = πk 2 .

(5.374)

oßte Querschnitt der Fermikugel im k-Raum. Dabei ist AF der gr¨ F¨ ur realistische Metalle ist die Fermi-Fl¨ache im Allgemeinen keine Kugel, sondern wird erhalten aus der Dispersionsrelation durch ω(k ) = εF . In der Festk¨orperphysik

150

5 Systeme von Teilchen ohne Wechselwirkung

wird Folgendes gezeigt [36]: Wenn man ein Magnetfeld H(k ) in Richtung k legt und ver¨ andert, erh¨ alt man die Grundschwingung Δ

2π 1 e = , cl Ae (k ) H(k)

(5.375)

wobei Ae (k ) der Extremalquerschnitt der Fermi-Fl¨ache orthogonal zu k ist. Der de Haas-van Alphen-Effekt erlaubt also, Aussagen u ¨ ber die Fermi-Fl¨ache zu machen.

5.18

¨ Ubungsaufgaben

1.

Berechnen Sie unter Verwendung der Maxwell-Verteilung die mittlere Geschwindigkeit v¯ f¨ ur ein ideales Gas, wobei v¯ als Erwartungswert von |v | definiert ist.

2.

Ein Gas von N klassischen nichtwechselwirkenden Teilchen sei im Kontakt mit einem W¨ armebad der Temperatur T . Die Hamiltonfunktion eines Teilchens sei Hkl = cl | p |. Berechnen Sie mit Hilfe des Gleichverteilungssatzes den Erwartungswert der Energie.

3.

Berechnen Sie f¨ ur das vorige Beispiel die freie Energie, die Entropie und die Zustandsgleichung.

4.

Ein Teilchen mit der Hamiltonfunktion Hkl = p 2 /2m + V (r) sei im Kontakt mit einem W¨ armebad der Temperatur T . Das Potential habe die Form V (r) = ξrα mit der Kopplungskonstanten ξ > 0, α > 0 und r = |x |. Berechnen Sie die mittlere Energie des Teilchens.

5.

Berechnen Sie den Erwartungswert von Hkl = p2 /2m + ξx4 (eindimensionales Problem) in einem W¨ armebad der Temperatur T .

6.

Ein Teilchen im W¨ armebad mit nur einem Translationsfreiheitsgrad sei auf den Bereich |x| < L eingeschr¨ ankt und bewege sich im Potential V (x) = 12 ξx2 . Berechnen Sie Hkl  unter Verwendung der Gaußschen Fehlerfunktion. Diskutieren Sie weiters die Limiten kT  V0 und kT  V0 (V0 ≡ ξL2 /2).

7.

Geben Sie gem¨ aß dem Gleichverteilungssatz die W¨armkapazit¨aten von CO2 -Gas und Wasserdampf an. Welche W¨ armekapazit¨aten werden tats¨achlich bei T ∼ 400 K gemessen?

8.

Schreiben Sie Zrot f¨ ur das

9.

ul die Zustandssummen Zpara und Zortho in f¨ uhBerechnen Sie f¨ ur das H2 -Molek¨ ur die W¨armekapazit¨aten? render Ordnung in T /Tr . Was folgt daraus f¨

16

O2 -Molek¨ ul an.

10. Ein Te O2 -Einkristall mit einer Masse von 750 g habe eine Temperatur von 10 mK. Um wieviel erh¨ oht sich seine Temperatur, wenn er eine Energie von 1 MeV aus einem Teilchenzerfall absorbiert? Die Debye-Temperatur von Te O2 ist 232 K. Dieses Messprinzip wird im CUORE-Experiment angewendet.

¨ 5.18 Ubungsaufgaben

151

11. Berechnen Sie zum vorigen Beispiel die Schwankung der inneren Energie des Te O2 Kristalls und sch¨ atzen Sie die relative Schwankung ab. 12. Eine Anzahl von Protonen mit dem magnetischen Moment μp = 1.41 × 10−26 JT−1 befinde sich in einem homogenen Magnetfeld mit einer St¨arke von 10 Tesla und im Kontakt mit einem W¨ armebad der Temperatur T = 300 K. Wie groß ist der Prozentsatz der Protonen, deren Spins in Richtung des Magnetfelds zeigt? 13. Berechnen Sie f¨ ur ein Photonengas die Entropie S(T, V ) aus der Energiedichte η(T ) und dem Strahlungsdruck. 14. Berechnen Sie f¨ ur ideale Bose- und Fermi-Gase die Schwankung des Besetzungszahloperators νˆj . 15. Es seien N Bosonen mit Spin 0 in einem harmonischen Oszillatorpotential gefangen. Dem Potential entsprechen die Kreisfrequenzen ω1 , ω2 , ω3 in Richtung der Koordinatenachsen. Ersetzen Sie die Summation u ¨ber die Oszillatorniveaus durch geeignete Integrale und berechnen Sie damit N als Funktion von Temperatur und ur BE-Kondensation Fugazit¨ at. Zeigen Sie damit, dass die kritische Temperatur Tc f¨ durch N = (kTc )3 ζ(3)/(ω)3 bestimmt ist (ω ≡ (ω1 ω1 ω1 )1/3 ). 16. Berechnen Sie Tc aus dem vorigen Beispiel f¨ ur N = 104 und ω = 1000 s−1 . 17. Zeigen Sie, dass im Limes schwacher Magnetfelder die großkanonische Zustandssumme Gl. (5.354) u ¨ bergeht in die großkanonische Zustandssumme des freien idealen Fermi-Gases.

6

Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

6.1

Reales Gas: Cluster- und Virialentwicklung

In diesem Unterkapitel verwenden wir die klassische N¨aherung f¨ ur die Berechnung der kanonischen Zustandssumme, daher nehmen wir an, dass die Bedingung V /N  λ3 erf¨ ullt ist – zur Definition der de Broglie-Wellenl¨ange λ siehe Gl. (1.66). Die Clusterentwicklung: In dieser Entwicklung ben¨ utzt man, dass sich gem¨aß Gl. (4.51) die großkanonische Zustandssumme als Funktion der Fugazit¨ at z = eβμ in eine Reihe entwickeln l¨asst: Ykl (T, V, μ) =

∞ 

z N Zkl (T, V, N ),

(6.1)

N =0

wobei die Koeffizienten Zkl (T, V, N ) die mit den Hamiltonfunktionen  p 2 2 p i , Hkl N = + UN (x1 , . . . , xN ) (N ≥ 2) 2m 2m i=1 N

Hkl 0 = 0, Hkl 1 =

(6.2)

berechneten kanonischen Zustandssummen sind – siehe Gl. (4.50). Der Index kl weist auf die klassische N¨ aherung hin. Mit dem Integral Gl. (4.58) erh¨alt man 1 1 Zkl (T, V, N ) = 3N AN mit AN = d3 x1 · · · d3 xN exp (−βUN (x1 , . . . , xN )) . λ N! V V (6.3) Die Relation Gl. (2.9) f¨ ur das großkanonische Potential gibt    z 2  z 3 z  kT + A2 ln 1 + V + A3 + ··· . (6.4) p(T, V, μ) = V λ3 λ3 λ3 Nun nehmen wir an, dass das Argument des Logarithmus gen¨ ugend nahe bei Eins ist und wir die Entwicklung ln (1 + u) = u − u2 /2 + u3 /3 − + · · · anwenden k¨onnen. Wir ordnen um, so dass wieder eine Entwicklung nach z/λ3 entsteht: ∞  n  p ˜n z B = , kT λ3 n=1

(6.5)

154

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

wobei die ersten drei Koeffizienten gegeben sind durch ˜1 = 1, B * + 1 3 ˜ B2 = d x1 d3 x2 e−βU2 ( x1 , x2 ) − 1 , 2V V V * 1 3 ˜3 = B d x1 d3 x2 d3 x3 e−βU3 ( x1 , x2 , x3 ) 6V V V V

+ −e−βU2 ( x1 , x2 ) − e−βU2 ( x2 , x3 ) − e−βU2 ( x1 , x3 ) + 2 .

(6.6)

Der weiteren Diskussion legen wir die Annahme zugrunde, dass das N -Teilchen-Potential eine Summe von Zweiteilchen-Potentialen ist, dass also  UN (x1 , . . . , xN ) = wjk mit wjk ≡ w(|xj − xk | ) (6.7) 1≤j d negativ ist; f¨ ur r  d geht es gegen Null. Das bewirkt eine

156

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

anziehende Kraft zwischend den Molek¨ ulen innerhalb einer Distanz von einigen Molek¨ uldurchmessern. Es ist anzunehmen, dass f¨ ur kT ∼ |w(¯ r )|, wobei r¯ der mittlere Molek¨ ulabstand ist, der Phasen¨ ubergang vom gasf¨ormigen zum fl¨ ussigen Aggregatzustand eintreten wird. Weil wir ein Gas beschreiben wollen, machen wir daher die Annahme |w(r)|  1 f¨ ur kT

r > d.

(6.17)

Aus Gl. (6.16) leiten wir damit ab, dass B2 (T ) durch d ∞ dr r2 − 2πβ dr r2 w(r) B2 (T )  −2π 0

(6.18)

d

gegeben ist. Somit erhalten wir B2 (T )  −b +

a kT

mit

b=

2πd3 , 3

a = −2π



dr r2 w(r).

(6.19)

d

Beide Koeffizienten a und b sind positiv und b ist das Vierfache des Eigenvolumens des Molek¨ uls. Einsetzen von Gl. (6.19) in die Virialentwicklung liefert *  a  2+ p = kT ρ + b − ρ = kT ρ(1 + bρ) − aρ2 . kT

(6.20)

Das ist fast die van der Waals-Gleichung aus Gl. (3.1), aber die Virialentwicklung liefert sie eben nicht ganz – zumindest nicht in der von uns betrachteten Ordnung der Entwicklung. Wir m¨ ussen noch die Ersetzung 1 + bρ → (1 − bρ)−1 machen, um p=

kT ρ − aρ2 1 − bρ

(6.21)

zu bekommen. Wegen ρ = N/V stimmt diese Gleichung genau mit van der WaalsGleichung in Gl. (3.1) u ¨ berein. Diese Herleitung“ ist aus zwei Gr¨ unden unbefriedigend. Der eine Grund ist der willk¨ ur” liche letzte Schritt. Der andere folgt aus der Tatsache (siehe n¨achstes Unterkapitel), dass die van der Waals-Gleichung den Phasen¨ ubergang gasf¨ormig – fl¨ ussig zumindest qualitativ richtig beschreibt. Daher ist sowohl die die Notwendigkeit von bρ  1 als auch die der N¨ aherung Gl. (6.17) fraglich. Alternative Herleitung der van der Waals-Gleichung: Wir betrachten die sogenannte Molekularfeldn¨aherung f¨ ur den Spezialfall des realen, verd¨ unnten Gases. Wir nehmen ein Teilchen heraus, welches sich im mittleren Potential der anderen bewegt. Damit haben wir eine effektive Einteilchen-Theorie. Wir nehmen an, die Teilchen seien kugelf¨ ormig mit Durchmesser d und unendlich hart. Dann machen wir folgenden Ansatz f¨ ur dieses mittlere Potential: ∞ f¨ ur |x − y | ≤ d, ¯ U (x ) = (6.22) ¯0 −U sonst.

6.2 Die van der Waals-Gleichung

157

Dabei ist y der Ortsvektor eines beliebigen anderen Teilchens. Es ist plausibel, die St¨arke ¯0 als proportional zur Teilchendichte anzunehmen: von U ¯0 = a N . (6.23) U V Damit erhalten wir eine effektive kanonische Zustandssumme in klassischer N¨aherung als N N   1 1 1 d3 p −β p 2 /(2m) ¯ x) ¯0 3 −β U(  βU Z¯ = e xe = (V − N b ) e , (6.24) d N! (2π)3 N ! λ3 wobei Gl. (6.22) bewirkt, dass vom Volumen V das Volumen N b abgezogen wird, welches dem Ortsvektor x nicht zur Verf¨ ugung steht. Naiverweise w¨ urde man b = 4πd3 /3  urde. Allerdings wird in [10] arsetzen, woraus b = 2b mit b aus Gl. (6.19) folgen w¨ gumentiert, dass das Volumen, das dem System als Ganzes nicht zur Verf¨ ugung steht, durch eine Selbstkonsistenz¨ uberlegung bestimmt werden muss: F¨ ur jedes wechselwirkende Paar von Teilchen ist ein Volumen einer Kugel mit dem Radius d ausgeschlossen; bezeichnet man das Volumen, das im Mittel einem Teilchen nicht zur Verf¨ ugung steht, mit N b , so bestimmt sich dieses durch   2πd3 1 N 4πd3  N ⇒ b = b. (6.25) Nb = N 2 3 3 Somit folgt aus Z¯ p = kT

% ∂ $ ∂ ¯0 , ln Z¯ = N kT ln(V − N b) + β U ∂V ∂V

(6.26)

und wir erhalten

N kT N2 −a 2, V − Nb V also tats¨ achlich die van der Waals-Gleichung. p=

(6.27)

Man kann sich fragen, inwieweit die Interpretation von b als das vierfache Eigenvolumen eines Teilchens mit den gemessenen Werten von b u ¨ bereinstimmt. Mit Gl. (6.19) erh¨alt man den Molek¨ ulradius r0 zu r0 = [3b/(16π)]1/3 bzw.  1/3 bm ˚ r0  100 × A (6.28) 1 m3 kmol−1 ur b aus [26] erh¨alt man f¨ ur eine Auswahl ann¨ahernd mit bm = bNA . Mit den Werten f¨ kugelf¨ ormiger Gasmolek¨ ule folgende Tabelle: Gas r0 [˚ A]

He 1.33

Ne 1.20

Ar 1.47

Kr 1.57

Xe 1.72

C H4 1.62

N H3 1.54

oßenordnung von Atom- bzw. Molek¨ ulradien. Diese Radien r0 sind von der richtigen Gr¨ Allerdings ist die Definition eines Atom- bzw. Molek¨ ulradius nicht eindeutig. Jedoch sind in der Literatur angegebene Atom- bzw. Molek¨ ulradien etwas gr¨oßer als die Werte von r0 in obiger Tabelle.

158

6.3

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

Der Phasenu¨bergang gasf¨ormig – flu¨ssig

Der kritische Punkt: Es stellt sich heraus, dass die van der Waals-Gleichung den Phasen¨ ubergang gasf¨ormig – fl¨ ussig zumindest in semiquantitativer Weise beinhaltet. Das wollen wir jetzt demonstrieren. Dazu schreiben wir die van der Waals-Gleichung in der Form p(T, v) =

a kT − 2 v−b v

mit v =

V N

(6.29)

an und machen eine Kurvendiskussion. Ist kT sehr groß, dominiert der erste Term auf der rechten Seite von Gl. (6.29) und der Zusammenhang von p und v bei gegebenem T ist eindeutig. Ist hingegen kT klein, dominiert f¨ ur kleine v der zweite Term, außer in der N¨ ahe von b, wo der Druck gegen unendlich geht. Die van der Waals-Gleichung geschrieben als algebraische Gleichung in v ist eine kubische Gleichung. Es muss daher ur T < Tc der Zusammenhang zwischen p eine kritische Temperatur Tc geben, so dass f¨ und v mehrdeutig ist, d.h., wo es f¨ ur ein p drei L¨osungen in v gibt. Die kritische Temperatur ist gegeben, wenn p(Tc , v) als Funktion von v einen Wendepunkt mit waagrechter Tangente hat. Diesen Punkt nennt man kritischen Punkt. Mit den Ableitungen ∂p kT 2a = − + 3, ∂v (v − b)2 v 2 ∂ p 2kT 6a = − 4 ∂v 2 (v − b)3 v

(6.30) (6.31)

ist der kritische Punkt durch das Geichungssystem ∂p = 0, ∂v

∂2p =0 ∂v 2

(6.32)

festgelegt. Dieses nichtlineare System von zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten l¨asst sich leicht l¨ osen, indem wir mit Hilfe von Gl. (6.30) und Gl. (6.31) die Gr¨oße kT /(v −b)2 durch v ausdr¨ ucken. Damit berechnen wir das Volumen vc am kritischen Punkt durch 2a 3a kT = 3 = 4 (vc − b) (vc − b)2 vc vc



vc = 3b

(6.33)

und daraus die Temperatur Tc und den Druck pc . Folglich erhalten wir vc = 3b,

kTc =

8a , 27b

pc =

a 27b2

(6.34)

am kritischen Punkt. Also haben wir die Situation, dass die van der Waals-Gleichung als algebraische Gleichung in v f¨ ur T < Tc einen Wendepunkt hat. Daher gibt es f¨ ur gewisse p drei Volumina v mit p = p(T, v). Die Druckkurve f¨ ur Temperaturen unterhalb von Tc : Wie ist die Situation f¨ ur T < Tc zu interpretieren? Um das herauszufinden, studieren wir die freie Energie des van der Waals-Gases.

6.3 Der Phasen¨ ubergang gasf¨ ormig – fl¨ ussig

159

-1

-2

-3

-4

0

1

2

v/vc

3

4

Abbildung 6.1: Die Funktion (f − f0 (T )) /(pc vc ) aus Gl. (6.35) f¨ ur T /Tc = 0.85. Die Koordinaten v1 , v2 der Tangentenpunkte sind durch die strichpunktierten Linien gekennzeichnet, die Koordinaten v1 , v2 der Wendepunkte durch punktierte Linien; letztere lokalisieren auch die Extrema von p(T, v).

• Wir schreiben die freie Energie Gl. (3.7) des van der Waals-Gases um in die Form f (T, v) ≡

F v−b a = f0 (T ) − kT ln − . N vc v

(6.35)

Der Druck hat in v zwei Extrema, ein lokales Minimum bei v1 und ein lokales Maximum bei v2 . Das bedeutet, dass die isotherme Kompressibilit¨at κT wegen  1 ∂p  ∂2f = −v =v 2 (6.36)  κT ∂v T ∂v im Bereich v1 < v < v2 negativ und das System instabil wird; kleine Volumsschwankungen schaukeln sich auf und f¨ uhren zu Explosion oder Implosion. • Anders ausgedr¨ uckt, 1/κT hat die Nullstellen v1 und v2 , bzw. f hat als Funktion von v zwei Wendepunkte. Daraus folgt, dass es zwei Volumina v1 , v2 (v1 < v1 < v2 < v2 ) mit einer gemeinsamen Tangente an f geben muss. Dieser Tangente entspricht der Druck   ∂f  ∂f  p¯ = − = − . (6.37) ∂v v=v1 ∂v v=v2 Weil bei diesen Punkten der Druck gleich ist, sind beide Volumina L¨osungen der Gleichung p¯ = p(T, v). Die mittlere der drei L¨osungen, welche zwischen v1 und v2

160

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung liegt, haben wir wegen dem unphysikalischen Bereich in v schon ausgeschieden. Der v-abh¨ angige Teil der freien Energie aus Gl. (6.35) mit der hier beschriebenen Tangentenkonstruktion ist in Abb. 6.1 illustriert, wo   v f (T, v) − f0 (T ) 8T 1 3vc (6.38) =− ln − − pc vc 3Tc vc 3 v als Funktion von v/vc abgebildet ist.

• Also bleiben von den drei Volumina beim Druck p¯ nur die beiden ¨außeren mit p¯ = p(T, v1 ) = p(T, v2 ) (v1 < v2 ) u ¨ ber. Wegen der gemeinsamen Tangente von f bei v1 und v2 l¨ asst sich p¯ schreiben als v2 f2 − f1 1 ∂f (6.39) p¯ = − =− dv v2 − v1 v2 − v1 v1 ∂v bzw.

1 p¯(T ) = v2 − v1



v2

dv p(T, v) = p(T, v1 ) = p(T, v2 ).

(6.40)

v1

Setzt man f¨ ur p(T, v) im Integral die van der Waals-Gleichung ein, liefert Gl. (6.40) drei Relationen f¨ ur p¯. Daher lassen sich bei gegebener Temperatur T < Tc die drei Gr¨ oßen v1 (T ), v2 (T ) und p¯(T ) aus Gl. (6.40) bestimmen. Diese Vorgangsweise nennt man Maxwell-Konstruktion – siehe Abb. 6.2. Weil gem¨aß Gl. (6.40) die Fl¨ ache unter Druckkurve zwischen v1 und v2 einem gleich großen Rechteck mit p entspricht, sind die beiden grauen Fl¨achen in Abb. 6.2 gleich Fl¨ ache (v2 − v1 )¯ groß. • Die Frage ist nun, welcher Teil der Kurve p = p(T, v) physikalisch ist und wie diese Kurve im unphysikalischen Bereich abge¨andert geh¨ort. Wir d¨ urfen f im Bereich v1 < v < v2 nicht entlang von f (T, v) laufen lassen, weil wir sonst in ¨ den unphyskalischen Bereich mit negativer Kompressiblit¨at kommen. Andern wir hingegen f so ab, dass die freie Energie entlang der Tangente l¨auft, erhalten wir f¯(α) = αf (T, v1 ) + (1 − α)f (T, v2 ) (0 ≤ α ≤ 1). (6.41) Dann ist

f¯(α) < f (T, αv1 + (1 − α)v2 ), (6.42) f¨ ur 0 < α < 1 und nach der Diskussion in Unterkapitel 2.4 hat das System mit f¯ eine gr¨ oßere Entropie als mit f (T, αv1 + (1 − α)v2 ). • Man kann sich leicht u ¨ berlegen, dass eine Fortsetzung von f im Bereich v1 < v < v2 unterhalb der Tangente unphysikalisch ist, weil man dann zwei Intervalle in v mit negativer Kompressibilit¨ at bekommt – siehe Gl. (6.36). Daher schließen wir, dass f¯ die korrekte Beschreibung des Gleichgewichtszustands darstellt. Gem¨ aß Gl. (6.36) ist die freie Energie wegen der Positivit¨at der Kompressibilit¨at eine konvexe Funktion in v. (f ist u ¨ brigens konkav in T , wie man mit Hilfe der W¨ armekapazit¨ at argumentiert.) In Abb. 6.2 sind drei Isothermen des van der Waals-Gases eingezeichnet. Anhand der Druckkurve mit T /Tc = 0.85 ist die Maxwell-Konstruktion illustriert: Im Mittelteil der Kurve (v1 < v < v2 ) stellt die horizontale Strecke den physikalischen Verlauf dar.

6.3 Der Phasen¨ ubergang gasf¨ ormig – fl¨ ussig

161

3

p/pc

2

1

0

0

v1 /vc

1

2

v/vc

3

v2 /vc

4

Abbildung 6.2: Drei Isothermen des van der Waals-Gases mit T /Tc = 1.15, 1.00 und 0.85 (von oben nach unten). F¨ ur T /Tc = 0.85 ist die Maxwell-Konstruktion eingezeichnet, wobei die beiden grauen Fl¨ achen sind gleich groß ist.

Der Phasen¨ ubergang: Fassen wir zusammen, was wir herausgearbeitet haben. Bei T < Tc sind drei Gebiete zu unterscheiden: v > v2 (T ): Die Teilchen befinden sich in der reinen Gasphase. v < v1 (T ): Die Teilchen befinden sich in einer reinen Phase (fl¨ ussige Phase). ussigen, der Rest in v1 (T ) < v < v2 (T ): Ein Teil der Teilchen befindet sich in der fl¨ der gasf¨ ormigen Phase. Die ensprechenden Anteile sind durch α und 1 − α gegeben. ussigen Phase zu sprechen? Bei Was ist die Berechtigung, bei v < v1 (T ) von einer fl¨ großem v ist man auf alle F¨ alle in der Gasphase. Geht man durch Druckerh¨ohung zu kleineren Volumina, gibt es in v einen Sprung von v2 (T ) zum kleineren Volumen v1 (T ) pro Teilchen, wenn der Druck den Wert p¯ u ¨ berschreitet. Die Teilchen sind aber trotzdem frei beweglich. Das ist das Kennzeichen einer Fl¨ ussigkeit. Der Druck p¯(T ) gegeben durch die Maxwell-Konstruktion Gl. (6.40) ist der Dampfdruck. Wir k¨ onnen auf die u ur v < v1 (T ) und v > v2 (T ) durch Legendre¨ bliche Art f¨ Transformation das chemische Potential μ(T, p) bekommen. An der Phasengrenze haben wir gerade (6.43) μ1 (T, p¯) = f1 + p¯ v1 , μ2 (T, p¯) = f2 + p¯ v2 .

162

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

Die erste Relation in Gl. (6.39) garantiert uns, dass μ1 (T, p¯) = μ2 (T, p¯)

(6.44)

gilt. Andrerseits macht die Ableitung nach p einen Sprung:   ∂μ2 (T, p¯)  ∂μ1 (T, p¯)  = v1 (T ) < = v2 (T ).   ∂p ∂p p=p¯ p=p¯

(6.45)

Wir haben also einen Phasen¨ ubergang erster Ordnung, der bei T ↑ Tc verschwindet, wobei auch die latente W¨ arme q = T (s2 − s1 ) in diesem Limes gegen Null geht. Die van der Waals-Gleichung l¨ asst sich mit Hilfe der kritischen Gr¨oßen auf eine universelle Form bringen: p˜ =

p ˜ T v , T = , v˜ = pc Tc vc



p˜ +

3 8T˜ . = 2 v˜ 3˜ v−1

(6.46)

Außerdem gilt 3 pc vc = = 0.375. kTc 8

(6.47)

Diese Relation ist f¨ ur viele Gase zumindest semiquantitativ erf¨ ullt. Mit den kritischen Daten aus [37] erh¨ alt man z.B. die Werte 0.305 f¨ ur 4 He, 0.309 f¨ ur H2 , 0.308 f¨ ur O2 und 0.227 f¨ ur H2 O. Die van der Waals-Gleichung beinhaltet nur zwei Phasen, die gasf¨ormige und die fl¨ ussige. Das Phasendiagramm hat nur eine Linie, die beim kritischen Punkt (Tc , pc ) beginnt und bei endlichem T den Druck p = 0 erreicht [28]. Nat¨ urlich hat die van der WaalsGleichung bei entsprechend tiefen Temperaturen keine G¨ ultigkeit mehr.

6.4

Oberfla¨cheneffekte bei der Dampfkondensation

Die Diskussion des Phasen¨ ubergangs in Unterkapitel 6.3 ber¨ ucksichtigt keine Ober¨ fl¨ acheneffekte. Jedoch gibt die Anderung der Koexistenzfl¨ache F zwischen Fl¨ ussigkeit und Gas einen zus¨ atzlichen Beitrag d- AO = σ dF

(6.48)

¨ zu dU , der Anderung der inneren Energie, den wir bisher vernachl¨assigt haben. Der Koeffizent σ in Gl. (6.48) ist die Oberfl¨ achenspannung, welche in J m−2 = N m−1 gemessen wird. Die Oberfl¨ achenspannung ist temperaturabh¨angig, sie verringert sich mit wachsendem T . Da sie ein makroskopisches Konzept ist, macht sie bei sehr kleinen Tropfen keinen Sinn mehr, was man auch so ausdr¨ ucken kann, dass σ schließlich abh¨angig vom Tropfenradius r wird. Besteht der Tropfen nur mehr aus einer kleinen Anzahl von Molek¨ ulen, muss man weniger Energie aufwenden, um ein Molek¨ ul aus dem Inneren an die Oberfl¨ ache zu bringen, als im Fall einer ebenen Oberfl¨ache, also nimmt σ mit r ab. F¨ ur Wasser ist dieser Effekt ist allerdings f¨ ur r  100 nm praktisch zu vernachl¨assigen und

6.4 Oberfl¨ acheneffekte bei der Dampfkondensation

163

bei r ∼ 10 nm immer noch relativ klein; f¨ ur kleinere Radien nimmt σ rasch ab, bzw. die Oberfl¨ achenspannung verliert ihren Sinn – f¨ ur Details siehe [35]. Im Folgenden werden wir den Einfluss der Oberfl¨achspannung auf die Dampfkondensation diskutieren und feststellen, dass sie f¨ ur die Tr¨opfchenbildung und den damit verbundenen metastabilen Zustand des u attigten Dampfes verantwortlich ist. Da¨bers¨ bei werden immer annehmen, dass das betrachtete System Fl¨ ussigkeitstropfen – Dampf sich weit unterhalb des kritischen Punkts befindet, so dass wir vf  vd annehmen k¨ onnen, wobei vf und vd das Fl¨ ussigkeits- bzw. Dampfvolumen pro Molek¨ ul bezeichnet. Obwohl wir die Bildung von Wassertropfen vor Augen haben, hat die Diskussion nat¨ urlich G¨ ultigkeit f¨ ur alle Stoffe, f¨ ur die unsere Annahmen zutreffen. Wir betrachten eine ideale Situation mit einem kugelf¨ormigen Tropfen mit Radius r umgeben von Dampf. Wir stellen uns vor, dass das Gef¨aß mit einem W¨armereservoir mit Temperatur T verbunden ist und eine Vorrichtung mit einem Kolben besitzt, so ¨ dass wir Volums¨ anderungen durch Anderung der Kolbenposition durchf¨ uhren und damit den Druck am Kolben bei einem vorgegebenen Druck p fixieren k¨onnen. Weiters nehmen wir an, dass in guter N¨ aherung die Oberfl¨achenspannung σ eine Konstante ist. Wie in Abschnitt 2.4.2 besprochen, hat im Gleichgewicht die freie Enthalpie G des Systems Fl¨ ussigkeitstropfen – Dampf ein Minimum. Da wir aber das Verh¨altnis Vf /Vd von Fl¨ ussigkeits- zu Dampfvolumen nicht kennen, empfiehlt es sich, die freie Enthalpie in der Form hinzuschreiben, wie sie aus der freien Energie F erh¨altlich ist. Damit schreiben wir f¨ ur unser System Fl¨ ussigkeitstropfen – Dampf G = Fd + Ff + p (Vd + Vf ) + 4πr2 σ.

(6.49)

Hier wie im Folgenden beziehen sich die Indizes d und f immer auf Dampf- bzw. Fl¨ ussigkeitsgr¨ oßen. Die Gesamtzahl der Teilchen im System sei N . Wegen N = Nd + Nf

und

Vf =

4πr3 3

(6.50)

k¨ onnen wir als unabh¨ angige Variable Vd , r und Nf w¨ahlen [31]. Um das Gleichgewicht des Systems zu finden, m¨ ussen wir G = G(T, Vd , r, Nf ) untersuchen. Wir suchen zuerst f¨ ur jede dieser Variablen die station¨ aren Punkte von G. Ableiten von G in Gl. (6.49) nach Vd und r und Nullsetzen der Ableitungen liefert 2σ . (6.51) r Die erste Relation ist evident, da der Druck am Kolben des Gef¨aßes ja nur durch den Dampfdruck verursacht wird. Die zweite Relation besagt, dass wegen der Oberfl¨ achenspannung der Druck im Tropfen gr¨ oßer als im Dampf ist. Nun machen wir die Umformung pd = p,

Ff + pVf = Ff + pf Vf − und erhalten

pf = p +

2σ 4πr3 8πr2 σ × = Nf μf (T, pf ) − 3 r 3

 2σ  4πr2 σ G = Nd μd (T, p) + Nf μf T, p + + r 3

(6.52)

(6.53)

164

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

μ 6

μd





μf



p¯d pd

pf

-p

Abbildung 6.3: Gleichheit der chemischen Potentiale des Tropfens und des u attigten ¨bers¨ ur r = ∞, der durch Dampfes gem¨ aß Gl. (6.54). Eingezeichnet ist auch der Dampfdruck p¯d f¨ den Schnittpunkt der Kurven bestimmt ist.

mit den chemischen Potentialen μd und μf . Ableitung von G bez¨ uglich Nf unter Ber¨ ucksichtigung der ersten Relation von Gl. (6.50) ergibt Gleichheit der chemischen Potentiale von Dampf und Fl¨ ussigkeit:  2σ  = μd (T, p). μf T, p + (6.54) r Diese Relation ist nach Abschnitt 2.4.1 offensichtlich: Zwischen Dampf und Fl¨ ussigkeit k¨ onnen Teilchen ausgetauscht werden, daher hat man im Gleichgewicht μd = μf . Gleichung (6.54) kann als Bestimmungsgleichung f¨ ur r bei gegebenem T und p gelesen werden. Bezeichnen wir die L¨ osung von Gl. (6.54) als r∗ = r∗ (T, p). In Abb. 6.3 sind schematisch die Kurven von μd und μf als Funktionen des Drucks eingezeichnet. Die ur μf , da die Ableitungen nach p die jeweiKurve f¨ ur μd ist wesentlich steiler als jene f¨ ligen molekularen Volumina ergeben. Außerdem ist die Kr¨ ummung der beiden Kurven negativ, weil diese Volumina mit dem Druck abnehmen. Allerdings ist bei Fl¨ ussigkeiten im Allgemeinen diese negative Kr¨ ummung sehr klein, da Fl¨ ussigkeiten eine sehr kleine Kompressibilit¨ at haben. Die Kurven schneiden sich beim Dampfdruck p¯d , der u ¨ber einer ebenen Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache (r = ∞) herrscht. Der Dampfdruck pd = p, der einen Fl¨ ussigkeitstropfen umgibt, wird gem¨ aß Gl. (6.54) bestimmt. Er muss h¨oher als p¯d sein, weil in Gl. (6.54) im Argument von μf nicht p, sondern der gr¨oßere Druck p + 2σ/r steht. In Abb. 6.3 ist dieser Sachverhalt illustriert: Aus den Kurven f¨ ur die chemischen Potentiale l¨ asst sich bei gegebenem Dampfdruck pd = p der Druck pf im Fl¨ ussigkeitstropfen und damit u ¨ ber Gl. (6.51) der Radius r∗ bestimmen. Beim Tropfenradius r = r∗ ist das System jedoch in einem labilen Gleichgewicht. Um die folgenden Diskussion u utzen wir die Notation ¨ bersichtlicher zu gestalten, ben¨ Δμ ≡ μf (T, pf ) − μd (T, pd ).

(6.55)

¨ ¨ Damit ist die Anderung der freien Enthalpie durch Anderung dNf der Anzahl der

6.4 Oberfl¨ acheneffekte bei der Dampfkondensation

165

Teilchen im Tropfen durch dNf G = Δμ dNf

(6.56)

gegeben. Wir unterscheiden nun zwischen r infinitesimal kleiner bzw. infinitesimal gr¨outzen die Gleichungen (6.51), (6.54) und (6.56): ßer als r∗ und ben¨ r < r∗ ⇒ pf (r) > pf (r∗ ) ⇒ Δμ > 0 ⇒ dNf G < 0 f¨ ur dNf < 0, r > r∗ ⇒ pf (r) < pf (r∗ ) ⇒ Δμ < 0 ⇒ dNf G < 0 f¨ ur dNf > 0. In dieser Zusamenstellung wurde die Positivit¨ at bzw. Negativit¨at von Δμ aus Abb. 6.3 abgelesen. Die unmittelbare Konsequenz ist, dass sich f¨ ur r < r∗ das System zu stabilisieren versucht, indem der Tropfen Molek¨ ule an den Dampf abgibt; damit wird aber r noch kleiner und der Prozess setzt sich fort, bis der Tropfen verschwindet. Ist jedoch r > r∗ , nimmt der Tropfen aus dem Dampf Molek¨ ule auf; der Tropfen vergr¨oßert sich und der Prozess f¨ uhrt zur vollst¨ andigen Kondensation des Dampfes. Der Sachverhalt, dass die freie Enthalpie bei r = r∗ ein Maximum hat, kann n¨aherungsweise direkter gesehen werden, falls man Inkompressibilit¨at der Fl¨ ussigkeit annimmt. ˜ von r allein Dann ist Nf = 4πr3 /(3vf ) und G aus Gl. (6.53) kann als Funktion G aufgefasst werden. Aus Gl. (6.53) bekommen wir somit 4πr3 4πr2 σ ˜ G(r) = N μd + . Δμ + 3vf 3

(6.57)

˜ – bei konstantem vf – ist gegeben durch Die zweite Ableitung von G ˜ 8πr ∂2G = Δμ − 8πσ. ∂r2 vf

(6.58)

Da bei r = r∗ die Differenz der chemischen Potentiale, also Δμ, verschwindet, ist die ˜ zweite Ableitung von G(r) beim Radius r∗ negativ und die freie Enthalpie hat dort kein Minimum sondern ein Maximum. Ist die Differenz pf − p¯d klein, kann man n¨ aherungsweise aus Gl. (6.54) den kritischen Radius r∗ als Funktion von p bestimmen. In diesem Fall kann man n¨amlich nach kleinen Druckdifferenzen entwickeln:   2σ − p¯d . (6.59) μd (T, pd )  μd (T, p¯d ) + vd (p − p¯d ), μf (T, pf )  μf (T, p¯d ) + vf p + r Da p¯d durch μd (T, p¯d ) = μf (T, p¯d ) bestimmt ist, erh¨alt man das Resultat r∗ 

2σvf . (vd − vf )(p − p¯d )

(6.60)

Gleichung (6.54) erlaubt auch eine alternative Lesart. Angenommen, wir geben den ur p < Tropfenradius vor, dann bestimmt Gl. (6.54) den kritischen Dampfdruck pr (T ); f¨ pr (T ) verdampft der Tropfen, f¨ ur p > pr (T ) w¨ achst er. Zur n¨aherungsweisen Berechnung

166

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

Tabelle 6.1: Verh¨ altnis vom kritischen Dampfdruck pr zum Dampfdruck p∞ = p¯d bei T = angigkeit vom Radius des Wassertropfens. 20 ◦ C in Abh¨

r (nm)

1

102

103

104

pr /¯ pd

2.925

1.113

1.012

1.001

von pr (T ) k¨ onnen wir wie folgt vorgehen. Durch Differentiation von Gl. (6.54) erh¨alt man   dpr 2σ dpr − 2 = vd . (6.61) vf dr r dr F¨ ur die weitere Vorgangsweise macht man die N¨aherungen vd =

kT , pr

vf = konstant,

vd  vf

(6.62)

in Gl. (6.61) und erh¨ alt 2σvf 1 dpr =− . pr dr kT r2

(6.63)

Diese Differentialgleichung wird durch Separation der Variablen gel¨ost. Die Integration erfolgt vom Tropfen mit unendlich großem Radius, also der ebenen Oberfl¨ache, bis zu r. Bei r = ∞ ist pr gleich dem Dampfdruck p¯d (T ). Als Ergebnis erh¨alt man die KelvinGleichung   2σvf pr (T ) = exp . (6.64) p¯d (T ) rkT Hat man ein Dampf-Luft-Gemisch, ersetzt man in dieser Gleichung den Dampfdruck durch den S¨ attigungsdruck p¯s (T ). pd f¨ ur Wasser angegeben; als In Tabelle 6.1 sind f¨ ur einige Radien r der Wert von pr /¯ Temperatur wurde 20 ◦ C angenommen, wo die Oberfl¨achenspannung σ = 0.0725 Nm−1 ist. Tabelle 6.1 illustriert, warum Wolkenbildung ohne Kondensationskeime im Allgemeinen nicht zustande kommt. Bilden sich winzige Tropfen durch Zufallskollisionen, l¨osen sie sich sofort wieder auf, weil der Dampfdruck in der Luft zu klein ist; Tr¨opfchen mit einem Radius von 1 nm w¨ aren erst ab einer relativen Luftfeuchtigkeit von etwa 190% stabil. (Diese Zahl darf man aber nicht zu ernst nehmen, weil bei einem so kleinen Radius das Konzept der Oberfl¨ achenspanung nicht mehr ganz sinnvoll ist.) Die Wahrscheinlichkeit, dass sich so große Tropfen durch Zufallskollisionen bilden, so dass sie bei vern¨ unftigen relativen Luftfeuchtigkeiten stabil sind, ist viel zu klein. Absch¨atzungen ergeben, dass sich in einer v¨ ollig keimfreinen Luft Wassertropfen erst ab einer relativen Luftfeuchtigkeit von ungef¨ ahr 400% bilden [35]. Daher spielt die Wolkenbildung ohne Kondensationskeime in der Realit¨ at praktisch keine Rolle, da sich Tropfen, l¨angst bevor die homogene Nukleation zum Tragen kommt, durch inhomogene Nukleation bilden, also durch Kondensation an in der Luft vorhandenen Aerosolen.

6.4 Oberfl¨ acheneffekte bei der Dampfkondensation

167

Druck in einer Dampfblase: Hier wollen wir das Analogon zur Kelvin-Gleichung f¨ ur eine Dampfblase in der Fl¨ ussigkeit herleiten. Wir betrachten eine Situation wie die am Anfang dieses Unterkapitels, aber wir vertauschen die Rolle von Fl¨ ussigkeit und Dampf. D.h., der Kolben, der den außeren Druck herstellt, wirkt auf die Fl¨ ussigkeit, in der sich eine kugelf¨ormige Dampf¨ blase mit Radius r befindet. Wieder haben wir die freie Enthalpie aus Gl. (6.49), jedoch ist nun Vd = 4πr3 /3 und wir verwenden die unabh¨angigen Variablen Vf , r und Nf , um die station¨ aren Punkte von G zu finden. Durch Ableiten nach Vf und r erhalten wir die Dr¨ ucke 2σ pf = p, pd = p + . (6.65) r Dieselben Schritte wie bei der Herleitung von Gl. (6.54) liefern  2σ  μf (T, p) = μd T, p + , (6.66) r also die Bedingung daf¨ ur, dass G bez¨ uglich Teilchenaustausch zwischen Fl¨ ussigkeit und Blase station¨ ar ist. Jetzt wollen wir eine Formel f¨ ur den kritischen Dampfdruck pr (T ) in der Dampfblase ullt sind. herleiten; das ist der Druck pd , bei dem beide Gleichungen (6.65) und (6.66) erf¨ Daf¨ ur formen wir die zweite Gleichung um in  2σ  = μd (T, pr ). (6.67) μf T, pr − r Der Vergleichung mit Gl. (6.54) zeigt, dass man im Fall der Dampfblase den Druck pr (T ) aus der Kelvin-Gleichung einfach durch ein Minus im Exponenten bekommt:   pr (T ) 2σvf = exp − . (6.68) p¯d (T ) rkT Der kritische Dampfdruck in der Blase ist also kleiner als der Dampfdruck p¯d bei r = ∞. Die Interpretation von pr im Fall der Dampfblase wird durch Vergleich von Gl. (6.67) mit Abb. 6.3 klar. Wegen der Gleichgewichtsbedingung (6.67) gilt pf = p < pr < p¯d und der kritische Dampfdruck in der Blase ist kleiner als der bei Temperatur T im Fall einer ebenen Phasengrenzfl¨ ache vorherrschende Dampfdruck p¯d . Mit dNd G = −Δμ dNd und −Δμ = μd − μf gilt f¨ ur die Verringerung der freien Enthalpie pd > pr ⇒ −Δμ > 0 ⇒ dNd < 0, pd < pr ⇒ −Δμ < 0 ⇒ dNd > 0. F¨ ur kleine Blasen ist wegen Gl. (6.68) der kritische Druck pr klein. Weil in der Blase ur kleine Blasen pd > pr erf¨ ullt der Dampfdruck pd = p + 2σ/r herrscht, wird daher f¨ sein und die Blase wird kollabieren. Ist die Blase groß genug, so dass pd < pr ist, w¨achst die Blase, bzw. entweicht aus der Fl¨ ussigkeit. Da die großen Blasen die stabilen sind, ist das Sieden ein unruhiger, ger¨ auschvoller Vorgang. Bei einem u ussigkeitsoberfl¨ache Atmosph¨a¨ blichen Siedevorgang herrscht an der Fl¨ rendruck und mit der Tiefe nimmt der Fl¨ ussigkeitsdruck noch zu. Wegen Gl. (6.65)

168

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

ist der Dampfdruck in der Blase sogar h¨ oher als der Druck der umgebenden Fl¨ ussigkeit und somit h¨ oher als der Atmosph¨ arendruck. Andrerseits ist wegen Gl. (6.68) immer pr (T ) < p¯d (T ). D.h., um pd < pr und somit wachsende Blasen zu erzielen, muss p¯d (T ) gr¨ oßer als der Atmosph¨ arendruck sein. Das ist nur m¨oglich bei einer Temperatur oberhalb des Siedepunkts Ts . Beim Sieden hat man also im Allgemeinen den Effekt des Siedeverzugs und Ts ist die minimale Temperatur, oberhalb der das Sieden prinzipiell m¨ oglich ist. Wie u ussigkeit beim Sieden das Stadium der kleinen Bla¨ berwindet die Fl¨ sen, die einen enormen Siedeverzug ben¨ otigen w¨ urden, um stabil zu sein? Gem¨aß [24] ist der Grund in Luft zu suchen, die in mikroskopischen Poren und Rissen der Gef¨aßwand vorhanden ist. Es ist leicht zu zeigen, dass f¨ ur ein Gemisch aus Dampf und Luft die zweite Relation in Gl. (6.65) durch pd + pLuft = p + 2σ/r zu ersetzen ist, wobei pLuft der Partialdruck der Luft in der Blase ist; der Grund ist, dass beide Gase dasselbe ugung haben. Eine Dampfblase beginnt ihr Leben als LuftVolumen 4πr3 /3 zur Verf¨ blase, welche aus den Poren der Gef¨ aßwand entweicht und groß genug sein kann, um pLuft = p + 2σ/r < pr zu erf¨ ullen. Dann w¨ achst die Blase, indem sie Dampf aufnimmt. Luftblasen spielen also beim Sieden von Wasser dieselbe Rolle wie Kondensationskeime bei der Tropfenbildung. Die Stabilit¨at von Tropfen, in denen Salze gel¨ost sind: Wir betrachten noch einmal das System eines Fl¨ ussigkeitstropfens mit Radius r im Gleichgewicht mit dem Dampf, wobei wir im Unterschied zu der am Beginn dieses Unterkapitels behandelten Situation annehmen, dass der Fl¨ ussigkeitstropfen Nc Molek¨ ule eines Salzes gel¨ ost hat. Ganz in Analogie zu Gl. (6.49) schreiben wir f¨ ur die freie Enthalpie G = Fd (T, Vd , Nd ) + Fl (T, Vl , Nl , c) + p (Vd + Vl ) + 4πr2 σ. (6.69) Den Index f haben wir durch l f¨ ur L¨ osung ersetzt, der Tropfen enthalte Nl Fl¨ ussigkeitsmolek¨ ule, und Fl h¨ angt nat¨ urlich auch von der Konzentration c = Nc /Nl ab, wobei wir wie in Unterkapitel 5.7 annehmen, dass die L¨osung verd¨ unnt ist. Wie am Beginn des aktuellen Unterkapitels hergeleitet, ergeben sich in den station¨aren Punkten von G die Dr¨ ucke pd = p, pl = p + 2σ/r und weiters   2σ  2σ  (0) , c = μl T, p + − νckT = μd (T, p). μl T, p + r r

(6.70)

Auf der linken Seite haben wir Gl. (5.91) verwendet und angenommen, dass das Salzmolek¨ ul vollst¨ andig in ν Ionen dissoziiert ist. Wir machen die entscheidende Annahme, dass die Fl¨ ussigkeit inkompressibel ist, daher ist die Anzahl der Fl¨ ussigkeitsmolek¨ ule im Tropfen durch 4πr3 (6.71) Nl = 3vl gegeben mit dem molekularen Volumen vl des L¨osungsmittels. Einsetzen in Gl. (6.70) ergibt  2σ  3νNc vl kT (0) μl T, p + − = μd (T, p). (6.72) r 4πr3 Nun gehen wir v¨ ollig analog zur Herleitung der Kelvin-Gleichung f¨ ur den kritischen Dampfdruck pr vor; d.h., bei gegebenem T und r suchen wir den Druck p = pr als

6.4 Oberfl¨ acheneffekte bei der Dampfkondensation

169

1.010 1.008

mS = 0 g

1.006 1.004 1.002 1.000 0.998 0.996

mS = 10

0.994

-16

g

mS = 10

-14

g

0.992 0.990

-7

10

-6

10

Tropfenradius in m

-5

10

Abbildung 6.4: pr (T )/¯ pd (T ) als Funktion von r. Die Masse des im Wassertropfen gel¨ osten Kochsalzes ist mit mS bezeichnet und in Gramm angegeben. Die Kurve mit mS = 0 illustriert die Kelvin-Gleichung (6.64), die beiden anderen Kurven mit den Werten mS = 10−16 und ohler-Gleichung (6.73). 10−14 g folgen der K¨

L¨ osung von Gl. (6.72). Das Resultat ist die K¨ohler-Gleichung   2σvl 3νNc vl pr (T ) = exp − . p¯d (T ) rkT 4πr3

(6.73)

pd (T ) als Funktion des TropfenDie Kurven in Abb. 6.4 zeigen den Verlauf von pr (T )/¯ radius r f¨ ur drei Werte der Masse mS des im Tropfen gel¨osten Kochsalzes. Um Nc zu erhalten, wurde die Masse 97.04×10−27 kg f¨ ur ein Molek¨ ul Na Cl verwendet. Obwohl die Oberfl¨ achenspannung von Wasser leicht mit der Salzkonzentration zunimmt [35], wurde der konstante Wert σ = 0.0725 Nm−1 genommen. Die Kurve mit mS = 0 illustriert die Kelvin-Gleichung. Laut [35] sind Salzmassen von 10−16 bzw. 10−14 g realistische Werte in Wolkentropfen, die entsprechenden Kurven sind durch die K¨ohler-Gleichung mit ν = 2 gegeben. Die Abbildung illustriert den qualitativen Unterschied zwischen Tropfen aus reinem Wasser (mS = 0) und solchen, in denen Salz gel¨ost ist (mS = 0). Im zweiten Fall gibt es ein Maximum von pr (T ) bei  1/2 1/2  9νNc kT 8 2πσ 3 vl2 pm (T ) = rm = mit ln , (6.74) 8πσ p¯d (T ) 9 νNc (kT )3 wobei pm (T ) = pr (T )|r=rm den maximalen Wert von pr (T ) bezeichnet. Wie aus der Diskussion im ersten Teil dieses Unterkapitels hervorgeht, ist ein Tropfen mit r > rm

170

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

instabil, w¨ ahrend die linke Flanke der K¨ ohler-Kurve (r < rm ) die Tropfengr¨oße bei gegebenem Dampfdruck stabilisiert; der Tropfen kann sogar bei Dr¨ ucken unterhalb des Dampfdruckes p¯d (T ) stabil sein. Ist der Dampf so weit u ¨ bers¨attigt, dass p > pm (T ) gilt, kann Gl. (6.72) nicht erf¨ ullt werden. In diesem Fall gilt immer μl (T, pl , c) − μd (T, p) < 0 und die freie Enthalpie des Systems nimmt mit dNl > 0 ab. Daher ist die Gr¨oße des Tropfens ist instabil und das System versucht, sich durch Vergr¨oßerung des Tropfenradius zu stabilisieren. Zusammenfassend k¨ onnen wir also feststellen, dass Salzpartikel in der Luft eine wichtige Funktion bei der Tropfenbildung spielen [35].

6.5

Zustandsgleichung eines Plasmas mit niedriger Dichte

Wir betrachten ein komplett ionisiertes Gas (Plasma) in einem Volumen V , welches aus r Sorten von Teilchen mit Ladung za e besteht (a = 1, . . . , r), wobei die za ganze Zahlen sind und e die Elementarladung bezeichnet. Von jeder Sorte seien Na Teilchen vorhanden, daher ist ρa0 = Na /V die entsprechenden Teilchendichte. Weil das Gas als Ganzes elektrisch neutral ist, haben wir 

za ρa0 = 0.

(6.75)

a

Wir nehmen an, dass sich das betrachtete Gas nur wenig vom idealen Gas unterscheidet,  also die Coulomb-Energie viel kleiner als die thermische Energie ist. Mit N = a Na l¨ asst sich diese Forderung formulieren als  e2

N V

1/3  kT.

(6.76)

Um eine Idee der erlaubten Dichten zu bekommen, setzen wir in diese Gleichung T = 104 K ein. Das ergibt die Schranke N/V  2 × 1020 cm−3 . Um das elektrostatische Potential in der N¨ ahe eines Ions zu berechnen, wenden wir die Debye-H¨ uckel-Methode an [31, 34]. Das Ion habe die Ladung zb e und sitze im Koordinatenursprung. Bezeichnen wir das Potential mit Φ, dann erf¨ ullt es die Poissongleichung [41]   r  ΔΦ(x ) = −4πe zb δ(x ) + za ρa (x ) . (6.77) a=1

Der erste Term auf der rechten Seite beschreibt die Punktladung des Ions mit Hilfe der δ-Funktion und der zweite Term die Ladungsdichte in seiner Umgebung. Entsprechend der Boltzmann-Verteilung sind die konstanten Ladungsdichten ρa0 in der Umgebung des Ions durch den Boltzmann-Faktor modifiziert:   za eΦ(x ) ρa (x ) = ρa0 exp − . (6.78) kT

6.5 Zustandsgleichung eines Plasmas mit niedriger Dichte

171

Nun ben¨ utzen wir die Bedingung (6.76), welche die N¨aherung e



z a ρa  e



a

za ρa0 − e2



a

za2 ρa0

a

Φ kT

(6.79)

erlaubt. Da der erste Term in der N¨ aherung Null ist, f¨ uhrt Einsetzen des zweiten Terms in Gl. (6.77) auf   1 Δ − 2 Φ(x ) = −4πezb δ(x ) (6.80) rD mit dem Debye-Radius rD , der durch  rD =

4πe

kT  2

1/2

2 a za ρa0

(6.81)

gegeben ist. Aus Gl. (6.80) erh¨ alt man das Potential Φ(x ) = zb e

exp(−r/rD ) r

mit r = |x| .

(6.82)

Das Coulomb-Potential des im Ursprung sitzenden Ions ist also abgeschirmt durch die Wolke der umgebenden Ionen, und die Abschirml¨ange ist durch den Debye-Radius gegeben. Da der Debye-Radius von der Gr¨ oßenordnung rD ∼ [kT /(4πe2 ρ)]1/2 mit ρ = N/V ist, kann man kT aus der Bedingung Gl. (6.76) eliminieren und diese umformulieren in 3  ρrD

1  0.022. (4π)3/2

(6.83)

Damit die Methode von Debye-H¨ uckel G¨ ultigkeit hat, darf daher der mittlere Teilchenabstand nicht gr¨ oßer als der Debye-Radius sein. Betrachten wir als Beispiel N Ionen mit Ladungszahl Z und ZN Elektronen im Volumen V [31]. Dann ist ρI0 = N/V , ρe0 = ZN/V , zI = Z, ze = −1, und der Debye-Radius l¨ asst sich als  1/2 kT rD = (6.84) 4πe2 ρe0 (Z + 1) schreiben. Sitzt ein Ion bei r = 0, sind sein Potential und die Dichten der Ladungswolken gegeben durch     Ze2 e−r/rD Z 2 e2 e−r/rD e−r/rD , ρe = ρe0 1 + , ρI = ρI0 1 − . Φ = Ze r kT r kT r (6.85) Offensichtlich machen die Dichten nur Sinn f¨ ur r  r0 ≡ (Ze)2 /(kT ). Man kann leicht u ufen, dass aus Gl. (6.76) r0  rD folgt, also die Dichten aus Gl. (6.85) – au¨ berpr¨ ßer in unmittelbarer N¨ ahe des Ions – Sinn machen. Man kann aus diesen Dichten die Ladungs¨ ubersch¨ usse ΔQa in der Wolke, die das Ion umgibt, berechnen:   3 ΔQa = za e d x ρa − V ρa0 (a = I, e). (6.86) V

172

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

Da der Debye-Radius im Allgemeinen sehr viel kleiner als die Dimension des Gef¨aßes ist, in dem sich das Plasma befindet, k¨ onnen wir die Integration von exp(−r/rD )/r u uhren: ¨ber den ganzen dreidimensionalen Raum ausf¨ exp(−r/rD ) 2 = 4πrD d3 x . (6.87) r Mit Hilfe von Gl. (6.85) ergibt sich daher ΔQe = −

Ze Z +1

ΔQI = −

und

Z 2e . Z +1

(6.88)

Wegen ΔQe + ΔQI = −Ze ist in einer Entfernung r  rD das Ion vollst¨andig abgeschirmt. Nun fahren wir mit der allgemeinen Diskussion des Plasmas fort. Um seine thermische Zustandsgleichung zu erhalten, wollen wir zuerst seine freie Energie berechnen. Dazu ben¨ otigen wir die Coulomb-Energie, welche f¨ ur eine beliebige Ladungsverteilung ρc (x ) mit dem Potential φc (x ) durch das Integral Uc = 12 d3 x ρc (x )φc (x ) gegeben ist [41]. Betrachten wir wieder ein Ion der Sorte b, das sich im Koordinatenursprung r = 0 befindet. Um seinen Beitrag zum Integral f¨ ur Uc zu finden, m¨ ussen wir das Potential Gl. (6.82) verwenden, allerdings ohne das Potential, das durch das Ion selbst erzeugt wird. D.h, die Coulomb-Energie dieses Ions ist durch  z 2 e2 zb e  =− b lim zb e Φ(r) − r→0 r rD

(6.89)

gegeben. Ber¨ ucksichtigen wir noch den Faktor 1/2 aus der Formel f¨ ur Uc und machen uns klar, dass mit dem Resultat (6.89) der Integration u ¨ber das Volumen einfach der Summation u ¨ber alle Ionen entspricht, dann bekommen wir Uc = −

1  Nb zb2 e2 . 2rD

(6.90)

b

unschte Resultat Einsetzen von rD liefert das gew¨  3/2  π 1/2  Uc = − Na za2 e2 . kT V a Dr¨ ucken wir andrerseits

 a

(6.91)

Na za2 e2 durch den Debye-Radius aus, ergibt sich Uc = −

1 1 N kT 3 . 8π ρrD

(6.92)

3  1 – siehe Gl. (6.83) – die Von dieser Gleichung kann man ablesen, dass f¨ ur ρrD Coulomb-Energie tats¨ achlich nur eine kleine Korrektur zur thermischen Energie des idealen Gases darstellt.

6.5 Zustandsgleichung eines Plasmas mit niedriger Dichte

173

Im Plasma setzt sich gem¨ aß unseren Annahmen die kalorische Zustandsgleichung aus ur das ideale Gas und der Coulomb-Energie Uc zusammen. Mit der W¨amekapazit¨at Uid f¨ CV hat man daher  3/2  π 1/2  2 2 Na za e , (6.93) U (T, V, N ) = U0 + CV (T − T0 ) − kT V a wobei U0 und CV proportional zu N sind und weder von V noch T abh¨angen. Wegen der vollst¨ andigen Ionisierung der Gasatome ist das eine vern¨ unftige Annahme, da dann nur mehr die translatorischen Freiheitsgrade f¨ ur die W¨armekapazit¨at zur Verf¨ ugung stehen und somit CV = 32 N k ist. Der Zusammenhang zwischen der kalorischen Zustandsgleichung und der freien Energie wird durch die Gibbs-Helmholtz-Gleichung (2.12) und deren L¨ osung Gl. (2.24) hergestellt, welche f¨ ur Gl. (6.93) das Resultat  3/2   T T 2  π 1/2  2 2 − Na za e F (T, V, N ) = (U0 − CV T0 ) 1 − − CV T ln T0 T0 3 kT V a 3/2  1/2  π 2 T 2 2 + Na za e + φ(V )T (6.94) 3 T0 kT0 V a liefert. Dabei ist φ(V ) die Funktion, die man nicht aus der kalorischen Zustandsgleichung erhalten kann. Allerdings muss im Limes V → ∞ bei festgehaltener Temperatur die freie Energie aus Gl. (6.94) mit der des idealen Gases u ¨ bereinstimmen, was den Ausdruck 3/2  1/2  π V 2 1 2 2 φ(V ) = −N k ln − Na za e (6.95) v0 N 3 T0 kT0 V a nahelegt. Das ergibt nach Umdefinierung von Konstanten die freie Energie     3 T V F (T, V, N ) = N f0 − s0 (T − T0 ) + k T − T0 − ln − N kT ln 2 T0 v0 N      1/2 3/2 π 2 Na za2 e2 , (6.96) − 3 kT V a wobei die erste Zeile dieser Gleichung mit der freien Energie des idealen einatomigen Gases u ¨bereinstimmt – siehe Gl. (3.50) und Gl. (3.52). Folglich erhalten wir durch die negative Ableitung von Gl. (6.96) nach V die gesuchte thermische Zustandsgleichung 3/2 1  π 1/2   N kT 2 2 − N z e . (6.97) p= a a V 3 V 3/2 kT a Der Druck im verd¨ unnten Plasma ist etwas kleiner als im idealen Gas als Folge der attraktiven Coulomb-Wechselwirkung. Aus der freien Energie (6.96) bzw. aus der kalorischen Zustandsgleichung (6.93) k¨ onnen wir die W¨armekapazit¨at ausrechnen: 3/2 1  π 1/2   3 2 2 N z e . (6.98) CV = N k + a a 2 2 T 3/2 kV a

174

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

Die W¨ armekapazit¨ at ist etwas h¨ oher als die des idealen Gases, da Temperaturerh¨ohung die Coulomb-Energie vergr¨ oßert. Gleichungen (6.97) und (6.98) lassen sich mit Hilfe von rD in     1 3 N kT 1 N k 1 + = p= und C (6.99) 1− V 3 3 V 24πρrD 2 24πρrD 3 umformulieren. Wiederum sieht man explizit, dass f¨ ur ρrD  1 die Korrekturen zum idealen Gas klein sind.

Ist die Temperatur des Plasmas hoch, emittieren die geladenen Teilchen viele Photonen und die Strahlungsenergie, welche wir bei der Behandlung des Plasmas nicht ber¨ ucksichtigt haben, liefert einen wichtigen Beitrag zur Gesamtenergie. Als Bedingung zur Vernachl¨ assigung der Strahlungsenergie k¨ onnen wir annehmen, dass der gaskinetische Druck, gegeben durch die Formel ρkT des idealen Gases, viel gr¨oßer als der Strahlungsdruck ist [31]. Letzteren erh¨ alt man aus dem Stefan-Boltzmann-Gesetz (5.259) und Gl. (5.262). Ber¨ ucksichtigen wir nocheinmal die Bedingung aus Gl. (6.76), erhalten wir ein Intervall in der Teilchendichte ρ, innerhalb dessen unsere Behandlung des Plasmas G¨ ultigkeit hat:  3 3  kT π 2 kT ρ . (6.100) 45 cl e2 Mit T0 = 104 K als Referenztemperatur ergibt sich 2 × 1013 cm−3 ×



T T0

3

 ρ  2 × 1020 cm−3 ×



T T0

3 ,

(6.101)

also ein relativ großer Bereich. Z.B. das Plasma im Zentrum der Sonne mit T  15 × 106 K und einer Dichte der Ionen von etwa 1026 cm−3 liegt in diesem Bereich und verh¨alt sich daher in guter N¨ aherung wie ein ideales Gas [40].

6.6

Der Ferromagnetismus

Beim idealen paramagnetischen System ist die Magnetisierung proportional zum an Im Gegensatz zum idealen paramagnetischen System gelegten ¨ außeren Magnetfeld H. diskutieren wir hier Systeme, wo man die magnetische Wechselwirkung der Teilchen mit Spin j = 0 untereinander nicht vernachl¨ assigen kann. Diese Wechselwirkung kann so stark sein, dass sich eine Magnetisierung ohne ¨außeres Feld einstellt. Diesen Effekt nennt man Ferromagnetismus. Die Austauschwechselwirkung: Wir betrachten Atome bzw. Ionen im Kristall, welche ungepaarte Elektronen haben. Wir nehmen die einfachste Situation an, also ein ungepaartes Elektron pro Atom. Wenn wir zwei benachbarte Elektronen mit Wellenfunktion φa bzw. φb betrachten, dann k¨onnen sich deren Spins zum Gesamtspin s = 0 mit der Spinprojektion sz = 0 auf die zAchse oder s = 1 mit sz = ±1, 0 formieren. Damit werden die beiden Elektronen

6.6 Der Ferromagnetismus

175

n¨ aherungsweise durch die Zust¨ ande [11] $ % 1 φa (x1 ) φb (x2 ) + (−1)s φb (x1 ) φa (x2 ) |ssz  ψ # 2(1 + Ns )

(6.102)

mit Ns = (−1)s |φa |φb |2 beschrieben. Im Weiteren werden wir Ns der Einfachheit halber vernachl¨ assigen. In Gl. (6.102) haben wir die FD-Statistik ber¨ ucksichtigt, denn |ssz  ist antisymmetrisch f¨ ur s = 0 und symmetrisch f¨ ur s = 1. Die Coulomb-Energie, die von der Abstoßung der beiden Elektronen herr¨ uhrt, ist durch den Erwartungswert ,  e2    Ec = ψ  ψ r12

mit r12 = |x1 − x2 |

(6.103)

gegeben. Einsetzen von Gl. (6.102) in Ec ergibt Ec = I0 + (−1)s I/2

(6.104)

mit I0 = 1 I = 2

2

d x1

d3 x1

2

d3 x2 |φa (x1 )| |φb (x2 )|

3

e2 , r12

d3 x2 Re [ φa (x1 )∗ φb (x2 )∗ φb (x1 ) φa (x2 ) ]

(6.105) e2 , r12

(6.106)

wobei I0 als direkte Coulomb-Energie und I als Austauschintegral bezeichnet wird. Wir betonen, dass I keineswegs eine neue Art von Wechselwirkungsenergie ( Austausch” wechselwirkung“) darstellt, sondern nur ein Effekt der FD-Statistik im Zusammenhang ∗ mit der Coulomb-Energie ist [36]. Mit ϕ(x ) ≡ φa (x ) φb (x ) l¨asst sich I als 1 I= 2



d3 x1

d3 x2 [ Re ϕ(x1 ) Re ϕ(x2 ) + Im ϕ(x1 ) Im ϕ(x2 ) ]

e2 r12

(6.107)

¨ schreiben. In dieser Form sieht man die Ahnlichkeit des Austauschintegrals mit der elektrostatischen Energie einer Ladungsverteilung. Daher ist das Austauschintegral immer positiv. Seine Gr¨ oße h¨ angt allerdings davon ab, wie stark sich die Wellenfunktionen φa und φb u ¨ berlappen. Wir wollen nun Gl. (6.104) mit Hilfe von Spinoperatoren darstellen. Die si (i = 1, 2) sollen die Spinoperatoren ohne den Faktor  sein. Wir erhalten das Quadrat des Gesamtspins als 2 (6.108) s 2 = (s1 + s2 ) = s12 + s22 + 2 s1 · s2 und damit ssz |s1 · s2 |ssz  =

3 1 s(s + 1) − 2 4



bzw. ssz |s1 · s2 |ssz  =

−3/4 (s = 0), 1/4 (s = 1).

(6.109)

(6.110)

176

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

Die Coulomb-Energie Gl. (6.104) k¨ onnen wir somit formulieren als Ec = I0 − I (s1 · s2  + 1/4) .

(6.111)

Wir sehen somit, dass s = 1 in Ec energetisch bevorzugt ist. Da diese Energie von der Coulomb-Wechselwirkung stammt, obwohl die Spins in der Formel vorkommen, ist sie viel st¨ arker als die magnetische Wechselwirkung zwischen den Spins. Der Ferromagnetismus kommt also nicht von der magnetischen Wechselwirkung, sondern ist ein Effekt der FD-Statistik und der Coulomb-Wechselwirkung. Dies ist im Gegensatz zum Paramagnetismus von Ionen mit j = 0, wo Effekte der FD-Statistik v¨ ollig vernachl¨ assigbar sind. Nachdem wir allerdings nur zwei Elektronen betrachtet ¨ haben, ist die obige Uberlegung rein qualitativ. Obendrein haben wir die CoulombWechselwirkung der Elektronen mit den Ionen bzw. Atomen, von denen sie stammen, nicht ber¨ ucksichtigt. Diese Wechselwirkung ist anziehend und liefert daher einen Austauschterm, der ein umgekehrtes Vorzeichen als der oben diskutierte Austauschterm hat [36]. Unsere Diskussion zeigt also keineswegs, dass parallele Spins immer energetisch bevorzugt sind, sondern weist nur darauf hin, dass unter g¨ unstigen Bedingungen dieser Fall eintreten kann. Das Heisenberg-Modell: Dieses Modell nimmt an, dass parallele Spins tats¨achlich energetisch bevorzugt sind. Es ber¨ ucksichtigt, ausgehend von Gl. (6.111), nur die Spin-Spin-Wechselwirkung der Elektronen mit den n¨ achsten Nachbarn und ist gegeben durch den Hamiltonoperator  

= 2μB  −I H sj · H sj · sk . (6.112) j

{j,k}

Dabei bdeutet {j, k}, dass sj und sk benachbarte Spins sind. Nachbarpaare werden nur einmal gez¨ ahlt. Die Weisssche N¨aherung: Das Heisenberg-Modell ist trotz seiner Einfachheit mathematisch extrem anspruchsvoll und wir begn¨ ugen uns mit der Weissschen N¨aherung. Diese ist eine Molekularfeldn¨ aherung, bei der die Spinoperatoren sk(j) der n¨achsten Nachbarn des Elektrons j durch einen Erwartungswert ersetzt werden:  sk → ν sˆ. (6.113) k(j)

Die Gr¨ oße sˆ enth¨ alt also keine Operatoren, sondern ist ein Vektor bestehend aus drei Zahlen. Die Anzahl der n¨ achsten Nachbarn wird mit ν bezeichnet (z.B. ν = 6 im einfachen kubischen Gitter). In der Weissschen N¨aherung ist der Hamiltonoperator Gl. (6.112) also gegeben durch     νI 

 eff Heff = 2 μB sj · H − sˆ = 2 μB sj · H (6.114) 2μ B j j

6.6 Der Ferromagnetismus mit

177

 − νI sˆ = H  + νI (−2μB ρˆ  eff = H s) , H 2μB 4μ2B ρ

(6.115)

 = −2μB ρˆ bzw. mit der Magnetisierung M s erhalten wir  eff = H  + WM  H

mit W =

νI . 4μ2B ρ

(6.116)

Das Interessante ist die Gr¨ oßenordnung von W . Mit den typischen Werten I/2 = 1/10 eV, ν = 6 und ρ = (2 ˚ A)−3 erhalten wir W ∼ 104 . Diese Absch¨atzung ist nur sehr grob, jedoch illustriert sie jedenfalls, dass – wie schon vorhin erw¨ahnt – das Austauschintegral I ∼ W μ2B ρ wesentlich gr¨ oßer als die magnetische Wechselwirkung zweier Elektronen ist, denn deren Gr¨ oßenordnung ist durch μ2B ρ gegeben. Die Magnetisierung in der Weissschen N¨aherung: Nun berechnen wir mit dem Hamiltonoperator Gl. (6.114) den Erwartungswert Mz der Magnetisierung. Im Prinzip k¨ onnen wir das Resultat aus dem Unterkapitel 5.10 nehmen und die Brillouin-Funktion B1/2 (η) ben¨ utzten, jedoch ist es f¨ ur s = 1/2 einfacher, Mz direkt mit Hilfe der Boltzmann-Faktoren zu ermitteln: Mz = ρ

μB eβμB Heff − μB e−βμB Heff = ρ μB tanh [ βμB (H + W Mz ) ] . eβμB Heff + e−βμB Heff

(6.117)

Das ist eine implizite Gleichung f¨ ur Mz . Wir wollen diese Gleichung noch etwas umformen. Als Abk¨ urzung definieren wir die S¨ attigungsmagnetisierung M0 = ρμB und eine Temperatur Tc u ¨ ber 1 kTc = μ2B ρW = νI. (6.118) 4 Ben¨ utzen wir den Areatangens Hyperbolicus, die Umkehrfunktion von Tangens Hyperbolicus, k¨ onnen wir Gl. (6.117) umschreiben in   Mz T Mz H = M0 W − + artanh . (6.119) M0 Tc M0 Wir formulieren die ben¨ otigten Eigenschaften des Areatangens Hyperbolicus als Theorem. Theorem 9 Die Umkehrfunktion von tanh ist artanh (x) =

1 1+x 1 ln = x + x3 + · · · 2 1−x 3

Nun betrachten wir den Limes Mz  M0 . Damit erhalten wir aus Gl. (6.119) und Theorem 9    3 T Mz kT HW − 1 Mz + , (6.120) Tc 3μB M0

178

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung 1000

T/ Tc = 1.2

0

T/ Tc = 0.7

-Ms

Ms

-1000 -1

-0.5

0

Mz / M0

0.5

1

Abbildung 6.5: H/M0 als Funktion von Mz /M0 . Die zwei Kurven gem¨ aß Gl. (6.119) mit W = 1000 illustrieren die F¨ alle T > Tc und T < Tc . Die punktierte Kurve ist unphysikalisch, Ms ist die spontane Magnetisierung.

wobei wir M0 W/(kTc ) = 1/μB verwendet haben. T > Tc : In diesem Fall ist Mz eine monotone Funktion von H und wir bekommen bei Vernachl¨ assigung des Terms mit Mz3 das Curie-Weiss-Gesetz Mz 

1 Tc H ≡ χm H, W T − Tc

(6.121)

ur den welches f¨ ur kleine Magnetfelder gilt. In Abb. 6.5 ist H als Funktion von Mz f¨ Fall T /Tc = 1.2 aufgetragen. Dabei wurde nicht die N¨aherung Gl. (6.120), sondern die Weisssche N¨ aherung Gl. (6.119) verwendet.  ∝ H  T < Tc : F¨ ur H → 0 gibt es drei L¨ osungen f¨ ur Mz – siehe Abb. 6.5. Da M erf¨ ullt sein muss, ist der punktierte Teil der Kurve unphysikalisch. F¨ ur H → 0 gibt es die L¨ osungen Mz = ±Ms , es stellt sich also eine spontane Magnetisierung ein. Da die spontane Magnetisierung eine beliebige Richtung im Raum haben kann, ist die Rotationssymmetrie spontan gebrochen. Setzen wir H = 0 in Gl. (6.120), erhalten wir f¨ ur T ↑ Tc die spontane Magnetisierung  3(Tc − T ) Ms  M0 . (6.122) Tc Ist die Temperatur sehr niedrig, also T  Tc , ist die Magnetisierung nahe bei der

6.6 Der Ferromagnetismus

179

S¨ attigungsmagnetisierung M0 . Das erschließt man mit H = 0 aus Gl. (6.117), was in diesem Fall die N¨ aherung   (6.123) Ms  M0 1 − 2e−2Tc /T . ergibt. Der Ferromagnetismus: Das Ph¨ anomen der spontanen Magnetisierung, der Ferromagnetismus, tritt auf bei H = 0, wenn die Temperatur unter die kritische Temperatur Tc abgesenkt wird. Der ¨ Ubergang wird als Phasen¨ ubergang zweiter Ordnung bezeichnet, da die Magnetisierung dabei stetig bleibt. Die Magnetisierung kann als Ordnungsparameter ben¨ utzt werden, um die Phase zu kennzeichnen. F¨ ur T > Tc ist Ms = 0, und der Stoff ist in der paramagnetischen Phase. (Allerdings ist die Wahl eines Ordnungsparameters im Allgemeinen ¨ nicht eindeutig.) Andrerseits hat man f¨ ur eine fixe Temperatur T < Tc beim Ubergang von H > 0 zu H < 0 einen Phasen¨ ubergang erster Ordnung, weil beim Durchgang von H durch Null die Magnetisierung den Sprung Ms → −Ms macht, also z.B. die Ableitung der freien Energie nach H unstetig ist wegen V Mz = −∂F/∂H. Der bekannteste Ferromagnet ist Fe mit Tc = 1043 K und M0 = 1752 Gauss. Andere metallische Ferromagnete sind Co mit Tc = 1388 K, M0 = 1446 Gauss und Ni mit Tc = 627 K, M0 = 510 Gauss. Viele Stoffe werden erst bei tiefen Temperaturen ferromagnetisch. Bei den Metallen geh¨ oren dazu die Lanthanoide Gd mit Tc = 293 K, M0 = 1980 Gauss und Dy mit Tc = 85 K, M0 = 3000 Gauss. Ferromagnetismus tritt auch bei Nichtmetallen auf: CrBr3 (Tc = 37 K), EuO (Tc = 77 K), GdCl3 (Tc = 2.2 K). Die obigen Zahlen sind alle aus [36]. Ein sehr wichtiger nichtmetallischer Ferromagnet ist Chromoxid CrO2 mit Tc = 390 K, also h¨oher als Raumtemperatur, welcher f¨ ur Magnetb¨ ander verwendet wird. Das Heisenberg-Modell des Ferromagneten ist u ¨brigens eher als Beschreibung von nichtmetallischen Ferromagneten geeignet, wo die Elektronen ortsfest sind. In einer ferromagnetischen Probe (T < Tc ) stellt sich eine spontane Magnetisierung nur u ¨ ber kleine Bereiche von Millimetern und darunter ein. Diese Bereiche nennt man Weisssche Bezirke. Zwischen diesen magnetischen Dom¨anen sind die Bloch-W¨ande, innerhalb derer die Magnetisierung die Richtung ¨andert. Die Probe als Ganzes ist nicht magnetisch. Beim Anlegen eines Magnetfelds beginnen die Weissschen Bezirke, sich nach  auszurichten. F¨ H ur kleine H gilt Mz  χferro H,

(6.124)

wobei χferro  1 ist. F¨ ur große Felder tritt dann S¨attigung ein und χferro wird klein. Wie kommen die magnetischen Dom¨ anen zustande? Der Effekt der FD-Statistik in der Coulomb-Energie ist nur auf kurzen Distanzen wirksam und verschwindet exponentiell mit dem Abstand, hingegen f¨ allt die Wechselwirkungsenergie zweier magnetischer Dipole mit der dritten Potenz ab. Da in einem Weissschen Bezirk die magnetischen Momente ausgerichtet sind, akkumuliert sich magnetische Energie. Das wird kompensiert durch die kleine Gr¨ oße und unterschiedliche Ausrichtung der Dom¨anen. Allerdings erh¨oht sich durch die Austauschwechselwirkung die Energie an den Dom¨anengrenzen. Die Weissschen Bezirke kommen also durch eine Optimierung der Energie zustande. Dieser Effekt

180

6 Systeme von Teilchen mit Wechselwirkung

ist nicht im Heisenberg-Modell enthalten. Da man Energie aufwenden muss, um Weisssche Bezirke umzupolen, kommt es zu Effekten wie Hysterese und Dauermagnetismus. Die Grenzen der Weissschen N¨aherung: Die magnetische Suszeptibili¨ at χm aus Gl. (6.121) und die spontane Magnetisierung Ms aus Gl. (6.122) haben ein Potenzverhalten bei Ann¨aherung an die kritische Temperatur: T ↓ Tc : χm (T ) ∝ (T − Tc )−γ ,

T ↑ Tc : Ms (T ) ∝ (Tc − T )β .

(6.125)

Die Weissschen N¨ aherung des Heisenberg-Modells sagt γ = 1 und β = 1/2 voraus. Gemessen werden allerdings [36] γ  1.3÷1.4 und β = 0.33÷0.37. Weiters erh¨alt man im Limes T → 0 aus der Weissschen N¨ aherung ein exponentielles Verschwinden von (M0 − aß Gl. (6.123), w¨ ahrend man im Heisenberg-Modell u Ms (T ))/M0 gem¨ ¨ bereinstimmend mit dem Experiment M0 − Ms (T ) T →0: ∝ T 3/2 (6.126) M0 bekommt [36]. Die Weisssche N¨ aherung liefert also nur ein qualitatives Bild des Ferromagnetismus. F¨ ur eine allgemeine Diskussion von Phasen¨ uberg¨angen zweiter Ordnung und kritischen Ph¨ anomenen verweisen wir auf die Literatur, zum Beispiel auf [11, 13, 15, 31].

6.7 1.

¨ Ubungsaufgaben

Eine von der van der Waals-Gleichung verschiedene thermische Zustandsgleichung f¨ ur reale Gase ist die Dieterici-Gleichung:   Na N kT exp − p= . V − Nb V kT Berechnen Sie die kritischen Werte vc , Tc und pc und den Quotienten pc vc /(kTc ).

2.

Argumentieren, dass f¨ ur eine Gasblase in Wasser, die mit einem Gemisch aus Wasserdampf und Luft gef¨ ullt ist, die kritische Bedingung f¨ ur ihre Stabilit¨at durch pd + pLuft = p + 2σ/r gegeben ist.

3.

Berechnen Sie n¨ aherungsweise den Debye-Radius f¨ ur das Plasma im Zentrum der Sonne aus folgenden Daten: T  15 × 106 K, ρe0  6 × 1025 cm−3 , die Massendichte besteht zu etwa 34% aus Protonen und zu 64% aus 4 He. Venachl¨assigen Sie schwerere Kerne.

4.

Berechnen Sie n¨ aherungsweise den Druck im Zentrum der Sonne mit Hilfe der Daten aus dem vorigen Beispiel. F¨ uhren Sie zuerst die Rechnung mit der Zustandsgleichung des idealen Gases aus und bestimmen Sie dann die Korrektur, die vom Plasma stammt.

7

Ann¨aherung an das Gleichgewicht

7.1

Mastergleichungen

7.1.1

Bilanzgleichungen

Abgeschlossenes System: Mastergleichungen sind Bilanzgleichungen, die die Zeitentwicklung eines Systems mit vielen Freiheitsgraden in der N¨ ahe des Gleichgewichts beschreiben. Wir setzen wie in

+H

S an, wobei die Mikrozust¨ande

tot = H Unterkapitel 1.2 den Hamiltonoperator als H

klassifiziert werden und H

S die St¨

r = Er ψr und nach H orung ist. Es gilt also Hψ

S bewirkt Uberg¨ ¨ H ange ψr → ψs mit der Wahrscheinlichkeitsrate wrs . Dabei sind die Gr¨ oßen wrs so definiert, dass wrs δt die Wahrscheinlichkeit ist, dass ψr nach einer infinitesimalen Zeit δt in ψs u ur diese Raten gilt selbstverst¨andlich wrs ≥ 0. In ¨ bergeht. F¨

S hat man [38] erster Ordnung St¨ orungstheorie in H

S ψr |2 = |ψr |H

S ψs |2 ⇒ wrs = wsr , wrs ∝ |ψs |H

(7.1)

S ben¨ wobei nur die Hermitizit¨ at von H utzt wurde. In h¨oherer Ordnung in der St¨orung

S wird diese Relation im Allgemeinen verletzt sein, wenn keine Symmetrie vorliegt, H die die Gleichheit der beiden Raten erzwingt. F¨ ur die weitere Diskussion setzen wir einfach wrs = wsr (7.2) und nehmen an, dass f¨ ur unsere Zwecke diese Relation mit gen¨ ugender Genauigkeit erf¨ ullt ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das System im Mikrozustand ψr befindet, sei ρr . Dann k¨ onnen wir folgende Bilanz aufstellen:  (ρs wsr − ρr wrs ) . (7.3) ρ˙ r = s =r

Dies ist die sogenannte Haupt- oder Mastergleichung f¨ ur ein abgeschlossenes System. Offensichtlich verletzt diese die Zeitumkehrinvarianz. D.h., wenn {ρr (t)} eine L¨osung von Gl. (7.3) ist, dann ist {ρr (−t)} keine L¨ osung, außer die Wahrscheinlichkeiten ρr sind zeitlich konstant. Gleichung (7.3) sorgt daf¨ ¨ ber alle ρr zeitlich ur, dass die Summe u konstant bleibt, also die richtige Normierung r ρr = 1 erhalten ist.

182

7 Ann¨aherung an das Gleichgewicht

Das H-Theorem: Die Gr¨ oße H[ρ] ist definiert als H[ρ] =



ρr ln ρr ,

(7.4)

r

ist also abgesehen von einem Faktor −k mit der in Gl. (4.28) eingef¨ uhrten Entropie ˜ identisch. Das Neue hier ist, dass wir mit Gl. (7.3) eine Zeitentwicklung von S(ρ) bzw. ¨ H[ρ] zur Verf¨ ugung haben. Die zeitliche Anderung von H[ρ] ist damit gegeben durch   d H[ρ] = (ρ˙ r ln ρr + ρ˙ r ) = (ρs wsr − ρr wrs ) ln ρr = dt r r s =r

1  [wrs (ρs − ρr ) ln ρr + wrs (ρr − ρs ) ln ρs ] = 2 r,s 1  − wrs (ρr − ρs ) (ln ρr − ln ρs ) ≤ 0. 2 r,s

(7.5)

Der Strich am Summenzeichen bedeutet, dass nur u ¨ ber r = s summiert wird. In der mittleren Zeile haben wir Gl. (7.2) ausgen¨ utzt. Die letzte Zeile folgt daraus, dass der Logarithmus monoton wachsend ist. Damit haben wir das sogenannte H-Theorem d H[ρ] ≤ 0 dt

(7.6)

hergeleitet. Dieses Theorem sagt, dass mit Gl. (7.3) als Zeitentwicklung die Entropie nur wachsen kann. L¨osung der Mastergleichung: Wir gehen von einem Anfangszustand {ρr (0)} aus und nehmen an, dass es einen Index r0 gibt, so dass jeder vorkommende Mikrozustand ψr von ψr0 durch eine Kette von nichtverschwindenden Wahrscheinlichkeitsraten zug¨anglich ist. W¨are das nicht der Fall, g¨ abe es entkoppelte Sektoren. Wir nehmen an, dass das f¨ ur alle Mikrozust¨ande mit U − ΔU ≤ Er ≤ U , wie in Unterkapitel 1.2 eingef¨ uhrt, der Fall ist. Wir definieren  wrr = − wrs , (7.7) s =r

womit wir die Hauptgleichung einfacher als  ρs wsr ρ˙ r =

(7.8)

s

schreiben k¨ onnen. Die Matrix (wsr ) ist eine relle, symmetrische, negativ definite Matrix. Die letzte Eigenschaft beweisen wir, indem wir folgende quadratische Form betrachten:    xs wsr xr = wrr x2r + 2 wsr xs xr = s,r



 s