Eine Mecklenburgische Märchenfrau: Bertha Peters erzählt Märchen, Schwänke und Geschichten [Reprint 2021 ed.]
 9783112563168, 9783112563151

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SIEGFRIED NEUMANN

EINE MECKLENBURGISCHE MÄRCHENFRAU Bertha Peters erzählt Märchen, Schwänke und Geschichten

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1974

Erschienen im Akademie*Verlag, 108 Berlin 8, Leipziger Straße 3—4 Copyright 1974 by Akademie-Verlag, Berlin Lizenznummer: 202 • 100/128/74 Gesamthersteüung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen/DDR • 4243 Umschlag und Einbandgestaltung: Erhart Bauch Porträt der Erzählerin: Eya Engel Lektor: Hildegard Palm Beatellnummer: 752 235 9(6021) - LSV 7108

EVP 7.50

Inhalt

Vorwort

9

Die Erzählerin Persönlichkeit und Lebensweg Stellung in der Erzähltradition Das Erzählrepertoire Erzählhaltung und Erzählweise Verhältnis zum Erzählgut Märchenüberlieferung und Erzählsituation

17 21 27 31 40 46

Das Erzählgut Märchen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

Wie die Tiere entstanden Das Schwein und sein Kringelschwanz Die mißgünstige Scholle Vogel, Maus und Bratwurst Hähnchen und Hühnchen Der Wettlauf zwischen Hase und Igel Der Wolf und die sieben kleinen Zicken Die Bremer Stadtmusikanten Bohne, Strohhalm und Kohle Der Wundertopf Rotkäppchen Die Kinder und der Storch Hans und Greting Schneeweißchen und Rosenrot Rumpelstilzchen Dornröschen Der Froschprinz und der treue Hinnerk

53 55 57 57 60 62 63 66 69 71 72 76 77 84 89 94 99

5

18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28.

Frau Holle Brüderchen und Schwesterchen Aschenputtel Einauge, Zweiauge, Dreiauge Die drei Männlein und die Stiefschwestern Wacholderbaum und Totenvogel Schneewittchen Das Mädchen und seine zwölf Brüder Die Gänsemagd und das sprechende Pferd Der geheimnisvolle Berg Der Fischer und seine Frau

102 107 111 119 125 131 138 146 150 156 157

29. 30. 31. 32.

Der Tisch, der Esel und der Knüppel Däumlings Abenteuer Der pfiffige Schneider Hans im Glück

162 169 173 177

Schwanke und Geschichten 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44.

Ein vorsorgliches Wiegenlied Mutters Beste Vater und Sohn Der Junge mit Schnupfen Der kleine Angler Eine Anfrage Die hochdeutsche Auskunft Kurze Trauer Schmeichelhafte Antwort Grabinschriften Die Heilige Familie Der eifrige Zeitungsleser

181 182 182 182 182 183 183 183 184 184 185 185

45. 46. 47. 48. 49.

Der Klassenletzte Geschichten von Albert Der pfiffige Schiffsjunge Heiratsmarkt Wiegengesang

185 186 186 187 187

50. 51. 52. 53. 54.

Die Pferdelotterie Der ängstliche Mann Ein Ehekrach Die Frau und ihr Papagei Das Billett

189 189 190 190 191

55. 56. 57. 58.

Ein Mißverständnis Das Senfessen Alle Mahlzeiten hintereinander Eulenspiegels Rat

191 192 192 193

6

59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66.

Der Junge in der Kirche Der unbeteiligte Kirchgänger Warum der Nachtwächter nicht tutet Die Medaille Der Parade-Papagei Die klugen Hunde Bestellung bei Gericht Der politische Papagei

193 194 194 196 196 197 197 198

Anhang Literaturverzeichnis

201

Anmerkungen zu aen Texten

203

Typenverzeichnis nach Aarne-Thompson

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Worterklärungen

213

Vorwort

Die Schätze der Volksdichtung, in der die Gedanken, Gefühle und Hoffnungen des werktätigen Volkes ihren poetischen Ausdruck gefunden haben, stellen ein wertvolles künstlerisches Vermächtnis dar, das in der sozialistischen Gesellschaft bewahrt wird. 1 Doch die Rezeption dieses kulturellen Erbes kann sich nicht in der Neuentdeckung und im Kennenlernen der alten Märchen und Sagen, Schwänke und Lieder erschöpfen, die zum Teil noch heute großen ästhetischen Reiz besitzen, sondern schließt auch die Beschäftigung mit den Menschen ein, deren gestalterische Kraft in diesen Volksüberlieferungen sichtbar wird. Daher nimmt die von Wissenschaftlern der Sowjetunion begründete und seit Jahrzehnten intensiv betriebene Erzähler-Forschung 2 , deren Anliegen es ist, die Rolle dichterisch begabter Volkskünstler im Prozeß der mündlichen Erzähltradition zu erhellen, auch im Programm der Folkloristik der D D R einen festen Platz ein. 3 Vor allem die folkloristische Gegenwartsforschung, die nicht nur die dominierenden Äußerungsformen des heutigen Erzählens, d. h. Witz und Alltagserzählung, registriert 4 , sondern auch das Weiterleben der „klassischen" Gattungen der Volkspoesie in der mündlichen Überlieferung verfolgt 5 , widmet seit Jahren herausragenden Erzählerpersönlichkeiten, wie sie immer wieder anzutreffen sind, große Aufmerksamkeit. 6 Das liegt natürlich vor allem in der Bedeutung dieser „Volkskünstler des gesprochenen Worts" für das lebendige Erzählen begründet, erklärt sich aber auch aus der speziellen Forschungssituation der Folkloristik. 7 Mit dem fortschreitenden Ausklingen der alten Volksprosagattungen in der mündlichen Überlieferung erweist sich die Erzähler-Forschung zunehmend als die tatsächlich rationellste Methode, das Leben der traditionellen Volkserzählung seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zu untersuchen und zu erfassen. Denn nur die intensive Beschäftigung mit einzelnen Erzählern gestattet es, anhand typischer Beispiele alle diesbezüglich aktuellen Probleme auszuleuchten: Erst wenn man nicht nur sporadisch ein paar Schwänke, Witze oder Alltagsgeschichten hört, sondern echten Erzählerpersönlichkeiten begegnet, die sowohl aus dem Fundus der Überlieferung schöpfen als auch einiges von dem „modernen" Stoffgut beherrschen, wenn man Gelegenheit hat, diesen Er9

Zählern immer wieder zuzuhören, ihren Werdegang, ihren ganzen Erzählschatz und ihre Einstellung zu dem Erzählten kennenzulernen sowie ihre Wirkung auf ihre Umwelt festzustellen, — erst dann erhält man einen wirklichen Eindruck vom Umfang, von der Funktion und von den Wandlungen der zeitgenössischen Volkserzählung. Gleichzeitig ermöglicht es das so gewonnene Material, auch dem Leser durch die Vorstellung einzelner charakteristischer Erzähler und die Mitteilung ihres Erzählrepertoires einen punktuellen Überblick über das Phänomen „Volkserzählung gestern und heute" zu vermitteln. Dafür sind die beiden bisher in der DDR publizierten Erzählermonographien, in denen versucht wird, sowohl das Individuell-Schöpferische als auch das Zeittypische der vorgestellten Erzählerpersönlichkeiten aufzuzeigen, instruktive Beispiele. So handelt es sich bei dem Landarbeiter Otto Vogel (1874—1971) aus Delitz bei Halle um einen originellen Märchenerzähler 8 , der — obwohl in seiner Gegend bereits ein Einzelfall — als Zeuge für die innere Auflösung des alten Volksmärchens und seinen Wandel vom Erzählstoff für Erwachsene zu einem Genre für Kinder gelten kann. Dieser Prozeß, der sich in weiten Teilen des ostelbischen Deutschland nach der Jahrhundertwende vollzog 9 , war bisher nie an einem konkreten Fall in solcher Eindringlichkeit faßbar. — Der Landarbeiter August Rust (geb. 1890) aus Cammin bei Neubrandenburg verkörpert dagegen den Typ des traditionellen Schwankerzählers 10 der älteren Generation, der mit einem Fundus meist altüberlieferter Stoffe dem gegenwärtigen Erzählen in Mecklenburg — auf dem Land und in der Kleinstadt — noch das bestimmende Gepräge gibt. 11 Sein Beispiel macht daher in selten eindringlicher Weise die schöpferische Leistung des werktätigen Volkes bei der Bewahrung und Weitergabe lebenswahrer Volksprosa bewußt; und man lernt die komplizierten Beziehungen zwischen Lebensweg, Denkwelt, Erzählgut und Aussagewollen begreifen, die in der Person jedes einzelnen Erzählers zum Tragen kommen und sowohl Formung wie Funktion der Volkserzählung entscheidend beeinflussen. Das jetzt vorgelegte Buch über eine mecklenburgische „Märchenfrau" stellt sowohl ein Pendant als auch eine notwendige Ergänzung zu der Monographie über August Rust dar. Handelt es sich bei ihm um den besten Schwanker^ähler, der bisher von der Erzählforschung in Mecklenburg erfaßt wurde, so ist Bertha Peters die mit Abstand eindrucksvollste Märchener^ählerin, die bisher ein Sammler in dieser Landschaft „entdeckt" hat. Aber während die Schwanküberlieferung verhältnismäßig gut dokumentiert und erforscht ist und es noch heute zahlreiche ausgeprägte Schwankerzähler gibt, die dem Folkloristen für seine Erhebungen zur Verfügung stehen 12 , besitzen wir zwar eine Übersicht über die Märchenstoffe, aber keine so detaillierten Kenntnisse über das Leben des Märchens, wie sie nur durch die eingehende Exploration von Märchenerzählern zu gewinnen sind, denn diese gelten bei uns seit Jahren als ausgestorben. 13 Die Märchen und Auskünfte von Frau Peters bieten nun die Mög10

lichkeit, der landschaftlichen Volksmärchenüberlieferung, soweit sie bisher erfaßt ist, das Beispiel einer erzählerischen Einzelleistung auf diesem Gebiet gegenüberzustellen, um die vorhandene Forschungslücke — zumindest teilweise — zu schließen und zugleich einen Eindruck von dem poetischen Vermögen begabter Märchenerzähler aus Mecklenburg zu vermitteln. Auch hier gilt es freilich zu differenzieren. Während unter Kleinbauern und Tagelöhnern, Knechten und Mägden die mündlich überlieferten Volksmärchen bis ins 20. Jahrhundert hinein ein echtes Medium besinnlicher Unterhaltung und sozialer Aussage blieben* 4 , wurden in bürgerlichen Familien, soweit man dort an Volkspoesie Interesse fand, die Märchen schon im 19. Jahrhundert weitgehend nur noch Kindern erzählt und in steigendem Maße aus Büchern entlehnt. Mit Bertha Peters, die vom Sozialstatus her wie als Erzählertyp zwischen diesen beiden Extremen steht, wird erstmals eine Erzählerin vorgestellt, wie sie typisch für die auslaufende mündliche Märchentradition und für das Märchenerzählen unter dem Einfluß der Grimmschen Sammlung ist. 1 5 Dabei geht es sowohl um den Sonderfall einer außergewöhnlichen Märchenerzählbegabung, der wertvolle Aufschlüsse über die künstlerische und psychologische Seite des Märchenerzählens geben kann 1 6 , als auch um das Phänomen der Märchenüberlieferung bis in kleinbürgerliche Schichten (Lehrer, kleine Angestellte, Gewerbetreibende) hinein, die bisher zumeist nur sporadisch in das Blickfeld der Volkserzählforschung gerückt ist. Diese Überlieferung kann hier über mehr als ein Jahrhundert zurückverfolgt werden, wobei sich von Generation zu Generation Akzentverschiebungen abzeichnen, die den Prozeß der Wandlung vom lebendigen Volksmärchen zum nacherzählten „Buchmärchen" greifbar werden lassen. Frau Peters' Repertoire, Erzählweise und Stellung in der Erzähltradition sind daher nicht nur für sich interessant, sondern charakterisieren beispielhaft den Erzählstoff, die Erzählhaltung und das Erzählmilieu in volksverbundenen und geistig aufgeschlossenen kleinbürgerlichen Kreisen, die mit der Pflege der Volksdichtung kulturelle Bestrebungen aus der Aufstiegsphase des Bürgertums lebendig erhielten. Zugleich wird in recht anschaulicher Weise deutlich, unter welchen Bedingungen sich das Märchenerzählen in der Kinderstube während der letzten Jahrzehnte fortgepflanzt und bis in die Gegenwart erhalten hat. Ungewöhnlich bei Bertha Peters sind nur — wie auch bei August Rust — ihre überdurchschnittliche Erzählgabe sowie der Umfang ihres Erzählrepertoires, und es gibt bei aller Andersartigkeit zahlreiche Berührungspunkte zwischen beiden Erzählerpersönlichkeiten. Diesen im einzelnen nachzugehen, würde zu weit führen. Die biographische Skizze über die Erzählerin ist jedoch ebenso gegliedert wie in der vorausgegangenen Monographie, so daß die einzelnen Kapitel hier wie dort weitgehend miteinander korrespondieren und dem Leser jederzeit Vergleiche möglich sind. Nur die „Stellung in der Erzähltradition", bei Rust mit wenigen Sätzen gestreift, ist hier in einem gesonderten 11

Kapitel behandelt. Der Grund dafür ist naheliegend: Bei der Vorstellung von August Rust standen sein Auftreten und seine Wirkung als Erzähler der Gegenwart im Mittelpunkt der Darstellung, für die im wesentlichen eigene Beobachtungen in den Jahren 1958 bis 1969 die Grundlage bildeten. Bei Bertha Peters dagegen dienten die Aufnahmen von 1969 bis 1971 in erster Linie dazu, ihre Rolle als Märchenerzählerin in den zurückliegenden Jahrzehnten zu erfassen. Daher trägt die Darstellung weitgehend den Charakter einer Rückblende, indem ständig versucht wird, aus der Analyse ihres jetzigen Erzählguts und ihrer heutigen Erzählweise Aufschlüsse über ihr früheres Erzählen zu gewinnen, dessen Schilderung sich im übrigen auf die Erinnerungen und spontanen Reflexionen von Frau Peters stützt. Dieser methodische Versuch setzt natürlich zu allen Fragen, die nicht von den Erzähltexten bzw. von der unmittelbaren Beobachtung her zu beantworten sind, möglichst genaue Auskünfte der Erzählerin voraus, zumal die erhaltenen Angaben nur schwer oder gar nicht zu überprüfen sind. In Zweifelsfällen habe ich daher wiederholt vorsichtig nachgefragt, um Irrtümer auszuschließen, und fast ausnahmslos inhaltlich gleichbleibende Antworten erhalten, die auf ein verläßliches Gedächtnis deuten. Manches, was Frau Peters berichtete, scheint allerdings etwas erinnerungsverklärt zu sein, und hier ist zweifellos ein gewisser Vorbehalt berechtigt. Andererseits war kein anderer Weg möglich, als das von ihr Berichtete, wenn auch kritisch wägend, für die Darstellung zu verwerten. So ist versucht worden, nicht nur eine möglichst exakte folkloristische Einschätzung des Werdegangs und der Leistung dieser Erzählerin zu geben, sondern zugleich deutlich werden zu lassen, wie sich beides aus ihrer eigenen Rückschau darstellt. Das drückt sich vor allem darin aus, daß verhältnismäßig oft ihre eigenen Äußerungen zitiert werden, die meist recht bildhaft sind und viel von ihrem Wesen erkennen lassen. Da sich das Buch nicht nur an den Erzählforscher wendet, sondern, nach den Erfahrungen mit ähnlichen Publikationen, dem Informationsbedürfnis eines relativ breiten Leserkreises in Mecklenburg Rechnung tragen soll, ist die Darstellung auch — ohne zu vereinfachen — bewußt so allgemeinverständlich wie möglich gehalten. Es ging darum, sie so anzulegen, daß auch jeder Leser, dem die Problemstellung der Folkloristik völlig fremd ist, an den Recherchen, die zu diesem Buch führten, gleichsam teilnimmt und sich ständig in Kontakt mit der Erzählerin wähnt, ihr Erzählen in den verschiedensten Situationen „miterleben" kann und sich in ihre soziale und geistige Welt hineinzudenken vermag. Erst dann werden auch die abgedruckten Texte, die zweifellos zu dem Besten gehören, das bisher an mündlichem Erzählgut in Mecklenburg aufgezeichnet wurde, in ihrem Gehalt und in ihrer poetischen Eigenart wirklich verständlich. Siegfried A. Neumann 12

Anmerkungen zum Vorwort Vgl. Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Bd. I—II. Berlin 1954, 1963; ders.: Lied und Märchen als Stimme des Volkes. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde. 2 (1956) S. 11—32; Paul Nowotny: Einige Aspekte des Wandels der traditionellen sorbischen Volkskultur. In: Letopis. C 15 (1972) S. 4—20; Kurt Hager: Zu Fragen der Kulturpolitik der SED. Berlin 1972, S. 54ff. 3 Als Beispiele seien genannt: Mark Asadowski: Eine sibirische Märchenerzählerin. Helsinki 1926; A. M. Novikova/I. A. Ossoveckij: Skazki Kuprijanichi. Vorones 1937; A. N. Necaev: Skazki M. M. Korgueva. Petrozavodsk 1939; M. K. Azadovskij/L. E. Eliasov: Skazki Magaja. Leningrad 1940; N. V. Novikov: Skazki F. P. Gospodareva. Petrozavodsk 1941; fi. V. Gofman/ S. I. Mine: Skazki I. F. Kovaleva. M o s k v a l 9 4 1 ; vgl. dazu £rna Pomeranceva: I. F. Kovalev, ein belesener russischer Märchenerzähler. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde. 11 (1965) S. 265—274; A. M. Linevskij: Skazitel' F. A. Konaskov. Petrozavodsk 1948; N. D. Komovskaja: Skazki M. A. Skazkina. Gorkij 1952; fi. V. Pomeranceva: Skazki Abrama Novopolceva. Kujbysev 1952; P. V. Lintur: Zakarpatskij skazoenik Andrej Kaiin. Uzgorod 1953; K. V. Cistov: Narodnaja poetessa I. A. Fedosova. Petrozavodsk 1955; P. V. Lintur: Skazki zelenych gor, rasskazannye M. M. Galicej. Uzgorod 1966; fi. V. Pomeranceva: Russkie narodnie skazki, rasskazany voronezskoj skazocnicej A. N. Korol'kovoj. Moskva 1969. 3 Vgl. etwa Paul Nedo: Sorbische Volksmärchen. Bautzen 1956, S. 33ff.; Siegfried Neumann: Der mecklenburgische Volksschwank. Sein sozialer Gehalt und seine soziale Funktion. Berlin 1964, S. 74ff.; ders.: Mecklenburgische Volksmärchen. Berlin 1971, S. 26ff. * Vgl. Siegfried Neumann: Lebendiges Erzählen in der Gegenwart. Befunde und Probleme. In: Probleme und Methoden volkskundlicher Gegenwartsforschung. Berlin 1969, S. 157—167; Waltraut Woeller: Einige Beobachtungen zum Erzählen in der Gegenwart. In: Letopis. C 11/12 (1968/69) S. 306-313; Henrik Becker: Voreltern- und Arbeitsgeschichten. Leipzig 1957; Siegfried Neumann: Arbeitserinnerungen als Erzählinhalt. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde. 12 (1966) S. 177—190; Isolde Gardos: Das Repertoire einer heutigen obersorbischen Erzählgemeinschaft. In: Letopis. C 11/12 (1968/69) S. 8 6 - 9 3 . 5 Vgl. Siegfried Neumann: Altüberlieferte Erzählstoffe im mecklenburgischen Alltag der Gegenwart. In: Die Freundesgabe. (1963) Heft 1, S. 39—44; ders.: Schwank und Witz. In: Letopis. C 6/7 (1964) S. 328-335; Paul Nedo: Grundriß der sorbischen Volksdichtung. Bautzen 1966, S. 215ff.; Isolde Gardos: Beobachtungen zur heutigen Erzählsituation in einem Lausitzer Heidedorf. In: Letopis. C 15 (1972) S. 4 0 - 6 0 . 6 Vgl. Alfred Fiedler: Ein Volkserzähler unter uns. In: Mitteldeutsches Land. (1957) S. 2 0 4 - 2 0 9 ; ders.: Über Volkserzähler in unseren Tagen. Ein Beitrag zur Erzählerforschung in Sachsen. In: Sächsische Heimatblätter. 4 (1958) S. 567—570; Siegfried Neumann: Volkserzähler unserer Tage in Mecklenburg. Bemerkungen zur Erzähler-Forschung in der Gegenwart. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde. 15 (1969) S. 3 1 - 4 9 . ? Vgl. Alfred Fiedler/Felix Hoerburger: Beiträge zur Aufnahmetechnik und Katalogisierung von Volksgut. Leipzig 1956, S. 6ff. 8 Vgl. Ingrid Eichler: Sächsische Märchen und Geschichten, erzählt von Otto Vogel. Berlin 1971. 9 Vgl. etwa Wilhelm Wisser: Auf der Märchensuche. Die Entstehung meiner Märchensammlung. Hamburg/Berlin (1926); Nedo, Volksdichtung (Anm. 6) S. 217; Neumann, Volksmärchen (Anm. 3) S. 33ff. 10 Vgl. Siegfried Neumann: Ein mecklenburgischer Volkserzähler. Die Geschichten des August Rust. Berlin 1968, 2. erweiterte Aufl. 1970. I I Rusts Repertoire z. B. umspannt fast die gesamte thematische Breite des mecklenburgischen Schwankguts. Vgl. Richard Wossidlo/Siegfried Neumann: Volksschwänke aus Mecklenburg. Berlin 1963, 3. erweiterte Aufl. 1965; Neumann, Volkserzähler unserer Tage (Anm. 6) S. 39ff. I

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Vgl. außer den in Anm. 3, 10 und 11 genannten Arbeiten noch Siegfried Neumann: Plattdeutsche Schwanke. Rostock 1968; ders.: Soziale Konflikte im mecklenburgischen Volksschwank. Diss. (Ms.) Berlin 1961. 13 Vgl. Richard Wossidlo/Gottfried Henßen: Mecklenburger erzählen. Märchen, Schwanke und Schnurren. Berlin 1957; Neumann, Volksmärchen (Anm. 3). 14 Vgl. Neumann, Volksmärchen S. 26ff. 15 Vgl. Kurt Ranke: Der Einfluß der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen auf das volkstümliche deutsche Erzählgut. In: Papers of the International Congressof European and Western Ethnology. Stockholm 1951. Stockholm 1956, S. 126—135. Ranke weist nach, daß sich unter den zahlreichen Märchenaufzeichnungen nach Grimm kaum Belege finden, die den Fassungen in den KHM nacherzählt sind. Diese Tatsache ist jedoch zweifellos vor allem darauf zurückzuführen, daß die Sammler, wenn ihnen „grimmabhängige" Märchen begegneten, diese nicht für aufzeichnenswert hielten. Tatsächlich haben die Nachdrucke Grimmscher Texte in Schullesebüchern und Kalendern seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert den volkstümlichen Erzählstoff selbst in ländlichen Gegenden maßgeblich mitgeformt. Vgl. z.B. Elfriede Rath: Volksbuch und Volksmund. Zur Quellenfrage steirischen Erzählgutes. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark. 45 (1954) S. 131—144; Neumann, Volksmärchen S. 35; ders.: Volkserzähler Rust (Anm. 10) S. 171 ff., dort Anm. 198ff. 16 Frau Peters ist — trotz aller „Grimmabhängigkeit" — im Grunde noch eine in der mündlichen Überlieferung verwurzelte Erzählerin von Volksmärchen und zeigt keinerlei Berührungspunkte mit jenen zumeist professionellen Märchenerzählerinnen, deren Absicht eine „Wiederbelebung" des bereits Literatur gewordenen „Buchmärchens" ist. Vgl. etwa Lisa Tetzner: Aus der Welt des Märchens. Aus dem Nachlaß zusammengestellt und bearbeitet von Vilma Mönckeberg-Kollmar. Münster 1965. 12

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Die „Märchenfrau" Bertha Peters, geb. Kortüm Porträt aus dem Jahre 1969

Die Erzählerin

Persönlichkeit und Lebensweg Unter der Post, die ich von Lesern meiner „plattdeutschen Bücher" erhielt, befand sich im Februar 1969 auch ein dicker Brief aus Warin (Kreis Sternberg). Die Absenderin, Frau Bertha Peters, hatte einige hübsche Schwänke in Mundart für mich notiert, zu denen sie schrieb: „Ick will Sei nu för Ehre Sammlung so 'n bäten wat ut minen behöllern Kopp tauschicken . . . Denn kieken S', ick bün jo nu ok all von lütt up an up de Welt, un mitdewiel bün ick 76 Johr olt worden. Dor ward dat woll bilütten Tied, dat ick minen Tünkram an 'n Mann bringen dauh . . . Ick stamm ut 'ne Fomili, de tau de 'Fang up 'n Schät' hüren, un wo dat heit: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. . ." Dieser amüsante Brief, der auch die Einladung zu einem Besuch enthielt, weckte den Wunsch, die offenbar originelle Schreiberin kennenzulernen; und noch im Frühjahr des gleichen Jahres machte ich auf einer Sammelreise in dem reizvollen Städtchen Warin kurz Station. Die kleine freundliche Frau, der man ihr Alter nicht ansah, begrüßte mich wie einen guten Bekannten: „Ick bün 'ne oll Wittfruu, un ick freu mi, wenn ick 'n bäten snacken kann." Bald waren wir in ein angeregtes Gespräch vertieft, das sie spontan mit Lokalanekdoten und Schwänken würzte; und als ich sie in plötzlicher Eingebung fragte, ob sie denn auch Märchen kenne, reagierte sie mit einem erstaunten: „Doch, natürlich! — Aber die sind ja allgemein bekannt. Ob Se dormit wat anfangen kcenen . . .?" Trotz dieses Zweifels war sie jedoch schnell bereit, zwei Märchen und zwei Ortssagen, die ihr gerade in den Sinn kamen, vor dem rasch ausgepackten Mikrofon zu erzählen. Dann versagte die Stimme ob der ungewohnten Konzentration, und Frau Peters meinte: „Ja, denn möten S' woll noch eins wedder inkieken." Bei diesem zweiten Besuch wenig später wurde ich dann schon erwartet und konnte mehrere in lebendigem Plattdeutsch vorgebrachte Märchen auf Tonband festhalten, die eine echte, natürliche Erzählbegabung verrieten. Außerdem nannte die Erzählerin eine Reihe weiterer Märchen- und Schwanksujets, die sie ebenfalls wiedergabebereit hatte. So kehrte ich im Laufe der nächsten beiden Jahre während meines Urlaubs wiederholt bei ihr ein, um alles Erzählgut, das sie kannte, aufzuzeichnen. Meist saßen wir dann ganze Tage, an 2

Neumann, Märchenfrau

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denen sie sich völlig dem Märchenerzählen hingab, in ihrem Zimmer oder auf der Gartenbank zusammen; und während ich ihr — mit gelegentlichem Blick zum Aufnahmegerät — beeindruckt zuhörte, wurde ich mitunter an die „Viehmännin", die berühmte Märchenfrau der Grimms, erinnert. Daneben jedoch gab es Stunden, in denen Frau Peters wie ausgewechselt war und mit einem Sinn für Komik Schwänke und Alltagsgeschichten erzählte, wie er mir bisher nur bei Männern begegnet war. — Erinnerte sie sich zwischen meinen Besuchen neuer Stoffe, so notierte sie schnell ein paar Stichworte, um sie bei der nächsten Aufnahme parat zu haben. Aber es machte ihr auch nichts aus, selbst lange Märchen vollständig aufzuschreiben, wenn sie ihr „im K o p f herumgingen" und ich längere Zeit nicht kommen konnte. Vor allem im strengen Winter 1969/70, als sie monatelang mit einem komplizierten Beinbruch im Streckverband liegen mußte, griff sie trotz heftiger Schmerzen zur Feder und schickte mir eine Anzahl poetischer Märchentexte zu. Frau Peters' Briefe aus dieser Zeit, die den Texten beilagen, sind Zeugnisse dafür, daß sie auch in einer solchen Situation ihren Humor behielt: Obwohl die Heilaussichten deprimierend waren, verlor sie keinen Augenblick den Lebensmut und konnte dank ihrer erstaunlichen Energie nach einem Jahr bereits wieder ohne Stock gehen. Kurze Zeit später erlebte ich sie dann wieder geschäftig in Haus und Garten hantieren, wo sie noch täglich einige Stunden wirkte, und mit besonderem Stolz zeigte sie mir ihre selbstgezüchteten Rosen. Trotz ihrer vorgerückten Jahre war es ihr unvorstellbar, „rümtositten un nicks to daun". Andererseits hatte sie jedoch immer Zeit, wenn ich kam, und nahm gern die Gelegenheit zu einem „gemütlichen Plauderstündchen" wahr, um sich über alles auszusprechen, was sie gerade bewegte. Auch die Tonbandaufnahmen machten ihr offensichtlich Freude und stellten eine willkommene Abwechslung in ihrem Alltag dar. Die ruhige Sicherheit, mit der sie erzählte oder im Disput ihre Ansichten vertrat, ihre Gabe, in allem das Gute zu sehen und sich darüber zu freuen, sowie ihr heiteres, stets ausgeglichenes Wesen zeigten einen lebensfrohen, in sich harmonischen Charakter. Fast ständig war sie gut gelaunt und hatte ein munteres Scherzwort zur Hand, und wie sie es liebte, „schön Kaffee to drinken", so sprach sie auch gern einem Glas Wein zu. „Frau Peters ist eine Lebenskünstlerin und versteht immer dem Leben die beste Seite abzugewinnen", sagte eine ihrer langjährigen Bekannten, die alte Frau Brüßhaber, und diese Worte geben am besten auch meinen Eindruck wieder. — Auch wenn die Erzählerin in ihren Erinnerungen „kramte", waren es vor allem die angenehmen Erlebnisse, von denen sie berichtete, — obwohl ihr Leben keineswegs leicht und konfliktlos verlaufen war. Bertha Peters wurde am 12. November 1892 als drittes Kind des Lehrers Kortüm im Küsterhaus zu Warin geboren. Der Vater, elternlos aufgewachsen, ein strenger, oft pedantischer Mann und durch Schuldienst und Nachhilfestunden voll beansprucht, hatte auch noch die Küsterstelle übernommen, um 18

seine Familie ernähren zu können. Dennoch bedurfte es größter Sparsamkeit, um auszukommen: „Dor würd jede Penning dreimal ümkihrt. Nahmiddags to ' n , Kaffee', dor gew dat nicks as 'ne dröge Semmel. Un neihgt för uns Kinner würd eigentlich bloß ut oll Tüüg." Außerdem war die Mutter, eine gutmütige, lebenslustige Frau, der die Arbeit leicht von der Hand ging, viel krank, und die Kinder mußten sich früh darauf einstellen, den Haushalt allein zu besorgen. So blieb auch für die Jüngste, sobald sie zur Schule kam, zum Spielen kaum noch Zeit. Doch der Unterricht machte ihr Spaß, da sie leicht lernte und bald selbst Lehrerin werden wollte. Und in ihrem Elternhaus herrschte trotz mancher Entbehrungen und eines von Pflichten ausgefüllten Alltags meist ein so gutes Verhältnis, daß ihr rückblickend die Jahre der Kindheit als eine glückliche Zeit erschienen. Vor allem die „heimeligen Schummerstunden" im Winter und die sonntäglichen Spaziergänge, vorbei an der alten, „romantischen" Wassermühle, sind ihr lebhaft in Erinnerung geblieben. Nur an einer unbedachten Äußerung der Mutter trug sie schwer: „As ick noch ganz lütt wir, het mien Mudder mal so seggt: ,Du büst jo gor nich uns' Kind, du büst jo LuusSchrödersch ehr.' Un dor het mien Schwester, dee dat hürt het, mi denn mit ärgert: ,Paß bloß up, dat se di nich haalt!' Dor wir dat so dreckig bie dee Lüüd'. Un ick hadd so 'ne Angst, dat se mi wirklich halen ded'! Dorvon leg' richtig 'n Schatten cewer mien Kinnertiet. As mien Vadder dat mal hürt het un säd', dat wir nich wohr, dat wir mi richtig 'ne Erlösung. Dor güng ick all to Schaul." Nach Beendigung der Schulzeit zu Ostern 1907 führte das zierliche, verträumte Mädchen den Eltern zunächst weiter den Haushalt und half auf der inzwischen modernisierten Mühle, in welche die Schwester gerade „eingeheiratet" hatte, überall mit aus, wo Hilfe gebraucht wurde. Gleichzeitig hielt sie jedoch zäh am einmal erwachten Berufswunsch fest. Der Vater, um das Fortkommen seiner strebsamen Tochter besorgt, gab ihr Privatunterricht und schickte die Sechzehnjährige trotz der damit verbundenen Kosten, die alle Ersparnisse aufzehrten, nach Schwerin auf ein privates Lehrerinnenseminar. Diese drei Jahre, in denen sich Monate angestrengten Lernens, um den Vater nicht zu enttäuschen, mit arbeitsreichen Ferienwochen auf der Mühle ablösten, brachten ihr das langersehnte „Examen". Doch die jungeLehrerin übte dann den unter Opfern erreichten Beruf nicht aus, da sie 1913 mit dem Schweriner Versicherungsbeamten Wilhelm Peters eine Ehe einging und im Jahr darauf ihr erster Sohn geboren wurde. Erst als der Krieg ausbrach, der Mann an die Front mußte und sie zu ihren Eltern fuhr, um den schwer erkrankten Vater in der Schule zu vertreten, lernte sie bei ganztägigem Unterricht in überfüllten Klassen die Mühsal des Lehrerinnendaseins im alten Mecklenburg gründlich kennen. Zugleich drückten die eigenen familiären Nöte und das kriegsbedingte Elend und Leid in der Nachbarschaft sie vielfach so nieder, daß sie in der Beschäftigung mit ihrem Kind oft den einzigen Halt fand. 2*

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Nach dem Krieg, als der Mann zurückkehrte und — wieder in Schwerin — noch ein Sohn und eine Tochter geboren wurden, gab Frau Peters ihren Beruf erneut auf, um sich ganz der Familie zu widmen. Das Gehalt ihres Mannes reichte, vor allem während der Inflation, nicht viel weiter, als von der Hand in den Mund zu leben, doch sie erinnert sich: „Oewer satt sünd wi noch ümmer worden. Mi het ok in de gröttste Not mien Maut nich verlaten. Ick hadd jo ok mit de Huuswirtschaft, den Mann un de Kinner so väl to daun, dat kein Tiet to 'n Grübeln bleew." Außerdem bot sich durch die Bekanntschaft mit verschiedenen Schweriner Künstlern vielfach Gelegenheit, an den kulturellen Möglichkeiten der Landeshauptstadt teilzuhaben. Vor allem der Besuch des Theaters vermittelte Frau Peters bleibende Erlebnisse. — Doch weltanschauliche Differenzen und Verfehlungen des Mannes, der sich wenig um die Familie kümmerte, führten zu wachsender Entfremdung zwischen den Eheleuten und 1927 schließlich zur Scheidung. Frau Peters, die inoffiziell wieder ihren Mädchennamen annahm (Peters-Kortüm), erhielt einen Unterhaltsbeitrag zugesprochen und fand bei ihren Verwandten so viel Unterstützung, daß sie mit ihren drei Kindern keine Not zu leiden brauchte. Auch Schweriner Bekannte, besonders der Kleinhändler Frick und dessen Frau, standen der vom Leben schwer Enttäuschten mit Rat und Tat zur Seite. Aber es dauerte Jahre, bis sie ihre Depression überwand und sich darauf einstellte, abgesehen von bescheidener Erwerbsarbeit durch Zimmervermieten, ihr Leben ganz auf ihre Kinder auszurichten: „Wi hebben donn alls tosamen makt, mien Kinner un ick, ganz kameradschaftlich, un ick heff mi richtig jung hollen dorbie. Dat würd ok 'ne schöne Tiet." Die Zeit des Faschismus, dem Frau Peters vom ersten Tage an in passiver Ablehnung gegenüberstand, zerstörte auch dieses „kleine Glück". Mutter und Kinder, von dem herrschenden Gesinnungsterror schockiert und eingeschüchtert, sahen den einzigen Ausweg darin, sich so weit wie möglich aus allem „herauszuhalten". Vor allem die beiden Jüngsten vor dem verhaßten „Dienst" in den braunen Jugendorganisationen zu bewahren, kostete viel Kopfzerbrechen: „Wie manches Mal", sagte Frau Peters aus der Rückschau, „habe ich da fromme Lügen erfunden. Man lebte ja in ständiger Angst. Ach, und diese Intrigen und Denunziationen: Es war schrecklich!" — Als die Kinder herangewachsen waren und die größte Sorge um ihren Unterhalt vorbei zu sein schien, begann der zweite Weltkrieg, in den jetzt die Söhne ziehen mußten. Der Jüngste, knapp zwanzigjährig, kam nicht wieder. Frau Peters, ab 1941 zur Tätigkeit beim „Roten Kreuz" herangezogen und täglich um das Leben ihres anderen Sohnes bangend, wurde zu einer erbitterten Gegnerin des Regimes und des imperialistischen Krieges. Nach der Befreiung vom Faschismus siedelte Frau Peters mit ihrer Tochter erneut nach Warin über, wo sie von ihrer verwitweten Schwester, die plötzlich verstarb, ein Haus mit Garten und die ihr seit der Kindheit ans Herz ge20

wachsene Mühle erbte. Über vier Jahrzehnte war sie dort ein und aus gegangen und dadurch so mit dem Mühlenbetrieb vertraut geworden, daß der sowjetische Stadtkommandant sie mit dessen Weiterführung beauftragte. Diese Aufgabe, die zunächst viel Einarbeit und ungewohnte K r a f t kostete, sowie die Betreuung ihrer beiden Enkelsöhne, an denen sie sehr hing, gaben Frau Peters für fast zwei Jahrzehnte einen neuen Lebensinhalt. Dann bot sich die Möglichkeit, den Betrieb einem volkseigenen Mühlenkombinat anzugliedern; und die bereits Zweiundsiebzigjährige konnte sich ganz auf die B e s o r g u n g v o n Haus und Garten zurückziehen. — Sie sehnte sich nun oft schon nach Ruhe und nutzte die Freizeit, die ihr die Haus- und Gartenarbeit ließ, zu besinnlicher Lektüre, zu der ihr früher meist die Muße gefehlt hatte. Neben schöngeistiger Literatur, Kunstgeschichte und Landeskunde galt ihre besondere Vorliebe v o n J u g e n d an Reisebeschreibungen, und noch heute packt sie mitunter das Fernweh. In Anbetracht ihres Alters v o n erstaunlicher Geistes- und Körperfrische, steckte sie bei jedem meiner Besuche voller neuer Ideen. Daneben beschäftigte sie das alte Erzählgut, um dessentwillen ich kam, in starkem Maße. So hatte sie jedesmal mehr „ a u f L a g e r " , als sich aufzeichnen ließ. Gleichzeitig konnte sie sehr eingehend schildern, wie sie dieses Erzählgut kennengelernt und weitergegeben hatte; und ich gewann zunehmend den Eindruck, in dieser ungewöhnlichen Frau mehr als eine Gelegenheitserzählerin vor mir zu haben.

Stellung in der Erzähltradition Frau Peters ist sich bewußt, mit ihren Märchen und Schwänken in einer langen mündlichen Überlieferung zu stehen: Schon die 1834 geborene Großmutter, Tochter eines armen Schneiders in Börgerende bei Doberan, wußte der Enkelin zu berichten, wie sie selbst als kleines Mädchen ihrem Vater beim N ä hen zugeschaut und dabei seinen Erzählungen gelauscht habe. Auch bei den Fischersleuten, zu denen die früh Verwaiste „ a u s g e t a n " worden war, und während ihrer Magdjahre bei Bauern hatte die Großmutter zahlreiche alte Volksmärchen und manches lustige „ L ä u s c h e n " zu hören bekommen. So war sie bereits als junge Z o f e imstande gewesen, die Kinder ihrer „ H e r r s c h a f t e n " in D o b e r a n mit einer Vielzahl im Gedächtnis bewahrter Geschichten zu unterhalten. N a c h der Heirat mit dem Doberaner Bademeister J e s s e hatte sie dieses Erzählgut dann viele Jahre hindurch an ihre eigene sechsköpfige Kinderschar weitervermittelt. U n d noch im Alter nahm die lebhafte Frau gern ihre Enkel auf den Schoß, wenn sie zu Besuch eintrafen, um ihnen Märchen zu erzählen. Bei einer solchen Gelegenheit bekam Frau Peters in ihrer Kindheit z. B. eine F a s s u n g des „Goldener"-Märchens zu hören, aus der ihr noch das beschwörende „ H i n ten mich dunkel, v o r n e mich k l a r ! " haften geblieben ist. Später w u r d e die Großmutter, die in ihrem arbeitsreichen Leben bisher kaum ein Buch in der 21

wachsene Mühle erbte. Über vier Jahrzehnte war sie dort ein und aus gegangen und dadurch so mit dem Mühlenbetrieb vertraut geworden, daß der sowjetische Stadtkommandant sie mit dessen Weiterführung beauftragte. Diese Aufgabe, die zunächst viel Einarbeit und ungewohnte K r a f t kostete, sowie die Betreuung ihrer beiden Enkelsöhne, an denen sie sehr hing, gaben Frau Peters für fast zwei Jahrzehnte einen neuen Lebensinhalt. Dann bot sich die Möglichkeit, den Betrieb einem volkseigenen Mühlenkombinat anzugliedern; und die bereits Zweiundsiebzigjährige konnte sich ganz auf die B e s o r g u n g v o n Haus und Garten zurückziehen. — Sie sehnte sich nun oft schon nach Ruhe und nutzte die Freizeit, die ihr die Haus- und Gartenarbeit ließ, zu besinnlicher Lektüre, zu der ihr früher meist die Muße gefehlt hatte. Neben schöngeistiger Literatur, Kunstgeschichte und Landeskunde galt ihre besondere Vorliebe v o n J u g e n d an Reisebeschreibungen, und noch heute packt sie mitunter das Fernweh. In Anbetracht ihres Alters v o n erstaunlicher Geistes- und Körperfrische, steckte sie bei jedem meiner Besuche voller neuer Ideen. Daneben beschäftigte sie das alte Erzählgut, um dessentwillen ich kam, in starkem Maße. So hatte sie jedesmal mehr „ a u f L a g e r " , als sich aufzeichnen ließ. Gleichzeitig konnte sie sehr eingehend schildern, wie sie dieses Erzählgut kennengelernt und weitergegeben hatte; und ich gewann zunehmend den Eindruck, in dieser ungewöhnlichen Frau mehr als eine Gelegenheitserzählerin vor mir zu haben.

Stellung in der Erzähltradition Frau Peters ist sich bewußt, mit ihren Märchen und Schwänken in einer langen mündlichen Überlieferung zu stehen: Schon die 1834 geborene Großmutter, Tochter eines armen Schneiders in Börgerende bei Doberan, wußte der Enkelin zu berichten, wie sie selbst als kleines Mädchen ihrem Vater beim N ä hen zugeschaut und dabei seinen Erzählungen gelauscht habe. Auch bei den Fischersleuten, zu denen die früh Verwaiste „ a u s g e t a n " worden war, und während ihrer Magdjahre bei Bauern hatte die Großmutter zahlreiche alte Volksmärchen und manches lustige „ L ä u s c h e n " zu hören bekommen. So war sie bereits als junge Z o f e imstande gewesen, die Kinder ihrer „ H e r r s c h a f t e n " in D o b e r a n mit einer Vielzahl im Gedächtnis bewahrter Geschichten zu unterhalten. N a c h der Heirat mit dem Doberaner Bademeister J e s s e hatte sie dieses Erzählgut dann viele Jahre hindurch an ihre eigene sechsköpfige Kinderschar weitervermittelt. U n d noch im Alter nahm die lebhafte Frau gern ihre Enkel auf den Schoß, wenn sie zu Besuch eintrafen, um ihnen Märchen zu erzählen. Bei einer solchen Gelegenheit bekam Frau Peters in ihrer Kindheit z. B. eine F a s s u n g des „Goldener"-Märchens zu hören, aus der ihr noch das beschwörende „ H i n ten mich dunkel, v o r n e mich k l a r ! " haften geblieben ist. Später w u r d e die Großmutter, die in ihrem arbeitsreichen Leben bisher kaum ein Buch in der 21

Hand gehabt hatte, zu einer begeisterten Leserin, die stundenlang Romaninhalte wiedergeben konnte: „Un se künn so schimpen oewer de leegen Minschen dorinl — Donn wir 't mit de Märchen vörbie." Doch Frau Peters' Mutter, in ihrem Elternhaus in einer Atmosphäre lebendigen Erzählens aufgewachsen, war von klein auf so gut mit dem landschaftlichen Märchen- und Schwankgut bekannt und vertraut geworden, daß sie das Gehörte schon in jungen Jahren ebensogut beherrschte. Außerdem hatte das aufgeweckte, schon früh zur Mitarbeit im Kurbetrieb herangezogene Mädchen aus der Erzählung von Kurgästen bzw. aus einer Anthologie eine Anzahl Grimmsche Märchen kennengelernt und behalten. Und mit diesem Fundus an Erzählstoffen setzte die junge Lehrerfrau, sobald sie selbst Kinder hatte, die Familientradition des Märchenerzählens fort. Daß zu Hause erzählt wurde, gehört zu Bertha Peters' frühesten Erinnerungen. Die Mutter fand bei aller Arbeit immer wieder Zeit, sich mit dem Sohn und den beiden jüngeren Töchtern zu beschäftigen; und wenn es dabei auch meist um praktische Dinge ging, so flössen doch häufig erzieherisch gedachte Geschichten in die Belehrung mit ein. Zumindest sonntags war die Mutter gern zum Erzählen bereit. Vor allem die langen Dämmerstunden im Winter, die dazu einluden, den Erzählfaden behaglich auszuspinnen, wurden von ihr nach Frau Peters' Schilderung oft mit Märchen überbrückt: „In 'n Winter . . . gew dat ümmer so 'ne schöne heimelige Schummerstund'. Dat Füer bullerte in den groten bruunen Aben, de Maand schiente dörch de Finsterruuten, in 't Rühr pröddelten de Bratappel. Denn sett'te sick uns' Mudding in de Abeneck, läd' ehr Knütt biesiet un nehm mi up 'n Schot. Mien grot Brauder red' up de Sofalehn, mien Schwester haalte sick 'n Schämel un set vor Mudding ehr Knei . . . Un denn füng Mudding an mit Geschichtenvertellen: All de Märchen von de Bräuder Grimm . . . Un se verteilte so lebennig! Wo Rumpelstilzchen in 'n Maandschien an 'n See mang de Bööm danzt hadd, un wo de Quell wir, ut den Bräuding drunken hadd, as he in 'n Reh verzaubert würd . . ." In solcher Erzählatmosphäre reihte sich mitunter ein Märchen an das andere. Doch auch im Sommer fand die Mutter öfter Gelegenheit, dieses oder jenes Märchen vorzubringen, wobei sie das Erzählte einfallsreich zu verlebendigen wußte: „Wenn wi in 'n Sommer in 'n Wald spazieren güngen, hier an de Rad'bäk entlang, un dor wir so 'n Boom oewer de Bäk, denn säd' mien Mudding: , Kiekt mal, hierl Hier is dat Flach. Hier het de Zwerg ümmer säten mit siene Angel. — Un dor is he fasthackt mit sienen Boort in 'n Boom. Un dor hebben Schneeweißchen un Rosenrot em ümmer wedder von redd't.'" — Kein Wunder, daß die Märchen zum ersten großen Bildungserlebnis der kleinen Bertha wurden und bald zu ihrem geistigen Besitz gehörten. Die Mutter wurde früh auf die besondere Märchenvorliebe ihrer Tochter aufmerksam und schenkte ihr zum zehnten Geburtstag eine kleine illustrierte Ausgabe von Andersens Märchen. „Aber die waren" — wie Frau Peters sich 22

erinnerte — „längst nicht so schön wie die von der Mutter, und die hab' ich auch nicht behalten." Auch die Märchen, die der Vater in der Schule vorlas, um von der Schulbehörde angeordnete „Feierstunden" auszufüllen, prägten sich ihr nur ein, soweit die Mutter sie ebenfalls in ihrer eingängigen Art zu erzählen wußte und öfter wiederholte (Nr. 28, 31). Dagegen griff sie die volkstümliche Kleinpoesie, mit der sie in der Kinderstube bekannt wurde, spielend auf: „Mudding het uns jo väl Riemeis vörbäd't un vörsungen. Un denn würden jo ok oft Rätsels rad't, as ick lütt wir." Dieses hübsche Reimgut bot die Mutter den Kindern auch original in der Mundart, während sie alle Märchen, die sie selbst plattdeutsch kennengelernt hatte, in die „Schulsprache" übertrug: „Mudder het de Märchen hochdüütsch verteilt. Dor wiren wi jo noch so lütt, dat se noch nich plattdüütsch mit uns räd't het, ick tomindest." In der Lehrerfamilie wurde hier schon vor der Jahrhundertwende sehr genau differenziert: „Vadder un Mudder, dee hebben meist plattdüütsch räd't; cewer mit uns Kinner würd hochdüütsch räd't, dat wi dat lihren deden. Platt heff ick von de annern Kinner lihrt un denn, as ick to Schaul köm. Mit Mudding hebben wi donn väl platt snackt; cewer mit Vadding man bloß, wenn he gaut an de Mütz wir. Süss müßten wi hochdüütsch mit em räden. He wir jo so streng!" Trotz ihrer „hochdeutschen Erziehung" verstand schon die Sechsjährige die Mundart so gut, daß sie den Unterhaltungen der Erwachsenen völlig zu folgen vermochte. Deshalb konnte Frau Peters auch manche der lustigen Schnurren „aufschnappen", die ihre Mutter im Munde führte: „Wenn mien Mudder sick mit ehr Geschwister spaßige Geschichten verteilt het, dee hebben jo bienah bloß plattdüütsch räd't. Dissen ganzen Düs'kram heff ick all up platt hürt." Immer wenn Besuch kam, Verwandte oder auch Lehrerfamilien aus der Nachbarschaft, wurde erzählt: „Mudder künn stundenlang Läuschen verteilen, wenn se mit ehr Geschwister tosamen wir. Un denn hebben se lacht! Ok Unkel Jesse ut Rehna stek ganz vull dorvon." Selbst der so betont ernste Vater ließ sich dann anstecken und lachte Tränen. Da vieles jedoch nicht für Kinderohren bestimmt war, geschah es nicht oft, daß die Kinder dabei sein durften. Trotzdem hat Frau Peters gerade bei diesen Erzählgelegenheiten die meisten der ihr bekannten Schwänke gehört und aus Spaß an ihrem Inhalt im Gedächtnis behalten. Es ist erstaunlich, wie genau sie oft noch wußte, wo und durch wen ihr die einzelnen Stoffe erstmals zu Ohren gekommen waren. Die Anmerkungen im Anhang enthalten instruktive Beispiele dafür. So gern Bertha Peters als Kind Märchen und später Schwänke hörte, so wenig fühlte sie sich zunächst selbst zur Erzählerin berufen. Erst gegen Ende der Lehrerinnenjahre in Warin, als sie gelegentlich Grimmsche Märchentexte in der Schule besprechen mußte, kamen ihr auch wieder die Märchen der Mutter in den Sinn, und sie erzählte das eine oder andere davon ihrem Sohn, der viel Gefallen daran fand. Doch dann, sich einmal ihrer Gabe bewußt geworden, 23

im Kreis ihrer wachsenden Familie auf die Rolle der Hausfrau und Mutter beschränkt, wurde ihr das Erzählen zunehmend zum Bedürfnis: Wie der „Zauber der Märchen" einst die eigene Kindheit überstrahlt hatte, so sollte er jetzt die ihrer Kinder verschönen. Hinzu kam eine pädagogische Absicht: „Ick wull jo up de Kinner inwirken, up ehr Gemüt, dat se nicks Leeges daun süllten: Dat würd jo ümmer bestraft. Un denn müßten se dat nahvertellen, dat se räden lihrten späder för de Schaul." Diese Märchenstunden bildeten oft die einzige Erholung im Hausfrauenalltag und erhielten einen festen Platz in Frau Peters' Tagesablauf: „Wenn 't düster würd, denn körnen de Kinner to mi in de Wahnstuw', un denn müßt ick verteilen. Mien Dochter säd' denn ümmer: ,Aber nicht so was Trauriges, daß ich wieder weinen muß!' Un denn müßt ick jo wat weniger Truuriges verteilen, oder ick müßt dat 'n bäten mildern. Meist hebben se sick denn ok wünscht: .Erzähl das Märchen!' Und: .Erzähl das Märchen!' Un denn ümmer noch ein." Besonders beliebt waren „Rotkäppchen" und „Dornröschen", die sich vor allem die beiden Kleinen immer wieder erbaten. Aber auch die Geschichte vom Wolf und den sieben Geißlein sowie „Hans und Greting", „Frau Holle", „Aschenputtel", „Schneeweißchen und Rosenrot", „Schneewittchen", „Froschprinz" (Nr. 17), „Rumpelstilzchen" und andere Märchen, die Frau Peters von ihrer Kindheit her noch im Gedächtnis trug, kehrten immer wieder; und sie erinnert sich: „Ick heff se ok ierst hochdüütsch verteilt. Un as mien Kinner 'n bäten öller wiren, denn heff ick se up platt verteilt, dat se dat ok lihren deden." Gegen Ende der zwanziger Jahre, als sich der Älteste nicht mehr recht für Märchen interessierte, brachten die beiden anderen nach und nach auch ihre zahlreichen Spielgefährten, meist Arbeiterkinder aus den Nachbarhäusern, mit hinauf in die Wohnung, um sie an den Erzählungen teilhaben zu lassen: „Denn set manchmal de ganze Stuw' vull." Das dankbare Echo, das Frau Peters bei diesen kleinen Zuhörern fand, ließ sie mit dem Erzählen auch fortfahren, als die eigenen Kinder allmählich dem Märchenalter entwachsen waren. Um diese Zeit fand sie in einer alten Bücherkiste ihres früheren Mannes die „Kleine Ausgabe" der Grimmschen Märchen und „schmökerte" darin. Dabei fielen ihr einige von der Mutter gehörte halbvergessene Sujets wie „Wacholderbaum und Totenvogel" (Nr. 23), „Däumlings Abenteuer" oder „Schneider und Bär" (Nr. 30f.) wieder ein, die sie nun ebenfalls in ihr Repertoire aufnahm, so daß sie nie um Erzählstoff verlegen war. Bis in die dreißiger Jahre vereinte sie so allwöchentlich eine märchenbegeisterte Kinderschar aus der Nachbarschaft um sich, mit der sie gelegentlich sogar kleine Stegreifspiele zu Märchenthemen einübte. Erst die Unsicherheit und die Aufregungen während der Zeit des Faschismus ließen auch diese Märchenstunden aufhören: „Donn müßt man sick jo so vörseihn, dat man kein Wuurt toväl säd'." In diesen Jahren lernte Frau Peters in dem Kleinhändler Frick noch einmal einen ausgeprägten Schwankerzähler kennen, der großen Eindruck auf sie 24

machte: „Ümmer set he vull lustige Grappen. He wir 'n richtiges Original. Em kennte ganz Schwerin. He hadd sick ein Kaspertheater buugt, un bie väle Gelägenheiten, up 'n Land'n, in Vereine . . ., cewerall het he kaspert. Ok in 't Theater, in de plattdüütschen Stücke, het he gröttere Rullen spält." Durch ihn wurde Frau Peters in den Schweriner plattdeutschen Verein eingeführt und besuchte dann jahrelang dessen monatliche Vortragsabende, die bekannte Lokaldichter wie Rudolf Tarnow, Wilhelm Neese (siehe Lit. Verz.) und andere ausgestalteten. Hier fand die begeisterte Leserin der Werke Fritz Reuters willkommenen geistigen Austausch und auch die gesuchte Ablenkung. Außerdem waren Frick und dessen Frau, beide unverhohlene Gegner der Nazis, passionierte Radwanderer, denen sich Frau Peters mit ihren Kindern häufig anschloß: „Somit köm dat, dat wi oft mit Fricks tosamen dörch de Schweriner Ümgegend führt sünd. Un bie dee GeJägenheit het ,Unkel Frick' denn ümmer sienen Droehnsnack un siene Läuschen verteilt, dee von de Papageien: ,Der Herr erhöre euer Flehen', von ,Kein Hemd cewer 'n Nors' un soväl andere" (vgl. Nr. 45, 61, 66). Unter dem Eindruck dieser meist „gepfefferten", zum Teil politisch agressiven Erzählungen, von denen sie freilich nur wenige behielt, entsann sich auch Frau Peters wieder der in ihrer Jugend oft gehörten Schwanke, um sie bei passender Gelegenheit zum besten zu geben. Und das war wohl nicht selten, denn die Tochter meinte: „Lustige Geschichten hat sie immer erzählt." Nach dem Krieg, während der arbeitsreichen, erfüllten Jahre in Warin, sollte sich auch noch einmal Frau Peters' große Märchenerzählbegabung entfalten. Nun gehörte alle freie Zeit den Enkelsöhnen, mit denen sie sich sehr intensiv befaßte: „Toierst heff ick mien Enkel jo Kinnerrieme seggt, un denn sünd wi up de Märchen kamen. De ierst Geschieht, dee ick ehr verteilt heff, wir de Adeborsgeschicht (Nr. 12). Un denn güng dat jo los, un ick müßt ümmer mihr verteilen." Bald bildete die Märchenstunde wieder einen Teil ihres gewohnten Tagespensums: „De Enkel, wenn se abends von 't Spälen rinkömen, denn eten se ierst 'n bäten, un denn körnen se rin to mi un säden: ,Großmutti, weißt du wohl 'ne Geschichte?' An 'n leiwsten wir ümmer .Rumpelstilzchen' un ,Schneeweißchen un Rosenrot', wo Zwerge in vörkömen . . . Dee künnten jo ok nich naug' kriegen. Dor heff ick denn toletzt all manchmal ut 'n Märchenbauk vörläst, wenn ick nicks Nieges mihr wüßt." In diesen beiden Jungen gewann Frau Peters ihre bisher eifrigsten Zuhörer: „Dee spälten mi in ehren lewer den annern Dag de ganzen Geschichten as Theater vor. Am meisten Spaß gew dat, wenn se sick as de lütten Zicken oewerall verstecken deden." Auch an den lustigen Kindergeschichten, die die Großmutter — um Erzählstoff verlegen — aus der Erinnerung hervorholte, fanden die Enkel viel Spaß, obwohl alles „so 'n bischen schulmeisterlich" zuging: „Dee müßten ok nahverteilen. Ihrer gew dat jo kein anner Geschieht!" Und dieses Nacherzählen wurde ihnen wohl nicht leicht gemacht, denn Frau Peters betonte: „As dee öller wiren, heff ick 25

de Märchen ok platt verteilt." — Mit den Jahren wuchsen jedoch auch die Enkel aus dem Märchenalter heraus, und es bot sich kaum noch Gelegenheit, die seit Jahrzehnten in der Familie überlieferten Märchenstoffe weiterzuvermitteln. Die „Grimmabhängigkeit" der meisten Märchen, die Frau Peters erzählte, weist freilich aus, wie weit sie mit ihrem Märchenwissen bereits außerhalb einer rein mündlichen Erzähltradition stand. Während die Großmutter noch ganz in der alten Volksmärchenüberlieferung aufgewachsen war, ist bei der Mutter, die dieses Märchengut übernahm, gleichzeitig schon ein früher und offenbar nachhaltiger Einfluß der Grimmschen Sammlung in Rechnung zu stellen. Denn später Frau Peters' Eltern besaßen, d. h. soweit die Erinnerung der Gewährsfrau zurückreicht, kein Exemplar der „Kinder- und Hausmärchen", aus dem sich die Mutter, bevor sie den Kindern erzählte, noch schnell hätte etwas anlesen können. Doch nicht nur die Märchen im Schullesebuch, die der Vater gelegentlich vorlas, sondern auch die meisten der von der Mutter gehörten, die die Tochter behalten hat, müssen im Kern Grimmsche Märchen gewesen sein. Sonst hätte die Erzählerin wohl später nicht bei gelegentlicher Lektüre der Grimmschen Sammlung die „Märchen der Mutter" zum Teil darin wiederfinden können, obwohl diese durch zahlreiche individuelle Ausschmükkungen einen durchaus persönlichen Charakter erhalten hatten. Frau Peters selbst, deren Kenntnis Grimmscher Märchen zunächst ausschließlich auf die Erzählungen ihrer Mutter zurückging, war nach eigener Ansicht zeitlebens ein ausgesprochen akustischer Typ: „Wenn mi wat verteilt würd, dat heff ick behollen. Wenn ick wat läst heff, dat wir mi denn ümmer so fremd." Das galt selbst für ganz einfache Texte: „Mien Vadder het jo ümmer den Voß-un-Haas-Kalender hatt . . . Dor wiren so lütt Geschichten in, un dee heff ick ok läst. (Ewer dor heff ick mi nicks von markt." Außerdem bekam sie die Grimmsche Sammlung erst spät und dann nur flüchtig zu Gesicht: „Wie dörften as Kinner cewerhaupt nich väl läsen: Dat wull Mudder nich. Un wenn, denn hebben wi 't heimlich makt . . . De Grimmschen Märchen heff ick mal läst bie ein Fründin, dee hadd dor 'n Bauk von." Der Eindruck, den diese Lektüre hinterließ, war ähnlich gering wie der, den die Märchen Andersens auf sie machten: „Wenn Mudding verteilen ded, dat wir doch ganz wat anners." Auch als Frau Peters selbst zu erzählen begann, hatte sie das Geschehen in den Märchen der Mutter noch so lebhaft vor Augen, daß sie zu keinem Buch zu greifen brauchte: „För mien Kinner heff ick ümmer ut 'n Kopp verteilt. . . Ok as donn de annern Kinner kömen, heff ick bloß verteilt, wat ick ut 'n Kopp wüßt heff." Das Durchblättern der Grimmschen Sammlung, die ihr um diese Zeit in die Hände kam, rief wohl nur einige Märchen in die Erinnerung zurück. — Erst in den 1950er Jahren wurde die Erzählerin gelegentlich unsicher: „As denn de Enkel ankörnen un wullen Märchen hüren, dee hebben jo so genau uppaßt: Dor dörft ick mi jo nich vertüüdern. Un denn heff ick 26

seggt: .Hoppla, wie wir dat man noch?' Un denn heff ick dat manchmal ierst nahläst un heff 't denn verteilt." Durch dieses bewußte Nachlesen — aber natürlich auch durch die gelegentliche Lektüre von Kindheit an — ist es bei Bertha Peters selbst da, wo die Mutter noch originale Züge des Volksmärchens bewahrt oder die gedruckte Vorlage individuell abgewandelt hatte, zu einer Anlehnung an die Grimmschen Versionen gekommen. Sich Erzählgut durch Lektüre neu anzueignen, war die Erzählerin jedoch auch im Alter nicht imstande: An Hauffs Märchen „Zwerg Nase" z. B., das sie den Enkeln öfter vorgelesen und endlich — mit Blick ins Buch — auch erzählt hatte, besaß sie keinerlei Erinnerung mehr. — Man wird ihre Stellung in der Erzähltradition also wohl so einschätzen müssen, daß es sich bei den Märchen um mündliche Familienüberlieferung unter zum Teil literarischem Einfluß handelt, bei den Schwänken dagegen noch kaum Einwirkung von Literatur feststellbar ist.

Das Erzählrepertoire Wie schon bei August Rust war es auch bei Bertha Peters vor allem der Umfang des Erzählrepertoires, der mich immer wieder zu ihr führte. Bisher hatte ich zwar eine Reihe guter Schwankerzähler gefunden, aber — abgesehen von Rusts Tiermärchen — nur sehr sporadisch einmal einen Märchentext aufzeichnen können. Nun erlebte ich, wie jemand noch eine ganze Kollektion von Märchen, wenn auch zum Teil mit deutlichem „Grimmeinschlag", als mündliches Erzählgut beherrschte; und schon beim zweiten Besuch stand die Absicht fest, möglichst das gesamte Repertoire dieser Frau mit Hilfe des Tonbandgeräts in authentischen Textfassungen festzuhalten. — Einiges von diesen Erzählungen lag mir dank Frau Peters' Schreibgewandtheit bereits in der Aufzeichnung vor, ehe ich es aus ihrem Munde hörte, so daß die zwanglose Aufnahme per Mikrofon zugleich eine Überprüfung ihres Wissens darstellte. Anderes, dessen Wiedergabe ihr beim ersten Mal nicht ganz gelang, erzählte sie von sich aus öfter, oder ich bat sie darum, um die Konstanz ihrer Erzählweise festzuhalten. Im Ergebnis dieser wiederholten Aufzeichnung liegen von fast allen Sujets, die während der zweieinhalbjährigen Sammelperiode auf Band genommen werden konnten, mehrere Fassungen vor. Den wichtigsten Teil dieses Erzählguts machen geschehnisreiche Zauberund Wundermärchen aus, wie sie noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts — zumindest was ihren Stoffreichtum anbetrifft — in der landschaftlichen Überlieferung dominierten. Doch auch die Tiermärchen und ätiologischen Tierlegenden bilden eine eigene, stofflich recht bunte Gruppe dieses individuellen Erzählschatzes, während Schwankmärchen nur schwach und Novellenmärchen gar nicht vertreten sind. Das meiste davon ist den Sujets nach in Mecklenburg seit langem bekannt bzw. durch die Grimmsche Sammlung bekannt ge27

seggt: .Hoppla, wie wir dat man noch?' Un denn heff ick dat manchmal ierst nahläst un heff 't denn verteilt." Durch dieses bewußte Nachlesen — aber natürlich auch durch die gelegentliche Lektüre von Kindheit an — ist es bei Bertha Peters selbst da, wo die Mutter noch originale Züge des Volksmärchens bewahrt oder die gedruckte Vorlage individuell abgewandelt hatte, zu einer Anlehnung an die Grimmschen Versionen gekommen. Sich Erzählgut durch Lektüre neu anzueignen, war die Erzählerin jedoch auch im Alter nicht imstande: An Hauffs Märchen „Zwerg Nase" z. B., das sie den Enkeln öfter vorgelesen und endlich — mit Blick ins Buch — auch erzählt hatte, besaß sie keinerlei Erinnerung mehr. — Man wird ihre Stellung in der Erzähltradition also wohl so einschätzen müssen, daß es sich bei den Märchen um mündliche Familienüberlieferung unter zum Teil literarischem Einfluß handelt, bei den Schwänken dagegen noch kaum Einwirkung von Literatur feststellbar ist.

Das Erzählrepertoire Wie schon bei August Rust war es auch bei Bertha Peters vor allem der Umfang des Erzählrepertoires, der mich immer wieder zu ihr führte. Bisher hatte ich zwar eine Reihe guter Schwankerzähler gefunden, aber — abgesehen von Rusts Tiermärchen — nur sehr sporadisch einmal einen Märchentext aufzeichnen können. Nun erlebte ich, wie jemand noch eine ganze Kollektion von Märchen, wenn auch zum Teil mit deutlichem „Grimmeinschlag", als mündliches Erzählgut beherrschte; und schon beim zweiten Besuch stand die Absicht fest, möglichst das gesamte Repertoire dieser Frau mit Hilfe des Tonbandgeräts in authentischen Textfassungen festzuhalten. — Einiges von diesen Erzählungen lag mir dank Frau Peters' Schreibgewandtheit bereits in der Aufzeichnung vor, ehe ich es aus ihrem Munde hörte, so daß die zwanglose Aufnahme per Mikrofon zugleich eine Überprüfung ihres Wissens darstellte. Anderes, dessen Wiedergabe ihr beim ersten Mal nicht ganz gelang, erzählte sie von sich aus öfter, oder ich bat sie darum, um die Konstanz ihrer Erzählweise festzuhalten. Im Ergebnis dieser wiederholten Aufzeichnung liegen von fast allen Sujets, die während der zweieinhalbjährigen Sammelperiode auf Band genommen werden konnten, mehrere Fassungen vor. Den wichtigsten Teil dieses Erzählguts machen geschehnisreiche Zauberund Wundermärchen aus, wie sie noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts — zumindest was ihren Stoffreichtum anbetrifft — in der landschaftlichen Überlieferung dominierten. Doch auch die Tiermärchen und ätiologischen Tierlegenden bilden eine eigene, stofflich recht bunte Gruppe dieses individuellen Erzählschatzes, während Schwankmärchen nur schwach und Novellenmärchen gar nicht vertreten sind. Das meiste davon ist den Sujets nach in Mecklenburg seit langem bekannt bzw. durch die Grimmsche Sammlung bekannt ge27

worden und durch eine Reihe von Aufzeichnungen aus dem Volksmund belegt. Deshalb kehren hier zum Teil die gleichen Motive wieder, die bereits in der Edition „Mecklenburgische Volksmärchen" (siehe Lit. Verz.) enthalten sind. Aber vergleicht man die dort mitgeteilten Fassungen von „Hase und Igel", „Rotkäppchen", „Rumpelstilzchen" usw. mit der Wiedergabe dieser Sujets durch Frau Peters, wird sehr schnell deutlich, daß sie um vieles wirkungsvoller und auf ihre durchaus eigene Art zu erzählen weiß. Außerdem enthält ihr Repertoire eine Anzahl von Märchenstoffen wie „Schneeweißchen und Rosenrot", „Brüderchen und Schwesterchen", „Einauge, Zweiauge, Dreiauge" oder „Schneewittchen", die bisher in der mündlichen Überlieferung Mecklenburgs nicht nachgewiesen werden konnten. Von anderen bei uns kaum bekannten Märchen wie „Rapunzel" oder „Allerleirauh" war ihr der Inhalt geläufig, aber sie meinte: „Dee verteil ick nich giern." — Darüber hinaus konnte die Erzählerin einige Legendenstoffe nennen, die sie früher gelegentlich vorzubringen pflegte. Und ihr Enkel Dieter wußte noch recht genau, daß die Großmutter auch die Märchen vom „Gevatter T o d " und vom „Gruselnlernen" des öfteren erzählt habe, die ihr inzwischen bis auf einzelne, bei Befragen erinnerliche Handlungszüge ganz entfallen waren. Neben den Märchen erzählte Bertha Peters vor allem Schwänke, bei denen es sich zum Teil um alte Sujets handelt, die in Mecklenburg noch heute verbreitet und lebendig sind (z. B. Nr. 51, 56f., 59, 61). Zu den meisten ihrer Stoffe finden sich jedoch keine Parallelen unter dem früher aufgezeichneten Schwankgut, obwohl wir es hier zweifellos mit einer zumindest lokalen Überlieferung zu tun haben. Am stärksten vertreten sind Schnurren vom Jung', die sich ebenso wie die Märchen zur Wiedergabe in der Kinderstube eigneten. Hinzu kommen ein paar heitere Ehegeschichten sowie eine Reihe von Sozialschwänken über Bauern, Pastoren und Amtsleute, denen ihre Gegenspieler oder die Tücken des Zufalls ein Schnippchen schlagen. — Dieses Stoffgut wird ergänzt durch einige Geschichten aus dem Alltag, die schwankhaft zurechterzählt sind. Sie gehen auf Begebenheiten im Familien- und Bekanntenkreis zurück und wurden auch nur dort tradiert. Frau Peters machte bei der Wiedergabe dieser Alltagsgeschichten und der ihr bekannten Schwänke jedoch nur insofern einen Unterschied, als sie mitunter im Nachhinein gesprächsweise darauf verwies, dies oder das sei tatsächlich passiert. Daher zeigt ihr komisches Erzählgut, das mit Sicherheit mehr Stoffe umfaßte, als ihr wieder einfielen, eine relativ große inhaltliche und formale Einheitlichkeit. Bemerkenswert ist auch, über welch vielseitigen Fundus an Kinderreimen und -Hedem, Rätseln, Sprichwörtern und Redensarten Frau Peters verfügte, aus dem sie gelegentlich das eine oder andere mitteilte bzw. in ihre Rede einflocht. Diese poetischen Kleinformen, die man in die Betrachtung ihres Repertoires einbeziehen muß, hatte sie — wie ihr Erzählgut — zumeist ebenfalls in Kindheit und Jugend aufgegriffen und an Kinder und Enkel weiterver-

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mittelt. Zur Zeit der Aufzeichnung bedurfte es jedoch bereits irgendeiner Assoziation, damit ihr ein Rätsel oder Reim wieder in den Sinn kamen, während Sprichwörter und Redensarten ihr vielfach so geläufig waren, daß sie sie benutzte, ohne sich dessen bewußt zu sein. Deshalb konnte ihr Wissen an solcher Kleinpoesie nur zu einem geringen Teil erfaßt werden. Überblickt man die Vielfalt der Genres und Stoffe dieses Repertoires, so zeigt sich eine deutliche Vorliebe für volkstümliches Traditionsgut, das auf Grund seiner poesievollen Inhalte oder seiner Komik bereits in der Jugend der Erzählerin vor allem zur Unterhaltung diente. Dazu gehörten sowohl die Märchen, Jungsgeschichten, Reime und Rätsel, mit denen die Mutter den Kindern die Zeit verkürzte, als auch das zum Teil derbe Schwankgut, an dem sich die Erwachsenen ergötzten. Diese lebendige Überlieferung im Elternhaus, wo sich im Laufe der Jahre dieselben Erzählstoffe häufig wiederholten, bestimmte Art und Zusammensetzung von Frau Peters' Erzählgut. Was sie darüber hinaus von der Volkserzähltradition, z. B. an Sagen, kennenlernte, blieb ohne spürbaren Einfluß auf sie: „Dor köm öfter de Fruu von oll Schauster Koch. Dee köm in de Schummerstund' to uns un het Späukgeschichten verteilt: Dor hadd' sich ein uphungen, un dee späukte nu, all so wat. Bie dat Schloß wir 'ne Späuk un bie den Kirchhoff ok. Mi würd ollich gruugen dorbie. CEwer dor heff ick rein gor nicks von behollen." Ein Grund dafür war zweifellos, daß die Erzählerin diese Sagenstoffe weit seltener hörte. Aber um sich solches Erzählgut anzueignen, lagen ihr offenbar auch schon in der Jugend dessen alte Glaubensinhalte allzu fern. — Es ist sicher kein Zufall, daß die relativ wenigen Sujets, die Bertha Peters in späteren Jahren noch in ihr Erzählrepertoire aufnahm, ausschließlich schwankhaften Charakters waren. Einmal bildeten Schwanke in den zwanziger und dreißiger Jahren das lebendigste Erzählgut in Mecklenburg. Zum anderen entsprachen sie — neben den Märchen — Frau Peters' Mentalität und Erzählgabe am ehesten, während sie für Witze nach eigener Aussage kein Organ besaß: „Witze, so mit 'ne Pointe, dee heff ick ok väl hürt, un af un an kümmt ok wat hoch dorvon. CEwer verteilen so as anner Lüüd', dat kann ick nich." Hier war es die oft komplizierte Form des Genres, die ihr eine Wiedergabe erschwerte. So zeigt nur eine ihrer komischen Geschichten witztypische Hintergründigkeit (Nr. 43), und der einzige „politische Witz", den sie erzählte, ist nichts anderes als ein aktualisierter Schwankstoff (Nr. 66). Im Laufe ihres Lebens änderte sich die Zusammensetzung von Frau Peters' Erzählschatz jedoch in vielfältiger Weise. Manche alten Sujets, die sie kannte, entfielen ihr wieder, manche neuen, an denen sie Gefallen fand, kamen hinzu. Besonders das jeweilige Schwankgut, mit dem sie aufwarten konnte, bestand wohl zum Teil nur aus flüchtig haftenden Stoffen, die sie im Bekanntenkreis hörte, gelegentlich weitererzählte und dann wieder vergaß. Dennoch läßt sich so etwas wie ein konstantes Repertoire feststellen, das vor allem diejenigen 29

Märchen umfaßte, die sie schon als Kind besonders oft und gern gehört hatte und später auch mit Vorliebe erzählte: „Rotkäppchen" (Nr. 11), „Hans und Greting" (Nr. 13), „Schneeweißchen und Rosenrot" (Nr. 14), „Rumpelstilzchen" (Nr. 15), „Dornröschen" (Nr. 16), „Frau Holle" (Nr. 18), „Aschenputtel" (Nr. 20) usw. Solche Stoffe beherrschte sie aktiv, d. h. konnte sie jederzeit ohne Überlegen sofort wiedergeben. Eine Reihe anderer Märchen wie „Vogel, Maus und Bratwurst" (Nr. 4), „Hähnchen und Hühnchen" (Nr. 5), „Wacholderbaum und Totenvogel" (Nr. 23) oder „Das Mädchen und seine zwölf Brüder" (Nr. 25), die von ihr im Laufe der Jahrzehnte nur selten wiederholt wurden, weil Kinder und Enkel sie „so traurig" fanden, stellte dagegen nur einen weitgehend passiven Besitz dar: „Dee het man jo nich so flink wedder in 'n K o p p . " Zumeist wußte die Erzählerin jedoch um diese Sujets und hatte nur wenig Gelegenheit, sie vorzubringen. Man kann deshalb ihr Märchengut durchaus als einen bewußt bewahrten Erzählschatz ansprechen, während ihr die Schwänke, wie sie sagte, „einfach so" haften blieben: „De Schwänke, dee ick so in de Kinnertiet hürt heff, dor heff ick denn twintig, dortig Johr nich mihr an dacht. Un as wi denn späder bie 't Verteilen wiren, dor — mit eins wir 't wedder dor. Dor heff ick mi denn sülben öfter oewer wunnert. Ok bie dat Upschrieben, dor sünd s' mi nah un nah wedder infollen: Väl cewer nahgrübelt heff ick dor nich." Dieses zum Teil unbewußt über Jahrzehnte bewahrte Schwankwissen machte noch im Alter den größten Teil ihres aktiven Repertoires an komischem Erzählgut aus. Die für den Druck ausgewählten Texte geben eine Übersicht über Frau Peters' „eigentliches" Erzählrepertoire, das vor allem die ihr geläufigen Märchen und schwankhaften Erzählungen umfaßt. Doch wurden nur ihre Märchen, die sie mir erzählte, vollständig aufgenommen, während ein Teil ihrer Schwänke und Alltagsgeschichten nicht belangvoll genug für eine Veröffentlichung schien. Die wenigen ihr bekannten Sagen und einige Legenden, an die sich die Erzählerin erst spät und nach langem Grübeln erinnerte, sowie die nur sporadisch notierten Rätsel, Reime, Sprichwörter und Redensarten blieben gänzlich außer Betracht. — Ebenso war es aus Raumgründen nur möglich, jeweils eine Fassung der wiederholt aufgezeichneten Stoffe in vollem Wortlaut mitzuteilen, wobei sich die Auswahl bewußt nicht nur auf Tonbandaufnahmen beschränkte, sondern auch einige von Frau Peters selbst aufgeschriebene Erzähltexte berücksichtigte (Nr. 14, 23—26, 43, 55, 60, 66). Lediglich von „Frau Holle" wurde noch ein zweiter, illustrativer Beleg in den Anmerkungen abgedruckt. — Die Wiedergabe der Texte folgt wort- und möglichst lautgetreu der lebendigen Rede, wie sie das Tonband bewahrt. Soweit die Erzählerin in ihrer Schreibung davon abwich, wurde das für den Druck korrigiert. Aus grammatischen oder inhaltlichen Gründen von mir vorgenommene Ergänzungen sind durch halblange eckige Klammern r 1 gekennzeichnet. Die Prinzipien der Orthographie des Plattdeutschen sind die gleichen wie in dem 30

Band „Mecklenburgische Volksmärchen", wo ich sie erläutert habe (siehe dort S. 325 f.). Die vorgenommene Gruppierung der Texte folgt 2unächst der von Frau Peters streng beachteten Scheidung ihres Märchen- und Schwankguts in zwei als einander wesensfremd empfundene Genres. Bei der Anordnung der Märchen wiederum wurde versucht, einzelne für die Erzählerin charakteristische Untergruppen herauszuheben: Erzählungen von vermenschlichten Tieren und Dingen (Nr. 1—9), märchenhafte Geschichten mit Kindern als Helden (Nr. 10— 13), Märchen v o m Unglück und Glück junger Mädchen (Nr. 14—26), denen zum Teil böse Stiefmütter das Leben schwer machen (Nr. 18—24), sowie zwei Exempel für menschliche Unersättlichkeit (Nr. 27f.). Hinzu kommen einige Märchen verschiedenen Inhalts mit vordergründig schwankhaften Elementen (Nr. 29—32). Diese Gliederung weicht zwar etwas von der in den „Mecklenburgischen Volksmärchen" ab, läßt aber trotzdem leicht erkennen, inwieweit sich das Märchengut der Erzählerin — bei aller „Grimmabhängigkeit" — stofflich mit der landschaftlichen Überlieferung deckt. — Die Ordnung der Schwänke und Alltagsgeschichten, bei denen ein solcher Vergleich schwieriger ist, orientiert sich zwanglos an den von Bertha Peters bevorzugten Darstellungsbereichen, die etwa mit „Kinderwelt" und „Schule" (Nr. 33—47), „ E h e und Familie" (Nr. 4 8 - 5 3 ) , „Stadt und L a n d " (Nr. 5 4 - 5 8 ) , „ K i r c h g a n g " (Nr. 59f.) sowie „Obrigkeit und Untertanen" (Nr. 61—66) umschrieben werden könnten. — Diese Gruppierung des Erzählrepertoires läßt zugleich einen thematischen Bogen erkennen, der sich von der „Erschaffung der Welt" bis zu den politischen Auseinandersetzungen in der Zeit des Faschismus spannt.

Erzählhaltung und Erzählweise Wenn Frau Peters bei meinen Besuchen tagelang ein handlungsreiches Märchen nach dem anderen erzählte, fiel mir immer wieder auf, mit welcher K o n zentration sie nach kurzem Überlegen die einzelnen Stoffe wiedergab. Obwohl sie die meisten seit Jahren kaum noch memoriert hatte, war sie bemüht, keine ihr wichtig erscheinende Episode zu vergessen, und verlor im Erzählfluß kaum je den Faden. Nur bei einigen Märchen, die sie im Laufe ihres Lebens selten erzählt hatte und weniger von sich aus als auf meine Bitte hin vorbrachte, geriet sie trotz längeren Nachdenkens gelegentlich aus dem K o n z e p t und meinte: „ D a t is woll nich wedder ganz so worden, as d a t m ö t . " D a g e g e n bereiteten ihr die Schwänke, v o n denen sie in guter Stimmung ein Dutzend zum besten geben konnte, keine besonderen Schwierigkeiten: „ D e Schwänke, dee sünd jo man kort, dee het man jo licht bie de Hand. Dee het man jo ok öfter verteilt as de Märchen." Manchmal war die Erzählerin selbst überrascht, wie gut sie einzelne Schwank-, aber auch Märchenstoffe noch kannte: „Ick wunner 31

Band „Mecklenburgische Volksmärchen", wo ich sie erläutert habe (siehe dort S. 325 f.). Die vorgenommene Gruppierung der Texte folgt 2unächst der von Frau Peters streng beachteten Scheidung ihres Märchen- und Schwankguts in zwei als einander wesensfremd empfundene Genres. Bei der Anordnung der Märchen wiederum wurde versucht, einzelne für die Erzählerin charakteristische Untergruppen herauszuheben: Erzählungen von vermenschlichten Tieren und Dingen (Nr. 1—9), märchenhafte Geschichten mit Kindern als Helden (Nr. 10— 13), Märchen v o m Unglück und Glück junger Mädchen (Nr. 14—26), denen zum Teil böse Stiefmütter das Leben schwer machen (Nr. 18—24), sowie zwei Exempel für menschliche Unersättlichkeit (Nr. 27f.). Hinzu kommen einige Märchen verschiedenen Inhalts mit vordergründig schwankhaften Elementen (Nr. 29—32). Diese Gliederung weicht zwar etwas von der in den „Mecklenburgischen Volksmärchen" ab, läßt aber trotzdem leicht erkennen, inwieweit sich das Märchengut der Erzählerin — bei aller „Grimmabhängigkeit" — stofflich mit der landschaftlichen Überlieferung deckt. — Die Ordnung der Schwänke und Alltagsgeschichten, bei denen ein solcher Vergleich schwieriger ist, orientiert sich zwanglos an den von Bertha Peters bevorzugten Darstellungsbereichen, die etwa mit „Kinderwelt" und „Schule" (Nr. 33—47), „ E h e und Familie" (Nr. 4 8 - 5 3 ) , „Stadt und L a n d " (Nr. 5 4 - 5 8 ) , „ K i r c h g a n g " (Nr. 59f.) sowie „Obrigkeit und Untertanen" (Nr. 61—66) umschrieben werden könnten. — Diese Gruppierung des Erzählrepertoires läßt zugleich einen thematischen Bogen erkennen, der sich von der „Erschaffung der Welt" bis zu den politischen Auseinandersetzungen in der Zeit des Faschismus spannt.

Erzählhaltung und Erzählweise Wenn Frau Peters bei meinen Besuchen tagelang ein handlungsreiches Märchen nach dem anderen erzählte, fiel mir immer wieder auf, mit welcher K o n zentration sie nach kurzem Überlegen die einzelnen Stoffe wiedergab. Obwohl sie die meisten seit Jahren kaum noch memoriert hatte, war sie bemüht, keine ihr wichtig erscheinende Episode zu vergessen, und verlor im Erzählfluß kaum je den Faden. Nur bei einigen Märchen, die sie im Laufe ihres Lebens selten erzählt hatte und weniger von sich aus als auf meine Bitte hin vorbrachte, geriet sie trotz längeren Nachdenkens gelegentlich aus dem K o n z e p t und meinte: „ D a t is woll nich wedder ganz so worden, as d a t m ö t . " D a g e g e n bereiteten ihr die Schwänke, v o n denen sie in guter Stimmung ein Dutzend zum besten geben konnte, keine besonderen Schwierigkeiten: „ D e Schwänke, dee sünd jo man kort, dee het man jo licht bie de Hand. Dee het man jo ok öfter verteilt as de Märchen." Manchmal war die Erzählerin selbst überrascht, wie gut sie einzelne Schwank-, aber auch Märchenstoffe noch kannte: „Ick wunner 31

mi jo manchmal cewer mien Gedächtnis, wat ick all so behollen heff von Kind an." War ihr aber ein Sujet, das sie zu nennen wußte, nicht mehr ganz erinnerlich, hieß es stets: „Dat möt ick mi ierst wedder tosamenriemen!" Und fielen ihr die vergessenen Details nicht wieder ein, war sie nur schwer zum Erzählen zu bewegen. All das unterstreicht, wie stark sich Frau Peters von der genauen Kenntnis ihrer Erzählstoffe abhängig fühlte. Wenn sie ein Sujet nicht in allen Einzelheiten beherrschte, machte sie während des Erzählens einen deutlich unsicheren Eindruck und geriet bei jeder Gedächtnislücke ins Stocken. Denn es lag ihr nach eigener Aussage nicht, Lücken im Handlungsablauf des Erzählten kraft eigener Phantasie auszugleichen. Zum einen hatte sie überhaupt Hemmungen, einfach drauflos zu fabulieren, und gestand: „Geschichten utdacht heff ick mi nich. Dee hadd' ick woll nich trechtkrägen. Ick heff bloß manchmal wiederverteilt, wat tatsächlich passiert is." Zum andern galten ihr besonders die Märchen, soweit sie „bei Grimm" nachgelesen werden konnten, als künstlerische Gebilde, deren Inhalte nicht willkürlich verändert werden dürften. So war die Erzählerin immer bestrebt, das ihr Bekannte möglichst „richtig" weiterzuerzählen, und räumte nur ein: „Wenn mi 'n Märchen nich so ganz genau in 'n Kopp wir, denn heff ick dat so trechtdicht't, dat 't einigermaßen wedder so henköm." Doch auch bei der Wiedergabe der Schwänke, von denen zumindest einige nicht ganz kurz sind, will sie sich eng an die vorgegebenen Sujets gehalten haben: „Bie de Schwänke, dor kümmt dat jo manchmal up 't Wuurt an." Dieses Streben nach „Richtigkeit" war, soweit die Grimmsche Sammlung nicht überhaupt die mittelbare Quelle darstellte, auch einer der Gründe dafür, daß sich Frau Peters bei der Wiedergabe der meisten Märchen — ob bewußt oder nicht — an den „allgemein bekannten" Fassungen in den „Kinder- und Hausmärchen" orientierte. Bei aller Anlehnung im Sujetaufbau wird jedoch sehr viel individuelle erzählerische Ausgestaltung greifbar. „Rumpelstilzchen" (Nr. 15) z. B. folgt Episode um Episode dem „üblichen" Handlungsverlauf; aber während die Grimmsche Version partienweise kaum über eine Inhaltsangabe hinausgeht, ist hier das Geschehen sujetgerecht ausgeführt. Das beginnt schon beim ersten Satz. Während bei Grimm (KHM Nr. 55) nur gesagt wird: „Es war einmal ein Müller, der war arm . . .", gibt Frau Peters so etwas wie ein Zeitbild: „Dat wir 'ne düüre Tiet cewer dat Land kamen. Dat Kuurn wir nich wussen, un nu würd alls knapp. Un de Möller hadd nicks mihr to daun. Un he wir nu all ganz arm worden . . ." Gleich der erste Dialog, der bei Grimm nur das Geschehen in Gang bringt, weitet sich bei ihr zu einer dramatischen Gesprächssituation, in der die Prahlsucht des Vaters, die Zweifel des Königs, die Schüchternheit des Mädchens beredt zum Ausdruck kommen. Besonders aber die sich anschließenden Ereignisse während der drei Probenächte und die Auseinandersetzungen zwischen Königin und Zwerg um das 32

Kind sind in anschaulicher Detailausmalung wiedergegeben. Selbst die Schilderung der zweiten Nacht, die im Grimmschen Text nur wenige Zeilen umfaßt, da sich das Geschehen praktisch wiederholt, ist hier weit ausgesponnen und von großer Farbigkeit. Dabei wird das Geschilderte nicht nur als Handlung dargeboten, sondern durch das Aufdecken innerer Vorgänge zugleich psychologisch verständlich gemacht. So heißt es etwa, als der habgierige König auch die zweite Kammer voll Gold sieht: „,Wo is 't moeglich?' seggt he. ,CEwer ick will ehr doch woll to faten kriegen: Nu sett ick ehr in ein noch väl gröttere Kamer . . ."' Oder als die junge Königin sich sträubt, ihr Versprechen zu erfüllen: „Un se weint, un se deit: Ehr leiwes Kind, dat will se doch nich den Zwerg gäben. Se weit jo gor nich, wat dee mit dat Kind will." Das ist, wie das gesamte Verhalten der Heldin, ganz mit den Augen der Frau und Mutter gesehen. Für sie ist vor allem wichtig, daß die Königin zum Schluß ihr Kind behält. Die Grimmsche Fassung endet mit dem Tod des Zwergs. — Und so könnte man eine ganze Reihe von Märchen vergleichen, um zu finden, daß die aus dem Augenblick heraus gestaltete Mundartfassung in der Regel mit mehr Einfühlungsvermögen und lebendiger erzählt ist als das kunstvolle literarische Pendant. Jedes Märchen hat bei Frau Peters seine Eigenheiten; und sie war sich — bei aller „Treue" gegenüber dem Überlieferten — auch durchaus des eigenen Anteils bei der Wiedergabe dieser Erzählstoffe bewußt: „Ick heff de Märchen so verteilt, as ick se hürt heff, oewer up miene Oort, so 'n bäten utschmückt nah miene Phantasie: Der Mensch will ja auch was Eigenes hineinbringen und nicht nur nachplappern." So gern sie formelhafte Wendungen gebrauchte, so wenig kam es ihr doch auf die Wiederholung eines bestimmten Wortlauts an: „Ümmer mit deesülwigenWüürd', nee. Man mücht dat doch jedesmal noch wedder lebendiger verteilen un noch schöner utschmücken." So war sie vor allem bemüht, den Gehalt der jeweiligen Märchenhandlung zu erfassen und wiederzugeben, was ihr von Mal zu Mal besser gelang: „Je mihr man 'n Märchen verteilt, desto mihr kümmt man rin in dat ganze Geschehen. Dor kann ick mi denn ümmer bäter rinfäuhlen, un dat lett sick denn ok bäter utspinnen." In diesem „Ausspinnen" lag für sie das „Eigene", und hier ließ sie sich weitgehend von ihrer Auffassung des Märcheninhalts leiten: „Ick heff de Märchen ümmer so verteilt, as ick se mi in mien Phantasie grad' vorstellt heff . . . Kieken S' mal, bie de Bremer Stadtmusikanten, dor wullten de Kinner doch ganz genau weiten, wat de Tiere dor all to äten funnen hebben. Un wat Rotkäppchen för Blaumen plückt het, dat wir doch ok interessant. . ." Gerade bei solcher Detailausmalung folgte die Erzählerin wohl oft der Eingebung des Augenblicks. Andererseits verlangte die Wiederholung eines Märchens vor den gleichen Zuhörern gewöhnlich ein gewisses Festhalten am einmal Gesagten, und Frau Peters meinte: „Denn müßt ick mi cewer Mäuh gäben un müßt uppassen, dat 3

Neumann, Märebenfrau

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dat ok ümmer gliek würd, süss säden de Kinner: .Gestern hast du das aber anders erzählt!'" So dichtete sie sich allmählich ihre Märchen zu bestimmten Gebrauchsfassungen zurecht: „In Schwerin heff ick de Märchen anners verteilt as in Warin. Dat kümmt jo schon so dörch de Örtlichkeiten, dee müßten dor jo ok mit rinspälen: In Schwerin wir dat de Friedrichsthaler Wald un nah Zippendörp ruut, un hier wir dat de Wariner Wald mit de Rad'bäk un 'n Bäukenbarg un 'n Glammsee." Gleichzeitig wußte sie jedoch die inhaltlichen Akzente der einzelnen Märchenstoffe je nach Bedarf zu variieren: „Se heff ick de Märchen nu so verteilt, as ick se toletzt mien Enkel verteilt heff", erläuterte sie mir bei der letzten Aufnahme. „Dat wir mi jo noch an 'n besten in 't Gedächtnis. Früher för mien Kinner heff ick se anners verteilt: Dor müßt ick ümmer so 'n bäten cewer dat Truurige weggahn, süss weinten se. Un bie anner Kinner, dor künn man dat grad' utmalen, üm ehr an 't Hart to griepen." — All diese Äußerungen zeugen von einer sehr bewußten Erzählhaltung und erklären sicher manche Eigenart bei der Wiedergabe der Märchenstoffe. Meist lassen gleich die ersten Sätze, in denen zum Teil recht ausführlich die Ausgangssituation beschrieben wird, eine ausgesprochen epische Erzählernatur erkennen: „Ein oll armen Flickschnieder, dee hadd drei Soehns. Un he verdeinte nich väl, un se hadden nich väl to bieten un to bräken un hadden bloß ein oll Zäg', dee müßt ehr de Melk gäben för de Supp abends." So beginnt das Märchen vom „Tischlein deck dich" (Nr. 29). Der Erzählerin kommt es sichtlich darauf an, so genau und einprägsam wie möglich in die Welt des jeweiligen Märchens einzuführen, wobei sie trotz Anlehnung an Märchenklischees weitgehend der eigenen Vorstellung folgt. Sie referiert keine Inhalte, sondern gibt ein ihr von Kind an vertrautes Geschehen wieder. Dabei liegt das Schwergewicht auf der Schilderung der fortschreitenden Handlung, in der sich fast immer chronologisch Episode an Episode reiht, was schon rein äußerlich in der häufigen Anknüpfung der Sätze mit un, donn oder nu zum Ausdruck kommt. Dieser Handlungsablauf bildet gewissermaßen das Erzählgerüst, an dem sich Frau Peters orientiert. Doch wo immer sie die Möglichkeit dazu sah, sind die einzelnen Handlungszüge zu anschaulichen Szenen geweitet. So werden z. B. bei Grimm im Märchen vom „Tischlein deck dich" (KHM Nr. 36) dessen wunderbare Eigenschaften nur knapp berichtet. Bertha Peters dagegen läßt den Meister das „Gesellengeschenk" selbst erklären und schildert dann, wie es der Geselle unter einer großen Eiche „ausprobiert": „He sett't sick dor hen un seggt nu ok: ,Deck di, Disch!' Un in'n Ogenblick, dor stahn de schönsten Bradens up 'n Disch, Schwiensbraden un Gausbraden un Karbonad' un Biffsteak — allens, wat 'n sick so wünschen kann. Un 'n Glas Wien steiht dor ok noch bie un 'ne Buddel, dat he sick noch wedder wat ingeeten kann. — Un he ett! Oh, wat het em dat schmeckt! So 'n schön Äten het he in sienen ganzen Läben noch nich hatt . . ." (Nr. 29). Man sieht förmlich, wie er sichs wohl sein läßt. Doch sofort geht mit seinem Aufbruch die 34

Handlung weiter, um sich bei seiner Einkehr ins Wirtshaus erneut zur Szene auszuweiten. Solche Szenenschilderungen, in denen Frau Peters das Geschehen wirkungsvoll zu verlebendigen weiß, lassen die alten Märcheninhalte sehr plastisch werden. Gleichzeitig versteht sie es, diesen Szenen durch Rede und Widerrede der handelnden Gestalten zum Teil dramatische Spannung zu verleihen. Besonders die Märchen „Rumpelstilzchen" (Nr. 15), „Die Gänsemagd und das sprechende Pferd" (Nr. 26), „Der Fischer und seine Frau" (Nr. 28) oder „Der pfiffige Schneider" (Nr. 31) beziehen ihre Wirkung weitgehend aus den Dialogen. — Andererseits fällt auf, wie gern die Erzählerin in ihrer Handlungsschilderung verharrt, um eine Situation auszumalen. So z. B., als der suchende Prinz das schlafende Dornröschen findet: „Ach, wat wir dat för 'n hübsches Bild: De Rosen, dee wiren ganz un gor dörch de Stuw' rankt. Dee wiren dörch dat lütt Finster dörchkamen. Un cewer dat Bett von dat lütt Mäten, de Prinzessin, wiren se ganz un gor rcewerrankt. Un rund üm ehren Kopp hadd sick 'n Kranz von Rosen henleggt . . ." (Nr. 16). Es ist, als könnte Frau Peters das Bild gar nicht deutlich genug werden. Dem entspricht auch die mitunter geradezu minutiöse Beschreibung der auftretenden Gestalten, für die z. B. die Hexe in „Hans und Greting" (Nr. 13) ein illustratives Beispiel ist. Eine noch weiter gehende Detailausmalung im Fluß des freien Erzählens scheint mitunter kaum möglich. Trotzdem hat man nie das Empfinden, daß die Erzählerin sich in Einzelheiten verliert; sondern diese Beschreibungen vertiefen in zum Teil verblüffender Weise die Anschaulichkeit der Handlungsschilderung, die trotz gelegentlicher Umwege zielsicher aufs meist glückliche Ende zusteuert. Die wiederholte Aufzeichnung ihrer Märchen zeigte allerdings, daß Frau Peters die einzelnen Sujets, sooft sie sie vorbrachte, jedesmal mit erheblichen Abweichungen wiedergab. Der Handlungsablauf blieb sich zwar meistens gleich, aber die Darstellung der Details änderte sich von Mal zu Mal. Man vergleiche etwa die verschiedenen, in diesem Band und in den „Mecklenburgischen Volksmärchen" abgedruckten Fassungen von „Dornröschen" (Nr. 16/ 81), „Aschenputtel" (Nr. 20/93), „Die Gänsemagd und das sprechende Pferd" (Nr. 26/99) oder „Der pfiffige Schneider" (Nr. 31/156). Nicht nur, daß mancher dort knapp erwähnte Handlungszug hier breit ausgeführt ist, manche anschauliche Beschreibung des einen Textes im andern fehlt, die Dialoge sehr unterschiedlich ausfallen usw. — zum Teil erscheinen sogar neue Motive, deren sich die Erzählerin plötzlich wieder erinnerte. So schilderte sie z. B. bei einer Wiederholung von „Dornröschen" ausführlich, wie der König für die brotlos gewordenen Spinnfrauen sorgt (Nr. 16), weil sie den Enkeln, die großen Anteil am Schicksal der armen Frauen nahmen, das Märchen immer mit diesem Zusatz erzählen mußte. Oder sie ersetzte im Märchen von der Gänsemagd das Motiv der Beichte im Ofen, das sie als konstruiert empfand, durch ein sehr eindrucksvoll wiedergegebenes Zwiegespräch mit einem Porträt (Nr. 26). 3'

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Dabei hatte es auf die Art ihrer Schilderung offenbar wenig Einfluß, ob sie ein Märchen vor dem Mikrofon erzählte oder es eilig selbst zu Papier brachte. Denn die Tonbandaufnahmen weisen keine größeren Besonderheiten gegenüber den Mitschriften auf als die mehrfachen Magnetofonaufzeichnungen des gleichen Sujets (bzw. dessen wiederholte Notierungen) untereinander : Wenn Frau Peters erzählte, war sie immer bestrebt, es möglichst „ h ü b s c h " zu machen, was ihr freilich sehr unterschiedlich glückte. „Frau H o l l e " z. B . erzählte sie im Verlauf v o n zwei Jahren dreimal inhaltlich völlig gleich. Aber während sie beim ersten Mal (vgl. Meckl. Volksmärchen N r . 89) das Märchengeschehen in einer knappen Fassung dramatisch zuspitzte, gestaltete sie bei der dritten Bandaufnahme alle Einzelheiten in epischer Breite anschaulich aus ( N r . 18). In der Zwischenzeit, als sie einmal bei einem Besuch nicht recht aufgelegt war, gelang ihr dagegen kaum mehr als eine ausführliche Inhaltsangabe, bei der sie mehrmals Vergessenes nachtragen mußte (siehe A n m . zu N r . 18). — Aber solche Fälle kamen nicht oft vor. D i e überwiegende Mehrzahl der Texte ist geprägt von der persönlich gefärbten Gestaltungsweise der Erzählerin, die meist nur D i n g e schildert, von denen sie sich selbst eine Vorstellung machen kann. Daraus resultiert zu einem wesentlichen Teil die Eingängigkeit der detailreich ausgemalten V o r g ä n g e und Situationen. So wird die Darstellung immer dann besonders farbig und genau, wenn sich die Märchenszenen in vertrauter häuslicher Atmosphäre abspielen (Nr. 9f., 14, 16, 18, 20, 23, 30) oder wenn die Lebenswelt des Müllers berührt wird ( N r . 15, 23, 29, 32). Und bei einem Vergleich mit den „ K i n d e r und Hausmärchen" fällt auf, wie oft und einleuchtend das Dargestellte der Wirklichkeit angenähert ist. Hänsel und Gretel z. B. im Grimmschen Text „aßen weiter, ohne sich irremachen zu lassen", als sie die Stimme der Hexe hörten ( K H M N r . 15). Bei Bertha Peters ist die Reaktion der Kinder folgerichtig: „ O wat verfihrten se sick! Ehr bleew dat Happen in 'n M u n d stecken" (Nr. 13). D a s „ g u t e E s s e n " , das die Hexe ihnen vorsetzt, besteht aus keiner Leckerei, als die „Milch und Pfannekuchen mit Zucker, Äpfel und N ü s s e " ( K H M ) erscheinen würden, sondern aus einem kräftigen Gericht „Arwten un Wörtel mit Fleisch in. Un dor hebben s' sick orndlich schön satt äten." Beim Schlafengehen staunen sie über den „schönen witten B e t t b e t o g g " , denn „ t o H u u s hadden s' jo man bloß Decken hatt" usw. D a s ganze Geschehen ist bis in Details aus der Sicht der armen Holzhackerkinder nachempfunden. U n d w o sujetimmanente Märchenzüge der Erzählerin unnatürlich erscheinen, werden sie zumindest zu erklären versucht. So heißt es etwa zum Kannibalism u s der Hexe: „ E h r jieperte dat richtig up Minschenfleisch. W o kann 't so wat g ä b e n ? CEwer dat wir jo 'ne oll Hex." Selbst wenn das Märchenhafte als selbstverständlich dargestellt ist, z. B . in der E p i s o d e mit der kleinen Ente, schwingt ein rationaler Grundton mit, denn Hans meint zu Greting: „Ick lat mi ierst rcewerdrägen un kiek mal to, wo datgeibt. U n wenn dat gaut geiht, denn 36

haalt se di ok noch" (Nr. 13). Diese abwägend-deutende Einstellung gegenüber den Erzählinhalten erklärt den Realismus vieler Märchenszenen angesichts des Wunders. Wie genau sich Frau Peters das Geschilderte vorzustellen vermag, zeigt sich bis in die treffende Wortwahl: Die Katze hat im Dunkeln „glummerige Ogen" (Nr. 8); im Haushalt von Schneeweißchen und Rosenrot „blinkerte un blänkerte dat man so", und besonders der Kessel war „blinkerig blank" (Nr. 14); das Feuer „knistert un knastert" (Nr. 13); „pick-pick-pick un klickklick-klick" sammeln die Tauben die Erbsen in die Schüssel (Nr. 20); der Bär „gnagt un gnastert" auf den ihm statt Nüssen gegebenen Steinen (Nr. 31) usw. Neben der lebhaften Phantasie der Erzählerin spielt hier freilich auch ihr Temperament mit hinein. Frau Peters stellt das Märchengeschehen mit seinen phantastischen Zügen als etwas dar, das weit zurückliegt, und wählt daher für dessen Wiedergabe bewußt das Imperfekt. Aber während des Erzählens verlebendigt sich für sie der „Stoff" derart, daß sie immer wieder ins Präsens verfällt. V o r allem Gesprächssituationen und bewegte Szenen sind häufig in der Gegenwart dargeboten, so daß der Hörer große Teile der Märchenhandlung unmittelbar miterlebt. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, wie Frau Peters die in ihren Märchen häufig anzutreffenden Verse verwendet. Zumeist sind sie — obwohl überwiegend plattdeutsch — weitgehend mit denen bei Grimm identisch und erscheinen an den gleichen Stellen im Handlungsablauf (Nr. 15, 18 f., 21—23, 28—30). Mehrfach lauten, bedingt durch die Mundart, einige Zeilen anders, ohne daß sie inhaltlich abweichen (Nr. 20, 24). Zum Teil handelt es sich jedoch um originelle Neuformungen der Erzählerin, die viel Sinn für Reim und Rhythmus besitzt (Nr. 13, 26) und gelegentlich auch gegenüber Grimm zusätzliche Verse einflicht (Nr. 26, 32). Dabei trägt sie — wie sich durch die wiederholte Aufzeichnung ergab — einen Teil ihrer eigenen Verse nicht fertig im Gedächtnis, sondern dichtet sie sich während des Erzählens aus dem Stegreif zusammen, so daß diese in jedem Beleg einen anderen Wortlaut haben. Man vergleiche etwa die Verspartien im Märchen von der Gänsemagd in den „Mecklenburgischen Volksmärchen" (dort Nr. 99) und im vorliegenden Band (Nr. 26). Auch ob Frau Peters überhaupt das Mittel des Verses nutzt, hängt weitgehend von der Laune des Augenblicks ab. Im Gegensatz zu der hier abgedruckten Fassung des „Froschprinzen" (Nr. 17) z. B. enthalten die vorher aufgezeichneten Varianten (siehe Anm. zu Nr. 17) mehrere gereimte Strophen. Insofern ist also selbst die Versgestaltung in den Märchen — auf den ersten Blick ein rein formales Moment — Ausdruck erzählerischen Engagements, was noch dadurch unterstrichen wird, daß die Erzählerin während des Vortrags den Versen vielfach sogar eine Melodie unterlegt (Nr. 13, 15, 18, 21, 32). Sie geht dann so mit dem Geschehen mit, daß sie praktisch die Rolle ihrer singenden Gestalten übernimmt. 37

Dabei wird jedoch nie die Sphäre des Kindgemäßen verlassen, sondern im Gegenteil immer wieder nachdrücklich betont. Deutlichster Ausdruck dafür ist die Fülle der kindlich-betulichen -/»¿-Formen, deren Verwendung weit über das in der Mundart übliche Maß hinausgeht. Sie dienen dazu, kindertümlich zu verniedlichen, Gefühlswerte zu suggerieren, ja selbst Grausiges im Ausdruck zu mildern: „Dor sammelt se de Knaken un Beinings rinner . . ." (Nr. 23). Immer wieder unterbricht die Erzählerin sich, um dem kindlichen Verständnis angepaßte Erklärungen zu geben: „Denn dat is jo ganz fiene Arbeit, dat Drechseln" (Nr. 29); „Denn Zägen, dee sünd jo wat tüer in 't Fräten. Ümmer willen s' wat anners hebben" (ebenda); „Un wenn 't 'n Minschen noch so gaut geiht, denn toletzt mücht he doch wedder nah Huus" (Nr. 18). Und stets ist die zuhörende Kinderschar in die Erzählung einbezogen: „Denn wat glööwt ji woll, wat dat för 'n Huus wir? Dat wir 'n Kaukenhuus" (Nr. 13); „O wat glööwt ji, wat so 'n Wulf schnorken kann!" (Nr. 11). Dieses ständige direkte Ansprechen der Zuhörer ist bei Frau Peters so sehr Bedürfnis und Gewohnheit geworden, daß sie es selbst in den eigenen Aufzeichnungen ihrer Märchen tut: „Meint ji, de Zwerg hadd' nu seggt: .Schönen Dank o k ! ' " (Nr. 14); „Dat Gesicht von de böse Königin, dat hadd't ji seihn süllt!" (Nr. 24) usw. Und zum Teil endet die Erzählung auch mit einer solch persönlichen Wendung, die aus dem Märchengeschehen in die Wirklichkeit führt: „Hefft ji dat all eins seihn, wenn juug' Mudding Bohnen paalt het, dat all de Bohnen 'ne schwarte Naht hebben? Hefft ji 't nich seihn? Na, denn will ick juuch man seggen: Wenn s' nu eins wedder Bohnen paalt, denn helpt ehr mal flietig!" (Nr. 9). Dieser hübsche Schluß ist kein Einfall des Augenblicks, sondern findet sich auch in der aufgezeichneten Variante des Märchens. All diese Mittel ihrer Erzählweise sind für Frau Peters so selbstverständlich, daß sie sie weitgehend unbewußt verwandte: „Oewerleggen dau ick nich bie 't Verteilen. Dat möt von sülwst kamen. Un wenn ick mit fardig bün, bün ick mit fardig." Wenn sie ihren Erzählstoff „beherrschte", d. h. in all seinen Details gegenwärtig hatte, flössen ihr beim Erzählen die Worte nur so zu; und sie steigerte sich dann mitunter bei erregenden Passagen in ein solches Sprechtempo, daß der auf Tonband festgehaltene Text sich nur mit Mühe transkribieren läßt. Auch wenn die Erzählerin ihre Märchen selbst aufschrieb, sann sie nicht lange nach: „Ick schriew ümmer fix tau, dat mi de Gedanken nich wegloopen . . . Bloß nich väl rümspingelieren, denn blifft dat nich echt. Grad' so, as mi dat in 'n Kopp kümmt un as ick dat ok verteilen würd, wenn weck bie mi rümmerseten." Hier wie dort ergab sich für sie der Wortlaut des Erzählten aus der jeweiligen Erzählstimmung, in der sie sich befand. — Allerdings behandelte sie Märchen und Schwank unterschiedlich: „De Märchen, dee schmück ick jo ut. Dat nahm ick mi nich vor. Ick verteil dat so, asdatmien Oortis, un denn kümmt dat Utschmücken ganz von selbst. Bei Märchen spielt ja das Gemüt mit. Bei den spaßigen Geschichten muß man mehr bei der Stange bleiben. Dee heff 38

ick so weddervertellt, as ick se hürt heff. (Ewer ick möt mi dat jo denn ok ganz genau vorstellen kcenen." Nur wenige ihrer Schwänke zeigen die epische Breite, die Genauigkeit der Details oder die zum Teil sehr subjektive Tönung ihrer Märchen (Nr. 41 f., 48, 52f., 61, 63, 66). Die meisten schwankhaften Geschichten sind vergleichsweise knapp und pointenwirksam zugespitzt erzählt, wobei einige Jungensgeschichten nur wenige Sätze umfassen (Nr. 35 f., 38, 40, 46f.). Und doch erkennt man auch hier beim bloßen Lesen der Texte mühelos die gleiche Erzählerin. Das liegt zum einen wohl an der gemüthaften Art von Frau Peters' Schilderung, die auch bei dem komischen Erzählgut auffällt. Ein zweiter Grund dafür ist jedoch zweifellos der durchgängige Gebrauch ihres charakteristischen Plattdeutsch, das sowohl ein inniges Vertrautsein mit der in Warin gesprochenen Mundart als auch den Einfluß der Lektüre mecklenburgischer Dialektliteratur verrät. Besonders die dichterische Sprache Fritz Reuters hat offensichtlich auf ihr mundartliches Erzählen abgefärbt. So begegnen immer wieder heute archaische Mundartwörter und -formen, wie sie für ihn typisch sind, z. B. sörre (seit), wat statt ob, geschach statt gescheht (geschah) usw. Die Erzählerin hat eine Vorliebe für altertümlich-preziöse Ausdrücke wie Dwargen (Zwerge), Pardel(Perlen), kapen (gaffen), Schalken (Schälchen), gnittschäwsch (neidisch), verbessert sich, wenn ihr ein hochdeutsches Wort unterläuft, und nimmt im Eifer des Erzählens sogar selbst Verniederdeutschungen vor: Girapen, Stiegelitt, Gasten (Gäste). All das ist Ausdruck einer etwas sentimentalen Plattdeutschbegeisterung, wie sie die plattdeutschen Vereine früher vermittelten. — Aber man darf diesen Zug nicht überbewerten. Frau Peters erzählte vor allem deshalb in der Mundart, weil sie sie intuitiv als die ihr gemäßere Erzählsprache empfand, und sprach das auch offen aus: „Ick müßt de Märchen jo ierst hoch verteilen, weil de Kinner noch kein Platt verstünnen, cewer ick heff se leiwer platt verteilt. Hochdüütsch köm mi dat ümmer so 'n bäten fremd vor. Un de meisten verteilen sick jo ok up platt bäter. Dat kümmt up de Märchen an . . . Nähmen wi ,Rotkäppchen'. Dat verteilt sick doch up platt väl bäter, mit de lütt Diern mit de rod' Kapp un mit Großmudding. (Ewer weck, dee laten sick nich so gaut up platt verteilen. Dat is denn so 'n Milieu, wat nich so in dat Platt rinpaßt. ,Jorinde und Joringel', dat künn ick up platt nich verteilen. Dat heff ick woll mal vörläst." Solche Märchen erzählte sie erst gar nicht, wie sie denn auch versicherte: „Dee Märchen, dee ick Se nu verteilt heff, das sünd all so 'ne, dee man bäter up platt verteilt." Als ich sie einmal bat, „Rotkäppchen", eins der ihr geläufigsten Märchen, hochdeutsch zu erzählen, hatte sie große Mühe, sich darauf einzustellen, und war mit der tatsächlich etwas steifen Erzählfassung (siehe Anm. zu Nr. 11) so wenig zufrieden, daß sie sofort eine mundartliche Wiedergabe anschloß (Nr. 11). Auch hinsichtlich der Schwänke empfand sie es als sich und den Stoffen gemäßer, sie plattdeutsch zu erzählen. — Und daß sich die Erzählerin bei ihrem Vortrag so ungezwungen der Sprache 39

des Wariner Alltags, d. h. der Mundart mit all ihren ausgeprägt umgangssprachlichen Eigenheiten, bedient, zugleich jedoch namentlich bei den Märchen bemüht ist, dem poetischen Gegenstand einen ihm angemessenen, also nach Möglichkeit „dichterischen" Ausdruck zu verleihen, gibt ihrer Erzählsprache tatsächlich den besonderen Reiz. Aber so reizvoll sich Frau Peters' Erzählungen lesen, so wenig vermögen doch die bloßen Texte einen wirklichen Eindruck von ihrer Erzählkunst zu vermitteln. Lebendiges Erzählen wirkt durch das g e s p r o c h e n e W o r t — und darüber hinaus durch die ganze Persönlichkeit des jeweils Erzählenden. Dafür ist unsere Märchenfrau, deren Erzählweise alle wesentlichen Züge volkstümlicher Erzählkunst aufweist, ein besonders charakteristisches Beispiel. Schon nach wenigen Sätzen stand sie meist selbst so im Banne der von ihr geschilderten Wunderwelt, daß ich den Eindruck hatte, sie habe alles andere um sich her vergessen. Sie erzählte dann nicht nur, sondern lebte im Erzählen das Märchen förmlich vor, indem sie den Klang der Stimme dem Inhalt ihrer Worte anpaßte und das Erzählte durch ein mehr oder minder lebhaftes Mienenspiel unterstrich. Besonders in den Dialogpartien stellte sie sich im Eifer des Vortrags so auf den jeweils Sprechenden ein, daß sie unwillkürlich dessen Sprechweise nachahmte, wobei sie in der Stimmlage vom männlichen Baß bis zur feinen Kindersprache variierte und in raschem Wechsel normal sprach, laut donnerte oder in Flüstern verfiel. Wie herrisch klangen da die Befehle der maßlosen Fischerfrau, wie furchtsam-verlegen die Antworten ihres Mannes (Nr. 28), wie flehentlich die Bitten Aschenputtels, wie unaufrichtig die Ausflüchte ihrer Stiefmutter (Nr. 20), ja wie kläglich selbst das Gejammer des nackten Schweinchens (Nr. 2). Und gleichzeitig nahm das Gesicht der Erzählerin einen überlegen-strengen, verärgerten, freundlichen, abweisenden, weinerlichen oder sonstwie dem Gesagten gerade entsprechenden Ausdruck an. Doch auch wenn sie äußere Vorgänge schilderte, hörte man infolge der Modulation ihrer Stimme die geschilderten Geräusche und empfand man das Erregende, Gefahrvolle, Erfreuliche der jeweiligen Situation mit, wobei auch hier das Mienenspiel und die Augen der Erzählerin ihr ständiges Mitgehen mit dem Märchengeschehen verrieten, obwohl sie im Grunde wenig Mimisch-Dramatisches an sich hat, sondern eher verhalten wirkt. — Um wieviel mehr mögen all diese Mittel ihrer Erzählkunst zur Geltung gekommen sein, wenn sie nicht auf die Bitte des Erzählforschers hin, sondern spontan vor Kindern erzählte.

Verhältnis zum Erzählgut J e näher ich Frau Peters kennenlernte, desto mehr wurde mir bewußt, daß — entgegen dem ersten Eindruck — nicht ihre Schwänke oder ihre Anekdoten, 40

des Wariner Alltags, d. h. der Mundart mit all ihren ausgeprägt umgangssprachlichen Eigenheiten, bedient, zugleich jedoch namentlich bei den Märchen bemüht ist, dem poetischen Gegenstand einen ihm angemessenen, also nach Möglichkeit „dichterischen" Ausdruck zu verleihen, gibt ihrer Erzählsprache tatsächlich den besonderen Reiz. Aber so reizvoll sich Frau Peters' Erzählungen lesen, so wenig vermögen doch die bloßen Texte einen wirklichen Eindruck von ihrer Erzählkunst zu vermitteln. Lebendiges Erzählen wirkt durch das g e s p r o c h e n e W o r t — und darüber hinaus durch die ganze Persönlichkeit des jeweils Erzählenden. Dafür ist unsere Märchenfrau, deren Erzählweise alle wesentlichen Züge volkstümlicher Erzählkunst aufweist, ein besonders charakteristisches Beispiel. Schon nach wenigen Sätzen stand sie meist selbst so im Banne der von ihr geschilderten Wunderwelt, daß ich den Eindruck hatte, sie habe alles andere um sich her vergessen. Sie erzählte dann nicht nur, sondern lebte im Erzählen das Märchen förmlich vor, indem sie den Klang der Stimme dem Inhalt ihrer Worte anpaßte und das Erzählte durch ein mehr oder minder lebhaftes Mienenspiel unterstrich. Besonders in den Dialogpartien stellte sie sich im Eifer des Vortrags so auf den jeweils Sprechenden ein, daß sie unwillkürlich dessen Sprechweise nachahmte, wobei sie in der Stimmlage vom männlichen Baß bis zur feinen Kindersprache variierte und in raschem Wechsel normal sprach, laut donnerte oder in Flüstern verfiel. Wie herrisch klangen da die Befehle der maßlosen Fischerfrau, wie furchtsam-verlegen die Antworten ihres Mannes (Nr. 28), wie flehentlich die Bitten Aschenputtels, wie unaufrichtig die Ausflüchte ihrer Stiefmutter (Nr. 20), ja wie kläglich selbst das Gejammer des nackten Schweinchens (Nr. 2). Und gleichzeitig nahm das Gesicht der Erzählerin einen überlegen-strengen, verärgerten, freundlichen, abweisenden, weinerlichen oder sonstwie dem Gesagten gerade entsprechenden Ausdruck an. Doch auch wenn sie äußere Vorgänge schilderte, hörte man infolge der Modulation ihrer Stimme die geschilderten Geräusche und empfand man das Erregende, Gefahrvolle, Erfreuliche der jeweiligen Situation mit, wobei auch hier das Mienenspiel und die Augen der Erzählerin ihr ständiges Mitgehen mit dem Märchengeschehen verrieten, obwohl sie im Grunde wenig Mimisch-Dramatisches an sich hat, sondern eher verhalten wirkt. — Um wieviel mehr mögen all diese Mittel ihrer Erzählkunst zur Geltung gekommen sein, wenn sie nicht auf die Bitte des Erzählforschers hin, sondern spontan vor Kindern erzählte.

Verhältnis zum Erzählgut J e näher ich Frau Peters kennenlernte, desto mehr wurde mir bewußt, daß — entgegen dem ersten Eindruck — nicht ihre Schwänke oder ihre Anekdoten, 40

die zum Teil direkt auf eigenes Erleben zurückgingen, sondern die von ihr zunächst recht skeptisch beurteilten Märchen (vgl. S. 17) dasjenige Erzählgut waren, zu dem sie die persönlichsten Bindungen hatte. Gewiß bedeuteten ihi viele Geschehnisse aus dem Alltag, von denen sie humorvoll berichtete, weit mehr als nur Erzählstoff: „So 'ne Erinnerungen ut mien Läben, as dee v o n Albert (Nr. 46) — wenn ick denn mit mienen Brauder tosamensitt, denn heit dat: .Weißt du noch. . . ? ' " Aber dem Außenstehenden gegenüber klang kaum etwas davon an, und sie meinte auch selbst: „Wenn ick dat f r ö m d ' L ü ü d ' verteil, denn verteil ick dat as 'n Schwank, so as Se. Up dee Wies' entstahn jo woll ok de Schwänke." Hier trat das persönliche Moment meist völlig zurück (Ausnahme Nr. 66, vgl. die Anm. dazu), und es ging ihr vor allem darum, Heiterkeit zu erregen. — Dagegen war sie beim Erzählen der Märchen in der Regel deutlich innerlich beteiligt. Denn die bei allem Sinn für H u m o r im Grunde grüblerisch veranlagte Erzählerin hat noch im Alter ein fast so inniges Verhältnis zum Märchen, wie sie es als Kind gewonnen hatte. Man m u ß deshalb, will man Frau Peters' Beziehungen zum Märchen begreifen, bis in ihre Kindheit zurückgehen. „Meine Märchenwelt", so betonte sie einmal, „liegt im Wariner Küsterhaus. Meine Mutter war für mich eine Märchenfrau. Da hab' ich die Märchen nicht nur gehört, sondern richtig miterlebt." Das lag einmal daran, daß sie als Kind das Märchengeschehen bereitwillig für bare Münze nahm: „Mien Mudder hadd dat jo so verteilt, dat dat all bie un nah passiert wir. — Wenn wi denn sommers an 'n Sünndag to Wald güngen, dennso wieste se uns de Fläg', wo dat all wäst wir, un ick glööwte nu ierst recht, dat dat all wohr wir." Gleichzeitig machte das Geschilderte zum Teil solchen Eindruck auf sie, daß sie sich in ihrer Phantasie selbst in diese Märchenwelt hineinversetzte und mit den Märchenheldinnen identifizierte: „Schneeweißchen un Rosenrot, dat künnten jo kein anner wäst sien as mien Schwester un ick. Dor heff ick dat richtig seihn in Gedanken, wo de Bär b r u m men ded un wo mien Mudding em woll de D ö r upmaken ded un wo he denn rinköm un mien Schwester un ick em den Schnei von den Pelz fägen deden . . ." Diese Anteilnahme bis hin zum eigenen Miterleben führte dazu, daß das Geschehen vieler Märchen zu einem Teil ihrer Erlebniswirklichkeit w u r d e ; und noch aus der Altersrückschau ist Frau Peters der Ansicht: „De Märchen heff ick ok d o r ü m so gaut behollen, weil ick in mien Phantasie dat ümmer sülwst wir, Aschenputtel un Dornröschen un Rotkäppchen . . . Wat ick as Kind nich miterläwt hadd in de Märchen, dat künn ick späder ok nich verteilen." Nicht alle Stoffe sagten ihr zu: „,Rapunzel' un .Allerleirauh' un ,Kluge Else', dee het mien Mudder ok verteilt. CEwer dee hebben mi nich gefollen, un dee heff ick ok nich richtig behollen." Ihre Lieblingsmärchen aber hatten sich ihr unauslöschlich eingeprägt und brachten bei jeder Wiedergabe etwas v o n dem Märchenerlebnis der Kindheit zum Klingen — ein Zeichen, wie stark das Be41

teiligtsein am Erzählten die Gedächniskraft beeinflußt und die individuelle Tradierung bestimmt. Obwohl Frau Peters, seit sie ihren Kindern zu erzählen begann, die bunte Phantastik der Märchen nicht einfach als gegeben hinnahm, sondern sich Gedanken über deren Herkunft und deren symbolischen Gehalt machte, blieb sie zum Teil dem kindlichen Erleben der Märchenwelt als Realität verhaftet: „Die Märchen von meiner Mutter brauchte ich nicht aufzufrischen, denen begegnete ich in der Wariner Umgebung ja überall in unserem Märchenwald. Da sprangen die Erinnerungen wie rasche Funken auf." Deshalb sind zweifellos vieleBezüge auf Wariner Verhältnisse in den 1969 bis 1971 erfaßten Märchen auf die Erzählweise der Mutter zurückzuführen. Andererseits neigte jedoch auch Frau Peters sehr dazu, Elemente der Wirklichkeit mit dem Märchengeschehen zu verflechten, um es sich und ihren Hörern vertrauter zu machen. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die stark ausfabulierte Eingangsgeschichte, in der de „leiw' Gott" recht materialistisch als biederer Handwerker geschildert ist, wie er uns ähnlich in den Bildgeschichten Jean Effels entgegentritt. Die Erzählerin hebt das Wunderbare in den einzelnen Märchen nicht auf, sondern behält es sujetgemäß bei, aber es wird doch oft in humorvoller Weise relativiert, als etwas Besonderes hingestellt oder auch angezweifelt: „Oh, w a t ' n Wunner! De Bor, de grote schwarte Bor, dee füng an to snacken" (Nr. 14); „Un wat selig' se dor? Dat 's jo woll gor nich mceglich! Dor hadd s' doch de Pogg' henschmäten, un dor stünd' up einmal einen wunderhübschen Minschen . . ." (Nr. 17); „Mudder un Schwester . . . wunnern sick, wo dat mceglich is . . ." (Nr. 18), usw. Auch die Zeitebenen vermischen sich. Das Geschehen des Märchens „Wacholderbaum und Totenvogel" z. B. (Nr. 23), das ausgesprochen archaische Züge aufweist, ist bewußt in eine graue Vorzeit verlegt; trotzdem ist ganz selbstverständlich von Schule und Ferien die Rede, werden Handwerker in vertrautem kleinstädtischen Milieu vorgeführt, wird ganz genau eine in Mecklenburg verbreitete Truhenform beschrieben. Und selbst „moderne" Requisiten wie Nähmaschine (Nr. 14) oder Puppenwagen (Nr. 22) erscheinen als völlig normaleBestandteile'einer einstigen Märchenwelt, die dadurch dem Heute und dem Alltag nähergerückt wird. Beim Zuhören hatte ich oftmals geradezu den Eindruck, daß Frau Peters ihr eigenes Alltagserleben in die Märchen hineinprojizierte. So verweilte sie z. B. immer wieder gern bei der Schilderung von Hausfrauenarbeiten und ließ ihre jugendlichen Heldinnen Betten machen und Stuben fegen, Gemüse putzen, Essen kochen, abwaschen, Wäsche spülen usw. (vgl. Nr. 4, 9 f., 14, 16, 18—23, 30). Schneewittchen erhält von den Zwergen eine ganze Lektion über ihre Hausfrauenpflichten (Nr. 24), hinter der deutlich die Erzählerin steht; und die Schluderarbeit der faulen Marie ist nicht ohne Grund als so abschreckendes Beispiel hingestellt (Nr. 18): „Dor süllten sick de Kinner jo dat Richtige ut entnähmen." — Auch Frau Peters' Tätigkeit auf der Wariner 42

Mühle hat zweifellos einen Niederschlag in ihren Märchen gefunden, denn immer, wenn sie beim Erzählen auf die Müllerei zu sprechen kam, weitete sich die Darstellung zur Berufsbeschreibung (vgl. Nr. 15, 23, 29, 8). Selbst „Hans im Glück" ist bei ihr zum „fixen Möllergesell" geworden, „dee sien Arbeit verstünd'. He künn sick 'n Pungen up 'n Rüggen schwengen as sühst man so. Un bie alle Arbeit, dor wir he ümmer fix dor un ümmer de ierst" (Nr. 32). Dementsprechend ist er auch nicht — wie bei Grimm — als einfältiger T o r gezeichnet, sondern als gutgläubig Geprellter, dem man deutlich die Sympathie der Erzählerin anmerkt. — Selbst manche ihrer kleinen Alltagsfreuden spiegeln sich in den Märchen getreulich wider. So wird z. B. in den Märchenfamilien ebenso gemütlich Kaffee getrunken (Nr. 6, 11, 16, 23), wie sie selbst ihr Kaffeestündchen genießt; und aus der Schilderung der Rosenpracht in „Dornröschen" (Nr. 16) spricht die begeisterte Rosenzüchterin. Bemerkenswert ist auch, welch große Rolle die Befriedigung von Alltagsbedürfnissen in Frau Peters' Erzählgut spielt. Nur in fünf der Märchentexte ist das ganze Geschehen in einem idealisierten Königsmilieu angesiedelt (Nr. 16f., 24—26); in weiteren drei ist gleich eingangs von bürgerlichem Wohlstand die Rede (Nr. 20f., 23); im übrigen aber führen die Märchen in eine bescheidene handwerkliche Umwelt (Nr. 15, 28—32) oder sogar in ausgesprochen kümmerliche Verhältnisse (Nr. 9—14, 18f., 27). Das ist natürlich zum Teil sujetbedingt (vgl. Nr. 13, 28 f.). Aber es fällt doch auf, wie betont Frau Peters auf die Armut und Not ihrer Heldinnen hinweist: „In ein Dorp, dor wähnte 'ne olle Fruu. Se wir bannig arm, un se hadd nich väl in de Supp to bröckeln" (Nr. 9). Oder: „In ein lütt Stadt, dor wir 'ne arme Fruu, dee hadd nich väl to äten: Se neihte so 'n bäten för Geld" (Nr. 10) usw. Das Denken und Tun dieser Gestalten ist weitgehend von der Sorge ums tägliche Brot bestimmt, und man merkt es der Darstellung an, wie dieses Problem die Erzählerin bewegt: „Un dat Brot wir so düer un de Melk, un alls, wat se kööpen müßten, dat wir so düer. Un de Mann künn nich mihr so väl Geld an 't Huus bringen, as he bruuken ded, üm sien Familie satt to maken" (Nr. 13). — Es liegt nahe, daß auch hier zum Teil eigenes Erleben, vor allem die Erinnerung an die Kargheit im Elternhaus und an die Unterhaltssorgen während der schweren dreißiger Jahre, in den Märchen mitschwingt: „Mien Öllern hadden nich väl, un ick mit mien drei Kinner heff jo ok oft knapsen müßt. Denn lihrt man jo, up 'n Penning to achten." So hat es auch durchaus persönliche Gründe, wenn die Erzählerin während des Vortrags für die Armen und gegen die Reichen Partei ergreift (Nr. 13, 15, 17). Gleichzeitig klingt jedoch noch im sorglosen Alter an, in welchem Maße die beim happy end erreichte materielle Sicherheit ihrer Helden — ein Glück, das sie jahrzehntelang vor Kindern und Enkeln auszumalen pflegte — ihrem eigenen Wunschdenken entsprochen haben muß: Von den armen Holzhackersleuten, die plötzlich viel Gold haben, heißt es: „Se hadden jo ok kein Sorgen mihr bet an ehr Läwsend'" (Nr. 13); und als am

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meisten wünschenswert für ein M ä d c h e n erscheint, „ d a t se 'n rieken, rieken M a n n h e u r a t ' t " ( N r . 22). D o c h auch der u m g e k e h r t e A s p e k t taucht a u f : „ W e n n se o k m a n häßlich i s " , meint die Mutter der Pechmarie, „cewer wenn dat G o l d denn u p ehr liggt, denn will 'n Kierl se o k n o c h h e b b e n " ( N r . 18). D i e letzte, persönlich g e f ä r b t e Ä u ß e r u n g deutet zugleich ein zweites M o ment an, das in zahlreichen Märchentexten v o n Frau Peters greifbar wird. E s ist der weitgehend unerfüllt gebliebene W u n s c h nach einer harmonischen E h e u n d nach einem Familienleben wie einst „ i m Wariner K ü s t e r h a u s " , der hier z u m Teil poetische Gestalt g e w o n n e n hat. W i e sich die Erzählerin als K i n d in den M ä d c h e n f i g u r e n der Märchen selbst erlebte, so schilderte sie später in den Frauengestalten ein Stück ihres eigenen Ich u n d war sich dessen auch b e w u ß t : „ M i t de M u d d e r v o n Schneeweißchen un R o s e n r o t oder v o n R o t k ä p p c h e n , dor künn ick dat so richtig mitempfinden. D a t wir jo bienah as bie mi o k . " D i e alleinstehende Frau mit K i n d e r n kehrt in den verschiedensten Sujets immer wieder ( N r . 10f., 14, 18f., 21); und es hat nicht nur didaktische G r ü n d e , wenn die Beziehungen in dieser „ R e s t " - F a m i l i e leicht idealisiert s i n d : „ N u set de Wittfruu allein mit ehr beiden K i n n e r . ( E w e r dee m ö k e n ehr leiw' M u d d i n g so väl Freud', dat o k dee bald wedder Freud' un L u s t to läben k r e e g ' . Wenn M u d d i n g an d e Neihmaschin set un schniederte oder wenn se bie de g r o t e W ä s c h wir, denn m ö k e n de beiden Kinner ehr de ganze Huusarbeit trecht . . . " ( N r . 14). Hier geht die Absicht, den kindlichen Z u h ö r e r n ein V o r b i l d v o r A u g e n zu halten, fast nahtlos in eine weitgehend ich-bezogene W u n s c h d a r stellung ü b e r : A u c h die Familie ohne Vater sollte sich das L e b e n so schön wie m ö g l i c h machen. D a g e g e n sind in der vollständigen Märchenfamilie die Beziehungen untereinander selten ( N r . 12, 16, 30) als intakt geschildert; u n d es fällt auf, daß es o f t der Vater ist, der im G r u n d e schuld a m Zerreißen der Familienbande hat, indem er seinem K i n d eine b ö s e Stiefmutter gibt u n d es nicht v o r ihr schützt ( N r . 20, 2 2 f f . ) b z w . s o g a r das L e b e n seiner K i n d e r aufs Spiel setzt ( N r . 13, 15, 25). D a s ist zwar alles durch die M ä r c h e n s t o f f e v o r g e geben, d o c h s o w o h l die Sujetauswahl als auch die A k z e n t u i e r u n g der d a r g e stellten Inhalte sind kein Z u f a l l : Während die Mütter immer g u t zu ihrem K i n d sind — ,,'t wir jo ehr e i g e n " ( N r . 23) —, ja selbst die Stiefmütter mitunter als Mudding bezeichnet werden u n d „ s o to K i h r g a h n " ( N r . 13), d. h. ihr T u n bereuen und sich bessern, erscheinen die Väter zumeist als R a b e n v ä t e r : S o hat es fast Symbolcharakter, wenn a m Schluß eines Märchens die K i n d e r „ ehr leiw 1 Mudding . . . mit acht Pierd' v o r 'n W a g e n " zu sich holen, v o m Vadder aber ges a g t wird, „ d e e bleew nu u p sien ollen D a g ' ganz, g a n z allein . . . H e hadd keinen, g o r keinen Minschen, dee em g a u t w i r " ( N r . 25). A u c h die Tatsache, daß Frau Peters so auffällig stark das Märchenklischee v o n der b ö s e n Stiefmutter verwendet ( N r . 13, 1 8 f f . , 23ff.), hat z u m Teil perpersönliche G r ü n d e , die bis in die K i n d h e i t zurückreichen: „ A s M u d d i n g s e g g t hadd, ick wir nich ehr K i n d (vgl. S. 19), wenn se denn mal so streng wir

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to mi, denn heff ick dacht: ,Süll se woll wirklich dien Steifmudder sien?' Dor heff ick richtig 'n Komplex von krägen up Jahre hinaus." Und später bangte sie dann jahrelang um das Schicksal der eigenen Kinder: „As dat to Scheidung köm, dor het mien Mann seggt: ,Aber den Dieter nehm ich mit.' Un dor hadd ick so 'ne Angst vor! Ick hadd' em jo kein von de Kinner mitgäben: Dat hadd' jo denn ok 'ne Steifmudder krägen." So kam sie auch beim Erzählen nicht davon los: „Wenn ick Märchen verteilt heff, wo 'ne Steifmudder in vörköm, denn heff ick ümmer doran dacht, wie dat woll wir, wenn mien Kinner 'ne Steifmudder hadden." Im Märchengeschehen, das sie wiedergab, schwang hier das eigene Empfinden mit: „Wenn ick dat verteilen ded von Brüderchen und Schwesterchen, dat is mi ümmer richtig nahgahn, wenn de junge Mudder nachts to ehr Kind köm, dat man ehr wegnahmen hadd." — Zugleich hatte die Darstellung familiären Leids für die Erzählerin jedoch oft eine didaktische Funktion, z . B . : „Wenn 'ne Mudder in 't Märchen starwt, dat sali de Kinner dorto bringen, ehr Mudding noch leiwer to hebben un an dat Glück to denken, dat se bie ehr is." Vor allem aber — und das darf nicht übersehen werden — dienten Frau Peters die sujetimmanenten negativen Züge als Folie für die Schilderung des Guten, das sie neben dem Schlechten nun umso wirkungsvoller abheben konnte. Obwohl sie selbst vor Grausigem nicht zurückschreckt (Nr. 23), herrscht in ihren Märchen doch deutlich ein Zug zur Harmonisierung und Idyllisierung v o r : Immer wieder wird die „heimelige" Atmosphäre der eigenen Kindheit nachgezeichnet: „Denn läd' Mudding de Knütt weg un ok de Brill un verteilte de Kinner all de schönen Geschichten, dee se noch in 'n Sinn hadd" (Nr. 14) usw. Immer wieder begegnet das Bild der Kinder, die Hand in Hand miteinander gehen — eine stereotyp liebevolle Gebärde, die geradezu als Symbol des Vertrautseins erscheint (Nr. 13 f., 16, 19). Immer wieder wird betont, wie die Mütter an ihren Kindern hängen und wie gut sie zu ihnen sind, wie aber auch die Kinder sich dankbar zu zeigen wissen (Nr. 10ff., 25). Wenn etwa Rotkäppchen zum Schluß betont: „Mudding, mien leiw' Mudding, dat verspräk ick di: Ick gah ok in 'n ganzen Läben nich wedder von 'n richtigen Weg a f ! " , dann hat das durchaus übertragene Bedeutung. Und es ließen sich viele weitere Details anführen, die trotz aller dargestellten Bosheit, Herzlosigkeit und Tücke in den Märchen das Bild einer kleinen heilen Welt vorspiegeln, wie sie sich die Erzählerin selbst als Lebensrahmen gewünscht hätte (doch vgl. die Anm. zu Nr. 66). All diese Beispiele — für die sich zahlreiche Parallelen in der internationalen Märchenüberlieferung finden — machen deutlich, daß Frau Peters das vom Sujet her fixierte Märchengeschehen bei dessen Wiedergabe nicht nur aus der Sicht der Frau und Mutter bzw. der agierenden Kinder bis ins Alter nachzuerleben vermochte, sondern daß darüber hinaus ihr eigenes Erleben, Denken, Fühlen und Hoffen und damit ein Teil ihrer Persönlichkeit in ihre Märchen45

texte eingegangen ist und sich darin widerspiegelt. Darin liegt ein wesentlicher Grund dafür, daß sich die oft komplizierte Märchenhandlung in ihrem Munde oft so natürlich und selbstverständlich ausnimmt, als würden zwanglos Begebenheiten aus dem Alltag berichtet. Dabei war sich die Erzählerin jedoch stets bewußt, „nur Märchen" zu erzählen. Zwar fing sie bestimmte Seiten des Alltags in ihren märchenhaften Erzählungen ein, wie sie andererseits dazu neigte, in vielem eine Art wunscherfüllter Gegenwelt zur Wirklichkeit zu zeichnen, ohne eine scharfe Grenzlinie zwischen beiden zu ziehen. Aber ihre Darstellung glitt nie dahin ab, daß sie den Anschein erweckte, im Gewände des Märchens Probleme zu lösen. Märchenerzählen war und blieb für sie stets — bei aller Wirklichkeitsbezogenheit — ein Ausflug in das Reich der Phantasie. Infolge ihrer vielseitigen Interessen war das Märchen für Frau Peters nur eins neben zahlreichen anderen Bildungserlebnissen und umfaßte dementsprechend nur einen begrenzten Bezirk ihrer geistigen Welt. Dennoch kommt ihm in ihrem Leben besondere Bedeutung zu: Wie das eigene Kindheitserlebnis der Märchenwelt bis in ihr Alter in hellem Glanz erhalten blieb, so rechnet sie auch die zahlreichen Märchenstunden mit Kindern und Enkeln zu ihren schönsten Lebenserinnerungen. Märchen regten zeitlebens immer wieder ihre Phantasie an, reizten ihre Erzähllust und wurden ihr „Schlüssel zum Herzen der Kinder". Um Kinder aber, ihre liebevolle Betreuung und Erziehung, kreiste das Leben dieser klugen und warmherzigen Erzählerin. So formten Kindheitserleben, Erzählbegabung und Mütterlichkeit sie zu einer „Märchenfrau", die Märchenerzählen bis in unsere Tage als Herzenssache empfand.

Märchenüberlieferung und Erzählsituation Als ich Frau Peters kennenlernte, hatte sie ihre Märchen seit etwa einem Jahrzehnt nicht mehr erzählt und auch zumeist kaum noch daran gedacht. Trotzdem waren ihr die meisten Märchensujets noch so geläufig, daß es in der Regel nur kurzen Nachdenkens bedurfte, bis sie zu erzählen begann. Diese sichere Stoffbeherrschung erklärt sich sowohl aus der inneren Beziehung, die die Erzählerin zu ihren Märchen besaß, wie aus der Häufigkeit der mündlichen Wiedergabe, durch die sich der Märcheninhalt bis in die Details so fest eingeprägt hatte, daß er auch nach längerer Erzählpause noch auf Anhieb „verfügbar" war. Man darf freilich nicht übersehen, daß Frau Peters bei Bedarf auch Vergessenes durch Lektüre auffrischen konnte. So stark in ihrer Erinnerung auch die Eindrücke des lebendigen Erzählens dominieren, so unbestreitbar ist doch, daß die Märchen in ihrer Familie bereits gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ganz wesentlich aus dem Buch und mit Unterstützung des Buches lebten. Schon im Repertoire der Mutter traten die mündlich überkommenen Volksmärchenstoffe neben den Sujets aus den „Kinder- und Haus46

texte eingegangen ist und sich darin widerspiegelt. Darin liegt ein wesentlicher Grund dafür, daß sich die oft komplizierte Märchenhandlung in ihrem Munde oft so natürlich und selbstverständlich ausnimmt, als würden zwanglos Begebenheiten aus dem Alltag berichtet. Dabei war sich die Erzählerin jedoch stets bewußt, „nur Märchen" zu erzählen. Zwar fing sie bestimmte Seiten des Alltags in ihren märchenhaften Erzählungen ein, wie sie andererseits dazu neigte, in vielem eine Art wunscherfüllter Gegenwelt zur Wirklichkeit zu zeichnen, ohne eine scharfe Grenzlinie zwischen beiden zu ziehen. Aber ihre Darstellung glitt nie dahin ab, daß sie den Anschein erweckte, im Gewände des Märchens Probleme zu lösen. Märchenerzählen war und blieb für sie stets — bei aller Wirklichkeitsbezogenheit — ein Ausflug in das Reich der Phantasie. Infolge ihrer vielseitigen Interessen war das Märchen für Frau Peters nur eins neben zahlreichen anderen Bildungserlebnissen und umfaßte dementsprechend nur einen begrenzten Bezirk ihrer geistigen Welt. Dennoch kommt ihm in ihrem Leben besondere Bedeutung zu: Wie das eigene Kindheitserlebnis der Märchenwelt bis in ihr Alter in hellem Glanz erhalten blieb, so rechnet sie auch die zahlreichen Märchenstunden mit Kindern und Enkeln zu ihren schönsten Lebenserinnerungen. Märchen regten zeitlebens immer wieder ihre Phantasie an, reizten ihre Erzähllust und wurden ihr „Schlüssel zum Herzen der Kinder". Um Kinder aber, ihre liebevolle Betreuung und Erziehung, kreiste das Leben dieser klugen und warmherzigen Erzählerin. So formten Kindheitserleben, Erzählbegabung und Mütterlichkeit sie zu einer „Märchenfrau", die Märchenerzählen bis in unsere Tage als Herzenssache empfand.

Märchenüberlieferung und Erzählsituation Als ich Frau Peters kennenlernte, hatte sie ihre Märchen seit etwa einem Jahrzehnt nicht mehr erzählt und auch zumeist kaum noch daran gedacht. Trotzdem waren ihr die meisten Märchensujets noch so geläufig, daß es in der Regel nur kurzen Nachdenkens bedurfte, bis sie zu erzählen begann. Diese sichere Stoffbeherrschung erklärt sich sowohl aus der inneren Beziehung, die die Erzählerin zu ihren Märchen besaß, wie aus der Häufigkeit der mündlichen Wiedergabe, durch die sich der Märcheninhalt bis in die Details so fest eingeprägt hatte, daß er auch nach längerer Erzählpause noch auf Anhieb „verfügbar" war. Man darf freilich nicht übersehen, daß Frau Peters bei Bedarf auch Vergessenes durch Lektüre auffrischen konnte. So stark in ihrer Erinnerung auch die Eindrücke des lebendigen Erzählens dominieren, so unbestreitbar ist doch, daß die Märchen in ihrer Familie bereits gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ganz wesentlich aus dem Buch und mit Unterstützung des Buches lebten. Schon im Repertoire der Mutter traten die mündlich überkommenen Volksmärchenstoffe neben den Sujets aus den „Kinder- und Haus46

märchen" zweifellos deutlich zurück, und bei Frau Peters hat sich dieses Verhältnis wohl noch mehr verschoben. Obwohl das Märchenbuch für sie anscheinend weniger Quelle war als für die Mutter, nahm die Bedeutung des „Buchmärchens" für die Märchenüberlieferung innerhalb dieser kleinbürgerlichen Familie doch von Generation zu Generation zu. Während die Großmutter die Grimmsche Sammlung vermutlich gar nicht kannte, wurde sie für die Enkelin schließlich zur selbstverständlichen, wenn auch nur selten benutzten Gedächtnisstütze. Gleichzeitig wandelte sich der Charakter des Märchenerzählens: Im Hause der Großeltern bildeten die Märchen noch einen Erzählstoff zur Unterhaltung wie anderes bekanntes Volksgut auch; im Wariner Küsterhaus trugen sie zumindest den Charakter des Besonderen; für Frau Peters stellten sie bereits so etwas wie ein persönliches Erbe dar, das sie an die Kinder weitergab. Insofern ist die Familie Kortüm ein anschauliches Beispiel für die Pflege des Märchens in volksverbundenen Lehrerkreisen, aus denen Wossidlo in den neunziger Jahren die besten Märchenbeiträge erhielt. Hier wurde einerseits die alte Volksdichtung bewahrt, soweit sie den Eltern aus den Tagen der Kindheit haften geblieben war, andererseits aber auch angelesenes Volksgut für die Kinder aktualisiert. Besonders die literarisch stilisierte „Volkspoesie" der „Kinder- und Hausmärchen" — soweit in einer der verschiedenen Anthologien zugänglich — erfreute sich wachsender Beliebtheit und wurde, vorgelesen oder nacherzählt, zu einem Baustein und Bestandteil der kleinbürgerlichen Bildungswelt. Dafür sind sowohl Frau Peters' Mutter wie sie selbst beredte Zeugen. In ihrem Munde stellten die Märchen nicht nur „Stoff" zum Erzählen für die Kinder, sondern zugleich ein wichtiges Mittel der Erziehung und Bildung in der Kinderstube dar, und dahinter stand bei aller sozial bedingten Begrenztheit ein echtes humanistisches Anliegen. Da der mündliche Zustrom der lebendigen Volksmärchentradition nach und nach versiegte, konnte sich diese Rezeption der Volksdichtung schließlich nur in Anlehnung an das literarisch überhöhte volksechte „Buchmärchen" vollziehen, das — zumal es dem „gebildeten Geschmack" mehr entsprach — auch zunehmend Gehalt und Stil der mündlichen Wiedergabe des Märchens prägte. Das ist auch bei Frau Peters — trotz all ihrer Eigenart — deutlich feststellbar. Ihre Märchen sind jedoch ein eindrucksvolles Zeugnis und Beispiel für die individuell-schöpferische Aneignung des klassischen deutschen Märchenschatzes und dessen künstlerische Verlebendigung. Dabei ließ die Erzählerin subjektiv keine „Buchmärchen", die Grimmschen einbegriffen, so recht gelten. Sie empfand sie nicht nur als „steif" und „gekünstelt", was Inhalt und Form anbetraf, sondern auch als „unlebendig", solange sie nur gelesen oder vorgelesen würden: „Das ist den Kindern alles viel zu fremd." Märchen sollten nach ihrer Ansicht stets frei erzählt und dem Verständnis der jeweiligen Zuhörer angepaßt werden, und sie meinte von sich:

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„Ick heff ümmer so verteilt, as ick dacht heff, dat dat den meisten Indruck maken würd. Man möt sick jo ok ümmer up de annern Minschen instellen, wo dee dat woll an 'n leiwsten hüren müchten." Deshalb habe sie auch meist Anklang gefunden: „Wenn ick mien Enkel verteilen ded, dee hebben uppaßt as de Scheithund'n. Dieter hadd so 'ne groten schwarten Kullerogen, dee mi richtig mien Vertellens ut 'n Mund trecken deden." — Auf dieses Echo legte Frau Peters großen Wert, zumal sie sich beim Erzählen davon abhängig fühlte: „Wenn de Ogen so lüchten von de Kinner, wenn dee so richtig mitgahn, dat is dat Beste bie 't Verteilen. De Kinner dörben sick nich wegdröömen as in de Schaul, wenn se den Lihrer räden laten as: 't geiht mi nicks an. Dee möten genauso dorbie sien as ick bie 't Verteilen, un dee möten dat ok nahvertellen." Besonders auf dieses Nacherzählen wies sie oft und gern hin: „De Dieter, dee het denn richtig mit de Händ'n rümfuhrwarkt bie 't Verteilen, wat ick jo gor nich dau. So wir he in Eifer bie 't Verteilen. De Peter wir still; dee het uppaßt, ob Dieter dat ok richtig maken ded, oewer het denn woll dacht: ,Lat den man m a k e n ! ' " — Die Begeisterung, mit der die inzwischen selbst verheirateten Enkel von den Märchenstunden mit der Großmutter berichteten, ist ein Zeichen, wie sehr die Erzählerin mit ihren Märchen ihre kleinen Zuhörer tatsächlich zu packen verstanden hatte. Aber diese Märchenstunden liegen weit zurück, und seither gibt Frau Peters nur noch ihre Schwänke und Geschichten zum besten: „Ick kam jo väl mit olle Lüüd' tosamen, dee all so 'n bäten untofräden mit sick sünd, dee all Gebräken hebben. Un dee up anner Gedanken to bringen, verteil ick denn Läuschen — wat mi grad' so Passendes inföllt. De Geschieht von den Nachtwächter (Nr. 61), dee heff ick all oft verteilt, dee het ümmer väl Spaß makt. Un de Papageiengeschichten, dee so 'n bäten länger sünd (Nr. 53, 63, 66), dee maken ok ümmer väl Spaß . . ." Bevorzugte Gelegenheiten, dergestalt erheiternd zu wirken, sind zwanglose Treffen in der Nachbarschaft: „De Schwänke heff ick vörbröcht, wenn wi mal up 'n Geburtsdag wiren, dat köm jo öfter vor . . . Meist verteil ick jo in 'n Fründ'n- und Bekanntenkreis. Mit 'n poor Fründinnen, wi drapen uns öfter, drinken Kaffee, spälen Koorten und maken 'n lütten Klcehn." Hier weiß die Erzählerin ihre „Läuschen" im rechten Augenblick aufzutischen: „Wenn de Unnerhollung mal 'n bäten still ward, denn verteil ick 'n poor so 'ne Dinger, dat 't wedder Läben ward . . ." Doch selbst auf dem Krankenlager hielt sie nicht damit zurück: „In 'tKrankenhuus, dor leeten sick jo weck von de Fruugens so gahn. Dor heff ick ok väl verteilt, üm uptomuntern. De Oberschwester säd' all ümmer: ,Ich muß doch mal wieder in mein Lachzimmer kommen.'" Zu viele Zuhörer irritieren Frau Peters leicht: „Dat möt denn so 'ne lütte Gesellschaft sien, vor 'ne grote mücht ick nich verteilen." Einen kleinen Kreis wußte sie jedoch immer zu unterhalten: „Meistens heff ick denn allein verteilt. Dat liggt jo nich jeden. Denn würd jo oft seggt: ,Dee weit oewer ok ümmer w a t . ' " — Alle aus ihrem Bekanntenkreis stimmten dem

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zu. „Se weit jo so väl", meinte z. B. die 81 jähr. Frau Prestin. „Wi mcegen dat giern, wenn se dat verteilt. Denn gifft 't ümmer wat to lachen. Denn ward ok meist bie 't Koortenspälen noch 'n Glas Wien drunken, un denn geiht dat noch bäter." Und die 80jähr. Frau Brüßhaber sagte mir: „Wenn ein Geburtstag gefeiert wird, da setzt man sich gerne zu Frau Peters. Sie hat ja viel Phantasie und kann fesselnd erzählen. Da weiß man immer, daß man nett unterhalten wird." Solche Erzählrunden, in denen Anekdoten und Schwänke ausgetauscht werden, kann man heute noch überall in Mecklenburg bei Familienfeiern und in Wirtshäusern antreffen, wenn es auch weniger Frauen als mit Humor begabte Männer sind, die ihre Zuhörer über Stunden hinweg zum Lachen bringen. Inwieweit das Märchenerzählen im Zeitalter des Fernsehens noch typisch ist, entzieht sich dagegen unmittelbarer Beobachtung. Ich habe deshalb nach anderen „Märchenfrauen" in Warin Ausschau gehalten und schließlich die Kinder in der Schule befragt (Herbst 1971). Das Ergebnis war verblüffend: Fast alle Mädchen und Jungen konnten ein paar Märchen angeben, die sie kannten und zumeist auch nachzuerzählen vermochten, wobei als Quellen — neben etlichen Märchenbüchern — in der Hauptsache die Mütter und „Omas" genannt wurden. Und alle Frauen, die ich anschließend aufsuchte, bestätigten diese Angaben. Zwar handelte es sich meist nur um die „üblichen" Sujets, „Rotkäppchen", „Hänsel und Gretel", „Frau Holle" usw., die den Kindern oder Enkeln in Anlehnung an Grimm erzählt oder vorgelesen worden waren. Aber zum Teil begegnete mir auch eine erstaunliche Stoffkenntnis. Die Gastwirtsfrau Bibow (geb. 1900) z. B. zählte sofort zehn Grimmsche Märchen auf, mit denen sie „so aus der Erinnerung" jahrelang ihre Enkel unterhalten hatte: „Diese Märchen hab' ich so erzählt bei der Arbeit, daß sie den Kindern verständlich waren. Denn hatte ich ja ruhige Kinder, wenn ich erzählte. Hochdeutsch und plattdeutsch, wie es gerade kam. Die haben ja immer drum gebettelt." Und die Schneiderin Berta Freiwald (geb. 1897) verfügt sogar über ein regelrechtes Märchenrepertoire, von dem bisher dreizehn Sujets aufgezeichnet werden konnten (vgl. Anm. zu Nr. 6ff.), die sie als Kind „bei Grimm" gelesen und dann sechs Jahrzehnte lang an mehrere Generationen von Kindern weitererzählt hatte. Sie betonte, daß Kinder ihr größtes Glück seien, und freute sich immer wieder, wenn die Kleinen aus der Nachbarschaft, die sie alle kannte, bei ihr anklopften und Märchen hören wollten. Selbst kinderlos, war sie zur „Märchentante" für die ganze Straße geworden, in der sie wohnte. Es werden also heute durchaus noch Märchen erzählt, wenn das auch ausschließlich „versteckt" in der Kinderstube geschieht. Dieses Erzählen steht allerdings gewöhnlich noch mehr als bei Frau Peters im Zeichen des Märchenbuches. Entweder wird die durch Lektüre in der Kindheit oder später erworbene Märchenkenntnis reaktiviert, indem man die noch im Gedächtnis haftenden Stoffe den Kindern und Enkeln weitervermittelt, wie es etwa von Frau Bibow und Frau Freiwald berichtet wurde. Oder das Lesen bzw. Vor4

Neumann, Märchenfrau

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lesen der Märchen geht sogar unmittelbar dem Erzählen voraus. Der Ofensetzer Fentens (geb. 1923) z. B. gab an, sich „Geschichten ut Hauff un Grimm" eingeprägt zu haben, um sie seiner Tochter erzählen zu können; und die Bäkkerfrau Klocksin (geb. 1907) sagte, sie habe die ihr „dem Namen nach" bekannten Märchen den Enkeln zunächst aus einem Buch vorgetragen und nach mehrmaliger Wiederholung dann so gut beherrscht, daß sie sie „frei" vorbringen konnte. — Gleichzeitig ist die fixierte Fassung der „Buchmärchen", die jederzeit nachgelesen werden kann, zum Maßstab für die „Richtigkeit" der mündlichen Märchenwiedergabe geworden. So wurde immer wieder von den Erzählerinnen betont, sie wollten den Kindern „doch nichts Falsches" beibringen; und Frau Freiwald, die die Grimmschen Märchen „immer so nach Phantasie" zu erzählen pflegt, wie sie es gerade für passend hält, muß es sich von ihren kleinen Zuhörern, wenn sie erst lesen können, öfters gefallen lassen, korrigiert zu werden: „Die sagen denn: .Nein, Tante Berta, du gammelst ja. So steht das nicht im B u c h . ' " Aber das traditionelle Erzählen ist auch für Kinder im Vorschulalter längst nicht mehr die einzige Möglichkeit, Märchen kennenzulernen. In den Kindersendungen des Rundfunks werden fast täglich Märchen aus aller Welt „erzählt" oder als Hörspiel geboten; und das Fernsehen bringt an jedem Wochenende Märchenfilme unmittelbar in die Wohnung. Hinzu kommen die „Kinderprogramme" der Kinos, die sonntags und in den Ferien zahlreiche Märchenfilme bieten, oder die vorweihnachtlichen Aufführungen von „Märchenspielen" im Theater. Außerdem ist es vielfach in den Kindergärten üblich, den Kleinen Märchen vorzulesen oder sogar als Puppentheater vorzuspielen. Zu all diesen Möglichkeiten bildet das Lesen von Märchenbüchern — etwa vom achten Lebensjahr an — nur eine Ergänzung, die neben einer ständigen Zunahme des Interesses an Märchenfilmen und neuerdings auch an Märchenschallplatten einhergeht. — So ließ sich in Warin feststellen, daß unter den Schülern der unteren Klassen eine förmliche Märchenbegeisterung herrschte, wenngleich ein Teil der Jungen sie zunächst hinter Verlegenheit verbarg. Doch auch „die Großen" waren noch keineswegs aus dem Märchenalter heraus. Eine Umfrage in den 6. bis 8. Klassen am 19./20. Okt. 1971 ergab, daß von 181 Schülern 170 gern Märchen hörten, wenn sie ihnen erzählt oder vorgelesen würden; 174 sahen sich regelmäßig die Märchensendungen des Fernsehens an und 154 auch „ab und an" Märchenfilme im Kino; 146 waren im Besitz von Märchenbüchern, die sie gelegentlich lasen, und 77 behaupteten, sich „auch Märchenbücher" aus der Bibliothek auszuleihen. Den meisten (149) waren in der Kindheit Märchen vorgelesen worden, ein großer Teil (78) hatte sie auch erzählt bekommen; bei allen aber hatte das Fernsehen die Freude am Märchen entscheidend mitgeprägt. Heute üben von allen Darbietungsformen des Märchens die Verfilmungen infolge ihrer unmittelbaren Wirkung auf Auge und Ohr eindeutig den größ-

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ten Reiz auf die Kinder und Jugendlichen aus. Aber es ist erstaunlich, in welchem Maße gerade das Märchen bei aller Technisierung der Wiedergabe noch mit der Fiktion des Erzähltwerdens verbunden ist. „Meister Nadelöhr", der seit Jahren jeden Sonntagnachmittag im Fernsehen als Märchenerzähler auftritt, d. h. sich kurz mit seinen kleinen Zuschauern vor dem Bildschirm unterhält, ehe der eigentliche Film gezeigt wird, wurde von vielen der befragten Wariner Schüler tatsächlich auch als „Erzähler" e m p f u n d e n : „Im Fernsehen, da erzählt ja immer Meister Nadelöhr . . ."; „Wenn Meister Nadelöhr Märchen erzählt, denn kuckt bei uns die ganze Familie zu . . ."; usw. Auch beim Abspielen von Märchenschallplatten, über die 20 Schüler (von 181) verfügten, konzentrierte sich das Interesse gewöhnlich ganz auf das Dargebotene, und eines der Mädchen meinte: „Das ist ja auch so wie Erzählen; und man kann sichs anhören, wenn man gerade Lust hat." — Trotz aller Faszination des Schauens prägt sich offenbar auch das Geschaute nur selten so ein, daß es kurze Zeit später noch nacherzählt werden kann, während sich schon in der Unterstufe der Wariner Schule einige bemerkenswerte Erzählerinnen Grimmscher Märchen fanden, die auch ihnen erzählt worden waren. Aus den 6. bis 8. Klassen gaben 52 Mädchen und Jungen an, ihren kleinen Geschwistern des öfteren gehörte oder gelesene Märchen weiterzuerzählen, wobei 26 von ihnen zugleich eingestanden, sich auch selbst Märchen auszudenken, wenn sie keine mehr zu erzählen wüßten. Und ein paar Mädchen der 4. Klassen besaßen sogar Hefte, in die sie mit großer Sorgfalt ihre „selbstgedichteten" Märchen eingeschrieben hatten. — All das zeugt davon, daß heute das Märchen unter den Kindern und Jugendlichen nicht nur „gefragt", sondern auch durchaus „lebendig" ist. Vielleicht haben die modernen Massenmedien sogar zu einer Renaissance des Märchens geführt, denn neben dem deutschen Märchenschatz erfreuen sich auch die Märchen anderer Völker, besonders der Sowjetunion, steigender Beliebtheit. Es fragt sich freilich, inwieweit sich angesichts der zunehmend filmischen, elektroakustischen und literarischen Märchenvermittlung aus dem Kreis der jungen Märchenenthusiasten noch der Typ der „Märchenfrau", wie ihn Frau Peters verkörpert, herausbilden wird. Ihr Beispiel zeigt, wie befruchtend sich die schöpferische Übernahme von „Buchmärchen" ins lebendige E r zählen auf das Fortleben der mündlichen Märchentradition auswirken konnte. O b es unter den neuen Gegebenheiten zu einer erneuerten Tradition kommt, bleibt abzuwarten.



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DAS ERZÄHLGUT Märchen l Wie die Tiere entstanden Dor ward jo verteilt, dat de leiw' Gott in söß Dag' de ganze Welt trechtmakt hadd' mit alls, wat läwt un wäwt un löppt un krüppt un flüggt un schwemmt: An 'n sößten Dag hadd' he den Minschen fardig makt. Un den Dag vorher, an 'n föfften Dag, donn het he all de Tiere makt. Toierst, dor möckt he den groten Elefanten. Un denn körnen de Kamele an un denn de Girapen mit den langen Hals un de Löwen un de Tiger. Un naher körnen ok de lütten Tiere noch an. — Un as he s' donn all fardig hadd, dor stünnen s' all so gries dor. „Nee", seggt he, „dit mag ick jo nu doch nich lieden. Dee möten all 'n bäten bunt sien, dat s' sick voneinanner unnerscheiden koenen. Un dat de Minschen ehr ok kennen naher." Donn leet he 'ne grot Flickenkist kamen. Un donn güng dat nu los: Dor kreeg' de Low' 'n gälen Kittel un de Elefant 'n griesen Kittel. Un de Kamele, dee de beiden Höcker hadden — dat wir gor nich so einfach —, dee kreegen 'n bruunen Kittel an. Un denn köm de Zebra an. Dee hadd 'n witten Kittel, un dor würden ümmer luuter schwarte Striepens upsett't. Un bie den Tiger, dor würden up den gälen Kittel luuter bruune Striepens upsett't. Un bie anner •"Tiere1, dor het he denn 'n poor bunte bruune Flickens oder schwarte Flickens upsett't. Un dat leet ehr all wunderbor. Den Äsel, den mök he wedder gries, un de Pierd' mök he schwärt un bruun un witt. Un donn, as he de r Tierei denn all fardig hadd, donn pust't he s' an. Un denn löpen s' rin in de Welt, jeder nah sien Gebeit. Un an 'n Nahmiddag, donn körnen de lütten Voegel an. Un donn knäd't he se ok all fardig un sett't se all hen un seggt denn ok: „Je, so geiht dat ok nich. Dee lütten Tiere koenen sick jo gor nich gegen de groten Tiere wehren. Dee möten Flüchten hebben." Un donn sett't he jedes Tier de Flüchten an, dat se in de Welt rümfleigen künnten. Un wenn ehr einer wat daun wull, dat s* fix wegfleigen künnten. Un donn meint he: „Ja, dee möt ick nu oewer ok woll 'n bäten bunt maken. So, nee, so kann ick s' nich Iosfleigen laten." 53

Un donn leet he de lütten Engel kamen. Dee müßten de Tubbens mit Farben bringen, alle mceglichen Farben, gräun un gäl un blaag' un rot un schwärt un witt. Un Pinsels müßten s' em bringen. Un donn güng dat Anmalen jo nu los. Toierst nehm he den groten Strauß her. Dee wir em nich so richtig geraden. Den mücht he gor nich giern lieden. So 'n langen Bein hadd he un denn so 'n langen Hals. Dor hadd he gor nich väl Feddern up krägen. Nee, dee wir nich ollich. Donn het he den ok bloß man gan2 gries ansträken. Un de lütten Flüchten, dee he man hadd, dee kreegen 'n witten Striepen. Un denn leet he em de Feddern 'n bäten kruus maken. Dat güng jo. Dat sehg' jo 'n bäten nah wat ut. Na, denn güng dat wieder, un donn nehm he sick den Schwan vor. Oh, den het he oewer fein fardig krägen. Dee hadd ok 'n langen Hals, cewer den het he em so schön hen- un herbögt. Un denn het he em ganz un gor witt anmalt. Un de Schnabel un de Fäut, dee würden so düster rot. Un denn het he em 'n poor grote Flüchten makt. Wenn he dee upsetten ded, denn sehg' dat so ut, as wenn he up dat Water sägein ded'. Denn kömen wedder weck anner an. Donn köm de Pfau an. Den hadd he ok hübsch makt. Den het he hübsch bunt-schillerig anmalt mit 'n bäten Blaag' un Schwärt so dörchenanner. Dat schillerte so. Un denn hadd he em 'n langen Schwanz makt, ganz lange Schwanzfeddem. Un up jede Fedder het he em 'n lütt Og' makt. Un ümmer, wenn dee nu den Schwanz utenannermaken ded as 'n Rad, denn wiren dat luuter Ogen. Un up 'n Kopp, dor het he em noch 'ne lütte Krön ut Feddern makt. Na, denn kömen noch de annern an. Donn köm de Adebor noch ran. Den het he ok witt makt mit schwarte Flüchten. Un den Schnabel un de Bein het he rot makt. Un denn kömen de Häuhner an un de Hahns. Den einen Hahn het he ganz gälbunt makt, un den annern, den het he ganz schwärt makt. (Ewer jeder kreeg' 'n wunderboren schönen roden Kamm up 'n Kopp. Na, un so güng dat ümmer wieder: De Kreihden würden schwärt. Un denn hadd he 'n Vagel Bülow. Dee würd gäl mit schwarte Flüchten. Un so het he s' all bunt anmalt. Un toletzt, dor köm ok dat lütt Volk von de Vcegel an. Dee ein kreeg' 'ne blaage Kähl, un de anner kreeg' 'ne rode, un ein kreeg' 'ne bruune, un ein kreeg' 'ne schwärt, un de anner wedder kreeg' 'ne witte Kähl. Un denn kreegen s' ok noch luuter so 'n bunt Farben up, blau un wat he grad' all so hadd, recht hübsch bunt. Un as dee all fardig wiren, donn pust't he s' an. Un hurrediburr!, dor flögen s' all in de Weltgeschichte rin. Un dor, as he sick ümkieken ded, dor set dor in de Eck noch so 'n ganzen lütten Vagel. Katergries sehg' he ut. „ N a " , seggt de leiw' Gott, „wat is denn mit di?" 54

„Je", seggt de lütte Vagel, „du hest mi heil un deil vergäten. Alle annern hest du hübsch bunt anmalt. Un ick heff gor nicks afkrägen. W o seih ick ut! Hest du nich noch 'n bäten Farw för mi in 'n Pott?" „Nee", seggt de leiw' Gott, „de Farben sünd nu ganz all. Harregott, dat ick dat ok vergäten künn!" seggt he. „GEwer", seggt de lütt Vagel, „paß mal up! Ick kiek dor noch mal rin." Un he reckt sick lang ut mit de Bein, mit sien lütten Fäut un mit den Hals un kickt in de Pött rin. Un donn seggt he: „Kiek mal! In dissen Pott, dor is noch 'n bäten Rot in." Ja, dor wir noch 'n bäten Rot in. „Na, dat sallst denn hebben", seggt de leiw' Gott. Un he nimmt den Pinsel un klackt em 'n bäten Rot up 'n Kopp un an de Backen. „Ja", seggt de Stiegelitt, „un in dissen Pott, dor is noch 'n bäten Bruun in." Dor mök he em denn 'n bäten Bruun cewer un 'n bäten Gries unner 'n Buuk. Un denn mök he em 'n poor witte Plackens noch an 'n Kopp. Un denn mök he em noch den Schwanz schwärt un de Flüchten ok. „Och", seggt de lütte Vagel, „ganz schwarte Flüchten sali ick hebben? Kiek, hier is noch 'n Pott! Dor is noch 'n bäten Gäl in von 'n Vagel Bülow." „Na ja, dat sallst denn ok noch hebben." Un de leiw' Gott nimmt wedder 'n Pinsel un striekt em oewer jeden Flüchten 'n gälen Striepen. Nu wir he cewer hübsch worden! O wat wir dat för 'n hübschen Vagel! Un wat freut he sick. Un he füng an to singen un süng sienen ganzen Strämel run. Un wenn he fardig wir, denn düükerte he ümmer mit 'n Kopp runner, un denn röp he ümmer: „Stiegelitt, Stiegelitt!" Dat süll woll „Dankeschön" heiten. (Ewer sien Schnabel wir dor nich nah wussen. Ümmer wenn he fardig wir, denn säd' he: „Stiegelitt, Stiegelitt!" Un wenn ji nu mal eins in 'n Wald spazieren gaht un seiht denn baben in 'n Boom so 'n lütten Stiegelitt — oft kriggt ji em nich to seihn —, denn möt't ji mal uppassen, wenn he singt! Denn singt he 'n ganzen schönen Strämel. Un toletzt düükert he sick ümmer un seggt ümmer: „Stiegelitt, Stiegelitt!" 2

Das Schwein und sein Kringel schwang As de leiw' Gott all de Tiere makt het, dor wir ok dat Schwien dorbie. Un em würd dat to langwielig, un 't denkt: „Ach, ick bün jo noch lang' nich an. Un ick bün so hungrig. Ach wat, ick gah hen un säuk mi wat to fräten." Un dor löp dat rSchwien 1 weg un löp rin nah 'n Wald, wo all de Eiken stünnen. Dor wiren so schöne Eichel unner, un dee mücht dat so giern. Un dat fret 55

un fret un schnüffelt ümmer mit de Schnuut an de Ierd rüm un in de M u d d ' rüm un künn gor nich satt warden, bet dat toletzt all anfangt to schummern. „Ach", seggt dat Schwien, „nee, wo is 't mceglich! Ick heff jo woll Tiet un Wiel vergäten. Nu will ick man fix henloopen, dat ick ok noch wat antotrecken afkrieg'!" — Un dat kihrt üm un löppt. Un unnerwägens begegnen em all de Elefanten un de Kamele un all de Tiere, dee nu all so hübsch wiren, un seggen: „Nu loop man tau, süss kriggst nicks mihr a f ! " Un dat Schwien, dat nimmt de Bein in de Hand un löppt un löppt. Un all wiren s' nu all vörbie. Un to allerletzt kümmt 't denn noch an to jachern un to pusten bie 'n leiben Gott un quiekt. Un donn seggt de leiw' Gott: „Wo kümmst du her? Wo büst du wäst?" „Ach", seggt dat Schwien, „ick hadd so 'n groten Hunger, un donn bün ick wegloopen. Ick dacht, ick köm ümmer noch tiedig naug'. Ick . . ." „Je", seggt de leiw' Gott, „dat will ick di seggen: Nu heff ick gor nicks mihr. Ick heff keinen Flicken Tüüg mihr." „Oh, un ick möt nu ümmer so nakigt rümloopen?" „Je", seggt de leiw' Gott, „dat heJpt nich. Wenn du weglöppst, wenn Tiet is, denn möößt nu nakigt rümloopen. Denn kann ick di ok nich mihr helpen." Ach, un dat Schwien, dat fangt an to weinen un to jammern. Un de Ogen, dee Warden em so dick un wassen em bienah tau. Un de Schnuut ward ümmer länger. Un dat jammert un quiekt. Un donn ward den leiben Gott dat leid daun, un he kickt sick dat Schwien an von hinnen un von vorn un von de Siet un denkt: „Wat kannst em noch togauden daun?" Un donn süht he, dat de Schwanz ganz lang dal hängt, un donn denkt he: „Täuw, nu sallst ok noch wat hebben." Donn nimmt he 'n Sticken, un dor dreiht he den lütten Schwanz rüm. Un donn bringt he dat Schwien dicht an de Sünn ran, dat dee dat fastbrennen deit. Un donn steckt he den Sticken wedder ruut, un donn wir dat so 'n hübschen Kringelschwanz worden. Ach, dat sehg' nu oewer nüdlich ut! Un dat Schwien, dat dreiht sick üm un kriggt den Schwanz to seihn un freut sick un springt in 't End' un jucht un quiekt un deit, dat 't nu ok so wat Hübsches krägen het: „Nu bruuk ick mi doch vor de annern Tiere nich to schämen. So 'n schönen Schwanz het kein ein von all de annern Tiere. Nu bün ick doch ok noch hübsch worden." — Un donn löp 't weg. Un de leiw' Gott, dee freut sick to sienen spaßigen Infall.

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3 Die mißgünstige Scholle De Fisch, dee wiren eins all tosamen kamen. Dat gew ewig Striet un Larm, wiel dat se kein Ordnung hadden. Se schwemmten all jeder so, as he Lust hadd. Un de groten, dee spälten denn mit den Schwan2 un geben de lütten 'n Fuck, dat s' wiet wegflutschen deden. Un denn kömen s' wedder de annern Fisch in de Möt. Un so gew dat ewig Striet un Larm. Un donn säd' de ein T i s c h 1 : „So kann dat nich wiedergahn. Dit möt ännert warden. (Ewer woans?" „ J e " , seggt donn de Häkt, „denn willen wi dat mal so maken: Wi müßten von Rechts wegen einen König hebben, dee hier Recht un Ordnung schafft." „ J a , roewer1 wo kriegen wi den her?" „ J a , den möten wi uns wählen." „Oder nee. Wi möten seihn, wecker an 'n besten un an 'n fixsten schwemmen kann un an 'n gradsten wegschwemmen kann." Un donn würden alle Fisch tosamenropen un müßten all in Reih un Glied sick henleggen in dat Water. Un donn güng 't jo nu los: De Häkt, dee gew mit den Schwanz 'n Teiken, un donn schwemmten s' jo nu all los. Toierst wir de Häkt ümmer voran, ümmer grad'ut. (Ewer de annern, dee höllen r sick ran 1 . Dor wir de Bors, un dor wir de Hiring un de Rottogen. Un de fuule Karpen, dee wir ok mit dorbie un wull mitschwemmen. Un to allerletzt, donn köm ok noch de Maischull ut de Mudd' ruutwöltert un wull ok noch mitschwemmen. (Ewer dat duerte nich lang', donn wir se 'n bäten wieder trüchbläben. Se wir so breit un so platt, un se künn jo nich so fix dörch dat Water kamen. Un donn röp ein: „ D e Hiring is vor! De Hiring is v o r ! " „Wat?" seggt se. „ J a " , seggen se, „de Hiring, dee is vor! De Hiring, dee is v o r ! " „Wat", seggt de Schull, „de nakte Hiring?" — Un donn mök se dorbie so 'n scheiwes Muul. Se wir so vull Zorn un so gnittschäwsch. Se günnte ""dat1 den Hiring nich. Un sörre dee Tiet het de Maischull ehr scheiw' Muul behollen. 4 Vogel, Maus und Bratwurst Ein Bratwurst un 'ne lütt Muus un 'n Vagel, dee wiren sick eins begegent. Un weil se jeder so allein wiren, wiren se so in 't Snacken kamen. Un dor kömen se so oewerein, wat dat nich ganz schön wir, wenn se 'ne Kumpaniewirt57

schaft upmaken deden. Un dat fünnen se ganz schön. Denn wir doch keiner so allein, un 't würd ok billiger. Ja, denn würd dat beschlaten. Un denn würd ratschlagt: „ W o maken wi dat denn nu? Denn möten wi jo de Arbeit ok 'n bäten indeilen." „Je . . . " D o n n seggt de Muus — dee wir de Kläukst von allen: „Ick will juuch mal wat seggen: W i trecken dat L o s s . " Un donn nähmen se sick 'n poor Stickens. Ein müßt den groten Sticken trecken un de anner den tweiten un fein 1 denn den drüdden. Un so würd denn dat Loss trocken. Un so müßt denn de Bratwurst dat Kaken maken. Un de Muus, dee müßt de Pusselarbeit maken, Water halen un utfägen un Disch updecken. Un de Vagel, dee müßt in 'n Wald fleigen un müßt dat Holt to 'n Füern un Kaken ranhalen. — Ja, rdor 1 wiren s' sick jo ok einig. Un donn güng dat ok los: D e Vagel, dee flog' in den Wald. Bratwurst un Muus, dee künnten noch länger schlapen. CEwer to Middag müßten se jo alls prat hebben. Un as de Bratwurst denn den Pott Äten up 'n Disch bringen will, donn prauwt se dat. „Nee", seggt s', „dat het jo noch nich Rack un noch nich Schmack. W a t mak ick dor bloß noch an? — Ach wat", denkt se, „ick loop dor fix noch eins in rüm un schläuf mi dor so eins rechtsrüm un eins linksrüm." — Dat ded se ok, un donn hadd de Supp den richtigen Schmack. So güng dat 'ne ganze Tiet wunderschön. CEwer wenn den Asel dat to gaut is, denn geiht he up 't Ies. Un so güng unsern lütten Vagel dat. He flog' jo ok in 'n Wald. Un dor begegnet em 'n annern Vagel — dat wir so 'n oll grot Draussel —, un dee seggt: „Wat makst du dor? Du towst di dor jo af, as wenn du dor Geld för kriggst. För wen sammelst du dat H o l t ? " „ A c h " , seggt de Vagel, „wi hebben 'ne Wirtschaft tosamen, de Bratwurst un de Muus un ick. Un nu hebben wi uns de Arbeit indeilt, un ick hal ümmer dat Holt." „Na, denn büst oswer schön dumm. M ö ö ß t morgens toierst upstahn, un denn möößt in 'n Wald fleigen un dat Holt sammeln. Nee, dor künn mi keiner mit meinen. Lat doch de annern dat ok mal daun! Dee möten ok mal gewohr warden, wo dat is. Kiek, dee liggen dor noch schön in 'n Bett un koenen schlapen, un du büst all unnerwägens." „ A c h " , seggt de lütt Vagel, „wi hebben uns dat jo nu so afmakt." „Nee", seggt de anner, „dat würd ick nich daun. Lat de annern sick dat man ok eins versäuken! Dat cewerlegg di m a n ! " Na, de rVagel 1 flüggt jo ok trüch un denkt dor unnerwägens cewer nah un denkt: „Ja, recht het de oll Draussel jo eigentlich." Un as he denn bie de annern wedder ankümmt, donn Schmitt he dat Holt hen un seggt: „So, un dit wir nu hüüt dat letzt Mal! Un nu gah ick nich wedder un

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hal Holt. Nu kann ein von juuch ok mal eins Holt halen. Ick will ok to Huus blieben." Na, so streden se sick hen un her, un de Bratwurst seggt: „Wi willen dat doch man so laten. Het juuch dat Äten denn nich schmeckt?" „Ja, r dat 1 het uns ümmer gaut schmeckt, cewer dat is egal." „Na, denn willen wi mal wedder dat Loss trecken!" Un donn köm dat so, dat de Bratwurst dat Holt halen müßt. Un de Muus, dee müßt dat Kaken maken. Un de lütt Vagel, dee müßt de Pusselarbeiten maken. Na, annern Morgen in aller Herrgottsfrüh müßt jo de Bratwurst all ruut, denn so fix as mit den Vagel güng dat nich. Se wir all 'n bäten wat füllig worden von de väle Kakerie un von dat Prauwen ümmer. Un donn geiht se jo ok los un nah n' Wald hen, üm dat Holt to sammeln. Un nah 'ne Tiet, as dat so up Middag is, donn seggen de Muus un de Vagel: „Je, nu möten wi uns ok woll ranmaken an de Arbeit!" Un de Muus, dee kriggt den Pott up 't Füer un kakt dat Äten un is all meist fardig, un de Bratwurst is ümmer noch nich wedder dor. „Je", seggt de lütt Vagel, „wat kann dee passiert sien? Dee is gewiß wat taustött't. Weißt wat? Ick fleig' ehr mal entgegen." „Ja", seggt de Muus, „dat dau man! Dat Äten ward jo süss kolt." Un donn flog' de Vagel in 'n Wald. Un wat kreeg' he dor to seihn? O wat wir dat för 'n Schreck! Dor wir de grote Köter von den Förster, dee hadd de Bratwurst unner de Poten. Un de Bratwurst, dee schriet. Donn seggt de Vagel to den Hund: „Wat föllt di in? Uns' arm Bratwurst, wat willst du mit dee? Lat doch uns' arm Bratwurst! Dee is jo to Holt gahn un will Füerrholt 1 sammeln. Du büst jo 'n Rohlänner! W o kann einer so wat daun?" „Wat", seggt de rKöter 1 , „Füerholt will se sammeln? Ja, is se denn bie 'n Förster wäst un het sick 'n Holtschien haalt? Se möt sick 'n Holtschien halen, süss is dat Deiwstahl. Un dorüm möt se nu an glööben." Un dor fret he de Bratwurst up. Donn nimmt de Vagel fix dat Holt un denkt: „Mien Läwdag heff ick mi keinen Holtschien haalt." — Je, he künn jo ok ümmer fix bet tau fleigen, wenn de oll Köter köm. — Un donn nimmt he fix noch dat Holt up un f l ü g g t dormit nah Huus. Un as he denn to Huus is un denkt: „So, nu ward de lütt Muus woll dat Äten up 'n Disch hebben!", dor find't he, de lütt Muus is nich dor, gor nicks. Un wat hadd de lütt Muus dor dan? Se rhadd 1 dacht: „Dat Äten, dat schmeckt jo nich nah em un nich nah ehr. CEwer de Bratwurst, dee het sick dor ümmer eins hen- un herschläuft. Un denn het dat ümmer so schön schmeckt. Dat will ick ok mal daun." Un se sprüng rin in den Pott mit kakend Äten, un dat bruuste ehr gliek cewer 'n Kopp. Un dot is se un is to Graus un Maus kakt!

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Un de lütt Vagel, dee kickt in den Pott un kann de Muus nich finnen un süht bloß noch so 'n bäten von ehr Fell un denkt: „Vielleicht kannst doch noch wat redden!" Un will den Pott von dat Füer trecken. — Un dor fangt sien Fedderkleed Füer, un donn is dat üm unsern armen lütten Vagel ok gescheihn. Donn wir de ganze Gesellschaft utstorben. Un dat kümmt dorvon, wenn einer ümmer kläuker sien will un alls, wat gaut in de Läus' is, ümstött. 5 Hähnchen und Hühnchen To de Tiet, wenn de Ncet riep sünd, dor säd' dat lütt Häuhnken to den lütten Hahn: „Weißt wat? Wi gahn mal eins up 'n Noetbarg. Mal seihn, ob wi dor nich schöne Ncet finnen." „O ja", seggt de lütt Hahn, „denn gahn wi up 'n Ncetbarg. Un wenn einer 'ne Ncet find't, denn möt he den annern cewer wat afgäben." „Ja ja." Dat würd jo ok afmakt. Un se wanderten ok tosamen los un körnen up 'n Noetbarg. Un lütt Häuhnken, dat fünd' jo ok 'ne Ncet, un dee wir so säut. Un donn knackt se sick dee up un denkt: „Ach wat, dat bruukt he jo gor nich to weiten. Dee frät ick allein up!" — Un se wir jo so grot, de Ncet, un se künn se nich runkriegen: Dee bleew ehr in 'n Hals stecken. Un se jammert, un se jammert. Un donn köm de lütt Hahn an un seggt: „Wat hest du denn?" „Oh, mi is de Ncet in 'n Hals stecken bläben. Ick möt jo woll reinweg versticken. Gah bloß hen un hal mi 'n Schluck Water!" Un de Hahn, dee löppt jo nu ok los nah 'n Brunnen un seggt: „Giff mi Water för mien lütt Häuhning! Dee het 'ne grote Ncet cewerschlaken, un dee möt nu versticken." „Ja", seggt de Brunnen, „ick will di woll Water gäben. (Ewer denn möößt du ierst nah de Bruut gahn un möößt mi rod' Sied' halen!" Un de rHahn 1 löppt jo ok los un geiht nah de Bruut un seggt: „Bruut, du möößt mi rod' Sied' gäben! Dee möt ick den Brunnen gäben, un denn will he mi Water gäben, dat ick wat för mien Häuhnken heff. Dee het 'ne Noet verschluckt, un dee möt nu versticken." Dor seggt de Bruut: „Ja, ick will di woll rod' Sied' gäben. (Ewer denn möößt du ierst nah de Wied' henloopen un möößt mi mienen Kranz wedderhalen, dee dor hängen bläben is!" Un he löppt jo ok los un geiht nah de Wied' un seggt: „Wied', Wied', giff mi bloß den Kranz, den möt ick de Bruut bringen! Dee möt mi denn rod' Sied' gäben, un dee möt ick den Brunnen gäben. Un dee gifft mi denn Water, dat ick för mien lütt Häuhning 'n Druppen Water krieg'." 60

Na, un he bröcht jo ok den Kranz nah de Bruut, un dee gew em de rod' Sied'. Un de Sied', dee gew he den Brunnen, un dee gew em denn jo ok 'n lütten Pott vull Water. Un donn löppt he jo ok hen nah sien lütt Häuhning, cewer dor wir dat lütt Häuhning all dot. Un donn set he dor un wir so truurig un wüßt jo nu gor nich, wat he maken süll. Un all de Tiere wiren ok truurig, un dat ded ehr all so leed. — Un nu müßt he se jo ok ingraben un ehr 'n Graff maken. Ja, wo süll he ehr nu von den Ncetbarg runkriegen? Dor körnen söß lütt Müüs' an, un dee buugten 'n lütten Wagen, un dor läden se denn dat lütt Hauhn rup. Un de Hahn, dee sett'te sick vorn up 'n Wagen. (Ewer dor körnen all de Tiere ut 'n Wald an. Dor köm de Foß an, dor körn de Wulf an, dor köm de Low* an, un dee säden all: „Dat deit uns jo so leed mit dien lütt Hauhn. (Ewer wi müchten doch ok giern all mit to dat Gräffnis. Kcenen wi nich mit rup up 'n W a g e n ? " „Ja", seggt de Hahn: „Denn sett't juuch oewer hinnen up 'n Wagen, Denn vorn, dor kcenen mien Pierd' dat nich dragen!" Un so sett'ten sick all hinnen up 'n Wagen, un denn güng de Fohrt jo los. Un dat güng 'n lütt End', cewer donn körnen s' an 'ne Bäk. Ach, wo süllten se denn nu man bloß cewer de Bäk rcewerkamen? Un donn leg' dor 'n Strohhalm, un dee säd: „Ick will mi woll rcewerleggen cewer de Bäk. Denn koent ji dor rcewerführen!" Un dat ded de Strohhalm. (Ewer as de lütten Müüs* dor nu rup wullten, donn sackt de Strohhalm af, un de lütten Müüs', dee verdrünken. Ach, nu seten se dor jo wedder. Donn wir dor noch 'ne Kahl. — Hoehning wull jo nu sülwst den Wagen trecken. — Un donn seggt de Kahl: „Ach, ick will juuch woll helpen. I c k l e g g mi oewer de Bäk roewer." Un se leggt sick roewer cewer de Bäk. Un as se rcewergahn willen oewer de Kahl, donn fangt se an to sacken. U n w e i l se noch gläuhnig is, donn zischt dat, un up einmal is dat Ganze dot, u n d e Kahl sackt ok weg. Un toletzt, donn liggt dor noch 'n groten Stein, un dee seggt: „Na, denn will ick juuch nu mal rcewerlielpen 1 ! Denn koent ji mi rcewerleggen, denn koent ji cewer mi rcewerführen!" Un de lütt Hahn, dee treckt jo nu sülwst den Wagen, un he treckt, un he treckt, un he kriggt ok den Wagen mit dat lütt Hauhn roewer. Un as se roewer sünd, donn kann he nich mihr trecken, un he lett los, un de ganzen Tiere, dee hinnen upsitten, dee fallen in de Bäk un möten all versuupen. Un donn sitt de Hahn mit sien lütt Häuhning allein. Un donn het he ehr 'n Graff makt un het ehr dor ingrawt un het 'n groten Hümpel von Ierd dor upschmäten. Un donn sett't he sick dor baben rup un het so lang' kreiht un weint un dan, bet he toletzt ok dotbläben is. — Un donn wiren s' all tosamen dot. 61

6 Der Wettlauf %wischen Hase und Igel An einen schönen Sommermorgen, dor stünd' de Swienägel vor siene Huusdör un rookt sien Piep Tobak un weit nich, wat he anfangen sali. Mudder wir noch binnen un hadd dor ehr Warken un müßt de Gören noch waschen un antrecken. Un donn denkt he: „Ach, datduert jonoch'neTiet. Gah man eins to Feld un kiek mal an, wo dat dor all utsüht. Büst lang' nich dor wäst." Na, he geiht jo ok los. Un as he baben up 'n Barg is un utkickt, dor kümmt de Has' antoloopen. „Na", seggt de Has', „wat willst du hier?" „Ja, wat willst du hier?" „Ja, ick will mal nahseihn, woans Tun1 wo wiet dat mit den Kohl is. Ick möt jo nahseihn, dat ick in 'n Winter ok wat to fräten heff." „Oh, ick bün bloß mal so hier", seggt de Swienägel. „Wat kladderst du hier mit dien krummen Bein hier den Barg rup? Du hest 't doch gor nich nödig." „Nee", seggt he, „lat mi doch. Ick heff mien krummen Bein. Dor bün ick ganz mit tofräden. So 'ne langen Schinkens, as du hest, wull ick gor nich hebben." „Oho", seggt de Has', „deewullst du nichhebben. Wecker woll fixer is von uns beiden? Du mit dien krummen Bein oder ick mit mien langen Schinkens?" „Tje", seggt de Swienägel, „dat koenen wi jo mal utprobieren. Dor kcenen wi jo mal up wedden." „Ja", seggt de Has', „dor gah ick up in. Wat willen w' wedden?" „Tje, wat willen w' wedden? 'ne Buddel Schluck un 'n Büüdel Geld." „Dat ward makt", seggt der Has'. „Fardig, de Wett is afschlaten. — Kann gliek losgahn", seggt de Has'. „Nee", seggt de Swienägel, „so is dat nich. Kiek mal, ick heff hüüt morgen noch nicks . . ., ick bün noch ganz nüchtern, ick heff noch gor nicks äten. Ick gah nu mal ierst eins nah Huus. Un denn will ick mit mien Familie mi fein hensetten un Kaffee drinken. Un so nah 'ne halw' Stund', denn kannst jo mal wedder herkamen. Denn kam ick, un denn kann 't losgahn." „Na ja." — De Has', dee sitt jo ok dor up 'n Feld un täuwt. Swienägel geiht wedder nah Huus un seggt: „Mudder, treck di man fix an, mak di fardig!" „Ja, wat is denn los?" „Ja, du möößt mitkamen! Ick heff mit den Hasen 'ne Wett afschlaten, un dor möößt du mi bie helpen." „Mann, wo kannst du mit den Hasen 'ne Wett afschluten? Wat gifft dat denn to wedden dor?" 62

„Ja, wecker fixer is, he oder ick." „Mann", seggt se, „dat weißt du doch so, dat dee fixer is!" „Ja, dat willen w ' ierst mal aftäuben", seggt de Swienägel ^un geiht mit ehr to Feld 1 . „Kiek mal", seggt he, „hier in disse Fuhr, dor leggst du di nu hen un täuwst ganz sachten, rögst di gor nich un täuwst sachten, bet de Has' hier ankömmt! Un wenn dee hier ankümmt, denn seggst du: ,Ick bün all d o r ! ' Denn kiek mal, wi Swienägels, wi seihn jo Mann un Fruu ganz egal ut. Dat ward de Has' gor nich gewohr." „Na", seggt se, „wat dit woll wedder ward?" Un donn geiht de Swienägel jo ok hen nah den Hasen un seggt: „So, mienetwägen kann 't losgahn! Dor hinnen in de Fuhr! Du nimmst de eine Fuhr, un ick nähm de anner Fuhr. Un denn loopen wi los. Un denn willen wi mal seihn, wer gewinnt." „Na, ja. Ein, twei, drei, los!" Un de Has', dee fangt an to scheesen, all wat 't Tüüg hollen will. Un de Swienägel, dee löppt bloß twei, drei Schritten, un denn blifft he sitten. Un as de Has' ankümmt dor baben up 't End' un denkt, de Swienägel, dee is jo noch wiet trüch, donn röpptdor de SwienägeKfruu 1 all: „Ick bün all dor!" „Mein Gott", denkt de Has', „wo is 't mceglich?" — „Denn noch eins", seggt he, „dat . . . dat geiht nich mit rechten Dingen t o ! " He kihrt wedder üm un scheest wedder los. De Swienägelfruu rgeiht 1 twei, drei Schritten mit, un donn leggt s' sick wedder hen. As de Has' de Fuhr wedder lang is un kümmt an 't End' an, donn seggt de Swienägel dor: „Ick bün all dor!" „Noch eins!" seggt de Has'. Donn geiht dat noch eins wedder los. Un so is de Has' woll scebentig Mal oder noch mihr up- un dalscheest, un ümmer hebben de Swienägels seggt: „Ick bün all dor!" Un as he dat achtzigste Mal langloopen ded, donn is em de Lung' platzt. Donn köm em dat Blaut ut 'n Muul, un donn is he dot henfollen. Un so het de Swienägel sien Wett gewunnen. He nehm sien Buddel Schluck un sienen Büüdel vull Geld un güng mit siene Fruu fein nah Huus, un fse 1 hebben Kaffee drunken un Kauken äten. 7

Der Wolf und die sieben kleinen Zicken Dat wir mal eins ein Zäg', un dee hadd soeben Kinners. Soeben lütt Zägen hadd se. Un dee hadden jo ok den ganzen Dag Hunger. Un donn seggt se eins to de lütten Zicken: „So, juug' Mudder, dee möt nu ierst mal wedder to Wald un nah de Wisch gahn un möt juuch wat to fräten

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halen. Nu wäst ok in disse Tiet schön oordig! Makt kein dumm Tüüg, un makt keinen de Dör up! Denn hier löppt ümmer so 'n oll Wulf rüm, un dee frett giern lütt Zägen, un dat kann juuch leeg' bekamen." „Nee", seggen se all, „Mudding, Mudding, du kannst ruhig weggahn. Wi maken för keinen de Dör up. Nee, dat daun wi ok nich." „Bloß wenn ick nah Huus kam, mi kennt ji jo an de Stimm, denn makt up! So, un nu adschüs, un denn makt de Dör schön tau!" Na, 't duert gor nich lang', donn hadd de Wulf woll seihn, wie de oll Zäg' weggahn ded, un donn dacht he: „Nu is 't Tiet. Hunger heff ick ok. Nu will ick doch mal seihn, ob ick mi dat Liew nich 'n bäten vullschlagen kann." Na, un de rWulf 1 löppt jo ok hen un kloppt an de Dör un seggt: „Makt up, makt up! Ick bün dat, juug' Mudder. Ick bring juuch wat Schöns mit." „Nee", seggen de lütten Zägen, „nee, nee, nee, dat is jo uns' Mudding nich. Nee", seggen se, „du büst uns' Mudding nich. Uns' Mudding, dee het 'ne feine Stimm, un du hest jo so 'ne grawe Stimm. Du snackst jo so luut . . ." „So", denkt de Wulf, „dit willst ännern." Donn geiht he nah 'n Koopmann un köfft sick Kried' un ett dee up. He meint, wenn he de Kried' äten ded', denn würd sien Stimm ok so weik un so witt as de Kried'. Un würklich, he kreeg' ok 'ne feine, piepsige Stimm. Nu is he wedder hen un seggt: „Makt mi up, ick bün juug' Mudding! Ick bring juuch wat Schöns mit." „Nee, du büst doch woll nich uns' Mudding", segg'en de lütten Zägen. „Wies' mal ierst dien P o t ! " Un donn wir sien Pot jo ganz schwartbruun. „Nee", säden se, „uns' Mudding, dee het 'ne witt Pot. Du büst nich uns' Mudding." Donn löp de rWulf 1 wedder weg. rDor 1 denkt he oewer nah, wo he sien Pot woll witt maken kann. Un donn löppt he nah 'n Bäcker, un dor steckt he sien Pot in 'n Deig'. Un donn löppt he nah 'n Koopmann un steckt sien Pot in 'n Mählsack. Un donn würd se jo ok ganz witt. Un donn löppt de r W u l f wedder hen, kloppt an un seggt: „Makt mi up, ick bün juug' Mudding!" Donn säden de lütten Zicken: „Ja, hest du ok so 'n witt Pot as uns' Mudding? Wies' mal her!" Un donn wiest he ehr dat an 'n Finster. Un würklich, de Pot wir ganz witt. Un donn denken se: „Denn is uns' Mudding nu all wedder trüch." — Un donn möken s' de Dör up. Un donn kümmt de Wulf dor rin, de grote Wulf, un fangt an, sick de lütten Zicken to griepen. De ein, dee versteckt sick in 't Bett un de anner unner 't Bett un de ein in 't Koekenschapp. Un de ein, dee wir denn noch unner dat Waschfatt krapen. Un ein wir unner de Wann krapen. Un de letzt, de Allerlüttst, dee wir ganz schlau: Dee kröp in 'n Uhrenkasten Tun1 klappt dat achter sick tau.

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Un donn güng dat Gepulter in de Stuw' los. De Wulf, dee grep sick ein von de lütten Zicken nah de anner un fret se up, bet he ganz satt wir. Un dat Lütt in den Uhrenkasten, dat het he nich funnen. Un donn güng he ruut un läd' sick buuten hen un schlöp in. Un schnorkte un schnorkte! Mitdewiel kümmt denn de oll Zäg' wedder nah Huus un süht nu de Bescherung: Ojemine, alls wir dörchenanner katert. De Stäuhl wiren ümstött't, un de Disch, dee wir ümstött't, un dat Bett wir utenanner aast. O wo sehg' dat in ehre schöne Stuw' ut! Un se röp de Kinner, un keiner köm. Bet toletzt ut 'n Uhrenkasten 'ne Stimm köm: „Mudding, Mudding, mak up! Ick bün hier noch in 'n Uhrenkasten." Un donn mök se den up un seggt: „ N u segg mal bloß, wat is hier los wäst?" „Oh", seggt de r Lütt 1 , „wat is hier los wäst? Hier is de Wulf kamen." „Wat? De Wulf? Un ick heff juuch doch seggt, ji scelt nich apenmaken!" „Ja, he hadd ok 'ne ganz fiene Stimm. Un denn wieste he uns sien witt Pot. Un donn dachten wi, du wierst dat. Un donn hebben wi upmakt, un donn is he rinkamen. All mien Bräuder het he upfräten." O nee, o nee, wat jammert de oll Z ä g ' : „Mien leiwen Kinner het all de böse Wulf upfräten. Wat daun wi nu bloß? Wo is he denn nu? — Ach", seggt se, „dor liggt he jo, dor buuten dicht bie de Pump. Dor liggt he bie 'n Soot. Dor liggt he jo." Un dor güng se ruut un keek sick den Wulf an. Un dor süht se, dat sick in den Liew von den Wulf wat rögen deit. Dor fött se dat so ganz behutsam an. Un donn markt se, dat de lütten Zägen, dee he dor upfräten hadd, dat dee noch läben deden. Donn seggt se: „ N u loop mal fix rin, Heining, un hal mi 'ne grote Schir! Un denn bringst mi ok Nadel un Faden mit, cewer orndlich 'n schönen Twiern! Un denn sallst mal seihn. Denn schnieden wi den Wulf den Buuk up. Ganz liesing möten wi cewer sien." Na, he köm jo ok mit de Schir an, un se füng an uptoschnieden. Un ein lütt Zäg' nah de anner kümmt wedder ruuttohüppen. Dee wiren all noch lebendig. Dee hadd he in sienen groten Hunger so heil un deil cewerschlaken. „ S o " , seggt de r Zäg 1 , „nu löppt jeder von juuch hen un haalt einen Stein. Un för jeden pack ick em nu einen Stein in 'n Buuk. Un denn neihden wi dat wedder tau." Dee stünnen dor all üm rüm un keeken to. Un de Wulf, dee schnorkte un schnorkte noch ümmer, Dee würd dat gor nich gewohr. Un as se denn fardig neiht hadd, donn löpen s' all weg un keeken ut 't Finster, wat nu woll los würd. Un donn wök so bielütten de Wulf up un hadd einen fürchterlichen Döst. He meint, he hadd jo nu so väl Zägen upfräten, nu wir he so döstig. Un donn steiht he ok up. 5

Neumann, Märchenfrau

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„Herrje", denkt he, „wat is dat schwor in dienen Buuk! Du kannst jo woll gor nich von de Stell kamen. Dat rumpelt un pumpelt in mienen Buuk rüm. Mein Gott, wat is dat bloß? Dat is jo, as wenn dat gor kein lütt Zägen sünd. Dat schient jo bienah, as wenn ick dor Stein in heff. Na, ick will man ierst eins drinken. Denn ward mi woll anners warden." Un donn güng he hen nah 'n Soot un wull suupen. Un de Stein, dee wiren so schwer. Dee wiren all nah vorn sackt in sienen Buuk. Un donn schöt de Wulf koppheister in den Soot rin. Un donn wir he weg. Un de Zäg' un ehr lütten Zicken, dee stünnen an 't Finster un freuten sick. Un donn löpen s' all ruut un föten sick all bie de Hand an un danzten üm den Soot rüm un säden: „De Wulf is dot, de Wulf is dot un kümmt nu gor nich eins wedder. Un Mudding, leiw' Mudding, wi laten ok nich eins wedder 'n bösen Wulf in uns' Stuw' rin." 8

Die Bremer

Stadtmusikanten

Ein Buer, dee hadd 'n ollen Asel. Dee wir jo nu all sihr olt. Johrin, johrut, Johrenden hadd he nu all de Säck mit Kuurn nah de Mcehl dragen un mit Mähl un Schrot wedder trüch. Un in 'n Harwst hadd he de Kartüffelsäck von 'n Acker nah de Schüün dragen. Un nu wir he all so olt worden, un he künn nich mihr. He künn einfach nich mihr. He kreeg* soväl mit den Knüppel von den Buern, oewer he künn nich mihr. Donn seggt de Buer: „Ach wat, wi willen em man schlachten un in de Wurst maken. Dee verkööpen wi denn as Salami." Un dat hadd de Asel hürt. Un donn seggt he: „Nee, so geiht 't noch nich los. Ick lat mi nich schlachten." Un donn cewerleggt he sick dat: „Wat fängst du nu woll an? — Ach wat", seggt he, „loopen kannst jo noch. Un 'ne schöne Stimm heff ick ok noch. Ick gah nah Bremen. Un dor will ick mi denn bie de Stadtmuskanten vermeiden. Dat 's ganz richtig, dat will 'ck man daun." Un he mök sick ok up 'n W e g . As he so 'ne halw' Stund' unnerwägens is, donn liggt dor an 'n Weg so 'n ollen Jagdhund. Dee japste un japste un jachelte un hachelte mit sien Tung'. Dor seggt de Asel to em: „Na, Packan, wat schad't di hier ? Wat liggst du hier ?" „Ach", seggt de Hund, „kiek mal, ick bün Jagdhund. Un ick kann nich mihr so loopen up de Jagd as de annern Hund'n. Un nu seggt de Jäger, he kann mi nich mihr bruuken. Un nu will he mi mit 'n Knüppel dotschlahn. Un donn bün ick wegloopen." „Dat 's ok recht", seggt de Asel. „Dat lat di nich gefallen! Weißt wat? Kumm doch mit! Ick will nah Bremen un will Stadtmuskant warden. Un Stimm hest doch ok noch."

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„Ja", seggt de Hund, „waff—waff—waff—waff!" „Na", seggt de Asel, „denn man tau! Denn kumm man mit!" Na, un se güngen jo ok wieder. Un noch 'n End' bet tau, donn leg' dor an 'n Weg 'ne schwarte Katt, un dee maugte, un dee jaugte. •"Dor1 seggt de Asel: „Na, du Dackhas', wat hest du denn hier?" „Ach", seggt de Katt, „ick bün all olt, un nu kann ick kein Rotten mihr dotbieten un kein Müüs' mihr fangen. Un nu will de Fruu mi versööpen. De Sack mit 'n Stein, dee liggt all prat. Un as ick dat seihn heff, donn bün ick fix oewer 't Dack loopen un wegloopen. Un nu kann 'ck nich wieder. Nu weit ick nich, wat ick daun sali. Wecker gifft mi nu schöne säute Melk, un wecker gifft mi nu wat to fräten?" „Ach", seggt de Asel, „ick will di mal wat seggen. Kiek mal, wi beiden, Packan un ick, uns geiht dat ganz justement so as di. Von uns willen s' ok nicks mihr weiten. Wi hebben uns dat cewerleggt: W i gahn nahBremen. Dor gahn wi nah de Stadtmuskanten hen. Denn 'ne Stimm hest doch ok noch. Du kannst doch so schön maugen un jaukeln. Wenn 'n dat nachts hürt, dien Musik . . ." „Ja", seggt de Katt, „jau—jau—jau—jau", seggt se ümmer. „Na, denn kumm mal mit!" Na, se gahn jo noch 'n End' wieder. Un dor sitt up 'n Tuun von 'n Buernhoff, dor sitt 'n Hahn, 'n hübschen, bunten Hahn. Un dee kreiht un kreiht. •"Dor1 seggt de Asel: „Na, du Foßkopp, wat makst du hier? De kreihst jo, dat is jo gor nich uttohollen, disse Larm, den du hier makst!" „Ach", seggt de Hahn, „wat glööwt ji! Uns' Fruu, dee het Geburtsdag. Un nu heff ick ümmer kreiht, dat gaud' Wäder warden sali. Un wat is nu de Dank dorför? Nu het s' sickBesäuk inlad't, un nu will s' mi in 'n Kakpott bringen. DeKceksch, dee sali mi afschlachten. Dee sali mi den Kopp afhaugen: Mienen Kopp mit mienen hübschen roden Kamm! Wat bedüüd't dat? Wat bedüüd't dat?" seggt he. „Dat kann ick mi doch nich gefallen laten!" „Nee", seggt de Asel, „dat kannst di nich gefallen laten. Weißt du wat? Du kannst jo so schön singen. Wi drei. . . , uns geiht dat all ganz genauso as di. Kumm doch mit! Wi gahn nah Bremen, un dor willen wi Stadtmuskanten warden. Kreihen kannst du jo noch so schön." „Ja", seggt de Hahn, „dat dau ick." Un mit 'n groten Satz flüggt he v o n 'n Tuun un nah de Landstrat rup. Un dor bcedelten se all vier so los. (Ewer nah Bremen, dat wir noch 'n ganzen Weg. Dat wir noch sihr wiet. Un dat würd Nacht. Donn seggt de Asel: „Je, dat helpt nu all tosamen nich. Wi möten seihn, wo wi de Nacht hier einerwägens schlapen. W i gahn hier in 'n Wald rin." Dor güngen s' dor rin. Un dor stünd' dor 'ne hohge Bäuk. Un de Asel un de Hund, dee läden sick dor unner up dat Muusch to 'n Schlapen. Un de Katt 5»

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kladdert up 'n Boom. Un de Hahn kladdert ok up 'n Boom un flüggt haben bet in de allerboebelste Spitz. Un nu sitt he dor baben un kickt noch eins rundüm, pliert hier mit de Ogen un pliert dor mit de Ogen, un up einmal süht he dor ganz wiet weg so 'n lüttes Licht. Un donn kreiht he dor baben un röppt de annern t o : „Dor hinnen is Licht! Dor hinnen is Licht!" Donn meint de Hund: „Sali dor ok irgendswo 'n Gasthoff sien?" „ J a " , meint de Äsel, „dat künnten wi jo mal versäuken." Un de Hund denkt all an 'n schönen Knaken, den he vielleicht in de Gaststuw' kriggt. Un de Katt denkt all an 'n Schalken mit Melk. Un Äsel un Hahn denken all an Kuurn. Un ehr löppt all dat Water in de Mund tosamen. Un donn gahn se jo los un kamen ümmer bet nehger, un dat Licht ward ümmer grötter. Un endlich warden se gewohr, dat dat Licht ut ein Huus ruutkümmt. Donn meint de Äsel:„Ick will mal seihn, wat dor woll los is, ob dor woll wat för uns to maken is." Un he geiht ran — he wir jo de Gröttst — un kickt in dat Finster rin. „Ach du leiwer Gott! O h " , seggt he to de annern, „dor steiht so väl Saden un Braden up 'n Disch, un Brot un alls is dor! Mi knurrt all ollich de Mag'. CEwer dor sitten Rööwers an 'n Disch, un dee fräten dat all up." „ O h " , seggt de Hund, „willen wi uns dat gefallen laten?" „Nee", seggt de Äsel, „dat laten wi uns nich gefallen. Ick will juuch mal wat seggen: Dee gruugeln wi hier ruut. Ick stell mi hier mit de Vörbein up dat Finsterbrett. Un du, Packan, du kladderst up mienen Rüggen! Un du, Katt, du kladderst up Packan sienen Rüggen! Un de Hahn, dee sett't sick baben up de K a t t ! " — Un denn mit 'n Mal seggt he: „So, nu los mit Musik!" Un donn fangen se an to schrieden: „I—a" un „wauwau" un „miau", un de Hahn, dee röppt: „Kikeriki!" Alles ümmer ein dörch 't anner. Un mit eins, donn stött de Äsel dat Finster in, un mit 'n groten Marach towten se all in de Stuw' rin. Un ümmer in de Stuw' mit ehren Larm un ehr Getow rundüm, dat de Rööwers denken, dor kümmt 'ne grote Späuk rin. Dat wir ok grad' de Späukstund'. Un se möken, dat se wegkömen, un löpen ruut. Na, dor hadden jo de annern frie Bahn. Un nu künnten s' sick an 'n Disch setten un hebben sick ollich dat Liew vullschlahn. Un as se satt wiren un de Disch leddig wir, donn säden se: „So, nu sünd wi mäud'. Nu hebben wi 'n Dack oewer 'n Kopp. Nu kcenen wi jo ok schlapen." Un dor pusten se all de Lichter ut. Un de Äsel, dee söcht sick 'n Flach up de Messkuhl. Un de Hund, dee leggt sick up 'ne Matt achter de Huusdör. Un de Katt, dee springt up 'n Füerhierd; dor wir noch so 'n bäten gläuhnige warme Asch. Un de Hahn, na, wo sett't dee sick woll hen? W o hürt 'n Hahn hen? Up 'n Hahnenbalken. Na, un donn schlapen s' ok all schön in, un alls is ruhig un still.

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As dat de Rööwers gewohr würden, dat sick dor nicks mihr rögen ded, seggt de ein: „Je, los is dor nu nicks mihr, un de Späukstund' is nu vörbie. Wat wi woll nich noch mal eins hengahn un seihn, ob wi dor nich wedder rinkamen? Du, du lang' Labahn, du kannst mal hengahn! Du kannst cewerall rümkieken, du büst j o d e Schlaueste von uns allen. D u s ü h s t d i d o r m a l n a h ü m ! " Na, un dee geiht jo ok los. Un as he in dat Huus rinkümmt, is alls ganz still. Dee denkt j o : „Dat is so düster hier." — rDe 1 Maand schient ok nich, Tis1 ganz balkendüster. „Ach", seggt he, „dor is noch 'ne gläuhnig Kahl up 'n Hierd. Dor will ick mi man mien Schwäwelsticken an anratschen." Un he nimmt 'n Schwäwelsticken un holt em an dat, wat he för 'ne gläuhnig Kahl holt. (Ewer dat sünd jo de Katt ehr glummerigen Ogen. Un de Katt versteiht den Spaß nich un springt em in 't Gesicht un kratzt em dat Gesicht ganz un gor kaputt un faucht un kratzt. Dor verfihrt he sick jo un will wegloopen. Un dor will he ut de Achterdör ruut. Un dor liggt jo de Hund, un dee springt up un bitt em in de Waden, cewer ollich so richtig rin. Nu löppt he wieder un kümmt an de Messkuhl vörbie. Un dor steiht de Asel all prat un gifft em mit sien Achterbein ganz gehürig einen oewer 'n Kopp. Un de Hahn, dee cewer all dissen Larm upwaken ded, dee schriet up sienen Balken: „Wat bedüüd't dit? Kikeriki!" Un ümmer duller schriet he. Donn kümmt de lang' Labahn wedder nah de Rööwers hen un seggt: „O Gott, wo is mi dat dor gahn!" „Na, verteil mal!" „Dat will ick juuch man seggen: As ick dor rinköm un ick köm nah den Hierd, dor set dor 'ne olle Hex, undee is mi in 't Gesicht Sprüngen. Kiekt, rdee1 het mi dat ganze Gesicht kaputt kratzt! Un donn wull ick wegloopen, un donn is dor so'n Kierl mit 'n grot Schlachtermetz, un dee het mi in de Waden stäken. Un as ick bie de Messkuhl vörbiegüng, dor stünd' dor 'n Kierl mit 'n groten Knüppel, dee het mi cewer 'n Kopp haugt. Un donn, as ick noch wiedergahn ded, donn röp dor ümmer einer: ,Holt't den Deiw! Holt't den Deiw! Holt't den Deiw!' Donn bün ick oewer wegloopen!" Un donn sünd de Rööwers nich eins wedder hengahn. (Ewer uns' schönen Bremer Stadtmuskanten, dee sünd noch lang' in dat Huus bläben. Denn nah Bremen, dor künnten s' jo ümmer noch hengahn. Dat wir jo ok noch wiet weg.

9 Bohne, Strohhalm und Koble In ein Dorp, dor wahnte 'ne olle Fruu. Se wir bannig arm, un se hadd nich väl in de Supp to bröckeln. Un einen Dag, dor möhlt se so in ehr Schapp rüm, un donn find't s' dor noch 'ne schöne Speckschwor.

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„Täuw", denkt se, „dor künnst di noch'ne schöne Supp von kaken." Orndlich so 'n Jieper hadd se up mangkakt Äten. Donn güng se in 'n Goorden un haalt sick Wörtel un Sellerie rin, un ""denn1 hadd s' in 'n Pott noch 'n poor Palbohnen stahn. Un donn makt se Füer up 'n Hierd. Se hadd noch so 'n groten Hierd, as dat früher in 'n Katen gew. Dor würd baben up kakt. Dor sett't se 'n Dreifaut up un den Pott baben up. Un denn leggt s' Holt unnerunschürrtWaterininden Pott un den Sellerie un de Wörtel un de Bohnen rin mitsamt de Speckschwor. Un denn will s' Füer anstecken, un dat brennt nich. „Wat", denkt se, „ick hal mi 'n Bund Stroh." - rSe1 haalt sick 'n Bund Stroh un steckt dat an un ""leggt1 dat unner, un donn füng 't ok an to brennen. (Ewer as se de Bohnen in den Pott schürrt hadd, dor wir ehr ein vörbiefollen. Un dee hüppte gliek von 'n Füerhierd up 'n Fautbodden. Un as se denn dat Füer so ollich in Gang schüern un pusten ded, donn föll ok noch 'ne lütt Kahl run, dicht bie de Bohn hen. Un nich wiet von ehr af, dor leg' ok noch 'n Strohhalm. Donn seggt de Strohhalm: „Wie kamt ji hierher?" „Ach", seggt de Bohn, „mi wull de oll Fruu in 'n Pott schürren. Un wenn s* mi dor rinschürrt hadd', denn wir ick nu all to Graus un Maus kakt as all mien Schwestern." „Un ick", seggt de Kahl, „ick bün jo ok noch to rechte Tiet von 'n Hierd hüppt. Süss wir ick naher to Asch worden, un keiner hadd' mihr wat von mi wüßt." „Na", seggt de Strohhalm, „denn geiht juuch dat jo ok nich väl anners as mi. Ick bün ehr ut dat Bund Stroh noch ruutritscht. Süss wir ick nu all ut 'n Schosstein ruutflagen mit mien ganze Fomilie. — CEwer paßt mal up! Wi willen uns hier man nich lang' uphollen. De oll Madamm, dee künn noch up de Chaussee kamen, dat se uns mit Handul un Upnähmer tosamenfägt un uns doch noch in 't Füer Schmitt." „Ja", seggt de Bohn, „dor hest recht." „Na", seggt de Kahl, „denn willen wi nu man losgahn un maken, dat wi wegkamen!" Na, un so torrickten se denn ok los. Dat güng nich allto fix. Denn de Bohn, dee wir so 'n bäten wat dicklich, un dee müßt sick jo alle Ogenblick eins verpusten un verhalen. (Ewer se kömen denn ok wiedergebcedelt. Donn kömen se cewer mit eins an 'ne Bäk. So, dor künnten s* jo nu nich rcewerkamen. „Wat maken wi nu?" „Ach", seggt de Strohhalm, „ick bün jo lang un schlank. Weit't ji wat? Ick legg mi dor roewer, un denn kcent ji up mi roewergahn, un denn kcenen wi wiedergahn." „Ja, ja, ja, dat mak mal!" 70

Un donn makt de rStrohhalm1 sick ganz lang un lett sick up de anner Siet wedder runnerfallen. Un de Kahl, dee is jo wat iewrig un füürig un het dat bannig hild, dee löppt toierst rup. (Ewer as se midden up den Strohhalm is, donn ward se mit 'n Mal gewohr, dat dat Water unner ehr so bullert un flütt. Un donn kriggt se 'n Schreck un blifft stahn. Un weil se noch so gläuhnig wir, füng de Strohhalm an to glcesen, un mit einmal brök he dörch, un de Kahl föll rin. Dat zischte 'n poormal, un donn leg' se dor unnen schwärt un dodig. Un de Strohhalm, dee wir midden dörch. Un de Bohn, dee dit seihn hadd, dee köm dat all so fürchterlich schnurrig vor. Dee füng an to lachen. Un se lacht, un se lacht, se künn sick gor nich hollen. Ummer wedder füng s' an to lachen, bet se toletzt platzen ded vor luuter Lachen. Ach du leiwer Gott, nu wir 't jo woll mit ehr ok ut! (Ewer se hadd noch Glück. Nich wiet dorvon af, dor set 'n Schniedergesell. Dee hadd sick den ganzen Hopphei mit anseihn. Un as he nu de arme Bohn dor so liggen sehg', dor ded em dat leid. Dor nehm he sick fix Nadel un Twiern un löp hen un neihte de Bohn wedder tau. CEwer as he den Schaden besehg', donn hadd he schwarten Twiern nahmen. Dat künn he jo nu nich mihr ännern. Un sörre dee Tiet hebben alle Bohnen 'ne schwarte Naht up ehren Buuk. Hefft ji dat all eins seihn, wenn juug' Mudding Bohnen paalt het, dat all de Bohnen 'ne schwarte Naht hebben? Hefft ji 't nich seihn? Na, denn will ick juuch man seggen: Wenn s' nu eins wedder Bohnen paalt, denn helpt ehr mal flietig! 10

Der Wundertopf In ein lütt Stadt, dor wir 'ne arme Fruu, dee hadd nich väl to äten: Se neihte so 'n bäten för Geld. Un donn schickt se eins ehr lütt Diern in 'n Wald, se sali dor 'n poor Pilze sammeln un 'n bäten Holt to 'n Füerhierd. Donn begegnet ehr 'ne oll Fruu in 'n Wald un seggt: „Wat willst du denn hier?" „Ja, ick will Holt sammeln, dat wi Füer anmaken kcenen. Wi sünd so arm. Mien Mudding weit ümmer gor nich, wat se kaken sali un wat wi äten willen. Wi kcenen nicks kööpen." „Na", seggt de oll Fruu, „denn will ick di mal helpen! Kiek mal, hier heff ick 'n schönen Pott! Un mit den Pott geihst ""du1 nu nah Huus! Un wenn ji hungrig sünd, denn sett't ji den Pott up 'n Hierd, un denn seggt ji to den Pott: ,Kak, Pott!' Un denn sallst mal seihn, denn kakt dor in den Pott de Brie von de Hirs', ümmer düller, ümmer mihr, ümmer mihr, bet ji seggt: 'Hollup, Pott!'" 71

Un dat ward r nu 1 jo ok makt. Un se freuen sick to den schönen Pott, dat se ümmer wat to äten hebben. Un einen gauden Dag, dor ward de lütt Diern von de Mudder in de Stadt schickt. Se ward nah 'n Koopmann schickt, rwiet"! cewer 'n Dörpen schickt, se sali woll wat inkööpen. Un dat duert so lang' un duert so lang', un de Mudder, dee is hungrig un denkt: „Ach wat, ick fang' all an", haalt sick den Pott un seggt: „Nu kak, Pott!" Un de Pott, dee fangt jo ok an to kaken. Un de Mudder, dee weit nich, wat sali se nu maken: 't ward ümmer mihr in den Pott, un he ward ümmer grötter un kakt ümmer düller oewer un kakt ümmer düller oewer. Un dat ganze Huus is all vullkakt, un dat Huus bie den Nahwer is all vullkakt, un nah de Strat kakt dat hen: CEwerall kakt de Brie hen. Un de Mudder weit nich, wo se dat maken sali. Se is so verstürt, dat se dat Wuurt nich find't, bet endlich un toletzt de lütt Diern wedder nah Huus kümmt un seggt: „Ach, Mudding, segg doch: ,Holl up, Pott!'" — Un donn höll de Pott up to kaken. Un wecker nu in dat Dorp rinmüßt, dee müßt sick ierst dörch den ganzen Brie dörchäten, süss köm he nich in sien eigen Huus rin. 11

Rotkäppchen In ein ganz lütt Stadt — dee leg' dicht an 'n Wald —, dor wahnte ein Fruu. Un dee hadd 'ne lütte Diern, dee sehg' so nüdlich ut, dat all deLüüd' ehr giern lieden müchten. Un se wir ümmer so nett un so fründlich un säd' all Lüüd' so fründlich „Goden Dag". Un Mudding mök ehr ok all ehr Kleeder allein un neihte alls schön fardig. Un eins Dags, donn wull se ehr mal ganz nüdlich antrecken. Un donn neihte se ehr 'n lütten roden Rock un 'ne witte Blus', un denn kreeg' s' 'ne lütt witt Schört bie üm, un dorto neihte se ehr denn ok noch 'ne lütte rode Kapp. Un as de rDiern 1 dormit nah de Strat köm, donn säden all de Lüüd': „Kiek, dor löppt uns' lütt Rotkäppchen!" — Un von dee Tiet an hadd se ümmer den Namen „Rotkäppchen". Einen gauden Dag, donn seggt de Mudder to Rotkäppchen: „Kumm mal her, mien lütt Diern! Kiek mal, mi hebben s' verteilt, uns' Großmudding, dee dor hinnen in 'n Wald bie de Gruupenmcehl wahnt, dee is krank. Dee üggt in 'tBett, un dee kann sick nicks kaken. Wat meinst woll? Ick heff nu Kauken backt un heff hier 'ne Buddel Wien. Dat pack ick di schön in 'n Korw, un denn geihst du dormit hen un bringst Großmudding dat hen!" „O ja", seggt se, „dat will 'ck giern daun." 72

Un as se weggüng, donn röppt ehr Mudder ehr noch eins wedder trüch: „Du, hür mal, Rotkäppchen! Dat will 'ck di cewer seggen: Gah mi nich von den rechten Weg af! Dor in 'n Wald, dor gifft dat Schlangen. Un denn kann de böse Wulf kamen un kann di wat daun. Denn dat möößt mi verspräken: Gah nich von 'n rechten Weg af 1" „Nee", seggt Rotkäppchen, „dat will 'ck woll r nich daun 1 . Nee, nee, ick will ümmer grad'ut gahn!" Na, un se geiht jo ok los un singt sick einen. Se singt „Hänschen klein, geht allein . . ." Un wat se süss noch all an Kinnerlieder so weit, dat singt se sick all so vor sick hen. As se 'n End' unnerwägens is, dor kümmt dor von wieden her wat angeloopen. Ierst denkt s': „Dor kümmt jo woll 'n Hund." CEwer nee, he würd jo ümmer grötter: O dat wir jo de W u l f ! O dat wir jo de böse W u l f ! Nee, verfihrte se sick! Un as de Wulf denn ran wir, dor wull se schrieden. Un donn seggt de Wulf to ehr: „Wat hest du? Nu wäs doch man nich bang'! Ick dau di nicks. Wo kann ick di woll wat daun? Wo willst du denn nu hentau?" „Ach", seggt se, „ick will nah mien Großmudding hen. Dee is krank. Dee wahnt dor hinnen bie de Mcehl, un dee will 'ck Kauken un Wien henbringen, dat se wedder bäter ward." „Oh, dat is cewer schön von di", seggt de Wulf, „wenn du dat deist. (Ewer wenn einer hengeiht un will einen besäuken, dee krank is, dor nimmt man denn doch 'n poor Blaumen mit. Het dien Mudding di gor kein Blaumen mitgäben?" „Nee, dor het s' woll gor nich an dacht." „Ja, kiek mal, wat hier all för schöne Blaumen stahn! Kiek, hier an 'n Rand, dor stahn ok noch Kuurnblaumen twischen, un denn stahn noch ganz anner Blaumen! Dor plück ehr man 'n schönen groten Blaumenstruutz v o n ! Denn sallst mal seihn, denn freut s' sick noch eins so dull." „Ja", seggt se, „dat kann ick jo denn ok noch mal daun." — Un donn geiht se hen un plückt hier 'ne Blaum af un plückt dor 'ne Blaum af, bet se toletzt 'n schönen Struutz het. Nu is se cewer 'n ganz End' von 'n Weg af. Donn müßt se jo wedder trüch, dat se den Weg finnen ded. Un in dee Tiet wir de Wulf jo nu wegloopen un hadd dacht: „De Großmudder, dee liggt in 't Bett un is krank. Denn kann se sick jo nich to Wehr setten. Nu gah ick hen, un dee frät ick up. Ick bün all lang' so hungrig up Minschenfleisch. Dee frät ick nu up." — Un donn löppt he in 'n Gang'n hen. Un Großmudder, dee hürt jo ok, dat sick dor wat rögen deit, un seggt: „Wecker kümmt dor denn? Dor is doch einer kamen. Rotkäppchen, büst du kamen?" (Ewer keiner antwuurt't ehr. Bloß de Wulf, dee geiht nah dat Bett ran, süht, wo se dor liggt, ritt ehr de Nachtmütz af un ritt ehr de Nachtjack af, un donn frett he ehr up. Ganz heil un deil frett he ehr up. 73

Un donn sett't he sick de Nachtmütz up un treckt sick de Nachtjack an un leggt sick in dat Bett un denkt: „Wenn Rotkäppchen nu kümmt, denn denkt se, ick bün ehr Großmudder." — Un he täuwt jo ok noch 'n Ogenblick. Un 't duert nich lang', dor kümmt dor wat antoloopen. „Großmudding, Großmudding, ick bün dat", röppt se. „Ick bring' di wat Schöns mit! 'n schönen Kauken het Mudding backt, un 'ne Buddel Wien heff ick di mitbröcht. Un hier sünd ok nochBlaumen." — U n n u g e i h t s e a n d a t B e t t r a n , weil sick dor keiner rögen deit. Un donn verfihrt se sick un seggt: „Dat 's doch in 'n Läben nich mien Großmudding, dee dor liggt!" Un donn seggt se: „O Großmudding, wat hest du för grote Ogen?" Dor seggt de Wulf: „Dat ick di bäter seihen kann!" „Großmudding, wat hest du för grote Uhren?" „Dat ick di bäter hüren kann!" „Un so 'ne grote Näs' hest du, Großmudding." „Dat ick di bäter rüken kann!" „O Großmudding, un wat hest du bloß för narrsche Händ'n?" „Dat ick di bäter packen kann!" „Oh, un so 'n grot Muul hest du, Großmudding. Oh, so 'n grot Muul hest d u ! " „Dat ick di bäter fräten kann!" seggt he. — Un donn happt he Rotkäppchen ok ganz un gor oewer. Un dee is weg, un he het s' ok upfräten. So, nu wir he satt. Donn leggt he sick denn in 't Bett ollich bequem hen un fangt an to schlapen. Un he schnorkt! O wat glööwt ji, wat so 'n Wulf schnorken kann! Donn kümmt de Jäger ut sien Huus un denkt: „Sallst doch mal seihn, wat los is, ob du nich 'n Hasen scheiten kannst. Den kannst du Großmudding jo henbringen. Dee freut sick ok, wenn s' mal 'n Hasenbraden het." — Un rhe 1 will denn nu to Wald gahn un geiht an Großmudder ehr Huus vörbie. Un donn hürt he, wo dat dor schnorkt dor in. „Mein Gott", denkt he, „kann 'ne oll Fruu so schnorken? Dat is jo woll gor nich mceglich. Sali dat doch mit ehr to End' gahn? Geihst doch mal rin." Un he geiht rin r u n ! geiht an dat Bett ran. Un dor süht he den Wulf dorin liggen. „Täuw", seggt he, „nu heff ick di. Hest mi all soväl Reh un soväl Hasen upfräten. Nu heff ick di. Dit sali cewer dien End' sien!" — Un donn nimmt he sien Gewehr von de Schuller un will den Wulf dotscheiten. (Ewer donn süht he, dat sick de Wulf so komisch fansüht 1 , dat sick dat in sienen Buuk so rögen deit. ""Dor1 denkt he: „Wo kümmt de Wulf hier in dat Bett rin? Dee het doch gewiß de Großmudder upfräten. Un nu leggt he sick in dat Bett. Nee, denn kann ick em jo nich dotscheiten. Denn scheit ick jo de Großmudder mit dot. Dat geiht nich. Ja, wat dau ick?" fDonn 1 haalt he sick sien grot Jagdmetz an de Siet weg un fangt an, den Wulf den Liew uptoschnieden. Un he fangt an to schnieden. Un wat glööwt ji, 74

wat he sick verfihrt het, as dor mit einmal 'ne rode Kapp ruutkümmt? „Wat?" seggt he, schnitt noch 'n bäten wieder, Tun1 dor kümmt Rotkäppchen dor ruut. Dor seggt he: „Wo kümmst du hierher, lütt Diern? Wo kümmst du in den Wulf sienen Buuk rin?" Un donn verteilt se em dat all, wat se nu beläwt hadd: Dat se Großmudding hadd' Kauken un Wien bringen wullt. Un dat de Wulf ehr noch seggt hadd', se süll Blaumen plücken. Un nu hadd' se denn noch r 'n poor Blaumen plückt 1 . Un rin 1 dee Tiet wir denn de Wulf hierher loopen un hadd' Großmudding upfräten. Un as se donn kamen wir, donn hadd' se ierst dacht, dat wir Großmudding. Un donn hadd' he ehr ok upfräten. „Na", seggt de Jäger, „denn is de Großmudder dor jo ok noch in." — Un schnitt wieder. Un donn kümmt Großmudder dor ok noch ruuttokrabbeln. '"Rotkäppchen 1 helpt ehr denn noch ruut ut 't Bett, un donn stahn s' denn all beid' dor un freuden sick, dat se heil un gesund sünd. „Ja", seggt de Jäger, „nu cewer fix tau, ihrer de Wulf upwakt! Rotkäppchen, gah mal hen un hal 'n poor Stein rin! Dee packen wi em in 'n Buuk. Un du, Großmudder, du haalst di mal Nadel un Twiernsfaden, un denn neihst du em den Buuk ganz un gor wedder tau! Un denn, denn möten wi em so fix as moeglich ruutschmieten. Du föttst an de Vörbein un ick an de Achterbein, un denn schmieten wi em nah buuten ruut!" Un dat deden se ok. Un as de Wulf buuten Jeg', donn würd em ganz komisch. He denkt: „Wo bün ick eigentlich?" Un donn wakt he richtig up, un donn süht he, wo he is. „Oh", denkt he, „nu will 'ck man los. Ick bün jo dicht bie 'n Huus von de Großmudder. Ick will bloß maken, dat ick wegkam." — Un rdonn 1 will he wegloopen. Un in den Ogenblick, dor nimmt de Jäger sien Gewehr un schütt em dot. So, de Wulf wir nu dot. Un donn säd' de Großmudder: „Gott sei Dank, dat wi dor noch gaut von afkamen sünd, dat de Jäger to rechte Tiet kamen is! — O nee, wat bün ick Se dankbor! — Un, Rotkäppchen, nu geiht mi dat ok all wedder ganz gaut. Weißt wat? Nu kak ick schön Kaffee, un du deckst de Tassen up 'n Disch, un denn äten wi den Kauken up! — Un", seggt se to den Jäger, „un Se, Se trecken nu mal de Buddel Wien up! Un denn drinken wi beid' noch 'n schön Glas Wien un stöten an, dat nu alls gaut worden is. — Un du kannst getrost wedder nah Huus gahn, Rotkäppchen, un dien Mudding seggen, dat ick wedder bäter bün!" Un donn löp Rotkäppchen noch wedder nah Huus un verteilte ehr Mudding alls, wat se dor beläwt hadd, un säd': „Mudding, mien leiw' Mudding, un dat verspräk ick di: Ick gah ok in 'n ganzen Läben nich wedder von 'n richtigen Weg a f ! "

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Die Kinder und der Storch Twei lütt Kinner, dee hebben Hans un Greten heiten, dee wiren fürchterlich unoordig wäst un hadden ehr Mudding ärgert. Un donn hadden se väl Schell krägen. Un von Vadding hadden se ok noch Schell krägen. Un nu müchten se gor nich mihr to Huus sien. Donn seggt Hans to Greten: „Weißt wat? W i gahn nu w e g ! Wi moegen gor nich mihr bie Vadding un Mudding sien. Wi gahn wedder nah 'n Adebor, dor is dat väl schöner." Na, se gahn jo ok hen nah de Schüün, wo dat Nest von den Adebor up is. Un donn raupen se: „Adebor, Adebor, hal uns wedder rup! Wi willen wedder bie di sien! Wi mcegen nich mihr bie Vadding un Mudding sien." „Ach, wat willt ji hier?" seggt de Adebor. „Ick kann juuch gor nich bruuken." „Doch, wi willen wedder bie di sien! Bie di is dat väl schöner." Na, donn haalt he ehr rup in sien Nest un sett't ehr dor rin. Un denn seggt he: „(Ewer dat gifft 't bie mi nich. Juug' Tüüg möt't ji uttrecken!" Undonn treckt he ehr jo dat Tüüg ut, un donn sitten se dor splinternakigt in sien Nest. Un annern Morgen, donn seggen se: „Wi sünd hungrig, un wi sünd döstig. Wi willen nu schöne Melk drinken un willen Kauken hebben!" „Ach wat", seggt de rAdebor 1 , „ick hal juuch wat to äten." Un donn flüggt de Adebor weg un haalt Poggen un haalt Rägenwörm, un dee leggt he ehr hen. „Nee, Poggen un Rägenwörm mcegen wi nich. Nee, wi willen Melk hebben, un 'n schön Botterbrot willen wi hebben!" „So wat gifft 't bie mi nich. Bie mi gifft 't bloß Poggen un Rägenwörm." Hach Gott noch mal, se wiren so hungrig! Un donn würd 't ok noch rägnen. rDor 1 köm 'n grot Rägenschuer. De Adebor holt jo de Flüchten 'n bäten cewer ehr. (Ewer se hebben so froren, un dat wir so kolt. Un donn hebben se weint, un denn sünd se inschlapen. Un donn dacht de Adebor: „Wat sallst mit dat lütt Volk anfangen? Dee kannst gor nich bruuken. Dee dräg' ick wedder nah Huus." — Un rdonn 1 nimmt he se beid', up jeden Flünken einen, un donn flüggt he nah dat Huus hen von Vadding un Mudding. Un dor Schmitt he s' baben in 'n Schosstein. Donn rummelt un ruppelt dat so, un donn seggt de Vadder: „Wat is denn hier los?" Un makt denn unnen den Aben up. Un dor kamen de beiden Kinner ruuttokruupen un seggen: „Wi willen gor nich wedder wegloopen! Wi willen ok ümmer ganz oordig sien! Bie juuch is dat doch väl schöner as bie den Adebor. Dor süllten wi Poggen un Rägenwörm äten, un dat moegen wi nich." 76

13 Hans und Greting An 'n Rand von einen Wald, dor wahnte 'n Mann un 'ne Fruu. Dee verdeinten sick ehr Geld dormit, dat se Holt hacken deden un dat Holt denn an anner Lüüd' verkööpen deden, dormit se wat to läben hadden. Un se hadden twei lütt Kinner, einen lütten Jung' un 'ne lütte Diern. Dee hebben Hans un Greten heiten. Un donn köm 'ne düüre, düüre Tiet. Dor wir woll Krieg wäst. Un dat Brot wir so düer un de Melk, un alls, wat se kööpen müßten, dat wir so düer. Un de Mann künn nich mihr so väl Geld an 't Huus bringen, as he bruuken ded, üm sien Familie satt to maken. Un einen Abend, as all mal wedder all wir un de beiden in 't Bett liggen deden, donn jammert de Fruu un seggt: „Mann, Mann, wo sali dat bloß Warden? Ick heff nicks mihr, alle Kruken un alls, Schottels r un 1 alls is leddig. Wat sallen wi bloß noch äten? Wo sallen wi de Kinner satt kriegen?" „Ach", seggt de Mann, „de armen Gören, dee duern mi jo so. Un ick kann un ick kann doch nich mihr arbeiten. De Lüüd' gäben mi jo nicks för dat Holt." Na, donn seggt de Fruu: „Ja, dat blifft uns je woll wieder gor nicks cewrig. Ick heff mi dat all cewerleggt: Morgen gahn wi to Wald, un denn nähmen wi de beiden mit, un denn laten wi ehr up so 'n Afruum allein. rWi 1 maken ehr 'n Füer an, un denn gäw ick ehr noch 'n Stück Brot, un denn gahn wi wiet weg. Un denn abends, denn gahn wi wedder nah Huus, un denn möten wi s' dorlaten, dat s' in 'n Wald blieben. Ick weit nich mihr, wo ick dat noch maken sali. Sailen wi denn all vier verhungern?" „Fruu, wat du dor seggst, dat 's jo ganz unmceglich", seggt he. „Wo kcenen wi de armen, armen Gören allein in 'n Wald laten? Dor kamen de wilden Schwien, un du weißt jo, dee gahn 'n Minschen an, un dee fräten ehr denn up." — Hach ja, dat wir tau un tau schwer. „Dat ward di nicks anners oewrigblieben", seggt de Fruu. „Wi möten dat so maken." CEwer näbenan in de Kamer, dor wiren Hans un Greting, un dee künnten ok nich schlapen. Dee wiren so hungrig. rSe1 hadden nich väl to äten krägen. Un dee hadden dit mit anhürt. „Oh", seggt de lütt Diern donn, „Hans, wo maken wi dat bloß? Nu sallen wi verhungern in 'n Wald. Un dor sallen de wilden Tiere uns upfräten." „Ach Greting", seggt he, „dor . . ., dor kannst ganz ruhig cewer sien. Dat kümmt noch ganz anners. Dor willen wi woll Vörpahl schlagen. Wi laten uns nich in 'n Wald ""bringen1. Wi blieben dor in 'n Wald nich allein. Wi finnen wedder nah Huus." 77

„Ja, wo willst du dat maken?" „Ach", seggt he, „ick ward woll Rat finnen." Un as denn alls inschlapen wir un de Maand schient so hell, donn kladdert he ruut ut sien Bett, treckt sick sien Jäcker an un geiht ruut ut de Huusdör •un1 ut de Hoffdör — dee wiren nich tauschlaten — un sammelt sick luuter lütte witte Stein. So 'ne lütten Kiesstein, dee sammelt he sick in de Tasch. Un as de Taschen vull sünd, donn geiht he wedder rin un seggt: „So, nu kannst ruhig schlapen. Kiek, dee heff ick sammelt. Un dee streu ick denn up 'n Weg, un denn finnen wi wedder nah Huus." — Un denn schlöpen se jo ok ruhig in. Un annern Morgen, dor weckt de Mudder ehr up un seggt: „Nu man upgewakt! Dat ward Tiet. Wi willen all to Wald gahn. Un ji sallt mit." Na, donn müßten se jo upstahn, kreegen jeder noch 'ne Tass Magermelk to drinken, un donn güng 't los. Un as se unnerwägens sünd, donn blifft de Hans alle Ogenblick mal so 'n bäten stahn, un denn kickt he ümmer so trüch nah dat Huus. He deit so. Un donn seggt de Vadder: „Jung', nu kumm doch! Wat kaapst ""du1 dor ümmerto rüm?" „Ach, Vadding", seggt he, „kiek mal! Dor baben up ' t D a c k , dor sitt uns' lütt Katt, un de Duuben, dee sitten dor ok, un dor freu ick mi t o . " „Ach wat. Lat de Katt un de Duuben dor man sitten un kumm man fix tau!" Un alle Ogenblick bleew fHans 1 denn eins wedder stahn. (Ewer he schmet denn ümmer 'n lütten Stein ruut un perrt em 'n bäten mit 'n Faut fast, dat he nich wegstött't warden künn, dat he abends den Weg wedderfinnen wull. Na, as se denn 'n End' in 'n Wald rin wiren, 'n ganz End' — cewer 'ne Stund' wiren s' loopen —, donn seggt de Mudder: „So, un hier bliewt ji nu, un wi gahn wiet weg. Dor hinnen, dor haugen wi Holt, wo de Bööm ümfallen sünd von den Sturm. Dor möten wi hen un möten dat Holt haugen. Un ji bliewt hier! Hier hefft ji noch 'n Kanten Brot. CEwer ät't dat ok nich ihrer up as Middag, süss ward't ji naher bet Abend wedder hungrig! — Un nu gaht man hen un haalt mal 'n bäten Holt, sammelt mal drög' Holt tosamen, un denn mak ick juuch 'n Füer an. Dat mcegt ji jo so giern. Un dor kcent ji denn üm rümliggen." Na, dee deden dat jo ok. Un as dat Füer denn knistern un knastern ded, dor güngen de beiden, Vadder un Mudder, weg. Un de Kinner bleeben allein un verteilten sick Geschichten un freuten sick cewer de Vcegel. Denn se wüßten jo nu, ehr künn nicks passieren: Se hadden de Stein utseit, un se fünnen wedder nah Huus. Na, dat würd Middag, dat würd Nahmiddag, dat würd Abend un wir all 'n bäten düster. „Nee", seggt r Hans n , „nu kamen s' ganz gewiß nich. Ick heff ümmer dacht, dat wir Spaß wäst. Nu kamen s' ganz gewiß nich mihr un halen uns hier af. 78

So, nu faten wi uns an, un denn gahn wi unsern Weg nah. Möößt ok ümmer uppassen, wo de witten Stein liggen!" Und so körnen se denn ok glücklich wedder to Huus an. Nu wir 't oewer all düster. Vadder un Mudder, dee wiren all toBett gahn. Se wiren ok mäud' wäst. Un Tnu1 kloppen r de Kinner 1 an de Dör, Un donn kümmt de Mudder un makt apen un seggt: „Wo kamt ji noch her? Wi hebben all dacht, ji wiert wegloopen oder hadd't juuch in 'n Wald verbiestert. Na, denn kamt nu man rin! Denn gaht nu man toBett! T o äten heff ick nicks mihr." Na, se güngen jo ok to Bett. Un annern Dag güng de Vadder hen un verhökerte dat Holt, un donn hadden s' wedder 'ne Tietlang 'n bäten to laben. (Ewer as dat wedder all wir, donn güng de Jammer wedder los, wat se mit de Kinner maken deden. Un donn seggt de Fruu: „Ditmal willen wi ok wedder mit fehr weg 1 , 'n ganz End' wieder in den Wald, un denn finnen se ganz gewiß nich wedder trüch." Na, Hans hadd dat jo ok wedder hürt un seggt r to Greting 1 : „Lat man, ick mak dat wedder as vörrig Mal. Ick sammel mi wedder Stein." (Ewer as he denn abends ruut will, Tganz1 liesing ruut will ut de Achterdör, donn is dee dor tauhakt. Dor kann he nich ruutkamen. Je, wat sali he nu maken? „Ach", seggt Greting, „nu weit ick Rat. Paß mal up! 'n lütten Kanten Brot kriegen wi jo. Du kriggst einen, un ick krieg' einen. Un denn schmietick ümmer von mienen Kanten de lütten Kraumen up 'n Weg, un denn finnen wi ok wedder trüch." „ J a , denn möößt du jo cewer hungern." „Ach nee, du giffst mi von dien de Hälft af, un denn hebben wi beid' wat to äten." Na, so güng dat denn den annern Morgen ok wedder los. Un Greting, dee plückt den Knust Brot in luuter lütt Kräumel un Schmitt dee ümmer so biewäg'lang up 'n Weg hen. Nu sünd se denn ganz ruhig un denken: „ N u finnen wi jook wedder nah Huus." Nu wiren se 'n ganz End' wieder weg von Huus. Un as dat denn nu Abend ward un de Öllern kamen nich, donn seggen se: „Dat helpt nich. Denn möten wi seihn, dat wi wedder nah Huus finnen." „Oh, dor liggen jo de Kraumen", seggt lütt Greting. (Ewer dor leg' kein einzigst Kraum mihr. De lütten Vcegel ut 'n Wald, dee hadden dat seihn. Un wat dee to fräten finnen, dat picken s' jo all up. So, nu seten de ""beiden1 dor. Un denn löpen se hierhen, un denn löpen se dorhen un meinten, dit is de Weg oder dat is de Weg nah Huus. (Ewer se kömen ümmer up dat olle Flach wedder an. Un toletzt weinten se beid'. Un 79

denn güngen s' 'n End' wieder in 'n Wald rin. Un donn hebben s' dor in 'n hollen Boom säten un hebben dor de Nacht cewer schlapen. Un as 'n annern Morgen de Sünn upgüng, dor wakten se up. Un denn güngen s' los un hebben sick Himbeeren sammelt un Ierdbeeren sammelt un Wörtel ut de Ierd ruutgrawt, bloß üm wat to äten to hebben. Un denn güngen s' jo ümmer wieder un meinten: „Dit möt woll de Weg sien, dat wi wedder nah Huus kamen." — (Ewer dat wir nich de W e g . Up einmal stünd' dor in den Wald ein Huus. So 'n Huus, so wat hadden s' noch nich seihn. Se möken grote Ogen. Denn wat glööwt ji woll, wat dat för 'n Huus wir? Dat wir 'n Kaukenhuus. An dat Huus, dor wiren luuter Kauken. Un Brot un Tweiback, dat wir rundrüm an dat Huus an. Un up dat Dack, dor wiren luuter Päperkauken an. Dat wiren de Dackstein. — A h ! Un dat Water löp ehr in 'n Mund tosamen. •"Dor1 seggt Greting: „Du, Hans, wenn wi uns dor so 'n bäten von afplükken deden, dat markt gewiß keiner. Oh, kumm, willen mal hengahn!" Un ganz liesing schlieken se sick denn ran an dat Huus. Un Hans kladdert up de Bänk un haalt sick 'n Päperkauken von 't Dack run, un Greting, dee plückt sick 'n Stück Kauken af von de Wand. Un donn hürten se, dat binnen ümmer einer wat raupen ded. „Du", seggt he, „dor is wän in. Hür mal!" „Nee", seggt se, „ick hür nicks." „Na, nu hür doch mal!" Un donn röp dor ümmer einer:

l J> J> 1 „Knus-per,

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knus-per,

knäus-chen,

j i i' i'l J J> 7 II Wer knus-pert mir

am

Häus-chen?"

O wat verfihrten se sick! Ehr bleew dat Happen in 'n Mund stecken. Un donn güng ok all de Dör up, un dor köm dor 'ne olle Fruu ruut, 'ne ganz olle Fruu. Dee güng ganz krumm. Un se hadd so 'ne ganz lange Näs' mit 'ne Wratt up. Un de Ogen, dee wiren ganz bläudig rot. Un dor hadd s' 'ne Brill up, up ein wir 'n Glas, un up de anner wir kein Glas mihr up. Un de Hoor, de griesen Hoor, dee hüngen ehr in 't Gesicht. Un 'ne schwärt Fladus' hadd s' up 'n Kopp. Un 'n Ümschlagdauk hadd s' üm. Un 'n Rock r hadd s' ani, dor wiren all soväl Flicken an, un dee schlöpt an de Ierd. O wat sehg' de oll Fruu ut! Un denn güng s' ok noch an 'n Krückstock. Un denn mök se

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'n fründlich Gesicht un seggt: „Wer sünd ji denn? J i hefft woll Hunger? Denn kamt malrin! Bie mi kcent ji schön wat to äten kriegen. Ick heff ganz wat Schöns." Dor keeken s' sick beid' so verdutzt an. Je, hungrig wiren se. Un donn güngen se mit de oll Fruu rin in dat Huus. Un dee seggt: „ N u sett't juuch doch man an 'n Disch! Ick heff 'n schönen Pott vull Äten." — Un donn füllt se ehr wat up up 'n Töller. Oh, dat wir so 'n schönes Äten: Arwten un Wörtel mit Fleisch in. Un dor hebben s' sick orndlich schön satt äten. „ S o " , seggt de oll Fruu donn, „un nu kcent ji ok schön schlapen. Wo hürt ji hen?" „ J e , wi . . . Vadding un Mudding sünd in 'n Wald gahn un hebben Holt makt. Un wi sünd dor up 'n Afruum dor hinnen bläben, un naher künnen wi den Weg nich wedder nah Huus finnen." „Na, denn kcent ji jo schön bie mi blieben", seggt se. „ J i sallt dat gaut hebben hier. Nu kamt man her! Nu kcent ji to Bett gahn!" Nu wiren dor twei schöne Betten, oh, mit 'n schönen witten Bettbetogg, un schöne Küssen wiren dorup. T o Huus hadden s' jo man bloß Decken hatt. Un dor kröpen s' denn nu rin. Un dor schlöpen s' ok gliek in, so mäud' wiren se. CEwer 'n annern Morgen, dor hadd dat schöne Läben 'n End*. Dor köm de oll Fruu — dat wir 'ne Hex —, dee köm an ehr Betten un kreeg' Hans bie 'n Arm to faten un seggt: „So, nu hefft ji lang' naug' schlapen. Nu kumm du man mit!" — Un donn nimmt s' em un spunnt em in 'n Stall in mit so 'ne hölterne Tralligendör dorvör un seggt: „Dor bliew man, bet du nu ollich fett büst. Du kriggst ümmer schön wat to äten." Un donn weckt se Greten up un seggt: „Un du kümmst her, un du möößt hier nu arbeiten! Nu gah man hen un hal mal Water, un denn sett 'n Pott Äten up! Un denn rührst dat ümmer gaut üm, un denn giffst dienen Brauder ümmer gaut to äten, dat he mi schön dick un fett ward!" — Un in 'n Stillen, dor seggt se so lies: „Dat ward 'n schönen Braden för mi! Ah, wat heff ick all för 'n Hunger up den J u n g ' ! " Un Greting, dee hürt dat nu. Un donn bringt se jo ok Hans wat to äten hen un seggt: „ D u , de Ollsch, dee will di upäten. Dee will di schlachten un will di upäten. Un du sallst nu schön fett warden." „Och, dor heff man kein Bang' vor", seggt he. „Ick ward all nich fett. Dee will 'ck woll anführen." Un jeden Dag, dor köm de oll Hex un seggt: „Steck mal dienen Finger ruut! Ick will mal seihn, ob du all 'n bäten ollich Fleisch ansett't hest." Un denn nehm he so 'n lütten Sticken, 'n ganz dünnen Sticken, un denn steckt he em ümmer ruut. — Kieken künn s' jo nich mihr orndlich. — Un denn befäuhlte se den un seggt: „Häh, ümmer noch kein Fleisch up." 6

Neumann. Märchenftau

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Mitdewiel würd ehr oewer de Tiet lang. Ehr jieperte dat richtig up Minschenfleisch. Wo kann 't so wat gäben? CEwer dat wir jo 'ne oll Hex. Un donn säd' de r011schi to Greten: „So, nu bäut man den groten Kätel an! Mak ollich Füer unner, un denn . . . Ick heff all den Backaben anbött't. Dor will ick Brot in backen. Un denn kumm mal mit un kiek dor mal rin, wat de Backaben all richtig heit is!" Un in den Backaben, dor hadd se soväl Holt rinstäken. Dat wir so 'n Backaben, dor würd dat Holt rinstäken un anbrennt, un denn würd 't wedder ruutrüümt. Denn wir de Backaben heit, un denn künnten s' dorin backen. CEwer nu wir jo noch all dat Holt in, un Greten süll dor rinkieken, wat dat nu woll all heit wir. Un dor seggt se: „Ja, dat will ick woll giern daun. Man wie sali ick dat bloß maken? Ick kann dor jo nich ankamen." „Ach wat", seggt de rHex1, „du kannst dor nich ankamen? Du kiek, du möößt dat so maken as ick! rDu1 stiggst hier up, un denn kannst mit 'n Kopp all rinkieken!" Un donn Steeg' de rHex1 dor up un keek mit 'n Kopp rin. Un up eins, donn het Greten ehr Bein in de Hand nahmen un het ehr 'n Schubs gäben un het ehr rinstukt in den Backaben. Un denn het s' de Dör achter ehr taumakt. Un defOllsch 1 het schriegt un jammert! O wat wir 't'neNot! Seis oewer nich wedder ruuterkamen. Se is ganz un gor verbrennt. Un donn löp r Greting 1 hen un mök den Buurken up, wo Hans in sitten ded, un seggt: „Du, de Hex is dot. Kumm ruut, kumm ruut! Nu kcenen wi uns ollich satt äten un denn, denn gahn wi wedder nah Huus." Dor güngen se ok rin in de Stuw' un eten noch up, wat to äten wir. Un donn kramten se dor so in rüm, un dor fünnen se dor Kastens mit Gold un Sülwer un mit Pardel un mit Eddelstein. Un dor stoppten se sick de Taschen von vull, un Greting sammelt noch 'n ganz Deil in ehr Schört un holt dee tosamen, dat s' nich ruutfallen. Un donn faten s' sick an de Hand un willen wedder nah Huus gahn. Un se wandern un wandern jo ok ümmer tapfer. To äten hadden s' sick jo nu noch wat mitnahmen. CEwer donn körnen s' mit einmal an 'ne breide Bäk. So. Se löpen hen, un se löpen her, ob dor nich einerwärts 'ne Brüch wir. Nee, kein Brüch, kein Weg, kein Steg un kein Kahn un gor nicks fwir 1 to finnen. „CEwer wo sallen wi dor man bloß rcewerkamen?" r seggt Greting 1 . „Kannst du schwemmen?" „Nee, schwemmen kann ick nich." „Ick ok nich. Wie sallen wi dor nu bloß rcewerkamen?" „Ach", seggt Hans, „kiek mal! Dor drceben, dor sitt so 'ne schöne witte Aant. Dee will ick mal raupen: 82

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Un de lütt Aant, dee an 't anner Äuwer sitt, dee kickt r u n d ü m , wecker ehr raupen künn. Un dor süht se de Kinner, un fix schwemmt se roewer. Se wir bannig nieglich, wat dat woll för Kinner wiren. Un as se donn ankümmt, donn seggt Hans to ehr: „Ach, du lütt Aant, wi koenen hier nich roewerkamen. Kannst du uns nich 'n bäten roewerdrägen?" D o n n nickköppt se mit 'n K o p p un seggt: „Waat-waat-waat-waat-waat, denn sett't juueh dor man rup!" Un dor seggt Hans: „Du, Greting, dee is jo man so lütt. D o r koenen wi doch nich beid' up sitten. Weißt wat? Ick lat mi ierst roewerdrägen un kiek mal to, wo dat geiht. Un wenn dat gaut geiht, denn haalt se di ok noch." Un so würd dat denn ok makt. Ierst drög' se Hans roewer cewer de Bäk, un naher haalt se de lütt Diern ok noch. — Un as se donn droeben wiren, d o n n föten s' sick wedder an de Hand an Tun1 geben de lütt Aant noch dat letzt Futter, dat se hadden von den Kauken. Un denn föten s' sick an, löpen noch 'n E n d ' , un dor sehgen se ok all ganz von fiern dat Huus, wo se in wahnen deden. D o r set de lütt Katt baben up, un dor flögen de Duuben r u n d ü m . Oh, wat wiren se vergnäugt un fröhlich! N u künnten se wedder nah Vadding un Mudding kamen. Un 't duert nich lang', d o n n stünnen se dor ok in de D ö r . Un de röllern 1 freuten sick, dat de Kinner wedder dor wiren. Un dee geben ehr nu all de Edelsteine un dat Gold un dePardel un verteilten ehr, wat se nu all beläwt hadden. Un de Vadder freute sick, dat he sien Kinner wedder dor hadd! CEwer de Mudder, dee freute sick jo ok. Denn se wir jo eigentlich de Steifmudder to de 6»

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Kinner, un dat hadd ehr nu ümmer so leid dan. De ganze Tiet wir se so to Kihr gahn, wenn se seihn hadd, dat ehr Mann so truurig wir un sick nah de Kinner sehnen ded. Un rse1 dachte ümmer: „Hadd' ick dat bloß nich dan!" Un nu hadd se s' all wedder. Un se wir froh, dat se nu all vergnäugt wedder tosamen wiren. Un weil se nu all dat Gold un dat Sülwer un de Eddelstein hadden, dee se verkööpen künnten, hadden se jo ok kein Sorgen mihr bet an ehr Läwsend'. 14 Schneeweißchen und Rosenrot

An einen Waldrand, dor läwte vor langen Tieden ein Wittfruu. Se hadd 'n lütt Huus, un se hadd twei lütte nüdliche Dierns. De ein, dee hadd helle Hoor un rode Backen, Tun1 de anner, dee hadd schwarte Hoor un ok rode Backen. Un de ein hadd ein blaages Kleed, de anner ein rodes. Unse würden „Schneeweißchen" un „Rosenrot" nennt. Un as de Vadder noch an 't Läben wir, plant'te he vor de Huusdör twei Rosenbööm, einen mit witte Rosen, einen mit rode: För jedes Kind einen. Un de Bööm drögen jedes Johr de schönsten Rosen. — Einen Dag wir nu in den Wald grote Jagd, un dorbie köm de Vadder üm 't Läben. Nu set de Wittfruu allein mit ehr beiden Kinner. (Ewer dee möken ehr leiw' Mudding so väl Freud', dat ok dee bald wedder Freud' un Lust to läben kreeg'. Wenn Mudding an de Neihmaschin set un schniederte oder wenn se bie de grote Wäsch wir, denn möken de beiden Kinner ehr de ganze Huusarbeit trecht. Se möken de Stuben rein, putzten de Finstern, möken den Afwasch in de Kcek, haalten Füerung prat, alles, wat to 'n Huuswesen tauhürt. Un dat blinkerte un blänkerte man so! Wenn se denn dormit fardig wiren, denn föten s' sick beid' bie de Händ'n un löpen in den Wald, spälten, plückten Blaumen för ehr Mudding, oder se hadden einen lütten Emmer bie sick un plückten Ierdbeeren, Himbeeren, Brummelbeeren. Dat bröchten se to 'n Vesperäten mit. Se kennten all de Tiere in 'n Wald. Dee hadden gor kein Bang' vor ehr, wenn s' ehr cewer den Weg löpen. Ja, se kömen dichting nah ehr ran. De Hasen haalten sick de schönen Kohlblätter ut ehr Schörten. Un de Reh un Hirschen, dee bröchten se in 'n Winterdag all de ganz lütten Appel, dee keiner äten wull, un de Kastandien, dee se in 'n Harwst sammelt hadden. Baben ehr in de Teigen von de Bäuken süng de lustige Baukfink sienen Vers. Ganz genau wir dat to verstahn. He röp ümmer: „Wo is, wo is denn miene Ann'marie?" Dat wir woll siene lütte Vagelbruut. Un de Katteikers löpen ehr vor de Bein un grapsten ehr ganz flink de lütten Hasselncet ut de Händ'n, dee se ok in den Wald plückt hadden.

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Oh, wat wir dat för 'n schönes Laben. Un abends verteilten se ehr Mudding alls, wat se beläwt hadden. Un so läwten se vergnäugt un sinnig in ehr lüttes Huuswesen. Mudding kreeg' jeden Morgen von Rosenrot einen Blaumenstruutz up den Kaffeedisch, un dor wir ümmer — in 'n Sommer — ein witte un ein rode Ros' in von de Stock, dee Vadding plant't hadd. Schneeweißchen putzte in de Kock rümmer. De koppern Kätel, dee up den Hierd stünd', wir so blinkerig blank, dat dat man so laten ded! Un denn körn de Winter ran. De Storm dreew den Schnei üm dat Huus. Denn pröddelte un surrte dat Füer in 'n Aben. De Bratappel röken so schön ut dat Rührlock. Mudding säd' to Schneeweißchen, se süll man de Huusdör tauschotten. Denn lad' Mudding de Knütt weg un ok de Brill un verteilte de Kinner all de schönen Geschichten, dee se noch in 'n Sinn hadd. Un se wieste ehr dat Spennen un Knütten. Un to ehren Fäuten läd' sick ein lüttes wittes Lamm dal. Un up de Kant von 't Ätenschapp schlöp baben 'ne witte Duuw'. Einen Abend nu, as se wedder so tutig tosamenseten, dor bumst dat ümmer an de Huusdör. Se horkten all drei up. Dor säd' Mudding: „Wän kann dat noch sien? Rosenrot, weißt wat? Ick mein man, du makst de Dör up un kickst, wecker dor is. Dor het sick woll in den Schnei wän verloopen un söcht nu Hüüsung för de Nacht." Rosenrot güng ok hen un mök dat Schott up. Se dacht, dor köm nu woll einen verklamten Mann. Up eins schriet se luuthals up: „Mudding, Mudding, dat is gor kein Minsch dor buuten!" Un wieldess schöw sick einen groten schwarten Bor mit sienen Kopp dörch de Dör. Mudding köm antoloopen, Schneeweißchen kröp achter ehren Rock, dat Lamm blarrte, un de Duuw' flog' ut Angst in de Stuw' rüm. (Ewer nee, oh, wat 'n Wunner! De Bor, de grote schwarte Bor, dee füng an to snacken. He säd': „Wäst man bloß nich bang'! Ick dau juuch nicks, wiß un wahrhaftig nich. Ick bün jo so dörch- un dörchfroren dor buuten. Ick dacht, ick künn mi bie juuch 'n bäten upwarmen an den warmen Aben." De Mudder verhaalte sick toierst von dat Verfihren, un so säd' se: „Wenn 't wieder nicks is, du armes Diert, denn kumm man rinner un legg di vor den Aben dal. (Ewer ok nich to dicht an 't Abenlock, dat du di dienen Pelz nich verbrennst!" Denn körnen ok Schneeweißchen un Rosenrot ran, as se sehgen, wo de Bor ganz gaut un fram wir. Se kömen dichting ran, sett'ten sick in de Huk hen un strakten em. De Bor säd': „Ach, ji lütten leiwen Diernings, ick heff noch soväl Schnei up mienen Puckel. Koent ji dat nich 'n bäten runnermaken?" Se haalten sick fixing 'ne Handul ut de Kcek un fägten all den Schnei raf. Ach, wat würd den Bor nu wählig bie den warmen Aben. 85

De lütten Dierns würden driester un tautruuglicher. Se füngen an to spälen mit em, wölterten em rundüm un ticktackten up dat Fell. Donn brummte he. He leet sick alls gefallen. Man wenn se dat gor to dull dreeben, denn säd' he: „Kinnings, Kinnings, lat't mi an 't Läben: Schneeweißchen und Rosenrot, Schlägst dir den Freier tot!" As dat denn nachtschlapen Tiet würd un de Kinner to Bett güngen, donn säd' de Mudder to den Bor: „Du kannst giern to Nacht hier liggen blieben." Se dacht, bie dat Wäder künn 'n jo keinen Hund nich ruuterjagen. As dat annern Morgen wedder Dag würd, donn möken de Kinner de Dör wedder apen, un uns' leiw' Bor drawte wedder af to Wald. (Ewer jeden Abend, den Gott warden leet, wir he wedder dor. Se möken de Dör gor nich ihrer tau. He läd' sick vor den Aben, de Kinner spähen mit em, un alls wir tohoop. Ok de lütte Duuw' un dat witte Lamm hadden sick an den schwarten Gast gewöhnt. As cewer de Sünn höhger köm un dat Fröhjohr köm un de Schnei wir updäut un dat würd wedder warm, dor hadd de Bor kein Ruh mihr. He säd' to de lütten Dierns: „Ach, dat wir woll schön bie juuch in den kollen Winter, un ick bedank mi ok välmal! Man nu is dat för mi Tiet, dat ick weg möt." „Oh", säd' Schneeweißchen, „wo möößt du denn hen?" „Je", säd' de Bor, „dat is so: Ick möt up miene Schätze uppassen. Dee nähmen de bösen Zwergen mi sünst weg. In 'n Winterdag, kiek, denn sitten se unner de Ierd un kcenen nich ruutkamen, weil alles hart froren is. (Ewer nu is dat so wiet. Nu grawweln se sick wedder ruut ut ehre Höhlen. Un alles, wat blinkert un blänkert un nich niet- un nagelfast is, dat klauen se. Un wat se ierst hebben, je, dor fläut nah. rDatT kriggst nie nich wedder to seihn. Dorüm möt ick gliek weg un adschüs ok!" As he ut de Dör güng, dor wull Rosenrot em noch mal 'n bäten tarren un mök de Dör bloß 'n lütt bäten apen, dat he sick drängeln müßt. Dor wir dor jo woll so 'n Tacken an dat Holt. Dee mök em 'n Ritz in 'n Pelz. Un wat sehg' Schneeweißchen? Nee, dat künn je woll nich wohr sien? (Ewer se meint, unner den Pelz hadd' wat blänkert as luuter Gold. (Ewer de Bor hadd dat hild un drawte af, so fix as he künn. Dor hebben s' lacht, so drullig sehg' dat ut. As de Sünn all den Schnei in 'n Wald updäut hadd, donn säd' de Mudder: „Weit't ji wat? Dat ward Tiet, dat ji uns wedder Holt un Dannenschap sammelt. De Holtstall is bald leddig." So löpen se beid' mit Korw un Sack los un sammelten Brennholt. Dor leg' dor oewer 'n Weg 'ne Bäuk. Dee wir afhaugt, un an den Stamm sehgen se ¡immer wat rümspaddeln. Se dachten: „Oh, is dat oewer 'n groten Heuhüpper! So 'n gifft 't je woll gor nich." 86

Un dat wir ok keinen. Nee, dat wir 'n richtigen läwigen Zwerg. Nee, wo dee utsehg'! 't Gesicht wir katergries, un 'n langen witten Boort hadd he. De lütte Kierl wir je woll all 'n poor hunnert Johr olt. Un dit Mallür! He set mit sienen langen Boort fast un künn nich trüch un r nich 1 vor. He hadd de Bäuk ümleggt. Donn wull he mit 'n Kiel den Stamm spletten. De Kiel wir afsprungen, un swapp! set de Boort dor, wo de Kiel sitten süll. Un de Ritz höll em fast. Dor kreeg' he de lütten Dierns to seihn. He füng an to futern: „Wat staht ji dor un kaapt? Dor kamt doch her un helpt mi, dat ick mienen Boort wedder loskrieg'!" Se besehgen sick den Schaden un wullten jo giern helpen. Man de Boort set so fast, un den Ritz kreegen s' nich utenanner. Un de Zwerg wir in Rage. Dor säden se, se wullten Hülp halen. Dor wiren woll noch mihr Lüüd' in 'n Wald to 'n Holtsammeln. Dor röp he: „Wohrt juuch un haalt Lüüd' her! Sünd all twei toväl hier." „Na", meint Schneeweißchen, „denn blifft nicks anners cewer." Se haalt 'ne lütte Schir ut de Tasch, un dormit schned' se dat End' von 'n Boort af. Meint ji, de Zwerg hadd' nu seggt: „Schönen Dank ok!" Nee, he schimpt, dat se em sienen schönen Boort nu verhunzt hadden: „Ick kann mi jo nardens mihr seihn laten!" Fix grabbelt he nah sienen Sack, den he mang de Boomwörtel verstäken hadd — dor wiren Gold un luuter Eddelstein in —, schwüng sick den cewer 'n Nacken un kröp fix in de Ierd rin mang de Wörtel von den Boom. 'n poor Dag' dorachter säd' Rosenrot to Schneeweißchen: „Weißt wat? Wi gahn hüüt mal eins hen angeln nah den Soll in 'n Wald. Hüüt bieten de Fisch gewiß, un wi bringen Mudding dee to Middag." „O ja." As se nu nah den Soll henkamen, dor hüppt dor wat in de Wisch. TDat1 sehg' ut, as wenn dor 'ne ganz grote Palducks hüppte, ümmer 'n End' ran an 't Water, denn wedder 'n lütt End' trüch. Se keeken sick dat 'ne Tiet an. Denn löpen s' hen, wat dor woll los wir: Je, wedder de Zwerg. Rosenrot lacht un röppt: „Du willst woll koppheister in 't Water springen." „Hä", seggt de Zwerg, „dat will ick nich. Seiht ji denn nich, dat ick bie 't Angeln bün? Un ick heff so 'n groten Fisch an, den kann ick nich ruutkriegen. He treckt mi reinweg noch rin in 't Water. Dee treckt un treckt. Je, undennhet de vermaledeite Wind mi mienen Boort in de Schnur vertüdert. Un dat ritt, o weih! Dat deit so weih!" De lütt Kierl wir all ganz ut Pust un Aten. Uteneintüdert kreegen de Kinner Boort un Schnur nu ok nich. Dor nehm Schneeweißchen wedder de lütte Schir un schned' dat End' Boort af. Na, donn füng dat olle verwandtschaffene Kroet wedder an to schimpen: „Mienen schönen Boort! Up jede Siet wat ruuterfitzt! Wenn ji wieder nicks kcent, makt bloß, dat ji wegkamt!" Dormit haalt he ut dat Schülp wedder 'n 87

Büüdel mit wunderschöne Pardel in. Un schwupp! wir he wedder in de Ierd krapen. Nah 'ne Tiet säd' de Mudder — se wir grad' bie de Schniederie —, dor säd' se to de Kinner: „Nu gaht mal to Stadt! Ick bruuk noch allerhand Kram för de Fruu Förstern ehr Kleed, Goorn un Knöp un Rüschen. Ji kennt jo den Koopmann." So güngen de beiden wedder Hand in Hand los. Se müßten cewer de Heid*. Dor wiren grote Felsen un Machandelbööm. Baben ehr, hoch in de Luft, flüggt 'n groten Vagel ümmer rundüm. So 'n Hcewk wir dat, 'n ganz groten. He köm deiper run. Nu stött he achter einen groten Fels dal. Gliek hürten de beiden ein fürchterliches Gequietsch un Geschrei. Se dachten: „Nu het de Vagel sick 'n Hasen gräpen." Dit wullten s' sick mal ankieken. CEwer dat wir gor keinen Hasen. Nee, dat wir de Zwerg, dee dor in de Krallen von den Hcewk spaddelte. Dat ded de Kinner doch leid. Se löpen hen un grepen den Zwerg bie de Bein un trocken un tarrten, bet de Vagel em losleet. CEwer nu hürt bloß wedder dat Krcetending! Von Dank wir nich de Räd'. Nee, he füng wedder an to schimpen: „De ganzen Kleeder hefft ji mi tweiräten. Schämt juuch wat! Makt, dat ji nah Huus kamt!" Un wedder grapst he einen Sack mit Eddelstein, un weg wir he unner den Fels. Schneeweißchen un Rosenrot dachten sick all nicks mihr un leeten dat oll giftig Wasen, bie den Dank kein Mod' wir. Se güngen wieder nah de Stadt tau, köfften alls in, wat ehr Mudding ehr heiten hadd, un güngen densülwigen Weg wedder trüch. Se körnen ok wedder an den groten Fels vörbie. CEwer wat kreegen se dor to seihn! Dor hadd sick de Zwerg ein Flach frie rakt von Loow un hadd siene Eddelstein dor utschüdd't. He hadd dacht, nu körnen woll kein Minschen mihr antogahn. Ganz liesing schleken sick de beiden Kinner achter em ran, un dor sehgen se de ganze Pracht. De gollen Abendsünn schiente dorcewer, so dat dat in alle Farben blinkerte. So wat hadden s' noch nich eins seihn. Up eins würd de Zwerg ehr wies. Wat sprüng he tohöchten un futert los: „Wat staht ji dor all wedder un kaapt? Willt ji gliek nah Huus!" Wat hadd he einen Zorn! He sehg' ut as so 'n Kuhnhahn, so rot un blaag', un fuchtelt mit de Arms in de Luft rüm. Dor up eins, wat wir dat? Ut den Wald köm dat an to trapsen un to brummen: „Brumm-brumm!" Fix wull de Zwerg alles tosamenracken un dormit wedder in sien Lock. Man de Bor wir fixer un stünd' all vor em, so dat he nich in de Ierd wutschen künn. O wat künn de Zwerg dor jammern un bäwern: „O gaude Herr, lat mi an 'n Läben! Lat mi an 'n Läben! Alls will ick di gäben, all de Eddelstein. Dau mi nicks, dau mi nicks! Hai di de beiden Dierns! Dat 's 'n fetten Happen för di."

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(Ewer de Bor hürte dor gor nich nah hen. He haalte bloß ut mit siene Prank, un de Zwerg wir to Graus un Maus. Dor verfihrten sick de beiden Kinner un wullten wegloopen. Dor röp de Bor: „Schneeweißchen un Rosenrot, loopt doch nich weg! Dat bün doch ick, juug' Bor, dee wintersoewer sick an 'n Abend bie juuch upwarmt het. Ick will mit juuch kamen." Donn bleeben se stahn. Un as he donn bie ehr stünd', up eins, dor ret de schwarte Pelz vonein, un vor ehr stünd' einen wunderschönen jungen Mann. Siene Kleeder wiren ut Purpur un Gold. Un nu verteilte he, dat he de Soehn von einen rieken König wir. Un as sien Vadder storben wir, dor hadd' disse gottlose Zwerg em in 'n schwarten Bor verzaubert, un he müßt in 'n Wald rümloopen bie Sommer- un Winterdag. Un alles, wat sien Vadder hatt hadd' an Riekdat, dat hadd' de Zwerg klaut. Nu, wo de Zwerg dot wir, wir he wedder erlöst. So güngen setosamen nah ehr leiw'Mudding un verteilten ehr alls. U n d e K ö nigsscehn heirat't Schneeweißchen, un sien Brauder, dee kreeg' Rosenrot to Fruu. Un de Bräuder deilten sick all de Schätze, dee de Zwerg ehr wegnahmen hadd. Un Mudding köm mit up dat Schloß un wahnte dor un bruukte nich mihr to arbeiten. De beiden Rosen nehm se mit un plant'te se vor ehr Finster. Un se drögen jedes Johr de schönsten witten un roden Rosen. 15 Kumpels

til^cben

Dat wir 'ne düüre Tiet oewer dat Land kamen. Dat Kuurn wir nich wussen, un nu würd alls knapp. Un de Möller hadd nicks mihr to daun. Un he wir nu all ganz arm worden. Un nu dacht he, up wecker Oort un Wies' he woll nu wedder to Geld kamen künn. Un dor kümmt dor eins 'n König vörbie un seggt: „Na, Möller, Hei süht jo so truurig ut." „Ach", seggt de Möller, „mi geiht dat ganz gaut. Ick heff 'ne Dochter, un dee kann Stroh to Gold spennen. Wo sali mi dat woll leeg' g a h n ? " Donn seggt de K ö n i g : „Wat? Du hest 'ne Dochter, dee kann Stroh to Gold spennen?" „ J a ja, dee heff ick." „Dee lat mal herkamen!" fNui müßt de Diern jo ok herkamen. rDonn 1 seggt de König: „Na, mien lütt Diern. Dien Vadding het seggt, du kannst Stroh to Gold spennen." — Un de Vadder, dee plinkt ehr to, se sali nicks seggen. — Un donn seggt de König: „Denn kümmst du mit! Un wenn du dat kannst, denn sallst du noch eins mien Fruu Warden." 89

Na, se müßt jo nu mitkamen. De König nehm ehr mit up sien Schloß, un dor würd se abends in ein Kamer bröcht. Un disse Kamer, dee wir vull Stroh. Donn seggt de K ö n i g : „So, un dor is nu 'n Spennrad. Un dor settst di nu hen, un denn spennst du dat gan2e Stroh to G o l d ! " Un se wull ümmer wat seggen, dat se dat jo nich künn. (Ewer de König, dee güng ruut un mök de Dör achter ehr tau. Dor set se nu in de Kamer mit all dat Stroh un wüßt nich ut un nich in: „Wat sali ick bloß maken? W o kann mien Vadding so wat verteilen? Oh, wo sali ick dat maken, ut Stroh Gold spennen?" — Un se weint. Un donn geiht de Dör so 'n lütt Ending up de Ritz up. Un dor kümmt dor rin so 'n ganzen lütten Mann, so 'n ganzen lütten Zwerg. Un dee seggt to ehr: „Hür mal, wat weinst du?" Se kann em ierst gor nich seihn. Un donn süht se em dor mit sien rode Zippelmütz un seggt: „Ach, wat sali ick nich weinen? Ick sali disse ganze Kamer vull Stroh, dor sali ick Gold ut spennen. Ick weit jo gor nich, wo ick dat maken sali. Dat kann ick nich, un dat kann ick nich! Un du sallst seihn: Wenn ick dat nich dau, denn lett de König mi den Kopp afhaugen. Seggt het he dat." „Ach", seggt de lütt Zwerg, „dor bruukst nich bang' üm to sien. Wat giffst mi? Ick kann dat. Wat giffst mi, wenn ick di dat nu to Gold spennen dau?" „Ja, wat sali ick di gäben? Ick heff hier 'ne Halskett, dee het mien Pät mi schenkt. Dee will 'ck di woll gäben. Büst du denn tofräden?" „ J a " , seggt he, „giff se man her!" Un donn sett't he sick hen, un donn geiht dat Spennen los: „Schnurre schnurre schnurre" geiht dat Spennrad, ümmer wieder, ümmer wieder. Bald denn is de ein Spaul vull, un denn kümmt de tweit an, un denn kümmt de drüdd' an, de viert un ümmer mihr, bet dat Stroh all upspunnen wir un wir all luuter Gold worden. — Un donn güng he wedder weg. Un annern Morgen, donn köm de König un wull mal seihn, ob dat ok woll wohr wir, wat de Möller seggt hadd. Un würklich un wohrhaftig: As he de Dör upmakt, dor sitt de Diern dor, het nicks to daun, sitt vor 't Spennrad, un dat ganze Stroh is all, un in de Eck, dor üggen all de Spaulen mit dat Gold. „ A h ! " Dor wunnert he sick oewer, dat dat so wat gäben ded. „Dat hest du fein makt!" seggt he. — (Ewer dor würd sien Gier nah dat Gold noch grötter, un donn seggt he: „Ick will di woll to mien Fruu maken, un du sallst woll Königin warden. (Ewer ick heff noch ein Kamer vull Stroh. Un dat möößt du ok noch spennen. Un wenn du dat fardig kriggst, denn is all schön un gaut. Kriggst du dat cewer nich fardig — ick segg di dat, wat ick di nüülich seggt heff —, denn lat ick di den Kopp afhaugen." •"Donn1 makt he de Dör tau Tun1 bringt ehr in de anner Kamer mit all dat Stroh. D o r wir noch mihr in as in de ierst. Un donn seggt he: „So, nu sett di hen, un denn spenn!"

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Un se sett't sick jo ok wedder up den Stauhl vor dat Spennrad un versöcht dat. „(Ewer dat kann jo kein Minsch!" seggt se. „Wat dee sick woll denkt!" — Un se sett't sick wedder hen un röhrt un weint un röhrt ¡immer egal w e g : „Nu lett he mi doch gewiß den Kopp afhaugen." Donn geiht wedder de Dör up, un wedder kümmt de lütte Kierl dor rin un seggt: „Diern, wat weinst?" „Ja", seggt se, „kiek mal! Hier is noch väl mihr Stroh in disse Kamer, un dat sali ick ok all to Gold spennen. Un bet morgen früh möt dat all fardig sien. Un wenn dat nich is, weißt, denn lett he mi den Kopp doch noch afhaugen." „Ach, kümmt jo gor nich r in Frag' 1 . Dat kümmt jo gor nich up 'n Drücker!" seggt he. „Wo kannst du di woll so wat futmalen 1 ? Nee, nee, nee, so wat gifft 't nich! Kiek mal, ick will di dat woll wedder all upspennen. (Ewer wat giffst mi dorför? Ümsünst kann ick dat ok nich daun." „Je", seggt se, „ick heff noch 'n gollen Fingerring. Denn will 'ck di den woll schenken." „Ja", seggt he, „ g i f f m a n h e r ! D e n g i f f m a n h e r ! Den kann ick gautbruuken." Un he nimmt sick den Fingerring un sett't sick wedder hen an dat Spennrad un spennt. Un dat schnurrt ümmer rundüm: „Schnurre schnurre schnurre" geiht dat. Un ein Spaul nah de anner ward vull un noch ein — un ümmer noch mihr un ümmer noch mihr, bet de ganze Kamer wedder leddig is. „So", seggt he, „nu kannst schön utschlapen. Un ick gah nu wedder nah Huus." Annern Morgen kümmt de König denn jo ok wedder rup. Up wiß un wohrhaftig: Se het wedder dat ganze Stroh upspunnen. „Wo is 't mceglich?" seggt he. „(Ewer ick will ehr doch woll to faten kriegen: Nu sett ick ehr in ein noch väl gröttere Kamer, un dat sali s' nu ok noch spennen. — Kumm mal mit!" seggt he. „Dit hest jo ganz schön fardig krägen. CEwer ick heff noch ein Kamer, dee is noch grötter, un dor is noch mihr Stroh in. Un weil du dit so schön makt hest, dor wardst du dat ok woll fardig kriegen." So, un donn makt he de Dör tau, un se sitt dor wedder. Un se weint, un se weint. — „Ach", denkt se, „wenn de lütt Mann nu doch man kamen wull un mi wedder helpen! (Ewer ick kann em jo . . ., ick heff jo nicks mihr. Mien Halsband het he all, un mienen Fingerring het he all. Nu kann ick em jo ok rein gor nicks mihr schenken. Nee." — Un se weint. Un donn kümmt he wedder rin un seggt: „Diern, wat weinst?" „Ja", seggt se, „ick sali dit ganze Stroh to Gold spennen. Un ick kann dat doch nich." „Ach", seggt he, „dat spenn ick di wedder." „Ja, dat deist du woll", seggt se, „oewer ick weit jo gor nich mihr . . ., ick kann di nicks mihr schenken. Denn möößt dat ümsünst daun!" „Nee", seggt he, „ümsünst dau ick dat ok nich. Ick will di giern helpen, oewer ick möt wat dorför hebben!" 91

„Ja, ick heff doch nicks mihr." „Ja", seggt he, „nu paß mal up: Wenn du nu naher Königin büst un du hest dien ierstes Kind, denn sallst du mi dat schenken!" Un in ehre Angst, rehre1 grote Angst, dor seggt se: „Ja ja, denn will ick dat daun." Denn se dachte: „Denn beholl ick doch wenigstens mienen Kopp." Un würklich: He spennt ehr dat ok up. — Un denn geiht he weg un seggt: „Ick kam cewer wedder, wenn du dien ierstes Kind hest." Se denkt: „Wer weit, ob ick oewerhaupt Königin ward. Un dat is jo ok noch all lang' hen." Nu kümmt de König un süht dat. He mök de Dör up, un as he sehg', dat dor wedder gor kein Stroh mihr liggen ded un dat dat all upspault wir, donn freut he sick cewer un seggt: „Dat hest du nu gaut makt! So, mien lütt Diern, nu sallst du ok mien Fruu warden. Du sallst miene Königin warden." Un donn leet he sienen Kammerdeiner kamen, un dee müßt all de Spaulen ut de drei Kamern, dee müßt he up de Schatzkammer henbringen, wo de rKönig 1 all sien annern Riekdümer hadd. Na, un donn würd 'ne schöne Hochtiet fiert, un se läwten ok iedel vergnäugt un lustig. Un as so 'n Johr üm wir, donn kreeg' de Königin 'n lüttes Kind. Ach, wat wir de König glücklich un se ok! (Ewer as dat lütt Kind 'n poor Wochen olt wir un nu all ganz nüdlich wir, donn kümmt einen gauden Dag de Zwerg an un seggt: „Königin, denkst du ok doran, wat du mi verspraken hest?" Oh, dor verjög' se sick: „Wat willst du von mi?" „Ja, du hest mi doch verspraken, ick sali dien Kind hebben, wenn ick di dat Stroh to Gold spennen ded'." „Oh, ick heff dacht, dat wir man bloß Spaß", seggt se. „Nee, is keen Spaß!" seggt he. „Ick will nu dien Kind hebben! Dat hest du mi verspraken." Na, un se weint, un se deit: Ehr leiwes Kind, dat will se doch nich den Zwerg gäben. Se weit jo gor nich, wat dee mit dat Kind will. — Un donn seggt se: „Ach, nu sie doch nich so! Weißt wat? Nee, lat mi dat Kind doch!" — Un ümmer bidd't se em wedder, un ümmer bidd't se em wedder. Un donn seggt he: „Je, weißt wat? Denn will 'ck di wat seggen: Ick gäw di drei Dag' Tiet. Un wenn du in disse drei Dag' ruutkriggst, woans ick heit, denn kannst dien Kind behollen." „O ja", seggt se, „dat will ick woll ruutkriegen." Donn geiht he wedder weg. Un donn schickt se in 'n ganzen Land rüm un lett sick Namens nennen. Un donn kümmt de Zwerg den annern Dag wedder un seggt: „Weißt mienen Namen nu?" „Je", seggt se, „heißt du Kasper?" „Nee", seggt he. 92

„Heißt du Balzer?" „Nee", seggt he. „Heißt du Krischan?" „Nee", seggt he. „Äh, wo heit He denn bloß?" „ N a " , seggt he, „ick kam jo morgen wedder. Viellicht hest di denn besunnen, wo ick heit." Se lett jo de ganze Dienerschaft wedder in 'n Land rümhorchen, wo de Lüüd' woll all heiten daun. Un r de Zwerg 1 kümmt den annern Dag wedder un fröggt: „Hest nu ruutkrägen, wie mien Namen i s ? " „ J e " , seggt se, „heißt du Korl? - Heißt du Wilhelm? - Heißt du J o c h e n ? " „Nee", seggt he, „so heit ick nich. Dat 's all nich richtig. Na, einen D a g hest jo noch Tiet. Denn kannst di dat besinnen." Un donn schickt se wedder ehr Deiners all ut, un dee möten cewerall rümsäuken. Un fse 1 täuwt! Un ganz spät an 'n Abend, dor kümmt einer trüch un seggt ganz lies to ehr: „ D u , Königin, ick heffhüüt cewer wat beläwt, hüüt abend. Ick heff dor hinnen, dor wo de Welt bienah to End' is, dor bie den Wald, dor heff ick in 'n Maandschien 'n ganzen lütten Kierl seihn. Un dee hüppte ümmer up einen Bein rund üm sien Füer rüm, dat he sick anbött't hadd, un denn süng he ümmer. Un weißt, wat he singen ded?

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„Wie? Wie? Wie, wie, wie heit he?" seggt de Königin. „Ja, he het seggt: »Rumpelstilzchen'." „Dat is gewiß de lütte Zwerg wäst", seggt se. „Na täuw, nu will ick em woll kriegen." Un de rZwerg 1 köm den annern Dag ok wedder un seggt: „Na, hest 't nu ruutkrägen ?" „Ja", seggt se, „ick weit nich recht. Heißt du Hinz?" „Nee", seggt he. „Heißt du Kunz?" „Nee", seggt he. „Heißt du Hans?" „Nee", seggt he. „Franz?" „Nee", seggt he. „Na, täuw mal 'n Ogenblick!" seggt se. „Ick krieg' 't doch woll noch ruut: Heißt du . . . , heißt du . . ., heißt du denn viellicht woll ,Rumpelstilzchen'?" Donn kreeg' de Zwerg 'n füerroden Kopp un „Dat het di de Düüwel seggt!" seggt he. — Un donn ret he den einen Bein hoch un stampt mit den annern Bein so dull up, dat he dörch den Fautbodden dörchsacken ded un ganz un gor von 'n ein End' nah 'n anner utenannerrieten ded. Un dormit hadd de Königin denn ehr Kind behollen. Un de Zwerg wir dot un köm ok nich wedder. 16

Dornröschen Dat wir mal eins ein König, dee wahnte mit siene Königin in ein wunderschönes grotes Schloß. Un dat güng ehr sihr gaut, un se wiren ganz vergnäugt. Bloß ein Deil fählte ehr: Se hadden kein Kinner. Un nu wünschten se sick so sihr ein lütt Kind. De König säd': „An 'n leiwsten würd ick 'ne lütt Diern hebben." Un dor set de Königin eins in ehren groten Schloßgoorden an 'n lütten Diek, un donn dacht se ümmer, se wull 'ne lütt Diern hebben. Dor kümmt 'ne Pogg' ut 'n Diek ruutgekrapen un seggt: „Wat wünschst du di denn eigentlich? Wat willst du eigentlich?" „Ach", seggt de •"Königin1, „ick mücht so giern 'ne lütt Diern hebben. De König, dee wünscht sick 'ne lütt Dochter." „Na", seggt de Pogg', „denn gah man wedder hen un . . . Du wardst schon noch ein kriegen." Un dat wir noch kein Johr vörbie, donn kreegen se ok würklich 'n lütt nüdliches Kind. Dat wir 'ne lütt Diern. Un weil se so nüdlich utsehg' un so 94

rode Backen rhadd1 un fso 1 frisch wir, säd' de König in sien Freud': „Dit is uns' lütt Ros'." — Un so würd se denn ümmer „Rösing" nennt. Un de Freud' wir so grot, dat 'n grot Fest fiert würd. Un dor würden all de Lüüd', de vornähmen Lüüd', dee würden inlad't to 'n grotes Äten. Dor säd' de König: „Nu denk ok an alle, dat s' all kamen!" „ J a " , seggt de Königin, „kiek mal, wi hebben dor jo ok noch disse klauken Fruugens. Disse, dee so vörnähm sünd. Ick mücht woll giern, dat wi dee ok inladen un dat dee uns' Kind wat Gaudes wünschen." „Woväl sünd dat denn?" seggt de König. „ J a " , seggt se, „dat sünd dörteihn. — CEwer nee", seggt de Königin, „dat geiht jo gor nich. Wi hebben jo man twölf golden Töllers, wo dee von äten kcenen." „Ach", seggt de König, „denn lettst ein weg. Dat is jo ok nich so schlimm. Denn kannst du twölf inladen." Na, r dat 1 würd jo ok makt. Se lad'te de twölf Fruugens in. Dee hadden sick all fein antreckt un körnen all to dit grote Fest. Un nu würd ok Wien drunken, un fse 1 säden all, dat lütt Kind, dat süll hochläben un süll lang' läben. rDat 1 wünschten se de Öllern. Un donn stünnen ok disse twölf Fruugens up, ein nah de anner, un güngen nah de Weig' von dat lütt Kind ran un wünschten ehr all wat Gauds. De ein, dee wünscht ehr, dat se ümmer hübsch is. Un de anner wünscht ehr, dat se 'n oordig Kind is. Un de anner wünscht, dat de Lüüd' ehr all giern lieden moegen un dat se gaut lihren deit. Un all disse schönen frommen Wünsche, dee hadden se för dat lütt Kind. Un as de elfte von de Fruugens ehren Wunsch utspraken hadd un sick wedder hensett't hadd, dor güng up eins de D ö r up. Un dor köm de drütteihnst rin, dee s' nich mit inladen hadden. Dee wull ehr dat nu nah Huus bringen. Un dee het 'n ganz schwärt Kleed antrocken. Un donn geiht s' hen nah de Weig' un seggt: „Un ick wünsch de Prinzessin, dat se sick, wenn seföffteihn Johr olt is, an 't Spennrad steckt un dot henföllt!" Dor wir de ganze Saal, dee wir bumsstill. De König verfihrt sick, un de Königin würd kried'witt. Kein ein säd' ein Wuurt. Un de Fruu, dee güng wedder ruut. CEwer donn steiht de twölfte up — dee hadd jo ehren Wunsch noch nich seggt — un seggt: „Ick kann den Wunsch nich trüchnähmen, cewer ick kann wat anners wünschen. Ick wünsch de lütt Diern, dat se nich dot henföllt. Se sali rbloß 1 hunnert Johr schlapen, un denn sali se wedder lupwaken 1 ! Denn sali einer kamen, 'n Königsscehn, un ehr wedder upwecken." Dor atent de König un de Königin denn up, cewer dat Fest wir to End'. Se künnten sick nich mihr freuden. Un 'n annern Dag, dor leet de König 'n Gesetz utgäben. Dor müßt de Landrieder mit 'ne Klingel dörch 't ganze Dorp, dörch den ganzen Uurt loopen un

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utropen: „AllLüüd', dee 'n Spennrad hebben, dee sallen kamen un dat Spennrad hier nah 'n Königshoff herbringen. Dee sallen all verbrennt warden." Dor körnen all de ollen Fruugens an mit ehr Spennrad. CEwer de weck, dee humpelten un wiren ganz truurig. Un dee müßten oewer all de Spennrced' afgäben. Dee würden up 'n groten Hümpel schmäten, un denn würden s' anstäken un all verbrennt. Un de ollen Fruugens, dee röhrten jo nu. Wo süllten s' nu ehr Geld mit verdeinen? Se hadden doch ümmer för den König un de Königin de Wullspunnen. Un donn seggt de König: „Ach, dat lat't nu man!" — Un he leet jede Fruu 'n lütten Büüdel vull Geld gäben, dat se sick wat to läben kööpen künnten. — Un donn bedankten se sick ok välmal un güngen wedder nah Huus. Un so wüß dat lütt Rösing nu ran. Ein Johr güng hen, dat anner güng hen. Alle Lüüd' müchten ehr giern lieden, un mit jeden wir se fründlich un nett. Un se spälte hier, un se spälte dor in 'n Goorden in den groten Schloß, bet de Tiet ranköm, dat se föffteihn Johr olt würd. Dat wir ehr Geburtsdag. Un se hadd morgens ok schön Kaffee drunken, un donn säd' ehr Vadder: „Ja, mien leiw' Diern, ick kann hüüt nich hierblieben. Ick möt mit dien Mudding irgendswo hen. Ick heff dor wat to regieren." „Ach", seggt se, „ji kamt jo hüüt abend wedder. Un ick kann hüüt w o l l . . . Dorf ick denn hüüt an mienen föffteihnsten Geburtsdag alls daun, wat ick giern will?" „Ja, wenn 't nicks Böses is", seggt de Vadder, „kannst alls daun." Na, de Öllern führen jo ok weg, un se fangt nu an un löppt in den Schloß up un dal, hierhen un dorhen, makt hier 'ne Dör up un makt dor 'ne Dör up, wat dor woll all los is. Un so kümmt se^oletzt ok an einen ollen Turm. Den hadd s' eigentlich gor nich noch nich seihn. Dee wir ganz un gor mit Rosen cewerrankt. Un donn denkt se: „Wat hier woll is in dissen Turm?" Un makt de Dör up. Un dor sitt dor 'ne olle Fruu an 't Spennrad. r Daf is so 'n lütt rund' Turmstuw'. rDor 1 steiht 'n Bett in un dat Spennrad, un de Fruu sitt dorvör. 'ne schwarte Katt het s' ok bie sick. Un dat Ding, dat schnurrt ümmer rundüm. So wat hadd jo nu de lütt Diern noch gor nich seihn. Denn de annern wiren jo all verbrennt, de Spennrced'. „Wat is dat för 'n lustig Ding, wat du dor hest?" rfröggt se1. „Ach", seggt de Fruu, „dat 's 'n Spennrad." „Ach, dat makt cewer Spaß", seggt se. — „Oh", seggt se, „lat mi doch ok mal! Dat möt ick ok mal maken." „Ja", seggt de Truu 1 , „dor sett di man hen!" •"CEwer1 in dat Spennrad, an de Spaul, wir so 'n giftigen Nagel. ""Dor1 dreihte de Fruu den so hen, dat de lütt Diern dat grad' in de Hand kreeg'. Un as se dat Rad denn ümdreihden will, up einmal, dor piekt se sick in den giftigen Nagel. Un donn föllt se as dot hen. 96

De oll Fruu, dee leggt ehr noch up dat Bett rup un lacht: „Hä hä hä hä hä! Nu is mien Wunsch doch in Erfüllung gahn." Na, un in den Ogenblick — de König un de Königin wiren grad' wedder trüchkamen — fangt dat ganze Schloß an to schlapen. CEwerall, de ganzen Lüüd' un alls, wat dor wir, dat schlöp in: Up einen Schlag. De König — dee set all up 'n Thron — un de Königin, dee schlöpen. Un de Kammerdeiner, dee dor stünd', dee läd' sick an de Wand, dee schlöp ok. Un in de Küch, dor schlöp de Koch. rDee1 wir inschlapen. He wull grad' den Keekenjung' noch 'ne gehürige Uhrfieg' gäben — dee hadd wat verkihrt makt — un holt noch de Hand in de Luft. Un de Jung' holt de Hand an 't Uhr. Un dor schlöpen s' in. Dat sehg' ganz narrsch ut. Un de Koeksch, dee wir grad' dorbie, 'n Hauhn aftopulen, Tun1 schlöp in. Un de Katt, dee an 'n Hierd set, schlöp in. Un de Pierd' in 'n Stall un de Käuh un de Schwien un de Häuhner un de Hahn, dee up 'n Tuun set, dee schlöpen all up einmal in. Un 't bleew all so stahn un liggen, as 't wir. Un so güng ein Johr, teihn Johr, twintig Johr — ach, so güngen väle, väle Johren in 't Land. Un üm dat Schloß rüm, dor wüß 'ne grote, grote Rosenheck. Un nu hadd sick dat in 'n Land rümspraken: Dor in dat Schloß, dor liggt 'ne Prinzessin, dee schlöppt dor in. Dee sali hunnert Johr schlapen. Un wecker ehr wecken deit, dee kriggt se to Fruu. Ja, nu wüßt jo cewer keiner, wo lang' se all schlapen ded. Un nu körnen se all an, de ein un de anner, un wullten dor rinunwullten de Königsdochter wedder up wecken. Un Tnu1 set dor vor dat Dur so 'n ollen, truugen Wächter, un dee säd* denn to de jungen Lüüd', dee dor körnen: „Ja, dat is wohr. Ach, in dat Schloß — mien Großvadder het mi dat all verteilt —, dor in dat Schloß, dor is 'n Turm, un dor schlöppt 'ne Prinzessin in. Un nah hunnert Johr, denn sali se wedder upwaken." „Je", seggt dor de ein, „dat dau ick. Dor gah ick hen. Dee will ick, dee will ick wedder upwaken!" Un rhe1 will dor ringahn. •"(Ewer1 de Häg', dee is so dicht. He versöcht dor dörchtokamen Tun1 dat dörchtohaugen, foewer1 dat waßt gliek ümmer wedder tau. Un he kümmt nich wedder ruut: He blifft dorin hängen. Un denn kümmt wedder einer un kümmt wedder einer. Un ümmer wohrschuugt de oll Mann ehr, un ümmer wedder versäuken se dor rintokamen, oewer keiner kümmt läwig wedder ruut. Un donn kümmt eines Dags 'n ganz besonders hübschen un schönen Königsscehn. Un dee is so lustig un vergnäugt un seggt: „Na, Olling, is dit dat Schloß, wo de Prinzessin in schlöppt?" „Ja", seggt he, „dit is dat Schloß. (Ewer gah dor man nich rin! Kiek mal, all de Duurnen! Un kiek mal, woväl dor all in hängenbläben sünd! Gah dor 7

Neumann, Märchenfrau

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man leiwer nich rinl Du büst väl to schad' dorto, dat du dien junges Läben dor lettst." „Ach wat", seggt he, „dee poor Duurnen! Dor bün ick doch nich bang' üm. Sallst mal seihn!" seggt he. — Un donn nimmt he sien Schwert un haut midden rin in de Duurnen. Un wat glööwt ji? — Dor wiren nämlich grad' an den Dag de hunnert Johr üm. — Wat glööwt ji? De ganzen Duurnen, dee güngen utenanner, un dat föll all runner. Un so künn de Königssoehn dor ganz strack ringahn. Un he güng in dat Schloß rin. fHe 1 köm ierst oewer den Schloßhoff. Un dor selig' he, de Pierd', r dee dor 1 stünnen, dee schlöpen all, dee rögten sick gor nich. Dat ganze Veih, dat rögte sick gor nich. — He güng wieder Tun1 güng unnen in 'n Keller dörch de Kcek, dörch de grote Kock. Dor sehg' he, wo de Koch dor stünd' un de Hand upböhrte to 'n Schlagen. Un de Kceksch set dor. Un de Katt set up 'n Hierd. Un 't Finster set vull Fleigen un Brümmers. Un nicks, nicks rögte sick. Dor wir em bienah to 'n Lachen to Sinn. „Heh", röp he, „heh, wat is hier denn los?" rCEwer1 kein ein rögte sick. — Dor güng he wieder un köm in den Saal, wo de König un de Königin wiren. Dee schlöpen. „Nee", seggt he, „wenn dee dot wiren, wiren s' doch runfallen. Dee schlapen jo woll all. Wo is 't moeglich?" He güng ümmer wieder. Un denn güng he noch 'ne Trepp rup, un donn köm he ok an dissen Turm. Un dor köm he an de Dör un wull se upmaken. De Duurnenranken, dee wiren all r rcewerrankt, un 1 dee bläuhten all, de Rosen. Un de Schloetel wir all halw verrost't. r (Ewer 1 he will upmaken un möckt ok up. Mit einen Ruck is de Dör up, un he kümmt dor rin. Un dor süht he dor de lütt Prinzessin up dat Bett liggen. Un he steiht ganz verbaast dorvör. Ach, wat wir dat för 'n hübsches Bild: De Rosen, dee wiren ganz un gor dörch de Stuw' rankt. rDee1 wiren dörch dat lütt Finster dörchkamen. Un cewer dat Bett von dat lütt Mäten, de Prinzessin, wiren se ganz un gor rcewerrankt. Un rund üm ehren Kopp hadd sick 'n Kranz von Rosen henleggt. „Dat is cewer schön", seggt he. Un he seggt so: „Du, wak doch up!" Nee, se wakt nich up, se schlöppt ümmer wieder. — „Wo krieg' ick ehr bloß munter?" seggt he. „Ach", seggt he, „ick will ehr mal 'n Kuß gäben." — Un donn gifft he ehr 'n Kuß. Un wat glööwt ji? Up einmal schlög' de lütt Prinzessin de Ogen up un sehg' dor vor sick den Prinzen stahn: „Wo bün ick, wo bün ick?" seggt se. „Hier büst du — bie mi", seggt he. „Du büst doch de lütt Prinzessin hier von dat Schloß?" „Ja", seggt se, „dee bün ick." — CEwer se wüßt gor nich, dat se all hunnert Johr schlapen hadd. — „Oh", seggt se, „nu willen wi mal nah mienen Vadding un nah mien Mudder gahn. Wat dee woll seggen, dat du mi hier upweckt hest?" 98

Un denn föten s' sick an de Hand, un donn güngen se nah den groten Saal, wo de König in wir. Un as dat lütt Mäten dor rinköm mit ehren Prinzen, dor wakt ok de König un de Königin wedder up. Un se stellen sick dor vor den Thron hen, un de Prinz seggt: „Hier bring' ick juuch juug' Dochter, dat lütt .Dornröschen', wo de Lüüd' ehr all ümmer nennt hebben. Un nu bidd' ick juuch: Ick will ehr giern to Fruu hebben!" Dor wiren de König un de Königin so froh, dat se all nu wedder lebendig wiren. Un in de Koek güng 'n grot Gepröddel los. De Lihrjung', dee hadd noch fix sien Uhrfieg' krägen. Un de Kceksch mök dat Hauhn fardig. Un denn würden de Bradens fardig makt. Un dat wir ein Bewägung, ein Lärm in 't Schloß nah all de hunnert Johr nu endlich wedder. Un donn würd 'ne grote Hochtiet fiert. Un all de Rosenranken, dee würden wegrüümt von dat Schloß, un dat stünd' denn wedder in de olle Pracht un Herrlichkeit dor. Un de Schloßgoorden wir wedder so schön, un de Blaumen bläuhten. Un so hebben se noch väle, väle Johren vergnäugt un fröhlich läwt bet an ehr End'. 17

Der Froscbprin% und der treue Hinnerk In ollen Tieden, dor gew dat väle Königs up de Welt. Un ein von disse Königs, dee hadd 'n poor hübsche Döchter. (Ewer de jüngst Dochter, dat wir de allerhübschste. Ehr Ogen, dee strahlten as de helle Sünn. Un einen Dag, dat wir grad' an ehren Geburtstag, dor spalte se in den Schloßgoorden von ehren Vadder. Un dor hadd se so 'ne gollen Kugel, un dee schmet se ümmer in de Luft un füng se mit ehr lütten Händ'n wedder up. Dor spalte se Fangball mit. Un se löp ümmer wieder in den Goorden rin. Un an 'n End' von den Goorden, dor wir 'n groten Diek. Dor spälte se ümmer wieder, un dor köm se, ahn dat se dat marken ded, ganz dichting ran an den Diek mit ehre Kugel, un up einmal, perdautz!, donn föll de gollen Kugel in den Diek rin. O wat het se sick verfihrt! Se wull de Kugel giern wedderhebben. (Ewer de Kugel, dee wir so deip rin. Dee wir ganz deip rin, dee wir gor nich mihr to seihn. Dee wir jo woll ganz in de Modder rin verstäken. Un se jammert, un se weint: „Miene schöne gollen Kugel! Miene schöne gollen Kugel!" — Ach, dat nehm gor kein End' mit ehr Gejammer. Un up einmal, dor seggt dor wän: „Wat weinst du denn, du lütt Königsdochter?" Se verfihrt sick un kickt sick rundüm. Dor is kein Minsch bie un nah. Wer kann ehr dor raupen hebben? Un as se nah den Diek sick ümkickt, dor sitt dor 'ne grote gräune Pogg', un dee seggt: „Wat weinst du denn?" 7*

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, „Ach", seggt se, „miene schöne gollen Kugel, dee is mi hier in den Diek follen. Un ick kann se nich wedder ruutkriegen. Ick heff dot so giern mit spält." „Ach", seggt de T o g g ' 1 , „wenn 't wieder nicks is, dee will ick di woll wedder ruuthalen. (Ewer du möößt mi denn ok wat verspräken." „Ach, ick schenk di alls, wat du hebben willst. Ick schenk di mien Kleeder, mien schönen Kleeder, un mien gollen Käden un mienen Ring un alls, wat ick Schöns heff, ok de gollen Krön, dee ick krägen heff to 'n Geburtsdag. Dat schenk ick di all." „Nee", seggt dePogg', „dor kann ick jo in mienen Pauhl nicks mit anfangen. Ick will ganz wat anners hebben. Weißt, wat ick woll mücht? Ick mücht woll, dat du jeden Dag 'n bäten mit mi spälen dedst, dat ick bie di in 'n Huus sien künn un dat ick bie di an 'n Disch mitäten künn un dat ick abends in dien schönes weikes Bett mit schlapen künn. Dat mücht ick woll." Donn mök de lütt Prinzessin, de lütt Königsdochter, ganz grote Ogen. (Ewer donn dacht se ok gliek: „Ach, de oll Pogg', dee tüünt. Wat weit dee dorvon?" Un säd' einfach: „Ja. J a ja. Ja, dat will ick woll daun." „Na", seggt de Pogg', „denn man tau!" Un donn springt se wedder rin in den Diek un haalt ehr de gollen Kugel ruut. Un de Königsdochter, dee nimmt ehr ok de gollen Kugel af un löppt dormit weg. Se seggt nich „danke schön" un gor nicks. Se löppt ganz fix weg. Dat wir Ätentiet. Un de Pogg', dee röppt ümmer: „Nimm mi doch mit! Nimm mi doch mit! Loop doch nich so f i x ! " (Ewer se hürte dor gor nich nah hen. Fix löp se rup. Un in den groten Ätsaal, dor seten se all all an den groten Disch, un de Supp würd all upfüllt. Un fix sett't se sick up ehren Stauhl. Se set grad' näben ehren Vadding. Un as se anfangen will to äten, up eins, dor hürt se dat buuten ümmer patsch, patsch, patsch! up de Stein. Un donn kloppt dat an de D ö r : „Lütte säute Königsdochter, mak mi up de D ö r ! " Se deit so, as wenn se dat gor nich hürt. Donn röppt dat noch eins. Donn seggt de K ö n i g : „Wer is dor? Dor röppt di doch wän. Gah doch hen un mak up!" „Nee", seggt se, „ick mag nich upmaken." „Je, worüm denn nich? Du geihst gliek hen!" Un donn geiht se hen, un donn sitt de Pogg' dorvör. Batsch! makt s' de Dör wedder tau. Donn seggt de Vadder: „Wat is denn dor los?" „Ach", seggt se, „dor sitt de Pogg'." „Wat för 'ne P o g g ? " seggt de Vadder. „Ach, ick heff dor unnen an 'n Diek spält mit miene gollen Kugel, un dee is mi rinfollen. Un donn is de Pogg' kamen un het s' mi wedder ruuthaalt. Un

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donn heff ick em verspraken, dat he bie mi an 'n Disch äten künn un dat he herkamen künn und dat ick mit em spälen wull. (Ewer ick heff jo bloß dacht, he mök man Spaß." „ J a " , seggt de König, „wenn du dat verspraken hest, denn helpt dat all tosamen nich. Denn möößt du em nu rinlaten. Jeder möt sien Verspräken hollen, un 'n Königskind möt ierst recht sien Verspräken hollen." Na, denn helpt dat jo all nich, un se haalt ollich deipLuftun geihtdennhen un makt de Dör up. Un patsch, patsch, patsch! kümmt de Pogg' achter ehr an. Se sett't sick fix wedder up ehren Stauhl, un unnen sitt de Pogg' un seggt: „Hai mi rup, ick will mit di Middag äten!" Se deit so, as wenn se dat gor nich hürt, cewer ehr Vadder, dee kickt ehr gan2 scharp an un seggt: „Wat du verspraken hest, dat möößt du ok hollen! Ward 't nu bald!" Un donn haalt se ok de Pogg' rup — dee is jo so kolt in ehr Hand — un sett't se bie sick näben 'n Töller. Un dor füng de Pogg' an, von den Töller de Supp uttolutschen un to slappen. Un se mücht gor nich wiederäten. Dat wir ehr tau un tau unappetitlich. Un as se donn fardig wiren, seggt de Pogg': „So, nu bün ick satt. Un nu will ick schön utschlapen in dien schönes weikes Bett!" Donn kickt de Trinzessin 1 ehren Vadder an, wat dee dorto seggt. — „ J a " , seggt he, „dat is nu mal nich anners. Nu nimmst du de Pogg' mit rup un höllst dien Verspräken." Na, se jo ok rup! Un de Pogg' hüppt ümmer achter ehr an. Un as se in de Stuw' sünd, donn sett't se de Pogg' achter 't Schapp in de Eck un krüppt in ehr Bett un treckt dat Bett ganz wiet cewer ehren Kopp roewer. CEwer dat duert gor nich lang', donn steiht de Pogg' unnen an ehr Bett un seggt: „Du, ick will ok schlapen! Ick bün ok mäud'." — Se deit so, as wenn se dat gor nich hürt, roewer de Pogg' 1 seggt: „Hest du nich hürt? Ick will ok schlapen! Un wenn du mi nu nich gliek rinhaalst, denn gah ick hen un segg dienen Vadding dat." Oh, donn kreeg' s' jo Angst, dat dee wedder schellen ded'. Un donn nimmt se de Pogg' in de Hand — un dee wir so kolt un so quabbelig. Donn würd ehr so gräsen, un donn schmet se s' an de anner Siet an de Wand un kröp unner. CEwer mit ein Og' plierte se ümmer so 'n bäten ruut unner de Deck. Un wat sehg' se dor? Dat 's jo woll gor nich mceglich! Dor hadd s' doch de Pogg' henschmäten, un dor stünd' up einmal einen wunderhübschen Minschen. Ach, dat wir so 'n hübschen Minschen! Dat wir jo woll ok 'n Königssohn. Dee wir so riek antrocken mit all sien Tüüg. Un dee köm nah ehr Bett hen un sett't sick up ehren Bettrand un seggt: „Ick möt mi bie di bedanken, denn du hest mi redd't. Ick wir verzaubert von 'ne oll Hex. Dee het mi in 'ne Pogg' verzaubert. Un du wierst dee, dee mi redden süll. Un nu hest mi redd't." 101

Donn säd' se: „ J a , denn kannst du ok rinkamen nah mien Bett! Hier is dat so schön weik un warm." Un annern Morgen, as se upwaken deden — de Sünn, dee schiente all so hell in de Stuw' —, donn kümmt dor 'n Kutschwagen antoführen mit vier witte Schimmel dorvör, un dorup set 'n Kutscher. Un disse Kutscher, dat wir de oll Hinnerk, dee hadd früher ümmer för den Königssohn sorgt. Un dee köm nu un wull datBruutpoor afhalen. DeVadder, dee hadd „ j a " dorto seggt, un se künn denn ok mit em führen. Un as se 'n lütt End' unnerwägens wiren, donn kracht dat mit einmal so. Un donn seggt de Königssohn: „Hinnerk, de Wagen breckt!" Donn seggt de Hinnerk: „Nee, Herr, dat 's nich de Wagen, dee breckt. Dit is ein iesern Band. Dat is terräten, weil du as Pogg' in 'n Diek hest säten. Ach", seggt he, „as de Hex di verzaubert het, donn heff ick mi drei iesern Ringen üm mien Hart leggen laten. Denn ick hadd Angst, dat mi dat Hart ganz un gor utenanner bräken ded' vor luuter Truurigkeit un vor luuter Jammer." As he 'n End' wiederführen ded, donn is de tweite Ring braken. Un noch 'n End' wieder, donn is de drüdde Ring ok braken. Un Hinnerk un de Königssohn un de Königsdochter körnen an up sien Schloß. Un dor würd de Hochtiet fiert, un denn hebben se vergnäugt tosamen läwt. 18 Frau

Holle

Dat wir mal eins 'ne Fruu, dee hadd twei lütt Döchter. Un de ein, dee wir schön und hübsch. Un denn hadd se noch ein tweit — dat wir ehr eigen —, dee wir man häßlich. Dee sehg' so dämlich ut un hadd so häßliche Schleithoor. (Ewer de Fruu meint, weil se man häßlich wir, müßt se ihrer gaut to ehr sien as to de anner. De anner mücht s' ok gor nich hebben, weil de Lüüd' all seggen deden: „ O wat is dat för 'ne lütt hübsche Diern!" Un dorüm müßt se to Huus alle Arbeiten daun. Se müßt de Stuben utfägen un de Betten maken un de Däl schüern un kaken un maken in de Kock un de Strat fägen. — Un de anner, dee set ümmer bie Mudding in de Stuw' un künn mit ehr Poppen spälen un wat se süss all wull. Un nahmiddags, wenn de Mudder de hübsche Diern los sien wull, dat se mit de anner allein sien wull, denn schickte se lehr 1 hen nah den Soot. Un dor an 'n Soot, dor süll se denn spennen. Denn künn se doch mit de anner to Huus in de Stuw' sitten un künn ehr Bonbon un Schokolor gäben, dat de anner, de hübsche Diern, nicks afkreeg'. Un denn hadd se ehr drei Spaulen mitgäben, un dee süll se all vullspennen.

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Un de '"Diern1 spennte un spennte. Un toletzt, dor wiren ehr all de Fingern von den Faden upräten, dat dat bläudig würd. Un dat Blaut, dat löp cewer up de Spaul, un donn kreeg' se so 'n Schreck: „Och", dacht se, „wenn ick nu nah mien Mudder kam, un ick wies ehr dat, denn krieg' ick so väl Schell. Wat mak ick dor nu bloß mit? Ach, ick will 't mal versäuken, ick will mal seihn, ob ick dat nich in 'n Soot mit dat Water afspäulen kann." Un se wischt dor ok an rüm. Un up eins, dor föllt de Spaul rin in 't Water, unnen in 'n Soot rin. Donn verfihrt se sick: „O wat mak ick? O wat sali ick bloß daun?" — Un se löp hen nah ehr Mudder un seggt: „Mi is so wat passiert. Dor wir Blaut an de Spaul kamen, un ick wull dat afwaschen in 'n Soot, un donn is de ganze Spaul unnen in 'n Soot rinfollen." „Häh", seggt de Mudder, „wenn du de Spaul rinschmäten hest in 'n Soot, denn kiek ok mal tau, wo du s' wedder ruutkriggst! Denn spring mal nah un hal s' wedder ruut." Ach, dor güng de rDiern 1 wedder hen nah den Soot un keek un keek, ob se de Spaul nich seihn künn. (Ewer se künn se ok nich seihn. Un donn in ehr grote Not, donn sprüng s' perdang'n! rin in 't Water. Un as dat Water cewer ehr tosamengüng, donn verlor se de Besinnung, bet se unnen ankamen ded. Un as se wedder upwaken ded, donn leg' seup'ne grote, grote gräune Wisch. Dor bläuhten de Blaumen, un de Sünn schiente so schön. Hach, se wüßt gor nich, wat ehr gescheihn wir. Un donn stünd' s' up un seggt: „Ja, hier is wiet un breit nicks to seihn. Einerwägens möt jo ok irgendswo 'nHuus sienunmöten jo ok Minschen wahnen." Un donn mök s' sick up 'n Weg. •"Dat1 duert ok nich lang', rdor 1 kümmt s' vörbie an 'n groten Backaben. In den Backaben wir Brot. Un dit Brot, dat schriet ümmer: „Hai mi ruut! Hai mi ruut! Ick bün gor! Ick bün gor! Süss warden wi schwärt." „Ach", denkt se, „worüm sali ick dee nich ruuthalen?" rSe1 nimmt den groten Brotschüwer un makt den Backaben up un haalt de Bröd' all ein nah 't anner ruut un leggt se all in 'ne Reihg' hen. — Un donn geiht se wieder. Noch 'n lütt End' wieder steiht dor 'n groten Appelboom mit schöne rode Appel, un dee lachen man so. Un de Appel, dee ropen von den Boom runner: „Schürr uns af! Schürr uns af! Wi sünd jo all riep! Süss verrotten wi." „Ach", denkt se, „worüm sali ick dee nich afschürren?" Un rse1 schürrt all de Appel af un sammelt s' all up 'n groten Hümpel tosamen. Ah, dat rök so schön von de Appel. (Ewer se müßt jo wiedergahn. Un donn güng se noch ümmer 'n End' wieder un noch 'n End' wieder, un donn köm se toletzt an 'n lüttes Huus. Un baben ut dat Finster, dor keek 'ne olle Fruu ruut. Dee hadd witte Hoor un hadd 'ne schwärt Fladus' up 'n Kopp un lacht cewer 't ganze Gesicht. rSe1 hadd rode runne Backen un läd' mit ehr beiden runnen Arm up dat Finsterbrett. Un dee sehg' ehr. (Ewer as se den Mund updaun ded un de lütt Diern fragen ded: „Wat willst du? Un wo kümmst 103

du her?", donn hadd se 'n poor so grote, grote gäle Tähnen. Dor kreeg' de lütt Diern so 'n Schreck un wull wegloopen. •"Dor1 seggt de oll Fruu: „Du bruukst doch nich wegtoloopen. Du bruukst doch kein Angst vor mi to hebben. Ick dau di nicks. Ick bün Fruu Holle. Hest noch nie von hürt? Kumm mal rin! Du sallst dat gaut hebben bie mi. Worüm löppst du hier rüm, wo süss kein Minsch geiht?" Un donn güng de '"Diern1 jo ok rin nah de Fruu Holle un verteilte ehr, wo ehr dat gahn hadd: Dat se de Spaul hadd' ut den Soot halen süllt un wir denn so ganz unnen runfollen un up 'ne grote Wisch ankamen. „Ach", seggt Fruu Holle, „dat makt gor nicks. Du sallst dat bie mi schön hebben. Bloß du möößt ok wat daun! Fuul Lüüd' kann ick nich lieden. Kiek mal, du sallst morgens mienBett schön upschürren! Un du möößt dat sodull schürren, dat de Feddern dor ruutfleigen, un dat de Lüüd' up de Ierd denken, dat schniet! Un denn möößt du de Stuben utfägen, un denn möößt du in de Kock helpen: Tüffel schellen un Middag kaken un . . . Willst du dat daun?" „O ja, dat will ick all giern daun. Dee Arbeit bün ick jo Tvon1 to Huus gewennt", seggt se. Un se ded dat ok 'ne ganze Tiet. Un donn up einmal, donn kreeg' se dat Heimweh. Denn wenn 't 'n Minschen noch so gaut geiht, denn toletzt mücht he doch wedder nah Huus. Un donn seggt se dat to Fruu Holle. Dee frög' ehr all ümmer: „Du sühst jo so truurig ut! Wat schad't di eigentlich? Geiht di dat hier nich gaut?" „Oh", seggt se, „mi geiht dat jo hier all so gaut. Un dat is all so schön hier. (Ewer ick mücht doch wedder nah Huus, wo all de annern Minschen ok sünd. Ick mücht wedder nah mien Mudder un mien Schwester hen, wenn se ok leeg' to mi wäst sünd." „Na", seggt Fruu Holle, „denn sallst ok wedder hen! CEwer ierst sallst noch dien Lohn hebben. Du büst jo so flietig un so 'ne lütt orndliche Diern wäst. Du kriggst dien Lohn von mi." Un donn föt se ehr an de Hand un güng mit ehr an 'n grotes Dur. Doqn stött se dat Dur up un schöw de lütt Diern dor rinner, un donn füng dat an, luuter Gold to rägnen. Un cewerall an ehr Kleeder, an ehr Händ'n, an ehr Arm, up ehren Kopp, dor legen de Goldstücken. Oh, wat sehg' se schön ut! „So", seggt Fruu Holle, „nu gah man nah Huus!" Un donn geiht se jo ok nah Huus. — Un as se to Huus ankümmt, donn sitt de Hahn up 'n Tuun un wunnerwarkt. Un schließlich schriet he denn: gerufen

Ki-ke-ri—ki,

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uns'goll'njung-fer iswed-der hie!"

Dor kamen Mudder un Schwester ut de Dör ruut un wunnern sick, wo dat moeglich is, dat de Schwester so ganz un gor so vull Gold wedderkümmt. „Wo büst du wäst?" seggt de Mudder. „Wi hebben all soväl nah di söcht." „ J a , ick süll doch de Spaul ut 'n Soot halen. Un donn bün ick dor runnersprungen. Un donn bün ick dor up 'ne grote Wisch kamen, un denn bün ick nah Fruu Holle gahn. Ierst müßt ick noch Brot ut 'n Backaben halen un müßt de Appel noch schürren. Un denn bün 'ck nah Fruu Holle gahn. Se säd', dat se Fruu Holle heiten ded'. Un dor müßt ick all de Betten schürren un müßt all de Arbeit daun, dee ick hier to Huus ok daun möt. Un as ick donn wedder weg wull, donn säd' se, ick süll mien Lohn hebben. Un donn het se dat Dur upmakt, un donn is all dat Gold cewer mi rägent." Ah, wat hebben s' dor staunt! Wat hebben s' dor wunnert! So wat hadden s' noch nich eins seihn. „ T ä u w " , denkt de Mudder, „dor möt de anner Diern ok hen. Dat is nu ganz egal, dee möt dor ok hen. Dee sali ok so väl Gold hebben. Wenn se ok man häßlich is, cewer wenn dat Gold denn up ehr liggt, denn will'nKierlseok noch hebben." Na, un de r Mudder! seggt r to ehr 1 : „Denn sett di ok man hen an 'n Soot! Un denn möößt du ok 'ne Spaul nähmen un möößt di in 'n Finger stäken. Un denn lettst dat Blaut dor cewerloopen, un denn schmittst de Spaul in 'n Soot, un denn springst achteran!" „Ach nee", seggt se, „ick mag doch kein Blaut seihn. Un in 't Water mag ick ok nich." „Ach wat", seggt de Mudder, „wenn du denn naher vull luuter Gold hängst, denn hest dat all all lang' vergäten." Na, se deit dat jo ok, steckt sick in 'n Finger, dat dat Blaut cewer de Spaul geiht, un donn Schmitt s' dee in 'n Soot un springt achteran. rSe 1 kümmt jo ok up de schöne Wisch to liggen, wo dat all so schön is. Un de Blaumen bläuhden, un de Sünn schient. Un se seggt: „So, nu will 'ck losgahn, dat ick nah de Fruu Holle henkam." Na, unnerwägens möt se jo ok ierst bie den Backaben vörbie. Un ut den Backaben, dor röppt dat ümmer: „Hai uns ruut! Hai uns ruut! Wi sünd all g o r ! " — Un dat rök so schön nah Brot, ja. Un se seggt: „Ach wat, wat gelt mi dat a n ? " Un dee ropen noch eins wedder: „Hai uns ruut! Wi verbrennen!" „Ach wat", denkt s', „denn verbrennt! Glööwt ji, dat ick mi bie juuch de Fingern verbrennen will un de Händ'n schwärt maken will? Föllt mi gor nich in." — Un donn geiht s' wieder. Un denn kümmt s' an 'n Appelboom. Un de Appel seggen: „Schürr uns af! Schürr uns af! Wi sünd all riep." Donn kickt s' dor rup. De Appel seihn jo ganz schön ut, oewer se denkt: „Pah, ick sali juuch all afschürren, un denn sallen s' mi all up 'n K o p p fallen? Nee, föllt mi jo gor nich in." — Un donn güng s' wieder. 105

Un donn köm se ok nah Fruu Holle hen. Un dee keek ok wedder baben ut ehr Finster un sehg' diss' Mäten kamen un seggt ok: „Na, wo kümmst du her?" „Ach", seggt se, „ick heff spault, un an de Spaul, dor is Blaut ankamen. Un donn heff ick se waschen wullt in 'n Soot, un dor is se rinnerfollen. Un donn bün ick achteran sprungen. Un nu bün ick hier." „Tje", seggt Fruu Holle, „denn blifft di woll nicks anners cewrig, denn möößt du woll rinnerkamen. Du kannst bie mi blieben. Denn möößt oewer ok flietig sien! Denn möößt de Arbeiten all maken! Du möößt mi de Betten upschürren, so upschürren, dat de Feddern fleigen un dat de Lüüd' denken dor unnen, dor föllt de Schnei! Un denn möößt utfägen un in deKcek wat daun! Un all, watso 'n lütt Mäten to Huus daun möt. Willst du dat?" „Ja ja, rdat1 will 'ck woll all daun", seggt se. Na, den ¡ersten Dag güng dat ok ganz schön. Dor schürrt se de Betten gaut up un mök all de Arbeit. Den tweiten Dag, donn würd s' all fuul. „Och", seggt se, „de oll Arbeit! Nee, dat mag ick gor nich!" Un rse1 treckt dat Bett von Fruu Holle bloß so 'n bäten wedder trecht un fägt cewer rcewer cewer all den Dreck. Un de Tüfften schellt se nich orndlich, steckt de Ogen nich ut. Na, un so bleew rdat1. Fruu Holle schimpt ehr, cewer dat bleew so bie. Se würd ümmer leeger in de Arbeit. Un toletzt seggt se: „So, ick will ok wedder nah Huus! Ick mag hier nich mihr sien! Ick will wedder nah mien Mudding hen!" „Ja", seggt Fruu Holle, „wenn du denn dor wedder henwillst, denn helpt dat nich. Denn möößt cewer ok noch dien Lohn hebben." Un donn dacht de rDiern"1 jo: „Oh, nu kam ick ok unner dat gollen Dur, un denn krieg' ick ok all de gollen Dalers up mienen Kopp un up mien Kleeder." — Un se güng jo ok mit. Un Fruu Holle geiht cewer an 'n anner Dur un makt dat Dur up un schüfft ehr dor rin. Un wat glööwt ji? Luuter Pick rägent dor run. So 'n Pick, as de Schausters hebben un wo mit teert ward, so 'n Pick. Dat rägent ehr all up den Kopp un up dat Kleed. O wat sehg' se ut! Nee! Un donn güng s' nah Huus. — Un dor set de Hahn up 'n Tuun, un dee kreihte: gerufen

i ^ t e f .i'.f'i.J' • M i a p ,,Ki-kc-ri-ki,

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u n - s e - r e d r e k - k i - g e Jung-fruu is wed-der hie!"

Donn kümmt de Mudder un de Schwester ruut, un donn sehgen se de Diern, ganz un gor von Pick cewergaten. O wat sehg' dee ut! „Nee", seggt de Mudder, „dit is jo tau un tau leeg'!" Nu hadd se twei Döchter: Dat ein, dat wir de Goldmarie. Un dat anner, dat wir ehre Pechmarie. 106

19 Brüdereben und Schwesterchen Dat wiren mal twei lütt Kinner, 'n Brauder un 'ne Schwester, un dee wir de Mudder dotbläben. Un nu hadden se 'ne anner Mudder krägen, un dee wir gor nich gaut to ehr. Se kreegen bloß de harten Brotknüst to äten, un Fleisch un Wurst, dat schmet s' den H u n d unner 'n Disch. D o n n säden de beiden lütten Kinner: „Weißt wat? Wi gahn nu weg. Wi gahn woanners hen. Bie diss' Mudder willen w' nich blieben. Wi finnen woll annerwägens Lüüd', dee anners bäter to uns sünd." Un donn güngen se jo ok los un wiren ganz truurig. Un donn güngen se dörch 'n Wald un wiren toletzt all so mäud' un künnten nich mihr gahn, un se weinten. Un nu wullten se doch giern schlapen, un d o n n fünnen s' 'n hollen Boom. Un donn Steegen s' in dissen hollen Boom rin, un dor hebben s' denn de Nacht schlapen, bet den annern Morgen de Sünn ehr an de Näs' ketteln ded un ehr wedder munter maken ded. Un donn kröpen se dor ruut ut den Boom. Un donn säd' de lütt Brauder: „Swesting, weißt wat? Ick bün jo so döstig!" „Ach", seggt se, „wo sali ick hier wat to drinken herkriegen?" „Ach, wi willen mal seihn, ob wi nich irgendswo 'n Born finnen. D o r kann ick denn jo eins ut drinken." Un se föten sick wedder an de Hand un güngen los. Un 't duert ok nich lang', donn kömen se an 'n Born. (Ewer dat wir 'n eigen Ding. De oll anner Mudder, dat wir 'ne Hex, un dee hadd sick jo all dacht, dat de Kinner woll döstig würden, un hadd all de Borns, dee in den Wald wiren, verhext. Na, un nu wull de lütt Brauder jo ran an den iersten Born. Un dat ruuscht un ruuscht, dat Water, un ut dat Ruuschen ruut dor hürt de lütt Schwester ümmer: „Wer ut mi drinkt, dee ward 'n Tiger! Wer ut mi drinkt, dee ward 'n Tiger!" — Un se seggt: „Bräuding, Bräuding, drink nich dorut! Denn wardst du 'n wildes Tier, un denn rittst du mi ganz un gor entwei, un denn frettst du mi up. Drink dor nich ut!" Na, he köm ok wedder trüch. He köm denn un säd': „Na, denn will ick man noch 'n Ogenblick täuben. Wi kamen vielleicht noch an 'n anner Water." Un donn güngen se wedder 'n E n d ' wieder, un dor kömen se wedder an 'n Born. — „Hier will ick nu cewer drinken", seggt he. — Un he geiht ok ran. Un denn ruuscht dat Water wedder, un de Schwester, dee hürt ü m m e r : „Wer ut mi drinkt, dee ward 'n Wulf! Wer ut mi drinkt, dee ward 'n Wulf!" — Un se seggt: „Bräuding, Bräuding, drink dor nich ut! Denn wardst du 'n Wulf, un denn frettst du mi u p . " „Ach Swesting", seggt he, „un ick bün doch all so döstig. Ick kann 't gor nich mihr uthollen. (Ewer wenn nu wedder 'n Water kümmt, denn drink ick dorut." 107

Un se körnen dor wedder an so 'n Born, un dee röp ümmer: „Wer ut mi drinkt, dee ward 'n Reh! Wer ut mi drinkt, dee ward 'n Reh!" — Un se will dat grad' to em seggen: „Du wardst 'n Reh." D o r drünk he all dorut. Un se höll sick de Ogen to vor Schreck. Un as se s' wedder upmaken ded, dor stünd' vor ehr 'n lüttes Reh un keek ehr so truurig an. „Ach du leiwer Gott", denkt se, „nu heff ick keinen Brauder mihr. N u heff ick bloß dat lütt Reh." Ja, un d o n n nehm se ehren Strumpenband — se hadd noch von ehr Mudder her 'n gollen Strumpenband —, un dat bünd' se dat lütt Reh üm 'n Hals. Un denn mök se sick ut Beisen un ut Stroh 'n Seil, un donn b ü n d ' se dat an dat Halsband an, un denn güngen se jo nu wieder. Un denn güngen se dörch den Wald, un donn kömen se an 'ne lütte Hütt. D o r wir kein Minsch in. Un donn dacht de lütt Schwester: „Hier künnten wi jo eigentlich blieben." Un dor güng se dor rin, un se söchten sick Beeren, Himbeeren un Brummelbeeren un Wörtel, alls, wat se finnen deden to 'n Äten, un denn söchte se sick Loow un Muusch tosamen un makt för dat lütt Reh dor 'n Lager von, dat dat dor nachts schlapen künn. Un denn würden se ok mäud', un dat lütt Reh lad' sick dor hen, un de Schwester läd' sick ok hen un läd' den K o p p up dat lütt Reh sienen Rüggen, dat he weik wir, un so schlöpen se denn de ganze Nacht. Un so güng dat denn 'ne Tietlang ganz gaut. Un as dat denn Harwst würd, donn het de König, den dat Land hüren ded, dor 'ne grote Jagd makt, 'n grotes Jagen. Un dat güng denn mit H u u r n un väl Larm los. Un dat lütt Reh ward dat jo hüren, un donn seggt he: „Swesting, Swesting, dor möt ick hen. Dor is 'ne Jagd, un dat 's jo mien ganzes Laben. D o r möt ick hen, dor möt ick mit biesien." „Ach", seggt se, „wat willst du dor? Dee scheiten di bloß dot." „Nee, nee, se scheiten mi nich dot. Ick will woll uppassen. Un ick kam jo ok wedder." „Ja, cewer wenn du wedderkümmst, denn möößt du an de Dör kloppen, un denn möößt du seggen: ,Mak up, Swesting, ick bün hier! Mak u p ! ' " Ja, dat wull he jo denn ok daun. — Un donn löp he, un den ganzen Dag het dat lütt Reh vergnäugt rümsprungen. CEwer de Jägers, dee köm dat so narrsch v o r : 'n lütt Reh mit 'n gollen Halsband, so wat hadden se in 'n Läben noch nich seihn. Un donn säden s' dat den König. Un de König seggt: „Nu jagt dat lütt Reh man un paßt man schön up, wo 't afblifft. Wi möten doch seihn, wat dat mit dat lütt Reh up sick het. CEwer keiner sali mi dat dotscheiten!" Un donn hebben se achter dat lütt Reh anjagt. CEwer as dat Abend ward, donn springt dat in 'n Busch, un husch! wir 't weg. 108

Ja, un de Jagd, dee güng jo noch den annern Dag wieder, un donn wir dat lütt Reh wedder dor. Dat hadd wedder to de Schwester seggt: „Lat mi ruut! Ick möt dor mit hen, ick möt dor mit biesien. Kiek, ick bün jo gistern ok wedderkamen. Ick kam ganz gewiß hüüt abend ok wedder." Un so güng denn de Jagd wedder los. Un de König, dee sehg' ok dat lütt Reh mit dat gollen Halsband, un he seggt: „Dat mi keiner dat lütt Reh wat toleeden deit!" Un se hebben dat ümmer jagt un jagt, un schließlich hadden se dat denn so 'n bäten in so 'ne Oort Keller krägen, dat dat sick nich recht redden künn. Un de ein, dee schöt em so 'n lütt bäten an de Bein. Un he müßt nu 'n bäten humpeln un künn nich so fix. Un as he donn wedder an de Hütt güng, wir de Jäger achter em angahn un hadd nu seihn, wo he afbleew. Un he röp: „Swesting, Swesting, lat mi rin, ick bün dat j o ! " Un donn mök se de Dör up, un donn köm dat lütt Reh wedder rin. CEwer de Jäger hadd dat jo nu seihn, wo dat lütt Reh afbläben wir, un verteilt jo nu den König, so un so is dat: „Dee wahnen dor in so 'ne lütt Hütt, un dat Reh, dat kann snacken. Un de lütt Schwester, dee het sick mit em wat verteilt." Un nu wüßten se jo Bescheid. Un rden 1 annern Dag güng dat wedder los, dat Jagen. Un as dat gegen Abend würd, donn seggt de König: „Ick möt doch mal seihn, wo dat all is. Holt't ji dat Reh man noch 'n bäten hier buuten!" — Un he geiht denn hen nah de Hütt un kloppt an un seggt: „Swesting, mak up! Ick bün hier." Un se makt jo ok up — un wat het se sick verfihrt! Dor stünd' dor vor ehr so 'n groten Mann in 'n gräunen Rock mit sülwern Knöp, un dee hadd 'ne Krön up 'n Kopp. O wat het se sick verfihrt! Un donn seggt he: „Verfihr di man nich! Wo kümmst du hier nah disse Hütt her? Du büst doch 'ne hübsche lütte Diern.Weißt wat? Du kümmst nu mit mi, un denn wardst du mien Fruu." „Ach", seggt se, „ick bün doch man so 'ne lütt arm Diern." „Dat 's egal. Ick mag di so giern lieden, un denn wardst du mien Fruu." Un se seggt:,, Ja, dat will 'ck woll daun, cewer mien lütt Reh" — dat köm denn ok grad' antospringen —, „dat möt ick mitnähmen. Ahn mien lütt Reh gah ick nich." Na, un de König, dee nehm ehr jo mit up sien Pierd naher, un dat lütt Reh löp ümmer näbenan. Un so kömen se denn jo up sien Schloß. Dor würd 'ne grote Hochtiet fiert, un se läwten vergnäugt alle Dag'. Un dat lütt Reh, dat wir ümmer bie ehr rüm un sprüng in 'n Schloßgoorden rüm. Un as dat 'ne Tietlang wäst is un 'n Johr rüm wir, donn kreeg' de Königin 'n lütten Scehn, un se freuten sick so dorto. Un de bös Steifmudder, dee hadd dat nu ruuterkrägen, wat ut de Kinner worden wir. Se hadd dacht, de lütt Diern, dee wir von de wilden Tiere upfräten, un de lütt Jung', dee wir nu as Reh von de Jägers dotschaten. Un nu 109

wir 't all nich wohr. De Diern wir Königin worden, un ehr eigen Dochter, dee se hadd, dee so häßlich utsehg' un hadd ok man ein Og', dee set jo nu to Huus, un dee hadd gor nicks. „Nee", seggt se, „weißt wat", seggt se to ehr Dochter, „dat willen wi mal kriegen. Königin wardst du nu naher." Un denn geiht se hen, as de König ut is up de Jagd, un de Königin, dee liggt in 'n Bett. Donn verkleed't se sick as Kammerfruu un seggt: „Ick will di mal wat seggen. Ick heff dor so 'n schönes Bad anricht't. Un dat du 'n bäten kräftiger wardst, sallst du nu mal schön baden." Un se un ehr Dochter, dee drögen ehr in deBad'stuw' rin, un denn möken se so 'n heites Füer, dat de Königin dat nich mihr uthollen künn. Se künn kein Luft mihr halen, un se müßt versticken. Un donn seggt de Mudder: „So, nu is 'tTiet!" — Donn nimmt s' ehr Dochter un treckt ehr 'n Nachtkleed an un sett't ehr 'ne Nachtmütz up un packt se in dat Bett von de Königin, cewer so, dat de König dat nich seihn ded, dat s' man ein Og' hadd. Un as de König denn abends nah Huus kümmt, donn will he jo ok sien Fruu seihn un will sienen lütten Scehn seihn. Un donn seggt de bös Steifmudder: „Nee, dor kannst du nu nich rin: Se is so schwach un so älend. Du dörfst ehr nich stüren! Dee möt nu schlapen, un Licht dörf se ok nich hebben." „Ach", seggt de König, „wenn ehr dat man süss gaut geiht." — Un denn geiht he weg. Un dat lütt Kind, dat is mit de Upwohrfruu in de anner Stuw'. Un as nu nachts de Klock twölf schlagen het, donn geiht de Dör up. Un wer kümmt dor rin? Dor kümmt de richtige Königin dor rin un geiht an de Weig' von dat Kind un haalt sick dat Kind ruut un leggt sick dat an de Bost. Un donn makt se em dat Bett wedder trecht un packt dat wedder rin in dat Bett, un donn seggt se: „Was macht mein Kind, was macht mein Reh? Nu kam ick noch tweimal un denn nich meh." „Ach", denkt de Kammerfruu, „is dat nu 'ne Späuk, oder is dat de richtige Königin, oder wat is eigentlich los hier in den Schloß?" — Un se fragt de Wachen: „Hefft ji cewer Nacht wän hier ut- un ingahn seihn?" „Nee", säden de Wachen, „wi hebben keinen Minschen seihn. Hier is kein ein wäst." Na, annern Abend kümmt jo de Königin wedder un seggt: „Was macht mein Kind, was macht mein Reh? Nun komm ich noch eins un denn nimmermeh." Un se nimmt dat lütt Kind wedder ruut un packt dat naher wedder schön in un geiht wedder ruut ut de Dör.

Un donn löppt de Upwohrfruu in ehr Not nah den König un verteilt em de ganze Geschichte un wo dat wäst wir un dat ehr all ganz gruugen würd. Un donn seggt de K ö n i g : „Lat man! (Ewer Nacht sett ick mi an de Weig'. Denn will ick dat mal seihn, wat dat dormit för 'ne Bewandtnis het." Un in 'n Stillen denkt he: „Süll dat doch woll miene leiwe Fruu wäst sien?" Un he sett't sick jo ok dor hen. D e D ö r geiht up, un donn kümmtse noch einmal, nimmt dat Kind ruut un packt dat naher schön wedder in. Un donn seggt se: „Was macht mein Kind, was macht mein Reh? Nun kam ich noch diesmal und nun nimmermeh." Un donn springt de König up un fött ehr bie de Hand un nimmt ehr in 'n Arm, un in densülben Ogenblick is se wedder lebendig. Un he freut sick, dat he siene richtige Fruu wedderhet. De anner, dee ward ut dat Bett ruutschmäten. Dee ward in 'n Wald jagt, dat de wilden Tiere ehr upfräten. Un de Hex, de Mudder, dee den Born verhext het, dee maken se 'n grotes Füer an, un donn möt ehr dat Füer verbrennen. r Un in densülben Ogenblick, dor würd dat Reh wedder de Brauder 1 * Un Bräuding un Swesting läben bie den König. — Un wenn se nich dotbläben sünd, denn läben se hüüt noch all vergnäugt tosamen. 20 Aschenputtel

Dor wir mal eins 'n rieken Koopmann, dee hadd 'ne Fruu un hadd 'ne lütt Dochter. CEwer de Fruu, dee wir krank, un dat güng ehr von Dag to D a g leeger, un se hadd nich mihr lang' to läben. Donn het se ehr lütt Diern eins an ehr Bett ropen un het seggt:,, Hür mal to, mien lütt Diern! Kiek mal, ick bün nu so krank, un ick weit nich, wo lang' ick noch läben dau. Wenn ick nu nich mihr bün, denn wäs ok ümmer schön oordig un mak dienen Vadding ok Freud'! Möößt ümmer denken: ,Mien Mudding, dee sitt naher baben in 'n Häben, un dee kann ümmer runkieken un alls seihn, wat du deist.'" „Ach Mudding", seggt de lütt Diern un weint. „Na, nu lat man", seggt se, „ick bün ümmer r bie di 1 . Wenn ick von 'n Himmel runkiek, denn seih ick di ümmer, un denn will ick ok ümmer för di bäden." Na, un nah 'ne körte Tiet, donn mök de Fruu de Ogen tau för ümmer, un se würd begrawt up 'n Kirchhoff. Un de lütt Diern, dee het so fürchterlich jammert un weint. Un jeden Dag güng se hen nah den Kirchhoff un sett't sick an * Von der Erzählerin beim Anhören der Tonbandaufnahme ergänzt.

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ehr Mudding ehr Graff, bet naher de Winter kamen ded un de Schnei de witten, langen, groten Leilakens cewer de ganzen Gräwer leggen ded. Un as to 'n Frühjohr de Sünn den Schnei wedder wegleckt hadd, donn nehm de Mann sick 'ne anner Fruu. (Ewer donn güng för sien lütt Dochter doch 'ne böse Tiet an. De anner Fruu, dee bröcht twei Kinner mit, twei Döchter, dee sehgen woll ganz schön ut von buuten, cewer se hadden 'n schwartes Hart. Se müchten de lütt anner Diern, de Dochter von den Vadder, nich lieden. Se hadden jo ok Angst, de Vadder künn von dee mihr hollen as von ehr. Un donn hebben s' ehr ¡immer ärgert un schubst, un toletzt hebben s' seggt: „Wat willst du hier noch bie uns? Gah du man nah de Kcek un dau wat! Denn wer nich arbeit't, dee sali ok nich äten!" Un so hebben s' ehr ruutjagt nah de Kcek. Ehr hübschen Kleeder, dee müßt se uttrecken, dee behöllen se för sick. Un denn trocken s' ehr 'n griesen Kittel an. Un donn müßt se as Kcekendiern all de schweren Arbeiten maken: Se müßt de Abens inbäuten, un se müßt de Kcek utfägen un müßt afwaschen un müßt Füer anmaken — un all wat so Kcekschenarbeit is. Un dorbie würd se jo ok schmutzig un dreckig utseihn. Un as se denn abends to Bett gahn will, donn seggen de annern Dierns: „Wat, du willst noch in 'n wittes Bett liggen, so dreckig as du utsühst? Gah du man hen nah de Kcek un schlap dor in de A s c h ! " Un rse1 leeten ehr nich in ehr Bett gahn. Un so müßt se denn jeden Abend dor in de Kcek schlapen an de Ierd. Un an r einen 1 Dag, dor wull de Koopmann wedder Wor inkööpen, denn he müßt jo ok ümmer alles hebben, wat de Lüüd' fordern deden. Un donn seggt he to de Dierns, to de Döchter von sien Fruu, wat he ehr nich wat mitbringen sali. „O ja", seggen se, „bring uns man wat mit! Schöne Kleeder sallst uns mitbringen un hübsche sieden Schauh un gollen Käden un Broschen un Ringen! All so wat Schönes, dat möößt uns mitbringen!" „Na ja", seggt he, „ick will mal seihn." — Un donn geiht he ok nah de Kcek to de lütt Diern, to sien eigen lütt Diern, un weil se so dreckig utseihn ded, donn säd' he: „Na, mien lütt Aschenputtel, ick will nu verreisen. Sali ick di ok wat mitbringen?" „Ach ja, Vadding", seggt se, „weißt, wat du mi mitbringen kannst? Wenn du trüchkümmst un du kümmst unner 'n Boom vörbie, un de Twiegen von 'n Boom, dee stöten di an 'n Haut, kiek mal, den Twieg', den plückst af, un den bringst mi mit." De Vadder kickt ehr an un lacht: „Wenn du wieder nicks willst." „Nee", seggt se, „wieder will ick gor nicks hebben." Un he ritt jo ok weg un kümmt so nah vierteihn Dag' wedder trüch. r Hei het inköfft, un för de beiden Dierns von sien Fruu, dor het he ok schöne Kleeder un Schauh un Ringen un all so wat Schöns mitbröcht. Un he röppt ehr, un he 112

gifft ehr dat, un se freuen sick un loopen dormit af. Dee seggen nich mal eins „danke" to ehren Vadder. Un donn geiht he ok nah de Kcek un seggt: „Hier, mien lütt Diern, ick heff di ok wat mitbröcht. Kiek mal, as ick wedder trüchkamen ded von de grote Stadt, donn müßt ick dor unner so 'n Busch vörbierieden. Un du hest mi doch seggt, du wullst 'n Twieg' von 'n Boom hebben, dee an mienen Haut stöten ded'. Un kiek, den heff ick di nu mitbröcht." „O Vadding", seggt se, „wo schön!" Un se fött em rundüm un gifft em 'n Kuß. Un de Vadder denkt: „Wat se woll bloß dormit will! Ick süll ehr 'ne Raud' mitbringen. Wat se dor woll bloß mit will?" Un donn nimmt r Aschenputtel 1 den lütten Twieg' un löppt dormit nah 'n Kirchhoff un plant't em up ehr Mudding ehr Graff. Un dor möt se wedder so weinen. Na, cewer mit ehr Tranen, dor begütt se den rTwieg' 1 . Se het so dull weint, dat so väl Tranen kamen sünd, dat dorvon de Boom anwussen is. Un ümmer, wenn nu ehr Hart so schwer wir un se so truurig wir, denn güng se hen nah den Kirchhoff. De Boom, dee wir wussen. Un denn köm dor 'n witten Vagel un sett'te sick dor up. Un denn künn se von den witten Vagel sick ümmer wat wünschen, un dee schenkte ehr dat denn ok. — So güng denn 'ne Tietlang hen. Un donn köm eines gauden Dags de König von dat Land, dee söchte för sienen Scehn 'ne Fruu. Un he het all de Jungfern in sien ganzes Land inlad't. Dor süll 'n Danzfest makt warden, dat süll drei Dag' duern. Un dor süll de Soehn sick denn 'ne Fruu utsäuken. Un so wiren jo nu de beiden Döchter von de Steifmudder ok mit inladen. Un nu hadden se jo von ehren Vadder schöne Kleeder krägen, dee künnten se nu antrecken, un schöne Schauh. Un donn hebben se Aschenputtel rinropen, se süll ehr de Hoor kämmen un süll ehr de Schauh taubinnen. Un donn seggt Aschenputtel: „Wo wollt ji hen?" „Ja, dor is 'n groten Ball, un de Königssohn, dee will sick 'ne Fruu utsäuken, un dor warden wi danzen." Un r donn 1 seggt Aschenputtel: „Ach Mudder, ick mücht doch ok so giern danzen. Ach, lat mi doch ok 'n bäten mitgahn! Ach man tau, ick mücht ok so giern mitgahn!" „Nee", seggt de Steifmudder, „wat willst du dor? Du sühst jo so dreckig ut. Di kcenen wi dor nich mit hennähmen, mit dienen griesen Kittel un mit dien dreckiges Hoor un dien dreckiges Gesicht." „Ach man tau!" seggt se. „Ick würd jo gor nich mit danzen. Wenn ick dor bloß 'n bäten taukieken kann. Lat mi doch mitgahn!" „Nee", seggt de Fruu, „kümmt gor nich in Frag'!" Un se bidd't, un se bidd't. 8

Neuma nn, Märchenfrau

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Un rdor 1 seggt de Steifmudder schließlich: „Je, denn will ick di wat seggen: Ick heff hier 'ne Schal vull Arwten, un dee schürr ick di in de Asch. Un wenn du dee gaut utsammelst, denn kannst du ok mitkamen." — Na, dat deit se jo ok. Un lütt Aschenputtel, dee löppt denn ruut ut de Achterdör un röppt ehr lütten Duuben — se het twei tamme Duuben, dee sünd witt, un denn het se noch anner Duuben — un de annern Vcegel. Un denn röppt se dee all rin: „Kamt all, mien leiwen Voegels, mien lütten Düüwings, kamt her un helpt mi, ick sali Arwten upsammeln. Kamt her un helpt m i ! " Un dor kamen jo ierst de beiden witten Duuben antofleigen un gliek achteran de annern Duuben, un donn seggt se: „Hier in de Asch, dor sünd all de Arwten. Dee möt't ji nu all fein utsammeln! Un de gauden, dee sammelt ji in 'n Pott un de leegen in juugen K r o p p ! " Un donn füngen jo de lütten Duuben an to picken: Pick-pick-pick, un klick-klick-klick föllen se ümmer in den Pott. Un dat wir kein halw' Stund' her, donn hadden se alls oewer ok rein utsammelt. Un hurrdiburr! wiren se wedder ruut ut 't Finster. Un Aschenputtel geiht mit de Schal vull Arwten nah ehr Steifmudder un seggt: „Kiek mal, Mudder, dee heff ick all all utsammelt. Dat heff ick doch fix makt. Kiek mal, un nu, nu kann ick doch ok mitgahn nah 'n Danzen?" „Wat? Du willst mit nah 'n Danzen? Nee, so as du utsühst, di kcenen wi doch nich mitnähmen nah 'n Danzen. Wi möten uns jo de Ogen ut 'n Kopp schämen, wenn wi seggen, dat du to uns hürst. Nee, dat kümmt nich in Frag'." „Ach man tau!" seggt se. „Ick würd jo man bloß taukieken." „Na", seggt de Steifmudder, „ick heff hier noch twei Schalen mit Arwten, un dee will ick ok in de Asch schürren. Un wenn du dee in 'ne halw' Stund' utsammelt hest, denn kannst mitkamen." Na, un se geiht jo ok ruut, un se röppt wedder de Duuben un seggt: „Kamt her, all ji Vcegel unner 'n Himmel un helpt mi, dat ick dat utgesammelt krieg'!" — Un se kamen wedder antofleigen, un se seggt: „De gauden in 'n Pott Un de leegen in 'n K r o p p ! " Un denn geiht dat wedder los: Pick-pick-pick, un klick-klick-klick föllen de gauden in 'n Pott. Un as se dormit fardig sünd, donn geiht se hen nah ehr Mudder un seggt: „Ick heff dat all utsammelt." Un indes is de Steifmudder all mit ehr Döchter fardig, un se gahn weg, un se lett ehr mit de Arwten dor stahn un seggt: „Du kümmst nich mit, kümmt gor nich in Frag'! Bliew du man to Huus!" — Un donn stünd' se dor ganz allein. De Steifmudder, dee dreiht sick üm un geiht mit de Dierns weg. Donn steiht '"Aschenputtel 1 dor so ganz allein un is so truurig. „Hach", denkt se, „dee kcenen nu all weg, un ick möt hierblieben." Un donn löppt

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se fix nah ehr Mudding ehr Graff uri sett't sick dor hen un weint. Un donn kümmt de witte Vagel angeflagen, un donn seggt Aschenputtel: „Lütt Bööming, rög' di un schürr di! Schmiet Gold un Sülwer cewer m i ! " Ach, un dor mit einmal, dor würd de Boom ruuschen, un dat bruust 'n Wind. Un wat glööwt ji, de Vagel, dee Schmitt ehr dor ein Kleed runner ut Gold un Sülwer un ok gollen Schauh. Aschenputtel wüßt ierst gor nich, wo ehr to Maut wir. CEwer donn nehm se fix dat Kleed un de Schauh un löp dormit nah Huus un het sick wascht un kämmt. Un denn het se dat antrocken, un ganz fix is se ok henloopen nah den groten Danzsaal. Un as se dor anköm, dor keeken all de Lüüd', wo dee woll herköm: „Wat is dat för 'n hübsches Mäten?" — „Ach, un wat het se för 'n schönes Kleed an mit Gold un Sülwer!" — Un de Steifmudder, dee süht ehr ok. Dee het ehr nich kennt. Dee seggt to ehr Döchter: „Paßt mal up, dat is gewiß 'ne Prinzessin, un dee ward de Königssohn woll heuraten." Na, un de Königssohn, dee kriggt ehr ok to seihn. Un gliek löppt he up ehr tau un fött ehr bie de Hand un fangt an mit ehr to danzen un lett ehr den ganzen Abend nich wedder los. Un ümmer, wenn ein anner köm un wull mit ehr danzen, denn seggt he: „Nee, dat is mien! Un wagt bloß, ehr antofaten, denn sallt ji wat beläben! Mit dee will ick ganz allein danzen." Nu hebben se ümmer danzt, un all Lüüd', dee hebben tokäken unhebben sick dorcewer wunnert, wat för 'n hübsches Poor dat wir. Un as dat nu Abend würd, donn seggt Aschenputtel: „Nu is 't cewer Tiet, nu möt ick cewer fix nah Huus." „Ach", seggt de Königssohn, „worüm willst du all nah Huus?" „Ja. Nee, nu möt ick nah Huus. Nu kann ick nich mihr länger blieben." „Na", seggt he, „ick bring di cewer nah Huus, du sallst nich allein gahn." „Ach nee, nee, lat man", seggt se, „ick find' ok allein nah Huus." Un he seggt cewer wedder: „Nee, allein lat ick di nich gahn." Un he geiht jo ok mit ehr. Un as se dor kort vor ehren Vadder sien Huus sünd, dor steiht dor dat Duubenhuus, un dor springt Aschenputtel fix rin un is weg. Mitdewiel kümmt ok de Vadder nah Huus. Un donn seggt de Königssohn to den Vadder: „Du, hür mal to! Hier is äben dat hübsche Mäten, wo ick ümmer mit danzt heff, dee is hier in dien Duubenhuus sprungen. Seih doch mal to, dat du ehr wedder ruutkriggst. Dee hürt doch woll to di." „Nee", seggt de Vadder, „dat weit ick nich." Un he kickt nah dat Duubenhuus rup un lett sick Äxt un Biel bringen un haugt dat ganze Huus entwei. CEwer dor is Aschenputtel nich in. Dee is intwischen fix wedder ruutsprungen up de anner Siet un is nah Mudding ehr Graff loopen un het de Kleeder dor wedder henleggt un is nah Huus loopen un het sick ehren griesen Kittel 8»

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antreckt, het sick ehr Gesicht wedder schwärt makt un de Händ'n un het sick in de Asch leggt. CEwer de Vadder denkt doch: „Sali dat woll doch Aschenputtel wäst sien?" He kann sick dat nich recht denken. Un he geiht denn nah de Kcek, un de Königssohn geiht ok noch mit. Un donn seihn se Aschenputtel dor in de Asch liggen. — „Nee", seggt de Vadder, „dee is dat nich wäst." „Dee", seggt de Mudder, „dee is nich nah 'n Danzen wäst. Dee is 'n ganzen Dag hier wäst un de ganze Nacht hier wäst, dee is nich weg wäst." Na, de Königssohn geiht jo wedder weg. Un 'n annern Dag geiht dat jo wedder los. rDor 1 willen se wedder hen nah 'n Danzen. Un Aschenputtel bidd't wedder, ob se nich mitkamen kann. Un de Mudder seggt wedder ganz braat: „Nee, du kümmst nich mit", schürrt ehr wedder Arwten in de Asch, un de ganze Geschichte, dee geiht wedder los. Se ward wedder so quält, un toletzt seggen s': „Nee, du kümmst doch nich mit!" Un donn löppt r Aschenputtel 1 wedder hen nah ehr Mudding ehr Graff un seggt denn: „Leiw' Bööming, rög' di un schürr di! Schmiet Gold un Sülwer cewer mi!" Un donn fangt dat wedder an to ruuschen, un de witte Vagel kümmt wedder angeflagen. Un donn Schmitt he ehr 'n Kleed runner, dat is noch väl schöner as dat von 'n annern Dag. Se löppt dormit weg un treckt dat an un löppt wedder hen nah 'n Danzen. Un gliek kriggt de Königssohn ehr wedder to seihn un fött ehr bie de Hand un danzt wedder den ganzen Abend mit ehr. — Un alle Lüüd' wunnerwarken, wo disse hübsche lütte Diern eigentlich herkümmt: „Dat möt jo woll 'ne Prinzessin sien." Na, un as dat denn Abend ward, donn seggt se wedder: „Nu möt ick cewer fix nah Huus! Nu heff ick kein Tiet mihr." „Ach, wat willst du nah Huus?" seggt he. „Ja ja. Nee, ick will nah r H u u s V „Wi sünd doch so schön bie 't Danzen." „Ja. Nee, nu möt ick nah Huus. Nu heff ick kein Tiet mihr." „Na, ick bring di cewer nah Huus." Un se denkt ümmer: „Wo wardst du em los, dat he dat nich gewohr ward?" Un as se donn kort vor ehren Vadder sien Huus is, donn steiht dor de Appelboom, un donn springt se in den Appelboom rin un gliek up de anner Siet wedder run. Dat het de Königssohn cewer nich seihn. He täuwt, bet de Vadder ok nah Huus kümmt, un seggt: „Du, dat hübsche Mäten, womit ick danzt heff, dat is hier as so 'n Katteiker hier in den Appelboom rinnerkladdert, un ick kann ehr nich mihr seihn." 116

„Wat?" seggt de Vadder, haalt sick wedder 'ne Äxt un haugt den ganzen Boom runner. CEwer dor is se nich in. Dee wir jo gliek wedder nah 'n Kirchhoff loopen un hadd de Kleeder dor henleggt un hadd sick wedder in de Asch leggt. — Un so finnen se ehr dor ok liggen, un keiner weit, wo dat Mäten afbläben is. Nu kümmt de drüdde Dag. Un donn gahn de annern wedder nah 'n Danzen, un Aschenputtel, dee löppt wedder nah 'n Kirchhoff hen. Ehr Mudder hadd ehr jo nich mitnahmen. Un se löppt wedder nah 'n Kirchhoff hen un seggt wedder to den lütten Boom: „Rög' di un schürr di! Un schmiet Gold un Sülwer cewer mi!" Un de witte Vagel kümmt wedder un Schmitt ehr ein Kleed hen, dat is noch schöner wäst as de annern — mit Gold un Parlen, un schöne Stein wiren doran inneiht. Un dor treckt se dat an un geiht wedder nah 'n Danzen. Un de Königssohn, dee danzt wedder den ganzen Abend mit ehr. Un as se donn seggt: „So, nu is 't cewer Tiet, nu möt ick nah Huus!", donn denkt he: „Du möößt dat doch ruutkriegen, wohen un woher dee hürt." Un donn het he de ganzen Treppen, dee het he mit Pick beschmeeren laten. Un as se dor runlöppt de Treppen, dor blifft de ein gollen Schauh in den Pick hacken, un se möt mit einen Schauh un einen Strümp losloopen. „So", seggt de Königssohn, „nu will ick di woll finnen." Donn nimmt he den Schauh un geiht 'n annern Dag hen nah den Vadder un nah de Mudder un seggt: „Hefft ji hier 'n Mäten, dat disse Schauh paßt? Denn in dit Huus hürt dit lütt Mäten rin, dat dissen Schauh dragen het." Dor sünd de beiden Steifdöchter dor, un donn seggt de ein: „Oh, dee paßt mi. Dee ward mi woll passen." Un he seggt: „Dee de Schauh paßt, dee sali mien Fruu warden." Un donn geiht s' mit ehr Mudder in de Kamer rin un will den Schauh ok antrecken. Un se kümmt dor nich rin. Ehr Tehgen sünd väl to lang, un se kümmt einfach nich rin in den Schauh. „Ach wat", seggt de Mudder, „nu heff di man nich so! Hier hest 'n Biel, haug' di de Tehgen af! Kiek, wenn du naher ierst Königin büst, denn führst doch den ganzen Dag in de Kutsch. Haug' di man den Tehg' af, dat du dor rinpaßt in 'n Schauh!" Dat deit se jo ok un treckt den Schauh denn an, verbitt sick de Weihdag* un kümmt denn an un seggt: „Kiek, mi paßt de Schauh!" „Na", seggt he, „denn is dat jo man gaut." — Un he nimmt ehr up dat Pierd un will mit ehr wegrieden. Un as se an den Kirchhoff vörbiekamen, donn sitten up den Hasselboom, den lütten Boom, dor sitten Aschenputtel ehr beiden witten Duuben, un dee ropen ümmer: 117

„Ruckedigu, ruckedigau, Blaut is in 'n Schauh. De Schauh, dee is to lütt. De rechte Bruut to Huus noch sitt." Donn kickt de Königssohn run up ehren Faut: Un würklich, dor löppt dat Blaut ruut. — He kihrt wedder üm un seggt: „Hier hefft ji juug' Dochter wedder! Dee paßt de Schauh nich. Dat is nich de richtige Bruut." Un donn kümmt de anner Schwester un seggt: „(Ewer ick — mi paßt de Schauh!" Na, de Mudder geiht jo wedder mit ehr in de Kamer, dat se dor den Schauh antrecken sali. Un dor paßt se woll mit de Tehgen rin, cewer de Hacken is to lang. Un dor seggt de Mudder: „Ach wat, haug' di dor man 'n Stück von af, denn kannst du rin, dat du wenigstens Königin wardst." Un se nimmt jo ok dat Biel un haugt sick dor 'n Stück von af. rDat 1 deit jo bannig weih, cewer se verknippt sick ok de Weihdag' un treckt den Schauh an un kümmt rin nah de Stuw' un seggt: „Kiek, mi paßt de Schauh! Ick bün de rechte Bruut." Un donn nimmt he ehr ok up 't Pierd un ritt wedder mit ehr weg. Un donn sitten wedder de beiden witten Duuben up den Boom un ropen: „Ruckedigu, ruckedigau, Blaut is in 'n Schauh. De Schauh, dee is to lütt. De rechte Bruut to Huus noch sitt." Un de Königssohn, dee kickt: „Würklich, dit 's ok nich de Richtige", seggt he. „Dor is wedder Blaut an 'n Schauh." — Un he bringt ehr wedder trüch un seggt: „Dee beholt't man, dat is nich de Richtige. — (Ewer hier möt noch ein sien", seggt he. „Denn bet hier heff ick ehr seihn. Un disse Schauh, dee möt ehr gehüren, denn hier heff ick ehr rinloopen seihn." „Nee", seggen se, „dit sünd uns' beiden." „•"Dat1 sünd mien beiden Döchter", seggt de Fruu. Donn seggt de Vadder cewer: „Je, ick heff jo noch ein Dochter. (Ewer dee is in de Koek, un dee koenen wi gor nich wiesen, dee is so dreckig un so schmeerig. Dee kcenen wi gor nich rinhalen." „Ach wat", seggt de Königssohn, „ick will ehr cewer seihn!" Na, se möten ehr jo ok halen. Se het sick fix 'n bäten wascht un kämmt un kümmt denn rin nah de Stuw'. Un donn seggt de Königssohn: „Na, mien lütt Diern, versäuk mal, ob di disse Schauh woll paßt!" Un se kickt den Schauh jo ok an un treckt em an, un he paßt ehr. Un as se wedder hoch kümmt mit 'n Kopp, dor kickt se em an, un donn süht he gliek :

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„Dat is de lütt Diern, mit dee du ümmer danzt hest." Un r donn 1 seggt he: „Du büst de richtige Bruut." — Un denn nimmt he ehr up sien Pierd un ritt mit ehr weg. Un de beiden Duuben, dee wedder up den Boom up 'n Kirchhoff sitten, dee ropen: „Ruckedigu, ruckedigau, Kein Blaut is in 'n Schauh. De Schauh, dee is nich to lütt. De rechte Bruut hest du nu mit." Un donn ritt he mit ehr wieder. Un denn ward 'ne grote Hochtiet fiert. Un ut luuter Nieglichkeit willen de annern beiden Schwestern jo nu ok seihn, wat dor los is, un se gahn bie dat Bruutpoor up de Hochtiet. Un de ein geiht up de rechte Siet, un de ein geiht up de linke Siet. Un de beiden Duuben, de ein Duuw', dee sitt up den Königssohn sien Schuller un de anner up Aschenputtel ehr Schuller. Un dee picken de beiden Schwestern jeder ein dat rechte, ein dat linke Og' ut. Un as se wedder trüchkamen von de Friegerie, donn gahn se jo anners. Dee ierst up de linke Siet gahn is, de Schwester, dee geiht nu up de rechte Siet, un dee up de rechte r Siet 1 wir, geiht up de linke Siet. Un donn hacken de Duuben ehr wedder de annern beiden Ogen ok noch ut. Un donn sünd se blind för all ehr Läwsdag' un kcenen all dat Schöne nich mihr seihn, wo ehr Steifschwester dor as Königin läben deit. Un dat wir ehr Straf dorför, dat se Aschenputtel ümmer so quält hadden. Un Aschenputtel, dee hadd all dat Böse vergäten un het mit ehren Königssohn noch väle väle lange Johren vergnäugt un lustig läwt. 21

Einauge, Zweiauge, Dreiauge Ein Wittfruu, dee läwte ganz allein mit ehr drei Kinner. Dat wiren drei Mätens, un dee sehgen all drei gor to verschieden ut: De ein, dee hadd up den Vörkopp cewer de Näs' bloß ein Og'. De anner, dee hadd as alle annern Minschen, so as du un ick ok, twei Ogen. Un de drüdd', dee hadd drei Ogen. Twei Ogen hadd s' so as anner Lüüd', un ein Og', dat hadd s' ok baben de Näs* an 'n Vörkopp. Un wenn de Mudder nu mit de drei Dierns utgüng, denn bleeben de Lüüd' up de Strat ümmer stahn un keeken ehr nah, weil de beiden, Einog' un Dreiog', doch tau narrsch utsehgen. (Ewer de Mudder dacht, dee bewunnerten ehr, un dat dee ganz wat Besonderes wiren un dat dee nu so besonders hübsch wiren. Un dor wir se ollich 119

stolz up de beiden. Dor tröck se dee vor, un dee kreegen nu samten un sieden Kleeder un ¡immer dat Beste un Schönste to äten: Kauken un Rohm un Saden un Braden, dat mök se ehr all. Un de anner, de Tweiog', dee würd ümmer trüchstött't. Dee kreeg' bloß oll Kleeder mit Flicken up, un 'ne sacklinnen Schört bünnen s' ehr vor. Un denn kreeg' s' ok bloß drög' Tüffel to äten un abends 'n Knust drög' Brot. Un all de dreckig Arbeit in 'n Huus müßt se maken. Se müßt Stuben schüern un afwaschen un Schwientüffel kaken un de Kartüffel ut 'n Acker racken. Un in 'n Sommerdag, denn müßt se mit de Zäg' utlerren, dat dee wat to fräten kreeg'. Un wenn se weg wir, denn künn de Mudder mit de beiden annern Dierns fein läben. Denn würd wat Feins kakt, un denn läwten se ganz as de rieken Lüüd'. Un as denn Tweiog' mit de Zäg' ruutlerren ded, donn würd se so truurig: De Zäg', dee hadd wat to fräten, un se hadd ümmer gor nicks. Un donn füng se ganz gottsjämmerlich an to weinen. Un as se den Kopp wedder hochböhrt, donn steiht dor vor ehr so 'ne Fruu, un dat wir jo woll 'ne Fee. Dee hadd 'n sülwern Kleed an un hadd ok gollen Hoor. Un dee säd' to ehr ganz sachten: „Na, mien lütt Diern, wat weinst du denn so ?" „Ach", seggt se, „ick bün jo so truurig. Mi geiht dat jo so leeg'. Ick heff to Huus noch twei Schwestern. Un de ein het ein Og', un de anner het drei Ogen, un dee treckt mien Mudding ümmer vor. Dee kriegen all so wat Schöns to äten un kriegen so schöne Kleeder. Un ick möt ümmer so rümloopen mit mien sacklinnen Schört un möt de Zäg' häuden un möt all de Arbeit maken. Un ick bün so hungrig." „Ach", seggt de Tee 1 , „wenn du so hungrig büst, paß mal up, mien lütt Diern! Ick will di mal wat seggen. Hür mal gaut to! Kiek mal, de Zäg' hürt di doch?" „Ja", seggt se, „de Zäg', dee hürt mi. Un dat 's ok de einzigst, dee ümmer gaut to mi is." „Na ja", seggt de r Fee wedder 1 , „denn paß mal up! Wenn du nu seggst: .Zicklein meck, Tischlein deck!', denn sallst mal seihn, denn kümmt dor 'n Disch, un dor is so wat Schöns up to äten." Un as de Fee dat seggt hadd, köm dor ut de Ierd ok 'n Disch ruut, un dor wir all dat Schöne up, wat dee to Huus all to äten kreegen un noch väl wat Schöneres. „Un wenn du di denn satt äten hest, denn seggst du: .Zicklein meck, Tischlein weg V" Un de lütt Diern sett't sick an den Disch un ett. Un as se sick satt äten het un kickt wedder up, donn is de Fee weg. Un donn denkt se: „Dat sallst doch mal versäuken." r Dor! seggt se: 120

„Zicklein meck, Tischlein w e g l " Weg wir de Disch. Na, donn wir dat jo mitdewiel ok Abend worden, un se güng mit de Z ä g ' wedder nah Huus. Wie se s' in 'n Stall bröcht het, geiht s' ok ganz flink gliek to Bett. Donn seggt de Mudder to ehr: „Willst du gor nich äten? Dor liggt dien Brot up 'n Disch." „Nee, ick bün gor nich hungrig", seggt se. — Un donn schlöppt se gliek in. Na, dat güng jo nu 'n poor Dag'. Se künn sick ümmer schön satt äten. Oh, dat wir 'n Läben! Un se wir so vergnäugt. (Ewer abends, wenn se nah Huus köm, denn güng s' ümmer gliek to Bett. „ N a " , denkt de Mudder, „dit 's jo ganz narrsch mit de Diern. Dee ett cewerhaupt nich mihr. Sali dee sick up 't Schnurren leggt hebben, dat s' anner Lüüd' anbettelt. Dat wir doch 'ne Schand'. Dit möt ick ruutkriegen." — Un donn seggt se to Einog': „ K u m m mal her! Mi kümmt dat so narrsch vor, dat Tweiog' oewerhaupt nich ett to Huus. Du geihst nu mal mit morgen, wenn se mit de Zäg' ruutgeiht, un paßt mal up, ob dor wän is, dee ehr wat to äten g i f f t ! " Na, Einog' müßt jo den annern Morgen ok mit. Un Tweiog', dee boedelt mit ehr wedder den Sandweg, den se jeden D a g gahn möt, in de heite Sünn, bet se an den Graben kamen. Un donn seggt Einog': „Ach, so 'n ollen Weg! Un ick bün so mäud'! Un de Sünn schient so heit! Wat geihst du ok so 'n Weg mit m i ? " „ J a " , seggt se, „den möt ick ümmer gahn. Un du, wenn du nu so mäud' büst, denn will ick di wat seggen: Denn leggst di hier in 't Gras an de Grabenbuurt, un denn kannst du jo 'n bäten schlapen. Ick paß wieldess up de Zäg' up. Un ick sing di ok wat v o r . " - J a ja." Un Einog' leggt sick jo ok hen, un r Tweiog' 1 fangt an to singen:

i

J

J

rr 1

,,Ein-og', schlöppst du?

J

i f

Ein-og', wakst d u ? "

Un se süng dat ümmer in 'n Gang'n weg, bet de anner ganz fast inschlapen wir. — Un donn seggt se: „Zicklein meck, Tischlein deck!" Un de Disch, dee wir wedder dor, un se künn sick satt äten. Un naher seggt se wedder: „Zicklein meck, Tischlein w e g ! " Un de Disch wir wedder weg. 121

Un donn wir dat mitdewiel Abend worden, un se weckt denn Einog' up un seggt: „Nu wak mal u p ! Du schlöppst jo woll den gan2en leiben langen Dag. Wi willen wedder nah Huus." Un rdor 1 wakt de anner ok up: „O wat heff ick schlapen", seggt se. „Ja, un nu willen wi mal fix nah Huus gahn." Un se gahn jo ok wedder nah Huus. — Un Tweiog' bringt de Zäg' in 'n Stall un geiht so wedder to Bett un ett nicks. Donn seggt de Mudder to Einog': „Nu kumm mal her! Wat hest du nu beläwt? Woans is dat wäst? Is dor einer wäst, dee ehr wat to äten gäben het?" „Ach, ick weit dat jo nich. Ick wir jo so mäud'. Un se het mi (immer wat vörsungen, un dor bün ick bie inschlapen un heff den ganzen Dag schlapen." „Ach", seggt de Mudder, „du doemlich Diern! Woto heff ick di denn mitschickt? Na, morgen, denn sali Dreiog' mal mitgahn." Na, annern Morgen müßt Dreiog' nu mitgahn un süll nu uppassen, wat los wir. — Se gahn jo ok den Weg wedder in 'n Sand un in de heite Sünn, bet se an den Graben kamen. Donn seggt Dreiog': „Ach wat bün ick mäud'!" „Ach", seggt Tweiog' denn to ehr, „du kannst di hier jo 'n bäten an 'n Graben henleggen un kannst schlapen. Ick sing di ok wat vor." Un se wir nu sülwst all so 'n bäten mäud' worden von den heiten Sünnenweg, un donn fangt se an to singen. Un dorbie vertüdert se sick. Un donn singt se:

J J

J

1 I

„Twei-og", schlöppst du?.

I I Drei-og',

I | I wakst d u ? "

Un dat singt se ok ümmerto. Un Dreiog' fallen jo de beiden Ogen tau, un dat drüdde Og', dor hadd r Tweiog' 1 jo ümmer seggt: „Dreiog', wakst du?" Mit dat drüdde Og' schlöp se nich in. Un donn künn r Dreiog M jo nu alls seihn, wat los wir: Wo de Disch ut de Ierd kamen ded un so väl schöne Saken dor upstahn deden un wo Tweiog' sick dor satt äten ded un wo de Disch naher wedder weggüng. Un donn seggt Tweiog' to ehr: „Nu wak man up! Nu willen wi wedder nah Huus gahn. Dat ward all Abend." Dor gahn se jo ok wedder nah Huus. — Un Dreiog' seggt noch: „O wat heff ick schön schlapen!" Denn Tweiog' süll dat jo nich marken, dat se wat seihn hadd. — Un as se denn nah Huus kamen, geiht Tweiog' wedder to Bett. Un de Mudder fröggt nu Dreiog': „Hest du nu wat seihn, wat dor loswäst is ? Ob ehr einer to äten gäben het ?" „Ja, Mudding", seggt se. „Ach wat heff ick seihn! Se het mi jo ok wat vörsungen, cewer se het dor nich an dacht an dat drüdde Og', un mit dat bün ick jo nu nich inschlapen. Un dor künn ick dat jo nu all seihn. Donn seggt se: 122

.Zicklein meck, Tischlein deck!' Un wat glööwst, dor körn so 'n Disch ut de Ierd ruut, un dor stünd' all so wat Schöns to äten up. Un as se satt wir, dönn seggt se: »Zicklein meck, Tischlein w e g ! ' Un donn wir de Disch weg. Un donn seggt s' to mi: ,Nu willen wi man wedder nah Huus g a h n ! ' " „So! Also so is dat!" seggt de Mudder. „Na dit, dit sali 'n End' hebben. Dat willen wi ehr cewer verpurren." — Un denn nimmt se 'n grot Metz un geiht nah 'n Stall, un denn steckt s' de Zäg' dot, midden in 't Hart rin. Ach, wat wir 'n annern Morgen donn Tweiog' truurig. Nu künn se nich mihr mit de Zäg' utgahn. Un wo süll dat nu warden? CEwer se güng liekerst nah den Graben wedder hen un sett't sick dor hen un weint wedder so jämmerlich. Donn stünd' wedder mit einmal de Fee vor ehr un seggt: „Na, mien lütt Diern, wat weinst du denn hüüt? W o hest du dien Z ä g ' ? " „Ach", seggt se, „mien Mudding, dee het de Zäg' afschlacht't. Un nu bün ick so hungrig un krieg' gor nicks mihr to äten." „Ach", seggt de T e e 1 , „nu paß mal schön up! Ick will di woll helpen. Nu geihst du nah Huus, un denn seggst du to dien Mudder, se sali di dat Ingedöm von de Zäg' gäben. Un denn grawst du dat schön vor dien Schlapstubenfinster in. Un denn sallst m?l seihn!" Na, rTweiog' 1 geiht jo wedder nah Huus, un donn seggt se to ehr Mudder: „Ach, Mudder, giff mi doch von de Zäg' dat Ingedöm!" „Dat Ingedöm? Wat willst du dormit? Na, dor hest 't Schiet!" seggt se. Un dor Schmitt se ehr dat hen. Un donn nimmt rTweiog' 1 dat un grawt dat jo ok unner ehr Finster in. Un as se 'n annern Morgen upwakt, donn steiht dor einen wunderboren Boom mit sülwern Bläder un mit gollen Appel. Un se wunnern sick jo all un freuen sick: „Oh, wat sünd wi nu riek." Mudder un de annern beiden Dierns, dee freuen sick jo nu: „Wat sünd wi riek!" Un fse 1 willen de Appel plücken, oewer se kriegen dor kein run. Un denn stiggt Tweiog' rup. Bie de annern hebben sick de Teigen ümmer trüchbögt. Un as Tweiog' rupstiggt, donn kann se de Appel afplücken. Dor plückt s' sick gliek drei Appel af. Un as se grad' wedder runkümmt von den Boom un het de Appel in de Schört, donn kümmt dor 'n feinen Wagen antoführen mit witte Schimmels vor, un dor sitt 'n feinen Prinzen in. Un dee süht den Boom mit de sülwern Bläder un mit de gollen Appel. Un donn holt he den Wagen an un stiggt ut. Un as de Mudder den süht, donn verfihrt se sick un süht Tweiog' dor stahn un denkt: „De Prinz, dee kümmt hierher. Dee will gewiß ein von mien Döchter hebben. Nu man fix, dat Tweiog' wegkümmt. Dee sali he nich seihn." — Un dor stünd' dor 'n grotes Küben up 'n Hoff, un donn stuukt se Tweiog' unner dat Küben. Un donn kümmt de Prinz un seggt: „Is dat juug' Appelboom?" 123

„ J a " , seggt de Mudder, „dee hürt uns. Un dit sünd mien beiden Döchter: Dit is Einog', un dat is Dreiog'." „Ach", seggt de Prinz, „wenn dat juug' Boom is, schenkt mi doch ok dor man 'n Appel v o n ! " Na, donn kladdert jo Einog' rup un will 'n Appel afplücken. (Ewer de Teigen, dee bögen sick ümmer wedder trüch, un de Appel, dee kann se nich ankamen. Dee weiht de Wind ümmer hoch. Un se grippt, un se grippt, un se kriggt keinen to faten. Dor seggt de Prinz: „Di hürt de Appelboom nich. Du kannst jo kein afkriegen dorvon." Donn seggt de Mudder to Dreiog': „Nu kladder du mal rup un plück du mal 'n Appel a f ! " Dee kladdert jo ok rup. Un wedder: De Teigen, dee bögen sick wedder trüch. Un de Wind weiht de Appel ganz hoch, un se kann dor nich ankamen un reckt sick noch soväl. (Ewer se kriggt keinen Appel afplückt. „Ach du dcemlich Diern!" seggt de Mudder. „Nu will ick man allein rupstiegen." — (Ewer dat wir genauso: Se kreeg' dor keinen Appel run. Nu seggt de Prinz: „Un ji seggt, juuch hürt de Appelboom, un ji koent em nich plücken." Un wieldess — dit hadd jo nu all Tweiog' hürt — bohrt se de Tunn so 'n bäten hoch un lett twei von ehr gollen Appel unner ruuttrünneln. Un dee trünneln den Prinzen grad' vor de Fäut. „Nanu", seggt he, „wo kamen dee her, de gollen Appel? Ick denk, ji koent dor keinen von afkriegen." Un donn lett Tweiog' noch den drüdden Appel unner ruuttrünneln. Un he süht jo, wo dee herkümmt, geiht hen un bohrt de Tunn hoch, un dor süht he je denn nu Tweiog' dor unner. Ach wat wir dat för 'n hübsches Mäten un wir gor nich häßlich. De annern oll Einog' un Dreiog', dee mücht he gor nich lieden. Un donn seggt he: „Wo kümmst du hierher? Un wo kümmst du to de Appel?" „ J a " , seggt se, „dat is mien Appelboom. Un ick heff dor hüüt morgen weck afplückt." „Dor kannst du weck afplücken? Dat wies' mi doch mal!" Un donn kladdert se rup up den Boom, un donn plückt se all de Appel af un schenkt se den Prinzen. Un dee freut sick un seggt: „Weißt du wat? Du kümmst nu mit, un du sallst mien Fruu warden." — Se wir jo nu ok so riek mit all de sülwern Bläder un de gollen Appel. Un donn führten se weg, un donn würd 'ne schöne Hochtiet fiert. — Un as se 'n annern Morgen upwaken, wat glööwt ji, dor stünd' dor vor ehr Finster de Appelboom mit de sülwern Bläder un de gollen Appel. Dee wir achter ehr ankamen. 124

Je, un de Mudder un de annern beiden Döchter, dee seten jo nu to Huus un wiren nu ganz arm un hadden gor nicks mihr. De Zäg' wir weg, un alls wir weg. Na, de König un siene junge Königin, dee läwten jo vergnäugt väle Johren. — Un einen gauden Dag, donn kümmt de Deiner rup un seggt, dor wiren unnen up 'n Hoff twei olle Fruugens, dee wullten nah de Königin hen. „Ja, wecker sünd dat denn, un wat is denn mit ehr?" „Ach", seggt de TDeiner1, „dee hebben — dee künn ick gor nich in 't Gesicht kieken. Dee hadden den Haut so deip cewer de Ogen, un denn hadden se so 'n oll Kleeder an, so dreckig un mit luuter Flickens up. Ick weit nich, wat dat för weck sünd." „Na", seggt de Königin, „denn lat s' man mal rupkamen!" — Un as se denn rupkamen un nähmen den Haut af, dor erkennt se dee, dat dat ehr beiden Schwestern sünd. Un dee weinen un jammern un liggen up de Knei vor ehr un bäden, se sali ehr doch nich bös sien. Un ehr güng dat so arm, un se hadden nicks to äten. Un donn seggt fTweiog' 1 : „Na, denn willen wi man alls vergäten. Denn sali alls wedder gaut warden." — Se hadd jo 'n weikes Hart. Un so sünd se denn bie ehr bläben un hebben all vier tosamen läwt glücklich un tofräden bet an ehr Läbensend'. 22 Die drei Männlein und die

Stiefschwestern

In ein Dörpen, dor stünnen an de Landstrat twei Hüüser, dat ein up de ein Siet un dat anner up de anner Siet. In dit ein Huus, dor wahnte ein Mann. Den wir sien Fruu dotbläben, un he wahnte dor mit sien lütt Dochter ganz allein. Dat wir 'n lütt hübsches Mäten, un he nennte ehr ümmer Liening. Un in dat anner Huus, dor wahnte 'ne Wittfruu, dee ehr Mann wir ok all längere Tiet dot. Un dee hadd ok 'ne Dochter, un dee würd ümmer Stine nennt. Un disse beiden Kinner, dee spälten nu väl tosamen. Dee führten mit 'n Poppenwagen tosamen ut un spälten mit 'n Ball tosamen. Un einen gauden Dag, donn seggt de Wittfruu to dat lütt Liening: „Kumm mal her, mien lütt Diern! Weißt, ick will di mal wat seggen. Kiek mal, ick bün so allein, un dien Vadding is ok so allein, un du hest kein Mudding. Frag' mal dienen Vadding, ob he mi nich heuraten will! Denn trecken wi tosamen. Un kiek, denn hest gliek wedder 'n Mudding, un denn hest ok gliek 'ne Schwester. Un du sallst dat so gaut bie mi hebben. Du sallst di mit Melk waschen un sallst jeden Dag schöne Schokoladenspies' un Saden un Braden un alls, wat du willst, dat sallst du hebben. Gah man nah Huus un frag' mal dienen Vadding!" 125

Un se güng jo ok nah Huus un seggt: „ D u , Vadding!" „Na?" „Weißt du, wat Stine ehr Mudding seggt het? Dee het seggt, ob du ehr nich heuraten wullst. Denn hadd' ick doch wedder 'n Mudding. Kiek mal, Vadding, un du büst denn ok nich mihr ümmer so allein un büst nich so truurig. Un ick heff ok gliek 'ne lütt Schwester. Wat meinst du woll?" „ J e " , seggt de Vadder, „ick wull eigentlich gor nich wedder heuraten. (Ewer dor möt ick doch ierst mal seihn. Nee, weißt du wat? Hier heff ick 'n Stäwel, un dor is unnen an de Sahl 'n lütt Lock. Nu gah mal rup nah 'n Boen un häng den Stäwel bie de Auken an! Un denn güttst du den Stäwel ganz vull Water. Un wenn dat Water inblifft in 'n Stäwel, denn heurat ick. Wenn 't cewer ruutlöppt, denn heurat ick de Fruu nich." Na, de lütt Diern mök dat jo ok. Un as de Vadder denn abends rupkümmt nah 'n Boen un kickt sick den Stäwel an, dor is dat ganze Water noch in 'n Stäwel in un is ok kein Druppen ruutkamen. „ N a " , denkt he, „denn will ick de Fruu denn nu man heuraten." — Un se heuraten sick jo ok. Un den ¡ersten Dag, donn kreeg' de lütt Diern, de lütt Liening, denn ok Melk to 'n Waschen un Rohm to drinken un all dat Schönste to äten, wat se hebben wull. Un r de Fruu 1 ehr eigen Dochter, dee kreeg' man bloß Water to 'n Waschen un Brot un Water to äten un to drinken. Un den annern Dag, dor kreegen s' beid' ganz egal. Un den drüdden Dag, donn kreeg' ehr eigen Dochter, de Stine, dee kreeg' denn all dat Schöne, den Rohm un de Melk un den Kauken. Un Liening, dee kreeg' bloß Water un drög' Brot un müßt sick in koll Water waschen. Un weil dee nu so väl hübscher wir as ehr eigen lütt Diern, donn würd de Fruu so 'n bäten falsch up ehr un dacht: „Wenn du dee man bloß los wierst! Wat makst du nu woll ? " — Un donn kümmt ehr 'ne Idee. Dat wir in 'n Winter, dat hadd schniet un wir kolt. Un donn haalt se sick Poppier un neiht dor 'n Kleed ut. Un donn seggt se to de lütt Diern: „ K u m m mal her! Hier, ick heff di 'n Kleed neiht, un hier hest du 'n K o r w ! Un nu geihst du nah 'n Wald un plückst mi Ierdbeeren!" „Mudder", seggt se, „ick kann doch hier an 'n Winterdag, wo soväl Schnei liggt, dor kann ick doch kein Ierdbeeren plücken." „Wat?! Wedderwüürd' willst ok noch hebben? Du geihst mit 'n Korw nah 'n Wald un plückst mi Ierdbeeren! Treckst cewer dien Wullkleed ut un treckst dit Poppierkleed an, dat di dien gaud' Kleed nich kaputtrittst!" Na, Wedderwüürd' dörft s' nich hebben, un donn müßt s' jo ok los. Na, donn güng se mit ehren Korw in 'n Wald, un se fror so dull, un se löp ümmer wieder. (Ewer Ierdbeeren künn s' nich finnen. Un donn köm s' toletzt an 'n lütt Huus. 126

„Ach", denkt se, „dor mag ick woll mal ringahn un mi 'n bäten upwarmen." Un ut dat Finster von dat Huus, dor keeken drei lütte Dwargen ruut. So 'n lütt Petermännken wiren dat. Dee hadden so 'n rund' Kapp up, un 'n Freis'boort hadden se. Un dee hadden ganz vergnäugte Ogen un säden: „Kumm man rin, lütt Diern!" Un donn güng se ok rin un sett't sick an 'n Aben up de Bänk. Un donn kreeg' s' den Knust Brot ruut, den ehr Mudder ehr gäben hadd, un füng an, dor an rümtobieten. Donn säden de lütten Manns: „Giff uns doch 'n bäten a f ! " „ J a " , seggt se, „dor koent ji wat von afkriegen." — Un donn brök se den dörch, den Knust, un gew ehr de Hälft. Un donn verteilte se ehr: „Ick sali för mien Mudder Ierdbeeren plücken, un dor liggt soväl Schnei, un ick kann gor kein finnen." „ J a " , seggen se, „dat is jo man truurig. (Ewer kiek mal, hier hest 'n Bessen! Gah man ierst eins ruut un fäg' dor bie uns vor de Achterdör den Schnei 'n bäten w e g ! " Na, se nehm jo ok den Bessen: „Dat will ick woll daun." Un intwischen, as se denn buuten wir, donn säden de lütten Dwargen: „Wi möten ehr doch eigentlich — dat is so 'ne nüdliche lütte Diern — wat Gaudes wünschen. Wat wünschen wi ehr woll?" „Ach", seggt de ein, „ick wünsch ehr, dat se jeden Dag hübscher ward, noch hübscher ward!" Un de anner seggt: „Un ick wünsch ehr, dat bie jedes Wuurt, wat se seggt, 'n Goldstück ehr ut 'n Mund föllt!" Un de drüdd', dee seggt: „Un ick wünsch ehr, dat se 'n rieken, rieken Mann heurat't!" Un as de lütt Diern denn buuten den Schnei fägen ded, wat glööwt ji woll? Up einmal, dor wiren dor luuter dunkle, düsterrode schöne Ierdbeeren. O wat freut se sick! Un dee plückt se un plückt sick den ganzen Korw vull. Donn geiht se wedder rin un bedankt sick bie de Dwargen. Un donn seggt se: „Nu will ick man fix nah Huus gahn un mien Mudder dee bringen. Denn ward s' sick woll freuen." Na, se löppt jo ok wedder nah Huus. — Un de Mudder wunnert sick, dat se mit den Korw vull Ierdbeeren kümmt jetzt bie dit Wäder, wo soväl Schnei buuten liggt. Un donn möt se ehr dat verteilen, wo se dee funnen het, un verteilt ok von dat lütt Huus. Un jedesmal, wenn se wat verteilt, denn föllt ehr 'n Goldstück ut 'n Mund. „Na", denkt de Mudder, „dit is jo wat Schöns!" Un de Schwester seggt: „Schämst di gor nich, so mit dat Gold rümtoschmieten? Bildst di woll väl in, dat du nu so riek worden büst un soväl Gold hest?" CEwer de Mudder denkt: „Dat müßt doch eigentlich mien Diern ok hebben." 127

Un dee seggt ok: „Ja, Mudding, ick mücht rdat1 ok woll. Ick gah ok hen un hal di Ierdbeeren." „Ja", seggt de Mudder, „oewer in 'n Sommer." „Nee", seggt se, „nu gliek, nu! Nu gliek will ick dat!" „CEwer du kannst doch Tnich1. . . Dat is doch so kolt, mien lütt leiwe Diern", seggt de rMudder 1 . „Du kannst doch nu nich gahn." „Ja, ick gah nu", seggt se. Na, donn neiht de Mudder ehr ut luuter Fellen 'n warmes Kleed un neiht ehr Handschen un warme Schauh. Un donn gifft s' ehr den Korw un gifft ehr 'n Kauken un Botterbrot in 'n Korw un seggt: „Na, denn gah man! Un kumm ok bald wedder!" Na, se geiht jo ok los un löppt so fix as se kann nah dat lütt Huus hen. Dor kieken ok wedder de drei lütten Manns ruut. Un ahn antokloppen löppt se dor rin. Un de rManns 1 seggen: „Wat willst du?" „Ja, ick will mi bloß 'n bäten upwarmen hier", seggt se, sett't sick an 'n Aben un haalt ehren Kauken un ehr Botterbrot ruut. Donn seggen de lütten Kierls: „Ach, giff uns doch ok 'n bäten af!" „Ick juuch wat afgäben? I c k 1 bün jo froh, wenn ick allein satt bün. Dat ät ick all allein up", seggt se. Un donn seggen se: „Ja, weißt du, du hest di hier nu upwarmt. Hier hest du 'n Bessen! Nu fäg' uns man den Schnei 'n bäten von de Achterdör weg!" „Ick juuch den Schnei wegfägen? Den fägt man allein weg", seggt se. — CEwer se geiht liekers ruut, denn se denkt jo an de Ierdbeeren. Donn seggen de lütten Dwargen: „Wat wünschen wi dee? Dat 's jo 'ne oll gräsig Diern! Wat wünschen wi dee woll?" De ein seggt: „Ick wünsch ehr, dat se jeden Dag häßlicher ward!" De anner seggt: „Ick wünsch ehr, dat bie jedes Wuurt, dat se seggt, ehr 'ne Quaducks ut 'n Mund hüppt!" Un de drüdd' seggt: „Un ick wünsch ehr, dat se eins ganz gräsig dotblieben sali!" Na, Tnu1 kümmt se wedder rin un het gor kein Ierdbeeren funnen. — Un donn löppt s' weg, seggt nich „adschüs" un nich „danke schön" un schleiht de Dör tau un löppt wedder nah Huus. Un as se to Huus ankümmt un will ehr Mudder wat verteilen, donn hüppt ehr ümmer 'ne Pogg' ut 'n Mund ruut. O wat wir de Mudder bös, bös up de anner, dat dee nu all de Goldstücken hadd un ümmer hübscher würd. Un ehr eigen würd ümmer häßlicher. Donn hadd se einen Dag grot Wäsch, de Fruu. Un donn seggt se to de lütt Liening: „Du, ick heff Wäsch, dee möt nu späult Warden. Du möößt nah de Bäk un möößt de Wäsch späulen!" „Ach", seggt dee, „de Bäk is doch taufroren." 128

„Ach wat", seggt se, „taufroren? Hier hest 'n Biel, un dor haugst di 'n Lock! Un denn kümmst mi nich ihrer wedder, ihr de Wasch utspäult is!" Na, de rDiern 1 geiht jo ok ruut. Un se weint, un de lütten Fingern verklamen ehr. D o n n k ü m m t dor 'n Schläden mit witte Pierd' dorvör. Un dee hadden all Klingelklocken un bunte un rode un blaage Feddern an 'n K o p p . Un dor sitt in den Wagen 'n Königsscehn in; 'n witten Pelz het he an. Un dee wunnert sick, wat dor up den Ies de lütt Diern so jämmerlich weint. Un he stiggt ut un geiht hen un fragt ehr, wat denn los is. Un se will wat to em seggen, un donn föllt ehr gliek all wedder 'n Goldstück ut 'n Mund. „Ach", seggt he, „lütt Diern, du büst jo so hübsch! Di mag ick woll lieden." Un he nimmt ehr in 'n A r m un nimmt sc mit in sienen Schläden, un d o n n führt he mit ehr af. Un de Mudder denkt ü m m e r : „Mein Gott, dee kümmt nich wedder, un dee k ü m m t nich wedder!" — Un se geiht nah de Bäk un süht den K o r w dor stahn, cewer de Diern is nich dor. — „Na", denkt s', „denn is dee woll inbraken. D e n n is se jo nu weg." Un de Königsscehn, dee heiratete nu de lütt Liening, un se läwten vergnäugt. — Un se hadden soväl Goldstücke: ümmer, wenn se snackte un se wull dat, denn föll 'n Goldstück ut 'n Mund. — Un nah 'n Johr, d o n n kreeg' se 'n lüttes Kind. (Ewer de Mudder un de Schwester, dee hadden nu mitdewiel all irgend so wat hürt, dat dor so 'n Königsscehn wir, dee 'ne Fruu hadd', dee Goldstücke ut 'n Mund fallen deden. Un d o n n säden se: „Täuw, dat is doch Liening. Dat m ö t dee jo sien. D o r möten wi nu mal hen!" D o n n güngen se ok hen un deden so, as wenn se ehr besäuken wullten un meinten dat so gaut. Un se freuten sick so mit ehr. Un in 'n Stillen dachten se ümmer: „Wo kamen wi woll an ehr ran?" Un einen Dag, dor geiht de König up Jagd un seggt: „Ick ward woll ierst ganz lat wedder nah Huus kamen. N u daut mien Fruu man 'n bäten Gesellschaft!" Na, un as denn de Fruu inschlapen is, donn gahn de Mudder un de Stine rin nah de Stuw'. Un de ein, dee fött ehr an 'n K o p p un de anner an de Bein, un denn nähmen se ehr un schmieten ehr dörch dat apen Finster rin nah de Bäk, dee dor vörbiefleiten ded. Un dor packt de Mudder ehr eigen Dochter in dat Bett, dee so häßlich wir, un treckt ehr dat Küssen oewer 'n Kopp. As abends de König nah Huus k ü m m t un will sien Fruu noch „ G o d e Nacht" seggen, d o n n steiht de Mudder vor de D ö r un seggt: „Nee, dor dörfst du nich ringahn! Se het sick so verküllt, se möt nu Sehweiten!" — Un donn güng he jo ok wedder weg. (Ewer naher köm de rKönig 1 noch eins wedder un seggt: „Nee, dat is nu ganz egal. Ick will doch mien Fruu seihn." Un geiht rin un nimmt dat Küssen 9

Neufnann, Märchenfrau

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weg un will mit ehr snacken. Un do'r hüppt ehr doch so 'ne grote Paducks ut 'n Mund un den König bautz! up de Näs'. Dor verfihrt he sick so un schimpt un seggt to de oll Fruu: „Wat hefft ji mit mien Fruu makt? Se het doch süss ümmer Goldstücken hatt, un dit . . ." „Ach", seggt de Fruu, „dat 's man bloß . . . dat kümmt von de Krankheit. Dat gifft sick wedder. Paß man up! Dat gifft sick wedder. Morgen, denn het se wedder Goldstücken." Na, de König geiht denn ok to Bett. Un in de Nacht, dor is de Keekenjung' noch up in de Kcek un möt dee utfägen. Un dor kümmt dörch de Gat 'ne witte Aant rin, un dee seggt: „König, was machst du? Schläfst oder wachst du?" (Ewer se kriggt jo kein Antwuurt. Un donn seggt se: „Wat maken miene Gasten?" Un donn seggt de Keekenjung': „Och, dee schlapen fasten." Un donn seggt se: „Wat makt mien lüttes leiwes Kind?" „Dat schlöppt in de Weig' so säut un lind!" seggt de Keekenjung'. Un donn geiht de r Aant as Königin 1 de Trepp rup, geiht nah de Stuw' rin, wo dat Kind schlöppt, nimmt dat ut de Weig' un leggt em sick an de Bost. Un as dat Kind satt is, donn leggt se 't wedder rin un deckt dat schön tau. Un so kümmt se noch einmal wedder. Un denn kümmt se noch to 'n drüdden Mal wedder un seggt: „König, was machst du? Schläfst oder wachst du?" r

CEwer se1 kriggt kein Antwuurt. •'Dor1 fröggt se denn noch einmal: „Un wat maken miene Gasten?" Dor seggt de Koekenjung' ganz driest: „Dee schlapen fasten." „Un wat makt mien lüttes leiwes Kind?" „Dat schlöppt in de Weig' so säut un lind!"

seggt de Keekenjung'. Un donn mit einmal is dor kein Aant mihr. Donn steiht de Königin dor vor em. Un denn seggt se to em: „Du geihst nu mal hen nah den König un seggst, 130

dor kümmt gliek einer in de Dör rin, un dor sali he denn dreimal mit sien Schwert krüüz un quer oEwer de Dör haugen. Dat seggst du em! Denn köm sien Fruu wedder!" Un de Keekenjung', dee löppt jo ok hen. Un de König bet nicks fixer to daun, kümmt dor nah de Dör hen, wo de Königin all in steiht, un denn schleiht he dreimal mit dat Schwert cewer ehren Kopp roewer. Un donn kann se wedder snacken. Donn is se wedder sien Fruu, un he freut sick, dat he sien richtig Fruu nu wedder het, un is so bös, dat de anner ehr verzaubert het. Nu verteilt se em jo de ganze Geschichte. Un donn seggt de König: „So, un morgen, denn is Kinnelbier. Denn ward uns' Kind döfft. Un du bliffst hier so lang' in disse Stuw' un lettst di gor nich seihn!" Nu ward jo ok 'n grotes Fest makt. Un donn kümmt de Ollsch, de oll Fruu, un ehr häßlich Dochter kümmt jo ok an. Un dee will dat Kind cewer de Dööp hollen. (Ewer donn makt de König de anner Dör up, un rdor1 kümmt de richtige Königin rin un holt ehr Kind cewer de Dööp. Un donn seggt de König „So!" to de Ollsch un fröggt sien Lüüd': „Wat passiert mit dee, dee miene leiwe Fruu, miene leiwe hübsche Fruu ut 'n Bett räten het un het ehr in 't Water schmäten?" Donn seggen siene Lüüd': „Dee möt in 'n gläuhnig Fatt mit Schlangen rinpackt warden — mitsamt ehre Dochter — un denn in de Bäk rinnerrullt warden!" Un dat würd ok makt. Un dat Fatt, dat güng unner, un denn sünd se dor verdrunken. Un de König mit sien Fruu un mit sien Kind, dee hebben noch lange Tiet läwt. 23

Wacbolderbaum und Totenvogel Dat is nu all lang', lang' her, as disse Geschieht beläwt würd. Ein Mann un sien Fruu, dee läwten glücklich tosamen, un se wiren ok woll tofräden wäst, wenn se Kinner hatt hadden. Se wünschten sick dorüm ut vullen Harten weck. De Fruu bed' jeden Abend dorüm, oewer nee, nee, se kreegen kein. Nu stünd' dor vor ehre Dör achter 'n Huus 'n schönen hohgen Machandelboom. Dor set de Fruu väl unner, un denn dacht se ümmer, wo dat woll schön wir, wenn se ok 'n lüttes Gör hadd' as anner Lüüd'. Eins, dat wir Winterdag, un 't wir Schnei follen, dor güng se ruuter un schellt sick 'n Appel. Dorbie schned' se sick in 'n Duumen, so deip, dat dat Blaut man so ruutdrüppeln ded, un dat föll in den Schnei. Gliek dacht se wedder: „Ach, hadd' ick doch 'n Kind, ach, so rot as Blaut un so witt as Schnei!" 9*

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Un se keek un keek up de roden Blautsdruppen. Dorbie wir ehr so recht hoeglich to Maut, un se flüstert: „Ick glööw, ick glööw, wi kriegen doch noch ein lütt Kind." Dormit güng se wedder in ehr Huus. De Schnei däute weg, dat Fröhjohr köm, de Vcegel süngen wedder, de Blaumen körnen ut de Ierd, ok de Machandelboom bläuhte. Dat würd Sommer, de Tiet wir dor, dat alles in 'n Goorden riep würd, ok de Früchten von den Machandelboom. So wiren de Maanden hengahn. Se stünd' un freute sick to de riepen Beeren up den Boom un dacht, wat dee woll all schmecken deden, un et dorvon. Man dat hadd' se nich daun süllt. Ehr wir gor nich gaut, un von den Dag an würd se quiemig un unnod'. Se röp ehren Mann un säd': „Ach, ick weit nich, wat mi is. Ick glööw, ick mak dat nich mihr lang'." Dorbie weint se un bed' em: „Un wenn ick nu dotbliew, denn sallst du mi unner den Machandelboom begraben!" — Bie den Gedanken würd se wedder getrost. Un as de nägent Maand ran wir, dor kreeg' se ein lütt Kind, ach, as se sick dat wünscht hadd, so rot as Blaut un so witt as Schnei. De Freud' dorcewer wir so grot, dat ehr dat an 't Hart grep: Se mök de Ogen to un is nich wedder upwakt. Ja, de weck Lüüd', dee koenen sick ok dotfreuen. De Mann jammerte un weinte. Donn makte he unner den Machandelboom ein Graff un läd' ehr dor rin. He het noch männigen Dag weint üm siene Fruu. Mit de Tiet würd he stiller. De Tiet geiht jo ok wieder. Un so haalte he sick nah Johr un Dag 'ne Fruu wedder, dee Mudder to sienen lütten Jung' sien süll. Disse Fruu, dee kreeg' nu ok ein Kind, dat wir ein lüttes Mäten. Ach, wat hadd se sick dorüm, 't wir jo ehr eigen! Un dorüm wir ehr nu de lütte nüdliche Jung' cewerall in 'n Weg. Un wenn se denn de beiden Kinner so ankeek un denn dorbie an all den groten Riekdom von ehren Mann dacht, denn ärgerte ehr dat, dat ehr lütt Diern dat nich all allein kriegen süll, dat den lütten Jung' dor ok sien Halwpart von taustünd'. Un dat günnte se em nich. Nee, dat müßt doch ehr Diern all hebben. Denn stött se den lütten Jung' von ein Eck in de anner un knuffte em ümmer so heimlich rüm, dat he sick all ümmer verkruupen ded. (Ewer de lütt Diern, Marleneken, dee hadd em leiw, un se spälten tosamen. Einen gauden Dag güng de Fruu up den Boen mit Marleneken. Dee säd' donn: „Mudding, giff mi 'n Appel!" „Ja", säd' de Mudder, „kumm, ick hal di einen ut 'n Kuffert." — Se hadd up den Boen so 'n groten eiken Kuffert to stahn, dee löp so up höltern Rced' un hadd 'n gewaltig schworen Deckel mit ein dickes iesern Schlott. — Na, se mök den Kuffert apen un haalt 'n Appel ruut — Ach, wat rök dat schön! — un gew Marleneken den. Dor säd' dee: „Ach, Mudding, lat doch Bräuding ok einen kriegen!" 132

Dorcewer ärgerte sick de Fruu. Se nehm de Diern den Appel wedder weg un säd': „Ja, wenn he ut de Schaul kümmt, denn kriegen ji beid' einen." Dormit schmet s' den Appel wedder rin in 'nKuffert un klappte em wedder tau. Denn keek se ut dat Boenfinster un sehg' den lütten Jung' antoloopen kamen. As se em nu in de Dör kamen sehg', donn red' ehr de Bös' un gew ehr so gräsige Gedanken in. Se säd': „Mien Jung', willst du woll 'n schönen Appel hebben?" He säd': „O ja, Mudder, giff mi einen! (Ewer wat makst du bloß för 'n Gesicht?" „Ach, dat bildst di man in. Kumm man mit, sallst di ok den schönsten ganz allein ut 'n Kuffert halenl" Se mök den Deckel up, de Jung' bögt sick oewer mit 'n Kopp. Mit eins s wapp! leet se den Deckel mit dat scharpe iesern Schlott runfallen, so dat dat den lütten Jung' den Kopp von 'n Rump haugen ded un rhe1 mang de schönen Appel föll. O dat gräsig Gesicht von de Ollsch, dat hadd' einer seihn müßt! As 'n Pähl, so stünd' se dor. CEwer donn up eins, donn verfihrte se sick: „Ach, leiwer Gott, wat heff ick bloß dan? Oje, oje, wat mak ick?" So güng se to Kihr. Up eins schöt ehr wat in. Se rönnt run in de Stuw', haalt ut 't Linnenschapp ein langes wittes Handdauk, haalt den Kopp ut den Kuffert, sett't em wedder up den Rump, wickelt den Handdauk as 'n Schal dor rüm, un denn sett't se den lütten Jung' up 'n Stauhl vor de Dör unner den Machandelboom. Den Appel gew se em mang de Händ'n. Dor ward Marleneken den Brauder gewohr, wo he dor sitt. Se löppt nah de Mudder — dee set in de Koek, hadd 'n grot Füer anmakt up den Hierd un 'n groten Kätel mit Water upsett't. „Mudding", röppt se, „Bräuding sitt buuten vor de Dör. He süht ganz witt ut un het 'n groten Dauk üm 'n Hals. Un he het 'n Appel in de Händ'n, un ick säd', he süll mi den gäben. He keek mi gor nich an un säd' ok gor nicks. Ganz gräsig süht he ut!" „ S o ? " säd' de Mudder. „Denn gah man wedder hen un segg em dat noch mal! Un wenn he sick wedder so anstellt, denn haug' em einen an de Uhren!" Marleneken ded dat ok. Se säd': „Giff mi den Appel!" CEwer he schweeg' rein still. Dor würd se bös un haugt em an 'n Kopp. Un dor — dor föll de Kopp runner. Oh, wat verfihrte se sick! Se füng an to schrieden un to röhren un löp nah de Mudder: „Ach Mudding, ach Mudding! Oh, ick heff Bräuding den Kopp afhaugt!" — O wat jammert se un röhrt! „O o, Marleneken", säd' de Mudder, „wo kannst du sowatdaun? Wathest du bloß makt? Dat dörf kein Minsch marken. Ach, wenn Vadding dat to weiten kriggt . . . Schwieg' bloß rein still! Weißt wat? Wi kaken em gliek in Suer, denn is he weg." — Dormit haalte sei den Jung' mitsamt den Kopp, hackte em in luuter Stücken un schmet se in den groten Kätel, wo dat Water all in kaken ded. Un so kakte se dat Ganze in Suer. 133

Marleneken stünd' dorbie un jammert, un all de soltigen Tranen föllen rinner in den Kätel. Grad' as se mit dat Kaken fardig wiren, donn köm de Vadder nah Huus. He sett't sick ok gliek an 'n Disch un wull äten. He frög': „Nanu, wo is denn mien leiw' lütt Jung?" Dor köm cewer gliek de Fruu rin mit 'n groten Pott vull Schwartsuer. Marleneken set ok all an 'n Disch. Se künn ehren Vadder gor nich ankieken un röhrte wedder, as dee noch eins frög': „Wo is denn de Jung' ?" „Ach", säd' de Mudder, „dee is weggahn. He wull sienen Großvadder in 't anner Dorp besäuken." „Wat", seggt de Vadder, „he het mi gor nich fragt un het mi nich .adschüs' seggt? Wat will he dor denn?" „Ach", säd' se, „he het jo nu schaulfrie, un nu wull he 'n poor Wochen dorblieben. Worüm ok nich? He is dor jo doch gaut uphaben." (Ewer de Mann säd': „Dat makt mi ganz truurig, dat he weggahn is, ahn mi .adschüs' to seggen." Na, he füng an to äten, un to Marleneken säd' he: „Lat man, lüttDiern, wein man nich! Bräuding kümmt jo wedder." Un he füng an to äten von dat Schwartsuer un säd': „Giff mi mihr dorvon, dat schmeckt tau schön!" Un wo mihr as he et, wo mihr wull he hebben, bet up dat letzte Stück Fleisch. He wull alls allein hebben. De Knaken un Beinings schmet he unner den Disch. As Marleneken dat sehg', haalt se sick fix ehr schönes sieden Halsdauk ut de Kommodenschuw. Dor sammelt se de Knaken un Beinings rinner, dröggt alls nah buuten un lad' se unner den Machandelboom un weint ehr bläudigen Tranen dorup. (Ewer up eins, dor würd ehr ganz licht üm dat Hart, un wat sehg' se? In den Machandelboom köm mit eins ein Wind, dee weihte mit de Teigen, so as wenn he sick freuen ded'. Un denn köm 'ne Wulk von baben, dat wir as 'n Füer dorin, un up eins flog' ut dat Füer einen schönen bunten Vagel. Dee flog' hoch in de Luft, un as he weg wir, dor wir ok dat sieden Dauk mitsamt de Knaken nich mihr dor. Un Marleneken wir nich mihr truurig. Se meinte nu ok, dat ehr Bräuding noch wedderköm. Se güng wedder rin un sett't sick to 'n Äten. (Ewer de Vagel hoch baben in de Luft, dee flog' wiet weg. Dor köm he bie einen Goldschmidt sien Huus. Dor sett't he sick up den Schosstein un füng an to singen: „Mien Mudder, dee mi schlacht't, Mien Vadder, dee mi et. Mein' Schwester, das Marleneken, Sucht alle meine Beiniken, Bind't sie in ein seiden Tuch, Leggt s' unner den Machandelboom. Kywitt, kywitt, wat för 'n schönen Vagel bün ick!" 134

De Goldschmidt, dee set in sieneWarkstuw' un wir grad' bie, 'ne gollen Kett to maken. He hürte den Sing-Sang un dat Fläuten buuten un meint, so schön hadd' he noch nicks hürt. He güng ruut, as he güng un stünd', mit Schört un up Slarpen, in de Hand höll he de schöne Kett, un kickt un söcht. Dor set doch de Vagel, hübsch bunt, baben up sien Dack, un he säd': „Du, Vagel, du hest so schön sungen un fläut't. Sing mi dat doch noch eins vor!" Dor seggt de Vagel: „Nee, tweimal sing ick nich, gor noch nich ümsünst. Du hest so 'ne blinkerige gollen Kett in de Hand. Wenn du mi dee giffst, denn so sing ick noch eins." „Hier", säd' de Goldschmidt, „du sallst de Kett hebben!" Donn köm de Vagel von dat Dack flagen, grep se mit den rechten Faut, flog' wedder rup, un nu süng he sien Lied noch eins. Un mit dat „Kywitt" flog' he in de Luft un ein End' wieder. Dor köm he bie 'n Schauster vörbie. He sett't sick up den sien Dack un süng: „Mien Mudder, dee mi schlacht't, Mien Vadder, dee mi et. Mein' Schwester, das Marleneken, Sucht all meine Beiniken, Bind't sie in ein seiden Tuch, Leggt s' unner den Machandelboom. Kywitt, kywitt, wat för 'n schönen Vagel bün ick!" De Schauster set up sienen Schausterhüker un kloppt de Nagels in de Stäwelsahl. He hürt den Vagel un löp, so as he güng, in Hemdsmaugen up de Strat. Weil de Sünn so grell schiente — dat wir grad' up Middag —, müßt he sick de Hand cewer de Ogen hollen, wenn he den bunten Vagel richtig seihn wull. „Vagel", seggt he, „wat kannst du man einmal schön singen!" Un he röp noch sien Fruu un Kinner un Lihrburßen un de Upwohrfruu. Dee stünnen nu all up de Strat un freuten sick an den Vagel, weil he so bunt wir, rot un gräun un blaag', un üm den Hals het he goldige Feddern. De Schauster säd' donn: „Ach, Vagel, sing doch dat schöne Stück noch eins! Kiek, disse miene Lüüd' willen dat ok hüren." „Nee", säd' de Vagel, „tweimal sing ick nich ümsünst. Ja, wenn du mi wat giffst dorför!" fDor 1 seggt de Schauster to sien Fruu: „Weißt, loop mal fix rup up 'n Boen! Baben, up den bcewelsten Boen, up dat Buurt achter de Auken, dor stahn ein Poor schöne, niege, rode Schauh. Dee hal mal fixing dal!" Dat ded de Fruu, un de Vagel köm run von dat Dack, nehm de Schauh mit den linken Faut, sett't sick up dat Dack un süng denn r noch eins 1 . As he dormit fardig wir, flog' he wedder in de Luft mit de gollen Kett un de roden Schauh. Gor nich wiet, dor wir an de Bäk 'ne Mcehl, dee mök „klipp-klapp". Un up den Möllerhoff, dor seten Stücker twintig Möllerburßen un müßten de groten 135

Mcehlenstein wedder ruuhg' kloppen. „Hick-hack, hick-hack" möken se to de Mcehl ehr „klipp-klapp". Dat keek sick de Vagel an, sett'te sick up de grote Lind' up den Hoff un füng wedder an, sienen Vers to singen: „Mien Mudder, dee mi schlacht't", Dor hürte de ein up to hacken. „Mien Vadder, dee mi et." Dor hürten wedder twei up to hacken. „Mein* Schwester, das Marleneken", Dor hürten noch weck up. „Sucht alle meine Beiniken, Bind't sie in ein seiden Tuch", Dor hackten bloß noch acht. „Leggt s' unner den Machandelboom." Dor wir noch ein bie 't Hacken. „Kywitt, kywitt, wat för 'n schönen Vagel bün ick!" Dor Jäd' ok de letzte sienen Hamer an de Siet un seggt: „Ach, Vagel, wat singst du so schön! Lat uns dat doch noch eins hüren!" „Nee", säd' de Vagel, „tweimal sing ick nich för ümsünst. (Ewer giff mi den Mcehlenstein, denn will ick dat woll daun!" Dor säd' de Möller: „ J e , dee hürt mi jo man nich allein." Dor röpen de annern: „Ja, wenn he noch eins singt, denn sali he 'n hebben!" Un all twintig körnen an mit Bräkstangen un bohrten den Stein tohöchten: „Ho-ruck! Ho-ruck!" Un de Vagel köm dal von de Lind', stek sienen K o p p dörch dat Lock in de Midd' — as ein groten Kragen sehg' dat ut —, flog' up de Spitz von den Boom un süng dat Lied noch eins vor. Un as he utsungen hadd, dor mök he de Flüchten wiet, wiet vonein, un mit Kett un Schauh un den groten Mcehlenstein flog' he weg. Un wohen? Nah dat Huus von sienen Vadder. Dor seten se all drei grad' bie dat Vesperbrot. Dor säd' de Mann: „Ach, Mudder, wat is mi? Mi ward dat so froh üm dat Hart. Mi is, as wenn ick noch ganz wat Feins to hüren krieg'. Un mi jöckt de linke Hand: Ick krieg' gewiß noch wat schenkt hüüt." „ N e e " , säd' de Fruu, „dor kann ick nich von miträden. Mi is so anners, as wenn ick dat Hartspann heff. Dat gifft noch Unwäder hüüt." Marleneken, dee set cewer un weint wedder. Up eins köm denn de Vagel antofleigen un sett't sick up dat Dack. 136

„Weißt", seggt de Mann, „wi kriegen hüüt noch Besäuk." „Nee, nee", säd' de Fruu, „dor bliew mi bloß mit afl Ick heff jo woll de kollen Feewer." Ehr wir de Luft so knapp, dat se sick vor Angst dat Bindliew uprieten ded. Marlening müßt in 'n Gang'n weg weinen. Un donn, züh, dor flüggt de Vagel von dat Dack up den Machandelboom un süng: „Mien Mudder, dee mi schlacht't", Je, dor verfihrte sick de Fruu. Se höll sick de Uhren tau, so bruuste dat in de Uhren. „Mien Vadder, dee mi et." 1

fDor säd' de Mann: „O Mudder, kiek mal bloß, wat för 'n schönen Vagel dor sitt, kiek dor baben in 'n hellen Sünnenschien!" „Mein' Schwester, das Marleneken", Ach, wat füng de arm Diern wedder an to weinen! — De Vagel süng sien Lied wieder: „Sucht alle meine Beiniken, Bind't sie in ein seiden Tuch, Leggt s' unner den Machandelboom. Kywitt, kywitt, wat för 'n schönen Vagel bün ick!" Un dorbie leet de Vagel de gollen Kett fallen, jüst dat se den Mann üm den Hals to Paß köm. Oh, wat freut dee sick, güng rinner un säd': „Kiekt mal bloß, wat för 'ne schöne gollen Kett mi de Vagel schenkt het! Kiekt mal, wo dee blänkert!" Un he wieste se hen un her. De Fruu keek cewer gor nich nah hen. Se läd' 'n Kopp up 'n Disch, wull nicks hüren un seihn. Un as de Vagel donn wedder süng: „Mien Mudder, dee mi schlacht't", dor föll se von 'n Stauhl un künn nich mihr jappen. „Mein' Schwester, das Marleneken", süng de Vagel wieder, „Sucht alle meine Beiniken, Bind't sie in ein seiden Tuch . . ." Dor seggt Marleneken: „Ick gah ok fix ruut, wat de Vagel för mi ok woll wat Schöns het." As se unner den Boom steiht un kickt, wat föllt dor up eins 137

vor ehr dal? Dat wiren de schönen roden Schauh. Ach, wat freut se sick. Gliek tröck se dee an. Se danzt un hüpptdorup rüm. „Ach", säd' se, „wat wir ick so truurig. Oh, de schöne Vagel! Kiek, Mudder, disse schönen roden Schauh het he mi schenkt!" Un se dreiht sick un fött ehren Vadder bie deHänd'n un danzt mit em in de Stuw'. „Nee", seggt de Fruu, „lat mi bloß ruuter, ick krieg* kein Luft mihr! Ick, ick . . ." Se löp vor de Dör un — platsch!, dor hadd de Vagel den groten Mcehlenstein ehr pardang! up den Kopp schmäten, dat se to Maus un Graus würd. Vadder un Marleneken, as se dat hadden bumsen hürt, güngen ruut. (Ewer dor wir bloß noch Damp un Füer up dat Flach. Un as sick dat Füer leggt hadd, dor stünd' de lütte Brauder heil un vergnäugt vor ehr. He nehm Vadding un lütt Swesting an de Hand. Se wiren all drei vergnäugt, güngen wedder in de Stuw', sett'ten sick an den Disch un eten dat Vesper to End'. 24

Schneewittchen Dat is all lang' her Tun1 wir midden in 'n Winter: De Schneiflocken, dee warbelten man so dörch de Luft to Ierden. Donn set eine hübsche Königin vor ehr Finster un neihte. Bie 't Neihen keek se ümmer nah buuten in de Luft nah den lustigen Schnei. Tje, un weil se nich uppassen ded up ehre Nadel, dor stek se sick dorbie in 'n Finger, so deip, dat dat anfüng to bläuden. Wat hadd se sick verfihrt! Fix höll se den Finger ut dat Finster, un somit föllen deBlautsdruppen in den witten Schnei. Wat sehg' dat mal hübsch ut, dat rode Blaut in den witten Schnei! Dor dacht se so bie sick: „Ach, hadd' ick doch ein lüttes Kind, so witt as Schnei, so rot as Blaut un so schwärt as dat Holt hier von 'n Finsterrahmen!" Un wat glööwt ji? Wiß un wahrhaftig, se kreeg' so 'n lüttes Dierning, lieksterwelt so witt as Schnei, so rot as Blaut un so schwärt as schwartes Ebenholt. So nennten se denn dat hübsche Kind „Sneiwittken". (Ewer lang' süll de Königin sick nich freuden. Se würd krank, un se müßt sick dat entseggen. CEwer ein Johr nehm sick de König 'ne niege Fruu. Oh, dee wir sihr schön! CEwer se wull 't ok weiten, un dor dörft kein Fruu in 'n Land'n schöner sien as se. Un nu hadd se noch so 'n Speigel, dor keek se ümmer rin un frög': „Speigel, Speigel an de Wand, Wecker is an 'n schönsten in 'n ganzen Land?" Denn antert de Speigel: „Fruu Königin, du büst de Schönst in 'tLand!" Denn wir se tofräden, denn de Speigel ded nich leigen. 138

Nu wüß wieldess dat lütt Sneiwittken ranner. Se wir mitdewiel soeben Johr olt un all nu so schön, dat de Königin achter ehr trüchstünd'. Un dat ärgerte r de Königin 1 jo nu. (Ewer se wull doch man ierst noch den Speigel fragen: „Speigel, Speigel an de Wand, Wer is de Schönst in 'n ganzen Land?" Donn säd' dee: „Fruu Königin, du büst woll de Schönste hier. (Ewer Sneiwittken ehr Schönheit gelt duusendmal mihr!" O wat verfihrte sick de Königin! Se ärgerte sick reinweg gäl un gräun. O wat kreeg' se 'n Haß up dat lütte Sneiwittken. Disse Diern, dee süll schöner sien as se sülwst? O nee! Se künn de lütt Diern gor nich mihr vor Ogen seihn. Un in ehren Harten würd de Afgunst so grot, dat se Dag un Nacht doroewer nahdenken ded, woans se ehr loswarden künn. Dor röp se einen gauden Dag den Jäger un säd' to em, he süll dat oll Gör mitnähmen to 'n Wald, un dor süll he ehr dotstäken. Un Lung' un Läwer süll he ehr bringen, sünst glööwte se nich, dat he 't ok dan hadd'. De Jäger, dee bang' wir, dat de Königin em woll den Kopp afschlagen leet, hürte up de Königin, nehm de lütt Diern bie de Hand un güng mit ehr to 'n Wald. As he sien grotes Jagdmetz up Sneiwittken ehr lüttes Hart setten wull, dor füng se an to weinen un to bäden: „Ach Jäger, ach Jäger, lat mi doch läben! Oh, ick will jo wiet, wiet wegloopen, ümmer wieder, dat mi kein ein finnen sali. Un ick will ok wiß un wahrhaftig nie nich wedderkamen." Donn ded den Jäger dat arme Kind so leid. Nee, he künn 't nich fardig bringen, ehr dottostäken, un so säd' he denn: „Nee, ick willdi nicks daun. (Ewer loop, loop weg, du armes Kind!" — He dacht, wiet köm se woll doch nich. De wilden Tiere, dee würden ehr jo doch upfräten. Je, oewer nu? He süll doch de Lung' un rde1 Läwer von dat Kind nah Huus bringen. „Ach wat", dacht he, „dor löppt so 'n jung' Reh, dat scheit ick dot un bring' de Königin dorvon Lung' un Läwer." Se wir 't tofräden. De Koch müßt ehr dat kaken. Un wat glööwt ji woll? Dat gräsige Wiew fret dat up un dacht, dat wir von Sneiwittken. Un nu uns' arm lüttes Sneiwittken! Dee wir nu ganz allein in den wieden, wieden Wald. Un se löp, un se löp, ümmer wieder weg. Un all de Diere, Wulf un Bor, dee löpen ehr vörbie, cewer se deden ehr nicks. Un de lütten Fäut deden all weih, man se löp un löp. (Ewer soeben Bargen güng de Wald, cewer Stein un Stock löp se. As se oewer den letzten, den scewten Barg, rcewer wir, donn müßt se sick ierst verpusten. Un assesoümsickkeek, wat würd se dor seihn? — Nee, nukiek 139

doch: Dor steiht jo ein lütt Huus, midden in den Wald, ein richtig lütt Huus unner de groten Bööm! Dat wir mitdewiel Abend worden, un so dacht se: „Sallst mal rinnergahn in dat lütt Huus, 'n bäten utrauhn!" As se dor nu rinnerköm, nee, so wat hadd se noch nich seihn. Alles wir lütt, oewer rein un blank. Kiek eins, 'n langen Disch mit 'n wittes Dauk! Un up den Disch, dor stünnen soeben lütte Töllers. Dorbie legen soeben Läpels, soeben Gabeis, soeben Metzers, un denn stünd' bie jeden Töller einen lütten blanken Bäker. Un rund üm den Disch wiren soeben lütte Hükers. Un längs de Wand, dor stünnen soeben Betten mit witt Linnen, ein ümmer 'n bäten grötteras dat anner. Sneiwittken schlög' sick vor Freud' in de Händ'n, un weil se hungrig wir un döstig, so nehm se von jeden Töller 'n lütt Pick un et mit den einen sienen Läpel un den annern siene Gabel. Mit den annern sien Metz schned' se sick Brot af, un ut jeden Bäker nippt se 'n poor Druppen för ehren Döst. As se nu satt wir, donn würd se so mäud' un füng an to hujahnen un wull to Bett gahn. Dor stünnen jo soeben Stück. Se läd' sick in datierste, dat wir oewerto lütt. So präuwte se alle Betten af, bet an dat soebente, undatwirehrgrad'toPaß. Dor bleew s' in üggen un wir so froh un dankbor un dacht an den bösen Dag un wo se dat nu so drapen hadd. Un bie disse Gedanken schlöp se in, so fast un so deip. So bielütten wir dat nu düster worden, un nu kömen denn de Inwahners von dit lütt Huus wedder in. Dat wiren soeben lütte Zwergen, rdee1 güngen allein achter 'n annern. De ierst drög' 'ne Lücht, de annern hadden Hacken un Picken un lütte Büüdels up 'n Nacken. Se söchten un fünnen in de Bargen Gold un Sülwer un Eddelstein. As se nu rinnerkömen in ehr Huus, dor steken se sick ehre Lichters an un lücht'ten oewerall rümmer. Dat köm ehr vor, as wenn dor nich alles so ganz in Ordnung wir, as dat morgens wäst wir. Dor röppt ok all de Gröttste: „Kiek bloß mal her! Wecker het hier von mienen Töller äten?" Dor kömen s' all an 'n Disch un wunnerwarkten. „Oh, dit 's 'n Stück! Wecker het mit mienen Läpel äten?" „Kiek, hier het einer von mienen Pamel afbäten!" „Un mien Gabel, dor het einer mit äten." Un as se ut ehren Bäker drinken wullten, dor röpen s' all upeins: „Dor het einer von mienen Wien wat utdrunken! Wo is dit bloß moeglich? Hier möt doch wän wäst sien. — Na", dachten se, „dor het woll ein Hunger hatt, denn lat man." Nu wullten se denn to Bett gahn, de Lüttste toierst. Dee röp: „In mien Bett is je 'ne Kühl! Wecker het dor rinnerpedd't?" Dor röpen de annern ok: „In mien ok! Oh, in mien ok!" Un as de Gröttste in sien schönes Bett kruupen wull, je, dor leg' je wän in. He keek mit sien Lücht, de annern kömen ok mit ehr Lüchten — un dor leg' 140

dor ein wunderschönes lüttes Mäten in. „Seht, seht", röp de Grot, „nich upwecken! Nee, wat is dee schön!" — Un se freuten sick. De grote Zwerg het denn de Nacht ümmer ümschichtig bie einen von de annern schlapen, bet de Nacht to End* wir. As Sneiwittken nu den annern Morgen upwaken ded un de Ogen apen makt, je, wat verfihrte se sick! Rund üm ehr Bettstünnen de soeben Zwergen. Nee, wat wir dat bloß? Se wischt sick de Ogen ut, se meint, se dröömte. (Ewer nee, leibhaftig stünnen dor de lütten Männkens. De ein hadd 'n langen witten Boort, ein hadd 'n Freisboort, ein hadd lange Hoor, ein gor kein mihr, ein hadd 'n gräunen Haut mit Fedderflünken an, ein hadd 'ne Zippelmütz up: Wiren all olle Knaben. Se frögen ehr: „Wie heißt du?" Se säd': „Ick heit Sneiwittken." Se frögen: „Nu segg mal bloß, woans büst du nah uns' Huus herkamen?" Donn verteilte se ehr von de Steifmudder, dee ehr hadd' ümbringen laten •"wullt1, un von den Jäger, dee ehr dat Läben schenkt hadd', un wo se denn loopen wir cewer all de soeben Bargen bet an dit lütte Huus, un wo se so dodenmäud' wäst wir un hungrig un döstig. Un se süllten ehr man nich wegjagen! De Zwergen säden: „Du kannst giern bie uns blieben, man d u m ö ö ß t d e n n ok wat för uns daun. Du möößt unsre Wirtschaft in Gang'n hollen, möößt kaken, de Betten upschürren, waschen, neihen un stricken un alles, wat so anföllt, allens schön orndlich un rein hollen. Dennso sali di bie uns nicks afgahn." Se versprök dat all. „So", säden de Zwergen, „wi gahn nu wedder an uns* Geschäften un säuken lesen un Gold ut de Bargen." (Ewer wat de Öllste wir, dee säd' noch: „Nimm di oewer gaut in acht! De gräsige Steifmudder ward dat bald wiß Warden, wonah hen du büst. Lat keinen Minschen rin in 't Huus!" Se winkten ehr noch to, un se mök de Dör fast tau un füng nu an mit de Arbeit, mit Kaken un Maken, bet dat lütte Volk abends wedder inköm. So güng dat 'ne Tietlang wunderschön. (Ewer de Königin meinte jo nu — se hadd jo de Läwer von Sneiwittken äten —, dat se nu wedder ganz allein de Schönste wir. Se putzt sick un ded schön un güng wedder an den Speigel un frög': „Speigel, Speigel an de Wand, Wecker is de Schönste in dit Land?" Un wat antert ehr de Speigel? — He säd' jo ümmer de Wohrheit. — He säd': „Fruu Königin, du büst de Schönste hier to sehn. (Ewer Sneiwittken oewer de soeben Bergen Bie de soeben Zwergen Is noch duusendmal so schön!" 141

Dor verjög' se sick bannig: „De olle Jäger, het dee mi belagen, un de oll Diern läwt liekerst n o c h ! " — Nu füng se wedder an, nahtodenken, wo se Sneiwittken ümbringen künn. Ditmal wull se dat sülben daun. Nu hadd se sick wat utdacht: Se mök sick dat Gesicht mit Schossteinblak ganz schwartstriepig, up ehr Hoor streute se Asch, bünd' 'ne olle Kcekenschört üm un up den Kopp 'ne olle Fladus'. So selig' se ut as so 'n oll Hökerwiew, dee allen Kram to verkööpen het. So güng se los oewer de soeben Bargen, bet se an dat lütt Huus körn. Dor röp se luuthals: „Wor', feine Wor' to verkööpen! Feine Wor', feine W o r ' ! " Sneiwittken keek ut 't Finster. Dor haalte de Ollsch allerlei bunte Bänner ut Sieden un Samt ut den Korw un bunte Schnürbänner. Un so 'n wieste se dat Mäten, ganz hübsch bunt un gollen. „Ach", denkt Sneiwittken, „de oll Fruu süht jo ganz orndlich ut. Dee kann ick woll rinnerlaten." — Se hakt de Dör up un köfft sick de bunte Schnur. Dor seggt de Ollsch: „Nu hür mal, Kind, wo du bloß utsühst, up un dupp gliek dick. Du möößt di dat Bindliew 'n bäten knascher trecken! Ick will di dat mal maken." Se tröck de Schnur dörch de Ösen von dat Bindliew. Sneiwittken hadd ok gor kein Bang'n un leet sick dat Bindliew mit de gollen Schnur taubinnen. (Ewer de Ollsch tröck ümmer faster, ümmer knascher an, dat de arme Diern toletzt gor keinen Aten mihr hadd un as dot henföll. „Züh s o ! " säd' donn de Ollsch. „Nu is dat ut mit diene Schönheit!" Un dormit löp se in 'n Draff weg. Dat duert nich lang', to Nachtkosttiet, rdor 1 kömen de Zwergen wedder an 't Huus. O wat verfihrten se sick, as se Sneiwittken liggen sehgen. Sünst keek se all ümmer ut de Dör, wenn se kömen. — Se bohrten ehr tohöchten, un donn sehgen se, wo dat lütte Bindliew so fast tauschneert wir. Gliek schneerten se dat Schneer apen, un donn füng se sachten wedder an to aten. Se müßt nu verteilen, wat se mit dat oll Hökerwiew beläwt hadd. Dor säden de Zwergen: „Dat is kein anner wäst as de böse Königin." As dee nu wedder up ehr Schloß anköm un sick wedder hübsch makt hadd, donn güng se wedder an den Speigel un frög' em: „Speigel, Speigel an de Wand, Wecker is de Schönste in dit Land?" Säd' doch wedder de Speigel: „Fruu Königin, du büst de Schönste hier to sehn. (Ewer Sneiwittken oewer de soeben Bergen Bie de soeben Zwergen Is noch duusendmal so schön!" 142

As se dat hürte, dor stünd' ehr je woll bienah das Hart in 'n Liew still: „Is de Diern ümmer noch nich dot? Is se wedder to Laben kamen? Nu sali 't anners hergahn." Se dacht sick wat Nieges ut. Se künn allerlei Hexenkunststück. So nehm se sick einen Kamm un stippte de Spitzen dorvon in ein dulles Gift, dat s' sick bruugt hadd. Donn verkleed't se sick wedder, cewer ditmal as ein anner oll Wiew. So güng se wedder cewer de soeben Berge, köm an dat lütte Huus un röp wedder ehr W o r ' ut. Sneiwittken wir jo 'n bäten nieglich Tun1 keek wedder ut dat lütt Finster. De Ollsch höll den giftigen Kamm tohöchten. „Nee", säd' dat Mäten wedder, „ick dörf keinen inlaten. Gah weg von hier!" rDor 1 seggt de Ollsch: „Na, kiek di doch mal bloß eins den schönen Kamm an! Wo seihn dien Hoor bloß ut? Ick will di dor mal den Kamm rinstäken. Sallst mal seihn, wo staatsch du denn utseihn deist!" Sneiwittken wüßt nich recht, cewer toletzt mök se doch de Dör apen un leet de Kramfruu rinner. Dee füng gliek an, ehr to kämmen, un stek den Kamm so fast mang de Hoor an 'n Kopp ran, dat dat Gift in de Huut güng, un dat Mäten würd gliek beswiemelt un föll as dot hen. „So", säd' de oll Hex, „nu is dat ut mit all dien Schönheit!" Un güng weg. Dat wir man ein Glück, dat 't all düster würd un dat lütt Mannsvolk wedder von de Arbeit trüchköm. Dor fünnen se nu dat arme Kind wedder as dodig an de Ierd liggen. Gliek köm ehr de Steifmudder in 'n Sinn, un se söchten nah 'n nieges Gift. Un so fünnen se den giftigen Kamm in de Hooren un trocken em gliek ruut. Dor köm Sneiwittken wedder tau sick un müßt verteilen, wat los wäst wir. Donn wohrschuugten ehr de lütten Zwergen, dee dat so gaut mit ehr meinen deden, se süll gewiß keinen wedder inlaten. As de Königin wedder to Huus wir un sick wedder upfidunnt hadd mit schöne Kleeder, dor güng se wedder vor den Speigel stahn un säd': „Speigel, Speigel an de Wand, Wecker is de Schönste in dit Land?" fDor 1 seggt de Speigel wedder: „Fruu (Ewer Bie de Dee is

Königin, du büst de Schönste hier to sehn. Sneiwittken cewer de soeben Bergen soeben Zwergen, noch duusendmal so schön!"

Dat hadd' nich kamen müßt. O wat wir de Fruu in Rag'! O wat spuckt se Gift un Gall, dat von ehr eigen Schönheit ok nicks mihr to seihn wir. Un donn güng se in 'n deipen Keller, wo kein ehr finnen ded, un dor mök se einen Appel ganz giftig. Ierst schned' s' em dörch. In de ein Hälft, dor spritzt

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se giftigen Saft rin. Donn backt se de Deile wedder ganz fast tosamen, dat dat nich to seihn wir. Denn treckt se sick an as 'ne olle Buerfruu, packt sick einen Korw vull Appel, all mit so schöne rode Backen, bind't sick noch einen bunten Dauk üm den Kopp un geiht los. Se künn gor nich fix genaug' cewer de soeben Bargen kamen un kloppt ganz driest bie dat lütt Huus an. As Sneiwittken ut dat Finster keek un de Buerfruu ansichtig würd, dor säd' se: „Nee nee, ick darf keinen Minschen inlaten. De Zwergen hebben mi dat scharp verbaden." „Och", säd' dat Wiew, „ick kann mien Appel ok anners loswarden. Dee sünd so schön. Du bruukst kein to kööpen. CEwer hier, ick will di den schönsten schenken, da!" „Nee nee", säd' Sneiwittken, „ick darf nicks annähmen." „Hest woll Bang'n, dat he giftig is? Nee, kiek, ick ät dor ok von! Kiek, de Hälfte nähm ick, den schönen roden Backen, den kriggst du!" — Un dorbie beet de Ollsch driest in dat Stück Appel rin. Un de Appel rök so schön. Donn hadd dat Mäten ok kein Arg mihr, nehm de anner Hälft, beet af — oewer justement, as se den Happen dalschlucken will, blifft he ehr in 'n Hals behacken, un dor föll se dot üm. Dat Gesicht von de böse Königin, dat hadd't ji seihn süllt! O wo sehg' se gräsig un höhnschen ut un lacht ut vullen Hals: „So, ha ha, ditmal maken de Zwergen di ganz säker nich wedder läwig. Dor ligg nu man: Witt as Schnei, rot as Blaut, schwärt as Ebenholt! Nu lat di man begraben mit diene Schönheit!" Se löp, as se man künn, wedder nah Huus Tun1 frög' gliek den Speigel. Un dee säd' nu: „Fruu Königin, du büst de Schönste hier to seihn!" So, nu wir se tofräden, nu hadd se Rauh. As nu bie Abend de lütten Männer wedder trüchkömen, dor leg' ehr lüttes Sneiwittken dot an de Ierd. Se deden alles Moegliche, kämmten ehr, möken dat Bindliew apen, reeben ehr de Huut mit Wien un Krüüters: Wir alls ümsünst. Se leg' still un stumm. Donn möken se 'ne Bohr ut weike Twiegen, läden witt Linnen dorup, kämmten ehr de Hoor so schön cewer de Schullern un sett'ten sick all soeben rund üm ehr rüm un weinten. Drei Dag' lang weinten se. Nah drei Dag' müßten se ehr eigentlich begraben. CEwer se sehg' noch so frisch r u f , as wenn se noch läben ded', mit de roden Backen. — Nee nee! Se ratschlagten hen un her. Nee, dat schöne Sneiwittken in de düstere Ierd?! Donn säd' de lüttste von ehr: „Weit't ji wat? Wi laten 'n Sarg maken ut Glas, von baben un alle Sieden Glas. Denn setten wi dat Sarg baben up 'n Barg un koenen jeden Dag nah ehr hengahn." 144

„Ja", säd' dor de Öllst, „un denn schrieben wi mit gollen Baukstaben ehren Namen dorup." Un so deden se dat ok. Un ein von ehr höll de Dodenwacht bie ehr. Un all de Tiere ut den Wald körnen un sehgen ganz truurig dat schöne Minschenkind an. De witte Duuw', dee bleew oewer besitten un flog' nich weg. Nu leg' dat Sneiwittken all lange, lange Tiet in dat Sarg un sehg' ümmer noch so frisch un schön ut, as wenn se bloß schlapen ded'. Dor köm einen gauden Dag ein schönen Königssoehn dörch den Wald. He dacht: „In dat lütt Huus, dor kannst to Nacht blieben." — As he sick ümkeek, dor sehg' he baben up den Barg den Sarg ut Glas mit dat schöne Sneiwittken dorin un den gollen Namen dorup: Oh, wat wir dat schön, dat Kind! He bed' nu de Zwergen, se süllten em dat doch man laten. Se süllten hebben, alles, wat se bloß hebben wullten. „CEwer nee, ok nich för alles Gold in de Welt!" Dorup säd' he: „Denn schenkt mi ehr doch! Ick möt un möt ehr hebben, sünst is mi mien ganzes Läben nicks mihr wiert. Dit Sarg mit Sneiwittken sali mien ein un alls sien!" Donn geben se em dat Sarg. Un se hülpen em, dat nah sien Schloß to drägen, up de Schullern. Se güngen so sachten. Man up eins, dor stött de ein mit sienen Faut oewer 'ne Boomwörtel. Von dat Schüttern flog' up eins dat giftig Appelstück Sneiwittken ut den Hals. Se füng an, sick to rögen, mök deOgen apen un bohrt den Deckel von dat Sarg hoch, sett't sick in 'n End' un frög' ganz verdutzt: „Wo bün ick denn bloß?" Dor freut sick de Königssoehn ganz gewaltig, haalte ehr ut dat Sarg un verteilte ehr, woans dat all taugahn wir, un dat he ehr soo leiw hadd'. Un he wull ehr nu nah sienen Vadder sien Schloß bringen, un dor süll se sien Fruu warden. Un Sneiwittken säd' „ja" up sien Bidden, un so würd 'ne grote Hochtiet fiert mit väl Pracht. To dit Fest würd nu ok de Steifmudder inladen. Se mök sick schön un putzt sick an un malt ehr Gesicht witt un rot an. Donn güng se vor ehren Speigel un frög' wedder: „Speigel, Speigel an de Wand, Wecker is de Schönst in 't Land?" Un wat säd' donn de Speigel? „Fruu Königin, du büst de Schönste hier to sehn. CEwer de junge Königin, dee is duusendmal so schön!" Dor würd se ierst ganz falsch, denn würd ehr angst un bang'. Süll se nu to de Hochtiet gahn? Dat leet ehr doch kein Rauh, se müßte hen. As se in den Saal köm, wo se Sneiwittken mit den Königssoehn so wunderwunderschön baben an de Tafel sitten sehg', wir se so verstürt, se künn sick gor 10 Neumann, Märchenfrau

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nich rögen. — (Ewer dot wiren all iesern Tüffel in 't Füer stellt. As dee gläuhnig wiren, würden dee mit Füertangen rinnerbröcht. Dor müßt se in de gläuhnigen Schauh pedden un denn so lang' danzen, bet se dodig ümföll. 25 Das

Mädchen und seine sgvölf

Brüder

Dor wir mal eins ein König mit siene Fruu Königin, dee läwten woll un tofräden. Se hadden twölf Soehns, schiere, staatsche Jungs. As de jüngste to Welt köm, donn wüßten s' keinen Namen för em. Donn säd' de Großmudder, se süllten doch mal in 'n Klenner nahkieken, wat bie den Dag för ein Namen stünd'. Na, dor stünd' „Benjamin". — „Gaut", säd' de König, „so sallhedenn ok heiten." Dor seggt einen Dag de Königin: „Wi Warden woll bald wedder wat Lüttes in de Weig' to leggen kriegen, am End' 'ne lütt Diern." De König seggt: ,,'ne lütt Diern? Meinst d u ? " — He besinnt sick 'ne Tiet, donn grübelt he vor sick hen: „Twölf Jungs un ein Diern, un unner disse dörteihn sali ick eins mien Land deilen? Denn kriggt mien Dochter to wenig, un se sali doch eins de riekste Prinzessin bie un nah sien!" — Toletzt röppt he: „ D e Jungs möten weg, ick lat s' all twölf ümbringen!" Twölf Sargen leet he maken, dee körnen all ein bie ein in ein düster Kamer. Dee schlöt he tau, un den Schlcetel gew he siene Fruu mit de Vermahnung, dat se dor keinen Minschen rinkieken laten süll. Ach, wat wir dat ein Jammer för de Fruu! Un se wüßte nich, wo se dat Unheil afwennen süll. Dat wiren doch ehr leiwen schönen J u n g s ! Un all up einen D a g dot, wenn — ja, wenn dat Kind ein Mäten würdl Dor röp se einen Dag den jüngsten von de Bräuder to sick ran un schlöt sick mit em in ehre Stuw' in. Dor föt se em runding üm un säd': „Hür mal to, mien leiwes Kind! Ick bün so truurig. Weißt du, wat juug' Vadder mit juuch in 'n Sinn het? Wenn uns' nächst Kind 'ne lütt Schwester ward, dennso will he juuch all tosamen dotmaken laten." Benjamin frög': "(Ewer worüm denn, Mudding?" „ T j e " , seggt se, „dat se alls allein arben sali!" „Ach, mien leiw' Mudding, dat het Vadding woll man bloß so seggt." „Ach nee", süüfzt se, „he het jo all de twölf Sargen för juuch fardig timmern laten. Dee stahn all för juuch prat in de düster K a m e r ! " — Un se weinte. Donn seggt de J u n g ' : „Mudding, wein man nich! Wi willen uns woll to Wöhren weiten." „Meinst du woll?" seggt se. „Denn segg dien Bräuder Bescheid! Un gaht so drad as ji kcent weg, wiet weg von hier, dat juuch keiner finnen un griepen kann! Un dat ji dat weit't: Jeden Morgen un jeden Abend denk ick an juuch 146

un will bäden för juuch. Ierst gaht ji bet nah de ganz hohge Bäuk. Dor kladdert jeden Dag ein von juuch bet in de Krön. Von dor koent ji den Turm von dat Schloß seihn. Hängt dor einen Dag 'ne rode Fahn ruut, denn is 'ne lütt Diern ankamen. Un denn makt ji, dat ji wiet, wiet wegloopt, wiet in 'n Wald! Is dat cewer 'ne witt, denn kamt ji trüch!" Benjamin verteilte nu sien Bräuder dat. Se glööwten dat gor nich: „Uns' eigen Vadder?" De Lütt säd': „Wiß un wohrhaftig, de Sargen stahn all prat för uns." Na, donn gew dat jo nicks anners as bloß weg, wiet weg, bet se ierst mal de hohge Bäuk fünnen. De Öllste cewer säd': „Dat kann ick juuch seggen, un dat is 'n Wuurt: Wenn uns 'ne Diern in de Möt kümmt, dee möt an glööben! Üm so 'n dämlich Diern möten wi von Heimat un Öllern verjagt Warden." Bie de Bäuk täuwten se nu af, un den annern Dag all weihte dor 'ne rode Fahn. Donn löpen se weg, wiet wiet, bet oewer de Grenz, wo de Vadder nich mihr henköm. Dor sehgen se up eins ein lüttes Huus stahn, fründlich antoseihn. As se rinnergüngen, fünnen se alls för sick prat: Bedden, Stäuhl, Disch, r un 1 'ne Füerstäd' wir ok dor. Nu rauhten se sick ierst mal ollich ut. Jeden Dag haalten se sick nu ehr Kost ut den Wald. Se möken sick Flitzbagens un Pieler un güngen up Hasenjagd, nah Reh, Keninken, wilde Aanten, Feldhäuhner. Dorto söchten se Pilzen, un Kirschen von de wilden Bööm, Himbeeren, Ierdbeeren, Brummelbeeren. Wat se anbröchten, dat mök de lütt Benjamin, dee to Huus bleew, fardig un trecht. Füer mök he mit Füerstein un Tunner. Holt wir naug' in 'n Wald. So leden se kein Not. Johren wiren dorcewer hengahn. To Huus up dat Schloß wüß mitdewiel de lütt Schwester ran. Se wir för den König dat Leiwste up de Welt. De Jungs wiren nardens to finnen. So mök he sick kein Gedanken mihr. In 't Frühjohr, dor wir eins up dat Schloß 'ne grote Wäsch von all dat Wintertüüg, un dor hängten up dat Liening twölf witte Hemden. Dor fröggt de lütt Prinzessin ehr Mudding, woso dor twölf Hemden hängen deden. „Weckern hüren dee tau? Unsern Vadding sünd dee doch väl to lütt!" „Ach", süüfzt de Mudder dor, „dee twölf Hemden, dee hüren dien twölf Bräuder." „(Ewer Mudding, ick heff jo gor kein Bräuder, doch gor nich einen!" „Doch, mien lütt Diern! CEwer dee sünd wiet weg." Un se verteilte ehr den ganzen Hergang un worüm de Bräuder flüchtig worden wiren. „Oh", säd' de lütt Prinzessin, „wägen miener? O Mudding, kann dat so wat gäben?" Dor wieste de Mudder ehr heimlich de twölf Sargen, dee de König för ehr Uräuder 1 bestimmt hadd. Un se weinten all beid'. 10*

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Up eins säd' de Prinzessin: „ O Mudding, wenn se nich dot sünd . . . Weißt du wat? Denn gah ick los un will se woll finnen. Giff mi de twölf Hemden mit, dat ick ehr dee wiesen kann, dat se mi dat glööben, dat ick ehr Schwester b ü n ! " Se leet sick gor nich holten. Se güng driest los in den wieden Wald rinner. T o Nacht kröp se in 'n Heuhümpel. Den annern Dag löp se un löp, bet se an dat lütte Huus köm. Se dachte: „Nee, wat för ein lüttes Huus dat is! Un wo grot is dat Schloß von mienen Vadder!" — Indess güng se ok all rin in de lütte Huusdör. Dor sehg' se einen hübschen groten Jung'. Beide wunnerten sick, un de J u n g ' frög' ehr, wohen un woher. Se verteilte em denn, dat se 'ne Prinzessin wir un ehr twölf Bräuder säuken ded'. Un dee wiren weggahn, weil ehr Vadder ehr an 't Läben hadd' gahn wullt, wenn se, r de Diern 1 , to Welt köm. Donn güng Benjamin up eins ein Licht up. He röp: „Denn büst du jo uns' Schwester! Un wi twölf Bräuder wahnen hier!" — He nehm ehr in 'n Arm un küßte ehr. Un nu müßt he ehr cewer verteilen, wat se sick verschwuren hadden, jedes Mäten dot to maken. (Ewer se süll man nich bang' sien. He würd dat woll trechtbögen. „ K i e k " , säd' he, „bald is Fierabend. Denn kamen se all elben nah Huus. Du krüppst nu mal fix hier unner disse Tunn un sittst ganz still!" Dat ded se ok, un dor hürten se ok all Tritten kamen. De Bräuder kömen in un sett'ten sick an 'n Disch, wo Benjamin all dat Äten pratstellt hadd. As se all seten, fröggt de Öllst: „Na, Benjamin, wat gifft 't Nieges?" „Wat sali 't gäben?" säd' Benjamin. „Ick sitt hier to Huus. Ji sünd buuten un beläwt doch ihrer wat. GEwer liekerst, ick kann juuch wat Nieges verteilen. (Ewer ierst möt't ji mi wat verspräken!" „ N a , denn scheit mal l o s ! " säd' ein von de Bräuder. „ J e " , seggt Benjamin, „willt ji mi verspräken, dat ji dat ierst Mäten, dat bie uns ankümmt, dat Läben laten willt?" „ J a " , säden se, „dat sali gellen!" Donn lücht'te Benjamin de Tunn hoch un säd': „Hier, dit is uns' lütt Schwester, dee uns söcht un funnen het." De Schwester sprüng up un stünd' dor in ehre ganze Leiwlichkeit, mit de schönen Kleeder un de gollen Hoor. Un an dat Band üm de Hoor hüng ehr 'n gollen Stiem midden an den Vörkopp. Se frög': „Oh, miene leiwen Bräuder, willt ji gaut mit mi sien? Ick kann doch wohrhaftig nicks dorför för juug' Leed. Kiekt, un dat ji mi ok glööwt, dat ick juug' Schwester bün: Hier sünd de twölf Hemden, dee uns' Mudding för juuch neiht het, för jeden ein." Dor wir de Freud' grot, dat ehr Mudding noch ümmer an ehr denken ded. Un se nehmen ein nah 't anner de lütt Schwester in 'n Arm un eiten un küßten ehr. So bleew se nu bie ehr un mök mit Benjamin tosamen de Wirtschaft prat. 148

Einen Dag dacht se: „Hüüt w ill ick ehr mal alles ganz dull schön maken." — Se haalte einen Kraug' mit Wien, den se ut Heidelbeeren makt hadd, göt in jeden Bäker dorvon, un as se all an 'n Disch seten, dor löp se nah buuten un plückte ut den Goorden de twölf schönen witten Lilien af. CEwer wat geschach donn up 'n Mal?! Dat würd balkendüster. De twölf Bräuder wiren up eins in twölf grote, grote Kreihen verzaubert, un as se sick ümkeek, dor wir dat Huus ganz weg. Se röp, se röp: Nicks wir mihr dor. CEwer achter ehr, dor stünd' 'ne olle Fruu, dee säd': „Kind, Kind, wat hest du bloß anstellt? De twölf Lilien hadden dat Laben von dien Bräuder to häuden. Ach, wat is dat nu ein Jammer! Nu sünd se as Kreihen hoch in de Luft wiet, wiet wegflagen. Kein weit, wohen." Ach, wat set de Prinzessin nu un weinte un barmte! Se frög' unner Tranen de oll Fruu: „Kann ick se denn gor nich wedder losmaken von disse Verwunschenheit? Ick will alls daun, alls, un wenn 't mien eigen Läben kost't!" Donn seggt de oll Fruu: „Ein Deil gifft dat. CEwer dat is so schwor, dat kannst du doch nich." „O segg mi dat doch, dat ick dat versäuken kann, un wenn 't mien eigen Läben ok kost't!" „Ja, denn hür tau! Soeben Johr dörfst du kein ein Wuurt snacken un dörfst ok nich lachen! Wenn du dat fardig bringst, denn hest du dien Bräuder erlöst. Wenn du cewer ihrer lachst oder snackst, denn möten se all twölf up einmal starben." Dat wull dat Mäten nu up sick nähmen. Un so güng se in de Welt. Wenn se nich wieder künn, denn sett'te se sick baben in einen Boom. Dor schlöp se ok. So geschach datnu einen Dag, dat de König, den datLand tauhürig wir, 'ne grote Jagd afhöll. De Hund'n ströpten cewerall rümmer, un so kömen se ok an de Eik, wo de Prinzessin baben in set. Dor füngen se denn all an to blaffen un an to springen, bet de König köm un sick cewer dat Gewäs' von de Hund'n wunnerte. He keek hoch, un dor set mang de Teigen dat schöne Mäten. He röp, se süll dalkamen, cewer se rögte sick nich. As he ehre gollen Hoor un den gollen Stiern cewer ehre Ogen sehg', dachte he: „Dat möt jo woll rein 'ne Fee oder 'ne Prinzessin sien." So frög' he ehr, wat se woll nich siene Fruu warden wull. Se nickte bloß mit 'n Kopp, cewer rögte sick nich. Donn kladderte de König rup up den Boom, nehm ehr up sienen Arm un haalte ehr dal, sett'te ehr vor sick up sien Pierd, un so reden se nah sien grotes Schloß hentau. Dor würd de Hochtiet fiert. Bloß dat se kein Wuurt snacken ded un nich lachte. Dat ärgerte den König sien Mudder: Ehr wir dat Mäten för ehren Soehn nich gaut naug'. Se füng an to schimpen un schandieren, wat he sick för 'ne 149

arm Katendiern anheurat't hadd'. He künn sick doch nardens mit ehr seihn laten, wiel dat s' nich snacken künn. Donn wedder säd' se, dee wir verhext, de Bös' set in ehr, dat wir 'ne Schand' för dat Land. — Toletzt gew se oewerall bekannt, dat de Fruu von den König 'ne Hex wir un verbrennt warden müßt. Ja, so würd denn anordeniert, dat de r jung' Königin 1 verbrennt warden süll. De Lüüd' müßten väl drög' Holt un Stroh anschläpen. Dor würd de Königsfruu rupperstellt, un denn würd de Holtstot anstäken un füng an to brennen. Dat Füer Steeg' höhger un höhger, un se glööwte, nu wir doch alls ümsünst wäst, un weinte vor sick hen. Un de König, dee baben ut 't Finster keek, dee weinte ok. He wir so truurig. CEwer donn up einmal, dor würd dat düster, un hoch ut de Wulken kömen twölf grote Kreihen antofleigen. Se schlögen mit de Flünken, dat de ganze Luft bruusen ded, denn grad' in dissen Ogenblick, dor wiren de soeben Johr üm. De Kreihen kömen to Ierden nedder, un dor stünnen se in ehre richtige Gestalt. Se reten dat Füer vonein un haalten ehr Schwester dor baben dal. Oh, dat wir 'ne Freud'! Se künn dat gor noch nich faten, dat se un de Bräuder erlöst wiren. Se legen sick in de Arm, un de König sehg' dat un köm dal. Dor künn de Prinzessin em alls verteilen, worüm se nich hadd snacken un lachen dörft. CEwer nu lachten se all vor luuter Freud'. De dörteihn Kinner dachten an ehr leiw' Mudding to Huus un haalten ehr mit acht Pierd' vor 'n Wagen, un 't würd ein herrliches Fest fiert. CEwer de böse Fruu, dee würd mit Pick un Öl begaten un nu sülwst up den Holtstot bröcht, dat se dor verbrennen müßt, wat se de junge Fruu taudacht hadd. Un de Vadder, dee sien Scehns hadd dotschlagen wullt? Je, dee bleew nu up sien ollen Dag' ganz, ganz allein in sien grotes Schloß. He hadd keinen, gor keinen Minschen, dee em gaut wir.

26 Die Gänsemagd und das sprechende Pferd Dor läwte eins in ein grotes Land 'ne Königin, dee wir Wittfruu. Un se hadd bloß ein einzigst Döchting. Un donn hadd ein König ut ein anner Land einen Friewarwer schickt, he wull de Prinzessin as Fruu för sienen Scehn hebben. De Mudder hadd denn ok „ja" seggt, so schwor as ehr dat ok würd. Un so schickte se ehre Dochter denn nah 'ne Tiet, as gaud' Wäder wir, up de Reis'. Schöne Kleeder un väle schöne Gold- un Sülwersaken gew se as Heiratsgaut mit. Un 'ne Kammerjungfer, dee ehr up de Reis' to Deinsten sien süll, dee gew se ok mit. fUn 1 as dat nu losgahn süll, hadd se twei schöne Ried'pierd' utsöcht, dee ehr fix wegbringen süllten. 150

(Ewer de Mudder wir dat Hart tau schwer. Dat wir jo ok nich so einfach, so 'ne lütte einzigst Diern so wiet weg to gäben. W o mücht ehr dat dor bloß gahn in de Frömd'? Den Abend vor de Afreis' güng de r Mudderi in ehr Schlapkamer, schned' sick ein lütt Lock in 'n Finger un leet drei Blautsdruppen up einen witten Lappen fallen. Un den gew se ehr Dochter un säd': „Hür to, mien lütt Diern I Dissen Lappen, den stäk di in 'n Bussen! Un ümmer, wenn di wat taustöten deit, denn denk an de drei Druppen von mien Hartblaut! Denn wardst du Hülp un Schutz hebben." Un dat ded de Dochter denn ok r un stek den Lappen in 1 . Na, annern Morgen güng dat denn los. För de Dochter hadd de Mudder einen schönen schlohwitten Schimmel sadeln laten. Dee hadd den Namen „Falada" un künn snacken. De Jungfer kreeg' einen Bruunen. Un so reden se denn los. Se reden ganz vergnäugt den Weg lang. Man de Sünn Steeg' höhger an 'n Häben. Dat würd Middag. Heit wir 't worden, un de Prinzessin kreeg' Döst. Se säd' denn to de Jungfer: „Ach, stieg' doch mal runner von dien Pierd un hal mi mal 'n bäten Water to drinken! Ick seih dor grad' so 'n blanken B o r n . " „Ick?" säd' de Jungfer. „Ick sali di wat to drinken halen? Nee, dor stieg' man allein af un hal di wat!" Je, de ^Prinzessin1 müßt wohrhaftig allein runner von 't Pierd. Un as se sick den gollen Bäker vull loopen leet, dor hürte se up eins 'ne Stimm. Dee köm von de drei Blautsdruppen in ehren Bussen. „Ach, leiw' G o t t ! " säd' de K ö nigsdochter, Tun1 de Stimm säd': „O Jungfer Königin! Wenn dit dien leiw' Mudding ded' seihn, Ehr brök woll rein dat Hart vonein." As se drunken hadd, Steeg' se wedder up ehr Pierd, un se reden wieder. CEwer dat würd ümmer heiter. De Königsdochter kreeg' wedder ganz bannigen Döst. Se säd' wedder to ehre Jungfer: „Ach, hal mi doch 'n bäten Water ut de klore Bäk d o r ! " — rUn 1 se gew ehr den gollen Bäker. •"(Ewer1 de Jungfer säd' wedder: „Wenn du döstig büst, so hal di man allein wat to drinken! Stieg' af un gah hen! Den Bäker beholl ick hier." Wat wir to daun? De Prinzessin müßt wedder runner von ehr Pierd, löp nah de Bäk, un weil se nu keinen Bäker nich hadd, so müßt se sick ganz sied' dalbögen cewer dat Water un ut de holle Hand drinken. — Un as se sick so dalbögte, dor rutschte ehr de Lappen mit de drei Blautsdruppen ut den Bussen. Se wull em noch griepen, cewer dat Water löp so fix un nehm den Lappen mit. Dit hadd de olle gnittschäwsche Jungfer seihn. O wat hcegte se sick! Nu wir de Prinzessin ahn Schutz un Hülp. 151

As dee truurig trüchköm, donn säd* de Jungfer ganz basch to ehr: „So, mien Diern, nu k ü m m t dat anners: Nu bün ick Königsdochter un du de Kammerjungfer. Dat Pierd FaJada nahm ick nu, un du settst di up den Bruunen. Un dien schönen Kleeder un Schauh treckst du fuurts ut! Dee treck ick an, un du kriggst mien Jungferntüüg. — So, un nu geiht 't wieder! Sett di man rup up den Bruunen!" De arm lütt Prinzessin wir ehr nu utliefert. Se süll woll mitkamen, wenn s' nich allein an den W e g sitten blieben wull. So güng dat Rieden wieder, bet den annern Morgen. D o r sehgen se ganz wiet vor sick up einen lütten Barg ein schönes Schloß liggen. D o r müßten se hen. De König hadd sienen Wachmann up den höchsten T u r m rupschickt. Dee süll blasen up sien Huurn, wenn he de Bruut ansichtig würd. Grad' güng de Sünn up, dor f ü n g dee baben an to blasen. O wat würd dat ein Laben up dat Schloß! De Königsscehn kreeg' fuurts sien best Pierd ut den Stall un red* de Bruut entgegen. As de Jungfer em kamen sehg', d o n n drauhgt se de Königsdochter: Wenn se ok bloß ein Starbenswuurt von dissen Tuusch seggen ded', denn würd se ehr up de Stell dotmaken. — So wir dee ganz verschüchtert. De falsche Königsdochter mök sick mit den Königsscehn bekannt. — „Un hier, disse, dat is mien Deinsten. Dee heff ick mi up de Reis' mitbröcht", säd' se. Se reden denn den Schloßbarg rupper. Up 'n Schloßhoff wir nu ein grot Helphollen mit de Bruut un den Brüüdjam. De olle König keek sick dat grote Gewäs' baben ut sien Finster an. He wunnerwarktin 'n Stillen, wat disse öllerhaftige Person de Bruut von sienen Soehn sien süll. Se hadden em doch verteilt, dat de Prinzessin so hübsch wir mit gollen Locken un so. — CEwer dor sehg' he noch up den Hoff ein lüttes Mäten. Dee stünd' so schuug' bie de Siet, un keiner acht't up ehr. D o n n röp he: „Heh, wecker is dat lütt Mäten d o r ? " „Och", säd' de falsche Königsbruut, „dat is man bloß mien Deinstdiern. Se is man dumm, kann gor nicks. Hefft Ji nich irgend 'ne Arbeit för ehr?" De König dachte nah un säd' to de lütt Diern: „ D u kannst morgen mit den Gausjung' tosamen de Gäus' ruuterhäuden." As denn bie 't Middagäten de König näben de falsche Bruut sitten ded, fragt he ehr, ob se sick wat wünschen ded'. D o n n seggt se: „ O ja, ick wünsch mi, dat dat olle witte Pierd afschlacht't ward!" „ W o r ü m ? " frög' de König. „Ach, dat olle dwatsche Biest het mi unnerwägens to dull ärgert!" — In 'n Stillen hadd se oewer Bang', dat de Falada ehr up irgend 'ne Oort verraden k ü n n . De König leet denn ok den Schinner kamen un gew em Order, dat Pierd to schlachten. 152

Dit hadd sick rümmerspraken, un ok dat lütte Mäten hadd dorvon hürt. Se güng nah den Schinner un bed' em, he süll doch den K o p p von dat Pierd in den düstern Durweg uphängen, dat se em noch seihn künn, wenn se de Gaus' ruuterdrieben ded'. Na, dat ded dee denn ok. Den annern Morgen, as de rDiern 1 nu mit Kürting de Gäus' unner dat Dur weg nah de Gauswisch häuden ded, dor sehg' se den K o p p dor hängen. Ehr körnen de Tranen, un se süüfst: „ O Falada, so hängst du dor . . ." Dor säd' de Pierd'kopp: „ O Jungfer Königin, so geihst du dor. Wenn dien leiw' Mudding dit ded' seihn, Ehr brök woll rein dat Hart vonein." Se güngen wieder nah de Wisch. Dor sett'te se sick up de Grabenbuurt bie 'n Wiedenbusch un füng an, sick de gollenLockenhoor to kämmen. Donn köm de Häud'jung' Kürting an un wull ein von de schönen Locken ehr utrieten. Donn süng dat Mäten: „Wind, Wind, leiwen Wind, Kumm doch her mal flink! Nimm den Haut von 'n lütten Kurt, Dräg' em wiet, wiet weg un fuurt, Bet ick mi de Hoor heff flecht't Un in 'n Kranz up 'n K o p p heff l e g g t ! " Un de Wind füng an to weihen, fött Kürting sienen Haut, pust't em hoch in de Luft un ümmer wieder. Un de Jung' müßt achter anjachern. Un as he em wedder hadd, dor wir dat Mäten ok fardig mit de Hoor. Dit Wäs'wark geschach nu jeden Dag wedder, de Pierd'kopp, mit den de Diern snackte, un dat Hautjagen, wenn se sick kämmen ded. — Un Kurt köm dat doch ganz snaksch vor. Un einen Dag, as de König up den Schloßhoff wir, donn föt de J u n g ' sick 'n Hart. He güng nah em ranner un säd': „Mit Verlööw, Herr König, ick wull mal 'n poor Wüürd' mit Se snacken." „ N a " , säd' de König, „wat gelt 't denn?" „ T j e " , säd' de Jung', „de Diern, dee mit mi de Gäus' häuden deit, mit dee stimmt wat nich. Jeden Morgen, wenn wi dörch dat oll Dur häuden, dennso snackt se mit den Pierd'kopp, den de Schinner dor uphängt het. Un nahsten, wenn wi up de Wisch sünd un se sick de Hoor kämmt, denn röppt s' den Wind. Dee kümmt denn ok akrat angefägt un ritt mi den Haut af, dat ick achter an153

jagen möt. Herr König, dat geiht nich mit rechten Dingen to, un ick will nich, dat de Diern mit mi häuden deit!" De König denkt, de Jung' het woll Grappen in 'n Kopp. (Ewer he seggt to em: „Morgen geihst noch eins mit ehr — un denn willen wi mal seihn!" In aller Herrgottsfräuh geiht denn de König nah dat oll Dur un versteckt sick in ein düster Eck un täuwt de Gäus' af. fDat 1 duert nich lang', ""dor1 kamen s' ok all an. Un würklich un wohrhaftig: He hürte, as de lütt Diern to den Pierd'kopp seggt: „O Falada, so hängst du dor . . ." Dor antert dee: „O Jungfer Königin, so geihst du dor. Wenn dien leiw' Mudding dit ded' seihn, Ehr brök woll rein dat Hart vonein." Richtig verfihrt hadd sick de König. CEwer he güng 'n annern Weg nah de Wisch, dee körter wir. Un as de Haud' anköm, dor hadd he sick all achter 'n Wiedenbusch verstäken. Un richtig: De lütt Diern sett't sick up de Grabenbuurt, de Hoor fleigen in 'n Wind, un de Jung' will ehr ein von de Locken utrieten. Dor säd' se ehren Sprök: „Wind, Wind, leiwen Wind, Kumm doch her mal flink! Nimm den Haut von 'n lütten Kurt, Dräg' em wiet, wiet weg un fuurt, Bet ick mi mien Hoor heff flecht't Un in 'n Kranz up 'n Kopp heff leggt!" Dor köm ok all de Wind angebruust. Kürting sien Haut flog' in 'n hohgen Bagen von sienen Kopp, un he müßt driewens achter anjagen. De König müßt cewer dit lustig Spillwark lachen, oewer dat Ganze gew em doch to denken, vor allem de Pierd'kopp. Abends stünd' he all an 't Schloßdur, as de Gäus'haud' trüchköm. He säd' denn: „Kumm doch mal her, mien lütt Diern!" Och, wat hadd se up eins Bang'n. He säd': „Kumm man her, ick dau di jo nicks. CEwer nu segg mi mal: Du snackst dor mit den Kopp von dat dodige Pierd, un wenn du den Wind röppst, denn kümmt he an. Segg mal! Verteil mi mal!" O wat kreeg' se 'ne Angst: „Herr König, Herr König! Ick bidd' Se von 'n Himmel to Ierden, nähmen S' nich den Kopp von dat Dur! Dat is doch de Kopp von mienen Falada. Den het mi de Schinner dor henhängt. Dat is doch mien einzigst Trost hier!" 154

„Wat?" seggt de König. „Dien Falada? Dien einzigst Trost? Dat möößt mi mal verteilen!" Ach, wat verfihrte se sick: „Ach nee, Herr König, dat dörf ick keinen läwigen Minschen verteilen. Ick heff mi verschwuren bie Himmel un Ierd." „Nee", säd' he, „denn dörfst du dat ok nich. (Ewer kiek mal! Hier in diss' Stuw' dor haben, dor steiht ein ganz grot Bild von miene Fruu, dee nu all lang' dot is. Wat meinst woll, süht dee nich bienah ut as dien Mudding? Kiek, dor sett di man vor hen un verteil ehr all dien Hartweihdag'!" Ja, dat ded se nu ok. Se sett'te sick vor dat schöne Bild un füng an to verteilen, alls, wat se beläwt hadd: Von de gnittschäwsche Jungfer, un wo se sick hadd verschwören müßt, nicks to seggen, un von 't Gaushäuden un von Falada un wo de Jungfer nu de Bruut spälte von den Königssoehn. (Ewer achter dat Bild, dor hadd sick liesing de König henstellt un alls mit anhürt. — As de lütt Diern wedder ruuterköm, dor stünd' he an de Dör un säd': „Weißt du, dat dat Bild ok snacken kann as dien Falada? Dat Bild het mi alls wedder verteilt. Un nu weit ick: Du büst de richtige Bruut!" He leet ehr schöne Kleeder antrecken un gollen Schauh, un denn röp he sienen Soehn un verteilte em de ganze Geschichte un säd': „Un dit, mien Scehn, dit is diene richtige Bruut!" — Un se wir jo väl, väl hübscher as de leidige Jungfer. Nu leet de König ein grotes, herrliches Fest utrichten. Dor set up de ein Siet von em de richtige Bruut, up de anner de Jungfer. (Ewer dee kennte de richtige Königsdochter gor nich. Se meint jo ümmer, dat dee mit de Gäus' up de Wisch is. As se nu schön äten hadden, donn füng de König an, 'ne Geschichte to verteilen, de Geschichte von de Königsdochter, alles Tso1, as dat wäst wir. — As he to End' wir, donn frög' he de Jungfer, wat se woll meinen ded', wat disse gräsige Person woll för 'ne Straf hebben müßt. Se wull sick je nu nicks ankamen laten, un so säd' se: „Dee? Dee würd ick splinternackt uttrecken, ehr in ein Fatt mit väle spitze Nagels stecken, dat Fatt fast taumaken un denn den ganzen Schloßbarg daltrünneln laten un noch wieder, bet dat in de Bäk versackt." „So", säd' de König, „denn hest di jo dien eigen Urteil Spraken! Disse gräsige Person büst du jo sülwst." So müßt se nu splinternackt in dat Nagelfatt rinner un würd mit 'n groten Hurra den Schloßbarg dalstött't, bet s' in de Bäk versapen wir. Un donn würd 'ne schöne Hochtiet fiert, Tun1 't würd danzt un sungen un anstött't mit schönen roden Wien. Un all tohoopen wiren glücklich bet an ehr Läwsend'.

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27 Der geheimnisvolle

Berg

Dor wiren eins twei Bräuder: De ein, dee wir riek, un de anner, dee wir ganz arm. Un dee so arm wir, dee hadd so 'n lütten Kuurnhandel, un rdee1 bröcht nicb väl in. Un sien Familie, dee süll dor ok von läben. Un he hadd nich väl to läben, un he dacht ümmer: „Wo kümmst du woll 'n bäten to Geld? Disse Kuurnhandel, dat is jo ok man jämmerlich." Un dor r geiht 1 he eins sienen Weg un will nah 'n Dörpen gahn, un dor süht he dor mit 'n Mal 'n groten schwarten Barg, 'n ganz griesen un schwarten Barg. „Mein Gott", denkt he, ,/den1 hest doch süss noch nich seihn, den Barg. Het dee dor all ümmer stahn? Büst du ümmer in 'n Düs' hier gahn, dat du dat gor nich seihn hest?" Un dor bleew he dor stahn vor den Barg. Un dat duerte gor nich lang', donn körnen dor twölf Kierls an, dee sehgen ut as so 'n richtigen Räuberhauptmanns. Un dee bleeben vor den Barg stahn un säden: „Semsi, mak di apen!" Un denn güngdeBargutenanner, un de Kierls güngen dor rin, un de Barg güng wedder tau. Un dat duerte gor nich lang', donn kömen de Kier.'s wedder ruut. Jeder hadd 'n Sack up 'n Nacken. Un donn säden se wedder: „Semsi, schlut di tau!" Un denn güng de Barg wedder tau. Dit het.sick de Mann 'n poormal ankäken: Jeden Dag wir dat datsülwige. r Un as1 he sick 't 'n poormal ankäken rhet1, denkt he: „Täuw, wat dor woll in is in den Barg? Dit sallst du ok mal versäuken!" Un he geiht jo ok hen, as de Kierls wedder weg sünd, un seggt: „Semsi, mak di up!" Un de Barg, dee geiht würklich utenanner, un he geiht rin, unde Barg geiht wedder tau. Un dor süht he dor grote Hümpels von Gold un Sülwer un Parlen un Eddelstein. — „Na", denkt he, „dit kann di jo grad' passen!" Un rhe1 geiht bloß nah den Barg mit Gold hen un steckt sick de Taschen vull. Un donn geiht he wedder ruut un seggt: „Semsi, mak di wedder tau!" Un as dat Geld all is, donn denkt he: „Du geihst noch eins wedder hen nah den Barg." Un nu will he jo ok 'n bäten mihr hebben as bloß de Taschen vull. Un donn geiht he nah sienen Brauder un seggt: „Du, leihn mi mal dien Schäpelfatt!" — Un de Brauder leihnt em jo ok dat Schäpelfatt. Un dor geiht he dormit nah den Barg un röppt wedder, de Barg sali sick upmaken. — De Barg, dee geiht wedder up, un he haalt sick jo ok den Schäpel vull Gold dor ruut. Un as dat wedder all is, geiht he wedder nah den Brauder hen. Un de Trieke1 Brauder, dee wunnert sick: „Mein Gott, wo het he nu up einmal mit sienen lütten Kuurnhandel all dat Geld her? Dat geiht jo woll gor 156

nich mit rechten Dingen to! Denn wat will he mit mien Schäpelfatt?" — Un donn schmeert he dor unnen in dat Fatt, rdor 1 schmeert he Pick rin. Un donn geiht de r arme n Brauder wedder hen, haalt sick dat Schäpelfatt vull Gold, schürrt dat ut un bringt den Brauder den leddigen Schäpel wedder hen: Un donn wir dor ein Goldstück inhackt. „Oh", seggt de rrieke 1 Brauder, „wat is dit? Wo kümmst du to Gold? Dit geiht jo nich mit rechten Dingen to, un ick möt woll mit di nah de Gerichten hengahn. Denn segg mi, wo büst du to dat Gold kamen?!" Un in siene grote Angst, dor verteilt de fMann 1 den rieken Brauder dat, dat in den Barg dat Gold in is. „So", seggt de Brauder, „un wat möößt du denn seggen?" „Ja, Semsi, mak di up!" „Na", seggt de rieke Brauder — he hadd jo noch nich naug' mit all sien Geld —, „denn gah ick dor ok hen." rHe 1 nimmt ok sienen Schäpel un geiht dor hen, geiht ran nah den Barg un seggt: „Semsi, mak di up!" Un de Barg, dee makt sick jo ok up. Un he geiht jo ok rin, un de Barg r geiht 1 wedder achter em tau. Un he füllt sick de Taschen vull un den Schäpel vull. Un as he dor in is, donn het he dit vergäten, den Brauder to fragen, wat he seggen möt, dat he ok wedder ruut kann. Un he denkt doroewer nah un . . . „Oh, wat möt ick bloß seggen?" Un he ward ümmer verstürter. Un mit einmal, donn geiht de Barg up, un de twölfRööwers kamen dor rin un seggen: „So, nu hebben wi di! Tweimal büst du all hier wäst un hest uns hier dat Gold klaut. Nu hebben wi di cewer!" — Un donn hebben s' em to faten krägen. Un he het soväl schriegt un dan: „Dat bün ick nich wäst! Dat is jo mien Brauder wäst! Ick bün dat jo gor nich wäst!" „Dat 's uns egal: Du büst hier nu." — Un donn hebben s* em nahmen un hebben em den Kopp afhaugt. 28 Der Fischer und seine Frau

Dor wir mal eins 'n Fischer, un dee wahnte mit siene Fruu in 'n ganz, ganz lüttsches Huus. Dat wir so 'n Hütt, dee hadden se sick ut Schülp buugt. Un dor schlöpen se up Ruhr un hadden 'n Fell to 'n Taudecken. Un ganz arm güng ehr dat. (Ewer se wiren eigentlich ganz woll tofräden. De Fischer, dee güng jeden Dag to 'n Angeln. He hadd nich mal so väl Geld, dat he sick Netten kööpen künn. He müßt mit de Angel los. Un wat he denn so tosamen angelt hadd, dat würd denn verhökert in de Stadt. Un dor würd dat för köfft, wat se an 'n allernödigsten bruuken deden: Brot un Melk un wat se so to 'n Äten un Drinken bruuken deden. 157

Un einen Dag, dor geiht de Fischer ok mit sien Angel los un steiht an den See un angelt. Un up einmal kümmt dor so 'n groten Bülgen an, un dor set an sien Angel 'n Butt. He treckt de Angel ok hoch un wunnert sick: De Butt, dee selig' ganz golden ut. Un dor füng de Butt mit einmal an to snacken, as he em losmakt hadd, un seggt: „Ach, du büst so 'n goden Fischer. Ick bidd' di üm alls in de Welt: Lat mi doch läben!" „O worüm?" seggt de Fischer. „Ick bruuk de Fisch." „Na, lat mi doch läben! Ick bidd' di dorüm. Kiek mal, ick bün gor kein Fisch. Ick bün jo 'n verwunschenen Prinz. Mi het 'ne böse Hex verwunschen, dat ick nu in dit Water schwemmen möt as Fisch." „Na", seggt de Fischer, „so 'n narrschen Fisch, dee snackt, den mag ick ok sowieso nich äten. Denn schwemm du man wedder weg!" Un donn röppt noch de Butt: „Un wenn du eins wat hebben willst un du 'n Wunsch hest, denn möößt du herkamen un möößt mi raupen. Denn röppst du ümmer: 'Manntje, Manntje, timpetee, Buttje, Buttje in den See!' Un denn kam ick an, un denn kannst du seggen, wat du hebben willst." Na, de Fischer geiht jo ok nah Huus. •"Dor1 fröggt sien Fruu: „Na, wat hest nu fungen ? Bringst wat mit nah Huus ?" „Ach nee", seggt he, „hüüt heff ick gor nicks krägen. — Doch", seggt he, „ick heff dor 'n Butt angelt, un dee sehg' ganz golden schimmerig ut. Un dee künn snacken, un dee säd', he wir 'n verwunschenen Prinz, un ick süll em doch wedder rinschmieten in 't Water." „Dat wir 'n verwunschenen Prinz? Un du hest em wedder rinschmäten? Minsch, dor haddst di doch eigentlich wat wünschen müßt." „Woso?" „Ja, von 'n verwunschenen Prinz kann 'n sick ümmer wat wünschen. Dat hebben s' mi verteilt. Nu gah man wedder hen nah 'n See, un denn raup em man! Un denn segg em man, ick wull endlich ut disse lütte Hütt ruut, un ick wull 'n richtiges Huus hebben!" „O Fruu", seggt he, „dat kann ick doch nich". „Ja, dat kannst du. Dat is gor kein . . . , dat is gor nich so schlimm. Ick will in 'n richtiges Huus wahnen!" Na, he geiht jo ok wedder hen nah den See un röppt: „Manntje, Manntje, timpetee, Buttje, Buttje in den See!" Un donn köm wedder so'n groten Bülgen an. Un donn köm de Fisch un seggt: „Was willst du, mien leiw' Hans Dudeidee?" 158

„Ach", seggt de Fischer: „Miene Fruu, de Ilsebill, Will nich so, as ick woll will." „Na", seggt de Butt, „wat will se denn nu?" „Je, se will nich mihr in de lütt Hütt wahnen. Se will in 'n richtiges Huus wahnen." „Na, denn gah mal hen: Se wahnt dor all in." Un de Fischer geiht jo ok hen. — Un wo de lütt Hütt wäst wir, dor stünd' 'n schönes, hübsches Huus mit 'n lütten Goorden rüm. r Un 't 1 wir ok 'n Stall bie, r dori hadd se Häuhner, Gäus' un Aanten. Un de Fruu, dee set vor de Huusdör un hadd de Knütt in de Hand un wir ganz woll tofräden. „Sühst du, Vadding", seggt se, „nu hebben wi 'n Huus, un nu is dat doch 'n ganz anner Läben." Un so hebben se dor woll so vielleicht 'n twei, drei Wochen in wahnt, donn meint de Fruu: „Äh, richtig is dat doch noch nich. He hadd' ganz wat anners to den Butt seggen müßt. Nee, ick will noch ganz r wat anners 1 ." Un donn seggt se to ehren Mann: „Kumm mal her! Weißt du wat? Dat is jo ganz schön in dit Huus. (Ewer ick mein, wi künnten dat noch bäter hebben. Ick will in 'n grotes Schloß wahnen!" „Wat", seggt de Mann, „du un 'n Schloß?" „Ja, dat will ick nu! Ick heff dat nu lihrt, wo feine Lüüd' in 'n Huus wahnen. Un nu will'ick ok in 'n Schloß wahnen. Nu geihst du nah 'n Butt, un denn seggst du em dat!" „O Fruu", seggt he, „ick schenier mi jo. Nu het he uns äben ierst dat Huus schenkt." „Nee, nu gah man hen! Denn dit is mi nu all oewer." Na, de Fischer, dee güng jo ok wedder los Tun1 güng an den See. fDor 1 kamen wedder de hohgenBülgen, asheröppt: „Manntje, Manntje, timpetee . . . " un sienen Vers dor runnerröppt. Dor kümmt de Butt ok wedder angeschwemmt un seggt: „Wat willst denn, mien leiw' Hans Dudeidee?" „Ach", seggt he: „Miene Fruu, de Ilsebill, Dee will nich so, as ick woll will." „Wat will se denn nu noch?" „Je", seggt he, „se seggt, se will nu in 'n grot Schloß wahnen." „Gah man hen: Se wahnt dor all in." Na, de Fischer, dee geiht jo ok wedder trüch. — Un wo dat Huus stahn hadd, dor stünd' nu 'n grotes Schloß mit soväl Turms. Un 'n groten Saal wir dorin. Un 'n groten Thron wir dor. Un dor set siene Fruu up. Un väl Deiners wiren 159

dor. Ach, un 'ne grote Eklipag' hadden s' ok mit vier Pierd' vor. Un dor führte se denn in spazieren. Un dit wir nu ganz schön. „Ja", seggt se to ehren Mann: „Nu is dat ganz schön. Dit hürt sick ok so för mi." „Na, dat 's man gaut, dat du tofräden büst", seggt de Mann. Na, un as se donn eins spazieren führt mit ehr Eklipag', haben cewer 'n Barg roewer, dor süht se dat ganzeLand, wat so üm ehr Schloß rüm is. Un dor meint se: „Wecker regiert hier nu eigentlich in dit Land? Dat möt ick doch daun. Denn möt ick jo cewer König warden. Ja, denn möt ick König sien." Un r donn 1 seggt s' to ehren Mann: „Du, wi hebben nu dat grote Schloß un hebben dat Land. Un nu will ick ok König warden. Denn will ick hier rümregieren." „Wat willst du? König warden?" He schürrt mit 'n Kopp: „Nee, so wat gifft 't nich." „Doch", seggt se, „nu will 'ck König warden! Un nu geihst du hen nah den Butt, un denn seggst du, dat ick König warden will! Denn bloß in 't Schloß sitten un . . ., dat 's mi to langwielig." Na, he geiht jo wedder hen. Un de See, dee bruust un deit, un dor kümmt 'n Gewitter rup. Un donn seggt he wedder: „Manntje, Manntje, timpetee, Buttje, Buttje in den See!" Dor kümmt de Butt anschwemmt un seggt: „Wat willst denn, mien leiw' Hans Dudeidee?" „Ach", seggt he: „Miene Fruu, de Ilsebill, Dee will nich so, as ick woll will." „Ja, wat will se denn?" „Ja", seggt he, „wat will se denn? König will s' sien." „Gah man hen!" seggt de rßutt 1 : „Se is dat all." Na, he geiht jo ok wedder trüch. — Un dor sitt sien Fruu in 'n Saal up den Thronsessel un het 'ne Krön up 'n Kopp. Un de Deiners sünd all üm ehr rüm. Un denn het s' 'n Zepter in de Hand, un dor fangt s' denn an to regieren för ehr ganzes Land. „Häh, büst nu tofräden", seggt de Mann. „Ja, nu bün ick ierst mal eins wedder tofräden", seggt se. „Mal seihn, wo mi dat geföllt." Na, nah 'n poor Wochen, dor het se sick dat denn cewerleggt: „König? — König? — Königs gifft 't cewerall! Nee, nu will 'ck . . . Kaiser will 'ck warden! Kaisers gifft 't nich väl in de Welt. König? — Kann je jeder sien." Donn seggt s' to ehren Mann: „Du, gah mal hen nah den Butt un segg em, ick will nu kein König mihr sien. Nu will 'ck Kaiser sien!" 160

„Du büst jo woll up den Puckel nich klauk!" seggt de Mann. „Wat? Du willst Kaiser sien?" „Ja, ick will nu Kaiser sien! Un du geihst nu hen un seggst den Butt dat!" De Mann, dee löppt jo ok wedder los. Un ganz angst un bang' is em all. Un he röppt den Butt wedder: „Manntje, Manntje, timpetee, Buttje, Buttje in den See!" Dor kümmt de Butt ok wedder an un seggt denn: „Wat willst denn, mien leiw' Dudeidee?" „Wat ick will? Miene Fruu, dee will nu Kaiser sien! Stell di dat mal v o r : Kaiser will se sien." „Gah man hen!" seggt de Butt: „Se is dat all." Je, nu wir se Kaiser. — Un nu führte se eins mit ehr grot Kutsch spazieren: Vorn 'n Kutscher un 'n Lakai up un hinnen ok noch twei up. Un so führte se denn dörch ehr ganzes Land. Un as se denn ollich 'n End' weg wiren, donn füng dat fürchterlich an to rägnen un to geiten. 'n Schirm hadd s' ok nich mit. Donn würd s' klidderigen natt. O wat wir se donn fuchtig un bös. „Nee", seggt se: „Denn will 'n utführen, un denn ward 'n noch natt rägent. Dat gifft 't nich. Nee, nu will ick sülwstdat Wädermaken. Wenn ick utführen will, denn sali de Sünn schienen. Un nachts kann 't mienetwägen rägnen." „Woso?" seggt de Mann. „Wo willst du nu sülwst dat Wäder maken?" „Ja, ick will nu leiw' Gott warden. Denn kann ick mi allein mien Wäder maken." „Fruu, Fruu", seggt he, „du versünnigst di jo! W o kannst du leiw' Gott warden?" „Worüm kann ick dat nich? Wenn ick Kaiser bün, kann ick ok leiw' Gott warden! Nu geihst rdu1 hen nah den Butt un seggst em dat! Dat wir mi cewer, denn ick wull mi nich natt rägnen laten." Na, he geiht jo ok hen. Un as he an den See kümmt, donn kümmt dor 'ne grote schwarte Swcerk an den Häben hoch. Un dat blitzt un dat dunnert, un de See, dee bruust, un de Wellen, dee sünd so hoch. Un he kann dor gor nich mit sien Stimm gegen anraupen un röppt ümmer luuter: „Manntje, Manntje, timpetee, Buttje, Buttje in den See!" Un he röppt dat noch eins. Un donn kümmt de Butt an un seggt: „Wat willst du denn, mien leiw' Dudeidee?" „Ach", seggt he: „Miene Fruu, de Ilsebill, Will nich so, as ick woll will." 11

Neumann, Märchenfrau

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„Wat will se denn nu noch?" „Ja, nu will s' noch leiw' Gott warden." Un up eins dunnert dat, un de Blitz, dee schleiht in, un dor seggt de Butt: „Denn gah man wedder nah Huus! Se sitt nu wedder in ehr Schülphütt." Un he geiht nah Huus. — Un 't Schloß is weg, un de Eklipagen sünd weg, un de Deiners sünd weg, un alls is weg. Un sien Fruu, dee sitt wedder in de lütte, lütte, lütte armselige Hütt un liggt up dat Ruhrlager un deckt sick mit 'n Fell tau. Un dat wir dat End' von de Geschichte: Wenn einer gor un gor nich naug' kriegen kann, up eins het he donn gor nicks mihr. 29 Der Tisch, der Esel und der Knüppel Ein oll armen Flickschnieder, dee hadd drei Scehns. Un he verdeinte nich väl, un se hadden nich väl to bieten un to bräken un hadden bloß ein oll Zäg', dee müßt ehr de Melk gäben för de Supp abends. Un nu hadden s' kein Futter mihr in 'n Stall, un donn seggt de Vadder to den öllsten Jung': „Jung', gah mal mit de Zäg' nah buuten nah de Grabenbuurt, dat s' sick orndlich eins satt fräten kann!" Na, de Jung' geiht jo ok los mit de Zäg' un lerrt ehr oewerall rüm. Un as dat Abend is, donn seggt he: „Zäg', büst nu satt?" Donn seggt de Zäg': „Ick bün so satt, Ick mag kein Blatt. Mäh-mäh!" Na, denn güngen s' jo nu nah Huus. He bringt s' wedder in 'n Stall un seggt to sienen Vadder: „Vadding, nu is de Zäg' wedder dor." Na, de Oll geiht jo mit sienen Melkenemmer nah 'n Stall un will de Zäg' melken. Un ierst strakt he s' so oewer un seggt: „Na, mien lütt Zäg', büst nu satt?" „Wo sali ick woll satt von sien? Ick sprüng woll oewer Grabens hen Un heff nich ein Blatt funnen!" Donn ward de Oll jo wütend: „Disse verdammte Bengel, 'n ganzen Dag fuul rümliggen un nich mal de Zäg' lerren kcenen!" Un he löppt rin un haalt sick de Ä1 un haugt up den Jung' in un seggt: „So 'ne fuul Gesellschaft, dee kann ick nich in 'n Huus bruuken. Wer nich wat daun will, dee sali ok nich bie mi äten!" — Un denn jagt he em weg. Na, den annern Dag möt de tweit Jung' denn hen. Donn seggt de rVadder 1 denn: „Jung', gah mal mit de Zäg' ruut un lat s' ollich fräten!" 162

Na, dee nimmt jo ok de Zäg' an 'n Strick un denkt: „Dit sali di nich passieren as dienen Brauder." Un rhe1 geiht nu dor hen, wo ollich schönes Futter is, so Botterblaumen an 'n Rämel von 'n Feld, dat se sick satt fräten kann. Un abends seggt he ok wedder to ehr: „Na, Zäg', büst nu satt?" „Ick bün so satt, Ick mag kein Blatt. Mäh—mäh!" seggt se. „Na, denn kumm, denn willen w' nah Huus gahn!" Donn bringt he de Zäg' wedder rin nah 'n Stall un seggt: „Vadder, de Zäg' is dor, un se is satt." „Na", seggt de Vadder, „denn is 't jo man gaut." Un he will de Zäg' wedder melken un fröggt ehr: „Na, mien lütt Zicking, büst nu satt?" „Wo sali ick woll satt von sien? Ick sprüng woll cewer Grabens hen Un heff nich ein Blatt funnenl" Ha, wat ded de Oll donn bös: „Dor, de Bengel, dee is ok so fuul!" Un he löppt rin un haalt sick sien Ä1 un haugt ok den dörch un jagt em ut 'n Huus: „Seih to, wo du dien Brot findst! Bie mi kriggst nicks mihr." Na, donn kümmt den annern Dag jo de drüdd' Jung' ran: „Nu geihst du hen un lerrst de Zäg', dat s' wat to fräten find't!" Na, dee denkt: „Wo sallst du bloß de Zäg' noch henlerren?" Un he lerrt ehr cewerall dor hen, wo s' ok von 'n Boom 'n poor Bläder afplücken kann un all, wat se giern mag. — Denn Zägen, dee sünd jo wat tüer in 't Fräten. Ummer willen s' wat anners hebben, un ümmer willen s' wat Nieges hebben. Un as he abends de Zäg' ankickt, donn is dat Uder so stramm, dat he denkt: „Na, nu is se gewiß satt un gifft Melk." Un rhe1 bringt de Zäg' wedder nah Huus un seggt: „So, Vadding, nu is de Zäg' gewiß satt. Nu ward s' woll Melk gäben." — Denn se hadd jo ok wedder to em seggt, se wir satt. Un de Vadder geiht jo wedder hen un seggt: „Na, mien lütt Zäg', nu büst woll satt?" „Wo sali ick woll satt von sien? Ick sprüng so cewer Grabens hen. Ick heff nich ein Blatt funnen." Oh, nu wir de Vadder cewer dull: „Nee, dit 's doch rein to dull mit de oll Bengels!" — Un denn jagt he ok den annern ut 'n Huus. Un nu set he ganz allein mit sien Zäg': De Jungs, dee güngen dor in de wiede Welt. 163

Un de Vadder, dee hadd jo nu sien Zäg' un geiht den anaern Dag nu sülwst mit ehr ruut. Un cewerall lerrt he s' hen, wo wat Schöns to finnen is, un seggt denn: „Zäg", büst nu satt?" „Ick bün so satt, Ick mag kein Blatt. Mäh—mäh!" seggt se. „Na, denn willen w' denn mal nah Huus gahn." Un in 'n Stall, donn seggt he: „Na, mien lütt Zäg', nu büst doch hüüt mal ollich satt worden!" •"Dor1 seggt se: „Wo sali ick wo 11 satt von sien? Ick sprüng woll aewer Grabens hen Un heff nich ein Blatt funnen!" „Na", denkt de Oll, „wat is in dit oll Diert rinfohrt? De olle malle Zäg'! Nu het s' doch gewiß wat to fräten krägen. Nu heff ick mien armen Jungs, dee heff ick nu ut 'n Huus jagt üm dit oll Diert!" O wat wir he bös! „Dit will ick di nah Huus bringen!" seggt he. „Du olle Zäg'! r Icki heff di cewerall henlerrt, wo 't wat Schöns gew, un nu seggst du wedder, du büst nich satt." Un donn löppt he rin nah sien Stuw' un haalt sick sien Baibiermetz un geiht wedder in 'n Stall un kriggt de Zäg' an 'n Kopp to faten un rasiert ehr ganz un gor de ganzen Hoor af, dat se blitzeblank wir. Un donn gifft he ehr einen mit 'n Faut un seggt: „So, nu rönn hen, wo du hen willst! Ick will mit di nicks mihr to daun hebben, so 'n Verlagen Diert as du büst! Loop, wo du hen willst, oewer nah mi kam nich wedder her!" Na, donn wir he de Zäg' jo ok los. Nu set he ganz allein mit sien Büxenflicken. Nu hadd he kein Zäg' un kein Melk, un nu ded em dat so leid: Sien armen Jungs, wo dee nu woll in de Welt afbläben wiren? Je, dee wiren nu wegwandert. De öllst, dee wir bie einen Discher henkamen. Un de Discher hadd em in de Lihr nahmen. Un as he dor sien Tiet utlihrt hadd, dat he alls schön künn un up de Wanderschaft gahn künn, donn seggt de Discher: „So, nu will 'ck di o k r w a t gäben 1 . As Gesellengeschenk will 'ck di nu 'n Disch schenken. — Kiek mal, mien Jung'", seggt he, „dit is nich so 'n Disch as jeder anner Disch is. Dit is 'n Disch, wenn du di dor an hensettst un seggst: ,Deck di, Disch!', denn bringt he di dat Schönste to äten, wat du di bloß wünschen kannst. Un wenn du satt büst, denn seggst du: ,Gah weg, Disch!', un denn is de Disch wedder leddig." Na, he geiht jo dormit los, un unner de ierste grote Eik, dor denkt he: „Dit sallst doch mal eins utprobieren!" •"He1 sett't sick dor hen un seggt nu ok: „Deck di, Disch!" Un in 'n Ogenblick, dor stahn de schönsten Bradens up den Disch, Schwiensbraden un Gaus164

braden unKarbonad' unBiffsteak — allens, wat 'n sick so wünschen kann. Un 'n Glas Wien steiht dor ok noch bie un 'ne Buddel, dat he sick noch wedder wat ingeeten kann. Un he ett! Oh, wat het em dat schmeckt! So 'n schön Äten het he in sienen ganzen Läben noch nich hatt. Un as he satt is, seggt he: „Gah weg, Disch!" Un donn wir deDisch wedder so, dat he em up 'n Puckel nähmen künn un wiedergahn. Na, dit het he so up sien Wanderschaft noch 'n poormal makt, un dat geföll em grotoordig. — (Ewer he wull jo nu giern nah sienen Vadding hen, dat dat den ok bäter gahn süll, dat dee ok mitäten süll dorvon, denn he wir jo nu so arm. — Un r hei köm cewer den Dag nich mihr ganz hen. Donn müßt he in 'ne Harbarg' blieben, un de Wirt, dee fragt em, wat he woll to äten hebben wull. „Oh", seggt he, „ick bruuk nicks. Paß mal up, ick heff allein wat to äten!" •"He1 sett't sick sienen Disch hen un seggt: „Disch, deck di!" Un donn kamen all de schönen Saken wedder up den Disch rup. Un de Lüüd', dee dor bie em rüm seten, dee kreegen jo nu grote Ogen, un dee löp dat Water in 'n Mund tosamen von all de schönen Saken, dee se dor seihn deden. Un donn seggt de Gesell: „Kamt mal all ran! Ji koent all mitäten. De Disch, dee gifft uns ümmer mihr to äten." Un as denn all satt sünd un dat is Abend un is Fierabend, donn gahn de Lüüd' jo nah Huus, un de Wirt, dee seggt: „Du kannst hier in de Kamer schlapen." Un dor geiht he jo ok rin un leggt sick, schön satt as he is, hen as to 'n Schlapen. (Ewer de Wirt, dee denkt: „Dat is jo 'n ganz verdeuwelten Disch! Wenn du den kriegen künnst, denn duert 't nich lang', denn büst 'n rieken Mann." — Un as de Gesell so richtig fast schlapen deit, geiht he rin un haalt sick den Disch ruut un haalt von 'n Boen 'n annern Disch, dee ok so utsüht, un stellt den wedder hen. Na, annern Morgen, donn geiht uns' Gesell jo ok los un kümmt bie sienen Vadder an un seggt: „Hier, Vadder, ick heff di hier wat mitbröcht von de Wanderschaft. Kiek mal, dissen Disch, den het de Meister mi schenkt!" „Oh, woso", seggt de Vadder, „dat 's doch keinen besonderen Disch. Dat 's nu grad' kein Meisterstück, wat du bringst. So 'n Disch, den kannst cewerall kriegen." „Nee, paß mal up!" seggt he. „Nu willen wi mal all uns' Tanten un Unkels, dee willen wi mal all inladen, un denn sallst cewer mal seihn!" Dee würden jo ok all inladen, un de Disch würd henstellt, un donn seggt de Scehn: „Deck di, Disch!" (Ewer 't passiert nicks, 't kümmt nicks rup up den 165

Disch. — „Na", denkt he, „dit is jo narrsch!" Un rhe 1 seggt noch eins: „Deck di, Disch!" CEwer de Disch, dee blifft so, as he wir. Dor ward he dat gewohr, dat em einer den Disch wegnahmen het, un dee lachen em all wat ut von wägen sien Meisterstück. Un he geiht jo wedder weg up de Wanderschaft, un de Vadder, dee sitt wedder mit sien Büxenflicken. Na, donn kümmt de tweit Soehn. — Wo is dee man noch henkamen? Dee is nah 'n Möller henkamen un het bie 'n Möller flietig arbeit't, het fein Mähl mahlt, Weitenmähl un Groffmähl un allens Moegliche, un het de Stein fein kloppt, un wir 'n düchtigen Möller worden. Un as he denn fardig wir mit de Lihr, seggt de Möller to em: „Ja, mien Jung', du hest mi truug' ümmer hulpen. Ick will di nu ok wat schenken up dienen Weg. — Kiek mal", seggt he, „de Buern, dee kamen ümmer mit de Äsels, dee möten de Säck mit Kuurn herdrägen. Ick schenk di ok 'n Asel. (Ewer dat is kein Asel, den du 'n Sack up 'n Puckel leggen kannst. Dit is 'n annern Asel. Wenn du den Asel seggst: ,Bricklebrick!', denn sallst mal seihn, denn spuckt he di von vorn un hinnen luuter Goldstücken. So, un nu gah man los un gah nah dienen Vadder!" Un dee geiht jo ok los un denkt: „Dit sallst doch ierst mal eins probieren." Un rhe 1 leggt 'ne Deck unner den Asel un seggt, as he unnerwägens is: „Bricklebrick!" Un würklich, de Asel, dee spuckt von allen Sieden Gold. Nu sammelt he sick dat up, steckt dat all in de Taschen, un denn geiht he wieder. •"He1 kümmt nu ok nah den Wirt hen un holt all de annern Lüüd', dee dor in 't Stuw' sitten, dee holt he frie. Dee gifft he to äten un to drinken. He het jo de Taschen vull Geld, un 't ward jo nich all. Un as de Wirt denn mit de Räknung kümmt, un he sali dat betahlen, donn hadd he nich naug' Goldgeld in de Taschen, un donn seggt he to den Wirt: „Täuw mal 'n Ogenblick, ick kam gliek wedder! Denn will 'ck di woll dat Geld betahlen." Un he geiht nah 'n Stall un seggt to den Asel: „Bricklebrick!" Un geiht nu rin un kann den Wirt dat Geld betahlen. Dee denkt: „Dit 's jo komisch! Nu het he mit 'n Mal Geld. Ierst hadd he nicks. Dit möößt doch mal seihn, wo dit is." Un dee geiht abends noch eins nah 'n Stall, de Gesell, seggt, he will den •"Asel1 noch eins Futter gäben, un seggt wedder to den Asel: „Bricklebrick!" Un de Asel spuckt wedder Gold. CEwer de Wirt, dee hadd dörch 'ne Ritz käken un hadd dit nu seihn un hadd seggt: „Täuw, dit 's jo 'n fein Geschäft! Den Asel, den möößt hebben!" Un as de Gesell denn nachts schlapen deit, geiht de Gastwirt in 'n Stall un haalt sick den Asel ruut un bind't 'n annern Asel dor an. Annern Morgen treckt denn uns' jung' Mann ok mit sienen ümgetuuschten Asel weg. — Un he kümmt nah sienen Vadder hen un seggt: „So, Vadding, nu 166

het all dat Armsien 'n End'. Nu sünd wi rieke Minschen worden. Paß bloß mal up! Ick heff'n Asel krägen von den Möller, wo ick wäst bün, dee spuckt di luuter Gold." „Oh", seggt de Vadder, „denn möten de Unkels un Tanten, dee möten ok all kamen un möten dat seihn." Na, dee warden jo ok inlad't, un he deckt 'ne grote Deck up 'n Fautbodden hen un sett't den Asel dor rup un seggt: „Na, Asel, na: Bricklebrick!" De Asel, dee rögt sick gor nich. Poormal versöcht he dat. Donn ward he ok gewohr, dat he anführt is, datem einer sienen Asel wegnahmen het. Un denn geiht he ok wedder in de Welt, un de Vadder sitt wedder so arm allein to Huus. Un de drüdde Scehn, de het ganz wat Fiens lihrt: Dee is nah 'n Drechsler gahn. Denn dat is jo ganz fiene Arbeit, dat Drechseln. Un as he dor sien Tiet üm het un flietig wäst is un alls gaut lihrt het, donn schickt dee em ok wedder nah Huus un seggt: „Nu will 'ck di oeweroknoch wat mitgäben as Geschenk. Dor kannst du sihr riek mit warden. Un dor kannst alls mit erreichen, wat du erreichen willst. Kiek, dat is 'n gedrechselten Knüppel, un den steck ick di hier in dissen Sack, un den Sack nimmst up 'n Puckel, un denn nimmst den Knüppel mit. Un wenn du nu seggst: .Knüppel ut 'n Sack!', denn sallst mal seihn: Jeder, dee di wat Böses dan het oder wat Böses daun will oder wat wegnähmen will, dor geiht de Knüppel gliek hen un haugt den Minschen dörch, bet du wedder seggst: ,Knüppel in 'n Sack!"' „Oh", denkt de i"Geselli, „dit 's jo fein!" — Nu hadd he ok all hürt von sien Bräuder, dat den einen de Disch stahlen wir, un den annern, den wir de Asel stahlen. Un nu geiht he hen un dröppt grad' densülwigen Wirt, dee up den Weg nah Huus is. Ja, un denn sett't he sick dor jo ok hen un verteilt so all sien Geschichten, wat he so unnerwägs beläwt het up sien Wanderschaft, un seggt: „Dat sallen jo ok weck sien, dee hebben 'n Disch, dee sick von sülwst deckt. Un dat sali jo ok weck gäben, dee hebben 'n Asel, dee Gold spuckt. CEwer ick heff noch ganz väl wat Bäteres in mienen Sack." Un de Wirt denkt: „Wat mag dee woll hebben? Dee het woll luuter Gold un Eddelstein in sienen Sack, denn he prahlt jo so dull, wat he dor woll all in het." Un as de anner denn nachts to Bett gahn is, de Gesell, het he den Sack sick unner 'n Kopp leggt. Un de Wirt, dee täuwt nu so lang', bet he fast inschlapen is, un geiht liesing rin un treckt em den Sack unner 'n Kopp weg. Un dor het jo grad' de Gesell up luert, un donn röppt he: „Knüppel ut 'n Sack!" Un donn fohrt doch de Knüppel ut den Sack un haugt up den Wirt in: Ummer düller, ¡immer düller. Dee schriet un schriet un schriet, un donn seggt de Gesell: „Ja, dee sali di so lang' schlagen, de Knüppel, bet du den Disch wedder ruutgäben hest un ok den Goldäsel." 167

Un de Knüppel ümmer achter den Mann an un haugt ümmer up em in, un dee bringt den Disch un den Goldäsel wedder. Un donn seggt de •'jung' 1 Mann: „So, nu Knüppel in 'n Sack!" Un r he! nimmt den Disch un ok den Äsel un geiht dormit nah Huus un schrifft an sienBräuder, dat dee wedder nah Huus kamen sallen, un lad't all de Verwandten in. — Un denn führt he all de Kunststücken vor. Un so wiren se up einmal wedder riek. De Vadder, dee künn de Schir un Nadel bie de Siet leggen, un so hebben se herrlich läwt. Ja, un nu willt ji woll ok gewiß all giern weiten, wat mit de olle Zäg' bloß worden is? Ja, de Zäg', dee mücht sick jo nu sülwst nich mihr lieden, so as de ganzen Hoor ehr ut 't Gesicht un dat ganze Fell ehr afschnäden wir. Un donn löppt s' un will sick verstecken un find't kein Versteck. Un schließlich find't s' ein in 'n Wald, kümmt rdor 1 bie 'n Foß an un krüppt in den sienen Buu rin. De Foß is grad' nich to Huus. (Ewer as he wedder to Huus kümmt, dor liggt dor de Zäg' in un glummert em mit ehr gläuhnigen Ogen an, dat de Foß angst un bang* ward un weglöppt. Un dor begegnet em de Bor: „Wat Tis1? Du büst doch süss nich . . . Wat fählt di?" seggt de Bor to den Foß. „Och", seggt dee, „ick will nah Huus gahn, un dor liggt doch in mienen Buu, dor liggt dor so 'n Diert in. Oh, dat het so gläuhnige Ogen! Dor heff ick so 'ne Angst vor krägen. Dor kann ick nich ringahn. Kumm un help mi mal!" „Ja", seggt de Bor, „dat will 'ck woll daun." Un denn geiht de Bor ok mit mit den Foß un kickt sick dat Diert an un: „Nee", seggt he. Dor löppt he ok weg un het Bang' dorvör. Un dor kümmt 'ne lütt Imm antofleigen un seggt: „Na, wat hefft ji beiden denn? Ji sünd jo beid' so verstürt. Wat hefft ji denn?" „Ja", seggt de Bor, „dor in den Foß sienen Buu, dor liggt 'n olles Diert in. Dat lett den Foß dor nich rin, un ick gah dor ok nich rin", seggt he. „Ach", seggt de Imm, „dat 's doch nich so schlimm. Denn will ick dor mal henfleigen." Na, r nu 1 flüggt se dor hen. Un de oll Zäg', dee het de Schnuut so vörut stäken. Un donn sett't de lütt Imm sick de Zäg' up de Schnuut un steckt ehr dor rin. Un vor den Schmerz, vor dee Weihdag' is de Zäg' ruutfohrt ut 'n Buu, un keiner weit, wo s' afbläben is.

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30 Däumlings

Abenteuer

Dor wir mal 'n Schnieder mit siene Fruu, un dee hadden 'n lütten Jung'. Dee wir nich väl grötter as 'n Duumen, cewer hadd bannig väl Courag' in 'n Liew. Donn müßt he bie sienen Vadder Schnieder lihren, un as he utlihrt hadd, dor seggt he to sienen Vadder: „Weißt wat, Vadding? Nu will ick up de Wanderschaft gahn. Nu will ick mi de Welt bekieken." „ N a " , seggt de Vadder, „denn man tau! Denn möößt jo ok noch 'n Dägen hebben!" — Un donn nimmt he 'ne Stoppnadel un makt dor ut Siegellack 'n Knoop up un bind't em den an un seggt: „So, nu kannst losgahn!" (Ewer de rLütt 1 denkt: „Ierst willst di noch eins orndlich satt äten." Un nie 1 geiht nah sien Mudding in de Kcek un seggt: „Mudding, wat gifft 't hüüt to äten?" „Wat 't to äten gifft? Na, kiek doch sülwst in 'n Pott!" seggt se. Un he springt jo nu rup up den Hierd. — Dat gew früher jo noch nich so 'n Hierd as hüüt. Dat wir so 'n groten upgemuerten Hierd ut Muerstein, un dor baben up stünd' de Pott up de Kahlen. — Un de lütt Däumling — weil he nich grötter wir as 'n Duumen, nennten se em „Däumling" —, dee nimmt 'n Deckel up un kickt rin in 'n Pott. Un donn kümmt de ganze Wrasen hoch, un de Wrasen ut 'n Schosstein ruut un nimmt em mit, r den lütten Jung' 1 . Un donn geiht 't jo nu 'n End' lang up den Dampf weg, bet dee sick uplösen ded, un donn föll jo de Düümling wedder pardautz! up de Ierd rup, — wir cewer ollich all 'n End' von Tohuus weg. Un donn güng dat Wandern jo nu los. — Un 't duert nich lang', donn köm he in 'ne anner Stadt bie 'n Schnieder vor de Dör un seggt to den Schnieder: „Kann ick hier woll in Lohn un Brot kamen? Ick heff Schnieder lihrt bie mienen Vadder." „ J a " , seggt de Schnieder, „denn kannst mi helpen. Denn kumm man rin!" Un denn is he ok 'ne Tietlang dor. Bloß dat Äten, dat wir so leeg': Dat gew ümmer bloß Kartüffel un Kartüffel un Speck un wieder gor nicks. Donn seggt de Düümling to de Schniederfruu: „Dat Äten, dat geföllt mi hier bie di nich. Wenn du kein anner Äten giffst, denn will ick di man wat seggen: Denn gah ick wedder weg." Un se ward jo ok bös un will em 'n poor an de Uhren gäben, denn he hadd an ehr Dör schräben: „Kartüffel toväl, Fleisch to wenig. Adschüs, Kartüffelkönig!" 169

Un he sprüng weg un wull wegloopen, cewer se kreeg' em to faten mang de Lappen, un donn jög' s' em ut 'n Huus. Nu güng he 'n End' wieder, körn in 'n groten Wald, un dor wiren de Rööwers. — Oje noch mal, wat verfihrt he sick! CEwer de Rööwers, dee freuten sick cewer dissen lütten Düümling un säden: „Kumm mal ran, du kannst uns helpen!" „Wobie sali ick juuch helpen?" „Ja, weißt wat? Dor is dat Schloß von den König, un dee het so 'ne grote Schatzkamer. Un dor het he soväl Dalers in, un de Dalers willen wi hebben. Un du kriggst dien Deil af, wenn du uns helpst." „Och", seggt he, „nicks is lichter as dat! Dat will 'ck woll daun!" Un donn schlieken se sick jo ok ran nah dat Schloß un kamen an de Dör von de Schatzkamer un willen em dörch 't Schloetellock stecken, cewer dat güng nich so. Donn köm de Schildwach an un güng up un dal, un de Rööwers löpen weg. — CEwer Düümling bleew dor un keek ümmer, ob he nich irgendwo 'ne Ritz finnen ded'. Dor seggt de ein von de Schildwach: „Wat krüppt dor för 'ne oll gräsig Pogg'? Dee will 'ck man dotperren." „Ach nee", seggt de anner, „perr s' nich dot, r dee! het di jo nicks dan." Un donn güngen s' wieder. Donn kröp Düümling dörch de Ritz un rin in de Schatzkamer, ward sick dat Finster upmaken un fangt nu an, einen Daler nah den annern ümmer juppdi ut 't Finster ruuttoschmieten. Dor kümmt de König an un will sick mal nah siene Schatzkamer ümkieken, un dee möt ok upschlaten Warden. — Un Düümling ward dat gewohr, ratsch! makt he dat Finster tau un versteckt sick. De König, dee wunnert sick: De Hümpels von de Dalers, dee sünd jo lütter worden! Wo is dat einmal mceglich? r Un he 1 fröggt de Schildwach: „Is hier wän binnen wäst? Het hier einer weck von de Dalers wegnahmen?" „Nee nee, wi hebben nicks markt un nicks hürt un 'nicks 1 seihn. Dat 's woll doch man so." Donn geiht de König wedder weg un seggt to de Schildwach: „Dat ji mi gaut uppaßt, dat hier keiner rinkümmt!" J a ja, se wullten woll gaut uppassen. Un donn stünnen se jo nu ok an de Dör, un donn hürten se dor binnen ümmer, dat güng ümmer : Klipp-klapp, klipp-klapp, klipp-klapp. Na, donn se jo nu rin nah de Schatzkamer! CEwer se künnten nicks finnen. Un se söchten oewerall. Un de lütt Düümling, dee hüppte ümmer hen un her un verstek sick ümmer achter 'n Daler un säd': „Hier bün ick, hier bün ick." Un denn söchten se wedder in 'ne anner Eck. „Hier bün ick", röp he wedder. 170

(Ewer se künnten em einfach nich finnen. Un toletzt, donn würden se dat mäud', un donn güngen se wedder ruut. Un Düümling, dee ward jo nu wieder sien Dalers ruutschmieten. Un as se all ruut sünd, Schmitt he den letzten in de Hööcht, un dor sett't he sick rup, un in 'n Hurra wir he ok buuten. So, un nu hadden de Rööwers jo all de Dalers, un nu sali 't jo losgahn, nu wullten se deilen: He süll jo ok sien Deil afhebben. „Ach nee", seggt he „dor will ick gor nicks von hebben." „Ja, denn sallst du uns' Hauptmann warden." „Ach, wat sali ick juug' Hauptmann warden", seggt he. „Ick will kein Hauptmann warden! (Ewer wenn ji mi wat gäben willt, denn gäwt mi so väl, as ick drägen kann. Gäwt mi 'n Sößling a f ! " Oh, dor lachten se sick jo einen un geben em 'n Sößling. Un donn güng he denn wieder un wir tofräden. Un donn güng 't jo nu wieder, cewer nah Huus wull he noch nich wedder. Un donn köm he bie 'n Gastwirt an, un dor verdingte he sick denn as Huusknecht. Dee künn grad' 'n Huusknecht gebruuken. Un dor schmeerte he sick nu 'n bäten an bie den Gastwirt un verteilte em ümmer, wat de Deinstdierns all so maken deden, wat se em stibitzten un wat se man so husch-nusch all de Stuben för de Gäste fardig maken deden. Un dor ärgerten de Dierns sick cewer: „Dat willen w' em cewer nah Huus bringen", säden se. Un eins, donn hüppt de lütt Düümling dor in de Wisch rüm, un donn seggt de ein von de Dierns: „Weißt wat? Nu gah ick hen, un denn meih ick dat Gras af, un denn schmiet ick de Käuh dat vor, un denn koenen de Käuh em mit upfräten, un denn is he weg." Un se deit dat jo ok un meiht dat af un grapst dat ganze Gras tosamen un all in ehr Schört rin un geiht nah 'n Kauhstall, un donn Schmitt s' de Käuh dat vor. Un dor wir ein, so 'ne grot Schwärt, dee wir ümmer so gierig up 't Fräten, un dee frett bums! den lütten Düümling mit up un schloekt em cewer: Dor set he jo nu in in de Kauh, gliek rin in 'n Magen. Donn körnen de Dierns ok to 'n Melken, un wenn dee nu melken deden, denn röp he ümmer: „Stripp, strapp, strull. Is de Emmer noch nich bald vull? Stripp, strapp, strull. Is de Emmer noch nich bald vull?" (Ewer de rDierns 1 hürten dat jo nu man nich. — He wull ehr dormit narren. Un abends, donn kümmt de Gastwirt in 'n Stall, un weil he wedder Fleisch bruuken ded, säd' he: „Ein von de Käuh möt schlacht't warden. Ach, ick will mal de Schwartbunt nähmen, dee ward morgen schlacht't." 171

Un de lütt Düümling, dee hürt dat un seggt: „(Ewer lat mi ierst ruut, ick bün jo binnen! Lat mi ierst ruut, ick bün jo binnen!" De Gastwirt, dee hürte woll wat, dat dor irgend wat wir. „Hier in de Schwärt, dor bün ick binnen!" „Ach", denkt de Wirt, „dor het di woll einer to 'n Narren." Un rhe 1 geiht wedder ruut. Annern Morgen, dor kümmt jo nu ok de Schlachter, un de Kauh ward schlacht't. Un denn möt se jo ok tauhaugt warden. Un de lütt Düümling, dee möt bloß ümmer uppassen, dat em de Äxt nich up den Kopp kümmt. Un donn ward dat Fleisch indeilt, un donn schmeten s' em mit in dat Wurstfleisch. Ja, nu güng 't Wurstmaken los, un donn köm dat unner de Hackmet2ers, dat ganze Fleisch. Un he müßt man ümmer hen- un herwippen un ümmer uppassen, dat em de Hackmetzers nich to faten kriegen deden. Na, un as dat nu fardig wir un all gaut afgahn wir, donn würd dat Fleisch indeilt, un he köm in dat Fleisch, wat in de Blautwurst süll. Un nu würd de Blautwurst stoppt, un all de langen Speckklöpels dor rin, un dor köm he dor mit rin mang all de Speckklöpels. Nu würd taubunnen, un — so, dor würd s' in 'n Rook hängt: Ach, dat wir cewer langwielig! So in disse enge Blautwurst müßt he nu sitten, bet ierst to Wiehnachten de Gastwirtsfruu de Blautwurst halen ded un se upschnieden ded to 'n Äten. Un donn müßt he wedder so uppassen, dat se em nich den Kopp afschnieden ded. Ümmer müßt he den Kopp wedder bet trüchnähmen un ümmer wedder bet trüchnähmen. Un toletzt, donn höll se 'n Ogenblick up, un donn kreeg' he Luft, un donn wutscht he cewer ruut ut de Blautwurst. Un donn güng he denn wedder up Wanderschaft un wull eigentlich nah Huus gahn. Un as he cewer 't Feld köm, donn kümmt em 'n Foß entgegen un denkt, dat 's 'ne Muus, un will em upfräten. He blifft oewer den Foß in de Schloek sitten un seggt: „Ach, dcemlich Foß! Foß, lat mi doch ruut! Wat hest du an mi? An mi is jo gor nicks an. (Ewer weißt wat? Ick will nu wedder nah Huus un nah mienen Vadder hen. Un weißt du, dee het 'n ganzen Häuhnerstall vull Häuhner. Un wenn du mi nu wedder ruutlettst, denn bring' ick di dor hen, un denn kriggst du all de Häuhner, dee mien Vadder in *n Stall het." Dor denkt de Foß: „ J a , dat 's 'n Tuusch, den kannst woll maken!" Un r hei geiht mit mit den Düümling. Un as de lütt Düümling wedder nah Huus kümmt, donn freut de Vadder sick jo. O wat freut he sick, dat he sienen lütten Düümling wedder het! Un dee seggt: „Un ick heff di ok wat mitbröcht, Vadding. Kiek, dat heff ick verdeint! 'n ganzen groten Sößling heff ick di mitbröcht." Un de Vadder, dee freut sick! 172

Un donn seggt he: „CEwer wat is dor au noch bie, Vadding. Kiek mal, de Foß, dee het mi bienah upfräten. Un donn heff ick em seggt, he sali mi wedder ruutlaten. Un du sallst em denn all dien Häuhner gäben, dee du hest. Willst du dat woll daun?" „Ja", säd' de Vadder, „dat dau ick giern. Wenn ick di man wedder heffI" Un so het de Foß all de Häuhner krägen. 31

• Der p f i f f i g e Schneider Dat wir mal eins 'ne Prinzessin, dee wir so stolz un so hochmäudig, r dat se nich friegen wull 1 . Dor körnen ok Friegers, dee ehr heuraten wullten. (Ewer se wull keinen dorvon hebben. Un de Vadder, dee säd' to ehr: „Ja, mien Diern, du möößt doch endlich mal vernünftig warden. Kiek mal, ick heff keinen Soehn. Un du möößt nu einen Mann heuraten, dee naher mien Königreich regieren kann." „Ja", seggt se, „dat will ick denn ok woll. CEwer denn sali he mi ierst bewiesen, dat he klauk is. Denn will ick em drei Fragen stellen, na, ein Frag' stellen. Un wenn he dee beantwuurten kann, denn will ick em ok heuraten." „Na ja", seggt de Vadder, „dau, wat du willst." Un denn sprök sick dat jo cewerall in 'n Land ok rüm: Dor is 'ne Prinzessin, un dee will 'ne Frag' stellen. Un wer ehr dee beantwuurten kann, dee kann ehr heuraten. Un dit hürten nu ok drei Schniedergesellen. Twei, dat wiren staatsche Kierls. Un de ein, dat wir man so 'n lütten Hüpp-up-'n-Bülten, den hadden se gor nich richtig mit up de Teil. Un de beiden Ölleren, dee säden: „Weit't ji wat? Dor gahn wi malhen. Oh, worüm sallen wi dat Rätsel nich raden kcenen, wat se uns upgäben will?" „Oh", seggt de Lütt, „denn kam ick mit!" „Ach, wat willst du? Du kannst jo gor nicks! Du lütt Dreikäs'hoch! Wat willst du? Di lachen s' jo all ut. Kannst nich mal 'n richtigen Kittel neihden, un denn willst du Radeis raden?" „Ja, dat 's ganz egal. Mag jo mien Glück sien", seggt he. „Wer weit, ob ick dat nich doch ruut krieg'." Na, un so güngen se denn jo ok los. Un nu kömen se ok vörbie an 'n Wallnoetboom un steken sick de Taschen vull Wallnoet. Un de Lütt, dee hadd sick 'ne Fiedel mitnahmen un fiedelte sick den Weg lang un wir ümmer vergnäugt, bet se an dat Schloß kömen, wo de Prinzessin wahnen ded. Dor stünnen s' jo nu buuten un wullten rin. Un donn köm dor so 'n Deiner, un dee säd': „Wat willt ji, Schniedergesellen? Ji willt nah de Prinzessin?" 173

„Ja, wi willen dat Radeis upraden, wat se het." Na, dee geiht jo ok rin un meld't: „Dor buuten stahn drei Schniedergesellen, un dee willen dien Rätsel raden." „Schniedergesellen?" seggt se. „Na", seggt de Vadder, dee dat hürt, „dat 's ganz egal. Wer kamen will un den Maut het, dee sali ok rinkamen. Nu lat s' man rinkamen! Ierst den einen, denn den annern, un denn den drüdden!" Donn leet he denn ierst den einen rinkamen. Un dee makt jo ok sienen Kratzfaut vor ehr. Un donn seggt se: „Un du willst nu raden?" „Ja", seggt he. „Denn segg mi mal: Ick heff tweierlei Hoor up 'n Kopp. Wat sünd dat woll för Farben?" „Ja", seggt he, „dat ward woll schwärt un witt sien." „Falsch!" seggt se. „Vörbie rad't! Ruut!" Donn kümmt de tweit rin. „Du willst ok raden?" seggt se. „Ja", seggt he, „ick will ok raden." „Na, denn segg mi mal: Ick heff tweierlei Hoor up 'n Kopp. Wat sünd dat woll för Farben?" „Tje", denkt he, „wat koenen dat för Farben sien?" — „Ach", seggt he, „dat ward woll bruun un rot sien." „Vörbie rad't!" seggt se. „Is falsch! Ruut!" „Ja, nu is dor noch 'n drüdden", seggt de Kammerdeiner. „Na, denn lat em mal rinkamen!" Ach, donn kriggt s' cewer dat Lachen, as de lütt Schnieder dor rinkümmt. „Ach nee", denkt se, „wo is 't moeglich? So 'n lütten Schnieder, un dee will mi heuraten." — „Na", r seggt se1, „denn rad' du man!" „Oh", seggt he, „worüm süll ick dat nich raden? Wat sali ick denn raden?" „Ja, denn segg mi mal", seggt se: „Ick heff tweierlei Hoor up 'n Kopp. Wat sünd dat woll för Farben?" „Täuw", denkt de lütt Schnieder, „dat 's 'ne Prinzessin." — „Tje", seggt he, „Gold un Sülwer." „Richtig", seggt se, „Gold un Sülwer. Du hest richtig rad't. Ach nee." — Un donn denkt se: „Un den sali ick heuraten! Den lütten Wippschnieder sali ick heuraten? Nee, dat kann ick nich." Dor seggt se to ehren Vadder: „Den heurat ick oewer nich!" „Dat 's egal", seggt he. „Dee het dien Radeis upkrägen, un den möößt du nu heuraten, so as du dat verspraken hest!" „Na", seggt se, „ick will di woll heuraten. (Ewer du möößt ierst noch 'ne Upgaw erfüllen! Kiek mal", seggt se, „ick heff dor in 'n Keller, dor unnen, dor in 'n Dwinger, dor heff ick 'n Boren. Un wenn du mit den tosamen 'ne Nacht 174

in sienen Dwinger sittst, un du kümmst morgen früh heil un gan2 ruut, denn will 'ck di heuraten. Kiek, dor unnen, dor achter deTralligen! Dor unnenup 'n Hoff achter de Tralligen, dor sitt he in." „ A h " , seggt de rSchnieder 1 , „worüm nich? Bloß kein Bang' hebben!" Un as 't Abend ward, donn lerren s' em jo ok runner. Un as he noch vor de Dör steiht, seggt he sick ümmer: „Wer nich wagt, dee nich winnt. Wer nich wagt, dee nich winnt." — Na, un se möken de Dör up, un he würd rinschaben. Dor kümmt dor ut de Eck de grote Bor ruut un brummt un brummt. Un mit de groten Pranken up em dal! (Ewer de rSchniederi seggt: „Man ümmer sachten! Man sachten mit de jungen Pierd'! So geiht dat hier nich los." Un de Bor, dee kickt em an. Dit is jo woll dull! So wat hadd he noch nich erläwt, dat einer kein Bang' vor em hadd. He hadd s' süss ümmer all gliek mit de Pranken dotschlagen. Un donn kriggt de lütt Schnieder sick 'neNoet ut deTasch un knackt dee up mit de Tähnen. •"Dor1 kickt de Bor em an: „Wat makt dee dor?" „ J a " , seggt de Schnieder, „willst ok wat hebben?" Un rhe1 wiest em dat hen: „Dat prauw mal! Dat schmeckt säut." Hm. De Bor präuwt dat jo ok. „Schönen säuten Noetkarn", denkt he. — „ G i f f mi ok dorvon!" „ J a " , seggt de Schnieder, „dor kannst ok von kriegen." — He hadd sick oewer, as he de Ncet upsammeln ded, so hübsche runde Stein upsammelt. Dor wull he so 'n bäten mit trünneln. Un nu hadd he dee noch in de Tasch. — Un dor gifft he den Boren einen von de runden Stein. Dee nimmt em ok un will versäuken, den ok so, as de Schnieder dat makt het, uptoknacken. Un he gnagt mit de Tähnen dorup rüm, un dat gnagt un gnastert, cewer he kriggt dat nich kaputt. — „Nee", seggt he, „dat geiht nich." „Na", seggt de Schnieder, „so 'n groten Bor un kann nich mal 'ne lütt Ncet upknacken. Nee, dat du dat nich kannst! Kiek, dat mak ick einfach s o ! " — Un he nimmt noch eins 'ne Ncet un knackt se up un gifft den Boren wedder den Karn to äten. „ G i f f mi noch eins her!" seggt de Bor. Un de r Schnieder 1 gifft em wedder 'n Stein. CEwer dat würd nicks. Nee, de rBor 1 kreeg' den Stein nich upknackt. Donn füng de Bor all wedder so 'n bäten an to brummen un würd 'n bäten bös. Un donn denkt de Schnieder: „Wat makst nu? Ach, kriggst dien Fiedel unner 'n Rock ruut!" — Un donn füng he an, up sien Vigelin to spälen. Un Boren, dee mcegen giern Musik hüren. Un donn fangt he an un bohrt ierst ein Prank hoch un denn de anner, un so fangt he an to danzen un danzt ümmer rundüm. — Toletzt, donn denkt he: „Wat de lütt Schnieder dor mit dat Ding för Musik makt!" 175

„Du", seggt he, „wat hest du dor för 'n Ding, wo du Musik mit makst?" „Ach", seggt de Schnieder, „dat 's 'ne Fiedel, dat 's 'ne Vigelin." „Giff mi dat ok mal!" „Nee", seggt de Schnieder, „du makst mi dat jo bloß intwei mit dien groten Pranken. Dat geiht nich." „(Ewer lihren will 'ck dat", seggt de Bor. „Wenn ick denn hier so allein bün un ick heff denn ok so 'ne Vigelin, denn kann ick mi wat vörspälen, un denn kann ick dor ümmer schön nah danzen." „Ja", seggt he, „dat kannst du giern lihren. (Ewer kiek mal, du hest jo so 'ne groten Nägel an dien Pranken an. Dee möten ierst run! Kiek mal all de feinen Sieden hier up mien Vigelin! Dee rittst du jo all intwei." „Ja, hest recht", seggt de Bor. „Na, dor hinnen in de Eck, dor steiht 'n Schruuwstock. Weißt, den hal ick mi nu her, un denn spann ick di dien Tatzen dor in. Un denn möößt du jö schön still hollen! Un denn hal ick mi de Schniederschir, un denn schnied' ick di dee af." „Ja ja." Dor wir de Bor ok mit inverstahn. — Na, un he holt jo ok fein sien Pranken dor rinner. Un de Schnieder, de lütt Schnieder, dee dreiht den Schruuwstock ümmer wieder tau, ümmer wieder tau — un de Bor, dee brummt all —, bet he ganz fast sitt mit de Hand. Un donn leggt de Schnieder sick an de Siet up 't Stroh un schlöppt bet in 'n hellen Morgen rin un lett den Boren ümmerto brummen. Den annern Morgen, donn denkt de Prinzessin: „De Bor, dee brummt. Dee schient jo ganz tofräden to sien. Dee het den Schnieder woll all upfräten." Un donn geiht se run un lett sick de Dör upmaken. Un wat süht se dor? Dor liggt de Schnieder up dat Stroh un schlöppt, un de Bor, dee sitt fast in 'n Schruuwstock. Dor springt de Schnieder up un seggt: „Tje, Prinzessin, hier bün ick nu! Kiek, nu is morgen, un de Bor het mi nich upfräten! Un nu geiht 't Heuraten los!" Tje, wat wir to daun? He kreeg' feine Kleeder an. Un de Vadder leet de Kutsch anspannen mit vier Pierd' vor. Un dor sett'ten se sick nu rin, un donn süllten se hen un truugt warden. Un as se 'n End' unnerwägens wiren mit de Kutsch, dor hürten se dat achter ehr trapsen un brummen uh trapsen un brummen. — Boren koenen fürchterlich fix loopen. — Un de Prinzessin, dee fangt an to schrieden un fangt an to schrieden. „Ach, lat man", seggt de Schnieder, „dat willen wi woll kriegen." — Un donn stellt he sick up 'n Kopp in de Kutsch un holt de beiden Beinen ruut un röppt nah achtern to den Boren hen: „Gah bloß wedder trüch! Gah bloß wedder trüch! Sühst du hier? Ick heff den Schruuwstock, dor kümmst wedder rin mit dien Fingern!" 176

Donn verfihrt sick de Bor, kickt sick dat 'ne Tietlang an, r un 1 donn kihrt he üm un löppt wedder trüch. Un de Schnieder un de Prinzessin, dee sünd truugt. — Un he wir 'n klauken Schnieder, un de König mücht em giern lieden. Un he het naher dat Land schön regiert. 32 Hans im Glück Soeben Johr hadd Hans bie den Möller deint, ierst as Burß, un donn wir he Gesell worden. Un he wir 'n fixen Möllergesell worden, dee sien Arbeit verstünd'. He künn sick 'n Pungen up 'n Rüggen schwengen as sühst man so. Un bie alle Arbeit, dor wir he ümmer fix dor un ümmer de ierst. Un de Möller, dee wir woll tofräden mit em. CEwer nu wiren de soeben Johr üm, wo he sick verdingt hadd, un nu wull he doch ok giern eins wedder nah Huus gahn un seihn, wo 't sien Mudder güng. Un dor seggt de Möller: „Ick kann di dat jo ok nich verdenken. CEwer ick will di ok 'n Lohn gäben, denn dat hest du verdeint. Kumm mal her! Kiek, ick heff hier so 'n Klumpen Gold. Un den nimmst du di mit nah Huus! Un denn kannst du den naher in de Stadt verkööpen, un denn wardst du 'n rieken Mann." Na, he nehm jo ok den Klumpen Gold un knöpt sick den in 't Taschendauk un leggt sick den up de Schuller. Un denn seggt he to den Möller: „Adschüs ok! Un ick bedank mi ok välmal för all dat Gaude, wat ick hier hatt heff!" — Un donn geiht he los. Un he geiht un geiht un freut sick to dat schöne Gold. (Ewer mitdewiel, dor würd dat em ok 'n bäten drücken up de Schuller, denn dat wir 'n gatlichen Klumpen. — „Je", seggt he, „denn will ick mi ierst 'n bäten verpusten." Un •"he1 sett't sick up de Grabenbuurt un leggt den Klumpen Gold bie sick hen. r Dati duert nich lang', donn kümmt dor 'n Mann up 'n Pierd; 'n Rieder kümmt dor vörbie. Un dee süht em dor so sitten, stiggt af von sien Pierd un seggt: „Ha, wat schad't di hier?" „Ach", seggt rHans 1 , „ick will mi bloß 'n bäten verhalen. Ick heff soeben Johr bie 'n Möller deint, un dee het mi nu to 'n Lohn hier 'n KJumpen Gold gäben. Un dat is so schwor. Dat het mi all so up de Schuller drückt, un nu möt ick mi ierst 'n bäten verhalen. CEwer du mit dien Pierd, du hest 't jo gaut! D u bruukst jo nich to loopen. Du hest jo söß Bein, de vier Bein von dat Pierd un •"dien1. Du bruukst dien Bein jo gor nich to bruuken." „Nee", seggt de rMann 1 , „dat heff ick väl bäter as du. CEwer weißt wat, koenen wi nich . . . ? Wi willen doch tuuschen! Giff mi dienen Klumpen Gold, un denn kriggst du mien Pierd! Un denn kannst schön rieden." 12

Neumann. Märchcnfnu

177

rDori meint Hans: „Ja, dat 's 'n Wuurt. Giff mi dien Pierd! Dor hest den Klumpen Gold!" Un donn seggt de Rieder noch to em: „Un denn, wenn dat Pierd orndlich fix in 'n Galopp loopen sali, denn möößt du orndlich so mit de Tung' knacken. Denn sallst mal seihn, wat he denn löppt!" Na, Hans sett't sick jo ok rup, un 't geiht ierst ümmer in 'n schlanken Draff weg. — „Ach", denkt he, „dit geiht mi väl to langsam." — Un donn gifft he dat Pierd de Sporen un knackt mit de Tung'. Un donn fangt doch dit Pierd an to loopen, ümmer in 'n hohgen Galopp, ümmer in 'n hohgen Galopp. Un toletzt, dor künn Hans sick gor nich mihr hollen up dat Pierd un föll runner. Un dat Pierd, dat löp weg. Dor kümmt dor 'n Buer antogahn, dee lerrt 'ne Kauh an 'n Band. Un dee kriggt dat Pierd noch to hollen un kümmt nu mit Kauh un Pierd trüch un süht Hans dor liggen un seggt: „Wat üggst du hier?" „Ja", seggt he, „dat oll Pierd, dat het mi afschmäten. In 'n ganzen Läben sett ick mi up dat oll Pierd nich wedder rup." „Äh, bruukst du jo ok nich!" seggt de r Buer\ „Giff mi dat Pierd! Kiek, ick heff hier so 'ne schöne Kauh! Dee kannst du kriegen. Un wenn du döstig büst, denn kannst ehr melken, denn hest Melk. Un du kannst ehr ok vor 'n Plaug' spannen. Dor an de Kauh, dor hest oewer wat!" „Ja", seggt THans1, „dat is 'n Wuurt. Dor, nimm du dat wilde Pierd, un ick nähm de Kauh!" Na, he geiht jo ok wieder mit de Kauh. Dat ward Middagstiet, un dat ward so heit. Un he ward mäud', un he ward döstig un denkt sick: „Tje, to drinken is hier nicks. Hier is kein Bäk, hier is kein Soot, hier isgornicks. Ick will mi mal de Kauh melken." — Un he nimmt sien Mütz un holt dee unner dat Uder un fangt nu an to melken. (Ewer keinDruppenMelk köm ruut. O wat wir he bös: „De olle Kauh!" seggt he. „Dor heff ick dee intuuscht, un de Kierl het mi seggt, ick künn ehr melken, un nu gifft s' keinen Druppen Melk!" Nu kümmt 'n Kierl antoführen, dee het 'n Farken up de Schuwkor. Dat het he dor fastbunnen. Un dee seggt: „Wat schimpst du hier mit de Kauh rüm? Wat het dee di dan?" „Ach", seggt rHans1, „de olle Tcet! Keinen Druppen Melk gifft s'. Un ick bün so döstig! Un wat sali ick mit de olle Kauh noch anfangen. Dee is bloß noch to 'n Schlachten gaut." „Je", seggt de anner donn, „wat meinst? Ick heff hier 'n schönes Schwien, so 'n lütt Schwien up de Schuwkor. Willen wi nich tuuschen? Nimm du dat Schwien un giff mi de Kauh!" „Ja, wenn du mit de Kauh fardig wardst", seggt he, „denn man tau! Denn willen wi man tuuschen! Denn giff mi man dat Schwien!" Na, Hans 1 nimmt jo ok de Schuwkor mit dat Schwien un führt dor 'n End* mit wieder.

178

Dati duert nich lang', dor kümmt dor einer an, ganz vergnäugt, un fläut't un het 'ne fette Gaus unner 'n Arm un seggt denn to Hans: „Wo willst du mit dien Schwien hentau? Wo hest du dat her?" „ J a " , seggt he, „dat heff ick hier von einen krägen, dee köm mit de Schuwkor dor ut 'n Dörpen ruut. Un donn hebben wi tuuscht. Ick heff em de Kauh gäben, un he het mi dat Schwien gäben, weil ick dat leiwer hebben wull. 'n schönen Schwiensbraden, kiek, dat is doch wat wiert! Un dat Fleisch von so 'ne dröge Kauh, dat mag ick nich." „ N a " , seggt de fanner 1 , „weißt wat? Mit dit Schwien, dor stimmt wat nich." „Woso?" „ J e , dor hebben s' vörrig Nacht bie 'n Schulten inbraken, un denn hebben s' Schwien ut 'n Stall haalt. Un dor is dat ganz gewiß ein von. Denn nimm di dor man bloß mit in acht, dat se di dor nich mit to faten kriegen!" „Mann", seggt ""Hans1, „is dat wohr?" „ J a ja", seggt he, „dat is wohr. Dat kannst man glööben: Dat is ein von dee Schwien." „Na, wat mak ick denn bloß?" „ T j e " , seggt he, „ick will di mal wat seggen: Ick nähm dat Schwien un seih mal tau, wo ick dormit l o s k a m 1 , wat ick dormit anfangen dau. Ick ward all dat Schwien wedder loswarden. Un ick gäw didorför de Gaus. Willst du de Gaus hebben ? Kiek mal, wat 'ne schöne fette Gaus! Un wat se för schöne Feddern het! Dor kannst di noch . . . , dor kannst di noch 'n grot Koppküssen von stoppen." „ J a " , meint Hans, „so 'ne Gaus, ja, dat 's ok würklich . . ., dat 's ok wohr. Giff mi de Gaus! Denn heff ick de Gaus. Un denn seih mal tau, wo du mit dien Schwien afbliffst!" Un he nimmt jo ok de Gaus un freut sick: Wenn he dee nu nah Mudder bringt, denn makt Mudder 'n schönen Gausbraden, un denn ruppt se de Feddern, un dor stoppt se 'n Koppküssen von. Ja, un so het he de Gaus unner 'n Arm un marschiert wieder. r D a f duert noch 'n Ogenblick — na, so 'ne Stund' is he woll gahn —, donn kümmt dor 'n Schirenschlieper lang. Un fdor 1 seggt Hans: „Wat hest du? Wat hest du d o r ? " Dee het 'ne Klingel dor, un denn röppt he ümmer: r

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„ W o s o ? " seggt fHans 1 . „ J a " , seggt he, „kiek mal! Nu gah ick dormit in de Stadt, un denn raup ick dat ümmer. Un denn kamen all de Lüüd' mit ehr Metzers un ehr Schiren an. Un för jede Schir, dee ick schliepen möt, un för jedet Metz, dor krieg' ick ok teihn Penning. Denn rop ick ok noch ümmer:

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J.I * J' J II

schlei-fen kost't zehn

Pfen-ni-ge!'

Un ümmer kannst mit Geld in de Tasch klimpern un hest ümmer Geld." „ J e " , meint Hans, „dat Ding möt ick mi mal ankieken." „ J a " , seggt he, „un hier heff ick noch 'n annern Stein. Dor kann ick ok noch de Metzers up wetten. Wat meinst wo 11? Willst mi de Gaus gäben? Denn kannst du den Schliepstein kriegen." „ J a " , seggt Hans, „wenn ick dormit nah de Stadt gahn kann un ümmer Geld verdeinen un bring mien Mudding denn ümmer dat Geld, denn freut se sick ok. Dat is väl mihr wiert as de Gaus." — Un denn gifft he den Schirenschlieper de Gaus un geiht denn mit den Schliepstein af. Hach Gott ja, nu ward 't ok bald Abend, un he is so döstig un denkt: „Ach, ick gah dor hinnen nah 'n Soot hen, un dor wasch ick mi ierst den Schweit von 'n K o p p . Un denn will 'ck ok 'n bäten drinken, un denn will 'ck mi ok 'n bäten verhalen dor." Un donn sett't he sick hen. Un denn leggt he den Schliepstein un den annern Stein up den Rand von den Soot. Un as he sick wat oewerbögt un will sick den K o p p waschen, dor stött he an de Stein, un perdang'n!, dor sünd de Stein unnen in 'n Soot rinfollen. — So, un nu hadd he gor nicks. Un ji meint, he wir nu truurig wäst! Nee, ick kann juuch seggen: Hans, dee wir so vergnäugt un so glücklich un seggt: „Wat bün ick för 'n frohen un glücklichen Minschen! Nu heff ick nicks to schläpen un nicks to drägen. Un nu kann ick fix nah Huus loopen!" — O wat wir he froh, dat he nicks mihr to daun hadd.

180

Schwanke und Geschichten

33 Ein vorsorgliches

Wiegenlied

Ein oll Größing, dee sitt in de Stuw' an de Weig' von den lütten Vizbuern. Dee sünd all to Feld gahn, un se möt nu inhäuden. Nu fangt de lütt Jung' an to schrieden, un se weit sick nich to helpen. Se sett't de Weig' in 'n Gang' un singt ümmer:

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schnur-ren gehn,

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schnur-ren gehn,

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schnur-ren gehn."

Dor kümmt de Buer nah de Stuw' rin un seggt: „Mudder, wat singst du den Jung' ümmer vor? He sali schnurren gahn?" „Ja", seggt se, „kann 'n all nich weiten, wo 't noch eins kümmt. Un denn kann he naher doch nich seggen: ,Dat het mi an de Weig' keiner sungen."'

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34 Mutters Beste Mudding het twei lütt Dierns, ein von vier Johr, un ein liggt noch in de Weig'. Un dat is so 'n heiten Dag, un 't siind so väl Fleigen in de Stuw'. Un ümmer möt se de Fleigen von dat lütt Kind in de Weig' wegjagen un seggt: „Harregott noch mal! De oll Fleigen, dee fräten uns' lütt Wieschen jo woll noch ganz un gor up." Nah 'n Tietlang kümmt de grot Diern an ehr Mudding ran un schüert den Kopp an ehr Schört un seggt: „Du, Mudding." „Na, wat wullst du woll?" „Wenn de Fleigen nu uns' lütt Wiesching ganz upfräten hebben, denn bün ick doch wedder dien Best." 35 Vater und Sohn Ein Vadder will mit sienen lütten Jung' utgahn, un se willen nu ok eins annerwägt in 'n Lokal äten. Un 't ward jo ok updragen, un de Jung', dee fangt an to klackern. Un donn seggt de Vadder: „Du büst doch 'n reines Farken. Nu ät doch ollichI Weißt du cewerhaupt, wat 'n Farken is?" „Ja, Vadding, den Schwien sien Scehn." 36 Der Junge mit Schnupfen Ein Jung', dee üggt längs up de Brüch un kickt in 't Water rin un treckt dorbie den Snappen ümmer up un dal, lett 'n ümmer runlecken un treckt em wedder rup. Dor geiht *n ollen Mann vörbie un seggt: „Dcemlich Jung', wat makst du dor? Dor wisch di doch de Näs' af!" „Nee", seggt de Jung', „ick arger de Fisch." 37 Der kleine Angler Ein Jung', dee sitt an de Bäk un angelt un haalt ok ümmer einen Fisch nah den annern ruut. Donn kümmt de Lihrer dor vörbie un seggt: „Na, wat makst du hier?" „Mm", seggt de Jung'. 182

„Du doemlich Jung', kannst mi nich ,Gauden Dag' seggen?" „Mm", seggt he wedder. „Harregott", seggt de Lihrer, „kannst du denn dat Muul nich upkriegen? Wat hest du denn? Wat hest denn in 'n Mund? Worüm kannst dat Muul nich upkriegen?" „Marrings", seggt de Jung'. Un dor fallen de Marrings all ruut. 38 Eine Anfrage Einen Dag, donn kümmt nah mienen Vadding, dee wir jo Schaulmeister, donn kümmt dor so 'n Jung' an un seggt: „Herr Lehrer, kann ich woll frei kreigen?" „Je", seggt mien Vadding, „wat willst du denn? Woto willst du denn frie hebben?" „Ja, ich soll mit meiner Mutter die Kartüffel behüpfen." 39 Die hochdeutsche

Auskunft

Twei Jungens up 'n Dörpen, dee müßten för den Schulten de Käuh häuden. Denn früher, dor hadden de Jungens in 'n Sommer weniger Schaul, un de weck, dee müßten up 'n Land helpen. Un denn hadden eigentlich bloß de Dierns noch Schaul. Un donn sünd se ok bie 't Käuhhäuden, rdetwei Jungs. Sei kriegen jeder ehr Kiep mit Brot mit un mit wat to drinken, un dat leggen s' denn unner 'n Duurnbusch. Un dor ward de Kittel cewer leggt, dat de Sünn dor nich so up schienen kann. (Ewer wenn s' hungrig un döstig sünd, denn gahn s' dor bie. Un einen Dag, dor kriegen sick de twei Jungs fürchterlich dat Haugen, un 'n groten Larm is dat. Un donn kümmt de Lihrer dor vörbie un seggt: „Na Jungs, wat hefft ji hier denn nu? Wat is hier denn los?" Na, donn stahn s' jo up, un donn kümmt de ein nah den Lihrer ran un seggt: „Herr Lehrer, Willem Priew hat ümmer meinen Kitzel aufgeböhrt und hat in meine Keipe gekuckt." 40 Kurze Trauer Ein lütt Diern, dee kümmt einen Morgen näh de Schaul. Un denn verteilt se ehr Lihrerin: „O Frollein, gistern is mien Vadding dotbläben." 183

„Oh", seggt de Lihrerin, „dat 's cewer truurig. Denn sünd ji woll all dull truurig un weint so väl?" „Och nee", seggt de rDiern1, „wi hebben jo gistern gliek weint." 41 Scbmeicbelbafte

Antwort

In verläden Tieden, dor hadden de Pasters jo ok noch ümmer wat oewer de Schaul to seggen. Un denn körnen se hen un wenn un hürten mal to, wenn de Schaulmeister de Kinner unnerrichten ded. Un meistens wir dat denn de Superintendent ut de grot Stadt. Dor kümmt ok eins 'n Superindent, un de Schaulmeister seggt to de Kinner: „Un wenn nu de Superindent juuch wat fragt, denn möt't ji ok ümmer schön seggen: ,Herr Superdent'. Möt't ji ümmer wedder seggen! Dat mag he giern." Na, un de Superindent kümmt, seggt „Gauden Dag", r un se1 stahn jo ok all up. •"Ierst1 ward sungen, un donn fangt de Schaulmeister an, de Kinner den Katechismus aftofragen. Un donn fangt he ok bie de biblisch Geschieht an von Adam un Eva ut 'n Paradies. Un donn seggt de Paster: „So, mein Lieber, jetzt möchte ich mal die Kinder fragen, was sie bei Ihnen gelernt haben. Nun sagt mir mal, liebe Kinder: Als Eva den Apfel gepflückt hatte und Gott ins Paradies kam und er die Schlange da sah, die Eva verführt hatte, was sagte da Gott zu der Schlange?" He kickt cewerall rüm; un donn kickt ein so 'n hellen Jung' up, un dee bohrt den Finger ok up un seggt: „Auf deinem Bauche sollst du kriechen, Herr Superdent, und Erde essen dein Leben lang, Herr Superdent!" 42 Grabinschriften In ein Schaul, dor kümmt ok einen Dag de Superintendent as de Vorstand von de Schaul un will nu mal seihn, wat de Kinner all so lihrt hebben bie den Schaulmeister. Un he möt ehr jo nu ok alls affragen. Un denn ward räkent an de Tafel. Un denn ward wat an de Tafel schräben, un de Kinner möten r nah vorn 1 kamen. Un denn sali dat wedder aflöscht warden von de Tafel, un dor kann keiner den Tafellappen finnen. Dee is einfach weg. „Na", seggt de Superindent, „denn lassen wir das. Denn wollen wir mal etwas anderes — mit etwas anderem uns befassen. Nun sagt mal, meine lieben Kinder, ihr habt doch euren Lehrer alle sehr lieb." ..Ja", seggen se. „Wenn nun euer lieber Lehrer sterben würde, was würdet ihr denn wohl auf seinen Grabstein schreiben?" 184

Dor meld't sick de ein: „Hier ruht unser lieber Lehrer." „Ja. Ja, ist gut." De anner seggt: „Hier ruht in Gott unser lieber Lehrer." „Ja, das ist auch sehr gut." Un denn het de ein noch dit, un de lütten Mätens, dee hebben denn ok noch so 'n lütten Vers. Un de ein seggt: „Sei getreu bis in den Tod!" Un so wat all. Un donn endlich, donn meld't sick up de allerünnelst Bank so 'n lütten Jung' un holt ümmer den Finger hoch. Dor seggt de Superindent to em: „Na, mein lieber Kleiner, was willst du denn noch sagen?" „Hier li-li-li-liggt de La-la-Lappen!" 43

Die beilige

Familie

De Lihrerin — dat is up Wiehnachten — wiest de Kinner ein Bild von Bethlehem: Maria, Joseph, dat Kind. „Ach", seggt 'ne lütte Diern, „dat arm Worm het jo gor kein Hemd an!" „Ja", seggt de Lihrerin, „se künnten kein kööpen. Se wiren gor tau arm." „Na", seggt dorup Hanne Maatz, „so is 't richtig: Kein Hemd oewer 'n Nors, cewer photographieren möten s' sick laten!" 44

Der eifrige

Zeitungsleser

Ein Jung', dee von sien Öllern nah de grot Stadt fWismar 1 up de hohg' Schaul schickt würd, dee kreeg', as de groten Ferien vörbie wiren, r dor! kreeg' he sick ümmer de Zeitung her. „Jung'", seggt de Mudder, „wat läst du ümmer in de Zeitung? rDu1 last doch süss kein Zeitung." „Ja, Mudding", seggt he, „ick will bloß mal seihn, wat nich in Wismar dat Gymnasium afbrennt is. Kiek, denn bruuk ick doch nich nah de Schaul." 45

Der

Klassenletzte

Ein anner Jung', den sien Öllern em ok nah 'ne bätere Schaul schickt hadden, he sali ok wat lihren, dee wir 'n groten Flinkfläuter. Un ümmer, wenn he denn Ostern un Michaeli nah Huus köm, denn müßt he jo ok sien Tüügnis vorwiesen. Un dat wir jo ümmer 'n leeges Tüügnis: Mal wir he de Ünnelst, un mal wir he de Tweitünnelst. 185

Un donn wir he ok wedder de Ünnelst worden, un donn kreeg' sien Vadder den Stock her un verwalkt em un seggt: „Du dcemliche Jung'. All dat düüre Geld möt ick för di utgäben. Un denn kümmst nich haben, bliffst ¡immer unnen besitten." r Dor röppt de Jung' 1 : „Vadding, Vadding, ick kann jo nich baben kamen: Se Uhren jo all gaut!" 46 Geschichten von Albert

In 'ne lütt Stadt, dor sünd Soldaten inquartiert: Dat is grot Manöver. Un nu will Albert, dee will jo ok mit. De Jungs hebben schaulfrie krägen. Un donn seggt 'ne Fruu to em: „Du, Albert, loop dor man nich mit! Dee scheiten di noch dot. Wat willst du bie de Kanonen?" „Ach", seggt Albert, „dee scheiten mi nich dot. Dee hebben jo all Ledder hinnen vor." *

*

*

Albert wir Loopjung', un he müßt all so de Gäng'n maken. Un denn müßt he ok Water halen von de Pump. Un einen Dag seggt de Fruu to em: „Albert, du kannst mal fix nah 'n Koopmann gahn. Ick möt noch Solt hebben." „Ja ja." — He löppt jo ok los. Un he kümmt nich wedder, un he kümmt nich wedder. Un as he toletzt ankümmt, donn seggt de Fruu to em: „Na, Albert, dat hest rdu 1 jo woll ut Europa haalt?" „Nee, Fruu", seggt he, „dat 's mi denn doch 'n bäten wiet." 47 Der pfiffige Schiffsjunge

Up ein Schipp, dor is so 'n lütten Moses, un dee möt jo ok dat Geschirr all afwaschen. Un donn kümmt he einen Dag nah den Kaptain un seggt: „Kaptain, wenn ick weit, wo 'n Ding is, is dat denn weg?" „Du dcemlich Jung'", seggt de Kaptain, „wo kann dat denn weg sien!" „Gott sei Dank", seggt de rjung' 1 , „denn is Se Ehr sülwern Teekann ok nich weg. Dee is mi äben oewer Buurd follen."

186

48 Heiratsmarkt Up de Austköst, dor sitten ok de ollen Großmudders ut 't Ollendeil tosamen an einen Disch un drinken ehren Kaffee un stippen ehren Kauken in un tutschen em denn up. Un nahst, denn ward de Kaffee up 'tSchcelkengaten, un denn ward he utdrunken. Un as se dormit fardig sünd, donn geibt dat Verteilen los. Ierst fangen se an, von all ehr Ollsgebräken to verteilen. De ein, dee het 'ne Schwulst in de Küül. Un de anner, dee het ¿immer de Räwkau so dull. Un dat möt s' denn ümmer mit Botter inrieben. Dorvon stünk s' ok all nägen Miel gegen Wind ümmer nah ranzig Botter. Un de drüdd' — wat hadd dee man noch? Dee hadd ok noch 'n Gebräken. Dee hadd dat ümmer so in dat Krüüz. Un dat müßt se denn mit nägenerlei Öl inrieben. Un noch 'ne anner, dee flüstert ganz heimlich: „Un ick, ick hadd dat doch so in 'n Kopp. Un donn bün ick nah de Püüstersch gahn. Un dee het mi dat wegpüüstert, un dat het gaut hulpen. I c k 1 heff 't noch nich wedder hatt." Un mitdewiel, dor kamen de jungen Lüüd' an un danzen dor üm den Disch rüm Tun1 bie ehr den Disch vörbie. Un de Truugens 1 kieken sick dat jung' Volk so an. Un donn fangen se jo an mit de Friegeratschon: „Ja, un Stine Meier, dee will jo nu Möller sienen tweiten Jung' heiraten." „Ja, ja." „Na, un Greifen Schulten, dee kriggt jo woll nu ok einen: Dee will nu den Johann Kohlhagen heiraten." „Ja?" „Ja." „Un Mine, Mine Jeß, ja, dee will jo woll 'n Schaulmeister heiraten." „Ach nee!" „Ja, hebben s' mi verteilt." „Ja", seggt denn de Schultenmudder to ehr Nahwersch, „un dien Stine, hefft ji för dee ok all einen?" „Mien Stine? Och", seggt se, „dee mag s' all: Dee is dat ganz egal." 49

Wiegengesang In ein Buernstuw', dor sitt de jung' Fruu an de Weig' un singt ehr Kind in 'n Schlap. Un de Grotknecht, dee wir grad' bie ehr un smäustert 'n bäten bie ehr rüm. — Un donn up eins, dor kümmt de Buer rin. 187

Mit 'n Hurri wir de Grotknecht unner dat Bett, un de Fruu, dee weigt ehr Kind un singt:

i ü

„Ei-

ja

brumm-sü-

•s.ng,

ip1 J i j J1 J1 f i j

m

/

sing!

L i g g still, lütt K i n d , un drü

Ick w e i g ' di mit mien

ro-den

Schauh.

j» j' }i j' ¡> ¡> i f i p | S c h l a p un dau dien lüt-tcn

jfr J o

Ö-gings tau!

?

fJl'1 J' '* II

Jo-chen, dien

Slipp!"

Un se singt dat wedder:

ft J» j^jJ'J'ippi „ S c h l a p u n dau dien lüt-ten

Ö-gings tau!

ft j J I J* J J> j r Ii Oh! O

J o - c h e n , dien

Slipp!"

„Wat singst du dor?" seggt de Buer to sien Fruu. „Büst du narrsch worden? W a t singst du dat Kind dor v o r ? " r D o r seggt se 1 : „Kann ick nich singen, wat ick will? Süss is mien Kind in de Weig' nich still! 188

m m o

Jo-chen, dien Slipp!"

O

Un donn is Jochen dat gewohr worden, un fix treckt he de Slipp unner 't Bett. — Un dormit wir denn ok de lütt Vizbuer inschlapen. 50

Die

Pferdelotterie

In Niegenbrandenborg, dor gew dat früher jedes Johr 'ne grote Pierd'lotterie. Denn köfften de Lüüd' sick 'n Loss. Dor künnten se Pierd' up gewinnen. — Un so hadd Vadder Schult, dee hadd sick ok 'n Loss köfft. Un donn sitten se einen Abend in 'n Schummer so tosamen. Un dor spingelieren se, wat se woll all mit anfangen '"würden1, wenn se nu gewinnen deden: „Oh, wenn wi nu 'n Pierd gewinnen . . ." „Ja", seggt Mudder, „oder wenn wi 'ne Kutsch gewinnen . . ." Un de ein seggt denn noch: „Ja, mit twei Pierd' vor." Un de Jung' seggt: „Nee, Vadder, mit vier lang! Ja. Oh, dat würd oewer schön! Un denn willen wi ümmer schön utführen, nich, Vadding? Un wenn wi denn ümmer so schön utführen, denn kann ick doch ümmer up 'n Buck sitten!" Un mit eins, donn ward den Ollen dat oewer, dit ewige Wünschen, wat se all willen. Un he kickt den Jung' von baben bet unnen an: „Wat willst du?" Un he langt mit de Hand ut un langt em einen ran un seggt: „Willst du run von 'n Buck!" 51

Der ängstliche

Mann

Ein oll Mann, dee möt abends in 'n Düstern noch eins ruut nah de Privet. Un he is ümmer so fürchterlich gruugen, un denn möt sien Fruu mitkamen. Na, donn geiht he jo ok hen un geiht rinner. Un de Fruu, dee steiht buuten Posten. Un donn kickt se so rüm un kickt in den Häben un fangt an to swögen: „Och, wat is dat hüüt abend stiernklor!" Un he kann nich ollich hüren un röppt von binnen: „Wat is dor los? Kierls sünd dor?" „Nee, nee, Vadding", seggt se. — Un donn swögt se wieder, un denn seggt se: „Un wat het de Maand för 'n groten Hoff!" 189

„Wat „Ach „Wat ruut un

seggst du? Dee sünd all up 'n Hoff?" nee, nee, Vadding, kack du man!" seggst du? Achtzig Mann?" — Un donn grippt he nah de Bücks un nah 'n Huus rin! 52

Ein Ehekrach Ein oll Ehepoor, dee hadden all gollen Hochtiet hatt. Dee läwten so gemütlich tosamen un genöten ehre ollen Dag'. (Ewer Mudding, dee wir oft so grandessig un künn sick cewer alls argern, wenn s' ehren Dullen so kreeg'. Denn künn s' sick oewer de Fleig' an de Wand argern. Un an alls hadd Vadding denn schuld. Un donn hadden s' einen Dag ok wedder irgend so wat. Dor hadden s* Koorten spält, un he hadd gewunnen. Un dor ärgerte se sick cewer: „He beschummelt mi ümmer, un dat lat ick mi nich gefallen! Un du büst cewerhaupt so 'n leegen Kierl!" Un Großvadding, dee ward jo nu ümmer so 'n bäten grienen un lacht sick einen. „Ja, un nu grienst noch, un nu lachst noch. Ick mücht woll mal weiten, wat du früher so för 'n Läben führt hest. Ick mücht woll mal weiten, woväl Bruutens du all vor mi hatt hest." Vadding, dee grient so 'n bäten un dreiht mit de Duumens un seggt gor nicks, grient so vor sick hen. „Na", seggt se, „na, nu segg doch mal! Woväl Bruutens hest denn all vor mi hatt?" „Je", seggt he, „Mudding, weißt, wenn ick mi dat so oewerschlagen dau, denn büst du grad' de drütteihnst." 53 Die Frau und ihr

Papagei

Up 'n Darß — dat wir in Ollhagen —, dor wahnte 'ne oll Kaptainswittfruu. Ehr Mann hadd ehr eins von sien Fohrten 'n hübschen bunten Papagei mitbröcht, un dee künn väl spräken. Un wenn se wieder nicks üm sick hadd as dissen Papagei — dat wir ehr Up- un Dalsprung —, het se fsick 1 jo ok ümmer mit em verteilt. Un he lihrte alls bannig fix. Einen gauden Dag, donn is se bie 't Pannkaukenbacken. Un de olle Papagei, dee ward jo rümfleigen un ward ehr cewer de Pann rcewer fleigen un lett dor wat rupfallen. 190

Un donn ward se doch so wütend un seggt: „Du verdammte Papagei! Wat föllt di eigentlich in? Schämst di gor nich? Hest mi hier up 'n Pannkauken schäten!" Un so het se ümmer schimpt, un den ganzen Dag het se ümmer to em seggt: „Paß du man up! Hest mi up 'n Pannkauken schäten!" — Un donn wir s' jo so wütend worden un hadd taugräpen un wull em 'n poor Uhrfiegen gäben, un dorbie hadd s' em von 'n Kopp de Feddern afräten. Nu set he dor mit 'n blanken Kopp. Na, 'n poor Dag' sünd vergahn, donn kümmt de Breibendräger an un bringt ehr 'n Breif un de Zeitung. Donn seggt se: „Na, nu täuben S' man 'n Ogenblick. Ick hal Se noch 'n lütten Schluck." — Na, un rdor1 geiht se an 't Eckschapp un haalt 'ne Buddel un 'n Glas ruut. Un wieldess is de Papagei nu ok rümflagen un sett't sick up 'n Disch. Un de Breibendräger, dee nimmt jo ok sien Mütz von 'n Kopp, un he is ok all 'n bäten bannig dörchwussen. Un de Papagei, dee sett't sick up sien Schuller un seggt donn mit eins to em: „Hest-hest ok up 'n Pannkauken schäten?" 54 Das Billett Ein oll Fruu ut Jeisar, dee will nah Hagenow to Stadt führenTun will inkööpen. Se is noch nich oft mit de lesenbahn führt. Se geiht jo hen nah 'n Schalter un köfft sick 'n Billett un stiggt in 'n Togg in. Un as se denn in Hagenow ankümmt, dor möt se jo ok dörch de Sperr. Un donn seggt de Schaffner to ehr: „Ja, Se Ehr Koort! Ick möt doch Se Ehr Koort r seihn 1 . Hebben Se kein Fohrkoort?" „Doch, 'n Billett heff ick hatt", seggt se. „Ja, wo sünd Se dor denn mit bläben? Dat möten Se doch hebben." „Nee", seggt se, „dat heff ick in Jeisar gliek in 'n Breifkasten stäken." „Fruu", seggt he, „is dat wohr?" „Ja ja, dat is wohr", seggt se. Un donn ward ok anfragt in Jeisar bie de Post. Un tatsächlich, dor het in Jeisar 'ne Fohrkoort tweiter Klass inlägen. 55 Ein

Mißverständnis

Johann sali to Stadt führen un för de Madamm dit un dat un sünst noch wat von 'n Koopmann un bie 'n Tüügjuden halen. Un denn süll he noch nah den Brillenkierl un dat Pincenez för dat Frollein mitbringen. 191

Johann het denn nu alls tohoopen köfft, un nu noch nah 'n Brillenkierl: Je, he süll noch wat halen för 't Frollein, 'n Pissenee süll 't sien. Nee, seggt de Brillenkierl, denn müßt he nah Koopmann Draeger gahn, dee hadd' so 'n Dinger. Johann jo nu noch dor hen: He wull för 't Frollein 'n Pissenee hebben! „Pissenee?" seggt Draeger. „Ach, ick weit Bescheid. So seggen se woll up gäl." Un l i e 1 packt em denn 'n Nachtpott in. Johann kümmt trüch, liefert alls schön af un r seggt 1 : „Hier is ok för 't Frollein de Pissenee. De Brillenkierl hadd so 'n nich." 56 Das Senfessen Ein Buer, dee kümmt eins nah 'n Koopmann. Un he het inköfft un sick ok Zigarren köfft. Donn kümmt 'ne lütt Diern rin, un rdor1 seggt de Koopmannsfruu: „Wat willst du denn hebben?" „Für fünf Pfennig Senf." Se het 'ne Tass, un de Fruu, dee makt ehr dor ok so 'n lütten Klacken Semp rin. „Na", denkt de Buer, „dat sünd arme Lüüd'! För fif Penning köfft so 'n Volk!" Un rhe1 seggt donn to de Koopmannsfruu: „Gäben S' mi ok mal dor von, cewer för 'n Daler von dat, wo 't so wenig von gifft!" Donn kümmt de Fruu mit 'n groten Töller an un makt den ganz vull Semp. Un denn will he dat jo ok äten un geiht mit 'n Läpel dor achter un röppt mit eins: „Mien Näs', mien Näs', wenn 'ck bloß mien Uhren beholl!" 57 Alle Mahlzeiten

hintereinander

Ein Buer, dee söcht 'n Knecht. He kümmt nah sienen Nahwer un seggt: „Minsch, weißt nich 'n Knecht för mi?" „Ja", seggt dee, „ick weit einen: Du kannst di jo den un den halen. Dee kann düchtig arbeiten. Dat is 'n olligen Arbeiter. Bloß äten kann he ok gaut." „Ach", seggt de ierst Buer, „dor kümmt mi dat jo nich up an. De Hauptsach is, he kann ollich prat kamen mit de Arbeit." Na, he geiht jo ok hen un ward sick den Knecht meiden. Un 'n annern Morgen, donn kümmt de Knecht jo ok rin to 'n Äten, to 'n Frühstück äten, un sett't sick an 'n Disch. Un de Buer, dee nödigt em, he sali ok düchtig taulangen. Dat deit de Knecht ok un stoppt ollich rin. 192

Nu ward dat wedder afdragen, un donn seggt de Buer: „Je, wat meinst? Ick mein, wi künnten jo ok gliek Middag äten." „Ja", seggt de Knecht, „dat kcenen wi, mientwägen." Na, 't ward jo Middag updragen, un dat Äten geiht wedder los. Un de Knecht, dee kann. Dee ett nich, dee frett. Na, as se dormit lang sünd, donn seggt de Buer: „Je, nu künnten wi jo ok noch gliek Vesper maken." „Ja, mientwägen, dat kcenen wi", seggt de Knecht. Na, 't ward jo ok Vesper updragen mit Speigeleier un alls, un dor ett he wedder soväl. „So", meint de Buer, „büst nu satt?" „Ja, nu bün ick satt." „Na, denn kcenen w' jo nu gliek mit de Arbeit anfangen!" „Nee", seggt de Knecht, „so hebben w' nich wedd't. Ick heff nu Vesper krägen. Denn gäw ick de Pierd' wat up, un denn gah ick to Bett." 58 Eulenspiegels

Rat

Ulenspeegel, dee köm eins in 'n Dorp un kihrt bie 'n Buern in. Un dat wir grad' in 'n heiten Maand, in 'n Augustmaand, in 'n Fleigenmaand. Un de Buer hadd so fürchterlich väl Fleigen in de Stuw', dat he schimpen ded: „Mann, segg mi bloß, wo ward ick all disse Fleigen los! Dat 's jo rein to dulll" „Ach", seggt Ulenspeegel, „dat 's nicks leichter as dat." „Woso?" „Ja, rüümt mal eins de ganze Stuw' ut! Un wenn se leddig is, denn malt ji den Düüwel an de Wand! Un denn möt't ji fix de Stubendör ok fast taumaken un ok dat Schloetellock taustoppen!" „Mann", seggt de Buer, „wo kann ick den Düüwel an de Wand malen? Du weißt doch: Wenn 'n den Düüwel an de Wand malt, denn kümmt he ok." „Ja", seggt Ulenspeegel, „dat sali he jo ok grad'. Kiek mal: Wenn he denn hungrig is, denn sali he woll de Fleigen upfräten. Denn du weißt doch, dat Sprickwuurt heit: ,In de Not, denn frett de Düüwel Fleigen.'" 59 Der Junge in der Kirche fDat 1 is Sünndagmorgen. Mudding, dee will giern to Kirch gahn. Nu het se twei Jungs. De ein, dee is fif Johr, un de anner, dee liggt noch in de Weig'. Un nu seggt se: „Heining, nu paß ok gaut up up dienen lütten Brauder! Un wenn he anfangt to weinen, denn schunkelst du em 'n bäten." 13

Neumann, Märchenfrau

193

„Ja ja, dat will ick woll daun", seggt he. Na, un se geiht jo ok weg nah de Kirch, nimmt ehr Gesangbauk un sitt denn jo ok dor. Un de Preister, dee is all bie un prädigt. Un up einmal geiht de Dör up, un dor kümmt so 'n lütten Jung' rin un söcht alle Bänken af, kickt un kickt, un dor hürt he mit 'n Mal 'ne Stimm. Dor kickt he rup. Dor is de Paster dor baben in de Kanzel. Dor röppt de J u n g ' : „Du Kierl dor baben in de Tunn, weißt nich, wo mien Mudder is?" De Paster seggt: „Pscht, pscht!" „Ja, dat is man nich so as pischt-pischt. He het de Ogen all so stief in 'n Kopp. Ick glööw, he makt gliek noch eins wat." 60 Der unbeteiligte Kirchgänger In ein lütt Dörpkirch steiht de Preister up de Kanzel. Un he schimpt un schandiert oewer de „Bosheit" von de Minschen. He futert un fuchtelt mit de Händ'n. Un he verteilt siene Gemeinde in gruugelige Biller von Straf un ewige Verdammnis, von „Heulen un Zähneklappern". Dat grippt je nu de Fruugenslüüd' un de Buern bannig an. Se warden ganz weihmäudig, se röhren un schnuuben. Dor steiht an einen Pieler ein oll Scheper, den rögt dat all nich. Dor fröggt em ein Buer: „Du dor, steihst dor so! Fucht di den Preister sien Prädigt gor nich an?" „Woso ick?" seggt he. „Ick? Ick hür jo gor nich to dit Kirchspill." 61 Warum der Nachtwächter nicht tutet In Dümmersbüttel, dor wir 'n Nachtwächter, dee het Jürn heiten. Un dee müßt ümmer, as dat früher so Mod' wir, nachts de Stunden utraupen. He müßt tuten up sien Huurn, un denn müßt he seggen: „Hört ihr Leute und laßt euch sagen . . ." Un denn müßt he de Klockentiet utraupen un achteran noch dreimal tuten. — Un dat wir ok ganz schön, un de Lüüd' künnten sick all dorup verlaten. CEwer ein Nacht, donn ward he jo ok sienen Vers singen. Man dat hüren de Lüüd' jo nich in 'n Schlap, un nu täuben se up dat Tuten. (Ewer wenn he tuten möt, denn säd' dat ümmer bloß: „Brrt, brrt." Un wieder nicks. Na, dat hürten s' sick 'ne Tiet mit an. Un donn körnen s' all bie 'n Schult tosamen un säden: „Nee, Schult, dat geiht nich. Du möößt Jürn vor 't Brett halen! 194

He möt doch tuten. He het dat Huurn, un he is Nachtwächter bie uns, un denn möt he ok sien Pflicht daun." „ J e " , seggt de Schult, „denn möt he mal herkamen." — Un donn kriggt de Jürn jo ok Bescheid, he sali nah 'n Schulten kamen un sali sien Huurn mitbringen. Dat deit he denn jo ok, un donn seggt de Schult to em: „ N u , Jürn, segg mal! Du büst Nachtwächter bie uns un hest dien Amt, du sallst ümmer jede Stund* tuten un de Stunden utraupen. Worüm deist du dat nich? Is dien Huurn intwei?" „ N e e " , seggt he. „Na, Willem, versäuk du mal, ob du tuten kannst up dat Huurn, ob dat heil i s ! " Na, rdenn 1 möt Willem dat eins versäuken: Oh, dat blast wunderbor, dat Huurn. „So, nu blas' du mal!" seggt de rSchult 1 to Jürn. Un dat geiht man wedder ümmer: „Brrt, brrt." „Ja, worüm kannst du denn nu nich tuten?" „ J e " , seggt Jürn, „ick kann-kann jo wedder nich tuten, ick-ick heff jo man kein Tähnen nich mihr." „Ach, du hest kein Tähnen mihr. — Ja, denn möten wi 'n annern Nachtwächter halen. Wecker von juuch kann r dat 1 ? Weckern weit't ji, dee hier Nachtwächter warden kann?" Nee, se wüßten keinen. Dor wir kein Nachtwächter in 'n Dörpen. Denn bleew ehr jo gor nicks anners cewer: „ J a , Jürn, denn hebben wi uns dat nu cewerleggt", säden se. „ D u geihst nu nah de Stadt un geihst nah 'n Tähnendokter un lettst di 'ne nie Bitt maken!" Ja, dat ded he denn ok un güng hen nah de Stadt. Un denn köm he jo ok wedder trüch mit sien nie Bitt nah vier Wochen un müßt wedder nah 'n Schulten kamen un nu wiesen, dat he ok tuten künn. Un he künn wunderschön tuten: „Tut tut tut" güng dat ümmer. „Na, denn kannst jo nu wedder dien Amt utführen", seggt de Schult. •"Jürn1 geiht jo ok los, un nachts liggen s' jo ok nu all up de Luer: N u ward Jürn wedder tuten. Un Jürn röppt ok: „Hört ihr Leute und laßt euch s a g e n . . ." Un donn hinnerher sali he tuten. r CEwer 1 dor mök dat wedder bloß: „Brrt, brrt, brrt." „Mein Gott", seggt de Schult, „dee will uns jo woll rein to 'n Narren hebben." — Un rjürn 1 möt wedder kamen un ward jo nu düchtig utschullen: „ D u hest nu 'ne nie Bitt krägen, un 't het uns all uns' Geld kost't. Un worüm tutst du nu nich?" „ J e " , seggt Jürn, „je, de Tähnendokter, dee het to mi seggt, 's Nachts, het he seggt, sali ick de Bitt ümmer ruutnähmen, dat het he seggt." 13*

195

62 Die

Medaille

Ein Landdrost in 'ne lütt Stadt, dee het wägen sien groten Verdeinsten von sienen Landesherrn 'n Orden krägen. Un de Fruu, dee verteilt dat Mäten dat. Dee hadd dat ok all hürt, dat de Herr 'ne Medaillj krägen hadd. „Ach", seggt dat Mäten, „gnädig Fruu, ick freu mi jo so, dat uns' Herr so 'n Krüüz krägen het. Ick freu mi jo so ok mit Se." „AchLina", seggt de Fruu, „man sagt doch nicht,Kreuz', man nennt das 'ne .Medaille'!" „Ach so, 'ne Medaillj?" „Ja." Nah acht Dag', donn liggt dat Mäten to Bett, un de Fruu kümmt un seggt: „Na, was haben Sie denn?" „Ach, Fruu", seggt se, „ick heff dat jo so in mien Medaillj, ick kann mi cewerhaupt nich rögen!" 63 Der

Parade-Papagei

In ein lütt Garnison, dor wahnte ok 'n General, un dee hadd dor ok sien Palais. Un vor dat Palais, dor wir 'ne Wach. Un dee Posten, dee müßt jo nu ok ümmer vor dat Huus up- un dalgahn. Un he geiht von 'n einen End' nah 't anner un kihrt wedder üm. Un ümmer, wenn he up de rechte Siet an 't End' köm, dor wir 'n Finster apen, un denn röp dor ümmer einer ruut: „Wo heißt d u ? " He lett sick dat 'n poormal gefallen un denkt: „ D e verdammten Bengels von den General, dee willen di hier woll to 'n Narren hollen." Un as he wedder rupkümmt, dor röppt dat wedder: „Wo heißt d u ? " Donn ward em dat doch kruupen, un dor seggt he: „ K o r l Schröder. Lick mi in 'n N o r s ! " Donn is alles still. He kann ümmer up- un dalgahn un ward nich wedder fragt. — He dörf jo ok eigentlich gor nich snacken. 'n Wachposten dörf nich snacken. Na, cewer Nie1 hadd 't nu einmal seggt. Na, un 't duert so 'n acht, vierteihn Dag', donn gifft de General 'ne grote Gesellschaft. Un de ganze Hautevolaute von de Stadt würd inlad't, de Obersten un denn de Bürgermeister, un von 't Militär all de Herren mit ehr Damen würden all inlad't. Un nah dat grote Äten, donn seggt de Fruu von den General: „Und jetzt, meine Lieben, möchte ich Sie doch bitten 1 Ich will Ihnen doch mal mein Paap196

chen vorführen. Ach, der kann so wunderschön sprechen! Und alles, was er sagt, das hab' ich ihm selbst beigebracht." Na, se gahn jo ok run nah den Papagei un stahn all üm dissen gollen Buurken rüm, un de Fruu General, dee fröggt nu: „Na Lorchen, wie heißt du?" De Papagei, dee kickt ehr ganz dcemlich an. „Na Lorchen, sag' doch mal! Wie heißt du denn?" Dee pliert mit ein Og', de Papagei, un pliert mit 't anner Og' un deit so, as wenn he gor nicks hürt. „Na, aber Lorchen, nun sag' doch mal! Wie heißt du?" „Korl Schröder. Lick mi in 'n Nors!" seggt he donn. 64 Die klugen Hunde 'n poor Jägers sitten an ehren Stammdisch in 'n „Gollen Hirschen" un fangen nu an to verteilen, un se kamen denn jo ok up dat Jägerlatien. Un donn seggt de Oberförster: „Och, ick heff jo so 'n klauken Hund! Mien Waldmann, dee is so klauk! As wi nüülich abends Blautwurst äten deden, donn lickmünd't he ok so an 'n Disch ran, un donn segg ick to em: ,Na, wullst du ok woll 'ne Wurst hebben?' Un wat glööwt ji? De Hund ruut ut de Stuw', un nah 'n poor Minuten kümmt he wedder, un donn het he in 't Muul 'n groten Twieg' von Jelängerjelieber." „Ja ja", seggt de ein, „dat kann woll stimmen. Dat sali jo Hund'n gäben, dee sünd kläuker as ehr Herr." Dor kümmt von de anner Eck 'ne Stimm: „Ja ja, dat stimmt: So 'n heff ick ok all eins hatt." 65 Bestellung bei Geriebt In ein Gerichtsstuw', dor sitt de Herr Amtsrichter. Un de Dör ward upmakt, un de Gerichtsdeiner, dee schüfft 'n ollen Mann rin. He süht all ganz verwandtschaffen in sien Tüüg ut, mit 'n poor Flickens up 'n Rock. Un he steiht dor un dreiht mit 'n Haut un seggt: „Gauden Dag ok!" De Richter fohrt rüm up sienen Stauhl: „Sie? Aha, da sind Sie! Sie haben hier überhaupt nichts zu melden, Sie! Wo waren Sie in der Nacht vom 24. auf den 25. November vorigen Jahres?" De oll Mann, dee kickt un seggt: „Herr, dat weit ick nich mihr." „So, das wissen Sie nicht mehr! Aber wir wissen es ganz genau, wo Sie waren! Sie waren doch der Mann mit dem grauen Mantel und dem braunen Hut, den man am Tatort gesehen hat." 197

De oll Mann, dee antwuurt't nich, kickt bloß ganz dcemlich. „Haha, Sie antworten auch gar nicht 1 Dieses zynische Gesicht und diese Verbrecherphysiognomie, das sagt ja schon alles. Vielleicht leugnen Sie auch gar, daß Sie die Ermordete gekannt haben! — Vielleicht leugnen Sie auch, daß Sie der Karl Hübner sind!" „Nee, Herr, dee bün ick nich. Ick bün Jochen Schlünz, un ick bün Forstarbeiter. Un de Herr Oberförster, dee schickt mi, wat Se nich hüüt abend nah 'n .Gollen Hirschen' to 'n Skatspälen kamen willen?" 66

Der politische Papagei Dat wir donn in de Hitlertiet. Dor wir in ein Dorp ein Buer, den hadd dat Schicksal dull mitnahmen. Twei Soehns, je, dee kömen nich wedder ut 'n Krieg. Un nu hadden s' ok noch sienen Heiner, dee teilte grad' sößteihn Johr, den hadden s' em ok noch weghaalt. So set he mit sien Fruu allein vor de ganze Wirtschaft. Kein Wunner, dat em denn un wenn de Zorn packen ded! Un denn drauhgte he nah dat Hitlerbild — in jede Börgerstuw' müßt jo so 'n Bild hängen —, un he röp: „Hitler verrecke!" Nu hadd he ok einen Papagei. Un weil de Buer nu oft so schimpen ded, schimpte dee dat ok. Dat hadd je nu so 'n groten Lamettafritz hürt, un dee bringt dat an: De Buer Schütt hadd' einen Papagei, dee röp ümmer: .Hitler verrecke!' Un dat künn doch man bloß Schütt em biebröcht hebben. De Buer stred' dat af. Je, denn süll he to Gericht kamen un ok den Vagel mitbringen. Dee würd sick denn woll verraden. Tja, dor set Schütt nu in de Bredouille. „Wenn s' di nu to hollen kriegen, denn nähmen s' di mit, un 'n Hoff büst ok los." Bleew bloß noch ein Utweg: De Preister. Dee hadd jo ok so 'n Papagei. Ob dee woll. . .? Man hengahn künn he nich. 't künn jo wän seihn, un se wiren em jo all so up de Spör. De Preister, dee wir ok keinen Pg. Dat wüßt de Buer. Donn güng he 's Abends hen nah Kirch un leet sick von den Papen de Bicht verhüren. Un dorbie flüstert he em denn nu sien Molesten in 't Uhr. De Pap nickt ümmer, un bie dat „Absolvete!" seggt he: „Kriggst mienen. Kumm hüüt 's Nachts Klock twölben achter 'n Schwienstall, dor wo de Späuk is! Dor kümmt kein ein hen. Denn tuuschen wi." Dat güng jo ok los, un de Preister säd' noch, he süll man nich mit den Vagel snacken.

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Na, den annern Dag geiht jo nu Schütt mit den Papagei in 'n Buurken nah dat Gericht. Nu süll dat Diert Farw bekennen. De Buer süll em vörsnacken: „Hitler verrecke!" „Nee", seggt Schütt, „dat dau ick nich." Dat künnten de Herren jo sülwst seggen. Ein kickt den annern an. — Tje, denn süll dee, dee de wenigsten Zieraten an de Uniform an hadd, dee süll dat daun. Dee stellt sick vor den Buurken un röppt: „Hitler verrecke!" Nee, de Vagel seggt nicks. He höll den Kopp scheif un keek nah 't Finster. Dor füngen s' nu ein nah den annern an un raupen ümmer luuter: „Hitler verrecke!" — Toletzt füng de Boebelste ok mit an. Donn fangt de Papagei an, sick to pluustern, un pedd't von einen Faut up 'n annern. — All sünd s' up eins muusing still: Nu kümmt 't jo. De Papagei reckt den Hals, ögt nah haben un seggt: „Derrr Herrr erhöre Euer Flehn!"

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ANHANG Literaturverzeichnis*

AaTh Aarne, Antti und Stith Thompson: The Types of the Folktale. A Classification and Bibliography. Helsinki 1961 ( = FFC 184). Bartsch, Karl: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg. Bd. 1—2. Wien 1879, 1880. BP Bolte, Johannes und Georg Polivka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Bd. 1 - 5 . Leipzig 1913-1932. Eul. Till Eulenspiegel. Abdruck der Ausgabe vom Jahre 1515. (Hrsg. von Hermann Knust). Halle 1885. Firmenich, Johannes Matthias: Germaniens Völkerstimmen. Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Mährchen, Volksliedern usw. Bd. 1—3. Berlin (1843)—1854. Grimm, K H M Kinder- und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm. (7. Aufl. 1856). Berlin 1957. Grimm, Kl. A. Kinder- und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Hrsg. von Herman Grimm. Kleine Ausgabe. 41. Aufl. Gütersloh 1893. (Enthält 50 Märchen). Grimm, Anth. Deutsche Märchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm. Hrsg. von M. ThiloLuyken. Ebenhausen bei München 1917. (80. Tausend: Enthält 90 Märchen). Heimat Ostmeckl. Ostmecklenburgische Heimat. I f f . Teterow 1928ff. Heimat plattd. Uns' plattdütsch Heimat. Nahrichtenblatt von den plattdütschen Landsverband Meckelborg. I f f . Rostock 1925ff. Heimatland. Lieb Heimatland. I f f . Lübtheen 1928ff. Mitt. Ratzeburg. Mitteilungen des Altertumsvereins (ab J g . 4 : des Heimatbundes) für das Fürstentum Ratzeburg. I f f . Schönberg 1919ff. Mon. Meckl. Mecklenburgische Monatshefte. I f f . Rostock 1925ff. Mussäus, J(ohann Jacob Nathanael): Meklenburgische Volksmährchen. In: Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde. 5 (Schwerin 1840) S. 74—100. Neese, Wilhelm: Mang Brink un Brauk. Verteilen. Schwerin 1920. —: Dat Leben lüggt. Ein Verteilen. Schwerin 1929 (Pseud. Horst Klausner). Neumann, Siegfried: Plattdeutsche Schwänke. Rostock 1968. —: Ein mecklenburgischer Volkserzähler. Die Geschichten des August Rust. (1968). 2. erweiterte Aufl. Berlin 1970. —: Mecklenburgische Volksmärchen. Berlin 1971. —: Plattdeutsche Legenden und Legendenschwänke. Berlin 1973. (Siehe auch unter Wossidlo, R.)

* Das Literaturverzeichnis enthält vor allem das für die Anmerkungen zu den Texten durchgesehene Schrifttum, soweit sich dort Varianten zu Frau Peters' Erzählungen fanden. Von den Zeitschriften und Kalendern waren einzelne Hefte n ; cht zugänglich.

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Raabe, H(einrich) F(tiedrich) W(ilhelm): Allgemeines plattdeutsches Volksbuch. Sammlung von Dichtungen, Sagen, Märchen, Schwänken, Volks- und Kinderreimen, Sprichwörtern, Räthseln usw. Wismar/Ludwigslust 1854. Ranke, Kurt: Schleswig-holsteinische Volksmärchen. Bd. 1: ATh 300-402; Bd. 2: ATh 403-665; Bd. 3: ATh 670-960. Kiel 1955-1962. Reuter, Fritz: Gesammelte Werke und Briefe. Hrsg. von Kurt Batt. Bd. 1—9. Rostock 1967. - : Sämmtliche Werke. Volksausgabe. Bd. 1 - 7 . 10. Aufl. Wismar 1896. Schiller, Karl: Zum Thier- und Kräuterbuche des mecklenburgischen Volkes. Heft 1—3. Schwerin 1861-1864. Tarnow, Rudolf: Burrkäwers. Bd. 1—6. Schwerin 1912—1918. (In zahlreichen Nachaufl. erschienen). —: Köster Klickermann. Wismar 1927. Th Mot. Thompson, Stith: Motiv-Index of Folk-Literature. Bd. 1 - 6 . Kopenhagen 1955-1958. Vagel-Grip-Kal. Herzoglich (ab 1816: Großherzoglich) Mecklenburg-Schwerinscher (ab 1876: und Mecklenburg-Strelitzscher) Kalender. Ab 1891: Vagel-Grip-Kalender. l f f . Rostock 1802 ff. Voß-un-Haas-Kal. Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinscher (ab 1875: und Mecklenburg-Strelitzer) Kalender. Ab 1920: Mecklenburg-Schwerinscher und Mecklenburg-Strelitzer Kalender. Ab 1935: Mecklenburgischer Voß-un-Haas-Kalender. Wismar 1864ff. Wossidlo, Richard: Mecklenburgische Volksüberlieferungen. Bd. 1: Rätsel. Wismar 1897; Bd. 2: Die Tiere im Munde des Volkes I. Wismar 1899; Bd. 3: Kinderwartung und Kinderzucht. Wismar 1906. —: Aus dem Lande Fritz Reuters. Humor in Sprache und Volkstum Mecklenburgs. Leipzig 1910. —: Lustig Verteilers. Wolgast 1924. —: Mecklenburgische Sagen. Ein Volksbuch. Bd. 1—2. Rostock 1939. — und Paul Beckmann: Kreuzbube Knud und andere mecklenburgische Märchen. Berlin 1955. — und Gottfried Henßen: Mecklenburger erzählen. Märchen, Schwänke und Schnurren. Berlin 1957. — und Siegfried Neumann: Volksschwänke aus Mecklenburg. (1963). 3. ergänzte Aufl. Berlin 1965, 6. Aufl. 1970. — und Hermann Teuchert: Mecklenburgisches Wörterbuch. Bd. 1—5. Neumünster, ab Bd. 2: Berlin/ Neumünster 1942-1970.

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Anmerkungen zu den Texten

Die Anmerkungen zu den Texten tragen den speziellen Anliegen der Erzählermonographie Rechnung: Die mitgeteilten Daten geben Auskunft darüber, wann, wie oft und in welchen zeitlichen Abständen die einzelnen Stoffe aufgezeichnet wurden, wobei ein * vor dem Datum anzeigt, daß es sich um Tonbandaufnahmen durch den Herausgeber handelt, die er für den Druck transkribiert hat. 1 Die übrigen Texte hat die Erzählerin selbst aufgeschrieben. Welche der verzeichneten Fassungen Aufnahme in den Textteil fand, ist an einem -»• vor dem betreffenden Datum ersichtlich. Aus der mehr oder minder häufigen Wiederkehr derselben Daten geht hervor, was und wieviel Frau Peters an den einzelnen Aufzeichnungstagen erzählt bzw. aufgeschrieben hat. (Bei einzelnen langen Märchen bzw. den am 5. 2. und 14. 5. 1969 an den Herausgeber gesandten Schwankkollektionen erstreckte sich die Niederschrift allerdings über mehr als einen Tag.) — Die wörtlich zitierten Äußerungen von Frau Peters über die Herkunft ihrer Märchen und Geschichten geben an, von wem bzw. wie lange sie die betreffenden Stoffe schon kannte, und lassen trotz der von Fall zu Fall wechselnden Genauigkeit der Angaben ihre Stellung in der Erzählüberlieferung erkennen. Auch persönliche Stellungnahmen zum Erzählgut, soweit sie etwas über ihr Verhältnis dazu aussagen (vgl. besonders Anm. zu Text Nr. 23 und 66), sind hier zum Teil wiedergegeben. — Da die Märchenfassungen der Erzählerin überwiegend „grimmabhängig" oder zumindest durch die Grimmsche Sammlung beeinflußt sind, ist jeweils ergänzend die Nr. des betreffenden Märchens in den KHM und in den Frau Peters zugänglichen Anthologien aus Grimm (Kl. A.; Anth.) vermerkt. — Es folgen die Angabe der Typennummer nach Aarne-Thompson, um dem fremdsprachigen Forscher ein rasches Erkennen der tradierten Sujets zu ermöglichen, sowie Hinweise auf die Zusammenstellung der Varianten aus dem deutschen Sprachraum bei Bolte/Polivka und Ranke. — Der Versuch, Frau Peters' Erzählgut in den Rahmen der gesamtlandschaftlichen Erzählüberlieferung einzubetten, konnte sich bei fast der Hälfte der Stoffe mit Verweisen auf die spezifizierten Variantenzusammenstellungen bei Neumann, Mecklenburgische Volksmärchen und Wossidlo/Neumann, Volks schwanke aus Mecklenburg begnügen, zu denen nur gegebenenfalls Nachträge notwendig waren. Soweit Frau Peters' Repertoire von dem in diesen beiden Sammlungen erfaßten Motivbestand abweicht, sind die aus Mecklenburg ermittelten Varianten zu ihren Erzählungen in den folgenden Anmerkungen vollständig aufgeführt. Verweise auf Parallelbelege im Erzählschatz A. Rusts (vgl. Neumann, Ein mecklenburgischer Volkser^äbler) sollen Vergleiche mit dessen Stoffwiedergabe erleichtern. An Abkürzungen wurden, außer den im Literaturverzeichnis erklärten, vor allem die folgenden gebraucht: Anm. = Anmerkung(en), Aufz. = Aufzeichnung(en), ders. = derselbe, Erz. = Erzählerin), f., ff. = folgende, Fs. = Fassung, hs. = handschriftlich, var. = variiert gegenüber AaTh. 1. Aufz. am 14.7. ( = Neumann, Legenden Nr. 2) und *16.9.1971 (zweimal). Frau Peters: „Dat is 'ne Geschieht, dee het uns' Mudding uns verteilt. Wi hadden 'n groten Goorden, un dor hadden 1

Die Transkription der Melodien bzw. halb gesungenen Passagen, die in Noten erscheinen, besorgte Dr. Karl Heller, Rostock.

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wi ok 'n Stiegelitt. D o r is se dor woll up kamen. Un mien Brauder säd', de leiw' Gott hadd' woll in jeden Tubben noch eins rinspuckt." - Vgl. T h Mot. A 1814. + T h Mot. A 1887. + T h Mot. A 1873. + T h Mot. A 1883. + Th Mot. A 1815. + T h Mot. A 1881. + T h Mot. A 2217.1. + Th Mot. A 1971. + T h Mot. A 1981. +

T h Mot. A 1 9 9 6 . +

T h Mot. A 1 9 6 6 . + T h Mot. A 1 9 1 9 . + Th Mot.

A 1925. + T h Mot. A 1926. - Weitere meckl. Belege für die Erzählung über den Stieglitz (Th Mot. A 1926.): Firmenich 3, S. 6 1 ; sowie hs. aus Braunsberg 1905 und Waren 1932. 2. Aufz. am -»• * 1 6 . (zweimal) und * 1 7 . 9. 1971 ( = Neumann, Legenden Nr. 3). Frau Peters: „Dee Geschieht heff ick nu ¡erst bie mienen Vetter hürt. Dee het se sien Kinner verteilt. Un dee het se von sien Großmudding hürt, as he fragt het: ,Worüm sünd denn de Farken so nakigt?'" — Vgl. Th Mot. A 2378.9. — Ein weiterer meckl. Beleg hs. aus Wredenhagen 1934. 3. Aufz. am - * * 1 6 . 9. 1971. Frau Peters: „Das erzählte meine Mutter mir beim Schollenputzen in der Küche, worüm de Maischull so 'n breid' Muul het." Vgl. Grimm, K H M Nr. 172 = Anth. Nr. 12. — AaTh 250 A ; B P 3, S. 284f. — Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 52 und Anm. 4. Aufz. am 13. 4., *23. 6. und

* 2 4 . 6. 1971. Frau Peters: „Dee het mien Mudding mi ok ver-

teilt, as ick lütt wir. Dor heff ick noch so weint üm de arme Muus." Vgl. Grimm, K H M Nr. 23 = Anth. Nr. 36. - AaTh 8 5 ; B P 1, S. 2 0 4 f f . ; 3, S. 5 5 8 f . -

Weitere meckl. Belege siehe Neumann,

Volksmärchen Nr. 22 und Anm. 5. Aufz. am ->• * 1 3 . 8. 1969. Frau Peters: „Dat het Mudding uns ok verteilt abends. Wi hadden jo sülwst ok Häuhner." Entspricht Grimm, K H M Nr. 80 =

Kl.A. Nr. 49. -

AaTh 2021 A ; BP 2,

S. 146ff. — Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 41 und Anm. 6. Aufz. am —>• *17. 3. 1971. Frau Peters: „Dee heff ick von mienen Vadder. Dee het dee in de Schaul verteilt, oswer up hochdüütsch. Das ist wohl aus dem Lesebuch." Vgl. Grimm, K H M Nr. 187 =

Anth. Nr. 10. -

AaTh 1074; B P 3, S. 343ff. -

Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volks-

märchen Nr. 17 und Anm.; vgl. Neumann, Volkserzähler Nr. 205. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B . Freiwald, Jan. 1972. 7. Aufz. am *5. 7. 1969 und

*18. 3. 1971. Frau Peters: „Dat het Mudding uns so oft in de Schum-

merstund' verteilt." Entspricht Grimm, K H M Nr. 5 = Kl.A. Nr. 4 = Anth. Nr. 9. -

AaTh 123;

B P 1, S. 37ff. — Ein weiterer meckl. Beleg: Neumann, Volksmärchen Nr. 28 = Variante zu Wossidlo/ Henßen Nr. 17. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 8. Aufz. am 27. 4. 1970 und ->• *23. 6. 1971. Frau Peters: „Dat het mien Mudding so biewäg'lang verteilt." Entspricht Grimm, K H M Nr. 27 =

Kl. A. Nr. 18 = Anth. Nr. 17. -

AaTh 130; B P 1,

S. 237ff. — Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 26 und A n m . ; vgl. Neumann, Volkserzähler Nr. 216. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 9. Aufz. am 31. 3. und

* 2 3 . 6. 1971. Frau Peters: „Dee het uns' Mudding eins bie 't Spazieren-

gahn verteilt, as wi bie de Bäk vörbiegüngen. Dor hebben wi to Huus gliek nahseihn, ob dat woll wohr wir mit de Bohnen ehr Naht. Un nahst het se 't öfter bie 't Bohnenpalen verteilt." Vgl. Grimm, K H M Nr. 18 = Anth. Nr. 35. - AaTh 2 9 5 ; B P 1, S. 135ff. - Weitere meckl. Belege hs. aus Körkwitz, Steffenshagen, Neustrelitz, Thürkow und Güstrow 1885—1936. 10. Aufz. am ->- * 3 . 8. 1970. Frau Peters: „Dat het Mudding bie 't Kaken verteilt in de Kock." Entspricht Grimm, K H M Nr. 103 = Anth. Nr. 55. - AaTh 5 6 5 ; B P 2, S. 438f. - Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 11. Aufz. am 25. 2. und * 3 . 8. 1970 sowie ->- *18. 3. 1971 (dreimal, davon einmal hochdeutsch). Frau Peters: „Dat wir dat ierst Märchen, dat ick von Mudding hürt heff. Dat het se öfter o k i n ' n Wald verteilt, wenn wi von Warin nah de Gruupenmcehl güngen." Entspricht Grimm, K H M Nr. 26

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= Kl. A. Nr. 17 = Anth. Nr. 74. - AaTh 333; BP 1, S. 234ff.; Ranke 1, S. 270ff. - Ein weiterer meckl. Beleg: Neumann, Volksmärchen Nr. 72. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 12. Aufz. am ->• *24. 6. 1971. Frau Peters: „Das hat meine Mutter sich wohl ausgedacht." 13. Aufz. am 16. 3. 1970 u n d * 1 9 . 3. 1971. Frau Peters: „Dat heff ick ok öfter hürt in de Schummerstund'." Anlehnung an Grimm, KHM Nr. 15 = Kl. A. Nr. 12 = Anth. Nr. 26. — AaTh 327 A ; BP 1, S. 115ff., 498f.; Ranke 1, S. 229ff. - Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 70f. und Anm. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 14. Aufz. am-»- 8. 1. 1970, *23. und*24. 6. 1971. Frau Peters: „Dat het uns' Mudder uns ok abends in de Schummerstund' verteilt in 'n Winter. Un dat hebben wi denn all ¡immer richtig miterläwt." Entspricht Grimm, KHM Nr. 161 = Kl. A. Nr. 44 = Anth. Nr. 85. - AaTh 426; BP 3, S. 259f.; Ranke 2, S. 52ff. 15. Aufz. am 26. 11. 1969 und -* *18. 3. 1971. Frau Peters: „Dat het Mudding ok verteilt. Mit soväl Gold, dor künnten wi Kinner uns jo gor keinen Begriff von maken." Anlehnung an Grimm, KHM Nr. 55 = Kl. A. Nr. 28 = Anth. Nr. 79. - AaTh 500; BP 1, S. 490ff.; Ranke 2, S. 96ff. Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 90 und Anm. 16. Aufz. am 26. 11. 1969 ( = Neumann, Volksmärchen Nr. 81), 31. 12. 1970 und -* *19. 3. 1971» Frau Peters: „Dat het Mudding ok oft abends verteilt. Un de Geschichten würden denn ¡immer noch 'n bäten schöner." Entspricht Grimm, KHM Nr. 50 = Kl. A. Nr. 24 = Anth. Nr. 30. - AaTh 410; BP 1, S. 434ff.; Ranke 2, S. 18f. - Ein weiterer meckl. Beleg hs. aus Tressow 1910. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 17. Aufz. am 27. 4. 1970, *23. und ->• *24. 6. 1971. Frau Peters: „Wenn Mudding dat verteilen ded, wo de Pogg' den Goordenstieg' rupkamen ded un in de Stuw' kamen ded, dat wir doch to eigenartig. Ick mücht jo ok kein Poggen anfaten." Entspricht Grimm, KHM Nr. 1 = Kl. A. Nr. 1 = Anth. Nr. 8. - AaTh 440; BP 1, S. l f f . ; Ranke 2, S. 55ff. - Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 84 und Anm. 18. Aufz. am *13. 8. 1969 ( = Neumann, Volksmärchen Nr. 89), *3. 8. 1970 (siehe unten) und •17. 3. 1971. Frau Peters: „Dat wir ok ein von de iersten Märchen, dee ick von Mudding hürt heff." Entspricht Grimm, KHM Nr. 24 = Kl. A. Nr. 15 = Anth. Nr. 51. - AaTh 480; BP 1, S. 207ff. 3, S. 276f.; Ranke 3, S. 90ff. - Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. Um wenigstens an einem Beispiel zu demonstrieren, wie die Erzählerin ihre Märchen von Mal zu Mal abwandelt, ist zum Vergleich mit der Fassung im Textteil und der in den „Mecklenburgischen Volksmärchen" im folgenden auch die dritte vorhandene Tonbandaufzeichnung von Frau Peters' „Frau Holle" abgedruckt: Dor wir mal eins ' ne Fruu, dee hadd twei Döchter. De ein, dee wir hübsch, un de anner wir sihr, sihr häßlich. Un donn säd' de Fruu to de hübsche Dochter: „Gah dor hen nah 'n Brunnen un sett di hen un spennl Un so un so väl Spulen möößt du fardig hebben un . . . Nu mak man tau, dat du dor henkümmst!" Un donn sett't de TDiernl sick ok hen bie den Soot un fangt an to spennen. Un up eins, donn steckt se sick in 'n Finger mit de Spindel, un donn löppt dat Blaut ut den Finger un löppt cewer de Wull, dee se spunnen het, un dee ward ganz rot von dat Blaut. Un donn will se dee in den Soot afspäulen un bögt sick vor, un de Spaul, dee föllt runner. Un donn löppt se nah ehr Mudder un seggt: „Mi is de Spaul in 'n Soot follen. Wat sali ick maken, ick krieg' se nich wedder ruut?" Donn säd' de Mudder: „Wenn du s' hest anfallen laten, denn bal s' ok man wedder ruutl"

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Un wat sali de ^Diern^ maken? D o n n springt se rin in den S o o t . Un as se unnen is, donn is mit 'n Mal all dat Watet weg, un se steiht up 'ne schöne gräune Wisch mit luuter bunte Blaumen. Un dor kickt se sick so rundüm un geiht 'n E n d ' wieder up de W i s c h . D o n n steiht dor 'n Appelboom, un de Appel, dee sünd riep un hebben all so rode Backen, un de Appelboom, dee s e g g t : „Schürr uns, schürt uns, denn wi sünd all r i e p ! " Un donn geiht se o k hen un schürtt all de Appel von 'n B o o m run un sammelt s' all in de Schört, un up 'n Hümpel packt se dee all tosamen. Un donn geiht se wieder, un donn kümmt s' vörbie an einen Backaben, un dat rükt dor so schön nah B r o t . Un donn röppt dat ut den B a c k a b e n : „ W i sünd gorbackt, hal uns ruut I W i sünd gorbackt, hal uns r u u t ! " Un se geiht jo ok ran nah den Backaben, nimmt 'n groten Schüwer un haalt de B r ö d ' all ein nah 't anner ruut un leggt se all schön orndlich tosamen up ein Flach. Un donn geiht s' wieder. As se noch 'n E n d ' wiedergeiht, dor kümmt se an ein Huus, un baben ut dat Huus ut dat Finster, dor kickt 'ne olle Fruu ruut. Se is ollich so 'n bäten dickplustrig un het dicke Backen un het 'n fründlich Gesicht, un se seggt: „ W o willst du hentau?" „Ach, ick gah hier so up de W i s c h " , seggt se. „ J a " , seggt de fFruu 1 , „wiet kannst du nich mihr kamen, dat ward bald Abend. W e n n du cewer Nacht hierblieben willst un bie mi blieben willst, denn kannst du bie mi blieben. Hest Äten un D r i n ken un kannst hier schlapen un kannst 'ne Tietlang bie mi blieben." „ O h , dat will ' c k o k daun", seggt se. „ J a " , seggt de oll Fruu, „du m ö ö ß t oewer ok flietig sien: D u m ö ö ß t mi de Betten gaut upschürren un m ö ö ß t de Stuben reinmaken un möößt kaken un m ö ö ß t afwaschen!" „ J a " , seggt de Diern, „dat will ' c k all giern daun." — Un donn geiht se ok rin, un donn makt se dat all. Un de Fruu, dat wir Fruu Holle, so het se heiten. Un de r D i e m l makt dat ok all schön. — Un as se denn 'ne Tietlang dor is, donn kriggt se Heimweh un s e g g t : „ A c h , leiw' Fruu Holle, ick mücht woll wedder nah Huus, ick mücht woll wedder nah mien Mudding gahn." „ A c h " , seggt de fFruu 1 , „dat is jo cewer man schad', oewer denn will ' c k di nich uphollen. ( E w e r ick will di noch ierst wat schenken, ihrer du weg willst. K u m m man m i t ! " Un donn nimmt se ehr an de Hand un bringt ehr bet an 't D u r . Un as dat D u r apengeiht un dat lütt Mäten steiht unner den Dürhagen — up einmal, dor rägent dat luuter Gold up ehr, un se is ganz un gor, ehr Kleeder, ehr H o o r , alls is vull Gold. Un donn kann s' nah Huus gahn. Un as se donn to Huus ankümmt, ach, donn wunnerwarkt de Mudder un de D o c h t e r : „ W o kümmst du bloß her? W o büst du bloß wäst? D u büst j o ganz un gor vull G o l d ! " „ J a " , seggt se, „dat het de Fruu Holle mi schenkt. D o r bün ick wäst. As ick in den Soot heff springen müßt, donn bün ick up 'ne Wisch kamen, un donn bün ick an Fruu Holle ehr Huus kamen. Un ierst kümmt noch ' n Appelboom un denn o k noch 'n Backaben . . . " Un donn denkt de M u d d e r : „ D i t is j o wunderbor. D a t m ö t dien anner D o c h t e r o k h e b b e n . " Un dor schickt se de Fuul un Häßliche o k nah ' n Brunnen un seggt: „ N u spenn du man, un denn steckst di o k in 'n Finger, un denn schmittst o k de Spul rin, un denn kriggst ok so väl Gold." D e e sett't sick j o o k hen an 'n Brunnen un fangt an to spennen un steckt sick in 'n Finger un lett dat Blaut cewer de W u l l loopen un Schmitt de Spaul denn in 'n S o o t rin un springt achteran. Se kümmt jo o k up de Wisch un fangt an to gahn un kümmt o k an 'n Appelboom, dee sitt o k wedder ganz drang' vull Appel mit rode Backen, un dee s e g g t : „Schürr mi doch, schürr mi doch, wi sünd all riep, de A p p e l ! " „ H a " , seggt se, „ick sali den Appelboom schürten? D o r künnten mi j o weck up 'n K o p p fallen. Föllt mi gor nich i n . " — Un donn geiht se wieder. Un donn kümmt s' o k an den Backaben, un ut den Backaben röppt dat ok wedder: „ W i sünd all gor, wi Bröd*. Hal uns ruut, hal uns r u u t ! "

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fCEwer1 se seggt: „An den heiten Backaben sali ick rangahn? Dor kann 'ck mi jo de Fingern verbrennen. Nee, ji kcent dor sitten blieben, bet ji schwärt sünd. Ick hal juuch nich ruut." Un nu kümmt s' nah Fruu Holle hen un kickt all ümmer: Dat Huus möt jo nu bald kamen. Un dor kickt ok de oll Fruu dor baben ut 't Finster un seggt: „Na, wat wullst du denn hier?" „Ja, ick wull ok in Deinsten gahn bie di." „Ja", seggt Fruu Holle, „dat kannst du jo daun. Denn möößt du mi cewer ok de Betten gaut upschürren. Dee möößt so dull schürren, dat de Lüüd" unnen up de Ierd denken, dat föllt Schnei. Un denn möößt du reinmaken, Stuben utfägen un kaken un afwaschen. Wenn du dat all gaut orndlich makst, denn kannst bie mi blieben." „Ja", seggt se, „dat will 'ck woll all daun." Nu kümmt s' ok rin, un den ¡ersten Dag, donn schürrt s' ok de Betten un makt alls orndlich. (Ewer den tweiten Dag denkt se: „Wat sali ick mi dorbie väl Mäuh gäben?" Nee, dor treckt s' de Betten bloß 'n bäten glatt, un dat Geschirr, dat späult s' bloß so 'n bäten af. Ollich het s' cewerhaupt nicks makt. Un de Stoff, dee leg' unner de Möbel un unnet de Betten, ^dat1 het s' all gor nich wegfägt. Un donn seggt s' naher: „So, nu bün 'ck lang' naug' hier wäst, nu will 'ck ok wedder nah Huus." „Ja", seggt Fruu Holle, „mien Diern, dat sallst du, wenn du wedder nah Huus willst. (Ewer dien Lohn sallst du ok noch hebben." Un donn denkt de r FuuP: „Nu geiht 't jo los, nu kam ick ok unner dat Dur mit all dat Gold." (Ewer Fruu Holle geiht mit ehr nah 'n anner Dur un makt dat Dur up un stellt ehr unner den Bagen, un dor kümmt dor luuter Pick runner, all luuter schwarten Pick, un de ganze Diern is vull Pick. Nu kümmt se ok wedder nah Huus, un de Hahn, dee sitt up 'n Tuun. — As de Schwester nah Huus kamen is, het he ümmer kreihgt: „Kikeriki, unsere Goldmarie is wedder hie!" — Un as disse nu köm, donn het de Hahn denn kreihgt: „Kikeriki, de Pechmarie is wedder hie!" Un dat wir nu de Lohn dorför, dat se ümmer so fuul wäst wir. Dee is in 'n ganzen Laben nich wedder afgahn, de Pick. Dee het ümmer mit den ganzen Pick loopen müßt. 19. Aufz. am *13. 8. 1969. Frau Peters: „Dat het uns' Mudder oft verteilt. Un denn het se uns in 'n Wald den Born wiest, wo dat Reh ut drunken het un wo dat rümhüppt is mit den golden Strumpenband." Entspricht Grimm, KHM Nr. 11 = Kl. A. Nr. 9 = Anth. Nr. 23. — AaTh 450; BP 1, S. 79ff.; Ranke 2, S. 57ff. 20. Aufz. am *13. 8.1969 ( = Neumann, Volksmärchen Nr. 93), 28.12.1970 und ->• *5.11.1971. Frau Peters: „Dat is all ut mien Kinnertiet, as ick bie Muddern up 'n Schot set. — Dat würd ok in de Schummerstund' verteilt." Entspricht Grimm, KHM Nr. 21 = Kl. A. Nr. 14 = Anth. Nr. 24. - A a T h 510 A; BP 1, S. 165ff.; Ranke 2, S. 121ff. - Weitere meckl. Belege fragm. hs. aus Hinrichshagen und Mailin (?) vor 1906. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 21. Aufz. am 11. 3. und —>• *17. 9.1971 (zweimal). Frau Peters: „Dat is ok so 'ne lang' Geschieht ut de Schummerstund'. Dee köm uns ümmer so 'n bäten narrsch vor." Entspricht Grimm, KHM Nr. 130 = Kl. A. Nr. 46. - AaTh 511; BP 3, S. 60ff.; Ranke 2, S. 127ff. 22. Aufz. am 31. 3. und ->• *23.6.1971. Frau Peters: „Dee köm bie Mudding ok so biewäg'lang. Schön wir jo ümmer, dat de Ierdbeeren dor unner den Schnee ruuterkömen. Dat bleew toierst haften." Entspricht Grimm, KHM Nr. 13 = Kl. A. Nr. 10 = Anth. Nr. 6. - AaTh 403; BP 1, S. 99ff.; 3, S. 85ff.; Ranke 2, S. 8ff. — Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 79 und Anm. 23. Aufz. am ->- 22.1.1970 und *17. 9.1971. Frau Peters: „Dat Märchen von 'n Machandelboom, dat heff ick nich so giern hürt. CEwer dat mit de Schauh un de Kett un den Mcehlenstein, dat wir jo ümmer sihr interessant. — Disse Geschieht het uns' Mudding uns ok verteilt in de Schummerstund'. Mien Mudding hadd ok so 'n Kuffert up den Boen, man dor wir Linnentüüg in. CEwer ümmer, wenn ick wat von den Boen halen süll, denn müßt ick an den Kuffert vörbie un an disse Geschieht denken. — Nu steiht dat grote Ding, vor dat ick ümmer so gruugen wir, bie mi in 'n Keller in de Rullkamer."

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Nacherzählung von Grimm, KHM Nr. 47 = Kl. A. Nr. 23 = Anth. Nr. 39. Frau Peters gab an, das Märchen kurz vor der Aufzeichnung noch einmal gelesen zu haben. — AaTh 720; BP 1, S. 412ff.; Ranke 3, S. 76ff. — Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 125 und Anm. 24. Aufz. am -» 8.12.1969 und *17. 9. 1971. Frau Peters: „Dat is ok 'ne Geschichte ut de Schummerstund', dee Mudding verteilt het." Nacherzählung von Grimm, KHM Nr. 53 = Kl. A. Nr. 27 = Anth. Nr. 43. Auch hier ging der ersten Aufzeichnung offenbar Lektüre zum „Auffrischen" voraus. - AaTh 709; BP 1, S. 450ff.; Ranke 3, S. 66ff. - Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 25. Aufz. am -»• 13. 4. und *23. 6. 1971. Frau Peters: „Dat is ok ein von Mudders ehr. (Ewer donn wir ick all öller. Dor wir mien Brauder denn all nicb mihr bie." Entspricht Grimm, KHM Nr. 9 = Kl. A. Nr. 7 = Anth. Nr. 22. - AaTh 451; BP 1, S. 70ff„ 227ff., 427ff.; Ranke 2, S. 59ff. Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 86 und Anm. 26. Aufz. am 29. 10. 1969 ( = Neumann, Volksmärchen Nr. 99), 26. 1. und *6. 11. 1971. Frau Peters: „Das hat auch meine Mutter erzählt." Entspricht Grimm, KHM Nr. 89 = Kl. A. Nr. 35. — AaTh 533; BP 2, S. 273ff.; Ranke 2, S. 187ff. - Weitere meckl. Belege hs. aus Ribnitz, Schorssow und Bargeshagen um 1890. 27. Aufz. am -»• *3. 8. 1970. Frau Peters: „Dat möt ok ein ut de Schummerstund' sien. Kann cewer ok sien, dat Vadder dat vörläst het in de Schaul." Nacherzählung von Grimm, KHM Nr. 142 = Anth. Nr. 60. - AaTh 676 ; BP 3, S. 137ff. ; Ranke 3, S. 14ff. - Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 123 und Anm. 28. Aufz. am *5. 7.1969 und - • *18. 3. 1971. Frau Peters: „Dat het mien Vadder eins vörläst in de Schaul an Großherzogs Geburtstag. (Ewer dat wir jo so kolt. Un denn würd seggt: .Mudding, verteil dat doch ok eins!' Dee kiinn dat jo väl schöner verteilen. Vadding het dat jo bloß vörläst." Vgl. Grimm, KHM Nr. 19 = Kl. A. Nr. 13 = Anth. Nr. 29. - AaTh 555; BP 1, S. 138ff.; Ranke 2, S. 217ff. — Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 106 und Anm. 29. Aufz. am ->- *3. 8. 1970. Frau Peters: „Das hat die Mutter erzählt. Mit den Goldäsel, dat wir jo tau schön! Dor hebben wi männichmal seggt: ,Dat wir tau schön, wenn wi ok so 'n Goldäsel hadden.' Und der hat ja auch immer meinen Enkeln zu viel Spaß gemacht. Die hatten denn ihr Schaukelpferd, und das war der Goldesel." Entspricht Grimm, KHM Nr. 36 = Anth. Nr. 19. — AaTh 563; BP 1, S. 346ff.; Ranke 2, S. 245ff. - Weitere meckl. Belege hs. aus Levenstorf, Waren, Eidenburg und Tessin 1886—1910. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald, Jan. 1972. 30. Aufz. am -* *13. 8. 1969. Frau Peters: „Dee Geschieht, dee het mien Mudder mi ok verteilt. Dor wir ick gewiß noch ganz lütt." Anlehnung an Grimm, KHM Nr. 45 = Kl. A. Nr. 21 = Anth. Nr. 14. - AaTh 700; BP 1, S. 389ff.; Ranke 3, S. 33ff. - Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Nr. 126 und Anm. Ein Parallelbeleg aus Warin, Erz. Frau B. Freiwald 1971. 31. Aufz. am 12. 12. 1969 ( = Neumann, Volksmärchen Nr. 156), 7. 2. und *17. 3. 1971. Frau Peters: „Dies ist eine von den Geschichten, die ich von meinem Vater in der Schule gehört habe, sechsjährig. Als da mal Kaisers Geburtstag war, las er uns Kleinen eine Geschichte vor, um die Feierstunde auszufüllen. Auf die Geschichte freuten wir Kinder uns natürlich am meisten." Nacherzählung von Grimm, KHM Nr. 114 = Kl. A. Nr. 43 = Anth. Nr. 84. - AaTh 850 I + AaTh 1061 + AaTh 1159; BP 2, S. 528ff.; 1, S. 68f. — Weitere meckl. Belege siehe Neumann, Volksmärchen Anm. zu Nr. 156. 32. Aufz. am ->• *18. 3. 1971. Frau Peters : „Dat het ok Mudding verteilt." Entspricht Grimm, KHM Nr. 83 = Kl. A. Nr. 33 = Anth. Nr. 87. - AaTh 1415; BP 2, S. 199ff. - Ein weiterer meckl. Beleg hs. aus Ribnitz um 1890. Ein Parallelbeleg aus Warin, Etz. Frau B. Freiwald 1971.

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33. Aufz. am 5. 2.1969 sowie *24. 6. und »16. 9. 1971. Frau Peters: „Dat het mien Mudding mi öfter vörsungen. Dee hadd 't von Großmudder." 34. Auiz. am 6. 9. und *16. 9.1971. Frau Peters: „Dat is mien Cousine wäst; dee het dat seggt. Dat würd öfter in de Familie verteilt." 35. Aufz. am 6. 9. und -»• *16. 9. 1971. Frau Peters: „Das hab' ich so vor siebzig Jahren gehört auf der Taufe eines Vetters Kortüm in Hagenow. Meine Cousine, die war so alt wie ich, die aß so unordentlich. Und da wurde das erzählt." 36. Aufz. am 5. 2. 1969, *24. 6. und up 'n Schweriner See verteilt."

*16. 9.1971. Frau Peters: „ D a t hebben sick mal Anglers

37. Aufz. am 5. 2. 1969 und ->• *24. 6. 1971. Frau Peters: „Das hab' ich in Lehrerkreisen gehört, auch so als junges Mädchen, von einer Lehrerin Haberlandt in Warin. Die war aus Wesenberg und erzählte das in Strelitzer Platt. D o r heiten de Marrings Mubnen." 38. Aufz. am 5. 2. 1969 und -» *24. 6. 1971. Frau Peters: „Dat het Vadder mal eins ut de Schaul mitbröcht." 39. Aufz. am -»• *24. 6. 1971. Frau Peters: „Dat heff ick von einen Lihrer Engel ut Mankmoos. Dor wir ick ok so teihn Johr olt." 40. Aufz. am 27. 7. und -+ *16. 9. 1971. Frau Peters: „Dat heff ick ok as lütt Diern hürt." 41. Aufz. am ->• *24. 6. 1971. Frau Peters: „Das ist auch aus Lehrerkreisen." 42. Aufz. am 5. 2.1969 und

*24. 6.1971. Frau Peters: „Dat würd ok bie uns to Huus verteilt."

43. Aufz. am - * 20. 12. 1971. Frau Peters: „Dat het Unkel Frick verteilt." (Vgl. Anm. zu N r . 61) 44. Aufz. am 27. 7. und -»• *16. 9. 1971. Frau Peters: „Das ist mein lieber Bruder gewesen. Das hab' ich ihm neulich grad' noch erzählt: .Weißt du das noch?'" 45. Aufz. am 27. 7. und ->• *16. 9. 1971. Frau Peters: „Dat is mien Unkel wäst, Willem Jesse. D a t het mien Mudding verteilt." 46. Aufz. am 6. 9. (a, b), -> *5.10. (a) und ->• *16. 9. 1971 (b). Frau Peters: „Albert, das war ein Junge bei uns im Hause. Das hab' ich selbst gehört. D a war ich wohl so sieben, acht Jahr." 47. Aufz. am 6. 9. und -»- *16. 9. 1971. Frau Peters: „Ick heff 't von mien Mudder hürt. W o die es her hat, das weiß ich nicht. Wenn die Verwandten zu Besuch kamen und saßen um den Tisch, denn würden jo ümmer Läuschen verteilt." — Weitere Belege aus Mecklenburg: Vagel-Grip-Kal. 1884 Juni und 1902 März. 48. Aufz. am 14. 5.1969 und - • *24. 6. 1971. Frau Peters: „Dat is ok von mien Mudder." 49. Aufz. am 5. 2. 1969 und - * *24. 6. 1971 (zweimal). Frau Peters: „Dat het mien Mudder sungen. Dee hadd 't von ehr Mudder." — Weitere meckl. Belege hs. aus Retschow, Neubrandenburg, Tarnow und Wismar 1891-1898. 50. Aufz. am -»• *5.11. 1971. Frau Peters: „ D a t stammt ok von mien Mudding. (Ewer dee het dat woll in 'n Voß-un-Haas-Kalender last. Wenn ein so Pläne makt het, denn würd bie uns ümmer seggt: .Willst du woll run von 'n Buck!'" 51. Aufz. am 14. 5. 1969 und ->• *24. 6. 1971. Frau Peters: „Dat würd ok verteilt, wenn mien Unkels un Tanten bie mien ö l l e r n to Besäuk wiren. Eigentlich süllten wi Kinner denn abends ok all to Bett sien. (Ewer an so ' n D a g w ü r d dat denn ümmer nich so scharp nahmen." — AaTh 1698 var. — Weitere meckl. Belege: Wossidlo/Henßen N r . 119; Neumann, Schwänke N r . 271; sowie hs. aus

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Neumann, Märchenfrau

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Klockenhagen, Waren (2), Neubrandenburg, Nienhagen, Triepkendorf, Helpt, Wismar (5), Klein Gischow, Röbel, Altheide, Göhren, Leppin, Hohen Wangelin, Lank (2), Malchow, Nienhagen, Laage, Rostock (4), Vorbeck, Plau, Jarmstorf, Schwerin (3), Wismar (3), Güstrow, Börzow, Schwarz, Belsch und Spornitz 1885—1962. 52. Aufz. am 5. 2. 1969 und -* *24. 6. 1971. Frau Peters: „Das stammt von der Mutter, die es bei ihren Eltern miterlebt hat." 53. Aufz. am 5. 2.1969 und *24. 6. 1971. Frau Peters: „Dee stammt woll von mienen Unkel Jesse ut Rehna. Dor wir ick woll ok so teihn oder elben Johr." — AaTh 237 var. — Weitere meckl. Belege: Vagel-Grip-Kal. 1925, S. 36; sowie hs. aus Schwaan 1930. Vgl. auch Neumann, Volkserzähler Nr. 215 (AaTh 237 var.) und Anm. 54. Aufz. am 14. 7. und -> *16. 9.1971. Frau Peters: „Dat het mien Brauder sülwst erläwt in Hagenow-Land." 55. Aufz. am Rehna."

14. 5.1969 und *24. 6. 1971. Frau Peters: „Dat is woll ok von Unkel Jesse ut

56. Aufz. am 14. 5. 1969 und *24. 6. 1971. Frau Peters: „Dit heff ick ok von mien Mudder hürt. Dee künn stundenlang so 'ne Witze verteilen. CEwer ick heff man wenig dorvon behollen." — AaTh 1339 D var. — Weitere meckl. Belege: Wossidlo/Neumann Nr. 156 und Anm.; Voß-un-HaasKal. 1865 September; Neumann, Volkserzähler Nr. 58 und Anm. 57. Aufz. am ->- *5. 11. 1971. Frau Peters: „Dat het mien Mudder öfter verteilt, wenn ein soväl äten het." — AaTh 1561. — Weitere meckl. Belege: Wossidlo/Neumann Nr. 27 und Anm.; Neumann, Volkserzähler Nr. 116 und Anm. 58. Aufz. am 6. 9. und ->• *16. 9. 1971. Frau Peters: „Dat het mien Mudder verteilt, ok in so 'n Familienkrink." 59. Aufz. am *16. 9. und *5.10. 1971. Frau Peters: „Den heff ick von Paster Jäger ut de Lübecker Gegend. Dee wir bie uns to Besuch. Dor wir ick woll so scebenteihn, achteihn Johr." — Weitere meckl. Belege: Wossidlo/Neumann Nr. 267 und Anm.; Neumann, Volkserzähler Nr. 81. 60. Aufz. am ->• 27. 7. und *16. 9. 1971. Frau Peters: „Dee hürt sick ok so preistersch an. (Ewer ick weit nich, wo ick dee hürt heff." — Ein weiterer meckl. Beleg hs. aus Plau 1895. 61. Aufz. am 5. 2. 1969 und -»• *24. 6. 1971. Frau Peters: „Das hab' ich in den zwanziger Jahren gehört von Wilhelm Frick in Schwerin. Der war Kaufmann und spielte mit bei der plattdeutschen Bühne." — Ein weiterer meckl. Beleg: Neumann, Volkserzähler Nr. 88. 62. Aufz. am 14. 5. 1969 sowie *24. 6. und -»• *5.10. 1971 (zweimal). Frau Peters: „Das ist von der Mutter. Das ist ein geflügeltes Wort bei uns: ,Ick heff dat so in de Medaille'." 63. Aufz. am 5. 2.1969 und -»• *24. 6. 1971. Frau Peters: „Dat is von Wilhelm Jess', mienen Unkel. Dee htt in Doberan up de Schaul nich baben kamen künnt. Naher wir he Stationsvorsteher in Rehna." 64. Aufz. am 27. 7. und - » *16. 9. 1971. Frau Peters: „Dat is ok von mienen Unkel Jess'. Dat würd all in 'n Wariner Kösterhuus verteilt." — Weitere meckl. Belege: Voß-un-Haas-Kal. 1886 Oktober und 1919 Dezember. 65. Aufz. am 27. 7. und hürt heff."

*5.10.1971.

Frau Peters: „Dat kann ick nich mihr seggen, wo ick dat

66. Aufz. am -* 5. 2.1969 und *24. 6. 1971. Frau Peters: „Das erzählte Wilhelm Frick in der Hitlerzeit. Das war ja gefährlich damals, so etwas zu erzählen. CEwer Frick het dat allens wenig kümmert." Dieser Schwank ist das deutlichste Zeugnis dafür, wie sich Frau Peters auch in ihrem Erzählgut mit

210

ihrer Zeit auseinandersetzte. Die Erzählerin hat hier ein in den dreißiger Jahren gehörtes Sujet unter dem Eindruck des Krieges so umgeformt, daß sich ihr eigenes Schicksal darin widerspiegelt: „Den Buern geiht dat jo so, as mi dat gahn is: Sien ein Soehn wir follen, un de anner müßt nu ok ruut. D o r het he sick Luft makt. Un nu disse Angst, dat ein wat hürt het un he inspunnt ward! Ick heff donn jo ok oft so wat seggt, wat schlimme Folgen hebben künn. Un damals hadden de Wände jo Uhren. Un nu de Geschichte: D e Herren hadden sick jo all so freut: ,Den willen wi uns nu mal halen.' Un se fallen so rin, un de Buer is redd't. Dat wir jo de Hauptsak. In disse Geschieht, dor heff ick mi richtig so rinfäuhlt. Wenn man so in Angst läwt het as ick donn in de Hitlertiet, denn is so 'ne G e schieht richtig 'ne Genugtuung, wenn 't ok man 'n Witz is. In Wirklichkeit wir jo alls väl schlimmer." Dieser „politische Witz", den sie gerade wegen seiner Aggressivität aufgriff, kennzeichnet die Haltung der Erzählerin zum Faschismus ebenso unmißverständlich wie ihre gelegentlichen Bemerkungen darüber. — Ein weiterer meckl. Beleg (gleiches Motiv, aber als Eheschwank) hs. aus Parchim 1926. Weitere Erzähltexte von Frau Peters sind veröffentlicht bei Neumann, Legenden Nr. 26 (Die drei Wünsche), 27 (Die Menschen und der Stieglitz), 28 (Die Sterntaler), 41 (Das Hufeisen und die Kirschen) und 78 (Der Streit um den Himmelszaun). Diese Sujets wurden nicht in den Textteil der Erzählermonographie aufgenommen, da sie nicht eigentlich zum Repertoire der Erzählerin gehörten.

14*

211

Typenverzeichnis nach Aarne-Thompson (AaTh)

Die folgenden Erzähltypen sind in diesem Band durch Texte dokumentiert: Typ Nr. 85 123 130 237 250 295 327 333 403 410 426 440 450 451 480 500 510 511

var. A A

A

Text Nr. 4 7 8 53 3 9 13 11 22 16 14 17 19 25 18 15 20 21

Typ Nr.

Text Nr.

533 555 563 565 676 700 709 720 850 1061 1074 1159 1339 1415 1561 1698 2021

26 28 29 10 27 30 24 23 31 31 6 31 56 32 57 51 5

I

D var.

Thompson Mot. A 1814. bis Mot. A 2378.9. siehe Text Nr. 1 und 2.

Weitere Erzähltypen, die Frau Peters kannte: AaTh 750 A II a: Neumann, Legenden Nr. 26 AaTh 774 C: ebenda Nr. 41 AaTh 805 var.: ebenda Nr. 78

212

var. A

Worterklärungen

Aant : Ente Aben : Ofen achter : hinten, hinter achteran : hinterher Adebor : Storch AI : Elle Asel : Esel äten : essen ji ät't : ihr eßt Äuwer : Ufer afbieten : abbeißen afbläben : weggeblieben afblieben : wegbleiben afkamen : abkommen, verschont bleiben afräten : abgerissen afrieten : abreißen Afruum : Abraum, Holzeinschlag afschlaten : abgeschlossen afschluten : abschließen afschmäten : abgeschmissen, abgeworfen afschmieten : abschmeißen, abwerfen afschnäden : abgeschnitten aftäuben : abwarten ahn : ohne all : schon, alles, alle anbauten : anheizen anbött't : angeheizt angeschwemmt : angeschwommen ankäken : angeguckt, angeschaut ankamen : ankommen, erreichen ankamen laten : (hier) merken lassen ankieken : angucken, anschauen annerwägens, annerwägt : anderswo anratschen : anreißen, anzünden anschläpen : anschleppen anstäken : anstecken, angesteckt ansträken : angestrichen

anstrieken : anstreichen antern : antworten antofleigen kamen : angeflogen kommen antoführen kamen : angefahren kommen antogahn kamen : angegangen kommen antojachern kamen : außer Atem angelaufen kommen antoloopen kamen : angelaufen kommen antrecken : anziehen antrocken : angezogen anwassen : anwachsen anwussen : angewachsen apen : auf, offen Arwten : Erbsen Auken : Dachwinkel Austköst : Erntefest baben : oben, über bäden : bitten, beten, gebeten Bäk : Bach Bäker : Becher bäten : bißchen, gebissen bäter : besser Bäuk : Buche bäuten : heizen bäwern : zittern bannig : sehr, schrecklich basch : barsch, scharf Bauk : Buch he bed' : er bat bedüüden : bedeuten se beet : sie biß he begütt : er begießt behacken blieben : hängen bleiben behollen : behalten behüpfen < behüüpen : behäufeln Beisen : Binsen

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beläwt : erlebt Besäuk : Besuch beschlaten : beschlossen beschluten : beschließen bet : bis, etwas bet tau : etwas weitet bidden : bitten bielütten : allmählich bieten : beißen

Büüdel : Beutel bumsstill : ganz still Butt : plumper Schollenfisch buugen : bauen Buuk : Bauch Buurken : Käfig Buurt : Borte, Rand buuten : draußen

biewäg'lang : nach und nach, bei Gelegenheit binnen : drinnen, binden Bitt : Gebiß he bitt : er beißt blaag' : blau bläben : geblieben bläudig : blutig bläuhden : blühen Blautsdruppen : Blutstropfen he bleew : er blieb blieben : bleiben ji bliewt : ihr bleibt he blifft : er bleibt de Bcebelste : der Oberste bœdeln : langsam gehen, zuckeln bögen : biegen Böhr : Bahre, Trage bohren : heben Boen : Hausboden Boom : Baum Boort : Bart Bor : Bär Bors : Barsch Bost : Brust braat : barsch, unwillig bräken : brechen braken : gebrochen he breckt : er bricht Bredouille : Bedrängnis Breibendräger : Briefträger he bröcht : er brachte Bröd' : Brote he brök : er brach Brüch : Brücke bruugen : brauen bruuken : brauchen, gebrauchen Bruut, PI. Bruutens : Braut Buddel : Flasche Bülg' : Welle, Woge Bülten : kleiner Erdhaufen se bünnen : sie banden

Dal : Diele dal : hinunter, herunter, nieder dalstött't : hinuntergestoßen daltrünneln : hinunterrollen dan : getan Dannenschap : Tannenzapfen Dauk : Tuch daun : tun de : der, die (Artikel) he ded, ded' : er tat, täte dee : der, die (Relativ- und Demonstrativpronomen) Deinsten : Dienste, Dienstbote deip : tief du deist : du tust he deit : er tut dickplustrig : gedunsen Diek : Teich Diern : Mädchen Diert : Tier Discher : Tischler diss' : dieser, diese, dieses Dööp : Taufe Dör : Tür dörben : dürfen

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dörchwussen : durchwachsen, glatzköpfig Dorp : Dorf dörteihn : dreizehn Döst, döstig : Durst, durstig donn : da, dann dor : da, dort dorachter : dahinter, später dormit : damit dorcewer : darüber dorto : dazu dorup : darauf dotbieten : totbeißen dotbläben : gestorben dotblieben : sterben dotperren : tottreten dotstäken : totstechen, totgestochen

drägen : tragen Draff : Trab dragen : tragen, getragen drang' : sehr drapen : treffen, getroffen drauhgen : drohen Draussel : Drossel he drawte : er trabte he dreew : er trieb drieben : treiben drög' : trocken he drög' : er trug he dröggt : er trägt Droehnsnack : humorvolle Bemerkungen, Unsinn dröömen : träumen he dröppt : er trifft he drünk : er trank drütteihn : dreizehn Druppen : Tropfen düer, fl. düürer, düüre : teuer duern : dauern Düs' : Betäubung, Schwindel Düs'kram : Unsinn düükern : ducken, tauchen Düüwel : Teufel dull : toll up un dupp : unten und oben Dur : Tor Duurn : Dorn Duuw', PI. Duuben : Taube Dwargen : Zwerge dwatsch : närrisch, töricht einerwägens, einerwärts : irgendwo eins : einmal elben : elf Emmer : Eimer he et, ett : er aß, ißt „Fang up 'n Schät" : (hier etwa) jemand, der eine Redensart gleich behält und selbst gebraucht fardig : fertig Farken : Ferkel Farw : Farbe fast, fasten : fest faten : fassen he fat't : er faßt Faut, PI. Fäut : Fuß Fautbodden : Fußboden

Feewer : Fieber fiert : gefeiert fif : fünf Finsterruuten : Fensterrauten, -Scheiben Flach, PI. Fläg' : Fläche, Stelle Fladus' : Haube fläuten : flöten, pfeifen flagen : geflogen fleigen : fliegen fleiten : fließen flietig : fleißig Flinkfläuter : Leichtfuß Flüchten, Flünken : Flügel he flüggt : er fliegt he flütt : er fließt föffteihn : fünfzehn föfftens : fünftens he föll : er fiel he föt, fött : er faßte, faßt follen : gefallen Foß : Fuchs fräten : fressen, gefressen fram : fromm Freis'boort : von Ohr zu Ohr über das Kinn reichender Bartkamm he fret, frett : er fraß, frißt freuden : freuen friegen : freien, heiraten Friegeratschon : Heirat he frög', fröggt : er fragte, fragt Fruu, PI. Fruugens : Frau fuchtig : wütend Fuck : Stoß Füerstäd' : Feuerstelle führen : fahren se fünnen : sie fanden füürig : feurig, glühend Fuhr : Furche fungen : gefangen futern : fluchen, schimpfen fuul : faul fuurts : sofort gäben : geben gäl : gelb up gäl : in (falschem) Hochdeutsch ick gäw : ich gebe gahn : gehen, gegangen in 'n Gang'n : in einer Tour, ohne Unterbrechung

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Gasten : (hier) Gäste Gat : Abflußloch in der Küche gaten : gegossen gatlich : recht groß Gaus, PI. Gäus' : Gans gaut, fl. gaud' : gut se geben : sie gaben geiten : gießen se genöten : sie genossen Gepröddel : Brutzeln, Braten he gew : er gab Gewäs' : Tun und Treiben gewennt : gewöhnt he gifft : er gibt gläuhnig : glühend gliek : gleich glööben : glauben he glööwt i er glaubt gloesen, glummern : glimmen gnittschäwsch : neidisch, abgünstig Gör : Kind he göt : er goß Goorden : Garten grabbeln : greifen, fassen Grabenbuurt : Grabenrand grad'ut : geradeaus grasen : grauen gräsig : gräßlich gräpen : gegriffen gräun : grün grandessig : schlecht gelaunt Grapp, PI. Grappen : närrischer Einfall grapsen : grapschen, greifen to Graus un Maus : völlig entzwei graw : grob du grawst : du gräbst grawweln : graben, buddeln he grep : er griff grienen : lächeln, schmunzeln griepen : greifen gries : grau he grippt : er greift Größing : Großmutter grotoordig : großartig gruugeln, gruugen : grauen Gruupenmoehl : Graupenmühle du güttst : du gießt haalt : geholt he haalt : er holt

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he hadd, hadd' : er hatte, hätte Häben : Himmel Häg' : Hecke Häkt : Hecht häuden : hüten Häuhning, Häuhnken : Hühnchen halen : holen half, fl. halw' : halb Handul : Handfeger Hartblaut : Herzblut Hartspann : rheumatische Schwellung unte r den kurzen Rippen oder zwischen den Schultern Hartweihdag' : Herzeleid Harwst : Herbst Hasselraud' : Haselrute hatt : gehabt Haud' : Herde, Schar Hauhn, PI. Häuhner : Huhn Haut : Hut he : er hebben : haben ick heff : ich habe ji hefft : ihr habt heil un deil : vollkommen, ganz und gar heit : heiß heiten : heißen, geheißen Helphollen : geräuschvolle Geschäftigkeit he helpt : er hilft Hemdsmaugen : Hemdsärmel hentau : hin Heuhüpper : Heuschrecke, Feldgrille Hierd : Herd hild : eilig hoch, fl. hohg' : hoch hoeglich : froh Hoehning : Hähnchen he höll, holt : er hielt, hält Hööcht : Höhe hollen : halten Hüker : Hocker Hülp : Hilfe se hülpen : sie halfen Hümpel : Haufen he hürt : er hört hürt : gehört Hüüsung : Bleibe, Nachtquartier hüüt : heute Huk : Kniebeuge hulpen : geholfen

husch-nusch : pfuscherhaft Huurn, PI. Hüürn : Horn nah Huus bringen : nach Hause bringen, heimzahlen, sich rächen Huut : Haut iedel : eitel, sehr Ierd : Erde Ies : Eis lewer : Eifer iewrig : eifrig ihr : ehe ihrer : ehe, eher inbräken : einbrechen inbraken : eingebrochen indess : indessen, während ingedöm : Eingeweide Ingeeten : eingießen ingrawt : eingegraben inkööpen : einkaufen intwei : entzwei jachern : sich außer Atem laufen Jeisar : (Dorf) Kirch Jesar ji : ihr Jieper : Gier, Verlangen se jögen : sie jagten justement : in dem Augenblick juuch : euch juug' : euer, eure he kaapt : er starrt, gafft Käd', PL Käden : Kette käken : geguckt, geschaut Kätel : Kessel Kahl : Kohle kaken : kochen kakt : gekocht kamen : kommen, gekommen ji kamt : ihr kommt kapen : starren, gaffen Katteiker : Eichhörnchen Kauh, PI. Käuh : Kuh Kauken : Kuchen he keek : er guckte, schaute kein ein : keiner, niemand ketteln : kitzeln he kickt : er guckt, schaut kieken : gucken, schauen

to Kihr gahn : in sich gehen, anderen werden Kinnelbier : Kindtaufe Kitzel : (missingsch) Kittel Klacken : Klecks kladdern : klettern klauk : klug Klenner : Kalender Klock : Uhr Klcehn : Schwatz he knäd't : er knetet Knaken : Knochen knasch : eng, kurz, fest Knop, PI. Knöp : Knopf Knoop : Knauf Knütt : Strickzeug köfft : gekauft he köfft : er kauft Kock : Küche he köm : er kam koenen : können kööpen : kaufen körter : kürzer kolt, fl. koll : kalt Koopmann : Kaufmann koppern : kupfern koppheister : kopfüber krägen : gekriegt, bekommen krapen : gekrochen Kraug' : Krug Kraum : Krume he kreeg' : er kriegte, bekam Kreih, PI. Kreihden, Kreihen : Krähe Kried' : Kreide he kröp : er kroch Kroet : Kröte (als Scheltwort) he krüppt : er kriecht Kruk, PI. Kruken : Flasche kruupen : kriechen Kruut, PI. Krüüters : Kraut he künn : er konnte, könnte Küül : Keule, Lende Kuffert : Koffer, Truhe Kuhnhahn : Truthahn Kuurn : Korn

Sinnes

laben : leben he läd' : er legte Läpel : Löffel Läuschen : Schwank, Schnurre

217

Läwdag : Lebtag Läwer : Lebet läwig : lebend, lebendig he läwt : er lebt läwt : gelebt Läus, PI. Läus' : Gleis Landrieder : Landreiter, reitender Gendarm lat : spät laten : lassen, gelassen Ledder : Leder, Leiter leddig : ledig, leer se leden : sie litten leed : leid leeg' : schlecht, schlimm he leet : er ließ he leg' : er lag leggen : legen leigen : lügen leiw : lieb lerren : leiten, führen du lettst : du läßt licht : leicht lickmünnen : sich den Mund nach etwas lecken lieden : leiden liekers, liekerst : trotzdem lieksterwelt : geradeso, ebenso liesing : leise Liew : Leib, Körper liggen : liegen lihren : lernen, lehren he löp, löppt : er lief, läuft loopen : laufen, gelaufen Loow : Laub Lücht : Leuchte, Laterne lüchten : leuchten lütt : klein Lüüd' : Leute luuter : lauter Maand : Mond, Monat Machandelboom : Wacholderbaum Mähl : Mehl männich, PI. männig' : manch Mäten : Mädchen mäud' : müde Mäuh : Mühe maken : machen mall : töricht, dumm, verrückt Mallür : Malheur man : man, nur

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mang : dazwischen, zwischen Maracb : Krach Marring : Regenwurm Maut : Mut Melk : Milch Messkuhl : Mistgrube Metz, Metzer : Messer Michaelis : 29. September mitdewiel : mittlerweile Modder : Schlamm he möckt : er macht Moehl : Mühle möhlen : kramen he mök : er machte du möößt : du mußt in de Möt : in die Quere möten : müssen ji möt't : ihr müßt Molest : Beschwernis, Unglück Mudd : Morast, Schmutz Muul : Maul Muus, PI. Müüs' : Maus Muusch : Moos nagen : neun nähmen : nehmen nah : nach nahmen : genommen nahst : nachher Nahwer : Nachbar nakigt : nackt nardens : nirgends naug' : genug nedder : nieder neihden, neihen : nähen nie, nieg' : neu nieglich : neugierig Ncetkarn : Nußkern Nors : Hintern nüülich : neulich ögen : äugen Öging : Äuglein Öllern : Eltern cewer : aber, über, übrig cewerschlaken : verschluckt cewrig : übrig Og', PI. Ogen : Auge ok : auch ollich : ordentlich

Olling : Alter (Anrede) de Ollsch : die Alte Ollsgebräken : Altersgebrechen olt, fl. oll : alt oordig : artig Oort : Art Order : Auftrag, Befehl Paducks, Palducks : graue Erdkröte, Frosch Pät : Pate Pamel : kleines Weizenbrot Pardel : Perlen Pauhl : Pfuhl pedden, perren : treten Pick : Pech Pieler : Pfeiler Pierd, PI. Pierd' : Pferd Pissenee = verwechselt mit Pincenez : Klemmer, Kneifer Placken : Fleck planten : pflanzen plant't : gepflanzt Plaug' : Pflug plieren, plinken : blinzeln pluustern : das Gefieder sträuben Pogg' : Frosch Pot : Pfote Pott : Topf prat : bereit, fertig prauwen : proben, probieren he prauwt : er probt, probiert Privet : Abort pröddeln : brutzeln, brodeln Püüstersch : Frau, die Krankheiten bespricht Pungen : Sack (mit Mehl) Pusselarbeit : leichte, langsame Arbeit Quaducks : graue Erdkröte quiemig : kränklich nich Rack un Schmack : kein rechter schmack racken : kratzen, scharren räden : reden räd't : geredet räken : rechnen räkent : gerechnet Rämel : Rain, Grenzstreifen räten : gerissen Räwkau : Rippen-, Magenschmerzen

Ge-

rad't : geraten raf : hinab, herab rakt : gekratzt, gescharrt Raud' : Rute raupen : rufen, gerufen he red' : er ritt redd't : gerettet se reeben : sie rieben reinweg : ganz und gar he ret : er riß rieben : reiben rieden : reiten riek : reich Riekdat, Riekdom : Reichtum Riemel : Reim riep : reif rieten : reißen rin : hinein, herein rinfohrt : hineingefahren rinfollen : hineingefallen rinnerpedd't : hineingetreten rinschaben : hineingeschoben he ritt : er reißt; er reitet Roed' : Räder rögen : regen, rühren he rök : er roch Rööwer : Räuber he röp, röppt : er rief, ruft rcewer : hinüber, herüber Rohlänner : Rohling röhren : weinen, jammern Rook : Rauch rooken : rauchen ropen : rufen, gerufen Rottog' : Rotauge (Fisch) Rührlock : Ofenröhre rüken : riechen rümflagen : herumgeflogen rümspaddeln : herumstrampeln, -zappeln rümspingelieren : nachgrübeln rümspraken : herumgesprochen rüümen : räumen run : hinunter, herunter runfollen : heruntergefallen rup : hinauf, herauf rupkamen : heraufkommen, -gekommen ruuhg' : rauh ruut : hinaus, heraus ruutdrüppeln : heraustropfen ruuterfitzt : herausgeschnitten

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ruutfohrt : herausgefahren ruutgekrapen : herausgekrochen ruuthaalt : herausgeholt ruutritschen : entwischen ruuttokruupen kamen : herausgekrochen kommen sacht : langsam Saden : Gesottenes he säd' : er sagte säker : sicher säten : gesessen säuken : suchen säut : süß Schäpelfatt : Scheffelmaß schäten : geschissen schandieren : schimpfen, beschimpfen Schapp : Schrank Schausterhüker : Schusterhocker scheesen : schnell laufen scheif, fl. schweiw' : schief scheiten : schießen Schell : Schelte schellen : schälen, schelten Scheper : Schäfer Schieten : scheißen Schirenschlieper : Scherenschleifer Schläden : Schlitten schläpen : schleppen ick schläuf : ich schleife, tauche schiahn : schlagen schlapen : schlafen, geschlafen schlappen : lecken (von Suppe) he schleiht : er schlägt Schleithoor : strähniges Haar he schlek : er schlich schlieken : schleichen schliepen : schleifen Schlcck : Schlund, Hals schlceken : schlucken he schlöp : er schlief schlöpen : schleppen, schleifen he schlöppt : er schläft he schlöt : er schloß Schlcetellock : Schlüsselloch Schluck : (Glas) Branntwein schluten : schließen schmäten : geschmissen, geworfen he schmet : er schmiß, warf schmieten : schmeißen, werfen

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he Schmitt : er schmeißt, wirft he schned' : er schnitt schnieden : schneiden he schnitt : er schneidet schnorken : schnarchen schnurren : betteln schnurrig : seltsam, komisch Schnuut : Schnauze Schcelken : Untertasse Schört : Schürze he schöt : er schoß Schottel : Schüssel he schöw : er schob Schosstein : Schornstein Schott : Riegel schräben : geschrieben schrieben : schreiben schrieden : schreien he schriegt : er schreit he schrifft : er schreibt Schruuwstock : Schraubstock Schüben : schieben schüern : scheuern he schüfft : er schiebt Schülp : Schilf schürten : schütten; schütteln he schütt : er schießt Schüün : Scheune Schüwer : Schieber (für Brot) schuug' : scheu Schwäwelsticken : Streichholz Sehweiten : schwitzen seggen : sagen he sehg' : er sah seihn : sehen he set : er saß sie! (Imperativ) : seil sied' : niedrig, tief Sied' : Seide Sieden : Saiten Siet, PI. Sieden : Seite slappen : fressen, saufen Slarp, PI. Slarpen : Holzpantoffel Slipp : Rockzipfel smäustern : schmusen, liebeln snacken : reden snaksch : merkwürdig, seltsam Snappen : Tropfen an der Nase sodrad : sobald soeben : sieben

sörre : seit sößteihn : sechzehn Sößling : Sechser Soll : Teich, Tümpel soltig : salzig Soot : Brunnen spaddeln : zappeln spälen : spielen spält : gespielt Späuk : Spuk späulen : spülen Spaul : Spule Speckklöpel : Speckstückchen spingelieren : Pläne machen spletten : spalten Spraken : sprechen Spraken : gesprochen he sprök : er sprach Sprök : Spruch spunnen : gesponnen he spunnt in : er sperrt ein staatsch : stattlich stählen : stehlen stäken : gesteckt; stechen, gestochen Stäwel : Stiefel stahlen : gestohlen stahn : stehen, gestanden starben : sterben he starwt : er stirbt he steckt : er steckt; er sticht he stek : er steckte; er stach Sticken : kleiner Stock stöten : stoßen se stött : sie stößt stött't : gestoßen Stoff : Staub strack : geradewegs Strämel : Stück, Fläche, Streifen straken : streicheln se streden sick : sie stritten sich strieden : streiten strieken : streichen Striepen : Streifen striepig : streifig, gestreift ströpen : streifen, umherstreifen Struutz : Strauß se stünnen : sie standen stuuken : stauchen Stuw' : Stube sülben : selbst

he süll : er sollte, solle sülwern : silbern sülwst : selbst ji sünd : ihr seid Sünn : Sonne sünst, süss : sonst in Suer : als Sauerfleisch suupen : saufen Swienägel : Igel swögen : gefühlvoll seufzen Swoerk : Wolke Tacken : Knorren, Splitter Tähn : Zahn täuben : warten täuw! : warte! he täuwt : er wartet tamm : zahm tarren : necken, zerren tau : zu taugahn : zugehen, zugegangen taugräpen : zugegriffen taugriepen : zugreifen tauhüren : zuhören taukieken : zusehen, zuschauen taumaken : zumachen, schließen tauschneert : zugeschnürt tauschotten : verriegeln taustöten : zustoßen tautruuglich : zutraulich Tehg', PI. Tehgen : Zeh teihn : zehn Teigen : Ast, Zweig Teil : Zählung teilen : zählen terräten : zerrissen terrieten : zerreißen ticktacken : mit dem Finger stippen tiedig : zeitig, früh Tiet, PI. Tieden : Zeit to : zu olle Toet : alte Stute, Kuh (abwertend) tofräden : zufrieden togauden : zugute Togg : Zug tohöchten : hoch, auf tohoop, tohoopen : zuhauf, zusammen Tohuus : Zuhause toierst : zuerst toleeden : zuleide

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totricken : zuckeln tosamen : zusammen toväl : zuviel Tralligen : Gitter trecht : Zurecht, fertig trechtbögen : zurecht-, geradebiegen trechtmaken : heilmachen, schaffen trecken : ziehen trocken : gezogen se trocken : sie zogen trüch : zurück trüchbläben : zurückgeblieben trünneln : rollen Truu : Trauung truug' : treu truugen : vertrauen; verheiraten Tubben : Gefäß tüer : wählerisch Tüffel : Kartoffel; Pantoffel Tüüg : Zeug, Kleidung Tüügnis : Zeugnis tüünen : (hier) Unsinn reden Tung' : Zunge Tunn : Tonne tutig : traulich Tuun : Zaun tweiräten : entzweigerissen Twieg' : Zweig Twiern : Zwirn twölf, twölben : zwölf Üder : Euter ümstöten : umstoßen ümstött't : umgestoßen Uhr, PI. Uhren : Ohr unnod' : unwohl up : auf upböhren : aufheben updäut : aufgetaut upfidunnt : aufgeputzt uphollen : aufhalten; aufhören upkriegen : aufkriegen; raten upkrägen : aufgekriegt; geraten Upnähmer : kleine Müllschaufel upräten : aufgerissen upschlaten : aufgeschlossen upschmäten : daraufgeschmissen uptutschen : auflutschen Up-un-Dalsprung : (hier) ein und alles upwaken : aufwachen; aufwecken

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Upwohrfruu : Aufwartefrau; Kinderfrau, Hausgehilfin ut : aus, heraus; zu Ende utenanner : auseinander utführen : ausfahren uthollen : aushalten, ertragen utlerren : herausführen (von Vieh) utlihrt : ausgelernt utraupen, utropen : ausrufen, verkünden utrieten : herausreißen; flüchten utsäuken : aussuchen, -wählen utseit : ausgesät utspraken : ausgesprochen utschullen : ausgescholten Uurt : Ort väl : viel verbaast : sehr erstaunt verbaden : verboten verdrinken : ertrinken he verdrünk : er ertrank sick verfihren : sich erschrecken vergäten : vergessen he verhaalt sick : er erholt sich sick verhalen : sich erholen sick verjagen : einen Schreck bekommen he verjög' sick : er bekam einen Schreck verklamen : durchfrieren, steif frieren verkniepen : verkneifen verkruupen : verkriechen verküllen : erkälten verladen Tieden : frühere Zeiten Verlööw : Erlaubnis, Verlaub vermeiden : vermieten verpurren : vereiteln, durchkreuzen versapen : ertrunken versäuken : versuchen, probieren versööpen : ersäufen, ertränken verspräken : versprechen, zusagen verspraken : versprochen, zugesagt he versprök : er versprach verstäken : versteckt he verstek sick : er versteckte sich versuupen : versaufen, ertrinken verteilen : erzählen vertüdern : verwickeln, durcheinander kommen verwandtschaffen < wahnschapen : ungestalt Vigelin : Violine Vizbuer : Hoferbe

vörbäden : vorbeten, aufsagen vörbäd't : vorgebetet, aufgesagt Vörkopp : Stirn Vörpahl schlagen : vorbeugen vörut : voraus vonein : entzwei, auseinander wäben : weben Wäder : Wetter wählig : wohl, angenehm wän : wer, jemand wäsen : sein wäst : gewesen; seid! he wäwt : er webt waken : wachen Wallncet : Wallnuß warden : werden du wardst : du wirst warken : wirken wassen : wachsen he waßt : er wächst Water : Wasser weck, wecker : welcher, welche wedder : wieder Wedderwüürd' : Widerworte wegflutschen : sich schnell fortbewegen wegrüümt : weggeräumt Weihdag* : Schmerzen weik : weich weiten : wissen ji weit't : ihr wißt Wied' : Weide

wieder : weiter wiedergahn : weitergehen wieldess : währenddessen du wierst : du warst, wärst ji wiert : ihr wart, wärt Wieschen : Luise wiet, fl. wied' : weit Wiew : Weib willen : wollen wi wiren : wir waren Wisch : Wiese wiss : fest wiß : gewiß witt : weiß Wittfruu : Witwe wo : wo, wie woans : wie he wök up : er wachte auf wöltern : drehen, kugeln, rangen Wörtel : Wurzel, Mohrrübe wohrschuugen : eindringlich warnen wohrt juuch : untersteht euch woso : wieso woto : wozu Wrasen : Wasserdampf Wratt : Warze se wüß : sie wuchs he wull : er wollte wunnerwarken : sich wundern, erstaunt sein, sein Erstaunen ausdrücken wussen : gewachsen Wuurt, PI. Wüürd' : Wort

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