Ein Netz Von Schulden: Schuldbeziehungen Und Gerichtsnutzung Im Spatmittelalterlichen Basel (Vierteljahrschrift Fur Sozial Und Wirtschaftsgeschichte - Beihefte, 256) 3515132759, 9783515132756

Der Alltag in einer spatmittelalterlichen Stadt wie Basel war von Schulden gepragt: Kleinkredite und Borgkaufe hielten d

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German Pages 445 [450] Year 2022

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Table of contents :
Danksagung
Inhalt
1. Einleitung
2. Schulden eingehen
2.1 Zur Begrifflichkeit
2.2 Schuldformen und Schuldgründe
2.2.1 Bardarlehen
2.2.2 Verkaufssituationen
2.2.3 Gegenseitige Verrechnung
2.2.4 Soziale Settings des Schuldenmachens
2.2.5 Schuldgründe in den Stichproben
2.3 Sicherheiten
2.3.1 Sicherheiten bei Zahlungsversprechen
2.3.2 Pfänder
2.3.3 Bürgschaften
2.4 Fazit: sozial eingebundene Schulden
3. Schulden einfordern
3.1 Geldflüsse und Zirkulation von Objekten
3.1.1 Bargeld
3.1.2 Bezahlung mit Gütern und Arbeitsleistungen
3.1.3 Zirkulation von Schulden
3.2 Säumige SchuldnerInnen konfrontieren
3.2.1 Zeitpunkt des Einforderns
3.2.2 Schulden eintreiben
3.2.3 Die Konkurrenz der Gerichte
3.3 Schulden belegen
3.3.1 Schriftliche Schuldbelege
3.3.2 Nichtschriftliche Arten, Schulden zu belegen
3.4 Fazit: Wertflüsse verhandeln
4. Gerichte nutzen
4.1 Kreise von GerichtsnutzerInnen
4.1.1 Nutzung des Schultheißengerichts durch BaslerInnen
4.1.2 Nutzung des Schultheißengerichts durch Auswärtige
4.1.3 Zur Rolle der Frauen vor Gericht
4.1.4 Vertretungen
4.2 Das gerichtliche Angebot an Prozessformen
4.2.1 Vergicht
4.2.2 Klage wegen Schuld
4.2.3 Verbot
4.2.4 Frönung
4.2.5 Unzüchterbuch
4.3 Nutzung der Prozessformen
4.3.1 Herkunft und Distanz
4.3.2 Geschlecht
4.3.3 Vermögen
4.3.4 Logistische Regression zu Herkunft, Geschlecht und Vermögen
4.3.5 Schuldsummen
4.3.6 Schulden von verstorbenen Personen
4.3.7 Charakterisierung der Schuldanerkennungen
4.4 Fazit: differenzierte Gerichtsnutzung
5. Fälle verhandeln
5.1 Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten
5.2 Entscheide des Gerichts
5.2.1 Vertagungen
5.2.2 Vermittlung
5.2.3 Urteile
5.2.4 Kosten
5.2.5 Freiwillige Gerichtsbarkeit
5.3 Sanktionen und Druckmittel
5.3.1 Leisten
5.3.2 Verbannung und Flucht
5.3.3 Schuldhaft
5.4 Fazit: Schulden vor Gericht
5.4.1 Szenarien der Gerichtsnutzung
5.4.2 Die Frage des Vertrauens
5.4.3 Das Gericht als Institution
6. Schulden leben
6.1 Schuldennetzwerke
6.1.1 Netzwerkvergleich
6.1.2 Schuldenketten
6.1.3 Zeitliche Dimension
6.1.4 Komplexe Schuldmuster
6.2 Wer schuldete wem?
6.2.1 Attribute
6.2.2 Schuldsummen
6.3 Spezielle Gruppen von GerichtsnutzerInnen
6.3.1 Wichtige GläubigerInnen
6.3.2 Gerichtspersonal
6.3.3 Aristokratie
6.3.4 Verwandte
6.4 Fazit: Schuldennetzwerke
7. Fazit: Schuldbeziehungen
7.1 Schulden als Beziehung
7.2 Schulden und Abhängigkeit
8. Anhang
8.1 Quellenverzeichnis der Stichproben
8.2 Beschreibung der Codierung und der vorgenommenen Kategorisierungen
8.2.1 Erfasste Beziehungen
8.2.2 Umgang mit Schuldsummen
8.2.3 Bildung der Vermögenskategorien anhand der Steuerlisten
8.2.4 Weitere Kategorien
8.2.5 Probleme bei der Identifikation von Personen
8.3 Beschreibung der Auswertungsmethoden
8.3.1 Umgang mit fehlenden Daten
8.3.2 Statistische Methoden
8.3.3 Verwendete Software
8.3.4 Verwendetes Material für QGIS
8.4 Tabellen und Darstellungen
8.4.1 Attribute
8.4.2 Zeitlicher Verlauf
8.4.3 Prozessformen
8.4.4 Blockmodell und Typenbildung
8.4.5 Schriftstücke zur Schuld
9. Quellen
10. Bibliografie
10.1 Wörterbücher
10.2 Literatur
11. Tafelteil
Register
Personenregister
Orts- und Institutionenregister
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Ein Netz Von Schulden: Schuldbeziehungen Und Gerichtsnutzung Im Spatmittelalterlichen Basel (Vierteljahrschrift Fur Sozial Und Wirtschaftsgeschichte - Beihefte, 256)
 3515132759, 9783515132756

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Benjamin Hitz

Ein Netz von Schulden Schuldbeziehungen und Gerichtsnutzung im spätmittelalterlichen Basel

VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte | Beiheft 256 Franz Steiner Verlag

Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Herausgegeben von Mark Spoerer, Jörg Baten, Markus A. Denzel, Thomas Ertl, Gerhard Fouquet und Günther Schulz Beiheft 256

Ein Netz von Schulden Schuldbeziehungen und Gerichtsnutzung im spätmittelalterlichen Basel Benjamin Hitz

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mir freundlicher Unterstützung der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft Basel und der Fritz-Mangold-Stiftung, Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel

Umschlagabbildung: Die Löblich und wyt berümpt Stat Basel mit umbligender Landschafft nach warer Geographischer art beschribn durch Sebastianu Munster an. M.D.XXXVIII Entstehungszeitraum: 1538 Staatsarchiv Basel-Stadt PLA 15, 1-3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022 Lektorat: Maike Specht, Berlin Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13275-6 (Print) ISBN 978-3-515-13280-0 (E-Book)

Danksagung Diese Arbeit zu Netzwerken von Schulden im Spätmittelalter stützt sich auf wissenschaftliche Netzwerke in der Gegenwart. Ohne vielfältige Unterstützung in Form von Gesprächen, kritischen Fragen, inhaltlichen und methodischen Inputs, Einladungen zu Tagungen, dem Gegenlesen von Texten, der Begleitung im Druckprozess, finanziellen Beiträgen und Vielem mehr wäre meine Habilitationsschrift nie zustande gekommen und könnte jetzt nicht im Druck erscheinen. Da ich für diese Studie schon genügend Beziehungen codiert und Menschen prosopographisch erfasst habe, verzichte ich an dieser Stelle auf eine ausführliche Auflistung, sondern danke allen, die zum Gelingen beigetragen haben, herzlich für ihre Unterstützung!

Inhalt 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Schulden eingehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zur Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Schuldformen und Schuldgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Bardarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Verkaufssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Gegenseitige Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Soziale Settings des Schuldenmachens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Schuldgründe in den Stichproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Sicherheiten bei Zahlungsversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Pfänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Bürgschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Fazit: sozial eingebundene Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 31 38 40 45 47 52 57 58 65 75 80

3. Schulden einfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Geldflüsse und Zirkulation von Objekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Bargeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Bezahlung mit Gütern und Arbeitsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Zirkulation von Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Säumige SchuldnerInnen konfrontieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Zeitpunkt des Einforderns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Schulden eintreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Die Konkurrenz der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Schulden belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Schriftliche Schuldbelege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Nichtschriftliche Arten, Schulden zu belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Fazit: Wertflüsse verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84 84 85 97 101 104 106 115 122 130 131 139 142

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Inhalt

4. Gerichte nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4.1 Kreise von GerichtsnutzerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4.1.1 Nutzung des Schultheißengerichts durch BaslerInnen . . . . . . . . . . . . . . 149 4.1.2 Nutzung des Schultheißengerichts durch Auswärtige . . . . . . . . . . . . . . . 161 4.1.3 Zur Rolle der Frauen vor Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.1.4 Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4.2 Das gerichtliche Angebot an Prozessformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4.2.1 Vergicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4.2.2 Klage wegen Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4.2.3 Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.2.4 Frönung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4.2.5 Unzüchterbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4.3 Nutzung der Prozessformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.3.1 Herkunft und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4.3.2 Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.3.3 Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.3.4 Logistische Regression zu Herkunft, Geschlecht und Vermögen . . . . . . 196 4.3.5 Schuldsummen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.3.6 Schulden von verstorbenen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4.3.7 Charakterisierung der Schuldanerkennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.4 Fazit: differenzierte Gerichtsnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5. Fälle verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5.1 Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten . . . . . . . . . . . . . 217 5.2 Entscheide des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5.2.1 Vertagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 5.2.2 Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 5.2.3 Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 5.2.4 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 5.2.5 Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 5.3 Sanktionen und Druckmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 5.3.1 Leisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.3.2 Verbannung und Flucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 5.3.3 Schuldhaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 5.4 Fazit: Schulden vor Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5.4.1 Szenarien der Gerichtsnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 5.4.2 Die Frage des Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5.4.3 Das Gericht als Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Inhalt

9

6. Schulden leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 6.1 Schuldennetzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 6.1.1 Netzwerkvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6.1.2 Schuldenketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 6.1.3 Zeitliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 6.1.4 Komplexe Schuldmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 6.2 Wer schuldete wem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 6.2.1 Attribute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 6.2.2 Schuldsummen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 6.3 Spezielle Gruppen von GerichtsnutzerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 6.3.1 Wichtige GläubigerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 6.3.2 Gerichtspersonal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 6.3.3 Aristokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 6.3.4 Verwandte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 6.4 Fazit: Schuldennetzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 7. Fazit: Schuldbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Schulden als Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Schulden und Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Quellenverzeichnis der Stichproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Beschreibung der Codierung und der vorgenommenen Kategorisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Erfasste Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Umgang mit Schuldsummen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Bildung der Vermögenskategorien anhand der Steuerlisten . . . . . . . . . . 8.2.4 Weitere Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.5 Probleme bei der Identifikation von Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Beschreibung der Auswertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Umgang mit fehlenden Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Statistische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Verwendete Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4 Verwendetes Material für QGIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Tabellen und Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Attribute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Zeitlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Prozessformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.4 Blockmodell und Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.5 Schriftstücke zur Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

369 369 370 370 372 374 377 379 380 380 382 387 387 388 389 390 392 396 398

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Inhalt

9. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

399

10. Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Wörterbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

401 401 401

11. Tafelteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Orts- und Institutionenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

1. Einleitung Die spätmittelalterliche Wirtschaft stützte sich in beträchtlichem Umfang auf Schulden  – Schulden waren allgegenwärtig, im gut dokumentierten Fernhandel1 ebenso wie im städtischen Kleinhandel und Gewerbe.2 „For medieval historians, the matter is settled: credit was everywhere.“3 Im Gegensatz zu den Krediten des Fernhandels waren die meist kleineren Schulden von lokalen und regionalen Wirtschaftsräumen oft wenig formalisiert und sind deshalb auch schlechter dokumentiert. Gerichtsquellen bilden vielfach die einzige Spur des umstrittenen Teils dieser Schulden. Diese Arbeit nimmt einen regionalen Wirtschaftsraum, nämlich die Stadt Basel und ihr Umland, gesondert in den Blick und stützt sich dabei auf Quellen der zivilen Gerichtsbarkeit Basels. Das Ziel ist keine große Überblicksperspektive,4 sondern im Gegenteil ein präziser Blick auf eine konkrete Praxis des Schuldenmachens und Aushandelns von fälligen Schulden. Die in den nächsten Abschnitten vorgestellten Fragekomplexe bilden den Rahmen für die vorliegende Arbeit. Was waren Schulden, und was war ihre Funktion in der spätmittelalterlichen Wirtschaft und Gesellschaft? Die Arbeit untersucht Konstellationen der Entstehung von Schulden und beobachtet dabei die soziale Einbindung von Schuldbeziehungen. Schulden werden als vielfältig eingesetztes Mittel beschrieben, die Wirtschaft einer Mangelgesellschaft5 im Gang zu halten. Die Beteiligung an Schuldverhältnissen gilt als Indikator für die wirtschaftliche Einbindung verschiedener Gesellschaftsschichten.

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Eine Auswahl, die auf Netzwerkuntersuchungen fokussiert: Burkhardt, Bergenhandel; Denzel, System; Denzel, Wissensmanagement; Doosselaere, Agreements; Ewert/Selzer, Netzwerke; Häberlein/Jeggle, Praktiken; Jahnke, Handelsnetze; Jeggle, Interactions; Neal/Quinn, Networks; Nicholas, Credit; Nightingale, Communication. Basel-spezifisch Apelbaum, Handelsgesellschaften; Ehrensperger, Stellung; Geering, Handel; Hagemann, Handelsgesellschaften. Siehe z. B. Schuster, Age; Schuster, Aspekte; Signori, Schuldenwirtschaft; sowie die Arbeiten von Hans-Jörg Gilomen, z. B. Gilomen, Grundlagen; Gilomen, Kleinkredit; Gilomen, Frauen; Gilomen, Glaube. Smail, Plunder, S. 90. Wie etwa bei Graeber, Debt, der programmatisch titelt: „Debt. The first 5000 years“. Vgl. Richarz, Oeconomia, S. 319.

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Einleitung

Ein Fokus auf die Zirkulation von Wert hilft dabei, die zentrale Frage der Schuldenwirtschaft herauszuschälen: Ab wann wird das Ungleichgewicht in einer ökonomischen Beziehung zur Schuld, die eingefordert wird? Der zweite Fragekomplex bezieht sich auf die Rolle, die Gerichte beim Aushandeln von Schulden spielten. Wer nutzte das Gericht für welche Verfahren, die zur Auswahl standen? Welche Entscheide fällte das Gericht, und wie verstand es seine Funktion? In dieser Arbeit sollen die Personen, die Gerichte nutzten6 und vor Gericht gebracht wurden, im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Diese Akteursperspektive wurde von der Forschung bisher eher selten eingenommen. „Les justiciables sont au centre du procès judiciaire, mais sont, bien souvent, absents des études sur la justice, ou n’y figurent guère que comme spectateurs.“7 Das Gericht als von der Obrigkeit zur Verfügung gestellte Institution wird in dieser Arbeit nicht als obrigkeitliches Instrument gedeutet, sondern als Angebot,8 welches unterschiedliche Optionen bot. Indem sie das Gericht nutzten, traten AkteurInnen in eine Interaktion mit der Institution und prägten sie in einem Prozess von gegenseitiger Beeinflussung.9 Dabei war die Nutzung der gerichtlichen Möglichkeiten von entscheidender Bedeutung, denn AkteurInnen „orientent le cours pour obtenir une décision conforme à leurs souhaits“.10 In dieser Perspektive ist das Gericht keine Instanz mehr, die Entscheide fällt, sondern ein Ort (unter vielen) zum Aushandeln von Schulden. Weiter gilt die Aufmerksamkeit den Personen und sozialen Gruppen, die sich an der Schuldenwirtschaft beteiligten. Lassen sich verschiedene Arten von Verschuldung von verschiedenen Personengruppen beschreiben? Wie waren diese Personen vernetzt? Wichtig für diese Perspektive ist die Kombination von konkreter Beschreibung von komplexen Schuldverhältnissen mit der abstrakteren Betrachtung von Schuldbeziehungen als Netzwerk.11 Als leitende Fragen werden sich diejenigen nach dem sozialen Gefälle12 und der sozialen Distanz zwischen SchuldnerInnen und GläubigerInnen erweisen. Die Beobachtung der sozialen Einbettung und der Verflechtung in der Form von Netzwerken führt zum letzten Fragekomplex. Welchen Charakter als Beziehung wiesen Schulden auf? Schulden werden hier nicht vornehmlich in ihrer wirtschaftlichen Dimension, sondern als soziale Beziehung verstanden, die es entsprechend zu untersuchen gilt. Diese Sichtweise soll aber nicht die Sicht verstellen auf den ungleichen 6 7 8 9 10 11 12

Zum Begriff der Justiznutzung insbesondere Dinges, Justiznutzung. Piant, Justice, S. 101. Siehe zum Begriff Angebot Blatter, Gericht, besonders S. 17. Holenstein, Introduction, S. 25; Hardwick, Witnesses, S. 126. Hardwick bezeichnet diese Interaktion als Brückenschlag zwischen „state and street“. Piant, Justice, S. 101. Piant plädiert deshalb auch für die Untersuchung der „charactéristiques socioprofessionnelles“ der Kläger. Zur Netzwerkanalyse als Methode siehe weiter unten in dieser Einleitung. Vgl. zum Begriff Signori, Schuldenwirtschaft, etwa S. 55 und S. 138.

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Zugang zu Schulden und den ebenfalls ungleichen Umgang mit säumigen SchuldnerInnen. Die Akten des Basler Schultheißengerichts bilden den Quellenbestand dieser Arbeit. Die Überlieferungslage ist sehr gut, insgesamt sind 160 Bände erhalten.13 Das Schultheißengericht war für zivile Streitigkeiten zuständig und ursprünglich dem Bischof als Stadtherrn unterstellt, war aber seit dem späten 14. Jahrhundert als Pfand in der Hand des städtischen Rates, wo es auch verblieb.14 Das Gericht war grundsätzlich zuständig für Großbasel, den südlich des Rheins gelegenen, größeren Stadtteil. Personen aus dem nördlich gelegenen Kleinbasel waren vor diesem Gericht zwar auch anzutreffen, allerdings in deutlich geringerem Umfang.15 Für diese gab es ein eigenes Schultheißengericht, welches allerdings eine weniger gute Überlieferung aufweist und deshalb für diese Arbeit nicht berücksichtigt wurde.16 Das Schultheißengericht funktionierte als Schöffengericht,17 d. h., dass der Schultheiß als Richter zwar das Verfahren führte, jedoch den Entscheid den Urteilern überließ.18 Diese, Zehner genannt, wurden vom Kleinen Rat eingesetzt, wobei die ursprünglich vierteljährliche Rotation schon um 1400 einer halbjährlichen wich und sich schließlich die Praxis etablierte, jeweils im Sommer mit der neuen Ratsbesetzung auch das Gericht für ein ganzes Jahr zu besetzen.19 Diesem laufenden Wechsel stand eine Kontinuität der Besetzung gegenüber, indem meist die Urteiler im Folgejahr wieder eingesetzt wurden und somit das Gericht aus zwei alternierenden Besetzungen bestand. Eine große Kontinuität bestand auch beim Gerichtspersonal, sodass trotz fehlender juristischer Ausbildung zumindest eine große praktische Kompetenz der Beteiligten vorausgesetzt werden kann.20 Das Prinzip des Alternierens herrschte auch beim Rat vor, aus dessen stillstehendem (inaktivem) Teil jeweils die Hälfte der Urteiler

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Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 6; zur Überlieferungslage auch Signori, Schuldenwirtschaft, S. 15. Zur Geschichte des Schultheißengerichts Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 10–16. Zur Bedeutung für Städte, Gerichte unter ihrer Kontrolle zu haben, am Fall der französischen Städte Leroy, Exemple und Sédillot, Exercice, S. 62: „L’exercice de la justice par la commune de Doullens est un élément essentiel de son pouvoir communal qu’elle est obligée, dès sa fondation, d’affirmer et de défendre.“ Im Vergleich zwischen der Steuerliste von 1454 und Personen, die in Schuldbeziehungen vor Gericht anzutreffen waren, zeigt sich, dass KleinbaslerInnen deutlich weniger häufig in den Quellen erscheinen, nämlich nur zu rund zehn Prozent im Vergleich zu 23 Prozent für die GroßbaslerInnen. Schuldbeziehungen zwischen KleinbaslerInnen kamen praktisch nicht vor. StABS, Gerichtsarchiv P. Es sind fürs 15. Jahrhundert zu große Lücken, insbesondere in zeitlicher Nähe zu den gewählten Stichproben. Dazu nebst Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, auch Signori, Vorsorgen, S. 31–62. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 101. Vgl. Nehlsen-von Stryk, Typologie, S. 102. Sie erwähnt Eigenschaften, die für alle Zivilverfahren galten: Öffentlichkeit, Mündlichkeit und Trennung von „richterlicher Prozessleitung und Urteilsfindung durch Schöffen oder sonstige Urteiler“. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 22. Signori, Vorsorgen, S. 32 f.; Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 22.

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gewählt wurde. Hans-Rudolf Hagemann schreibt entsprechend von einer „seit alters bestehenden engen Verknüpfung von Rat und Gericht“.21 Diesen Eindruck verstärkt ein Blick auf die Karrieren von Urteilern im 16. Jahrhundert, die oft im Hinblick auf eine spätere Ratskarriere ausgesucht wurden.22 Angesicht der engen Verbindung des Gerichtspersonals zur städtischen Elite ist verständlich, dass der Rat mit allen Mitteln den Rückkauf des Gerichts durch den Bischof zu verhindern suchte – man wollte diese zentrale Institution ungern wieder aus der Hand geben und nahm dabei Kompetenzstreitigkeiten mit verschiedenen Bischöfen in Kauf.23 Die Parteien mussten sich vor Gericht durch einen Fürsprech vertreten lassen.24 Dieser war in der Regel ein Amtmann des Gerichts. Das Verfahren wurde grundsätzlich mündlich geführt, wobei wichtige Beweisstücke wie Zeugenaussagen und Schuldbriefe verlesen wurden. Die Urteilsfindung folgte keinem umfassend kodifizierten Recht, sondern stützte sich neben vor allem Verfahrensfragen betreffenden Gerichtsordnungen auch auf Gewohnheitsrecht.25 Umso wichtiger waren die praktische Erfahrung der Urteiler und die breite Abstützung und soziale Einbindung der Urteile.26 Das Gericht tagte im Rathaus, welches damals noch „Richthaus“ genannt wurde.27 Wenn hier von Ziviljustiz die Rede ist, so soll damit nicht eine moderne Abgrenzung zur Kriminaljustiz suggeriert werden  – eine klare Regelung der Zuständigkeit existierte in der Vormoderne ebenso wenig wie die entsprechende Begrifflichkeit.28 Was ein Zivilprozess war, ist deshalb nicht inhaltlich gemäß dem Streitgegenstand definiert, sondern nach der Charakteristik des Prozesses.29 Dieser stand vor zivilen Instanzen wie dem Schultheißengericht unter dem Einfluss der Parteien, deren Vorstöße den Prozess prägten. Das Gericht selbst ermittelte nicht, und die Klagenden konnten das Verfahren zu jedem Zeitpunkt beenden.30 Die vormoderne Zivilgerichtsbarkeit insgesamt wurde erst selten intensiv untersucht, sie stand in der Regel im Schatten der Kriminalitätsforschung,31 obwohl sie den größeren Teil der Gerichtstätigkeit der Vormoderne ausmachte.32 Das liegt nebst den

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Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 21. Füglister, Handwerksregiment, S. 249. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 12–15. Vgl. dazu die Weisung des Gerichts anlässlich einer Vertagung: Sei der „fursprech nit da, so solle er ein andern nehmen“, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 84r. Sieber-Lehmann, Basel, S. 8 f.; Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 350. Vgl. dazu Sieber-Lehmann, Basel, S. 9. Wackernagel, Gerichtsstätte, S. 82. Schlosser, Zivilprozess, S. 63; Gauvard, Droit, S. 58. Piant, Procès, S. 19 Nehlsen-von Stryk, Typologie, S. 102. Dieser Begriff ist für die deutschsprachige Forschung vor allem mit dem Namen Gerd Schwerhoff verbunden, siehe u. a. Schwerhoff, Einführung; Blauert/Schwerhoff, Kriminalitätsgeschichte; Blauert/Schwerhoff, Waffen. Vgl. auch Burghartz, Leib. Piant, Procès, S. 14, schätzt den Anteil gar auf 90 Prozent.

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weniger spektakulären Streitgegenständen auch daran, dass Akten ziviler Gerichte eine komplexe Quellengattung sind; wer erwartet, dass sich die verhandelten Sachverhalte klar und einfach darstellen, wird enttäuscht.33 Gerichtsakten orientierten sich an juristisch relevanten Aspekten der Fälle und an den Entscheiden des Gerichts, es handelt sich um die „Verschriftlichung gerichtlicher Handlungen“.34 Dabei bedienten sich die Schreiber einer stark formalisierten Sprache und hielten sich durchaus zurück, gewisse Aspekte der Verhandlung zu verschriftlichen.35 „Der eigentliche Konflikt in seinen vielfältigen Dimensionen und Bezügen“ bleibt deshalb „häufig verborgen“,36 nur sporadisch lässt sich „tatsächlich ein Blick über den Gerichtssaal hinaus auf das Leben außerhalb erhaschen“.37 Die gewaltige Masse38 und die Charakteristik von Zivilgerichtsakten verlangen nach einem spezifischen methodischen Zugang. So versucht die vorliegende Arbeit, sowohl konkrete Fälle mit einem mikrohistorischen Blick39 zu untersuchen und dabei ins Richthaus und darüber hinaus zu blicken als auch die abstraktere Perspektive einer Netzwerkanalyse einzunehmen. Während Ersteres sehr quellennah Praktiken beschreibt und dabei den Horizont von Handlungsoptionen für spätmittelalterliche Akteure und Akteurinnen absteckt, dient Zweiteres dazu, Schuldverhältnisse als Beziehungen zu beschreiben und dabei auch strukturelle Aspekte zu beachten. Die Netzwerkanalyse untersucht die Verflechtung der Beteiligten in Form von Netzwerken, oder wie Hervé Piant es ausdrückt: „Pour faire de la justice le sujet réel de la recherche, il faut placer le lien qui unit les différents acteurs – justiciable ou juge – au cœur de la recherche.“40 Die Netzwerkanalyse hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten in der Geschichtswissenschaft etabliert,41 nachdem die aus der Soziologie stammende Methode schon 33 34 35

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Zum Umgang mit Gerichtsquellen, vor allem Zeugenaussagen, siehe die faszinierende Arbeit von Tom Johnson, die das Panorama der Interpretationsmöglichkeiten anhand von verschiedenen Ansätzen aufzeigt und dabei auch eine eigene Perspektive erarbeitet, Johnson, Preconstruction. Blatter, Gericht, S. 13. Vgl. Nehlsen-von Stryk, Typologie, S. 106, zur formalisierten Sprache vor Gericht und bestimmten Klagformeln, „womit auch ohne Zwang wortwörtlicher Verwendung der üblichen Formeln fraglos eine beträchtliche Disziplinierung der parteilichen Auseinandersetzung verbunden war“. Grundsätzlich Lepsius/Wetzstein, Prozessschriftgut. Vgl. auch Blatter, Gericht, S. 237. Rappe, Schelten, S. 87. Vgl. auch Blatter, Gericht, S. 237. Blatter, Gericht, S. 13. Piant, Justice, S. 133; Piant, Procès, S. 16. Vgl. zum Einsatz mikrohistorischer Ansätze in der Erforschung von ziviler Gerichtsbarkeit Piant, Procès, S. 18. Piant, Justice, S. 13. Zur Geschichte der Netzwerkanalyse in der Geschichtswissenschaft Bixler, Wurzeln; Literatur zur Netzwerkanalyse allgemein, Borgatti/Everett/Johnson, Social Networks; Faust/Wasserman, Network Analysis; Hummell/Sodeur/Trappmann, Strukturanalyse; Jansen, Einführung; Prell, Network Analysis; Literatur zur historischen Netzwerkanalyse (einführend), Bixler, Network; Düring/Eumann/Stark, Handbuch; Düring/Gamper/Reschke, Knoten; Düring/Keyserlingk, Netzwerkanalyse; Düring/Stark, Network Analysis; Fuhse, Netzwerke; Graham/Milligan/Wein-

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in den 1970er-Jahren durch die Arbeit von Wolfgang Reinhard eine frühe Rezeption in den Geschichtswissenschaften erfahren hatte, die allerdings weitgehend folgenlos blieb.42 Auch Schuldbeziehungen wurden schon als Netzwerke beschrieben und untersucht,43 wobei sich die Erkenntnis ergab, dass sich Kredit auf Netzwerke stützte und solche gleichzeitig schuf.44 Allerdings liegen erst zu Schuldennetzwerken des 19. Jahrhunderts tatsächlich formale Netzwerkanalysen vor.45 Arbeiten zur Vormoderne arbeiten zwar gerne mit der Netzwerkmetapher,46 legen aber keine formalen Analysen vor, abgesehen von wenigen Ausnahmen.47 Formale Netzwerkanalysen stellen für die mittelalterliche Schuldenwirtschaft immer noch ein Forschungsdesiderat dar.48 Die formale Netzwerkanalyse erfasst Personen und ihre Beziehungen untereinander,49 wobei Personen als Knoten (engl. nodes) und Beziehungen als Kanten (engl. edges) codiert werden. Die Gesamtheit der codierten Knoten und Kanten ergeben den sogenannten Netzwerkgraphen, der nun visualisiert und mit statistischen Methoden analysiert werden kann. So kann zum Beispiel eruiert werden, welche Personen im Netzwerk zentral waren, ob es dicht verbundene Untergruppen, sogenannte Cliquen,

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gart, Data; Häußling/Stegbauer, Handbuch; Lemercier, Methoden; Marx, Forschungsüberblick; Marx/Reitmayer, Netzwerkansätze; Nitschke, Geschichte; Preiser-Kapeller, Möglichkeiten; Stark, Netzwerke; Wetherell, Network; speziell zu erwähnen sind Straus, Welt, und Düring/Gamper/ Reschke, Millennium, zur Netzwerkanalyse als Paradigma des 21. Jahrhunderts sowie Hitzbleck/ Hübner, Grenzen, zu den Limiten von Netzwerkanalysen. Reinhard, Freunde. Eine Auswahl von Literatur dazu: Bolton, Merchants; Chilosi/Schulze/Volckart, Benefits; Clemens, Schuldenlast; Doosselaere, Agreements; Gestrich/Stark, Debtors; Gestrich/Stark, Introduction; Lipp, Aspekte; Reupke/Stark, Kreditnetzwerke; Stark, Networks; Vogel, Credit; Wirtz, Vertrauen. Vgl. zu Letzterem Crowston, Credit, S. 12. Beispiele bei Stark, Networks; Reupke/Stark, Kreditnetzwerke; Vogel, Credit. Die Aussage stützt sich auch auf eine Durchsicht der kollaborativen Bibliografie auf Zotero namens „Historical Network Analysis“, https://www.zotero.org/groups/209983/historical_network_research (letzter Zugriff am 5.12.2019). Besonders prominent Muldrew, Economy, z. B. S. 95. Zum Einsatz des Netzwerkbegriffs als Metapher siehe Ruggiu, Way, S. 73; Burkhardt, Networks, S. 13; Düring/Kerschbaumer, Quantifizierung, S. 31; Bixler, Network, S. 54 (durchaus mit einer positiven Sicht des metaphorischen Gebrauchs). Weber, Verhältnisse, S. 292, verfolgt die Entstehung der Netzwerkmetapher bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. Vgl. in Bezug auf die Erforschung von Verwandtschaft und Freundschaft Seidel, Freunde, S. 20: „Nicht durchgesetzt hat sich in der Mediävistik die Methode der Netzwerkanalyse.“ Einige Beispiele von Arbeiten zur Vormoderne, die sich auf mehr oder weniger stark ausgeprägte formale Netzwerkanalysen stützen: Ansell/Padgett, Action; Dauser, Analyse; Grommes, Netzwerke; Guzzi-Heeb, Revolte; Hächler et al., Exploration; Poeck, Herren; Rosé, Reconstitution; Vonrufs, Führungsgruppe. Lipp, Aspekte, S. 27. Gestrich/Stark, Introduction, S. 4, definieren ein Netzwerk, basierend auf James Clyde Mitchell, als „specific set of linkages among a defined set of persons, with the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be used to interpret the social behavior of the persons involved“.

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gab, und schließlich, wie Personen in ähnlichen Beziehungskonstellationen eine vergleichbare Position im Netzwerk einnahmen – ohne zwingend in direkter Beziehung zu stehen. Das hier gewählte Vorgehen besteht darin, ein Gesamtnetzwerk zu erstellen, das innerhalb eines definierten Rahmens – hier die zeitliche Eingrenzung der Stichprobe50 – alle Personen und Beziehungen erfasst.51 Die Netzwerkanalyse situiert sich als strukturelle Untersuchung auf einer Ebene zwischen Mikro- und Makroanalyse.52 Entscheidend für die Interpretation der Netzwerke ist die Charakterisierung der Verbindung. Im Fall von Schuldennetzwerken, die sich in Gerichtsakten manifestieren, ist diese Interpretation doppeldeutig. Die Netzwerkstruktur ist in dieser Perspektive ein Spiegel der Handlungsmöglichkeiten von Akteuren. Grundsätzlich zeigt das Beziehungsnetzwerk einer Person die Möglichkeiten, sich finanzielles Kapital zu beschaffen oder es zu verleihen. Man kann es somit als soziales Kapital gemäß der Kapitaltheorie von Bourdieu betrachten.53 Das erscheint aber etwas zu positiv, denn wenn Schulden vor Gericht kamen, schlug die Beziehung um. Sie war nun nicht mehr positiv besetzt. Folglich offenbart das Netzwerk nicht nur Ressourcen, sondern spiegelt auch Belastungen. Netzwerkanalytisch kann daher auch von einem negativ verbundenen Netzwerk gesprochen werden.54 In einem solchen Netzwerk stellen Beziehungen zu starken Partnern keine positiven Optionen, sondern eher die Gefahr von Abhängigkeit dar. Dies zeigt, dass wir die aus Gerichtsakten rekonstruierten Netzwerke mit Bedacht interpretieren müssen. Darum wird hier darauf verzichtet, die Beziehungen vor der Analyse zu charakterisieren. Vielmehr soll das nach Betrachtung der Netzwerkstrukturen im abschließenden Fazit geschehen. Eine wichtige Analysestrategie war für diese Arbeit die Aggregation von Netzwerkdaten nach Attributen – eine Strategie, auf die Eva Jullien schon hingewiesen hat.55 Bei diesem Verfahren werden nicht mehr einzelne Beziehungen und Personen untersucht, sondern die Daten nach bestimmten Eigenschaften zusammengezogen. In der vorliegenden Studie werden also Attribute wie Geschlecht, Herkunft und Vermögenssituation analysiert, um Muster der Beziehungen zwischen den einzelnen Ausprägungen einer Kategorie festzustellen. Entscheidendes Kriterium sind dabei die Unterschiede der Dichte von Beziehungen. Die Dichte berechnet sich als das Verhältnis von tatsäch-

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Die enge Eingrenzung auf ein einziges Jahr brachte vor allem den Vorteil mit sich, dass ich mich nicht zu stark mit der chronologischen Dynamik von Netzwerken auseinandersetzen musste, vgl. dazu Lemercier, Time. Hennig/Stegbauer, Probleme, S. 8; Prell, Network Analysis, S. 66; Jansen, Einführung, S. 66 f. Bixler, Network, S. 48; Burkhardt, Bergenhandel, S. 393. Marx, Netzwerke; Hennig/Kohl, Fundierung; Reupke/Volk, Erfahrungsberichte, S. 301. Es ist zu betonen, dass die vorliegenden Texte Bourdieus Theorie auf die Netzwerkanalyse anwenden  – Bourdieu selbst hielt offenbar wenig davon. Siehe die entsprechenden Kapitel bei Jansen, Einführung, ab S. 178, und Prell, Network Analysis, ab S. 111. Jullien, Netzwerkanalyse.

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lich vorkommenden zur Anzahl möglicher Beziehungen – unterschiedliche Dichten lassen sich als strukturelle Unterschiede in der Beteiligung an Schuldennetzwerken lesen. Die Untersuchung solcher aggregierten Daten geschah mittels statistischer Methoden, die nur zum Teil Werkzeuge klassischer Netzwerkanalyse sind. Sie werden im Anhang genauer erläutert.56 Die Erhebung und Darstellung von Netzwerken, das sollte nach dieser kurzen Einleitung klar geworden sein, ist kein Selbstzweck. Vielmehr haben die Netzwerkdarstellungen – von denen ich in der Analysephase viele erstellt und wieder verworfen habe – eine wichtige Rolle gespielt bei der Entwicklung weiterer Fragestellungen. In der Arbeit selbst finden sich gar nicht mehr viele dieser Darstellungen, sondern es überwiegen andere Formen der Visualisierung und tabellarische Übersichten. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass ich versucht habe, meine Aussagen nicht nur auf die Betrachtung von Netzwerkstrukturen abzustützen, sondern auch auf statistische Hypothesentestung.57 Die vorliegende Arbeit versucht die quantitativen Ansätze58 mit qualitativer Analyse von Quellen und Fällen zu kombinieren. Die quantitative Erfassung und Codierung von Schuld- sowie anderen Beziehungen und die Untersuchung derselben mittels Attributen wird oft im Einzelfall der Komplexität von Verhältnissen nicht gerecht, zu stark erscheint zuweilen der Abstraktionsgrad. Deshalb versuche ich, die Stärken der beiden Ansätze zu verbinden,59 indem einerseits auf hoher Abstraktionsstufe Beziehungen zwischen relativ grob gebildeten Kategorien beschrieben werden und auf der anderen Seite Einzelfälle gewisse Aspekte ins Licht rücken. Die Einordnung von Einzelfällen in die quantitative Analyse wiederum erlaubt eine Einschätzung dazu, wie sehr ein Fall als typisch gelten kann, und war mitunter eine Entscheidungshilfe für die Wahl von vorgestellten Fällen.60 Die qualitative Analyse soll aber nicht in erster Linie ganze Fälle rekonstruieren – das geht meist gar nicht, weil die schriftlich festgehaltenen Prozessschritte nur einen Teil des ganzen Verfahrens darstellten und zum Beispiel Entscheidungen zum Einstellen von Verfahren außerhalb des Gerichts gefällt wurden. Diese Fälle fanden dann in den Akten schlicht keine Fortsetzung. Aber nicht nur deshalb ist es sinnvoll, von der Perspektive des Gerichtsverfahrens wegzukommen, die 56 57 58 59

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Siehe Anhang 8.3. Vgl. Eumann, Heuristik, der sich auf S. 129 f. für „Testvisualisierungen“ früh im Forschungsprozess ausspricht. Vgl. zur Historiografie quantitativer Forschung in der Schweiz Flores et al., Einleitung. Zur geringen Rolle von Statistik in der Wirtschaftsgeschichte Gervais, Construction. Vgl. Düring et al., Einleitung, S. 6: Da Netzwerke allgegenwärtig, aber selten greifbar sind, „beruhen die erfolgreichen Projekte aus den letzten Jahren auf der wechselseitigen Interaktion zwischen Netzwerkanalyse und traditionellen Forschungsmethoden“. In Bezug auf soziologische Forschung siehe Schnegg, Strategien. Siehe auch Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 79; AmendTraut verwendet Ergebnisse der ‚Quantifizierenden Methode‘ als „Maßstab für mikrohistorische Untersuchungen“. Vgl. zu diesem Vorgehen Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 79.

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den Fokus zu stark auf die normativen Vorgaben und die Verfahrungsführung durch das Gericht legt. Vielmehr sollen Gerichtsakten dazu dienen, Handlungsoptionen spätmittelalterlicher GerichtsnutzerInnen aufzuzeigen, beim Aushandeln von Schulden vor Gericht ebenso wie im alltäglichen Wirtschaften. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die typischen Quellenformulierungen und Aufschreibegewohnheiten61 vom gerichtlichen Kontext geprägt waren. Dieser auf Handlungsoptionen fokussierte Ansatz steht in der Tradition der historischen Anthropologie und Mikrogeschichte, die mit der Entwicklung eines neuen Kulturbegriffs alltägliche Interaktionen viel stärker in den Blick nahm und dabei auf Heranzoomen und Nahaufnahmen setzte.62 Die Verbindung von qualitativer mit quantitativer Analyse ist bei diesen Ansätzen ebenfalls als Möglichkeit angelegt.63 Indem Akteure im „Kräftefeld sozialer Beziehungen und kultureller Produktion“ auf ihre Verhaltensweisen untersucht werden, gerät auch ins Blickfeld, wie das Verhalten nicht nur die konkrete Situation prägen, sondern auch Veränderung erzeugen konnte.64 In Bezug aufs Handeln vor Gericht hat Simona Cerutti aufgezeigt, wie die Legitimation von Praxis durch die Akteure dazu beitrug, Normen zu etablieren,65 während Tom Johnson untersucht, wie ZeugInnen in Gerichtsfällen ihre Aussagen vor Gericht vorstrukturierten und damit die vorherrschenden Diskurse zu ihren Gunsten nutzten.66 Diese Ansätze, Kultur in actu zu untersuchen, lassen sich dem Ansatz der Praxeologie zurechnen, die einen genauen Blick auf das durchaus körperlich zu verstehende Handeln von Menschen wirft.67 Dabei vollziehen Handlungen nicht einfach schon existierende Vorstellungen, sondern die Handelnden sind als interpretierende Akteure zu verstehen, die in „kommunikativen Beziehungen und sozialen Austauschverhältnissen“ nicht nur die Wirkung, sondern auch die Produktion von Bedeutungssystemen erkennen lassen.68 Die Verbindung von Perspektiven verschiedener Skalierung lässt sich dort erkennen, wo Beziehungsgeflechte untersucht werden: „Das gewohnheitsmäßige Handeln in sozialen Netzwerken kann etwa zum Gegenstand einer mikrohistorischen Analyse ihrer Koordinations- und Kooperationschancen werden.“69 Wenn auch naturgemäß der Zugang zum menschlichen Handeln und damit zur Praxis des Schuldenmachens, den Gerichtsakten bieten, ein indirekter bleibt, so lassen sich doch

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Zur Entwicklung der Schriftlichkeit in der mittelalterlichen Justiz siehe Lepsius/Wetzstein, Prozessschriftgut. Burghartz, Anthropologie, S. 214 f.; Allgemeine Einführungen zur Mikrogeschichte bei Gylfi Magnússon/Szijártó, Microhistory; Levi, Microhistory. Burghartz, Anthropologie, S. 215. Lüdtke, Alltagsgeschichte, S. 635–637. Cerutti, Microhistory, S. 30. Johnson, Preconstruction, S. 144. Reichardt, Geschichtswissenschaft, S. 47 und 49. Reichardt, Geschichtswissenschaft, S. 51–54. Reichardt, Geschichtswissenschaft, S. 61.

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viele Sprechakte und Gesten aus praxeologischer Sicht untersuchen, während andere Handlungen wie die Wahl von Vorgehensweisen und Gerichtsverfahren eher indirekt zu fassen sind. Während die quantitative Analyse oftmals die Einordnung von qualitativ untersuchten Fällen ermöglicht, dienen Erkenntnisse von qualitativen Untersuchungen dazu, quantitative Beobachtungen zu deuten. Auch wenn einzelne Kapitel insgesamt stärker von jeweils einem Ansatz geprägt sind, so soll doch ständig zwischen den Ebenen hin und her gewechselt werden, um die beschriebenen Phänomene möglichst umfassend in den Blick zu nehmen. Die detaillierte thick description70 konkreter Praxis wird so konfrontiert mit abstrakter Betrachtung struktureller Muster der Gerichtsnutzung und der Vernetzung mittels Schulden. Quantitative Analysen überwiegen in den Kapiteln zur Gerichtsnutzung71 und zum Schuldenalltag.72 Die Darstellung der quantitativen Resultate stellt eine besondere Herausforderung dar, weil für die verschiedenen Attribute jeweils die gleichen Analysen durchgeführt und präsentiert werden, was sich kaum sehr lesefreundlich gestalten lässt. Leichter zugänglich sind die Kapitel zur Entstehung von Schulden,73 zum Einfordern derselben74 und zur Urteilspraxis des Gerichts,75 die stärker qualitativ orientiert sind. Die Datengrundlage für die quantitativen Analysen der vorliegenden Arbeit wurde gebildet durch die Erhebung von zwei Stichproben, die je die Gerichtsakten eines ganzen Jahres umfassen. Es handelt sich um die Jahre 1455 und 1497. Dieses Vorgehen drängte sich angesichts der großen Datenmengen auf.76 Aber auch mit diesem Vorgehen konnte ich den Quellen nicht immer gerecht werden, sondern nur die wichtigsten (Schuld-)Beziehungen codieren. Die Codierung von Beziehungsdaten bedingte dabei eine Abstrahierung der teils komplexen Verhältnisse, wie sie in den Quellen aufscheinen.77 Grundlegend dafür waren genaue Kenntnisse des Verfahrensrechts und der

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Vgl. Geertz, Description. Siehe Kapitel 4. Siehe Kapitel 6. Siehe Kapitel 2. Siehe Kapitel 3. Siehe Kapitel 5. Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 20: „Systematisch erschließen kann ein Einzelner die mehrere hundert Bände starken Buchreihen nicht.“ Zu Schwierigkeiten der Codierung siehe Bixler, Quellen; Reupke/Volk, Erfahrungsberichte. Vgl. auch Gramsch, Reich, S. 85: „Als problematisch mag weiterhin angesehen werden, dass die Modellbildung den Bearbeiter ständig zu harten Ja-Nein-Entscheidungen zwingt […] Fehlentscheidungen müssen hierbei fast zwangsläufig fallen, welche man in einer traditionellen, mit Wahrscheinlichkeiten operierenden historischen Erzählung scheinbar elegant umschiffen kann. Doch ist meines Erachtens eher dieses letztere, allgemein gebräuchliche Verfahren problematisch. Auch der mit dem Wörtchen ‚vielleicht‘ operierende Historiker verzichtet nicht auf sein Recht, aus seinen Wahrscheinlichkeitsaussagen weitere Schlüsse zu ziehen (was er streng genommen nicht dürfte).“ Ein Weglassen von Netzwerkdaten bringe folglich nur eine „Vergröberung des Bildes, nie dessen völlige Umformung“.

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in den jeweiligen Verfahren verwendeten Begriffe. Die genutzten Quellen und weitere Angaben zur Codierung sind im Anhang angeführt,78 die Differenzierung verschiedener Verfahrensformen vor dem Gericht ist Gegenstand eines eigenen Abschnitts, der auch detailliert die gewählten Codierungen darlegt.79 Die Analyse der genannten Schuldsummen wird erschwert durch die verschiedenen Währungssysteme – zu erwähnen sind das Pfund als reine Rechnungswährung mit Schilling und Pfennig als Untereinheiten, die auch als Münzen zirkulierten, sowie der Goldgulden als sehr wertstabile Münze. Um diese vergleichbar zu machen und für statistische Auswertungen zu nutzen, habe ich die Schuldsumme, wo immer möglich, in Pfundbeträge umgerechnet.80 Wo also die Beträge mehrerer Quellen zusammengezogen und insbesondere statistische Mittelwerte genannt werden, so basiert das auf den umgerechneten Werten und ist keine Aussage darüber, welche Währung in der Quelle genannt ist. Wo jedoch Schuldsummen aus einzelnen Gerichtsakten zitiert werden, wird die Währung der Quelle beibehalten. Wie das Kapitel zur Wertzirkulation81 zeigen wird, ist das kein zwingender Beleg dafür, in welcher Form ein Darlehen gegeben oder eine Schuld abgezahlt wurde, sondern zeigt einzig, welchen Wertmaßstab die Beteiligten wählten. Um die Netzwerkanalyse für diese Untersuchung fruchtbar zu machen, brauchte es Angaben zur Position82 Einzelner in der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Dazu ist oft relativ wenig bekannt, vor allem wenn es sich nicht um Angehörige der städtischen Eliten handelt. Diese Arbeit zieht deshalb die wenigen vorhandenen Informationen systematischer Art aus überlieferten Steuerlisten hinzu, um die in den Gerichtsquellen selbst erkennbaren Informationen zu ergänzen. Es handelt sich um die Listen der Margzahlsteuer von 1454 und um den sogenannten Reichspfennig von 1497.83 Als Informationen über die beteiligten Personen erfasst und analysiert wurden folgende Attribute: Das Geschlecht der Person ist in den Quellen selbst in der Regel ersichtlich. Soweit dies möglich war, versuchte ich Personen, von denen die Gerichtsakten erkennen lassen, dass sie nicht in Basel wohnhaft waren, zu lokalisieren. Dabei habe ich nebst den Koordinaten des Herkunftsorts auch die Distanz zu Basel erfasst. Innerhalb Basels erlaubt die Steuerliste von 1497 eine Lokalisierung vieler Personen. Die Angaben zur Vermögenssituation stammen aus den Steuerlisten, wobei die Liste von 1454 eine feinere Kategorisierung erlaubt als diejenige von 1497. Angaben zu Zunft oder Beruf sind nur teilweise verfügbar. Die Edition der Steuerliste von 1454 umfasst Angaben zur Zunft, während ich die Angaben aus den Quellen und aus der Steuerliste

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Siehe Anhang 8.1 und 8.2. Siehe Kapitel 4.2. Zum Vorgehen siehe Anhang 8.2.2. Siehe Kapitel 3.1. Weyrauch, Schichtung, S. 21. Schönberg, Finanzverhältnisse, und Degler-Spengler, Pfennig.

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von 1497 kombiniere, um mehr über die Berufe zu erfahren. Mit diesen Daten habe ich für beide Stichproben die GerichtsnutzerInnen prosopografisch beschrieben. Die Prosopografie stellt jedoch keinen Selbstzweck, sondern nur ein Mittel zum Zweck der sozialen Verortung von Personen dar. Die Daten lassen eine multidimensionale Verortung der Akteure zu. Die erste Dimension ist klassisch sozioökonomisch, stützt sich auf das Vermögen als Annäherungswert an die soziale Stellung von Personen in der städtischen Gesellschaft. Die zweite Dimension ist räumlich,84 indem sie die Schuldverhältnisse in der Stadt und die Beziehungen ins Umland anhand von topografischen Aspekten beschreibt. Dabei spielen auch räumliche Distanzen eine Rolle, die aus arbeitsökonomischen Gründen nur absolut und nicht relativ im Sinne einer Berücksichtigung von Straßenführung und Wegverhältnissen erfasst werden. Die Analyse dieser Dimension stützt sich auf GIS-Technologie. Drittens wird in geschlechtergeschichtlicher Perspektive nach Unterschieden zwischen Frauen und Männern in Schuldbeziehungen gefragt. Zivile Gerichte entschieden noch über anderes als über Schulden, aber in vielen Gerichten machten Schulden den größten Anteil aus.85 In dieser Arbeit stehen die Schuldverhältnisse im Vordergrund; andere Vorgänge werden nur am Rand untersucht. Sie waren zum Teil schon Thema von anderen Arbeiten, die sich auf das Basler Gerichtsarchiv stützen.86 Prägend für diese Arbeit hinsichtlich des Umgangs mit Quellen der vormodernen Ziviljustiz sind die Arbeiten von Hervé Piant und Daniel Smail.87 Für Basel liegen zwei Arbeiten vor, welche den Rahmen für diese Untersuchung bilden. Hans-Rudolf Hagemanns rechtshistorische Arbeit zur „Zivilrechtspflege“ beschreibt anhand von vielen Beispielen die Gerichtspraxis und versucht dabei Rechtsnormen in der Anwendung zu beschreiben, wobei er festhält, dass „die Annahme eines in sich geschlossenen, vollständigen Systems als Grundlage des Basler Privatrechts noch für das 16. Jahrhundert […] unangemessen“ erscheint.88 Gabriela Signori hat ebenfalls sehr quellennah die Basler „Schuldenwirtschaft“ beschrieben.89 Diese Arbeit stellt für sehr viele Aspekte, die ich beschreibe, einen Bezugspunkt dar. Ebenfalls einen starken Be-

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Zum sogenannten spatial turn: Rau, Räume; Schwerhoff, Stadt, S. 11; zur Anwendung von GIS-Technologie Geddes/Gregory, Historical GIS; Lilley/Porter, GIS. Lavoie, Endettement, S. 202–208, errechnet einen Anteil von Schuldverfahren je nach Zeit und Ort zwischen knapp 60 und 80 Prozent aller Verfahren. Vgl. Kuske, Entstehung, S. 12; Schuster, Age, S. 39. Andere haben auch schon mit dem Material gearbeitet, etwa Signori, Vorsorgen, zu Testamenten und anderen Aspekten von Erbe; Sieber-Lehmann, Basel, mit den Zeugenaussagen; SimonMuscheid, Dinge, mit einem Fokus auf Objektgeschichte; schon im 19. Jahrhundert hat Karl Stehlin die Gerichtsakten nach Druckern durchsucht (Stehlin, Regesten). Siehe insbesondere Piant, Justice; Piant, Procès; Smail, Consumption; Smail, Plunder. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 8. Signori, Schuldenwirtschaft.

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zug zu Basel haben die Arbeiten zu Schulden von Hans-Jörg Gilomen.90 Leider nicht mehr umfassend berücksichtigen konnte ich die Dissertation von Maria Weber zum Schuldenmachen in Augsburg.91 Am Basler Schultheißengericht wurde seit dem frühen 15. Jahrhundert ein ausdifferenziertes System mit verschiedenen Serien geschaffen, in welchen die Gerichtsschreiber verschiedene Rechtsvorgänge aufzeichneten. Diese Serien waren in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sehr stabil und sind mit jeweils nur kleinen Lücken überliefert. Der Bestand ist also sehr reich und rechtfertigt den Fokus dieser Arbeit auf einen einzigen Quellenbestand. Basel stellt eine typische Stadt mittlerer Größe dar. Sie war ein regionales Zentrum von einiger Bedeutung und als Kaufmannsstadt auch in größere wirtschaftliche Beziehungsgeflechte und -räume eingebunden.92 Die Stadt steht deshalb eigenständig als Beispiel, und es lohnt sich, die Funktionsweise der Schuldenwirtschaft, wie sie in den Gerichtsakten aufscheint, zu beschreiben. Ein vergleichender Blick auf andere Städte wäre sicher interessant und wünschenswert. Das größte Hindernis eines solchen Vorgehens besteht darin, dass die Vergleichbarkeit zwischen Städten schwierig herzustellen ist. Denn die Städte des Spätmittelalters haben je eigene Wege beschritten, um das allen gemeine Problem der Schlichtung von Schuldforderungen zu lösen. Dabei haben sie diverse Verfahrensformen entwickelt und diese unterschiedlich verschriftlicht.93 Diese Arbeit zieht trotzdem hin und wieder quantitative Resultate aus anderen Studien zum Vergleich heran. Dies geschieht unter dem Vorbehalt der beschränkten Vergleichbarkeit und somit im Wissen, dass höchstens grobe Dimensionen und Tendenzen in Relation gesetzt werden können. Die Gegenüberstellungen helfen dennoch, die Basler Verhältnisse in einen internationalen Kontext zu stellen. Sie lassen sich vor allem da rechtfertigen, wo hinter den Auswertungen ähnliche Absichten und Konzepte stecken.94 Ganz allgemein dient die umfangreiche Forschungsliteratur, die zur Schuldenwirtschaft der Vormoderne in den letzten Jahrzehnten enstanden ist, der Kontextualisierung des spezifisch baslerischen Umgangs mit offenen Schuldforderungen. Da die hier untersuchten Teilthemen vielfach anschlussfähig an jüngere Literatur sind,

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Zu erwähnen etwa Gilomen, Grundlagen; Gilomen, Kleinkredit; Gilomen, Frauen. Weitere Arbeiten finden sich im Literaturverzeichnis. Weber, Schuldenmachen. Ehrensperger, Stellung; Rippmann, Bauern, S. 133; zur regionalen Einbindung Basels Scott, Oberrhein. Vgl. zur Wahl eines Orts für die Untersuchung der Ziviljustiz Piant, Justice, S. 16: „Il convient en conséquence de se situer entre un quelque peu chimérique exemple ‚banal, en conséquence plus facilement généralisable‘, et les incertitudes du concept de ‚l’exceptionnel normal‘ forgé par le tenants de la microstoria.“ Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 15 f. Wichtige Arbeiten zum Vergleichen sind Clark, Debt; Muldrew, Economy; Piant, Justice; Smail, Consumption; Smail, Plunder; Sturm, Privatkredit.

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verzichte ich auf ein eigenes Kapitel zum Forschungsstand und stelle die Erkenntnisse dieser Studie jeweils am passenden Ort in Bezug zur Literatur. Viele der Referenzarbeiten setzen zeitlich etwas später an, nämlich in der Frühen Neuzeit. Dabei zeigt sich, dass trotz zum Teil andersgearteter Überlieferungslage die Ähnlichkeiten überwiegen. Diese Arbeit schreibt sich deshalb auch nicht ein in ein Modernisierungsnarrativ, sondern postuliert vielmehr, dass Schuldenmachen seit dem Hochmittelalter bis zum Ende der Vormoderne ähnlich funktionierte – und gar darüber hinaus.95 Die Betonung, dass hier das Spätmittelalter untersucht wird, ist nicht als Epocheneingrenzung zu verstehen, sondern als rein chronologische Einordnung eines Phänomens, das an der Epochenschwelle zur Frühen Neuzeit keinen fundamentalen Wandel durchmachte. Die verschiedenen Möglichkeiten des Schuldeneintreibens, die sich den NutzerInnen des Großbasler Schultheißengerichts boten, werden hier abschließend kurz vorgestellt.96 Das einfachste und niederschwelligste Vorgehen stellten Zahlungsversprechen dar, die in einer eigenen Serie verzeichnet wurden.97 In diesen versprachen Personen, ihre Schulden innerhalb einer kurzen Frist – in der Regel ein Monat – zu begleichen. Da dieser Vorgang zeitgenössisch „veriechen“ genannt wurde, hat sich für die Zahlungsversprechen der Begriff Vergicht etabliert. Vergichte konnten freiwillig und somit gratis oder nach einem Gerichtsurteil kostenpflichtig erfasst werden. In einer zweiten Serie verzeichnete das Gericht die Vorgehen, die auf den Besitz der SchuldnerInnen direkt abzielten, also eigentliche Beschlagnahmungsverfahren oder Sacharreste. Sacharreste auf fahrende Güter hießen Verbote, solche auf liegende Güter Frönungen. Beide Vorgehen wurden in die gleiche Serie eingetragen.98 Nach der Anmeldung der Beschlagnahmung mussten die KlägerInnen drei weitere Male erscheinen und die Forderung bestätigen, bevor Güter tatsächlich beschlagnahmt und verkauft werden konnten  – und auch danach bestand für die SchuldnerInnen noch die Möglichkeit, ihre Liegenschaft zurückzukaufen. Die Verfahren unterschieden sich in der Form kaum, im Anwendungsbereich aber schon. In der Regel war der Zugriff auf Liegenschaften beschränkt auf Fälle von säumiger Zinszahlung für Renten und andere Zinsformen, also auf die Situationen, in denen die Liegenschaft auch tatsächlich als Sicherheit gedient hatte. Die letzte zu erwähnende Serie sind die Urteilsbücher.99 In ihnen wurden Urteile aller Art erfasst, aber auch gerichtliche Ladungen, sogenannte Verkündungen, Bevormundungen und Vollmachten. Viele Urteile in Schuldsachen und anderen Angelegenheiten waren nur vorläufiger Natur, indem sie Entscheide vertagten oder gar

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Vgl. Crowston, Metanarrative. Detailliert eingeführt werden die Verfahren in Kapitel 4.2. Ab 1425, StABS, Gerichtsarchiv C. Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 27–29. Ab 1425, StABS, Gerichtsarchiv E. Diese sind überliefert seit 1394, mit der Ausgliederung der Vergichte und Sacharreste um 1425 ergab sich eine inhaltliche Fokussierung.

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Fälle zurückwiesen. Die Überlieferung ist für viele Fälle unvollständig, nur selten liegen umfassende Dokumentationen vor, die den Eindruck von Vollständigkeit vermitteln. Das liegt aber nicht nur an der lückenhaften Aufschreibepraxis und Überlieferung, sondern auch – und vermutlich gar hauptsächlich – an der Tatsache, dass viele Fälle nach einer ersten Schuldklage wieder aufgegeben wurden und sich deshalb die Spur in den Akten verliert.100 In der Stichprobe 1455 sind außer den Verfahren vor dem Schultheißengericht auch die Einträge im sogenannten Unzüchterbuch erfasst. Das Gremium der Unzüchter als Ratsausschuss hatte eine nicht abschließend zu klärende Rolle bei der Schuldeintreibung.101 Es ist zu vermuten, dass das Unzüchterbuch in ähnlicher Art wie das Vergichtbuch Schuldanerkennungen und damit verbundene Zahlungsversprechen verzeichnete, die jedoch oftmals eher kleine Schuldsummen betrafen. Trotz des etwas unklaren Entstehungskontexts wird das Unzüchterbuch auch angeführt, wenn Analysen nach Unterschieden zwischen den Verfahrensformen suchen.

100 Zur Überlieferungslage der Justiz siehe auch Smail, Consumption, S. 4. 101 Siehe dazu Kapitel 4.2.5.

2. Schulden eingehen Wer anhand von Gerichtsakten Schuldverhältnisse und Schuldbeziehungen untersucht, kann nicht erwarten, Schulden bei ihrer Entstehung zu fassen  – Aspekte der freiwilligen Gerichtsbarkeit,1 die allerdings in Basel von geringer Bedeutung waren, ausgenommen. Wenn ich hier trotzdem das Eingehen von Schulden an den Anfang stelle, dann im Wissen darum, dass Spuren davon in Dokumenten zu finden sind, die zu einem späteren Zeitpunkt entstanden, als die Schuld strittig geworden war. Die Beschreibungen von konkreten Situationen, in denen Schulden vereinbart wurden, stützen sich auf Überlegungen zur Begrifflichkeit von Schulden und zu möglichen Kategorisierungen. Ebenfalls in diesem Kapitel Platz gefunden haben Untersuchungen zu Sicherheiten und Garantien, die Schuldverhältnisse begünstigten. 2.1 Zur Begrifflichkeit Die Frage nach der zu verwendenden Begrifflichkeit hat zwei Dimensionen. Die erste dreht sich um die Frage, inwiefern sich moderne Konzepte, welche die Wahl der Begriffe suggerieren, auf die untersuchte Zeit übertragen lassen. Die zweite orientiert sich an zeitgenössischen Formulierungen und den möglichen Implikationen einer zu unkritischen Übernahme derselben. Um diesen Dimensionen nachgehen zu können, muss ich zuerst kurz zusammentragen, welche Begriffe und Wendungen in den Basler Gerichtsakten verwendet werden, um Schuldverhältnisse zu beschreiben. Eine typische Formulierung in einem Zahlungsversprechen lautet etwa: Der Schuldner gestand, er sei dem Gläubiger „einer rechten schuld unnd gelichenns geltz zetünd“, der Betrag belief sich in diesem Fall auf fünf Pfund.2 Das Verb leihen kommt – entweder in der obigen adjektivierten Form oder häufiger noch im Perfekt (jemand hat Geld

1 2

Vgl. zu dieser Kategorie Claustre, Introduction. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 42v.

Zur Begrifflichkeit

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geliehen)  – relativ häufig vor.3 Es bezog sich in den allermeisten Fällen auf geliehenes Bargeld.4 Varianten davon sind Fürsetzen und Borgen. Ersteres kommt eher selten und meist in Kombination mit leihen vor,5 Zweiteres – ebenfalls nicht häufig – betrifft vor allem Käufe auf Kredit, die auch heute noch als Borgkäufe bezeichnet werden.6 Zu erwähnen ist schließlich noch die Formulierung zu tun sein.7 Sie entspringt der Tatsache, dass Schulden zu einer Leistung verpflichteten, nämlich zum Bezahlen einer Geldsumme. Die Formulierungen nahmen entsprechend vor allem zwei Formen an, entweder bezogen sie sich auf eine Geldsumme8 oder ganz allgemein auf die Schuld,9 wobei die zweite Variante auch eine Kombination darstellen konnte, wenn jemand zugab, „schuldig unnd ze tünd“ zu sein.10 Der weitaus häufigste Begriff, der in allen Arten von Gerichtsakten zu finden ist, ist aber das schlichte schuld sein – so häufig, dass es sich hier nicht lohnt, Quellenbelege anzuführen. Auch die geforderten Beträge wurden schlicht als Schuld bezeichnet. Als Bezeichnung für Gläubiger findet sich der Begriff Schuldforderer.11 Der Begriff Schuldner hingegen war in seiner Verwendung zweideutig, er konnte sowohl den Gläubiger12 als auch den Schuldner13 bezeichnen. Er kommt in den Gerichtsakten allerdings eher selten vor. Aus dieser Zusammenstellung von verwendeten Begriffen sticht vor allem die Abwesenheit eines anderen Begriffs heraus: Von Kredit schrieben die Gerichtsschreiber nie, und es ist davon auszugehen, dass ihre Niederschriften den damaligen Sprachgewohnheiten entsprachen. Das war übrigens auch im französischen Sprachraum, wo 3

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Am häufigsten fand ich das Verb in Kundschaften und Vergichten, in Urteilen spielt es eine etwas kleinere Rolle. Beispiele etwa bei: StABS, Frucht und Brot A 1; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 151r; StABS, Gerichtsarchiv C 14, 119r und 124v; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 42v und 59r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 20v und 29v; StABS, Gerichtsarchiv D 12, 29v; StABS, Gerichtsarchiv D 14, 64r und 78r; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 1v, 20r, 72v, 92v, 121r, 135v, 154r, 157r, 172r, 177r und 189v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 24r und 135v; StABS, Gerichtsarchiv O 4, fol. 48v; StABS, Justiz D 1; StABS, Ratsbücher B 1, 16v und 109r. Vgl. Gilomen, Glaube, S. 123, der betont, dass der Begriff geliehenes Geld in Basel ein zinsloses Darlehen bedeutete. Z. B. „lihen unnd fursetzen“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 92v. Weitere Beispiele: StABS, Gerichtsarchiv D 14, fol. 66v; StABS, Gerichtsarchiv C 14, fol. 119r. Beispiele in StABS, Gerichtsarchiv D 16, 206v, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 93v, StABS, Gerichtsarchiv O 2, 47v. Beispiele in StABS, Gerichtsarchiv  A  41, 176v, 181r, 191r und 273r; StABS, Gerichtsarchiv  C  14, fol. 139r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 40v; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 1r, 19v, 127r, 133v, 159r, 162r und 208v; StABS, Gerichtsarchiv D 17, 116r; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 41v; StABS, Gerichtsarchiv O 4, 36r; StABS, Ratsbücher N 8, 29v. Z. B. in einem Vergicht: „von der xxx sh d [30 Schilling Pfennig] wegen er im zetunde was“, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 22v. Z. B. in einer Kundschaft über eine „schuld, so er im und annderen zu Dießbach zetund were“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 1r. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 230r. StABS, Gerichtsarchiv G 9, 27r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 215v. Z. B. in einer Kundschaft von 1496: StABS, Gerichtsarchiv D 16, 179v. Z. B. in einer Kundschaft von 1457: StABS, Gerichtsarchiv D 6, 117r.

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Schulden eingehen

das Wort crédit immerhin sprachlich näher lag, nicht viel anders: Julie Claustre hat festgestellt, dass man in Paris eher von dette sprach, was dem deutschen Schuld entspricht.14 Abgesehen vom Ausdruck leihen/geliehen, der auf Bardarlehen hinweist, sind die oben erwähnten Begriffe also nicht als Hinweis auf bestimmte Kredit- oder Schuldformen zu verstehen. Wer Geld einfordern wollte, sprach von Schulden.15 Die aus moderner Sicht sich stellende Frage, ob von Kredit oder von Schuld gesprochen werden soll, stellt sich damit aus Sicht der Quellen nicht. Im deutschen Sprachgebrauch suggeriert Kredit eine stärker formalisierte und institutionalisierte Art von Schulden, man denke etwa an Kreditverträge wie Hypotheken und Kleinkredite, während der Begriff Schuld allgemeiner und weiter gefasst zu sein scheint.16 Eine scharfe Trennung der beiden Begriffe existiert aber nicht, und sie scheint auch nicht sinnvoll zu sein.17 Im Englischen und Französischen übrigens hat credit neben dem materiellen Aspekt noch eine zweite Bedeutung, nämlich die Reputation einer Person, die über die finanziellen Möglichkeiten der Person hinauswies.18 Craig Muldrew postuliert, dass diese zwei Bedeutungen in der Vormoderne nicht zu trennen gewesen seien19 und dass Kredit und Reputation in der Gesellschaft zirkulierten.20 Statt aber hier die Frage der heutigen und mittelalterlichen Verwendung von Begriffen wie credit/crédit in anderen Sprachräumen und Schuld vertieft zu diskutieren, scheint mir der Versuch sinnvoller, von verschiedenen ForscherInnen vorgeschlagene konzeptuelle Unterscheidungen vorzustellen und diese der genauen Untersuchung der historisch existierenden Schuldformen gegenüberzustellen. Der Begriff Schuld soll sich fortan an der ebenso einfachen wie einleuchtenden Definition von Julie Claustre orientieren: La relation de dette est ainsi un concept que l’on peut définir par contraste avec d’autres concepts, celui de don-contre-don, celui d’échange marchand simple, celui de prélèvement. C’est une transaction qui engage une certaine quantité de biens, en général monétaire et évaluée en monnaie, un devoir de rendre – comme le don contre-don – et le temps, parfois clairement stipulé, ce qui le distingue de la vente simple, qui est soldée dès que conclue.21

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Claustre, Ethnographie, S. 39. Diese Feststellung deckt sich auch mit der Tatsache, dass in vielen Quellen, die die Begriffe leihen, zu tun sein und fürsetzen verwenden, auch der Begriff Schuld vorkommt. Fürs Französische stellt Laurence Fontaine auf der Basis von Émile Benveniste fest, dass das Begriffsfeld crédit auf Glauben und Vertrauen zurückzuführen ist („croyance, foi“), dette hingegen auf Machtverhältnisse hinweist („langage du pouvoir“), Fontaine, Economie, S. 19 f. Zur Unklarheit der Begriffe im heutigen Sprachgebrauch siehe z. B. Reifner, Thesen, S. 380–382. Crowston, Credit, S. 11, Fontaine, Economie, S. 20. Muldrew, Economy, S. 3: „To be a creditor in an economic sense still had a strong social und ethical meaning.“ Muldrew, Currency, S. 75. Claustre, Ethnographie, S. 37 f.

Zur Begrifflichkeit

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Das Konzept von Schuld entzieht sich folglich der seit Mauss’ Arbeit22 sattsam bekannten Logik von Reziprozität, ist aber auch abzugrenzen von einfachen Verkaufstransaktionen. Eine Schuld entsteht dann, wenn Geld oder eine in Geld bemessene Leistung nach einer gewissen Zeit zurückerstattet werden soll. Ob dabei die Zeit schon festgelegt ist oder ob die Leistung freiwillig gewährt wird oder nicht, spielt erst einmal keine Rolle. Ebenfalls bedingt die Schuld keine Beteiligung von Institutionen.23 Diese Definition zeigt vor allem, dass es sehr viele Formen von Verpflichtungen geben kann, die unter den Begriff der Schuld fallen. Daniel Smail stellt richtigerweise fest, dass in vielfältigen Situationen Schulden und Kredit entstanden. Er betont vor allem „the power and sophistication of the systems of credit, including the microcredit that fueled a number of everyday purchases“.24 Auf die vielen kleinen Schulden, die den Gerichtsalltag prägten, verweist Peter Schuster, wenn er feststellt, dass sie „von einer bemerkenswerten Alltäglichkeit“ waren.25 Schon Bruno Kuske betrachtete Kredite im Mittelalter als selbstverständliche wirtschaftliche Tatsache.26 Laurence Fontaine spricht von einem strukturellen Bedürfnis nach Kredit.27 In einem nächsten Schritt gehe ich nun auf verschiedene Vorschläge von Typologisierungen von Schulden und Schuldbeziehungen ein. Eine erste Unterscheidung ist diejenige zwischen formellen und informellen Kreditformen, wobei der Begriff formell institutionelle Kredite von Banken und Finanzmärkten bezeichnet.28 Claire Zalc und Claire Lemercier halten fest, dass informelle Kreditformen noch im 19. und 20. Jahrhundert von größter Bedeutung waren, während Laurence Fontaine betont, dass das Wucherverbot „den informellen, wucherischen Finanzsektor üppig sprießen“ ließ.29 Die Abwesenheit eines eigentlichen Bankenwesens30 nördlich der Alpen lässt diese Unterscheidung als wenig hilfreich erscheinen: War die ganze Schuldenwirtschaft von informellen Formen geprägt? Wie sollen formelle Kredite charakterisiert werden? Auf schriftlichen Verträgen beruhende Kreditformen wie Renten scheinen a priori einer starken Formalisierung zu entspringen.31 Lemercier und Zalc betonen, dass die Unter-

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Mauss, Essai. Lemercier/Zalc, Approche, S. 988. Smail, Plunder, S. 91 f. Schuster, Age, S. 40. Kuske, Entstehung, S. 5, original formulierte Kuske, „daß das mittelalterliche Wirtschaftsleben allseitig vom Kreditprinzip durchdrungen war“. Vgl. auch S. 10: „Die allgemeine Verschuldung des Bürgertums, das leichtsinnige und betrügerische Bankerottieren sind seit dem Mittelalter und sich daran anschließend im 16., 17. und 18. Jahrhundert eine betonte Zeiterscheinung.“ Fontaine, Economie, S. 101. Lemercier/Zalc, Approche, S. 988. Fontaine, Märkte, S. 39. Vgl. den Titel von Claustre, Crédit: „Vivre à crédit dans une ville sans banque“; van Zanden, Credit markets, S. 3 (im Abstract); Ehrensperger, Stellung, S. 343, bezeichnet hingegen Basel als „Bankenzentrum“, bezieht diesen Begriff aber auf die Tätigkeit von Kaufleuten und Wechslern. Siehe zu den Formen von Renten Gilomen, Anleihen.

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Schulden eingehen

scheidung von formellen und informellen Kreditformen selbst für die Forschung zum 19. und 20. Jahrhundert zu wenig hinterfragt worden sei.32 Umso mehr bedürfe sie für das Spätmittelalter einer genauen Definition. Diese wird hier aber nicht vorgenommen, weil die Einteilung von Schulden in formelle und informelle Kreditbeziehungen als wenig hilfreich erscheint. Ergiebiger erscheint die von Jürgen Schlumbohm vorgeschlagene Unterscheidung zwischen horizontalen („zwischen Personen bzw. Haushalten von vergleichbarer Statur“) und vertikalen („zwischen Ungleichen“) Kreditbeziehungen.33 Gerhard Fouquet unterscheidet für den ländlichen Raum in ähnlicher Art zwischen symmetrischen und asymmetrischen Kreditbeziehungen.34 Wie sich ein soziales Gefälle definieren und vor allem feststellen lässt, ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Es wird sich angesichts der oftmals spärlichen Angaben zu den beteiligten Personen in der Regel als schwierig erweisen. Trotzdem ist die Unterscheidung für diese Arbeit von grundlegender Bedeutung, denn sie zielt nicht auf die Form der Schuld, sondern auf die an ihr beteiligten Personen. Die entsprechenden Analysen werden aber nicht in diesem Kapitel an Einzelfällen vorgenommen, sondern sind Teil der später folgenden quantitativen Auswertungen. Eine weitere Dimension, die für die vorliegende Arbeit von größter Bedeutung ist, bildet das zentrale Kriterium einer Definition von Renata Ago. Kredite mit Bürgen, Sicherheiten und zirkulierenden Schuldscheinen werden als „indirect credit relations“ bezeichnet. Diese zeichneten sich insbesondere dadurch aus, dass Drittpersonen an Schuldbeziehungen beteiligt waren.35 Daniel Smail schließlich nimmt eine Unterscheidung vor zwischen Schulden, die vonseiten des Gläubigers freiwillig („voluntary“) eingegangen wurden, und solchen, die aus der Situation (und damit eher unfreiwillig, „circumstantial“) entstanden waren.36 Zu Ersteren sind bewusste Kreditvergaben wie Rentenkäufe und Hypotheken zu rechnen, während Letztere bei Lieferungen auf Kredit, Pachtzinsen und Löhnen, die nicht bezahlt wurden, entstanden. Bruno Kuske nannte die letzte Form eine „erzwungene Kreditbeziehung“, die aufgrund der Nichtbezahlung durch die Zahlungspflichtigen ohne eigentliche Kreditvereinbarung entstanden, und rechnete insbesondere Lohnzahlungen dazu.37

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Lemercier/Zalc, Approche, S. 988–990, konkret S. 990: „Comme la notion d’,institution‘, celle de ‚formel‘ ou d’,informel‘ perd de son utilité si on l’emploie comme un allant de soi, alors même qu’elle peut être étendue ou restreinte à l’envi.“ Schlumbohm, Kreditsicherung, S. 242. Fouquet, Kredit, S. 20: Symmetrische Kreditbeziehungen basierten auf persönlichem und sozialem Wissen, Netzwerken von Verwandtschaft, Freundschaft und Nachbarschaft, asymmetrische Beziehungen hingegen bestanden zwischen Personen aus unterschiedlichen sozialen Milieus. Ago, Notaries, S. 194. Smail, Consumption, S. 144 f. Kuske, Entstehung, S. 233.

Schuldformen und Schuldgründe

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Angesichts dieser Unterscheidungen und Vorschläge von Typologien scheint es sinnvoll, bei der Entstehung von Schulden auf die eigentliche Transaktion zu schauen und dabei auch die direkt und indirekt beteiligten Personen in den Blick zu nehmen. Dabei wird ein praxeologischer Ansatz verfolgt, indem einzelne, in Zeugenaussagen beschriebene Transaktionen genau beschrieben werden. 2.2 Schuldformen und Schuldgründe Bevor ich hier auf konkrete Szenarien der Entstehung von Schulden eingehe, versuche ich die oben angefangene Systematik weiterzuführen, indem ich die wichtigsten Schuldformen und Anlässe von Verschuldung anführe und mich dabei auf die Literatur zu Schulden im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit stütze. Der vielleicht wichtigste Anlass von Verschuldung war der Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen: Wenn Güter geliefert, aber nicht unmittelbar bezahlt werden, spricht man heute von Borgkauf oder Warenkredit.38 Dabei konnte es sich um alltägliche Konsumgüter wie Nahrungsmittel handeln, was faktisch auf Konsumkredite39 hinauslief, aber auch um die Lieferung von Rohstoffen an Handwerker.40 Die Beobachtung von Bruno Kuske von 1927, die Tätigkeit des mittelalterlichen Kaufmanns sei „von Kredit durchsetzt“ gewesen,41 trifft somit sicher zu, aber die Schuldenpraxis beschränkte sich nicht nur auf diese Berufsgruppe.42 Weitaus seltener, aber auch in dieser Kategorie anzusiedeln sind Vorschusszahlungen, mittels denen zum Beispiel Handwerker Rohstoffe kauften, oder der Kauf von Getreide „am Halm“, also vor der Ernte.43 Beim Warenkredit sind grundsätzlich nur zwei Parteien beteiligt: die eine, in der Regel die verkaufende, gewährt der anderen, meist der kaufenden Partei, Kredit in Form einer aufgeschobenen Zahlung. Bei der Geld- und Warenleihe hingegen können andere Parteien ins Spiel kommen. Geliehenes Geld wurde in der Regel für den Kauf von Konsum- oder anderen Gütern

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Clark, Debt, S. 253; laut Sturm, Privatkredit, S. 29, machte Kreditkauf im frühneuzeitlichen Hannover (1550–1750) etwas weniger als 40 Prozent aller Schuldverhältnisse aus, Beaulande, Traitement, S. 179, kommt für Reims gegen Ende des 15. Jahrhunderts gar auf 46 Prozent (sie untersucht dabei vor einem geistlichen Gericht verhandelte Schulden). Siehe z. B. Lipp, Aspekte, S. 18; Claustre, Crédit, S. 579; Fouquet, Kredit, S. 23; Fontaine, Economie, S. 32; Kuske, Entstehung, S. 27. Kuske, Entstehung, S. 28. Kuske, Entstehung, S. 37. Schulden in der kaufmännischen Praxis stehen auch in dieser Arbeit nicht im Vordergrund. Eine kleine Auswahl an Literatur: Burkhardt, Bergenhandel; Dyer, Merchant; Fontaine, Espaces; Häberlein/Jeggle, Praktiken; Holbach, Kredit; Irsigler, Kreditgewährung; Irsigler, Vertrauen; Kalus, Pfeffer; Małowist, Merchant; Steinbrink, Meltinger. Kuske, Entstehung, S. 25 (Vorschüsse auf Getreide und Wein); Kuske, Entstehung, S. 31 (Bevorschussung von Handwerkern und Fischern).

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Schulden eingehen

bei einer Drittperson verwendet. Es kann hier von Konsum- oder Kleinkrediten gesprochen werden, aber auch größere Geldsummen konnten geliehen werden.44 Neben den alltäglichen Konsumkrediten entstand in Notsituationen eine Nachfrage nach Gelddarlehen.45 Bestimmte Momente im Leben wie Hochzeiten oder Taufen führten zur Aufnahme von Darlehen, was Laurence Fontaine als Lebenszyklusschulden (Schulden im Zusammenhang mit dem „cycle de vie des ménages“) beschreibt.46 Die Vermietung von Waren ist ebenfalls in diese Kategorie zu rechnen.47 Sowohl Warenkredit als auch Darlehen lassen sich je nach Situation dem Verbrauchskredit (bzw. Konsumkredit) oder dem Erwerbskredit zuordnen.48 Die Vielfalt der Verwendungen von Krediten49 erschwert ihre Unterscheidung. Hans Füglister etwa hält fest, dass in den Schuldanerkennungen, die in den Basler Gerichtsbüchern festgehalten waren, „in der Regel die aus dem unmittelbaren alltäglichen Warenverkehr entstehenden Kleinkreditbedürfnisse abgedeckt wurden“.50 Er führt diese Schuldverhältnisse auf gewerbliche Beziehungen zurück. Es können dies einerseits Warenlieferungen zur Weiterverarbeitung oder zum Weiterverkauf sein. Andererseits ist auch denkbar, dass Konsumenten Güter auf Kredit bezogen. Die Unterscheidung lässt sich oft nicht treffen, und nur mittels Indikatoren wie Mengenangaben ist eine Einschätzung im Einzelfall möglich. In einer Untersuchung von Inventaren im ländlichen Württemberg des 17. Jahrhunderts stellen die drei Autoren folgende Verteilung über die zwei Kategorien fest: Der Konsum machte zehn Prozent aus, die Produktion 23 Prozent. Die restlichen 66 Prozent ließen sich nicht genau zuweisen oder stellten eine Mischform der beiden Kategorien dar, darunter am wichtigsten Liegenschaften mit 46 Prozent.51 Für Basel hält Gabriela Signori fest, dass die Gründe für die Schulden vor Gericht kaum verhandelt

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Clark, Debt, S. 253; Lipp, Aspekte, S. 18 (Kleinkredite für alltägliche Besorgungen); Claustre, Crédit, S. 579 (Konsumkredite); Kuske, Entstehung, S. 27 (Konsumkredite); laut Sturm, Privatkredit, S. 29, machten Darlehen rund 40 Prozent der Schulden, Leihgaben weitere fünf Prozent aus. Beaulande, Traitement, S. 179, zählt hingegen nur acht Prozent Darlehen unter den Schuldanlässen. Fontaine, Espaces, S. 1382; Sturm, Privatkredit, S. 58, erwähnt Schulden für Lebenshaltungskosten in Notsituationen. Fontaine, Economie, S. 32. Da ich in dieser Arbeit keine Angaben zum Alter der SchuldnerInnen und GläubigerInnen machen kann, kann ich diesen an sich interessanten Faden nicht weiterverfolgen. Es scheint, dass die Verschuldung im Lebenszyklus zuerst zunahm, um dann nach einem Höhepunkt in der Lebensmitte abzunehmen. Ältere Personen waren dann vermehrt als Gläubigerinnen anzutreffen, die Schuldzinsen dienten dabei als Altersversorgung. Vgl. Küpker/Maegraith/ Ogilvie, Household, S. 158; Vogel, Credit, S. 90. Vogel hält fest, dass viele bis spät im Leben an der Schuldenwirtschaft beteiligt waren. Fontaine, Economie, S. 32; Beaulande, Traitement, S. 179 (Mieten machten acht Prozent aller verhandelten Schulden aus). Kuske, Entstehung, S. 13. Siehe z. B. Häberlein, Kreditbeziehungen, S. 47. Füglister, Handwerksregiment, S. 95. Küpker/Maegraith/Ogilvie, Household, S. 142.

Schuldformen und Schuldgründe

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wurden – in den seltenen Fällen, in denen sie Erwähnung fanden, ging es in den ersten Jahrzehnten des 15.  Jahrhunderts oft um Pferde, später eher um „Brot, Holz, Leder, Leintuch oder Schuhe“.52 Eine klare Zuteilung lässt sich mit diesen spärlichen Angaben nicht machen.53 Ebenfalls nicht klar zwischen „Erwerbskredit“ und „Verbrauchskredit“ unterscheiden lässt sich laut Rudolf Holbach bei den Krediten im Zusammenhang mit dem Verlagswesen. Solche Warenkredite waren weit verbreitet und oft langjährig angelegt, oft mit der Formel „auf Arbeit geliehen“.54 Die Quellen des Gerichtsarchivs sind allerdings in dieser Hinsicht nicht eindeutig, obwohl das Verlagssystem auch in Basel bestimmt eine Rolle spielte, insbesondere in den Beziehungen mit dem Umland.55 Die weiteren Anlässe von Verschuldung lassen sich genauer umreißen. Von Bedeutung waren auf jeden Fall verzögerte Lohnzahlungen, bei denen der Kredit nicht unbedingt freiwillig gewährt wurde.56 Rudolf Holbach nennt dies „Kredit in Form von verzögerter Bezahlung von Leistungen“, erwähnt aber auch hier die Möglichkeit von Vorschusszahlungen.57 Weiter gaben verspätete oder ganz ausfallende Zinszahlungen (für Kredite, Mieten oder auch Grundzinsen) sehr oft Anlass zu Klagen, die sich somit nicht auf die Schuld selbst bezogen, sondern, modern ausgedrückt, auf den Schuldendienst.58 Die letzten beiden hier zu erwähnenden Formen spielen in dieser Arbeit eine vernachlässigbare Rolle, denn es handelt sich um Schulden, welche die öffentliche Hand betrafen: Erstens verschuldeten sich viele Personen, um Steuern und andere Beiträge zu bezahlen,59 zweitens gab es auch die Möglichkeit, von der öffentlichen Hand Kredite zu erhalten.60 Solche Schulden ließen sich aber in den Akten des Schultheißengerichts nicht nachweisen, die Stadt trat nie als Klägerin auf. Es ließen sich sicher noch andere Anlässe der Verschuldung untersuchen, die sich weniger an der Form der Transaktion orientieren. Wie oben schon festgestellt, geben in vielen Untersuchungen die Quellen nicht her, zu welchem Zweck man sich 52 53 54 55 56 57 58 59 60

Signori, Schuldenwirtschaft, S. 41 f. Das ist aber kein Basler Spezifikum. Hans Schlosser hält fest, dass sich auch in bayerischen Gerichtsakten der Schuldgrund selten ermitteln lässt: Schlosser, Zivilprozess, S. 273. Holbach, Rolle, S. 134. Siehe auch Holbach, Kredit; Małowist, Merchant, S. 74: „The putting-out system was a form of credit.“ Zum Verlag im Mittelalter allgemein siehe Gilomen, Kredit, S. 53 f.; Fouquet, Kredit, S. 31; Irsigler, Vertrauen, S. 57. Siehe z. B. Steinbrink, Meltinger, S. 73 und 92; Signori, Schuldenwirtschaft, S. 48. Das Verlagssystem war laut beiden vor allem im Textilgewerbe anzutreffen. Kuske, Entstehung, S. 23, zählt sie deshalb zu den erzwungenen Krediten, siehe oben. Vgl. auch Simon-Muscheid, Dinge, S. 127 f.; Clark, Debt, S. 253; Sturm, Privatkredit, S. 57, erwähnt aber auch, dass es freiwilligen Verzicht auf die Lohnzahlungen gab, dies aber eher eine Minderheit darstellte. Holbach, Rolle, S. 144. Clark, Debt, S. 253; Sturm, Privatkredit, S. 29, schätzt ihren Anteil auf 15 Prozent. Clark, Debt, S. 253; Fontaine, Espaces, S. 1383 (Geldleihe für die Bezahlung von Steuern); Fontaine, Economie, S. 32. Dies auch in Basel, siehe z. B. das städtische Schuldbuch, StABS, Finanz N 1.3. Vgl. auch Fontaine, Espaces, S. 1383.

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verschuldete. Ich führe deshalb als Beispiel die Ergebnisse von Beate Sturm an, die eine Statistik der Verschuldungsursachen im frühneuzeitlichen Hannover erstellt hat. Sie führt – mit absteigender Häufigkeit – folgende Ursachen an: Immobilien/Land, Lebensmittel, Abgaben, Alltagsgegenstände, Tonnen (Biergefäße), Schuldenbegleichung, Übergangsriten, Sold/Lohn.61 Was abschließend festzustellen ist, lässt sich am besten mit Julie Claustre ausdrücken. Sie stellt die Universalität der Kreditsituationen fest. Oftmals waren diese Situationen nicht „strictement financières: seigneurie, salariat, patronage, charité, amitié, mariage etc.“.62 Die mit den unterschiedlichen Anlässen verbundenen Kreditformen waren nicht weniger vielseitig, wie Renata Ago festhält: Zeugenaussagen in Zivilprozessen zeigen die Vielfalt von (oft nicht schriftlichen) Kreditvereinbarungen.63 Furió Diego unterscheidet bei seiner Untersuchung von Schulden im spätmittelalterlichen Valencia drei Kategorien: Obligationen, Darlehen und Renten. Während Darlehen gegen Zins vornehmlich von Juden gewährt wurden, entstanden Obligationen in Verkaufssituationen und anlässlich von Kleinkrediten. Sie wurden vor dem Gericht oder vor einem Notar schriftlich festgehalten.64 Renten schließlich waren Kaufgeschäfte: Man kaufte das Recht auf eine jährliche Zinszahlung bzw. ein „Rentenbezugsrecht“.65 Der Käufer der Rente (sprich der Gläubiger) konnte keine Rückzahlung verlangen, der Schuldner hingegen konnte freiwillig die Rente abzahlen. Bei Hans-Jörg Gilomen findet sich eine Zusammenstellung von weiteren Kreditinstrumenten wie Zinssatzung, Wiederkauf, Wechsel und Viehverstellung, welche im Kontext dieser Arbeit allerdings nicht von Bedeutung sind.66 Mit Ausnahme der stark formalisierten Renten geht es hier fast ausschließlich um die wenig formalisierten Schulden, welche Furió Diego als Obligationen bezeichnet. Rentenkäufe sind als einzige Schuldform in den Basler Quellen schon bei ihrer Entstehung zu fassen, denn sie wurden im Fertigungsbuch eingetragen, das die Funktion eines öffentlichen Notariats übernahm.67 In einer stark standardisierten Form hielten die Schreiber fest, dass ein Gläubiger vom Schuldner einen jährlichen Zins (eben eine Rente) für eine bestimmte Summe kaufte.68 Im Fertigungsbuch wurde dann zum Beispiel festgehalten, der Verkäufer bekenne, dass er dem Käufer „ze kouffen geben“ habe

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Sturm, Privatkredit, S. 38. Claustre, Crédit, S. 568. Ago, Notaries, S. 199 f. Furió Diego, Crédit, S. 427. Gilomen, Grundlagen, S. 145. Ausführlicher zu Renten: Gilomen, Anleihen. Gilomen, Grundlagen, S. 144 f. Siehe zu den Fertigungsbüchern in Basel Signori, Vorsorgen, S. 36–45 (hier werden sie im Detail vorgestellt); Signori, Geschlechtsvormundschaft. Das Schultheißengericht war nicht die einzige Instanz, die Rentenkäufe registrierte: Sie spielten auch vor den geistlichen Gerichtsinstanzen eine große Rolle, Albert, Mann, S. 242. Zur Rente als Kreditform (hier der öffentlichen Hand) siehe Gilomen, Anleihen, v. a. S. 166.

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„i lib [ein Pfund] geltz rechtz ierlichs zinses“ für die Summe von 21 Pfund.69 Renten konnten entweder beim Tod der KäuferIn erlöschen (sogenannte Leibrenten) oder aber ewig sein (Ewigrenten).70 Im Fertigungsbuch findet sich vornehmlich die zweite Form. Renten waren im Spätmittelalter weit verbreitet, weil sie eine wucherrechtlich unproblematische Form des Kredits darstellten.71 Sie hatten als langfristig angelegtes Kapital auch eine andere Funktion als die meisten vor Gericht verhandelten Schulden.72 Sie waren zum Beispiel eine gute Form der Altersvorsorge, als „saving for old age“.73 Gerade ältere Ehepaare legten oft den Verkaufsertrag ihrer Liegenschaft als Rente auf diese an, um ihr Alter zu sichern, Renten hatten also auch spezifische Funktionen im Lebenszyklus.74 Dies galt insbesondere für Frauen, die entsprechend häufig als Käuferinnen von Renten, sprich als Gläubigerinnen, anzutreffen waren und deutlich seltener als Verkäuferinnen.75 Genauere Angaben zum Basler Rentenmarkt des 16. Jahrhunderts finden sich übrigens bei Hans Füglister.76 Solche Renten stützten sich auf eine Sicherheit, die in den allermeisten Fällen aus einer Liegenschaft bestand, sei es ein Haus, seien es Gärten, Weinreben oder Äcker (Letztere oft im Falle kleinerer Summen).77 Vielfach entstand die Rente unmittelbar beim Kauf einer Liegenschaft.78 Im Rentenkauf hielten die Beteiligten auch fest, welche anderen Belastungen schon auf der Liegenschaft lagen. Dies diente einerseits dazu, die Prioritätsfolge im Falle von Zahlungsschwierigkeiten festzuhalten, andererseits der Kontrolle, dass Liegenschaften nicht übermäßig belastet wurden. Letzteres ließ sich aber nicht immer vermeiden.79 Viele Liegenschaften waren nicht nur mit Hypotheken, sondern auch mit grundherrschaftlichen Zinsen belastet.80 Auf die Rolle von Liegenschaften als Sicherheit gehe ich weiter unten ein.81 Vor Gericht verhandelt wurden bei Renten in der Regel nicht bezahlte, sogenannte versessene Zinsen. 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81

StABS, Gerichtsarchiv  B  7, 99. Aus den Angaben lässt sich der Zins auf 4,8  Prozent berechnen (1 Pfund Jahreszins für 21 Pfund). Meist lag der Zins bei fünf Prozent (Füglister, Handwerksregiment, S. 93). Kuske, Entstehung, S. 53; Gilomen, Anleihen, S. 166. Munro, Usury, S. 981 und S. 987; Ceccarelli, Thought, S. 287. Zur Rente als Anlageform siehe Signori, Schuldbuch (der Basler Kaufmann Ludwig Kilchmann legte sein ererbtes und von seiner Frau erhaltenes Vermögen relativ konservativ in vielen Renten an). De Moor/Zanden/Zuijderduijn, Micro-Credit, S. 651. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 91. Zur Vorsorgefunktion von Renten für Frauen Gilomen, Frauen, S. 104 und 106. Siehe auch Fontaine, Economie, S. 157; De Moor/Zanden/Zuijderduijn, Micro-Credit, S. 659. Füglister, Handwerksregiment, S. 92–128: „Die soziale Struktur des Rentenmarktes“. Füglister, Handwerksregiment, S. 92. Laut Füglister war es „in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Liegenschaft innerhalb der Stadt“, die als Sicherheit diente. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 267; Füglister, Handwerksregiment, S. 99. Beide bezeichnen diese Form als Hauskaufrente. Vgl. dazu Signori, Schuldenwirtschaft, S. 113. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 100. Siehe Kapitel 2.3.2.

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Die eigentliche Entstehung von Schulden war den beteiligten Parteien in den Gerichtsbüchern jedoch selten eine Erwähnung wert, allenfalls hielten die Schreiber in Vergichten in wenigen Worten fest, worum es ging.82 Auch die Urteile wandten sich selten dem Ursprung der Schuld zu. Erklären lässt sich das damit, dass dieser allen Beteiligten bekannt und meist nicht umstritten war. Wie wir später sehen werden, war es nicht Zweck des Gerichts, darüber zu urteilen, sondern eher eine Abzahlung zu regeln.83 Umso mehr interessieren deshalb einzelne Quellen, welche die Entstehung der Schuld darstellen. Es handelt sich dabei durchgehend um Kundschaften, d. h. Zeugenaussagen, die hier dargelegt werden.84 Kundschaften wurden von einer Partei eingefordert („gejagt“ in der Quellensprache85), um einen Sachverhalt vor Gericht von Zeugen darstellen zu lassen. Sie wurden vom Gerichtsschreiber nach Anhörung der Zeugen niedergeschrieben und als Urkunde ausgestellt, die im Prozess vor Gericht verlesen wurde.86 Wir müssen also Kundschaften mit Vorsicht lesen. Sie waren parteiisch und auf einen rechtlichen Sachverhalt ausgerichtet, den spätere BetrachterInnen meist nicht kennen. Informationen, die für die einfordernde Person ungünstig waren, wurden oft weggelassen, was die vielen Hinweise von ZeugInnen erklärt, etwas nicht genau zu wissen oder sich nicht erinnern zu können.87 Es ist davon auszugehen, dass Übertreibungen, Weglassungen und fiktive Elemente die Geschichten prägten.88 Neben diesen bewussten Manipulationen89 spielte auch die Erinnerung eine Rolle, die vor allem dann einen Streich spielen konnte, wenn Zeugen über weit zurückliegende Geschehnisse berichteten.90 Tom Johnson beschrieb die Beeinflussung des Verfahrens durch gezielt

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Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 41 f. Siehe Kapitel 5.2.3. Die hier folgenden Ausführungen stützen sich auf ein Sample von 35 Quellen aus den Jahren 1455 bis 1497, darunter 31 Kundschaften. Z. B. reagierte eine Partei vor Gericht auf die Feststellung, er müsse einen Sachverhalt beleben, Zeit zu verlangen, um „sin kuntschafft dar inn ze iagennde“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 215r. Zu den Basler Kundschaften ausführlich Sieber-Lehmann, Basel, S. 4–16. Sieber-Lehmann geht insbesondere auch auf die Bedeutung der Tatsache ein, dass die Aussagen unter Eid abgelegt wurden, was nicht zu unterschätzen sei. Ein Formular der Urkunde findet sich unter StABS, Gerichtsarchiv O 4, 27r. Simon-Muscheid, Reden, S. 43, spricht von „Nicht-Reden-Wollen, Nicht-Reden-Können, VergessenHaben-Wollen“. Simon-Muscheid, Dinge, S. 37, zum Rückgriff auf die „im kollektiven ‚imaginaire‘ vorhandenen, abruf- und in der Rede einsetzbaren Vorstellungen, Bilder und Stereotypen“. Siehe zur Rolle von fiktiven Erzählungen auch McSheffrey, Fiction, S. 73: „the archive is in the future-perfect tense – what is written is what will have been.“ Klassisch Zemon Davis, Fiction. Siehe zu Aussagestrategien und bewussten Ambivalenzen Simon-Muscheid, Dinge, S. 34–40. Teuscher, Recht, S. 177. Laut Teuscher werden die Erzählungen dadurch aber nicht „blass“, denn „an die Stelle der tatsächlichen Einzelheiten treten oft solche, die für die Art der erinnerten Situation gemäss einem jeweils aktivierten Schema oder Skript typisch scheinen“.

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angelegte Zeugenaussagen als „preconstruction of witness testimony“.91 Auch die Rolle des Schreibers bei der Verschriftlichung der Aussagen ist nicht zu unterschätzen. Die Kundschaften stellen oft eine Mischung aus indirekter und direkter Rede sowie stärker zusammenfassenden Textabschnitten dar.92 Die ZeugInnen konnten die Gelegenheit nutzen, „sich und andere Beteiligte im Geschehen zu positionieren“, indem sie ihnen bestimmte Worte in den Mund legten.93 Folglich dürfen Aussagen in Kundschaften, die außerdem keine abgerundeten Berichte mit klarem Anfang und Ende sowie einer Deutung der beschriebenen Handlungen waren,94 nicht als unmittelbare Erzählung der Ereignisse begriffen werden. Die Aussagen sind deshalb aber nicht wertlos, denn die Geschichten orientierten sich an bestehenden Normen und mussten auch den Zeitgenossen plausibel erscheinen.95 Die Zeugen erzählten zumindest, was gewesen sein könnte, und legten dabei den Fokus auf ritualisierte Handlungen beim Abschluss von Transaktionen. Sie berichteten über ein „complex repertoire of practices“.96 Weil oft mehrere Zeuginnen und Zeugen97 anwesend waren, ist auch davon auszugehen, dass Angaben zu Orten und sozialen Konstellationen, die rechtlich nicht von großer Relevanz waren, für die folgenden Analysen aber bedeutsam sind, mehr oder weniger korrekt waren. Trotzdem gilt es, bei den folgenden Beschreibungen von Transaktionen im Hinterkopf zu behalten, dass sich die Situationen auch anders abgespielt haben könnten als beschrieben. Es sind vor allem zwei Arten der Entstehung von Schulden, die in den Kundschaften beschrieben werden, nämlich die eigentlichen Bardarlehen sowie Schulden, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Gütern entstanden, die also aus Lieferungen auf Kredit erwuchsen oder, wie die Zeitgenossen sagten, wenn man „ze borg koufft“.98 Die folgenden Darstellungen orientieren sich an der Forderung von Julie Claustre nach einer „Ethnographie des transactions“, die sie definiert als description exhaustive de ces transactions, comme pratiques domestiques concrètes de création et de conduite des rapports aux autres à travers des rapports aux choses, et l’interprétation de leur rôle dans l’ensemble de la formation sociale.99

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Johnson, Preconstruction. Rösinger, Augen- und Ohrenzeugenschaft, S. 100, bezeichnet diesen Aspekt als „Eigenregie“ der Zeugen. Vgl. dazu Sieber-Lehmann, Basel, S. 12–14. Rösinger, Augen- und Ohrenzeugenschaft, S. 97. Rösinger, Augen- und Ohrenzeugenschaft, S. 99. Rösinger, Augen- und Ohrenzeugenschaft, S. 90. Hardwick, Witnesses, S. 117. Es waren viele Frauen unter den ZeugInnen, die außerdem aus allen Gesellschaftsschichten stammen konnten, Rösinger, Augen- und Ohrenzeugenschaft, S. 93; siehe zur Rolle des Geschlechts von ZeugInnen allgemein Kane, Memory. StABS, Gerichtsarchiv O 2, 47v. Claustre, Ethnographie, S. 35.

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Solchermaßen betrachtet, erzeugten Schulden Beziehungen.100 Eine genaue Betrachtung von einzelnen Situationen des Aushandelns von Schulden versucht auch eine Kritik von Laurence Fontaine aufzugreifen, die festgestellt hat, dass individuelle Praktiken selten im Fokus der Forschung waren.101 2.2.1 Bardarlehen Die Kundschaften, die Bardarlehen beschreiben, zeigen ein Bild des mehr oder weniger verzweifelt nach einem Geldleiher suchenden künftigen Schuldners. Ein gewisser Heinrich Wagener erzählte seine Not und Suche nach Geld mit folgenden Worten: Da were in nott angangen, daz er gelt must haben. Da were im anzeig bescheen an Jacob Franck zu Mulhusen, der hett gelt unnd lih uss unnd machte zins, also hett sich diser zug erhept unnd were gen Mulhusen zu Jacob Franck gangen102

Die Angabe, dass Jacob Frank „Zins macht“, ist übrigens der einzige Hinweis auf die Praxis von Bardarlehen gegen Zins, den ich im gesamten Quellenmaterial finden konnte, und es ist wohl kein Zufall, dass der Gläubiger nicht in Basel ansässig war.103 Es ist außerdem denkbar, dass Frank ein jüdischer Geldgeber und somit vom Wucherverbot ausgenommen war. Die Sache scheiterte laut der Aussage von Wagener schlussendlich, denn Frank bat ihn, nach einer Woche wiederzukommen, wenn ein anderer Schuldner sein Geld zurückbezahlt habe. Wagener versuchte zuerst, diesen Schuldner zu überreden, ihm direkt das Geld zu geben, was scheiterte. Als er nach einer Woche wieder in Mülhausen war, erhielt er das Geld doch nicht, denn Frank setzte es für einen anderen Zweck ein.104 Eine Zeugin aus Basel erzählt, wie ein Mann zu ihnen ins Haus gekommen sei und „ir vater im uff sin [d. h. des Schuldners] vlissig bitt einen guldin gelihenn“ habe, ein Zeichen dafür, dass die Suche nach einem Darlehensgeber nicht immer einfach war.105 So erzählen die Kundschaften denn auch von abgelehnten Wünschen. Auf die Bitte, ob er einer Frau namens Margreth von Fach 20 Gulden auf einen beschlagenen Gürtel leihen könne, antwortete der Ratsherr und Meister Hans Briefer, „daz er solich gelt nit hett“.106 Weshalb der wohlhabende Briefer das Geld, übrigens eine beträchtliche 100 101 102 103

Claustre, Ethnographie, S. 38. Fontaine, Economie, S. 31. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 92v. Sonst hätte diese Aussage zur Strafverfolgung aufgrund der Wuchergesetzgebung in Basel führen können, vgl. Gilomen, Glaube, S. 122 f. 104 Die Kundschaft wurde übrigens vom anderen Schuldner eingefordert, der damit wohl belegen wollte, dass er seine Schuld zurückbezahlt hatte. 105 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 72v. 106 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 172r.

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Summe, nicht hatte oder borgen wollte, erklärte er in seiner Zeugenaussage nicht.107 Er wusste aber weiter zu erzählen, dass Margreth von Fach mithilfe einer weiteren Frau einen Gläubiger auftrieb, und auch, dass die Schuld später beglichen worden sei. Auch Fridlin Wolfeisen lehnte mit den Worten „er habe kein gelt“ ab, Henslin Schinken ein Darlehen zu geben, machte dann aber einen anderen Vorschlag. Er bot nämlich an, dass Henslin Pflugscharen, die Wolfeisen im Auftrag von Ludwig Peiger verkaufen sollte, zu sich nehme. Mit diesen „möchte er gen Nüwenburg108 gan und versuchen, ob er die möchte um bargelt verkoffen, welt er im dz gelt ein zyt gunden [vermutlich gönnen109] ze bruchen und im darum zil gegen Ludwig verschaffen“. Zur Sicherheit stellte Henslin zwei Bürgen. Die Kundschaft erzählt dann noch, wie Peiger einen Knecht ausschickte, um die Schuld zurückzufordern, und auch tatsächlich die Bezahlung erlangen konnte.110 Wofür das Geld eigentlich gebraucht werden sollte, erzählen diese Geschichten nicht. Eine Ausnahme stellt ein Schuldner von St. Gallen dar. Er sagte aus, dass ihm auf seiner Heimreise von Genf ein Mitreisender „uff der stras ein mergklichen sum furgesetzt“ habe, offenbar handelte es sich dabei um einen Betrag, den er zum Reisen benötigte.111 Ein anderes Beispiel betrifft ein Gelddarlehen, das auf einem Feldzug von Basler Truppen gewährt wurde. Ein Söldner erhielt, „als der gespilt hette, vi gld [6 Gulden] gelihen die zü nemlichen zyten zebezalen“.112 In den bisherigen Kundschaften wird über das Verhältnis der beteiligten Personen und allfälliges Wissen über die Kreditwürdigkeit und andere Aspekte kaum etwas bekannt. Etwas anders gelagert ist das folgende Beispiel: Ein Metzger namens Jakob Bratteler sagt aus, sein Schwager Bastian habe ihn um Rat gefragt in der Sache von Michel Rutschlin, der auf seine Fleischbank (d. h. den Arbeitstisch des Metzgers) fünf Gulden leihen wollte. Bratteler empfahl, bei Michels Bruder Rudolf Rücksprache zu nehmen, denn dieser sei ein „wilder man, unnd mocht uber nacht den banck ansprechen“. Nach Rücksprache mit Rudolf, der keine Einwände hatte, kam das Geschäft zustande. Als nun Bastian die Fleischbank nutzte (offenbar war dies im Rahmen der Verpfändung möglich), erzürnte dies Rudolf. Vor der Metzgerzunft wurde – immer noch laut der Kundschaft – eine Lösung ausgehandelt, die darin bestand, dass Rudolf

107 Briefer wird in der Steuerliste des Reichspfennigs von 1497 mit einem Vermögen von über 1.000 Gulden geführt. 108 Gemeint ist damit wahrscheinlich Neuenburg am Rhein (heutiges Deutschland). 109 Lexer, Bd. 1, Sp. 1119. 110 StABS, Gerichtsarchiv D 12, 13r. 111 StABS, Gerichtsarchiv D 14, fol. 66v. 112 StABS, Gerichtsarchiv  D  14, fol. 78r. Es handelte sich um den kaiserlichen Flandern-Feldzug von 1488, zu dem Basel ein Söldnerkontingent beisteuerte, vgl. Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 132 f.

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(anstelle seines Bruders) die fünf Gulden zurückerstattete und damit auch die Fleischbank wieder übernahm.113 Die hier aufgeführten Beispiele zeigen vor allem auf, dass es offenbar nicht einfach war, an Bardarlehen zu gelangen, denn die beschriebenen Situationen sind geprägt von Verhandlungen und auch der Weigerung, Geld zu verleihen. Als Sicherheit spielten Pfänder eine Rolle, die Fälle sind zum Teil der Pfandleihe zuzuordnen. Auf die Rolle von Pfändern gehe ich weiter unten im Kapitel zu den Sicherheiten noch genauer ein.114 Die Schwierigkeiten der Schuldner, an einen Geldleiher zu gelangen, decken sich mit der Beobachtung von Daniel Smail, dass Geldleihe vonseiten des Gläubigers selten freiwillig war. Der Anteil von „deliberate moneylending“ sei klein gewesen im Vergleich zum „volume of credit and debt that arose from force of circumstance“.115 Solche eher unfreiwillige Kreditgewährung geschah aber eher anlässlich der Transaktion von Gütern. 2.2.2 Verkaufssituationen Die zweite häufige Konstellation waren, wie erwähnt, Verkaufssituationen, in welchen die Schulden meist durch eine vereinbarte Zahlungsfrist entstanden.116 Solche Situationen machten wohl auch den Großteil der Schuldnerliste des Krämers Stefan Offenburg aus, die Hans-Jörg Gilomen ediert hat.117 Die ersten Beispiele, die ich hier anführe, sollen vor allem aufzeigen, dass es den Verkäufern durchaus bewusst war, dass Verkauf auf Kredit mit einem Risiko verbunden war. Ein Zeuge brachte mit seinem Meister, mit dem er wohl auch verwandt war,118 Wein in die Stadt Basel, und „als sy mit dem win uff dem margkt hielten“, konnten sie ein halbes Fuder an Peter von Busch verkaufen. Dabei vereinbarten sie ein Zahlungsziel von acht Tagen, und der Verkäufer bemerkte: „zalstu [zahlst du] mich inn der zitt mit lieb, ich darff dir einandermal mer wins geben, wan du des notdurfftig bist“. Als nun der Zeuge vor dem Haus des Käufers darauf wartete, den Wein abliefern zu können, kam der Käufer mit einem Mann daher. Dieser „murmelt […] umb bezalung, den[n] er im ouch vormals win verkowfft hett“. Der Zeuge konfrontierte Peter von Busch mit der Aussage, dass „etlich lut in disen zuigen ubel trosten und sagten, er [d. h. von Busch] wurd sinen meister mit lieb nit bezalen“. Dieser reagierte mit dem Versprechen, innerhalb der Zeit zu zahlen oder er sei „nit ein

113 114 115 116 117 118

StABS, Gerichtsarchiv D 16, 101r f. Siehe Kapitel 2.3.2. Smail, Plunder, S. 92. Vgl. Smail, Consumption, S. 144. Gilomen, Kleinkredit, S. 117. Beide trugen den Nachnamen Mendlin und stammten von Bamlach.

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biderbman“.119 Daniel Smail beobachtete übrigens, dass die Zahlungsfristen von den Gläubigern oder, besser gesagt, von deren Beruf abhängen konnten.120 Auch die nächsten Beispiele zeugen von der Wichtigkeit des Vertrauens in den Schuldner und weisen auf längerfristige Geschäftsbeziehungen hin. Ein Hans Lutenmacher von Waldshut kam ins Haus des Zeugen, eines Baslers namens Lypold, der ihn fragte, wo er „mit sollichenn hubschen kostlichen dingen harkeme“, wie viel diese kosteten und „ob er es bezalt hette“. Lutenmacher antwortete, die drei Gulden müsse er im Sommer bezahlen. Den weiteren Verlauf der Diskussion gab der Zeuge wie folgt wieder: „es neme in fromde, daz er [der Verkäufer] im sollichs one gelt geben hett. Redte aber der selbe Hanns, er hette im vormals zwo luten bezalt und er wolte im daz ouch gütlich bezalen.“ Der Zeuge schließt den Bericht mit der Aussage ab, Lutenmacher sei einige Zeit später wieder vorbeigekommen und habe erzählt, er habe bezahlt. Weiter berichtete er, der Sohn des Verkäufers habe ihn wegen der schon bezahlten Summe zur Rede gestellt, und wenn der Sohn „nitt entrunnen“ wäre, so hätte er ihn „erstochen“.121 Hans Lutenmacher war also bereit, zum Messer zu greifen, um seinen Ruf als guter Schuldner zu verteidigen. Etwas weniger dramatisch ist der nächste Fall, in welchem der Zeuge mit zwei Begleitern zu Ganser dem Schuhmacher ging, um Schuhe für sich und einen der Begleiter zu kaufen. Da sie aber „ire schühe nit ze bezalen hatten und inen Ganser nutzit uff borgs geben wollte“, meinte der Dritte: „gebent inen die schuhe und schribent mir die an zu miner schulde. Ich wil uch gnug darumb tün, den[n] ich kenn die gesellen wol.“122 Hier ist es eine Drittperson, welche in einer längeren Schuldbeziehung mit dem Verkäufer stand (er ließ die Schuhe ja an seine Schuld anschreiben) und mit dem Hinweis auf seine persönliche Beziehung die nötige Sicherheit schuf. Dies war wohl umso wichtiger, als alle drei Männer, die zum Basler Schuhmacher Ganser gingen, nicht aus der Stadt stammten. Die Art der Zahlung, Raten und Zahlungsfristen sowie das Festhalten der Schuld waren in den obigen Kundschaften offenbar schnell geregelt, nachdem das Vertrauen hergestellt war. Die folgenden Beispiele zeigen, dass diese Aspekte auch Gegenstand intensiver Verhandlungen sein konnten: Zwei Basler, einer davon der umtriebige Metzger Ulrich Mornach,123 hatten in Oberbergheim124 Schweine gekauft, die sie aber aus ungenannten Gründen nicht gleich mitnehmen konnten. Einige Zeit später schickten sie deshalb den Zeugen, um die Schweine zu holen. Als dieser nun beim Verkäufer eintraf und vereinbarte, die halbe Kaufsumme bar zu bezahlen, gingen längere Verhand119 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 114Av. 120 Smail, Plunder, S. 107 f.: Gewisse Zahlungen (an „wet nurses, priests, chandlers, tailors, and bakers“) konnten herausgezögert werden, andere („sellers of clogs, chickens, and wheat“) mussten sofort bezahlt werden. 121 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 62v. 122 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 93v. 123 Vgl. zu ihm Simon-Muscheid, Reden, S. 44 f. 124 Wahrscheinlich das heutige Bergheim im Elsass.

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lungen los. Mit der Bemerkung, dass „iederman sterblich wer“, wollte der Verkäufer „kerb zettel uffrichten“,125 wozu der Zeuge keine Vollmacht hatte (und auch die Kosten scheute). Er ließ sich aber dazu überreden, mit zu einem Schreiber zu gehen und die Namen seiner Auftraggeber anzugeben. Nachdem dies geschehen war, machte der Verkäufer einen erneuten Rückzieher und wollte nur noch acht statt zehn Schweine verkaufen. Also schlug der Zeuge vor, den Kauf neu zu vereinbaren; er zahlte die nun wieder zehn Schweine bis auf 17 Gulden ab. Den neu erstellten Schuldzettel brachte der Zeuge dann seinen zwei Auftraggebern (ohne sagen zu können, was damit weiter geschah).126 Diese Konstellation von Aufträgen, die sich nicht direkt umsetzen lassen und wo die definitive Abrechnung sich den Beauftragten entzieht (man habe nie „ye gehort, welher teil dem andern schuld wer“127), findet sich noch in anderen Fällen.128 Neben den bisher vor allem vorkommenden Zahlungsaufschüben finden sich auch konkrete Aussagen zur Vereinbarung von Ratenzahlung. Der Verkauf von Getreide, der in Fislis im Elsass beschlossen wurde, war offenbar längere Verhandlungssache. Erst nach „vil tedingen“129 fanden die Parteien eine Einigung, die darin bestand, dass zehn Pfund im Herbst und somit ein gutes halbes Jahr später bezahlt werden mussten, der Rest aber schon am Fasnachtstag und damit innerhalb einiger Wochen fällig war. Auf welche Summe sich dieser Rest belief, war den Zeugen nicht ganz klar, die Angaben schwanken zwischen acht und zehn Pfund. Diese Unsicherheit ist schwierig zu erklären, legten die Parteien doch während der Verhandlungen fest, welcher Preis pro Mengeneinheit an Dinkel und Hafer gerechnet werden sollte.130 Offenbar waren es dann doch acht Pfund, denn ein weiterer Zeuge berichtet, wie die Schuldner zur Fasnacht auf der Suche nach Bargeld waren, weil sie die Schuld nicht bezahlen konnten. Das war insofern sehr wichtig, als sie bei der Vereinbarung zugestanden hatten, dass bei einer Versäumnis die ganze Summe fällig würde. Ratenzahlung konnte auch aus einer einfachen Zahlungsfrist entstehen, wie im Fall von Lienhard Riby, der eigentlich bis Mittfasten Zeit gehabt hätte, ein erworbenes Schwein zu bezahlen, dem Käufer aber erst nach Ostern einen Teil der Kaufsumme (nämlich ein Pfund und sechs Schilling) gab und die restlichen neun Schilling erst im Herbst. Diese zweite Rate sei

125 126 127 128

129 130

Es war wohl kein Kerbholz gemeint, sondern eine Schuldanerkennung, die in der Funktion ja dem Kerbholz nahe kam. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 47v f. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 118r. In einem ähnlichen Auftragsverhältnis standen der Knecht und die Magd von Thüring Münch, die beide zum Fischer geschickt wurden, um dort Fische zu beziehen. Beide Zeugen berichten, wie dieser die Lieferungen „an ein kerben gesnitten“ habe, wissen aber nichts weiter über die darauf folgende Abrechnung (siehe die oben zitierte Aussage), StABS, Gerichtsarchiv  D  6, 118r. Siehe auch StABS, Gerichtsarchiv O 2, 47v. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 117r, siehe zur Aussage über lange Verhandlungen auch StABS, Gerichtsarchiv D 6, 14v: Ein Hauskauf fand nach „nach vil worten“ statt. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 117r.

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aber „in mittler zit zweymal durch einenn metziger knecht erfordert worden“.131 Der Rest der Quelle erklärt den Kontext zu dieser Aussage, denn die Schweine wurden von zwei Basler Metzgern gemeinsam gehalten,132 und als der eine sich mit den Worten, er wolle „dannathin nutzit me mit im zeschaffen haben“, aus dem Geschäft zurückzog, war dieser Geldbetrag offenbar umstritten.133 Nur diesem Umstand verdanken wir das Wissen über eine offenbar ganz übliche Schuldbeziehung, die in erster Linie dadurch entstand, dass der Käufer die Ware nicht bezahlen konnte und es immerhin schaffte, den Gläubiger mehr als ein halbes Jahr hinzuhalten. Auch Verkäufe, die im Auftrag des Besitzers ausgeführt wurden, konnten mit verzögerten Zahlungen verbunden sein: Peter Malenstein aus Basel hatte im Auftrag eines Goldschlagers von Ulm Gold verkauft, und zwar „zu liebe und fruntschafft“. Ein Bote aus Ulm warf Malenstein nun vor, das Geld nicht erstattet zu haben. Da dieser aber erklärte, er habe beim Verkauf des Goldes Zahlungsfristen (bzw. Ratenzahlung in zwei Raten) gewährt und deshalb noch gar kein Geld erhalten, welches er unterschlagen könnte, entschied das Gericht, dass der Goldschlager diese Fristen abwarten müsse. Sollte er nach Ablauf der Frist nicht bezahlen, könne der Goldschlager dann entstehende Kosten zur Hauptsumme schlagen.134 Die Höhe der Schuld hing in hohem Maß davon ab, wie der Preis für Güter festgelegt wurde. Das war durchaus nicht immer fix. Etwa als einem Käufer ein „kessel für x lib gebotten, und im darzü acht tage zyl geben“ wurde – Ziel geben war eine häufig vorkommende Formulierung für das Gewähren einer Zahlungsfrist.135 Bezahlt hat der Käufer dann nur drei Pfund, er blieb „dz ubrig noch schuldig“. Weil der Kessel in einem Haus eingebaut war und erst nach dem Herausbrechen sein genauer Wert feststellbar war, hielten die Parteien fest: „wer sache, dz er besser wer, so solte er me darumb geben. Wer er swecher, so solte er minder darumb geben.“136 Auch beim Wein musste ein Preis festgelegt werden. Ein Zeuge erzählte etwa, wie er einem Schmied half, Wein zu kaufen, indem er ihn zu einem Weinverkäufer begleitete. Nachdem der Schmied Wein degustiert hatte, fragte ihn der Zeuge, „wie im der win gefalle“, und erhielt die Antwort, „er gefalle im wol“, worauf ein Verkauf vereinbart wurde, „nemlich fur ieglichen söm ii lib i ß“.137 In einem anderen Fall legten die Parteien auf ähnliche Weise einen Preis fest, ohne aber zum Zeitpunkt des Kaufes genau zu wissen, wie viele Saum Wein die gekauften Fässer wirklich enthielten.138 Auch hier war die Höhe der Schuld beim Kauf 131 132 133 134 135 136 137 138

StABS, Gerichtsarchiv D 16, 191v. Sie hätten die „swin mit ein annder gemein gehept“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 192r. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 192r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 125v. Vgl. Grimm/Grimm, Wörterbuch, Bd. 31, Sp. 1051. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 81v. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 120v. Der Wein sollte übrigens bar bezahlt werden, was offenbar nicht geschah, denn der Verkäufer war es, der die Kundschaft einforderte. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 133v.

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nicht genau auszumachen. Außerdem sollte das Geld nicht dem eigentlichen Verkäufer, sondern einer Drittperson übergeben werden. Verschiedene Kaufmodalitäten werden in der folgenden Kundschaft ersichtlich: Im Auftrag eines Johann Pirry von Montbéliard gingen die Zeugen einer Kundschaft auf die Suche nach Ölfässern, die ein verstorbener Händler namens Richard hinterlassen haben könnte – einer ging gar erfolglos bei allen Kleinhändlern der Stadt (Grempern) vorbei. Zwei Zeugen erklärten, wie sie jeweils ihre Geschäfte verrichtet hatten: Der eine Zeuge meinte, wenn er ye öley kouffe oder koufft habe, so balde den[n] die vass ler sient worden, so habe er mit denen, von den er koufft hette, gerechnet und inen die vass wider geben.139

Der Kauf wurde also erst nach dem Weiterverkauf des Öls, als auch die genaue Menge eruiert und der Zwischenhändler selbst wieder zu Bargeld gekommen war, verrechnet und wohl auch bezahlt. Ein anderer Zeuge hingegen hatte ein Fass bei Richard bar bezahlt und dabei eine Summe von vier Gulden pro „omen“140 vereinbart. „Nach anzal des oleis, als sich den funden hette, do das fass ler würde“, blieb Richard dem Zeugen noch etwas mehr als einen Gulden schuldig. Diese Schuld wurde nie beglichen, und so fand sich denn auch beim Zeugen ein Ölfass.141 Die eigentliche Transaktion sowie die oftmals angeforderten Sicherheiten führten im nächsten Beispiel dazu, dass ein einfacher Kauf von Textilien eine ganze Zahl von Leuten involvierte. Der erste Zeuge erzählt, wie seine Frau einen Mantel von einem Basler Tuchhändler ausgewählt habe und dabei 18 Schilling schuldig blieb. Er erwähnt weiter, dass er von „ettlich burgschaften“ wisse, die damit zusammenhingen, ohne die Angelegenheit näher zu verstehen. Komplex wird die Sache nun mit der Aussage des Tuchhändlers, wonach nämlich ein Schneider von Balschweiler den Stoff kaufte und dabei die 18 Schilling schuldig blieb. Diese Schuld wollte der Schneider zuerst nicht akzeptieren: Er habe „das tuch nit wellen lasen, er geb im denn das geld oder aber versprech, im die xviii ß zebezalen“. Der Schneider versprach zu bezahlen und empfahl außerdem, der Tuchhändler solle „in sin büch schreiben, daz das tuoch Morand Smerber zu gehörtte; das hett er diser zug also ingeschriben“. In der Folge starb der Schneider, ohne die Schuld zu begleichen, weshalb sich der Tuchhändler an die Erben wandte, welche wiederum Smerber vor das geistliche Gericht in Basel riefen. Smerber erklärte sich – immer noch laut der Aussage des Tuchhändlers – bereit, die Schulden an sich zu begleichen, nicht jedoch die inzwischen aufgelaufenen Kosten.142

139 140 141 142

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 35v Ein Weinmass, Idiotikon, Bd. 1, Sp. 211. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 35v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 123r f.

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2.2.3 Gegenseitige Verrechnung Eindeutig auf längere Geschäftsbeziehungen weisen all die Fälle hin, welche eine gegenseitige Verrechnung von Schulden erwähnen, ein im Spätmittelalter weitverbreitetes Vorgehen, bei dem beide Parteien über die Lieferungen und Zahlungen Buch führten und erst nach längerer Zeit diese Leistungen gegeneinander verrechneten.143 Laurence Fontaine stellt in Bezug auf kleine Händler fest, dass „les comptes ne sont jamais fermés et que crédits et remboursements se mêlent inextricablement les uns aux autres“.144 An anderer Stelle komme ich auf die Häufigkeit gegenseitiger Verrechnungen in den Schuldanerkennungen zurück.145 Hier möchte ich kurz darlegen, wie ein solches Verfahren in ausführlicheren Beispielen beschrieben wurde (denn meist war diese Tatsache den Schreibern nur eine kurze Erwähnung wert, wie etwa in einem Zahlungsversprechen wegen „verrechnetter schuld“146 oder mit dem kurzen Hinweis „uff rechnung“,147 der sich in vielen Einträgen des Vergichtbuchs findet). Eine Kundschaft erzählt, wie zwei Parteien in Gegenwart von drei namentlich erwähnten Zeugen miteinander „ein guttlich rechnunng umb alle unnd yegklich sachen, so sy mitt einander biss hier zetunnd […] nutzit ussgenommen, besessen [darüber sitzen, prüfen148] unnd getan“ hätten.149 Die Differenz von zwei Pfund beglich die betreffende Partei in bar, wonach die andere deklarierte, nun keine Ansprüche mehr zu haben. Dies wurde entsprechend im Gerichtsbuch festgehalten. Übrigens lassen die Namen der Beteiligten darauf schließen, dass die Parteien verschwägert waren.150 Eine solche Rechnung setzte (wohl je nach Komplexität) eine gewisse Kompetenz voraus. Das zeigt sich bei der Aussage eines Niklaus von Alenspach „studius“, der gebeten wurde, „die rechnung zwischen Hanns Rotenbach, und im [dem Auftraggeber] zeschriben, selichs er diser zug getan, unnd mit Clausen uff der metziger zunffthus gangen were, unnd hette allerly schulden angeschriben“.151 In einem anderen Fall beschloss das Gericht, dass die zwei Parteien

143

144 145 146 147 148 149 150 151

Kuske, Entstehung, S. 41 f.; Fontaine, Economie, S. 103, spricht von oft vorkommenden langen Geschichten von gegenseitigem Austausch. Muldrew, Economy, S. 107, sieht „‚recon‘ or compare accounts“ als wichtigste Form der Kreditrückerstattung, wobei nur die Differenz in bar bezahlt worden sei. Claustre, Comptes, zeigt anhand des Rechnungsbuches eines Pariser Schneiders die Langfristigkeit von Geschäftsbeziehungen auf, die nur zu wenigen Zeitpunkten mittels Verrechnung bilanziert wurden. Fontaine, Economie, S. 259. Siehe den entsprechenden Abschnitt in Kapitel 4.3.7. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 38v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 5v. Siehe Idiotikon, Bd. 7, Sp. 1776. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 47v. Die Frau des einen trug den gleichen Nachnamen wie der andere, beide hießen Runser. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 193v.

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einer annder ir begerten schulden uss iren buchernn abschrifft geben sollen, unnd das sellich schrifften durch ein notary gegen ein annder collationniert [kollationieren: prüfend vergleichen] werden sollen.152

Gegenseitige Verrechnung setzte ein gewisses Maß an Schriftlichkeit voraus, und in diesem komplizierten Fall153 sollte die Überprüfung gar durch einen Notar geschehen. Gegenseitige Verrechnungen bargen auch Konfliktpotenzial, und es war zu Beginn durchaus unklar, wer am Schluss in wessen Schuld stehen würde.154 In einem Fall erzählt ein Zeuge, dass auch beim Rechnen keine Einigung diesbezüglich gefunden worden sei, als er hinzugekommen sei. Die Beteiligten seien nämlich „in einer rechnung ettwas stossig [d. h. uneinig, in Konflikt155] gewesen, also daz yettwederer teil gemeint, daz ein dem andern schüldig sin solt“.156 Laut eigener Angabe schaffte es der Zeuge, die zwei Streitparteien zu einer Vereinbarung zu überreden und damit ein Gerichtsverfahren zu verhindern – zumindest vorläufig, denn aus irgendeinem Grund machte er die Zeugenaussage.157 Es konnte außerdem umstritten sein, welche Leistungen in einer Rechnung einbezogen waren. Ein Beteiligter an der Rechnung etwa meinte auf die Aufzählung von Arbeiten, welche die andere Partei noch anrechnen wollte: „sollichs wer alles gerechnet“.158 Die gegenseitige Verrechnung konnte durchaus lange Zeiträume umfassen. Zum Beispiel sollten zwei Kaufleute gemäß einem Urteil vom Sommer 1455 eine Abrechnung für den Zeitraum von 1448 bis 1453 erstellen.159 Der Fall war damit nicht gelöst, denn sie schienen keine Einigkeit erzielt zu haben. Der eine musste deshalb sämtliche Unterlagen vorlegen, was er offenbar auch machte. Ein eigentlicher Entscheid ist aber nicht überliefert.160 Entlang dieser Beispiele stellt sich heraus, dass die Verrechnung eine konfliktreiche Angelegenheit (wie im ersten Beispiel) sein konnte. Um ihr Geltung zu verschaffen, 152 153

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 233r. Siehe den Fall Flach-Gallician im Kapitel 6.3.1. Es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass die beiden vor Gericht standen. 154 Vgl. dazu auch die Kundschaft eines Vogtes, der die Schulden der Frau, deren Vogt er war, zusammenstellte, mit den Guthaben verrechnete und etwas erstaunt feststellte, dass sie bei einigen Bürgern der Stadt verschuldet war: Er habe „all schulden, so dieselb schuldig gewesen, als im furgehalten were, gesumiert unnd gegenschulden dawider unnd […] dieselb frow nit einem, sonnder ettwan manichem burger zetund verbliben“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 127r. Dieselbe Thematik von unklaren Bilanzen hat Michael Blatter im frühneuzeitlichen Engelberg beobachtet, Blatter, Gericht, S. 258. 155 Idiotikon, Bd. 11, Sp. 1657. 156 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 133v. 157 Da derjenige die Kundschaft einforderte, der gemäß der Regelung noch Schulden hatte, ist unklar, weshalb. Vielleicht musste er sich gegen eine noch höhere Forderung des Begünstigten wehren. 158 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 41v. 159 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 109v. 160 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 116r und 120v.

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konnte man Spezialisten wie den „studius“ oder Notare beiziehen und allenfalls einen öffentlichen Ort (wie das Metzgerzunfthaus im oben erwähnten Fall) aufsuchen. Geschah dies nicht, war es sinnvoll, Zeugen beizuziehen. Diese konnten in der Kundschaft dann auch erwähnen, dass sie „ouch da by gewesen und dar zu erbetten“ gewesen seien, dass man sie also gezielt aufgeboten hatte in der Rolle als Zeuge.161 Leider erwähnte der Zeuge, der im Streit hinzukam und schlichtete, nicht, weshalb er in das Haus des einen Beteiligten gekommen war, in welchem die Szene sich abspielte. Nach dieser Übersicht über die Zeugenaussagen zu gegenseitiger Verrechnung sehen wir auch, was die Zeugen nicht oder nur knapp erzählten, nämlich wer welcher Partei welche Lieferungen und Arbeiten verrechnen konnte. 2.2.4 Soziale Settings des Schuldenmachens Es fällt auf, dass in den meisten der hier erwähnten Kundschaften viele Personen erwähnt wurden oder als Zeugen auftraten, die nicht aus der Stadt Basel stammten. Das ist ein Phänomen, das die Kundschaften allgemein betrifft und zu einer Übervertretung im Vergleich zu allen Fällen der Stichproben führt.162 Orte außerhalb Basels waren ziemlich häufig Schauplatz von geschäftlichen Transaktionen. Von Büron im heutigen Kanton Luzern über Ortschaften in der unmittelbaren Nähe Basels wie Rheinfelden und solchen im Elsass (wie etwa Altkirch) bis zu weiter entfernten wie Ulm lässt sich ein breites Spektrum an geografischen Räumen festmachen. Damit verbunden ist eine entsprechende Mobilität, die selbst auch zum Schuldgrund werden konnte, wie wir im oben erwähnten Fall eines Darlehens „uff der stras“ von Genf her gesehen haben.163 Die Kundschaften schweigen sich über die genaueren Ortsangaben in der Regel aus – es schien keine Rolle zu spielen, ob die Geschäfte dort auf Marktplätzen oder in privaten Häusern stattgefunden hatten. Etwas genauer sind die Ortsangaben innerhalb der Stadt Basel. Hier stellt sich heraus, dass oftmals in Häusern von Privaten Geschäfte getätigt wurden. So ging der Schuldner, der später Pflugscharen verkaufte, zum Haus seines (indirekten) Gläubigers. Auch bei der Geldleihe ist ein Fall belegt, bei dem der Schuldner das Haus des Gläubigers betrat.164 Bei Verkaufstransaktionen liegt es nahe, dass sie im Haus oder „laden“165 des Handwerkers oder Händlers stattfanden. Andererseits kam es vor, dass die verkauften Waren zum Haus des Käufers geliefert wurden. Der oben erwähnte Käufer

161 162 163 164 165

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 41v. Vgl. zur Herkunft der Personen Kapitel 4.1. StABS, Gerichtsarchiv D 14, fol. 66v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 72v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 121r.

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mit dem schlechten Leumund wurde vor seinem Haus166 von einem zufällig anwesenden Bekannten (denn er war ja mit ihm zum wartenden Lieferanten gekommen) der Unehrlichkeit beschuldigt.167 Dies übrigens, nachdem der Lieferant nach eigenen Angaben zwei Stunden vor dem Haus gewartet hatte. Auch andere Häuser kamen als Ort für Verhandlungen über Transaktionen infrage. So berichtet ein Werlin Oswald von einem Getreidehandel auf Kredit, der in seinem Haus abgeschlossen wurde. Neben dem Verkäufer und den zwei Käufern waren noch mindestens drei weitere Personen im Haus, welche die Transaktion bestätigten.168 Andere Kundschaften wiederum erzählen von Häusern, die nach dem Handel aufgesucht wurden und in welchen die Beteiligten von ihren Geschäften erzählten, wie im oben erwähnten Fall von Hans Lutenmacher. Erwähnung finden schließlich auch öffentliche oder halböffentliche Plätze und Gebäude in der Stadt Basel. Während sich die Verkaufs- und Werkstatträumlichkeiten hinsichtlich ihres allenfalls halböffentlichen Charakters einer präzisen Definition entziehen, sind Transaktionen auf dem Markt wie im Fall einer Weinlieferung169 oder auf der Rheinbrücke (wo ein Pferdehandel nachbesprochen und offenbar nochmals aufgegriffen wurde170) klar dem öffentlichen Raum zuzuordnen. Tatsächlich sind es in den hier untersuchten Kundschaften aber eher Ausnahmefälle, die sich in solch öffentlichen Settings abspielten. Zu erwähnen ist noch, dass die beteiligten Parteien bei komplizierteren Angelegenheiten wie der erwähnten Verpfändung einer Fleischbank oder Teilung von Anteilen an Schweinen das Zunfthaus aufsuchten, um dort (wohl unter Vermittlung von anderen Anwesenden) eine Einigung zu erzielen.171 Was bei den räumlichen Settings der wiedergegebenen Transaktionen auffällt, ist die Tatsache, dass sie oftmals an mehreren Orten stattfanden. Zu erwähnen sind etwa der künftige Schuldner, der auf der Suche nach einem Kreditgeber Häuser und Ortschaften abklapperte, der Händler, der an einem Ort eine Transaktion abschloss und anschließend die Ware lieferte, und schließlich all die Leute, die an einem anderen Ort von ihren Geschäften erzählten. Neben räumlichen Settings interessieren auch die personellen Konstellationen der in den Kundschaften erzählten Transaktionen. Was fast alle Kundschaften gemeinsam haben, ist die Präsenz von Drittpersonen.172 Sie sind in der Rolle als Erben, Ausführende von Aufträgen, Bürgen, Vermittler, Informanten, Geschäftspartner und als Zeugen

166 Vgl. zu Rügeritualen vor dem Haus des Beschuldigten in der Frühen Neuzeit Haldemann, Haus, S. 442 und 445 f. 167 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 114Av. 168 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 117r. 169 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 114Av. 170 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 21r. 171 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 101r f.; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 191v f. 172 Vgl. dazu die Beobachtung von Claustre, Ethnographie, S. 47, dass Schuldbeziehungen oft multilateral waren.

Schuldformen und Schuldgründe

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anzutreffen.173 Die Beteiligung von Drittpersonen war es auch oftmals, die diese Fälle so komplex machte, dass Gerichtsprozesse notwendig wurden. Nur dank dieser Personen gab es überhaupt Zeugen, die als nicht direkt Involvierte eine Kundschaft ablegen konnten. Es ist in den oben erwähnten Kundschaften oft so, dass eine oder mehrere Personen als Zeugen dabei waren. Zeugen waren entweder anscheinend zufällig anwesend, wie die Tochter eines künftigen Gläubigers in dessen Haus,174 oder aber sie wurden gezielt beigezogen, wie der Zeuge, den der Schwager der Verkäuferseite bei einem Liegenschaftsverkauf „gebetten habe, mit ime zegande“,175 oder wie der Begleiter beim erwähnten Kauf von Wein. Oben habe ich auf eine Situation mit gleich vier Zeugen in einem Privathaus hingewiesen. Weitere Zeugen waren nicht unmittelbar anwesend, sondern erfuhren erst nachträglich von Transaktionen,176 andere wiederum erscheinen in den Kundschaften, ohne dass sich erschließen ließe, in welcher Form sie an der Geschichte beteiligt waren. Aus welchem Grund auch immer die Zeugen vor Ort waren oder sonst von der Sache erfuhren: Ihre Präsenz und ihr Wissen von den Vorgängen verschafften den Transaktionen eine gewisse Öffentlichkeit, selbst wenn sie in Privathäusern stattfanden. Ihre Aussagen konnten später bemüht werden und waren von einigem Gewicht, was auch andere Studien feststellen. Craig Muldrew etwa meint zur eminenten Rolle von Zeugen: „Witnesses, rather than account books, were the most important form of security for debts and other agreements, throughout all levels of society.“177 Zeugenaussagen waren auch im spätmittelalterlichen Reims wichtige Beweismittel: „La dette se situe dans un réseau social, qui peut se porter garant des accords passés.“178 Gar eine wichtige rechtliche Rolle bei der Bekundung von Rechtsvorgängen beobachtet Sabrina Stockhusen.179 Unvermittelte Anwesenheit war gleichsam ein Signum der Vormoderne.180 Andere Drittpersonen mochten mehr oder weniger direkt an der Transaktion beteiligt sein, wie etwa der Besitzer der Pflugscharen oder derjenige, der den Schuhmacher die Kosten für die Schuhe an seine Schuld anrechnen ließ. Bei beiden lässt sich auch fragen, inwiefern sie jeweils eine Vermittlerrolle spielten.181 Weiter fanden sich Beauf-

173

Zu verschiedenen Arten der Beteiligung von Zeuginnen und Zeugen siehe Rösinger, Augen- und Ohrenzeugenschaft, S. 93 f. 174 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 72v. 175 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 14v. 176 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 62v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 133v. 177 Muldrew, Economy, S. 62. 178 Beaulande, Traitement, S. 183. 179 Stockhusen, Rechnungsbuch, S. 164: „Mindestens zwei Zeugen waren notwendig, um die geforderte Öffentlichkeit zur Bekundung eines Rechtsvorgangs herzustellen.“ 180 Dazu umfassend Schlögl, Anwesende. 181 Vgl. dazu Häberlein, Kreditbeziehungen, S. 46, der die Frage nach Kreditvermittlern als Forschungsdesiderat bezeichnet.

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tragte, Boten oder Angestellte wiederholt in der Rolle von Zeugen wieder, etwa bei der Lieferung von Wein oder beim Kauf von Fischen.182 Nach der Untersuchung der nicht direkt involvierten, aber doch anwesenden Personen sollen nun die eigentlichen Hauptakteure – also SchuldnerIn und GläubigerIn und ihre Beziehung – im Mittelpunkt der Analyse stehen. Es ist davon auszugehen, dass diese nicht zufällig zustande kam, sondern eine Vorgeschichte hatte. Dass sich die Kreditaufnahme oft auf bestehende Beziehungen und Netzwerke stützte, wurde in der Forschung vielfach betont.183 Besonders Erwähnung finden nebst der Familie Nachbarn, Freunde, Verwandte und weitere, zum Beispiel berufliche Netzwerke.184 Solche Kategorien lassen sich in den hier beschriebenen mittelalterlichen Basler Settings allerdings kaum ausfindig machen, insbesondere finden sich keine Hinweise auf familiäre oder nachbarschaftliche Beziehungen. Laurence Fontaine betont, dass es sich lohnt, zwischen Kreditkreisen zu unterscheiden. Neben Familie und Freunden gab es auch weiter gespannte Kreise wie das Dorf (in der Dauphinée), Arbeitsbeziehungen und gar Fremde.185 Es scheinen in den Basler Beispielen diese größeren Kreise zu sein, welche den Rahmen des Schuldenmachens darstellten. Für Marseille im 14. Jahrhundert hat Daniel Smail den Anteil an „impersonal contracts“, die nicht mit anderen Beziehungen in Zusammenhang standen, auf 31 Prozent geschätzt.186 Das ist allerdings ein Minimum, weil er kommerzielle Kommenda-Verträge und Kredite bei Juden dazuzählt, bei anderen Formen aber nicht belegen kann, worin die Beziehung bestand. Smail zitiert in diesem Kontext ein englisches Beispiel aus der Frühen Neuzeit, das zu anderen Zahlen kommt: 67 Prozent der Kredite fanden zwischen Nachbarn, 17 Prozent in der Verwandtschaft statt, 16 Prozent erscheinen „impersonal“.187 Wie hoch diese Anteile in Basel im hier gewählten Untersuchungszeitraum waren, lässt sich aufgrund fehlender Angaben nicht ermitteln. Was hingegen festgestellt werden kann, sind Fälle, in denen eine längere wirtschaftliche Beziehung bestand. Julie Claustre hat schon konstatiert, dass sich Schuldbeziehungen oft auf vorher bestehende ökonomische Beziehungen zwischen Handwerkern und Kunden, Mietern und Eigentümern oder ähnliche Konstellationen stützten.188 McLean und Padgett unterscheiden in ihrer Untersuchung von Handelskrediten in Florenz anhand des catasto von 1427 zwischen relationalen und transaktionalen Krediten, wobei Erstere reziproke und mehrfach erwähnte, Letztere hingegen einmalige 182 Zum letzten Beispiel siehe Fußnote 128. 183 Z. B. bei Claustre, Crédit, S. 589: „Le crédit mobilisait des solidarités.“ 184 Claustre, Crédit, S. 589; Bolton, Merchants, S. 70, für Londoner Kaufleute; über Arme in Hannover meint Sturm, Privatkredit, S. 185: „Vor allem sie waren angewiesen auf ein Netz von Kontakten in Familie, Verwandt-, Freund- und Nachbarschaft.“ 185 Fontaine, Espaces, S. 1378; Fontaine, Economie, S. 35. 186 Smail, Consumption, S. 139. 187 Wrightson and Levine, Poverty and Piety, zitiert in Smail, Consumption, S. 140. 188 Claustre, Ethnographie, S. 45.

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Transaktionen umfassen.189 Im Einzelfall lassen sich Erstere fassen, wenn etwa ein Kaufmann in einer Kundschaft berichtete, dass ihm jemand „allerley in irer laden und gwerb schuldig“ sei.190 Offensichtlich längere Schuldbeziehungen waren gegeben, wenn Schulden gegenseitig verrechnet wurden.191 Drei der oben erwähnten Beispiele erwähnen explizit bestehende Beziehungen, eine geschäftliche im Fall der verkauften Laute,192 eine tendenziell private im Fall der Schuhe.193 Der Goldschmied, der Gold aus Ulm verkaufte, tat dies aus Freundschaft und wiederholt: „Als er ouch vormals ettwe dick [d. h. häufig194] getän habe“, der Konflikt bezog sich denn auch auf den „letsten kouff “.195 Geschäftliches und Privates mochten sich hier vermischen, aber die Kundschaften beschreiben keinen engen sozialen Kontakt, sondern eher Bekanntschaften im weiteren Sinne. Die lange Geschäftsbeziehung bzw. die lange Schuldbeziehung war somit die Grundlage für weitere Beziehungen, seien sie auch nur geschäftlicher Art. Wie auch immer sie zu qualifizieren sind, wirkten sie vertrauensbildend. Samuel Schüpbach hat in Bezug auf das 16.  Jahrhundert für Basel darauf hingewiesen, dass unter anderem Bürgschaftsbeziehungen für Verbindungen sorgten, die er als „Verflechtung“ bezeichnet.196 Das ebenfalls dokumentierte Zögern von Gläubigerinnen und Gläubigern zeigt jedoch, dass es sich nicht um blindes Vertrauen handelte, sondern Sicherheiten ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger waren. Davon zeugen die Bürgen, Pfänder und weiteren Regelungen zur Absicherung der Schuld, auf die ich unten zurückkomme.197 Abschließend gehe ich hier noch auf die Frage ein, weshalb in den vorliegenden Fällen Kundschaften überliefert sind. Gab es Kundschaften, weil die Möglichkeit eines Prozesses immer im Raum stand und die Beteiligten entsprechende Vorkehrungen (sprich die Präsenz von Zeugen) trafen, oder war es vielmehr so, dass die mehr oder weniger zufällige Präsenz von Zeugen Gerichtsprozesse begünstigte, weil dank ihnen überhaupt Kundschaften existierten und so erst Sachverhalte vor Gericht bewiesen werden konnten? Das teilweise gezielt erfolgte Beiziehen von Zeugen lässt einige Fälle klar der ersten Kategorie zuordnen. Dennoch muss dieser Sachverhalt nicht für alle Fälle zutreffen. Deshalb ist davon auszugehen, dass viele weniger öffentliche Transaktionen nicht vor Gericht gezogen wurden.

189 McLean/Padgett, Credit, S. 17 (37,6 Prozent der Kredite waren relational). 190 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 39v. Der Verdacht bestätigt sich, wenn sie anschließend „us dem buch vom einem zum anndern stuck ein luttere rech[nung] getan“ und sich eine Schuldsumme von fast 20 Pfund ergab. 191 Siehe Kapitel 2.2.3. 192 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 62v. 193 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 93v. 194 Idiotikon, Bd. 12, Sp. 1238. 195 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 125v. 196 Schüpbach-Guggenbühl, Schlüssel, S. 163. 197 Siehe Kapitel 2.3.

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Schulden eingehen

Das eigentliche Schuldverhältnis war in vielen dieser Kundschaften nicht zentral und, wenn auch Hintergrund, so doch nicht Auslöser von Prozessen. In einigen Fällen führte der Tod des Gläubigers dazu, dass ein Prozess geführt wurde, in anderen Fällen räumliche Distanzen. Wie erwähnt, waren meistens Drittpersonen in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen involviert. Das zeigt sich beispielhaft an einer kurzen Kundschaft zu einer Pfandleihe. Die Gläubigerin erzählt, sie habe „einen gulden uff ein swartze schuben [Mantel] geliehen“, welchen die Schuldnerin, als sie „sy hin und enweg musste“, nicht bar rückerstatten konnte.198 Die Folge war, dass sie den Mantel rechtmäßig für sich behielt. Die Kundschaft schließt mit der Bemerkung, ein gewisser Hans Müller habe mit der Sache nichts zu tun. Die einfache Pfandleihe stellte also nicht das Problem dar, sondern die Frage, ob Müller der Gläubigerin Geld gegeben hatte und somit auch auf die Schuldnerin zurückgreifen konnte. Die räumliche Distanz bestand hier darin, dass die Schuldnerin verreisen musste (die Gründe werden nicht genannt). Fast wichtiger scheint die (im vorliegenden Fall angeblich nicht) involvierte Drittperson zu sein. Da lange nicht alle umstrittenen Schulden in einen aufwendigen Prozess inklusive der Aufnahme von Zeugenaussagen mündeten, ist hier von einer Verzerrung auszugehen: Die komplexen Konstellationen, die den Erzählungen der Zeugen zugrunde liegen, waren Grund und Auslöser für die Aufnahme der Kundschaften. Deshalb ist anzunehmen, dass viele Schuldgeschäfte so unkompliziert verliefen wie die erwähnte Pfandleihe, die damit endete, dass die Gläubigerin den verpfändeten Mantel behielt. Die hier angeführten Fälle sind somit nur bedingt repräsentativ für den Alltag des Schuldenmachens, aber sie zeigen doch, dass räumliche Mobilität und vielfältige Kontakte und Transaktionen zur Schuldenwirtschaft der Stadt Basel und ihrer Umgebung gehörten. Die Kundschaften schließlich setzen sich nicht mit den Motiven der Beteiligten auseinander. Das wäre aus Sicht der Zeugen einerseits spekulativ, andererseits für die juristische Würdigung des Sachverhalts nicht von Bedeutung. Es ist deshalb meist nicht nachzuvollziehen, weshalb ein Gläubiger/eine Gläubigerin die Entscheidung fällte, Kredit zu gewähren. Ein bedeutendes Motiv mochte gewesen sein, überhaupt ins Geschäft zu kommen. Vormoderne Märkte wiesen oft eine schwache Nachfrage auf, was die Bereitschaft der Käufer erklärt, Kredit zu gewähren.199 2.2.5 Schuldgründe in den Stichproben Nach dieser Analyse von Einzelfällen aus Kundschaften komme ich zu einer kurzen Darlegung der erwähnten Schuldgründe in den Quellen der zwei Stichproben. Zuerst ist zu erwähnen, dass in beiden Stichproben rund 85 Prozent der Fälle keinen Schuld-

198 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 135v. 199 Ago, Notaries, S. 195.

Schuldformen und Schuldgründe

53

grund oder Schuldanlass erwähnen.200 Bei den folgenden Überlegungen ist deshalb zu berücksichtigen, dass sie nur eine kleine Minderheit von Schuldverhältnissen zum Gegenstand haben.201 Am häufigsten erwähnt werden sogenannte versessene, d. h. überfällige Zinsen.202 Dies geschah nicht nur in Frönungen, sondern auch in Urteilen, im Vergichtbuch und (seltener) in Verboten.203 Bei knapp der Hälfte der versessenen Zinsen der Stichprobe von 1455 lassen sich zusätzliche Angaben machen. So sind sieben Fälle eindeutig als Hauszinsen, d. h. als eigentliche Mietzinsen, zu identifizieren.204 Am häufigsten (mit 13 Fällen) lassen sich die Zinsen allerdings auf eine Rente zurückführen. Die Erwähnung von Missbau (d. h. Verwahrlosung der Liegenschaft),205 die vereinzelt vorkommt, ist kein Hinweis darauf, ob das Haus als Sicherheit bei einer Rente diente oder ob ein Mietverhältnis vorlag. 1455 ist übrigens ein einziger Kornzins erwähnt, der ausstehend war und deshalb zukünftig in Form von Getreide abgegolten werden sollte.206 Die von der Beschlagnahmung bedrohten Liegenschaften waren somit auf drei unterschiedliche Arten in Schuldverhältnisse involviert: als Mietobjekt, als Sicherheit für Renten sowie aufgrund von grundherrschaftlichen Zinsen. Letztere sind nicht direkt fassbar bzw. wurden so nicht in den Quellen erwähnt, es lässt sich aber aufgrund der vielen kirchlichen Institutionen, welche Frönungen wegen versessener Zinsen vornahmen, darauf schließen.207 Eine quantitative Verteilung über die drei Kategorien lässt sich nicht eruieren, dazu fehlen schlichtweg zu viele Angaben. Zudem war auch den Zeitgenossen nicht immer klar, welche Art von Zins zur Diskussion stand, wie sich beim

200 1455: 691 von 795 Schuldbeziehungen, 1497: 687 von 824. Vgl. dazu Piant, Procès, S. 24: „Il est souvent difficile de déterminer l’objet du litige“: Mal wurde der Streitgrund nicht klar festgehalten, weil der Prozess nicht zu Ende geführt wurde, mal waren es mehrere Gründe. 201 Gabriela Signori schreibt zu den erwähnten Gründen für Schulden: „Quantifizierbar bzw. belastbar sind diese Belege aber nicht, dafür sind es einfach zu wenige.“ Signori, Schuldenwirtschaft, S. 42. 202 Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 79: Versessene Zinsen wurden laut Signori als Frönungsgrund immer wichtiger. 203 1455 waren es auf 51 Erwähnungen von versessenem Zins 17 Frönungen, 16 Urteile, zehn Zahlungsversprechen und zwei Verbote, 1497 auf 33 Erwähnungen knapp gleich viele Frönungen (16, was für eine gewisse Konzentration auf dieses Verfahren spricht, denn es sind rund die Hälfte aller Fälle im Gegensatz zu einem Drittel 1455), mit sechs deutlich weniger Urteile, je vier Zahlungsversprechen und Verbote. 204 Vgl. auch StABS, Gerichtsarchiv  D  16, 107r: Beim Mieterwechsel wurde die vorherige Mieterin aufgefordert, noch ausstehenden Zins zu bezahlen oder Pfänder zu hinterlegen. 205 Zum Missbau siehe Signori, Schuldenwirtschaft, S. 79. 206 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 9v. Kornzinsen, d. h., die Bezahlung der Zinsen für eine Gült oder Rente in Form von Getreide, waren verbreitet, wurden aber bekämpft, da bei Barzahlung oft beim Umrechnen zu hohe Zinsen angesetzt wurden. Siehe z. B. StABS, Justiz D 1 (Bestimmungen über Zinsen bei Geldleihen, Korn und Wein, ungefähr 1513). 207 Vgl. auch Signori, Schuldenwirtschaft, S. 80 f.

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Schulden eingehen

Verkauf eines Ackers zeigte, wo der Käufer „by dem liecht besehen“ feststellte, dass sich die „widerkouffig“ Zinsen als „ewig“ herausstellten.208 Zur Untermalung der Belastung von Häusern mit verschiedenen Arten von Zinsen führe ich hier ein Beispiel für mehrfache Zinsbelastung an. Diese wurde im Zusammenhang mit Immobilienverkäufen oft zum Thema. Ein Haus „zem Tolden“ war vom Predigerkloster gefrönt worden, weil Zinsen ausstehend waren. Der Verkäufer des Hauses erreichte nun, dass seine Bautätigkeit im Haus („den buw, den er darinn getan habe“) entschädigt und ein anderer Zins (den Herren von St. Peter geschuldet) übernommen wurde.209 Im Gegenzug verpflichtete er sich, den Predigern den ausstehenden Zins zu zahlen. Eigentliche Gelddarlehen in der Form von Bardarlehen fanden selten Erwähnung. Ein Zahlungsversprechen betraf 2,5 Pfund und zwei Schillinge, die „bar gelihen“ waren.210 Eine fast identische Formulierung findet sich auch 1497 bei einer Schuldsumme von fünf Pfund elf Schilling.211 Bei den wenigen Fällen (total sieben Erwähnungen in beiden Stichproben) fällt auf, dass die Schuldsumme immer erwähnt wurde. Es handelte sich um vereinzelte sehr hohe, aber auch sehr geringe Summen: Den erwähnten Bardarlehen von drei bzw. fünf Pfund stehen Summen zwischen 70 und fast 600 Pfund gegenüber. Die höchste Summe ist auf 500 bar dargeliehene Gulden zurückzuführen, welche laut einer Kundschaft bei auswärtigen Gerichten eingetrieben werden sollten, was aber nicht gelang.212 Die Bardarlehen sind zu unterscheiden von den Renten, die ebenfalls in bar bezahlt wurden. Hinter dem Begriff versessene Zinsen verstecken sich in der Regel Renten und nicht Bardarlehen. Lebensmittel wurden als Schuldgrund in der späteren Stichprobe am zweithäufigsten erwähnt, in der früheren jedoch deutlich weniger.213 Der Mittelwert der Schuldsummen belief sich 1497 auf rund zehn Pfund, die Summen schwankten zwischen 1,7 und 18 Pfund. Diese Summen sind eher auf Verrechnung über längere Zeit oder einzelne große Transaktionen zurückzuführen und deuten damit wohl weniger auf die Versorgung von Haushalten als auf Handel mit Lebensmitteln hin. Als Beispiel dient etwa die Lieferung von 14 Viernzeln Getreide, die Gegenstand eines Zahlungsversprechens von drei Nichtbaslern an einen Meister Hans Rennhard war. Dies entspricht rund 1,5 Tonnen Getreide.214 Etwas anders sieht es bei nicht lagerbaren Lebensmitteln aus. Zum Preisvergleich verwende ich bei den zwei folgenden Beispielen Angaben aus den Quellen des Basler Spitals.215 In der Stichprobe von 1497 ist der Kauf von Fischen 208 209 210 211 212 213 214 215

StABS, Gerichtsarchiv D 16, 113v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 78v (Urteil vom 18. März 1455). StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29v. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 24r. Das deckt sich mit der Beobachtung von Gabriela Signori: Signori, Schuldenwirtschaft, S. 41. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 36v. Umrechnung gemäß den Angaben in Idiotikon, Bd. 1, Sp. 1022. Zusammengestellt bei Tscharner-Aue, Wirtschaftsführung.

Schuldformen und Schuldgründe

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dreimal Gegenstand eines Vergichts.216 Mit den genannten Schuldsummen von zwischen 1,7 und drei Pfund konnte man etwa 11–20 Karpfen oder 310–560 Weißfische kaufen.217 Beim einzigen ausgewiesenen Kauf von Fleisch ergibt sich ein Gewicht von umgerechnet rund 6,2 Kilogramm Rindfleisch.218 Die so berechnete Mengen lassen immer noch auf eine Kumulation von mehreren Käufen schließen – zwingend ist der Schluss aber nicht im gleichen Ausmaß wie beim Getreide. Zu erwähnen ist auch der sogenannte Lidlohn, d. h. Lohn von Angestellten, der prioritär zu behandeln war.219 Er wurde in neun bzw. 14 Fällen erwähnt und war im Schnitt mit vergleichsweise geringen Beträgen verbunden, wenn sie denn bekannt sind, was oft nicht der Fall war. Hier würde man die Fälle von mittellosen Knechten und Mägden, die bei ihren reichen Herren ihren Lohn einfordern, erwarten. Das gab es durchaus, aber es gab auch anders gelagerte Fälle: 1455 legte der Stadtarzt Kaspar von Döllen in seinem und im Namen einer weiteren Person die Güter einer Frau aus dem sehr reichen Basler Geschlecht der zem Luft in Verbot mit der Angabe, die Schuld sei „für iren lidlon“.220 Der Stadtarzt selbst findet sich nicht in der Steuerliste, der Mitkläger hingegen schon: Er ist mit fast 2.000 Pfund Vermögen zur reichsten Schicht der Basler Bürger zu zählen. In beiden Stichproben mit einer gewissen Häufigkeit anzutreffen ist schließlich noch Vieh, meist Schweine oder Pferde, in einem Fall auch ein Ochse. Vieh ist dreibzw. fünfmal erwähnt, in vielen Fällen mit bekannter Schuldsumme, die jedoch nicht sehr hoch ist (1455 knapp, 1497 deutlich unter dem Mittelwert). 1455 findet der Kauf von Immobilien noch direkt Erwähnung in Quellen zu Schuldverhältnissen (die Schuld erwuchs aus dem Kauf), 1497 hingegen finden sich keine Belege dafür. Neu erwähnt, ohne dass sich ein bestimmtes Muster ausmachen ließe, sind 1497 dagegen Bücher.221 Ebenfalls sehr häufig waren Textilien als Schuldgrund angegeben, wobei sich bei genauem Hinschauen herausstellt, dass es fast ausschließlich die Verbote von Anton Waltenheins Gut waren, welche Textilien erwähnten. Der Krämer Anton Waltenhein222 ging 1497 Konkurs und floh aus der Stadt, was ein Zusam-

216 217

StABS, Gerichtsarchiv C 16, 30r und 48v. Tscharner-Aue, Wirtschaftsführung, S. 342. Da keine genauen Angaben zum Fisch gemacht werden, verwende ich zwei Beispiele von lokal erhältlichen Fischen – um Importfische handelte es sich mit Gewissheit nicht, denn es waren laut Quellen lebende Fische. 218 StABS, Gerichtsarchiv E 7, 43v. Fleischpreis gemäß Tscharner-Aue, Wirtschaftsführung, S. 339. Die Umrechnung von Pfund in Kilogramm folgt den Angaben bei Dubler, Pfund. Da die Preise für andere Fleischsorten nur geringfügig abwichen, habe ich mich auf diese eine Rechnung beschränkt. 219 Vgl. zum Lidlohn Simon-Muscheid, Dinge, S. 127 f. 220 StABS, Gerichtsarchiv E 4, 5v. 221 Zur Präsenz von Büchern in Basler Haushalten Major, Hausrat, S. 262–264. 222 Zur Familie Waltenhein jeweils kurz Ehrensperger, Stellung, S. 350; Burckhardt, Herkunft, S. 109. Details zu seinem Konkurs aus Sicht der Informationszirkulation bei Hitz, Informationszirkulation, S. 79–82.

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Schulden eingehen

menströmen von GläubigerInnen zur Folge hatte. Er wird in der Arbeit immer wieder als Spezialfall aufscheinen. Kurios mutet die Forderung einer Magd an einen Goldschmiedgesellen an. Diese durfte gemäß dem Urteil seinen Lidlohn wegen „eins kinds und kindpets halb“ in Verbot legen. Sie konnte also eine Entschädigung für die uneheliche Schwangerschaft und die Kosten, die ihr mit dem Kind entstanden, erstreiten.223 Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie Angelegenheiten, in denen die finanzielle Seite auf den ersten Blick kaum von Bedeutung zu sein scheint, schlussendlich zu Geldforderungen führen konnten. Die Schuldursachen einer einzelnen Person lassen sich am besten erkunden im Fall des Konkurses von Anton Waltenhein im Herbst 1497, der verbunden war mit einem regelrechten Zusammenströmen der Gläubiger, die alle ihre Ansprüche deponieren wollten und dazu meist das Verbot seiner Güter wählten. In diesem durchaus untypischen Beispiel lässt sich vermutlich ein Großteil der Schulden einer Person fassen. Für diese kleine Auswertung habe ich 93 Schuldverhältnisse Waltenheins untersucht, die allesamt in den Frönungen und Verboten eingetragen waren, wobei die Verbote überwiegen. Im Vergleich zur ganzen Stichprobe sind die Nennungen, weswegen die Güter in Verbot gelegt wurden, ziemlich häufig. In mehr als der Hälfte der Fälle erwähnt die Quelle nämlich einen Grund. Es handelt sich dabei mehrheitlich um Auflistungen von Gütern, auf welche die Personen Anspruch erhoben (41 Prozent aller Einträge erwähnten Textilien, Werkzeuge, Waffen und andere Güter). Geldschulden waren dagegen mit sieben Erwähnungen (sieben Prozent) deutlich seltener. Als letzte Kategorie sind die Lohnforderungen zu nennen, die mit fünf Prozent nur einen kleinen Teil ausmachten und mit vergleichsweise sehr geringen Beträgen auffallen. Wenn bekannt, beläuft sich die Forderung im Schnitt auf gut 2 Pfund, was, verglichen mit den 26 Pfund Durchschnittsforderung, sehr gering ausfällt  – allerdings nennt nicht einmal die Hälfte aller Einträge überhaupt eine Summe. Forderungen nach Gütern nennen etwas seltener eine Schuldsumme (nur bei 25 Prozent der Einträge): Eine Umrechnung der Gegenstände in Geldbeträge war also durchaus möglich, wurde aber selten vorgenommen. Das Beispiel von Waltenhein zeigt exemplarisch, dass mit „Schuld“ nicht einfach eine Geldschuld oder Geldforderung gemeint war, sondern dass sich die Forderung durchaus auf Gegenstände beziehen konnte, die im Bedarfsfall in Geld umgerechnet wurden. Wie aber diese Forderungen nach Gegenständen zustande kamen, lässt sich aus der Quelle nicht erschließen. Ob es sich um Sicherheiten, auf Kredit gelieferte und nun zurückgeforderte Ware oder bereits bezahlte, aber von Waltenhein nicht gelieferte Objekte handelte, lässt sich nicht beantworten. Der häufig erwähnte Begriff versessene Zinsen lässt vermuten, dass es nicht verboten war, Zins zu nehmen. Das ist korrekt, jedoch auf ganz bestimmte Situationen beschränkt: Neben den grundherrschaftlichen Abgaben, die ja nicht auf einem Kredit

223

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 203r.

Sicherheiten

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beruhten, erwähnen nur Fälle von Renten einen Zins. Dieser belief sich in den Renten, die in beiden Stichproben erfasst sind, fast ausschließlich auf fünf Prozent. Ein solcher Zins war wucherrechtlich auch nicht verboten. Bei Lieferungen auf Kredit, gegenseitigen Verrechnungen und auch bei Bardarlehen hingegen ist bis auf die oben erwähnte Ausnahme nie von einem Zins die Rede. Dies ist angesichts der strengen Wuchergesetzgebung insbesondere in Basel nicht erstaunlich.224 Es bedeutet jedoch nicht, dass keine Formen der Umgehung des Wucherverbots praktiziert wurden.225 Allerdings lassen sich diese Wege in den vorliegenden Quellen nicht belegen.226 Das schließt jedoch nicht aus, dass sich die Parteien beim Aushandeln der Transaktion auf einen Zuschlag einigten. Hans-Jörg Gilomen hat jüngst den Begriff Umgehungsgeschäft kritisiert: Man müsse unterscheiden zwischen legalen Ersatzgeschäften und betrügerischem Verschleiern von Zinsen.227 Zu den legalen Ersatzgeschäften gehört die Rente, aber auch das Einfordern einer Entschädigung nach Ablauf der Zahlungsfrist, die unter den Begriff Kosten fällt und weit verbreitet war.228 Einzelheiten zu den Kosten stelle ich im Kapitel 5.2.4 dar. 2.3 Sicherheiten Wenn jemand Kredit gewährte, und sei es nur in Form von Zahlungsaufschub, so waren Überlegungen dazu, was die Folgen von Säumnis sein sollten, naheliegend. Die Kundschaft über den Lederverkauf von Jakob Steck, einem Gerber aus Basel, an drei Personen aus Rheinfelden soll diese Überlegungen exemplifizieren. Nach der Vereinbarung einer Ratenzahlung hielt der Zeuge – auch er ein Gerber – fest, wie Steck das Vorgehen bei Nichtbezahlung zusammenfasste: Ob sy die bezalung nit tatten wie obstatt […], daz sy alsdenn mit keinen rechten noch geistlichen briefen nutzit zeschaffen welten haben, sonnder so mocht Jacob Steck einen botten nach verschinen zilen hinuff gen Rinfelden schicken, der solt uff sy leisten, solang bis sy in bezalen siner schuld mit sampt dem costen und schaden.229

224 Vgl. zur rigiden Gesetzgebung in Basel Gilomen, Glaube, S. 122 f. 225 Zu Formen der Umgehung des Wucherverbots siehe Gilomen, Wucher, S. 287, 294 et passim; Fontaine, Economie, S. 198. Zur Umgehung des Wuchers durch Wechsel siehe Moody/Munro, Anfänge, S. 44; Denzel, Problem, S. 103–107. 226 Auch Hans-Rudolf Hagemann stellt fest, dass Zinsforderungen immer im Schuldbetrag versteckt sein können: „Eine solche Umgehung des Zinsverbotes ist schwer zu ermitteln.“ Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 321. 227 Gilomen, Glaube, S. 122. 228 Fontaine, Economie, S. 199, weist darauf hin, dass angesichts oft kurzer Kreditlaufzeiten, die eigentlich nie eingehalten wurden, auf diese Art in vielen Fällen legal ein Zins erhoben werden konnte. 229 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 28r.

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Schulden eingehen

Diese Regelung sollte verhindern, dass der Fall vor Gericht kam, und sah stattdessen vor, dass jemand auf Kosten des Schuldners in die Stadt kam und sich dort bis zur Bezahlung der Schuld aufhielt. Die Vereinbarung ist insofern gescheitert, als dass mindestens eine Kundschaft vor Gericht aufgenommen wurde. In diesem Kapitel gehe ich den verschiedenen Formen von Sicherheiten in Schuldbeziehungen nach, die in den Akten des Schultheißengerichts nachweisbar sind. Systematisch untersucht habe ich zu diesem Zweck die Zahlungsversprechen des Vergichtbuchs. Weiter gehe ich auf die vielen und vielfältigen Erwähnungen von Pfändern ein und schließe mit kurzen Ausführungen zu Bürgschaften als Garantien ab. 2.3.1 Sicherheiten bei Zahlungsversprechen Systematisch untersuchen konnte ich die gestellten Sicherheiten bei den Zahlungsversprechen des Vergichtbuchs. Diese beschreiben zwar nicht den Moment der Entstehung der Schuld, sondern den Moment, in dem für die GläubigerIn feststand, dass die Schuldzahlung unsicher wurde. In der Regel war die Schuld zuvor nicht vor Gericht (sei es das Schultheißengericht oder eine andere Instanz) verhandelt worden. Sie wurde also das erste Mal aktenkundig. Die verschiedenen Möglichkeiten wurden in oftmals ähnlich lautenden Formulierungen festgehalten, welche ich in verschiedene Kategorien gruppiere und hier nach absteigender Häufigkeit in der Stichprobe 1455 vorstelle (siehe Tabelle 2.1). Das Stellen von Pfändern war 1455 die häufigst genannte zusätzliche Sicherheit. Pfänder sind Thema eines eigenen Abschnitts weiter unten, ich gehe hier deshalb nicht im Detail darauf ein.230 Das Versprechen, bei einer Säumnis den vollen schuldigen Betrag auf einen Schlag zu bezahlen, wurde von SchuldnerInnen gegeben, die eine Ratenzahlung vereinbart hatten: Fiel eine Rate aus, „mag er [der Gläubiger] in [d. h. ihn, den Schuldner] umb volle schuld iagen“.231 In die Stadt stellen mussten sich auswärtige SchuldnerInnen, oft auch mit Pferden232 oder gar mit Pferd und Wagen.233 Meist jedoch war das Vorgehen mit keinen weiteren Erläuterungen versehen: Der Schuldner oder die Schuldnerin versprach einfach, 230 Siehe Abschnitt 2.3.2. 231 StABS, Gerichtsarchiv B 14, 118r. 232 Z. B. im Zahlungsversprechen von Heinrich Techler von Heimersdorf, der zwei Pferde mitbringen sollte, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 54v. Ein weiterer Schuldner von Heimersdorf musste gar drei Pferde bringen, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59r. 233 1455 sollte sich ein Schuldner „mit einem ross und karren“ stellen, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 37r. Die gleiche Formulierung findet sich auch 1497 (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 32r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 34r). Vgl. zur Häufigkeit dieser Sicherheit bei auswärtigen Schuldnern Signori, Schuldenwirtschaft, S. 39.

Sicherheiten

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zu bezahlen „oder sich zestellen“.234 Das Gegenteil galt für einige städtische SchuldnerInnen, denen die Verbannung angedroht wurde, was gemäß Stadtrecht übrigens die eigentlich vorgesehene Strafe bei Nichtbezahlung war.235 Die Verbannung ebenso wie das Sich-Stellen konnten mit dem Begriff leisten umschrieben werden. Für Städter hieß dies, sich außerhalb der „crütz“236 aufzuhalten, also in Verbannung zu gehen, während die Auswärtigen gerade in die Stadt kamen, um zu leisten.237 Weiter konnten SchuldnerInnen versprechen, die Kosten zur Hauptsumme zu schlagen. Diese Art von Sicherheit äußerte sich in den Quellen zum Beispiel folgendermaßen: „wo er das [d. h. das Zahlungsversprechen] ubersass, was costen dann daruff gan wurd, solle Hanns Brugger glich der hauptsum bezalen“.238 Diese Kosten konnten sich zum Beispiel auf das Entsenden eines Boten beziehen.239 Das Stellen von Bürgen wurde nur selten erwähnt, Bürgschaften waren aber insgesamt dennoch von Bedeutung, wie die Ausführungen weiter unten zeigen.240 Als letzte Kategorie zu erwähnen ist das Versprechen, sich vor Gericht zu stellen, etwa mit der Formulierung, „wa er das nit tatt, daz im dann gericht sin solle“,241 oder indem der Schuldner versprach, er wolle „hier zü recht stan vor dem stattgericht“.242 Ein einziges Mal erwähnt ist außerdem die Schuldhaft (in der Tabelle unter Diverses aufgeführt). Zwischen 19 und 30 Prozent der Zahlungsversprechen wiesen neben dem eigentlichen Versprechen (immerhin oftmals an einen Eid gebunden) keine weitere Sicherheit auf.243 Dieses eigentliche Versprechen war aber auch nicht ohne Wirkung. So versprach Kaspar Schuhmacher von Bettendorf, dem Gläubiger „umb sin anforderung hie vor dem stab gerecht zewerden“.244 Der Stab als Symbol der Gerichtshoheit verstärkte dabei die Verbindlichkeit des Versprechens.245 In einem Zahlungsversprechen von Heinrich Meder dem Weinmann an den Zscheckenbürlin heißt es dann auch: „Sonnder wa er das nit tätt [d. h. die Schuld abzahlen], alsdenn soll er meyneidig heissen und sin.“246 Wir sollten also die Bedeutung des Versprechens nicht unterschätzen. Der Schuldner

234 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59v. 235 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Vergichten in Kapitel 4.2.1. 236 Sieber-Lehmann, Basel, S. 24 f.: Die Kreuzsteine standen in bestimmtem Abstand vor den Stadttoren an den Ausfallstraßen und stellten die typische Grenze für Stadtverbannungen dar. 237 Vgl. zum Leisten der Auswärtigen, hier als Einlager zu verstehen, Kapitel 5.3.1. 238 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 39r. 239 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 43r. Zu den Kosten siehe Kapitel 5.2.4. 240 Siehe Kapitel 2.3.3. 241 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37v. 242 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 44r. 243 Oder bestenfalls eine Bestärkung des Versprechens, etwa man zahle in der genannten Frist „on witter uffsleg unnd verzug“, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 54r. 244 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37v. 245 Zum Stab siehe Arlinghaus, Gesten, S. 466 (mit weiterführender Literatur). 246 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 55r.

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Schulden eingehen

apparaît comme transgressant un ordre social fondé sur le respect de l’engagement mutuel. Ceci explique la possibilité de demander en justice l’exécution d’une simple promesse.247 Tab. 2.1 Anzahl und Anteil der verschiedenen Arten von gestellter Sicherheit bei den Zahlungsversprechen beider Stichproben248 1455 absolut

1455 Anteil

1497 absolut

1497 Anteil

Pfänder

30

31,6 %

16

9,1 %

alles zahlen bei Säumnis

14

14,7 %

9

5,1 %

in die Stadt stellen

13

13,7 %

78

44,6 %

Verbannung

6

6,3 %

2

1,1 %

Kosten zur Hauptsumme schlagen

5

5,3 %

6

3,4 %

Bürgen

4

4,2 %

3

1,7 %

sich vor Gericht stellen

2

2,1 %

5

2,9 %

Diverse

3

3,2 %

3

1,7 %

keine Sicherheit

18

18,9 %

53

30,3 %

gesamt

95

175

Kommen wir nun zu den Unterschieden zwischen den zwei Stichproben. Als Erstes fällt die etwas größere Zahl von Zahlungsversprechen in der Stichprobe von 1497 auf. Es gab außerdem eine Verschiebung vom Stellen von Pfändern zum Versprechen, sich in die Stadt zu stellen bei Nichtbezahlung. Diese Verschiebung spiegelt wohl in erster Linie die stärkere Beteiligung von Auswärtigen in der späteren Stichprobe. Da Pfänder vor allem in der Stadt gewährt wurden, ist der Bedeutungsverlust der Pfänder bis 1497 wohl auf den gleichen Effekt zurückzuführen. Fast völlig verschwunden bis 1497 ist die Verbannung, während der Anteil von Zahlungsversprechen ohne Nennung von Sicherheiten deutlich anstieg. Die nun folgende Auswertung nach Attributen wie Vermögenslage von SchuldnerInnen und GläubigerInnen und deren Herkunft sowie die Untersuchung nach Schuldsummen erfolgt aufgrund der geringen Fallzahlen für beide Stichproben teilweise gemeinsam. Zuerst zum Einfluss des Vermögens der SchuldnerInnen. Zur Situation von 1497 sind keine Aussagen möglich, da alle aus der untersten Vermögenskategorie stammten, 247 Beaulande, Traitement, S. 182. Etwas anders sieht diese Frage Craig Muldrew: Muldrew, Currency, S. 62: „the ethical root of the obligation was focused on the duty to repay the debt, not on the promise to repay which was made when the debt was undertaken“. 248 Die Zahlen beziehen sich auf die Anzahl Schuldbeziehungen mit der jeweiligen Sicherheit.

Sicherheiten

61

die irgendeine Sicherheit gewährten. Einzige Ausnahme bildeten die beiden Personen, die der mittleren Vermögenskategorie zuzuordnen sind und versprachen, bei Säumnis entstandene Kosten zu übernehmen. Auch bei den Zahlungsversprechen ohne weitere Sicherheiten stammt nur eine Person nicht aus der niedrigsten Vermögenskategorie. Zu 1455 hingegen ist eine differenziertere Aussage innerhalb der ärmeren Gruppen möglich. Die ärmste von fünf Kategorien gab wenige Zahlungsversprechen, aber immer mit Sicherheiten. Vier Personen stellten Pfänder (was ungefähr der Häufigkeit in den anderen Kategorien entsprach), zwei versprachen in Verbannung zu gehen (was in den anderen Kategorien kaum vorkam), und ebenfalls zwei ließen die ganze Schuld verfallen. Die zweite und dritte Kategorie hingegen waren am stärksten vertreten, mit vergleichbarer Verteilung der Sicherheiten. Angehörige der mittleren Kategorie traten vor allem mit dem Versprechen auf, alles zu zahlen bei einer Säumnis, oder stellten Pfänder. Wie in der Stichprobe von 1497 waren die Reichen kaum vertreten: Nur drei Personen aus den reichsten zwei Kategorien gewährten Sicherheiten, zweimal handelte es sich um Pfänder, und der Schuhmacher Hans Luterwein ließ bei Zahlungsverzug die entstehenden Kosten zur Hauptsumme addieren.249 Luterwein ist mit einem Vermögen von rund 530 Pfund der zweithöchsten Kategorie zuzurechnen. Zum Vermögen der Gläubiger lässt sich wenig sagen. In den Kategorien, die eine gewisse Größe haben, zeigt sich 1497 eine ähnliche Verteilung wie in der Gesamtheit. Dasselbe gilt für die Gläubiger, die keine Sicherheiten verlangten. Es scheint also keinen Einfluss auf die gegebene Sicherheit gehabt zu haben, wie reich der Gläubiger oder die Gläubigerin war. Einzige Ausnahme war das Versprechen, das bei Zahlungsverzug die ganze Schuldsumme fällig machte. Dieses forderten nur Personen aus der höchsten Vermögenskategorie ein. 1455 lassen sich trotz feinerer Kategorisierung ebenfalls keine Muster feststellen. Eine Ausnahme stellt die Beobachtung dar, dass Gläubiger aus der höchsten Vermögenskategorie am ehesten das Versprechen entgegennahmen, dass sich der säumige Schuldner in die Stadt stellen sollte, aber auch oftmals keine Sicherheit erhielten. Die Herkunft der GläubigerInnen weist in beiden Stichproben keine Muster und keine signifikanten Unterschiede bei den drei größten Kategorien (in die Stadt stellen, Pfänder stellen, keine Sicherheit) auf.250

249 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 22r. 250 Fisher’s Exact Test ergibt einen p-Wert von 0,355.

62

Schulden eingehen

Tab. 2.2 Verteilung der Verwendung verschiedener Typen von Sicherheit nach Herkunft der SchuldnerInnen (beide Stichproben) aus Basel Anzahl

auswärtig Anzahl

aus Basel Anteil

auswärtig Anteil

4

83

3,5 %

66,4 %

keine Sicherheit

29

35

25,4 %

28,0 %

Pfänder

39

4

34,2 %

3,2 %

alles zahlen bei Säumnis

20

0

17,5 %

0,0 %

Kosten zur Hauptsumme schlagen

9

2

7,9 %

1,6 %

Verbannung

8

0

7,0 %

0,0 %

Gericht sein

5

1

4,4 %

0,8 %

in die Stadt stellen

Die Herkunft der SchuldnerInnen hingegen hatte einen deutlichen Einfluss auf die Wahl der Sicherheit.251 Einzig die Zahlungsversprechen ohne Nennung von Sicherheiten halten sich die Waage, in beiden Stichproben machten sie ungefähr 25–28 Prozent aller Fälle aus. Gewisse Unterschiede sind naheliegend: Es versprachen vor allem Städter, in die Verbannung zu gehen, während fast nur Auswärtige versprachen, sich in die Stadt zu stellen. Aber auch andere, auf den ersten Blick nicht von der Herkunft bestimmte Sicherheiten waren klar von BaslerInnen dominiert. Das trifft insbesondere auf das Stellen von Pfändern zu. Damit wird klar, dass in der Regel nicht das tatsächliche Übergeben eines Pfandes gemeint war,252 sondern der Nachweis, dass greifbare Sicherheiten in Basel vorhanden waren. Ähnliches gilt für Pfänder von Auswärtigen. Es handelte sich in einem Fall um eine Liegenschaft, die wohl in Basel lag,253 in einem anderen um Textilien, die schon in Verbot gelegt worden waren.254 Ein anderer erwähnte Pferd und Wagen, mit denen er sich in die Stadt stellen sollte.255 Beim letzten Fall von Pfändern von Auswärtigen handelte es sich wohl tatsächlich um eine Pfandleihe: Der Gläubiger durfte für die 5,5 Pfund, „die er im bar gelichen hab“, die „pfennder, so er im deshalb ingesetzt hatt“, verkaufen.256 Das vereinzelt abgegebene Versprechen, nichts

251

Die Unterschiede in der Tabelle 2.1 sind gemäß einem Fisher’s Exact Test signifikant mit einem p-Wert von 0,00000001803, wenn die Kategorien „in die Stadt stellen“ und „Verbannung“, die ja klar von der Herkunft dominiert werden, weggelassen werden. Andernfalls ist der Wert nochmals deutlich kleiner. Für die Berechnung wurden in beiden Stichproben die (wenigen) nicht ganz eindeutig Basel zuweisbaren Personen als BaslerInnen gezählt. 252 Vgl dazu Kapitel 2.3.2. 253 Z. B. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 10v. 254 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59v, StABS, Gerichtsarchiv E 7, 49r. 255 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 11r. 256 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59r.

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zu verändern, d. h., das Pfand nicht zu verkaufen oder im Wert zu schmälern, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Pfänder nicht die Hand wechseln mussten. Der Verfall der ganzen Schuldsumme bei Säumnis sowie die Möglichkeit, die Kosten zur Hauptsumme zu schlagen, waren offenbar Mittel, die auf Auswärtige nicht angewandt wurden, vielleicht weil sie sich zu einfach von Basel fernhalten konnten. Die Schuldsummen unterschieden sich im Median beträchtlich und in Bezug auf die Gruppen mit mehr als 20 Werten auch signifikant.257 Die höchsten Werte wiesen Pfänder und die Möglichkeit, zusätzliche Kosten zur Hauptsumme zu schlagen, auf. Zahlungsversprechen ohne Sicherheit waren in der Mitte angesiedelt, tiefe Medianwerte finden sich bei der Verpflichtung, bei Säumnis die ganze Schuld zu zahlen, sowie beim Versprechen, sich in die Stadt zu stellen. Die Verteilung der Schuldsummen der vier häufigsten Kategorien vermag diese Unterschiede zu detaillieren. Die tiefen Werte der Kategorien „sich in die Stadt stellen“ und „alles zahlen bei Säumnis“ kommen zustande, weil sie viele Schuldsummen unter zehn Pfund und eine große Zahl zwischen zehn und 15 Pfund, aber keine darüber aufweisen (bzw. fast keine bei „alles zahlen“). Bei den Versprechen, die sich auf Pfänder stützen, sind es hingegen wenige Fälle unter fünf Pfund. Summen zwischen fünf und zehn Pfund bilden zwar die größte Gruppe, danach nimmt die Häufigkeit aber vergleichsweise viel langsamer ab (bis hin zur größten Summe von 138 Pfund). Die Zahlungsversprechen ohne Sicherheit bilden hingegen unter fünf Pfund die größte Gruppe und nehmen dann stetig ab. Sie sind aber auch noch jenseits der 15-Pfund-Grenze relativ häufig vertreten. Zwei spezielle Fälle von Sicherheiten sind hier noch zu erwähnen. Ein Schuldner, der seine vier Pfund in zwei Raten abzuzahlen versprach, hielt fest, der Gläubiger solle „vor allen andern schuldnern vorgon und bezalt werden“.258 Wie sich diese Priorisierung durchsetzen ließ, ist unklar: Hatte sie wirklich vor anderen Gerichtsentscheiden Bestand? Die Frage lässt sich nicht klären, denn der Schuldner erscheint erst nach Ablauf der Fristen wieder in den Quellen, ohne dass die erstgenannte Schuld erwähnt würde. Eine spezielle Form von Sicherheit bot Dietrich Heckelberger von Nürnberg für ein Bardarlehen über fünf Gulden von Konrad Weber, dem Frauenwirt. Er stellte Weber nämlich eine Dirne namens Enlin von Wyssenloch zur Verfügung, die bei Weber bleiben musste, bis die Schuld bezahlt war.259 Die Bindung von Prostituierten mittels Verschuldung war durchaus üblich, auch die Schuldsumme entsprach dieser Praxis. In der Regel waren es aber die Dirnen selbst, die das Geld dem Frauenwirt schuldeten.260 Aus der Quelle ist nicht ersichtlich, in welchem Verhältnis die Prostituierte und Heckelberger standen.

257 258 259 260

Mood’s Median-Test, p-Wert von 0,029. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 12r. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 20v. Z. B. für Kleidung, Fontaine, Märkte, S. 46. Siehe generell Schuster, Age, S. 42, und für Basel Gilomen, Frauen, S. 133–135.

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Ich habe bisher den Begriff Sicherheit für alle möglichen Formen von Versprechen und Garantien verwendet. Doch was bedeuteten diese Garantien überhaupt? Wir haben gesehen, dass die unmittelbar umsetzbare Sicherheit, wie sie etwa bei der Pfandleihe vorkommt, eine äußerst marginale Rolle spielte. Wenn eine Sicherheit erwähnt wurde, dann war es meist ein zusätzliches Versprechen, welches dem Zahlungsversprechen mehr Gewicht geben sollte. Meist ging es darum, dass bei Nichtbezahlung das juristische Verfahren weitergeführt bzw. auf eine neue Ebene gehoben werden konnte, so etwa beim Versprechen, sich in die Stadt zu stellen, wieder vor Gericht zu erscheinen oder die Kosten des Schuldeintreibens zur Hauptsumme schlagen zu lassen. Selbst Bürgen und Pfänder waren nicht unmittelbar, sondern in der Regel wohl über gerichtliche Verfahren zugänglich. Wenn bei einer verpassten Ratenzahlung die ganze Schuld fällig wurde, so konnte dies auch nur heißen, dass die Schuld nun (trotz vereinbarter Ratenzahlung) gerichtlich eingefordert werden konnte. Etwas anders sieht die Sachlage bei der Verbannung aus. Diese war eigentlich die übliche Sanktion bei nicht eingehaltenen Zahlungsversprechen und Vergichten,261 weshalb die zusätzliche Erwähnung erstaunt. Insgesamt liefen die genannten Sicherheiten also darauf hinaus, im Falle einer Nichtbezahlung das weitere Verfahren vorwegzunehmen. Sie konnten damit sowohl eskalierend wirken, wenn etwa ein Pfand beschlagnahmt wurde, aber auch die Eskalation einschränken bzw. die Gläubiger verpflichten, auf dem eingeschlagenen gerichtlichen Weg zu bleiben und andere Formen des Schuldeintriebs nicht zu berücksichtigen. Wenn die Sicherheit, die ein Zahlungsversprechen vor dem Gericht bot, in erster Linie darin bestand, weiterhin vor Gericht der Schuld nachzugehen, verstärkt sich die institutionelle Bedeutung des Gerichts. Dieses bot sich an, um beim Versagen des niederschwelligen Angebots des Zahlungsversprechens weitere Schritte einzuleiten. Die Unterschiede zwischen den Stichproben – Rückgang von Pfändern und mehr Zahlungsversprechen ohne weitere Sicherheit in der späteren Stichprobe – können also neben der vermehrten Beteiligung von NichtbaslerInnen auch auf ein höheres Vertrauen in den juristischen Prozess zur Schuldeintreibung zurückgeführt werden. Wurden diese Sicherheiten überhaupt gebraucht? An anderer Stelle untersuche ich die Schuldverhältnisse, die mehrfach in den Gerichtsakten der Stichprobe vorkommen.262 Bei Betrachtung der Beispiele, in welchen Zahlungsversprechen mit Sicherheiten vorkommen, zeigt sich, dass diese Zahlungsversprechen öfter den Schlusspunkt einer Geschichte als den Anfang darstellen.263 Nur ein einziger Fall bildet die eigentlich zu erwartende Reihenfolge von Vergicht und anschließendem Urteil ab.264 Es handelt sich um eine komplizierte Schuld innerhalb der Familie Sonnenfroh, bei welcher der

261 Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 50. 262 Kapitel 5.1. 263 Es handelt sich um insgesamt 17 Schuldbeziehungen in beiden Stichproben. Die Stichproben sind ungefähr gleich stark vertreten. 264 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29r, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 135r.

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Vater seinem Sohn eine größere Summe Geld schuldet und deshalb sein Haus als Sicherheit eingesetzt werden soll. In anderen Fällen steht zuerst das Verbot von Gütern, und erst anschließend – wohl unter dem Eindruck des Drucks, den ein Verbot erzeugt – wird ein Zahlungsversprechen eingetragen.265 Auch bei den komplizierteren Fällen steht das Vergicht selten am Anfang. Schließlich kam es vor, dass die gleichen zwei Personen Schuldverhältnisse nur im Vergichtbuch eintragen ließen. Auch hier erfüllt sich die Erwartung nicht, dass spätere Einträge eher Sicherheiten erwähnen. Wo allerdings ein direkter Zusammenhang ersichtlich ist, etwa bei der Schuld von Ulrich Allerhand an Johann Schwitzli, die zweifach im Vergichtbuch erwähnt ist und eine ähnliche, leicht ansteigende Schuldsumme von etwas über zehn Gulden betrifft, ist tatsächlich der zweite Eintrag derjenige mit der zusätzlichen Garantie.266 Das mehrfache Verhandeln einer Schuld oder die wiederholte Begegnung der gleichen Personen vor Gericht – die Fälle mussten nicht zwingend zusammenhängen – hingegen führte nicht zur häufigeren Erwähnung von Sicherheiten.267 Diese Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass Garantien und zusätzliche Versprechen sehr effektiv waren: Sie wurden zwar abgegeben, aber kaum je beansprucht. Wie oben gezeigt, führten gewisse Konstellationen von SchuldnerIn und GläubigerIn sowie höhere Schuldsummen vermehrt dazu, dass zusätzliche Garantien abgegeben wurden. Sie erwiesen sich in solchen Fällen als erstaunlich effizient – erstaunlich vor allem deshalb, weil sie sich mit Ausnahme der Pfänder darauf beschränkten, dass das Gericht erneut bemüht werden konnte. Daniel Smail kommentiert prekäre Sicherheiten in Marseille und Lucca im 14. Jahrhundert mit folgenden Worten: „The answer lies in part in the fact that people were generally honest and cared about their reputations. But it also lies in the expectation that the debtor’s household carried enough assets to repay the debts.“268 2.3.2 Pfänder Pfänder wurden „zu merer sicherheit ingesetzt“, falls eine Schuld nicht bezahlt wurde, durfte der Gläubiger oder die Gläubigerin „solich ir pfand angriffen und verkouffen“, wie es in einem Vergicht vom Februar 1455 heißt.269 Wie funktionierten Pfänder, und welche Güter wurden als Pfänder eingesetzt? Zuerst ist eine begriffliche Klärung nötig. 265 Es handelt sich um vier Fälle. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 21v, 22r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 39r, 43r; StABS, Gerichtsarchiv E 7, 49r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59v. 266 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 5v, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 37r. 267 Von den 20 Zahlungsversprechen beider Stichproben wiesen vier keine Garantien auf, ein Anteil, der mit der oben genannten Zahl von 20–30 Prozent Zahlungsversprechen ohne weitere Sicherheiten vergleichbar ist. 268 Smail, Plunder, S. 115. 269 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 7v.

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Als Pfänder wurden Gegenstände bezeichnet, die verkauft wurden, wenn der Schuldner oder die Schuldnerin nicht ausreichend Bargeld besaß, um bezahlen zu können. Die Verwendung des Begriffs kann verwirren, weil damit nicht zwingend eine Pfandleihe gemeint ist. Bei Letzterer wechselte der entsprechende Gegenstand tatsächlich die Hand und konnte bei Nichtbezahlung einfach verkauft werden. Die Gegenstände, die die Gerichtsschreiber als Pfand oder genauer als Unterpfand bezeichneten, wechselte aber nur in seltenen Fällen tatsächlich die Hand.270 Auch im obigen Beispiel durfte der Zugriff auf das Pfand erst bei Säumnis erfolgen. Es gab aber auch Gegenbeispiele, als etwa Hans Rümann dem Spital für eine Schuld Pfänder übergab und gestattete, dass es diese „on alles verkunden unnd anruffen verkouffen mag on intrag“.271 In einem anderen Fall sollte der Gläubiger Silbergeschirr erhalten, damit er „in phands wise wol benügt wird [Randbemerkung:] dz möge er ouch alsden eins wegs verkouffen als sin bar gelt“.272 Das Pfand wurde hier zum direkten Ersatz von Bargeld.273 Fließend war die Grenze zwischen Stellung von Pfändern und Bezahlung mittels Gütern auch im Fall eines Küfers, der für den geschuldeten Hauszins „viii fuderige274 vass zu unnderpfannd geben, also daz er die in iiii wochen den nechsten verkouffen“ wollte, um die Schuld abzugelten.275 Das sind allerdings nicht Fälle von Pfandleihe, weil dort die Pfandübergabe am Anfang des Schuldverhältnisses stand, hier aber das Ende markieren, also gewissermaßen zum Zahlungsmittel wurden. In diesem Abschnitt stelle ich zuerst die verschiedenen Typen von Pfändern vor, um anschließend auf die Frage einzugehen, wie mit ihnen umgegangen wurde. Welche Rolle spielten sie, und wie konnte auf sie zugegriffen werden? Den Abschluss des Abschnitts bilden einige Beispiele von Pfandleihe, die auf indirektem Weg fassbar sind. Bei hohen Schuldsummen dienten oft Liegenschaften als Pfand, was wenig überrascht. Als Beispiel mag die Mühle dienen, die Hans Zimmermann und seine Frau im Oktober 1455 kauften und dabei versprachen, den Kaufpreis von 83 Gulden in Jahresraten von sechs Gulden abzubezahlen.276 Auch Gärten, Äcker und andere, weniger wertvolle Liegenschaften wurden häufig mit Schulden belastet.277 Liegenschaften wurden oft als „unnderpfand“ bezeichnet, was laut dem Schweizerischen Idiotikon die da270 Vgl. Dijkman, Debt, S. 230: ein Pfand, das in der Hand des Schuldners blieb, wird als „nonpossessory collateral“ bezeichnet. 271 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 34v. 272 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 9r. 273 Vgl. dazu Kapitel 3.1.2. 274 Fuederig: was ein Fuder ausmacht, Idiotikon, Bd. 1, Sp. 685. 275 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 48r. 276 StABS, Gerichtsarchiv B 7, 73. 277 Ein Haus beim Aeschentor 1497 für den Kaufpreis von 49 Pfund, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 29r. Für die eher bescheidene Schuld von gut 18 Pfund setzte ein Schuldner 1455 ein Gut in Gundeldingen und einen Garten beim Spital als Sicherheit ein (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 28r). Ein Garten diente im gleichen Jahr als Unterpfand für eine Schuld von nur sechs Pfund, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 27v.

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für übliche Bezeichnung ist.278 Ein Eintrag im Vergichtbuch hielt explizit fest, dass der Gläubiger „die husere verkouffen“ dürfe bei Säumnis.279 Liegenschaften galten als sehr tragfähige Sicherheiten, als Sicherheiten überdies, die von der Person des Schuldners unabhängig waren.280 Entsprechend waren auch die Schuldeintreibungsverfahren auf die Liegenschaft gerichtet und nicht auf den Schuldner oder die Schuldnerin. Des Weiteren wurden die Schulden, die auf einer Liegenschaft lagen, beim Weiterverkauf oft an den Käufer übertragen.281 Sie konnten entsprechend nachträglich umstritten sein: Beim Kauf einer Mühle etwa habe der Käufer „wol gewisset […], wie und gegen wen die zinshaft und beladen gewesen sie“, weshalb das Gericht entschied, dass er nun auch die Schuldforderungen bedienen solle.282 Liegenschaften dienten in erster Linie bei Rentenkäufen als Sicherheiten. Gemäß einem Ratsbeschluss von 1449 konnte aber, wenn ein Schuldner „ligende guter fur sin gichtig oder eriagte schulde ze phande git“, der Gläubiger damit umgehen wie mit „varendem güt“ und es durch den „kouffler“ verkaufen lassen.283 Mit dem Käufler war ein städtischer Beamter gemeint, der Güter versteigerte.284 Beispiele zeigen, dass diese Bestimmung auch angewandt wurde, etwa wenn die Gläubiger ein „huss, dar inn er [der Schuldner] sitzt, mogen angriffen wie ein varend gütt [und] fronen etc. bis zü bezalung“.285 Die Unterscheidung zwischen Mobilien und Immobilien war vor allem deshalb wichtig, weil das Gericht unterschiedliche Verfahren anwandte.286 Die Regelung und ihre Anwendung belegen aber auch, dass die Trennung der Verfahren nur bedingt dem Alltag entsprach. Wenn Liegenschaften auch in anderen Situationen als Renten Sicherheiten darstellten, verlor die Unterscheidung zwischen liegenden und fahrenden Gütern an Trennschärfe. In einem anderen Fall blieb die Liegenschaft bei einer Abzahlung in Raten als Sicherheit bestehen, auch wenn sie schon großenteils abbezahlt war. Die Gläubigerin

278 Idiotikon, Bd. 5, Sp. 1142. Das Beispiel stammt aus StABS, Gerichtsarchiv B 14, 118r. 279 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 10v. 280 Signori, Schuldenwirtschaft, S. 42. Wirtz, Vertrauen, S. 58; Sturm, Privatkredit, S. 137; vgl. auch Béaur, Foncier, zum ruralen Immobilienkredit. 281 Z. B. beim Kauf eines Ackers 1455, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 32v. Entsprechend wurde der Kaufpreis reduziert, siehe ausführlich StABS, Gerichtsarchiv  D  16, 40v. Vgl. auch StABS, Gerichtsarchiv  D  16, 133v: Der Verkäufer brauchte hier Bargeld, um Schulden zu bezahlen, der Käufer konnte den Gläubiger aber dazu überreden, dass er die Schuld übernahm. In einem anderen Fall versprach der Käufer, die Schulden zu übernehmen, schien sich aber nicht daran zu halten, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 202v. 282 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 122r. 283 StABS, Protokolle: Öffnungsbücher 2, 26. 284 Idiotikon, Bd. 3, Sp. 174. Der Begriff kann auch allgemein HändlerInnen mit Gebrauchtwaren bezeichnen, hier ist aber sicher der städtische Beamte gemeint. Siehe auch Hagemann, Rechtsleben, S. 128; Kuske, Entstehung, S. 64. 285 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 32v. Dasselbe in einer Frönung, StABS, Gerichtsarchiv E 7, 41v. 286 Das Verbot für Mobilien und die Frönung für Immobilien, vgl. Kapitel 4.2.3 und 4.2.4.

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durfte einen Rebberg „angriffen und den vertriben“ (d. h. verkaufen) für ihr Guthaben, „so lange bitz sy gantz bezalt“ sei.287 Entstand eine Schuld im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Liegenschaft, so wurde in der Regel die Liegenschaft selbst zur Sicherheit.288 Meist wurde dies im Fertigungsbuch als mit der Liegenschaftstransaktion verbundener Rentenkauf eingetragen. Es konnte aber auch geschehen, dass der Käufer der Liegenschaft ein gewöhnliches Zahlungsversprechen ins Vergichtbuch eintragen ließ, bei dem er die Liegeschaft als „unnderpfannd“ einsetzte. Dies tat zum Beispiel Michel Fischer der Wagner gegenüber Hans Grünlich dem Küfer für eine Schuld von 49 Pfund.289 Auch der Ertrag von Liegenschaften konnte als Pfand dienen, etwa der „win so im [dem Schuldner] an einer iucharten reben wachset im Klingelberg“.290 Statt Liegenschaften konnten auch Schuldbriefe oder Geld, das „am wechsel“291 lag, eingesetzt werden.292 Heinrich Rieher der Jüngere und Klaus Hauenstein schuldeten 1497 den Augustinern 100 Gulden, wofür ein Schuldbrief von Friedrich ze Rhein über 140 Gulden als Sicherheit diente.293 Ein Schuldner setzte gar einen „schuldrodel“ als Sicherheit ein, also eine Liste von Schuldnern, die belangt werden konnten.294 Silbergegenstände wurden bei höheren und mittleren Summen ebenfalls eingesetzt. Neben einem Schuldbrief bildeten diverse Silbergegenstände mit einem Gesamtgewicht von 21 Mark und elf Lot295 das Unterpfand für die höchste Schuldsumme der Stichprobe

287 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 17v. 288 Siehe dazu z. B. Kundschaften über einen Hauskauf von 1496 (StABS, Gerichtsarchiv D 16, 171v), von 1493 (StABS, Gerichtsarchiv D 16, 23v) und von 1494 (StABS, Gerichtsarchiv D 16, 83v ff.). In den letzten beiden Fällen wurde das Haus nur mittels Schulden bezahlt (es heißt in der zweiten Kundschaft, die Käuferin habe „das huss Rottenfanen erkowfft umb xx unnd iiic gld, die sy dan demselben Volrat [d. h. dem Verkäufer] verzinst, wie sich gebürt“), es floss gar kein Geld, vgl. dazu Signori, Schuldenwirtschaft, S. 116. 289 Die versprochene Abzahlung für das Haus beim Aeschentor erstreckte sich über fünf Jahre, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 29r (7. Januar 1497). Ein ähnlicher Fall im Jahr 1455: StABS, Gerichtsarchiv B 7, 55. 290 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 21v. 291 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 16r. Vgl. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 318: Wenn im 15. Jahrhundert Geld „auf Wechsel“ aufgenommen wurde, ist an „mehr oder minder berufsmässige Geldverleiher, Christen oder Juden“ zu denken. 292 Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 39. Sie erwähnt, dass es dabei um höhere Summen ging. 293 Beide Renten sahen eine Verzinsung von fünf Prozent vor. StABS, Gerichtsarchiv B 14, 131v. Weitere Beispiele sind ein Weinzins als Sicherheit in einem Zahlungsversprechen (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 40r), die Hinterlegung eines Schuldbriefs über 200 Gulden (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 20r) oder Schuldbriefe als Gegenstand von Verboten (StABS, Gerichtsarchiv E 4, 12r; StABS, Gerichtsarchiv E 4, 22v; StABS, Gerichtsarchiv E 7, 45v). 294 StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 28r. Vgl. dazu den von Hans-Jörg Gilomen beschriebenen Fall des Kaufmanns Offenburg, dessen Schuldrodel nach dem Tod ebenfalls als Pfand benutzt wurde, Gilomen, Kleinkredit. 295 Eine Mark entsprach rund 238 Gramm reinem Silber (siehe Schmutz, Mark), ein Lot entsprach als Münzgewicht 1/16 Mark (siehe Dubler, Lot). Es handelt sich also um mehr als fünf Kilogramm Silber.

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von 1497 von umgerechnet fast 600 Pfund.296 Eine silberne Kanne diente als Sicherheit für eine Schuld von 50 Gulden, die im Zusammenhang mit gemeinsamen Geschäften entstanden war. Die Kanne wurde in einem ersten Urteil als Pfand bestimmt und musste bei einer Drittperson hinterlegt werden. Später entschied das Gericht, die Kanne solle „in stiller gewer bliben“.297 Schließlich durfte der Schuldner sie wieder zu sich nehmen, musste aber gleichzeitig die Bezahlung der Restschuld versprechen.298 Pfänder für geringere Schuldsummen waren oft weniger spezifisch und weniger ausführlich beschrieben. Vereinzelt mochten sie andernorts genauer verzeichnet sein – Hinweise dafür gibt es: So durfte Agnes Rohrer 1455 für versessenen Hauszins „die phender nehmen, so ir nach des büchs innhalt versetzt sind“.299 Oftmals war ganz allgemein davon die Rede, den Hausrat als Pfand einzusetzen. Tiere als Pfand kamen ebenfalls vor, etwa zehn Schweine300 oder eine Kuh und zwei Schweine,301 und auch Waffen oder Rüstungselemente konnten diese Funktion haben.302 Ausführliche Beschreibungen des Hausrats waren zwar seltener als die einfache Erwähnung der Erlaubnis, auf Pfänder zuzugreifen, aber dafür umso aufschlussreicher für heutige LeserInnen. In einem Zahlungsversprechen wurde der Hausrat von Jörg von Winterthur, Schuhmacher, und seiner Frau folgendermaßen beschrieben: „Item ein bet, ein pfulwen, dru kufft, ein trag, zwo kisten, zwen tisch, ein sergen, ii spanbet, iii eren hefen, ii kessi, den wergkzug unnd ii segen, ii kannen, x lilachen.“303 Das Beispiel vom Sporer Konrad Hartstahel hält auch noch fest, dass diese Pfänder sonst nicht belastet waren: item v die besten bet mit ir zu gehorde, item zwen sund anbüs, zwen gross horn anbos, item v stell anböss, item zwey bar belg, vier vorslag hemer, xiii zangen, alle vigeln, cloben, banckhemer und aller anderer wergkzug, der zu boden smitten gehort, nutzit ussgenomen und ouch gelopt, das solichs vormols niemand hafft, versetzt noch beladen sy 304

Diese exemplarischen Fälle erinnern in ihrer Ausführlichkeit an die Inventare der Beschreibbüchlein.305 Diente die genaue Beschreibung als zusätzliche Sicherheit? Oder war sie Ausdruck eines Wunsches des Gläubigers, spezifische Objekte als Pfand zu er296 StABS, Gerichtsarchiv B 7, 78. Involviert waren die Brüder Hans Heinrich und Lienhard Grieb als Schuldner des Hauses Rich von Richenstein, die Schuldsumme wurde in Gulden benannt (vgl. dazu Kapitel 3.1.1). 297 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 128v. 298 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 128v und 136r; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 40v. 299 In einem Vergicht auf Rechnung, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29v. 300 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 40v. 301 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 41v. Die Kuh war offenbar die einzige im Besitz des Schuldners. 302 Bei einem Zahlungsversprechen über fünf Pfund nannte der Schuldner „sinen harnasch in einem beschlossenn trog“ als Pfand, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 43r. 303 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 8v. 304 StABS, Gerichtsarchiv B 7, 75. 305 Vgl. Simon-Muscheid, Dinge, passim.

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halten?306 Die Frage lässt sich nicht klären, denn die Quellen geben keine Hinweise darauf, weshalb sie eine detaillierte Beschreibung enthalten. Da keine Urteile überliefert sind, die im Detail auf die zu verwendenden Pfänder hinweisen, scheint ein erleichterter Zugriff auf die Güter nicht ausschlaggebend gewesen zu sein. Es scheint eher, als diene die Aufzählung dazu, die als Pfänder verwendeten Güter als ausreichende Sicherheit darzustellen. Meist schien eine genaue Beschreibung aber nicht nötig zu sein. Oft hieß es einfach, der Gläubiger oder die Gläubigerin dürfe Pfänder bis zu Erreichung der Schuldsumme zu sich nehmen, zum Beispiel in der Formulierung, man dürfe „ein[en] botten nemen und im pfender fur volle schulde usstragen“.307 Diese sehr häufige Formulierung deckt sich mit der Feststellung von Valentin Groebner, dass vor allem „die ‚varrnus‘, die bewegliche Habe des Schuldners“, als Sicherheit diente.308 Anlässlich einer Ratenzahlung verpflichtet sich der Schuldner, wöchentlich zu zahlen oder aber „sovil pfennder dafur zelegen, damit das iii lb daruff erloste mogen werdenn“.309 In einem anderen Fall sollte der Schuldner „phender geben, die für solich schulde gut sient“.310 Noch allgemeiner gehalten war die häufig verwendete Formel, man dürfe auf alles liegende und fahrende Gut zugreifen.311 Letztere Formel konnte auch ergänzend gemeint sein, wenn die eigentlichen Pfänder nicht genügend Geld lösen sollten: Dann dürfe man „uff alles ander […] güt faren“.312 Da Unterpfänder zuweilen über so lange Frist eingesetzt blieben, dass sie eine Wertminderung erfahren konnten, konnte es sein, dass sie mit der Zeit ersetzt werden mussten. In einem Urteil hielt das Gericht fest, ein Schuldner habe den Gläubiger „ze versichern mit anden underpfendern, daran er ein benugen habe“.313 Auch eine Aufbesserung von Pfändern kam vor: 1455 legte jemand „die besserung des phandes“ in Verbot, was wohl so zu verstehen ist, dass ein Pfand vermehrt bzw. aufgebessert worden war.314 Diese Verbesserung wurde dann in Verbot gelegt, also selbst wieder angegriffen, weil sie offenbar gar nicht dem Schuldner selbst gehörte oder zustand.315

306 Vgl. dazu Smail, Biens, S. 374: Persönliche Objekte, auch wenn sie wie Betten umständlich waren, wurden von den Gläubigern wegen der „implication personelle“ bevorzugt. 307 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 12v. 308 Groebner, Ökonomie, S. 228. 309 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 45r. 310 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 37v. 311 Z. B. „alles ir ligend und varend guot anzegriffen“, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 19r. 312 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 39r. 313 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 82r. Später entschied das Gericht dann übrigens, dass vereinbart worden war, dass die Liegenschaft trotz Verkaufs weiterhin als Unterpfand bestehen solle und der Käufer sich damit abgeben solle, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 90v. Weitere Beispiele des Ersatzes von Unterpfändern: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 110r, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 39r. 314 Vgl. zum Begriff Besserung siehe Idiotikon, Bd. 4, Sp. 1678. 315 StABS, Gerichtsarchiv E 4, 22r.

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Vor allem die mehrfache Belastung als Pfand konnte zum Problem werden. Da die „underphender sust ouch swerlich beladen sie [d. h. seien]“, forderte das Gericht einen Schuldner auf, die Gläubigerin „mit gewissen [d. h. sicheren] underphendern umb ir gelt ze ersetzen“.316 Die Belastung mit Zinsen war ja in den Verkaufsverträgen des Fertigungsbuchs fester Teil der Beschreibung von Liegenschaften. Die Gläubigerin fürchtete um ihr Geld: „die gute frowe besorge, dz sy irs geltz, daruber sy vellicht gross arbeit gehept und erspart habe, nit habende noch sicher sie [sei]“.317 Es konnte auch vorkommen, dass eine Liegenschaft auf Geheiß des Gerichts weiterhin Unterpfand blieb.318 Und eine Liegenschaft konnte auch „uss einer verschribung gelassen“ werden, womit ein Ersatz nötig wurde.319 Wie erwähnt, wechselten nicht zwingend Güter die Hand (dies ist oftmals nicht nachzuweisen). Blieben sie im Besitz des Schuldners oder der Schuldnerin, brachte das gewisse Risiken mit sich. In diesem Kontext erklärt sich wohl das Versprechen, „nutzit ze empfremden, versetzten, verkouffen, sonnder allso unverendert hafft blyben und ligen lassen“.320 In einer Kundschaft von 1481 erzählt ein Amtmann, jemand habe „clagt, wie im sine pfender verendert werden“.321 Liegenschaften konnten zwar nicht im gleichen Ausmaß weiterverkauft werden und waren als Sicherheit deshalb weniger gefährdet. Wenn die Liegenschaft jedoch anderweitig belastet war und diese Last nicht bekannt gegeben wurde, konnte dies die Funktion als Sicherheit infrage stellen. So habe etwa Klaus Rieher bei einem Rentenkauf sein Haus als Sicherheit eingesetzt und dabei „verswigen“, dass es mit 200 Gulden belastet war.322 Obwohl bei Liegenschaftsund Rententransaktionen die Belastung der Güter erfasst wurde, gab es keine Garantie, dass alle Belastungen aufgeführt waren.323 Es war also den Beteiligten durchaus bewusst, dass ein Pfand in der Hand des Schuldners mit Risiko behaftet war. Die Tatsache wiederum, als GläubigerIn Pfänder in seinem Besitz zu haben, ermächtigte nicht dazu, diese zu verkaufen, um die Schuld zu begleichen, also sich daran schadlos zu halten und damit das Schuldverhältnis zu beenden. 1497 etwa ersuchte der Metzger Bastian Meiger das Gericht um Erlaubnis, die Pfänder, die er von einem

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StABS, Gerichtsarchiv A 26, 133r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 133r. Weil der Gläubiger „die trotten fürer als ein under phand ston lassen well“, soll sie das auch bleiben, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 90v. 319 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 39r. Im vorliegenden Fall von 1497 scheint ein Liegenschaftsverkauf dahinterzustecken. 320 StABS, Gerichtsarchiv  C  16, 40r; eine ähnliche Formulierung auch unter StABS, Gerichtsarchiv C 16, 38r; vergleiche auch ein Zahlungsversprechen von 1497, bei dem zehn Schweine als Unterpfand galten und der Schuldner versprach, „die selben swin nit ze verendern“, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 40v. 321 StABS, Gerichtsarchiv D 12, 8v. 322 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 194v. Dieser Fall wurde erwähnt im weiteren Kontext eines Falles, in welchem es um die Unglaubwürdigkeit Riehers ging. 323 Vgl. zum Umgang mit dieser Unsicherheit beim Kauf Signori, Schuldenwirtschaft, S. 106.

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Priester bei St. Johann habe, zu verkaufen. Dieser Priester sei nicht mehr auffindbar. Er durfte die Pfänder nun nicht unmittelbar dem Käufler übergeben, sondern er musste zuerst belegen, „daz er sin vliss ankert hab unnd den priester nit wisse ze erfaren“.324 Die Abwesenheit einer Person erlaubte es auch nicht, unmittelbar auf deren Güter zuzugreifen, wie ein Urteil aus dem gleichen Jahr zeigt. Dieses verpflichtete den Gläubiger, vier Wochen zu warten und zu versuchen, den Schuldner aufzubieten, bevor er auf dessen Gut zugreifen durfte.325 Wie gestaltete sich der Zugriff auf Pfänder? Dieser war oft vom Gerichtspersonal begleitet, zumindest sahen dies die Zahlungsversprechen so vor. Der Gläubiger durfte „ein[en] amptman nemen, und in sin huss gan und daruss pfender tragen“ und diese verkaufen „glicher wis, als ob das mit allem rechten erlangt werde worden“.326 Offenbar war dieses Aufbieten eines Amtmanns mit Hürden verbunden. So zumindest wäre es zu erklären, dass in einem anderen Fall der Entscheid, es dürfe ein Amtmann beigezogen werden, gleich zweifach vom Gericht bekräftigt wurde: „Darumb im [dem Gläubiger] vormals bekennt ist, einen botten vom gericht ze nemen und phender zu vordern. Ist aber [erneut] bekennt, dz man im [ihm] einen amptman zü geben [solle]“.327 Die Hürden für einen einfachen Zugriff auf Pfänder werden auch dort fassbar, wo sie explizit ausgeschlossen werden, wenn etwa ein Gläubiger „die pfennder, so er im deshalb ingesetzt hatt, on alles verkunden unnd berechtigen verkouffen lassen“ durfte.328 Der anschließende Verkauf der Pfänder war auch nicht frei, zumindest wenn es nicht anders festgelegt war: Man musste sie „an koüfler legen“, d. h. dem Käufler übergeben.329 Im Falle des flüchtigen Druckers Michael Wensler330 durfte ein Gläubiger ein Seidenwams, welches er bei sich hatte,331 unmittelbar dem Käufler bringen, also ohne zuvor den Schuldner zu informieren.332 Die eigentliche Pfandleihe ist in den Gerichtsakten schwierig zu fassen: Wenn die Sicherheit schon die Hand wechselte, war eigentlich kein Gerichtsverfahren notwendig, um ans Geld zu kommen. Indirekt nachweisen lässt sie sich aber in Einzelfällen – das oben erwähnte Seidenwams von Michael Wensler ist ein solcher.333 Ausführlich

324 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 246r. 325 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 248v. 326 StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 15r. Weiteres Beispiel: Gerichtsarchiv  A  26, 137r. Vgl. dazu den Abschnitt von Smail zum Beschlagnahmungsprozess und zur Rolle der Gerichtsboten darin: Smail, Plunder, Kapitel 4, bes. S. 185. 327 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 105r. 328 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59r. In einem ähnlichen Fall durfte der Gläubiger „on intrag glicher wise als ob alle recht darüber erlangt werent“ weiterverkaufen, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 37v. 329 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 137r. 330 Zu Wensler siehe Hitz, Schuldennetzwerke, S. 113 f. 331 Was ein Hinweis auf eine Pfandleihe ist, siehe weiter unten. 332 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 191r. 333 Ein anderer ist ein sehr kurz gefasstes Urteil, gemäß dem der Schuldner nach Bezahlung der Schuld sein Pferd vom Gläubiger zurückerhalten sollte, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 193r.

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erzählte eine Zeugin 1493 von einer etwas länger zurückliegenden Pfandleihe, ohne die Schuldnerin namentlich zu erwähnen. Diese hatte einen Mantel als Sicherheit hinterlegt und laut einem Boten, den sie nun zur Gläubigerin schickte, als „zil und tag der losung verschinen“ war, „hett die selb frow by den selben zytten, als der selb man sagte, kein gelt“, weshalb der Bote sie aufforderte, „sy solt die gemelt schuben verkouffen als were sy ir oigen“.334 Ein anderer Zeuge erzählt, jemand habe ihm „einen kessel fir fier lib pfeningen [d. h. für vier Pfund] versetzt gehept und in gebetten den zu behalten, bis er den wyder gelösen möchte, den selben kessel habe er noch“.335 Es scheint auch, dass die Pfandleihe nicht auf kleinere Schuldsummen beschränkt war.336 Meistens wiesen Fälle, die es in die Kundschaften schafften, eine komplexere Struktur auf, indem zum Beispiel nicht nur zwei Personen involviert waren. Das Gericht entschied etwa 1455, dass eine Witwe zwei Zinnschüsseln einem Mann „zelösen geben solle“, dessen Sohn sie ihrem inzwischen verstorbenen Mann „versetzt hat“.337 Der Fall einer weitergereichten Silberschale begann mit einer Schuld, für die der Schuldner „ein silbrin schalen zu pfande“ gegeben hatte.338 Die Schale hätte er nach der allerdings verspäteten Abzahlung der Schuld „gern wider gehept“. Nur hatte der Gläubiger selbst Schulden und „solich schale an Bartholome […] versetzt, und desmols nit wider ze lösen“, konnte sie also nicht auslösen. Das Angebot, stattdessen ein Pferd als Pfand zu akzeptieren, nahm der ursprüngliche Schuldner, der nur seine Schale wiederhaben wollte, nicht an.339 In einem anderen Fall wollte der Gläubiger „die pfennder, so er ouch umb sellich gelt innhab“ weiterverkaufen, was ihm aber das Gericht untersagte.340 Pfänder spielten also eine wichtige Rolle bei der Absicherung von Kredit- und Schuldentransaktionen. Sie waren als alltägliche Erscheinung weit verbreitet.341 Die Selbstverständlichkeit, mit der solche Geschichten wie oben in den Kundschaften 334 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 26r. Die nachfolgende Zeugenaussage handelt dann vom Kauf vermutlich dieses Mantels bei einer Käuflerin. 335 StABS, Gerichtsarchiv D 12, 8v. 336 Vgl. dazu Smail, Plunder, S. 121: Die Pfandleihe wies keine deutlich geringeren Schuldsummen aus. 337 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 34v. 338 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 104r. 339 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 104r. Einen ähnlichen Fall dokumentiert auch eine Kundschaft von 1484, gemäß der ein Heinrich Schweiger einen eisernen Hafen als Pfand weitergab, den er in seiner Funktion als Vogt einer Frau bei sich hatte. Die Frau hatte den Hafen von ihrem Bruder, der ihn wiederum von einem nicht namentlich genannten Mann hatte. Schweiger berichtet in der Kundschaft, er habe bei der Bezahlung mittels Hafen festgehalten, dass der Mann diesen wieder auslösen durfte. StABS, Gerichtsarchiv D 13, 11r 340 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 272r. 341 Vgl. Simon-Muscheid, Dinge, S. S. 79: Die „regelmäßig wiederkehrenden Bemerkungen in den Inventaren über geliehende Geldbeträge, ausstehende Schulden und verpfändete Gegenstände sind deutliche Indizien für die Alltäglichkeit dieser Situation“. Die gleiche Beobachtung auch bei Daniel Smail: Pfandleihe war sicher „extremely common“, verbreiteter, als die „occasional flashes of insight“ in den Inventaren vermuten ließen, Smail, Plunder, S. 122. Siehe auch Fontaine, Economie, S. 105, zur Verbreitung der Pfandleihe: Viele Institutionen der Barmherzigkeit wurden mit Hilfsgesuchen, um Werkzeuge wiederzuerlangen, konfrontiert.

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erzählt wurden, spricht dafür. Der Besitz von Gütern, die als Pfänder dienen konnten, erleichterte entsprechend den Zugang zu und den Umgang mit Schulden.342 Für Basel ist allerdings nicht geklärt, ob sie eher von Armen genutzt wurde, wie Laurence Fontaine postuliert, oder ob sie im Gegenteil auch in anderen Kreisen von Bedeutung war.343 Weil die Pfänder in der Regel mehr wert waren als die Schuldsumme, bürdete man so „das Risiko ganz einseitig dem Kreditnehmer auf, nicht etwa dem Gläubiger.“344 Pfänder spielten zu verschiedenen Zeitpunkten eine Rolle: anlässlich der Entstehung der Schuld, wenn die Schuld fällig wurde und aufgrund von Garantien das Schuldverhältnis in die Länge gezogen werden konnte, oder schließlich als Ersatz von Bargeld ganz zum Schluss, wenn der GläubigerIn keine weitere Verzögerung mehr duldete. Güter konnten so zu einer Art Zahlungsmittel werden. Und tatsächlich wird dies in den Gerichtsquellen zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt: Pfänder zu Geld machen war ein alltäglicher Prozess.345 Nicht immer jedoch zirkulierten die Güter tatsächlich, sondern dienten eher dazu, die Geduld der GläubigerIn zu nähren.346 Und selbst im Falle der Pfandleihe, wo die Zirkulation des Pfands am Anfang der Transaktion stand, schwang, wie die Beispiele oben zeigen, immer die Idee mit, dass die Güter am Ende wieder bei ihrem ursprünglichen Besitzer landeten. Die „liens affectifs“ der SchuldnerInnen zum Objekt blieben bestehen, womit die Gegenstände wie Geiseln an die Verpflichtungen erinnerten.347 Daniel Smail, der diesen Sachverhalt ebenfalls beobachten kann, stellt anhand der spätmittelalterlichen Güterzirkulation in Marseille und Lucca, die mit Schulden in Zusammenhang stand, fest: „What was demanded by the system of circulation, therefore, was not the movement of goods so much as the movement of their value.“348

342 Küpker/Maegraith/Ogilvie, Household, S. 150, beobachten im ländlichen Württemberg des 17. Jahrhunderts eine Konzentration von Schulden bei Leuten, die Sicherheiten bieten konnten. 343 Fontaine, Märkte, S. 40: „Die Pfandleihe ist stets das bevorzugte Kreditinstrument in den Ökonomien der Armen, so auch im vorindustriellen Europa.“ Im Gegenzug weist Claustre, Crédit, S. 586, auf die weite Verbreitung der Pfandleihe nicht nur bei Armen hin. 344 Fontaine, Märkte, S. 40. 345 Mehr zur Zirkulation von Objekten und Geld in Kapitel 3.1. 346 Daniel Smail hielt dazu fest: „the circulation of value could be a sluggish affair“, Smail, Plunder, S. 109. 347 Smail, Biens, S. 375. 348 Smail, Plunder, S. 122.

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2.3.3 Bürgschaften Wie die Auswertung der Sicherheiten anlässlich von Zahlungsversprechen zeigte, waren Bürgschaften349 als Garantie relativ selten.350 Bürgschaften sind in den Gerichtsakten in verschiedenen Stadien fassbar. Das weitaus am häufigsten greifbare Stadium ist jenes der Entstehung, meist in Zusammenhang mit einem Zahlungsversprechen. So stellte ein Schuldner für einen Betrag von 30 Pfund, der über sechs Jahre abzuzahlen war, Bürgen mit den Worten: „so hat er im zu merer sicherheit zurechten burgen gesetzt“. Diese auswärtigen Bürgen durfte der Gläubiger „alsdann manen gen Basel in die statt da in eins offen wirtzhuss“, um dort zu leisten und von der statt Basel nitt komen, der eg[enannt] Spengler [sei] den solicher verfallen schulde mit dem kosten, wie sich der uf die sach verlieff, gentzlich ussgericht und unclaghafft gemacht, und hant ouch die burgen solichs in des vogts hand gelopt stet zehalten und der schuldner, die burgen vor allem schaden in der sach zuverhüten351

Die potenzielle Leistung der Bürgen wurde hier ebenso geregelt wie ihre Möglichkeit, sich schadlos zu halten. In der Regel waren die Erwähnungen der Bürgschaft allerdings kürzer. Außerdem ist zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Schuld und demjenigen der Bürgschaft zu unterscheiden. Zahlungsversprechen standen nicht am Anfang eines Schuldverhältnisses, sondern markierten den Moment der Säumnis. Die Bürgschaften scheinen aber anlässlich des Vergichts oder des Zahlungsversprechens neu und als zusätzliche Sicherheit eingesetzt worden zu sein.352 In der Stichprobe von 1455 sind fast ausschließlich Bürgschaften im Zusammenhang mit Zahlungsversprechen greifbar. 1497 tritt eine weitere, größere Gruppe von Bürgschaften hinzu. Dabei handelt es sich um Bürgen, die anlässlich des Erbantritts aufgeboten wurden. So entschied etwa das Gericht, die Erben seien „daruff in sin verlassen erb gesetzt unnd haben daruff zü burgen nach der statt recht geben“, gefolgt von den Namen der Bürgen.353 Diese Art von Bürgschaft war einiges häufiger als solche bei Zahlungsversprechen.354 Diese neue Form erklärt auch, weshalb zahlenmäßig in der späteren Stichprobe mehr Bürgschaften gezählt wurden, obwohl ich oben einen Rückgang

349 Zu Bürgschaften in Basel siehe Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 292–294. Zu Bürgschaften in Schuldverhältnissen in Hannover siehe Sturm, Privatkredit, S. 96–100. Vgl. auch Dijkman, Debt, S. 230 f.; Kuske, Entstehung, S. 63 f. 350 Claustre, Crédit, S. 589, schätzt den Anteil von Schuldverhältnissen mit Bürgen auf ein Fünftel. Laut Smail, Plunder, S. 124, waren Bürgen häufig bei Notariatskontrakten und Verkaufskrediten. 351 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 8v. 352 Laut Sturm, Privatkredit, S. 99, wurden Bürgschaften vor allem eingesetzt, wenn sonst keine Sicherheit vorhanden war. 353 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 177v. 354 Es handelt sich um 20 Bürgschaften bei Erbsachen im Gegenzug zu sieben bei Zahlungsversprechen (nur die Bürgschaften, die bei der Entstehung dokumentiert wurden).

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der Bürgschaften bei Zahlungsversprechen festgestellt habe (siehe Tabelle 2.1). Während bei Zahlungsversprechen die Bürgschaften mit Sicherheit im Zusammenhang mit Schulden standen, ist dieser Zusammenhang bei Erbangelegenheiten weniger klar. Bürgschaften sollten wohl vor allem dazu dienen, die Erben gegenüber Begehrlichkeiten von Drittpersonen abzusichern. Dass es bei Bürgschaften nicht ausschließlich um Geld gehen musste, belegt folgender Fall. Es handelt sich um die Bürgschaft, die zwei Basler Bürger für Peter Hans von Biel eingingen, als dieser „in gefengnis gewesen und uff sicherheit usgelassen ist“. Die Bürgschaft bestand darin, „in [d. h. für ihn] also für gericht zü Basel ze antworten“, was die Bürgen angeblich auch getan hatten. Dafür forderten sie eine Entschädigung. Nach Bestätigung eines Notars, dass sich die Bürgschaft wirklich nur darauf bezog, beschloss das Gericht, die zwei Bürgen von weiterer Bürgschaft zu entlasten.355 Eine Bürgschaft konnte bei Schuldsachen auch ergänzend gestellt werden, wie im Fall eines Zahlungsversprechens von 1497, das festhielt: „Und wo daran [an den Pfändern] abgieng, dafür ist Hanns Meiger wirt zer Judenschul gult und burg.“356 Es mussten übrigens nicht immer Personen als Bürgen dienen, es konnten auch Institutionen sein wie der Rat von Ettenheim, der 1455 in einer Erbsache bürgte.357 Bei den Zahlungsversprechen fiel die Entstehung der Bürgschaft nicht mit derjenigen der Schuld zusammen, sondern mit dem Zeitpunkt, als das Schuldverhältnis auf eine neue Ebene gebracht wurde, nämlich die der gerichtlichen Auseinandersetzung. Sollten Bürgschaften schon beim Entstehen der Schuld entstanden sein, so gibt es dafür in den Quellen kaum Hinweise: Wurden allfällige Bürgen direkt belangt, bestand kaum eine Notwendigkeit, die Sache vor ein Gericht zu bringen. Eine Kundschaft aus dem Jahr 1469 zeigt auf, wie eine solche Bürgschaft entstehen konnte. Der Zeuge erzählte, dass meister Hanns Einbaltig verkouft hab xlvi seck roggen einem von Rinfelden, genant Heinrich Ziegler, ye ein sack fur x ß in einem iar und zwöyen zilen ze bezalen und sind da fur burge Conrad Ziegler, Brattler und Fronstetter358

Ob die Bürgschaft von den SchuldnerInnen als Sicherheit vorgeschlagen oder aber von den GläubigerInnen eingefordert wurde, lässt sich in diesen Quellen nicht eruieren. Es konnte jedoch vorkommen, dass ein Schuldner einen Bürgen vorschlug, der Gläubiger diesen aber ausschlug. Eine Kundschaft von 1458 hält fest, dass der Schuldner „gern den von Zimmerstein hette ze burgen geben für soliche schulde, dz habe er nit wel-

355 356 357 358

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 104v. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 42v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 7v. StABS, Frucht und Brot A 1. Die Kundschaft, die sich vornehmlich über zu hohe Kornpreise und damit verbundene Spekulation auslässt (siehe Hitz, Fürkauf), sagt nichts aus über die allfälligen Folgen dieser Bürgschaft.

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len uffnemen“.359 Stattdessen verlangte der Gläubiger Pfänder. Auch der umgekehrte Fall findet sich in den Kundschaften, nämlich derjenige eines Schuldners, der „gern mit lüten versichert, do konnde er nieman vinden“.360 Aus dem Jahr 1497 ist außerdem ein Fall überliefert, in welchem das Gericht die Forderung nach einem Bürgen nicht unterstützte. Für die Entschädigung einer Verletzung („der wunndatten halb“) wollte der Geschädigte einen Bürgen gestellt erhalten, was ihm aber mit der Begründung verweigert wurde, der Täter habe „einen eid liplichen zu got unnd den heiligen gesworen“, die Schuld vor Gericht zu begleichen, weshalb er „nit witter schuldig sye, burgschafft zegeben“.361 Die Gleichstellung von Eid und Bürgschaft weist dabei auf die Rolle des Gerichts als Institution hin, welches offenbar mittels Eid eine vergleichbare Sicherheit bieten konnte wie eine Bürgschaft. Kaum eindeutig zu interpretieren sind die zwei Bürgschaften, die anlässlich eines Verbots gestellt wurden. In beiden Fällen scheint es so, dass der Gläubiger, der das Verbot anstrebte, einen Bürgen stellte – wahrscheinlich für die Güter, die bei anderen Personen waren, als das Verbot angestrebt wurde.362 Schließlich stellt sich beim Versprechen, eine Schuld „usszerichten oder an stett desselben schüchmachers [d. h. des eigentlichen Schuldners] uff das Rinthor in das keffy zegan“, die Frage, ob das noch eine Bürgschaft oder eher ein Übernehmen der Schuld war.363 Weitaus seltener erwähnt waren die weiteren zwei späteren Stadien. Erstens konnten Bürgschaften enden. Dieses Ende wurde in seltenen Fällen im Gerichtsbuch registriert. So ließ Hanns Bannwart der Schuhmacher die Aussage von einem Bäcker festhalten, der angab, die Schulden Bannwarts an einen verstorbenen Notar eingezogen zu haben. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich, dass die (erst nachträglich in der Marginalie erwähnten) Bürgen daran ein Interesse haben konnten, weil nun die Erben des Notars sie nicht mehr belangen konnten.364 1497 hat das Gericht in einem Urteil einen Bürgen seiner Bürgschaft „lidig erkannt“, ohne diesen Entscheid weiter zu kommentieren. Das Ende des Schuldverhältnisses konnte jedoch nicht der Grund sein, denn der Schuldner versprach gleichzeitig unter Eid, für die „clagfordrung“ vor Gericht zu erscheinen.365 Zweitens lassen sich Bürgschaften auch dort erfassen, wo sie tatsächlich zum Tragen kamen und sich somit das Risiko der Bürgschaft zeigte.366 Die Frage, wie häufig Bürgen tatsächlich hinzugezogen wurden, lässt sich nicht klären, denn das eigentliche Einfordern ist nicht zwingend dokumentiert: Der Zugriff auf Bürgen war wohl in der Regel 359 360 361 362 363 364 365 366

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 134v. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 48v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 230v. StABS, Gerichtsarchiv E 7, 43v, 45r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37r. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 10r. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 226v f. Zum Risiko von Bürgschaften siehe Kuske, Entstehung, S. 64.

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gewährleistet und bedurfte keiner weiteren gerichtlichen Verfahren. Ausnahmen gab es aber auch da: Weil ein Ehepaar „fur iren schwager unnd bruder […] versprochen unnd burg worden syen“, musste es nun den Gläubiger „darumb ussrichten […] nach der statt recht“.367 Bürgschaften waren nicht nur symbolischer Natur, sonst wäre schwer zu erklären, weshalb auch das Weiterbestehen einer Bürgschaft gerichtlich festgehalten wurde.368 Dass die Bürgschaft tatsächlich belastet wurde, davon zeugen die Beispiele von Bürgen, die ihren Schaden erstattet haben wollten. Die Bürgschaft war so selbst wieder eine Schuld, der man nachgehen konnte.369 Bürgschaften konnten somit dazu führen, dass das Gericht das Problem der Zahlungsunfähigkeit von einer Person zur anderen verschob.370 Das zeigt das Beispiel eines Bürgen, der zu Schaden kam und sich danach mit Gütern der Person, für die er gebürgt hatte, schadlos hielt: Er gab an, dass er ettlicher ansprach halb, burg worden unnd solher burgschafft in schaden komen ist, inmassen er ettlich des Steinmeigers guott, hier zu Basel, angegriffen unnd sich damit selher burgschafft ennttlediget hatt.371

Zwei Knechte von Schlatt waren Bürgen geworden für einen weiteren Knecht, und als sie nun wegen der Bürgschaft dessen Gut in Verbot legen wollten, gab er ihnen zwei Pferde und einen halben Wagen zu kaufen, womit die Bürgschaft entschädigt war.372 Abschließend stelle ich die typischen Kombinationen von SchuldnerInnen und ihren Bürgen entlang ihrer Herkunft, ihrer Steuervermögen und ihrem Geschlecht vor.373 Die beiden Stichproben unterscheiden sich ziemlich stark, weshalb sie getrennt dargestellt werden. Festzuhalten ist, dass die kleine Anzahl von Bürgschaften – 22 in der Stichprobe 1455 und 36 in derjenigen von 1497 – keine statistischen Überprüfungen der Signifikanz zulässt. Da die Muster aber ziemlich eindeutig sind, beschreibe ich sie hier dennoch. Bei den Angaben von 1497 sind die Bürgen in Erbsachen mit ausgewertet. Zuerst zur Herkunft: 1497 waren es fast ausschließlich Nichtbasler und anhand der Quellen nicht Lokalisierbare, die Bürgen brauchten (nur zwei Personen, die Bürgen stellten, stammten sicher aus Basel). Die Bürgen stammten dafür häufiger aus Basel,

367 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 285r. In einem ähnlich gelagerten Fall durfte der Gläubiger den Bürgen belangen, allerdings erst nach einer Frist von sechs Wochen. Diese diente dem Bürgen dazu, den eigentlichen Schuldner zum Zahlen zu bringen, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 231r. 368 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 229r. 369 Z. B. in Form einer Vollmacht an eine Drittperson, den Schuldner „mit recht ze iagen biss zu lidigung der burgsch[aft] so er fur in getan“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 191r. 370 Sturm, Privatkredit, S. 100. 371 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 31r. 372 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 23v. 373 Die Auswertung umfasst jede Erwähnung von Bürgschaften, egal zu welchem Zeitpunkt.

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nämlich in mindestens 29 von 36 Fällen.374 Die Kombination BaslerIn bürgt für NichtbaslerIn war von allen Kombinationen bei Weitem die häufigste (19 von 36 Fällen, d. h. knapp 53 Prozent). Die Bürgschaften bei Erbsachen weichen davon nicht ab, es war aber offenbar nur für NichtbaslerInnen nötig, bei Erbschaften einen Bürgen (meist aus der Stadt) zu stellen. Die frühere Stichprobe zeigt dagegen ein komplexeres Bild. Erstens stammten deutlich mehr Personen, die Bürgen einsetzten, wahrscheinlich oder mit Sicherheit aus Basel (in 16 von 22 Fällen), zweitens gab es mehr auswärtige Bürgen, nämlich knapp ein Drittel und damit deutlich mehr als 1497. Die Gruppe der Basler Bürgen von auswärtigen Personen umfasst nur vier von 22 Fällen.375 Aus diesen Beobachtungen resultiert das Bild einer Verschiebung von Bürgschaften in Bezug auf die Herkunft. Innerstädtische Bürgschaften, die 1455 dominierten, wurden bis 1497 abgelöst von der Kombination Basler Bürgen für Auswärtige. Im Gegenzug verschwanden auswärtige Bürgen fast ganz aus den Quellen. Diese Entwicklung steht übrigens im Kontext einer stärkeren Einbindung der Auswärtigen vor Gericht.376 Hinsichtlich der Vermögenslage lässt sich wenig feststellen. 1455 waren fast keine an Bürgschaften beteiligten Personen in der Steuerliste ausfindig zu machen. Wenn sie allerdings zu finden waren, dann eher in den unteren Vermögenskategorien. 1497 konnte ich etwas mehr Bürgen auf der Steuerliste identifizieren, welche jedoch fast ausschließlich aus der untersten Vermögenskategorie stammten.377 Zwei der drei Bürgen aus reicheren Vermögensschichten bürgten in Erbsachen. Es finden sich in beiden Stichproben keine Reichen, welche Bürgen stellten, womit diese Art von Sicherheit von den sonstigen Beobachtungen zur Beteiligung entlang den Vermögensverhältnissen abweicht.378 Das ist einerseits erstaunlich, weil Bürgschaften als wichtiges Element der Verflechtung von städtischen Oberschichten beschrieben werden,379 andererseits scheinen solche Bürgschaften in einem anderen Kontext gespielt zu haben. Angesichts der oft kleineren Schuldsummen, die vor dem Schultheißengericht verhandelt wurden, waren es eher die ärmeren Personen, die ihre Netzwerke aktivieren mussten, um ihre Schulden abzusichern, während reichere genügend Kapital und Prestige hatten, um nicht zu dieser Maßnahme greifen zu müssen. Zuletzt noch zum Geschlecht: 1455 waren in 22 Bürgschaften lediglich zwei Frauen vertreten, davon eine als Bürgin. 1497 sind nur noch männliche Bürgen anzutreffen, dafür etwas mehr Frauen, die einen Bürgen stellen. Diese Abweichung zwischen den zwei Stichproben erklärt sich allerdings durch die Tatsache, dass all diese Frauen bei Erbsachen einen Bürgen brauchten. Ging es also nicht um Erbsachen, spielten Frau-

374 375 376 377 378 379

Und nur in zwei Fällen sicher nicht aus Basel. Also 18 Prozent im Gegensatz zu 53 Prozent in der anderen Stichprobe. Vgl. Kapitel 4.1.2. 24 von 27 in der Steuerliste Identifizierbaren. Dazu Kapitel 4.1.1. Frey, Junker, S. 124; Schüpbach-Guggenbühl, Schlüssel, S. 163.

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en bei Bürgschaften kaum eine Rolle. Während es wahrscheinlich mit der rechtlichen Stellung zu erklären ist, dass Frauen fast nie als Bürginnen auftraten,380 fällt es schwer, eine Erklärung dafür zu finden, dass Frauen auch kaum je einen Bürgen stellten, wenn es nicht um die Absicherung von Erbe ging. 2.4 Fazit: sozial eingebundene Schulden Die Untersuchung der Situationen, die zu Schulden führten, zeigt vor allem die Vielfalt der Konstellationen und Vorgänge und damit die Ubiquität von Schulden als wesentliche ökonomische Transaktionsform. Die eigentlichen Bardarlehen, wenn also jemand effektiv Bargeld vorschoss, waren wahrscheinlich in der Minderheit, obwohl sie auch vorkamen und Spuren hinterließen. Verkaufssituationen waren von größerer Bedeutung. Ob es sich dabei um die Lieferung von Konsumgütern oder von Produktionsgütern auf Kredit handelte, ist oftmals nicht zu klären  – wahrscheinlich waren beide Formen vertreten. Viele Verkaufssituationen gingen ganz selbstverständlich mit Schulden einher,381 es entsteht der Eindruck, dass Verschuldung häufiger war als die direkte Bezahlung von gekaufter Ware. Eine quantitative Einschätzung dieses Verhältnisses lassen die Basler Quellen nicht zu, und auf Schätzungen verzichte ich, denn auch dazu ist keine Grundlage vorhanden.382 Auf jeden Fall waren Schulden im Zusammenhang mit täglichen Geschäften zugleich eine Lösung, eine Selbstverständlichkeit und ein Problem. Darlehen und Lieferung auf Kredit waren aber nicht die einzigen auftretenden Formen von Verschuldung. Während die Schuldform der Rente relativ selten in direkter Form vertreten war, spielten alle Arten von Zinsen eine gewichtige Rolle, vor allem bei den Frönungen. Renten stützten sich auf Liegenschaften, und außerdem waren viele Grundstücke mit Grundzinsen bei kirchlichen Institutionen belastet. Die Darstellung der Verkaufssituationen und der Gewährung von Bardarlehen stützt sich mehrheitlich auf Kundschaften. Viele Gerichtsakten, die sich mit Schulden befassen, darunter prominent die Vergichte, erwähnen aber nicht, wo die Schuld herstammte. Es ist denkbar, dass darunter Geldforderungen zu finden sind, die nicht als

380 Zumindest konnten Kinder keine Bürgschaft übernehmen, wie ein umstrittener Fall von 1495 zeigt: Der Bürge sein „ein kind unnder sinen iaren gewesn in massen er kein versprechnus noch burgschafft hab mogen tün“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 116r. 381 Vgl. Muldrew, Economy, S. 95: Fast alles Kaufen und Verkaufen „involved credit of one form or another“. Zudem zeigt Muldrew auf S. 117, dass Schulden in Inventaren rund die Hälfte der aufgeführten „movable goods“ ausmachten. Siehe auch Claustre, Ethnographie, S. 40: „le crédit de court terme et hautement personnalisé occupe une place importante“, und S. 45: „Faire crédit à Paris, c’est d’abord savoir attendre le paiement de ce qu’on a vendu.“ 382 Muldrew, Economy, S. 117, schätzt den Anteil von Transaktionen auf Kredit in King’s Lynn auf 90 Prozent, die Schätzung scheint mir aber schwer nachvollziehbar.

Fazit: sozial eingebundene Schulden

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eigentliche Schuldfälle begonnen haben, aber eben am Schluss zu einer finanziellen Forderung führten.383 Wie die Ausführungen zu den eingeforderten Sicherheiten zeigen, war den Beteiligten das Risiko bewusst, das mit der Gewährung von Schulden einherging. So meinte laut einer Kundschaft von 1482 ein um Geld Angeganger zum Schuldner, „er lihe im solich gelt yetz dar und wiste nit, ob im dz wider wurde oder nit“.384 Als handfeste Sicherheit boten sich Pfänder und Liegenschaften an, wobei je nach Form der Schuld das eine oder das andere eher infrage kam. Daneben spielten aber weniger sicher scheinende Garantien eine bedeutende Rolle. Neben Bürgschaften, die sich darauf stützen, dass man den Bürgen oder die Bürgin kannte oder zumindest ihrer Zahlungsbereitschaft trauen konnte, kamen auch Versprechen, sich vor Gericht zu stellen, häufig vor. Diese Versprechen müssen wir im Auge behalten, wenn wir später das Vertrauen in die Institution Gericht betrachten.385 Sicherheiten sollten übrigens nicht einseitig zuungunsten der Schuldner interpretiert werden, wie schon Bruno Kuske meinte. Die von ihm unter dem Begriff Gläubigerschutz zusammengefassten Sicherheiten verhinderten Wucher, dessen sich der ungeschützte Gläubiger sonst bedient hätte.386 Die untersuchten Kundschaften enthielten kaum je Angaben zur Sicherheit, vielmehr scheint es so, dass die soziale Einbettung von Transaktionen selbst zur Sicherheit wurde. Transaktionen fanden in halböffentlichen Konstellationen oder in Privathäusern, aber unter den Augen von weiteren Personen statt. Diese wurden teils gezielt hinzugezogen. So gab es oftmals Zeugen und Zeuginnen, die über die Transaktionen berichten konnten, was im Gerichtsverfahren einen gewichtigen Vorteil darstellte. Die Einbettung weist aber darüber hinaus auf den Beziehungscharakter von Schuldverhältnissen hin – ich werde im abschließenden Fazit darauf zurückkommen.387 Die Untersuchung des sozialen Kontexts von Transaktionen, die zu Schuldbeziehungen führten, ist aber noch unvollständig, denn bis hierher habe ich von den Personen kaum mehr als den Namen nennen können. Welche sozialen Konstellationen den Hintergrund der Schulden bildeten, muss noch untersucht werden. Das wird in Bezug auf die Gerichtsnutzung in Kapitel 4, in Bezug auf die eigentliche Schuldbeziehung in Kapitel 6 vorgenommen. Da werden quantitative Methoden im Vordergrund stehen. Die Betrachtung der Entstehung von Schulden hat eine Vielfalt von Anlässen der Verschuldung und von konkreter Ausgestaltung von Schulden gezeigt. Eine Kategorisierung entlang von formalen Kriterien (wie sie die eingangs des Kapitels erwähnten Definitionen zum Teil vorschlagen) erwies sich dabei als kaum durchführbar, hin-

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Vgl. dazu Smail, Plunder, S. 138. StABS, Gerichtsarchiv D 12, 29v. Siehe Kapitel 5.4. Kuske, Entstehung, S. 62. Das ist vergleichbar mit der Argumentation von Laurence Fontaine, die Pfandleihe habe Schlimmeres verhindert, Fontaine, Economie, S. 133. 387 Siehe Kapitel 6.4.

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Schulden eingehen

gegen konnten typische Situationen der Verschuldung als in einen sozialen Kontext eingebettet beschrieben werden. Eine rein ökonomische Betrachtung von Schulden erwies sich dabei als unzureichend, wenn nicht gar unmöglich. Bestes Beispiel dafür sind die Kundschaften. Diese sind einerseits Zeugnisse von konkreten Transaktionssituationen und den damit verbundenen Verhandlungen, andererseits zeigt ihre wichtige Funktion als Beweismittel auf, dass sich Schulden nicht auf ökonomische Dimensionen beschränken lassen. Sicherheiten, die auf einem ökonomischen Gegenwert beruhten, kamen zwar vor, waren aber gar nicht so verbreitet. Liegenschaften stellten bei Renten eine Sicherheit dar, daneben kamen andere Formen von Pfändern vor, sowohl in der Form des Unterpfandes, das in der Hand der SchuldnerIn blieb, als auch in der Form von Pfandleihe. Die Verwendung von Pfändern war aber offenbar auf dem Rückzug, denn in der späteren Stichprobe sind sie seltener erwähnt. Die anderen Sicherheiten hingegen beruhten nicht auf einem ökonomischen Gegenwert. Kundschaften beschreiben soziale Settings, die nicht nur ermöglichten, Schulden dank Zeugenaussagen einzuklagen, sondern auch die soziale Einbindung von Schulden in verschiedene Beziehungsmuster verdeutlichen. Verschiedene Arten von Versprechen, die in der Regel weitere Gerichtsverfahren erleichtern sollten, belegen die wichtige Funktion des Gerichts. Um die städtische Schuldenwirtschaft genauer zu untersuchen, muss also genau diese soziale und institutionelle Einbettung genauer untersucht werden. In beiden Fällen spielt die Charakterisierung der sozialen Beziehung eine Rolle.388 An dieser Stelle ist es angebracht, ein paar Überlegungen anzustellen zu den Schulden, die nicht in den Akten des Gerichtsarchivs erscheinen. Das sind erstens und naheliegenderweise all die Transaktionen, bei denen der Gläubiger oder die Gläubigerin innerhalb der vereinbarten oder auch einer verlängerten Frist entschädigt wurde. Aber auch von den nicht zurückerstatteten Schulden kamen bei Weitem nicht alle vor Gericht. Es ist an die Schulden zu denken, deren Rückzahlung von Gläubigerseite nicht eingefordert wurde, weil etwa wenig Hoffnung bestand, dass noch etwas zu holen war, weil die Beweislage zu dünn war oder aber weil die soziale Beziehung, die parallel zur Schuldbeziehung bestand, einen Gang vor Gericht nicht zuließ. Starkes soziales Gefälle oder auch soziale Nähe stellen mögliche Gründe dar. Da diese Schulden nicht vor Gericht eingefordert wurden, ist es kaum möglich, über ihre Entstehung und über Bemühungen der GläubigerInnen, zu ihrem Geld zu kommen, etwas zu sagen – und so ist es auch nicht möglich, die Übertragbarkeit der in diesem Kapitel beschriebenen Transaktionen und Sicherheiten auf andere Schuldverhältnisse zu beurteilen. Es ist durchaus möglich, dass die Bemühungen einer dokumentierbaren sozialen Einbettung von Schuldbeziehungen und das Vertrauen in die Möglichkeiten des Gerichts bei

388 Die Überlegungen zur Charakterisierung von Schuldbeziehungen werden im abschließenden Fazit zusammengeführt (siehe Kapitel 7.1).

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der Schuldeintreibung – Faktoren, welche die hier beschriebenen Schulden prägten – andernfalls von weit geringerer Bedeutung waren. Zwischen der einer Schuld zugrunde liegenden Transaktion und einer Zahlungsforderung vor Gericht verging meistens einige Zeit. Es ist davon auszugehen, dass eine erste Fälligkeit dabei schon verstrichen war. Ab wann aber waren die offenen Forderungen in den Augen der Zeitgenossen eine Schuld? Oder anders gefragt: Wann entstanden Schulden? Bei Gelddarlehen ist die Frage schnell beantwortet: Da fällt das Moment der Verschuldung tatsächlich mit der Übergabe des Geldes zusammen. Umstritten war das Darlehen dann aber erst nach Ablauf der vereinbarten Frist, sofern eine festgelegt wurde. Anders präsentiert sich die Lage bei der Lieferung auf Kredit im Kontext von Verkaufssituationen. Vereinbarten die beiden Parteien eine Abzahlung, zum Beispiel mittels Raten, war wohl erst der Zeitpunkt einer verpassten Bezahlung prägend. Noch komplizierter präsentiert sich die Situation bei Verrechnungen, wo über längere Frist aufgelaufene Verbindlichkeiten ausgeglichen wurden. Nicht selten wurde erst anlässlich der Verrechnung klar, wer überhaupt wem etwas schuldete. Die Frage, ab wann eine Schuld problematisch und damit – vielleicht – überhaupt erst zur Schuld wurde, lässt sich besser beantworten, wenn man die verschiedenen Formen der Wertzirkulation in der städtischen Wirtschaft des Spätmittelalters betrachtet und sich dabei auch Gedanken macht zum Verhältnis von Bargeld und Schulden. Das ist Aufgabe des nächsten Kapitels.

3. Schulden einfordern Das vorige Kapitel hat gezeigt, wie Schuldverhältnisse entstanden und dass es mitunter unklar ist, ab welchem Zeitpunkt eine Transaktion in eine Schuld mündete. Der Zeitpunkt des „Entstehens“ einer Schuld war nicht zwingend der Moment der Transaktion, sondern ist oftmals später anzusetzen, zum Teil nach einer Reihe von Transaktionen, wenn etwa abgerechnet wurde. Das lässt sich nur erklären mit der Vorstellung eines ständigen Flusses an Geld oder Werten in anderer Form. Deshalb beginnt dieses Kapitel mit der Untersuchung von Geld- und Wertflüssen. Die Angaben zur Zirkulation zeigen, dass es Momente gab, in denen GläubigerInnen konkrete Leistungen erwarteten und entsprechend vorgingen. Deshalb folgt den Beobachtungen zur Zirkulation eine Untersuchung der Frage, wie GläubigerInnen vorgingen, wenn sie Schulden einforderten. Dabei stehen die Vorgehensweisen beim Belegen und Einfordern von Schulden im Vordergrund, ich stelle aber auch Überlegungen dazu an, wie die Menschen im 15. Jahrhundert in Basel Schulden verhandelten. 3.1 Geldflüsse und Zirkulation von Objekten Das Gewähren von Kredit erlaubte es, die Bezahlung von Käufen hinauszuzögern – dieses Hinauszögern hauchte einer einmaligen Transaktion soziales Leben ein und verwandelte sie in eine Beziehung. Ob die Umwandlung von Kredit zu Bargeld tatsächlich, wie Clare Haru Crowsten pointiert formuliert hat, den schwierigsten Schritt darstellte („In the hierarchy of credit, the final conversion – from trade credit to cash – was the rarest and most difficult“),1 muss dabei dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall aber zeigt sich, dass die Zahlung in „cash“ bei Weitem nicht die einzige Option war, ein Schuldverhältnis zu beenden.2 In diesem Abschnitt gehe ich deshalb den verschiedenen Möglichkeiten nach, wie „Wert“ gemessen wurde und in Zirkulation kam. 1 2

Crowston, Credit, S. 31. Vgl. dazu Groebner, Ökonomie, S. 232, über die Möglichkeiten des Zugriffs auf Schuldner: Schuldverträge sahen entweder den Zugriff auf Güter oder die Kontrolle über die Arbeit und somit den Körper des Schuldners, wenn sich dort noch ein Mehrwert herauspressen ließ.

Geldflüsse und Zirkulation von Objekten

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3.1.1 Bargeld Während in den hier untersuchten Quellenbeständen, die sich um Schulden drehen, erwartungsgemäß sehr oft von Geldbeträgen die Rede ist, ist es deutlich schwieriger, die Zirkulation von Geld im Detail zu beschreiben, denn sehr oft erfahren wir darüber nichts.3 Zwei Beispiele, in denen allerdings Informationen zum Bargeldfluss in Erfahrung zu bringen sind, sollen hier den Anfang machen. Das erste ist einer Kundschaft über die Abzahlung von Teilbeträgen einer Schuld durch einen Boten entnommen. Der Bote habe „im [d. h. dem Gläubiger] dargezelt ein pfunt dry schilling basler pfennige“ und bei einer zweiten Gelegenheit wieder „sölich gelt […] uss siner hand dargezelt“.4 Solche Belege für ein offensichtliches und auch demonstratives Vorlegen von Münzgeld zur Begleichung von Schulden sind selten. Noch viel seltener können wir den Weg einer einzelnen Münze nachvollziehen, wie denjenigen einer Krone (d. h. einer französischen Goldmünze5), von der eine Kundschaft von 1490 handelt. Sie diente zur Bezahlung einer Lieferung Getreide und wurde vom Verkäufer unmittelbar weiterverliehen. Der Empfänger brauchte sie, um ein Schwein zu kaufen, wonach der Schweinehändler zum Wechsler ging, um sie zu wechseln. Dort stellte sich heraus, dass sie gefälscht war – das war auch der Grund, weshalb ihr Weg nachgezeichnet wurde.6 In diesem Kapitel steht die Frage im Vordergrund, wie solche Hinweise auf die tatsächliche Zirkulation von Bargeld in Beziehung stehen zur Schuldenwirtschaft. Dazu gebe ich zuerst eine kurze Übersicht über die Forschungsliteratur, bevor ich an konkreten Fällen die Geldflüsse untersuche. Dass die spätmittelalterliche (und auch noch die frühneuzeitliche) Wirtschaft unter einem Mangel an Bargeld litt, ist eine schon ältere Erkenntnis. 1993 erklärte Valentin Groebner die „Fülle von Klein- und Kleinstschulden“ im spätmittelalterlichen Nürnberg mit einer „Unterversorgung mit Geld“.7 Die englisch- und französischsprachige Forschung bezeichneten diesen Mangel wahlweise als „lack of liquidity“,8 Mangel an „adequate supply of coin“,9 „bullion famine“ (Edelmetallknappheit)10 oder „famines d’argent“.11 Dabei wurde darauf hingewiesen, dass im Unterschied zum heutigen System 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. die Arbeit von Thibault Cardon, der mit einer Kombination aus historischer, archäologischer und numismatischer Vorgehensweise mehr Klarheit in die Wege mitttelalterlicher Münzen bringen will. Cardon, Usages, S. 203–219. StABS, Gerichtsarchiv D 12, 29v. Die Krone gewann gegenüber dem Gulden langsam an Bedeutung, im 16. Jahrhundert wurde sie zur wichtigsten Goldmünze in der Schweiz (Zäch, Krone). StABS, Gerichtsarchiv D 14, 64r. Ein weiterer Fall von Falschgeld: StABS, Protokolle: Öffnungsbücher 6, 51r (hier handelte es sich um zwei gefälschte Gulden). Groebner, Ökonomie, S. 191. Crowston, Credit, S. 47. Nightingale, Money, S. 53. Vgl. auch Muldrew, Economy, S. 101. Smail, Plunder, S. 26; Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 137. Fontaine, Economie, S. 303.

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der Notenbanken der Staat kaum Einfluss auf die vorhandene Menge an Edelmetall hatte, die für die ausreichende Versorgung mit Münzen notwendig war.12 Der enge Zusammenhang zwischen Münzknappheit und einem ausgeprägten Kreditsystem liegt entsprechend auf der Hand.13 Craig Muldrew schätzt, dass in England zwischen 1540 und 1600 der Bedarf an Geld um 500 Prozent zunahm, die effektive Geldmenge im Umlauf aber nur um 63 Prozent.14 Seiner Auffassung nach ermöglichte das Geld als Wertsystem ein viel größeres Kreditwesen: „Although money was the measure of economic transactions, in its actual use it was only the grease which oiled the much larger machinery of credit.“15 Damit klingt schon an, dass Kredite nicht einfach Ersatz für Bargeld waren, sondern das Ausmaß der Kreditwirtschaft abhängig war von der Menge an Münzgeld, die zur Verfügung stand.16 Pamela Nightingale hat den Zusammenhang folgendermaßen formuliert: „Credit could not expand indefinitely, or velocity increase, without an adequate supply of coin to support it.“17 Weil entsprechend Kreditsysteme in Zeiten mit stabiler Währung besser funktionierten, stellt nun Renata Ago in Abrede, dass Geldmangel als Ursache für das Kreditsystem zu betrachten sei.18 Das ist angesichts des beobachteten Zusammenhangs zwischen Geldmenge und Kreditvolumen zwar plausibel, trotzdem würde ich nicht so weit gehen, sondern den Kredit als von der Geldmenge abhängige Ergänzung der Zirkulation von Münzgeld sehen, die durchaus der fehlenden Liquidität geschuldet war.19 Übrigens stellt Daniel Smail den engen Zusammenhang von Kreditvolumen und Bargeld infrage, indem er weitere Wertträger, nämlich Haushaltsgegenstände und andere Objekte, ins Spiel bringt.20

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Nightingale, Money, S. 53, spricht vom „money supply of gold and silver coins which could not easily be increased by government fiat“. Sie weist an anderer Stelle darauf hin, dass die Versorgung mit Edelmetall einen gewichtigen Einfluss auf die Konjunktur hatte (Nightingale, Communication, S. 387). Crowston, Credit, S. 47, zeigt an Beispielen, weshalb der Kredit so wichtig war für „everyone from nobles to shop workers“; Smail, Plunder, S. 26, spricht von einem „robust system of credit“, welches den Bargeldmangel ausglich. Zur Rolle des Geldmangels in frühneuzeitlichen Wuchertheorien Van Houdt, Lack. Muldrew, Economy, S. 100. Muldrew, Economy, S. 101. Auch Peter Spufford sah in den verschiedenen Kreditinstrumenten die Möglichkeit, die Versorgung mit Bargeld zu ergänzen, und verglich die Situation in England mit derjenigen in Italien (siehe Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 151). Zu den beiden Möglichkeiten, den Zusammenhang zwischen Bargeld und Kredit zu denken, Nightingale, Money, S. 53. Während Nightingale zu Letzterem neigt, meinen Adrian Bell, Chris Brooks und Tony Moore: „It is not possible to advance a definitive answer to this question“, Bell/ Brooks/Moore, Non-use, S. 138. Nightingale, Money, S. 68. Ago, Notaries, S. 194. Laut Nightingale, Money, S. 55, konnte Kredit zur schnelleren Zirkulation von Bargeld beitragen. Smail, Plunder, S. 26 f.

Geldflüsse und Zirkulation von Objekten

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Weil Geld außerdem „an unreliable entity“ war,21 gab es eine „préférence pour l’illiquidité“.22 Wir können also Kredite nicht nur als Ausdruck von Geldmangel interpretieren, sondern müssen sie auch als bewusst gewählte Option betrachten. Franz Irsigler hat dies in Bezug auf Kaufleute so zugespitzt: „Seit dem hohen Mittelalter vermied jeder, der kreditwürdig war oder wenigstens den Anschein der Kreditwürdigkeit erweckte, Barzahlung beim Kauf.“23 Ich kann für das Basler Beispiel auf die großen Zusammenhänge zwischen der Versorgung mit Edelmetall und der Konjunktur im Großen und Ganzen sowie dem Umfang an gewährten Krediten nicht eingehen. Für die Untersuchung der Gesamtmenge an Münzen, die zirkulierten, sind auch die Quellen nicht vorhanden, und bezüglich der zeitlichen Veränderung sind zwei Stichproben schlicht zu wenig. Diese großen, makroökonomischen Betrachtungen von Zusammenhängen zwischen der Verfügbarkeit von Münzgeld und der Entwicklung von Krediten kann die vorliegende Arbeit also nicht leisten – sind sie auch gar nicht so sinnvoll: Erstens würde ich den Einfluss der Konjunktur – Stichwort Teuerungskrisen24 – als bedeutender für die Entwicklung der Schuldenwirtschaft einschätzen,25 und zweitens war die Bandbreite der Verfügbarkeit von Bargeld innerhalb der städtischen Wirtschaft zu jedem Zeitpunkt gewaltig. Dies zeigt der Blick auf Situationen, in denen Bargeld direkt floss oder zumindest erwartet wurde. Dabei sind Bargeld bzw. die Bezahlung in bar Quellenbegriffe. Diese Begrifflichkeit diente der Orientierung, um die hier erwähnten Quellen im Korpus zu finden. Die Bandbreite zeigt sich darin, dass auch sehr große Summen durchaus unmittelbar in Goldmünzen bezahlt wurden, während Bargeldmangel auch bei kleinsten Summen erwähnt oder vorgeschoben wurde. Dass eine Schuld über 2.000 Gulden, von der 1.435 Gulden „bar usgewisen und bezalt“ worden waren, nur in den reichsten Gesellschaftsschichten entstanden sein konnte, erklärt sich von selbst.26 Viele Rentenbriefe erwähnen hohe Summen, aber nicht immer ist sicher, ob tatsächlich Bargeld floss, wenn die Tatsache nicht explizit erwähnt ist.27 Auch andere Darlehen als Ren21 22 23 24 25 26

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Crowston, Credit, S. 3. Weiter meint Crowston: „Coin was rare and awkward to transport; more importantly, its value in relation to the livre, the official unit of account, could be altered by government fiat.“ Fontaine, Economie, S. 304. Siehe auch S. 263 zur Tendenz, Geld nicht zirkulieren zu lassen. Irsigler, Vertrauen, S. 56. Die Aussage geht auf eine sehr ähnliche Aussage von Peter Spufford zurück, siehe Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 138 f. Vgl. Hitz, Fürkauf. Siehe zum Einfluss der Konjunktur auf die Bereitschaft, Schulden vor Gericht einzufordern, Signori, Schuldenwirtschaft, S. 31. StABS, Gerichtsarchiv B 7, 78–81, hier S. 79. Mit den Familien Grieb (Händler und Achtburger, Notter, Grieb) und Reich von Reichenstein (siehe Burckhardt, Herkunft, S. 104–107) waren im vorliegenden Fall adlige Eliten beteiligt. Zu den Rentenvergaben siehe das Schuldbuch des Kaufmanns Ludwig Kilchmann, ediert von Gabriela Signori: Signori, Schuldbuch. Explizit erwähnt in der Stichprobe 1455 in StABS, Gerichtsarchiv B 7, 24, 34, 60 und 69. Gerade bei Liegenschaftstransaktionen musste kein Geld fließen, wenn die Liegenschaft gegen den Rentenanspruch eingetauscht wurde.

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Schulden einfordern

ten konnten sich auf hohe Guldenbeträge belaufen, etwa ein Bardarlehen über 500 oder eines über 300 Gulden.28 Und wenn jemand mit 140 Gulden, die er „also bar fur sy ussgeben hab“, in ein Schuldverhältnis seiner Schwester einsprang, hatte er sicher ebenfalls genügend Goldmünzen zur Verfügung.29 Große Summen in Bargeld gab es auch als Erlöse in Verrechnungen, d. h. Konkursverfahren. Folgendes Beispiel zeigt die Einnahmen eines solchen Verfahrens: Der Erlös aus Liegenschaften belief sich auf 340 Gulden, die in Pfund umgerechnet wurden. Weiter hat der zuständige Schreiber 142 Pfund „in kleinem gelt“ empfangen, dazu 200 Pfund „in basel blapharten“, schließlich folgt nochmals Erlös von rund 147 Gulden aus Liegenschaften sowie knapp vier Pfund „in kleinem gelt“.30 Ein Plaphart entsprach im Wert einem Schilling, bei 200 Pfund à 20 Schilling ergab dies die gewaltige Menge von 4.000 Münzen. Diese großen Geldsummen in Gold (und auch in Silbermünzen) stehen in Kontrast zu den Mühen, nur schon kleine Summen aufzubringen, ersichtlich etwa bei einem Zahlungsversprechen, sofort einen Gulden bar, die restlichen zwei später zu bezahlen,31 oder wenn gar nur fünf Schilling bar gegeben werden konnten und für den Rest einer Schuld ebenfalls Ratenzahlung vereinbart wurde.32 Andere begründeten das Eingehen von Schulden oder anderen Transaktionen mit dem Mangel an Bargeld. Eine Armbrusterin stellte nach der Zusammenstellung ihrer Schulden fest, „da were in irem vermögen nit gewesen, solich schulden mit barrem gelt zebezalen“, worauf ihr Knecht die Schuld übernahm und im Gegenzug die Werkzeuge für das Armbrusterhandwerk erhielt.33 Bei einer Pfandleihe wiederum meinte die Schuldnerin, „da hett sy nit gehept bar gelt, daz sy der wirtin den gld [Gulden] geben mocht“,34 und auch beim Borgkauf wurde der Bargeldmangel erwähnt: Der Käufer habe „nit bargelt gehept, sonner geredt den win uff borg zenemen“.35 Dieser Bargeldmangel ist nicht als chronisch zu verstehen, sondern – modern ausgedrückt – als Ausdruck eines Liquiditätsengpasses. Allerdings konnte der Engpass für ärmere Bevölkerungsschichten durchaus chronischer Natur sein, schließlich hatten nicht alle den gleichen Zugang zu Bargeld.36 Es ist gleichzeitig

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Die 500 Gulden waren „bar gelichen“, nun wollte der Gläubiger die Summe eintreiben, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 24r. Die 200 Gulden „in barem gezaltem geld“ stammen aus einem Schuldbrief von Michael Wensler: StABS, Gerichtsarchiv O 4, fol. 48v. StABS, Gerichtsarchiv  D  16, 138v  f. Vgl. auch den Fall von Geldfälscherei, anlässlich dessen ein Nichtbasler sämtliche Gulden, die er bei sich (in der Herberge in Basel) hatte, abgeben musste. Von den abgegebenen 33 Gulden erwiesen sich zwei als falsch, zusätzlich zum schon zerschnittenen, also als falsch erkannten, StABS, Protokolle: Öffnungsbücher 6, 51r. StABS, Gerichtsarchiv G 1, 31v. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 33v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 22v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 127r. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 135v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 206v f. Siehe den Abschnitt „Pfund oder Gulden“ weiter unten in diesem Kapitel.

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naheliegend, dass die SchuldnerInnen den Bargeldmangel als vorübergehend darzustellen versuchten. Es deutet einiges auf eine kontinuierliche Zirkulation von Münz- und Goldwährungen in Basel hin, wie das eingangs angeführte Beispiel der gefälschten Krone zeigt. Für einen beständigen Fluss von Bargeld37 in wahrscheinlich kleinen Mengen sprechen auch die Hinweise auf erfolgte, aber noch nicht abgeschlossene Abzahlungen.38 Um die erfolgte Abzahlung von ganzen oder Teilsummen festzuhalten, wurde auf ähnliche Methoden zurückgegriffen, wie wir sie im vorhergehenden Kapitel bei der Entstehung der Schulden gesehen haben. Schriftliche Quittungen39 und ZeugInnen40 spielten eine Rolle. Schließlich finden sich zahlreiche Hinweise auf die Bedeutung von Drittpersonen bei Geldflüssen. In einem Urteil musste das Gericht entscheiden, ob ein Jakob Spidler, der in Zürich zwei Gulden empfangen hatte, das Geld weitergeben musste. Ein Hans zum Rotenfahnen war nämlich der Ansicht, Spidler habe das Geld in seinem Namen empfangen, was Spidler von sich wies. Entsprechend wurde Spidler von der Klage entlastet, und Rotenfahnen musste sein Geld direkt eintreiben.41 Eine kontiniuierliche Zirkulation von Münzen zeigte sich insbesondere bei Ratenzahlungen. Auf deren weite Verbreitung gehe ich noch ein,42 es sollen hier wenige kurze Hinweise auf die Praxis, Anzahlungen in Bargeld zu leisten und den Rest abzustottern,

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Vgl. Bolton, Merchants, S. 60 (als Fazit zu einem Beispiel von Ratenzahlung): „This pattern of steady cash repayments was typical.“ Etwa die Abzahlung von sechs von neun Pfund (StABS, Gerichtsarchiv  D  16, 116r), die Abzahlung einer Schuld von 13,5 Gulden bis auf ungefähr drei Pfund (man beachte die Kombination der beiden Währungseinheiten, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 188v) oder noch die Abzahlung einer „mergklichen sum“ bis auf einen halben Gulden (StABS, Gerichtsarchiv D 14, fol. 66v). Ebenfalls finden sich Klagen über die unvollständige Rückzahlung von Schulden entgegen der Vereinbarung, etwa wenn ein Schuldner nur 3,5 statt fünf Pfund abzahlte, weil er nicht mehr zur Verfügung hatte, und damit den Gläubiger erzürnte (StABS, Gerichtsarchiv D 16, 23r), oder wenn jemand acht statt neun Gulden erstattete, trotz anderslautender Vereinbarung (StABS, Gerichtsarchiv D 6, 146r). Z. B. das Erstellen einer Quittung: „daruber [die Abzahlung einer Teilsumme] er ouch von im ein quittantz genomen hette“, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 111v. Jemand musste die Abzahlung mittels „ein glouplich urkund“ belegen, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 48v. Eine Zeugin musste mit, „denn sy [d. h. die Schuldnerin] wolt der Kungin das geld nit allein geben“ StABS, Gerichtsarchiv D 16, 51v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 193v: „der ii gl halb so dann Jacob Spidler, zu Zurich von Philipen Fechter, innamen Hannsen zum Rotenfannen empfangen habenn sol […] dwyl unnd Jacob Spidler, nit bekanntlich gewesen daz er selh ii gulden innamen Hannsen zum Rotenfanen sonndern die von sintwegen empfanngen hab“. In zwei anderen Fälle war die Aufzeichnung der Abzahlung durch Drittpersonen umstritten. Einem Zeugen wurde „me denn ein mal gelt an dieselb bezalung uffgeben das er Hansen Murer allwegen uberanttwurtt unnd begert hett das uffzezeichnen“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 207r. Ähnlich der Streit um die Frage, wie die Abzahlung über eine Drittperson auf dem Schuldbrief festgehalten werden sollte, in StABS, Gerichtsarchiv D 16, 201r. Offenbar ging es hier um die Möglichkeit des Schuldners, eine indirekte Abzahlung zu belegen. Siehe Kapitel 4.3.7.

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genügen. Dies geschah zum Beispiel bei Hauskäufen43 oder beim Kauf eines Pferdes.44 Allerdings war es nicht üblich, erfolgte Abzahlungen im Gerichtsbuch festzuhalten, auch wenn sie gerichtlich vereinbart worden waren.45 Ein Hinweis auf die Schwierigkeiten beim Abstottern von Schulden mag das Feiern der vollständigen Abzahlung sein, wie es in einer Kundschaft erzählt wird. Nach dem Vorlegen des Geldes sagte der Gläubiger den Schuldner „lidig unnd brecht ime eine mass wins zetrincken unnd sagt, ich wolt, das all min schuldner also ubermich erzürnen unnd mich also bezalten“.46 Die schnellen Flüsse des Bargeldes folgten, so scheint es, einer anderen Logik als die Zirkulation von Gütern. Die abweichenden Rhythmen der Verfügbarkeit von Bargeld und der Versorgung mit täglichen Gütern (und anderen Anschaffungen) wurde mit Krediten überbrückt. Daniel Smail hat den „ebb and flow of domestic coin“ am Beispiel einer Witwe aufgezeigt, die Weinbau betrieb und vom Verkauf des Weins lebte.47 Diese Witwe bündelt ihre Zahlungen, um sie in größerer Münze vornehmen zu können, und dabei zahlte sie ihre Verpflichtungen kaum in der Reihenfolge, in der sie diese eingegangen war. Es gab bei ihr immer wieder Momente, bei denen große Mengen an Münzen ins Haus kamen, nämlich wenn KundInnen den Wein bezahlten.48 Ihre Haushaltung war entsprechend „dominated by the ominpresence of microcredit“.49 Der Gewährung von Ratenzahlungen standen die Kredite gegenüber, die sie selbst brauchte, um ihren täglichen Bedarf zu decken. Die Zirkulation der Münzen hingegen war „probably quite rapid, because whenever it came into the house, it was quite capable of shooting back out again to satisfy the microdebts that had accumulated in the interval“.50 Eine Kundschaft von 1494 berichtet von einer vergleichbaren Praxis in Basel. Nach dem Verkauf von Getreide, der einträglich war – das Getreide war „fast wert“ –, forderte der eine Beteiligte, sogleich zu einem Veltin zu gehen, „dann min vater mir bevolhen hat, so bald ich das korn verkouff, soll ich Veltin i lb iii ß gebenn, denn er im die schuldig sye“.51 Ganz ähnlich beobachtet dies auch Gerhard Fouquet in Bezug auf ländliche Gesellschaften des Spätmittelalters:

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Laut einem Urteil hatte der Käufer 20 Gulden von 100 bar bezahlt, der Rest stand noch aus, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 103v; eine Kundschaft berichtet von einem Hauskauf in Raten: Der Käufer versprach, die ersten zwölf Gulden bar zu zahlen, danach sollten zwei Raten von elf Gulden folgen, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 14v. Ein Zahlungsversprechen umfasste die Barzahlung der Hälfte und das Abstottern des Rests, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 84v. Die Ausnahme bildet ein Nachtrag zu einem Zahlungsversprechen, der festhält, dass die Summe bezahlt worden sei: StABS, Gerichtsarchiv C 6, 8v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 107r. Smail, Plunder, S. 93–123, Zitat S. 93. Smail, Plunder, S. 104–107. Smail, Plunder, S. 108. Smail, Plunder, S. 109. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 106v.

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Aber sie [die Ober-Ingelheimer] schafften es anscheinend doch, zwischen den unterschiedlichen Rückzahlungsterminen ihrer Kredite und den Refinanzierungsmöglichkeiten in den Rhythmen der naturalen Ökonomie, zwischen ihrem Gläubiger- und zugleich Schuldnerdasein ihre Geldflüsse zu organisieren. Probates Mittel war, sich durchzulavieren.52

Diese Logik von quasi bargeldlosen Transaktionen mit zeitlich losgekoppelter Abzahlung in Münzen (soweit möglich) war in allen Gesellschaftsschichten üblich.53 Davon zeugen die oben erwähnten großen und kleinen Geldsummen. Der Unterschied bestand nur in der Größe der Summen an Bargeld, zu der jemand Zugang hatte. Es ist auch davon auszugehen, dass die Wahl der Adressaten bei der Abzahlung nicht dem Zufall überlassen wurde, wie die kolportierte Aussage eines enttäuschten Gläubigers zeigt: „wie ist das ein ding, das ir iederman zalt unnd minem vatter nutzit an siner schuld gebennd“.54 Die Beobachtung von steter Zirkulation soll nicht zur Annahme verleiten, dass bei allen Menschen das Bargeld weitergereicht wurde, kaum war es eingetroffen. Schließlich waren nicht alle Menschen im gleichen Maß verschuldet. Entsprechend finden sich Belege fürs Aufbewahren von Bargeld, wenn eben gerade keine Verpflichtungen anstanden. Dies ist vor allem dann fassbar, wenn Drittpersonen mit der Verwahrung des Geldes beauftragt wurden. Die folgenden Belege stammen alle aus Kundschaften. So drängt sich einem Handwerksmeister die Frage auf, „wie er ettlich gelt, so Caspar Brannd zu gehortte, wo er das hin tuon oder ob er das an den wechsel legen sollte“.55 Einem anderen Zeugen hatte der Bruder „etlich gelt zebehalten geben“, es waren ungefähr 30 Pfund.56 Ähnlich ein weiterer Zeuge, der für 23 erhaltene Gulden „demselben Lienhard einen zedel geben“, also den Empfang des Geldes mit einer Quittung bestätigte.57 In einer letzten hier zu erwähnenden Kundschaft schließlich erfahren wir, wie Bargeld aufbewahrt wurde. Jemand hatte „gelt, so in eim kistlin lag, darzu sy ouch einen slussel gehept hab“, entnommen.58 Da Bargeld an sich nicht produktiv war, musste man es sich leisten können, Bargeld als Wertspeicher zu behalten – zumal es als solcher auch nicht ohne Risiko war.59 Wer es an den Wechsel legte, kapitalisierte es hingegen.

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Fouquet, Kredit, S. 36. Diese Erkenntis steht im Gegensatz zur These von Philip Roessner, dass „cashless payment methods“  auf eine kleine Gruppe von Händlern beschränkt gewesen seien (Roessner, Black Death, S. 161). StABS, Gerichtsarchiv D 16, 76r. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 196v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 114Ar f. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 38r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 20r. Roessner, Black Death, S. 158.

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Schulden einfordern

Vereinzelt waren Personen mit fremden Münzen konfrontiert, denen sie nicht vertrauten – die eingangs erwähnte falsche Krone mag diese Zurückhaltung erklären.60 In den Stichproben zweifach erwähnt sind sogenannte utersche Gulden, wohl Gulden von Utrecht. Diese hatte der Empfänger „nit wellen nehmen, sonnder die disem zugen wider zu gesannt; der hett im muntz dafur geschickt“.61 Auch im zweiten Beispiel zog der Zeuge Münzgeld vor.62 Damit bleibt die Frage, welche Situationen dazu führten, dass Bargeld verlangt wurde. Darüber schweigen sich die Quellen aus, es wird schlicht als Notwendigkeit dargestellt. Eine Möglichkeit stellen konjunkturelle Entwicklungen dar. Das in einer Kundschaft über den Verkauf von Wein als Zeitpunkt der Handlungen beschriebene Jahr 1492 fiel in eine Zeit der Teuerung.63 Vielleicht erklärt dies die Anweisung eines Weinhändlers, der seinen Knecht ausschickte, beim Verkauf auf Barzahlung zu bestehen. In der Kundschaft zeigt sich nämlich, dass frühere Verkäufe durchaus auf Kredit erfolgt waren: Der Knecht zog auf seiner Reise in Richtung Luzern auch Schulden ein.64 Sehr wahrscheinlich hatte es auch damit zu tun, wie man die finanzielle Situation von SchuldnerInnen einschätzte. Pfund oder Gulden? Den Zugang zu Bargeld lässt sich zumindest ansatzweise ablesen an der Verwendung von Pfund oder Gulden als Währung. Abgesehen von wenigen Ausnahmen65 finden sich in den Gerichtsakten zwei Währungssysteme, nämlich der Gulden und das Pfund. Letzteres war eine Rechnungswährung, unterteilt in Pfund, Schilling und Pfennig, wobei die kleineren Währungseinheiten als Münzen existierten und zirkulierten.66 Jede Angabe einer Summe, die sich aus Schillingen und Pfennigen zusammensetzte, habe ich auch zu den Pfundbeträgen gerechnet. Der Gulden hingegen war eine Goldmünze, die ursprünglich in Florenz geprägt worden war und deshalb auch als Floren, gekürzt fl, bezeichnet wurde. Die Münze wurde ab 1429 auch in Basel geprägt, wobei sich die ursprüngliche Parität zum Pfund nicht halten ließ.67 Der Gulden gewann laufend an

60 61 62 63 64 65 66 67

StABS, Gerichtsarchiv D 14, 64r: „da sye die kron falsch gewesen“. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 20r. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 179v. Hitz, Fürkauf, S. 22. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 90r. Konkret Kronen (StABS, Gerichtsarchiv D 16, 50r f. und 64v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 273r), Dukaten (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 54r) und Kreuzer (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37v und 55r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 277v). Schmutz, Pfund. Schmutz/Zäch, Gulden.

Geldflüsse und Zirkulation von Objekten

93

Wert, wobei die Umrechnung auch schwanken konnte.68 In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts betrug der Wert eines Guldens im Mittelwert rund 1,15 bis 1,18 Pfund.69 Ich gehe in diesem Abschnitt der Frage nach, welche Währung wie häufig verwendet wurde und ob sich bestimmte Muster in der Verwendung nachweisen lassen. Zuerst ein paar Angaben zur Verteilung der bekannten Schuldsummen auf die zwei Währungssysteme: 1455 waren 43 Prozent der Schuldsummen Guldenbeträge, 56 Prozent erwähnten eine Summe in Pfund. 1 Prozent der Schulden beinhaltete beide Einheiten.70 Der hohe Anteil von Guldenbeträgen kommt trotz der knapp 100 Unzüchterbucheinträge zustande, die zu 90 Prozent Pfundbeträge erwähnten. Die Schuldbeträge 1497 verteilten sich wie folgt auf die beiden Währungen: Zu 24 Prozent waren Gulden, zu 56 Prozent Pfund, zu 21 Prozent Pfund und Gulden erwähnt. Letzteres ist auf die Verbote zurückzuführen, die in Bezug auf den gleichen Schuldner oft Forderungen in beiden Währungen (von verschiedenen GläubigerInnen) enthielten, die ich aber nur auf Ebene der Quelle und nicht der einzelnen Schuldforderung erfasst habe.71 Der kleinere Anteil von in Gulden genannten Schulden liegt mehrheitlich an einem starken Rückgang der Guldensummen bei den Vergichten, wo der Anteil von 45 Prozent auf 17 Prozent sank. Wir können aufgrund der Charakteristik der Währungseinheit davon ausgehen, dass die Guldenbeträge im Schnitt höher ausfielen. Tatsächlich lässt sich dies deutlich beobachten. Ein Teil dieses Unterschieds lässt sich darauf zurückführen, dass Beträge von unter einem Gulden gar nicht in Gulden auszudrücken waren (halbe Gulden kommen sehr selten vor). Aber selbst bei Weglassen der Beträge unter 1,18 bzw. 1,15 Pfund (für 1497 und 1455) waren die Durchschnittsbeträge in Gulden jeweils höher.72 Die Frage ist nun, ob diese Unterschiede eher auf den Kontext der Entstehung der Schuld zurückzuführen waren oder ob die höhere Schuldsumme an sich die Beteiligten eher zum Gulden tendieren ließ. Einen Bereich, in dem hohe Summen und entsprechend Guldenbeträge zu erwarten sind, bilden die Renten. 1455 gab es tatsächlich eine klare Tendenz zu Rentenbeträgen in Gulden: 25 von 29 Rentenkäufen, die im Fertigungsbuch 1455 verzeichnet sind, lauteten auf Guldenbeträge. 1497 waren es deutlich weniger Renten, und der Gulden war auf dem Rückzug. Von neun Renten waren vier in Pfund ausgestellt, und von den

68 69 70 71 72

Entsprechend gab es auch Angaben zur Umrechnung in den Quellen, siehe z. B. die oben erwähnten Rentenkäufe. Siehe z. B. ein Zahlungsversprechen von 1455 über „xii gulden oder xiiii lib“, d. h. 1,1667 Pfund pro Gulden, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 9r. Harms, Münz- und Geldpolitik, S. 242 f. N = 326. N = 434. Ich gehe übrigens davon aus, dass in den Verboten Guldenbeträge in der Minderheit sind, so zumindest der Eindruck beim schnellen Überblicken der Quellen. Die Mittelwerte beliefen sich 1455 auf rund zehn Pfund versus umgerechnet 48 Pfund, 1497 auf knapp zehn Pfund versus umgerechnet 78 Pfund (n = 238 bzw. 263).

94

Schulden einfordern

Übrigen enthielt fast jeder Vertrag eine Umrechnung. Der Rentenzins konnte sich zum Beispiel auf „vier gulden gelts in gold oder i lb v ß d fur yeden gulden“ belaufen.73 Neben den Renten wiesen 1455 auch Immobilientransaktionen, versessene Zinsen (die ja im Zusammenhang mit Renten standen) und – mit unklarer Tendenz – Lidlohn häufiger Guldenbeträge auf, während die Schuldsummen in Pfund bei diversen Handelswaren und Alltagsgegenständen überwogen. 1497 dominierten die Guldenbeträge nur noch bei Renten, die Gegenstand von Verboten geworden waren, während bei versessenen Zinsen und – wieder mit unklarer Tendenz – Lidlohn nun das Pfund überwog. Ähnlich zur früheren Stichprobe waren Forderungen für Lebensmittel, Vieh und Gelddarlehen ebenfalls in Pfund gehalten. Alltagstransaktionen waren also in beiden Stichproben eher in Pfund gehalten, größere Schuldbeträge tendenziell in Gulden, wobei es zwischen 1455 und 1497 zu einer gewissen Verdrängung des Guldens kam, die sich vor allem bei mittleren Schuldbeträgen des Vergichtbuch zeigte.74 Neben der Frage nach der Verwendung von Währungen je nach Charakteristik der Schuld lässt sich noch untersuchen, wie die Verteilung auf die Prozessarten aussieht, von denen sich jedoch nur Vergichte, Klagen wegen Schulden und Frönungen untersuchen ließen (siehe Tabelle 3.1 und Tabelle 3.2).75 Tab. 3.1 Gulden- und Pfundsummen nach Verfahrensart 1455, alle Schuldsummen in Pfund umgerechnet Gulden

Pfund

mittlere Schuldsumme

Anteil

mittlere Schuldsumme

Anteil

n

Vergichte

50,4

45,1 %

8,1

53,6 %

153

Klagen

23,4

71,4 %

17,5

25,7 %

35

Frönungen

34,3

83,3 %

2,1

16,7 %

6

73 74

75

StABS, Gerichtsarchiv B 14, 127v. Der Vergleich mit dem Schuldenbuch des Kaufmanns Ludwig Kilchmann (vgl. Signori, Schuldbuch) zeigt, dass dieser in der Zeit von 1493 bis 1505 im Vergleich zur restlichen Stichprobe (die sich von 1484 bis 1520 erstreckt) deutlich häufiger Rentenbriefe in Pfund ausstellte. Das bestätigt die Beobachtung. Die Gründe für die Verdrängung des Guldens könnten allenfalls im politischen Umfeld zu suchen sein. Siehe Harms, Stadthaushalt, Bd. 1, S. XXII: „Man konnte in der Basler Finanzverwaltung jetzt [d. h. nach dem Rappenmünzbund von 1462] von einer wahren Pfennigflut sprechen.“ Inwiefern sich das auf private Haushalte übertragen lässt, ist ungewiss, aber es ist sicher ein starkes Indiz für eine Abwendung vom Gulden, denn die Einnahmen der Stadt stammten ja via indirekte Steuern aus den Privathaushalten. Vgl. auch Roessner, Black Death, S. 153. Roessner spricht von einem Inflationsschub nach 1470 und der darauf folgenden Einführung neuer Silbermünzen, die den Gulden ersetzten. Die Verbote von 1455 erwähnen praktisch keine Beträge, weshalb keine Unterscheidung vorgenommen werden konnte, während, wie oben erwähnt, die Aufschlüsselung für 1497 zu aufwendig gewesen wäre. Die Dominanz des Pfunds im Unzüchterbuch und des Guldens bei den Renten habe ich schon erwähnt.

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Geldflüsse und Zirkulation von Objekten

Tab. 3.2 Gulden- und Pfundsummen nach Verfahrensart 1497, alle Schuldsummen in Pfund umgerechnet Gulden

Pfund

mittlere Schuldsumme

Anteil

mittlere Schuldsumme

Anteil

n

13,7

16,9 %

6,2

82,1 %

201

Klagen

153,9

66,7 %

10,4

33,3 %

57

Frönungen

42,1

57,1 %

1,0

42,9 %

21

Vergichte

Die Zusammenstellung zeigt, dass bei jedem Verfahrenstyp die Guldenbeträge jeweils höher sind. Die Verteilung über die Prozessarten gleicht sich in den beiden Stichproben bei Klagen und Frönungen, wo der Gulden dominanter war, nicht aber bei den Vergichten, wo der schon erwähnte Rückgang der Guldensummen zu beobachten ist. Während sich der höhere Anteil von Guldensummen bei den Klagen aus den höheren involvierten Summen erklären lässt, trifft dies bei den Frönungen nicht zu. Hier wirkt sich eher die Tatsache aus, dass Immobilientransaktionen in der Regel in Gulden ausgeführt wurden und entsprechend auch die Frönungen eher auf Forderungen in dieser Währung basierten. Bei den Klagen mag sich noch die überregionale Gültigkeit des Guldens ausgewirkt haben, war doch bei dieser Prozessform die Beteiligung von auswärtigen Parteien eher hoch.76 1455 sind Guldenbeträge häufiger anzutreffen, wenn die GläubigerInnen nicht aus Basel stammten, 1497 war dies hingegen bei Nichtbasler SchuldnerInnen etwas häufiger der Fall. Die Beobachtung höherer Schuldsummen in Gulden lässt sich schließlich noch an der Vermögenssituation schärfen. 1455 steigt der Anteil Guldenbeträge bei steigender Vermögenskategorie der SchuldnerIn.77 Die Durchschnittswerte steigen vor allem bei den Guldenbeträgen stark an. Die Vermögenskategorie der GläubigerInnen hingegen hat keinen Einfluss auf die Tatsache, ob Gulden- oder Pfundwerte verhandelt wurden. 1497 ist das Bild weniger deutlich, aber auch da waren arme SchuldnerInnen eher selten mit Guldenbeträgen verschuldet (nur 19 Prozent im Gegensatz zu über 50 Prozent Guldenbeträgen bei den höheren Kategorien). Das lässt darauf schließen, dass der Zugang zum Gulden für ärmere BaslerInnen erschwert war und diese ihre Schulden, die ja in der Regel auch geringer waren, eher in Pfund ausdrückten.78 Eine Bevorzugung des Guldens zeigt sich auch dort, wo Gläubiger Münzgeld verweigerten, wie etwa das Beispiel einer gescheiterten Abzahlung (an einen Boten des Gläubigers) zeigt: „hette

76 77 78

Siehe Kapitel 4.3.1. Die zweithöchste Kategorie hat am meisten Guldenwerte, deutlich abgesetzt ist vor allem die niedrigste Kategorie, die kaum welche aufweist. Vgl. zu armen Leuten als „Kleingeldnutzer“ Rössler, Armut, S. 116.

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Schulden einfordern

aber er diser zug in bevelh, gold ze nemen unnd die muntz nit genomen“.79 Allgemein wurde die Tatsache, dass eine Bezahlung in Gulden eine Bezahlung in Gold (und damit einem sehr wertstabilen Element) darstellte, durchaus betont.80 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Guldenwerte durchweg höher waren, was sich zum Teil auf den Entstehungskontext der Schuld, zum Teil aber einfach auf den höheren Schuldbetrag zurückführen lässt. Pfundbeträge waren nicht zuletzt deshalb niedriger, weil sie in alltäglichen, ergo mit kleinen Summen verbundenen Transaktionen geläufiger waren. Entsprechend finden wir sie häufiger in den Prozessformen, die eher für kleinere Schuldsummen gewählt wurden, d. h. in den Vergichten, und 1455 vor allem im Unzüchterbuch. Bei den Gulden hingegen stellt sich die Frage nach dem Zugang von verschiedenen Personenkreisen zur wertvollen Goldmünze. Ob nun aber Schuldsummen, die in einer Währung notiert waren, tatsächlich in dieser beglichen wurden (soweit möglich, denn wie erwähnt gab es keine Pfundmünzen), ist damit nicht geklärt. Ich verweise hier auf ein Urteil, das den Schuldner verpflichtete, eine Schuld über 22 Gulden innerhalb kurzer Frist zu begleichen, und zwar „mit phand oder phenningen“.81 Auch wenn es sich hier um eine häufig wiederkehrende Formel handelt,82 deren Eingängigkeit nicht zuletzt dem Stabreim geschuldet war, zeigt sie doch, dass die Währung der Schuld nicht zwingend mit der Art von Münzen zusammenhängen musste, in der die Abzahlung geleistet wurde. Die konkrete Abzahlung müsste im Einzelfall geprüft werden. Aufgrund der spärlichen Informationen ist allerdings nur sehr selten in Erfahrung zu bringen, in welcher Art von Münze Zahlungen tatsächlich erfolgten. Der Hinweis auf Guldenbeträge ist also nicht in jedem Fall als Beleg dafür zu nehmen, dass tatsächlich Goldmünzen ausgetauscht wurden, auch wenn es sich in der Tendenz so verhielt. Was bedeuten diese Hinweise auf die Zirkulation von größeren Summen in bar, also physisch in der Form von Goldmünzen, nun hinsichtlich der oben postulierten Knappheit an Bargeld? Offensichtlich waren nicht alle von dieser Knappheit gleich betroffen. Folglich sind Gedanken über den Zugang zu Goldmünzen als Zahlungsmittel erforderlich. Die Beobachtung, dass Guldenbeträge eher ins Spiel kamen, wenn die SchuldnerInnen reich waren, deutet auf einen gesellschaftlich beschränkten Zugang zur Guldenmünze.83 Außerdem ermöglichte dieser Zugang zu Bargeld die Aufnahme

79

80 81 82 83

StABS, Gerichtsarchiv D 16, 137v. Vgl. auch die Kundschaft wegen verweigerter Herausgabe eines Schuldbriefs (es fehlten die Kosten): „redte diser zug er hat dich doch in barem golde bezalt, antwortet er nein er hat mich des houptgutz mit muntze und mit abgeslagener zerung ussgericht aber nit mit golde“, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 34v. Z. B. StABS, Gerichtsarchiv G 9, 29v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 285r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 45v; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 189r und 195r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 132r. Z. B. auch im Vergichtbuch: StABS, Gerichtsarchiv C 6, 17v; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 31r. Vgl. Steinbrink, Meltinger, S. 75: Geringe Kreditsummen bei Meltinger zeigen, dass „große Teile der städtischen, aber vor allem der ländlichen Bevölkerung kaum Zugang zu Bargeld hatten“.

Geldflüsse und Zirkulation von Objekten

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wesentlich höherer Kreditsummen, was die eingangs gemachten Forschungsmeinungen betreffend den Zusammenhang von Geldmenge und Kreditvolumen nicht im Sinne einer Konjunktur, jedoch im Sinne einer schichtspezifischen Zugänglichkeit bestätigt. Die Betonung der Barzahlung, die einzelne Quellen prägt, ist schließlich als Ausdruck davon zu lesen, dass es zum Bargeld als Mittel der Abzahlung Alternativen gab. Auf diese gehe ich im nächsten Abschnitt ein. 3.1.2 Bezahlung mit Gütern und Arbeitsleistungen Wir haben im vorherigen Kapitel gesehen, dass viele Arten von Gütern als Sicherheit in Schuldverhältnissen dienen konnten. Dabei konnten sie physisch bewegt werden, mussten es aber nicht. Hier geht es nun um Objekte, die nicht nur tatsächlich die Hand wechselten, sondern auch anstelle von Bargeld als Zahlung genommen wurden. Dies lässt sich erkennen an der Bekräftigung, dass man das Recht hatte, Güter unmittelbar zu Geld zu machen, dass sie also nicht mehr Pfand (und damit geschützt) waren, sondern in den Besitz der anderen Person übergingen. Beispiele fürs Bezahlen mit Objekten sind etwa der Hausrat, der für einen Hauszins übergeben wurde,84 oder Güter, mit denen man tun durfte „als mit irem baren gelt, on menglichs intrag und widerrede“.85 In einem anderen Beispiel hieß es, „dz möge er ouch alsden eins wegs verkouffen als sin bar gelt“86 – Güter also, die barem Geld gleichgestellt wurden. Es zeigt sich hier auch, dass die Objekte als Alternative zum eigentlich gewünschten Bargeld dienten und auch die Vorstellung vorherrschte, dass sie entsprechend schnell zu Bargeld gemacht, d. h. verkauft wurden. Das war in einer Gesellschaft mit einem regen Gebrauchtwarenmarkt auch gut möglich.87 Damit Güter als Bargeldersatz zirkulieren konnten, mussten zwei Bedingungen erfüllt sein. Erstens brauchte es ein Bewusstsein für den Geldwert von Objekten, und zweitens musste dieser Geldwert für ein konkretes Objekt geschätzt werden, d. h., es musste Einigkeit hergestellt werden über den effektiven Geldwert eines Gegenstandes. Zum ersten Punkt scheint klar, dass die Monetarisierung im Spätmittelalter schon weit fortgeschritten war. Die Welt des 14. Jahrhunderts hatte laut Daniel Smail eine „monetary ontology“.88 Fast alles konnte einen Geldwert erhalten. Bruno Kuske sieht 84 85 86 87

88

StABS, Gerichtsarchiv C 6, 37r. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 9r; vgl. auch noch StABS, Gerichtsarchiv D 12, 13r. Zum Handel mit Gebrauchtwaren Fontaine, Economie, S. 117 und 153 f.; Fontaine, Märkte, S. 40; García Marsilla, Vêtements; Smail, Plunder, S. 11; Feller, Introduction, S. 21 f., betont die „vie économique“ von Objekten, die zwischen „produits, biens et richesses“ hin- und hertransformiert wurden. Smail, Plunder, S. 134 und allgemein das 1. Kapitel „The values of things“.

98

Schulden einfordern

schon seit karolingischer Zeit ein aufkommendes Denken in Geld und Bemessen von Wert.89 Der zweite Aspekt, der Prozess des Schätzens von Wert, war deshalb „swift and intuitive“, und nicht nur die Beamten, deren tägliches Brot die Einschätzungen darstellten, hatten die entsprechenden Kompetenzen.90 Schätzpreise und tatsächlich bei Versteigerungen erzielte Preise wichen in den wenigen von Daniel Smail untersuchten Fällen, wo beide bekannt sind, kaum voneinander ab.91 Gerade weil der Vorgang des Einschätzens schnell und oft unproblematisch war, wurde er in der Regel nicht dokumentiert. Viele Quellen, so auch die Inventare der Basler Beschreibbüchlein,92 enthalten nur das Endresultat der Schätzung, sodass sich dieser Prozess als unproblematisch und unzweideutig darstellt. In einer Kundschaft über den Verkauf eines Mantels und deren Wert sagte der Zeuge hingegen aus, „in beduchte [ihn dünkte], kanndt er nit ermessen, daz diselb schub nit uber zwen gld [zwei Gulden] wert gewesen were“.93 Es gab also durchaus Zweifel an der Genauigkeit der Schätzung. Das soll aber nicht die Beobachtung einer sehr realen Äquivalenz von Gütern und Geldwerten infrage stellen, sondern den Prozess des Schätzens als Aushandlungsprozess, von dem wir meist nur ein eindeutiges Resultat kennen, erkenntlich machen. Die Umrechnung landwirtschaftlicher Produkte in Geld war einfacher und direkter. Sie orientierte sich an Marktpreisen und an obrigkeitlichen Preisfestlegungen. Als Beispiel mag die sich über lange Jahre erstreckende Abzahlung einer Schuld mit Wein dienen. Der Wein sei jeweils anzurechnen „so thur, als er den nach iargang angeslagen wirt, oder so vil gelts, als im der win vor der trotten [der Presse] geben würde, ob er den verkoufte“.94 Mit „angeslagen“ ist der sogenannte gemeine Schlag gemeint, d. h. die jährliche Preisfestlegung für Getreide und Wein, die um Martini (11. November) stattfand, dem typischen Datum für viele Zinszahlungen.95 Dasselbe gilt für die Umrechnung in Getreide. Eine Schuld belief sich auf ungefähr elf Viernzel96 Dinkel in Getreide „ye fur i viernzal i lb“. Die Schuldner versprachen, „selhe summ on alle costen [bis Martini] zebezalen“.97 Obwohl also die Schuld eigentlich in Getreide formuliert war, war die Abzahlung in Geld vorgesehen, ein deutliches Zeichen der sehr weit fortgeschrittenen Monetarisierung der Basler Wirtschaft des Spätmittelalters. Im Vergleich zur heutigen Konsumgesellschaft, in der gebrauchte Gegenstände sehr schnell an Wert verlieren, hatten Güter im Mittelalter eine „certain lingering quality“,

89 90 91 92 93 94 95 96 97

Kuske, Entstehung, S. 3. Smail, Plunder, S. 237. Vgl. zur weiten Verbreitung dieser Fähigkeit auch Graeber, Debt, S. 62, sowie allgemein zur Einschätzung von Werten Denjean/Feller/Rodríguez, Expertise. Smail, Plunder, S. 50. Lauer, Beschreibbüchlein, Simon-Muscheid, Dinge (mit Auszügen im Anhang). StABS, Gerichtsarchiv D 16, 26r. StABS, Gerichtsarchiv B 7, 77. Hitz, Fürkauf, S. 18. Das Viernzel war ein Basler Getreidehohlmaß und umfasste 274 Liter (Dubler, Viernzel). StABS, Gerichtsarchiv C 16, 40r.

Geldflüsse und Zirkulation von Objekten

99

behielten in einer langen Lebensspanne ihren Gebrauchswert, der ihnen ständig inhärent blieb. Entsprechend dienten sie auch als „assets in times of need“ und wurden bei Bedarf wieder zu Geld gemacht.98 Gerade Textilien spielten in dieser Wertzirkulation eine besondere Rolle, sie hatten viel Wert im Verhältnis zum Gewicht.99 So wurde der Occassionsmarkt für Kleider als Ort beschrieben, der dazu diente, sich Liquidität zu verschaffen.100 Valentin Groebner geht ausführlich auf Stoffe und Kleider als Lohnbestandteile ein.101 Daniel Smail erwähnt noch Bettwaren, die oft als Pfänder eingesetzt wurden. Das „spectacle“, dass jemand ein Bett durch die Straßen schleppte, sei nicht unüblich gewesen.102 Entsprechend finden sich auch in den Quellen des Basler Gerichtsarchivs immer wieder Hinweise aufs Abzahlen mit Objekten. Zu erwähnen sind in absteigender Häufigkeit Getreide103 (wobei hier zu beachten ist, dass man auch Getreide schulden konnte),104 Textilien,105 Wein (und Weinbrand),106 Haushaltsgegenstände107 und weitere Handelsgüter, die je nur vereinzelt auftauchen.108 Ein schönes Beispiel für diese Praxis 98 99 100 101 102 103

104 105

106

107

108

Smail, Plunder, S. 4. Smail schreibt von „usefulness“ und „value inhered continously in them“. Siehe auch die Beschreibung von Gütern als „stocks d’actifs“ bei Smail, Biens, S. 367. Zu „second-hand circulations“ in der Frühen Neuzeit Fontaine, Exchanges. Smail, Plunder, S. 217. García Marsilla, Vêtements, S. 142. Groebner, Ökonomie, S. 152–156. Smail, Plunder, S. 163. „ein viernzal korns mynder eines grossen sesters gebracht“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 28v; „mit korn und haber bezalt“, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 86v; Versprechen, dass der Schuldner an die Schuld „ii viernzal korn geben will“, StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 9v, ein Teil der Bezahlung mit Getreide bei StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37v. Unmittelbar wie beim Vergicht über „v vernzal korn uff rechnung“, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 41r, oder auch in der Form von Kornzinsen, die aber in der Regel in Geld umgerechnet und auch eingezogen wurden. Z. B. „i langen rock für xiii ß“ als Teilzahlung für eine Schuld, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 123r, oder das Versprechen, zur Abzahlung jährlich „ein gernplet schurlitz tüch zegeben“, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 57v (ebenfalls ein „schurlitz tuch“, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 76v). Es handelt sich beim Schürlitz um ein in Basel regelmäßig hergestelltes Webprodukt (vgl. Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 497: „leinener Zettel mit baumwollenem Einschlag“); schließlich noch die Bezahlung einer Schuld von einem Gulden mittels einer „schuben“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 135v. Versprechen, dass ein Schuldner „zwey fass win bring die welle er im an sin schuld geben“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 206r; Teilzahlung mit Wein, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37v; Versprechen, „alle ior den halben win geben so an denselben reben wachset“, StABS, Gerichtsarchiv  B  7, 77. Schließlich noch das Versprechen, „was win er brennt […] ze uberannttwurtten biss er in siner schuld nemlich xii lb bezalt wirt“, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 35r. Gegenstände wie „zwen fursetz [flaches Gebinde, Gelte, Idiotikon, Bd. 7, Sp. 1551] [und] ein buttich“, StABS, Gerichtsarchiv D 12, 8v; ein Tisch, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 250r. Vgl. auch das Überlassen des Hausrats durch einen Schuldner an seine Schwester, die im Gegenzug seine Schulden beglich, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 29r. Ziegel (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 36r), Eisen und Wolle (StABS, Gerichtsarchiv D 6, 22r), „wersche tugen“ (Fassdauben, Idiotikon, Bd. 13, Sp.  2240) (StABS, Gerichtsarchiv  C  16, 34r), Pflugscharen (StABS, Gerichtsarchiv D 12, 13r), Fleisch (StABS, Gerichtsarchiv A 41, 193r) und auch ein Pferd (StABS, Ratsbücher N 8, 39r).

100

Schulden einfordern

stellt eine Kundschaft von 1496 dar. Der Schuldner hatte in einem Rebberg „win ligen, die im durch sin schuldner in verbot gelegt syen“, darauf sei der Zeuge mit dem Schuldner „gen Richsen geritten; da were yederman, wem Petter von Tann schuldig gewesen were, kommen, unnd hetten also dieselben vernügt“.109 Solche direkten Hinweise darauf, wie die Abzahlung mittels Gütern – hier Weinreben – geschah, sind allerdings rar. Güter zirkulierten als „monnaie pratique“,110 oder wie Julie Claustre es in Bezug auf Schulden ausdrückt: „Gérer une relation de dette était ainsi une affaire qui mobilisait autant d’objets que de deniers.“111 Die Gleichwertigkeit von Geld und Gütern wird deutlich in der oben zitierten Formel „mit Pfand oder Pfennig“, in der Aufforderung, den Gläubiger „usszerichten oder pfender zestellen“,112 oder im Zahlungsversprechen, „iii lb zegebenn, oder sovil pfennder dafur zelegen, damit das iii lb daruff erloste mogen werdenn“.113 In der letzten Formel ist auch klar zu erkennen, dass in Zahlung gegebene Güter zum Weiterverkauf gedacht waren.114 Die Gleichstellung von Gütern und Geld geht am weitesten bei der Formel eines Gläubigers, „weder phen[ig] noch phenwert“ erhalten zu haben.115 Pfennigwert ist dabei als „in Pfennig ausgedrückter Gegenwert“ von Gütern zu verstehen.116 Neben der Begleichung von Schulden mittels Objekten, die weiterverkauft werden konnten, war auch Arbeit eine übliche Leistung. Der Käufer eines Pferdes etwa legte vor Gericht dar, dass er „daz gelt mit fuorung […] ab verdienen solle“: Wenn er „ein zentner oder zwen“ transportiert habe (wovon ist unklar), so solle der Verkäufer „das halb gelt abslahen und daz ander halb solle er [der Schuldner] im bar geben“.117 Ein anderes gekauftes Pferd sollte ein Käufer, der es „umb sechs guldin“ erhalten hatte, „mit ryten aberdienen“ – wahrscheinlich sind damit bezahlte Botengänge gemeint.118 Hinter solchen Vereinbarungen zur Gegenleistung steckten möglicherweise auch längere Abhängigkeiten, die durch die Schuld entstanden.119 In einem anderen Fall hatte die Gläubigerin „dick und vil [wiederholt] gebetten, ir dieselbe matten zemeigen [zu mähen], nach dem er ir schuldig wer“; es handelte sich um eine Schuld von zwei Pfund, 109 110 111 112 113 114

115 116 117 118 119

StABS, Gerichtsarchiv D 16, 179v. Smail, Biens, S. 367. Claustre, Ethnographie, S. 47. In einer amtlichen Mitteilung an den Schuldner, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 256r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 45r. Siehe zur Zirkulation von solchen Gütern über Händlerinnen von Gebrauchtwaren Fontaine, Märkte, S. 47: Die Händlerinnen waren ein wichtiges Glied in einem florierenden städtischen Handel, der auf Geldverleih und Wiederverkauf beruhte und in dem Geld, Waren, Kleidungsstücke und andere Gegenstände über eine lange Reihe von Vermittlern den Besitzer wechselten. Drei oder vier Vermittlungsschritte waren nicht selten. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 45v. Idiotikon, Bd. 16, Sp. 1319. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 84v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 29r f. Vgl. dazu die jahrelange Schuldabhängigkeit eines Messerschleifers, der seine Schuld durch die Lieferung von Messern abstottern musste, beschrieben bei Schuster, Age, S. 42.

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die hier durch eine einmalige Arbeitsleistung abgegolten werden konnte.120 Schließlich ist noch die Schuld von neun Gulden zu erwähnen, die ein Schuldner abgearbeitet glaubte, weil er dafür dreieinhalb Jucharten Acker bearbeitet und darauf gesäht, zudem mehrere Transporte von Getreide, Heu und Holz und weitere Leistungen erbracht habe, womit seiner Meinung nach die Schuld erstattet war.121 Ob hier die Umrechnung von Arbeitsleistung in Geldwert ähnlich unproblematisch gelang wie bei den Objekten, lässt sich nicht klären. Es spricht aber einiges dafür, waren solche Leistungen doch üblicherweise in Tag- und Botenlöhnen zu berechnen.122 Angesichts eines offenbar beträchtlichen Anteils der Güterzirkulation am gesamten wirtschaftlichen Austausch könnte man versucht sein, diese als Tauschhandel zu verstehen. Daniel Smail stellt klar, dass dies nicht zutrifft und der Begriff „alternative currency“ besser passt, „because the items were circulating not on account of their use-value so much as the value that they contained, in much the same way that any commodity money contains value by virtue of its own substance“.123 Zwei Aspekte sprechen zusätzlich dafür, dass dabei kein Tauschhandel betrieben wurde: erstens die Bemessung der Objekte in Geldwerten und zweitens die Tatsache, dass Güter weiterzirkulierten und auf diesem Weg zu Bargeld gemacht wurden. Ganz wie eingangs zitiert, konnte der Gläubiger Objekte „als sin bar gelt“ entgegennehmen. 3.1.3 Zirkulation von Schulden Neben der Zirkulation von Geld und Gütern ist schließlich die Zirkulation von Schulden selbst zu nennen. Die Frage, ob Schulden (in Form von schriftlichen Schuldscheinen) weiterverkauft werden konnten, war auch eine juristische Frage. So sind James Moody und John Munro der Frage nachgegangen, ab wann dies im Spätmittelalter möglich war. Obwohl die konkrete gesetzliche Regelung in der Frage eher spät anzusiedeln ist, zeigen die Beispiele schon im 14. Jahrhundert die praktische Möglichkeit der Übertragung.124 Schon Bruno Kusko hatte die Veräußerung von Schuldscheinen als selbstverständlichen Vorgang beschrieben und darauf hingewiesen, dass schon im 14.  Jahrhundert gefälschte Schuldscheine im Umlauf gewesen seien.125 Dagegen ist Michael Rothman zurückhaltender mit seiner Feststellung, dass die Übertragbarkeit von Schuldscheinen spätestens seit dem späten 15. Jahrhundert möglich und üblich

120 121 122 123 124 125

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 17v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 18v. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 41v f. Vgl. die Lohntabellen bei Tscharner-Aue, Wirtschaftsführung, S. 315 f. und 323. Smail, Plunder, S. 236. Moody/Munro, Anfänge, S. 54–60. Kuske, Entstehung, S. 68.

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Schulden einfordern

war.126 Schuldscheine zirkulierten also wie eine Art Papiergeld,127 man konnte sie kaufen und verkaufen.128 Diese Tatsache zeigt sich in der Charakterisierung eines Schuldbriefs als „brief so do innhaltet i gl geltz koufft und widerkouffig“, die Rede war also von einer Rente.129 Die Möglichkeit, Schulden weiterzuverkaufen, war vorteilhaft für die Gläubiger, weil sie so die Schulden gar nicht eintreiben mussten und trotzdem an ihr Geld kamen. Wichtig war bloß, dass die Schuld eindeutig belegt war.130 Bei den meisten Erwähnungen von Schuldbriefen in den Gerichtsakten scheint es, dass die KlägerInnen auch die Personen waren, welche die Urkunde als KäuferInnen der Rente nannte. Allerdings ist es denkbar, dass abweichende BesitzerInnen der Schuldbriefe nicht der Rede wert waren und dieser Eindruck täuscht oder dass neue BesitzerInnen im Namen der ursprünglichen GläubigerInnen auftraten.131 Der Verkauf von Schuldbriefen war auf jeden Fall möglich, und zwar auch vor dem Stadtgericht, wie ein Urteil belegt, in dem der Anspruch auf Zinsen einer Person bestätigt wurde, die zuvor „den houptbr[ief] daruber wisende, desglich alle die vechtung und anspruch, so meister Claus Smidlin selige und dieselb sin efrowe dar an gehept hand, zü sinen handen am gericht koufft“ habe.132 Dasselbe zeigt sich auch in der Kundschaft über die Weitergabe einer Schuld: „die schulde, so im der wirt zem Blat zu Nüwenburg, nemlich v gulden schuld, ist Henslin Harneschen gantz zu sinen handen, ubergeben habe, di inzenemen und damit ze tünde als mit andern siner eigen gelest schulde“.133 Üblich war es offenbar auch, Schuldbriefe als Heiratsgut mitzugeben, wie die Weitergabe eines solchen (der bei jemandem hinterlegt war) an eine Tochter und ihren Mann belegt.134 Weniger klar sind die wirklichen Ansprüche im folgenden Fall. Der ursprüngliche Gläubiger, inzwischen verstorben, hatte Ulrich Illenbrecht, der den „schuldbrieff inn gehept und gewalt hat, dieselbe schulde inzeziehen“, auf dem Totenbett gebeten, auf einen Teil der Schuld zu verzichten. Dies wurde mit anderen Schulden verrechnet, und der Schuldner des Schuldbriefs musste im Gegenzug Messen für den Verstorbe126 127 128

129 130 131 132 133 134

Rothmann, Schulden, S. 286. Vgl. zu England auch Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 143: „Despite these questions about the precise legal niceties of such transfers, in practice, the assignment of debts to a third party was commonplace in the Middle Ages.“ Smail, Consumption, S. 149; Fontaine, Espaces, S. 1386. Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 144. Vgl. auch S. 151: „the use of credit instruments as both as substitute for cash and as a commodity was sufficiently established and widespread to enjoy confidence“. Die drei Autoren untersuchen hauptsächlich die Zirkulation von Schulden der öffentlichen Hand (Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 145–150), die mich hier weniger interessieren. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 42r. Ago, Notaries, S. 198; Smail, Consumption, S. 149. Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 142: Die drei Autoren argumentieren, dass oftmals der neue (und eigentliche) Gläubiger eine Schuldklage im Namen (und als Vertreter) der eigentlichen Gläubigers führte. Konkret belegen kann ich diese Option nicht. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 150v. Ein weiterer Hinweis auf einen Schuldbrief, den jemand „abkouft“ hat, findet sich bei StABS, Gerichtsarchiv C 6, 14r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 135v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 119r.

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nen lesen lassen.135 Eine Kombination von Vermächtnis und Weiterverkauf der Sicherheit führte zu folgendem Fall. Der Gläubiger einer Rente auf einen Acker, die sich auf 20 Gulden belief, vermachte diese an zwei kirchliche Institutionen. Deren Verwalter einigten sich nun mit den Rentenschuldnern, einem Ehepaar, über die Abzahlung der Schuld. Diese sollte durch den Käufer des Ackers erfolgen, der mit dem Acker die Schuld übernommen hatte und auch sein Einverständnis dazu gab.136 Häufiger aber war die Zirkulation von Schuldbriefen als Pfand. Offensichtlich ist dies bei zwei Schuldbriefen, die beim städtischen Kaufhaus als Sicherheit hinterlegt worden waren und die der Kaufhausbeamte einige Jahre später, weil sie noch nicht ausgelöst waren, zu jemandem brachte, dessen Frau sie mit Bargeld auslöste.137 Die Wahl der Person wird nicht erklärt, möglicherweise handelte es sich um den eigentlichen, auf dem Brief genannten Schuldner. Während in diesem Fall der Schuldbrief und damit der Anspruch auf Bezahlung wegen der fehlenden Auslösung tatsächlich die Hand wechselten, war das in der Regel nicht der Fall. Anders wären die folgenden zwei Beispiele nicht zu erklären. Das erste ist ein Urteil „eins zedels halb, innhaltende lxxii guld, so die gemelt [Ennelin] hinnder Michel Heckel seligen gelegt“.138 Das Gericht verpflichtete Ennelin dazu, den Schuldbrief herausgeben zu lassen, weil er nämlich fast vollständig abgezahlt war. In einem zweiten Fall hielt das Gericht fest, dass die Person, die den „brieff uber die ii guldin geltz innhab“, gegenüber dem Kläger auch „gerecht werden“, d. h. diese Summe auszahlen sollte.139 Die Unterscheidung zwischen Hinterlegen als Pfand und Weiterverkaufen ist schließlich gar nicht so deutlich. Ein Verkauf konnte als Hinterlegung begonnen haben und sich angesichts der finanziellen Verhältnisse zum Verkauf entwickeln. Dabei erweisen sich die Erwartungen der Beteiligten als Entscheidungskriterium. Eine Sicherheit, von der niemand erwartete, dass sie ausgelöst werden konnte, kam einem Verkauf schon zu Beginn sehr nahe.140 Neben der Zirkulation von Schulden aus der Hand von GläubigerInnen zu anderen Personen, die den Anspruch übernahmen, beobachtete ich auch die gegenteilige Zirkulation, die dadurch entstand, dass Personen an die Stelle der ursprünglichen SchuldnerInnen traten. Der Torwächter des Spalentors schuldete dem ehemaligen Obersten Zunftmeister Hans Jungermann zehn Pfund und bat einen Boten Jungermanns, ob er ihn „guttlich verzilen unnd uff halten wolt bis uff herpst, hett er win an sinen reben stan, den wolt er nit verendern“. Eine Gruppe von Zeugen übernahm diese Schuld mit folgender Begründung: „wir wellen dem gütten armen dem torwechter helffen“.141 Der Bote stimm135 136 137 138 139 140 141

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 103v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 32v. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 45v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 189v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 114v. Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 145. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 63r f.

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te laut der Zeugenaussage zu, allerdings mit dem Vorbehalt, er wolle mit dem Torwächter nichts weiter zu tun haben. Es gibt in beiden Stichproben Beispiele der Übernahme von Schulden. Nicht immer ist dabei ein Motiv erkenntlich wie im eben beschriebenen Fall, wo sich die Barmherzigkeit allerdings mit der Hoffnung überlagert, den betreffenden Wein zu einem guten Preis verkaufen zu können und damit vom Handel zu profitieren.142 1455 trat dieses Muster insgesamt nur 16-mal auf. Dabei zeigt sich eine klare Tendenz, dass Basler die Schulden von Auswärtigen übernahmen: Neun von 16 der einspringenden Personen stammten sicher, drei weitere wahrscheinlich aus Basel, nur drei sicher nicht, während bei denen, die ihre Schulden abtreten konnten, fünf sicher nicht aus Basel stammten und drei sicher aus Basel. Die Zahlen sind zu klein für eine statistische Bestätigung dieser Beobachtung. Sie stellt auch das einzige Muster dar, denn bezüglich Geschlecht und Vermögenslage sind keine Auffälligkeiten auszumachen.143 Ganz häufig ist davon auszugehen, dass hinter der Übernahme von Schulden ein Dreiecksverhältnis stand, in dem der Schuldner einer Person zum Schuldner von dessen Gläubiger wurde.144 Ein gutes Beispiel dafür ist die Schuld von 27 Gulden und zusätzlichen sechs Gulden Kosten von Martin Flach an Walter Degen von Nördlingen. Diese Schuld konnte Flach mit einer Schuldvereinbarung begleichen, denn ein Paar aus Augsburg schuldete ihm genau diese Summe und musste sie mit drei Gulden pro Fronfasten abstottern.145 Zwei Gläubiger des Junkers Jörg zur Sonne wurden angewiesen, dass sie „die suchen sollent, die im [d. h. Jörg zur Sonne] die schulde zu tünde sint, dz er sy deshalb lidig schaffe“.146 Erst wenn sie dabei nicht erfolgreich waren und dies belegen konnten, durften sie sich wieder an ihren Schuldner wenden. Hier ist also das Dreiecksverhältnis offensichtlich. Es ist zu vermuten, dass noch mehr der oben untersuchten Fälle ähnliche Muster aufwiesen. Im Einzelfall ist das aber oft nicht nachweisbar. 3.2 Säumige SchuldnerInnen konfrontieren Das Einfordern von Schulden war nur notwendig, wenn der Schuldner oder die Schuldnerin nicht bezahlte; das ist so weit banal. Das heißt aber auch, dass wir in Bezug auf die Gesamtheit der Schulden nur mit sehr unvollständigen Daten arbeiten können: „The disputed debts involved in litigation represent only a portion, perhaps, small,

142 Einer der Beteiligten meinte gemäß der Kundschaft: „so wellen wir dennoch nutzit verlieren unnd lannd mich schaffen ich will unns das vins wol wider in pringen“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 63r. 143 1497 sind es nur fünf Fälle, was einen Vergleich verunmöglicht. 144 Ein Beispiel führt Taylor, Credit, S. 17, an. 145 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 50v f. 146 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 84v.

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of total commercial activity.“147 Craig Muldrew schätzt der Anteil auf rund fünf bis sieben Prozent der jährlichen Ausgaben eines Haushalts.148 Pamela Nightingale hat beobachtet, dass die Quote an nicht bezahlten Schulden nur wenig schwankte. Die Rate war „extraordinarily consistent“ und bewegte sich konstant um 20 Prozent.149 Ich kann anhand der Basler Quellen nicht beurteilen, inwiefern solche Berechnungen plausibel sind – zumindest bei Craig Muldrew ist klar ersichtlich, dass sich die Berechnungen auf Spekulationen stützen. Das mir vorliegende Material macht es schlicht unmöglich, den Anteil an bestrittenen Schulden am Gesamtvolumen der Basler Schuldenwirtschaft zu belegen. Einzige Indikatoren sind private Schuldbücher und Schuldenlisten, die eher auf eine niedrige Quote hinweisen. So hat Hans-Jörg Gilomen einen einzigen Schuldner der verpfändeten Schuldnerliste des Kaufmanns Offenburg auch im Vergichtbuch identifizieren können.150 Die jeweils rund 900 Schuldbeziehungen in den beiden Stichproben machten mit Sicherheit einen kleinen Anteil sämtlicher Schulden aus. Das Beispiel von Offenburg zeigt außerdem, dass fehlende Erstattung der Schuld nicht das einzige Kriterium ist, ob eine Schuld vor Gericht landete oder nicht, denn dies war offenbar lange nicht bei allen der Fall. Auch das Eintreiben von kleinen Schulden konnte sich langwierig gestalten. In einem von Craig Muldrew präsentierten Beispiel war der Fall auch zehn Jahre nach dem Tod eines Gläubigers nicht abgeschlossen.151 Somit stellt sich die Frage, welche Art von Verzerrung die vorliegenden Quellen mit sich bringen. Eine leichte Tendenz zu etwas größeren Schuldsummen scheint plausibel – auch im Vergleich mit der Schuldnerliste von Offenburg, gleichzeitig zeigen die Vergicht- und besonders die Unzüchterbücher, dass auch ganz kleine Schuldbeträge eingefordert wurden. Dasselbe stellt Daniel Smail fest. Das Gericht in Marseille beschäftigte sich vornehmlich mit dem Erlangen einfacher Schulden und behandelte davon etwa 800 Fälle pro Jahr.152 Die folgenden Kapitel werden zeigen, wie sich verschiedene Konstellationen darauf auswirkten, wie häufig Schulden vor Gericht gebracht wurden. An dieser Stelle der Arbeit geht es um das konkrete Vorgehen beim Einfordern von Schulden. Es ist bei den nun folgenden Beispielen zu berücksichtigen, dass sich beim Gang vor Gericht die Beweggründe nicht nur aufs Einbringen der Schuld beschränkten. Der

147 Clark, Debt, S. 255. Clark verweist darauf, dass die Akten trotzdem sehr interessant seien, und ich schließe mich dieser Aussage an. 148 Muldrew, Economy, S. 175. 149 Nightingale, Money, S. 63. 150 Gilomen, Kleinkredit, S. 122. Siehe auch die Bemerkung von Gabriela Signori, dass private und öffentliche Buchführung im Verlauf des 15. Jahrhunderts immer weiter auseinanderklafften, Signori, Schuldenwirtschaft, S. 20 und S. 138. Dies gilt auch für das Schuldbuch von Ludwig Kilchmann, der geschäftsmäßig Rentenkredite vergab, die aber nicht in der Stichprobe von 1497 auftauchen (siehe die Edition bei Signori, Schuldbuch). 151 Muldrew, Economy, S. 180: Es standen immer noch 20 Prozent aller Schulden aus. 152 Smail, Consumption, S. 37.

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Gang vor Gericht stellte eine Eskalation dar, die auch mit Risiken verbunden war.153 Laurence Fontaine hat den Einsatz von Schulden als Druckmittel in individuellen Auseinandersetzungen in der ländlichen Dauphinée beschrieben. Das Einfordern musste nicht zwangsläufig mit einer gestörten Schuldbeziehung zusammenhängen, sondern konnte auch andere Konflikte zur Ursache haben. Denn das Einfordern konnte zum Ausschluss des Beschuldigten aus dem Dorf (oder der Dorfgemeinschaft) führen.154 Der zeitgenössische Begriff für gerichtliches Einklagen von Schulden lässt sich so auch als Ausdruck dieser Eskalation lesen: Man jagte eine Schuld.155 3.2.1 Zeitpunkt des Einforderns Ein Zeuge berichtete über seine Suche nach einem verzinslichen Darlehen und begründete dieses illegale Vorgehen damit, dass ihn „nott angangen, daz er gelt must haben“.156 Worin diese Not bestand, erwähnte der Zeuge nicht, aber wir werden nicht völlig falschliegen, wenn wir vermuten, dass er Geld brauchte, um einen geschuldeten Betrag zu begleichen. Am Ursprung dieser Suche nach Kredit lag also möglicher weise ein ungeduldiger Gläubiger, der aus welchen Gründen auch immer seine Geduld verloren hatte und Geld einforderte. In einer anderen Kundschaft wird dieser Zusammenhang deutlich gemacht: „er were schuldig unnd musst bar gelt han“, meinte der Verkäufer eines Hauses.157 In diesem Abschnitt geht es um die Frage, wann dieser Zeitpunkt gekommen war, der dazu führte, dass jemand plötzlich (oder auch nicht so unvermittelt) Bargeld brauchte, um seine Angelegenheiten zu regeln. Der Zeitpunkt des Einforderns lässt sich als Produkt von zwei Faktoren beschreiben: Erstens spielten vereinbarte Zahlungstermine, also Kreditlaufzeiten, eine Rolle, zweitens war der Zeitpunkt von der mehr oder weniger großen Geduld der GläubigerInnen abhängig, wenn die Schuld überfällig wurde. Dabei zeigt das obige Beispiel, dass die Milde von der persönlichen Situation der GläubigerInnen abhing. Außerdem ist anzunehmen, dass Wissen über die finanzielle Situation der SchuldnerInnen und ihre Reputation eine bedeutende Rolle spielte.158 Es wird also hier darum gehen, die Gründe zu eruieren, die Geduld für eine GläubigerIn erfolgversprechender erscheinen ließ. 153 154 155 156 157 158

Smail, Consumption, S. 17: „I would insist only that the pursuit of grudges, rather than a reasoned preference for rationality or a desire to achieve an outcome, was the chief motive for the investment.“ Fontaine, Espaces, S. 1389. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 123r und 126v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 191r, 231r und 244r; StABS, Gerichtsarchiv B 14, 118r. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 92v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 133v. Vgl. dazu Hitz, Informationszirkulation.

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Kreditlaufzeiten und lange zurückliegende Schulden Wir haben im vorherigen Kapitel gesehen, dass die Verhandlungen um die Bedingungen von Käufen auf Kredit auch die Abzahlung umfassen konnten.159 Leider sind solche Übereinkommen aber nur im Einzelfall überliefert, sodass eine allgemeingültige Aussage zu den üblicherweise gewährten Fristen nicht möglich ist. Bei Rentenkäufen hingegen war es nicht üblich, eine Laufzeit zu vereinbaren. Die im Fertigungsbuch erwähnten Renten waren in der Regel Ewigrenten (in Abgrenzung zu den Leibrenten, die nur bis zum Tod der SchuldnerInnen liefen).160 Ich erwähne hier deshalb kurz Angaben aus der Forschungsliteratur, die Anhaltspunkte zu üblichen Kreditlaufzeiten geben können. Londoner Kaufleute des 15. Jahrhunderts etwa erhielten oft Kredit mit Laufzeiten von bis zu einem Jahr, manchmal auch länger.161 Die Kreditlaufzeiten, die Daniel Smail in Marseille untersuchen konnte, beliefen sich normalerweise auf ein Jahr.162 Notariell beglaubigte Kredite im Dijon des 14. Jahrhunderts wiesen zu einem großen Teil Laufzeiten von weniger als zwei Jahren auf.163 Laut Laurence Fontaine variierten die Laufzeiten in der Dauphinée hingegen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.164 Auch Mathias Steinbrink stellt in Ulrich Meltingers Geschäftsbuch lange Kreditlaufzeiten fest, wobei er auch auf den Unterschied zwischen ursprünglich vereinbarter langer Frist und langer Dauer der Abzahlung eingeht.165 Die Feststellung von unterschiedlichen Laufzeiten lässt sich vornehmlich mit den unterschiedlichen Formen von Krediten erklären. So scheint es naheliegend, dass bei Kleinkrediten kurze Fristen üblich waren (zum Beispiel jährlich, halbjährlich oder noch kürzer),166 während die Kredite von Meltinger größere Beträge umfassten. In ganz vielen Fällen aber liefert das Quellenmaterial schlicht die entsprechenden Informationen zur Laufzeit nicht.167 Unabhängig von der Laufzeit lässt sich aber festhalten, dass die Termine in ganz vielen Fällen nicht eingehalten wurden. Von den Marseiller Krediten gab es ganz viele, von denen nicht bekannt ist, ob sie überhaupt bezahlt wurden, und unter den ande-

159 160 161 162 163 164 165 166 167

Siehe Kapitel 2.2.2. Gilomen, Anleihen, S. 166. Bolton, Merchants, S. 60. Smail, Consumption, S. 146. Dutour, Crédit, S. 73, nennt diese 70 Prozent der Kredite „crédits à court terme“. Fontaine, Espaces, S. 1383. Steinbrink, Meltinger, S. 88; Steinbrink, Handeln, S. 200. Vgl. auch Clark, Debt, S. 271. Lipp, Aspekte, S. 19. Vgl. auch Fontaine, Economie, S. 199. Irsigler, Vertrauen, S. 60: Fast alle von Irsigler untersuchten Kaufleute kauften auf Kredit, die Laufzeiten aber sind unklar, weil nicht das Verkaufsdatum, sondern nur die vereinbarten Zahlungstermine festgehalten wurden. Vgl. auch Holbach, Rolle, S. 154: „Über die Laufzeit der Kredite sind generelle Aussagen kaum möglich.“

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ren gab es viele Überschreitungen der Frist.168 Auch Laurence Fontaine beschrieb tiefe Quoten von fristgerechter Erstattung.169 Lange Verschuldungsverhältnisse waren somit normal.170 Angesichts dieser Tatsache ist die Untersuchung von Kreditlaufzeiten wenig ergiebig. Interessanter ist deshalb die Zeitspanne zwischen der Entstehung der Schuld und dem Zeitpunkt des Einforderns. Auch dies lässt sich für Basel nicht beschreiben, denn oftmals ist der Eintrag im Gerichtsbuch (zum Beispiel bei den Vergichten) die erste Spur der bereits fälligen Schuld. Das gilt vor allem für die informell entstandenen Schulden, die sich erst im Verlauf der Zeit (und der Abzahlung) als schwierig einzubringen erwiesen. Ein solches Vorgehen, Schulden erst später zu formalisieren (hier mittels Zahlungsversprechen), wurde auch anderswo beobachtet. So kam es im spätmittelalterlichen Valencia oft vor, dass die Vertragspartner oder ihre Erben Monate oder Jahre später den Kauf vor dem Notar oder „la dette devant le juge“ eintragen ließen.171 Auch im spätmittelalterlichen Ypern kam es vor, dass Schuldanerkennungen erst notiert wurden, wenn der mündliche Zahlungstermin schon verflossen war.172 Ideal ist die Quellenlage im spätmittelalterlichen Writtle, das Elaine Clark untersucht hat. Sie konnte für viele Schuldverhältnisse die Zeitspanne zwischen Kreditgewährung und Klage untersuchen. Fast 70 Prozent der Fälle umfassten Zeitspannen von einem bis sechs Jahren, der Rest verteilte sich regelmäßig auf die nächsten neun Jahre, und nur ganz wenige Fälle zogen sich bis zu 29  Jahre hin.173 Das weist auf durchaus langfristige Schuldbeziehungen hin. Allerdings ist zu relativieren, dass Clark die vereinbarten Zahlungsfristen nicht kennt und damit auch nichts zur Frage aussagen kann, wie lange nach Ablauf einer Frist geklagt wurde. Angaben zur Frage, wie lange sich die Fälligkeit von Schulden hinzog, bis GläubigerInnen das Gericht bemühten, lassen sich in Basel nicht systematisch machen. Im Einzelfall lässt es sich fassen, wie bei einer Frönung, die wegen vier ausstehender Jahreszinsen vorgenommen wurde.174 Vereinzelt finden sich in Urteilen und Kundschaften 168

Smail, Consumption, S. 146: Viele Darlehen wurden nie „formally acquitted“. Von den als erledigt markierten wurden zwar 63 Prozent innerhalb eines Jahres bezahlt, 20 Prozent aber brauchten zwei Jahre und mehr. 169 Fontaine, Espaces, S. 1383: Nur zehn Prozent der Kredite werden fristgerecht zurückgezahlt; Fontaine, Economie, S. 199: Die kurzfristigen Kredite wurden selten in der Frist erstattet. Vgl. das Beispiel bei Fontaine, Economie, S. 89: Kreditrückzahlung gegenüber einem Landadligen, der von seinem Onkel z. T. fast 40 Jahre alte Kredite erbte und in 20 Jahren zwei Drittel einzutreiben schaffte. Seine Erben erreichten nochmals ein Drittel. All diese Schulden waren notariell beglaubigte Obligationen und hatten eine Laufzeit von ein bis zwei Jahren. 170 Vgl. Schuster, Age, S. 41: Offene Bußschulden gegenüber der Stadt wurden oft jahrelang nicht bezahlt: „Langjährige Schuldverpflichtungen wurden als weniger belastend angesehen als eine vorübergehende Stadtverweisung oder Inhaftierung.“ 171 Furió Diego, Crédit, S. 408. 172 Nicholas, Credit, S. 315. 173 Clark, Debt, S. 251. 174 StABS, Gerichtsarchiv E 4, 16r.

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außerdem Hinweise darauf, dass die verhandelte Schuld schon lange zurücklag. Zum Teil lassen sich die Fälle wohl wirklich auf die Geduld von GläubigerInnen zurückführen, wie etwa bei einem Bürgen, der versprochen hatte, „uff winachten zwey phunt“ zu bezahlen. Sein Gläubiger brachte nun vor, dieses Geld sei ihm „noch nit worden und aber sithar wol by dry wienachten verschinen sien“.175 Ein anderer Kläger sagte aus, „vor iiii oder v iarn, ungevarlich“ habe eine Frau wegen einer Schuld von zwölf Pfund und vier Schilling geschworen, die Stadt nicht zu verlassen ohne Bezahlung, seither habe sie aber nicht bezahlt.176 Manchmal stand der Vorgang im Zusammenhang mit dem Tod von Personen.177 Der Versuch eines Baslers, einen Betrag, der ihm eine inzwischen verstorbene Person „vor xxiiii ioren schuld worden sye“, von einer Drittperson einzuklagen, scheiterte.178 Das Gericht führte allerdings nicht aus, weshalb diese Schuld nach 24  Jahren nicht mehr einzuklagen sei. Andere Schuldsachen waren auch lange her, aber aus der Sicht der SchuldnerInnen schon lange erledigt. Das zeigt sich etwa in den Kundschaften zu einer Schuldsache, die ungefähr sieben Jahre zurücklag („by siben iaren minder oder mer“), in denen der damalige Schuldner zu belegen versuchte, dass er mit verschiedenen Leistungen (darunter eine Weinlieferung) inzwischen die Schuld beglichen habe.179 Ein vermeintlicher Schuldner reagierte irritiert auf eine Klage um vier Gulden: „solich vordrung befrombdte in, denn er die verkundt schuld vor xviii iaren bezalt hett“, ein Bote habe nämlich in Bern, wo er damals wohnte, das Geld eingefordert. Das Gericht glaubte dieser Darstellung.180 Es zeigt sich hier auch die Schwierigkeit, ohne schriftliche Belege so lange zurückliegende Schulden einzufordern.181 So meinte auch der zuständige Amtmann in einem Fall, „daz im die sach von lannge wegen der zit unnd annderer geschefften halb, im sithar zu gefallen, usgewachsen sye“.182 Bei wieder anderen Prozessen lag die Geschichte zwar lange zurück, der Kontext der Forderungen bleibt aber unklar. Eine Magd hatte rund zehn Jahre vor dem vorliegenden Prozess für ihren Lohn Güter ihres Dienstherrn in Verbot legen lassen, ohne je bezahlt worden zu sein. Nachdem sowohl die Magd als auch der Dienstherr gestorben waren und die Erbin eine Teilzahlung erhalten hatte, versuchte sie offenbar, auf anderen

175 176 177 178

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 20v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 229v. Siehe Kapitel 4.3.6. StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 139r. Die Beziehung zur Drittperson ist unklar: Entweder war der Schuldner der Schwager des Klägers, oder der Beklagte war Schwager des Schuldners. 179 StABS, Gerichtsarchiv D 12, 13r–14r. 180 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 252v f. 181 Rentenbriefe hingegen konnten sehr lange in Kraft bleiben, wie eine Kundschaft zeigt, die die 26 und 16–18 Jahre alten, immer noch gültigen Briefe erwähnt. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 132v. 182 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 230r.

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Wegen zum Rest zu gelangen, allerdings erfolglos.183 Ebenfalls um den Lohn einer Angestellten ging es bei zwei Kaufleuten, die einer Angestellten ihrer Mutter wegen „allerley verlihens geltz und sust neisswz [etwas] lidlons“ eine Gült gegeben hatten. Weshalb diese Sache nach 16 Jahren und dem Tod der Magd wieder eine Kundschaft wert war, lässt sich nicht abschließend erklären.184 Wahrscheinlich ist es aber kein Zufall, dass sich diese lang andauernden Geschichten um Lohn drehten, denn gerade Dienstboten waren gegenüber ihren Arbeitgebern oft in einer sehr schwachen Position.185 Die Geduld der GläubigerInnen Das gerichtliche Vorgehen gegen säumige SchuldnerInnen stellte auf jeden Fall eine Verschärfung des Konflikts186 dar und war damit Ausdruck einer überstrapazierten Geduld – wie groß sie im Einzelfall auch gewesen sein mag.187 Trotzdem finden sich in den Gerichtsakten auch Hinweise auf die tatsächlich gewährte Geduld der GläubigerInnen, indem diese Schulden lange und auch über vereinbarte Zahlungstermine hinaus nicht einforderten. Der Umgang der GläubigerInnen mit SchuldnerInnen, die sie hinhielten,188 soll hier genauer untersucht werden. Im Falle einer längeren Geschäftsbeziehung etwa forderte die eine Partei eine detaillierte, postenweise Abrechnung („vom einem zum anndern stuck“) und begründete den Wunsch nach Bezahlung damit, dass „die ding lang gestanden weren“.189 In einem anderen Fall enthielt das Urteil eine von der Klägerin angegebene Begründung fürs gerichtliche Vorgehen: Es seien „die zyle der bezalung vor lanngem verschinen [und] ir kein ussrichtung bescheen“.190 Heinrich von Monstral ließ ganze vier oder fünf Jahre verstreichen, bis er eine schon in einem Zahlungsversprechen erwähnte Schuld nochmals einzutreiben versuchte. Dabei erinnerte er daran, dass die Schuldnerin geschworen hatte, die Stadt nicht zu verlassen, bevor die Schuld beglichen sei.191

183 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 72v f. 184 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 31v. 185 Simon-Muscheid, Dinge, S. 185. Vgl. Groebner, Ökonomie, S. 151, zum Zurückhalten von Gehältern durch Arbeitgeber. 186 Dinges, Justiznutzung, S. 536, beschreibt Justiznutzung als sozialen Bruch, der geheilt werden muss. Das Einschalten der Justiz wirke zunächst „konfliktverschärfend“ und werde „auch bewußt so gehandhabt“. 187 Da ich keine Chronologien von Schuldverhältnissen erstellen kann, ist eine Aussage in dieser Hinsicht schwierig zu treffen. Die Feststellung, dass SchuldnerInnen in der Regel eher geduldig waren, macht Sturm, Privatkredit, S. 196. 188 Fouquet, Kredit, S. 29 spricht aus der Perspektive der Schuldner von „Kreditverschleppung“. 189 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 39v. Der Fall ist in einer Kundschaft überliefert, gemäß welcher der Schuldner einen vereinbarten Zahlungstermin nicht einhielt. 190 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 239v. 191 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 229v f.

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Mit solchen Aussagen, die der Gerichtsschreiber ins kurze Protokoll integrierte, brachten die Klagenden durchaus eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem gerichtlichen Vorgehen als Ultima Ratio zum Ausdruck. Wir können sie auch als Zeichen der Verpflichtung zur Geduld und Milde lesen. Julie Claustre begründet entsprechend eine solche Verpflichtung mit der Tatsache, dass der Gang vor Gericht Hass und Gewalt beim Schuldner auslösen konnte und zudem das Stereotyp des unnachgiebigen Gläubigers reaktivierte.192 Laurence Fontaine hat auf die weitverbreitete Pflicht zur Großzügigkeit bei Kaufleuten hingewiesen.193 Veronique Beaulande beschreibt eine „Culture du compromis“ mittels Gewährung von Ratenzahlung und langer Geduld bis zur Klage. Die Gläubiger legten in der Regel dar, dass sie mehrfach versucht hätten, die Schuld einzutreiben, und einen „accord amiable“ angestrebt hätten.194 Auch Hans-Jörg Gilomen betont die „beeindruckende Rücksichtnahme auf die Probleme der Schuldner“.195 Das Gewähren von Aufschub ist naheliegenderweise als wichtigste Form des milden Umgangs mit Schuldnern zu verstehen. Wie ich schon oben angeführt habe, war es offenbar üblich, das Überschreiten von Zahlungsterminen zu tolerieren. Hier geht es nicht nur darum, SchuldnerInnen mehr Zeit zu geben, sondern um das aktive Aushandeln von neuen Terminen auf Initiative derselben. Das war offenbar in der vormodernen Wirtschaft weit verbreitet.196 In der Sprache der Basler Zeitgenossen hieß dieses Vorgehen Ziel geben, etwa in der Kundschaft über den Sohn eines Gläubigers, der etwas eigenmächtig „witter zil gebenn“ habe.197 Verhandlungen um Zahlungsaufschub hatten größere Überlieferungschancen, wenn Drittpersonen anwesend oder gar beteiligt waren.198 Ein Schuldner etwa, der Getreidezinsen habe „lassen uff swallen“ bis zu einer beträchtlichen Menge Getreide,199 bat nun einen Zeugen, mit ihm zur Gläubigerin zu gehen. Für den Fall, dass diese „im ein gutte teyding [Vereinbarung200] und zil macht, die er erschwingen mocht“, versprach er dem Zeugen ein Geschenk.201 Ein weiterer Schuldner ersuchte für die Verhandlung um Hilfe. Eine Drittperson sollte ihm „helffen zil machenn, den[n] er hab ietzo dess gelts nit“,202 scheiterte aber beim Versuch. Andere baten auf dem Umweg

192 193 194 195 196

197 198 199 200 201 202

Claustre, Ethnographie, S. 43. Fontaine, Economie, S. 294, auch mit Verweis auf Beispiele aus England. Beaulande, Traitement, S. 185. Gilomen, Frauen, S. 137. Laut Sturm, Privatkredit, S. 196, baten Schuldner häufig um Zahlungsaufschub oder (Teil-)Erlass der Schulden. Holbach, Rolle, S. 155, stellt in Bezug auf die gewerbliche Produktion fest, dass „Prolongation“, also die Verlängerung von Laufzeiten, sehr üblich war, das Gleiche gilt für Ratenzahlungen. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 189r. Siehe die Ausführungen zum Leisten in Kapitel 5.3.1. Vgl. das Kapitel über das Eingehen von Schulden, Kapitel 2.2.4. Es handelte sich um 16 Viernzel Korn (ein Viernzel umfasste 274 Liter, Dubler, Viernzel). Idiotikon, Bd. 12, Sp. 435 f. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 106r. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 55r.

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über Drittpersonen und somit indirekt um Aufschub. Ein Schuldner von außerhalb Basels meinte zu einem Zeugen, er solle den Gläubiger „bitten uffzehalten bis uff fritag nechst vergangen, so welt er im zwey fass wins bringen oder die verkouffen unnd in bezalen“.203 Der Fall zeigt auch, dass SchuldnerInnen in der Situation versuchten, eine klare Perspektive aufzuzeigen, wie der Anspruch befriedigt werden sollte. Dabei strebten sie auch kurze Fristverlängerungen an. Nicht immer waren die Drittpersonen vom Schuldner beauftragt. Der Probst von St. Lienhard habe „sovil mit [einem Gläubiger] geredt, das er den dritten kouff bis Sant Gallen tag nechst komen anston lassen wollte“, ohne jedoch damit auf sein Recht zu verzichten.204 Noch im weit fortgeschrittenen Verfahren (es fehlte nur noch die endgültige Umsetzung der Frönung am dritten Nachfolgetermin, damit der Gläubiger die Liegenschaft verkaufen konnte)205 bestand also die Möglichkeit, weiteren Aufschub zu gewähren. Das Bewusstsein der Zeitgenossen für die Notwendigkeit von Fristverlängerungen zeigt sich auch in den Vereinbarungen, die im Rahmen von Zahlungsversprechen getroffen wurden und die Nichtbezahlung schon vorhersahen. Bei einer Abzahlung von fünf Pfund, die sich über fast zwei Jahre hinziehen sollte, hieß es, wenn der Schuldner bei einem der vierteljährlichen Termine nicht die ganze Rate bezahle, solle er „xiii tage darnach unerwert sin“, d. h. nicht belangt werden können.206 Ein anderes Zahlungsversprechen ermöglichte dem Gläubiger, bei Säumnis neue Fristen festzulegen. So sollte die Schuldnerin „bezalen nach und nach zu zillen nach sinem willen, so durch in vernemppt werden“.207 Wie milde eine solche Vereinbarung war, lässt sich ohne Kenntnis der tatsächlichen Umsetzung nicht feststellen. Ich führe sie vor allem als Beleg dafür an, dass allen Beteiligten klar war, dass eine nicht fristgerechte Bezahlung ein omnipräsentes Risiko darstellte. Das Gewähren von zusätzlichen Zahlungsfristen und Ratenzahlung war – das wird aus den Beispielen der diesbezüglichen Verhandlungen ersichtlich – von der Aussicht abhängig, ob die SchuldnerInnen die Zeit dazu nutzen konnten, entsprechende Geldmittel aufzutreiben. Die Beobachtung, dass „ein recht gnädiger Umgang mit Schuldnern“ vorherrschte, können wir also mit Michael Rothmann dahingehend relativieren, dass die Geduld oftmals – aber auch erst – ihr Ende fand, wenn keine Zahlung mehr zu erwarten war.208 Auf dem Weg dahin konnten Fristverlängerungen nicht zuletzt dazu dienen, die Illusion einer vollständigen Regelung der Schuld für beide Seiten länger aufrechtzuerhalten. Somit erweist sich die Gnade der GläubigerInnen durchaus als ökonomisches Kalkül auf der Basis ihrer Einschätzung der Situation der Schuld-

203 204 205 206 207 208

StABS, Gerichtsarchiv D 16, 206r. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 23r. Siehe Kapitel 4.2.4. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 34r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 40r. Rothmann, Schulden, S. 290.

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nerInnen – sofern sie nicht auf die soziale Beziehung, die parallel zur Schuldbeziehung bestand, zurückzuführen ist. Neben dem Gewähren von Zahlungszielen bestand ein weiterer Ausdruck der Milde von GläubigerInnen darin, die Schuldsumme zu reduzieren. So berichtet eine Zeugin über ihre Frage an die Gläubigerin: „Was ist dir [der Schuldner] schuldig; da sprach sy ii lib [zwei Pfund], wolt ich im aber gran [feindselig, entzürnt]209 sin, so weren es ii gulden und […] ouch huszins“.210 Die Festlegung der Schuldsumme erscheint hier nicht als objektiver Vorgang, sondern war abhängig von der Beziehungsebene. Würde sie dem Schuldner kein Wohlwollen entgegenbringen, könnte die Gläubigerin deutlich mehr fordern. Die Reduktion war allenfalls auch ein Zeichen der Erleichterung über eine gefundene Regelung – und damit über die Möglichkeit, den Gerichtsweg zu verlassen. In einem auf Vermittlung beruhenden Zahlungsversprechen nämlich lässt der Gläubiger festhalten, „dz alle versessen zinse und costen daruff gangen tod und abe sin sollen“.211 Die erlassenen Gerichtskosten212 zeugen davon, dass der Fall schon eine längere Geschichte vor Gericht hatte.213 Motive werden allerdings in beiden Fällen nicht genannt, womit die Erklärungen etwas spekulativ sind. Hinweise aus der Literatur, die Gegenwerte auf anderer Ebene als wichtige Motive für die Milde der Gläubiger erwähnen, verhelfen zu einem vertieften Verständnis. Der „patience charitable“ des Gläubigers stand laut Julie Claustre „‚l’amour‘ de l’endetté“ gegenüber.214 Auch Daniel Smail unterstreicht die „charitable dimension“ der Milde von Gläubigern: „Unrepaid debts do not always reflect the weakness of the legal system.“ Er führt das Beispiel eines Gläubigers an, der sein Geld nicht erhielt, dafür „,many good things‘ in exchange“.215 Als weitere, klassische Motive für die Gnade der Gläubiger zu erwähnen sind Armut und Krankheit. Ein kranker Schuldner bedankte sich laut einer Kundschaft beim geduldigen Gläubiger: „ist aber sache, dz mir Got wieder uff hilfft, so wil ich dich gar bald darumb ussrichten, denn ich bekenn, dz du mir gütlich getan, den[n] du mir so lange gebeitet [gewartet]216 hast“.217 Armut diente außerdem als Argument bei der Bitte um Zahlungsaufschub, wenn etwa der Schuldner auf eine gerichtliche Vorladung mit 209 210 211 212 213

Grimm, Wörterbuch, Bd. 8, Sp. 1753. „gran“ ist eine Variante von „gram“. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 17v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 32v. Siehe zu den Kosten Kapitel 5.2.4. Ein gut drei Monate früher gemachter Eintrag im Gerichtsbuch enthält eine Vertagung des Falls, um dem Schuldner Zeit zu geben, die Schuldsumme und versessene Zinsen zu begleichen (StABS, Gerichtsarchiv A 26, 89v). 214 Claustre, Ethnographie, S. 44. Diese Liebe des Schuldners umfasste auch die Pflicht zur Rückerstattung, was in einer Quelle aus dem frühen 15. Jahrhundert darin gipfelte, dass es als „œuvre de miséricorde“ bezeichnet wurde, wenn Schuldner ihre Schulden abzahlten. 215 Smail, Consumption, S. 147. 216 Idiotikon, Bd. 4, Sp. 1846. 217 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 141r.

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Schulden einfordern

den Worten reagierte, „er konnde yetzemal, nutzit zu den dingen, angesehen sine grose ärmutt so er ytz lidenn were, aber wo [der Gläubiger] bis uff osternn nechstkunfftig stillstan, so welte er in alsdann enntrichten“.218 Neben diesen individuellen Notlagen konnten auch allgemeinere Krisensituationen eine Rolle spielen, so etwa die kriegerischen Auseinandersetzungen um die Jahrhundertmitte. Mit dem Umstand, dass „sy bede von kriegs wegen ein gut zyt hinn in der statt gewesen und gehindert sie, dz er in nit bezalen möchte“, begründete ein Schuldner aus dem Elsass seinen Zahlungsverzug bei einem Kauf von Heu.219 Auch der Verkäufer stammte aus dem Basler Umland und war in die Stadt geflohen. Als weitere Krisensituation wären Teuerungskrisen denkbar, die aber zeitlich mit den Stichproben nicht zusammenfallen und deshalb dort keine Erwähnung fanden.220 Diesen Beispielen steht ein Fall gegenüber, in dem Krankheit nicht zu Milde führte, sondern Auslöser des Einforderns von Schulden wurde. Nach dem Tod seiner Frau wurde ein Schuldner „auch kranck, also ging er der züig [und Gläubiger] zu im und sagt, er sollt in bezalen, het im [der Schuldner] geantwurt, er kondt in nit bezalen“, und bot stattdessen sein Haus zum Kauf an.221 Neben der Tatsache, dass der befürchtete Tod die Sache kompliziert zu machen drohte,222 zeigt sich hier eine gewisse Härte des Gläubigers. Die Härte der Gläubiger beginnt mit dem Ausdruck der Unzufriedenheit über die fehlende Abzahlung, zu spüren in der Frage „wie bringstu so wenig gelts“, die ein Gläubiger stellte. Auf diese reagierte der Schuldner mit den Worten „tund ietzo das best, ich habe nit me; da bitt ich uch umb“.223 Den oben gezeigten Bemühungen um Fristverlängerung und Ratenzahlung stand der Unwille gegenüber, eine solche zu gewähren. Laut einer Kundschaft konnten die Parteien „aber nit eins werden und wer das der span, dz [der Schuldner] der frowen nit me dan zwei pfund geben und dz uberig anstellig lassen und dz welte die frow nit tün, sunder eins mit den andern haben“.224 Schuldner und Zeuge verhandelten in einem anderen Fall mit dem gesandten Knecht des Gläubigers und „begerten inen lenger zile ze geben. Dz welte der knecht nit thon und leistete uff die schuld, und seit, dz der meister im bevolhen hette, nit on dz gelt zekomen“.225 Das 218

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 177r. Diese Antwort ließ der Gerichtsbote ins Urteilsbuch notieren. Armut diente noch in weiteren Fällen als Argument vor Gericht, z. B. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 134v; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 63r f. 219 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 86v. 220 Vgl. zu den Teuerungskrisen Hitz, Fürkauf. Zur Auswirkung von Krisen auf die Menge an verhandelten Schulden siehe Signori, Schuldenwirtschaft, S. 31. 221 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 6v. 222 Siehe Kapitel 4.3.6. 223 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 23r. 224 StABS, Gerichtsarchiv  D  12, 26v. Vgl. auch StABS, Gerichtsarchiv  D  6, 20v: Der Gläubiger will keinen Aufschub gewähren, als ein Schuldner „umb ein zil gebetten hett, das aber diser zuge nit tun wollte“. 225 StABS, Gerichtsarchiv D 12, 13r.

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Beharren auf sofortige Abzahlung wurde schon von den Zeitgenossen als Härte ausgelegt. Weil der Gläubiger „im nü hert gewesen“, seien sie „alwegen der selben schulden halb überzwercks und uneins“ gewesen, meinte ein Schuldner von 1455.226 Als ein anderer Gläubiger der Erwartung, Aufschub zu gewähren, nicht entsprach, reagierte eine Zeugin von Verhandlungen um ein Zahlungsziel mit folgenden Worten: „wie sind ir so ein herter man, gent im zile“.227 Diesem Ausruf war allerdings kein Erfolg beschieden. In der Regel spiegeln sich in den Quellen die Bemühungen von GläubigerInnen, ihr Guthaben zu erlangen. Eine Kundschaft aus dem Jahr 1455 zeigt hingegen das Gegenteil, nämlich einen Schuldner, der seinem Gläubiger, einem Metzgersknecht, nachstellte. Er traf nur den Metzger an, dem er erklärte, dessen Knecht habe seine Güter in Wyhlen228 in Verbot gelegt. Nun „wolt ich, das er hinuff keme uff morn und mir solichs verschüffe entslagen [außer Kraft setzen, aufheben]229, so wolt ich im sin gelt geben“.230 Der Schuldner wollte also die Angelegenheit vor dem Vogt lösen und den Gläubiger dabeihaben. Der Metzger schlug dies aus, weil der Knecht dazu keine Zeit habe, und fragte stattdessen: „Kanstu nit das gelt, so du im schuldig bist, hinder den vogt zu Wilen legen, so entslahet er dir dz din“. Der Schuldner meinte, dies sei nicht möglich, worauf der Metzger am Abend mit seinem Knecht vereinbarte, diese Lösung umzusetzen. Am folgenden Tag, so berichtet der Metzger weiter, kam jemand an seine Fleischbank und vereinbarte, die Lösung so umzusetzen. Weiter lässt sich die Geschichte nicht verfolgen. 3.2.2 Schulden eintreiben Wenn Schulden fällig wurden, war der Gang vor Gericht nicht die erste Option. Wie oben gesehen, konnte es im Gegenteil ziemlich lange dauern, bis das Gericht bemüht wurde. Allerdings können wir im städtischen Raum davon ausgehen, dass die ersten Bestrebungen im direkten Kontakt mündlich erfolgten und in der Regel keine Spuren hinterließen. Wenn jemand immer wieder vorsprach, konnte dies eine Wirkung erzielen, die nicht zu unterschätzen ist, wie der folgende Fall zeigt. Obwohl er nicht glaubte, dass sein verstorbener Vater tatsächlich Schulden hatte, erstattete ein Basler dem vermeintlichen Gläubiger mehrere Gulden. Weil dieser ihn nämlich immer wieder auf die Schuld ansprach, ihm „dick und vil nachgelouffen sie und im gelt geheuschen habe“,231

226 227 228 229 230 231

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 22r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 7v. Heute Teil von Grenzach-Wyhlen (Deutschland), östlich von Basel unmittelbar nördlich des Rheins. Idiotikon, Bd. 9, Sp. 408. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 19r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 111v.

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zahlte er nun doch: „hett er im semlich gelt uff sine wort, und als in sin vil uberlouffen verdrossen hette, bezalt“.232 Erfolglose Versuche des Schuldeneintreibens wurden dann dokumeniert, wenn GläubigerInnen die dabei entstandenen Kosten zusätzlich einforderten. Die folgenden Beispiele stellen deshalb eher Extremfälle dar, erlauben aber doch einen Blick auf das Panorama an möglichen Maßnahmen. Wie mühsam es sein konnte, seine Schulden einzutreiben, zeigt sich vor allem dort, wo räumliche Distanzen das Schuldverhältnis charakterisierten. Lebte der Schuldner außerhalb Basels, schickten viele GläubigerInnen Boten aus, die versuchten, ihn ausfindig und vor allem haftbar zu machen. In den Gerichtsbüchern finden sich Vollmachten an diese Boten, auf die ich weiter unten eingehe. Diese Auswertungen zeigen, dass davon vor allem auswärtige SchuldnerInnen betroffen waren und dass die Vermögensverhältnisse, wo sie bekannt sind, auf ein Auftragsverhältnis schließen lassen. Es ist davon auszugehen, dass die Bevollmächtigten sozioökonomisch schlechter gestellt waren, was mit ziemlicher Sicherheit auch auf die hier vorgestellten Boten zutrifft. Einen ausführlichen und letztlich nur teilweise erfolgreichen Fall stelle ich hier vor. Ein Zeuge wurde von einer Gläubigerin zu einem Amtmann in Tüllingen233 geschickt, mit dem zusammen er den Schuldner aufsuchen sollte, um zwei Pfund und fünf Schilling einzufordern. Als Beleg diente ein „zedel“, auf dem das vor dem Amtmann geleistete Zahlungsversprechen verzeichnet war mit einem Monat Zahlungsfrist. Der Schuldner versprach, innerhalb von acht Tagen nach Basel zu kommen und zu bezahlen. Laut dem Zeugen kam er tatsächlich in die Stadt, konnte sich aber mit der Gläubigerin nicht auf eine Abzahlung einigen – er wollte erst zwei Pfund bezahlen und den Rest später, sie wollte das ganze Geld. Acht Tage später sandte die Gläubigerin den Zeugen erneut aus, diesmal zum Vogt von Weil am Rhein, um dort Pfänder einzufordern, was auch geschah. Der Zeuge durfte Wein mitnehmen und verkaufen. Der Schuldner konnte jedoch gleichzeitig erfolgreich beim Vogt intervenieren und für die verbleibende Schuld einen Aufschub von zwei Tagen erwirken, indem er versprach, die Gläubigerin „um ire schuld und kosten, in den zwein tagen uszerichten“. Als dies nicht geschah, musste der Zeuge ein drittes Mal das Geld einfordern, nahm diesmal sogar „ein karren“ mit, um den Wein heimzuführen. Der Schuldner weigerte sich aber, mehr als zwei Pfund herauszurücken. Mit dieser Auskunft wandte sich der Zeuge an den Vogt, der ihm empfahl, mit den zwei Pfund heimzukehren. Da es für die Rückkehr zu spät war, übernachtete der Zeuge im Dorf, wo ihm der Schuldner die fehlenden fünf Schilling noch hinbrachte und versprach, am nächsten Tag mitzureisen und die entstandenen Kosten zu begleichen. Dieses Versprechen brach der Schuldner erneut, worauf die Gläubigerin den Zeugen ein viertes Mal schickte, um noch die Kosten ein-

232 233

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 111v. Heute ein Ortsteil von Lörrach unmittelbar nördlich von Riehen.

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zutreiben, was an einer fehlenden Vollmacht scheiterte. Trotz all dieser Reisen gelang es also nicht, eine vollständige Entschädigung zu erlangen.234 Die Kosten der vier Reisen führte der Zeuge am Schluss auf. Sie beliefen sich trotz der geringen Distanz von weniger als zehn Kilometern pro Weg auf total 1,6 Pfund – also auf deutlich mehr als die Hälfte der Schuldsumme. Ein anderer Gläubiger schickte offenbar gleich zwei Boten (mit etwas zeitlichem Abstand) nach Ensisheim. Mithilfe von Mahnbriefen sollten sie dort vier Gulden versessenen Zins einfordern. Der Brief ermächtigte die Boten außerdem dazu, in Leistung zu gehen,235 was diese jeweils androhten – ob sie es umsetzten, lässt sich nicht feststellen. Der erste Bote verhandelte übrigens noch ein weiteres Mal in Ensisheim, wobei der Schuldner meinte, er habe vom Sohn des Gläubigers Aufschub erlangen können.236 Wieder ein anderer Bote versuchte, ausgestattet mit einem „gwaltsbrief “, also einer Vollmacht, in Kems sechs Pfund einzutreiben. Weil der Schuldner meinte, „er het ietzo nicht gelt“, versuchte der Bote, vor Ort ein „gast gericht ze halten“, was aber an der Weigerung des zuständigen Beamten scheiterte. Beim nächsten Botengang traf er nur die Frau an, die versprach, in den nächsten Tagen werde jemand nach Basel kommen und bezahlen. Eine weitere Kundschaft erwähnt schließlich einen möglichen Grund fürs Nichtbezahlen: Aufgrund eines komplizierten Handels sollte gar nicht der ursprüngliche Schuldner zahlen, sondern eine andere Person, die sämtliche Verpflichtungen aus dem betreffenden Geschäft237 übernahm.238 An diesen Beispielen wird auch ersichtlich, dass in Basel ansässige Gläubigerinnen und Gläubiger versuchten, auswärtige Gerichte für ihre Zwecke einzusetzen (dazu weiter unten mehr)239. Die GläubigerInnen der hier dargelegten Fälle scheiterten. Schließlich war das Scheitern die Voraussetzung für die Überlieferung, denn erst jetzt klagten die Betroffenen in Basel. Der Basler Junker Peter Schönkind war in der gleichen Situation, als er versuchte, in Rottweil einen Straßburger zu belangen, dem er in einer Notsituation zu Hilfe gekommen war.240 Nach dessen Tod versuchte Schönkind den Vater haftbar zu machen, was ihm aber weder in Rottweil noch in Straßburg gelang. Der Vater konnte glaubhaft darlegen, dass er das Erbe des Sohns nicht angetreten hatte. Schönkind versuchte nun, von einem Mitschuldner Geld zu erhalten.241

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StABS, Gerichtsarchiv D 12, 26v f. Siehe Kapitel 5.3.1. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 189r f. Es handelte sich um einen Holzhandel. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 19v ff. Siehe Kapitel 3.2.3. Dieser war aus Frankreich „ze fyss fast bloss an hab unnd gelt“ zurückgekehrt und erhielt laut Schönkind Pferde und eine Bürgschaft für Kleidung im Wert von insgesamt 30 Gulden, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 12v. 241 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 12v f.

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Mitunter konnte das Einfordern von Schulden zum handfesten Streit ausarten. Ein Zeuge berichtete, wie sein Meister einen vermeintlichen Schuldner von Inzlingen zur Rede stellte und ihn aufforderte, vor Zeugen abzurechnen. Die Frau des Meisters kam hinzu und fragte den Inzlinger, „wie man denn darhinder kom, daz man im allwegen hinuss nach muste“, also weshalb man ihm ständig nachreisen müsse. Der Beschuldigte beharrte darauf, nichts zu schulden, worauf der Meister zornig wurde. Er warf ihm vor, er sage „die unwarheitt oder lug, unnd er must im hie zu recht sten; welt in ouch hie behalten unnd wolt zem huss hinuss, denselben zu recht zebeheben“. Der Inzlinger hatte seinen Degen schon gezückt, da kamen Passanten und wollten ihn festhalten. Im Durcheinander entkam der vermeintliche Schuldner und wurde vom Gläubiger verfolgt. Der Zeuge konnte dann aber nicht berichten, wie der Konflikt auf der Rheinbrücke weiter verlief.242 Dass Schulden geleugnet wurden, kam durchaus vor. Dieser Umstand zeigt, wie wichtig es war, über die Existenz von Schulden Beweis zu führen. HistorikerInnen haben meist keine Möglichkeit, über die tatsächlichen Schuldverhältnisse zu urteilen, wenn belangte Personen die Schulden strikt von sich wiesen. So beteuert Peter von Busch, „er were doch Hannsen von der Nuwenstatt nützit schuldig“, denn dieser habe ihm gar nichts verkauft.243 Auch ein anderer Schuldner wehrte sich mit den Worten, „er wisste im nit schuldig zesin“, im Gegenteil: „er wer im ii gulden schuldig“, also genau das gegenteilige Schuldverhältnis sei der Fall.244 Solche Konflikte konnten auch zu blutigen Auseinandersetzungen führen. Diese zeigen die Kundschaften über einen Streit wegen Schulden einer Person gegenüber der Frau des anderen am Streit Beteiligten.245 Die Konflikte um Schulden konnten bei längerfristigen Geschäftsbeziehungen auch daher stammen, dass schlichtweg nicht klar war, wie die finanziellen Verhältnisse wirklich aussahen. Zwei Geschäftspartner etwa seien laut einem anwesenden Zeugen „in einer rechnung ettwas stossig gewesen, also daz yettwederer teil gemeint, daz ein dem andern schüldig sin solt“.246 In einem anderen Fall wurden sich zwei nicht einig, ob der Schuldner seine Schulden mit diversen Arbeiten abgegolten hatte, wie er meinte. Die andere Partei widersprach mit den Worten, „sollichs wer alles gerechnet und noch sollicher rechnung wer er ime die obg ix gl [neun Gulden] schuld bliben“, wie

242 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 27r. 243 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 159r. 244 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 106v. Siehe auch eine Kundschaft über eine Schuld von weniger als zwei Pfund: Die vermeintliche Schuldnerin sagte gemäß der Zeugin, „sy were Anndressen kein pfennig schuldig“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 189v. 245 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 31r–32v. Die Schuld an sich wird nicht beschrieben und war wohl auch nur ein Anlass dieser Auseinandersetzung, bei welcher der ungeständige Schuldner den anderen verletzte. 246 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 133v. Der Fall ist schon erwähnt in Kapitel 3.1.2, im Kontext der Abzahlung von Schulden durch Arbeitsleistungen.

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auch ein Schreiben festhalte, welches er aber „nit finden köndte noch haben möcht“.247 Craig Muldrew hat diese häufigen Konflikte über Kredithöhe auf das geringe Maß an Verschriftlichung von alltäglichen Transaktionen zurückgeführt.248 Im hier vorgestellten Fall lag es nun nicht daran, dass nie ein Schriftstück existiert hätte, sondern daran, dass es angeblich verloren gegangen war. Neben fehlender Schriftlichkeit sind solche Konflikte auch darauf zurückzuführen, dass die Buchhaltung in der Vormoderne vielerorts noch nicht sehr ausgereift war und es relativ schwierig war, den Überblick zu behalten.249 In diesem Kontext ist wahrscheinlich auch die Beobachtung von Beate Sturm zu den Schuldprozessen in Hannover zu sehen. Sie hat festgestellt, dass Beklagte vor Gericht oft eine Gegenrechnung, also eine Schuld des Gläubigers an sie, geltend machten.250 Abgesehen vom oben erwähnten Fall lässt sich das in Basel allerdings nicht regelmäßig nachweisen. Schließlich stellte sich den GläubigerInnen oft die Frage, bei wem sie die Schuld einfordern sollten. Viele Schuldverhältnisse betrafen mehrere Parteien, und entsprechend gab es Versuche, verschiedene Personen zu belangen. In einer Kundschaft erzählen ein Schuldner und seine Frau, wie mehrere Gläubiger (einer einzelnen Schuldsumme) versuchten, den Cousin des Mannes haftbar zu machen. Anlässlich einer Teilabzahlung über vierzig Gulden merkte der Schuldner, dass ein Gläubiger „dar uff drungen, daz er […] sin vettern hinder die schuld bringen tatt“.251 Wie seine Frau versuchte auch er nun, genau dies zu verhindern, indem er jegliche Beteiligung des Cousins, insbesondere eine mögliche Bürgschaft an der Schuld, bestritt. Waren außergerichtliche Wege der Schuldeinbringung gescheitert und fiel der Entschluss, jemanden vor Gericht zu ziehen, war eine Vorladung notwendig, ein sogenanntes fürgebott, welches entweder mündlich direkt ausgerichtet wurde oder durch dreimaligen Gang ins Haus des Beklagten als zugestellt galt.252 Beim Vergicht und bei den Frönungen und Verboten ist keine Vorladung ersichtlich, und auch bei den Urteilen lässt sich meist nicht erkennen, wie jemand vor Gericht gebracht wurde. Hin und wieder wurden aber die Ladungen im Urteilsbuch notiert, entweder als Entscheid, eine solche durchzuführen, oder dann als Bericht des zuständigen Amtmanns über den Erfolg der Zustellung. In diesem Fall lassen sich auch mündlich erfolgte Ladungen nachweisen, wenn der Amtmann berichtete, „dz er verkundt habe mund an munde“.253 Es ist wenig darüber in Erfahrung zu bringen, wie die Leute auf eine solche Vorladung reagierten. In der Regel dürfte sie allerdings keine Überraschung gewesen sein. Trotzdem konnte man noch in dieser Situation versuchen, dem Verfahren zu entgehen. 247 248 249 250 251 252 253

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 41v f. Muldrew, Economy, S. 199. Muldrew, Economy, S. 65; Le Goff, Geld, S. 163; Sturm, Privatkredit, S. 282. Sturm, Privatkredit, S. 224. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 1r. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 79. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 124v.

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Ein Amtmann berichtete über die Reaktion eines Wirts nach Zustellung der gerichtlichen Ladung: Dieser meinte, „er versech sich nit, daz er komen kund angesechen sin kranckheit“.254 Die Vorladungen des Urteilsbuchs, in den Quellen auch Verkündungen genannt, betrafen in der Regel Prozesse mit Beteiligung von Auswärtigen. Die Nachrichten gingen mit großer Mehrheit an Personen außerhalb Basels,255 mehrheitlich von Personen in Basel angeregt, aber es gab auch einige Auswärtige, die an ebenfalls auswärtige Personen verkünden ließen.256 Die Nichtbasler Empfänger waren im Durchschnitt 23 Kilometer entfernt (und im Median rund 14 Kilometer), mehr als die Hälfte stammte aus Orten, die zwischen zehn und zwanzig Kilometern außerhalb Basels liegen. Es waren ausschließlich Männer, die Verkündungen erhielten, hingegen war rund ein Achtel der Personen, die verkünden ließen, weiblich. Bezüglich der Vermögenslage lassen sich nur die Klagenden untersuchen – die anderen stammten ja in der Regel nicht aus Basel. Die Verteilung auf die drei Vermögenskategorien gleicht der Verteilung der GerichtsnutzerInnen, mit leicht größerem Anteil von ganz reichen Personen, während die ärmste Kategorie schwächer vertreten war. Die Gruppe ist zu klein für detailliertere Beobachtungen, es fällt aber auf, dass auf beiden Seiten die Aristokratie257 relativ stark vertreten war. Vollmachten Wer wie in den eingangs erwähnten Beispielen jemanden damit beauftragte, seine Schulden einzutreiben, konnte die entsprechende Vollmacht ins Gerichtsbuch eintragen lassen: Item da gab Her Hanns Kempff, Thurmher zu Sant Peter, sinen vollen gewalt Petern Wigach, burger ze Basel, zeervordern die schulde mit namen lx gulden, so im Rudi Husi von Lutzern schuldig ist258

Neben dieser sehr präzisen Angabe kam es auch vor, dass der Bevollmächtigte sämtliche Guthaben einer Person bei allen SchuldnerInnen eintreiben sollte. Wie oben erwähnt, diente ein Gewaltbrief als Beleg für die ausgestellte Vollmacht.259

254 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 196v. 255 50 von 65 Fällen bei sechs nicht lokalisierbaren Personen. 256 In beiden Gruppen (d. h. Klagende aus Basel und solche von außerhalb) verteilen sich die Verkündungen ähnlich auf Basler und Nichtbasler Empfänger. 257 Siehe zur Charakterisierung dieser Gruppe Kapitel 6.3.3 258 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 11v. 259 Hinweise auf diese Schreiben: StABS, Gerichtsarchiv D 16, 30v; StABS, Gerichtsarchiv O 4, 36r; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 19v.

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Die Vollmachten finden sich in der ersten Stichprobe mehrheitlich im Vergichtbuch, in der zweiten hingegen ausschließlich im Urteilsbuch.260 Da die Anzahl Fälle mit zwölf bzw. 31 Vollmachtsbeziehungen261 nicht sehr groß ist, werden diese im Kapitel zu den Prozessformen nicht gesondert untersucht. Die Schuldbeziehungen an sich flossen aber in die Untersuchungen zum gesamten Schuldennetzwerk ein. Hier folgt nun ein kurzer Überblick über diese Beziehungen.262 Frauen waren bei Vollmachten selten beteiligt: 1455 kam in jeder Rolle (Gläubigerin, Schuldnerin und Bevollmächtigte) je eine Frau vor, 1497 waren es eine Schuldnerin und drei Gläubigerinnen. Diese drei bzw. vier Frauen machten 8,8 Prozent respektive 5,4 Prozent aller beteiligten Personen aus. Die Herkunft betreffend zeigen beide Stichproben sehr ähnliche Muster. Die häufigste Kombination war diejenige einer auswärtigen SchuldnerIn und einer bevollmächtigten Person aus Basel. Unter den GläubigerInnen befanden sich auch einige Auswärtige (in der späteren Stichprobe etwas häufiger als in der früheren), die dann, soweit bekannt, BaslerInnen als Bevollmächtigte wählten. Auch Basler Gläubiger setzten oft Basler als Bevollmächtigte ein (das war die häufigste Kombination von Gläubiger und Bevollmächtigtem), es kamen aber auch Auswärtige mit Vollmacht vor. In diesen Fällen waren auch die SchuldnerInnen fast ausschließlich nicht aus Basel. Kurz gesagt: Vollmachten wurden vor allem eingesetzt, wenn die SchuldnerInnen nicht aus Basel stammten. Basler GläubigerInnen setzten dabei mehrheitlich auf Personen aus Basel, aber auch auf Auswärtige, während auswärtige GläubigerInnen fast nur BaslerInnen mit einer Vollmacht ausstatteten (womit mindestens eine Person immer aus Basel stammte). Der Anteil von nicht lokalisierbaren Personen ist bei den Bevollmächtigten eher hoch, bei den SchuldnerInnen aber gering. Hier achteten die Schreiber wohl auf eine klare Beschreibung, weil die Personen oft nicht aus Basel stammten. Da die meisten SchuldnerInnen keine BaslerInnen waren und damit auch nicht auf der Steuerliste zu finden sind, lohnt sich hinsichtlich des Vermögens lediglich ein Blick auf die Beziehung zwischen GläubigerInnen und Bevollmächtigten. Erstere stammten, übers Ganze gesehen, etwas häufiger aus den obersten Vermögenskategorien. Nur die Reichsten konnten allerdings Vollmachten an Personen aus der obersten Kategorie erteilen. Die anderen (auch NichtbaslerInnen) hatten meist Bevollmächtigte aus ärme-

260 Urteilsbuch 1455 (StABS, Gerichtsarchiv A 26): 92v, 98r, 104v, 142v. Vergichtbuch 1455 (StABS, Gerichtsarchiv C 6): 11r, 11v, 19r, 21v, 30r, 31r, 38r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 13v. Urteilsbuch 1497 (StABS, Gerichtsarchiv A 41): 178r, 172v, 263v, 179r, 179r, 187r, 188r, 189v, 190v, 191r, 192r, 200r, 203r, 203r, 215v, 219v, 226v, 226v, 227v, 232v, 252r, 261r, 275r, 277v, 278r. 261 Gezählt sind hier die Ketten GläubigerIn – BevöllmächtigteR – SchuldnerIn. Wenn eine Person mehrere Personen mit Vollmacht ausstattete oder mehrere SchuldnerInnen nannte oder aber mehrere Personen eine Vollmacht erteilten, so entstanden entsprechend mehrere solcher Ketten. Die meisten Fälle schufen allerdings nur eine Kette. 262 Aufgrund der kleinen Fallzahlen wird auf eine statistische Überprüfung der genannten Tendenzen verzichtet, da signifikante Resultate nicht zu erwarten sind.

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ren Vermögensschichten. Insgesamt finden sich deshalb die bekannten Bevollmächtigten häufiger in den tieferen Steuerkategorien als die GläubigerInnen. Das deutet auf ein Auftrags- oder gar Abhängigkeitsverhältnis hin.263 Bezüglich der Schuldsummen schließlich lassen sich kaum Details beobachten, denn in vielen Fällen wurden sie nicht genannt. Die erwähnten Summen waren in der Tendenz etwas höher als in der restlichen Stichprobe, ohne jedoch die ganz hohen Summen einzuschließen.264 3.2.3 Die Konkurrenz der Gerichte Bis hier war ganz allgemein vom „Gang vor Gericht“ als Handlungsoption die Rede, was die Frage, welches Gericht damit gemeint ist, ausklammert. Die spätmittelalterlichen Städte zeichneten sich durch eine große Zahl von konkurrierenden Gerichtsinstanzen mit unterschiedlichen Kompetenzen aus.265 Dabei ist die Regelung der Gerichtskompetenzen nicht mit heutigen Begriffen zu fassen. Franz-Josef Arlinghaus spricht von einer „nichtfunktionale[n] Ausdifferenzierung“ der Gerichte.266 Hans Schlosser, der zum Zivilprozess im spätmittelalterlichen Bayern geforscht hat, kam zur Erkenntnis, dass „Begriffe wie ‚örtliche‘ oder ‚sachliche‘ Zuständigkeit unbekannt“ gewesen seien.267 An die Stelle einer klaren Kompetenzregelung im heutigen Sinn trat laut Arlinghaus die Zugehörigkeit zur Schwurgemeinschaft eines Gerichtes. Er betont entsprechend, dass „Mitgliedschaft (in der Gemeinde, in der Zunft, vor allem in dem Personenverband Stadt als Ganzes) die dominante Form der Differenzierung war“.268 Wohnten beide Parteien in der gleichen Stadt, war zu erwarten, dass mehrere Gerichte die Bedingung der Zugehörigkeit erfüllten. War eine Partei nicht in Basel ansässig, kamen noch mehr potenzielle Gerichtsinstanzen hinzu. Die große Zahl von Gerichten und die Überschneidungen von Kompetenzen führten dazu, dass – wie Hervé Piant in Bezug auf französische Gerichte der Frühen Neuzeit festgestellt hat – sowohl Gerichte die Zuständigkeit anderer Gerichte bestreiten als

263 Vgl. dazu die weiter oben erwähnten Boten, die ausgeschickt wurden, um Schulden einzutreiben. 264 1455 streuten die Summen (mit einer Ausnahme nach unten) zwischen 5,75 und 39 Pfund, 1497 zwischen weniger als einem und 27 Pfund. 265 Arlinghaus, Genossenschaft, S. 160, zeigt dies am Beispiel Kölns auf: „In der Summe – die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – wird man mit weit mehr als 50 Gerichten oder gerichtsförmigen Einrichtungen unterschiedlichster Art und selbstredend auch unterschiedlichster Bedeutung innerhalb Kölns rechnen müssen.“ 266 Arlinghaus, Genossenschaft, S. 181. 267 Schlosser, Zivilprozess, S. 63. Wo eine Zuständigkeit festgehalten war, lasse sich heute oft nicht sagen, ob diese im Sinne einer allgemeinen Regelung oder einer Ausnahme festgehalten wurde, was die Gefahr von Fehlinterpretationen mit sich bringe. 268 Arlinghaus, Genossenschaft, S. 164.

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auch die Gerichtsnutzenden Wege finden konnten, Gerichte zu wählen.269 Er erwähnt explizite Beispiele von Letzterem, die durchaus gegen die üblichen Kompetenzregelungen verstießen.270 Wir können also mit Martin Dinges durchaus davon ausgehen, dass die Gerichtsnutzenden eine aktive Rolle spielten bei der Entscheidung, welches Gericht einen Fall beurteilte: Der Teil der Bevölkerung, der überhaupt die Justiz nutzt, setzt recht eigenwillig seine Interessen unter Ausnutzung möglichst aller Institutionen und Verfahrensmittel durch und nutzt dabei gezielt die Konkurrenz unter verschiedenen Gerichten und verwandten Institutionen aus.271

Die Wahlmöglichkeiten spiegeln sich nicht zuletzt in den häufig nachweisbaren Versprechen, bestimmte Gerichte nicht anzugehen oder sich an ein festgelegtes Gericht zu wenden. In den Akten des Großbasler Schultheißengerichts lassen sich naheliegenderweise vor allem Versprechen fassen, Fälle vor ebendieses Gericht zu bringen, wie etwa im folgenden Beispiel. „Hanns Heintz von Habkussen hatt einen eyd gesworen, Heinrichs von Monstral lib noch gutt usserthalb der statt Basel nit zebekumberen, sonndern recht hier zü Basel von im nehmen.“272 Ähnlich lautete das Versprechen, einen Fall „hie vor dem stattgericht mit recht usszetragen unnd keinen annder ennden“.273 Dass in beiden hier erwähnten Fällen auswärtige Personen das Versprechen abgaben, erstaunt nicht weiter, denn gerade bei NichtbaslerInnen stellt sich die Frage der Zuständigkeit des Gerichts, insbesondere wenn sie aus anderen Herrschaften stammten. Dabei konnte es sich um auswärtige SchuldnerInnen handeln, wie die vielen Zahlungsversprechen, in denen diese versprachen, sich in Basel vors Gericht zu stellen, zeigen.274 Es gab aber auch Fälle von Nichtbasler GläubigerInnen, welche ein Zugeständnis eingingen, Basler SchuldnerInnen nur in Basel zu belangen.275 Ähnliche Vereinbarungen klingen in vertraglichen Regelungen und Testamenten an, wenn in einer Ausschlussklausel die Zuständigkeit anderer geistlicher und weltlicher Gerichts269 Piant, Justice, S. 32: „La fragmentation des ressorts et les exceptions multiples aux principes de répartition des compétences, fournissent, aux magistrats, les arguments pour contester la juridiction de leurs voisins sur des personnes, des matières ou des lieux, et aux justiciables les moyens de choisir leur juge.“ Vgl. zum spätmittelalterlichen Brabant auch Van Dijck, Conflict, S. 71: „The judicial market was probably not entirely free, but these examples suggest that citizens had some agency when they had to deal with conflicts.“ 270 Piant, Justice, S. 37: „on voit bien, dans ce cas, que ce sont les deux plaideurs qui ont choisi leur juge, contre les règles ordinaires d’attribution.“ 271 Dinges, Justiznutzung, S. 542. 272 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 29r. 273 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 38v. Beteiligt war dabei auch eine kirchliche Institution, was vielleicht den Hinweis erklären mag: Man schloss damit die geistliche Gerichtsbarkeit aus. Vgl. auch das Versprechen, sich „nienan anderswa“ hinzuwenden an ein Gericht, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 85v. 274 Siehe Kapitel 2.3.1. 275 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 8r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 30v; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 38v; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 40v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 216v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 230.

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barkeit verneint wurde.276 Übrigens konnten Ausschlussklauseln durchaus mehrere Gerichte erwähnen. So versprach ein Gläubiger, „habe er utzit an in zesprechen, das solle er mit recht ze Basel oder zu Liestal oder am geistlichen gericht ze Basel tün und an keinen frömbden enden bekumbern noch furnemen“.277 In diesem Kapitel kann ich weder sämtliche Optionen der Gerichtsnutzenden aufzeigen noch den Gang an andere Gerichtsinstanzen als das Schultheißengericht in Zahlen fassen, sondern nur die in den Akten des Gerichts selbst erwähnten Alternativen anführen. Deshalb beschränkt sich die Darstellung hier auf Beispiele, bei denen andere Gerichte ihre Rolle in der Regel schon vor dem Schultheißengericht gespielt haben – mit Ausnahme jener wenigen Fälle, in denen ein anderes Gericht erst in Erwägung gezogen bzw. angedroht wurde. Die unterschiedlichen Arten von Gerichtsinstanzen werden in absteigender Häufigkeit der Nennung angeführt und kurz erläutert.278 Bei der Erwähnung von auswärtigen, unter anderer Herrschaft stehenden Gerichten ging es oftmals darum, an anderen Orten gefällte Entscheide umzusetzen. Dabei handelte es sich meist um kleinere, dörfliche Gerichte im näheren Umland von Basel (siehe Abbildung 3.1 im Tafelteil). In anderen Fällen wurden Klagende an andere Gerichte verwiesen. Das war insbesondere bei den drei Orten der Fall, die in der Eidgenossenschaft lagen, nämlich Baden, Olten und Zürich.279 Wie zu erwarten war, befand sich unter den beteiligten Personen fast immer eine Person, die mit großer Sicherheit nicht aus Basel stammte, und nur ein einziges Mal waren beide sicher aus Basel. Es handelt sich um den flüchtigen Anton Waltenhein, dessen Gut Franz Gallician in Neuenburg am Rhein in Verbot hatte legen lassen.280 Trotz dieser Ausnahme spiegeln die Fälle aber das geografische Muster der Schuldverhältnisse im Umland der Stadt deutlich wider: Die GläubigerInnen stammten aus der Stadt, die SchuldnerInnen vom Land. Es ist aus den Quellen nicht ersichtlich, weshalb welche Instanz zuerst angegangen wurde. Aber es scheint doch eher so, dass gerade bei den Dorfgerichten in Nähe von Basel das Schultheißengericht eine Art Durchsetzungs- oder Appellationsinstanz war. Der kleinere Ausschnitt der Karte (siehe Abbildung 3.2 im Tafelteil) zeigt, dass die umliegenden Herrschaften (außer der Eidgenossenschaft, wie erwähnt, und dem Fürstbistum Basel, das auch sonst kaum eine Rolle spielte) regelmäßig erwähnt wurden. Dass auch Hachberg-Sausenberg (auf der Karte grau hinterlegt) vorkommt, ist angesichts eines Konflikts mit dem Markgrafen er276 StABS, Gerichtsarchiv O 4, 36r und 80v (Verkauf von Gütern von Michael Wensler wegen Schulden); StABS, Gerichtsarchiv O 4, fol. 54v (Testament einer Klosterfrau). 277 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 88r. 278 Es handelt sich um insgesamt 62 Einträge aus den beiden Stichproben, wovon 24 auswärtige Gerichte, 15 den Basler Rat, 14 geistliche Gerichtsinstanzen und sechs Zünfte erwähnen. Die übrigen Erwähnungen betrafen nur einige wenige Fälle. 279 StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 74v (Baden und Zürich wurden hier als Alternativen angeboten); StABS, Gerichtsarchiv A 26, 126r. 280 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 271v.

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staunlich. Dieser versuchte nämlich um 1490, die Schuldklagen von anderen Instanzen regeln zu lassen. Der 1490 gefällte Entscheid, dass ein eigener Richter in Basel diese Fälle behandeln sollte, entfaltete offenbar seine Wirkung nicht.281 Vor diesem Hintergrund lassen sich die Klagen von Habsburger Seite verstehen, dass ihre Untertanen vor Basler Gerichte gebracht würden.282 In einem anderen Verhältnis zum Schultheißengericht als die auswärtigen Gerichte stand der Basler Rat.283 Dieser fand vor allem Erwähnung, wenn das Schultheißengericht sich nicht als zuständig betrachtete und die Parteien an den Rat284 oder an Ratsausschüsse verwies (z. B. die alten Zehner285 oder die Fünfer286). In einem Fall wirkt die Möglichkeit, vor den Rat zu gehen, wie eine Appellation,287 in einem anderen wollte der Kläger genau erreichen, dass er vor den Rat gelangen durfte,288 während sonst die Initiative ja vom Schultheißengericht ausging. Die restlichen Hinweise auf den Rat bilden Urteile, die auf Ratsentscheide Bezug nahmen und diese (ganz oder in Teilaspekten) bestätigten. Das Schultheißengericht war, wenn nicht von seiner Entstehung, so doch von seiner Besetzung her quasi ein Ratsausschuss, weshalb diese Handhabung der Kompetenzen folgerichtig erscheint. Auch die Hinweise auf geistliche Gerichtsbarkeit folgen ähnlichen Mustern wie diejenigen auf Zunft- und Ratsinstanzen. So wurden Streitparteien an geistliche Instanzen verwiesen, zum Teil auf Wunsch einer Partei,289 zum Teil, weil der Fall schon vor geistlichen Gerichten verhandelt worden war.290 Letzteres kam offenbar relativ häufig vor, und das Gericht stützte die Kompetenz der geistlichen Instanz. So gab es

281 282 283 284 285

286

287 288 289 290

Rippmann, Bauern, S. 157–160. Dieser Befund bestätigt sich auch bei der Betrachtung aller Schuldbeziehungen von 1497. Die Bekräftigung der Vereinbarung von 1503 erklärt sich vielleicht aus dieser Nichtbeachtung. Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 295. Die Aussagen bezogen sich allgemein auf Basler Gerichte, auch geistliche Instanzen. Zur Gerichtstätigkeit des Rates siehe Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 313. Laut Wackernagel sah sich das Schultheißengericht als „Aussonderung“ des Rates. Konkret ausformuliert zum Beispiel mit der Aufforderung an beide Parteien, „das sy sollent beder site unser herren die rete zem nehsten rote, umb ir erber ratzbett bitten“, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 78r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 107v. Bei den Zehnern handelte es sich allerdings um die Ratsherren, die im Schultheißengericht als Urteilssprecher fungierten (vgl. Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 317), es ist hier etwas unklar, ob der Rat im weiteren Sinn, der in der Quelle auch erwähnt ist, entscheiden sollte oder ob diese Personen eher als Zeugen früherer Urteile dienten. StABS, Gerichtsarchiv  A  41, 220v; StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 36v. Die Fünfer waren ein Ratsausschuss, welcher als Gericht für Bau- und Privatstreitigkeiten diente. Urteile sind aber erst ab dem 16. Jahrhundert überliefert. Siehe Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 329 f.; Füglister, Handwerksregiment, S. 246 f. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 189r. Es geht um eine Erbsache und damit verbundene Schulden. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 228v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 122v, es handelt sich um einen Geistlichen. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 123r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 264r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 196r.

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auch den Fall, dass die genaue Umsetzung eines vom Offizialat gefällten Urteils vor dem Schultheißengericht verhandelt wurde.291 Einem Geistlichen sprach es die Möglichkeit zu, „sinen gegenrechten“ in einer Schuldangelegenheit (er war zur Bezahlung verurteilt worden) vor einem geistlichen Gericht nachzukommen.292 Die Abgrenzung von Kompetenzen konnte auch dahin gehen, dass die verschiedenen Gerichte verschiedene Teilaspekte des Falles klärten.293 Insgesamt zeichnen diese Beispiele das Bild eines ziemlich gleichwertigen Hin und Her zwischen geistlichen und weltlichen Instanzen.294 Erwähnt wurden neben dem Offizial295 auch das Chorgericht,296 oftmals ist aber unspezifisch vom geistlichen Gericht die Rede, was wohl auf das Offizialat verweist.297 Die Streitgegenstände sind nicht in allen Fällen klar, aber es zeigt sich, dass durchaus häufig über Schuldsachen verhandelt wurde und die Kompetenz des geistlichen Gerichts, auch wenn keine geistlichen Personen beteiligt waren, nicht infrage gestellt wurde. Geistliche Gerichtsinstanzen sind somit durchaus als Konkurrenz zum Schultheißengericht zu verstehen, wenn über Schulden verhandelt wurde.298 Exkommunikation und Bann als Sanktionsmaßnahmen dieser Gerichte galten als wirksam, was zu deren Beliebtheit beitrug.299 Zudem war der Zugang zum Gericht nicht auf Kleriker beschränkt.300 Aufgrund der schlechten Überlieferungslage ist kaum etwas über das Ausmaß zu erfahren, in dem geistliche Gerichte genutzt wurden.301 Vielleicht kam das aber gar nicht so häufig vor, denn die geistliche Gerichtsbarkeit war offenbar teurer. Eine Klage wegen Schulden eines Verstorbenen habe eine Gruppe von Personen „mit geistlichem rechts furgenommen und har für dz chorgericht geladen“, doch da-

291 292 293 294 295 296 297 298

299 300 301

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 284r. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 226r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 122v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 88r. Vgl. dazu auch einen Liegenschaftsverkauf von 1455 im Fertigungsbuch, bei welchem der Käufer als Notar am geistlichen Gericht bezeichnet wird, StABS, Gerichtsarchiv B 7, 52. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 122v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 196r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 284r. StABS, Gerichtsarchiv D 11, fol. 47v. Details zu den verschiedenen geistlichen Gerichten in Basel bei Albert, Mann, S. 57–74. Auch der Bischof konnte übrigens Recht sprechen, das spielt aber in den von mir untersuchten Quellen keine Rolle. Vgl. zur geistlichen Gerichtsbarkeit in Basel allgemein Albert, Mann. Zur Konkurrenz der geistlichen Gerichte zum Schultheißengericht Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 11 sowie 59–61; SieberLehmann, Basel, S. 57. Offenbar spielte diese Konkurrenz eher eine Rolle auf einer politischen Ebene zwischen Rat und Bischof von Basel als in der alltäglichen Gerichtspraxis, die, wie oben erwähnt, eher flexibel gehandhabt wurde. Albert, Mann, S. 19. Vgl. eine Kundschaft von 1494, in welcher der Schuldner berichtet, wie die Gläubigerin ihn „nun inn den bann getan, das er ein iar on das sacramennt gewest“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 106r. Vgl. Albert, Mann, S. 269. Albert, Mann, S. 130. Einzig vom Offizialat (als nur einer von mehreren Gerichtsinstanzen) sind einige Register der ausgestellten Urkunden erhalten. So waren in den 1470er-Jahren von jährlich rund 40 Urkunden 17 Prozent Konfessate, das heißt Schuldgeständnisse (Albert, Mann, S. 37 und 39).

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nach „haben sy den kosten geforcht“.302 Tatsächlich waren freiwillige Schuldbekenntnisse, die vor dem Schultheißengericht kostenfrei waren, hier nicht ganz billig.303 Es ist bekannt, dass der Basler Kaufmann Ulrich Meltinger das Offizialat einsetzte, um Schulden einzutreiben.304 Allerdings gibt es Hinweise, dass das Offizialat im Verlauf des 15. Jahrhunderts an Bedeutung verlor.305 Die Möglichkeit, Konflikte auch bei Schuldangelegenheiten vor der Zunftsgerichtsbarkeit auszutragen, findet in einigen wenigen Quellen Erwähnung. Ähnlich wie beim Basler Rat überwiegen zwei Wege, nämlich einerseits das Weiterführen von Verfahren, die vor der Zunft eingeleitet worden waren und meist bekräftigt wurden.306 Andererseits verwies das Gericht die Beteiligten an die Zunftgerichtsbarkeit beziehungsweise an die entsprechenden Meister. Das konnte zum Beispiel im Vergichtbuch folgendermaßen notiert sein: Item da versprach Anna, Hans Metzigers von Haltingen frow, daz sy mit meister Cristen Eschenbrenner fur die scherer meister gan und sy betten wollte, sy von einander zuentscheiden und, waz die zwüschent inen sprachent, dem nach zegonde.307

Dem Versprechen, sich an die Entscheidungen der Zünfte zu halten, stand das Angebot des Gerichts gegenüber, bei Unzufriedenheit doch noch zu richten.308 Die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen Instanzen hin und her zu wechseln, ist durchaus vergleichbar mit der Rolle des Rats, aber das Verhältnis zwischen den anderen Instanzen und dem Schultheißengericht unterscheidet sich doch grundsätzlich. Hierarchisch war das Gericht dem Rat eindeutig untergeordnet, die Verweise an den Rat sind Ausdruck mangelnder Kompetenz, während die Verweise vor die Zunftgerichtsbarkeit eher vom Willen zeugen, Konflikte mit kleinerer Tragweite vor weniger formellen Instanzen zu klären. Aus den Basler Untertanengebieten sind nur ganz wenige Fälle vor das Schultheißengericht gezogen worden. Zudem lässt sich nirgends feststellen, dass am Stadtgericht weiterverhandelt wurde. Eher zeigt sich, dass es andere Appellationsverfahren gab.309

302 StABS, Gerichtsarchiv D 11, fol. 47v. 303 Albert, Mann, S. 85 (allgemein zu den hohen Prozesskosten) und S. 77: Vor dem Offizialat kostete jedes protokollierte Schuldbekenntnis (confessatum) vier Pfennig. Auch das Siegel kostete, nämlich vier Pfennig bis zehn Pfund Schuldsumme und einen Schilling darüber. Siehe auch Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 60. 304 Rippmann, Bauern, S. 192. 305 Laut Signori, Schuldenwirtschaft, S. 26, stellte das Basler Offizialat zwar Schuldbekenntnisse aus, aber nur noch etwa zehn pro Jahr, wobei eine Person immer von auswärts kam. Siehe auch Mommsen, Kanzleiwesen, S. 166 f., und Albert, Mann, S. 25, zur Bedeutung der Offizialsurkunde und deren Rückgang im 15. Jahrhundert. 306 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 101v. 307 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 25v. 308 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 36r: „wurden sy vor denen [den Meistern] nit gericht und das sy wider her fur gericht gewisen wurden, so mögen sy wider fur gericht komen“. 309 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 132v f.

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Auch nur selten, nämlich zweimal, erwähnte das Schultheißengericht das konkurrierende Kleinbasler Schultheißengericht, das mit vergleichbaren Kompetenzen ausgestattet war. Beide Male wurden die Urteile dieses Gerichts bekräftigt. Allfällige Kompetenzstreitigkeiten bei flussüberschreitenden Konflikten werden hier nicht ersichtlich. Insgesamt war Kleinbasel nur schwach vertreten vor dem Großbasler Schultheißengericht, und dies vornehmlich mit Konflikten zwischen Parteien von beiden Rheinseiten.310 Ein anderer Fall, in dem das Kleinbasler Gericht nicht direkt erscheint, ist hingegen aufschlussreich für die Frage nach den Optionen von GerichtsnutzerInnen. Ein wegen einer Schuldsache Angeklagter meinte, er sei nicht verpflichtet, „alhie diset [dießeits] Rins in recht einich red unnd anntwurt zegeben, uss ursach, dwyl er inn der cleinen statt gesessen, als dann das der statt ordnung und gepruch sye“. Weil aber im Vertrag, welcher der Klage zugrunde lag, festgehalten war, dass der Gläubiger „um sin ansprach wol moge fur nemen mit wellchem gerichte er wolle, oder ime geliebe“, drang er mit dieser Argumentation nicht durch.311 Die verschiedentlich ersichtlichen Versprechen, sich vor ein bestimmtes Gericht zu stellen, waren also durchaus bindend. Das Beispiel zeigt außerdem, dass es durchaus Spielraum gab in der Frage, welches Gericht zum Zug kommen sollte. Abschließend seien noch die Gerichtsrechte von Adligen erwähnt. Es handelt sich um einen einzigen Fall, der von Heinrich von Ramstein verhandelt wurde, dessen Urteil das Schultheißengericht bekräftigte.312 Adlige Gerichtsbarkeit mochte auch bei Graf Wilhelm von Thierstein eine Rolle gespielt haben. Dieser war um 1490 Pfalzgraf von Basel313 und somit ein richterlicher Vertreter des Kaisers. Dieses Amt war durchaus prestigeträchtig und mag zur Erklärung dienen, weshalb in der Stichprobe von 1497 einige Konzepte von Schreiben an Graf Wilhelm im Gerichtsbuch überliefert sind, in denen über laufende Verfahren berichtet wird. Die genaue Rolle des Grafen erschließt sich dabei allerdings nicht.314 In ganz wenigen Quellen werden mehrere andere Gerichtsinstanzen erwähnt. Dreimal kommt die Kombination von Rat und auswärtigem Gericht vor, je einmal diejenige von Rat und geistlichem Gericht sowie von Basler Herrschaft und geistlichem Gericht.315 310 311 312 313 314

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Eine Untersuchung über Großbasler vor dem Kleinbasler Gericht wäre spannend, konnte aber im Rahmen dieser Arbeit nicht unternommen werden. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 201v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 101r und 115v. Christ, Grafen, S. 70: Die Thiersteiner Grafen hatten dieses Amt bis zum Aussterben des Geschlechts 1519 inne. Vgl. zu diesem Amt Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 80 f. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 180r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 237r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 238v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 244v. 1455 sind keine solchen Konzepte an die Vorfahren des Grafen überliefert, was daran liegen mag, dass die Thiersteiner um die Jahrhundertmitte mit der Stadt im Konflikt lagen (Christ, Grafen, S. 185). StABS, Protokolle: Öffnungsbücher 2, 261; StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 88r; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 24r; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 88r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 206r.

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Neben den hier genannten (und somit im Gerichtsbuch selbst erwähnten) gerichtlichen Instanzen kommen noch andere Alternativen infrage. Zu erwägen ist einerseits die Gerichtsbarkeit der Vorstadtgesellschaften. Allerdings hatte diese offenbar keine Kompetenzen in Schuldstreitigkeiten, sondern nur bei Ehren- und Raufhändeln.316 Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass die geringere Vertretung der Vorstädte vor Gericht mit den Vorstadtgesellschaften zu erklären ist. Für die Kaufleute von großer Bedeutung war auf jeden Fall das Kaufhausgericht, dessen Akten aber nicht überliefert sind.317 Das Kaufhausbuch war „ein Instrument zur Kreditsicherung und Kaufdokumentation“, das zum Beispiel der Kaufmann Ulrich Meltinger einsetzte, um Schulden von Personen einzutragen, die ihm nicht so eng bekannt waren.318 Gabriela Signori hält fest, dass die Geschäfte mit ihresgleichen entweder in ihren eigenen Geschäftsbüchern oder im Kaufhausbuch festgehalten wurden und sie deshalb weniger häufig im Vergichtbuch auftauchen.319 Das Kaufhausbuch findet in den Quellen des Gerichtsarchivs vereinzelt Erwähnung, Hinweise auf das Kaufhausgericht hingegen gibt es nicht.320 Es scheint angesichts dieser Befunde tatsächlich so, dass es keine klaren Zuständigkeitsregelungen gab bzw. dass diese, wo sie bestanden, trotzdem einen gewissen Spielraum erlaubten und Verhandlungssache waren. Eine freie Wahl des Gerichts bestand trotzdem nicht, was wahrscheinlich die Aufgabenteilung zwischen Schultheißengericht und dem Rat am besten zeigt. Diese Abwägung von Kompetenzen und Zuständigkeiten zwischen zwei Instanzen zeigt auch, dass wir die verschiedenen Gerichte nicht als gleichwertig denken müssen, sondern dass durchaus eine Hierarchie bestand.321 Der Rat stand offensichtlich über dem Schultheißengericht, auswärtige Gerichte scheinen eher als hierarchisch tiefer stehend verstanden worden zu sein, während die geistlichen und Zunftinstitutionen eher auf einer hierarchisch ähnlichen Ebene anzusiedeln waren. Ein regelrechtes Gegeneinander-Ausspielen von Instanzen ist nicht zu beobachten, denn oftmals wurden Entscheide von anderen Gerichten nicht infrage gestellt, sondern bestätigt, was das Verhältnis der Instanzen eher als Komplementarität denn als Konkurrenz erscheinen lässt. Es scheint deshalb auch, dass das Bestreiten von Zuständigkeit, in der Kriminaljustiz als zentrale Möglichkeit beschrieben,

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Koelner, Gerichtspraxis; Sabatino, Vorstadtgesellschaft, S. 93 f. Beide beziehen sich aufs 17. Jahrhundert, weisen aber auf eine offenbar ältere Praxis hin. 317 Signori, Schuldenwirtschaft, S. 34. Zum Schuldverfahren vor dem Kaufhausgericht siehe Apelbaum, Handelsgesellschaften, S. 68, und Geering, Handel, S. 171. 318 Steinbrink, Meltinger, S. 83. Das Kaufhausbuch war „vor allem aber bezogen auf Personen, die ansonsten Meltingers direktem Zugriff entzogen waren“. 319 Signori, Schuldenwirtschaft, S. 33. 320 Vgl. z. B. StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 35v. Allenfalls lassen sich Vermittlungen, bei denen Boten von den Kaufleuten beteiligt waren, als Indizien der Tätigkeit des Kaufhausgerichts lesen (StABS, Gerichtsarchiv A 26, 109v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 116r). 321 Vgl. zu den Hierarchien von Gerichten Van Dijck, Conflict, S. 67.

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einer Strafe zu entgehen,322 in der Ziviljustiz nicht dieselbe Tragweite entwickelte und vielleicht auch weniger angestrebt wurde. Bezüglich der Konkurrenz der Gerichte müsste man noch untersuchen, inwiefern sich Basler gegen auswärtige Gerichte wehren mussten  – was bei den vorliegenden Beispielen nicht der Fall zu sein schien.323 Ein Beleg für die Notwendigkeit, frühzeitig die Zuständigkeit von Gerichten festzulegen, sind die vielen Versprechen, sich vor das Basler Schultheißengericht zu stellen. Diese Versprechen lassen sich außerdem als Beleg für die Beliebtheit dieses Gerichts lesen. Da die Tätigkeit alternativer Gerichte durchweg schlechter dokumentiert ist als jene des Schultheißengerichts, lässt sich nicht abschließend festhalten, welche Instanzen in welchem Ausmaß genutzt wurden. Es ist fast unmöglich festzustellen, ob bestimmte Personengruppen vor dem Schultheißengericht unterrepräsentiert waren, weil sie andere Gerichte nutzten. In Bezug auf die geistliche Gerichtsbarkeit scheint das häufige Auftreten von kirchlichen Institutionen und auch Personen jedoch eher gegen eine grundsätzliche Unterrepräsentation vor dem Schultheißengericht zu sprechen. Weniger klar ist die Lage bei den Kaufleuten, die ja durchaus häufig vor Gericht erschienen. Wahrscheinlich spielte bei ihnen das Kaufhausgericht tatsächlich eine relativ große Rolle. Noch schwieriger ist die Lage bei der Zunftgerichtsbarkeit, deren Bedeutung kürzlich Marten Van Dijck unterstrichen hat,324 weil hier die Überlieferung sehr unsicher ist. 3.3 Schulden belegen Wer eine Schuld vor Gericht bringen wollte, musste diese belegen können, zumindest wenn die SchuldnerInnen nicht geständig waren. Das heißt auch, dass das Leugnen einer Schuld für die Klagenden eine beträchtliche Hürde darstellte.325 Die spätmittelalterliche Ziviljustiz maß dem besseren Beweis ein erhebliches Gewicht bei. Ursprünglich wurde gar nur eine Partei zum Beweis zugelassen – was aber für das 15. Jahrhundert nicht mehr gilt.326 Der folgende Abschnitt untersucht die erwähnten und verwendeten Formen von Schuldbeweisen vor Gericht.

322 Vgl. z. B. Gauvard, Droit, S. 57 f. 323 Vgl. zu den Versuchen der Stadt Basel, den Einfluss fremder Gerichte einzuschränken, Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 133 und 322 f. Ein kaiserliches Privileg von 1488 erlaubte als Alternative zum Schultheißengericht bloß noch die Ladung vor das kaiserliche Hofgericht in Rottweil oder den Kaiser selbst. 324 Van Dijck, Conflict, S. 86: „The success of the early modern civil society was simple: social control and conflict regulations were much cheaper when associations dealt with them.“ 325 Vgl. Piant, Justice, S. 145. 326 Nehlsen-von Stryk, Typologie, S. 106 f.; Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 91.

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3.3.1 Schriftliche Schuldbelege Die Rolle der Schriftlichkeit in der vormodernen Wirtschaft ist in der Forschung umstritten. Je nach untersuchter Region, Quellengattung und wirtschaftlicher Tätigkeit fällt die Einschätzung, wie stark die schriftliche Durchdringung des wirtschaftlichen Alltags war, unterschiedlich aus. Im südlichen Europa finden sich Hinweise auf eine stärkere Durchdringung mit Schriftlichkeit. Zu erwähnen ist etwa die Beobachtung, dass im spätmittelalterlichen Valencia nur ein kleiner Teil der Kredite nicht schriftlich erfasst wurde.327 Thomas Kühn weist für Florenz im 15. Jahrhundert auf zeitgenössische Aufforderungen hin, Geschäfte möglichst genau schriftlich zu dokumentieren.328 In Rom hingegen konnte eine steigende Bedeutung von schriftlichen Vereinbarungen noch im 16. Jahrhundert beobachtet werden.329 Eine ähnliche Zunahme stellte die Forschung für die Zeit um 1500 nördlich der Alpen fest.330 Auf die großen Unterschiede bei der Registrierung von Schulden innerhalb Europas, aber auch innerhalb von Territorien weist Jürgen Schlumbom hin.331 Während also kaum bestritten ist, dass sich Schriftlichkeit generell im mediterranen Raum früher und stärker verbreitete, ist diese Feststellung kaum ausreichend für die Erklärung verschiedener Beobachtungen zur Bedeutung von Schriftlichkeit. Stärker als nach der regionalen Entwicklung ist deshalb nach der Art des Geschäfts zu fragen. Beate Sturm hält fest, dass es in der Forschung umstritten sei, in welchen Fällen die Schulden verschriftlicht wurden. Für das Mittelalter überwiege die Vorstellung von eher formlosen Geschäften, während die Uneinigkeit vor allem in Bezug auf die Frühe Neuzeit groß sei.332 Tatsächlich gibt es Hinweise auf einen relativ formlosen Umgang mit Kredit im Mittelalter. Hans-Jörg Gilomen etwa weist darauf hin, dass Quellen zu Kleinkrediten nur einen Teil der Geschäfte überliefern, denn oft wurden Vereinbarungen nur mündlich oder mit formlosen Notizen getroffen.333 Andererseits wurden Hypothekarkredite und Renten schon im Mittelalter förmlich festgehalten, sodass die Beschreibung einer rein zeitlichen Entwicklung auch nicht zielführend scheint. Schließlich wurden auch in Basel schon kleinere Geschäfte oft schriftlich festgehalten. Katharina Simon-Muscheid erwähnt etwa Rechnungs- und Schuldbücher, Schuldscheine, Zahlbretter und Kerbhölzer,334 während Craig Muldrew noch fürs

327 328 329 330

Furió Diego, Crédit, S. 433, zur großen Bedeutung der Schriftlichkeit auch S. 407. Kühn, Debt, S. 369. Ago, Notaries, S. 200. Vgl. z. B. Rothmann, Schulden, S. 294 f. Rothmann stellt in der Frankfurter Messegerichtsbarkeit eine Zunahme der Schriftlichkeit gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts fest. 331 Schlumbohm, Kreditsicherung, S. 240. 332 Sturm, Privatkredit, S. 147. Im frühneuzeitlichen Hannover sei übrigens nur selten dokumentiert, dass nicht verschriftlicht (und nachher gestritten) wurde (Sturm, Privatkredit, S. 148). 333 Gilomen, Frauen, S. 111. 334 Simon-Muscheid, Dinge, S. 80. Vgl. zu den Kerbhölzern auch Rippmann, Leben, S. 220.

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17. Jahrundert festhält, dass die fehlende Schriftlichkeit oftmals zu Konflikten führte.335 Entscheidend ist hier nicht die Schriftlichkeit, sondern die Formlosigkeit. Das deckt sich mit der Beobachtung von Laurence Fontaine, dass in Inventaren immer die Privatverträge vor den notariellen Akten überwogen.336 Dies, obwohl Letztere den Gang vors Gericht erleichterten. Damit klingt eine Frage an, welche Jürgen Schlumbohm aufwarf, nämlich diejenige, welche „Effizienz zur Sicherung von Schulden“ Dokumenten innewohnte.337 Abgesehen davon, dass Dokumente auch „symbolischer Art“338 sein konnten, zeigt sich hier ein entscheidendes Kriterium. Je nach Art der vor verschiedenen Gerichten möglichen Beweisführung konnte Schriftlichkeit von geringerer oder größerer Bedeutung sein. Dies zeigt sich vielleicht am eindrücklichsten dort, wo erst die Kombination von Beweisen schriftlicher und anderer Art eine ausreichende Beweiskraft herstellen konnte. So stellt Hans Rudolf Hagemann fest, dass in Basel wenig formale Schriftstücke nur in Kombination mit anderen Beweisen Beweiskraft besaßen.339 Laut Daniel Smail bezogen sich Beweise im Marseille des 14. Jahrhunderts oft auf schriftliche Dokumente, aber nie ausschließlich.340 Sabrina Stockhusen hat erst kürzlich untersucht, ob Rechnungsbücher als Beweismittel galten oder ob der Eintrag in ein öffentliches Buch mehr Beweiskraft hatte. Sie fand für das späte 15. Jahrhundert Belege für beides.341 Verschiedene Arten von Belegen für Schulden standen deshalb vor Gericht immer in Konkurrenz, wie etwa Véronique Beaulande fürs spätmittelalterliche Reims zeigt, wo schriftliche Beweise trotz der Möglichkeit, mit Zeugen Verträge zu belegen, oftmals Verwendung fanden.342 Diese Übersicht über neuere Meinungen zur Rolle der Schriftlichkeit bei Schuldbeziehungen und diesbezüglichen Gerichtsprozessen zeigt vor allem, dass es keine eindeutige Entwicklung zu beschreiben gibt. Die Summe von regionalen und zeitlichen Entwicklungen sowie Unterschiede bei den untersuchten Transaktionen und den Möglichkeiten der Beweisführung vor Gericht mögen erklären, weshalb die Bedeutung von Schriftlichkeit in der spätmittelalterlichen Wirtschaft und Justiz nur im Einzelfall zu klären ist. Übrigens wurde Schriftlichkeit vor dem Gericht hörbar und damit auch nicht Lesekundigen zugänglich gemacht; es war üblich, Schriftstücke vor Gericht zu verlesen.343

335 336 337 338 339 340 341 342 343

Muldrew, Economy, S. 174 und 199. Fontaine, Economie, S. 57. Schlumbohm, Kreditsicherung, S. 241. Schlumbohm, Kreditsicherung, S. 241, mit Hinweis auf Laurence Fontaine. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 97 f. Smail, Consumption, S. 53. Stockhusen, Rechnungsbuch, S. 163 f. et passim. Beaulande, Traitement, S. 183. Dies gilt insbesondere bei den Kundschaften (Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 96) wie auch für Urteile und andere Schreiben, auf die man im Prozess Bezug nahm: „uf und nach dem solich urteil gelesen wart“, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 127r.

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Ein anderer Aspekt von Schriftlichkeit soll hier auch noch Erwähnung finden. Es handelt sich um die schriftliche Verwaltung von Schulden durch Haushalte – unabhängig vom Charakter des Schuldbelegs. Während Julie Claustre der Meinung ist, dass eine schriftliche Verwaltung der Schulden durch verschuldete Haushalte eher unwahrscheinlich war,344 stellt Beate Sturm auf beiden Seiten Probleme fest, die auf fehlende Dokumente, fehlendes schriftliches Festhalten und fehlende Nachführung zurückzuführen waren.345 Es ist also nicht zulässig, von der überlieferten Buchführung von Kaufleuten auf alle Haushalte zu schließen. Dagegen ist eher vom Gegenteil auszugehen. Viele Haushalte verfügten nicht über die notwendigen Kenntnisse, um genau Buch zu führen.346 Unterschiedliche Schriftstücke als Beweise von Schuldverhältnissen spielten in den Basler Gerichtsakten eine nicht unbedeutende Rolle, die jedoch je nach Verfahrensform und der damit verbundenen Aufschreibegewohnheit anders ausgestaltet war. Wenig erstaunlich ist die Tatsache, dass schriftliche Belege von Schulden in den Urteilen relativ häufig Erwähnung fanden. Über beide Stichproben gesehen, enthielt rund ein Viertel der Urteile einen Hinweis auf Schriftstücke zur Schuld.347 Da diese Schulden am stärksten umstritten waren und deshalb jede Form von Beweis von Belang sein konnte, scheint die Quote eher niedrig. Bei den Vergichten, die ja mehr oder weniger freiwillig erfolgten, spielten Schriftstücke kaum eine Rolle. 1455 sind fünf Fälle zu finden, etwa beim Vergicht der Frau von Ulrich von Brugg, welche die Zahlung versprach von „xxvii phunt minder oder me als sich das im kouffhusbuch an rechnung vindet“,348 1497 hingegen kein einziger. Zahlungsversprechen, die auf einem Urteil beruhten,349 erwähnten schriftliche Belege vor allem 1455 relativ häufig,350 was ein weiteres Argument für die Stichhaltigkeit dieser Unterscheidung darstellt. Komplizierter verhält es sich bei den Frönungen, die sehr oft sogenannte versessene Zinsen zur Ursache hatten und entsprechend häufig eine bestehende Rente oder sonstige Zinsschuld erwähnten. So etwa bei der Frönung des Hauses eines Biermachers durch Hans Spengler, die mit der Begründung erfolgte, „als er daruff hatt iiii gld ierlicher widerkouffiger gult“.351 Ob der entsprechende Rentenbrief tatsächlich vorgelegt wurde, lässt sich hier nicht erschließen. Offensichtlich spielten also bei der Entstehung der Schuldverhältnisse, die zu Frönungen führten, Schriftstücke eine bedeutende

344 Claustre, Crédit, S. 584. 345 Sturm, Privatkredit, S. 182. 346 Vgl. dazu auch Muldrew, Economy, S. 65, der meint, dass schriftliches Festhalten („numerate written memory“) selten war und Kontobücher nur von Leuten geführt wurden, deren „scale of business“ es bedingte. 347 1455 waren es 30 Prozent der Schuldbeziehungen, 1497 23 Prozent. 348 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 35v. 349 Siehe dazu die Ausführungen oben in Kapitel 4.2.2. 350 1455 waren es acht von 21, 1497 zwei von 17 Quellen. 351 StABS, Gerichtsarchiv E 7, 45r.

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Rolle, beim eigentlichen Vorgang ist hingegen kaum nachzuweisen, dass die Beweisführung sich tatsächlich auf die Schriftstücke stützte. Als eigentliche Erwähnung von Schriftstücken zur Schuld lassen sich deshalb in beiden Stichproben nur einige wenige Fälle zählen. Ähnlich verhält es sich bei den Verboten, die ebenfalls nur ganz vereinzelt Schriftstücke erwähnten. Wahrscheinlich fiel in diesen Fällen die Beweisführung in eine spätere Phase. Die Beobachtung, dass Schriftstücke vor allem bei Urteilen anzutreffen waren, ist somit nicht als Hinweis zu verstehen, dass schriftlich nachweisbare Schulden eher dazu führten, dass die GläubigerInnen sie einklagten und Urteile anstrebten, sondern es ist eher so, dass das Erlangen eines Urteils es eher nötig machte, die schriftlichen Beweise überhaupt vorzulegen – oder dass die Gerichtsschreiber im Urteilsbuch die Schriftstücke als Beweismittel eher erwähnten. Als häufigste Belege für Schulden nennen die Quellen verschiedene Arten von Briefen. Brief bezeichnete zeitgenössisch allerdings nicht wie heute schriftliche Korrespondenz, sondern Urkunden, also ein „obrigkeitlich bekräftigtes Instrument“.352 Dieser formelle Charakter wird zum Beispiel erkenntlich beim Einklagen einer Schuld gemäß „innhalt eines besigelten briefs“.353 Als Quellenbegriffe für Schuldbriefe treffen wir „houptbrieff “,354 „schuldbrieff “,355 „verschribung“,356 manchmal auch nur „brieff “.357 Diese Bezeichnungen finden sich in beiden Stichproben mit vergleichbarer Häufigkeit. Der Begriff Hauptbrief bezieht sich auf die Originalurkunde (im Gegensatz zu Abschriften und Beilagen).358 Beim schlichten Brief lässt sich oftmals nicht feststellen, ob es sich um einen Schuldbrief handelte oder um eine andere Art von Dokument.359 Eine weitere Differenzierung der Begriffe lässt sich nicht feststellen, es kam auch vor, dass sie synonym verwendet wurden.360 Einzig die Verschreibung scheint sich abgrenzen zu lassen, wie sich in einem Beispiel zeigt, wo die Verschreibung eine zusätzliche Vereinbarung zur Abzahlung des Hauptbriefes enthielt.361 Unter den Bereich der Schuldbriefe fallen auch Rentenbriefe, deren Entstehung im Fertigungsbuch dokumentiert ist – allerdings nur derjenigen, die vom Gerichtsschreiber ausgestellt wurden. Die Zahl der Rentenbriefe war mit 27 in den beiden Stichproben aber bescheiden. Angesichts der häufigen Erwähnung von Schuldbriefen 352 353 354 355 356 357

Idiotikon, Bd, 5, Sp. 435. Vgl. auch Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 97. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 55r. Z. B. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 91v; StABS, Gerichtsarchiv B 14, 131v. Z. B. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 230r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 103v. Z. B. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 106v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 222v. Z. B. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 14r. Beim Begriff Brief lässt sich oft nur mittels des Kontexts erschließen, ob es sich wirklich um einen Schuldbrief handelt. 358 Idiotikon, Bd. 5, Sp. 457. 359 Nur wo der Kontext eine klare Charakterisierung als Schuldbrief zuließ, habe ich diese Briefe auch als solche gewertet. 360 Z. B. die Begriffe Schuld- und Hauptbrief, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 103v. 361 StABS, Gerichtsarchiv B 14, 131v. Siehe auch StABS, Gerichtsarchiv D 16, 12v; vgl. auch Idiotikon, Bd. 9, Sp. 1515.

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können wir davon ausgehen, dass auch andere, zum Beispiel am geistlichen Gericht ausgestellte Schuldbriefe als Belege verwendet wurden.362 Neben den formellen Schuldbriefen spielten auch andere Belege eine Rolle, die es hier kurz anzuführen und darzulegen gilt. Als Sonderform des Schuldbelegs mit hoher Beweiskraft findet sich in der Stichprobe von 1497 der Hinweis auf die eigene Handschrift des Schuldners, etwa in einem Urteil, welches sich auf eine Schuld „innhalt siner [d. h. des Schuldners] eignen handtschrifft“ bezog.363 „Eigenhändige Quittungen des Schuldners“ hatten eine besondere Beweiskraft.364 Dabei konnten diese handschriftlichen Dokumente einen unterschiedlichen Charakter aufweisen, konnten also eher informeller Machart sein365 oder aber eigentliche Schuldbriefe darstellen.366 Weiter fanden 1497 auch einfache Zettel, also sehr informelle Schriftstücke, Erwähnung. Solche Zettel enthielten in der Regel verschriftlichte Einigungen, konnten aber auch eigentliche Schuldbelege sein.367 Einen ähnlichen Charakter konnte der sogenannte Übertrag aufweisen. Laut Schweizerischem Idiotikon bezeichnete der Begriff einen bzw. eine „Übereinkunft, Vergleich, Vertrag“, oft als Resultat einer Vermittlung.368 Leider lässt die bloße Erwähnung nicht auf den eigentlichen Inhalt schließen, der vor Gericht zwar verlesen, im Protokoll aber nicht festgehalten wurde. Überträge finden sich auch in Kombination mit anderen schriftlichen Belegen, zum Beispiel mit Schuldbriefen369 oder Büchern.370 Rechnungsbücher werden in den Gerichtsakten mit einer gewissen Regelmäßigkeit erwähnt, hatten aber nicht die gleiche Bedeutung wie andere schriftliche oder mündliche Schuldbelege. Gabriela Signori erwähnt die wachsende Bedeutung privater Geschäftsbücher für Kaufleute im 15.  Jahrhundert, versteht diese aber vornehmlich als Alternative zum Gang vor Gericht.371 Trotzdem wurden die Bücher vor Gericht verwendet, um Schulden zu belegen. Wie Sabrina Stockhusen detailliert untersucht hat, wurde das Rechnungsbuch zum „Instrument zu seiner [d. h. des Gläubigers] persönlichen Rechtssicherung“ und als solches zu einer „Rechtsquelle zu den städtischen

362 Albert, Mann, S. 242: Über alle untersuchten Zeiträume waren Schuldbekenntnisse und Rentenverkäufe die häufigsten Transaktionen, die geistliche Gerichte vornahmen. 363 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 203v. 364 Stockhusen, Rechnungsbuch, S. 167; Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 97. Vgl. auch Claustre, Crédit, S. 582. 365 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 189v, erwähnt „zedel unnd hanndtschrifft“. 366 Ein Urteil wird gefällt „lutt unnd innhalt eins schuldbrieffs, uwer eigen hanndgeschrifft“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 230r. 367 Wie z. B. ein Urteil „eins zedels halb, innhaltende lxxii guld“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 189v. Man beachte die beträchtliche Schuldsumme von 72 Gulden. 368 Idiotikon, Bd. 14, Sp. 416. Zur Vermittlung siehe Kapitel 5.2.2. 369 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 23r. 370 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 142v. 371 Signori, Schuldenwirtschaft, S. 24 und 33. Signori sieht in der privaten Buchhaltung ein Grund für das seltene Erscheinen von Kaufleuten vor Gericht.

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Rechtsnormen des Spätmittelalters“.372 Seine Beweiskraft vor Gericht war also kaum umstritten. Auf die Forderung nach einer Quittung meinte jemand, „es bedorffte des nit unnd were gnug, wann es in sinem buch stund“.373 Es handelt sich bei den in den beiden Stichproben erwähnten Rechnungsbüchern sowohl um private als auch geschäftliche Bücher, soweit die Unterscheidung überhaupt sinnvoll ist. Als Geschäftsbuch ist das Wechselbuch von Klaus Rieher zu erwähnen, ebenso die umstrittene Buchhaltung von Gesellschaften.374 Wir können uns das Rechnungsbuch als konkreten Begleiter im Alltag vorstellen, wie eine Kundschaft über die unvollständige Abzahlung von Schulden zeigt: „Da hett der [Gläubiger] das rechenbuch genommen und die dritthalp lb [3,5 Pfund] gelts ingeschriben, die er im an der schuld bezalt hett.“375 Außer Schuldverhältnissen konnten auch Besitzverhältnisse festgehalten werden.376 Der pragmatische Charakter von Rechnungsbüchern zeigt sich in einer Kundschaft, bei der es um die Klärung von lange zurückliegenden Geschäften ging. Eine Zeugin berichtete, „dz sy allenthalben in iren buchern gesucht und niena [nirgends] darinn funden habe“.377 Auch die Beweisführung mittels Buch konnte selbstverständlich mit Unsicherheiten verbunden sein, wenn es etwa nicht sauber geführt wurde. Laut einer Kundschaft meinte Hans Kessler, der über einem Buch saß und eine Rechnung erstellen wollte: „Ich kan mich uss dem buch nutzit verrichten, dan es ist eins teils durch strichenn unnd eins teils nit“.378 Vereinzelte Erwähnungen fanden schließlich noch folgende Begriffe, die Formen schriftlicher Belege darstellen: Schuldrodel,379 Quittung,380 Schadlosbrief (ein Schreiben, welches, notariell abgesichert, verspricht, jemanden gegen möglichen Schaden zu versichern),381 schließlich noch das Konfessat.382 Letzteres, eine schriftliche Selbstver-

372 Stockhusen, Rechnungsbuch, S. 172. 373 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 138r. 374 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 194r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 142v f.; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 81r–82r. 375 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 23r. 376 Konkret ging es um den Besitz von Stoff in einem komplexen Fall, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 123v. 377 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 35v. 378 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 106v. Die Kundschaft schließt damit, dass die Schuld beglichen wurde, also können wir davon ausgehen, dass die Frage doch noch geklärt wurde. Zur Praxis der Buchführung an einem mittelalterlichen Beispiel aus Paris sieh Claustre, Comptes. 379 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 28r. 380 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 111v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 189v. 381 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 135r: Die Schuldner sollen „ein schadloss brief geben dar inne sy sich gegen inen noch aller notturft versehen sollent“. Zur Begriffsdefinition Idiotikon, Bd. 5, Sp. 465. 382 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 133r.

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pflichtung zur Begleichung von Schulden,383 kommt erstaunlich selten vor.384 Offenbar waren andere Mittel, insbesondere das Vergichtbuch, an dessen Stelle getreten. Vereinzelt erwähnen die Quellen auch andere, schriftlose Mittel, die dazu dienten, Schulden festzuhalten. Das wichtigste war das Kerbholz.385 Ein Kaufmann hatte 4.000 „wellen“, d. h. Brennholzbündel,386 bestellt und berichtete in einer Kundschaft über deren Lieferung. Die Beauftragten hätten „also wellen bracht und das angekerbet“.387 Hier wurde wahrscheinlich vor allem die Anzahl gelieferter Bündel auf einem Kerbholz festgehalten, denn der Kaufmann hielt anschließend fest, wie viele „wellen“ noch fehlten. Ein Hausangestellter, der oft auf den Markt geschickt wurde, um Fische zu besorgen, musste diese in der Regel direkt bezahlen, und „wenn er ime ye utzit gebe [d. h. auf Kredit lieferte], dz wurde an ein kerben gesnitten“.388 Die eigentliche Praxis, kleinere Schuldbeträge oder Mengen in Holz zu schnitzen, klingt nur noch im Wort an, wenn zwei Geschäftspartner vereinbarten, sie wollten „kerb zettel uffrichten“.389 Schriftliche Belege finden sich vor allem in Urteilen, bei anderen Verfahren wie Frönung, Verbot und Vergicht wurden sie kaum erwähnt.390 Das gilt insbesondere auch für die Einträge im Vergichtbuch, die auf einem Gerichtsurteil beruhen.391 Es wäre aber irreführend zu vermuten, dass schriftliche Belege bei anderen Vorgehensweisen nicht notwendig waren oder nicht eingesetzt wurden. Gerade Frönungen beruhten oft auf nicht bezahlten Renten- oder Grundzinsen und stützten sich somit in der Regel auf entsprechende Urkunden. Somit ist die Nichterwähnung im Fall der Frönungen nicht auf das Fehlen von Dokumenten zurückzuführen, sondern auf eine Praxis des Aufschreibens, die in der typisch kurzen und formalisierten Notation auf die Erwähnung verzichtete. Gerade Frönungen und Verbote bedingten in einem ersten Schritt keine Belege von Schulden, denn erst das Anfechten machte sie notwendig, und in der Regel landete der Fall dann im Urteilsbuch. Die zwar ebenfalls knappen Urteilsbegründungen erwähnten hingegen die Schriftstücke als wichtige Beweismittel. Gänzlich unnötig war die Erwähnung von Dokumenten schließlich bei den freiwillig eingegangenen 383 Laut Signori, Schuldenwirtschaft. 384 Vgl. zu dieser Beobachtung Albert, Mann, S. 25 (auf der Grundlage von Beobachtungen Andreas Heuslers). 385 Lipp, Aspekte, S. 16, erwähnt Kerbstock und Kreide als wichtige Mittel, um Kredite festzuhalten, und verweist auch auf Sprichwörter (in der Kreide stehen, etwas auf dem Kerbholz haben). Zur Verwendung von Kerbhölzern in Basel auch Rippmann, Leben, S. 220; Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 98. 386 Idiotikon, Bd. 15, Sp. 1185. 387 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 84v. 388 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 118r. 389 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 48r. 390 Auf 96 untersuchte Quellen mit Verweisen auf schriftliche Belege fallen je ein Verbot und eine Frönung sowie drei Vergichte. Der Rest besteht aus Urteilen (darunter einige, die im Vergichtbuch eingetragen wurden, aber klar Urteilscharakter aufweisen) und anderen Einträgen im Urteilsbuch wie z. B. Verkündungen. 391 Siehe zu diesen Einträgen Kapitel 4.2.2.

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Vergichten und Zahlungsversprechen, weil hier weder Belege noch Beweisführung vonnöten waren. Wenn im Folgenden der Fokus also auf den Urteilen liegt, dann liegt das daran, dass nur hier die Bedeutung von Schriftstücken wirklich fassbar wird. Der Anteil von Urteilen, welche schriftliche Beweise erwähnen, liegt bei beiden Stichproben bei ungefähr einem Viertel,392 wovon Schuldbriefe jeweils die Hälfte ausmachen. Unbestimmte Briefe, Rechnungsbücher und sogenannte Überträge stellten in beiden Stichproben jeweils einen kleinen Anteil dar, nämlich je um die drei Prozent der erwähnten schriftlichen Beweismittel. Eine zeitliche Entwicklung, etwa in Richtung mehr Schriftlichkeit, lässt sich nicht feststellen. Zwei Aspekte finden aber nur in der späteren Stichprobe Erwähnung. Es handelt sich um nicht genauer umschriebene „Zettel“ und um die Hinweise auf die eigene Handschrift. Ich interpretiere diese Anteile dahingehend, dass eine Erweiterung der schriftlichen Belegformen stattfand,393 die jedoch nicht dazu führte, die Rolle von schriftlichen Belegen in den Gerichtsprozessen grundsätzlich in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Angesicht dieser nicht sehr hohen Anteile von Urteilen, die schriftliche Schuldbeweise erwähnen, ist auch nicht zu erwarten, dass solche Schulden vor Gericht häufiger verhandelt wurden als andere. Ob ein schriftlicher Beleg vorhanden war (und vor allem erwähnt wurde), hatte keinen Einfluss auf die Häufigkeit der Erwähnung der Schuldsumme. Da, wie noch zu zeigen sein wird,394 die Schuldsumme vor allem bei Klagen wegen Schulden Erwähnung fand, muss mit den Klagen verglichen werden. Die Quote an erwähnten Schuldbeträgen ist bei beiden Stichproben praktisch identisch mit der Quote bei den Klagen.395 Weil viele der erwähnten Arten von Belegen relativ selten erwähnt waren, lässt sich keine Aussage bezüglich der Typen von Dokumenten machen. Es fällt einzig auf, dass bei der Stichprobe von 1497 Schuldsummen häufiger erwähnt waren, wenn Schuldbriefe im Spiel waren, jedoch seltener bei anderen Arten von Schriftstücken.396 War die Summe erwähnt, fiel sie eher hoch aus: 1455 belief sich der Median auf 27,8 Pfund, 1497 auf 115,2.397 Der Grund dafür ist in der hohen Zahl von verhandelten Renten zu suchen, die sich naturgemäß auf Briefe stützten und im Vergleich zu Alltagsschulden, die mittels Vergichten eingefordert wurden, in der Regel viel höhere Beträge umfassten. Es besteht hier also ein enger Zusammenhang zwischen der Art von Schuld und

392 1455: 24,1 Prozent, 1497: 27,9 Prozent. Die genauen Zahlen finden sich im Tabelle 8.19 im Anhang. 393 Die von Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 97, erwähnten Beispiele der eigenen Handschrift stammen übrigens aus den Jahren 1465 und 1476, was dafür spricht, dass die Praxis kurz nach der ersten Stichprobe geläufig wurde und 1497 schon etabliert war. 394 Siehe Kapitel 4.3.5. 395 1455 waren es 21,9 Prozent im Vergleich zu 24,6 Prozent, 1497 34,5 Prozent im Vergleich zu 34,0 Prozent. 396 24 Prozent der Schuldbeziehungen mit Erwähnung der Schuldsumme bei anderen Schriftstücken als Schuldbriefe, 41 Prozent bei den Schuldbriefen (n = 58). 397 Allerdings ist zu erwähnen, dass die Anzahl genannter Summen gering war: n = 20 (1497) bzw. 14 (1455).

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der Schriftlichkeit. Es lässt sich deshalb auch nicht mit Sicherheit schließen, dass die anderen, nicht Renten betreffenden Schulden immer höher waren, wenn schriftliche Belege im Spiel waren. Schriftlichkeit erscheint somit nicht als sicheres Instrument, das in Basel gezielt eingesetzt wurde. Vielmehr wurden schriftliche Belege aus der kaufmännischen und Haushaltspraxis durchaus eingesetzt, ohne aber eine zentrale Rolle als Schuldbeleg zu spielen – andere, nichtschriftliche Belege waren da wichtiger. 3.3.2 Nichtschriftliche Arten, Schulden zu belegen Es gab zwei Wege für Gerichtsnutzende, ihre Sicht der Dinge vor Gericht ohne schriftliche Beweise zu belegen. Die erste Art war das Beibringen von Zeugen (deren Aussagen ja dann im Kundschaftenbuch verschriftlicht wurden). Auf Zeugenaussagen gehe ich hier nicht weiter ein, weil sie im Kapitel 2.2 ausführlich vorgestellt wurden. Ich kann keine quantitative Abschätzung ihrer Bedeutung vornehmen, sondern nur darauf verweisen, dass sehr viele Urteile Kundschaften erwähnten und diese offensichtlich eine große Bedeutung als Beweismittel hatten.398 Dies, weil, wie Craig Muldrew es treffend formuliert hat, Transaktionen als „communicative acts made within certain social situations“ in Erinnerung blieben.399 Zudem finden sich in den Kundschaftenbüchern viele Zeugenaussagen, die sich keinem Urteil zuweisen lassen – das bloße Aufnehmen der Kundschaft mochte hier ausgereicht haben, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Das unterstreicht erneut die Bedeutung von Kundschaften. Der zweite, heutigen Zeitgenossen etwas befremdlicher anmutende Weg bestand darin, eine Forderung mittels Eid zu bekräftigen. Die eidliche Bestätigung einer Schuldforderung oder eines Schadens wurde Beheben genannt.400 In einem Beispiel forderte ein Gläubiger eine Schuld von zwei Pfund ein mit der Bitte, seinen Eid urkundlich zu bestätigen. Item do hat Hanns Rieher behept, dz im her Thoman Meyerlin selige, wilent ein caplan zü Tann, by sinem leben ii lib d schuldig worden und im gantz nutzit daran worden sie, und diser behebung begert er ein urkunde401

398 Vgl. dazu auch Smail, Consumption, S. 55: Sogar die Existenz von schriftlichen Verträgen wurde von Zeugen bestätigt. 399 Muldrew, Economy, S. 65. 400 Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 93; Idiotikon, Bd. 2, Sp. 919. 401 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 104v. Weitere Erwähnungen des Behebens: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 126r und 138v.

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Schulden einfordern

Einige Kundschaften dokumentieren auch, dass mit dem Beheben gedroht wurde.402 Diese Verwendung des Begriffs steht in engem Zusammenhang mit einer weiteren Bedeutungsebene, nämlich jemanden vor Gericht zu bringen.403 Sehr oft drehten sich Urteile um die Frage, ob jemand bereit war, seine Forderung mit einem Eid zu bekräftigen. Eine Magd erwirkte ein Urteil, gemäß dem ihr ein Betrag bezahlt werden musste, sofern sie by irem swerenden eyd behaltet, den sy ouch tün sol, sover sy der widerteil des nit erlasst, daz ir die sum, so sy […] uff hutt erfordert, noch unbezalt usstand unnd iro an dasselb nutzit worden sye404

Die gleiche Bedingung eines Eides, der von der Gegenpartei erlassen werden konnte, findet sich auch bei einem Schuldner, der behauptete, einen Teil der Schuld schon bezahlt zu haben. Falls er dies nun mit einem Eid bekräftigte, so sollte ihm die Schuld tatsächlich erlassen sein.405 Auch Gerichtsparteien konnten ihre Haltung vom Eid abhängig machen. Als ein Zürcher Geld von Balthasar Irmis Frau forderte, meinte diese, „sy welle umb solich sach ir recht nit tun, aber so vere [sofern] der wiederteil desshalb sweren mog, so welle sy dasselb gelt dargeben“.406 Nicht nur die bloße Existenz von Schulden war Gegenstand von Eiden, sondern auch komplexere Fragen, zum Beispiel die Vollständigkeit einer gegenseitigen Verrechnung407 oder das Abgeben eines Zahlungsversprechens gegenüber einer Drittperson.408 Die Wirkmacht des Eides lässt sich wohl am ehesten dort bemessen, wo er nicht geleistet bzw. eingefordert wurde. In einer Kundschaft aus dem Jahr 1496 wird die Geschichte einer umstrittenen Schuld erzählt, bei der nicht ganz klar war, ob jemand nun Gläubiger war oder nicht. Hätte dieser seine Forderung, dass ihm die Schuld zustand, nun eidlich belegt, hätte er eine Bezahlung erwirken können, aber er habe „den eyd nit

402 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 41r und 85r. 403 Idiotikon, Bd. 2, Sp. 919. Beispiele dazu unter StABS, Gerichtsarchiv D 16, 27r und 133v f.; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 273r. Weiter konnte beheben ganz allgemein einen Eid bezeichnen, auch von Amtleuten: StABS, Gerichtsarchiv C 6, 14r und 19v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 131r. 404 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 236v. Eine ähnliche Beschwörung einer Schuld bei StABS, Gerichtsarchiv A 26, 79r. 405 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 251v. 406 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 205r. 407 Der Kläger musste mit Eid belegen, dass einer Summe „nit gedacht worden, da sy miteinander uber tragen wurden“, und konnte damit die Hälfte der Summe erlangen, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 115v. Weshalb nur die halbe Schuld beglichen werden musste, ist unklar; denkbar ist, dass es sich um eine gemeinsam investierte Summe oder Ähnliches handelte. 408 Auf ein angebliches Versprechen eines Heinrich Schlierbach hin, eine Summe auszurichten, die von einer Drittperson her zustand, habe der Kläger „an Slierbachs hand gezogen“, das heißt einen Eid bezüglich des Versprechens eingefordert. Das Gericht entschied nun, dass Schlierbach sich von dieser Zahlungsverpflichtung befreien konnte, indem er beschwor, ein solches Versprechen nicht gemacht zu haben, StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 112v. Vgl. zum Begriff an der Hand ziehen Idiotikon, Bd. 2, Sp. 1387 f.

Schulden belegen

141

wellen swern“, worauf sein Anspruch verfiel.409 Auf die Gründe geht die Zeugenaussage nicht ein, aber offenbar war die Forderung nicht eindeutig und das Risiko eines Eides zu groß – es drohte ja eine Strafe wegen Meineides.410 Ein anderer Kläger wollte, als der Beklagte vor Gericht nachfragte, ob er nun den gemäß einem älteren Urteil notwendigen Eid leisten solle, sich nicht entscheiden, womit er seine Ansprüche verlor.411 Und nach einer Verhandlung über Schulden schließlich gab sich der Gläubiger sehr zurückhaltend, was den mit dem Zahlungsversprechen verbundenen Eid betraf, „umb dz er doch übernaht nit sprechen könde, er were darzu getrungen oder genötiget“ worden.412 In einem sehr ausführlich dokumentierten Fall schließlich versuchte ein Kläger, die Nichtigkeit eines Eides zu belegen. Junker Hans Segesser hatte einen Betrag von 232 Gulden bei Klaus Rieher, dem Wechsler, angelegt413 und forderte diesen zurück, worauf Klaus Rieher schwor, er habe ihn schon erstattet, wie sein Wechselbuch belege und auch seine Frau bestätigen könne. Auf diesen Eid reagierte nun der Kläger mit einer Argumentation, die in sieben Punkten belegen sollte, dass Rieher „solichs eydes zeerstatten nit zevertruwen syn solt“.414 Als Gründe nannte Segesser den Eigennutz Riehers, also sein Interesse, per Eid die Forderung zu verhindern, sowie mehrere Argumente, die mit dem Verschweigen von Rentenbelastungen von Grundstücken in anderen Fällen zu tun hatten, die geahndet worden seien. Außerdem habe sich Rieher noch nicht „purgirt und entslagen“ der Aussage der Äbtissin von Säckingen, Rieher habe „wider sin eigen brieff unnd sigel gehandelt“, sich gegen diesen Vorwurf also nicht angemessen zur Wehr gesetzt.415 Diese Argumentation vermochte das Gericht aber nicht zu überzeugen, denn es entschied zu einem späteren Zeitpunkt, dem Eid sei zu vertrauen.416 Riehers Frau wurde, da ebenfalls beteiligt, auch noch befragt, aber da sie schwanger war und damit keinen Eid leisten konnte, wurde ihr eine Aussage erspart.417 Der Fall von Klaus Rieher unterstreicht die hohe Glaubwürdigkeit eines Eides und die Schwierigkeiten, die entstanden, wenn man einen Eid anfechten wollte.

409 410 411 412 413

StABS, Gerichtsarchiv D 16, 159r. Vgl. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 290. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 260r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 146r. Der Schuldner leistete darauf den Eid. Er habe die Summe „an Clausen Riehers laden der zytt sins wechsels gelegt“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 194r. Zu einem weiteren Konflikt Klaus Riehers siehe Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 173. 414 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 194r. Der Fall zieht sich über vier Seiten hin bis Folio 195v. 415 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 195v. 416 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 207v. 417 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 208v.

142

Schulden einfordern

3.4 Fazit: Wertflüsse verhandeln Neben dem Abzahlen von Schulden mittels Geld in Münzform fanden sich viele Belege für andere Wertflüsse, konkret nutzten SchuldnerInnen Zahlungsmittel wie Schulden als das Recht, Leistungen einzufordern, Objekte als Wertträger oder Arbeit. Alle vier Formen konnten gleichwertig in Geldbeträge umgerechnet werden und entsprechend zirkulieren, mit einem mühelosen Wechsel zwischen den Kategorien und unscharfen Übergängen (wo war ein Objekt ein Pfand, wo Bezahlung, handelte es sich um Arbeit oder Objekte, wenn handwerkliche Produkte in Zahlung genommen wurden?).418 Daniel Smail hat diese Unschärfe schön an einem Beispiel demonstriert. Es handelt sich um eine Transaktion, die man auch als Tauschhandel lesen könnte. Eine Witwe kaufte ein Paar Stiefel auf Kredit und hinterlegte ein Messer als Sicherheit, welches sie später wieder auslöste. Was auf den ersten Blick als Tausch von Stiefeln gegen Messer daherkam, war in Wahrheit ein Borgkauf mit einem Pfand, welches nicht zu seinem materiellen Wert bemessen wurde.419 In anderen hier beschriebenen Fällen hingegen dienten die Objekte tatsächlich als Geldersatz. Das Phänomen, Schulden mit allen möglichen Werten abzubezahlen, war in der Vormoderne weit verbreitet.420 Renata Ago hat es schön ausgedrückt: „So a trend developed in which payment was in fact a rearrangement of debts and credits, and it was very rare for currency to play a leading role in such transactions.“421 Geld war bei Weitem nicht das einzige „means of exchange“, sondern das „system of measurement for the purpose of communicating prices“.422 Wie in den Beispielen des vorherigen Kapitels zeigt sich übrigens auch hier, dass die Werte oft nicht den direkten Weg von den SchuldnerInnen zu den GläubigerInnen gingen, sondern Drittpersonen als Vermittlerinnen, Botinnen und in sonstiger Form involviert waren. Dass die meisten Schulden und Werte gleichwertig miteinander verrechnet werden konnten, zeigt sich wohl am besten am einzigen Fall, der dies offenbar gewohnheitsrechtlich nicht vorsah.423 Es handelt sich um Spielschulden. Eine Kundschaft von 1457 erzählt die Geschichte von zwei Spielern in einer Kegelpartie. Der Sieger schlug vor, der Verlierer solle ihm kein Geld geben, sondern den Spielgewinn an die Schuld anrechnen, was der Verlierer jedoch zunächst verweigerte mit der Begründung, „es were nitt gewonlich, daz man spilgelt und schulden gegeneinander abslahen solle“.424 418 Vgl. Schläppi, Ökonomie, S. 53: Überall waren „ökonomisch verwertbare Werte und Gegenstände für das alltägliche Über-die-Runden-Kommen der Menschen von entscheidender Bedeutung.“ 419 Smail, Plunder, S. 123. 420 Siehe zum Beispiel zur Krediterstattung im Verlagssystem, die oft mit Arbeit und Produkten erfolgte, Holbach, Rolle, S. 153. 421 Ago, Notaries, S. 194. 422 Muldrew, Economy, S. 98. 423 Vgl. dazu auch Fontaine, Economie, S. 119. 424 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 129v.

Fazit: Wertflüsse verhandeln

143

Nach dieser anfänglichen Weigerung schließt die Kundschaft aber mit der getroffenen Vereinbarung der zwei Spieler, Geldschuld und Spielgewinn doch miteinander zu verrechnen. Nicht alle konnten jedoch im gleichen Maß am kontinuierlichen Kreislauf der Werte partizipieren. Während die meisten Haushalte noch pfändbare Objekte besaßen, war Münzgeld schon eher Mangelware und der Zugang zu wertstabilen Goldmünzen gewissen Kreisen vorbehalten. Aber auch wer als Gläubiger viele Ansprüche belegen konnte, hatte oftmals nur eine „fortune de papier“, die von den Möglichkeiten, auf Werte von SchuldnerInnen zuzugreifen, abhing.425 Die relativ unproblematische Zirkulation von Schuldforderungen – sei es in Form eines Verkaufs, sei es als Weiterverrechnung von Schulden in komplexen Konstellationen – lässt die Vision eines großen Anteils bargeldloser Bezahlungen entstehen, was einen sehr modern anmutenden Aspekt der spätmittelalterlichen Schuldenwirtschaft darstellt.426 Ein sehr großer Teil der Bevölkerung konnte jedoch daran nicht teilnehmen oder nur als SchuldnerIn und somit unter Druck, was „schichtenspezifisch differenzielle Partizipationsmöglichkeiten am Markt“ bedeutete.427 Wenn das Gericht bemüht wurde, ging es oft nicht darum, eine bestimmte Form der Wertübertragung zu bevorzugen (Beispiele des expliziten Einforderns von Bargeld ausgenommen), sondern überhaupt einen Zugriff auf Werte in der Hand der SchuldnerInnen zu erhalten. Es erscheint wahrscheinlich, dass Barzahlung bevorzugt wurde  – so sieht das auch Daniel Smail. Wer in Not war, fragte bei Freunden und Familie nach Cash, und wer es nicht erhielt, „turned to the most liquid element“, nämlich zu den Gütern.428 Das Ausweichen auf andere Formen der Übertragung von Wert erscheint so als Ausdruck der Unfähigkeit, in Bargeld zu bezahlen. Es scheint, dass dieser Weg nur ungern gegangen wurde, wie Daniel Smail gezeigt hat. Bei Schuldforderungen wählten viele Schuldner nicht die Möglichkeit, ihre Güter freiwillig zu liquidieren, sondern „they mulishly forced those creditors to go to court and acquire a judicial order authorizing debt collection“, was dazu führen konnte, dass andere die Auswahl an Gütern trafen, ein Prozess, der „ripe for processes of shame and humiliation“ war.429 Man kann die Demütigung durch das Wegtragen von Gütern den Quellen kaum entnehmen, sie waren in der Beschreibung der Objekte sehr zurückhaltend und stark auf den monetären Wert fokussiert, aber wir gehen kaum falsch in der Annahme, dass den Gegenständen auch emotionale Werte anhafteten und sie für die Besitzer 425 Fontaine, Pouvoir, S. 78. 426 Smail, Plunder, S. 113: „People […] used this microcredit in much the same way that actors in the modern economy use credit cards.“ Sturm, Privatkredit, S. 282, beschreibt das Kreditwesen als „sehr modern anmutendes Element frühneuzeitlicher Gesellschaft“. 427 Rössler, Armut, S. 117. 428 Smail, Plunder, S. 26. 429 Smail, Plunder, S. 27. Auf S. 176 nennt Smail diesen Sachverhalt da „great paradox of predation“. Vgl. auch Smail, Biens, S. 377.

144

Schulden einfordern

mehr darstellten als bloße Wertspeicher. Die Frage, ob SchuldnerInnen nicht bezahlen konnten oder nicht bezahlen wollten, lässt sich nur indirekt beantworten.430 Bei den Vorgängen, die Smail beschrieb, scheint Zweiteres vorzuherrschen. Ein Beispiel soll hier stellvertretend für die schwierige Klärung dieser Frage stehen: Ein Basler hatte aus Geschäften mit einem in Aarau Ansässigen noch 24 Gulden gut, und als ein Verwandter des Schuldners nach Basel kam, fragte er nach der Zahlung. Dieser meinte, „ich sorg, das er uch nit bezalen mög, angesehen das er nut und vil kinder hatt“, und versprach dem Gläubiger ein Pferd zu übergeben, weil der Schuldner „min gevatter und fast lieb ist“. Später reiste der Basler selbst nach Aarau, wurde teilweise bezahlt und erhielt das Pferd, welches rund drei Gulden wert war, womit sich die Restschuld noch auf acht Gulden belief.431 Der Fall ist insofern typisch, als er eine Mischung aus Abzahlungen mit der Frage nach der Möglichkeit, überhaupt abzuzahlen, verbindet. Der Schuldner konnte trotz Armut und Kinderreichtums eine Teilsumme abzahlen, war aber auch auf die Naturallieferung durch seinen „gevatter“ angewiesen, um die Restschuld zu reduzieren, ohne sie ganz tilgen zu können. Der Fall steht somit für eine Mischung aus Nicht-bezahlen-Können und Nicht-bezahlen-Wollen. Im äußersten Fall und unter Aufbietung des Hausrats wäre eine Bezahlung wohl möglich gewesen, aber vielleicht auch aus Sicht des Gläubigers nicht verhältnismäßig. Der Gang vor Gericht war für viele Gläubiger eine Art Ultima Ratio, für die sie nur nach geduldigem Warten optierten – zumindest betonten sie oftmals ihre Langmut gegenüber den Schuldnern.432 Und tatsächlich haben einige Beispiele gezeigt, dass oft viel Zeit verging, bis eine Forderung erhoben wurde. Es mag beim Entscheid aber weniger die überstrapazierte Geduld eine Rolle gespielt haben als vielmehr die Aussichten auf künftige Leistungen der SchuldnerIn. Drohte man leer auszugehen, war es besser, seine Ansprüche unmittelbar anzumelden. Zu diesem Zweck war es von größter Bedeutung, ob man in der Lage war, seine Schulden zu belegen. Zeugenaussagen und eidliche Beschwörungen von Sachverhalten standen hier verschiedenen Formen von schriftlichen Beweismitteln gegenüber und ergänzten sich gegenseitig.433 Weshalb und zu welchem Zeitpunkt allerdings ein Gläuber oder eine Gläubigerin den Entscheid fällte, gerichtlich einen Wertfluss zu erzwingen, ist meist nicht direkt zu erschließen. Es ist naheliegend, dass der Entscheid mit der Art der Beziehung, dem Wissen über die finanziellen Verhältnisse und mit dem guten Ruf von Personen zusammenhing, ohne dass sich dies im Einzelfall zeigen lässt.434 Während in diesem Kapitel 430 Vgl. dazu auch das oben erwähnte Beispiel des Vorwurfs von selektiver Schuldtilgung. 431 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 28v f. 432 Vgl. dazu Schuster, Age, S. 47: „Wir können von einer in der Regel konfliktarmen Regulierung finanzieller Verpflichtungen ausgehen.“ 433 Vgl. Nehlsen-von Stryk, Typologie, S. 107: Im 14. Jahrhundert waren es „Geschäftszeugen, später auch Urkunden, die den Beweisvorrang sichern“. 434 Vgl. zum Eindruck, dass man genau wusste, wie viel jemand hatte, Signori, Schuldenwirtschaft, S. 139; Hitz, Informationszirkulation.

Fazit: Wertflüsse verhandeln

145

individuelle Argumentationen von Härte oder Milde eher im Vordergrund standen, versucht das nächste Kapitel, von einer anderen Seite her an die Frage heranzugehen, indem die Nutzung von Gerichten an Attributen der Beteiligten wie Herkunft, Vermögen oder Geschlecht gemessen wird und dabei typische Konstellationen für die verschiedenen gerichtlichen Prozeduren beschrieben werden.

4. Gerichte nutzen Der Begriff der Gerichts- oder Justiznutzung hat sich in der historischen Forschung schon länger etabliert.1 In einer akteurszentrierten Perspektive bezeichnet er die konkreten Handlungsoptionen von Personen, in bestimmten Situationen Gerichte zu bemühen und sie zu ihren Zwecken einzusetzen. Diese Beobachtung bezieht sich zum Teil auf die – insgesamt besser erforschte – Kriminaljustiz, umso mehr muss sie für die Ziviljustiz Geltung haben. Wir können also von einer aktiven Entscheidung von klagenden GläubigerInnen ausgehen, wenn sie eine Schuld vor Gericht brachten.2 Daniel Smail hat die Gerichtsnutzung als „consumption“ beschrieben und damit auch in einen ökonomischen Kontext eingeschrieben.3 Für die SchuldnerInnen war der Handlungsspielraum naheliegenderweise deutlich kleiner, trotzdem interessiert mich, wer die größere Gefahr lief, vor Gericht gezogen zu werden. In diesem Kapitel werden Personengruppen hinsichtlich ihrer Beteiligung an juristischen Prozessen untersucht, wobei mit quantitativen Analysen anhand der Attribute herausgearbeitet werden soll, welche Charakterisierung von Personen sich wie auf die Beteiligung auswirkte. Der erste Teil untersucht die Nutzung des Gerichts insgesamt, die zweite fokussiert auf die verschiedenen Möglichkeiten des gerichtlichen Vorgehens und untersucht den Einfluss von Variablen wie Herkunft, Vermögen und Geschlecht auf die Wahl der Prozessform. In den quantitativen Analysen werden Personen nicht mehr als individuelle Akteure beschrieben, sondern anhand von verschiedenen Kategorisierungen Personengruppen zugewiesen. Die Beschreibung und Klassifizierung von Personen anhand von Variablen wie Geschlecht, Herkunft oder Vermögenskategorie reduziert Individuen 1 2

3

Z. B. Dinges, Justiznutzung; Rappe, Schelten; Rousseaux, Politiques; Piant, Justice. Smail, Consumption, S. 10; vgl. dazu Van Dijck, Conflict, S. 82: „This legal pluralism also allows some forms of agency. This corresponds with an economic interpretation of justice, because this kind of approach implies that citizens are consumers who are always in search of the best and most profitable solutions.“ Siehe auch Mineo, Economy, die diese Dimension schon im Titel anklingen lässt: „The economy of justice“. Smail, Consumption, S. 18, verwendet in diesem Kontext insbesondere Begriffe wie „investment“, „monopolies“, „transaction of enmity“. Zur ökonomischen Interpretation auch Van Dijck, Conflict.

Kreise von GerichtsnutzerInnen

147

auf einige wenige Aspekte ihrer sozialen Einbindung. Gleichzeitig erlaubt sie, auf einer abstrakteren Ebene Muster von sozialen Konstellationen, wie sie in vor Gericht verhandelten Schuldbeziehungen anzutreffen sind, zu untersuchen und dabei wiederum Rückschlüsse auf die soziale Dimension von Schuldbeziehungen zu ziehen. 4.1 Kreise von GerichtsnutzerInnen Die dichte Durchdringung der mittelalterlichen Gesellschaften mit Schuldverhältnissen ist in der Forschung inzwischen unumstritten.4 Jüngere Arbeiten betonen durchweg die Beobachtung, dass sie alle Gesellschaftsschichten betraf,5 dass es sich, wie Julie Claustre meint, um ein „phénomène massif, diffus, universel“ handelte.6 In Bezug aufs frühneuzeitliche England stellt Craig Muldrew fest: Every household in the country, from those of paupers to the royal houshold, was to some degree enmeshed within the increasingly complicate webs of credit and obligation with which transactions were communicated.7

Das galt nicht nur für städtische Gesellschaften, sondern auch auf dem Land: „Tout le village est pris dans les logiques de la dette“, beobachtet Laurence Fontaine in Bezug auf die frühneuzeitliche Dauphinée.8 Wenn ich nun in den folgenden Abschnitten untersuche, welche Personengruppen in welchem Ausmaß das Basler Schultheißengericht nutzten, so stellen diese Angaben eine Annäherung dar an die Möglichkeiten, sich an der Schuldenwirtschaft zu beteiligen. Dies geschieht im Wissen darum, dass nicht alle Schuldbeziehungen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit vor Gericht endeten. Die folgenden Ausführungen sind deshalb nicht als Einschränkung der beobachteten gesellschaftlichen Durchdringung mit Schulden gedacht, sondern als Nuancierung hinsichtlich der Gruppen, welche einfacher und häufiger Zugang zum Gericht als einer Möglichkeit zur Schuldvollstreckung hatten. Die Zielsetzung einer solchen Studie lässt sich mit James Livesey ausdrücken, der Kreditnetzwerke im Languedoc des ausgehenden 18. Jahrhunderts untersucht hat: „Nous pouvons reconstruire les réseaux par lesquels la dette et le crédit passaient et le profil social de ceux qui prenaient part à ce systeme.“9

4 5 6 7 8 9

Vgl. den in der Einleitung zitierten Daniel Smail: Smail, Plunder, S. 90: „For medieval historians, the matter is settled: credit was everywhere.“ Vgl. Smail, Consumption, S. 144: „virtually anyone was capable of lending money or goods“. Claustre, Ethnographie, S. 40. Muldrew, Economy, S. 95. Fontaine, Pouvoir, S. 78. Livesey, Réseaux, S. 38.

148

Gerichte nutzen

Das Angebot des Schultheißengerichts stand grundsätzlich allen offen. Das garantierten nicht zuletzt die bescheidenen Gerichtskosten.10 Das muss aber noch nicht heißen, dass alle EinwohnerInnen der Stadt Basel die Gerichte im gleichen Maß nutzten, ganz abgesehen davon, dass viele der aktenkundigen Personen gar nicht in Basel selbst wohnten. Es geht hier also darum, diejenigen zu beschreiben, welche tatsächlich vor Gericht anzutreffen waren.11 Dabei setze ich voraus, dass es sich seitens der KlägerInnen um eine bewusste Wahl handelte, die verschiedene Aspekte umfasste. Um es mit Hervé Piant auszudrücken: Sie hatten die Wahl, überhaupt das Gericht zu bemühen, weiter eine eingeschränkte Wahl des Verfahrens und schließlich die Möglichkeit, ein Verfahren jederzeit wieder fallen zu lassen.12 Martin Dinges hat die Wahlmöglichkeiten im Bereich der Kriminaljustiz beschrieben und dabei betont, dass die Hinwendung zur Ziviljustiz – die er nicht untersuchte – noch einfacher und häufiger geschah.13 Gerade weil, wie Dinges es formuliert, von den das Gericht nutzenden AkteurInnen „durchgehend ein strategisches Verhalten zu erwarten“ ist,14 lohnt es sich hinzuschauen, wer in welcher Rolle vor Gericht erschien. In einem ersten Schritt wird jeweils noch nicht zwischen Klägern und Beklagten unterschieden – im Wissen darum, dass es eine Rolle spielte, ob eine Person selbst als Klägerin auftrat oder quasi vor Gericht gezerrt wurde. Danach folgt jeweils eine Aufschlüsselung zwischen denen, die als GläubigerIn, und jenen, die als SchuldnerIn auftraten. Die folgenden Angaben zur Anzahl von Beteiligten beschränkt sich auf diejenigen, welche an einer im weiteren Zusammenhang mit Schulden stehenden Interaktion beteiligt waren.15 Das Wissen darum, wer das Gericht in welchen Konstellationen und für welche Verfahrensformen nutzte, kann uns abschließend Hinweise liefern auf die Faktoren, welche diese Entscheidung beeinflussten. Als Inspiration können hier drei Kriterien dienen, die Benoît Garnot im Hinblick auf die Nutzung von Kriminaljustiz in der Frü10 11 12

13 14 15

Vor allem die Vergichte waren billig, siehe Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 49 f. Die übrigen Gerichtskosten sind schwieriger abzuschätzen, sie galten aber als günstiger als die geistlichen Gerichte (siehe Kapitel 3.2.3). Vgl. Piant, Justice, S. 13: „qui sont ces ‚gens‘ qui ‚utilisaient‘ la loi? Quelles sont les modalités de cette utilisation?“ Piant, Justice, S. 14. Zur Gerichtsnutzung im Bereich der Kriminaljustiz, die auch von bewussten Entscheiden geprägt war, siehe Dinges, Justiznutzung, besonders S. 505: „Als ‚Justiznutzung‘ bezeichne ich den Umgang der Zeitgenossen mit den Gerichten. Mit dem Konzept der ‚Justiznutzung‘ ist sowohl die Inanspruchnahme von Justiz als auch deren Form gemeint. Die Gerichte werden im Sinn dieses Zugriffs lediglich als ein obrigkeitliches institutionelles Angebot betrachtet, dessen Inhalt nur zum Teil durch die Gerichtsherren determiniert wurde.“ Dinges unterstreicht in diesem Artikel auch den Aspekt von sozialer Kontrolle, die mittels Justiznutzung angestrebt wurde. Dieser Aspekt lässt sich aber nicht auf die Ziviljustiz übertragen, wo das Eigeninteresse der Klagenden deutlicher im Mittelpunkt stand. Dinges, Justiznutzung, bes. S. 517. Die Ziviljustiz sei näher und weniger unberechenbar gewesen. Dinges, Justiznutzung, S. 532. Vgl. Anhang 8.2.1 zu den erfassten Typen von Beziehungen.

Kreise von GerichtsnutzerInnen

149

hen Neuzeit formuliert hat: Das erste Kriterium zielt auf die Personenkonstellation – mit besonderem Fokus auf die Randständigkeit („marginalité“) des Beschuldigten, das zweite auf die begangene Tat und die Frage nach der dahinterstehenden Absicht und dem Vorgehen, das dritte beschreibt die Toleranzschwelle, also die Notwendigkeit der Duldung gewisser Verhaltensweisen.16 Auch wenn die Kriterien nicht direkt auf die Ziviljustiz übertragen werden können, so zeigen sie doch die Vielseitigkeit der Frage, warum jemand vor Gericht ging – und warum eben auch nicht. 4.1.1 Nutzung des Schultheißengerichts durch BaslerInnen Von sämtlichen Personen, die im Zusammenhang mit Schuldverhältnissen vor Gericht erschienen, ließen sich rund 40 Prozent auf der entsprechenden Steuerliste einem Haushalt zuordnen.17 Sie machten rund einen Fünftel der Steuerliste aus.18 Dieser Anteil bewegt sich in ähnlichen Dimensionen, wie sie eine Untersuchung zur Provence des 14. und 15. Jahrhunderts feststellt. Dort waren 25 Prozent der Haushalte von Schuldprozessen betroffen, wovon die meisten nur einmal vor Gericht kamen.19 Für die anderen stellte die Verschuldung einen „état chronique“ dar. Im von Craig Muldrew untersuchten King’s Lynn des späten 17. Jahrhunderts klagten fast alle Haushalte in einem Sample von vier Jahren einmal vor Gericht. Wenn wir davon ausgehen, dass auch hier die meisten nur einmal klagten, sind wir somit bei ähnlichen Verhältnissen.20 Nur Daniel Smail stellt für Lucca im 14. Jahrhundert eine höhere Beteiligung fest.21 Die auf der Steuerliste identifizierten Personen können nun auf verschiedene Attribute untersucht werden. An erster Stelle soll hier das Steuervermögen des Haushalts stehen. Auf die Bildung der Kategorien und die konzeptuellen Schwierigkeiten

16 17

18

19 20 21

Garnot, Ampleur, S. 71. Zur Duldung gehören auch die Feststellung, dass man als Kläger selbst angreifbar war, sowie die Beobachtung, dass die Toleranzschwelle bei sozial höhergestellten Täter höher lag (S. 76). Die meisten waren als Haushaltsvorstände direkt identifizierbar, gewisse Personen – meist Frauen, aber auch Kinder – konnten dank Hinweisen auf den Ehemann oder Vater dem Haushalt zugewiesen werden. Es ist davon auszugehen, dass mehr Leute in Haushalten wohnten, die in Basel Steuern zahlten, es handelt sich also um einen Minimalwert. Die genauen Zahlen belaufen sich auf 42,9 Prozent für 1455 und 40,7 Prozent für 1497. Mangels Alternativen werden hier Personen mit Haushalten verglichen. Die Abweichungen sind aber nicht sehr groß, weil die Anzahl an Personen, die einem Haushalt zugewiesen werden konnten, ohne selbst Haushaltsvorstand zu sein (und damit in der Steuerliste zu erscheinen), eher gering war (1497 sind es 38 Personen). Lavoie, Endettement, S. 214. Muldrew, Economy, S. 243. Smail, Plunder, S. 138: Er zählt 10.000 Fälle im Jahr (die Hälfte davon „summary justice“) auf 20.000 Haushalte, also einen Fall alle zwei Jahre. Diese Zahl berücksichtigt allerdings die Tatsache nicht, dass Haushalte mehrfach vor Gericht kommen konnten, was die Quote drückt.

150

Gerichte nutzen

im Umgang mit solchen Schichtungen der Gesellschaft gehe ich im Anhang ein.22 Eine Kategorisierung in drei Kategorien gewährleistet die Vergleichbarkeit zwischen den zwei Stichproben.23 Es zeigt sich, dass in absoluten Zahlen die eher armen Haushalte in der Mehrheit waren. Im Vergleich mit der Anzahl der Haushalte in den Vermögenskategorien hingegen zeigt sich ein anderes Bild (vgl. Tabelle 4.1). So waren nur rund 16 Prozent aller Haushalte der ärmsten Kategorie vor Gericht anzutreffen, die reicheren Haushalte hingegen waren deutlich stärker vertreten. In Bezug auf die mittlere Einkommenskategorie weichen die Stichproben ab: 1455 war mehr als die Hälfte der Haushalte vor Gericht anzutreffen, 1497 nur rund 45 Prozent. Die reichste Kategorie war wieder sehr ähnlich repräsentiert, wobei auffällt, dass sie 1455 schwächer vertreten war als die mittlere Kategorie, dies im Gegensatz zu 1497. Auch wenn sich die Stichproben leicht unterscheiden, zeigt sich deutlich eine klare Übervertretung der reichen Personen vor dem Schultheißengericht. Angesichts der nur kleinen Verschiebungen zwischen Mitte und Ende des Jahrhunderts decken sich diese Beobachtungen nicht mit den Feststellungen von Gabriela Signori, dass ab den 1470er-Jahren die „Reichen und Superreichen“ vermehrt vor Gericht anzutreffen waren und das soziale Gefälle stark zunahm.24 Ebenso wenig trifft es zu, dass in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vor Gericht je länger, je ausschließlicher die kleinen Leute handelten.25 Eine hohe Beteiligung der Oberschicht (etwas häufiger als Gläubiger) und der Mittelschicht hat hingegen auch Beate Sturm fürs frühneuzeitliche Hannover festgestellt.26 Tab. 4.1 Beteiligung der Haushalte verschiedener Vermögenskategorien (absolut und als Anteil aller Haushalte der Steuerliste in der jeweiligen Kategorie) Anzahl Personen vor Gericht

Anteil Personen vor Gericht

1455

1497

1455

1497

294

261

16,0 %

16,5 %

mittel

64

43

53,8 %

38,4 %

reich

68

55

48,2 %

45,1 %

20,1 %

19,6 %

arm

gesamt

426

359

gesamt Steuerliste

2117

1827

22 23 24 25 26

Siehe Anhang 8.2. Vgl. Anhang 8.2.3. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 47 und 55. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 121 Sturm, Privatkredit, S. 82.

151

Kreise von GerichtsnutzerInnen

Tabelle 4.2 stellt die Verteilung über die drei Vermögenskategorien jeweils für die Steuerliste und die vor Gericht erscheinenden Personen dar. Auch diese Darstellung zeigt die Überrepräsentation der reicheren und reichen Personen. Diese Übervertretung verschärft sich noch bei Betrachtung der Anzahl Beziehungen, die pro Person im Durchschnitt erfasst wurde (vgl. Tabelle 4.3). Bei beiden Stichproben waren es die reichsten BürgerInnen, die deutlich mehr Beziehungen aufwiesen. Wer nicht auf der Steuerliste figurierte, wies hingegen weniger Beziehungen auf. Dies gilt vor allem für die Stichprobe von 1497, wo der Durchschnitt nur wenig über einer Erwähnung vor Gericht lag, viele Personen folglich nur ein einziges Mal aktenkundig wurden. Die Gruppe der nicht Identifizierbaren umfasste dabei vor allem die Auswärtigen, aber auch die Personen, die wohl aus Basel stammten, aber in der Steuerliste keinem Haushalt zugeordnet werden konnten. Tab. 4.2 Vergleich der Verteilung der Personen über die Vermögenskategorien in der Steuerliste und vor Gericht 1455

1497

Steuerliste

vor Gericht

Steuerliste

vor Gericht

87,6 %

69,0 %

87,1 %

72,7 %

mittel

5,7 %

15,0 %

6,2 %

12,0 %

reich

6,7 %

16,0 %

6,7 %

15,3 %

arm

Tab. 4.3 Anzahl Beziehungen pro Person (nur Beziehungen, die im Zusammenhang mit Schulden standen) Anzahl Beziehungen

Beziehungen pro Person

1455

1497

1455

1497

arm

574

716

1,95

2,74

mittel

138

114

2,16

2,65

reich

194

195

2,85

3,55

1080

716

1,90

1,37

andere

Die genaueren Angaben der Steuerliste von 1455 erlauben es, die Haushalte in Bezug auf ihr Steuervermögen feiner zu kategorisieren (siehe Abbildung 4.1).27 Hier wird der Zusammenhang zwischen dem Vermögen und der Beteiligung an den Streitigkeiten um Schulden vor Gericht noch deutlicher, schwankt die Beteiligung doch zwischen

27

Zu den Unterschieden bei den Kategorisierungen siehe Anhang 8.2.3.

152

Gerichte nutzen

weniger als zehn Prozent bei den Ärmsten und knapp der Hälfte bei den Reichsten und zeigt dabei einen stetigen Anstieg, der sich zuerst leicht steigert und bei den reichsten zwei Kategorien dann etwas abflacht. 800 700 49,5 % 600 42,3 % 500 400

28,9 %

300 15,8 %

200 100 0

9,6 %

Sehr arm

Arm

Anzahl Haushalte Anteil Personen vor Gericht

Mittel

Reich

Sehr reich

Personen vor Gericht

Abb. 4.1 Vergleich der Beteiligung der Vermögenskategorien von 1455 an Gerichtsverfahren

Die Beobachtung, dass Personen verschiedener Vermögenskategorien in unterschiedlichem Maße Zugang zum Gericht hatten und das Gericht unterschiedlich nutzten, ist nun in erster Linie eine Feststellung tatsächlicher Unterschiede. Andere haben solche Unterschiede auch schon beobachtet und ähnlich beschrieben.28 Sie sagt aber nichts aus über die Mechanismen, mit denen solche Unterschiede erzeugt wurden, und sie ist auch kein Beweis für bewusste Entscheidungen der Akteure im Lichte von konkretem Wissen. Damit sollen die Unterschiede nicht kleingeredet werden – sie waren gerade bei der Gerichtsnutzung durch verschiedene Vermögenskategorien sehr groß. Diese

28

Vgl. z. B. die Sozialstruktur der Gläubiger und Schuldner, untersucht nach Steuerklassen innerhalb eines Dorfes im Deutschland des 19. Jahrhunderts bei Stark, Networks, S. 109–115.

153

Kreise von GerichtsnutzerInnen

Bemerkung ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass wir die konkrete Auswirkung der Vermögensverhältnisse auf das Verhalten der Akteure im Alltag nicht kennen  – die Quellen schweigen sich nämlich hinsichtlich solcher Dinge aus.29 Es lassen sich außer der Vermögenssituation noch weitere signifikante Faktoren ausmachen, die zu einer höheren Präsenz vor Gericht führten. So waren zum Beispiel Frauen im Vergleich zur Anzahl an Frauenhaushalten unterrepräsentiert (siehe Tabelle 4.4 und Tabelle 4.5). Tab. 4.4 Verteilung der vorkommenden Personen nach Geschlecht (in der Steuerliste insgesamt, in den Schuldbeziehungen, unterschieden nach Identifikation in der Steuerliste), Stichprobe 1455 in Steuer­ liste

Anteil

davon in Schuld­ beziehungen

Anteil

andere in Schuld­ beziehungen

Anteil

Frauen

480

22,8 %

56

12,8 %

107

19,2 %

Männer

1627

77,2 %

382

87,2 %

430

77,1 %

0

0,0 %

0

0,0 %

21

3,8 %

1455

unklar

Tab. 4.5 Verteilung der vorkommenden Personen nach Geschlecht (in der Steuerliste insgesamt, in den Schuldbeziehungen, unterschieden nach Identifikation in der Steuerliste), Stichprobe 1497 in Steuer­ liste

Anteil

davon in Schuld­ beziehungen

Anteil

andere in Schuld­ beziehungen

Anteil

Frauen

281

15,5 %

45

12,5 %

75

14,4 %

Männer

1525

83,9 %

313

86,7 %

427

81,8 %

11

0,6 %

3

0,8 %

20

3,8 %

1497

unklar

Weiter hatten auch die Straße bzw. die Umgebung30 und für 1497 der Faktor Distanz vom städtischen Zentrum (sprich dem Marktplatz) einen Einfluss auf die Häufigkeit, mit der Personen vor Gericht anzutreffen waren. Um die genannten Faktoren (und auch das schon Dargestellte in Bezug auf das Vermögen) in Bezug auf ihren Einfluss einzeln untersuchen zu können  – und damit den Effekt von Korrelationen auszuschließen31 –, wählte ich das Vorgehen einer logistischen Regression.32 Diese berechnet 29 30 31

32

Ausnahme: Hinweis auf Armut von Schuldnern in Zahlungsschwierigkeiten, siehe Kapitel 3.2.1. Zur Kategorisierung von Straßen und Umgebungen (Milieus) vgl. Anhang 8.2.4. Es ist zum Beispiel naheliegend, dass reiche Personen häufiger an reichen Straßen wohnten, nicht nur wegen des sozialen Effekts, dass sich Gleich und Gleich gerne gesellten (zur Bildung sogenannter Soziotope siehe Schoch, Bevölkerung, S. 64), sondern weil die Präsenz von Reichen dazu führte, eine Straße rein statistisch gesehen als reich zu betrachten. Siehe Anhang 8.3.2.

154

Gerichte nutzen

den Einfluss von kategoriellen oder numerischen Variablen auf die Tatsache, dass eine Person eine gewisse Eigenschaft erfüllt oder nicht. Hier war diese Eigenschaft die Tatsache, dass die Person Teil des vor Gericht fassbaren Schuldennetzwerks der Stadt war. Der Vorteil der logistischen Regression ist es, diese den Einfluss der anderen Faktoren jeweils herausrechnet, d. h., der Einfluss eines Faktors gilt jeweils unter der Annahme, dass alle anderen Faktoren gleich sind. Unter Berücksichtigung der statistisch signifikanten Faktoren (Signifikanzniveau von fünf Prozent) ergeben sich für die beiden Stichproben die folgenden Einflüsse von Geschlecht, Umgebung und Vermögen.33 Tab. 4.6 Logistische Regression 1455, Einfluss und Signifikanz der Faktoren Faktor

Odds Ratio

Signifikanz (p­Wert)

Geschlecht (weiblich)

0,39

0,00000

Straße (reich)

1,43

0,02530

Vermögen (mittel)

2,92

0,00000

Vermögen (reich)

3,21

0,00000

Tab. 4.7 Logistische Regression 1497, Einfluss und Signifikanz der Faktoren34 Faktor

Odds Ratio

Signifikanz (p­Wert)

Geschlecht (weiblich)

0,61

0,00741

Umgebung (mittel)

1,56

0,01400

Umgebung (reich)

1,59

0,00734

Vermögen (mittel)

2,35

0,00008

Vermögen (reich)

2,65

0,00000

Die sogenannte Odds Ratio zeigt den Einfluss des Faktors im Vergleich zur Ausgangskategorie  – diese war hier jeweils eine männliche, arme Person in armem Umfeld. Dazu ein Lesebeispiel: In der Stichprobe von 1455 sind reiche Personen im Verhältnis 3,21 zu 1 stärker vertreten. Das Vermögen war also der wichtigste Einflussfaktor, und es bestätigt sich hier, dass die Präsenz vor Gericht mit steigendem Vermögen zunahm, und zwar in der zeitlich früher liegenden Stichprobe noch etwas stärker. Frauen waren dagegen zu beiden Zeitpunkten unterrepräsentiert, wobei der Effekt des Ge33 34

Beim Vermögen wurde bei beiden Stichproben die dreistufige Kategorisierung gewählt, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Da die Berechnung der Umgebung für Kleinbasel mangels Georeferenzierung nicht zur Verfügung stand, fehlen alle Kleinbasler Einträge in dieser Berechnung.

Kreise von GerichtsnutzerInnen

155

schlechts 1455 stärker ausfiel. Das ist einigermaßen erstaunlich, ließen sich doch auch Frauen Haushalten zuordnen, deren Haushaltsvorstand männlich war, was eher für eine Überrepräsentation der Frauen vor Gericht bzw. für eine Unterrepräsentation der Frauen in der Steuerliste spricht. Unabhängig vom Vermögen (und weniger stark als dieses) spielte es auch eine Rolle, ob jemand in einer eher reichen Umgebung lebte. Während die Stichprobe von 1497 sowohl die mittlere als auch die reiche Umgebung als verstärkend erscheinen lässt, war dies 1455 nur bei den reichen Straßen der Fall. Allerdings ist hier einzuschränken, dass die Berechnung anderen Logiken folgte.35 Wer in reicher Umgebung wohnte, war eineinhalbmal häufiger vor Gericht anzutreffen als Personen aus armer Umgebung. Es ist dabei zu betonen, dass der Faktor Vermögen hier herausgerechnet wird und dies somit auch arme Personen betrifft, die in reicher Umgebung wohnten. Die genaue Georeferenzierung der Stichprobe von 1497 lässt es zu, die Distanz vom Marktplatz als dem wichtigsten wirtschaftlichen Zentrum der Stadt zu berechnen. Dabei zeigt sich, dass mit zunehmender Distanz die Wahrscheinlichkeit abnahm, dass man in einer Schuldsache vor Gericht erschien (auch unter Berücksichtigung des Vermögens, das ja infolge der Konzentration der Reichen um den Markplatz mit zunehmender Distanz auch abnahm).36 Dieser Effekt ist, wie eine grafische Darstellung zeigt, vor allem darauf zurückzuführen, dass die Außenbezirke (z. B. die Vorstadt St. Johann, aber auch St. Alban oder die Aeschenvorstadt) deutlich weniger vor Gericht vertreten waren als das Zentrum, das fast durchgehend rot erscheint (vgl. Abbildung 4.2 im Tafelteil). Das gilt allerdings nicht für alle Vorstädte im gleichen Maß, die Spalenvorstadt zum Beispiel war eher gut vertreten. Übrigens wird der Einfluss der Umgebung in der logistischen Regression nicht mehr messbar, wenn die Distanz in die Berechnung einfließt, was auf einen starken Zusammenhang zwischen den zwei Faktoren schließen lässt: Die reicheren Straßen waren auch in der Nähe des Zentrums zu finden. Die Analyse der räumlichen Autokorrelation (spatial autocorrellation LISA)37 ergibt für diese Daten ein deutliches Bild (vgl. Abbildung 4.3 im Tafelteil). Zu diesem Zweck habe ich ein Raster über das Stadtgebiet gelegt und für jedes Quadrat den Anteil der vor Gericht in Schuldsachen erscheinenden Haushalte an der Gesamtzahl der Haushalte berechnet. Die Analyse untersucht nun, ob räumlich benachbarte Gebiete (hier also die Planquadrate) dazu neigen, ähnliche Ausprägungen einer Variablen (hier der Anteil von Haushalten, die vor Gericht in einer bestimmten Funktion anzutreffen waren) aufzuweisen.38 Das städtische Zentrum weist viele Gebiete mit einem hohen Anteil von vor

35 36 37 38

Siehe Anhang 8.2.4. Vgl. dazu Simon-Muscheid, Arbeit, S. 33: Simon-Muscheid beschreibt dort kurz die Quartiere der Armen, vor allem in den Vorstädten. Vgl. die Ausführungen im Anhang, Abschnitt 8.3.2. Die Analyse beruht auf der Berechnung des „Univariate Local Moran’s I“, die ich mithilfe von GeoDa ausgeführt habe, Details zur Analyse finden sich in Anhang 8.3.2.

156

Gerichte nutzen

Gericht erscheinenden Personen auf. Die Planquadrate mit klarer Unterrepräsentation liegen entlang der Ausfallstraßen einiger, aber nicht aller Vorstädte, die Gebiete dazwischen weisen keine signifikanten Muster von räumlicher Autokorrelation auf. Eine weitere Differenzierung der Gerichtsnutzung hat Hervé Piant bei der Untersuchung eines königlichen Gerichts in Frankreich vorgeschlagen. Innerhalb jeder sozioprofessionellen Kategorie seien die Kläger reicher (oder eher höher besteuert) als die Nichtkläger.39 Um eine ähnliche Untersuchung auch mit der hier vorliegenden Stichprobe durchzuführen, musste ich eine Gliederung in soziale Kategorien finden. Versuche mit dem Vermögen waren nicht erfolgreich, zudem auch nicht sinnvoll, denn die Vermögenskategorie war eben gerade keine soziale Referenz für die Zeitgenossen.40 Als möglicher Ersatz boten sich die Zünfte an, welche durchaus eine hierarchische Gliederung darstellen41 und sich deshalb nach entsprechenden Unterschieden untersuchen lassen. Bei der Zunftzugehörigkeit ist die Sachlage eindeutig. Im gewichteten Mittel sind die Steuervermögen bei den vor Gericht vertretenen Personen um 250 Pfund höher als bei den anderen Personen.42 Die einzigen Zünfte, wo das Gegenteil der Fall ist, sind die Bäcker sowie die Schuhmacher und Gerber, die Ersten deutlich (was allerdings auf zwei Personen zurückzuführen ist), die Zweiten knapp. Auch bei Betrachtung der Straßen zeigt sich ein ähnliches (und ebenfalls signifikantes Bild). Im gewichteten Durchschnitt aller Straßen (ohne Kleinbasel, da dort die Straßen nicht bekannt sind) lag das Vermögen der GerichtsnutzerInnen einer Straße 415 Pfund höher als dasjenige der NichtnutzerInnen der gleichen Straße. Es gab einige Straßen43 mit gegenläufiger Tendenz, allerdings betrifft das fast ausschließlich Straßen mit wenigen Steuerlisteneinträgen.44 Straßen sind nun nicht als soziale Gruppen zu sehen, obwohl es durchaus Gebiete gab in der Stadt, deren Einwohnerschaft durch soziale Homogenität auffiel.45 Trotzdem bestätigt diese Beobachtung, dass innerhalb von verschiedenen sozialen Formationen tatsächlich (und in Übereinstimmung mit den Feststellungen von Hervé Piant) die reicheren Personen häufiger vor Gericht anzutreffen waren. Zwischen den Zünften schließlich unterschied sich der Zugang zum Gericht, was sich an der Korrelation zwischen dem Durchschnittsvermögen der Zunft und dem Anteil der an Gerichtsprozessen beteiligten Personen ablesen lässt. Diese ist signi39 40

41 42 43 44 45

Piant, Procès, S. 35. Siehe zur Schichtung Anhang 8.2.3. Die Multiway-Varianzanalyse, welche innerhalb verschiedener Gruppen nach Unterschieden zwischen Ausprägungen einer dritten Variable fragt, zeigte bei den Vermögenskategorien entsprechend kein signifikantes Resultat (bei einem p-Wert von 0,9920). Die Vermögenskategorie eignet sich deshalb nicht für die Bildung von Gruppen. Vgl. Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 10 (siehe aber auch den Hinweis auf Unterschiede innerhalb der Zünfte auf S. 53 f.). Siehe Tabelle 8.8 im Anhang 8.4.1. Konkret waren es neun von 57. Ausnahmen mit größerer Zahl von Haushalten waren der Kornmarkt, die Eissengasse sowie die Gebiete „Uff dem obern Birsich“ und „vom Rheintor zum Fischmarkt“. Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 199 und 202.

Kreise von GerichtsnutzerInnen

157

fikant46 und beträgt 0,505, was bedeutet, dass das durchschnittliche Vermögen der Zünfter die Beteiligung der jeweiligen Zünfte am Gericht zu gut 25 Prozent erklärt. Das ist angesicht der oben getroffenen Feststellungen nicht erstaunlich. Mittels logistischer Regression untersuchte ich nun den Einfluss der Zunftzugehörigkeit auf die Beteiligung an Gerichtsverfahren. Dabei werden Vermögenseffekte herausgerechnet, indem das Steuervermögen in die Regression einbezogen wird. Signifikant unterrepräsentiert vor Gericht waren unabhängig von der schlechten Vermögenslage Grautucher und Rebleute, Leinweber und Weber sowie die Zimmerleute und Maurer (und ebenso die Nichtzünftigen). Signifikant überrepräsentiert waren die Mitglieder der Hohen Stube, die Krämer, die Schiffsleute und Fischer sowie die Schmiede (und außerdem die Bäcker, die in der Regression als Referenzwert genommen wurden und deshalb in der Tabelle nicht aufscheinen. Die Bäcker wiesen aber die höchste Beteiligung auf (das lässt sich auch an den tiefen Werten des „Estimate“ in der Regression erkennen). In dieser Gruppe fallen die Schiffsleute und Fischer auf, die tatsächlich relativ häufig vor Gericht anzutreffen waren, aber ein sehr geringes Durchschnittsvermögen von 122 Pfund aufwiesen. Zusammenfassend lässt sich die Erkenntnis dieses Abschnitts folgendermaßen festhalten: Wenn Schulden vor Gericht in irgendeiner Form verhandelt wurden, waren Frauen im Vergleich zur Steuerliste unterrepräsentiert, Reiche hingegen außerordentlich überrepräsentiert. Ebenfalls überrepräsentiert, allerdings deutlich schwächer, waren Personen aus reicher Umgebung. Die Stichprobe von 1497 lässt zudem erkennen, dass eine größere Nähe zum Stadtzentrum sich in einer größeren Präsenz vor Gericht niederschlug. Diese Faktoren wirkten jeweils unabhängig voneinander, wie die logistische Regression gezeigt hat. Sie verstärkten sich aber auch gegenseitig, sodass reiche Männer in Zentrumsnähe als die häufigsten Gerichtsnutzer ausgemacht werden können. Wie oben erwähnt, hat auch Beate Sturm fürs frühneuzeitliche Hannover ähnliche Verhältnisse beobachtet. Sie relativiert diese Feststellung mit der Vermutung, dass die Unterschicht wohl auch am Kreditwesen beteiligt war, doch häufiger mit nicht verschriftlichten  – und somit nicht einklagbaren  – Krediten, zudem konnte sie die Pfandleihe nicht systematisch erfassen. Sie kommt zu folgendem Schluss: „Es liegt demnach die Vermutung nahe, dass auch in Hannover alle Schichten am Kreditwesen beteiligt waren. Die Teilnahme der Menschen nahm dabei proportional zum sozialen Status zu.“47 Man könnte mit Clare Haru Crowston die Verhältnisse – durchaus etwas zynisch – auch folgendermaßen beschreiben: „There were few Old Regime subjects who did not recognize and participate in credit systems in some manner, if only as the marginalized whose exclusion helped consolidate the privileges of others.“48 Ob die 46 47 48

Bei einem p-Wert von 0,0163. Sturm, Privatkredit, S. 83. Crowston, Credit, S. 320.

158

Gerichte nutzen

ärmeren Schichten tatsächlich weniger eingebunden waren in die Schuldenwirtschaft oder ihre Schulden einfach seltener vor Gericht verhandelten, ist damit noch nicht geklärt. Ich komme später auf diese Frage zurück. SchuldnerInnen und GläubigerInnen Die bisherige Auswertung unterschied noch nicht nach der Rolle, welche die betreffenden Personen vor Gericht einnahmen. Die hier folgenden Auswertungen fragen deshalb noch nach dem wichtigsten Attribut, nämlich ob eine Person als GläubigerIn oder als SchuldnerIn vor Gericht auftrat.49 Tab. 4.8 Logistische Regression 1455, Einfluss der Faktoren Geschlecht, Umgebung und Vermögen Faktor

GläubigerInnen

SchuldnerInnen

Odds Ratio

Signifikanz

Odds Ratio

Signifikanz

Geschlecht (weiblich)

0,42

0,00001

0,38

0,00001

Straße (mittel)

1,05

0,76549

0,87

0,39150

Straße (reich)

1,72

0,00363

1,47

0,05360

Vermögen (mittel)

3,97

0,00000

1,07

0,80070

Vermögen (reich)

4,31

0,00000

1,39

0,20570

Tab. 4.9 Logistische Regression 1497, Einfluss der Faktoren Geschlecht, Umgebung und Vermögen Faktor

GläubigerInnen

SchuldnerInnen

Odds Ratio

Signifikanz

Odds Ratio

Signifikanz

Geschlecht (weiblich)

0,50

0,00372

0,71

0,16540

Umgebung (mittel)

1,85

0,00294

1,50

0,09170

Umgebung (reich)

1,91

0,00097

1,30

0,28450

Vermögen (mittel)

3,35

0,00000

0,78

0,49400

Vermögen (reich)

4,41

0,00000

0,72

0,34550

49

Personen, die in anderer Funktion an den Streitigkeiten um Schulden beteiligt waren, etwa als BürgInnen oder weil sie Güter bei sich hatten, die in Verbot gelegt worden waren, werden in der Folge nicht mehr berücksichtigt.

159

Kreise von GerichtsnutzerInnen

Es zeigt sich, dass diese Faktoren fast nur in Bezug auf die GläubigerInnen signifikante Werte aufweisen – einzige Ausnahme bildet bei den SchuldnerInnen der Faktor Geschlecht, der eine leichte Unterrepräsentation der Frauen unter den SchuldnerInnen anzeigt. Die Odds Ratios nehmen für die GläubigerInnen beider Stichproben sehr ähnliche Werte an, die zeigen, dass die reiche Umgebung und mehr noch das eigene Vermögen maßgeblich dazu beitrugen, als GläubigerIn vor Gericht zu erscheinen. Das lässt zwei Schlussfolgerungen zu. Erstens waren unter den SchuldnerInnen die verschiedenen Kategorien einigermaßen regelmäßig verteilt, d. h., dass die SchuldnerInnen in Bezug auf alle Haushalte der Steuerlisten nicht besonders herausstachen. Es waren konkret unter den Reichen ähnlich viele Personen als SchuldnerInnen anzutreffen wie in den ärmeren Bevölkerungsschichten. Zweitens – und das ergibt sich aus der ersten Feststellung – sind die oben genannten Unterschiede der Gerichtsnutzung somit vor allem darauf zurückzuführen, dass bestimmte Kreise, darunter besonders zu erwähnen die Reichen der Stadt, besonders häufig als GläubigerInnen vor Gericht auftraten. Diese Aussage ist allerdings etwas zu nuancieren. Wird bei der Stichprobe 1455 die präzise Angabe des Vermögens anstelle der Kategorien eingesetzt, zeigt sich ein signifikanter, wenn auch kleiner Zusammenhang zwischen der Vermögenshöhe und der einer größeren Häufigkeit des Auftretens als SchuldnerIn. Dasselbe gilt für die reiche Umgebung. Es ist somit klar, dass Schulden nicht nur als Armuts- und Krisenphänomen zu verstehen sind, sondern auch reichere Gesellschaftsschichten betrafen.50 Die Übersicht über die Anteile von SchuldnerInnen und GläubigerInnen an den Haushalten der Steuerliste der Stichprobe von 1455 zeigt diese Phänomene am Beispiel der Vermögenskategorien gut auf (siehe Tabelle 4.10). Die grafische Darstellung zeigt einen klaren Anstieg des Anteils der GläubigerInnen, während die Kurve der SchuldnerInnen keine eindeutige Tendenz, wohl aber einen leichten Anstieg bei den reicheren Kategorien zeigt (siehe Abbildung 4.4). Tab. 4.10 Anteile von SchuldnerInnen und GläubigerInnen an den Haushalten der Steuerliste, Stichprobe 1455 sehr arm

arm

mittel

reich

sehr reich

Anteil SchuldnerInnen

8,7 %

8,2 %

13,1 %

10,9 %

17,8 %

Anteil GläubigerInnen

3,7 %

9,0 %

19,5 %

32,8 %

36,4 %

50

Vgl. Küpker/Maegraith/Ogilvie, Household, S. 136: „Borrowing was not primarily an indicator of crisis or poverty but instead a strategy deployed by a wide cross-section of rural society to smooth consumption, make investments, and diversify risks.“

160

Gerichte nutzen 40.0 % 35.0 % 30.0 % 25.0 % 20.0 % 15.0 % 10.0 % 5.0 % 0.0 %

sehr arm

arm Anteil SchuldnerInnen

mittel

reich

sehr reich

Anteil GläubigerInnen

Abb. 4.4 Anteile von SchuldnerInnen und GläubigerInnen an den Haushalten der Steuerliste, Stichprobe 1455

Wie angesichts der Verteilung der vor Gericht anzutreffenden Personen zu erwarten ist, sank auch die Wahrscheinlichkeit, als GläubigerIn oder als SchuldnerIn vor Gericht zu erscheinen, mit steigender Distanz vom Stadtzentrum. Die Mediandistanz der GläubigerInnen vom Marktplatz, der als Zentrum der Stadt ermittelt wurde, betrug rund 140 Meter, bei den SchuldnerInnen belief sich diese Distanz auf fast 200 Meter.51 Pro 100 Meter Distanz vom Marktplatz sank die Wahrscheinlichkeit, als SchuldnerIn vor Gericht zu erscheinen, um rund 10,6 Prozent, für GläubigerInnen gar um 17,5 Prozent. Daraus ergibt sich auch, dass die Konzentration im Zentrum bei den GläubigerInnen ausgeprägter war als bei den SchuldnerInnen.52 Abbildung 4.5 (Tafelteil) zeigt dies, indem für die jeweiligen Planquadrate zwischen SchuldnerInnen und GläubigerInnen unterschieden wurde. Planquadrate mit hohem Anteil erscheinen eher rötlich, solche mit geringem Anteil bläulich eingefärbt. Was bedeuten aber die Unterschiede zwischen den GläubigerInnen und den SchuldnerInnen? In der Regel können wir davon ausgehen, dass die GläubigerInnen das Gericht anriefen und die SchuldnerInnen mehr oder weniger gezwungen waren, vor die-

51 52

Der Unterschied ist gemäß Mood’s Median-Test signifikant, p-Wert: 0,00068. Es gibt übrigens nur beim Median signifikante Unterschiede, der Mittelwert der Distanzen unterscheidet sich nicht signifikant (n = 902 Beziehungen). Vgl. dazu die Situation im frühneuzeitlichen Hannover, wie sie Sturm, Privatkredit, S. 250 f., beschreibt: Gläubiger konzentrierten sich eher in bestimmten Stadtvierteln, die Schuldner stammten aus allen Teilen der Stadt.

Kreise von GerichtsnutzerInnen

161

sem zu erscheinen. Angesichts der oben dargestellten Nutzung erscheint das Gericht deshalb als Instrument in der Hand vornehmlich der reichen Männer aus dem städtischen Zentrum, das ihnen dazu diente, ihre Guthaben bei SchuldnerInnen aus allen gesellschaftlichen Schichten einzutreiben.53 Um diese Perspektive zu untermauern, habe ich die Berechnung von Anteilen einer Untersuchung der räumlichen Autokorrelation unterzogen. Abbildung 4.6 (Tafelteil) zeigt die Planquadrate, die signifikante Werte aufweisen. Es fällt vor allem die Konzentration der GläubigerInnen im Zentrum auf, während bei den SchuldnerInnen ebenfalls ein Kern beim Kopf der Rheinbrücke besteht. Aussagen in Bezug auf die peripheren Gebiete sind mit mehr Vorsicht zu genießen, die deutlich geringeren Anteile sind auf jeden Fall dort anzutreffen. In der Spalenvorstadt und der Steinenvorstadt sind aber auch viele SchuldnerInnen anzutreffen, was auch auf die unterschiedliche Topografie der GläubigerInnen und SchuldnerInnen hinweist. Während bei den GläubigerInnen der Kern klar dominiert, streuen Letztere weiter, d. h., dass es sowohl Schuldbeziehungen mit einem klaren topografischen Gefälle zwischen Zentrum und Peripherie gab als auch Schuldbeziehungen innerhalb des Kerns.54 Die Schuldbeziehungen im Zentrum decken sich mit der Beobachtung, dass reichere Gesellschaftsschichten durchaus auch in der Rolle als Schuldnerin vor Gericht anzutreffen waren. Dass es zuweilen die gleichen Personen aus dem Zentrum waren, die in beiden Rollen auftraten, verstärkt die beobachteten Effekte. Die Beobachtungen zur Topografie decken sich mit der Unterscheidung von Zonen, wie sie Alessandro Stella zur Sozialtopografie von Florenz vornimmt. Er unterscheidet drei Zonen, nämlich eine zentrale Zone für die Eliten, die Peripherie für die Marginalisierten und Pufferzonen dazwischen.55 4.1.2 Nutzung des Schultheißengerichts durch Auswärtige Wie eingangs des vorherigen Kapitels erwähnt, betrafen die Auswertungen in Bezug auf Vermögen und Umgebung nur die zwei Fünftel aller Personen, die auf der Steuerliste einem Haushalt zugeordnet werden konnten. Der Schluss, dass die restlichen Personen nicht aus Basel stammten, ist allerdings nicht zulässig. Einige Personen werden in der Quelle als Bürger von Basel bezeichnet, bei anderen finden sich Angaben zur 53 54

55

Vgl. dazu Piant, Justice, S. 108: Bei den Klägern sind die „groupes dominants“ überrepräsentiert. Zu den Armen hält Piant fest: „Inversement à ce rôle primordial des notables (sauf parmi les accusés), les plus pauvres sont les grands absents du recours judiciaire.“ Eine detailliertere Darstellung der Sozialtopografie findet sich bei Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 199–204. Diese Beobachtungen der Koexistenz von einzelnen sehr homogenen und vielen stark durchmischten Straßen sind aber mit der hier vorliegenden, stärker auf eine Gesamtstruktur fokussierenden Betrachtungsweise nicht einfach zur Deckung zu bringen. Zitiert in Greilsammer, Roue, S. 115.

162

Gerichte nutzen

Herkunft innerhalb der Stadt. Letzteres war etwa der Fall bei der Frönung von „toub Ennelis hus in der maltzgassen“ durch Konrad Slebitzer, oder wenn „Eilse die schererin zem Boimlin“ als Zeugin aussagt über eine ihr geschuldete Summe und dabei mittels der Ortsbezeichnung „zum Bäumlin“ in der Basler Bäumleingasse verortet werden kann.56 Die Möglichkeiten der Identifikation sind eingeschränkt, weil die Steuerlisten nicht Einzelpersonen, sondern Haushalte anführen und es oft keine Hinweise gibt, welchem Haushalt eine Person zuzuordnen ist. Andere hingegen stammten eindeutig nicht aus Basel. Sie wurden mit ihrem Herkunftsort genannt oder wie zum Beispiel Hans Rül als „schultheiss zü Colmar“ via ihre Funktion als Auswärtige erkenntlich gemacht.57 Nicht immer ist hingegen klar, ob eine Herkunftsangabe gar nicht mehr die eigentliche Herkunft bezeichnete, sondern zum Nachnamen geworden war. So etwa bei Mathis von Laufen, einem Metzger, der 1497 ein Zahlungsversprechen an Jakob Stark abgab. Er versprach, innerhalb von 14 Tagen zu bezahlen „oder sich zestellen“.58 Dieses Versprechen, sich bei Nichtbezahlung in die Stadt zu begeben und dort bis zur endgültigen Regelung der Angelegenheit zu bleiben, kam häufig vor und half dabei, Herkunftsbezeichnungen und Nachnamen zu unterscheiden.59 Nur selten wurde die eigentliche Anreise in den Quellen thematisiert wie bei Hans Zimmermann von Aarau. Da „die von Arow geschriben, daz Hans Zimerman uff hutt nit mag erschinen, sonnder uffslag begert“, wurde das Verfahren vertagt.60 Neben den in der Steuerliste identifizierbaren und den anderen BaslerInnen sowie den eindeutig nicht aus Basel stammenden Personen gab es eine weitere Gruppe, deren Angaben keine weitere Identifikation zuließen. Tabelle 4.11 zeigt die Verteilung aller im Zusammenhang mit Schulden vorkommenden Personen auf die vier Gruppen. Bei der Stichprobe von 1455 habe ich zudem versucht zu ermitteln, welche Personen vermutlich aus Basel stammten. Als Indizien zog ich dabei den Namen hinzu. Nachnamen, welche in Basel nachweislich waren61 oder in der Stichprobe häufig vorkamen, wurde in diese Kategorie eingeteilt. Außerdem ordnete ich auch als Handwerker erkennbare Personen dieser Gruppe zu. So konnte von rund der Hälfte der Personen vermutet werden, dass sie aus Basel stammten.

56 57 58 59 60 61

Beide Beispiele aus der Stichprobe 1455. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 11v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 18v. StABS, Gerichtsarchiv E 7, 51r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 35v. Genauere Auskünfte zu Problemen der Identifikation von Personen im Anhang 8.2.5. Die Anzahl unsicherer Fälle war dank solcher Angaben schlussendlich sehr klein. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 259v. Bei den Basler Familiennamen stütze ich mich auf die Arbeiten von Arnold Lotz (StABS, PA 355 C und D).

163

Kreise von GerichtsnutzerInnen

Tab. 4.11 Herkunft der Personen, die im Zusammenhang mit Schulden vor Gericht erschienen aus Basel (in Steuerliste)

aus Basel (nicht in nicht aus Basel Steuerliste)

von den Unklaren unklar wahrscheinlich aus Basel

1455

426

98

152

320

155

1497

359

64

242

218

k. a.

1455

42,8 %

9,8 %

15,3 %

32,1 %

1497

40,7 %

7,2 %

27,4 %

24,7 %

Auffällig ist der höhere Anteil von NichtbaslerInnen in der späteren Stichprobe. Es ist denkbar, dass der Unterschied auf die höhere Quote von Personen mit unklarer Herkunft in der früheren Stichprobe zurückzuführen ist. Zwei Aspekte sprechen aber dagegen: Erstens ist die Gruppe derer, die wahrscheinlich aus Basel stammten, in der ersten Stichprobe relativ groß, und zweitens ist in der zweiten Stichprobe auch der Anteil derjenigen, die sicher aus Basel stammten, fast fünf Prozentpunkte geringer. Es ist somit sehr wahrscheinlich, dass die Kreise der NutzerInnen des Gerichts im späten 15. Jahrhundert räumlich weiter gezogen waren als noch in der Mitte des Jahrhunderts. Diese weiteren Kreise waren allerdings mit einer geringeren Beteiligung verbunden, wie Tabelle 4.12 zeigt. Sowohl die NichtbaslerInnen als auch die Personen, deren Herkunft unklar ist, wiesen deutlich (und signifikant)62 weniger Beziehungen auf als die BaslerInnen. Bei Letzteren ist der Wert quasi unabhängig von der Tatsache, ob die Person auf der Steuerliste identifiziert werden konnte oder nicht. Dass der Wert der nicht lokalisierbaren Personen zwischen den Auswärtigen und den BaslerInnen liegt, ist ein Indiz dafür, dass diese Kategorie Personen aus beiden Gruppen umfasst. Die größere Beteiligung von Auswärtigen wurde also durch eine geringere Häufigkeit der Beteiligung derselben Personengruppe nuanciert. Die entsprechenden Werte von 1455 hingegen weisen keine statistisch signifikanten Unterschiede auf – sie liegen auch deutlich näher. Die Gruppe von auswärtigen Personen war somit 1455 kleiner, aber ähnlich stark eingebunden wie die BaslerInnen. Auffällig ist hingegen der Unterschied zwischen den vermutlich aus Basel stammenden Personen und den restlichen nicht lokalisierbaren Personen. Die wahrscheinlich aus Basel Stammenden wiesen die höchste, die restlichen dagegen die geringste Anzahl Beziehungen pro Person auf. Das könnte, vor allem bei Betrachtung der Stichprobe 1497, ein Hinweis darauf sein, dass die Unter-

62

CHI2-Test zwischen den Kategorien Basel gesamt, NichtbaslerInnen und Unklare, p-Wert 0.0000406.

164

Gerichte nutzen

teilung der Gruppe im Großen und Ganzen korrekt ist. Es kann aber auch Ausdruck der Tatsache sein, dass die Personen, die weniger häufig erwähnt waren, oft auch weniger genau umschrieben waren.63 Tab. 4.12 Anzahl Beziehungen pro Person in den verschiedenen Herkunftskategorien beider Stichproben Basel (Steuer­ liste)

Basel unklar, gesamt nicht aus unklar (nicht in wahr. aus aus Basel Basel (gesamt) Basel Liste)

Anzahl Be­ ziehungen

1455

731

144

875

247

504

294

Anzahl Personen

1455

439

85

524

151

317

155

Beziehun­ gen/Person

1455

1,67

1,69

1,67

1,64

1,59

1,90

Anzahl Be­ ziehungen

1497

747

171

918

356

263

Anzahl Personen

1497

361

84

445

260

178

Beziehun­ gen/Person

1497

2,07

2,04

2,06

1,37

1,48

Auch in Bezug auf die Herkunft ist es spannend, ob die vor Gericht anzutreffenden Personen in der Funktion als GläubigerIn (und potenziell als KlägerIn) oder eher als SchuldnerIn (und somit eher als beklagte Person) auftraten. Die Auflistung der Anzahl von Beziehungen als SchuldnerIn und als GläubigerIn – absolut und auf die Anzahl Personen der Kategorie gerechnet – zeigt für beide Stichproben Unterschiede, die auch den Test nach statistischer Signifikanz bestehen.64 BaslerInnen wiesen mehr Beziehungen als GläubigerInnen auf, in den anderen zwei Kategorien hingegen überwogen die Beziehungen als SchuldnerInnen (vgl. Tabelle 4.13). Die Unterschiede zwischen den Kategorien „Unklar“ und „Nicht aus Basel“ waren dagegen nicht sehr groß, sie beliefen sich hauptsächlich darauf, dass NichtbaslerInnen weniger häufig als GläubigerInnen auftraten.65 Es waren also eher die BaslerInnen, welche Leute aus dem 63 64 65

Dieser Effekt zeigt sich vor allem bei Personen, die sehr häufig vorkamen. Diese ließen sich in der Regel gut identifizieren, weil bei verschiedenen Nennungen verschiedene Informationen erwähnt waren. Es handelt sich um sehr deutliche p-Werte von 0,000017 (Stichprobe 1455) bzw. 0,0000000000024 (Stichprobe 1497). Auch dies ist eine Bestätigung für die ungefähr gleichmäßige Verteilung der Unklaren auf Basel und Umland.

165

Kreise von GerichtsnutzerInnen

Umland vor Gericht brachten, als die Auswärtigen, die ihre Schuld einklagen kamen. Es stellt sich die Fragen, inwiefern dies eine Frage der Wahl des Gerichts war, denn oftmals konnten Gläubiger wohl Gerichte an ihrem Wohnort wählen. Tab. 4.13 Anzahl Beziehungen als GläubigerIn und SchuldnerIn, aufgegliedert nach Herkunft, beide Stichproben Basel (Steuer­ liste)

Basel (nicht in Liste)

nicht aus Basel

unklar

unklar, wahr. aus Basel

Anzahl Personen

1455

398

75

142

298

143

Beziehun­ gen als SchuldnerIn

1455

344

48

138

301

145

Beziehun­ gen als GläubigerIn

1455

442

85

63

241

115

Schuldne­ rIn/Person

1455

0,86

0,64

0,97

1,01

1,01

Gläubige­ rIn/Person

1455

1,11

1,13

0,44

0,81

0,80

Anzahl Personen

1497

349

81

243

167

Beziehun­ gen als SchuldnerIn

1497

453

67

197

131

Beziehun­ gen als GläubigerIn

1497

495

103

127

123

Schuldne­ rIn/Person

1497

1,30

0,83

0,81

0,78

Gläubige­ rIn/Person

1497

1,42

1,27

0,52

0,74

Die Rolle der Auswärtigen lässt sich genauer aufschlüsseln nach der Distanz der Person. Im Durchschnitt lebten die lokalisierbaren Personen rund 50 Kilometer (1455) bzw. rund 58 Kilometer (1497) von Basel entfernt. Diese hohe Entfernungen sind zwar auf einzelne sehr hohe Werte zurückzuführen,66 aber sie zeigen auch an, dass nicht nur das

66

Vgl. die angeführten Beispiele in Kapitel 6.2.2.

166

Gerichte nutzen

nächste Umland der Stadt in den Gerichtsprozessen um Schulden vertreten war. Der Unterschied zwischen SchuldnerInnen und GläubigerInnen war deutlich, vor allem in der späteren Stichprobe (siehe Tabelle 4.14), wo die GläubigerInnen im Durchschnitt mehr als 30 Kilometer größere Entfernungen von der Stadt Basel aufwiesen. Tab. 4.14 Durchschnittliche Entfernung der GläubigerInnen und der SchuldnerInnen beider Stichproben, n = 164 (1455) bzw. 262 (1497) 1455

1497

Distanz SchuldnerIn von außerhalb Basels (ø)

48,2

40,4

Distanz GläubigerIn von außerhalb Basels (ø)

54,0

89,0

1.60 1.40 1.20 1.00 0.80 0.60 0.40 0.20 0.00

Unklar

Basel

2–10 km

Beziehungen als GläubigerIn

10–20 km

20–40 km

40–100 km

>100 km

Beziehungen als SchuldnerIn

Abb. 4.7 Beteiligung als GläubigerIn oder SchuldnerIn 1497 in Abhängigkeit von der Distanzklasse, gemessen in Anzahl Beziehungen pro Person

Mit der Bildung von sechs Distanzkategorien67 habe ich die Auswärtigen gruppiert und konnte damit für 1497 – welche auch die Stichprobe mit dem größeren Anteil von Auswärtigen darstellt – eine differenzierte Gerichtsnutzung in Abhängigkeit von der Distanz feststellen (vgl. Abbildung 4.7).68 Je weiter die Person von Basel entfernt war, desto eher war sie Gläubigerin, umgekehrt waren die SchuldnerInnen eher in der nä67 68

Siehe Anhang 8.2.4. Da ein CHI2-Test für 1455 keine signifikanten Unterschiede ergab, verzichte ich auf die Darstellung für diese Stichprobe. 1497 ist auch der Unterschied innerhalb der Auswärtigen (also ohne die BaslerInnen) signifikant, der CHI2-Test ergibt einen p-Wert von 0,0000018.

Kreise von GerichtsnutzerInnen

167

heren Umgebung von Basel zu finden – und ungefähr im gleichen Ausmaß wie in der Stadt, was die Anzahl von Schuldbeziehungen pro Person betrifft. Ab einer Distanz von 20 Kilometern (d. h. Kategorie 4 und höher) sinkt die Anzahl Beziehungen als SchuldnerIn deutlich ab, während umgekehrt die Anzahl Beziehungen als GläubigerIn klar ansteigt. Erst in der äußerten Kategorie mit Distanzen über 100 Kilometern übertreffen die Gläubigerbeziehungen die Schuldbeziehungen, es sind aber immer noch weniger Verhältnisse als GläubigerIn als in der Stadt Basel. Die Karten, welche (im gleichen Ausschnitt) für beide Stichproben alle auswärtigen an Schuldbeziehungen beteiligten Personen darstellen, finden sich im Tafelteil.69 Sie zeigen eine klare Streuung der weiter entfernten Personen in Richtung Nordosten. Im Westen scheint die Sprachgrenze einen Rand zu bilden.70 Eine vergleichbare Streuung nach Nordosten, mit etwas größeren Distanzen, fand sich übrigens auch bei der Herkunft der Schlossergesellen in Basel.71 Deutlich ist auch die größere Streuung der GläubigerInnen 1497, 1455 erscheint dies weniger klar. Die vergrößerte Darstellung des näheren Umlandes von Basel zeigt die große Dichte von SchuldnerInnen im unmittelbaren Umfeld viel deutlicher (und für 1497 auch ausgeprägter). Werden nur die Personen in einer Distanz von maximal 40 Kilometern betrachtet, liegen die Schwerpunkte der SchuldnerInnen von beiden Stichproben sehr nahe bei Basel, was für eine sehr regelmäßige Verteilung der beteiligten Personen im näheren Umfeld spricht (siehe Abbildung 4.12 im Tafelteil). Die oben erwähnte Tendenz in Richtung Nordosten wird erst fassbar, wenn alle bekannten Koordinaten einbezogen werden, also auch die in mehr als 40 Kilometern Entfernung (runde Symbole). Dabei zeigt sich, dass die Tendenz 1497 ausgeprägter war. Die Schwerpunkte der GläubigerInnen im engeren Umkreis hingegen weichen eher etwas ab. 1497 ergibt sich eine leichte Tendenz nach Osten, wo es 1455 noch eine Abweichung nach Süden war. Werden jedoch die größeren Distanzen auch berücksichtigt, verschieben sich die Schwerpunkte wieder auf die Nordostachse, wiederum mit einer stärker ausgeprägten Stichprobe von 1497.72 Das Basler Schultheißengericht diente folglich in erster Linie den BaslerInnen, um bei Leuten aus der Stadt und aus dem näheren und etwas seltener aus dem weiteren Umland der Stadt Schulden einzutreiben. Das nähere Umland im Umkreis von 20 Kilometern war dabei der Stadt vergleichbar, was die Anzahl der Schuldbeziehungen pro 69 70 71 72

Siehe Abbildung 4.8, Abbildung 4.9, Abbildung 4.10 und Abbildung 4.11, alle im Tafelteil. Vgl. Rippmann, Bauern, S. 137: Die Sprachgrenze im Westen bildete den Rand des Einzugsgebiets der Basler Messen. Schulz, Zünfte, S. 338: Sie kamen aus dem ganzen Reich, viele aus 100 bis 250 Kilometer Entfernung. Die vier Gruppen unterscheiden sich in ihrem Schwerpunkt deutlich, wie ein sogenannter MANOVA-Test ergab (p-Wert von 0,032). Dieser ist eine Anwendung der Varianzanalyse auf mehrere abhängige Variablen, hier die geografische Länge und Breite. Vor allem Letztere, d. h. die Nord-Süd-Achse unterschied sich innerhalb des Perimeters von 40 Kilometern deutlich.

168

Gerichte nutzen

Person anbelangte. Eine zweite, zahlenmäßig viel kleinere Gruppe bestand aus GläubigerInnen, die aus sehr großen Distanzen von mehr als 100 Kilometern herkamen. Diese Gruppe bestand wohl hauptsächlich aus Personen, die aus professionellen Gründen unterwegs waren. Der Vergleich mit dem Median zeigt bei beiden Durchschnittsdistanzen an, dass einige Personen in großer Distanz den Durchschnitt nach oben drücken, aber auch der Median unterscheidet sich klar: Die meisten SchuldnerInnen kamen aus einem viel näheren Umkreis von 15 Kilometern, während die Hälfte der GläubigerInnen im Umkreis von 35 Kilometern streute. Es liegt deshalb naheliegend, eine Zentrumsfunktion von Basel für Personen in einem näheren Umfeld zu vermuten, wobei Basel dazu diente, rurale Gegenden mit Geld zu versorgen.73 Für das nähere Umfeld scheint ein Radius von 20 bis 30 Kilometern ein angemessener Wert zu sein.74 In umgekehrter Richtung würde ich eher nicht von Zentrumsfunktion sprechen, sondern die Beziehungen als Einbindung Basels in einen großräumigen Wirtschaftsraum lesen. 4.1.3 Zur Rolle der Frauen vor Gericht Die Frage nach der rechtlichen Stellung der Frau ist schon alt. Ältere Vorstellungen einer fast vollständigen Abhängigkeit von ihrem Vormund – auch als Vogt oder Beistand bezeichnet – haben jüngere Arbeiten relativiert, die eine Praxis beobachten, welche in vielen Aspekten von den Normen abwich.75 Es kann hier deshalb nicht darum gehen, abschließend zu urteilen, was angesichts der wenig einheitlichen Praxis auch kaum möglich wäre. Vielmehr möchte ich mit der Darstellung von einigen Einzelfällen kurz das Feld der Handlungsoptionen für Frauen darlegen. Den Rahmen steckt vielleicht am besten ein Beispiel aus dem Jahr 1456 ab. In einer umfassenden Sammlung von Kundschaften wird ein Fall dargelegt, der hier stellvertretend die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Frau, insbesondere der Ehefrau, untermalen kann.76 Es handelt sich um den Ehekonflikt zwischen Ennelin Schöllner und Peter Sinwels. Letz73

74

75 76

Rippmann, Wandel, S. 152, sieht übrigens gerade in den Kreditgeschäften mit städtischen Geldgebern die Ursache für die langfristig schlechte Ertragslage der Bauern. Ein Beispiel für die Untersuchung von Zentrumsfunktionen von mittelalterlichen Städten in Schuldbeziehungen bei Nicholas, Credit (in Bezug auf Ypern im 13. Jahrhundert). Rippmann, Bauern, S. 132, sieht einen Umkreis von 30 Kilometern als „engeres Marktgebiet“; Masschaele, Peasants, S. 82: Ein Radius von etwa 20 Meilen markiert die Grenze des regionalen Einflusses einer Stadt. Vgl. auch Piant, Justice, S. 102, zur geografischen Verteilung der Kläger: 75  Prozent stammten aus dem Ort selbst, 17  Prozent aus dem Umfeld von 20 Kilometern, acht Prozent von weiter weg. Vgl. zu Basel Signori, Geschlechtsvormundschaft. Die Arbeit greift ältere Literatur auf und untersucht die Praxis anhand von Akten freiwilliger Gerichtsbarkeit im sogenannten Fertigungsbuch des Schultheißengerichts. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 88r–91v.

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169

terer hatte offenbar Ehebruch begangen und drohte in einem heftigen Konflikt mit Gewalt, worauf Ennelin Schöllner das gemeinsame Haus verließ. Der eigentliche Konflikt wurde laut den Kundschaften vom Basler Rat und vom Offizial als geistlichem Gericht dahingehend gelöst, dass die beiden Eheleute aufgefordert wurden, wieder zusammenzuleben, was auch geschah. Das Schultheißengericht kam da ins Spiel, wo der Besitz der Frau betroffen war. Laut einem Ratsbeschluss sollte nämlich das Gut inventarisiert und dabei getrennt werden, dies auf Antrag der Frau, die aussagte, dass „Peter, ir eeman, ir schultbuch hette und ir ire schulden und innemen und anders das ir vertete und gienge us und in in dem iren und wolte sy nit daby lassen“.77 Sie fürchtete also, dass der Mann ihre Güter und Einkommen, zu denen auch in einem Buch verzeichnete Schuldguthaben gehörten, verprassen könnte. Die Trennung habe auch stattgefunden, und das Schuldbuch sei anlässlich des Inventars zum Schultheißen gelangt, der es Ennelin Schöllner aber auf Nachfrage nicht herausrücken wollte, ohne Rücksprache mit dem Mann zu nehmen. Der Fall beleuchtet in einer Extremsituation viele Aspekte, welche die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Frau im Spätmittelalter charakterisierten. Einerseits spricht die Tatsache, dass sie ein eigenes Schuldbuch hatte und dieses sowie ihre Möbel und weitere Werte vor dem Zugriff des Mannes schützen konnte, durchaus für eine gewisse Eigenständigkeit in wirtschaftlichen Belangen.78 Andererseits stehen dieser Feststellung sehr enge Schranken in der Bewältigung der Konfliktsituation gegenüber. Es blieb ihr kaum eine andere Möglichkeit, als zu ihrem Mann zurückzukehren. Zudem schien das Schultheißengericht bis zu einem gewissen Maß die Vormundschaft des Ehemanns (trotz aller Vorwürfe gegen ihn, die im Raum standen) zu berücksichtigen, wenn der Frau der Rückgriff auf ihr Schuldbuch verweigert wurde. Diese Mischung aus ökonomischer Eigenständigkeit und rechtlicher Abhängigkeit vom Mann erklärt die sich teilweise widersprechenden Ansichten von Forschern, die schon zur Stellung der Frau im Basler Rechtssystem geforscht haben. So meint Hans-Rudolf Hagemann: Der skizzierte Quellenbefund lässt erkennen, dass die Basler Ehefrau nicht grundsätzlich als geschäfts- und prozessunfähig betrachtet wurde. Die Beistandschaft des Ehemannes war zwar die Regel; sie wurde jedoch offenbar nicht strikte gehandhabt und durch verschiedenerlei Ausnahmen durchbrochen.79

77 78 79

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 88r. Sie war übrigens nicht die einzige Frau mit eigenem Schuldbuch, auch eine Ennelin Fritagin besaß ein solches, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 35v. Siehe auch das Verbot eines Schuldbuches, das einer Agnes Finisser von Altkilchen „zugehörig“ war, StABS, Gerichtsarchiv E 7, 50v. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 144. Vgl. dazu Schneider, Women, S. 7, die eine ähnliche Ansicht vertritt.

170

Gerichte nutzen

Die Unselbstständigkeit der Frau wurde laut Hagemann vor allem bei Verfügungen über Liegenschaften und in Erbschaftsangelegenheiten gewahrt.80 Hans-Jörg Gilomen sieht die Handlungsfreiheit von Frauen etwas optimistischer: Insgesamt ergibt sich das Bild einer fast uneingeschränkten Handlungsfreiheit der Frauen sowohl als Gläubigerinnen wie als Schuldnerinnen. Von Bevogtung durch den Ehemann ist kaum eine Spur zu entdecken. Vögte treten nur unter besonderen Umständen auf.81

Gabriela Signori erwähnt ergänzend Frauen, die stolz feststellen, dass sie sich noch nie haben bevormunden lassen.82 Andere ließen sich offenbar ganz offiziell von der Vormundschaft befreien. Ein Handwerkergeselle gab, weil er oft unterwegs sei, die Vormundschaft über seine Frau auf mit dem Hinweis, sie „möge ire sachen handeln, als sy ye beduncken wird notdurft sin“.83 Die Beobachtung einer ziemlich weitgehenden Selbstständigkeit von Frauen in der alltäglichen Wirtschaft wurde auch anderswo gemacht.84 Die Unterscheidung von Fällen, in welchen Frauen relativ selbstständig auftreten konnten, und solchen, wo auf der Vormundschaft beharrt wurde, führt Shennan Hutton in Bezug aufs spätmittelalterliche Gent auf zwei unterschiedliche Konzeptionen zurück, welche in den verschiedenen Konstellationen handlungsleitend waren: einerseits die „burgher construction“, die Frauen als gleichberechtigte Bürgerinnen auftreten ließ, andererseits die „patrimony construction“, wo die Vormundschaft vorherrschte.85 Erstere ließ auch verheiratete Frauen selbstständig auftreten, was in den von Hutton untersuchten Quellen die überwältigende Mehrheit ausmachte. Das spiegelt sich auch in den Quellen des Basler Schultheißengerichts, wo nur bei 21 Prozent der Frauen eine Vormundschaft erwähnt ist.86 In einigen dieser Fälle mag außerdem die Vormundschaft eine „inhaltlose Formalität“ gewesen sein (um es mit den Worten 80

81 82 83 84

85 86

Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 158. Siehe dazu auch die Beispiele aus meinem Quellenkorpus, z. B. die Nichtigkeit des Versprechens einer Frau, das Ehe- und Erbrecht betreffend, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 259r; ebenfalls in einem Erbstreit musste eine Frau sich „vervogten“, um vor Gericht aufzutreten, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 73v. Gilomen, Frauen, S. 117. Signori, Geschlechtsvormundschaft, S. 127. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 9r. Er gab „die vogtye uff “. Siehe z. B. zum frühneuzeitlichen Kastilien Taylor, Credit, S. 23: In den dort beschriebenen Fällen fällten die Frauen Entscheide über Kredit und Schuld, welche die Männer akzeptieren oder mit Gewalt bekämpfen mussten. So hatten Frauen „real power in the informal networks of credit and debt that governed the marketplace in the social world of early modern Castile“. Vgl. auch Fontaine, Märkte, S. 44, in Bezug auf die Entstehung von Märkten in der Frühen Neuzeit: „Die Marktwirtschaft ermöglichte gleichwohl eine Ausweitung der Eigenständigkeit vieler Frauen, und mit der Händlerin entstand in ganz Europa in rechtlicher Hinsicht eine neue Kategorie. Die Händlerin war eine Frau, die ein Geschäft betrieb.“ – „Somit war die Händlerin im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit für sämtliche Verträge und Schulden allein verantwortlich und haftbar. Sie konnte ihr Vermögen frei verwalten, darüber verfügen und im Falle eines Konkurses die eigene Haftung von der des Ehemanns trennen.“ Siehe auch Muldrew, Assent. Hutton, Women. Siehe Kapitel 4.1.4.

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171

von Gabriela Signori zu sagen), während die Frauen ihre Geschäfte selbst tätigten.87 Andere mochten mehr oder weniger freiwillig und frei ihren Vormund gewählt haben.88 Signori weist abschließend darauf hin, dass Vormundschaft nicht einseitig als Herrschaftsverhältnis zu verstehen sei, sondern durchaus auch einen Schutzcharakter aufweisen konnte.89 Kompliziert wird die Untersuchung der rechtlichen Stellung der Frau durch die Tatsache, dass Paare oft als Ehegemeinschaften funktionierten.90 Mit der Gerichtsordnung von 1457 sollten alle Ehepaare als wirtschaftliche Einheit aufgefasst werden, so hafteten die Frauen für die Schulden ihrer Männer.91 Gerade beim Geldverleih war oft der „eheliche Haushalt“ Schuldner, weshalb dort laut Gilomen viele Frauen vorkommen, allerdings selten allein handelnd.92 Konkrete Auswirkungen der Gütergemeinschaft für Frauen zeigt das Beispiel eines Urteils, in welchem der Verkauf von gemeinsamen Gütern durch einen Mann in Abwesenheit der Frau für gültig erklärt wurde, weil damit gemeinsame Schulden bezahlt wurden. Die Frau musste sich folglich an ihren Mann wenden, um eine Entschädigung zu erhalten.93 Einige Beispiele von selbstständig auftretenden Frauen sollen diese Überlegungen abrunden. Eine Frau als Hauptschuldnerin findet sich in einem Vergicht einer Frau „innamen ir selbs und Sigmunt Hirtzbergs irs emans“, dies in Umkehrung einer Formulierung, die bei gemeinschaftlichem Kauf von Liegenschaften und Renten verbreitet war.94 Frauen konnten auch an der Stelle des abwesenden Manns handeln (auch ohne namentlich erwähnt zu sein): „Niclaus zum Bloümen eefrow hatt glopt unnd versprochen“, beginnt ein Zahlungsversprechen von 1497, welches die Schulden zur Blumens selbst zum Gegenstand hat.95 Hintergrund des Zahlungsversprechens war die Abwesenheit des Ehemannes.96 Gar als eigentliche Vollmacht kam folgender Eintrag im Vergichtbuch daher:

87 88 89 90 91 92 93 94 95 96

Signori, Geschlechtsvormundschaft, S. 138. Vgl. Signori, Geschlechtsvormundschaft, S. 147. Verpflichtend war die Vervogtung in einem Verfahren von 1497, bei welchem der Frau eine Frist von zwei Wochen gegeben wurde, damit sie „sich darinnn vervogten“ konnte, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 232r. Signori, Geschlechtsvormundschaft, S. 151. Vgl. auch Fontaine, Economie, S. 137. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 90: Die Trennung zwischen Geschlechtergeschichte und Sozialgeschichte habe den Blick darauf verstellt, meint Signori. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 71. Gilomen, Frauen, S. 107. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 200v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 37v. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 47v. Vgl. auch Fontaine, Economie, S. 150 f., zu den Möglichkeiten von Frauen abwesender Männer.

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Gerichte nutzen

Item da gab vollen gewalt Hanns Pfiffer, der slosser, Griden siner efrawen, dz si wol sol und möge verhandeln hie vor gericht alle sin sachen, ouch alle schulden ze ervordern und sust alles dz ze tün, dz er selber tün möcht.97

Schließlich ist auch der Hinweis eines Zeugen, dass er bezüglich eines Kaufs, den er selbst in eigener Kompetenz hätte durchführen können, „mit siner eefrowen rat gehabt“ habe, ein Beleg für eine aktive Einbindung von Frauen in die spätmittelalterliche Wirtschaft.98 All dies soll aber nicht über die doch relativ geringe Beteiligung von Frauen an den vor Gericht verhandelten Schuldbeziehungen hinwegtäuschen. Das mag einerseits an der mangelnden Sichtbarkeit ihrer Beteiligung liegen, wie im letzten zitierten Fall, wo ohne die Aussage des Zeugen die Frau nicht erscheinen würde. Gerade bei gemeinschaftlicher Haftung eines Haushalts kam dies vermutlich häufig vor. Es kann aber auch ein Hinweis darauf sein, dass Frauen ihre Streitigkeiten weniger häufig direkt vors Gericht brachten und allenfalls die rechtlichen Vorgehen über ihre Männer laufen ließen, wenn sie nicht einfach andere Wege bevorzugten. Die oben präsentierten Zahlen zur Beteiligung von Frauen an Schuldbeziehungen zeigen, dass rund 17 Prozent und 14 Prozent aller Personen,99 die im Zusammenhang mit Schulden vor Gericht erschienen, weiblich waren. Diese Werte sind absolut und relativ (im Vergleich zur Steuerliste) niedrig. Sie liegen auch etwas niedriger als die Werte, die Daniel Smail für Marseille beobachtet hat. Dort waren bei 27  Prozent aller Fälle Frauen involviert. Diese ließen sich übrigens oft durch Prokuratoren vertreten (mussten dies aber nicht), was Smail als Zeichen von „convenience“ liest und nicht als Abneigung dagegen, öffentlich aufzutreten.100 Was den reinen Rentenmarkt betrifft, war die Beteiligung der Haushalte mit männlichen und weiblichen Haushaltsvorständen in den Niederlanden sehr ähnlich, „the differences between them are very small and quite insignificant“.101 Ich teile deshalb die Schlussfolgerung von Beate Sturm. Frauen waren selten am Kreditwesen beteiligt, nahmen aber nicht die eingeschränkte Rolle ein, die ihnen das römische Recht zuwies.102 Sie differenziert weiter: „Am Kreditwesen beteiligten sich überwiegend verheiratete Männer (Schuldner: 62,18 Prozent, Gläubi97

StABS, Gerichtsarchiv C 6, 41r. Vgl. auch StABS, Gerichtsarchiv A 26, 92v, wo ebenfalls eine Frau die Vollmacht erhielt, alle Schulden einzutreiben. 98 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 33r. 99 Der erste Wert gilt für 1455, n = 163 Frauen, der zweite für 1497, n = 120 Frauen. 100 Smail, Consumption, S. 43. Auf S. 44 stellt Smail noch fest, dass die Frauen auch 24 Prozent der Immobilien innerhalb der Stadtmauern besaßen; dass die Zahlen ähnlich hoch sind, sei kein Zufall. Schneider, Women, S. 3, schätzt den Frauenanteil in der Normandie der Frühen Neuzeit ebenfalls auf 25 Prozent und betont auf S. 16 die Rolle der Frauen im Land- und Geldmarkt, die sich in ihrer Gerichtsnutzung niederschlug. 101 De Moor/Zanden/Zuijderduijn, Micro-Credit, S. 662 f. 102 Sturm, Privatkredit, S. 67. Vgl. auch Piant, Justice, S. 104: Die Beteiligung von Frauen erscheint als gering, aber „elle éclaire sous un angle particulier les modalités de l’utilisation de la justice par les populations“.

Kreise von GerichtsnutzerInnen

173

ger 63,85 Prozent) sowie verwitwete Frauen (Schuldnerin: 26,19 Prozent; Gläubigerin: 29,98 Prozent).“ Witwen waren aber nicht nur Gläubigerinnen, sondern (wohl als Erbinnen ihrer Männer) auch Schuldnerinnen.103 Auch die Basler Stichproben zeigen die Frauen etwas häufiger als Gläubigerinnen denn als Schuldnerinnen. Gilomen sieht das bei den Renten auch so und führt es auf die Tatsache zurück, dass Frauen selten über entsprechende Immobilien verfügten, die als Sicherheit hätten dienen können.104 Zudem beobachtet er, dass Frauen in der Rolle als Gläubigerin selten mit Vogt auftraten.105 Laurence Fontaine hingegen sah Frauen als Hauptkundinnen von Geldverleihern und als Mittlerinnen von Krediten bei den Geldverleihern.106 Wegen ihrer rechtlich schwachen Stellung seien Frauen vor allem auf informelle Kreditformen angewiesen gewesen, konkret den „prêt sur gage et les marchés de l’occasion“.107 Hans-Jörg Gilomen hat schließlich noch die Berufe von Basler Schuldnerinnen untersucht und sieht dabei Adel und Achtburger an der Spitze, dann Krämerinnen, eine Wirtin und sieben Prostituierte. Es kommen häufiger mehrere Einträge einer Person vor als bei den Gläubigerinnen.108 Was Frauen dazu brachte, Schulden vor Gericht einzutreiben, zeige ich nun noch exemplarisch an den Frauen, die am häufigsten als Gläubigerinnen auftraten.109 Es fallen zwei Dinge sofort auf: Es handelt sich oftmals um Witwen (und in einigen Fällen zeigt sich sogar, dass Schuldbeziehungen ihres Mannes verhandelt wurden), und es geht oft um größere Beträge in Form von Renten.110 Die Hälfte der hier untersuchten Frauen klagte nur eine einzige Schuld (in Form einer Rente) ein, die aber mehrere Mitschuldner betraf, weshalb sie doch auf der Liste auftauchen. Meistens waren dies dann auch eher langwierige Fälle. Drei dieser Frauen stelle ich hier vor. Ennelin Schmidlin gelangte zweimal vor Gericht, um Schulden einzuklagen, einmal davon einen Rentenbrief von 120 Gulden. Außerdem findet sich eine Kundschaft, dass sie eine Zinszahlung für eine weitere Rente erhalten habe. Die Witwe wurde außerdem selbst als Schuldnerin verklagt, einmal davon explizit als Mitschuldnerin ihres verstorbenen Mannes. Vermutlich war der Tod des Mannes Auslöser dieser vielen Prozesse.111 Adelheid Schuczin 103 104 105 106 107 108 109

110 111

Sturm, Privatkredit, S. 71. Zur wirtschaftlichen Rolle von Witwen siehe Opitz, Witwen. Gilomen, Frauen, S. 106. Vgl. auch Fontaine, Economie, S. 157. Gilomen, Frauen, S. 114 f. Fontaine, Economie, S. 112 und 115. Fontaine, Economie, S. 153. Gilomen, Frauen, S. 124. Kriterium dafür sind hohe Indegree-Werte, also eine hohe Anzahl an Personen, die ihnen etwas schuldig waren. Es handelt sich bei beiden Stichproben jeweils um vier Frauen, die einen IndegreeWert von drei oder mehr aufweisen: 1455 sind das Agnes von Laufen, Adelheid Schuczin, Ennelin Schmidlin (Meister Klaus Schmidlins Witwe) und Agnes Summerisen, 1497 eine Zscheckenbürlin, Elsy Grieserin, Walpurga (Peter von Tus’ Witwe) und Agnes Biedertan. Zu häufigen Klagen von Witwen vgl. auch Piant, Justice, S. 105. Witwen klagten oft in Schuldsachen, Eigentumsstreitigkeiten und Erbsachen. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 93v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 95v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 97r; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 31r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 123v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 150v; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 43v.

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hingegen trat in drei separaten Fälle von Darlehen auf. Zu ihren Gunsten wurden zwei Vergichte über 16 Gulden eingetragen, außerdem veranlasste sie eine Frönung wegen versessener Zinsen. Schuczin, als Witwe Haushaltsvorständin, ist mit rund 500 Pfund Steuervermögen der zweithöchsten Steuerkategorie zuzurechnen.112 In einer ähnlichen Lage befand sich 1497 eine Frau Zscheckenbürlin, die in allen Quellen nur als „die Zscheckenbürlin“ bezeichnet wurde. Von ihr, aus einer reichen Kaufmannsfamilie stammend,113 sind einige Verfahren überliefert. Sie konnte zwei Zahlungsversprechen einfordern, zudem findet sich im Gerichtsbuch eine Verkündung an einen Schuldner, dessen Güter in Verbot gelegt worden waren, weiter wollte sie mit einem Mitgläubiger Güter eines verstorbenen Schuldners verkaufen lassen, schließlich findet sich eine gerichtliche Ladung an einen weiteren Schuldner. Die Frau trat mit einem eigenen Verwalter auf, der sie in Schuldangelegenheiten vertrat. Ganz offensichtlich gehörten Geldverleih und Renten zu ihren Einkommensquellen.114 Obwohl Frauen also nicht sehr häufig vor Gericht erschienen, so konnten sie das doch regelmäßig und in großer Selbstständigkeit tun. Ich schließe mich deshalb dem Fazit von Zoe Schneider zu Frauen in der frühneuzeitlichen Normandie an: „Women’s active role in the courts serves as a welcome reminder that ordinary villagers of all stripes played their part in the local justice system.“115 Frauen als Mitschuldnerinnen Wie erwähnt, konnte ein Haushalt gemeinschaftlich für Schulden haften. Vor der Regelung von 1457 wurde die Tatsache oft erwähnt, weshalb ich in der Stichprobe von 1455 die Erwähnungen von Frauen als Mitschuldnerinnen untersuchen konnte. Wie die untenstehende Tabelle 4.15 zeigt, waren sie vor allem bei Rentenkäufen erwähnt, diese Erwähnungen machten 45 Prozent der Fälle aus. Bei einem Rentenkauf konnte das folgende Form annehmen: „Item gend ze kouffen Heinrich Guldingknoppff der kornmesser buger zü Basel und Grede sine eliche husfrowe“.116 Alle Erwähnungen folgen diesem Muster, dass zuerst der Mann genannt wurde und die Frau als Ehefrau gekennzeichnet, oftmals ohne die genaue Nennung des Namens – hier ist immerhin der Vorname erwähnt, der Nachname hingegen kam selten vor. Von den untersuchten Prozessformen waren es die Schuldanerkennungen, bei denen am häufigsten Frauen 112 113 114 115 116

StABS, Gerichtsarchiv C 6, 7v; StABS, Gerichtsarchiv E 4, 16r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 28r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 28v. Burckhardt, Herkunft, S. 111 f.; Ehrensperger, Stellung, S. 344, Signori, Schuldenwirtschaft, S. 48. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 30r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 34r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 242r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 244r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 244v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 245r. Schneider, Women, S. 32. StABS, Gerichtsarchiv B 7, 24.

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Kreise von GerichtsnutzerInnen

genannt wurden, gefolgt von den Klagen, die jedoch schon unterrepräsentiert waren. Lediglich in einem Verbotsverfahren und in gar keiner Frönung war die Tatsache erwähnt, dass die Frau auch betroffen war vom Vorgehen. Das ist einerseits ein Hinweis darauf, dass die Beteiligung der Frau an Bedeutung verlor, je drastischer die Verfahrensform für den Schuldner war (zugleich waren Frauen als alleinige Schuldnerinnen bei Frönungen und Verboten ja auch stärker vertreten)117. Andererseits war es wohl weniger wichtig, die genauen Besitzverhältnisse zu deklarieren, wenn Güter und Liegenschaften beschlagnahmt wurden, denn es wurde ja nicht mehr die Person haftbar gemacht, sondern auf den Gegenwert der Güter zugegriffen. Tab. 4.15 Frauen als Mitschuldnerinnen, Anzahl und Anteil der erwähnten Fälle pro Prozessform, Stichprobe 1455 Anzahl erwähnte Mitschuldnerinnen

Anteil an allen Beziehungen des Typs

Klage

12

8,45 %

Rentenkauf

15

45,45 %

Vollmacht

2

16,67 %

23

13,07 %

Verbot

1

0,61 %

Unzüchterbuch

5

1,99 %

58

7,45 %

Schuldanerkennung

gesamt

Frauen als Mitschuldnerinnen wurden in den Zahlungsversprechen vor allem dann erwähnt, wenn es um Liegenschaften ging, sei es ein Kauf, seien es versessene Zinsen. Sonst gibt es nur zwei erwähnte Gründe. Einmal handelte es sich um Lidlohn, als die Frau (und die Tochter) mitverpflichtet wurden, diesen zu bezahlen, weil sie dies versprochen hätten,118 außerdem kam es bei einem der selten erwähnten Bardarlehen vor.119 Bei den Schuldanerkennungen und den (wenigen) Unzüchterbucheinträgen weichen die Mediane der Schuldsummen eher nach oben ab, was bei den Schuldanerkennungen vor allem mit den Hauskäufen zu erklären ist, die oft gemeinsam getätigt wurden und zur Verschuldung führten.120 117 118 119 120

Siehe weiter unten, Kapitel 4.3. In einem Urteil vom August 1455, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 115v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29v. Vergleich der Mediane: Schuldanerkennungen bei Mitschuldnerinnen 16,1 im Vergleich zu 5,75 im Rest der Stichprobe (der Unterschied ist signifikant gemäß Median-Test, p-Wert = 0,0337), Unzüchterbuch 6 zu 0,825 (dieser Unterschied ist allerdings aufgrund der kleinen Anzahl von mitgenannten Frauen (5) nicht signifikant), alle Angaben in Pfund.

176

Gerichte nutzen

4.1.4 Vertretungen Es war grundsätzlich möglich, sich vor Gericht vertreten zu lassen, und diese Möglichkeit erwähnte das Gericht selbst auch als Eventualität. Da in einem Schuldfall weder der Schuldner „selbs, noch yemand von sinen wegen, tätt erschinen“, fragte der Gläubiger nach dem weiteren Vorgehen.121 Die hier folgenden Ausführungen basieren für 1455 nur auf Schuldangelegenheiten, 1497 hingegen auf allen Akten, d. h. auch auf Immobilientransaktionen. Ich habe für diese Zusammenstellung verschiedene Formen von Vertretung zusammengenommen, nebst der eigentlichen Vormundschaft (die, wie oben gesehen, Frauen zum Teil betraf) auch Vollmachten wegen Schulden. Letztere waren aber nicht so zahlreich, und vor allem bei den Frauen machten die Vormundschaften den größten Teil der Vertretungen aus. Vollmachten und Vertretungen betrafen nicht nur Frauen. Rund drei Fünftel der vertretenen Personen waren Männer (siehe Tabelle 4.16 und Tabelle 4.17). Da viel mehr Männer vor Gericht anzutreffen waren, machten sie einen so großen Anteil aus, obwohl anteilsmäßig weniger Männer Vollmachten aussprachen oder bevormundet waren. Bei den Frauen trifft es sich oft, dass sie klassisch bevormundet waren, aber in beiden Stichproben wurden bei mehr als zwei Dritteln der Frauen keine Vormunde oder andere Vertreter erwähnt. Dass der Anteil von Vertretungen 1497 etwas höher war, liegt daran, dass in dieser Stichprobe im Gegensatz zur anderen alle Liegenschaftsverkäufe erfasst sind, wo Vormunde häufig erwähnt wurden.122 Tab. 4.16 Vertretungen 1455, Beteiligung von Männern und Frauen aktive Personen

Vertretungen für Anteil vertretene Personen diese Personen

Anteil an allen Vertretungen

Anteil Frauen mit Vertretung

186

39

21,0 %

35,8 %

Anteil Männer mit Vertretung

937

67

7,2 %

64,2 %

121 122

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 216v. In über 70 Prozent der Verkäufe mit Beteiligung von Frauen wird eine gesetzliche Vertretung derselben erwähnt.

177

Kreise von GerichtsnutzerInnen

Tab. 4.17 Vertretungen 1497, Beteiligung von Männern und Frauen aktive Personen

Vertretungen für Anteil vertretene diese Personen Personen

Anteil an allen Vertretungen

Anteil Frauen mit Vertretung

167

52

31,1 %

39,8 %

Anteil Männer mit Vertretung

903

98

10,9 %

60,2 %

Die Vermischung verschiedener Typen von Vertretungen lässt das Bild etwas unscharf werden, aber es ist offensichtlich, dass viele Frauen in verschiedenen Situationen in der Lage waren, selbstständig vor Gericht aufzutreten, und dass im Gegenzug auch Männer in Situationen anzutreffen waren, in welchen sie die Verantwortung für die Fallführung abtraten. Die Vertreter waren in beiden Stichproben fast ausschließlich Männer, 1455 gab es vier, 1497 zwei Ausnahmen. Es lohnt sich, diese Fälle genauer zu betrachten. 1497 etwa wurde die Frau eines Lorenz Reinhard vor Gericht für die Schulden ihres Mannes belangt, der Grund dafür wird nicht klar, aber es ist anzunehmen, dass der Mann abwesend war und sie an seiner Stelle in die Pflicht genommen wurde. Insbesondere sollte sie die Güter ihres Mannes nicht „verendern“, also die Güter zur Verfügung der Gläubiger halten.123 Auch der zweite Fall ist ähnlich gelagert, wenn auch einfacher formuliert: Eine Frau ging „von irs mans wegen“ ein Vergicht ein.124 Im Kontrast zu diesen Vertretungen, die eher daher rühren, dass Frauen an der Stelle ihrer Männer belangt wurden, stehen drei Fälle von 1455, von denen ich den ersten oben schon zitiert habe. Hans Pfiffer setzte, wie gezeigt, seine Frau, von der wir nur den Vornamen erfahren, als vollwertige gesetzliche Vertreterin all seiner Anliegen ein.125 Auch Margreth Hechinger, wohnhaft in Solothurn, wurde mit einer Vollmacht ausgestattet: Sie erhielt „vollen gewalt“, eine Schuld einzutreiben.126 Im letzten Fall legte eine Frau Güter in Verbot eines Manns „wegen“.127 War die vertretene Person aus Basel, traf dies meist (und 1455 fast ausschließlich) auch auf den Vertreter zu, Nichtbasler hingegen ließen sich etwas häufiger durch Nichtbasler vertreten. Insgesamt aber finden sich gar nicht so viele Nichtbasler unter den Vertretern. Wo sich beide Personen genau lokalisieren lassen, ist zu beobachten, dass sie oftmals nicht nur aus dem gleichen Ort stammten, sondern auch sonst in en-

123 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 187v. 124 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 35v. 125 Ähnlich gelagert ist die Vollmacht von einer ledigen Tochter an ihre Mutter in Bezug auf nicht weiter präzisierte Handlungen, die ein Haus betrafen. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 19v. 126 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 92v. 127 StABS, Gerichtsarchiv E 4, 16v.

178

Gerichte nutzen

ger Beziehung standen.128 Die Entfernungen waren insgesamt eher groß, insbesondere finden sich keine Vertreter aus den ersten zwei Distanzklassen, d. h. aus weniger als 20 Kilometer Entfernung von Basel. Die Auswertung der Vertretungen zeigt vor allem, dass es keine einheitlichen Muster und Verpflichtungen zur Vertretung gab. Frauen ließen sich zwar rund dreimal häufiger vertreten, aber auch sie wurden in den Gerichtsakten mehrheitlich ohne Angabe eines gesetzlichen Vertreters angeführt. Vor allem die auswärtigen Vertreter lassen erkennen, dass oft auf Vertreter aus dem näheren sozialen Umfeld zurückgegriffen wurde. Inwiefern das auch in der Stadt zutraf, lässt sich nicht eruieren. 4.2 Das gerichtliche Angebot an Prozessformen Die bisherige Analyse der Kreise von NutzerInnen des Gerichtsangebotes unterschied noch nicht nach den verschiedenen Prozessformen, welche das Angebot des Basler Schultheißengerichts bildeten. Diese stelle ich hier vor und zeige danach auf, welche Gruppen von Personen welche Art von Prozessform tendenziell bevorzugten. Dabei liegt der Fokus nicht darauf, zu welchem Resultat diese Prozesse führten – das wird Thema von Kapitel 5 sein –, sondern auf der Frage, welche Personen in welchen Situationen bestimmte Verfahrensformen bevorzugten und so einen Prozess in Gang setzten. Diese Auswertungen basieren auf der Voraussetzung, dass den AkteurInnen zumindest ein gewisser Spielraum bei der Verfahrenswahl offenstand. Angesichts der noch nicht voll ausgebildeten sachlichen Prägung129 der Verfahren scheint diese Annahme zulässig. Bevor ich allerdings auf die Nutzung der Formen eingehe, muss ich diese kurz vorstellen. Die Städte formten im Verlauf des Spätmittelalters je ihre eigenen Prozesse und Modalitäten der Verschriftlichung aus, womit eine Vergleichbarkeit unter den Städten schwierig zu gewährleisten ist – bei allen Ähnlichkeiten der Ausgangslage, nämlich dass städtische Obrigkeiten Wege finden mussten, strittige Schulden vor gerichtlichen Instanzen auszuhandeln, überwiegen die lokalen Besonderheiten.130

128

129 130

Folgende Muster traten z. B. 1455 auf: Mann vertritt Ehefrau (StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 15r; StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 43r), sonstige Verwandte als Vertreter (StABS, Gerichtsarchiv  B  7, 60; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 30r), ein Bote aus dem gleichen Ort (StABS, Gerichtsarchiv A 26, 125v). 1497 waren die Muster ähnlich, aber es gibt mehr Personen, die ich nicht genau verorten konnte. Vgl. Schlosser, Zivilprozess, S. 63. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 15. Für die Vorstellung der Verfahrensformen stütze ich mich auf Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2. Vgl. bezüglich der Prozessformen z. B. fürs mittelalterliche Holland Dijkman, Debt, für Zürich Malamud/Sutter, Betreibungsverfahren. Versuche der Verallgemeinerung mindestens für Bayern bei Schlosser, Zivilprozess.

Das gerichtliche Angebot an Prozessformen

179

4.2.1 Vergicht Der Begriff Vergicht lässt sich am besten mit Schuldanerkennung übersetzen.131 Es handelt sich um die niederschwelligste Form von Gerichtsverfahren, vor allem wenn der Schuldner sich nicht dagegen wehrte. Ein einhellig beschlossener Eintrag ins entsprechende Gerichtsbuch, das Vergichtbuch, kostete nichts.132 Ebenfalls ins Vergichtbuch eingetragen wurden die Fälle mit tiefen Schuldsummen, die umstritten waren und vom Gericht mit einem Urteil gelöst wurden. In beiden Fällen hatte die SchuldnerIn einen Monat Zeit, um die Schuld zu begleichen, sofern keine andere Regelung getroffen wurde. Andernfalls drohte der Stadtverweis, der aber allem Anschein nach selten umgesetzt wurde.133 Die Vergichte (beider Form) bildeten mit mehreren hundert Einträgen pro Jahr die häufigsten Gerichtsvorgänge.134 Wenn im weiteren Verlauf von Vergichten die Rede ist, sind die freiwilligen Einträge gemeint. Die nach Urteil verfassten Einträge werden zu den Schuldklagen gezählt, wie ich weiter unten begründe. Die als Schuldanerkennung erfassten Schuldverhältnisse nahmen in der Regel zwei verschiedene Formen an: diejenige des einfachen Vergichts in Form eines Einzeilers (z. B. „Sigmund Bomgartner vergicht Hannsen Plorer i lb i ß i rapen“135) oder diejenige eines längeren Eintrags, den ich als Zahlungsversprechen bezeichne. Hier ein Beispiel aus dem Vergichtbuch von 1497: Ludwig Zschach, Burger zü Louffenberg, hatt Richartten dem amptman, by dem eyd sinen herren getan, glopt unnd versprochen, herr Hanns Bären in xiiii tagen den nechsten xxx g[u]lden zegeben und dannethin lxii gld [62 Gulden] zwuschen hie unnd wienechten ussrichten, on witter uffsleg unnd verzug.136

Der Schuldner oder die Schuldnerin versprach hier mit einer anderen Wortwahl als beim Vergicht, die Schuld zu begleichen.137 Der Unterschied war 1455 weniger deutlich als 1497, vor allem weil mit dem Verb „veriechen“ (von dem der Begriff Vergicht kommt) auch längere Einträge begannen, die inhaltlich dem Zahlungsversprechen

131 132 133 134 135 136 137

Vgl. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 48). Vergicht stammt von „veriachen, verjëchen“, (u. a. eine Schuld) bekennen (Idiotikon, Bd. 3, Sp. 6). Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 50. Zumindest finden sich keine Hinweise auf Verbannungen, vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 18. Siehe Signori, Schuldenwirtschaft, S. 31, für einzelne Zahlenangaben. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 35v (1497). StABS, Gerichtsarchiv C 16, 54r. Ein Beispiel vom 8. Mai 1455: „Item da versprachen Rüdi Hußwirt der Messersmit und Heinrich der Snider sin bruoder in minen hrn des Schulthn hand Johannes ziegler hynnant zu ussgand der phingstwochen gnug zutund und die lx guldin nit von dem wechsel zenemen im sie denn vor gnuog beschehen.“ StABS, Gerichtsarchiv C 6, 16r.

180

Gerichte nutzen

von 1497 näher waren als dem bloßen Vergicht. Deshalb zähle ich längere Einträge im Vergichtbuch von 1455 auch als Zahlungsversprechen.138 Oft war auch eine Amtsperson involviert, welche das Versprechen entgegennahm, so etwa 1455, als der Abt von Olsberg „in min hende“ – wohl in die Hände des Gerichtsschreibers  – versprach, eine Schuld innerhalb eines Jahres zu begleichen.139 In vielen Fällen erwähnte der Schreiber die involvierte Amtsperson persönlich. Das Versprechen konnte auch die Form eines Eides oder förmlichen Schwurs annehmen: „Item da swürent Engel der weber und sin hußfrowe einen eid liplich zü Gott und den heilig[en].“140 Für die quantitative Auswertung in den übrigen Teilen der Arbeit habe ich die beiden Formen nicht unterschieden, wenn also von Schuldanerkennungen oder Vergichten die Rede ist, sind beide gemeint. Die Unterscheidung lässt sich nicht auf unterschiedliche Verfahren oder andere äußere Umstände eindeutig zurückführen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich um zwei verschiedene Aufschreibekonventionen fürs gleiche Verfahren handelte. Eine Aufschlüsselung schien mir deshalb nicht sinnvoll. An dieser Stelle gehe ich aber kurz auf die Unterschiede ein. Dabei kommen die üblichen Kategorisierungen zur Anwendung. Der Anteil von Zahlungsversprechen an allen Schuldanerkennungen betrug 1455 52,6 und 1497 gar 57,5 Prozent.141 Als Erstes fällt der große Unterschied zwischen den zentralen Tendenzen der Schuldsummen auf, sowohl beim Mittelwert als auch beim Median (siehe Tabelle 4.18). Innerhalb der Stichproben weisen diese Unterschiede eine deutliche statistische Signifikanz auf.142 Die Zahlungsversprechen wurden also in der Regel deutlich häufiger bei höheren Schuldsummen angewandt. Die hohe Summe mochte dazu bewegt haben, durch die Beteiligung einer Amtsperson oder einen Eid die Verbindlichkeit der Verpflichtung, die Schuld zu begleichen, zu erhöhen.143 Dieselbe Argumentation könnte bei der unterschiedlichen Beteiligung der Geschlechter in der Stichprobe von 1497 (1455 finden sich keine signifikanten Unterschiede) geltend gemacht werden. Sowohl als Schuldnerinnen als auch als Gläubigerinnen waren Frauen häufiger an Vergichten als an Zah-

138

1497 kommt das Verb „veriechen“ tatsächlich nur bei den ganz kurzen Einträgen vor, womit die Begriffswahl als Unterscheidungskriterium stichhaltig ist. 1455 ist die Unterscheidung etwas weniger klar und orientiert sich in erster Linie an der Länge des Eintrags bzw. an der Tatsache, dass neben den üblichen Formeln weitere Angaben gemacht wurden, welche den Eintrag inhaltlich in die Nähe des Zahlungsversprechens von 1497 rückten. Einzelne Unschärfen ließen sich dabei nicht vermeiden. 139 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 10v. Es könnte auch der Schultheiß gemeint sein, wie etwa im Zahlungsversprechen von Peter Engel im Jahr 1455, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 13v. Ebenfalls infrage kommt der Vogt (vgl. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 17v, ebenfalls 1455). 140 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 26r. 141 N = 156 (1455) bzw. n = 287 (1497). 142 ANOVA beim Mittelwert, Mood’s Median-Test bei den Medianen, die p-Werte liegen alle unter 0,001. 143 Vgl. die Ausführungen zu den Sicherheiten bei Zahlungsversprechen in Kapitel 2.3.1.

181

Das gerichtliche Angebot an Prozessformen

lungsversprechen beteiligt, nur unter Frauen fand schlichtweg kein Zahlungsversprechen statt. Das könnte eine Folge sein der geringeren rechtlichen Möglichkeiten der Frau hinsichtlich der Beteiligung von Amtspersonen und Eiden. Tatsächlich zeigen die wenigen Beispiele von Schuldnerinnen, dass es sich vor allem um Frauen handelt, die entweder mit ihrem Mann zusammen oder dann quasi in Vertretung des Mannes ein Zahlungsversprechen leisten, etwa wenn es heißt, „Ennelin, Symon Schorrers wib, von Rapperswil“144 verspreche, eine Schuld zu bezahlen. In einem anderen Fall war die Frau eine Witwe, die das Zahlungsversprechen gemeinsam mit ihrem Sohn leistete.145 Tab. 4.18 Unterschiede des Medians der Schuldsumme zwischen Vergichten und Zahlungsversprechen in beiden Stichproben, alle Beträge in Pfund umgerechnet 146 1455 Vergicht Zahlungsversprechen

1497

Mittelwert

Median

Mittelwert

Median

7,6

2,3

4,2

1,6

22,1

14,0

12,9

10,0

Bei der Herkunft zeigen beide Stichproben ähnliche Muster. Zwischen BaslerInnen gab es signifikant weniger Zahlungsversprechen als zwischen anderen Kategorien. Bei den Nichtbasler SchuldnerInnen hingegen war der Anteil an Zahlungsversprechen deutlich höher, egal, ob der Gläubiger/die Gläubigerin aus Basel stammte oder nicht.147 Nichtbasler GläubigerInnen kamen außerdem in beiden Stichproben fast ausschließlich bei Zahlungsversprechen vor. Das kann als Bestätigung der These gelesen werden, dass Zahlungsversprechen eine höhere Verbindlichkeit erzeugten, was die Unsicherheit kompensierte, welche die Herkunft des Schuldners oder der Schuldnerin mit sich brachte. Hinsichtlich der Vermögenskategorien lassen sich in keiner Stichprobe Unterschiede bei der Anwendung von Zahlungsversprechen oder einfachen Vergichten erkennen. 4.2.2 Klage wegen Schuld In die Kategorie der Schuldklagen fallen einerseits die eigentlichen Prozesse, die vor Gericht angestrebt wurden und deren Ausgang mit einem summarisch notierten Urteil im Urteilsbuch festgehalten wurde. Dieses nennt in der Regel die Namen der Be144 145 146 147

StABS, Gerichtsarchiv C 16, 52r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 35v. N = 137 (1455) bzw. n = 188 (1497). In der zweiten Stichprobe fehlen mehr Werte als in der ersten. CHI2-Test: p-Wert = 0,002112 (1455) bzw. p-Wert < 2,2e–16 (1497)

182

Gerichte nutzen

teiligten, zum Teil indem eine Person als Klägerin identifiziert wird, zum Teil einfach als die beiden Parteien, wie zum Beispiel „zwüschent meister Ulmon Mörnach exuna und Hanns zer Tannen exalia“ – die Begriffe ex una und ex alia zur Bezeichnung der beiden Parteien wurden konsequent zusammengeschrieben.148 Weiter folgen die Handlungen vor Gericht, wie Reden der Fürsprecher und Antworten darauf oder das Verlesen von Kundschaften und anderen Schriftstücken: „nach clag, anntwurtt, red, widerrede, verhorung der ingelegten bucher, schrifften unnd allem furwenden“.149 Den Abschluss machte mit der Formulierung „Ist bekennt worden“150 der Entscheid, den die Urteilssprecher gefällt hatten. Die Serie O des Gerichtsarchivs umfasst auch verschiedene Konzepte von Urteilen.151 Erwartungsgemäß machen diese Prozesse einen großen Teil aller Quellen aus,152 aber nicht jeder Fall führte zu einem abschließenden Urteil. Sehr häufig finden sich nur einzelne Etappen, etwa Vertagungen, die darauf schließen lassen, dass jemand eine andere Person wegen Schulden vor Gericht zog. Hier wird aber nicht die Tatsache untersucht, welchen Abschluss das Verfahren nahm,153 sondern festgehalten, dass eine Person eine andere wegen Schulden verklagte. Wie oben erwähnt, zähle ich auch Urteile, die zu einem Vergicht führen, in die Kategorie der Schuldklagen. In der Regel beschränkte sich der Eintrag auf das Vergichtbuch, aber das folgende Beispiel zeigt ein Urteil, das den Eintrag ins Gerichtsbuch erwähnt und damit wohl das Vergichtbuch meint. Das Gericht entschied, dass die Schuldner dem Gläubiger „die sechs guldin in das gericht buch insetzen und darumb ussrichten sollen nach der statt recht“.154 Die Schuldklagen bilden eine künstlich geschaffene Kategorie in dem Sinn, dass Urteile sowohl im Urteilsbuch eingetragen wurden, wo sie tatsächlich die Form von Urteilen annahmen, als auch im Vergichtbuch bloß festgehalten wurden. Es hieß dann zum Beispiel, „erkanter urtel nach“155 sei eine Schuld innerhalb der üblichen Frist zu begleichen. Es ist möglich, dass die Urteile im Vergichtbuch nur von einem Ausschuss des Gerichts, dem sogenannten kleinen Gericht, gefällt wurden.156 Zudem habe ich

148 149 150 151 152 153 154 155 156

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 122v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 207v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 73v. Z. B. StABS, Gerichtsarchiv O 4, fol. 65v (hier wurde anstelle des Namens jeweils ein „N“ gesetzt); StABS, Gerichtsarchiv O 2, 54r; StABS, Gerichtsarchiv O 2, 72r; StABS, Gerichtsarchiv O 2, 46r; StABS, Gerichtsarchiv O 2, 119v; StABS, Gerichtsarchiv O 2, 125v. Wenn auch nicht die Mehrheit aller Einträge in den Gerichtsbüchern, weil diese sehr oft unter die sogenannte freiwillige Gerichtsbarkeit fielen, siehe Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 30. Das geschieht, wie erwähnt, in Kapitel 5. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 285r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 56v. Das kleine Gericht entschied kleinere Schuldstreitigkeiten an bestimmten Wochentagen vgl. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 49. Das Vergichtbuch enthielt in beiden Stichproben nur einen Hinweis auf diese Tatsache. Es handelt sich um ein Vergicht von 1497, das beginnt mit: „Da sind durch

Das gerichtliche Angebot an Prozessformen

183

auch Urteile, die im Vergichtbuch festgehalten wurden, aber der Form nach eindeutig den Charakter von Urteilen und nicht von Vergichtbucheinträgen aufwiesen, zu den Schuldklagen gezählt.157 Damit gab ich bei der Codierung den inhaltlichen vor den formellen Aspekten den Vorzug. Um diese Kategorisierung zu rechtfertigen, habe ich eine logistische Regression durchgeführt. In Bezug auf die Stichprobe 1497 zeigt sich im Vergleich zwischen den eigentlichen Vergichten und denjenigen Einträgen im Vergichtbuch, welche ein Urteil erwähnen und deshalb als Klagen wegen Schulden erfasst sind – schließlich musste das Gericht hier im Gegensatz zu den anderen Fällen einen Konflikt schlichten –, dass in der logistischen Regression ähnliche Unterschiede von Gewicht sind, die auch im Vergleich aller Klagen zu den Vergichten zum Tragen kommen. Auf SchuldnerInnenseite waren Frauen bei den wegen Schulden Angeklagten überrepräsentiert, und die Schuldsumme war im Schnitt höher. An der Grenze zur Signifikanz ist die Überrepräsentation der reichsten Schicht der Steuerliste. Bei der Herkunft konnten keine Unterschiede ausgemacht werden. Waren Vergichtbucheinträge auf ein Urteil zurückzuführen, wurden spezifische Ergänzungen wie die Vereinbarung von Ratenzahlungen oder abweichende Zahlungsfristen nicht erwähnt.158 Insgesamt zeigt diese Auswertung (auf eher schmaler Datenbasis, erwähnten doch nur 18 Einträge des Vergichtbuches ein Urteil), dass ein Urteil mit signifikanten Unterschieden einherkam. Diese bestätigen und rechtfertigen auf einer anderen Ebene die getroffene Kategorienbildung, welche die Vergichtbucheinträge mit Urteil zu den Klagen (und somit den anderen Gerichtsurteilen zu Schulden) zusammenfasst. Weniger klar ist das Bild bei der Stichprobe von 1455: Sofort fällt auf, dass die Schuldsummen bei den Urteilen auffällig selten erwähnt wurden (zwei von 15, beim Rest 144 von 163, sprich 13 Prozent zu 88 Prozent).159 Die Erwähnung einer Schuldsumme ist in der logistischen Regression denn auch der einzige signifikante Unterschied, der sich aber sehr gut mit der allgemeinen Beobachtung zu 1455 deckt, dass Schuldsummen bei Urteilen sehr selten waren.160 Auch 1455 wurden kaum Ratenzahlungen und spezielle Zahlungsfristen vereinbart, was wiederum die Unterscheidung zwischen Klagen und einfachen Schuldanerkennungen bekräftigt.

min herren die urttelsprecher an dem kleinen gericht betragen worden mit der urttel“, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 48r. 157 Gerade im Jahr 1455 wurden relativ häufig Urteile im Vergichtbuch eingetragen, so habe ich 14 Urteile in Schuldsachen dort gefunden. Ein Grund für diese Verwechslung der richtigen Buchserie ist nicht ersichtlich. 158 Siehe dazu Kapitel 4.3.7. 159 Der p-Wert dieser Verteilung beträgt 4,498e–13, ist also sehr niedrig. 160 Vgl. die Ausführungen zur Schuldsumme in Kapitel 4.3.5.

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Gerichte nutzen

4.2.3 Verbot Beim Verbot handelt es sich um einen sogenannten Sacharrest auf fahrende Güter.161 Die GläubigerInnen wurden zu diesem Zweck vor Gericht vorstellig und ließ ein Verbot eintragen. Danach mussten sie dieses an drei Terminen bestätigen, mit jeweils zwei Wochen Wartezeit. Erst wenn sich die SchuldnerInnen nach dieser Zeit nicht meldeten, indem sie entweder die Schuld beglichen oder aber sie anfochten, konnte ein Verkauf der mit Verbot gelegten Güter angestrebt werden. Die Sacharreste (dazu gehört auch die Frönung, siehe den nächsten Abschnitt) wurden in einer eigenen Buchserie festgehalten und meistens sehr kurz notiert. Der folgende Eintrag von 1455 zeigt exemplarisch, wie dies aussehen konnte. Im vorliegenden Fall erschien der Gläubiger an drei Folgeterminen. Item hat verbotten Hanns zem Bilgerstabe ettwas kleider und plunder hinder Ortemberger dem gurtler, gehört eim gürtlerkneht. Item die ersten xiiii tag sabto an[te] misericordia dm [domini]. Item die andern xiiii tag 4a an[te] corporis [cristi], die dritten xiiii tag 4a post viti et modesti.162

Die Auflösung der Datierungen ergibt übrigens, dass die erwähnten 14 Tage mitnichten genau eingehalten werden mussten. Der ursprüngliche Eintrag fand am 27. Januar 1455 statt, aber erst am 16. April, 79 Tage später, wurde der erste Termin eingetragen, und bis zum zweiten am 4. Juni vergingen wieder 49 Tage. Nur bis zum dritten und letzten Termin, der am 18. Juni eingetragen wurde, waren es tatsächlich 14 Tage. Das erneute Erscheinen des Gläubigers weist darauf hin, dass die Schuld noch nicht beglichen war, weshalb ich diese Erwähnungen ausgewertet habe (siehe im nächsten Kapitel). 1497 hatte sich die Praxis geändert, es wurden keine Termine mehr notiert. Schon Hans-Rudolf Hagemann hat darauf hingewiesen, dass bei Verboten sehr oft Drittpersonen genannt wurden, in deren Händen sich die in Verbot gelegten Güter befanden.163 Vor allem in der Stichprobe 1455 wurde diese Tatsache sehr häufig erwähnt, weshalb ich eine statistische Auswertung hinsichtlich verschiedener Attribute gemacht habe, mit Fokus auf 117 Beziehungen zwischen SchuldnerInnen und der Personen, welche die Güter bei sich hatte.164 1497 finden sich viel weniger häufig Hinweise auf Drittpersonen, weshalb ich für diese Stichprobe auf eine statistische Auswertung verzichte.

161 162 163 164

Vgl. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 124–132. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 6v. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 128. Siehe auch Signori, Schuldenwirtschaft, S. 61. Zwei Matrizendarstellungen (Abbildung 8.11 und Abbildung 8.12) finden sich im Anhang 8.4.3.

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Bezüglich der Herkunft lässt sich Folgendes feststellen: Es waren mit einer Ausnahme165 nur Personen, die sicher oder vermutlich aus Basel stammten, die Güter in Verbot hielten. Klar zeigte sich auch, dass die SchuldnerInnen häufiger NichtbaslerInnen waren, deren Güter also bei Personen aus der Stadt lagerten.166 Bezüglich des Vermögens zeigt sich, dass Personen aus niedrigeren Vermögenskategorien in der Regel kaum Güter hielten von reicheren Personen. Nur die Personen aus reicheren Verhältnissen hielten solche Güter, jedoch auch Güter von weniger reichen Personen. Insgesamt zeigt sich somit eine klare Überrepräsentation der reicheren Personen. Die Beteiligung an den Verboten (in Form des Haltens von in Verbot gelegten Gütern) steigt mit jeder höheren Vermögenskategorie deutlich an, von 0,4 Prozent bei den ärmsten auf bis zu 11,4 Prozent bei den reichsten.167 Diese Überrepräsentation war sogar noch ausgeprägter als diejenige der reichsten Kategorien unter den GläubigerInnen.168 In puncto Geschlecht scheint es, dass das Halten von beschlagnahmten Gütern eher innerhalb der Geschlechtergruppen blieb.169 Gemessen an der Steuerliste, war die Vertretung der Geschlechter unauffällig. Die Suche nach spezifischen Strukturen und zentralen Personen, die Güter in Verbot hielten, war nicht ergiebig. Die meisten tauchen nur einmal auf, und auch hohe Degree-Werte hingen eher damit zusammen, dass der gleiche Schuldner oder die gleiche Schuldnerin mehrfach mit Verbot belegt wurde. Die Personen waren auch im restlichen Schuldennetz unauffällig verflochten, einige fanden nur im Kontext von Verboten Erwähnung, andere wiesen auch sonst Schuldbeziehungen auf. Von vergleichsweise vielen Personen, die Güter in Verbot hielten, ist der Beruf bekannt, oft in der Gastronomie: Köche und Wirte waren sehr häufig. Das ist auch naheliegend, etwa wenn bei ihnen Güter von auswärtigen Gästen lagen, und die Beobachtung deckt sich mit der oben getroffenen Feststellung, dass oftmals Personen aus Basel Güter von auswärtigen SchuldnerInnen bei sich hatten. Auch Bäcker, Metzger und Schneider kamen vor. Es ergibt sich kein klares Muster der Berufe, aber es zeigt sich doch ziemlich klar, dass die handwerkliche Mittelschicht sehr stark vertreten war. Erklärungsbedürftig ist das Beispiel von Jörg Lupfried von Basel, der nach dem Tod des Grafen von Thierstein170 Güter bei sich selbst in Verbot legen ließ – und nicht die Güter direkt zu Geld machte, um seinen Anspruch zu decken. Die Lösung des Rätsels mag darin liegen, dass andere Gläubiger des Grafen ebenfalls auf die bei Lupfried

165 166 167 168 169 170

Es handelt sich um den Markgrafen von Hachberg-Sausenberg, und hier stammte auch der Schuldner von außerhalb; StABS, Gerichtsarchiv E 4, 7v. Ein CHI2-Test zum Beleg der Aussage ist aufgrund der kleinen Fallzahlen nicht möglich, es fand schlichtweg fast nicht statt, dass jemand von außerhalb der Stadt Güter hielt. P-Wert Fisher’s Exact Test: 0,00000000014. Gemessen am Verhältnis zwischen ärmster und reichster Kategorie, wo bei den gehaltenen Gütern ein Faktor 27 resultiert, bei den GläubigerInnen jedoch nur ein Faktor 9 (d. h., die reichste Kategorie war anteilsmäßig zu ihrer Größe 27-mal stärker vertreten als die ärmste). Siehe auch Kapitel 4.1.1. CHI2-Test mit p-Wert = 0,004899, bei n = 116 (Beziehungen). Vgl. zu den Thierstein Christ, Grafen.

186

Gerichte nutzen

liegenden Güter verwiesen und diese in Verbot legten. Das verunmöglichte ihm das direkte Vorgehen, und um seinen Anspruch festzuhalten, blieb ihm wohl keine andere Wahl als das Verbot von Gütern, die er bei sich hatte.171 4.2.4 Frönung Die Frönung war das Pendant zum Verbot für liegende Güter, also der Sacharrest auf ein Grundstück zur Deckung von Schulden.172 Der Eintrag erfolgte ins gleiche Buch und folgte einem ähnlichen Formular. Auch diese Einträge waren sehr kurz, und die Praxis, die drei erneuten Anrufungen zu notieren, ist für 1455 ebenfalls nachzuweisen. Der häufigste Anlass für eine Frönung war direkt mit der Liegenschaft verbunden. Es handelt sich um sogenannte versessene Zinsen, d. h. nicht bezahlte Grund-, Rentenoder Mietzinsen, die auf der Liegenschaft lasteten.173 Diese Zinsen, die zum Teil über mehrere Jahre aufsummiert sein konnten, betrafen 38 Prozent der Frönungen in der Stichprobe 1455 und 53 Prozent in der späteren Stichprobe.174 Die weiteren Begründungen, darunter der sogenannte Missbau, d. h. die Verwahrlosung einer Liegenschaft,175 oder die Flucht des Schuldners, betrafen höchstens einige disparate Fälle und werden hier nicht weiter ausgeführt. In der Regel betraf die Frönung also direkt das betreffende Grundstück, was sie auch vom Verbot unterscheidet, denn dort musste kein Zusammenhang bestehen zwischen den mit Verbot belegten Gütern und der Schuldsache. Vereinzelt konnte die Frönung aber auch ähnlich wie das Verbot eingesetzt werden.176 Wenn die Gefrönten die Schuld nicht beglichen oder bestritten, konnte die frönende Person nach Ablauf der drei Termine das Gut für die symbolische Summe von einem Pfund und drei Schillingen kaufen. Das Verfahren war deshalb kein Gant-, d. h. Versteigerungsverfahren, sondern es handelt sich um ein sogenanntes Zugrecht.177 Waren mehrere GläubigerInnen an der Liegenschaft interessiert, konnte es dazu kom-

171 172 173 174 175 176

177

Das geschah im August 1455, StABS, Gerichtsarchiv  E  4, 17v. Zwei Tage später machte Werlin Besserer dasselbe, StABS, Gerichtsarchiv E 4, 18r. Ein ähnlicher Fall auch unter StABS, Gerichtsarchiv E 4, 10r. Details zur Frönung bei Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 117–121. Der Unterschied lässt sich in der Quelle oftmals nicht ausmachen, Hinweise wie „als er xxx ß gelts daruff hatt“ (StABS, Gerichtsarchiv E 7, 50v) lassen an eine Rente denken, während der Begriff „von eigenschafft wegen“ (StABS, Gerichtsarchiv E 7, 51r) auf eine Grundrente schließen lässt. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 79, setzt den Anteil für 1475–1480 mit 85 Prozent noch bedeutend höher an. Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 83. Das galt besonders, wenn liegende Güter als Pfand für gerichtlich eingeklagte Schulden gestellt wurden, gemäß einem Ratsbeschluss von 1449 (StABS, Protokolle: Öffnungsbücher 2, 26). In einem konkreten Fall von 1455 konnten die Gläubiger auf einen Rebberg „als farende gut“ zugreifen (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 17v). Siehe auch Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 118. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 120 f.

Das gerichtliche Angebot an Prozessformen

187

men, dass jemand die andere Person überbot und sie so an sich zog. Dieses Vorgehen nannte man „überkaufen“.178 Da die Frönung sich stärker auf das Grundstück bezog als auf die Person des Schuldners, kam es auch relativ häufig vor, dass gar kein Besitzer der Liegenschaft genannt wurde, wie sich im folgenden Beispiel sehen lässt: Item hat gefrönt Hanns Sigrist der winmess[er] dz hus genant zer Eich, in der Ingeber gassen gelegen, von siner zins wegen.179

An solchen Beispielen lässt sich die Verschiebung weg von der Person besonders gut zeigen.180 Es ist durchaus denkbar, dass gar kein Besitzer bekannt war, zum Beispiel wegen eines Todesfalls, zwingend der Fall war das jedoch nicht. 4.2.5 Unzüchterbuch Die Unzüchter, ein Ratsausschuss mit Befugnissen im Bereich der Strafjustiz, waren auch zuständig für die Eintreibung von Schulden, also für die Schuldvollstreckung, wobei sie im Verlauf des 15. Jahrhunderts bei dieser Aufgabe in Konkurrenz gerieten zum Schultheißengericht, welches selbst eine Vollstreckungsbefugnis erlangte, die sich auf die Güter der Schuldner bezog.181 Ursprünglich war es damit Aufgabe der Unzüchter, die Schulden zu vollstrecken, die vor Gericht erklagt worden waren, wobei unklar ist, wie sich diese Funktion weiterentwickelt hat. Es scheint, dass vor den Unzüchtern ähnlich wie vor dem Stadtgericht Zahlungsversprechen eingetragen werden konnten, ohne dass zwingend ein Prozess vorausgegangen wäre.182 Diese Versprechen wurden im Unzüchterbuch eingetragen, welches jedoch große Überlieferungslücken aufweist, so auch für die Jahre 1469–1514.183 Es lag deshalb für die zweite Stichprobe nicht vor, und es ist unklar, welche Rolle es in dieser Zeit spielte. Die Einträge des Unzüchterbuchs waren oft noch kürzer als diejenigen des Vergichtbuchs, indem einfach festgehalten wurde, dass der Schuldner versprach, innerhalb eines Monats eine meist genannte Schuldsumme zu erstatten. Einige Einträge hingegen fielen etwas länger aus und gleichen dadurch den Zahlungsversprechen des Vergichtbuchs. Der Hinweis auf die Möglichkeit der Schuldvollstreckung durch die Unzüchter findet sich an einer Stelle im Unzüchterbuch selbst. Bei einem Zahlungsversprechen wurde festgehalten, 178

Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 122. Beispiele finden sich in StABS, Gerichtsarchiv  B  7, 32; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 120r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 122r; StABS, Gerichtsarchiv G 9, 30r. 179 StABS, Gerichtsarchiv E 4, 19v. 180 Vgl. dazu auch Signori, Schuldenwirtschaft, S. 14. 181 Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 48. 182 Hagemann teilt diese Meinung nicht, zitiert aber Franz Ernst Meyer, der genau dies in der Praxis beobachtete, Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 284. 183 Vgl. Steinbrink, Meltinger, S. 90.

188

Gerichte nutzen

dass – sollten die Schuldner den Gläubiger nicht befriedigen – dieser „darumbe ussklagen nach der unzuchter recht“ konnte.184 Andererseits finden sich für die ganze Stichprobe von 1455 (und fürs Folgejahr, das ich im Unzüchterbuch auch erfasst habe) kein einziges Beispiel einer hier erwähnten Schuldbeziehung, die auch im Vergichtbuch oder in den Urteilen zu finden wäre. Diese Beobachtung spricht meines Erachtens deutlich dafür, dass das Unzüchterbuch als eine Alternative zum Vergichtbuch (ohne die Möglichkeit eines Urteils) gedeutet werden muss. 4.3 Nutzung der Prozessformen Wie haben nun die Gerichtsnutzerinnen und -nutzer des Großbasler Schultheißengerichts das beschriebene Angebot an Prozessformen genutzt? Tabelle 4.19 zeigt eine Übersicht über die Anzahl erfasster Beziehungen pro Prozessform. Die einfachen Schuldanerkennungen erwiesen sich dabei als die häufigsten Einträge in den Gerichtsbüchern, gefolgt von den Verboten. Während Klagen wegen Schulden auch noch relativ häufig waren, bildeten Frönungen die weitaus kleinste Gruppe. Nicht in die Berechnung der Anteile eingeflossen sind die Unzüchterbucheinträge, die ja nur für 1455 vorliegen, sowie weitere Schuldbeziehungen, die etwa in Kundschaften erwähnt wurden oder die nicht direkt Verhandlungsgegenstand von Gerichtsprozessen waren. Während die Dimensionen in beiden Stichproben ähnlich waren, gab es einzelne Verschiebungen. So verloren die Klagen und Frönungen 1497 im Vergleich zu 1455 an Bedeutung, während die einfachen Schuldanerkennungen zunahmen. Die Zahl der Frönungen, die außerdem bei Weiten nicht alle umgesetzt wurden, war tief.185 Tab. 4.19 Anzahl Fälle pro Prozessform und Anteile an den vergleichbaren Formen Anzahl

Anteil

1455

1497

1455

1497

Schuldanerkennungen

176

287

33,2 %

40,5 %

Klagen wegen Schuld

142

162

26,8 %

22,9 %

Verbote

165

223

31,1 %

31,5 %

Frönungen

47

36

8,9 %

5,1 %

Unzüchterbucheinträge

99

weitere Schuldbeziehungen

168

140

gesamt

797

848

184 StABS, Ratsbücher N 8, 29v. 185 Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 140. Signori stellte überraschend wenige Zwangsversteigerungen fest, auch in den 1470er-Jahren mit schlechterer Wirtschaftslage.

189

Nutzung der Prozessformen

Zur Übersicht über die Nutzung von Prozessformen gehört auch die Frage nach der Überschneidung zwischen den Formen. Sie wird hier aus Sicht der SchuldnerInnen betrachtet, indem ich für jede Kombination von Prozessformen berechnet habe, wie groß der Anteil der Personen ist, die in beiden Prozessformen als SchuldnerIn auftreten.186 Das Unzüchterbuch von 1455 weist übrigens relativ kleine Überschneidungen auf, am meisten noch mit den Vergichten (6,6  Prozent). Beide Stichproben weisen für die meisten Kombinationen sehr tiefe Überschneidungen im einstelligen Prozentbereich auf. In den folgenden Abschnitten untersuche ich nun, wie sich bestimmte Attribute der beteiligten Personen auf die Nutzung verschiedener Prozessformen auswirkte. Dabei wird in der Regel zwischen den Rollen als GläubigerIn (und damit KlägerIn) und SchuldnerIn unterschieden. 4.3.1 Herkunft und Distanz Die Herkunft der Beteiligten schwankte zwischen den verschiedenen Prozessformen erheblich, wie Tabelle 4.20 und Tabelle 4.21 zeigen. Tab. 4.20 Herkunft von SchuldnerInnen und GläubigerInnen in den verschiedenen Prozessformen, Stichprobe 1455187 GläubigerIn aus Basel

SchuldnerIn aus Basel

beide aus Basel

Schuldanerkennungen

91,5 %

85,1 %

77,3 %

Klagen wegen Schuld

85,7 %

77,1 %

71,4 %

Verbote

93,7 %

68,5 %

63,1 %

Frönungen

89,1 %

80,7 %

70,6 %

186 187

Siehe Tabelle 8.9 und Tabelle 8.10 im Anhang 8.4.3. Die Kategorie „wahrscheinlich aus Basel“ wurde in die Kategorie „aus Basel“ integriert; die Auswertung umfasst nur die 406 Schuldbeziehungen, bei denen von beiden Parteien die Herkunft bekannt war.

190

Gerichte nutzen

Tab. 4.21 Herkunft von SchuldnerInnen und GläubigerInnen in den verschiedenen Prozessformen, Stichprobe 1497188 GläubigerIn aus Basel

SchuldnerIn aus Basel

beide aus Basel

Schuldanerkennungen

84,0 %

56,0 %

50,0 %

Klagen wegen Schuld

62,0 %

83,0 %

53,0 %

Verbote

87,0 %

90,0 %

79,0 %

Frönungen

86,2 %

93,1 %

79,0 %

Erwartungsgemäß waren unter den Personen, deren Liegenschaft gefrönt wurde, die BaslerInnen sehr stark vertreten, 1497 etwas mehr als 1455. Das traf 1497 im gleichen Ausmaß auch auf die Verbote zu, 1455 hingegen war es das Verfahren mit dem größten Anteil an NichtbaslerInnen. Die Behauptung Hans-Rudolf Hagemanns, dass Verbote gegen Bürger und städtische Hintersassen nur im Ausnahmefall möglich gewesen seien, bestätigt sich bei den untersuchten Stichproben nicht.189 Da 1497 über 90 Prozent aller von einer Beschlagnahmung (Frönung oder Verbot) bedrohten Personen aus Basel stammten, lässt sich ein Vergleich mit Lucca anstellen. Laut Daniel Smail war dort jährlich ein Haushalt von zehn von einer „predation“ betroffen, was vergleichbare Verhältnisse darstellt.190 Während die Verbote und Frönungen im Vergleich zwischen den Stichproben offenbar zu einer immer stärker innerbaslerischen Angelegenheit wurden, fand bei den Schuldanerkennungen eine gegenläufige Bewegung statt. 1455 waren je rund drei Viertel der Vergichte und Schuldklagen innerstädtische Angelegenheiten, 1497 war dies nur noch je zur Hälfte der Fall. Damit bestätigt sich die Aussage von Gabriela Signori, dass die überragende Mehrzahl derer, die ihre Schulden in die Vergichtbücher eintragen ließen, aus der Stadt kamen, nur bedingt.191 Die beschriebenen gegenläufigen Bewegungen führen dazu, dass sich die Muster der beiden Stichproben sehr wenig gleichen. 1455 war der Anteil an BaslerInnen bei den Schuldanerkennungen am höchsten, 1497 war es der tiefste Wert aller Prozessformen. Der Anteil an GläubigerInnen aus Basel hingegen war in beiden Stichproben sehr hoch, in der frühen dabei noch etwas höher. 1455 unterschieden sich die Prozessformen hinsichtlich der Herkunft der GläubigerInnen nicht, 1497 hingegen stammten diese bei Schuldklagen deutlich seltener aus Basel als bei den anderen Prozessarten.

188 189 190 191

Umfasst nur die 524 Schuldbeziehungen, bei denen von beiden Parteien die Herkunft bekannt war. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 125. Smail, Plunder, S. 175. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 36.

Nutzung der Prozessformen

191

1497 zeigen sich klare Muster in der Beziehung zwischen BaslerInnen und Auswärtigen. Während bei den Schuldanerkennungen in 84 Prozent der Fälle die Person aus Basel Gläubigerin war, stellte sich die Situation bei den Klagen gerade umgekehrt dar. Bei diesen Schuldverhältnissen war die Person aus Basel zu 76 Prozent Schuldnerin.192 Schuldbeziehungen zwischen zwei NichtbaslerInnen machten bei den Schuldbekenntnissen und Urteilen weniger als zehn Prozent aus. Ein kurzer Blick auf die nicht lokalisierbaren Personen soll zeigen, ob diese markant abwichen und deshalb auf eine Verzerrung der Wahrnehmung hinweisen. 1455 wurden von den nicht lokalisierbaren SchuldnerInnen weniger häufig Schulden eingeklagt, dafür waren sie bei den Verboten überrepräsentiert, bei den anderen Kategorien lagen sie in der Mitte zwischen BaslerInnen und Auswärtigen. Die Zahl der nicht lokalisierbaren GläubigerInnen war vernachlässigbar klein. 1497 lagen die nicht lokalisierbaren Personen überall ungefähr in der Mitte zwischen BaslerInnen und NichtbaslerInnen, außer bei den Klagen wegen Schulden. Dort war diese Gruppe im Vergleich zu den anderen überrepräsentiert. Insgesamt weisen diese kleinen Abweichungen somit nicht auf eine nennenswerte Verzerrung hin. Auch bei der Untersuchung der Distanzen außerhalb Basels zeigen sich zwischen Stichproben Abweichungen. 1455, wo ich nur SchuldnerInnen genauer angeschaut habe, stammten diese bei Frönungen oder Schuldklagen eher aus der Nähe, während solche, die eine Schuld anerkannten oder von einem Verbot betroffen waren, eher aus größerer Distanz stammten.193 1497 hingegen kamen SchuldnerInnen von Schuldanerkennungen aus der näheren Umgebung der Stadt. Etwas weiter entfernt war die Herkunft, wenn wegen einer Schuld geklagt wurde, und deutlich größer war die Distanz bei Verboten.194 Der letzte Punkt ist der einzige, der in den beiden Stichproben deutlich übereinstimmt. Für 1497 zeigt sich in Bezug auf die GläubigerInnen von Vergichten, dass sie eher näher der Stadt, solche von Verboten etwas weiter und solche von Klagen wegen Schulden schließlich deutlich weiter entfernt von Basel herkamen.195 4.3.2 Geschlecht 1455 lassen sich zwischen den Prozessarten nur Unterschiede bei den SchuldnerInnen feststellen. Frauen erscheinen häufiger Opfer von Frönungen gewesen zu sein. Auch von Verboten waren sie eher stärker betroffen, Urteile wegen Schulden hingegen muss-

192

Vgl. dazu Piant, Justice, S. 149. Auch in seiner Stichprobe waren Auswärtige als KlägerInnen stärker in die konfrontativeren Prozessformen verwickelt. 193 Vgl. Tabelle 8.14 im Anhang. 194 Vgl. Tabelle 8.13 im Anhang. 195 Vgl. Tabelle 8.12 im Anhang.

192

Gerichte nutzen

ten sie deutlich seltener hinnehmen, bei den Vergichten gab es keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Im Jahr 1497 hatte sich das Bild ins Gegenteil verkehrt. Von den Frönungen und Verboten waren fast ausschließlich Männer betroffen, was auch dazu führt, dass Männer als Schuldner stärker vertreten waren als als Gläubiger (das war 1455 noch umgekehrt). Frauen waren gerade bei Frönungen und Verboten häufig als Gläubigerinnen anzutreffen, ebenso bei den Klagen, ganz im Gegensatz zu den Schuldanerkennungen, welches die einzige Prozessart darstellt, bei der Frauen häufiger Schuldnerinnen als Gläubigerinnen waren. Auffällig ist bei beiden Stichproben, dass Institutionen nur selten als Schuldnerinnen anzutreffen waren und als Gläubigerinnen hauptsächlich zu Frönungen und – etwas seltener – zu Verboten griffen.196 4.3.3 Vermögen Laut Gabriela Signori trat bei Verboten und Vergichten „dasselbe Personal“ auf. Diese Personen bildeten den „breiten Sockel der städtischen Unterschichten“.197 Die Überprüfung dieser Aussage lässt sich am ehesten mit der Untersuchung der Beteiligung an den Verfahren im Zusammenhang mit der Vermögenslage erkunden. Ich nahme eine solche für 1455 vor, weil diese Stichprobe aufgrund der feineren Kategorisierung des Vermögens eine stärker differenzierte Analyse erlaubt. Als Verfahren habe ich die Varianzanalyse gewählt, die den durchschnittlichen Vermögensbetrag gemäß Steuerliste für die an den verschiedenen Verfahren beteiligten Personen auf signifikante Unterschiede untersucht. Ergänzend habe ich auch die Mediane untersucht. Das Vermögen des Schuldners bzw. der Schuldnerin spielte dabei eine gewisse Rolle (siehe Tabelle 4.22).

196 Vgl. Tabelle 8.11 im Anhang. 197 Signori, Schuldenwirtschaft, S. 75.

193

Nutzung der Prozessformen

Tab. 4.22 Unterschiede des Durchschnitts- und Medianvermögens der SchuldnerInnen 1455 in Bezug auf den Verfahrenstyp198 Durchschnittsvermögen

Medianvermögen

n

Vergichte

130,2

45

84

Klagen

786,3

155

74

Verbote

513,1

30

34

Frönungen

307,9

40

19

Unzüchterbuch

144,3

5,75

125

Die niederschwelligen Verfahren eines Eintrags im Vergichtbuch oder im Unzüchterbuch betrafen oft Personen mit niedrigem Einkommen, weshalb das Durchschnittsvermögen der SchuldnerInnen deutlich niedriger lag als bei den anderen Verfahren. Es folgen Frönungen und Verbote, wobei erstaunt, dass das Durchschnittsvermögen bei Frönungen eher niedriger lag, war doch der Immobilienbesitz eine Voraussetzung für die Frönung. Allerdings ist die Zahl von SchuldnerInnen von Frönungen, deren Vermögen bekannt ist, auch sehr klein, weshalb ich dem Wert nicht allzu viel Aussagekraft beimessen möchte. Am höchsten lag das Vermögen bei Klagen, die ja auch als Anzeichen für einen Konflikt um die Schuld gelesen werden können. Diese Tatsache lässt zwei Interpretationen zu: So könnten Reiche eher widerwillig gewesen sein, ihre Schulden zu bezahlen. Wahrscheinlicher scheint mir aber die zweite Interpretation, die darin besteht, dass es sich bei Reichen eher lohnte, den ganzen Weg bis zur Rückzahlung zu gehen, auch wenn keine Einigkeit über die Schuld herrschte. Die Betrachtung der Mediane relativiert die Aussagen etwas. Die Mediane liegen durchs Band viel niedriger als die Durchschnittswerte, was der ungleichen Vermögensverteilung geschuldet ist. Die Mediane der Vermögen der SchuldnerInnen von Verboten und Frönungen liegen nahe beieinander und etwas niedriger als bei den Schuldanerkennungen. Damit zeigt sich, dass viele Personen mit geringem Vermögen Beschlagnahmungen ausgesetzt waren, während einzelne reichere die Durchschnittswerte nach oben zogen. Bei den Schuldanerkennungen hingegen ist die Differenz kleiner, was auf eine regelmäßigere Verteilung (in den eher ärmeren, aber nicht ganz armen Schichten) hinweist. Der Medianwert der wegen Schulden Angeklagten hingegen weicht im Vergleich der Medianwerte klar nach oben ab und bestätigt somit die oben getroffene Feststellung bezüglich der Klagen. Der extrem niedrige Median bei den Unzüchterbucheinträgen schließlich deutet darauf hin, dass dieses Verfahren vor allem die Ärmsten betraf.

198

P-Wert der Varianzanalyse: 0,0000224, p-Wert der Mediananalyse: 0,01638.

194

Gerichte nutzen

Die Aufschlüsselung der Prozessarten nach Vermögenskategorie für die Jahre 1455 und 1497 zeigt die beschriebenen Unterschiede noch deutlicher. Zuerst zu den SchuldnerInnen von 1455 (Abbildung 4.13). 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%

Unbekannt

Sehr arm Vergichte

Arm Frönungen

Mittel Verbote

Reich

Sehr reich

Klagen

Abb. 4.13 Verteilung der Prozessarten auf die SchuldnerInnen von 1455, in Abhängigkeit von der Vermögenskategorie199

Die Übersicht zeigt ein fast völliges Verschwinden der Vergichte bei den reichsten beiden Kategorien, wobei die Reichsten gar nicht mehr davon betroffen waren. Im Gegenzug zeigt sich das erwartet starke Aufkommen von Klagen. Frönungen und Verbote wichen weniger stark ab, vor allem Letztere waren an beiden Enden ungefähr gleich häufig, während die Frönungen in der Tendenz mit zunehmendem Reichtum eher abnahmen. Es war also durchaus nicht das gleiche Personal in den beiden Büchern (Vergichtbuch, Frönungen und Verbote) anzutreffen.

199 Anzahl erfasste Beziehungen (n) in den Kategorien: unklar 319; sehr arm 45; arm 74, mittel 51, reich 25; sehr reich 16.

195

Nutzung der Prozessformen

100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%

Unbekannt

Arm Vergichte

Frönungen

Mittel Verbote

Reich

Klagen

Abb. 4.14 Verteilung der Prozessarten auf die SchuldnerInnen von 1497, in Abhängigkeit von der Vermögenskategorie200

Die Stichprobe von 1497 mit ihrer weniger feinen Kategorisierung bestätigt die Resultate von 1455 vor allem in Bezug auf die Verteilung der Vergichte und Klagen (Abbildung 4.14). Etwas weniger deutlich ist die Verteilung der Verbote, welche bei den Armen doch klar häufiger waren als bei Reichen.201 In der Kategorie „unbekannt“ befinden sich alle Personen, die nicht aus Basel stammten, und diejenigen, die zwar aus Basel waren, aber auf der Steuerliste nicht zu identifizieren waren. Sie wird der Vollständigkeit halber angezeigt, aber nicht weiter kommentiert. Allfällige Herkunftseffekte, die dabei sichtbar werden, habe ich bereits im entsprechenden Abschnitt kommentiert.202 Auch bei den GläubigerInnen zeigen sich Muster in Abhängigkeit vom Vermögen, zumindest für die Stichprobe von 1455, die ja die feinere Aufschlüsselung erlaubt (siehe Abbildung 4.15). Es ist ein deutliches Ansteigen des Anteils von Vergichten bei reicheren GläubigerInnen zu erkennen, während gerade die Ärmsten kaum je Vergichte einforderten, sondern gleich klagten – allerdings ist dieser Wert angesichts der kleinen

200 Anzahl erfasste Beziehungen (n) in den Kategorien: unklar 337, arm 327, mittel 23, reich 21. 201 Auf einer etwas unsicheren Beweislage scheint sich zu bestätigen, was Gabriela Signori festgestellt hat, nämlich einen Trend der von Verboten Betroffenen in Richtung Peripherie der Gesellschaft (Signori, Schuldenwirtschaft, S. 60). 202 Siehe Kapitel 4.3.1.

196

Gerichte nutzen

Zahl von Fällen (16 erfasste Beziehungen) wenig aussagekräftig. Man könnte in diesen Fällen das Einklagen von Lidlohn erwarten, das war allerdings nicht der Fall, es handelte sich durchweg um andere Schuld- und teils Erbangelegenheiten. Wer Lidlohn einforderte, stammte meist aus einer höheren Vermögenskategorie oder war in der Steuerliste nicht ausfindig zu machen. Letzteres traf auf die Hausangestellten zu, die ja in der Steuerliste nicht separat aufgeführt waren. 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%

Unbekannt

Sehr arm Vergichte

Arm Frönungen

Mittel Verbote

Reich

Sehr reich

Klagen

Abb. 4.15 Verteilung der Prozessarten auf die GläubigerInnen von 1455, in Abhängigkeit von der Vermögenskategorie203

4.3.4 Logistische Regression zu Herkunft, Geschlecht und Vermögen Die logistische Regression fasst die oben gemachten Beobachtungen zusammen und ist hier vor allem deshalb interessant, weil sie die gegenseitige Beeinflussung von Variablen herausrechnet.204 Die logistische Regression basiert auf einer binären Variablen, die ich jeweils auf die Prozessform bezogen habe, das heißt zum Beispiel: Handelt es sich bei der Schuldbeziehung um eine Frönung? Den Referenzwert bilden dabei je203 Anzahl erfasste Beziehungen (n) in den Kategorien: unklar 231; sehr arm 16; arm 55; mittel 83; reich 76; sehr reich 69. 204 Siehe die Ausführungen im Anhang 8.3.2.

Nutzung der Prozessformen

197

weils alle anderen Schuldbeziehungen. Diese Analysen haben für alle Prozessformen einzelne signifikante Werte ergeben – und andere, deren Einfluss nicht messbar war. Bei der Regression der Stichprobe von 1455 habe ich die Schuldsummen weggelassen, da diese für Verbote und Frönungen fast immer fehlen. Die Schuldanerkennungen der Stichprobe von 1455 zeichnen sich dadurch aus, dass die SchuldnerInnen eher aus der Stadt Basel stammten und ein kleines Vermögen aufwiesen (hundert Pfund weniger Steuervermögen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, in eine Schuldanerkennung verwickelt zu sein, um 13 Prozent). Die GläubigerInnen weisen keine signifikanten Abweichungen auf, im Gegensatz zu 1497, wo die GläubigerInnen von Vergichten häufiger aus dem Basler Umland stammten als bei den anderen Verfahrensweisen, sich aber auch häufiger reiche BaslerInnen finden. Die SchuldnerInnen stammten ebenfalls häufiger aus dem unmittelbaren (und auch aus dem weiteren) Umland von Basel, waren eher männlich und entweder arm oder nicht in der Steuerliste zu finden. Die Schuldsummen wichen deutlich nach unten ab (die Wahrscheinlichkeit eines Vergichts sank um 1,5  Prozent pro Pfund Zunahme der Schuldsumme). Die logistische Regression bestätigt hier die Trendumkehr bei den Beziehungen zum Umland. GläubigerInnen, die zur Klage als Maßnahme griffen, unterschieden sich 1455 nicht signifikant von anderen GläubigerInnen, deren SchuldnerInnen hingegen schon. Sie stammten eher aus Basel, waren eher weiblich und eher reicher als andere SchuldnerInnen. 1497 dagegen kamen die GläubigerInnen in der Regel signifikant häufiger von weiter her (und sind daher auch in der Steuerliste nicht verortbar). Die SchuldnerInnen dagegen waren eher männlich und eher reich. Die Schuldsummen, soweit sie bekannt sind, weichen bei den Klagen klar nach oben ab (mit einer um ein Pfund erhöhten Schuldsumme steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die gewählte Vorgehensweise eine Klage ist, um 0,9 Prozent – das entspricht 242 Prozent pro 100 Pfund). Die Klagen unterscheiden sich im Vergleich der beiden Stichproben weniger stark als die Vergichte, vor allem hinsichtlich der Vermögenslage der SchuldnerInnen gibt es Übereinstimmungen. Bei den Verboten des Jahres 1455 stammten die GläubigerInnen häufiger aus Basel als bei den anderen Prozessarten, die SchuldnerInnen dagegen deutlich seltener. 1497 waren GläubigerInnen häufiger weiblich als bei anderen Vorgehensweisen, in Bezug auf Herkunft und Vermögen gab es keine auffälligen Abweichungen. Die SchuldnerInnen hingegen stammten häufiger aus Basel, waren weniger häufig männlich und häufiger in der Steuerliste nicht anzutreffen. Auch hier unterscheiden sich die Stichproben also wieder hinsichtlich der Herkunft der SchuldnerInnen. Die Frönungen unterscheiden sich in beiden Stichproben nicht in signifikanter Weise, was vor allem auf die kleinen Fallzahlen zurückzuführen ist.

198

Gerichte nutzen

4.3.5 Schuldsummen Die Auswertung nach involvierter Schuldsumme folgt einer leicht anderen Logik, die nicht nach den Eigenschaften der Beteiligten fragt, sondern die Schuld selbst stärker in den Fokus nimmt. Sie wird aber trotzdem hier aufgeführt, um die Frage nach den Unterschieden zwischen den einzelnen Prozesstypen zusammenzuhalten. Um die Vergleichbarkeit von Pfund- und Guldenwährungen zu wahren, sind alle Beträge in Pfund umgerechnet.205 Damit trifft diese Auswertung keine Aussagen zur Form der Schuld und zur Zirkulation von Geld, sondern untersucht bloß die Unterschiede in der Höhe der monetarisierten Forderung der Gläubigerinnen und Gläubiger, die zudem standardisiert wurde. Tab. 4.23 Schuldsummen der Stichprobe 1455 nach Prozessart, Mittelwerte und Medianwerte Mittelwert Schuldsumme

Median Schuld­ summe

Anzahl Werte

Anteil an allen Fällen

Vergichte

27,2

6,90

153

86,9 %

Frönungen

41,4

34,50

4

8,5 %

Verbote

2,3

2,30

1

0,6 %

Klagen

22,0

19,55

35

24,6 %

2,8

0,84

242

96,4 %

Unzüchterbuch

Tab. 4.24 Schuldsummen der Stichprobe 1497 nach Prozessart, Mittelwerte und Medianwerte Mittelwert Schuldsumme

Median Schuld­ summe

Anzahl Werte

Anteil an allen Fällen

Vergichte

7,6

2,8

190

66,2 %

Frönungen

24,6

3,5

21

58,3 %

Verbote

15,1

2,7

124

55,6 %

Klagen

85,2

10,0

55

34,0 %

205 Vgl. zur Verwendung verschiedener Währungssysteme Kapitel 3.1.1 und zur Umrechnung Anhang 8.2.2.

Nutzung der Prozessformen

199

Die Häufigkeit der Nennung von Schuldsummen unterscheidete sich in den Stichproben deutlich. Nur in der Tendenz ähnlich sind die Anteile bei den Klagen (wo eher wenige Schuldsummen bekannt sind) und den Vergichten (wo der Anteil höher ist), wobei sich diese in der Stichprobe 1497 deutlich weniger stark unterscheiden. Erstaunlich ist der geringe Anteil bei den Klagen, wo doch gerade die Tatsache, dass die Schuld offensichtlich umstritten war, eigentlich erwarten ließe, dass die Schuldsumme genannt würde.206 Bei den Frönungen und Verboten, wo das Gut des Schuldners oder der Schuldnerin als Ersatz für die Bezahlung der Schuld herangezogen wird, ist es aber weniger erstaunlich, dass die Summe nicht genannt wird, denn das Gut sollte in der Regel die Schuldsumme decken.207 Es erscheint damit nachvollziehbar, dass bei diesen Verfahren in der älteren Stichprobe praktisch keine Schuldsummen genannt werden. Diese Praxis änderte sich aber in der Folge, denn 1497 erwähnten sowohl die Frönungen als auch die Verbote in mehr als der Hälfte aller Fälle eine Schuldsumme. Wie dieser Unterschied zustande kam, lässt sich nicht nachvollziehen. Die Auswertung der Mediane, welche ja weniger anfällig sind für Extremwerte, zeitigte für die Stichprobe 1497 keine signifikanten Unterschiede zwischen den Prozessformen. In der Stichprobe 1455 liegen praktisch nur für Vergichte und Klagen Schuldsummen vor, und im Fall der Klagen ist der Anteil bekannter Schuldsummen mit rund 25  Prozent sehr niedrig. Bei den Schuldanerkennungen dagegen beträgt die Quote fast 87 Prozent. Sowohl die Mittelwerte als auch die Mediane der drei Prozessarten Schuldanerkennung, Klage und Eintrag im Unzüchterbuch unterscheiden sich signifikant.208 Die Schwierigkeit der Auswertung liegt aber darin, dass vielen kleinen einzelne sehr große Werte gegenüberstehen, was zum Beispiel bei den Vergichten zu einer großen Abweichung zwischen Median (6,9 Pfund) und Mittelwert (27,2 Pfund) führt.209 Insbesondere die Unterschiede zwischen Klagen und Vergichten fallen auf. Die Vergichte weisen den höheren Mittelwert, aber den niedrigeren Median auf als die Klagen. Letztere betrafen somit häufiger eher hohe Summen, während weniger Extremwerte anzutreffen sind, welche den Schnitt in die Höhe treiben würden. Dies im Gegensatz zu den Vergichten, die sich meistens um tiefere Beträge drehten, wo aber einzelne sehr hohe Summen den Mittelwert beeinflussen. Die Einträge im Unzüchterbuch (hier kennen wir in über 96 Prozent der Fälle eine Schuldsumme) weichen deutlich nach unten ab: Der Median beträgt 0,84 Pfund, der Mittelwert 2,8 Pfund. Diese Einträge vermögen allenfalls den Unterschied in Median und Mittelwert der

206 Ich komme im Kapitel 5.2.3 auf die Frage zurück. 207 Zur Vermeidung von übermäßiger Belastung von Grundstücken Signori, Schuldenwirtschaft, S. 118. 208 ANOVA mit p-Wert von 0,017, Mood’s Median-Test mit einem p-Wert von 0,000. 209 Andere haben ähnliche Beobachtungen auch gemacht, etwa Smail, Plunder, S. 158, in Bezug auf Schuldsummen im Zusammenhang mit Schuldhaft in Lucca.

200

Gerichte nutzen

Schuldsumme zwischen den Vergichten von 1455 und 1497 zu erklären. Es scheint, als seien die kleineren Beträge, die 1497 auch im Vergichtbuch erfasst wurden, 1455 im Unzüchterbuch zu finden.210 Hans-Jörg Gilomen hat die Schulden des Vergichtbuches mit dem Eingewinnerverzeichnis von Zürich verglichen, welches eine ähnliche Struktur wie das Schuldnerverzeichnis des Basler Kaufmanns Offenburg aufwies, und dabei Folgendes festgestellt: Die sehr kleinen Schulden aus dem alltäglichen Bezug von Waren und Dienstleistungen gegen Kredit sind, wenn sie sich zu einem noch recht geringen Betrag kumuliert hatten, sowohl in Offenburgs Schuldnerliste als auch in die Zürcher Eingewinnerverzeichnisse gelangt, hingegen kaum in die ausgewerteten Einträge der Basler Vergichtbücher.211

Vergleichbar wäre wahrscheinlich das Unzüchterbuch, das Gilomen allerdings nicht herangezogen hat. Aber auch ohne speziellen Blick auf das Unzüchterbuch steht fest, dass viele Schuldsummen wie andernorts eher klein waren, wenn auch nicht ganz klein, also auf die Kumulation von Transaktionen zurückzuführen.212 Um die Dimension der Schuldbeträge in einen Kontext zu stellen, habe ich sie anhand der Lohnangaben des Basler Spitals in Arbeitstage von Handwerkern – Meistern und Gesellen – sowie von Tagelöhnern in der Landwirtschaft umgerechnet.213 Die folgende Tabelle zeigt, dass es sich – mit Ausnahme des Unzüchterbuches – um Summen handelte, die gerade für Personen mit kleinen Einkünften bedeutend ausfielen.

210

211 212

213

Es ist allerdings unklar, ob das Fehlen des Unzüchterbuches zwischen 1468 und 1515 einer Lücke in der Überlieferung entspricht oder einer geänderten Praxis. Gegen Letzteres spricht die Tatsache, dass das Unzüchterbuch von 1515 im gleichen Stil mit Einträgen fortfährt (StABS, Ratsbücher N 9). Die Unzüchter verloren im 16. Jahrhundert laufend an Bedeutung, vielleicht hat deshalb zwischen den Stichproben wenn nicht eine vollständige Ablösung, so doch eine Verschiebung in Richtung Vergichtbuch stattgefunden. Gilomen, Frauen, S. 119. Z. B. zur Provence im Spätmittelalter Lavoie, Endettement, S. 210 f.: Es gab vor den Gerichten viele kleine Summen, 90 Prozent lagen unter drei Livres, 60 Prozent sogar unter 20 Sous. Vgl. auch Gilomen, Frauen, S. 117: „Dieser Durchschnitt [von sechs Pfund] und das Fehlen von Beträgen unter einem Schilling lassen erkennen, dass zwar meist geringe, aber doch nicht die ganz alltäglichen Schulden ins Vergichtbuch gelangten.“ Vgl. Tscharner-Aue, Wirtschaftsführung, S. 315 f. und 323. Die genannten Löhne waren für 1455 und 1497 identisch.

201

Nutzung der Prozessformen

Tab. 4.25 Umrechnung von Schuldsummen beider Stichproben in Arbeitstage Median in Pfund

Arbeitstage Meister

Arbeitstage Geselle

Tagelöhner Ackerbau

Schuldanerkennung

6,9

41

83

138

1455

Unzüchterbuch

0,844

5

10

17

1455

Klage wegen Schulden

19,55

117

236

391

1497

Schuldanerkennung

2,8

17

34

56

1497

Verbote

2,7

16

32

53

1497

Klage wegen Schulden

10,0

60

120

200

Stichprobe

Prozessform

1455

4.3.6 Schulden von verstorbenen Personen Die große Bedeutung der zivilen Gerichtsbarkeit bei Erbgängen wurde schon an anderer Stelle ebenfalls mit Fokus auf Basel untersucht und soll hier nicht weiter Thema sein.214 Es fällt jedoch auf, dass Schulden von Verstorbenen eine große Rolle spielten. Das ist keine für Basel spezifische Feststellung.215 Vor allem Frönungen und Verbote betrafen Güter von Verstorbenen. Die Erwähnung bei diesen Prozessformen ist nicht weiter erstaunlich, waren es doch Verfahren, die nicht auf die SchuldnerInnen selbst, sondern auf ihren Besitz zugriffen. Ähnlich verhielt es sich, wenn Güter von geflohenen Personen beschlagnahmt wurden.216 In den Vergichten hingegen finden sich kaum Hinweise auf geerbte Schulden217  – was nicht ausschließt, dass Erben Zahlungsversprechen für solche Schulden abgaben. Aber wenn es vorkam, so wurden sie nicht als solche ausgewiesen. Auch in den schuldspezifischen Urteilen finden sich nur einige

214 Vgl. Signori, Vorsorgen. 215 Vgl. Beaulande, Traitement. Viele der von Beaulande beschriebenen Fälle werden erst kompliziert (oder kommen vielleicht erst vor Gericht), wenn eine Partei verstirbt und die Erben ins Spiel kommen. Die Autorin geht jedoch nicht explizit auf diesen Sachverhalt ein. Siehe auch Fouquet, Kredit, der viele Beispiele erwähnt von Gerichtsfällen in Verbindung mit Erbfällen und Schulden und Krediten von verstorbenen Personen, ohne darauf explizit einzugehen. Fontaine, Economie, S. 32, notiert, dass sogar die Überschuldeten zu Hause starben (weshalb man ihre Inventare heute noch lesen kann). Erst nach dem Tod wurde auf das Vermögen zugegriffen. 216 Das kam vor allem in der Stichprobe von 1497 vor (Anton Waltenhein und Hans Plarer). 217 Vgl. Sturm, Privatkredit, S. 51: Umschuldung bzw. die Verschuldung zur Tilgung ererbter Schulden war üblich.

202

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Hinweise. Erbstreitigkeiten hingegen waren häufig und führten auch zu vielen Urteilen, die aber hier nicht weiter untersucht werden. Zwischen 26 und 35 Prozent der Verbote erwähnten verstorbene SchuldnerInnen, und diese bildeten zwischen einem knappen Fünftel und einem guten Viertel aller Personen, deren Gut in Verbot gelegt wurde (vgl. Tabelle 4.26). Bei den Frönungen des Jahres 1455 beliefen sich diese Anteile auf 25,5 Prozent (Beziehungen) bzw. 21,6 Prozent (Personen). Dies sind Minimalzahlen, denn der Tod der SchuldnerInnen musste ja nicht zwingend immer erwähnt sein. Zudem gab es vor allem 1455 Frönungen von Liegenschaften, die keinen Besitzer nannten, wo man annehmen kann, dass eben kein Besitzer vorhanden war (weil verstorben), der den Zins bezahlen könnte.218 Die zweite Stichprobe erlaubte keine Auswertung nach verstorbenen SchuldnerInnen von Frönungen. Es findet sich keine einzige Erwähnung, die darauf schließen lässt. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass die Personen noch am Leben waren. Die Formulierungen bezüglich des Hauses waren oft im Präsens, zudem finden sich einige Leute auch nach der Frönung noch vor Gericht. So etwa Lienhard Schwab, dessen Rebacker im April 1497 von Bernhard Spurnis gefrönt wurde. Die Frönung wurde im August tatsächlich umgesetzt, indem Spurig den Acker kaufte. Einen guten Monat später verkaufte Schwab einen weiteren Acker, der Spurnis als Unterpfand diente, was beim Verkauf explizit festgehalten wurde.219 Tab. 4.26 Verbote: Anteil von Beziehungen und Personen, bei denen erwähnt ist, dass der Schuldner oder die Schuldnerin verstorben ist 1455220

1497221

Beziehungen

34,5 %

25,9 %

Personen

27,1 %

19,6 %

Der Unterschied zwischen dem Anteil der Verstorbenen an der Gesamtzahl der Personen und dem Anteil an den Beziehungen lässt sich damit erklären, dass die Anzahl an Beziehungen pro Person höher lag als bei den Lebenden (siehe Tabelle 4.27). Es liegt nahe, diesen Umstand darauf zurückzuführen, dass die Regelung der Schuld bei verstorbenen SchuldnerInnen dringender war, nicht zuletzt weil keine künftigen Einkommen der Person eine Rückerstattung in der Zukunft ermöglichten und es außerdem schwierig sein konnte, Schulden bei den Erben einzutreiben. Vielleicht lässt sich

218 219 220 221

In elf von 16 Fällen ist der versessene Zins explizit als Frönungsgrund genannt. StABS, Gerichtsarchiv E 7, 43r, StABS, Gerichtsarchiv B 14, 116r, StABS, Gerichtsarchiv B 14, 119v. N = 165 (Beziehungen) bzw. 107 (Personen). N = 220 (Beziehungen) bzw. 51 (Personen).

203

Nutzung der Prozessformen

damit auch die in einer Kundschaft gleich von zwei Zeugen geäußerte Nachfrage bei einer Frau auf dem Kranken- bzw. Totenbett, ob sie noch Schulden habe, erklären.222 Tab. 4.27 Anzahl Beziehungen pro Person in den Verboten von 1455 und 1497. 1497 liegt die Zahl bei den Lebenden wegen Anton Waltenhein, dessen Gut 88-fach in Verbot gelegt wurde, so hoch: Ohne ihn beträgt der Schnitt noch 1,5. 1455

1497

verstorbene SchuldnerInnen

2,0

5,1

andere SchuldnerInnen

1,4

4,1

Betraf die Frönung in der Stichprobe 1455 eine verstorbene Person, so war in der Regel kein Grund für die Frönung erwähnt. Auf die zwölf Einträge trifft es nur einmal zu, dass versessene Zinsen als Frönungsursache tatsächlich genannt wurden. Dies im Gegensatz zur Gesamtheit der Frönungen. Im Folgenden werden die Verbote der Stichprobe 1455 genauer untersucht hinsichtlich der Unterschiede zwischen verstorbenen und lebenden SchuldnerInnen. Ein erster Faktor ist die Erwähnung von Terminen in der Quelle. Diese lässt eine tatsächliche Umsetzung der Beschlagnahmung bis hin zum Verkauf der beschlagnahmten Güter vermuten. Hier zeigt sich ein – signifikanter223 – Unterschied. War der Schulder oder die Schuldnerin verstorben, wurden deutlich häufiger Termine erwähnt (siehe Tabelle 4.28). Die weniger häufige Erwähnung von Terminen zeigt hingegen, dass noch lebende SchuldnerInnen eher als allfällige Erben in der Lage und gewillt waren, den Verkauf der beschlagnahmten Vermögenswerte zu verhindern. Tab. 4.28 Stichprobe 1455: Anteil an Verboten, welche Termine erwähnen keine Termine

Termine erwähnt

lebendeR SchuldnerIn

62,0 %

38,0 %

verstorbeneR SchuldnerIn

36,8 %

63,2 %

222 Ein Zeuge berichtet über die Frage „an irem tod bett, ob sy yemand nutzit zetund schuld sye“, der Zweite erzählte, dass er „in ir kranckheitt unnder drye malen [bei ihr] gewesen sye unnd sy gefragt, ob sy yemand schuldig were, das anzegeben“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 73r. Sie nannte dann nur ganz kleine Schulden, die sie „uff diser erd“ noch schuldig war. 223 Der CHI2-Test ergibt einen p-Wert von 0,002.

204

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Beim Geschlecht und bei der Herkunft der GläubigerInnen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Die SchuldnerInnen unterschieden sich hingegen hinsichtlich der Herkunft deutlich (siehe Tabelle 4.29).224 Wenn die SchuldnerIn sicher oder vermutlich aus Basel stammte, war der Anteil an Verstorbenen höher (vor allem bei den vermutlich aus Basel stammenden, wo die Verstorbenen auch zu suchen sind, wenn sie wegen ihres Todes nicht mehr in der Steuerliste figurieren). Dies ist nicht zuletzt ein klarer Hinweis darauf, dass die Unterscheidung bei den Unklaren (Kategorie „wahrscheinlich aus Basel“) sinnvoll ist, denn die Unterschiede sind da sehr groß. Auswärtige hingegen waren nach ihrem Ableben deutlich weniger häufig von Beschlagnahmungen betroffen. Dies mag daran liegen, dass ihre Güter eher nicht in der Stadt Basel zu finden und damit greifbar waren, aber auch daran, dass auswärtige verstorbene SchuldnerInnen schwieriger zu belangen waren. Hinsichtlich der Vermögenslage zeigten sich bei den StädterInnen keine signifikanten Unterschiede. Tab. 4.29 Herkunft von SchuldnerInnen der Verbote von 1455, unterschieden nach lebenden und verstorbenen SchuldnerInnen (n = 165 Verbote) unklar

aus Basel nicht aus Basel

wahrscheinlich aus Basel

lebendeR SchuldnerIn

77 %

60 %

76 %

45 %

verstorbeneR Schuld­ nerIn

23 %

40 %

24 %

55 %

Bei den Frönungen lassen die kleinen Fallzahlen keine statistische Auswertung zu. In Bezug auf die Termine zeigen sich ähnliche Muster, insbesondere gab es kaum Frönungen von Liegenschaften, deren Besitzer verschieden waren, die keine Termine erwähnten. Es ist folglich davon auszugehen, dass diese Liegenschaften in der Regel die Hand wechselten – und nicht den Erben blieben. Im Unterschied zu den Verboten zeigt sich beim Geschlecht der SchuldnerInnen ein Muster. Unter den lebenden SchuldnerInnen machten die Frauen gerade einmal 15,6 Prozent der betroffenen Personen aus, bei den verstorben hingegen zwei Drittel.225 Diese Zahl sollte allerdings nicht überbewertet werden, weil ein großer Anteil der Frönungen das Erbe einer Frau namens Ennelin Welch betraf. Weshalb Liegenschaften in Frauenhand häufiger nach deren Tod gefrönt wurden, lässt sich aus den Quellen nicht erklären.

224 P-Wert des CHI2-Tests: 0,011. 225 P-Wert des CHI2-Tests: 0,00095.

205

Nutzung der Prozessformen

Tab. 4.30 Frönungen 1455, Geschlecht der SchuldnerInnen, unterschieden nach verstorbenen und noch lebenden Personen (n = 44) Männer

Frauen

lebend

84,4 %

15,6 %

verstorben

33,3 %

66,7 %

Dass nach dem Tod einer der beteiligten Personen das Eintreiben von Schulden schwieriger wurde, war den Zeitgenossen bekannt: Nach einer Vereinbarung über die Bezahlung von Schweinen, die darin bestand, dass die Hälfte direkt bezahlt wurde, die andere aber als Schuld bestehen blieb, beschlossen die Beteiligten, „nach dem iederman sterblich wer, wolten sy kerb zettel uffrichten“.226 Wie Hans-Jörg Gilomen festgestellt hat, war es nicht nur schwierig, Schulden bei den Erben von verstorbenen SchuldnerInnen einzutreiben. Auch im umgekehrten Fall, bei Tod eines Gläubigers oder einer Gläubigerin, fehlte das spezifische Wissen, um Schulden noch einzutreiben.227 Andererseits konnte laut Laurence Fontaine gerade nach dem Tod des Haushaltsvorstandes oft ein „marché des dettes actives“ entstehen.228 Gerade der Tod einer Person konnte allerdings die Notwendigkeit auslösen, ein Verfahren anzustreben. So gab etwa ein gewisser Fridlin Maler in Auftrag, beim Tod seiner Schwester deren Güter mit Verbot zu belegen für eine Schuld, die er für sie ausgelöst habe. Es handelte sich dabei um eine beträchtliche Summe, nämlich 100 Gulden Hauptschuld und 40 Gulden versessene Zinsen, d. h. Zins für acht Jahre. Der Kundschaft des Trägers der Vollmacht entnimmt man, dass die Erben dies anfochten und versuchten, mittels Stellen eines Bürgen die Beschlagnahmung abzuwenden. Der Bevollmächtigte fühlte sich nun außerstande, den Fall weiterzuführen, und schrieb dem abwesenden Fridlin Maler, er solle sich nach Basel begeben und die Sache in die Hand nehmen, was dann auch geschah.229 Auch wenn nicht klar ist, wie die Geschichte ausging, ist doch ersichtlich, dass Maler seine Schwester nicht mit der Schuld belästigen wollte, sich aber doch absicherte, damit er nach dem Tod nicht den Moment zum Einfordern verpasste, weil er abwesend war. Ähnliche Konstellationen lassen sich auch in anderen Fällen von nach dem Tod verhandelten Schulden vorstellen. Etwas anders konnte sich die Situation bei Schuldstreitigkeiten präsentieren. Als er bei einer gegenseitigen Verrechnung von Arbeitsleistungen gegen eine Schuld seine 226 Kundschaft von 1494, Aussage eines Zeugen über die Worte eines des Beteiligten, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 48r. 227 „Vielleicht hätte der verstorbene Stephan Offenburg [der Gläubiger] sich da an Einzelheiten erinnert. Ohne solches Wissen war es den Erben nur bei einem Teil der Forderungen möglich, die Schuldner ‚gichtig‘ zu machen, sie zur Anerkennung der Forderung zu bewegen.“ Gilomen, Kleinkredit, S. 117. Siehe auch Fontaine, Espaces, S. 1388. 228 Fontaine, Economie, S. 71. 229 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 138v.

206

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Vorstellung der Schuldsumme nicht durchsetzen konnte, kündigte ein Gläubiger laut Zeugenaussage an, er „wolte beyten [warten]230 byss Hanns Schent sturbe so wolte er denn dz sin mit dem rechten behan“.231 Was ich bisher eher als Notwendigkeit beschrieben habe (man musste nach dem Tod des Schuldners vor Gericht, weil die Erben die Ansprüche nicht anerkannten oder weil das Wissen und die Sicherheit, die auf der persönlichen Beziehung beruhten, wegfielen), präsentiert sich hier als bewusste Strategie, die wahrscheinlich auf der veränderten Beweislage beim Tod des Schuldners beruhte. 4.3.7 Charakterisierung der Schuldanerkennungen Dieser Abschnitt untersucht den Einfluss verschiedener Faktoren auf gewisse Elemente, die in den Schuldanerkennungen des Vergichtbuchs häufig in mehr oder weniger standardisierter Form genannt wurden. Drei dieser Ergänzungen werden hier kurz vorgestellt: Verweise zur vereinbarten Abzahlung in Form von Zahlungsfristen oder Ratenzahlung und schließlich der Hinweis auf eine gegenseitige Verrechnung, die der Schuld zugrunde lag.232 Zahlungsfristen Ein Viertel (1455) bis zwei Fünftel (1497) aller Schuldanerkennungen des Vergichtbuchs enthalten einen speziellen Hinweis auf die Frist, bis zu der die ganze Schuld abbezahlt werden sollte. Diese wich in der Regel von einem Monat ab, denn dies war ja die Frist, die bei einem Vergicht grundsätzlich galt. Zahlungsfristen wurden viel häufiger vereinbart, wenn die SchuldnerInnen nicht aus Basel stammten, unabhängig davon, ob die GläubigerInnen BaslerInnen waren oder nicht.233 Diese Fristen waren oft mit dem Versprechen verbunden, sich nach Ablauf der Frist in die Stadt zu begeben, sich also nicht dem Zugriff zu entziehen, falls die Bezahlung nicht erfolgte.234 Weil es viele NichtbaslerInnen betraf, ist es wenig ergiebig, die Erwähnung von Zahlungsfristen hinsichtlich des Vermögens der Beteiligten zu untersuchen. Es zeigt sich einzig ein

230 Idiotikon, Bd. 4, Sp. 1846. 231 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 41v. 232 Vgl. die Zusammenfassung der Konfessatstypen bei Gabriela Signori: Es gab (mit ansteigender Häufigkeit) 1. durch Urteil erzwungene Konfessate, 2. als Ergebnis eines Vergleichs, 3. nach Stadtrecht, 4. auf Rechnung (also nach Anschreiben), 5. die nackten Schuldbekenntnisse (ohne jede Ergänzung), Signori, Schuldenwirtschaft, S. 34. 233 1497 waren an 77 Prozent aller Fälle Auswärtige beteiligt (als GläubigerIn und oder SchuldnerIn), 1455 waren es nur 33 Prozent (was aber die allgemein geringere Beteiligung von Auswärtigen spiegelt). 234 Vgl. die Ausführungen zu den Sicherheiten in Zahlungsversprechen in Kapitel 2.3.1.

Nutzung der Prozessformen

207

geringer Effekt, der darauf hinweist, dass sehr reiche Gläubiger eher auf Zahlungsfristen beharrten. Hinsichtlich der Schuldsumme unterschieden sich Schuldanerkennungen mit Zahlungsfrist nicht von solchen ohne (bzw. mit der impliziten Zahlungsfrist von einem Monat), beim Geschlecht zeigen sich nur in der späteren Stichprobe signifikante Unterschiede: Mit Frauen als Schuldnerinnen wurden weniger häufig Zahlungsfristen vereinbart. Die zentrale Frage bei der Zahlungsfrist ist jedoch, ob sie eher als milde Maßnahme zu lesen ist, da mehr Zeit eingeräumt wurde, oder ob sie wegen der geforderten schnellen Abzahlung eher als Druckmittel zu interpretieren ist. Zahlungsfristen orientierten sich entweder an einem bestimmten Feiertag oder nannten eine absolute Frist. Unter den Feiertagen besonders häufig waren Ostern, Pfingsten und Weihnachten, dazu die Heiligen Gallus (18. Oktober), Bartholomäus (24. August) und Johannes der Täufer (24. Juni). In diesen Fällen konnte ich die Dauer anhand des Datums des Eintrags berechnen. Präzise genannte Fristen waren meist kürzer, es waren dies oft acht oder vierzehn Tage, außerdem kamen auch drei, vier oder sechs Wochen mehrfach vor. Die Auswertung der unterschiedlichen Länge von Zahlungsfristen misst sich an der üblichen Frist von einem Monat, welche das Stadtrecht vorsah.235 Eine Frist von einem Monat (oder von vier Wochen, was hier nicht unterschieden wurde) kam aber auch vor. Weshalb diese explizit genannt wurde, ist unklar. Betrachten wir jedoch die Vergichtbucheinträge, welche das Stadtrecht erwähnen, stellt sich heraus, dass nicht alle dieser Einträge Zahlungsfristen von einem Monat nennen.236 Meist jedoch bezweckte die Erwähnung des Stadtrechts, das Vorgehen beim Nichtbezahlen festzulegen, und es bestand kein Widerspruch zum Festlegen einer anderen Frist.237 Um zu beurteilen, ob eine Zahlungsfrist eher von Milde oder von Härte spricht, habe ich deshalb unterschieden, ob sie länger oder kürzer als der übliche Monat angesetzt waren. Tabelle 4.31 zeigt die Verteilung der Fristen auf die zwei Kategorien (die Fristen von einem Monat sind dabei nicht mitgezählt). Bei der ersten Stichprobe überwogen die längeren, bei der zweiten die kürzeren Fristen. Der Unterschied gründet vor allem im viel häufigeren Auftreten von Fristen von zwei bis sechs Monaten. Ein gutes Drittel aller Einträge führte solche Fristen an. 1497 hingegen dominierten eher die kurzen Fristen und darunter solche von zwei Wochen, die fast ein Drittel ausmachten.

235 Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 49 236 Zum Beispiel beim Vergicht von Vren Stempfer an Hans Wurzeler vom 14. Juni 1455, welches eine Frist von nur zwei Wochen erwähnt. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 21r. 237 Wie Hans Rat im Vergicht vom 17.  Juni 1455: Der Eintrag endet mit „oder der statt recht tun“, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 21v.

208

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Tab. 4.31 Verteilung der Erwähnungen von Zahlungsfristen (kürzer oder länger als ein Monat), beide Stichproben 1455

1497

kürzer als ein Monat

34,5 %

55,3 %

länger als ein Monat

65,5 %

44,7 %

55

103

Anzahl gesamt

Die Zahlungsfristen von einem Monat schließlich sind relativ unauffällig.238 1497 beteiligten sich Auswärtige im normalen Rahmen daran, 1455 eher etwas weniger als bei den übrigen Schuldanerkennungen mit Zahlungsfristen. Es scheint also nicht, dass die Beteiligung von Auswärtigen es nötig gemacht hätte, die eigentlich schon durchs Stadtrecht definierte Frist schriftlich festzuhalten. Ist die Herkunft der GläubigerInnen unklar, waren die Fristen meist kürzer, ist sie bekannt, überwiegen die längeren Fristen, egal, ob die Person aus Basel stammte oder nicht. Lange Fristen waren somit mit einer klareren Identifikation der Personen verbunden. Das leuchtet unmittelbar ein, denn innerhalb von zwei Wochen konnte sich der Schreiber wohl an einen Fall erinnern, über mehrere Monate hinweg war dies bestimmt schwieriger. In der zweiten Stichprobe bestätigt sich dieser Befund jedoch nicht, hier sind es vielmehr die nicht identifizierbaren Personen, besonders die SchuldnerInnen, die eher mit langen Fristen in Verbindung gebracht werden können. Hans-Jörg Gilomen hat betont, dass Frauen als Schuldnerinnen eher längere Fristen zugesprochen bekamen. In diesen beiden Stichproben lässt sich das nicht mit Sicherheit bestätigen. 1455 ist kein Unterschied festzustellen, 1497 erwirkten tatsächlich alle sechs Schuldnerinnen längere Fristen.239 Weiter habe ich die Konstellationen von Vermögensverhältnissen untersucht. In zwölf Fällen ist das Vermögen beider Personen bekannt. Nur zweimal sind die beiden Personen in der gleichen Vermögenskategorie angesiedelt, sonst waren die GläubigerInnen reicher. Von diesen zehn vereinbarten Fristen wiederum war nur eine kürzer als ein Monat, eine einen Monat und die restlichen länger, darunter einige über zwei Monate und eine sogar über ein halbes Jahr. Auch 1497 ist die Vermögenskategorie bei zwölf Schuldbeziehungen für beide bekannt, auch hier gab es keine Fristen zwischen armen GläubigerInnen und reicheren SchuldnerInnen. Die Konstellation mit reicheren GläubigerInnen machte aber hier nur die Hälfte der Fälle aus, wovon zwei Drittel längere Fristen aufwiesen, die allesamt über zwei Monaten lagen, Hans Heinrich Grieb

238 1455 kam diese Frist fünfmal vor, 1497 13-mal. 239 Gilomen, Frauen, S. 121.

Nutzung der Prozessformen

209

als Gläubiger gewährte gar Fristen von über einem halben Jahr.240 Bei den Personen aus der gleichen Vermögenskategorie hingegen waren nur zwei Fristen (wenig) länger als einen Monat, zwei beliefen sich auf einen Monat, und zwei waren kürzer. In der Konstellation von reicheren GläubigerInnen lässt sich das Gewähren einer Zahlungsfrist also durchaus als Milde lesen. Die Zahlungsfristen, die kürzer als einen Monat waren, betrafen in der Regel etwas geringere Summen (Median von 2,3 Pfund im Gegensatz zu einem Median von 7,7 Pfund bei den längeren Fristen). Vor allem aber fällt auf, dass die Summe in mehr Fällen nicht bekannt war, nämlich in mehr als der Hälfte, während bei den langen Fristen nur ein Neuntel der Einträge keine Angaben zur Schuldsumme umfasst.241 Die Stichprobe 1497 weist sehr ähnliche Tendenzen auf. Der Median bei Fristen von weniger als einem Monat belief sich auf fünf Pfund, bei längeren Fristen waren es elf Pfund.242 Ebenfalls deutlich unterschied sich die Anzahl von unbekannten Schuldsummen: Bei den kurzen Fristen war bei mehr als vier Fünfteln der Einträge keine Summe erwähnt, Einträge mit längerer Zahlungsfrist umfassten zu über 50 Prozent eine Angabe zur Summe.243 Ratenzahlungen Ratenzahlungen unterscheiden sich von den vereinbarten Zahlungsfristen dahingehend, dass die Schuld nicht gesamthaft, sondern zu verschiedenen Zeitpunkten abbezahlt werden konnte. Dabei konnte sich die vereinbarte Zeit bis zur vollständigen Bezahlung über einige Wochen oder Monate bis hin zu einigen Jahren erstrecken. Die Ratenzahlung kam 1455 noch häufiger vor. In fast einem Drittel aller Fälle wurde eine Ratenzahlung erwähnt. 1497 waren es noch gut neun Prozent. In Kombination mit dem Anteil von vereinbarten Zahlungsfristen stellt sich heraus, dass in beiden Stichproben rund die Hälfte der Vergichtbucheinträge eine Regelung der Abzahlung umfasste und somit von der im Stadtrecht vorgesehenen Zahlungsfrist und -modalität abwich. Da Ratenzahlungen in der Regel längere Zeiträume vorsahen und, wie oben gezeigt, auch die Zahlungsfristen 1455 häufig länger waren als 1497, entsteht der Eindruck, dass auf

240 Drei Schuldner kamen zu zwei Terminen in den Genuss dieser Frist: am 30. Januar 1497 (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 36r) und am 28. Februar 1497 (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 31v). Mit sechs bzw. zehn Pfund (welche zwei Mitschuldner gemeinsam verantworteten) waren die Schuldsummen relativ hoch und auch das Vermögensgefälle, gehörte Grieb doch zur höchsten Steuerkategorie, die drei Schuldner aber zur untersten. 241 N = 55, davon 14 ohne Angabe zur Summe. Der Median-Test fiel nicht signifikant aus, weshalb der Unterschied nicht weiter interpretiert wird (p-Wert 0,466). Die unterschiedlichen Angaben zur Summe hingegen sind signifikant (Fisher’s Exact Test, p-Wert von 0,0023). 242 Die Differenz ist signifikant, der Median-Test ergab einen p-Wert von 0,00909. 243 P-Wert CHI2: 0,00021.

210

Gerichte nutzen

die SchuldnerInnen des Jahres 1455 weniger starker Druck ausgeübt wurde als auf diejenigen des Jahres 1497, von denen eher eine schnelle Rückzahlung erwartet wurde. Nichtbasler GläubigerInnen gewährten erstaunlicherweise häufiger eine Ratenzahlung – erstaunlich darum, weil die Ratenzahlung für diese wahrscheinlich mit Reisen nach Basel zu den vereinbarten Zeitpunkten verbunden war. Dies nicht zuletzt darum, weil es eher Basler SchulderInnen waren, die in den Genuss einer Ratenzahlung kamen, meist zudem aus den unteren Steuerkategorien. Die Summe bei Ratenzahlungen war außerdem in der Stichprobe 1497 im Schnitt einiges und signifikant höher. Das Geschlecht spielte keine Rolle. Sowohl vereinbarte Zahlungsfristen als auch Ratenzahlungen weisen darauf hin, dass Schulden immer Verhandlungssache waren und dass das Gericht genutzt wurde, um Verhandlungen aufzuzeichnen und sich so abzusichern. Während kurze Zahlungsfristen als Druckmittel eingesetzt werden konnten, stellten lange Fristen und die Möglichkeit der Ratenzahlung ein Mittel für säumige SchuldnerInnen dar, ihre GläubigerInnen etwas länger hinzuhalten – sofern sie dazu bereit waren. Erwähnung gegenseitiger Verrechnung Das nächste hier zu untersuchende Element ist der Hinweis, dass eine Schuldanerkennung „uff rechnung“ erfolgt sei.244 Die Tatsache, dass der Schuldanerkennung eine gegenseitige Verrechnung der Forderungen vorausging, wurde 1497 in rund 12,5 Prozent aller Einträge erwähnt. Während das Geschlecht keine Rolle spielte, waren Rechnungen weitaus häufiger, wenn sowohl SchuldnerIn als auch GläubigerIn aus Basel stammten (hier waren es 24  Prozent der Einträge). Wo das Vermögen bekannt ist, zeigt sich, dass Verrechnungen leicht häufiger vorkamen, wenn der oder die (in der Regel arme) SchuldnerIn mit GläubigerInnen aus den höheren Steuerkategorien abrechnete (34 Prozent zu 18 Prozent).245 Die sowieso schon vorhandene Asymmetrie verstärkte sich also noch, wenn verrechnet wurde. Es scheint damit auch klar zu sein, dass trotz gegenseitiger Verstrickung von Anfang an klar war, wer voraussichtlich die größere Schuld hatte. 1455 kam die Erwähnung weit weniger häufig vor (lediglich in sechs Fällen). Es stellt sich die Frage, ob der Umstand der gegenseitigen Verrechnung nicht systematisch notiert wurde und damit die Resultate wenig aussagekräftig sind. Bei den sechs Fällen waren Frauen etwas überrepräsentiert, auch scheint es, dass sie sich eher auf die Stadt konzentrierten. Die Schuldsummen weichen bei beiden Stichproben nicht signifikant voneinander ab.

244 Z. B. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 5v. Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.3. 245 Der Unterschied lässt sich im CHI2-Test knapp nicht belegen (p-Wert von 0,059), was nicht zuletzt auf die kleinen Fallzahlen zurückzuführen ist.

Fazit: differenzierte Gerichtsnutzung

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Die gegenseitige Verrechnung war das Zeichen einer längeren Geschäftsbeziehung, und dass solche innerhalb der Stadt häufiger vorkamen als über eine größere Distanz, überrascht nicht. Weniger einfach zu erklären ist die Häufigkeit von Verrechnungen bei ökonomischem Gefälle zwischen den beiden Beteiligten. Diese Tatsache lässt sich deuten als Zeichen von ökonomischer Integration von ärmeren Schichten der Stadt in langfristige geschäftliche Verhältnisse, genauso gut kann sie aber ein Zeichen von Abhängigkeit sein. Wer als armeR BaslerIn bei einer reicheren Person Kredit gefunden hatte, wandte sich immer wieder an sie – bis zu dem Zeitpunkt, wo die Schulden zu groß geworden waren und man ein Zahlungsversprechen leisten musste, um die Beziehung aufrechtzuerhalten. Diese Ambiguität von Schuldverhältnissen wird Thema des Fazits sein.246 4.4 Fazit: differenzierte Gerichtsnutzung Die Untersuchung der Kreise von GerichtsnutzerInnen hat große Unterschiede im Zugang und in der Nutzung des Gerichts gezeigt. Wo Personen auf der Steuerliste identifizierbar waren, zeigt sich eine deutliche Überrepräsentation der reicheren Schichten der städtischen Gesellschaft: Wer einer höheren Vermögenskategorie zuzurechnen war, war mit größerer Wahrscheinlichkeit vor Gericht anzutreffen und auch in mehr Beziehungen als ärmere Personen.247 Die Rolle als GläubigerIn war dabei dominant, aber es gab auch viele reiche SchuldnerInnen. Auch ein Einfluss einer reicheren Nachbarschaft ließ sich feststellen, was angesichts der topografischen Verteilung auf die Stadt nicht überrascht. Die Nutzung des Schultheißengerichts war – vor allem wenn wir die klagenden GläubigerInnen anschauen – eine Sache des Zentrums um den Marktplatz, während SchuldnerInnen etwas breiter über die ganze Stadt verstreut lebten. Diese Beobachtung steht im Kontext einer großen Mobilität innerhalb der Stadt, die aber offenbar diese Strukturen nicht durchbrach, sondern wahrscheinlich eher verstärkte.248 Die Betrachtung der Auswärtigen zeigt nebst einem Anstieg des Anteils zwischen der früheren und der späteren Stichprobe vor allem eine differenzierte Rolle vor Gericht in Abhängigkeit von der Distanz zur Stadt Basel. Je größer diese war, desto wahrscheinlicher war trat eine Person als Gläubigerin und somit Klägerin auf. Im näheren

246 Siehe Kapitel 7.2. 247 Zur vermehrten Gerichtsnutzung durch Reiche siehe Piant, Procès, S. 31; laut Piant waren vor allem die ärmsten Schichten fast völlig abwesend. Van Dijck, Conflict, S. 79, „civil lawsuits were a privilege of the more well-off citizens“, was nicht überrasche, ging es doch meist um Besitztümer, zudem seien Prozesse ja nicht gratis gewesen. 248 Gilomen, Demographie, S. 15 f. Gilomen beobachtet vor allem bei den unteren Schichten eine hohe Mobilität.

212

Gerichte nutzen

Umland um die Stadt hingegen überwogen SchuldnerInnen, die sich in der Stadt mit Geld versorgten oder bei ihren Geschäften Schulden eingingen. Ein Blick auf die Beteiligung von Frauen und ihre rechtliche Rolle hat einen relativ geringen Anteil von Frauen vor Gericht ergeben,249 allerdings nur hinsichtlich der Anzahl von Frauen, die vor Gericht erschienen, nicht jedoch hinsichtlich ihrer Beteiligung. Obwohl Vormundschaften in rechtlichen Angelegenheiten durchaus eine Rolle spielten, waren Frauen nicht systematisch gezwungen, sich vor Gericht vertreten zu lassen, und konnten durchaus selbstständig Schulden eintreiben. Zudem darf die Beteiligung der Frauen aufgrund der relativ geringen Zahl von auftretenden Frauen nicht unterschätzt werden, denn sie waren relativ oft als Mitschuldnerinnen direkt in Schuldbeziehungen involviert und hafteten aufgrund der ehelichen Gütergemeinschaft gemeinsam mit ihren Ehemännern. Auch wenn also das Gericht grundsätzlich allen zugänglich war – und wir finden Personen aus allen Bevölkerungsschichten vor Gericht –, so unterschied sich doch die Gerichtsnutzung verschiedener Gesellschaftsschichten und Gruppen deutlich. Schon Susanna Burghartz hat darauf hingewiesen, dass der Vergleich mit Frauen oder Juden zeige, wie stark christliche Männer im Zentrum der Justiz standen.250 Hier kommt noch die sozioökonomische Dimension hinzu, die sich stark auswirkte. Das Gericht war vor allem ein Instrument in der Hand reicher Männer. Zeitgenössische Kritik an der Bevorzugung von Reichen durch die Justiz erwähnt Bernd Furhmann: „‚Das ist die straff gewesen, wie ein sprichwort ist: dem reichen als dem reichen, em armen daß got erbarmen.‘“251 Einschränkend ist allerdings einzuwenden, dass die Identifizierung von reichen Personen oft einfacher ist, untere Schichten hingegen oft schlechter zu identifizieren sind.252 Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass unter den unbekannten Personen nur wenige Reiche zu finden sind. Das relativiert die starke Vertretung der reicheren Schichten aber nur bedingt, denn gerade die häufig auftretenden Personen sind ja identifizierbar.253 In den gleichen Kreisen müssen wir auch diejenigen suchen, die das Gericht sehr oft nutzten. Hervé Piant spricht von 5–10 Prozent „plaideurs acharnés“.254 Er hat auch darauf hingewiesen, dass sich die „chicaneurs“ (wie er die häufigen Gerichtsnutzer nennt) deutlich von den anderen Gerichtsnutzern abheben, die nur einen „rapport

249 Vgl. dazu im Kontext der Strafgerichtsbarkeit Burghartz, Ort, S. 63: Frauen hatten zwar Zugang zum Gericht, aber es gelang ihnen selten, „ihre Konflikte – gemessen an männlichen Normen – öffentlich auszutragen“. 250 Burghartz, Disziplinierung, S. 404. 251 Fuhrmann, Wahrnehmung, S. 35. 252 Piant, Procès, S. 28, erwähnt die Gefahr des „,maquillage‘  social“, der dazu führe, dass untere Schichten schlechter identifiziert werden. Dazu auch Schoch, Bevölkerung, S. 53. 253 Vgl. Kapitel 6.3.1 zu den häufigen GläubigerInnen. 254 Piant, Procès, S. 34.

Fazit: differenzierte Gerichtsnutzung

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épisodique à la justice“ haben.255 Gerade bei der hier gewählten Stichprobenbildung erscheint der Unterschied tatsächlich wichtig. Wer nur selten ein Gericht nutzte, war möglicherweise in der Stichprobe nicht vertreten, wer dies jedoch häufig tat, war fast mit Sicherheit im betreffenden Jahr auch in den Gerichtsakten aufzufinden. Die Vermutung liegt nahe, dass häufiges Prozessieren dazu führte, dass man Vorgehensweisen und Möglichkeiten kannte und auch die Erfolgschancen besser einschätzen konnte – dazu kam noch die soziale Nähe zum Personal des Gerichts.256 Wenn also die Urteilsurkunden lapidar festhalten, dass jemand „für mich [d. h. den Schultheißen] komen ist ingerichte“,257 so ist davon auszugehen, dass dieser Gang nicht allen gleich leichtfiel. Simon Teuscher hat sehr ausführlich beschrieben, wie lang der Weg war, um ein Anliegen vor den Berner Rat zu bringen.258 Man musste die richtigen Kontakte haben und in der richtigen Reihenfolge Vorgespräche führen, um Aussichten auf Erfolg zu haben – eine „ungleiche Behandlung“ war systemimmanent.259 Auch wenn das Basler Schultheißengericht bedeutend einfacher zugänglich war, so zeigt doch die differenzierte Nutzung, dass der Gang vor Gericht mit Hürden verbunden war. So mussten KlägerInnen einem Fürsprech, der vor Gericht für sie sprach, ihren Fall plausibel darlegen. Über die konkreten Schwierigkeiten, denen KlägerInnen begegneten, bis das Gericht sich ihres Falls annahm, schweigen sich die Quellen aber aus. Wer einmal erfolgreich klagte, erwarb Kompetenzen, die sich wohl verstärkend auf die künftige Gerichtsnutzung auswirkten. Ob bei der häufigen Gerichtsnutzung Familientraditionen eine Rolle spielten, kann anhand der Stichproben aber nicht beurteilt werden.260 Unabhängig davon ist aber klar, dass die ökonomische Dimension allein nicht ausreicht als Erklärung, sondern dass auch soziale und kulturelle Aspekte hineinspielten.261 Für Ärmere gilt hingegen, was Hervé Piant feststellt: „Le choix de la justice est essentiellement negatif: ils essayent de s’en tenir éloignés.“262 Weshalb aber waren ärmere Personengruppen vor Gericht seltener anzutreffen? Es gibt zwei naheliegende Begründungen ökonomischer Art. Erstens hatten Arme weniger Mittel, um Prozesse zu führen, und zweitens lohnte es sich weniger, gegen sie vorzugehen, weil die Chance, bei ihnen etwas herauszuholen, kleiner war. Wer nur sehr wenig besaß, dessen Besitz ließ sich schlecht zu Geld machen.263 Das gilt vor allem 255 Piant, Justice, S. 115. 256 Piant, Justice, S. 110: Die starke Vertretung hängt auch mit einer „plus grande proximité culturelle avec le monde des juges et de la loi“. Zum Gerichtspersonal siehe Kapitel 6.3.2. 257 Aus dem Konzept für ein Urteil, StABS, Gerichtsarchiv O 2, 54r. 258 Teuscher, Bekannte, S. 203–259. 259 Teuscher, Bekannte, S. 235. 260 Vgl. zu den Familientraditionen Piant, Justice, S. 125. 261 Piant, Justice, S. 110: „L’explication devient donc culturelle: la justice, la loi, sont des outils dont ils se servent plus facilement, à cause de leur fortune, de leur éducation, de leurs représentations sociales, que les plus pauvres qui privilégieront plutôt d’autres modes de résolution.“ 262 Piant, Justice, S. 111. 263 Piant, Justice, S. 110.

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Gerichte nutzen

für die ganz Armen. Für die Stichprobe von 1455, wo viele Leute mit dem Minimalsteuerbetrag gelistet sind, ist jedoch festzuhalten, dass diese durchaus als SchuldnerInnen vor Gericht erschienen, wenn auch nicht sehr häufig – und auch nicht auffällig von den anderen eher armen Schichten abweichend. Dass Arme als GläubigerInnen sehr selten auftraten, spricht für das erste Argument. Allerdings wählten die wenigen ganz Armen, wenn sie das Gericht nutzten, mehrheitlich nicht etwa das kostenlose, freiwillige Vergicht, sondern die vergleichsweise teure Klage – und etwas weniger häufig die Sacharreste. Dieses von reicheren GläubigerInnen deutlich abweichende Verhalten lässt sich kaum ökonomisch deuten. Vielmehr scheint es, dass der Gang vor Gericht eine höhere kulturelle Hürde darstellte, die nur in besonders konfliktreichen Situationen überschritten wurde – und dann gerade mit einer Schuldklage. Die differenzierte Gerichtsnutzung lässt deshalb Klagen als Mittel der „domination sociale“ erkennen, mit seltenen, gegenläufigen Tendenzen.264 Die ungleichen Nutzungschancen der Justiz hatten auch Auswirkungen auf außergerichtliche Verhandlungen, denn wer die Justiz nicht als Drohung einsetzen konnte, dessen Verhandlungsschancen waren verringert.265 Vor allem aber wäre zu klären, ob die Erwartung an die Unabhängigkeit des Gerichts ebenso ungleich verteilt war wie die Nutzung der Gerichte.266 Angesichts der größeren sozioökonomischen Nähe der reicheren Gesellschaftsschichten mit den Urteilern des Gerichts, die ja auch ebendiesen Schichten entstammten,267 ist zu vermuten, dass dies zutrifft. Damit lässt sich nicht nur die gezielte Nutzung des Gerichts als Faktor sozialer Dominanz verstehen, sondern das Gericht insgesamt hatte eine bedeutende Rolle bei der Reproduktion von Ungleichheiten in der städtischen Gesellschaft. Diese Überlegung leitet über zur Bedeutung der Institution Gericht für die Gerichtsnutzenden, die ich aber erst nach den Darlegungen zu den Entscheidungen im Fazit des nächsten Kapitels aufgreife. Das Kapitel hat auch gezeigt, dass nicht nur die Gerichtsnutzung insgesamt differenziert zu betrachten ist, sondern auch die Prozessformen. Geschlecht, Herkunft und Vermögen der Beteiligten hatten einen Einfluss auf die Wahl der juristischen Mittel. Ich greife diese Unterschiede ebenfalls im Fazit des nächsten Kapitels auf. Die beiden Stichproben zeitigten in vielen Aspekten sehr ähnliche Resultate, etwa hinsichtlich der Abhängigkeit der Beteiligung an Gerichtsverfahren von der Vermögenssituation. Zwei Faktoren eines Wandels in der Gerichtsnutzung sollen hier noch kurz aufgegriffen und womöglich erklärt werden. Der erste betrifft die Beteiligung der Geschlechter. Während bei den Vergichten und Klagen der Anteil an Schuldnerinnen ähnlich (gering) blieb, verschwanden Frauen fast völlig aus den Sacharresten, die

264 Piant, Procès, S. 36. Vgl. auch Rousseaux, Politiques, S. 526: „La justice est devenue rapidement un instrument d’une politique des puissants contre les pauvres ou parfois l’inverse.“ 265 Dinges, Justiznutzung, S. 537, bezieht diese Feststellung auf Frauen und Arme. 266 Die Vermutung liegt nahe, siehe Rappe, Schelten, S. 89. 267 Siehe Kapitel 6.3.2.

Fazit: differenzierte Gerichtsnutzung

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sinkende Bedeutung von Frauen als Schuldnerinnen ist ausschließlich darauf zurückzuführen. Bei der Frönung von Liegenschaften mag die eheliche Gütergemeinschaft, die nach der ersten Stichprobe eingeführt wurde, einen Einfluss gehabt haben, indem Frauen nun einfach nicht mehr erwähnt wurden, weil sie selbstverständlich Mitbesitzerinnen waren. Diese Beobachtung würde aber den Rückgang von Schuldnerinnen bei Verboten nicht erklären. Eine andere zwischen den Stichproben eingeführte Rechtsnorm als Ursache der Veränderung ließ sich nicht ausmachen, aber ich würde eher von einem gewandelten Umgang mit Vermögenswerten und einem Zugriff auf dieselben über Männer ausgehen als von einem verminderten Zugang zu Schulden. Der zweite, stärker ausgeprägte Wandel war derjenige der Gerichtsnutzung durch Auswärtige. Diese nahm von der ersten zur zweiten Stichprobe sehr stark zu und zeigte auch deutlich ausgeprägtere Muster der Gerichtsnutzung in Abhängigkeit von der Distanz zu Basel auf. Es gibt zwei mögliche Deutungsangebote dieses Wandels, eines auf der Ebene der Gerichtsnutzung, eines die wirtschaftliche Verflechtung betreffend. Da in der ersten Stichprobe, wo doch weniger Auswärtige vor Gericht erschienen, in Urteilen eher häufiger von auswärtigen Gerichten die Rede ist als in der späteren Stichprobe, kann es sein, dass das Schultheißengericht vermehrt direkt als Schlichtungsort für Schuldsachen aus der Umgebung Basels genutzt wurde – und gleichzeitig die Nutzung auswärtiger Gerichte zurückging. Gleichzeitig ist der Wandel auch als Indiz der stärkeren Stadt-Land-Verflechtung Basels zu lesen, also einer stärkerer Durchdringung der näheren Umgebung Basels mit Schuldverhältnissen, zurückzuführen allenfalls auf eine bessere Konjunktur auf dem Land,268 die die Grundlagen schuf, sich mehr zu verschulden. Vermutlich trugen beide Aspekte zur beobachteten Veränderung bei, eine genauere Untersuchung der Ursachen lässt die Quellenlage nicht zu.

268 Vgl. dazu Gilomen, Stadt-Land-Beziehungen, S. 24 f.

5. Fälle verhandeln Wenn bisher von Gerichtsnutzung die Rede war, ging es vornehmlich darum, in welchen Konstellationen die Gerichtsnutzenden einen Fall vor Gericht brachten und welches gerichtliche Angebot sie dabei nutzten. Wie die Frönungen und Verbote umgesetzt wurden und wie das Gericht über Schuldklagen urteilte, soll Thema dieses Kapitels sein. Es geht hier aber nicht darum herauszufinden, nach welchen Normen das Gericht urteilte, ob es eine Systematik der Verfahren gab und wie das Gericht im Detail funktionierte. Das wurde von Hans-Rudolf Hagemann schon untersucht.1 Zudem können wir im Mittelalter nicht davon ausgehen, dass Gerichte die bestehenden Normen zwingend umsetzten;2 schließlich waren Bezugnahmen auf gesetzliche Normen in der Gerichtspraxis nicht die Regel.3 Ebenso habe ich darauf verzichtet, größere Auszählungen der verschiedenen Typen von Urteilen zu erstellen. Quantitative Angaben zu den Urteilen erscheinen mir wenig sinnvoll, weil viele Fälle gar nicht zu einem Urteil führten.4 Nicht zuletzt überschritten längere Fälle die Grenze der Stichprobe.5 Ich

1 2

3 4 5

Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2. Die Feststellung entstammt Untersuchungen in der Kriminaljustiz, siehe z. B. Bulst, Richten, S. 466, 470 und passim; Gauvard, Droit, S. 53 und 61. Sie lässt sich aber auf die Ziviljustiz übertragen. Weiterführende Überlegungen zur Frage, welche Wirkung Normen eigentlich entfalten sollten, bei Leveleux-Texeira, Fabrique. Eine direkte Umsetzung von Normen in Gerichtsurteilen war gar nicht das hauptsächliche Ziel von Normsetzungen. Vgl. auch die Feststellung von Michael Blatter, die Unterscheidung von Rechtsnorm und Rechtspraxis sei für die Vormoderne wenig geeignet: „Angesichts der selektiven oder gar fehlenden Beachtung oder Inanspruchnahme von Rechtsnormen ist es angemessener, von einem Prozess der Einsetzung, Übernahme und Nutzung von Rechtsnormen durch die rechtlichen Akteure zu sprechen“, Blatter, Gericht, S. 70. Gemeint sind Hinweise im Stil von „wie die gerichtzordnung anzeigte“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 278v; ähnlich StABS, Gerichtsarchiv A 26, 103v; „als umb bodenzins recht ist“, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 19r. Vgl. Schuster, Age, S. 50. Diese Wahl mag angesichts des sonst gewählten quantitativen Ansatzes erstaunen, aber beim Zusammenführen von Informationen aus verschiedenen Quellen zu einem Netzwerk von Gerichtsnutzenden, das insbesondere auf die Charakterisierung von Personen mittels Attributen abzielt, geschieht dies auf einer viel abstrakteren Ebene mit einer Zielsetzung, die über die bloße Auszählung hinausgeht.

Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten

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habe deshalb kein Interesse an einer Urteilsstatistik, denn diese wäre nicht sehr aussagekräftig.6 Ich will vielmehr wissen, welche Handlungsoptionen das Gericht hatte und wie es auf die Bemühungen von Klagenden reagierte, zu ihrem Recht zu kommen. Dabei lohnt es sich, zwischen den verschiedenen Verfahrensformen zu unterscheiden. Die Vergichte, Frönungen und Verbote sollen hier aber nur kurz Thema sein. Es geht darum, inwiefern sie umgesetzt wurden, um ihre Effektivität zu beurteilen. Dabei stütze ich mich auf die Minderheit der Fälle,7 in denen die genannten Vorgehensweisen Anlass zu weiteren Verhandlungen vor Gericht waren, oftmals in Form von Urteilen, was weitere Aussagen über die Umsetzung zulässt. Diese mehrfach vorkommenden Schuldverhältnisse werden in diesem Kapitel bei verschiedenen Gelegenheiten genannt und gesondert untersucht. Dann folgen Ausführungen zu den eigentlichen Urteilen, also zu den Fällen, die Gegenstand längerer Verhandlungen waren und mittels Richterspruch entschieden wurden. Im Urteilsbuch finden sich folglich die komplexeren und umstritteneren Vorgänge, die sich auch besser für die qualitative Analyse eignen.8 Doch auch hier werden wir enttäuscht, wenn wir in erster Linie abgeschlossene Verfahren erwarten. Das Gericht sah sich in vermittelnder Rolle, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. Es lag entsprechend im Interesse des Gerichts, dass Fälle vor einer abschließenden Beurteilung aus den Akten verschwanden. Dabei ist das Gericht nicht bloß als eine abstrakt ein Urteil fällende Instanz zu sehen, sondern mit Hervé Piant vielmehr als „un mode d’interaction sociale entre les individus, les groupes communautaires et l’Etat“.9 5.1 Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten Zu welchem Ergebnis führte es eigentlich, wenn jemand mittels eines bestimmten Verfahrens einen Fall vor Gericht brachte? Über die Umsetzung von Vergichten ist wenig bekannt, in der Regel scheinen die Personen bezahlt zu haben.10 Ähnlich mag es bei Frönungen und Verboten gewesen sein, allerdings muss es nicht sein, dass die effekti-

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7 8 9 10

Andere haben es gemacht, siehe z. B. Clark, Debt, S. 252, zum Ausgang der Prozesse in der Gemeinde Writtle in Essex in den Jahren 1382–1490: 43 Prozent der Kläger waren erfolgreich, 20 Prozent der Prozesse wurden eingestellt, 20 Prozent der Beklagten entlastet, 17 Prozent endeten mit Aufforderungen, sich zu einigen. Dito Beaulande, Traitement, S. 181, zu Reims am Ende des 15. Jahrhunderts: Zu 11,4 Prozent fanden sich eine Bestätigung und eine Formalisierung der Schuld: „Il n’y a donc pas de condamnation, mais une simple reconaissance en justice de l’obligation.“ 54,4 Prozent der Urteile waren eine „condamnation à payer, avec ou sans dépens contre le débiteur“. Viele Schuldfälle wurden vor den vormodernen Zivilgerichten in sehr kurzen Prozessen gelöst, andere Streitfälle hingegen, wie etwa Erbstreitigkeiten, führten eher zu längeren Prozessdauern, vgl. Piant, Procès, S. 24, Smail, Plunder, S. 137 f. Die in den Urteilen fassbaren Schuldbeziehungen fließen auch in die quantitativen Analysen ein, die Codierung bedeutet aber oftmals eine starke Vereinfachung. Piant, Justice, S. 13. Vgl. dazu auch Signori, Schuldenwirtschaft, S. 138.

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Fälle verhandeln

ve Umsetzung Spuren in den Gerichtsbüchern hinterlassen hat. In diesem Abschnitt möchte ich zeigen, dass der Zugriff auf Objekte und Liegenschaften keinem prozeduralem Automatismus folgte. Eine Frönung oder ein Verbot beruhten auf der Beschlagnahmung von beweglichen (Verbot) und unbeweglichen (Frönung) Gütern.11 Dies hieß aber nicht, dass das Gut unmittelbar zu Geld gemacht werden konnte. Vielmehr ließen die Verfahren den SchuldnerInnen Zeit, durch das Abzahlen der Schuld ihr Gut wiederzuerlangen. Die Stichprobe von 1455 enthält bei vielen Einträgen im Buch der Frönungen und Verbote die Erwähnung von Terminen, denn die Beschlagnahmung musste dreimal bekräftigt werden, bevor das Gut tatsächlich verkauft werden konnte.12 Waren solche Termine erwähnt, kann davon ausgegangen werden, dass die Frönung oder das Verbot tatsächlich umgesetzt wurde. 1455 wiesen von rund 140 Verboten etwas weniger als die Hälfte Erwähnungen von einem bis drei Bestätigungsterminen auf (43,6 Prozent). Davon wiederum wurde nur in der Hälfte der Einträge ein dritter und damit letzter Termin erwähnt, was die Umsetzung des Verbots überhaupt erst ermöglichte. Auf alle Fälle gerechnet, ergibt das einen Anteil von 22,9 Prozent. Diese Zahl ist als Minimum zu verstehen, weil gut vorstellbar ist, dass einzelne Daten nicht eingetragen wurden (auch bei den drei Termine umfassenden Einträgen müssen die ersten beiden nicht zwingend erwähnt sein). Und auch ohne die dreifache Wiederholung konnte eine Schuld noch weiter aktuell sein, dann wurden oft Zahlungsversprechen abgegeben. Über alle Frönungen und Verbote gesehen, betraf dies rund die Hälfte aller Vorgänge, wobei in den Frönungen deutlich häufiger drei Termine erwähnt wurden.13 Die folgenden Analysen beziehen sich auf beide Verfahrensweisen. Die Termine sind hinsichtlich vieler Faktoren unauffällig verteilt, zu erwähnen sind etwa das Geschlecht der GläubigerInnen oder die Vermögenssituation der Beteiligten. Signifikant sind zwei Aspekte. Schuldnerinnen waren häufiger Terminen ausgesetzt als Schuldner (siehe Tabelle 5.1), Auswärtige weniger häufig als BaslerInnen. Gerade Letzteres überrascht, würde man doch eher erwarten, dass Auswärtige schon wegen der Distanz Schwierigkeiten haben würden, die Schulden zurückzuzahlen und damit die Verwertung des beschlagnahmten Guts zu verhindern. Weiter wurden Termine häufiger erwähnt, wenn der Schuldner oder die Schuldnerin nicht mehr am Leben war.14

11 12 13 14

Zur Unterscheidung im Mittelalter Howell, Movable, bes. S. 542. Howell betrachtet vor allem die Parallelen zur zeitgenössischen Begrifflichkeit von persönlichem Gut und Erbe („chattel“ und „patrimony“, S. 540). Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 119. Es waren 110 von 212 Frönungen bzw. Verboten (51,9 Prozent). Auf die einzelnen Vorgänge gerechnet, belief sich die Quote mit Terminen auf 46,7 Prozent bei den Verboten und 70,2 Prozent bei den Frönungen. Vgl. Kapitel 4.3.6.

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Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten

Tab. 5.1 Anteile von Frönungen und Verboten mit Erwähnung von Terminen, unterschieden nach Geschlecht der SchuldnerInnen15 Schuldner

Schuldnerin

Termine

47,5 %

64,4 %

keine Termine

52,5 %

35,6 %

Tab. 5.2 Anteile von Frönungen und Verboten mit Erwähnung von Terminen, unterschieden nach Herkunft der SchuldnerInnen16 SchuldnerIn aus Basel

SchuldnerIn nicht aus Basel

SchuldnerIn wahr­ scheinlich aus Basel

Termine

58,1 %

34,8 %

60,0 %

keine Termine

41,9 %

65,2 %

40,0 %

Wer gerichtlich vorging, um seine Schulden einzutreiben, konnte nicht davon ausgehen, dass eine Schuldanerkennung, ein Urteil oder gar die Beschlagnahmung von beweglichen Gütern und Immobilien unmittelbar zur Erstattung der geschuldeten Summe führte.17 Das zeigt etwa das Urteil, welches Peter von Kreuznach erwirkte. Als er nämlich die Güter einer gewissen Barbara, die bei den Augustinern wohnte, in Verbot gelegt hatte, sei ihm „erkannt worden, sin erfarung zehaben, wo sy hinkomen sye“, er musste sie also zuerst ausfindig machen. Das gelang ihm offenbar, wie das Urteil bestätigt: „Sollichs er getan, desshalb sin beger were, ob er sollich gütt durch den stattkouffler angriffung moge biss zu bezalung.“ Dieser Wunsch, die Güter versteigern zu lassen, wurde vom Gericht gewährt, mit der Bemerkung, dass allfällige Überschüsse „denen, so gerechtigkeit dar[an] zehaben vermeinen, vorbehalten sin“ sollten.18 Auch wenn wir davon ausgehen können, dass die Schuld schon zum Zeitpunkt des Verbots belegt war – zumindest bezweifelte das Gericht dies im vorliegenden Urteil mitnichten –, kann von einer direkten Umsetzung nicht die Rede sein. Peter von Kreuznach musste die genannte Barbara zuerst suchen und dann erneut vor Gericht erscheinen, bevor er den Käufler aufbieten konnte, um die Güter zu Geld zu machen und damit seinen Anspruch zu befriedigen. Im vorliegenden Fall war die Schuldnerin offenbar nicht mehr in Basel, was einerseits von Nachteil war (denn er musste sie ja suchen), andererseits aber die Sache auch vereinfachte, weil sie sich nicht gegen den Verkauf

15 16 17 18

N = 203 Beziehungen, davon 45 mit Beteiligung von Schuldnerinnen. P-Wert des CHI2-Tests: 0,04444. N = 160 Beziehungen. P-Wert des CHI2-Tests: 0,01296. Vgl. dazu auch Sturm, Privatkredit, S. 206. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 205r.

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Fälle verhandeln

ihrer Habe wehren konnte. Die tatsächliche Ausführung des Urteils können wir hier nicht überprüfen. So wie Peter von Kreuznach ging es vielen GläubigerInnen. Hatten sie ein Verfahren mittels Verbot, Frönung oder auch nach einem nicht eingehaltenen Zahlungsversprechen in Gang gesetzt, mussten sie oft weitere Urteile bemühen, um die Umsetzung zu erzwingen.19 Ein weiteres Beispiel zeigt, wie das Gericht eine Umsetzung festlegte: nach dem und inen vormols hie vor gericht fur sollich schuld pfennder ze geben erkennt sye, datz sy dann botten zu in nehmen, solliche pfender, so sy dann finden, usstragen, die an koüfler legen und alda vertriben sollend und mögent20

Es war also durchaus üblich, dass sich das Gericht dazu äußerte, wie eine Beschlagnahmung zu realisieren sei. Neben der Möglichkeit, den Zugriff direkt umzusetzen, kam es auch vor, dass es nochmals zusätzliche Zeit gewährte. Als der Schaffner des Frauenklosters an den Steinen einen Garten betreffend „umb den dritten kouf angerufft hat“, also die vorgeschriebenen Fristen abgewartet hatte, beschloss das Gericht, dem Schuldner Heinrich Zschach noch rund zwei Wochen Zeit einzuräumen, um zu bezahlen, bevor der Garten wirklich verkauft wurde.21 Dasselbe können wir auch bei Zahlungsversprechen des Vergichtbuchs beobachten. Als Franz Gallician knappe zwei Wochen nach Ablauf einer vereinbarten Zahlungsfrist22 vor Gericht erschien, weil die „zytt verschinen unnd im kein usswisung bescheen were“, beschloss dieses nur, dem Schuldner „zeverkunden, ob er utzit dawider zereden haben vermeinte“, und ihm dazu zwei Wochen Zeit zu gewähren.23 Der Fall erschien danach nicht mehr in den Quellen. Genau dieses Weiterverhandeln und Verzögern der Fälle sollte eine Weisung des Rats von 1498 verhindern: „alsdann [nach allen Fristen] sol wyter uffschlag nit geben, noch mit urtel erteilt, noch gehort werden ussrichtung wollen thuon etc. in kein wyss“.24 Die Regelung belegt, dass eine unmittelbare Umsetzung keineswegs die Regel war, denn genau dies zu ändern war Absicht des Rats – die Umsetzung der Intention ist wie bei allen normativen Quellen der Zeit zumindest fraglich.25

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Vgl. z. B. den Fall eines Gläubigers, der Güter, die er durch die Frönung erlangt hatte, zur Deckung des ausstehenden Zinses verkaufen durfte. Falls die erlöste Summe nicht reichte, so durfte er mit der Frönung weiterverfahren, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 219r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 137r. Weniger ausführlich, aber auch ein älteres Urteil bestätigend: StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 137v (auch hier sollte man die Güter „an einen kouffeler legen“); StABS, Gerichtsarchiv A 26, 126v. Statt allgemein Boten zu nennen, konnte es auch explizit ein Amtmann des Gerichts sein, so im Urteil, „einen amptman zü geben“, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 105r, ähnlich StABS, Gerichtsarchiv A 41, 214v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 197r. Vgl. den Eintrag im Vergichtbuch, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 31v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 185v. Schnell, Rechtsquellen, Bd. 1.1, S. 231. Vgl. dazu klassisch Schlumbohm, Gesetze.

Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten

221

Während über die Schuld weiterverhandelt wurde und neue Lösungen gesucht wurden (oder auch die Abzahlung abgewartet), blieben Verbote bestehen, wie etwa das Zahlungsversprechen, bei dem „das verbott, uff sin tuch bescheen, in krafft“ blieb.26 Beim Weiterverhandeln stand, auch wenn schon mehr als ein Urteil gefällt worden war, immer die Möglichkeit im Raum, eine Forderung fallen zu lassen, wie das folgende Urteil zeigt, welches ergänzend festhielt: „were, das im die versessen zinse mit dem costen daruff gangen bezalt und er anders versichert und ersetzt werde, so wölte er die frönung vallen lassen“.27 Oder die Beschlagnahmung war schon in der Umsetzung, und trotzdem gewährte der Gläubiger (hier das Spital) noch Aufschübe: Obwohl der Schuldner schon „ettliche pfender geben hatt, daruff erkannt ist, daz der spittel dieselben pfennder on witter berechtungen mog verkouffen“, war der Fall nicht abgeschlossen, weil ihm „da der spittelmeister die fruntschafft getan hab“, ihm eine neue Zahlungsfrist zu gewähren.28 In der Stichprobe von 1497 habe ich eine Formulierung gefunden, die mit nur kleinen Abwandlungen einige Male vorkam und die Frage aufwirft, wer die Behandlung von ausstehenden Schulden wie stark prägte, das Gericht oder die Parteien. Nach zweifacher Vorladung, die nicht befolgt worden war, wandte sich ein Kläger an das Gericht mit einer Frage, die folgendermaßen protokolliert wurde: „dess halb sin beger were, an einer urttel ze erfaren, wie er sich haltenn, damit er bezalung bekomen möchte“.29 Die Frage nach dem weiteren Vorgehen lässt die KlägerInnen als BittstellerInnen erscheinen, die ihr Problem dem Gericht vorlegen und das weitere Verfahren in die Hände desselben legen. Gleichzeitig bewirkten diese Fragen klare Entscheide des Gerichts. So konnte der eingangs zitierte Kläger die Erlaubnis erwirken, auf das Gut des Schuldners zuzugreifen. Manchmal waren dem Urteil, welches das Erfragen des weiteren Verfahrens erwähnte, schon andere gerichtliche Vorgehensweisen vorausgegangen. Neben der oben erwähnten gerichtlichen Ladung konnten das Urteile, Verbote oder Zahlungsversprechen sein.30 Andere Urteile hingegen stellen den ersten Kontakt mit dem Gericht in der betreffenden Angelegenheit dar, weil etwa die Bezahlung einer Transaktion nicht wie vereinbart erfolgt war.31 In zwei Fällen hatten die Gläubiger jemanden wegen versessener Zinsen erfolglos in Leistung gemahnt (siehe zu diesen 26 27 28 29 30 31

StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59v. Vgl. auch das Urteil betreffend einer Übereinkunft, das Verbot blieb so lange bestehen, bis der Schuldner „sollich sin übertrag widerkert“, das heißt anfocht (Idiotikon, Bd. 3, Sp. 439 f.), StABS, Gerichtsarchiv A 26, 141v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 78v. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 34v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 181r, abweichende Varianten wünschen kein Urteil, sondern stellten einfach die „frag, wie er sich fürer halten solle“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 193v. StABS, Gerichtsarchiv  E  7, 49v; StABS, Gerichtsarchiv  C  16, 32v und 41v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 211v, 216v, 220r, 228r und 252r. In einem Fall war beim Verkauf von Wein Barzahlung vereinbart worden, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 229r, in einem anderen Fall ging es um die Übernahme von Schulden anlässlich eines Hauskaufs, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 202v.

222

Fälle verhandeln

Vorgehen weiter unten in diesem Kapitel),32 andere wiederum bezogen sich auf schriftliche Vereinbarungen zur Abzahlung, die nicht eingehalten worden waren.33 Wie im ersten erwähnten Fall entschied das Gericht auch in den weiteren Fällen, dass den Klagenden der Zugriff auf Güter oder die Umsetzung der Vereinbarung (die wohl in der Regel einen Zugriff auf Pfänder als Sicherheit umfasste) gestattet sei. Es handelte sich bei diesen Urteilen also um Situationen, in welchen der Anspruch klar zu belegen war und die SchuldnerInnen auf die Zahlungsaufforderung – sei sie nun gerichtlich oder außergerichtlich erfolgt – nicht reagiert hatten und entsprechend die Schuldforderung als anerkannt betrachtet werden konnte. Die Formulierung war 1455 übrigens noch nicht in der ausgeprägten Form gebräuchlich, die wenigen Beispiele, die an das Erfragen des Verfahrens erinnern, fallen weniger einheitlich aus. Ein Beispiel ist der Kläger, der „ein fräg hatt ze tund, waz im ze tünd, wo oder wie er siner rechten nächgan sölte“.34 Auch die anderen Beispiele aus dieser Stichprobe sprechen eher allgemein davon, wie das Recht erlangt werden konnte, und bezogen sich nicht auf das Erlangen von Bezahlung, auch wenn es sich wie im zitierten Fall eindeutig um eine Schuldforderung handelte. Diese Beispiele zeigen, dass man mit einem längeren Prozess rechnen musste, wenn man eine Schuld vor Gericht brachte. Obwohl viele Vergichte, Frönungen und Verbote nicht zu einem solchen führten, war diese Gefahr doch real, weshalb es sich lohnt, diese Fälle etwas systematischer anzuschauen. Ich werde deshalb im folgenden Abschnitt die Fälle aus den Stichproben untersuchen, in denen eine Konstellation von SchuldnerIn und GläubigerIn in mehr als einem Gerichtsbucheintrag vorkam. Dabei ist ein direkter Zusammenhang zwischen den Fällen nicht immer einfach nachzuweisen, bzw. werde ich dazu auch Stellung nehmen. Der Fokus liegt in diesem Abschnitt auf den Fällen, in denen Frönungen, Verbote und Vergichte involviert waren. Diese bildeten zwar im Vergleich zu den Fällen, die nur Einträge im Urteilsbuch umfassten, eine Minderheit, sie zeigen aber nochmals deutlich auf, wie einzelne Verfahrensschritte die Fälle oft nicht zum Abschluss brachten, sondern bloß die Verhandlungen verlängerten. Die Fälle, die nur aus Urteilen bestehen, werden weiter unten genauer untersucht.35

32 33 34 35

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 241r und 269r. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 193v und 222v, konkret erwähnt sind jeweils eine „verschribung“, siehe auch die Ausführungen zu schriftlichen Schuldbelegen in Kapitel 3.3.1. StABS, Gerichtsarchiv C 5, 242v. Siehe Kapitel 5.2.3.

223

Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten

Muster von mehrfach verhandelten Schulden Tab. 5.3 Muster der mehrfach verhandelten Schuldbeziehungen, Anzahl und Anteile beider Stichproben Muster

Anzahl 1455

Anteil 1455

Anzahl 1497

Anteil 1497

Beschlagnahmung – Urteil

5

11,4 %

6

11,3 %

Urteil – Beschlagnahmung

0

0,0 %

5

9,4 %

Beschlagnahmung – Vergicht

6

13,6 %

2

3,8 %

Vergicht – Beschlagnahmung

0

0,0 %

2

3,8 %

Vergicht – Urteil

2

4,5 %

2

3,8 %

Urteil – Vergicht

1

2,3 %

0

0,0 %

Rentenkauf – Frönung

0

0,0 %

1

1,9 %

nur Beschlagnahmung

5

11,4 %

2

3,8 %

nur Vergichte

2

4,5 %

4

7,5 %

nur Urteile

17

38,6 %

23

43,4 %

Diverse

6

13,6 %

7

13,2 %

Es ist hier noch festzuhalten, dass ich Frönungen und Verbote als Beschlagnahmungen von (liegenden oder fahrenden) Gütern zusammengefasst habe. Die Typen wurden in erster Linie gemäß der Serie gebildet, in einzelnen Fällen aber angepasst, wenn der Eintrag vom Charakter her eigentlich in eine andere Serie gehört hätte. Das war oft der Fall mit Urteilen, die sich 1497 im Fertigungsbuch fanden. Das Muster von Beschlagnahmung mit darauffolgendem Urteil war in beiden Stichproben ähnlich häufig und machte rund ein Zehntel der mehrfachen Schuldbeziehungen aus – ich bin schon weiter oben darauf eingegangen. 1455 enthalten alle Fälle die Erwähnung von Terminen.36 Erstaunlich sind die oft langen Fristen zwischen Verboten und damit zusammenhängenden Urteilen. Über beide Stichproben gesehen, sind es elf Fälle, von denen fünf unter zwei Monaten zeitlicher Distanz bleiben, drei unter sechs Monaten und drei, die sich sechs Monate oder mehr hinzogen (das Maximum liegt bei acht Monaten). Angesichts dieser Fristen ist auch klar, dass viele Fälle gar nicht in der Stichprobe erfasst sind, weil ein Teil des Prozesses außerhalb der Stichprobe lag. Es fanden sich entsprechend auch Urteile, die auf Verbote Bezug nahmen, die sich nicht finden ließen. Es ist nicht auszuschließen, dass diese schlichtweg nicht

36

Dreimal werden alle drei Termine, zweimal nur zwei Termine genannt. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 7r, 10r, 12v, 16r, 22r.

224

Fälle verhandeln

aufgeschrieben wurden und so einer Überlieferungslücke entspringen, wahrscheinlicher aber scheint mir, dass die entsprechenden Verbote im Vorjahr stattgefunden hatten. Etwas mehr als sechs Monate lagen zum Beispiel zwischen der Frönung von vier Häusern, die Junker Andres von Waltpach gehörten, durch Peter Jager den Seidensticker und einem Urteil, welches Waltpach sogar noch weiteren Aufschub gab.37 Die Frönung enthält zwei Erwähnungen von Aufrufen, Peter Jager meinte es also ernst. Nach diesen zwei Aufrufen – der letzte fand Ende Februar 1455 statt – geschah fünf Monate lang nichts bzw. nichts, was Niederschlag gefunden hätte im Gerichtsbuch. Es ist davon auszugehen, dass Waltpach um Aufschub bat, bis Jager die Geduld verlor. Das Gericht gab allerdings Waltpach nach Jagers Klage eine Frist von mehr als sechs Wochen. Das Urteil vom 7.  August erwähnt den Michaelstag am 29.  September als Zeitpunkt, bis zu dem „die sache […] also gütlich angestän sollte“.38 Danach hingegen durfte Jager den Verkauf der Liegenschaften vornehmen lassen. Sowohl Waltpach als auch Jager erscheinen in der Steuerliste, der erste mit einem geschätzten Vermögen von rund 1.700 Pfund, der zweite mit knapp 500 Pfund. Beide waren also ziemlich vermögend, und obwohl die Schuldsumme nicht erwähnt ist, ist davon auszugehen, dass Waltpach in der Lage gewesen wäre, sie zu bezahlen. Er focht sie auch nicht an, und so ist davon auszugehen, dass Jager in irgendeiner Form entschädigt wurde und Waltpach die Versteigerung seiner Liegenschaften verhindern konnte. Obwohl ich es nicht direkt beweisen kann, besteht der Verdacht, dass Waltpach nicht zahlen wollte und gegenüber Jager in verschiedener Form auf Zeit spielte. Dass ihm dies über Monate hinweg gelang, mag an seiner Stellung als vermögender, allerdings nicht gerade reicher Adliger liegen.39 Alle Fälle des Musters Urteil – Beschlagnahmung betreffen Anton Waltenhein, es scheint also nur bei Bankrottfällen vorgekommen zu sein, dass nach einem erfolgten Urteil noch eine Beschlagnahmung vorgenommen wurde. Am 14. August 1455 verbot Peter Hans Thorer von Basel alle Güter von Hans Fry. Gute zwei Wochen später, am 30. August, wurde der Eintrag im Verbotsbuch ergänzt um den Hinweis auf den ersten Aufruf: „die ersten xiiii tag sabto ante verene“.40 Die Umsetzung des Verbots wurde dann ausgesetzt, denn ein zweiter oder dritter Aufruf, welcher dann den Verkauf der Güter ermöglicht hätte, fand keine Erwähnung. Hingegen versprach Fry Thorer am 27. September, also gerade zu dem Zeitpunkt, wo der Verkauf eigentlich hätte stattfinden sollen, sechs Gulden innerhalb eines Monats zu bezahlen „oder aber der statt recht tun“.41 Weiter lässt sich der Fall innerhalb des Zeit-

37 38 39 40 41

StABS, Gerichtsarchiv E 4, 7r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 111r. FN: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 111r. Zur schlechten Zahlungsmoral von Adligen siehe Irsigler, Vertrauen; Fontaine, Economie, S. 100; Crowston, Credit, S. 31. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 16v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 33r.

Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten

225

raums der Stichprobe nicht verfolgen, Hans Fry scheint aber das Zahlungsversprechen eingehalten zu haben. Das Vergicht enthält keinen Hinweis auf ein Urteil, Fry ging es also „freiwillig“ ein, nachdem Thorer mit dem ersten Aufruf seine Absicht, die Beschlagnahmung durchzuführen, bekräftigt hatte. Ganz offensichtlich trafen die beiden in der Zeit zwischen dem ersten Aufruf und dem Vergicht eine Vereinbarung, welche als Sicherheit das Vergicht Frys umfasste. Diese Interaktion hinterließ jedoch keine schriftlichen Spuren, denn sie fand außerhalb des gerichtlichen Rahmens, im Bereich des „infrajudiciaire“,42 statt. Das Vergicht von Pentelin Sigrist, der nicht in Basel wohnhaft war, an Friedrich Hartmann erfolgte im Vergleich zum obigen Beispiel viel schneller. Schon vier Tage nach dem Verbot, am 9. Dezember 1497, versprach er, sich innerhalb von acht Tagen wieder nach Basel zu begeben, wobei im Vergicht ausdrücklich erwähnt wird, „doch solle das verbott, uff sin tuch bescheen, in krafft blieben“.43 Die kürzeren Fristen mögen auch damit zusammenhängen, dass Sigrist nicht in Basel wohnte und somit während eines Aufenthaltes in der Stadt die Angelegenheit zu regeln versuchte. Das Muster, dass eine Beschlagnahmung einem Vergicht folgte, kam nur 1497 zweimal vor. Bei dem einen Beispiel lag ein guter Monat dazwischen, aber die Tatsache, dass gleichzeitig einige Gläubiger ein Verbot anstrebten, lässt eher darauf schließen, dass kein direkter Zusammenhang zum Vergicht bestand, sondern der Schuldner in einer finanziell schwierigen Lage war, die sich zuspitzte, womit der Gläubiger sich den Verboten anderer Personen anschloss.44 Das andere Beispiel mit zwei Monaten zeitlicher Distanz lässt eher vermuten, dass das Verbot der Durchsetzung des Vergichts galt.45 Die Durchsetzung eines Vergichts mittels Urteil kam auch selten vor. Die Fälle von 1455 sind eher kompliziert, und der Zusammenhang zwischen Vergicht und Urteil ist zumindest nicht so direkt ersichtlich, dass das Urteil als Durchsetzung des Vergichts zu verstehen wäre. Die zwei Beispiele von 1497 hingegen entsprechen genau diesem Muster, denn in beiden Fällen erwähnt das Urteil das Vergicht explizit, etwa mit der Formulierung „lutt und innhalt des gerichtzbuoch“.46 Der Fall von Pentelin Zschupp und Konrad Schott ist insofern interessant, als zeitgleich mit dem Urteil auch ein Vergicht, welches aufs Urteil Bezug nahm, eingetragen wurde.47 Nachdem das Urteil zur

42 43 44 45 46 47

Siehe Garnot, Infrajudiciaire, Loetz, Infrajudiciaire. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59v, StABS, Gerichtsarchiv E 7, 49r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37r; StABS, Gerichtsarchiv E 7, 42v. Es handelt sich beim Schuldner um Junker Hermann von Ramstein, der auch in der Folge mit verschiedenen Klagen wegen Schulden kämpfen musste. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 41r; StABS, Gerichtsarchiv E 7, 44v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 272r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 185v. Das Zitat stammt aus der erstgenannten Quelle. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 56v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 272r, beide Quellen datieren vom 21. November 1497.

226

Fälle verhandeln

Durchsetzung des Vergichts gedient hatte, wurde nun als zusätzliche Sicherheit zum Urteil gleich noch ein Vergicht eingetragen. Zu den Vergichten, die Gegenstand mehrerer Prozessschritte waren, lässt sich noch eine ergänzende Untersuchung anstellen. Im Kapitel 2.3.1 habe ich die in Zahlungsversprechen erwähnten Sicherheiten vorgestellt. Deren Wirksamkeit lässt sich nicht zuletzt daran überprüfen, ob nach dem Zahlungsversprechen, das eine Sicherheit umfasste, der Fall wieder in die Akten fand. Es gab einige solcher Zahlungsversprechen, die Teil von mehrfach verhandelten Schulden waren, aber in den meisten stand das betreffende Zahlungsversprechen am Schluss, oder es ist kein Zusammenhang erkennbar (z. B. bei mehreren Vergichten). Nur in einem Fall griff der Kläger im weiteren Verfahren den Fall wieder auf und kam aufs gegebene Versprechen zurück: Lölin der Bäcker wies darauf hin, dass der Schuldner „glopt unnd versprochenn, im uff hut, siner ansprach halb, hie vor gericht ze erschinen, unnd gerecht zewerdenn, unnd aber er selbs noch yemand von sinen wegen, tätt erschinen“.48 Es wurde ihm gestattet, aufs Gut zu fahren. Lölin hatte einige Monate zuvor seinen Erbanspruch mittels Verbots festhalten lassen und am gleichen Tag ein Zahlungsversprechen erhalten.49 In diesem versprach der Schuldner, sich innerhalb einer Wochenfrist vor Gericht zu stellen. Dieser Termin entsprach nicht dem genannten Tag des obigen Zitats, womit klar wird, dass sie einen neuen Termin wohl mündlich vereinbart hatten. Abgesehen von dieser Ausnahme, scheint es aber eher so, dass die zusätzlich gewährte Sicherheit nicht eingeklagt wurde, weil dies eben in den meisten Fällen nicht notwendig war. Die Kombination von Urteilsbucheinträgen mit nachfolgenden Vergichtbucheinträgen kam wohl vor, bei näherer Betrachtung stellte sich jedoch heraus, dass die Vergichtbucheinträge keine einfachen Vergichte darstellten, sondern Urteile (und in einem Fall das Festhalten einer außergerichtlich erzielten Vereinbarung). Es gab jedoch eine Situation, in welcher ein im Vergichtbuch festgehaltenes Urteil in einer Schuldsache fast unmittelbar (getrennt durch ein anderes Urteil) von einem Vergicht gefolgt war, in welchem die im Urteil festgelegte Zahlung versprochen wurde, ohne jedoch das Urteil explizit zu nennen.50 Die wenigen Fälle, die als reine Abfolge von Beschlagnahmungen aufgeführt sind, sind auf zwei Ursachen zurückzuführen: einerseits auf zeitlich (fast) zusammenliegende Verbote auf Güter bei verschiedenen Personen, so etwa im Fall von Konrad Huckermann, der die Güter einer verstorbenen Maria mit einer Woche Abstand an zwei verschiedenen Orten mit Verbot belegen ließ.51 Ähnlich gelagert ist der Fall von Balthasar Irmi, der zwei Monate nach dem Verbot von Anton Waltenheins Gütern auch noch eine

48 49 50 51

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 216v. StABS, Gerichtsarchiv E 7, 49v; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 32v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 39v f. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 16v. Beide Einträge befinden sich auf der gleichen Seite im Buch der Frönungen und Verbote.

Prozessschritte bei Vergichten, Frönungen und Verboten

227

Liegenschaft frönte.52 Es ist hier davon auszugehen, dass er dies tat, um seine Chancen zu verbessern, aus der Erbmasse des flüchtigen Waltenhein befriedigt zu werden. Die zweite Möglichkeit betrifft das Wiederholen von Verboten mit etwas zeitlichem Abstand, der sich im Bereich von wenigen Wochen bewegte. Als Beispiel seien die beiden Verbote von Klaus Liebermann gegenüber einem Sporer genannt, die beide als Begründung nennen, das Verbot erfolge „für sin schuld“, und zehn Tage auseinanderlagen.53 Bei den meisten Mehrfachvorkommnissen im Vergichtbuch handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um nicht zusammenhängende Schuldfälle. Dafür spricht neben der zum Teil großen Zeitspanne zwischen zwei Einträgen von zum Teil fünf bis neun Monaten vor allem die Tatsache, dass der zeitlich spätere Eintrag in keinem Fall auf frühere Ereignisse Bezug nahm. Auch wenn die Zahl eher klein ist, spricht sie doch dafür, dass ein früheres Vergicht kein Hindernis war, einer Person erneut Kredit zu gewähren, was auch für die Effizienz des Vergichts als Mittel der Schuldeintreibung spricht. In der Stichprobe 1455 sind auch Mehrfachnennungen zu finden, die sich nur im Unzüchterbuch abspielten. Mangels Vergleichbarkeit erscheinen diese sechs Fälle nicht in der Zusammenstellung. Die meisten liegen zeitlich weit auseinander,54 und keiner der stark formalisierten und sehr kurzen Einträge nimmt auf eine frühere Begebenheit Bezug. Damit gilt die für die Vergichte getroffene Feststellung noch in stärkerem Maß für die Einträge des Unzüchterbuches. Wiederholte Vergichte und Unzüchterbucheinträge unterschieden sich grundsätzlich von den wiederkehrenden Urteilen zu Schuldsachen zwischen den gleichen Personen.55 Bei Letzteren war nämlich in aller Regel explizit erwähnt, dass es sich um die erneute Verhandlung der gleichen Sache handelte. Diese größte Gruppe der mehrfach erwähnten Schulden habe ich hier nicht erwähnt, weil in diesem Abschnitt die Abfolge von unterschiedlichen Verfahrensformen im Mittelpunkt stand. Abfolgen von Urteilen werden aber weiter unten56 mit Blick auf die Entscheidungen des Gerichts und die Schwierigkeit der Durchsetzung gewisser Forderungen genauer untersucht. Unter Diverse schließlich sind einzelne Ausnahmefälle zusammengefasst, zum Beispiel Vermittlungen oder (für 1455) Unzüchterbucheinträge oder etwa eine Vollmacht fürs Eintreiben von Schulden, die dazu führte, dass fünf Tage später ein entsprechendes Vergicht eingetragen wurde.57

52 53 54 55 56 57

StABS, Gerichtsarchiv E 7, 46r, 52r. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 22r. Auch hier befinden sich beide Einträge auf der gleichen Seite des Buches. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Liebermann im zweiten Eintrag ergänzte, bei wem sich das in Verbot gelegte Gut befand. Da die Unzüchterbucheinträge von 1456 auch berücksichtigt wurden, gibt es auch Beispiele mit mehr als einem Jahr Zeitdifferenz. Übrigens sind gerade 1455 einige der Urteile im Vergichtbuch festgehalten. Die Gründe dafür erschließen sich jedoch nicht. Siehe Kapitel 5.2.3. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 200r, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 39r.

228

Fälle verhandeln

Herkunft der beteiligten Personen Dieser Abschnitt geht der Frage nach, ob und wie sich die an längeren Verfahren beteiligten Personen von der Gesamtheit der GerichtsnutzerInnen unterschieden. Es waren 98 (1455) bzw. 114 Personen (1497), die entweder als SchuldnerIn oder als GläubigerIn in wiederholten Kombinationen von Schuldbeziehungen auftraten. Die elf bzw. neun Frauen, die unter diesen Personen zu finden sind, entsprachen jeweils einem geringeren Anteil, als dies in der gesamten Stichprobe der Fall war.58 In Bezug auf die Herkunftskategorien zeigen sich ähnliche Muster mit gewissen Unterschieden. In beiden Stichproben waren BaslerInnen in längeren Verfahren häufiger anzutreffen. Dies war 1497 ausgeprägter, wobei sowohl der Anteil an NichtbaslerInnen wie auch derjenige der nicht lokalisierbaren Personen deutlich geringer ausfiel (siehe Tabelle 5.5).59 Diese Tatsache ist auch darauf zurückzuführen, dass die Bankrotteure unter den Personen mit mehrfach erwähnter Schuldbeziehung sehr gut vertreten sind. Zu erwähnen sind vor allem Anton Waltenhein und Hans Keser der Weinmann. In der früheren Stichprobe sind vor allem die Personen stärker vertreten, die eindeutig einem Ort zugewiesen werden konnten, und bei den Übrigen dominieren diejenigen, welche wahrscheinlich aus Basel stammten (siehe Tabelle 5.4). Die Konzentration auf Basel lässt sich hier deshalb weniger klar zeigen, vielmehr scheint es, dass ein häufigeres Erscheinen vor Gericht zu einer genaueren Beschreibung der Personen durch die Schreiber führte, womit sich die Quote der nicht Lokalisierbaren senkte. Von den in der Steuerliste identifizierbaren konnte weiter untersucht werden, ob sie sich in Bezug auf die Vermögenssituation unterschieden. Es lässt sich hier gegenüber den Personen, deren Schuldbeziehung nur einmal erwähnt wurde, nur in der Stichprobe von 1497 ein Unterschied ausmachen. Die reichsten zwei Kategorien waren deutlich überrepräsentiert.60 In keiner Stichprobe hingegen ergaben sich Differenzen hinsichtlich der Distanz der NichtbaslerInnen, die im Schnitt und im Median nur geringfügig nach unten abwich, wenn die Person an mehrfach erwähnten Schuldbeziehungen beteiligt war. Somit lässt sich festhalten, dass die Stichprobe von 1497 eine klare Konzentration auf Basel und auf reichere Personen der Steuerliste erkennen lässt, während die mehrfach erwähnten Schuldbeziehungen 1455 breiter und kaum von den anderen abweichend gestreut waren – mit dem einzigen Unterschied, dass über die Personen in der Regel etwas mehr bekannt ist, was sie einfacher identifizierbar und lokalisierbar machte. Der wichtigste Unterschied zwischen den Stichproben betrifft die Beteiligung von Auswärtigen, eine

58 59 60

1455: 11,2 im Gegensatz zu 16,4 Prozent, 1497: 7,9 im Gegensatz zu 13,6 Prozent. Die Signifikanz der Unterschiede lässt sich jedoch nicht belegen, die Zahlen sind also mit Vorsicht zu genießen. Die Unterschiede sind signifikant, CHI2-Test mit einem p-Wert von 0,000062. Die mittlere Kategorie war mit 21,5 Prozent im Vergleich zu 12,0 Prozent der Gesamtstichprobe vertreten, bei der reichsten Kategorie belaufen sich die Zahlen auf 21,5 Prozent im Vergleich zu 15,3 Prozent. Mit einem p-Wert von 0,030 fiel der entsprechende CHI2-Test signifikant aus.

229

Entscheide des Gerichts

Feststellung, die ja generell für die Gerichtsnutzung gilt.61 Es scheint, als ob die stärkere Beteiligung von 1497 einherging mit allgemein weniger langwierigen Verfahren. Das bestätigt sich angesichts der hohen Anzahl von Vergichten der Auswärtigen – und Vergichte führten eher selten zu längeren Verfahren. Eine mögliche Begründung des Unterschieds könnte darin bestehen, die Beteiligung von Auswärtigen in einem stärker ausgeprägten sozialen Gefälle als noch 1455 zu sehen, was es ihnen erschwerte, sich gegen die Schuld zu wehren. Tab. 5.4 Mehrfach erwähnte Schuldbeziehungen 1455, Vergleich der Herkunft mit der Gesamtstichprobe ganze Stichprobe

mehrfach erwähnte Beziehungen

aus Basel

52,6 %

61,2 %

nicht aus Basel

15,3 %

20,4 %

unklar

32,1 %

18,4 %

davon wahrscheinlich aus Basel

48,4 %

61,1 %

Tab. 5.5 Mehrfach erwähnte Schuldbeziehungen 1497, Vergleich der Herkunft mit der Gesamtstichprobe ganze Stichprobe

mehrfach erwähnte Beziehungen

aus Basel

47,9 %

69,3 %

nicht aus Basel

27,4 %

19,3 %

unklar

24,7 %

11,4 %

5.2 Entscheide des Gerichts Die eigentlichen Entscheide des Gerichts bei Schuldprozessen lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, von denen ich hier insbesondere die Vertagungen, den Umgang mit verschiedenen Formen der Vermittlung und die – relativ seltenen – effektiv gefällten Urteile genauer untersuche. Bei der Vorstellung der verschieden gelagerten Entscheide gehe ich jeweils insbesondere auf die Abfolge von Urteilen, wie sie oben als häufigster Fall von mehrfach erwähnten Schuldverhältnissen genannt wurden, ein.

61

Siehe Kapitel 4.1.

230

Fälle verhandeln

5.2.1 Vertagungen Das Gericht ordnete relativ häufig an, einen Fall zu vertagen, dies fast durchweg mit der Formel, „dz die sach solle bliben einen monet anstan“,62 wobei die Zeitdauer auch anders gewählt sein konnte oder schlicht der nächste Gerichtstermin gemeint war. Um zu prüfen, ob die Vertagungen in Schuldangelegenheiten zu weiteren Verhandlungen und Urteilen führten – ob also die Fälle überhaupt nach einer Vertagung wieder aufgegriffen wurden –, habe ich diese mit den mehrfach erwähnten Schuldverhältnissen abgeglichen. Dabei stellte sich erstaunlicherweise heraus, dass von 81 identifizierten Vertagungen63 gerade einmal 18 Fälle betrafen, die im gleichen Jahr mehrfach vor Gericht verhandelt wurden. Es ist zwar naheliegend, dass eine Ausweitung der Stichprobe noch ein paar zusätzliche Fälle an den Tag brächte; es gab auch mindestens eine Vertagung, die explizit ein früher ergangenes Urteil erwähnte.64 Insgesamt aber scheint es doch so gewesen zu sein, dass eine Vertagung ganz gut den Abschluss des eigentlichen Verfahrens bilden konnte, dass also die Parteien den Fall nicht wieder aufgriffen und vor Gericht brachten. Das belegen nicht zuletzt die 18 Fälle selbst, von denen nur ein Drittel nach der Vertagung noch weitere Einträge im Gerichtsarchiv aufweist. Die wenigen Fälle, in denen die Vertagung nicht den Abschluss darstellte, wiesen ziemlich vielfältige Verläufe auf. Mal folgte auf die Vertagung ein Zahlungsversprechen,65 mal zwei Urteile, um die laut Zeugen versprochene Zahlung zu regeln.66 In einem Fall konnte ein Schuldner die Bezahlung einer Schuld, die offenbar schon Gegenstand eines Urteils gewesen war, mittels dreifacher Bitte um Aufschub mehr als ein halbes Jahr hinauszögern, bevor ihn ein abschließendes Urteil endgültig zur Zahlung verpflichtete.67 In einem anderen Beispiel folgte einer Vertagung mit rund sechs Wochen Abstand eine zweite, die offenbar innerhalb der vorgesehenen Monatsfrist ebenso wenig zur Abzahlung führte wie die erste, schließlich findet sich eine Vermittlung, die ins Vergichtbuch eingetragen wurde.68 In einem weiteren Fall diente die Vertagung der Umsetzung eines früher gefällten Urteils, gefolgt von einer eidlichen Bestätigung

62 63

64 65 66 67 68

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 86v. Die Erfassung der Vertagungen ist für die frühere Stichprobe etwas verlässlicher, 1497 werden einige fehlen, was aber das Gesamtbild kaum verfälscht. Es ist festzuhalten, dass ich hier nur Vertagungen in Schuldsachen untersuche, die Vertagungen aber auch anderes betreffen konnten. Da die Vertagungen aber in der Regel den eigentlichen Streitgegenstand nicht erwähnten, lässt sich keine genaue Unterscheidung treffen, es sei denn, es fänden sich weitere Urteile mit der gleichen Personenkonstellation. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 127r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 118r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 35v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 125v und 128r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 42r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 68r, 87v, 88v und 97r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 89v; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 32v. Ein ähnliches Muster von Vertagung und Vermittlung, die in Form von zwei Urteilen festgehalten wurden, findet sich in StABS, Gerichtsarchiv A 26, 84r und 115v; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 35r.

Entscheide des Gerichts

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der Gläubigerin, dass noch keine Abzahlung geschehen sei.69 Auch wenn die Vertagung nicht die letzte Spur eines Prozesses darstellte, so war auch hier ein abschließendes Urteil nicht die einzige vorkommende Option. Zwei Beispiele sollen aufzeigen, welche Muster zu beobachten sind, wenn die Vertagung am Schluss des Verfahrens stand. Einen besonders langen Fall stellt die Frönung von Hans Surers Haus durch Arbogast den Birsmeister dar. Im März 1455 bestätigte ein Urteil die Schuld, wobei der Birsmeister anbot, die Frönung fallen zu lassen, falls er eine andere Sicherheit bekäme. Im Mai gewährte das Gericht Hans Surer einen Aufschlag zur Bezahlung von Zinsen und Kosten, andernfalls sollte das Haus dem Birsmeister zufallen. Im Juli wurde die Geschichte erneut vertagt, damit der Birsmeister feststellen lassen konnte, ob die Frönung umgesetzt worden war (was ihn berechtigt hätte, das Haus in Besitz zu nehmen). Das war offenbar nicht geschehen, denn im Oktober wurde der Fall erneut verhandelt und um einen Monat vertagt, damit Surer den Birsmeister auszahlen konnte. Andernfalls wäre die Frönung umgesetzt worden, davon findet sich aber kein Beleg. So zog sich ein Fall, der schon im Vorjahr verhandelt worden war, fast über ein Jahr hin, ohne dass er sich wirklich entwickelte. Am Schluss stand dieselbe Drohung der Umsetzung einer Frönung im Raum, die den Anfang der Geschichte innerhalb des Zeitfensters der Stichprobe gebildet hatte.70 Im zweiten Beispiel folgte auf ein Zahlungsversprechen, welches eine Frist von gut zwei Monaten vorsah, zwei Monate nach Ablauf der Frist eine Vertagung, welche dazu diente, eine gerichtliche Ladung zuzustellen und zur Abzahlung aufzufordern. Letzteres scheint geschehen zu sein, denn danach findet sich der Fall nicht mehr in den Gerichtsakten.71 Es finden sich kurioserweise auch einige Fälle, in denen das Gericht zwei bis drei Vertagungen beschloss, ohne ein eigentliches Urteil zu fällen. Innerhalb von nur gut zwei Wochen etwa wurde eine Angelegenheit zuerst vertagt, weil eine Partei etwas „fürzebringen“ habe, die nächste Vertagung diente nun beiden Parteien dazu, ihre Belege mitzubringen, während die letzte Vertagung eine Aufforderung enthielt, dass sich die Parteien einigen sollten. Danach verschwindet der Fall aus den Akten, und angesichts der schnellen Abfolge von Gerichtsterminen zuvor ist zu vermuten, dass sie sich einigen konnten.72 Wenn ich nun ganz kurz aufführe, welche Begründungen das Gericht für die Vertagungen anführte, so soll dies jeweils im Licht der Frage geschehen, inwiefern diese Begründung auch gleich den Abschluss des Verfahrens bildete und somit den Parteien 69 70 71 72

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 87v und 92v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 78v, 86v, 99r und 132v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 21r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 129r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 105v, 111r und 113v. Weitere Fälle mit zwei Vertagungen StABS, Gerichtsarchiv A 26, 77r und 84r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 92r und 97r (innerhalb von rund drei Wochen); StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 138v und 149v (innerhalb von knapp vier Wochen). Bei diesen Fällen ist meist unklar, worum es sich handelte, denn wie schon erwähnt, schwiegen sich die Vertagungen meist über den Inhalt der Streitigkeit aus.

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Fälle verhandeln

Gelegenheit bot, sich außergerichtlich zu einigen. Dabei stelle ich die Begründungen in absteigender Reihenfolge ihrer Häufigkeit dar.73 Die häufigste Form der Vertagung diente dazu, den Schuldnern Zeit für eine Abzahlung zu geben, etwa wenn das Gericht einer Schuldnerin gewährte, „daz sy xiiii tag ein uffschub haben solle“.74 Hier sind auch zwei Fälle zu erwähnen, in denen die Vertagung den Schlusspunkt des bekannten Verfahrens bildete. Im ersten folgte sie einem Urteil, welches zur Abzahlung und Einigung bezüglich Sicherheit aufforderte,75 im zweiten gar einige Monate nach einer Frönung, die schon zwei von den geforderten drei Malen eingefordert worden war, wie die notierten Daten belegen.76 Nicht wenige dieser Vertagungen betrafen die Umsetzung von Frönungen, meist wohl wegen versessener Zinsen. Die SchuldnerInnen konnten mit diesem Aufschub eine letzte Frist erwirken, die verhindern sollte, dass auf ihre Liegenschaft zugegriffen wurde.77 Die zweithäufigste Form von Vertagung ist angesichts der Rolle von Zeugenaussagen nicht überraschend, denn sie bestand darin, einer oder beiden Parteien Zeit zu geben, Kundschaften erstellen zu lassen. Etwa im Urteil, „dz derselb den uffslag, sin kuntschafft ze iagen, haben“ solle.78 Diese Vertagung konnte auch dazu dienen, auf vorliegende Kundschaften des Gegners zu reagieren, wenn etwa drei Kundschaften der einen Partei schon vorlagen, als die andere Partei einen Aufschub erhielt, um auch noch Kundschaften beizubringen.79 Ebenfalls eher häufig diente die Vertagung dazu, eine außergerichtliche Einigung zu ermöglichen, und wurde vom Gericht zu diesem Zweck eingesetzt (ich gehe im nächsten Kapitel auf diese Vermittlerfunktion des Gerichts ein). So beschloss es zum Beispiel, „dz die sach […] bis an mentag nechtskom[mend] solle bliben anstan, uberkom denn [die Klägerin] mit [dem Schuldner] dazwüschent wol und güt, wer das nit, so sol sich [die Klägerin] uff denselben mentag oder den nechsten gerichtz tag darnach wider fur gericht antwurten und beschehe denn furer, das recht sie“.80

73 74 75 76 77 78 79 80

Folgende Fallzahlen weisen die nun folgenden Gründe auf: Abzahlung: 17, Kundschaft: 14, Einigung: zehn, Warten auf Leute: neun, Verkündung: sieben, Belege: drei, Abklärungen: drei, Krankheit: einmal. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 274v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 76r und 83r. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 7r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 111r. StABS, Gerichtsarchiv  C  5, 242v; StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 111r, 132v, 138v und 140r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 197r. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 189r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 37r und 44r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 134v. Vgl. auch StABS, Gerichtsarchiv A 41, 215r: „Uff sollich urttel hat Anndres die lanngen rechtlichenn tag uffgenomen sin kuntschafft dar inn ze iagennde.“ StABS, Gerichtsarchiv A 26, 113v.

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Manchmal ordnete das Gericht eine Vertagung an, um etwas abzuwarten, etwa die Heimkehr von bestimmten, für den Prozess benötigten Personen,81 oder die Zustellung einer Verkündung.82 Weitere Vertagungen dienten dazu, weitere Belege vorzubringen83 oder Zeit für bestimmte Abklärungen zu schaffen.84 In einem Fall schließlich vertagte das Gericht den Prozess, weil eine Partei erkrankt war.85 Die Vertagung wirkt also in den meisten Fällen wie ein Von-sich-Schieben der Verantwortung durch das Gericht, sei es, indem die Sache von den Beteiligten selbst geregelt werden sollte, sei es, um genauere Beweise beizubringen (was dann anscheinend oft nicht geschah). In diesem Licht wirkt die Bekräftigung des Gerichts, im Falle eines Scheiterns sehr wohl zu urteilen, nicht sehr überzeugend. Wenn keine Einigkeit zustande kam, sollten die Parteien wieder vor das Gericht kommen, und „was den aber bekent werde, dem sol nachgangen werden“.86 Neben den hier zu Diskussion stehenden, vom Gericht wohl auch gegen den Willen der Beteiligten angeordneten Vertagungen gab es auch erfolgreiche Bitten der SchuldnerInnen, die um Zahlungsaufschub baten – einige dieser Fälle sind oben erwähnt. Anteilsmäßig machten sie aber den kleineren Teil der Fälle aus. Vertagungen sagen viel aus über die Art und Weise, wie das Gericht seine Aufgabe wahrnahm. Statt schnelle Entscheidungen anzustreben und Urteile zu fällen, wollte man lieber warten, ob sich die Parteien nicht einigen konnten. Das Angebot, bei Uneinigkeit den Fall doch abschließend zu regeln, wirkte dabei offenbar als Drohkulisse für die Parteien und brachte sie oftmals dazu, eine Einigung zu finden. So zeigt sich das Verfahren als konsensorientiert, und die Weigerung des Gerichts, Urteile zu fällen, erweist sich als produktiv. Das Gericht hatte so nicht eine einseitige, auf den Sachverhalt der Schuld – die ja kaum bestritten wurde – fokussierte Sichtweise, sondern

81

82 83 84 85 86

So musste man zum Beispiel warten, bis der Kaufmann Henmann Offenburg wieder von Genf zurück war, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 82v; es konnte auch eine betroffene Partei noch nicht da sein, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 137v. Es gab auch Vertagungen, um bestimmte Personen (konkret „seinen Junker“ bzw. „seinen Herrn“) vor Gericht mitzubringen: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 97r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 117r. Am häufigsten jedoch wurde auf einen Amtmann gewartet: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 84r (der Amtmann diente hier als Fürsprech); StABS, Gerichtsarchiv A 41, 192r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 192r; Beschluss, „daz die sach solle bliben anstan biss Spiegler anheymsch wirtt“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 226v. Es scheint sich bei diesen Fällen meist nicht um die eigentliche Partei gehandelt zu haben, sondern eher um beteiligte Drittpersonen oder um Nebenaspekte der eigentlichen Frage. Das konnte ein Schriftstück sein, etwa bei der Bitte um „viii t[age] ein uffslag alsdenn die selb schriftt inzelegen“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 273r, oder ganz allgemein: „und sollen alsdan bedteil by inen haben wess sy der sach halb im rechten notdurfftig sint“, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 125v. Z. B. in den Gerichtsbüchern (die oben erwähnte Frage, ob eine Frönung umgesetzt worden sei), StABS, Gerichtsarchiv A 26, 99r. „Ist bekannt syddemol und Jungher Eberlin siner libsnot  halb gehindert sie das er zu solichem rechtlichen tage als im verkundt wer nit komen mochte, dz den an der sach ein ufslag sin solte bitz zem nechsten mentag [nach Mariä Himmelfahrt]“, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 107r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 138v.

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versuchte, eine sozial und ökonomisch langfristig verträgliche Lösung zu begünstigen. Die Parteien wiederum ließen Vertagungsfristen verstreichen, womit sich Fälle lange hinziehen konnten, ohne sich (in der Perspektive der Gerichtsakten) wirklich zu entwickeln.87 Vielfach war die Vertagung bloße Aufforderung, die Sache außergerichtlich zu regeln, und so erstaunt es nicht, dass viele Fälle nach einem Vertagungsentscheid aus den Akten verschwinden, die Situation hingegen, dass eine Vertagung genutzt wurde, um neue Beweise vorzubringen und den Fall zu einer Entscheidung vor dem Gericht zu führen, die Ausnahme blieb. 5.2.2 Vermittlung Die Forschung beschreibt den vermittelnden Charakter von zivilen Gerichten als eine Selbstverständlichkeit.88 Hervé Piant nennt die lokalen Vertreter der Justiz „véritables médiateurs“.89 Hans Schlosser meinte dazu: „Das Ausmünden des kontradiktorischen Prozesses in ein Schiedsverfahren war nichts Ungewöhnliches.“90 Xavier Rousseaux sah eine fundamentale Rolle der Vermittlung „comme technique de transaction non seulement entre les parties, mais entre les pratiques locales de régulation et les pratiques processuelles des justices établies“.91 Am Rande sei hier erwähnt, dass eine ähnliche Sichtweise auch in der Kriminalitätsforschung vorherrscht.92 Auch die GerichtsnutzerInnen strebten mit dem Gang vor Gericht nicht zwingend etwas anderes als eine Vermittlung an, es ist sogar denkbar, dass eine Schlichtung im Vordergrund stand, wenn das Gericht bemüht wurde.93 Es ist zahlenmäßig nicht festzustellen, wie viele Prozesse abgebrochen wurden, weil die angestrebte oder aufgezwungene Vermittlung zum Erfolg führte, aber es herrscht in der Forschung Einigkeit darüber, dass die Vermittlungen einen zumindest gewichtigen Anteil daran hatten.94 Das Gericht konnte seine eigenen Urteile als Vermittlung darstellen, indem es auf den Begriff betragen zurückgriff. Erkenntlich ist das an der Formel „durch das gericht

87 88 89 90 91 92 93

94

Vgl. dazu auch die laut Fouquet, Kredit, S. 29, übliche „Praxis der Kreditverschleppung“. Vgl. zum Basler Schultheißengericht kurz Rösinger, Augen- und Ohrenzeugenschaft, S. 102. Piant, Justice, S. 15. Schlosser, Zivilprozess, S. 449. Rousseaux, Pratiques, S. 99. Zur Wahrnehmung von Kriminalgerichten als Schlichtungsinstanzen Schuster, Stadt, S. 140; Dinges, Justiznutzung, S. 512–514. Vgl. Smail, Consumption, S. 13: Viele wollten mit einem Gerichtsverfahren in erster Linie ein „arbitrary settlement“, einen Vergleich, erzielen; Piant, Justice, S. 146: „L’idéal reste l’arrangement, le compte amiable qui suppose que chacun perde un peu mais pas plus que l’autre.“ Bolton, Merchants, S. 54: „most actions were taken to force the defendant to arbitration, formal or informal“. Piant, Justice, S. 235: Es scheint, dass der „abandon négocié“ häufiger war als der „abandon d’impuissance“, dass also die vielen nicht zu Ende geführten Prozesse dem Erfolg von Schlichtung zu verdanken sind.

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betragen“ in der Einleitung eines Urteils.95 Ob das tatsächlich Ausdruck einer bestimmten Urteilsfindung ist, die als Schlichtung zu verstehen ist, oder ob es sich hier mehr um eine Formulierung handelt, die ganz generell vom Vermittlungscharakter des Gerichts herrührt, kann ich nicht beurteilen.96 Aber allein die sprachliche Unsicherheit, ob mit betragen nun ein eigentliches Urteil oder eine gerichtlich geförderte Schlichtung gemeint ist, sagt viel über die schlichtende Rolle des Schultheißengerichts aus. Neben der Darstellung von Urteilen als Schlichtung konnte das Gericht außerdem zur Vermittlung anhalten und außerhalb des Gerichts erfolgte Vermittlungen festhalten und damit offizialisieren. Diese zwei Formen von Vermittlung werden in der Folge vorgestellt. Aufforderung, sich zu einigen Eine einfache Form der Vermittlung, welche das Gericht anordnete, bestand darin, einen Entscheid zu fällen, der nur in Kraft trat, wenn eine Einigung der Streitparteien nicht zustande kam.97 Im Fall der Klage von Wilhelm Dachs aus Freiburg i. Ue., der sich von einem Boten vertreten ließ, gegen Martin Flach nahm das entsprechende Urteil folgende Form an: da ist erkannt, daz sich Martin Flach mit dem botten zwischen hut und morn guttlich vereinen unnd vertragen solle, wer das wol und gutt, wer aber nit, daz dann der bott dannathin wol uff Martin Flach gutt faren mög, innhalt siner handtschrifft98

Die Schuld war unbestritten, da eine handschriftliche Schuldanerkennung Flachs vorlag. Dieser schuldete Wilhelm Dachs die beträchtliche Summe von 141 Gulden, „innhalt siner eigen hanndtschrifft“.99 Das Gericht ließ aber eine Hintertür offen, um Flach die Beschlagnahmung seiner Güter zu ersparen, wenn er eine Einigung mit dem Boten erzielte. Die Frist war dabei mit einem Tag sehr kurz angesetzt. Das Gericht suchte hier ganz gezielt das Wechselspiel zwischen dem „infrajudicaire“ und dem juristischen Weg. Der im Urteil erkennbare Automatismus erwies sich dann als schwie95

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97 98 99

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 74r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 83r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 48r: „Da sind durch min herren die urttelsprecher an dem kleinen gericht betragen worden mit der Urttel“. Im letzten Fall fällte folglich ein Ausschuss des Schultheißengerichts, der sich mit kleinen Schuldstreitigkeiten befasste, das Urteil (vgl. dazu Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 49). Das Idiotikon führt für betragen unter anderem an: „jmd zu einem Vergleich bringen, einigen, aussöhnen“ sowie „jmd gerichtlich verurteilen“, Idiotikon, Bd. 14, Sp. 551 f. Die Ergänzung in einem der erwähnten Urteile, dass „bed teil in des richters hand gelopt solichs stet zehalten“, deutet vielleicht etwas stärker in Richtung Schlichtung, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 83r. Vgl. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 107: „Doch das Gericht betätigte sich auch selbst als Vermittler.“ StABS, Gerichtsarchiv A 41, 207v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 207v.

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rig durchzusetzen. Offenbar kam nämlich keine Einigung zustande, denn der Bote ließ sich in der folgenden Woche gleich zweimal gerichtlich bestätigen, dass er auf die Güter Flachs zugreifen dürfe.100 Zwei Monate später war der Fall wieder vor Gericht, weil sich Martin Flach direkt mit seinem Gläubiger abgesprochen und dabei einen Zahlungsaufschub erlangt habe. Weil er aber zu spät gegen die oben erwähnten Urteile appelliert habe, fiel nun der endgültige Beschluss, dass die Güter verkauft werden durften.101 Die erste Entscheidung, dass der Bote auf das Gut von Flach zugreifen dürfe, erwies sich damit als nicht ausreichend. Der Fall zeigt exemplarisch, dass die Rolle des Gerichts sich eben gerade nicht darauf beschränkte, abschließende und unmittelbar umzusetzende Entscheide zu fällen, sondern dass es vielmehr eine vermittelnde Rolle einnehmen wollte. Die Gerichtsordnung von 1457 sah die Aufforderung zur Einigung vor, zumindest regelte sie die Entschädigung der Amtleute, wenn die Parteien „ze fruntlichen tagen gewysen“ wurden.102 Ich kann also hier kurz untersuchen, wie solche Aufforderungen in der Praxis gestaltet waren. Ganz oft wies das Gericht die Personen an, miteinander eine Einigung zu suchen, ohne darauf einzugehen, wie die Einigung zustande kommen sollte. In einigen Fällen hingegen wies es an, dass jemand als Vermittler dienen sollte, ohne die Person(en) festzulegen. Etwa wenn es beschloss, „dz bede obgenan[nten] teile erber [ehrbare] lute zü inen nemen, die bücher daby haben, darüber gän, die besehen und rechnen mögen“.103 Auch „ire guten frunde“ kamen infrage104 oder, weniger auf die Person als auf die Sache bezogen, „alle, die der sach verwandt syent und desshalb wissen haben“.105 Andere wiederum wurden angewiesen, sich an den Rat zu wenden: Sie sollten „die rete umb ire erbern [ehrbaren] wisen botten bitten“.106 Kaufleute konnten sich zu den Ratsboten gesellen,107 und schließlich dienten noch Zunftvorstände als Vermittler: „das sy fur die erbern meister die smid komen sollen“.108 Rechnungsbücher und Urkunden sollten als Beweismittel beigezogen und den Vermittlern vorgelegt werden, in einem Fall wurde gar eine Besichtigung vor Ort empfohlen.109 Mit Benoît 100 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 210r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 210v. 101 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 223r. 102 Schnell, Rechtsquellen, Bd. 1.1, S. 154. Die Entschädigung sollte nicht mehr als einen Schilling betragen. 103 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 143r. Vgl. auch StABS, Gerichtsarchiv A 41, 176v. 104 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 70v. 105 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 278r. 106 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 98v; siehe auch StABS, Gerichtsarchiv A 26, 78r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 176v. In einer Kundschaft von 1458 wird die Ausführung ersichtlich: „Item hat geseit meister Ülman Vischer der kessler daz im wol indenck sie daz Heinrich Meyglin und er als botten von einem rate geordnet sient den schaffner in der ellenden herberg und Hugli Vettich ze betragen“, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 140v. 107 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 109v. 108 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 36r. 109 Zu den Beweismitteln StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 70v, 74v, 109v und 142v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 197v, 246v und 247r; Zum Ortstermin StABS, Gerichtsarchiv A 41, 176v.

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Garnot können wir die zwei Formen von angestrebter Einigung, nämlich mit oder ohne Beteiligung von Schlichtern, als „arbitrage (la décision est prise par une tierce personne)“ oder „transaction (qui suppose un accord entre deux parties)“ sehen.110 Die Aufforderung, sich zu einigen, kam in beiden Stichproben einige Male vor, jedoch zu selten, um eine wirkliche statistische Analyse vorzunehmen. Was aber auffällt, ist die Tatsache, dass in allen Fälle, wo von beiden Beteiligten das Steuervermögen bekannt ist, dieses in die gleiche Kategorie fällt. Da das Vermögen zudem eher hoch war (vor allem 1455 bildeten die Personen aus der höchsten Vermögenskategorie die Mehrheit aller Beteiligten), schließe ich daraus, dass in diesen Fällen die SchuldnerInnen wohl die Schuld hätten begleichen können, aber aus bestimmten Gründen nicht wollten. Das Gericht erhoffte sich wohl, einen Vollzug des Schuldverfahrens (zum Beispiel eine Pfändung) und somit eine weitere Eskalation verhindern zu können, indem es die Parteien aufforderte, eine außergerichtliche Lösung zu finden. Festhalten von anderswo erzielten Einigungen Wenn außerhalb des Gerichts erzielte Einigungen in den Gerichtsakten aufzufinden sind, herrschen zwei Formen vor. Erstens die bloße Erwähnung einer Einigung in Kundschaften und Urteilen, die nicht darauf schließen lässt, welche Rolle das Gericht im Schlichtungsprozess genau spielte (es lässt sich bloß vermuten, dass es um die Umsetzung der Einigung ging), und zweitens die Erwähnung von Einigungen in Zahlungsversprechen, bei denen das Gericht dazu diente, die Einigung zu registrieren und damit zu offizialisieren. Im ersten Fall war die Vermittlung oftmals umstritten und somit Gegenstand eines Urteils, oder aber sie wurde in Kundschaften erwähnt, wahrscheinlich um sie einzuklagen.111 Hier finden sich die Fälle mit privaten Schlichtern aus allen Gesellschaftsschichten, zum Beispiel ein Koch,112 ein Karrer113 und zwei Vertreter der Aristokratie.114 Weiter

110 111 112 113 114

Garnot, Conclusion, S. 469. Dabei handelt es sich auch um Kundschaften außerhalb der Stichproben, deshalb kann ich nicht beurteilen, ob dazu Urteile existieren. Meister Hans Hirsinger, Koch, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 75v. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 133v f. Jörg Haffner, Basler Bürger, geriet offenbar zufällig in eine Auseinandersetzung und vermittelte entsprechend spontan: Er habe den zwei Parteien „in die sachen geredt“. Junker Hans von Wuneck, StABS, Gerichtsarchiv  D  16, 166v; Ritter Heinrich von Ramstein, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 92r.

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konnten auch Autoritäten wie die Meister einer Zunft,115 der Oberstzunftmeister116 oder (in einer Geschichte von Spielschulden im Solddienst) der militärische Vorgesetzte vermitteln.117 Ganz anders setzte sich die Gruppe der Schlichter zusammen, wenn eine Vermittlung im Zahlungsversprechen erwähnt war. Hier treffen wir vor allem die Amtleute des Gerichts, zum Teil mit Beteiligung weiterer Personen.118 Nur in zwei Fällen wurden Einigungen registriert, die ganz ohne Beteiligung von Gerichtspersonal erstellt wurden, beide Male war es ein Wirt, der die Schlichtung erzielte – die Vermutung liegt nahe, dass eine Partei bei ihm logierte.119 Die Rolle der Amtleute des Gerichts in diesen Zahlungsversprechen zeigt wieder eine Art Zwischenstellung des Gerichts und seines Personals zwischen außergerichtlicher und gerichtlicher Schlichtung.120 Das zeigt sich sehr gut in einer Vereinbarung zur Abzahlung eines gekauften Ackers, über die Lienhard Ziegler als „frier amptman“121 des Gerichts berichtete, dass die Parteien „dar umb einen gerichtzgang miteinander gehept haben, das er do bede obgen[annten] teile mit irer güten willen betragen habe in diser wise“.122 Offenbar waren die Parteien vor Gericht gelangt, führten hier aber nicht einen ordentlichen Prozess, sondern erfuhren eine Schlichtung durch einen Gerichtsbeamten. Obwohl eine außergerichtliche Vermittlung durch Amtleute auch denkbar ist,123 handelten die Amtleute des Gerichts offenbar, wie die obige Unterscheidung der Schlichtungsfälle zeigt, in einem gerichtlichen Kontext. Das belegt auch die oben zitierte Regelung der Entschädigung, wenn Konfliktparteien zur Einigung aufgefordert wurden und sich Amtleute daran beteiligten. Damit zeigt sich auch, dass diese eine wichtige Zwischenstellung einnahmen bzw.

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Das Gericht beschloss „von des ubertrags wegen, so die erbern meister die metziger zwuschent inen gemacht hand“, dass diese Vereinbarung Geltung haben solle, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 111v. 116 Der Oberstzunftmeister handelte hier nicht einmal allein. In einer Schuldsache, bei der es gerade mal um sechs Pfund ging, seien die Parteien laut Kundschaft durch „hr Heinrich Rieher oberster zunfftmeister meister Hannsen Brieffer, und meister Ruman Vesch der reten in der guttlicheitt lutter betragen worden“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 19v–20v, Zitat Folio 20r. 117 StABS, Gerichtsarchiv D 14, fol. 78r. Es handelt sich um Junker Peter Offenburg, den Truppenkommandanten in einem Feldzug von Basler Truppen nach Flandern unter der Führung des Kaisers im Jahr 1488, siehe Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 132 f. 118 Zum Beispiel Hans Sattler, der Lohnherr (Vorsteher des Lohnamtes, welches in Basel die öffentliche Bautätigkeit in Auftrag gab, siehe Idiotikon, Bd. 1, Sp. 245, sowie Bd. 2, Sp. 1535), sowie weitere „erber lute“, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 31v. In einem anderen Fall waren nebst zwei Amtleuten noch ein gemeinsamer Schwager sowie zwei Meister als Vermittler erwähnt, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 18v. 119 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 22v und 42v. 120 Vgl. zur Möglichkeit, Streitigkeiten von einem Richter, aber außergerichtlich schlichten zu lassen, Blatter, Gericht, S. 95. 121 Vgl. dazu die Besetzungsliste des Gerichts in StABS, Gerichtsarchiv A 26, 96r. 122 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 17v. 123 Vgl. dazu Garnot, Conclusion, S. 469.

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dass angesichts deren Beteiligung an privaten Schlichtungsformen eine klare Trennung zwischen Justiz und Infrajustiz nicht stichhaltig ist.124 Die in den Quellen genannten Vermittler – es waren nur Männer 125 – der Stichprobe von 1455 habe ich noch etwas genauer untersucht, ohne dabei zwischen Amtleuten und privaten Schlichtern zu unterscheiden. Als Parteien waren Frauen relativ häufig beteiligt,126 bei vielen ist dabei die Herkunft nicht zu klären. Während die Vermittler praktisch nur aus Basel stammten, waren BaslerInnen bei den Adressaten von Vermittlung zwar in der Mehrheit, es gab aber auch ein paar Männer, die sicher nicht aus Basel stammten. Die Verteilung der Vermittler auf die Vermögenskategorien war einigermaßen regelmäßig, wies aber einen klaren Schwerpunkt in der mittleren Kategorie auf, während die ärmste Kategorie nicht vertreten war. Die AdressatInnen von Vermittlung waren deutlich seltener in der Steuerliste zu finden, es zeigt sich aber eine gewisse Tendenz zu reicheren Kategorien.127 In zwölf von 17 Schuldverhältnissen, die Gegenstand einer Vermittlung waren, ist die Schuldsumme bekannt. Sie belief sich im Mittelwert und Median auf gut 15 Pfund. Es ging also durchaus um höhere Summen, wenn vermittelt wurde. Erfolg der Vermittlung Der Erfolg von Vermittlungen und der Aufforderung, sich zu einigen, lässt sich daran ablesen, dass nur wenige dieser Fälle unter den mehrfach vor Gericht erwähnten Schulden zu finden sind. Und wenn, dann bildeten sie meistens den Abschluss, d. h., nach mindestens einem vorhergehenden Gerichtstermin – meist waren es Einträge im Urteilsbuch, zum Teil auch im Vergichtbuch – forderte das Gericht die Parteien auf, sich zu einigen, und der Fall verschwand aus den Quellen. Nur in wenigen Fällen lief es also so wie im eingangs beschriebenen Fall von Wilhelm Dachs und Martin Flach.128 Andere Einigungen scheiterten schon im Ansatz. Im Streit zweier Parteien über Schulden im Zusammenhang mit der Aufwertung eines Ackers konnten herbeigerufene Vermittler „sy nit mit einander betragen und wisen sy fur recht“.129 Andere Vermittler 124 Vgl. zur Beteiligung von Gerichtspersonal an informeller Vermittlung Garnot, Conclusion, S. 469. 125 Das musste nicht zwingend so sein, wie Zoe Schneider für die frühneuzeitliche Normandie zeigt, Schneider, Women, S. 25: Vermittlungen durch Frauen waren, obwohl von der Rechtsnorm her umstritten, in der Praxis möglich. Die Studie setzt zeitlich zwar später an, zeigt aber, dass die Rechtsnormen, was die Rolle von Frauen betraf, seit dem Spätmittelalter eher strenger geworden waren. 126 27 Prozent aller Personen, d. h. 14 von 52. 127 Die Kategorien 3 und 4 (d. h. die zweithöchsten) waren überrepräsentiert, es kam aber aus jeder Kategorie mindestens eine Person vor. 128 Z. B. bei einer Vermittlung, die von zwei Zahlungsversprechen gefolgt war: StABS, Gerichtsarchiv C 6, 31v; StABS, Gerichtsarchiv B 7, 75 und 85. 129 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 37r.

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schlugen eine jährliche Abzahlung von sechs Gulden an einer Schuld vor. Worauf nun die Schuldner „dem also nochzekomen sweren sollten, das sy aber nit sweren wollten, und giengen also von einander und wurde nüt uss der sach“.130 Diese Fälle waren aber in der Minderheit: Sowohl die vom Gericht angeordnete als auch die vom Gericht nur noch registrierte und damit offizialisierte Vermittlung war eine Erfolgsgeschichte, die zudem den Charakter des Gerichts als Schlichtungsinstanz unterstreicht. Weiter zeigt das Beispiel der Vermittlung auf, wie sowohl das Gericht als auch die GerichtsnutzerInnen laufend und anscheinend problemlos zwischen formellen Gerichtsverfahren und außergerichtlichen Strategien (dem „infrajudicaire“) hin- und herwechselten.131 Das zeigt vielleicht der folgende Eintrag aus dem Vergichtbuch von 1455 am besten: Richard der Amtmann hat gesagt, daz [die zwei Beteiligten] glopt und versprochen haben, wo sy sich zwischen hie und Sanntt Johanns tag nechst kunfftig irer spennen halb nit vereinbarten, daz sy sich dann bede, anrucks nach verschinung der zit, har fur gericht stellen und deshalb ein anndern [wohl: einer den andern] rechvertigen sol132

Ein wenig formalisiertes Versprechen vor einem Vertreter des Gerichts umfasste folglich die private Vereinbarung und die Option, im Falle eines Scheiterns ein ordentliches Gerichtsverfahren auszulösen. Dieses kam in der Folge jedoch nicht zustande.133 Dass eine gescheiterte private Vermittlung am Anfang eines längeren Prozesses stehen,134 die Aufforderung zur Einigung außerhalb des Gerichts aber auch längere Prozesse abschließen konnte, ist ein weiterer Hinweis auf die sehr flexible Nutzung verschiedener Ebenen der Schlichtung – und wahrscheinlich auch ein Beleg für die Beliebtheit dieser Formen in der Bevölkerung und beim Gericht, wenn nicht gar ein Beleg für deren Effektivität. Die Vermischung von „infrajudiciaire“ und juristischen Vorgehen zeigt sich, wie oben erwähnt, auch an der Beteiligung von Amtleuten des Gerichts an Schlichtungen außerhalb des Gerichts. Schlichter aller Art „übernahmen Aufgaben des institutionalisierten Rechtswesens, allerdings ohne zur formellen Justiz in Konkurrenz zu treten“.135 Wenn Franziska Loetz hier die Infrajustiz in die Nähe der formellen Justiz stellt, entspricht das genau der gemachten Beobachtung einer Unschärfe beider Formen. Es scheint deshalb richtig, die Schlichtung außerhalb des eigentlichen Gerichts 130 131 132 133 134 135

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 72v. Vgl. Garnot, Conclusion, S. 468: „Le judiciaire et l’infrajudiciaire peuvent se mélanger ou se succéder dans la chronologie d’une affaire“. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 30v. Der Eintrag datiert vom 12. Januar, also war während fast eines Jahres kein Eintrag zu finden, was vermuten lässt, dass sie sich einigen konnten. Vgl. Garnot, Conclusion, S. 468: „quand l’infrajudiciaire échoue, il aboutit alors, le plus souvent, à une procédure judiciaire.“ Loetz, Infrajudiciaire, S. 556.

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als komplementär zu sehen, als unterschiedliche Formen der Konfliktaustragung, die aber nicht im Gegensatz zueinander standen.136 Die Bedeutung des Gerichts in der Vermittlung kann kaum hoch genug angesetzt werden, denn es schuf in vielfältiger Weise die Voraussetzung für erfolgreiche Schlichtungsverfahren, indem es dazu anhielt, aber auch als Alternative bei einem allfälligen Scheitern bereitstand. Seine begleitende Rolle verstärkte so das Vertrauen der Parteien in einen guten Ausgang der Vermittlung. 5.2.3 Urteile Die eigentlichen, abschließenden Urteile des Gerichts bilden in der ganzen Masse von Einträgen aller Serien des Gerichtsarchivs eine verschwindend kleine Minderheit. Aufgrund der knappen Protokollierung eines vorwiegend mündlich geführten Verfahrens fehlen in diesen Fällen die notwendigen Angaben, um Begründungen des Gerichts nachzuvollziehen. Anstelle einer Übersicht über die Arten und Begründungen endgültiger Urteile führe ich hier Beispiele an, die das Spektrum von möglichen Entscheiden aufzeigen, dies nicht zuletzt darum, weil ein endgültiges Urteil so gar nicht existierte. Es finden sich nämlich einige Urteile, die ausschließlich die Bestätigung eines älteren Urteils enthielten.137 Das folgende Urteil ist dem Urteilsbuch von 1497 entnommen und soll in erster Linie aufzeigen, was dem Protokoll eines Urteils entnommen werden kann und was nicht. Zwuschen Mathis Steinler von Arlishein eins und Rudi Huswirt annders teyls, ettlichs furlons holtzes halb, ist nach allem furwennden erkanntt, daz Rudy Mathysen umb sellichen furlon ussrichten solle, unnd vermein er dann, daz im Mathis nit werschafft getan oder sovil holtz, als das sin soll, nit gefurt hab, darumb solle im sin recht an in behalten sin.138

Wir erfahren gerade mal, dass Mathis Steinler einen Fuhrlohn für einen Holztransport einforderte. Das Gericht beschloss auf nicht weiter ausgeführter Grundlage, dass dieser zu zahlen sei, ohne sich zur Höhe desselben zu äußern. Offenbar machte der Auftraggeber geltend, dass die Lieferung nicht wie vereinbart erfolgt war, darauf ging das Gericht jedoch nicht ein und verwies ihn auf die Möglichkeit, selbst zu klagen. Ebenso typisch wie die knappe Beschreibung des Sachverhalts ist es, dass sich das Gericht nicht zur Höhe des geschuldeten Betrages äußerte, ja ihn nicht einmal erwähnte. Die Gerichtsprotokolle blieben hinsichtlich der Schuldsummen oft sehr vage, wie die folgenden zwei Beispiele zeigen. So wurde ein Schuldverhältnis mit dem Ausdruck

136 137 138

Loetz, Infrajudiciaire, S. 556. Siehe weiter unten in diesem Kapitel. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 184v.

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umschrieben, dass jemand „ein nemlich sum cronen zetund were“,139 während ein anderes Urteil den Schuldner verpflichtete, „den costen unnd ettlich gelt an ir schuld zegeben“.140 Es war durchaus üblich, dass das Schultheißengericht nur den Entscheid über die Berechtigung des Anspruchs, nicht aber über die Höhe desselben fällte. So heißt es in einem Urteil vom September 1497 lapidar, eine Frau solle mit einer Schuhmachersfrau, „der ii par schüch halb, rechnen unnd sy darumb vernugen“.141 Die Schuhe, die nicht weiter umschrieben sind, mussten von der Frau offensichtlich bezahlt werden, es lag jedoch an den zweien, die Schuldsumme festzulegen, möglichst gemeinsam. Wenn die Gerichtsprotokolle Schuldsummen erwähnen, dann als gegebene Beträge, deren Höhe nicht verhandelt wird. Diese Beobachtung steht im direkten Gegensatz zur Feststellung von Peter Schuster: „Denn über die Höhe der Schulden gab es regelmäßig Dissens.“142 Ich würde dieser Aussage nicht direkt widersprechen, sondern den Widerspruch mit der Feststellung relativieren, dass über die Höhe der Schuld durchaus verhandelt werden konnte, dass sich das Gericht aber in diese Konflikte möglichst nicht einmischte. In aller Regel weisen die Protokolle summarisch darauf hin, was alles vor Gericht vorgetragen wurde. Dabei wurden die Reden der Parteien ebenso erwähnt wie vorgelegte Kundschaften und Schriftstücke. Das folgende Beispiel ist ein sehr ausführliches und zeigt fast das ganze Spektrum auf: da ist nach clag, anntwurtt, red, widerrede, verhorung der ingelegten bucher, schrifften unnd allem furwenden, nach zyttlichem bedanck unnd gepflogenem rat, mit der merern urtel erkannt143

Vielleicht zeigen die wenigen Entscheide, die die Rechtmäßigkeit eines Anspruchs negativ beurteilten, die Entscheidungskriterien des Gerichts am besten. Wenn das Gericht jemanden von Schulden freisprach, fügte es diesem Entscheid in der Regeln eine kurze Begründung an. Ich habe in den beiden Stichproben 25 solcher Urteile identifiziert und stelle hier verschiedene zugrunde liegende Themen vor. Ein Abgleich mit den mehrfach verhandelten Schuldsachen hat ergeben, dass die vier Urteile, die in diese Gruppe fallen, jeweils den Abschluss der Angelegenheit darstellen, dass also das Urteil akzeptiert wurde – mit einer Ausnahme. In einem Fall folgt dem Urteil die Aussage, der Unterlegene habe „die lanngen rechtlichenn tag uffgenomen, sin kuntschafft dar inn ze iagennde“.144 Diese Suche nach weiterem Beweismaterial in Form

139 140 141 142 143 144

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 273r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 50v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 244r. Schuster, Age, S. 47. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 207v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 238r.

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einer Kundschaft scheint aber keinen Erfolgt gezeitigt zu haben, denn auch dieser Fall wurde danach nicht mehr vor Gericht behandelt, obwohl das Urteil schon im Mai gefällt wurde (und deshalb nicht anzunehmen ist, dass außerhalb der Stichprobe weiter verhandelt wurde). Die häufigsten Fälle, in denen Personen eine Schuldklage abwehren konnten, betrafen Erbangelegenheiten. Hier war das Gericht auch eher knapp in der Begründung. Offenbar genügte die Feststellung, dass das Erbe nicht angetreten war, um Ansprüche abzuwehren. Die Tochter des verstorbenen Kaspar von Arx etwa war „nicht pflichtig noch schuldig“, Gläubigern ihres Vaters Rede und Antwort zu stehen.145 Letztere hatten sich vielmehr an den Rat zu wenden. Zwei Schuldnern, die gemeinsam mit einem Verstorbenen eine Schuld eingegangen waren, durften nach Verlesung von Kundschaft und Schuldbrief nicht auf die Erben ihres Mitschuldners zugreifen – offenbar war das Gericht der Meinung, dass sie selbst für die Schuld haften sollten.146 Eine Frau schließlich, die von einem Erbe bloß Nutznießerin war, musste ebenfalls nicht haften für die Schuld, die auf dem Erbe lag. Sie wurde im Gegenzug ermahnt, allfällig aus dem Haus mitgenommene Gegenstände zurückzubringen.147 Wichtiger war das Beibringen von Beweisen in den Fällen, in denen kompliziertere Schuldverhältnisse vorherrschten und Drittpersonen von der Klage betroffen waren. Das kam relativ häufig vor. Aufgrund der Verlesung von zwei Missiven etwa konnte ein vermeintlicher Schuldner belegen, dass er die betreffende Schuld an einen Boten bezahlt hatte, an den sich der Kläger nun wenden musste.148 Ein anderer Bote führte an, dass er wohl vom Schuldner des Klägers Geld erhalten habe, diese Summe aber an eine Forderung des Boten an den Schuldner angerechnet worden sei. Somit musste sich der Kläger direkt an den Schuldner wenden.149 Andere Fälle zeugen von Dreiecksverhältnissen, in denen sich Gläubiger an eine Drittperson hielten, die ihrerseits beim Schuldner verschuldet war. In einem Fall bezeugte der eigentliche Schuldner direkt vor Gericht, dass er genau das sei. Das Gericht entschied deshalb, dass der Kläger keine direkte Forderung stellen, dafür aber die Schuld der Drittperson am eigentlichen Schuldner in Verbot legen lassen konnte.150 Eine andere Drittperson konnte sich darauf berufen, dass sie nie versprochen habe, dem Gläubiger seines Gläubigers Geld zu geben, und konnte somit auch nicht haftbar gemacht werden.151 Im dritten derartigen Fall war genau die Frage umstritten, ob der verstorbene Gläubiger es versucht habe, 145 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 189r. 146 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 80v. 147 „Habe  sy aber utzit usgetragen, das sy das fürderlich wider intragen soll“,  StABS, Gerichtsarchiv A 26, 72r. 148 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 252v ff. 149 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 193v. 150 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 212v f. Das öffnete dem Kläger die Möglichkeit, trotzdem auf die Drittperson zuzugreifen. Das scheint dann aber nicht geschehen zu sein. 151 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 263v.

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den Schuldner seines Schuldners zu belangen, und das Gericht entschied: „Ist bekennt worden, dz her Wunewalts kuntschafft die besser sie und deshalb von Seitenmacher fürer ungesumpt [unbehelligt152] bliben solle“.153 Besonders interessant sind hier die Fälle von Geldschulden, deren Bezahlung nicht erzwungen werden konnte. Ein Beklagter konnte mittels Kundschaft belegen, dass er die Schuld schon an die Mutter des Gläubigers bezahlt hatte, der Anspruch also tatsächlich nichtig war.154 Zwei andere Kläger scheiterten daran, dass sie ihre Forderung nicht belegen konnten. Weil, so das Gericht, vom Kläger „lut sins vernemens nit fürpracht sye“, dass eine Schuld bestand, wies dieses die Klage ab.155 Auch den anderen Freispruch von Schulden begründete das Gericht damit, dass der Kläger „uff hutt aber nit erschin, noch die kuntsch[aft] stelt“.156 Im Licht der Gesamtzahl verhandelter Schulden zeigen diese Beispiele aber in erster Linie, dass sich das Gericht sehr selten über die eigentliche Beweislage aussprach. Bei mit Schulden belasteten Immobilien stellte sich, ähnlich wie beim Erbe, die Frage, ob Käufer von Liegenschaften die Schulden mit übernahmen, die auf ihnen lagen. Das Gericht konnte, zum Teil gestützt auf Urkunden, die KäuferInnen von diesen Ansprüchen freisprechen.157 Abgelehnte Schuldklagen konnten sich auch auf die Kosten fürs Gerichtsverfahren beziehen, also einen Nebenaspekt des eigentlichen Verfahrens betreffen.158 Was sich bei diesen Beispielen und Konstellationen von nicht erfolgreichen Schuldklagen zeigt, ist einerseits die Bedeutung von Beweisen wie Kundschaften und schriftlichen Belegen. Wer keine eindeutigen Belege vorbringen konnte, dessen Klage scheiterte. Genau dieses Risiko klingt übrigens in einigen Vertagungsentscheidungen des Gerichts an, wenn Zeit fürs Einholen von Kundschaften mit folgendem Hinweis gewährt wurde: „Womit dan derselb teil meint zugewynen, damit solle er ouch verlieren“.159 Dieses Verlieren mit Kundschaften und Belegen kam aber nicht häufig vor, es scheint vielmehr, dass die KlägerInnen sich dessen bewusst waren, dass die Beweismittel ungenügend waren, und den Fall daher gar nicht weiterverfolgten. Deshalb sind unter den hier aufgeführten Fällen diejenigen häufiger, wo die beklagte Person sich als nicht für die Schuld zuständig erklären konnte, sei es, weil sie die Schuld nicht geerbt 152 153 154 155 156 157

158 159

Idiotikon, Bd. 7, Sp. 961. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 80r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 126v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 284v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 211v. Z. B. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 109r: ein gescheiterter Versuch, die Käufer einer Immobilie zu belangen (nach einer Frönung). Es sollte der eigentliche Schuldner beigezogen werden, vgl. auch StABS, Gerichtsarchiv A 26, 121r und StABS, Gerichtsarchiv A 26, 127v (hier konnte der Käufer die nur scheinbar auf dem Grundstück liegende Morgengabe zurückweisen). StABS, Gerichtsarchiv A 26, 73r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 179r. StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 86v. Weitere Fälle auch aus der Stichprobe 1455: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 89v, 111r und 134v.

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oder mit der Liegenschaft gekauft hatte, sei es, dass ihre Beteiligung als Drittperson nicht so ausfiel, wie die Klagenden gemeint hatten. Entsprechend wies sie das Gericht auf die Möglichkeit hin, die Klage an die richtige Adresse zu bringen. Über die Gründe, die „falsche“ Person anzuklagen, können wir nur spekulieren. Offenbar ging es, wie eine Kundschaft von 1493 es ausdrückt, darum, ob man jemanden „hinder die schuld bringen“ konnte.160 Diese Person war dann allenfalls einfacher zu belangen, oder sie hatte schlichtweg mehr Vermögen, welches es erlaubt hätte, die Schuld zu decken. Dass man sich auf der Gegenseite bemühte, als ungerechtfertigt empfundene Schuldforderungen zu bestreiten, erstaunt dann nicht weiter. Das Gericht entschied also hier darüber, ob ein Anspruch gerechtfertigt war oder nicht, nicht aber über die Höhe des Anspruchs. Es fühlte sich nicht zuständig, Schuldsummen festzustellen, und nahm diesbezügliche Unklarheiten durchweg zum Anlass, eine Schlichtung anzuordnen, die sich zumindest auf die Höhe der geforderten Summe bezog. Eine partielle Anerkennung von Ansprüchen konnte auch vorkommen, war jedoch selten. Eine Schuldnerin musste gemäß Urteil bloß den Teil der Schuld bezahlen, den sie „gichtig“ war – den sie also anerkannte, der Rest blieb anstehen.161 Wie oben aufgezeigt, gab es in jeder Stichprobe eine Reihe von Fällen, die sich durch eine längere Kette von Gerichtsentscheiden auszeichneten. Viele dieser sich länger hinziehenden Konflikte wechselten zwischen Verkündungen, Vertagungen und der Aufforderung zur Einigung hin und her, bis sie zu einem abschließenden Urteil kamen – wenn überhaupt. Diese Fälle habe ich in den entsprechenden Kapiteln schon vorgestellt. Dazu kommen einige Fälle, die das Gericht wiederholt beschäftigten, ohne dass ersichtlich wird, weshalb man nicht zu einem Abschluss kam. Oft stand wie in den im Kapitel 5.1 vorgestellten Fällen eine Frönung oder ein Verbot am Anfang des Prozesses, der sich dann aber meist in der Form von aufeinanderfolgenden Urteilen entwickelte. Andere lassen sich auf ein erstes Urteil zurückverfolgen, dem anschließend eine Kette von verschiedenen Vorgehen folgte. Als Beispiel dient eine Verkündung auf der Grundlage eines älteren Urteils, die innerhalb von nur fünf Tagen durch ein Zahlungsversprechen ergänzt wurde, welches die Abzahlung innerhalb von zwei Monaten vorsah.162 Gut einen Monat nach Ablauf dieser Frist erscheint die nächste Verkündung im Gerichtsbuch, welche zur Zahlung innerhalb von zwei Wochen verpflichten sollte.163 Solche Verfahren schritten „von Urteil zu Urteil voran“, es wurde also „über das jeweilige Vorbringen der Parteien unmittelbar entschieden“.164 Das Vorbringen konnte 160 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 1r. 161 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 148v. Der Fall wurde übrigens ein zweites Mal verhandelt, diesmal musste der Kläger seinen Anspruch beheben, um Bezahlung erlangen zu können, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 41v. 162 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 183r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 34r. 163 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 214r. 164 Nehlsen-von Stryk, Typologie, S. 103. Vgl. zum Gewicht der Prozedur in den Urteilen der Richter Smail, Consumption, S. 65.

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darin bestehen, ein älteres Urteil wieder aufzugreifen. Das erklärt die doch häufigen Urteile, die ältere Urteile bloß bekräftigten oder allenfalls noch zur Umsetzung Stellung nahmen. So entschied das Gericht 1455, „das der urteil brieff, so Peter Müller hat, von der drien guldin geltz wegen, by allen sin krefften bliben solle“.165 Bei solchen Verhandlungen war es üblich, das vorgängige Urteil erneut zu verlesen.166 Auch unter den Urteilen, die ein älteres, außerhalb der Stichprobe liegendes Urteil erwähnten, finden sich viele ähnliche Fälle. Am häufigsten wurde das ältere Urteil bestätigt und die Umsetzung angeordnet.167 Dabei konnten Details zur Umsetzung konkret geregelt werden.168 Andere Urteile griffen einen älteren Fall wieder auf und führten ihn weiter, oftmals ohne zu einem eigentlichen Abschluss zu kommen.169 Nur ganz vereinzelt hat das Gericht sein eigenes Urteil relativiert oder ganz gestürzt.170 Es stellt sich bei diesen Urteilen denn auch die Frage, wie endgültig Urteile des Schultheißengerichts waren, wenn man sie wieder aufgreifen konnte,171 und das außerdem noch mit einer gewissen zeitlichen Distanz, ohne dass dies als eigentliche Appellation gehandhabt wurde – eine solche war nämlich nicht vorgesehen.172 Es scheint vielmehr so, dass das Gericht einem solchen Vorgehen offen gegenüberstand, wenn der Konflikt offensichtlich noch nicht zu einer Lösung gekommen war. Da die Gründe für die entsprechende Bereitschaft aber nicht Teil der Protokolle waren, kann ich darüber nichts Abschließendes sagen. Es sind aber die hier genannten Fälle, welche die langsamen „Mühlen der Gerichtsbarkeit“ erkennen lassen.173 Einzelne Fälle zogen sich über längere Zeit dahin und lassen die Mechanismen der Verschuldung in einem gewerblichen Kontext verfolgen. Ein exemplarischer Fall, nämlich die Geschäftsbeziehung zwischen Niklaus Kessler, genannt zur Blumen, einem Drucker, und Franz Gallician, wird in Kapitel 6.3.1 vorgestellt.174

165

166 167 168 169 170 171 172 173 174

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 90v. Vgl. auch StABS, Gerichtsarchiv A 26, 79v: Ein vor Gericht verhörter Übertrag blieb in Kraft: „das der übertrag so vor gerichte verhört wart, by krefften bliben solle“; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 129r: Bekräftigung eines älteren Urteils: Der Schuldner soll „in noch der eren urteil vormals in dis sach geben usrichten und bezalen“. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 39r: „nachdem solichs [d. h. das vorgängige Urteil] vor gericht erzalt ist, do wart es ouch mit der urteilt erkennt also gehalten werden“; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 78v: „nach innhalt des urteils briefs vor gericht gelesen“. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 72v, 78v, 90v, 105r, 115v, 129r, 137r und 137v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 196v f., 252r und 208v; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 34v. Z. B. die konkrete Regelung des Zugriffs auf ein Haus und den Hausrat eines säumigen Schuldners, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 211v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 78v, 91v und 127r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 282v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 204r und 207v. Vgl. dazu Piant, Procès, S. 20: Prozesse vor Zivilgericht waren „cycliques“, Urteile brachten oft einen neuen Kreislauf von Klage, Beweisführung und Entscheid. Siehe zum Appellationsverbot von 1455 Sieber-Lehmann, Basel, S. 5. Fouquet, Kredit, S. 28. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 41v und 47v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 228r, 230r und 246v. Ich habe den Fall schon vorgestellt in Hitz, Schuldennetzwerke, S. 122.

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Als Kuriosum ist hier noch ein Fall zu erwähnen, bei dem ein Nebenstrang des Prozesses wichtiger wurde. Ein Gläubiger versuchte einen Wirt zu belangen, der ein Verbot nicht umgesetzt bzw. einen Schuldner habe davonreiten lassen. Das Gericht fällte, „da in Clewin Rentschlin mit siner hab hinweg komen lasen hett mit beger an Clewin in umb solich sin schuld usszerichten“, ein Urteil, das tatsächlich den Wirt Rentschlin verpflichtete, den Kläger zu entschädigen.175 Als sich dieser dagegen wehrte mit der Aussage, das Pferd des Schuldners sei schon gar nicht mehr im Gasthaus gewesen zum Zeitpunkt des Verbots, gab ein weiteres Urteil beiden Parteien Zeit, ihren Standpunkt bezüglich Anwesenheit des Pferdes zu belegen. Rentschlin gelang dies tatsächlich, und so konnte er sich von der Pflicht zur Entschädigung entbinden lassen.176 Mitunter musste das Gericht entscheiden, wer beim Zugriff auf Güter und Liegenschaften von SchuldnerInnen den Vorrang hatte. Das geschah dann, wenn es sich um überschuldete Personen handelte, bei denen damit zu rechnen war, dass die vorhandenen Güter nicht ausreichten, um alle Gläubiger zu befriedigen. Entsprechend finden wir Entscheide, dass GläubigerInnen von Frönungen und Verboten erwirken konnten, sie „an der bezalung vorgan“ durften.177 Begründet wurde die Priorität einer Person damit, dass die Klagenden als Erste ihre Ansprüche angemeldet hatten, und offenbar anerkannte dies das Gericht in aller Regel auch, etwa wenn man „der frönung redlich nachgangen sye“,178 oder auch, dass man als Erster jemand „fur fluchtig geben“ habe.179 Ein weiterer Grund war die Priorität von Lidlohn, wie sie auch beim Konkursverfahren galt.180 So verfügte das Gericht, dass man der Klägerin eine Summe „von sollichem guot werden lassen und fur iren lidlon geben solle, und möge dann daz uberig nehmen, wer recht dar zu meint ze haben“.181 Eine Priorisierung von Forderungen war üblich beim Konkursverfahren, der sogenannten Verrechnung.182 Bei den hier vorliegenden Fällen wurde aber ganz oft vom dort üblichen Verfahren der Pro-rata-Verteilung auf nachstehende Forderungen verzichtet, es sei denn, es handelte sich wie bei Anton Waltenhein um eine flüchtige Person, womit eine Verrechnung zu erwarten war. Trotz eines „schadlosbriefs“183 wurde ein Kläger in dem Fall vollumfänglich abgewiesen, als er eine prioritäre Behandlung

175 176 177 178 179 180 181 182 183

StABS, Gerichtsarchiv A 41, 238r. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 240v und 245r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 105r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 138r. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 286v. Zum Lidlohn als Schuldgrund Kapitel 2.2.5. Vgl. Simon-Muscheid, Dinge, S. 127 f.: Der sog. Lidlohn genoss „als Arbeitslohn für Gesinde, Ammen und auch Gesellen einen besonderen rechtlichen Schutz und war im Konkursfall privilegiert gegenüber anderen Forderungen“. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 138r. Vgl. zur Festlegung einer Rangordnung unter den Forderungen Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 136. Versicherung gegen allfälligen Schaden, vgl. Idiotikon, Bd. 5, Sp. 465.

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einforderte.184 Eine Mittelstellung bildet der Umgang mit den Gütern von Adam Walch, hier kippte nämlich das Gericht nachträglich seinen Entscheid, ein Gläubiger möge vorgehen, weil er „sin recht vor menglichen erlangt“185, indem es beschloss, pro rata zu teilen.186 Es scheint hier zumindest im Ansatz eine Verrechnung vorzuliegen. Offenbar galten die Kriterien des Verrechnungsverfahrens, wo das ganze Gut durchs Gericht geschätzt und versteigert wurde und es danach die Verteilung der erzielten Einkünfte verteilte, in Fällen gewöhnlicher Verbote und Frönungen nicht, sondern es gab eine Person, welche zuerst auf das Gut zugreifen konnte und somit auch die Ansprüche zuerst befriedigen konnte, worauf der Rest verteilt wurde an die weiteren, die Anspruch hatten. Dabei kam es in einem Fall auch vor, dass das Urteil auch die zweite Person in der Reihenfolge der Ansprüche festlegte.187 Anekdotisch erscheint schließlich noch der Fall eines eingemauerten Kessels, welcher nach seinem Verkauf noch im Haus war, als dieses neun Monate später gefrönt wurde. Entsprechend versuchte nun der Käufer des Kessels mittels Kundschaft zu belegen, dass ihm der Kessel gehörte und dieser von der Frönung auszunehmen sei – obwohl er ihn erst teilweise bezahlt hatte.188 Somit lässt sich festhalten, dass das Urteilsbuch trotz seines Namens nur wenige abschließende, eindeutige Urteilen enthielt, sondern belegt, dass das Schultheißengericht mit Schlichtungsversuchen, Vertagungen, Entscheiden zur Priorität sowie der Bekräftigung und Umsetzung alter Urteile ebenso sehr – wenn nicht gar stärker – beschäftigt war. Die vielen Handlungsoptionen, die ein solches Gericht den Klagenden (und auch den Beklagten) ließ, zeigen sich exemplarisch an einem Urteil über eine schon einmal verhandelte Schuld. Gemäß einem vorgängigen Urteil musste ein gewisser Hanolt für eine Schuld von 25 Gulden entschädigt werden.189 Das nächste, nach rund zwei Monaten gefällte Urteil stellte zunächst fest, dass Hanolt deswegen in den Besitz eines Rentenbriefes von entsprechendem Wert gelangt war. Das Gericht gab nun Hanolt die Wahl, ob er den Brief bis zur vereinbarten Abzahlung in Raten als Pfand behalten oder ob diesen ganz übernehmen wolle (in diesem Fall musste er die zehn Gulden, die er als erste Rate schon erhalten hatte, zurückerstatten).190 Über die eigentliche Verhandlung des Falles zwischen den Fürsprechern und über die Urteilsfindung durch Urteiler, d. h. die Ratsherren, welche das Gericht bildeten, ist übrigens sehr wenig bekannt.191 Nur vereinzelt gehen die Urteilsprotokolle mit kurzen

184 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 280r–282r. 185 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 215v. 186 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 218v: Es sollte nach Markzahl geteilt werden, wie die Zeitgenossen eine zu den Forderungen proportionale Verteilung nannten. 187 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 105r. 188 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 81v. 189 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 128r. 190 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 42r. 191 Das ist allgemein ein wenig erforschtes Gebiet, vgl. zum spätmittelalterlichen London Rexroth, Sprechen.

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Bemerkungen darauf ein, wenn die Urteilsfindung lange dauerte oder keine Einigkeit herrschte und ein Mehrheitsentscheid gefällt wurde. So hieß es dann zum Beispiel: „Ist erkennt uff den eydt von dem merteil der urteilsprechern“192 oder „ist nach vil worten bekennt“.193 Ebenfalls können wir anhand der Akten kaum ein konkretes Bild der Kommunikation über die Fürsprecher gewinnen. In der Regel scheinen sie die Vertretung der Parteien gewissenhaft vorgenommen zu haben und eine den Konflikt entschärfende Funktion gehabt zu haben. Nur akute Unzufriedenheit konnte Spuren hinterlassen. Weil sein Fürsprech „allerley wortten geredt“, die für Unwillen beim Widerpart gesorgt hatten, und er diese „nit selbs geredt unnd ouch dem fursprechen die nit bevolhen“, wollte ein Kläger davon „lidig erkannt werden“. Der Fürsprech bestätigte, dass ihm diese Worte – deren Inhalt wir leider nicht erfahren – „haruss gewischt“ seien, es sei „im ouch leid“.194 5.2.4 Kosten Wer im Prozess unterlag, hatte die Kosten der gegnerischen Partei zu tragen. Diese fielen bei einem einfachen Urteil oder fürs Einholen von Kundschaften nicht sehr hoch aus, konnten aber gerade bei Schuldangelegenheiten doch große Summen erreichen, denn hier mussten nicht nur die Gerichtskosten übernommen werden, sondern auch der Schaden der Zahlungssäumnis.195 Der Schaden hatte sich im Spätmittelalter als „selbständige rechnerische Größe“ etabliert.196 In den Akten des Basler Gerichtsarchivs zeigt sich diese Entwicklung in der Formel „costen und schaden“, die sehr häufig vorkommt.197 Trotz dieser Differenzierung wurde die Verteilung der genannten Schadenssumme auf die zwei Kategorien nicht aufgeschlüsselt (es handelt sich also eher um eine sprachliche Doppelung). Diese Entschädigung als Verzugszins zu bezeichnen wäre anachronistisch, gerade angesichts der Wucherregelung, aber es gab genügend wucherrechtlich unproblematische Konzepte, welche auch hohe Entschädigungen ermöglichten.198

192

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 116r. Vgl. auch das oben zitierte Urteil, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 207v. 193 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 138r. 194 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 177r f. 195 Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 283. 196 Schlosser, Zivilprozess, S. 275: Der Schaden wurde abgespaltet vom allgemeinen Schuldbegriff, nachdem ursprünglich Schuld und Schaden gleichgesetzt waren. 197 Beispiele finden sich in StABS, Gerichtsarchiv  A  26, 85v; StABS, Gerichtsarchiv  A  41, 211v und 284v; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 28r, 45r, 177r, 195r und 208v; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29v; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 39r und 42v. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 283, nennt noch die lateinische Formel: „expensa et dampna“. 198 Gilomen, Glaube, S. 132 f.

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So nennt eine Kundschaft von 1455 in Bezug auf eine Schuld von 500 Gulden eine Kostenforderung von 40 Gulden, welche offenbar problemlos erstattet worden war.199 Eine per Urteil bestätigte Vermittlung sah bei einer Schuldsumme von 27 Gulden anteilsmäßig noch höhere Kosten von sechs Gulden vor,200 während anlässlich der Rückerstattung einer „mergklichen sum“ fünf Gulden anfielen.201 Solch hohe Forderungen, die wohl in einer Relation zu den Schuldsummen, nicht jedoch zu den tiefen Gerichtskosten in Basel standen,202 lassen aber wirklich an Zinsen denken. Da aber Schulden und Kosten in den Gerichtsprotokollen oft zusammengenommen und als eine Summe angegeben wurden, lässt sich in der Regel der genaue Anteil der Kosten nicht berechnen.203 Was unter Kosten fiel, umfasste sowohl die Gerichtsgebühren (für Urteile, die Ausstellung von Urkunden, das Aufzeichnen von Kundschaften) als auch all diejenigen Aufwendungen, die für Botengänge und Ähnliches entstanden waren, wie in folgendem Beispiel zusammengefasst: Falls die Gläubiger „zu costen kemen, es wer mit bottenlon, zerunng oder nachreiss, den allen sollent sy ime ouch ussrichten“.204 Eine Kundschaft zählt am Schluss der zahlreichen Bemühungen, eine Schuld außergerichtlich und gerichtlich einzutreiben, die dabei entstandenen Kosten auf, die fast die Höhe der Schuld erreichten: „Die frow habe im [dem Boten, der als Zeuge auftrat] och ix (ß) zem ersten zerlon und ix ß dem wirt von dem karren und pferd für zerung und dem karer ix ß zerlon und im disem botten v ß fur zerung urteil gelt und annders geben“, insgesamt 1,6 Pfund für eine Schuld von 2,25 Pfund.205 Weiter entstanden auch beim Leisten Kosten.206 Auch wenn sich oftmals nicht belegen lässt, wie die Kosten genau berechnet wurden und ob dieser Vorgang umstritten war, ist doch offensichtlich, dass sich Konflikte über die eigentliche Schuldfrage hinaus zu Konflikten über die Kosten entwickeln konnten, die entweder als „Nebenfolgen im Urteil“ oder als eigene Prozesse geführt

199 200 201 202

203 204

205 206

StABS, Gerichtsarchiv D 6, 24r. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 50v. StABS, Gerichtsarchiv D 14, fol. 66v. Vgl. zu den Kosten des eigentlichen Verfahrens die Kundschaft über ein Verfahren, bei dem der Kläger seinen Anspruch nicht durchsetzen konnte (er war nicht bereit, einen Eid zu leisten), worauf er auf die Bitte nach Entschädigung habe „einenn schilling darfür geben wollen“ StABS, Gerichtsarchiv D 16, 159r. So forderte jemand die „usrichtung [von] vier gulden so im der vermelt Jacob schuldig were mit sampt dem costen“. StABS, Gerichtsarchiv  A  41, 252v. Andere Beispiele: StABS, Gerichtsarchiv D 6, 146r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 229v, 252v und 284v. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 22v; zur Zehrung auch StABS, Gerichtsarchiv D 6, 52r. Siehe zu den Gerichtsgebühren etwa ein Urteil, verpflichtend zur Zahlung von „kosten so von gerichtz wegen hier daruff gangen ist“, mit der Randbemerkung „desglichen umb den costen so in die kuntsch dussen ze eriagen gecostet hat“, StABS, Gerichtsarchiv A 26, 84r. StABS, Gerichtsarchiv D 12, 27r. Vgl. zum Leisten Kapitel 5.3.1. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 208v f.

Entscheide des Gerichts

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wurden.207 Dabei mussten die Kosten belegt werden,208 und das Gericht fällte verschiedene Urteile. Mal mussten sich die Parteien einigen,209 mal wurden die Kosten unter den Parteien aufgeteilt,210 mal erlassen.211 Die Klagenden konnten Kosten auch als Verhandlungsgegenstand einsetzen, etwa indem sie anboten, bei sofortiger Bezahlung der Schuld die Kosten zu erlassen.212 Das wurde sogar vom Gericht als Möglichkeit vorgesehen: „moge da [der Kläger] deshalb ansprach nit erlassen“, so kämen die Kosten vor Gericht, entschied es 1497.213 Was die Kosten in die Höhe trieb, waren nicht die Gerichtsgebühren, sondern Botengänge und Zehrgelder sowie all das, was unter dem Begriff Schaden summiert wurde. Das Schultheißengericht galt als günstiges Gericht, sodass ich nicht davon ausgehe, dass die Gerichtskosten potenzielle Klagende abhielten.214 Vielmehr waren sie bei einer Weigerung des Schuldners oder der Schuldnerin ein Mittel, den Druck zu erhöhen, indem kostenintensive Vorgehensweisen gewählt wurden – das sogenannte Leisten als wohl teuerste Variante wird weiter unten vorgestellt.215 Vor allem aber der Schaden konnte sehr hoch ausfallen und damit eine Entschädigung für das lange Warten und das finanzielle Risiko von Schulden darstellen. In welchem Umfang dieses Mittel allerdings so genutzt wurde, lässt sich wegen der mangelnden Aufschlüsselung von Schuld und Kosten nicht detailliert beurteilen. Somit ist auch keine Aussage darüber möglich, ob und wie sich der Schaden mit zunehmender zeitlicher Distanz vom ursprünglichen Zahlungsziel erhöhte – es ist davon auszugehen, dass dies der Fall war. Es steht aber außer Zweifel, dass der Schaden einen Ersatz darstellte für Zinsen auf Geldschulden, die wucherrechtlich verboten waren und entsprechend keine Erwähnung finden in den Quellen.216 Es gab selbstverständlich Umgehungsmöglichkei207 Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 104. 208 Der Kläger soll „fürbringen wie wo und wenn sich der kost gemacht habe“, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 37v; siehe auch StABS, Gerichtsarchiv A 41, 211v. 209 Z. B. in einem Urteil: „und umb den costen mogen sy einander rechtvertigen unnd deshalb gescheen lassen was recht sye“, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 179v. 210 Teilung der Kosten, weil der Kläger nur noch um die Kosten klagt und nicht mehr um die eigentliche Schuldsumme: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 73r; Teilung der Kosten für ein Kaufgericht, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 198v. 211 StABS, Gerichtsarchiv  A  41, 179r (leider ohne Begründung). Eine Reduktion der Kosten war auch möglich: „doch was die cost sich erfindt da selle Orttlin i lb nachlassen“, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 34r. 212 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 50v. 213 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 180v. 214 Die Beobachtungen von Martin Dinges und Hervé Piant bezüglich der Kosten würde ich deshalb hier nicht als zutreffend bezeichnen: Piant, Justice, S. 89, beschreibt das Paradox zwischen Gerichtsnutzern, die sich über die hohen Kosten beschweren, und den Gerichtsleuten, die das Gefühl haben, fast gratis zu arbeiten; Dinges, Justiznutzung, S. 514: „Mit den Kosten ist bereits das wichtigste Mittel der Justizpraxis benannt, Justiznutzungen abzuweisen.“ 215 Siehe Kapitel 5.3.1. 216 Eine kleine Auswahl von Literatur soll hier genügen: Armstrong, Law; Gilomen, Wucher; Ceccarelli, Thought, S. 284 f.; klassisch Le Goff, Wucherzins; Munro, Usury; Greilsammer, Roue, S. 25

252

Fälle verhandeln

ten, um Zinsen zu verstecken, etwa indem man die Zinsen direkt zur Schuldsumme schlug.217 Solche Vorgehensweisen waren aber illegal, und so können wir nicht erwarten, sie in Gerichtsakten wiederzufinden. Wenn ich trotzdem häufig auf den Begriff Zins gestoßen bin und als Grund für eine Schuldklage angeführt habe, so handelte es sich dabei ausschließlich um erlaubte Zinsen auf Rentenbriefe und in Pachtverhältnissen. Wuchervorwürfe wären auch nicht vor dem Schultheißengericht verhandelt worden,218 es sei denn als Ehrenhandel, wenn sich jemand wegen Wuchervorwürfen verunglimpft fühlte, wie in der Kundschaft von 1496 über die Aussage, jemand „hette mit dem judenspiess gerendt“, was bedeutete, dass die Person Wucher betrieb.219 Da aber der Wucher in den Akten des Schultheißengerichts kaum eine Rolle spielt und ich deshalb zu einem gut untersuchten Thema nichts Neues beitragen kann, gehe ich darauf nicht weiter ein. Abschließend möchte ich nur festhalten, dass die Abwesenheit in den Quellen nicht dazu verleiten sollte zu denken, dass Lieferungen auf Kredit und Gelddarlehen völlig zinsfrei waren, insbesondere wenn die vereinbarten Zahlungstermine nicht eingehalten wurden. Die Kosten stellten dabei das sichtbarste, weil legale Instrument dar, sich für die Unsicherheit über die Begleichung der Schuld zu entschädigen. Bezüglich der Bezahlung von Kosten ist davon auszugehen, dass die oben gemachten Beobachtungen zu den verschiedenen Formen von Wertflüssen galten.220 5.2.5 Freiwillige Gerichtsbarkeit Der Begriff freiwillige Gerichtsbarkeit bezieht sich auf Situationen, in welchen das Gericht oder die Schreiber aufgesucht wurden, um gewisse Sachverhalte festhalten zu las-

und passim. Zur rigiden Wuchergesetzgebung in Basel siehe Gilomen, Glaube, S. 122 f., Hagemann, Rechtsleben, Bd. 1, S. 80–82. 217 Gilomen, Wucher, S. 294; Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 321 f.; Beaulande, Traitement, S. 188; Denzel, Problem (in Bezug auf Wechselgeschäfte); Fontaine, Espaces, S. 1390 (Wucher war verbreitet, aber versteckt); Fontaine, Economie, S. 198; Furió Diego, Crédit, S. 429. Vgl. auch ein deutlich jüngeres Mandat des Basler Rates, welches die Möglichkeiten detailliert aufführt und eingangs auf die „vorfahren“ hinweist, die schon oft „ordnungen und ernstliche ermanungen“ publiziert hätten, ohne aber eine Wirkung zu erzielen: Man habe nämlich erfahren, dass „solchen mandaten wenig gelebt, sonder vil mehr dieselben in vergess und verachtung von vieln gestelt worden“ seien, StABS, STA Bf 1 A 2–13. In StABS, Justiz D 1, finden sich auch noch ältere Wucherregelungen, die zeitlich näher bei den hier untersuchten Quellen liegen. 218 Dafür war die geistliche Gerichtsbarkeit zuständig, wie sich in einer Kundschaft von 1500 zeigt: Ein Wuchervorfahren einen problematischen Schuldbrief betreffend sollte vor geistlichen Instanzen durchgeführt werden, und das Schultheißengericht weigerte sich entsprechend, den Fall anzunehmen, StABS, Gerichtsarchiv D 17, 116r. 219 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 155r. Vgl. Idiotikon, Bd. 10, Sp. 573 f.: Mit dem Judenspieß laufen bedeutete, Wucher zu betreiben. 220 Siehe Kapitel 3.1.

Entscheide des Gerichts

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sen.221 Das Gericht übernahm hier gewissermaßen die Funktion eines öffentlichen Notariats. Private Notare finden sich zwar in der Stadt, allerdings scheint ihre Bedeutung nicht sehr groß gewesen zu sein, denn ich habe in den ganzen Quellen der Stichproben nur einige wenige Hinweise auf sie gefunden.222 Die Funktion als öffentliches Notariat des Gerichts konnte so aussehen: Heinrich Steinhauer, ein Basler Bürger, schuldete einer Frau „von Biel“223 200 Gulden, wie ein alter Schuldbrief besagte. Dieser Brief sei aber durch zwei neuere über je 100 Gulden ersetzt worden, deren einer ein Henman Dachs gekauft habe, wie Steinhauer berichten ließ. Den anderen hatte immer noch die von Biel, und Steinhauer ließ nun deren Mann und einen weiteren Zeugen aussagen, dass er von den 100 Gulden 40 abgezahlt und somit nur noch 60 Gulden bzw. drei Gulden jährlichen Zins schuldete. Nachdem die Gläubigerin sogar empfohlen habe, „solchs vor gericht ze sagen“, entschied dieses, „dz man den solichs in des ger[ichts] buch setzen sollte, wie es sich joch harnach fugte, dz man diser sage ein wissen hette und er [d. h. Steinhauer] und sin erben nit für getrengt wern“.224 Der Eintrag wurde, obwohl ein Gerichtsentscheid vorlag, ins Vergichtbuch vorgenommen, vielleicht auch deshalb, weil er eine Schuldanerkennung umfasste – wenn auch der wichtigere Teil darin zu bestehen scheint, dass der alte Schuldbrief keine Gültigkeit mehr besaß. Eine typische Form von freiwilliger Gerichtsbarkeit waren die Rentenkäufe. Hier stand das Schultheißengericht allerdings in Konkurrenz zu den geistlichen Gerichten, die das wohl häufiger taten.225 Die kleinen Fallzahlen (16 Rentenbriefe 1455 und sogar nur neun 1497) sprechen dafür, dass hier das Schultheißengericht nicht die wichtigste Instanz war. Deshalb kann ich hier die Charakterisierung der typischen Beteiligten anhand der üblichen Attribute nicht anwenden, allerdings lässt sich festhalten, dass es eine größtenteils innerstädtische Angelegenheit war, was aber nicht überrascht, waren Renten doch auf städtische Liegenschaften ausgestellt.226

221

Vgl. dazu Piant, Procès, S. 20: Die „juridiction gracieuse“ macht einen großen Anteil der Zivilgerichtsakten aus. 222 Es sind in den Stichproben von 1455 und 1497 je zwei Hinweise, dazu vier weitere in den Kundschaften aus der Zeit dazwischen, die ich ja auch durchgeschaut habe: StABS, Gerichtsarchiv B 7, 52; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 104v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 75v; StABS, Gerichtsarchiv O 4, fol. 48v; StABS, Gerichtsarchiv C 14, fol. 128v; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 124r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 233r und 248v. 223 Der Geschlechtsname von Biel ist für die Zeit verbürgt. 224 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 14r. 225 Siehe zu den Institutionen, die in Basel Urkunden ausstellen konnten, Mommsen, Kanzleiwesen, S. 160: Ratskanzlei, Schultheißengerichte (Groß- und Kleinbasel), bischöflicher Offizial, Offizial des Archidiacons, Bischof (wenn anwesend). In eigener Sache stellten Kirchen und Klöster, Adlige und Patrizier Urkunden aus. 226 Von den 49 beteiligten Personen der Stichprobe 1455 stammten nur vier mit Sicherheit nicht aus Basel, allesamt als Rentenkäuferinnen. Die 19 Personen der späteren Stichprobe stammten allesamt aus Basel.

254

Fälle verhandeln

Tab. 5.6 Durchschnitt und Median der bekannten Renten 1455 (n = 16)227 Renten 1455

in Pfund228

Durchschnitt

74,5

Median

64,5

Die Rentenkäufe vor den geistlichen Gerichten in Basel hat Thomas Albert untersucht. Die 257 Rentenkäufer des späten 15. Jahrhunderts stammten hauptsächlich aus der Stadt Basel (36 Prozent), 18 Prozent stammten aus der Basler Landschaft, 31 Prozent aus dem Sundgau.229 Vom geistlichen Gericht ausgestellte Schuldbriefe konnten auch vor dem Schultheißengericht zum Verhandlungsgegenstand werden, wie ein Urteil zu einem Schuldbrief, der „under des geistlichen gerichtz zu Basel innsigel usgangen“, bezeugt.230 Neben den Rentenverkäufen wurden in Basel auch Liegenschaftskäufe vom Schultheißengericht bzw. von dessen Schreiber festgehalten, ebenfalls im Fertigungsbuch. Hier finden wir auch deutlich größere Fallzahlen: 96 in der Stichprobe von 1497, immerhin 67 im Jahr 1455. Ich gehe hier aber nicht weiter darauf ein.231 Der Begriff freiwillig ist bei den Liegenschaftstransaktionen allerdings nur halbwegs passend, denn die Norm sah durchaus vor, dass dies verpflichtend zu geschehen hatte. Noch diffuser ist die Situation bei den Vergichten. Die Zahlungsversprechen, die ohne ein Urteil und freiwillig eingetragen wurden, ließen sich auch zur freiwilligen Gerichtsbarkeit rechnen. Allerdings waren diese ja durchaus mit einer Sanktionsdrohung bei Nichtbezahlung verbunden und, wie wir in diesem Kapitel gesehen haben, hin und wieder Auslöser von längeren Streitigkeiten. Zur abschließenden Beurteilung der Rolle des Gerichts in der Schuldenwirtschaft ist meines Erachtens die Unterscheidung in freiwillige und streitige Gerichtsbarkeit nicht hilfreich, weil sie kaum zur Schärfung des Profils beiträgt.232 5.3 Sanktionen und Druckmittel Bis jetzt habe ich den Fokus vor allem auf die mühselige und langsame Umsetzung von Schuldeintreibungsverfahren gelegt. Vertagungen und neuerliche Verhandlungen zogen Fälle in die Länge, der Wechsel zwischen Zahlungsversprechen und der Drohung 227 Renten mit mehreren SchuldnerInnen und somit mehrfacher Nennung der Schuldsummen wurden nur einfach berücksichtigt. Insgesamt sind 33 Schuldbeziehungen als Rentenkäufe erfasst. 228 Zur Umrechnung siehe Anhang 8.2.2. 229 Albert, Mann, S. 270. 230 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 55r. 231 Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, Kapitel „Hauswirtschaft“, S. 87–101. 232 Mehr zu dieser Unterscheidung in Claustre, Dette.

Sanktionen und Druckmittel

255

mit der Umsetzung von Beschlagnahmungen zeigte vor allem, dass es wenige Automatismen gab und Schuldner durchaus mit einer milden Behandlung rechnen konnten. Den GläubigerInnen standen aber durchaus Druckmittel zur Verfügung, und nicht jeder Fall endete glimpflich. Dies ganz abgesehen davon, dass die Umsetzung von Frönungen und Verboten, die zwar nur in wenigen der angefangenen Prozesse zustande kam, eine einschneidende Maßnahme war. In diesem Abschnitt geht es um Formen von Sanktionen und Druckmitteln, die ich anhand der tatsächlichen Quellenbelege (und somit nicht der juristischen Norm) vorstelle, um das Bild eines auf Konsens ausgerichteten Gerichts etwas zu kontrastieren.233 5.3.1 Leisten In einem Zahlungsversprechen setzte der Schuldner zwei Bürgen aus Fischingen ein und vereinbarte mit dem Gläubiger, „die mag er alsdann manen gen Basel in die statt da in eins offen wirtzhuss“, wo sie „unverdingt leisten und von der statt Basel nitt kommen“ durften, bis die Schuld bezahlt war.234 Der Terminus in die Leistung mahnen ist in den Quellen verschiedentlich anzutreffen, sei es vereinbart als Vorgehen bei Säumnis, sei es als Maßnahme, um Schulden einzutreiben. Es handelte sich dabei um ein außergerichtliches Vorgehen, bei dem sich jemand – ich komme noch darauf zurück, wer infrage kam – in ein Wirtshaus begab und dort auf Kosten des Schuldners oder der Schuldnerin lebte, bis die Schuld beglichen war. Alternative Bezeichnungen für das Leisten waren Einlager, Giselschaft oder Obstagium, es war vor allem im 13. und 14. Jahrhundert weit verbreitet.235 Dabei fielen hohe Kosten an, weshalb sich die Vermutung aufdrängt, dass es dort zur Anwendung kam, wo jemand nicht zahlen wollte, obwohl er konnte. Ich habe deshalb versucht zu eruieren, wer in den beiden Stichproben davon betroffen war. Während in Bezug auf die Vermögenskategorien und die Herkunft aufgrund der kleinen Fallzahlen keine Muster zu erkennen sind, zeigt sich, dass tatsächlich einige Angehörige der Aristokratie als Schuldner von der Drohung oder Umsetzung einer Leistung bedroht waren.236 Es waren dies in der Stichprobe von 1497 die Junker Konrad und Herman von Ramstein, die überdies Brüder waren. Sie waren

233

Vgl. zu harten Sanktionen in Zivilgerichten Gauvard, Droit, S. 59, sowie Smail, Plunder, S. 14, der „coercion“ als „lubricant that eases the transfer of wealth from one to the other“ bezeichnet. 234 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 8v. Andere Belege, dass Leute in Leistung gemahnt wurden: StABS, Gerichtsarchiv A 41, 223r und 245v, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 189r. 235 Sturm, Privatkredit, S. 198; Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 295. Sturm weist darauf hin, dass das Einlager anstelle materieller Werte die Ehre verpfändete. Zum Einlager auch Kuske, Entstehung, S. 65. 236 Vgl. Bressler, Schuldknechtschaft, S. 313: Einlagerklauseln wurden oft mit Personen vereinbart, die nicht überantwortet werden konnten, z. B. weil sie adlig waren.

256

Fälle verhandeln

gleich in zwei Fälle verwickelt.237 Dazu kommen ein gewisser Junker Thurand238 und schließlich noch die Mitschuldner des verstorbenen Grafen Oswald von Thierstein.239 Wer aber sollte diese Leistung tatsächlich antreten? Laut einer Kundschaft von 1496 vereinbarten der Schuldner und der Gläubiger eine Abzahlung an eine Drittperson. Sollte diese nicht zustande kommen, so sollten der Gläubiger und die Drittperson in einem bestimmten Wirtshaus in Leistung treten.240 Eine andere Vereinbarung sah vor, dass der Gläubiger zu diesem Zweck einen Boten schickte.241 Auch die Schuldner konnten leisten, so versprachen zwei Schuldner in einem Zahlungsversprechen, bei Nichtbezahlung „sich anrucks in die leistung [zu] stellen“. Sollte das nicht passieren, durfte der Gläubiger „annder in leistung stellen biss zu bezalung“.242 Wer tatsächlich leistete, SchuldnerIn oder GläubigerIn bzw. eine von ihnen beauftragte Person, war also zweitrangig. Die bei der Leistung entstehenden Kosten wurden, wie erwähnt, dem Schuldner angelastet, und so erklärt sich die Kundschaft von 1457, in welcher der Wirt zum Schnabel berichtete, in Bezug auf eine Schuld von 40 Gulden seien „xv rinischer gulden und by den iiii ß vier phen mer oder minder ungeverlich verleistet […] worden“, die 15 Gulden habe er vom Schuldner tatsächlich erhalten, das Kleingeld hingegen geschenkt.243 Vielleicht war es das Risiko, dass die hohe Summe, die anlässlich einer Leistung entstehen konnte, nicht gedeckt wurde, die einen Wirt 1481 dazu brachte, diese zu verweigern mit den Worten, „er welte keiner leistung“.244 Als außergerichtliches Vorgehen wurde das Leisten im Gerichtsarchiv nur dann aktenkundig, wenn es nicht von Erfolg gekrönt war, und so finden wir einige Wirte, die darüber Auskunft gaben, ob jemand in der jeweiligen Schuldsache in Leistung war oder nicht. In einer Schuldklage bat der Kläger, „das man den wirt verhoren solt, ob sy leisteten“, worauf dieser sagte, „es leistete niemand in sin huss“.245 Dies kam relativ häufig vor.246 Auch wenn das Gericht in das Vorgehen der Leistung nicht involviert war, so finden sich doch keine Belege, dass es nicht geduldet worden wäre, im Gegenteil.

237 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 222v und 241r. 238 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 263r. 239 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 245v. Hier ist unklar, ob der Graf selbst auch betroffen gewesen wäre, wenn er noch gelebt hätte. 240 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 208v f. 241 Der Gläubiger sollte „einen botten nach verschinen zilen hinuff gen Rinfelden schicken der solt uff sy [d. h. die Schuldner] leisten“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 28r. Ähnlich auch StABS, Gerichtsarchiv D 12, 13r. 242 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 31v. 243 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 125v. 244 StABS, Gerichtsarchiv D 12, 13r. Der Bote versprach anschließend, die Kosten selbst zu tragen, und bezahlte später mit Gütern des Schuldners. 245 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 112r. 246 Weitere Quellen mit Angaben, dass niemand leistet: StABS, Gerichtsarchiv D 6, 36r; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 96v und 122r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 222v, 263r, 241r, 245v und 269r.

Sanktionen und Druckmittel

257

Ein Urteil bezüglich eines Zinses hielt fest, dass der Schuldner bezahlen oder „furer leisten“ sollte.247 Wie die oben angeführten Verfahren, die wegen nicht angetretener Leistung geführt wurden, zeigen, stellte eine Klage vor dem Schultheißengericht eine Alternative dar, von der sich die Klagenden offenbar mehr Wirkung versprachen. 5.3.2 Verbannung und Flucht Der Begriff Leisten hatte noch eine zweite Bedeutung. Es war die Sanktion, die das Stadtrecht vorsah, wenn jemand ein Zahlungsversprechen, das im Vergichtbuch eingetragen wurde, nicht einhielt. Tatsächlich wissen wir aber nicht, in welchem Umfang diese Verbannung tatsächlich umgesetzt wurde, denn es finden sich davon keine Spuren, weder im Ratsbuch, in welches Verbannungen eingetragen wurden, noch sonst wo.248 Im Ratsbuch finden sich nur ganz wenige Verbannungen, die einen Bezug zu Schuldsachen haben, etwa der Eintrag von 1451, gemäß dem jemand ein Jahr leisten musste, weil er sein Gut versetzt hatte, das schon verfpändet gewesen war.249 Ob und wie die Verbannung tatsächlich umgesetzt wurde, muss deshalb offenbleiben. Es scheint wahrscheinlich, dass sie tatsächlich an Bedeutung verloren hatte als Sanktionsmaßnahme bei Vergichten. Weiter oben250 habe ich ja aufgezeigt, welche Alternativen an die Stelle getreten waren, in erster Linie ist der Zugriff auf Pfänder zu erwähnen.251 Jürgen Schlumbohm schließlich hat darauf hingewiesen, dass die Verbannung wegen Schulden weniger schwerwiegend war als diejenige wegen Verbrechen und man deshalb nur selten die Stadt verlassen musste.252 An deren Stelle trat die Umwandlung in Geldbußen, die sich aber in Basel auch nicht nachverfolgen lässt.253 Mag auch die Verbannung kaum eine große Rolle gespielt haben, so gab es doch immer wieder Personen, die wegen Überschuldung die Stadt verließen, allerdings aus eigener Initiative, indem sie flohen. Mit diesem Vorgehen versuchten sie, anderen Sanktionen zu entgehen.254 Wer floh, konnte als flüchtiger Mann bezeichnet werden, was als Quellenbegriff einen juristischen Kontext hatte. So wurde jemand „fur flichtig erkannt und also an den orten, [wie es] sich gepurt, schriftlichen ufgeschlagen“.255 Wer als flüchtig galt, dessen Gut konnte anders behandelt werden. So finden sich Hinweise

247 248 249 250 251

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 121v. Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 18. StABS, Ratsbücher A 3, 134r. Siehe Kapitel 2.3.1. Vgl. dazu auch Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 56, der feststellt, Verbannung (wie auch Schuldhaft) seien gegenüber der Verpfändung als Vollstreckungsmittel in den Hintergrund getreten. 252 Schlumbohm, Kreditsicherung, S. 241. 253 Brockdorff, Strafe, S. 57. 254 Vgl. dazu Smail, Consumption, S. 193: Flucht wegen Bankrott war „exceedingly common“. 255 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 271v.

258

Fälle verhandeln

auf Frönungen als eines flüchtigen Manns Gut256 und den Verkauf von Gütern flüchtiger Leute.257 Gemeint war damit, dass ein Verrechnungsverfahren durchgeführt wurde, bei dem alle Gelegenheit hatten, ihre Ansprüche zu deponieren, und anlässlich dessen das gesamte Gut erfasst und zu Geld gemacht wurde.258 So verweigerte das Gericht etwa einem Kläger anlässlich der Flucht von Anton Waltenhein, prioritär behandelt zu werden.259 Die Flucht führte also zu einem anderen Umgang mit einer Schuldsache. Das zeigt sich auch im Entscheid, eine gerichtliche Ladung sei wegen Flucht nicht notwendig: „dann nit nott sye im zeverkunden“.260 Die Flucht musste nicht dauerhaft sein, eine Rückkehr war jederzeit möglich und konnte dazu führen, ein Verfahren auf normalem Weg weiterzuführen. So floh ein Kleinbasler Bader, weil er die Miete nicht bezahlen konnte, aus der Stadt, nachdem der Fall schon einmal vors Gericht gekommen war. Später jedoch fand die Geschichte mit neuen Verhandlungen ihre Fortsetzung und einen für den Schuldner gnädigen Abschluss.261 5.3.3 Schuldhaft Schuldhaft war als Zwangsmittel in Schuldverfahren eine Möglichkeit, die schon seit Langem bestand, in einigen Regionen häufig angewendet wurde,262 in Südwestdeutschland und der heutigen Schweiz allerdings kaum verbreitet war.263 Sie galt als „letztes Mittel“, wenn alle anderen Verfahren versagt hatten.264 Allerdings musste sie als sehr einschneidende Maßnahme auch nicht sehr verbreitet sein, sondern es konnten auch vereinzelte Fälle ausreichen, um in die „public imagination“ einzudringen.265 Die Schuldhaft war außerdem wichtig als Drohgebärde des Gläubigers, den nicht immer rein ökonomische Motive antrieben: „Matters of power and dominance, which are just

256 257 258 259 260 261 262

263 264 265

StABS, Gerichtsarchiv E 7, 42r (ähnlich auch StABS, Gerichtsarchiv E 7, 51r und 51v). StABS, Gerichtsarchiv A 41, 231v und 279v. Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 133; Signori, Schuldenwirtschaft, S. 70. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 280r f. Das Urteil wurde allerdings später relativiert: StABS, Gerichtsarchiv A 41, 286v. StABS, Gerichtsarchiv A 41, 191r. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 98v, 123r, 129v und 134v. Vgl. z. B. zum spätmittelalterlichen Paris Claustre, Crédit, S. 579, Claustre, Geôles, passim. Vgl. zum frühneuzeitlichen England Muldrew, Economy, S. 281: 20 Prozent aller Haushaltsvorstände in King’s Lynn wurden in den 1680ern wegen Schulden in Arrest gesetzt. Die meisten allerdings „found bail“ und wurden schnell wieder entlassen. Schuster, Aspekte, S. 30; Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 56. In Italien war sie laut Daniel Smail auch wenig verbreitet, Smail, Biens, S. 381. Vgl. zum Zurücktreten des Zugriffs auf die Person hinter andere Möglichkeiten Bressler, Schuldknechtschaft, S. 310. Groebner, Ökonomie, S. 228. Smail, Plunder, S. 157.

Sanktionen und Druckmittel

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as important to people as money, were also at play in decisions to imprison or not to imprison.“266 Schuldhaft war als mögliche Sanktion vorgesehen,267 und auch die entsprechende Infrastruktur war vorhanden.268 Haftstrafen werden in den Akten des Gerichtsarchivs auch erwähnt, allerdings nicht als Teil eines Urteils  – es handelte sich ja nicht um Strafgerichtsbarkeit –, sondern als simple Tatsache, dass jemand in Haft war. Dabei ist der Zusammenhang zu Schuldsachen nicht immer erkenntlich.269 Klar als angedrohte Sanktion bei Säumnis zu erkennen ist die Schuldhaft bei Zahlungsversprechen.270 Eine Kombination der beiden Situationen bildet der Eintrag im Vergichtbuch mit dem Versprechen, dem Kläger das ihm Zustehende „usszerichten oder an stett desselben schüchmachers uff das Rinthor in das keffy zegan“. Offenbar saß der Schuhmacher als eigentlicher Schuldner schon beim Rheintor in Haft.271 In diesen Beispielen zeichnet sich schon ab, dass nicht das Gericht, sondern die GläubigerInnen Personen in Haft brachten. Negativ formuliert, bestätigt sich das im Versprechen, jemanden nicht inhaftieren zu lassen.272 Eine Kundschaft berichtet über die Absicht, einen Schuldner in Haft zu bringen, was von den Beteiligten abgewendet wurde, indem sie den Gläubiger dazu bewegten, die Zahlungsfrist nochmals zu verlängern.273 Es zeigt sich also, dass Schuldhaft eine Option war, die durchaus zum Repertoire der Zeitgenossen gehörte, wenn sie auch eher selten anzutreffen war und gegenüber dem Zugriff auf Objekte meistens zurücktrat.274 Nur drei der Quellen, die Schuldhaft erwähnen, nennen auch die Höhe der umstrittenen Schuld. Sie bewegten sich erstaunlicherweise in einem sehr engen Rahmen von zwischen zehn und 14 Pfund. Das ist offensichtlich keine ausreichende Stichprobe, aber es scheint doch, dass es sich nicht um kleine, aber auch nicht um wirklich große, von Rentenbriefen oder größeren Geschäften herstammende Schulden handelte.275 Angesichts der wenigen Beispiele kann

266 Ebd. 267 Vgl. entsprechende Regelungen von 1458 und 1475, die auf eine längere Tradition der Schuldhaft schließen lassen, Schnell, Rechtsquellen, Bd. 1.1, S. 187 und 202. 268 Beim Rheintor, vgl. Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 269; konkret erwähnt wird dies in StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37r. 269 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 104v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 134r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 275r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 29r. 270 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 50v. 271 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37r. Zwei weitere Belege für Schuldhaft, wobei der eine nur eine vermeintliche Haft betrifft, deren tatsächliche Umsetzung von den Beteiligten bestritten wurde, in StABS, Gerichtsarchiv A 41, 229v; StABS, Gerichtsarchiv D 16, 116r. 272 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 55r. Konkret lautete das Versprechen, dass der Kläger den Schuldner nicht „in hafft bekombern wolle“. 273 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 146v. 274 Vgl. dazu auch die Aussage von Daniel Smail, dass sich das Gewaltmonopol meistens auf Objekte begrenzte, Smail, Biens, S. 382. 275 StABS, Gerichtsarchiv  D  6, 146r; StABS, Gerichtsarchiv  D  16, 50r; StABS, Gerichtsarchiv  A  41, 229v.

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ich auch keine Aussage über die von Schuldhaft betroffenen Personenkreise machen und muss hier auf die Beobachtung von Steffen Bressler verweisen, dass typische Opfer Angehörige sozialer Unterschichten, Gäste sowie Patrizier und Kaufleute waren, deren Güter zu stark verschuldet waren.276 Diese kurzen Ausführungen zu Sanktionen und Druckmitteln zeigen vor allem, dass es sich nicht oder nicht nur um vom Gericht verhängte Strafen handelte, sondern um zusätzliche Möglichkeiten, jemanden verfolgen zu lassen (gemeint sind vor allem Leistung und Schuldhaft). In aller Regel waren diese Maßnahmen nicht nötig, denn der Zugriff auf Pfänder, Objekte und Liegenschaften der SchuldnerInnen erwies sich als effizienter – oder gar nur als effizientere Drohung.277 Weder das Leisten noch die Schuldhaft hatten nämlich zum Zweck, die Schuld zu reduzieren, sondern erhöhten sie im Gegenteil (anlässlich der Leistung), oder sie erschwerten zumindest die Möglichkeit, Schulden abzuzahlen (wer im Gefängnis saß, konnte kein Geld erwerben). Wo sie nicht bloße Drohungen waren – wie wohl die Verbannung in den allermeisten Vergichten –, so müssen wir sie als Zeichen von besonders heftig eskalierenden Schuldstreitigkeiten lesen, wo es nicht um die Möglichkeit ging, einen Wertefluss herzustellen, sondern um Demütigung und Druck, weil die SchuldnerInnen gar keine Absicht zu haben schienen, die Schuld zu begleichen. Diese Sichtweise wird bestätigt durch die weiter oben gemachte Feststellung, dass Schuldklagen als konfliktreichste Prozessform vor allem gegenüber SchuldnerInnen aus den oberen Vermögenskategorien angestrengt wurden.278 Etwas anders gelagert waren die Situationen, in welchen die Schuldner entflohen – es handelte sich hier offensichtlich um Schulden, die ihnen über den Kopf gewachsen waren, wo also die ganzen Güter nicht mehr ausreichten, um sie zu decken. 5.4 Fazit: Schulden vor Gericht Welche Rolle spielte das Schultheißengericht bei den hier thematisierten Schuldverhältnissen? Der Gang vor Gericht war Druckmittel und Zeichen einer Eskalation sowie ein Weg zur Durchsetzung von Forderungen – das Gericht war aber auch ein Ort, an dem über Schulden verhandelt und vermittelt werden konnte. Auf diese Aspekte, die in einem einzigen Fall alle zugleich oder nacheinander und im vielfältigen Wechselspiel vertreten sein konnten, gehe ich hier kurz ein – um damit aufzuzeigen, wie breit die Klaviatur war, welche das Gericht zu spielen wusste.

276 Bressler, Schuldknechtschaft, S. 338 f. 277 Vgl. dazu die Ausführungen bei Smail, Consumption, S. 162: Das Gewaltmonopol zeigte sich stärker beim Zugriff auf Güter der Beschuldigten als beim Zugriff auf den Körper. 278 Siehe Kapitel 4.3.3.

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5.4.1 Szenarien der Gerichtsnutzung Wer eine Schuld vor Gericht brachte, tat dies in der Absicht, eine Bezahlung zu erwirken, und als solche stellt sich das Bestreben auch in den Urteilsprotokollen dar – am eindeutigsten in der Frage nach dem weiteren Vorgehen. Dass dies aber nicht die einzige Absicht war bzw. dass diese Absicht nicht bloß durch das gerichtliche Urteil an sich, sondern durch die bloße Tatsache, den Fall vor Gericht zu bringen, verfolgt wurde, darüber herrscht in der Literatur weitgehend Einigkeit. So meint Craig Muldrew, dass die meisten Fälle vor Gericht kamen, um Druck auszuüben.279 Peter Schuster hat auf das Ziel hingewiesen, die „Verfehlung des Schuldners öffentlich“ zu machen.280 Wenn das Gericht unter anderem durch die relative Öffentlichkeit des Verfahrens als Druckmittel funktionierte, blieb dessen Bemühung doch noch ein Mittel, Geld einzutreiben. Dass Klagende darüber hinaus andere Ziele verfolgten, hat vor allem Daniel Smail aufgezeigt. Er betont die Bedeutung von Emotionen im Prozess – dies notabene vor dem Hintergrund sehr hoher Verfahrenskosten in Marseille, die eine rein ökonomisch orientierte Nutzung wenig wahrscheinlich machte.281 Der Gang vor Gericht sei eine „inimical gesture, a public warning“.282 Auch Hervé Piant zeigt am Beispiel einer sehr kleinen eingeklagten Schuldsumme auf, dass „la volonté d’humiliation semble évidente“.283 Scott Taylor schließlich betont, dass Schmähungen und Bedrohungen im Konfliktfall wirksame Mittel darstellten.284 Nach diesem mehr oder weniger aggressiv zu interpretierenden ersten Gang vor Gericht wurden, um es mit den Worten von Gerhard Fouquet zu sagen, Gerichtsfälle „entschieden, vertagt, eingestellt oder vergessen“,285 nur eine Minderheit aller Fälle kam zu einem Urteil.286 Das Gericht war damit auch ein Ort, um Fälle einvernehmlich zu lösen. Die Rolle des Gerichts bestand dabei nicht darin, Sachfragen wie die Höhe und Berechtigung der Schuldforderung zu klären, sondern Konflikte zu schlichten,287 indem es Zahlungsvereinbarungen und damit die Zirkulation von Werten unterstütz279 Muldrew, Economy, S. 202. 280 Schuster, Age, S. 50. Zur Öffentlichkeit siehe Hitz, Informationszirkulation. 281 Smail, Consumption, S. 16. Auf S. 17 spricht er von einer „pursuit of grudges“, die an die Stelle einer „reasoned preference for rationality“ trat. Auf S. 132 bezeichnet Smail Gerichte als neuen Marktplatz für Hass, auf S. 150 erwähnt er als Emotionen „contempt, humiliation, and resentment“. 282 Smail, Consumption, S. 87. Zur Konflikthaftigkeit von Prozessen auch Fouquet, Kredit, S. 38. 283 Piant, Justice, S. 120. 284 Taylor, Credit, S. 13. Das ist aber zu relativieren. Insbesondere ist Beate Sturm der Meinung, dass das Einfordern von Schulden nicht ehrenrührig gewesen sei, Sturm, Privatkredit, S. 270. 285 Fouquet, Kredit, S. 35. 286 Muldrew, Economy, S. 255, schätzt, dass nur vier Prozent aller Prozesse bis zum Urteil kamen. Smail, Consumption, S. 62, schätzt den Anteil mit 10–14 Prozent aller Fälle etwas höher. Vgl. auch Suter, Rechtstrieb, S. 182 (zum gleichen Phänomen im 19. Jahrhundert). 287 Vgl. dazu Blatter, Gericht, S. 186: „Ziel ihres [d. h. der Richter] gerichtlichen Handelns war in erster Linie das Vermeiden von Konflikten und in zweiter Linie die nachhaltige Beilegung der Konflikte, die dennoch vor das Gericht gelangten.“

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te.288 Die vermittelnde Rolle des Gerichts zeigt sich auch darin, dass die ganz große Mehrheit der Schuldbeziehungen innerhalb eines Jahres nur ein einziges Mal aktenkundig wurde.289 Wir können davon ausgehen, dass die Parteien eine Lösung gefunden haben. Das Gericht half dabei gerne nach, indem es zur Vermittlung aufforderte oder die Verhandlung vertagte, um eine Einigung zu ermöglichen. Eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts stand dabei nicht im Vordergrund, sondern andere, ökonomische und gesellschaftliche Motive.290 Dabei half dem Gericht der Umstand, dass den Schulden in einem Prozess oft nicht widersprochen wurde.291 Auch wenn ich für Basel keinen Anteil berechnen kann, spricht die hohe Anzahl von Vergichten und abgebrochenen Verfahren (bzw. Verfahren, die ohne Endurteil aus den Akten verschwinden) stark dafür, dass die Schulden meistens grundsätzlich anerkannt waren. Ein direkter Beleg fürs Fallenlassen von Prozessen findet sich aber nur im Ausnahmefall, wie etwa beim Kläger, der nur noch „umb den costen clagt und die sach des houptgutz halb vallen lassen hat“.292 Ein anderer Kläger versprach, das Verfahren unter gewissen Bedingungen abzubrechen. Wenn ihm „die versessen zinse, mit dem costen daruff gangen, bezalt und er anders versichert und ersetzt werde, so wölte er die frönung vallen lassen“.293 Die schlichtende, nicht richtende und gar deeskalierende Funktion des Gerichts294 zeigt sich gut am folgenden Beispiel. Ein Basler Gerber hatte beim Tod seiner Frau gewisse Vermögenswerte unterschlagen, die nun dem Kläger zugesprochen wurden. Trotz des Vergehens des Gerbers – einem Meineid gleichzusetzen – hielt das Gericht fest, dass dieser „desshalb siner eren nit geletzt sin solle“.295 Der Entscheid klärte die Sachfrage, sollte aber keinen Einfluss auf den guten Ruf der Beteiligten haben. Trotzdem hatte das Gericht den Anspruch, Sachverhalte entgültig festzustellen und zu ent-

288 Vgl. dazu auch Ago, Notaries, S. 192: „litigation occurred as a way of establishing the terms of transactions“. 289 Aufgrund der Stichprobenbildung werden die über den Jahreswechsel hinausgehenden Konflikte nicht erfasst, was diesen Eindruck noch verstärkt. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass eine Stichprobe über einen größeren Zeitraum ein grundsätzlich anderes Bild zeigen würde – nur wenige der mehrfach vorkommenden Schuldbeziehungen haben zeitliche Lücken von mehr als einem halben Jahr. Vgl. zum hohen Anteil von fallen gelassenen Prozessen Piant, Justice, S. 234; Smail, Consumption, S. 64. 290 Vgl. Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 54, zu „hinter den Rechtsansichten verborgenen sozialen, gesellschaftlichen, politischen und nicht zuletzt ökonomischen Erwägungen der Spruchkörper“, die überwogen. 291 Piant, Justice, S. 144; Lavoie, Endettement, S. 213, schätzt den Anteil der Schuldner, die sich wehrten, weil die Schuld bezahlt oder der Betrag nicht korrekt sei, auf 20 Prozent. 292 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 73r. 293 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 78v. 294 Vgl. zur Rolle der Richter als „relatively passive“ Ago, Notaries, S. 201; zur Milde der Gerichte Gauvard, Droit, S. 66; zum Gericht als „Makler des Friedens“ schließlich Fouquet, Kredit, S. 38. 295 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 175v.

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scheiden. So endet ein Urteil in einer sich länger hinziehenden Sache damit, die Parteien „sollent damit umb alle sachen gericht und geslicht sin“.296 Hervé Piant hat eine Aufteilung der Zivilgerichtsfälle wegen Schulden in drei Szenarien vorgeschlagen. Das erste betrifft GläubigerInnen, die aufgrund des Verdachts der Zahlungsunwilligkeit Druck ausübten und mit dem Gang vor Gericht schnell und billig eine Lösung erreichten, was quasi kaum als Konflikt gelten kann.297 Im zweiten Fall handelt es sich um einen „conflit latent voire ouvert“, wo die GläubigerInnen Druck machten und auch Ausgaben vor Gericht in Kauf nahmen.298 Oft waren hier auch höhere Summen im Spiel. Das dritte Szenario hingegen verlässt die „dialéctique du débiteur et du créancier“, es waren hier alle juristischen Züge erlaubt, von der Anfechtung von Titeln über Appellationen bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung.299 Um parallele Szenarien in Basel zu beschreiben, lohnt es sich hier, noch einmal auf die Verfahrensformen einzugehen. Das erste Szenario von Piant betrifft in den Basler Quellen vor allem die Vergichte, wo wir von einer relativ hohen Quote von bezahlten Schulden ausgehen können, sei es mit Geld oder anderen Leistungen. Aber auch bei Frönungen und Verboten, die mehr Drohung als effektive Handlung waren und zu schneller Bezahlung führten, kann man dieses Szenario sehen. Daniel Smail hat diese Art von Gerichtsnutzung als eine Art nachträgliches Notariat beschrieben. Das Gericht wurde genutzt, um eine Schuld formell festzuhalten und die schnelle Abzahlung zu regeln.300 Ein Weiterverfolgen des Prozesses lag damit gar nicht in der Absicht der GläubigerInnen. Nur die längeren Verfahren waren stark konfliktträchtig und ließen die vermittelnde Funktion zurücktreten. Bei Zugriffen auf liegende oder fahrende Güter von SchuldnerInnen waren jedoch weitere Eskalationen durchaus möglich, wenn auch nicht sehr häufig. Es erwies sich als relativ umständliches Vorgehen, den Zugriff tatsächlich zu vollziehen und Zahlung in Gütern zu erlangen. Was die Urteile betrifft, so haben wir es auch hier mit vielen Fällen zu tun, die schnell gelöst werden konnten, aber auch mit den richtig umstrittenen Fällen, die auch nach mehreren Verhandlungstagen noch zu keiner Einigung führten. Es waren hier entweder hohe Summen im Spiel, oder es scheint so, als ob der Konflikt sich nicht nur ums Geld drehte, sondern eigentlich andere, tiefer liegende Ursachen hatte.301 Das kann ich jedoch nicht beweisen; der einzige Hinweis darauf ist die Bereitschaft der Parteien, den Fall immer wieder aufzugreifen. Diese Fälle im Detail aufs zweite und dritte Szenario zurückzuführen scheint mir weder sinnvoll möglich noch 296 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 108r. 297 „Le créancier se sert de la justice pour faire reconnaître son droit et faire pression sur un débiteur dont il soupçonne la velléité du non-paiement“, Piant, Justice, S. 151. 298 Piant, Justice, S. 151. 299 Ebd. 300 Smail, Consumption, S. 147, beschrieb Gerichte als „a kind of post facto notarization device“. 301 Zum Zusammenhang zwischen Gewaltkonflikten und Schulden im 17. Jahrhundert in Kastilien siehe Taylor, Credit, S. 10: Schulden waren „one of the most common causes of violent conflict“.

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wirklich notwendig zu sein. Vielmehr würde ich von fließenden Übergängen bzw. verschiedenen Graden von Eskalation sprechen. Anhand dieser Charakteristik greife ich nochmals die Beteiligung an den Verfahrensformen kurz auf,302 um aufzuzeigen, wie die Muster der Gerichtsnutzung mit sozio-ökonomischen Faktoren interagierten. Schuldklagen unterschieden sich am stärksten von der Gesamtheit der Schuldbeziehungen, indem oft auffällig hohe Schuldsummen verhandelt wurden. Auch die von Klagen betroffenen SchuldnerInnen wichen stark ab, indem sie deutlich reicher waren als der Schnitt anderer Prozessformen. Mal waren es eher Männer, mal eher Frauen, das unterscheidet die beiden Stichproben.303 1497 fällt zudem auf, dass viele Kläger von weither kamen. Man klagte, wo es sich lohnte, den Fall zu verfolgen, weil es sich um hohe Summen und um reichere Personen handelte, die betroffen waren. Diese konnten es sich wohl auch eher leisten, sich gerichtlich zu wehren, und so kamen diese Fälle früher oder später ins Urteilsbuch, auch wenn sie ursprünglich in einem anderen Gerichtsbuch ihren Anfang genommen hatten. Die höhere Konflikthaftigkeit solcher Fälle habe ich nun nicht auf eine stärkere Neigung der Oberschichten zu Konflikten aller Art zurückgeführt, aber eine solche Interpretation ist zumindest nicht ausgeschlossen.304 Im Gegensatz dazu waren die SchuldnerInnen in Vergichten in der Tendenz ärmer und vielfach NichtbaslerInnen, die Schuldsummen deutlich niedriger. Es handelte sich hier wohl häufig um wenig umstrittene bzw. kaum bestreitbare Schulden geringerer Höhe, mit großem sozioökonomischen Gefälle, denn die GläubigerInnen waren oft finanziell gut gestellt. Aufgrund des oft großen sozialen Gefälles und der Tatsache, dass sich ärmere Schichten vor Gericht weniger stark wehren konnten, bietet sich eine Interpretation an, dass in diesen Situationen eine weitere Eskalation nicht zweckmäßig gewesen wäre. Etwas weniger klar sind die Muster bei den Beschlagnahmungen. Frönungen waren vor allem eine innerstädtische Angelegenheit, was daran lag, dass nur belangt werden konnte, wer in der Stadt oder im unmittelbaren Umland (erinnert sei da vor allem an Gärten und Äcker) Liegenschaften besaß, und wohl auch daran, dass der Rentenmarkt auf das Stadtgebiet beschränkt blieb. Die Verbote schließlich waren auch eher eine Basler Sache, mit der Ausnahme des relativ hohen Anteils auswärtiger SchuldnerInnen von 1455. Verbote streuten sehr weit über die Vermögenskategorien, bei etwas höheren Schuldsummen als Vergichte handelte es sich wohl um eine etwas höhere Eskalationsstufe, die sich für viele strittige Schulden anbot, ohne dass die volle Auseinandersetzung mit langen Prozessen gesucht wurde.

302 Siehe Kapitel 4.3. 303 Frauen waren unter den SchuldnerInnen übrigens in der Stichprobe 1455 überrepräsentiert, während es 1497 andersherum ausfiel. Gründe dafür kann ich keine angeben. 304 Vgl. dazu Häberlein, Tod, mit Verweis auf weitere Literatur.

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Zusammenfassend entsteht hier das Bild einer Justiz, die viele kleine Fälle schnell abhandelte und nur in einigen wenigen Fällen lange Prozesse führen wollte oder musste. So war der Gang vor Gericht oftmals ein wirksamer Weg, um Schulden einzutreiben. Das gelang vielfach, ohne ein Urteil anzustreben, sondern als Ergebnis des derart geführten Verfahrens. Gerade die geringe Anzahl von komplexen und hochumstrittenen Prozessen spricht für eine flexible Handhabung des Gerichts durch alle Beteiligten, was ich als Beleg für dessen Effizienz lese. Insofern hat das Gericht als Institution es ermöglicht, Schuldbeziehungen mit einem gewissen Risiko einzugehen,305 indem es den GläubigerInnen einigermaßen verlässliche Mittel und Wege eröffnete, unbezahlte Forderungen einzuklagen. Wir dürfen den Eindruck der Konfliktträchtigkeit, den einzelne lange Verfahren erwecken, nicht überbewerten, wie auch Renata Ago festhält: „The amount of conflict […] is therefore much more apparent than real and needs to be treated as such.“306 Die Klagen über fehlende Rechtssicherheit und die geringen Erfolgschancen beim Einklagen von Forderungen beziehen sich genau auf diese nicht repräsentativen, aber spektakulären Fälle.307 Insgesamt überwiegt der Eindruck, dass der Gang vor Gericht meist eine kurze, vielleicht nicht gerade freundschaftliche, aber effiziente und schnell abgehandelte Episode in einer offenen Schuldsache darstellte. Das Gericht unterstützte dies mit einer nicht auf die Schuldfrage, sondern eine einvernehmliche Lösung ausgerichteten Rechtsprechung. 5.4.2 Die Frage des Vertrauens Angesichts dieser Charakterisierung von Szenarien der Gerichtsnutzung lohnt es sich, darauf einzugehen, wie Vertrauen die Schuldenökonomie einer spätmittelalterlichen Stadt prägte – und welche Rolle das Gericht dabei spielte. In einer moralischen Wirtschaft – einer „économie morale“ – musste Vertrauen von großer Bedeutung sein, so eine weitverbreitete Meinung, denn diese Wirtschaft war eingebunden in Religion, Politik und Gesellschaft.308 Entsprechend finden wir in der Literatur viele Bestätigungen. Der wirtschaftliche Alltag der Kreditvergabe „basierte auf Vertrauen, nicht auf Misstrauen“.309 Julie Claustre liest es als Zeichen von Vertrauen, wenn Guthaben kaum

305 Vgl. zum Risiko, Kredite zu gewähren, Holbach, Rolle, S. 155; Sturm, Privatkredit, S. 263; Denzel, Problem, S. 104; Fontaine, Espaces, S. 1390. 306 Ago, Notaries, S. 202. 307 Vgl. Sturm, Privatkredit, S. 205; Schulz, Weg, S. 150: „Die Rechtssicherheit, die institutionelle Sicherheit des Kredits war prekär.“ Taylor, Credit, S. 26, über den „lack of reliable enforcement mechanisms by the state or banks“; ähnlich Fontaine, Economie, S. 299. Beate Sturm relativiert aber selbst, dass viele Fälle von diesen Problemen nicht betroffen waren. 308 Fontaine, Economie, S. 11 (der Begriff „économie morale“ entstammt dem Titel der Monografie). 309 Rothmann, Schulden, S. 285. Siehe auch Muldrew, Economy, explizit auf S. 4 und 124, mit der Gleichsetzung von credit und trust; Kuske, Entstehung, S. 4; Kühn, Debt, S. 355; Sturm, Privat-

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abgesichert wurden.310 Man vertraute nicht nur auf „the other person’s ability to deliver, but also in his good will or moral character“.311 Peter Schuster weist darauf hin, dass es hieß, „dem Schuldner zu vertrauen“, wenn man Geld nicht zurückverlangte.312 Gabriela Signori schließlich spricht gar von einem „‚irrationalen‘ Vertrauen in die Zahlungsbereitschaft“.313 In den Quellen finden wir dieses Vertrauen nur selten offen angesprochen, es kam aber durchaus vor, wenn etwa ein Schuldner meinte, „wiltu [willst du] mir der schuld nit vertruwen, so wyll ich dir minen sun und die mutter zu burgen gebenn“.314 Andererseits finden wir in der Literatur auch viele Belege dafür, dass Vertrauen fehlte, gerade den Gang vor Gericht könnte man als besten Beweis für mangelndes Vertrauen lesen.315 Das Konzept bleibt aber ein wichtiger Bemessungsmaßstab für die Bereitschaft, Kredit zu gewähren, wenn Gerhard Fouquet feststellt, dass es im Spätmittelalter „bei aller nachbarschaftlichen Vertrautheit“ an sozialem Vertrauen mangelte.316 Es stellt sich also die Frage, ob vormoderne Gesellschaften als „Vertrauensgesellschaften“ zu konzeptualisieren sind,317 sprich ob Vertrauen die richtige Kategorie ist, um das Verhalten der Personen zu beschreiben. Dagegen gibt es Argumente, die Timothy Guinnane unter dem Titel „Trust. A concept too many“ vor einigen Jahren zusammengefasst hat. Guinnane verhält sich nicht zur Frage, ob Vertrauen oder mangelndes Vertrauen die Wirtschaft prägte, sondern ob Vertrauen nicht schlicht das unpassende Konzept ist, um Entscheidungen betreffend der Kreditvergabe zu analysieren. An dessen Stelle treten Informationen sowie institutionelle und andere Voraussetzungen.318 Wer das Konzept von Vertrauen ablehnt, muss sich trotzdem zu diesem verhalten, denn die Ablehnung ist in der Regel mit der Suche nach einer Alternative zum Vertrauen verbunden. So lassen Claire Lemercier und Claire Zalc andere, nichtökonomische Beziehun-

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kredit, S. 191, beschreibt Vertrauen als „Grundlage des Kreditwesens“. In Bezug aufs 19. Jahrhundert, wo es wichtig blieb, Schulz, Weg, S. 163. Vgl. ebenfalls zum 19. Jahrhundert Gestrich/Stark, Introduction, S. 1: „The practices of borrowing and lending are as much connected to the quality of social ties, to kinship, gender, and especially trust as the result of the availability of capital.“ Claustre, Crédit, S. 583. Vogel, Credit, S. 75. Schuster, Age, S. 45. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 137. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 162r. Schuster, Aspekte, S. 34: Eine Klage „war auch das demonstrative Aufkündigen des Vertrauens, das sich Semantiken der Freundschaft bediente“. Vgl. zum Mittelalter als einer Zeit fehlenden Vertrauens auch Weltecke, Vertrauen, S. 68 f. Fouquet, Kredit, S. 39. Vgl. dazu Groebner, Ökonomie, S. 224: „Man traut seinem Schuldner nicht.“ Signori, Schuldenwirtschaft, S. 46 und 137, sieht die Vorgänge vor Gericht als Zeichen mangelnden Vertrauens; Smail, Consumption, S. 158: „The flip side of trust is sanction.“ Signori, Schuldenwirtschaft, S. 10. Guinnane, Trust. Vgl. auch Weltecke, Vertrauen, S. 89: „Die historische Frage muss daher lauten, wie es zu einer Konzeptionalisierung [von Vertrauen] kommen konnte, die derart verschiedene Aspekte des Verhaltens zusammenfasst und als ein ahistorisches Phänomen erscheinen lässt.“

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gen an die Stelle des Vertrauens treten, die Kreditbeziehungen ermöglichten.319 Craig Muldrew hingegen sieht eher die „authority of the law“ als entscheidenden Faktor.320 Thomas Wirz schließlich zeigt, dass bei Hypothekarkrediten die Liegenschaft, die als Sicherheit diente, wichtiger war als das Vertrauen zur Person.321 Waren nun die Basler Schuldbeziehungen von Vertrauen oder Misstrauen geprägt? Die Frage ist aus verschiedenen Gründen schwierig zu beantworten. Erstens lässt sich Vertrauen nicht messen,322 zweitens wissen wir oft zu wenig über die konkreten Beziehungen der Personen außerhalb des Schuldverhältnisses, und drittens ließe sich das Ausmaß von enttäuschtem Vertrauen nur abschätzen, wenn bekannt wäre, wie groß der Anteil der vor Gericht verhandelten Schulden am Gesamtvolumen ist – was wir unmöglich abschätzen können, denn die meisten informellen Schulden hinterließen keine Spuren in den Archiven. Die Frage nach dem Vertrauen ist aber auch falsch gestellt, sie müsste vielmehr lauten: Welche Art von Vertrauen herrschte in der Schuldenwirtschaft vor? Der scheinbare Widerspruch zwischen einer auf Vertrauen basierenden Wirtschaft und dem offensichtlichen Vertrauensverlust, der beim Gang vor Gericht erkenntlich wird, löst sich auf, wenn wir zwischen personalem und systemischem Vertrauen unterscheiden, wobei Ersteres als Resultat persönlicher Beziehungen, Zweiteres als Vertrauen in Institutionen zu verstehen ist.323 Wir müssen also die Rolle des Vertrauens nicht nur auf der persönlichen, sondern auch auf einer institutionellen Ebene suchen. Ich spreche vom Vertrauen in die Institution Gericht,324 welches auch in einigen Zeugenaussagen explizit genannt wurde. Ein Wirt etwa begab sich in Basel auf den Marktplatz und sprach eine Frau als Zechprellerin an. Diese gab ihm zur Antwort: „ob sy im ettwas schuldig [sei], so were gutt recht hie unnd solt sy mit recht furnemen“.325 Wohl im Vertrauen auf das gute Recht 319 Lemercier/Zalc, Approche, S. 1009. 320 Muldrew, Currency, S. 67. Als Grund für den Verlust von Vertrauen nennt Muldrew die komplexen Schuldennetzwerke (S. 173). 321 Wirz, Vertrauen, S. 58. 322 Wirtz, Vertrauen, S. 70: „Ich denke, wir können Vertrauen nicht wirklich und ernsthaft messen, weder heute und schon gar nicht in vergangenen Jahrhunderten.“ 323 Marx, Forschungsüberblick, S. 65. Vgl. auch Vogel, Credit, S. 77. 324 Vgl. Ago, Notaries, S. 191: „But during the period the maintenance of trust occured more and more through the intervention of a legal tribunal, while the cultural norms that directed creditor-debtor relations altered.“ Vgl. auch Signori, Schuldenwirtschaft, S. 19; Wirtz, Vertrauen, S. 69. Beide gehen bezüglich Vertrauen in die Institution „Systemvertrauen“ gemäß Niklas Luhman ein. Vogel, Credit, S. 77, spricht vom Vertrauen in „impartial norms, mechanisms, and instruments, often legitimized by a legal system“. Spannend auch der Ansatz von Weltecke, Vertrauen, S. 73: Die Schaffung von Institutionen (sie nennt insbesondere Normen) schafft die Voraussetzung fürs Vertrauen, sowie S. 88: „Nicht die vermeintlich ‚traditionelle‘ Welt, sondern erst die Sicherheit, die solche Institutionen bieten, ließ ‚Vertrautheit‘ entstehen.“ 325 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 173r. Ein anderer Zeuge berichtete über die Aussage eines Beschuldigten: „hette er im ettwas an inzesprechen so were gutt recht hie“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 204v. Die Aussage fruchtete allerdings nicht wirklich, denn sie schien Auslöser für einen nachfolgenden, gewaltsam ausgetragenen Streit gewesen zu sein.

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lassen sich die Versprechen lesen, künftige Entscheide des Schultheißengerichts zu akzeptieren.326 Ähnlich liest sich auch die Kundschaft über eine Vermittlung, die „etlich gesellen“ anstrebten, indem sie zur direkten Einigung der Parteien aufforderten und relativierten: „wo sie sich mit einander selb personlich nit vertrügen, das sie doch bed einander des rechtens sin wolten vor minen herren zu Basel“, da sie ja beide Basler Bürger seien.327 Immer erfüllte sich die Hoffnung, dank einem Gerichtsurteil zu seinem Recht zu kommen, nicht, und so finden sich als Gegenstück zur Hoffnung, gutes Recht zu erlangen, die Enttäuschung von Klägern, sie seien „rechtlos gelassen“ worden.328 Wir dürfen uns deshalb keiner allzu idealisierenden Sichtweise einer vollständigen Vertrauenswürdigkeit des Gerichts hingeben, wie auch folgendes Beispiel zeigt. Der Kläger ließ vor Gericht darstellen, dass im erkant were, daz im Hans von Lor, iii lb usrichten unnd die ellenden herberg umb x lb versichern solt, innhalt derselben urtel, uff solichs in denselb Hans von Lor, geslagen unnd deshalb zu costen und schaden gebracht hab.329

Ob sich der Schuldner Hans von Lor weiterhin wehrte, als das Gericht dem Kläger erlaubte, auf sein Gut zu fahren, um seinen Schaden zu decken, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich musste er sich aber fügen. Wir können vermutlich von einem insgesamt hohen Vertrauen ins Gericht ausgehen, das im Einzelfall aber enttäuscht wurde. Wenn wir nun Vertrauen als Voraussetzung für die Bereitschaft, Kredit zu gewähren und damit ein gewisses Risiko  – ein Risiko übrigens, welches nicht nur wirtschaftlicher Natur war, sondern auch die mit der Schuld verbundene Beziehung gefährdete – einzugehen, sehen, so müssen wir uns fragen, wie das entsprechende Vertrauen geschaffen wurde.330 Dabei spielt die Einbettung von ökonomischen Transaktionen in einen sozialen Rahmen ebenso eine Rolle wie die Funktionsweise des Gerichts als Institution, wie ich sie in diesem Kapitel beschrieben habe. Im Kapitel 2.2 habe ich festgestellt, wie persönliche Kontakte und das Wissen über den guten Ruf von Personen die Entscheidung, Kredit zu gewähren, maßgeblich beeinflusste, bei allen Sicherungsmechanismen, die die Beteiligten einbauten, um mittels Zeugen und schriftlichen Belegen ihre Ansprüche zu sichern. Diese soziale Einbettung ist mit den Begriffen von Vertrauen und Misstrauen schlecht zu beschreiben, denn sie spielte zugleich auf der Ebene der Kreditsicherung durch persönliche Beziehungen wie auch auf der Ebene 326 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 11v: Die eine Partei versprach, „daby zubliben waz urteil und recht alhie […] geben wirt“. Auch der Kläger konnte versprechen, vor dem Basler Gericht weiter vorzugehen: Alles Weitere, so sein Versprechen, „soll er mit recht zuo Basel tuon“, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 55r 327 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 3r f. 328 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 24v. 329 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 211v. 330 Vgl. Wirtz, Vertrauen, S. 70: „wir können menschliches Handeln beobachten, das darauf ausgerichtet ist, Vertrauen zu schaffen“; Fontaine, Economie, S. 277 und 281, stellt sich ebenfalls die Frage, wie man Vertrauen aufbauen konnte.

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des Schuldeintreibens vor Gericht, denn genau die Einbettung ermöglichte es, Ansprüche mittels Zeugen zu belegen. Während ich die Überlegungen zur Rolle des Gerichts in diesem Kapitel mit einem Abschnitt zur Charakterisierung des Gerichts als Institution abschließen werde, soll das nächste Kapitel die Ebene der sozialen Beziehungen, die mit Schuldbeziehungen verbunden waren, auf einer abstrakteren Ebene untersuchen und dabei Muster und Asymmetrien im Zugang zu Kredit und bei der Verhandlung von Schulden vor Gericht aufzeigen. 5.4.3 Das Gericht als Institution Die sogenannte New Institutional Economics hat seit einigen Jahrzehnten den Begriff der Institution neu konzipiert und dabei vor allem den Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Institutionen und der wirtschaftlichen Entwicklung Europas in der Vormoderne betont.331 Ich stütze mich hier auf die Definition von Avner Greif. Institutionen bestehen aus „distinct components, particularly rules, beliefs, and norms, which sometimes manifest themselves as organizations. These institutional elements are exogenous to each individual whose behavior they influence.“332 Organisationen (zu denen ich auch ein Gericht zählen würde) sind gemäß dieser Definition nur eine mögliche Ausdrucksform von Institutionen, zentral ist die Tatsache, dass die Summe von Normen, Regeln und Erwartungen das Verhalten der Akteure beeinflusst und dass die Reaktion derselben wiederum die Institution reproduziert. In diesem Sinne argumentiert Greif, dass „the ‚institution of legal enforcement‘ is not the court but a system of rules, beliefs, norms, and the associated organizations of which the court ist just one“.333 Neben der eigentlichen Gerichtsorganisation ist die Justiz folglich als Denkschema zu beschreiben, welches weitgehend unabhängig vom einzelnen Gerichtsfall das Verhalten von GerichtsnutzerInnen prägte.334 Das heißt wiederum, dass der Blick auf die Gerichtspraxis wichtige Rückschlüsse auf die Institution erlaubt – genau wie dieses Kapitel gezeigt hat. Das Verhältnis zwischen Transaktionen und Institutionen hat Greif in drei Kategorien eingeteilt, von denen zwei in Bezug auf das Gericht zutreffen. Ist das Verhältnis „auxiliary“, so verstärkt die Institution die Erzeugung von Glauben über das Verhalten in einer anderen Transaktion, ist es „potential“, so handelt es sich um eine mögliche Transaktion, die nicht stattfinden muss, um Verhalten zu beeinflussen. Das Gerichts331 332 333 334

Vgl. dazu North, Process, mit weiterführender Literatur. Greif, Institutions, S. 14. Greif, Institutions, S. 30. Vgl. dazu auch Schulz, Weg, S. 147, der als die zwei gestaltenden und bedingenden Faktoren der Kreditwirtschaft „Mentalitäten und Institutionen, letztere verstanden als Sammelbegriff für Regelwerke in all ihren unterschiedlichen Formen“, identifiziert hat. Gemäß Greifs Definition lassen sich die zwei Faktoren auch zusammen denken.

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Fälle verhandeln

verfahren, wenn es als Drohung effektiv ist, beschreibt Greif als zugleich beiden Kategorien zugehörig.335 Potenzielle Gerichtskosten der Schuldeintreibung sind in der Perspektive der New Institutional Economics zu den Transaktionskosten zu rechnen, womit sich modellieren ließe, bei welchen Kosten die Institution als effektiv zu bezeichnen wäre.336 Das Schultheißengericht als Teil des Justizsystems bildete also eine institutionelle Rahmenbedingung für die an der spätmittelalterlichen Schuldenwirtschaft Beteiligten, und wir können sie zu weiten Teilen als ein Angebot verstehen.337 Michael Blatter geht noch einen Schritt weiter: Es lohnt sich, das Augenmerk vor allem auf Angebot und Nachfrage zu richten und das gerichtliche Handeln und die Rechtskultur als Ergebnis des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage zu begreifen.338

Das Gericht und die damit verbundenen sozialen Beziehungen nur aus der Perspektive von Transaktionskosten zu sehen erscheint dabei zu einseitig.339 Darüber herrscht in der jüngeren Forschung vor allem zur zivilen Gerichtsbarkeit der Vormoderne Einigkeit. Die Justiz war nicht nur eine Institution, sondern auch „un mode d’interaction sociale entre les individus, les groupes communautaires et l’Etat“.340 Der Prozess wollte eine „relation à trois entre le débiteur, le créancier et le juge“ schaffen, die Behandlung schuf damit „de la norme sociale“.341 In diesem Verhältnis schufen die Beteiligten die Gleichgewichte zwischen „l’acceptable et l’inacceptable, le grave et le bénin“.342 Es ist aber zu betonen, dass hier nicht nur die persönliche Beziehung zum Richter gemeint sein kann, sondern die Institution über die Person des Richters (und im Fall des Schultheißengerichts über das Gremium der Urteilssprecher) hinaus Teil der Interaktion war. Die Charakteristik der Gerichtsverfahren lässt laut Karin Nehlsen-von Stryk eine „Rechtskultur erkennen, in der gerichtliche Autorität nicht fraglos hingenommen wird, sondern auf gesellschaftliche Akzeptanz und Konsens der Prozessbeteiligten angewiesen ist“.343 Dabei spielte auch eine geografische, soziale und institutionelle Nähe eine Rolle, die sich in einem Vertrauensverhältnis zum Gericht auswirkte, aber auch bedingte, dass das Gericht eine Organisation aufwies, die „souple“ ist.344 Während wir 335 Greif, Institutions, S. 47. 336 Vgl. Munro, Economics, S. 406. 337 Vgl. Schwerhoff, Einführung, S. 90, beschreibt „Gerichte als institutionelle Angebote, die den Untertanen zum Austrag von Streitigkeiten zur Verfügung stehen“. 338 Blatter, Gericht, S. 17. Vgl. dazu auch Dinges, Justiznutzung, S. 505: Erst beides, Angebot und Annahme von Justiz, bestimmen laut Dinges den Charakter der Institution Gericht. 339 Vgl. Jeggle, Ressourcen, S. 66. 340 Piant, Justice, S. 13. 341 Beaulande, Traitement, S. 182. 342 Piant, Procès, S. 19. 343 Nehlsen-von Stryk, Typologie, S. 116. 344 Piant, Justice, S. 290.

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über die konkrete Interaktion und das Aushandeln vor Gericht nicht viel erfahren, ist die oftmals ausschließlich schlichtende Funktion des Gerichts ein gewichtiges Argument für diese Sichtweise. Schließlich ist das oben genannte Vertrauen ins Gericht – es sei „gutt recht hie“345 – ein weiterer Beleg für das gute Funktionieren des Gerichts als institutionelles Angebot. Die Gerichtsnutzung von unten und das institutionelle Angebot von oben schufen so eine gegenseitige Legitimation des Gerichts, das sich als zentrale Instanz der Verhandlung von Schulden etablierte.346 In dieser Rolle war das Gericht aber dann keineswegs neutral, sondern im Gegenteil geprägt von den sozialen Unterschieden im Zugang zum Gericht, wie sie Kapitel 4 aufgezeigt hat, und auch von der sozialen Einbindung der Urteiler in die städtische Elite. Schließlich stellt sich noch die Frage, wie „modern“ die spätmittelalterliche Wirtschaft war, wenn wir Vertrauen nicht allein an persönlichen Beziehungen, sondern an der Institution festmachen. Modernisierungsnarrative, die eine auf völlig anderer Basis stehende, vormoderne Wirtschaft dem modernen Kapitalismus gegenüberstellen, sind schon länger in die Kritik geraten. Kritiker stellen eher eine Kontinuität von Mustern fest, ohne diese jedoch am Konzept des Vertrauens aufzuhängen, sondern eher an der Information.347 In diesem Sinne sehe ich trotz einer zweifellos größeren Bedeutung von sozialen Beziehungen durchaus sehr moderne Aspekte eines Kreditwesens, welches sich auch auf Institutionen verließ zur Absicherung – Institutionen aber, die sich von den heutigen Finanzinstituten stark unterschieden. Abschließend möchte ich hier ganz kurz auf die verschiedenen Kreise von Beteiligten eingehen und aufzeigen, inwiefern sie von der Institution Schultheißengericht profitieren konnten. KlägerInnen Das vorhergehende Kapitel hat gezeigt, wie der Zugang zur Institution Gericht, wenn nicht normativ eingeschränkt, so doch deutlich selektiv war, indem sozioökonomisch Bessergestellte einfacher zu diesem Mittel greifen konnten. Der Nutzen des Gerichts war deshalb nicht für alle potenziellen NutzerInnen der gleiche. Hier geht es eher darum, wie GerichtsnutzerInnen den Prozess mitgestalten konnten. Hervé Piant bezeichnet diesen Einfluss als sehr weitreichend:

345 StABS, Gerichtsarchiv D 16, 204v. 346 Vgl. Holenstein, Introduction, S. 26. 347 Hoffman/Postel-Vinay/Rosenthal, Information; Crowston, Metanarrative, S. 17, besteht vor allem darauf, dass es nie einen „moment of origin“ gab, „when credit was about confidence and not about money“. Vgl. zu den Modernisierungsnarrativen differenzierend auch Vogel, Credit, S. 87.

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Et ce sont les plaideurs eux-mêmes qui, dans une large mesure, en déterminent le cours: personne, ni le juge, ni le ministère public, ne réalisera les actes à leur place. À toutes ses étapes, le procès est bien un acte volontaire, géré par des parties qui en sont les principaux acteurs.348

Dies bezieht sich nur auf den Prozess selbst und nicht aufs Urteil, welches sich dem direkten Einfluss der Klagenden entzog – weshalb auch Verhandlungen über die Vorgehensweise im Vordergrund standen.349 Das Phänomen, dass mit dem Gericht verhandelt wurde, wie weiter vorgegangen werden sollte, zeigt sich vielleicht am besten in den in diesem Kapitel erwähnten Nachfragen von KlägerInnen, wie sie sich nun verhalten sollten. Ein Sonderfall der Gerichtsnutzung durch GläubigerInnen zeigt Daniel Smail auf, indem er die gerichtliche Beschlagnahmung von Gütern als eine versteckte Form der Pfandleihe beschreibt. Er zeigt dies am Beispiel eines Rückkaufs lange nach der Beschlagnahmung.350 Die Beschlagnahmung kann als „state-sponsored system of pawnbroking“ angesehen werden.351 Unter dem Titel „Predation as Pawnbroking“352 weist er darauf hin, dass Institutionen unvorhergesehene „functions or social logics“ annehmen können. Insgesamt bleibt für die KlägerInnen jedoch sicher die Möglichkeit der Drohung mit der Schuldvollstreckung, die sich meist als wirksam erwies, im Vordergrund. Sie mochte die Bereitschaft, Kredite zu gewähren, deutlich erhöht haben und sich damit als wichtiger Faktor in der spätmittelalterlichen Schuldenwirtschaft erwiesen haben.353 Beklagte In erster Linie können wir es uns als unangenehm vorstellen, wenn man wegen Schulden vor Gericht gezogen wurde, und dieser Aspekt mochte bei den Zeitgenossen überwogen haben. Dieses Kapitel hat aber auch gezeigt, dass die Verhandlung von Schulden vor Gericht den SchuldnerInnen durchaus Gelegenheit bot, die Zahlung, wenn nicht ganz zu verhindern, so doch deutlich hinauszuzögern, sei es mit der Bitte um Zahlungsaufschub oder mit der Möglichkeit, Sachverhalte zu bestreiten und eige348 349 350 351 352 353

Piant, Procès, S. 21. Piant, Justice, S. 234; Piant, Procès, S. 21. Smail, Biens, S. 379. Smail, Plunder, S. 210. Smail, Plunder, S. 209–215. Auf S. 211 geht er auf den Unterschied ein: „With pawnbroking, the collateral is transmitted voluntarily to the creditor before credit es extended. With predation, the good is transferred with at least some degree of coercion after the debt has already come into being.“ Vgl. Briggs, Manor, S. 558. Briggs stellt fest, dass die Kenntnisse über Möglichkeiten, Kosten und Geschwindigkeit, Kredite einzuklagen, durchaus das Niveau der Kreditvergabe beeinflussen konnte.

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ne Zeugenaussagen vorzubringen. Nicht zuletzt verhinderte die allgemein verbreitete Nutzung der Gerichte für die Schuldeintreibung, dass Schulden zu gewaltsamen Konflikten wurden und Selbstjustiz beim Eintreiben vorherrschte. Urteiler Für die Urteiler, die ja aus dem großen Rat gewählt wurden, erwies sich die Rolle als sehr zeitaufwendig, da das Gericht fast täglich zusammenkam, ohne dass sie eine angemessene Entschädigung dafür erhielten, sondern nur ein kleines Sitzungsgeld.354 Hans Füglister hat jedoch darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit auch für die Urteiler mit Vorteilen verbunden war, denn es war für sie eine Aufstiegschance, die sie in höchste städtische Ämter führen konnte.355 Zudem mochte ihnen die Tätigkeit sowohl Vorteile verschaffen, indem sie als Laien profunde Kenntnisse gelebten Rechts erwerben konnten, als auch durch die Tatsache, dass sie intime Einsicht in die finanziellen Verhältnisse großer Kreise der Stadtbevölkerung erhielten. Obrigkeit Potenziell waren Gerichte für vormoderne Obrigkeiten eine Einnahmequelle. Dies ist allerdings im vorliegenden Fall unsicher, ich gehe eher davon aus, dass keine bedeutenden, über die Gebühren für die Gerichtsbeamten hinausgehenden Einkünfte erzielt wurden. Letztere konnten aber bei den Verrechnungsverfahren einen relativ großen Anteil ausmachen. Die oben gezeigte Vermischung von Kosten und Schaden in Schuldverfahren lässt es unmöglich erscheinen, die Gerichtseinnahmen genauer zu berechnen. Als Herrschaftsinstrument und vor allem als Institution, die gewalttätige Konflikte verhinderte, die Kreditgewährung vereinfachte und dazu beitrug, die städtische Wirtschaft am Laufen zu halten, war das Schultheißengericht aber sicher von größter Bedeutung. Zudem war es ein Instrument zur Schaffung von Öffentlichkeit, was dem Wissensstand der BaslerInnen über ihre Geschäftspartner mit Sicherheit zuträglich war.356 Die große Bedeutung des Gerichts für den städtischen Rat lässt sich jedoch am besten daran erkennen, dass sich der Streit mit dem Bischof von Basel als ursprünglichem Inhaber des Gerichts jahrzehntelang hinzog. 1385 hatte der Rat das Schultheißengericht als Pfand vom Bischof übernommen, es blieb fortan in der „Verfügungsgewalt des Rats“.357 Als sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Bischöfe, allen 354 355 356 357

Sieber-Lehmann, Basel, S. 6. Füglister, Handwerksregiment, S. 249. Ich bin in Hitz, Informationszirkulation, ausführlich darauf eingegangen. Sieber-Lehmann, Basel, S. 5.

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voran Kaspar zu Rhein, um einen Rückkauf bemühten, versuchte der Rat mit allen Mitteln, dies zu verhindern. Das gelang ihm auch, aber erst 1585: Im Rahmen der Badener Verträge und nach langen Verhandlungen ging das Schultheißengericht von Großbasel endgültig in seine Hand über.358 Abschließend erwähne ich noch die Rolle des Gerichts als Gedächtnis: Diese ist ersichtlich in den internen Verweisen des Gerichts auf ältere Entscheide, entweder indem das Gerichtspersonal als Zeuge aufgerufen wurde für Vorgänge vor Gericht,359 oder dann, indem man sich auf die Gerichtsakten bezog. So fällte das Gericht Urteile nach „verhorung des gerichtzbuoch“.360 Gerade beim Verweis aufs Vergichtbuch wurde teils gar die genaue Seite angegeben: „Suoch im vergicht buch 2 ° folio“,361 „nach inhalt des vergicht büchs am dritten blatt“.362 Andere Protokolleinträge umfassen den Entscheid, dass der Schreiber einen Sachverhalt „ouch in des gerichtsbüch schriben sollte“.363 Wir können uns also die Akten des Gerichtsarchivs bei aller Unübersichtlichkeit durchaus als eine vielseitig verwendete Informationsquelle vorstellen – auch das ist ein Faktor, der dazu beitrug, Vertrauen zu schaffen.

358 Hagemann, Rechtsleben, Bd. 2, S. 15. 359 Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 38, und Blatter, Gericht, S. 200. 360 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 272r, ähnlich auch StABS, Gerichtsarchiv A 26, 105r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 41v. 361 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 74r. 362 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 85v. 363 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 23r. Ähnlich ist die Formulierung bei einem Vergicht, welches „in das gerichtz büch veriehen“ wurde, StABS, Gerichtsarchiv C 5, 242v.

6. Schulden leben Schuldbeziehungen waren oftmals komplexe Beziehungen mit vielen Beteiligten, wie das folgende Beispiel zeigt. Das Gericht fällte ein Urteil zwischen Wunewald Heidelberg und Meister Hans Seitenmacher, in welchem es festhielt, dass Seitenmacher Wunewald fortan „ungesumpt“, also unbehelligt1 lassen solle. Im Urteilstext wird aber nicht über eine Schuld von Wunewald an Seitenmacher, sondern über die Frage verhandelt, ob Seitenmacher Ansprüche an einen Verstorbenen namens Klaus Walch geltend gemacht habe, was umstritten war. Das Gericht entschied, dass Wunewalds „kuntschafft die besser sie“: Diese besagte wohl, dass Seitenmacher keine Ansprüche geltend gemacht habe. Seitenmacher erwähnte noch eine Person, nämlich eine „von Kilchen“, welche mit Klaus Walch rechnen gewollt habe, als dieser krank war. Die Rechnung kam nicht zustande, anscheinend bezahlte Walch ein Pfund an die (mutmaßliche) Schuld.2 Am gleichen Tag frönte Seitenmacher Walchs Haus, dies offenbar mit mehr Erfolg, denn es sind beim Eintrag die drei Termine erwähnt, die für den Erwerb der Liegenschaft vonnöten waren.3 Weshalb aber standen Wunewald Heidelberg und Hans Seitenmacher gegeneinander vor Gericht, wenn doch Klaus Walch Seitenmachers Schuldner war? Und welche Rolle spielte die von Kilchen? Naheliegend wäre, in Wunewald Heidelberg einen Erben Walchs zu sehen und eine (geschäftliche?) Beziehung zwischen von Kilchen und Seitenmacher anzunehmen. Es ist im Einzelfall schwierig zu erfahren, wer wem schuldete und welche komplizierten Beziehungsmuster dem Gerichtsverfahren zugrunde lagen. Die quantitativen Analysen vereinfachen solche Verhältnisse gezwungenermaßen. Im dargelegten Fall etwa wurden die (erfolglose) Schuldklage von Seitenmacher gegen Heidelberg sowie die Frönung von Walchs Haus durch Seitenmacher erfasst. Mangels genauer Kenntnisse über die Beziehungen der Frau von Kilchen fällt sie aus dem Raster. Das Beispiel von Heidelberg und Seitenmacher zeigt auf, dass es unmöglich ist, eine größere Zahl von Fällen auf diese Art zu beschreiben und dabei die Charakteristik von 1 2 3

Idiotikon, Bd. 7, Sp. 961. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 80r. StABS, Gerichtsarchiv E 4, 10r.

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Schulden leben

Schuldbeziehungen in einer qualitativen Analyse herauszuarbeiten. Ich habe deshalb den Ansatz gewählt, eine größere Anzahl von Schuldbeziehungen in einer abstrakteren Form zu untersuchen. Dabei spielte die Zuweisung von Attributen eine zentrale Rolle. Welche Fragen aber soll diese Analyse nach Attributen schließlich beantworten? Es geht in erster Linie um die sozioökonomischen Aspekte der Schuldbeziehungen. Bestand ein großes soziales Gefälle – und damit verbunden eine asymmetrische Beziehung?4 Können wir eher davon ausgehen, dass eine große soziale Distanz dahinterstand, wenn eine Schuld vor Gericht gebracht wurde, oder überwogen die Indizien sozialer Nähe? War die Schuldbeziehung wirklich das einzig verbindende Element, wenn etwa Kaufleute bereit waren, „in Serie allen möglichen Leuten Geld zu leihen“?5 War auch der „kleine Mann“ ins Kreditwesen integriert?6 Diese Fragen lassen sich im Einzelfall nicht klären, weil die Quellen nur ganz selten Details zur Beziehung zwischen den Beteiligten enthalten  – diese Information war gerichtlich selten relevant und zudem den Zeitgenossen wohlbekannt und darum nicht erwähnenswürdig. Zudem gibt es weitere Gründe, weshalb auch eine dichte Beschreibung von Schuldverhältnissen kaum Auskünfte über das soziale Gefälle ergibt. Valentin Groebner hat dies unter dem Stichwort Euphemisierung, das auf Pierre Bourdieu zurückgeht, erklärt. Diese beruht darauf, dass die Tatsache, „dass die Handlungen unmittelbare Vorteile schaffen bzw. Nachteile für Dritte bergen“, verborgen wurde. Sie „macht es ausgesprochen schwierig, bei diesen Transaktionen und Transfers in Sachwerten Gewinner und Verlierer eindeutig zu bestimmen“.7 Die Klärung der oben genannten Fragen verlangt nach einem anderen methodischen Zugang, der auf einer abstrakteren Erfassung von Faktoren sozialer Nähe basiert, nämlich auf den Attributen Herkunft, Vermögenssituation, Geschlecht und auf der Lokalisierung der Akteure (innerhalb der Stadt Basel jedoch nur in der Stichprobe von 1497). Das sind Informationen, die nur zum Teil der Quelle selbst entnommen sind, zum Teil aber auch dem Abgleich mit anderen Quellen entstammen.8 An den so gewonnenen quantitativen Netzwerkdaten teste ich in diesem Kapitel verschiedene netzwerkanalytische Konzepte und wirtschaftshistorische Modelle. Das beginnt mit der Auswertung der ersichtlichen Netzwerkstrukturen und geht dabei insbesondere auf Schuldenketten und die zeitliche Dimension ein. Es folgen Analysen des Einflusses verschiedener Attribute auf die Ausgestaltung von Schuldverhältnissen und die Schuldsummen. Den Abschluss machen wieder stärker qualitativ ausgerichtete Untersuchungen von verschiedenen Gruppen, deren Gerichtsnutzung in Schuldsachen besonders auffiel. 4 5 6 7 8

Signori, Schuldenwirtschaft, S. 55, bejaht die Frage. Das soziale Gefälle nahm laut Signori gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu, es war „mitunter gewaltig“, was nicht nur für die Kaufleute galt. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 139. Vgl. Schulz, Weg, S. 163: Dank neuen Institutionen habe die Kreditwirtschaft des 19. Jahrhunderts auch den „kleinen Mann“ in das Finanzwesen integriert. Groebner, Ökonomie, S. 267. Vgl. die Angaben zur Codierung in Anhang 8.2.

Schuldennetzwerke

277

6.1 Schuldennetzwerke Die Codierung der Schuldbeziehungen erlaubt eine grafische Repräsentation der vor Gericht verhandelten Schulden als Netzwerke oder Graphen. Besonders interessant ist dabei die sogenannte Hauptkompenente, d. h. der größte zusammenhängende Teil des Netzwerkes. Der Anteil der jeweiligen Hauptkomponenten am ganzen Netzwerk beträgt für 1455 38,6  Prozent aller Akteure, 1497 sind es gar 54,6  Prozent.9 Der Rest der Personen verteilt sich auf kleine, unzusammenhängende Strukturen.10 Die Hauptkomponenten der zwei Stichproben sind in Abbildung 6.1 und Abbildung 6.2 dargestellt, wobei jeweils die wichtigsten (d. h. am häufigsten erwähnten) GläubigerInnen schwarz dargestellt sind und die Knotengröße den Indegree, also die Anzahl eingehender Schuldbeziehungen, darstellt. In beiden Darstellungen liegt der Grenzwert für die Heraushebung als wichtige GläubigerIn (es ist eine Frau darunter und zwei kirchliche Institutionen) gleich hoch, nämlich bei sieben Schuldbeziehungen als KreditorIn. Die Anzahl der herausgehobenen Akteure weicht leicht ab, weil 1497 mehr Personen diesen Wert erreichten. Vor allem für die frühere Stichprobe zeigt sich, dass die häufig vorkommenden GläubigerInnen das Netz zusammenhielten und damit vor großer Bedeutung waren, deutlich stärker als die wichtigsten SchuldnerInnen.11 Die spätere Stichprobe ist in sehr starkem Ausmaß von einigen Schuldnern geprägt, die sehr viele GläubigerInnen anzogen, weil sie nämlich bankrottgingen und zum Teil aus der Stadt flohen – deutlich fällt der Krämer Anton Waltenhein auf, der in der Mitte des Netzes besonders viele Personen um sich gruppiert. Viele der häufig vorkommenden Gläubiger standen mit ihm auch in Verbindung und bildeten damit eine zentrale Struktur, die den Kern des Netzwerkes bildete. Anders als 1455 sind deshalb Schuldner strukturbildend.12 Die Struktur des

9 10 11

12

Konkret sind es 1455 352 von 912, 1497 459 von 841 Personen. Die größten Komponenten unter diesen sind dann jeweils deutlich kleiner als die Hauptkomponenten: 1455 sind es 16 Akteure, 1497 gar nur neun. Das lässt sich bildlich beobachten an der Darstellung der Hauptkomponente (Abbildung 6.1), es lässt sich auch mit der Zählung von Komponenten, das heißt zusammenhängenden Netzwerkteilen, begründen. Die folgenden Berechnungen beruhen auf den ganzen Daten, nicht nur den Hauptkomponenten. Lässt man im Netzwerk die wichtigsten zwölf GläubigerInnen weg, steigt die Anzahl an Komponenten um 74, die größte hat noch 68 Knoten – im Gegensatz zu den 352 Knoten der Hauptkomponente. Das Weglassen der elf wichtigsten SchuldnerInnen (es lässt sich wegen identischer Degree-Werte keine Schwelle festlegen, die zwölf SchuldnerInnen herausfiltert) hingegen erhöht die Anzahl der Komponenten nur um 57, und die größte weist immer noch 270 Knoten auf. Das Netzwerk zerfällt also beim Weglassen von wichtigen GläubigerInnen viel stärker in einzelne kleine Teile. Das zeigt sich auch bei der Zählung der Komponenten beim Weglassen von wichtigen SchuldnerInnen und GläubigerInnen. Anders als 1455 führt das Weglassen der elf wichtigsten SchuldnerInnen zum stärkeren Anstieg der Anzahl Komponenten (ein Plus von 173 gegenüber von 71 beim Weglassen von zwölf GläubigerInnen), und auch die größte Komponente wird deutlich kleiner (86 statt 316 Knoten).

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Schulden leben

Netzwerks gleicht aber derjenigen von 1455, wenn die drei Bankrotteure mit den meisten Schuldbeziehungen – Hans Waltenhein, Hans Keser und Ulrich Wolfer – nicht in die Analyse einbezogen werden, und die GläubigerInnen erscheinen wieder als diejenigen, die das Netzwerk zusammenhalten.13 Die Stichproben unterscheiden sich deshalb nicht grundsätzlich, sondern nur in der Tatsache, dass 1455 keine Personen bankrottgingen, 1497 jedoch gleich drei größere Fälle vorkamen. Wenn in den folgenden Berechnungen teilweise Anton Waltenhein nicht berücksichtigt wird, dann geschieht das aus der Überlegung, dass die Netzwerke ohne den Extremfall eines Bankrotts vergleichbarer sind.

Abb. 6.1 Hauptkomponente des Schuldennetzwerks 1455, Heraushebung der zehn wichtigsten Gläubiger (Indegree dargestellt als Knotengröße)

13

Hier zeigt sich nun beim Weglassen der je zehn wichtigsten GläubigerInnen und SchuldnerInnen, dass das Netzwerk beim Weglassen der GläubigerInnen stärker zerfällt (es nimmt um 67 Komponenten zu gegenüber 55 bei den SchuldnerInnen) und auch die größte Komponente deutlich kleiner wird (noch 60 statt 86 Knoten). Das sind nun mit 1455 vergleichbare Zahlen.

Schuldennetzwerke

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Abb. 6.2 Hauptkomponente des Schuldennetzwerks 1497, Heraushebung der zwölf wichtigsten Gläubiger (Indegree dargestellt als Knotengröße)

Insgesamt weisen die Schuldennetzwerke eine geringe Dichte auf, und die allermeisten Personen (über 70 Prozent, siehe weiter unten beim Netzwerkvergleich) erschienen in einem Jahr nur ein einziges Mal in den Akten.14 Dieser Umstand erschwert die Analyse von Netzwerkstrukturen, die über die Beobachtung von häufiger und weniger häufig auftretenden Personen hinausgeht. Die Versuche, zwei Methoden anzuwenden, führten nicht zu interpretierbaren Resultaten. Es handelt sich erstens um die Untersuchung von dichten Gruppen, sogenannten Cliquen.15 Aufgrund der oftmals sternförmigen Struktur von Akteuren,16 die sich um einzelne SchuldnerInnen und Gläu14 15

16

Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 45: Dieser Umstand erschwere es, die „soziale Logik, die der Kreditvergabe zugrunde liegt“, zu durchschauen. Jansen, Einführung, S. 193–198; Stegbauer, Divergenzen, S. 69, weist auf die Wichtigkeit der Personen hin, die Brücken zwischen Cliquen bilden. Im vorliegenden Fall habe ich das anhand der Betrachtung der Netzwerkstruktur von Gläubigern beobachtet, ohne eine eigentliche Cliquenanalyse zugrunde zu legen. Vgl. zur oft nur sternförmigen Netzwerkstruktur bei Kaufleuten Gilomen, Netzwerke, S. 349.

280

Schulden leben

bigerInnen gruppierten, und den eher seltenen Querverbindungen erscheint es auch naheliegend, dass eigentliche Cliquen nicht auszumachen waren. Die zweite Methode habe ich angewandt und werte sie im folgenden Abschnitt aus, allerdings eher in Bezug auf den Vergleich der zwei Netzwerke als in Bezug auf die inhaltliche Dimension. Das Blockmodell17 untersucht mögliche strukturelle Positionen im Netzwerk, weist also Akteure einer Gruppe zu, die sich nicht hinsichtlich der konkreten Kontakte, sondern hinsichtlich der Beziehungsmuster ähnlich sind. Auch hier hat die fehlende Dichte signifikante und interpretierbare Resultate verhindert. Die folgenden quantitativen Analysen und Kennwerte der beiden Stichproben dienen deshalb in erster Linie der Feststellung, ob die beiden Stichproben insgesamt ähnliche Strukturen aufwiesen oder nicht. 6.1.1 Netzwerkvergleich Wie lassen sich Netzwerke vergleichen? Die meisten Vergleichsmethoden eignen sich für verschiedene Netzwerke mit identischen Knoten, d. h. zum Beispiel für den Vergleich der Netzwerke zu verschiedenen Zeitpunkten.18 Das liegt hier nicht vor. Es gibt Vergleichsmöglichkeiten für Netzwerke, die sich auf die Netzwerkeckdaten stützen.19 Ein solcher Vergleich scheint mir aber für die vorliegenden Daten als zu aufwendig. Ich stütze deshalb den Vergleich der beiden Stichproben nicht auf ein komplexes Vergleichsmodell, sondern stelle einfach gewisse Netzwerkkennzahlen gegenüber und beschreibe kurz die Unterschiede. Da der Bankrott von Anton Waltenhein in der Stichprobe 1497 einen Spezialfall darstellt, der sich in der anderen Stichprobe nicht findet, habe ich für diese Stichprobe die Werte jeweils mit und ohne Waltenhein berechnet. Netzwerkkenndaten Der einzige Test, der durchgeführt wurde, ist der Vergleich der Dichten. UCINET testet mit einer Erzeugung von Netzwerken anhand der Netzwerkkennwerte eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Dichten, die abschätzen lässt, ob die Netzwerke vergleichbare Dichten aufweisen. Der Test ergibt für die Stichprobe von 1455 im Vergleich zu den Dichten von 1497 signifikante Werte.20 In umgekehrter Richtung ergibt 17 18 19 20

Jansen, Einführung, S. 212–228; Batagelj/Doreian/Ferligoj, Analysis; Fuhse, Ungleichheitssoziologie, S. 184, sieht die Blockmodellanalyse als „Königsweg der relationalen Soziologie“; Stegbauer, Strukturbildung. Klassisch als Beispiel Ansell/Padgett, Action. Faust/Skvoretz, Networks, S. 268. Faust/Skvoretz, Networks. P-Wert von 0,0005. Der Vergleich ist weniger eindeutig, wenn mit dem Wert von 1497 ohne Anton Waltenhein verglichen wird (0,0555).

281

Schuldennetzwerke

sich keine Übereinstimmung der Stichprobe mit Waltenhein,21 und auch ohne Berücksichtigung von Anton Waltenhein wird die Schwelle zur Signifikanz bei einem Niveau von fünf Prozent knapp verpasst.22 Insgesamt kann eher davon ausgegangen werden, dass sich die Dichten der Netzwerke in einem ähnlichen Bereich bewegen. Tab. 6.1 Vergleich von Gesamtnetzwerkkenndaten (1497 mit und ohne Anton Waltenhein)

Dichte

1497 mit Waltenhein

1497 ohne Waltenhein

1455

0,001051

0,000837

0,000885

1,91

1,47

1,63

7

6

6

Durchschnittsdistanz zwi­ schen erreichbaren Knoten Diameter (Länge des längsten Pfads)

Tab. 6.2 Verteilung der Anzahl erfasster Schuldbeziehungen (Degree), 1455 und 1497 1455 Anzahl

Anteil

Degree größer 5

27

Degree 3 bis 5

80

Degree 2 Degree 1

1497 Anzahl

Anteil

3,0 %

25

3,0 %

8,8 %

78

9,3 %

156

17,1 %

118

14,0 %

650

71,2 %

619

73,7 %

Als weitere Eckwerte habe ich die Intensität der Beteiligung am Schuldennetzwerk verglichen, gemessen an der Anzahl erfasster Schuldbeziehungen pro Person. Zu diesem Zweck habe ich die Degree-Werte, also die Anzahl der Beziehungen pro AkteurIn, in Kategorien eingeteilt und gegenübergestellt, zunächst ohne zwischen SchuldnerInnen und GläubigerInnen zu unterscheiden (siehe Tabelle 6.2). Die beiden Stichproben gleichen sich hinsichtlich der Verteilung außerordentlich, was für vergleichbare Muster der Gerichtsnutzung und der Verhandlung von Schulden vor dem Schultheißengericht spricht. Die anteilsmäßige Verteilung der Degree-Werte gleicht sich auch im Vergleich von SchuldnerInnen und GläubigerInnen stark. Ein kleiner Unterschied liegt darin, dass

21 22

Der p-Wert beträgt 0,27. Der p-Wert beträgt 0,0665.

282

Schulden leben

die SchuldnerInnen anteilsmäßig an den Enden, d. h. beim einmaligen, aber auch beim sehr häufigen Auftreten (Letzteres nur 1497), eher verstärkt anzutreffen sind, während mehr GläubigerInnen ein Degree von zwei bis fünf aufweisen. Dieser Vergleich berücksichtigt aber Personen wie Anton Waltenhein nicht. Waltenhein ging 1497 Konkurs und weist durch die herbeieilenden GläubigerInnen einen Degree als Schuldner von 95 auf (d. h., 95 Personen forderten von ihm Geld ein). Der höchste Degree-Wert von GläubigerInnen hingegen beläuft sich auf 14 (1497) bzw. 15 (1455). Triadenzählung Die Triadenzählung (Triaden sind Konstellationen von drei Akteuren) zeigt in erster Linie den riesigen Anteil an nicht verbundenen Personen: Über 99 Prozent der Triaden weisen keinerlei Verbindung auf. Unter den restlichen dominieren die Triaden, bei denen nur zwei der drei Knoten verbunden sind.23 Nur ein sehr kleiner Teil aller möglichen Triaden bilden sich aus Knoten aus, die untereinander verknüpft sind. Unter diesen Formen finden sich vor allem drei Konstellationen:24 erstens der sogenannte Out-Star (A ← B → C), zweitens der In-Star (A → B ← C) und drittens die Kette (A → B → C). In der Stichprobe von 1497 ist der Fall Waltenhein so dominant, dass der Out-Star, d. h., eine Person ist bei zweien Schuldnerin, über vier Fünftel der genannten Triadenformen ausmacht. Lässt man Waltenhein weg, ist die Vergleichbarkeit größer, dann sind auch die Werte sehr nah beieinander. Tabelle 6.3 zeigt, dass die häufigste Form darin bestand, dass zwei SchuldnerInnen den gleichen Gläubiger oder die gleiche Gläubigerin hatten. Etwas weniger häufig kam es vor, dass eine SchuldnerIn bei zwei GläubigerInnen verschuldet war, und am seltensten waren Ketten.25 Tab. 6.3 Vergleich der Häufigkeit der drei wichtigsten Typen von verbundenen Triaden (Stichprobe 1497 ohne Anton Waltenhein)

23 24 25

1455

1497

Out­Star

37,0 %

36,4 %

In­Star

43,5 %

47,5 %

Directed line

19,5 %

16,1 %

Diese Dominanz (es sind wiederum über 98 Prozent der restlichen Triaden) ist insofern methodisch bedingt, als eine Verbindung zwischen zwei Knoten mit allen anderen Knoten zu Triaden kombiniert wird. Sie ist allerdings auch Ausdruck der geringen Dichte des Netzwerks. Sie machen mindestens 97 Prozent aller verbundenen Triaden aus. Vgl. den Abschnitt zu Schuldenketten weiter unten, Kapitel 6.1.2.

Schuldennetzwerke

283

Blockmodell und Typenbildung Beim Blockmodell geht es darum, Arten der Beteiligung am Netzwerk festzustellen, indem strukturell ähnliche Positionen ermittelt werden. Dies beruht auf einem iterativen Algorithmus namens REGE, den Ucinet zur Analyse struktureller Äquivalenz verwendet. REGE steht für regular equivalence.26 Auf der Basis dieser Äquivalenzen werden die Akteure verschiedenen Gruppen zugeteilt. Auf den im Tafelteil angeführten Abbildungen27 des Blockmodells werden die Akteure einer Gruppe auf einem Kreis angeordnet. Um die Aussagekraft des Blockmodells zu überprüfen, habe ich eine Art Typenbildung gemacht, die auf der Art und Häufigkeit der Beteiligung am Schuldennetzwerk beruht. Dazu habe ich grundsätzlich unterschieden zwischen SchuldnerInnen, GläubigerInnen und Personen, die beides waren, und innerhalb der jeweiligen Kategorie noch zwischen bloß einfachem und häufigerem Auftreten unterschieden. Auf den Darstellungen sind die Knoten gemäß diesen Typen eingefärbt. Grundsätzlich ist die Übereinstimmung der Typen gemäß Beteiligung und den Typen des Blockmodells für beide Stichproben ziemlich hoch und auch auffallend ähnlich. Die einfach auftretenden SchuldnerInnen und GläubigerInnen finden sich jeweils zu (fast) 100 Prozent in der gleichen Gruppe des Blockmodells, einer Gruppe, die sich auch noch etwas weiter erstreckt und rund zwei Drittel der mehr als einmal auftretenden SchuldnerInnen und GläubigerInnen umfasst. Den Rest bilden je Gruppen, die in den Typen wiederzufinden sind, die gleichzeitig SchuldnerInnen und GläubigerInnen waren (Schuldenkette). Vor allem die Typen der Schuldenkette mit hoher Beteiligung sind in Bezug auf die Gruppen des Blockmodells stärker durchmischt. Das Blockmodell gewichtet hier offenbar die Häufigkeit, mit der jemand als SchuldnerIn oder GläubigerIn auftritt, stärker als die Tatsache, beides zu sein. Es findet hier außerdem für eine kleine Gruppe von Personen nur wenig strukturelle Ähnlichkeit. 1455 sind es drei Gruppen mit insgesamt elf Personen, 1497 fünf Gruppen mit 16 Personen. Es handelt sich mehrheitlich um Fälle von Mehrfachbeziehungen zwischen denselben Personen, welche das Blockmodell als strukturell unterschiedlich gewichtet (konkret bilden sich zwei der drei speziellen Gruppen 1455 aus Personen, deren Schuldbeziehung in die gleiche Richtung dreifach oder häufiger erwähnt waren, sowie um eine dritte Person, einen armen Karrer, der Schuldner einer dieser Personen war). 1497 zeigt sich ein ähnliches Bild von mehrfacher Erwähnung und damit Verhandlung von Schuldverhältnissen, dabei fallen auch ein paar Fälle von gegenseitigen Schuldbeziehungen auf. Zwei Personen, beide von Beruf Drucker, verdienen besondere Erwähnung. Martin Flach und Niklaus Kessler genannt zur Blumen waren beide vielfach verschuldet und bilden damit eine eigene Gruppe innerhalb des Blockmodells. Es gibt außerdem 26 27

Vgl. dazu die Hilfedatei von Ucinet auf http://www.analytictech.com/ucinet/help/ca_62b.htm (letzter Zugriff am 12.11.2019). Siehe Abbildung 6.3 und Abbildung 6.4, beide im Tafelteil.

284

Schulden leben

eine indirekte Verbindung zwischen den beiden in der Person von Franz Gallician dem Weinmann. Dieser machte mit Flach und mit Kessler Geschäfte, indem er ihnen größere Summen zur Verfügung stellte. Flach klagte auch selbst einmal Schulden bei Gallician ein. Andere zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit Personen in spezieller Position in Beziehung stehen, ein Aspekt, den die einfache Typologisierung nicht berücksichtigen kann. Der Vergleich der zwei Stichproben hinsichtlich der Verteilung auf die Typen und die Gruppen des Blockmodells ergibt eine große Ähnlichkeit sowohl hinsichtlich der Anzahl der Personen in den jeweiligen Kategorien als auch in Bezug auf die durchschnittlichen Degree-Werte.28 Ich kann diese Ähnlichkeit nur bedingt mit statistischen Methoden belegen (ein CHI2-Test ergab für das Blockmodell und die gebildeten Typen jeweils keine Abweichung),29 aber sie spricht auch so für sich. Es ist davon auszugehen, dass die Beteiligung am Schuldennetzwerk und damit die Nutzung des Gerichts in den beiden Stichproben ganz ähnlichen strukturellen Merkmalen folgten. Eine Ausnahme bildet einzig der Fall Anton Waltenhein von 1497, der deshalb für den Vergleich auch ausgeblendet wurde. Ging jemand wie der wohlhabende Krämer Waltenhein bankrott, mobilisierte dies viele Personen und schuf eigene Strukturen. 6.1.2 Schuldenketten Neben der Betrachtung der Schuldverhältnisse als Netzwerke findet sich in der Literatur eine zweite Metapher mit ganz ähnlichen Implikationen. Es handelt sich um die Wahrnehmung von verflochtenen Schuldverhältnissen als Ketten, die charakteristisch gewesen seien für die vormoderne Wirtschaft. Besonders prominent hat Craig Muldrew dieses Bild vertreten,30 ähnlich auch Renata Ago: „This ‚baroque‘ economy resulted in the linking of debtors and creditors into a single chain of almost infinite length.“31 Die Bildung von Ketten beruhte in erster Linie darauf, dass viele GläubigerInnen selbst auch SchuldnerInnen waren.32 Eine eigentliche Analyse dieser Ketten, die über einzelne Beispiele hinausgeht, wurde bisher noch nicht vorgelegt – die Erwähnung von Schuldenketten lässt sich eher metaphorisch verstehen.

28 29 30 31 32

Siehe Tabelle 8.15, Tabelle 8.16, Tabelle 8.17 und Tabelle 8.18. Die p-Werte betragen 0,651 für die Typen und 0,7844 für die fünf großen Gruppen des Blockmodells. Sie liegen damit deutlich über dem Signifikanzniveau von fünf Prozent, das für bedeutende Unterschiede zwischen den zwei Stichproben sprechen würde. Muldrew, Economy, v. a. S. 3 („chains of credit grew much longer and more complex in a relatively short time“) und 152. Ago, Notaries, S. 195. Vgl. auch Taylor, Credit, S. 17: „Credit relationships, like social relations generally, wound their way through chains of people, and in doing so ensnared otherwise unconnected individuals into unexpected, intense relationships.“ Vgl. dazu Clark, Debt, S. 256, Schuster, Age, S. 43 f.

Schuldennetzwerke

285

Abb. 6.5 Schuldenketten des Jahres 1455: Personen, die sowohl Schuldnerin als auch Gläubigerin sind, sind schwarz dargestellt. Die Knotengröße zeigt die Vermögenskategorie an, die Knotenform die Distanzklasse (Dreieck: aus Basel, Kreis: Herkunft unbekannt, Quadrat: nähere Umgebung von Basel, Diamant: größere Entfernung)

Die Bildung der Stichproben ermöglicht nun eine quantitative Untersuchung von Schuldenketten jenseits der Metapher. Die Ketten sind, netzwerkanalytisch gesprochen, Pfade, die von einzelnen SchuldnerInnen ausgehen, über mehrere Personen mit beiden Rollen gehen können und bei einer Person enden, die nur GläubigerIn ist. Die Identifikation aller Pfade, die diese Bedingung erfüllen, erzeugt viele Redundanzen, indem kürzere Teilpfade eines längeren Pfades auch gefunden werden. Zudem können ganz viele Pfade über einzelne Teilpfade führen. Aus diesen vielen Pfaden sollen dann einzelne herausgegriffen und genauer beschrieben werden – die quantitative Analyse dient somit auch als Hilfe zur Identifikation von interessanten Fällen für die qualitative Untersuchung. Mit der Analyse von Schuldenketten will ich nicht eine allgemeine Verflechtung und Verbundenheit der Schuldverhältnisse beobachten, sondern gezielt der Frage nachgehen, ob in diesen Ketten hierarchische Verhältnisse zu erkennen sind, ob also

286

Schulden leben

entlang der Pfade aufsteigende Schuldsummen und ein soziales Gefälle zu erkennen sind. Die Endpunkte von Schuldenketten geraten dabei besonders in den Fokus, bzw. es stellt sich die Frage, welche Personen als Endpunkte zu untersuchen sind. Wenn hierarchische Strukturen zu erkennen sind, wäre es interessant zu wissen, ob den Akteuren die Struktur von Schuldenketten bekannt und bewusst war. Das lässt sich in aller Regel kaum beantworten, denn die Quellen schweigen sich über die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Verflechtung generell aus, ich werde trotzdem in einzelnen Fällen versuchen, darauf einzugehen.

Abb. 6.6 Schuldenketten des Jahres 1497: Personen, die sowohl SchuldnerIn als auch GläubigerIn sind, sind schwarz dargestellt. Die Knotengröße zeigt die Vermögenskategorie an, die Knotenform die Distanzklasse (Dreieck: aus Basel, Kreis: Herkunft unbekannt, Quadrat: nähere Umgebung von Basel, Diamant: größere Entfernung)

Schuldennetzwerke

287

Abbildung 6.5 und Abbildung 6.6 zeigen alle Schuldenketten der beiden Stichproben, wobei alle Personen, die Binnenglieder von Ketten waren, schwarz markiert sind. Alle Personen, die nicht Teil einer Kette von mindestens drei Akteuren waren, sind ausgeblendet, das trifft insbesondere auf SchuldnerInnen von Personen zu, die am Ende einer Kette standen. Um in dieser eher unübersichtlichen Darstellung einzelne Schuldenketten betrachten zu können, habe ich Pfade extrahiert. Ein Pfad ist ein Weg, der, bildlich gesprochen, einzelnen Pfeilen folgt, bis ein Endpunkt erreicht ist, also eine Person, die selbst nicht mehr Schuldnerin ist. Es ergaben sich für jede Stichprobe Hunderte von Pfaden mit einer Länge von mindestens drei Personen. Viele dieser Pfade gleichen sich stark, denn sie setzen sich oft aus wiederkehrenden Elementen zusammen, wie die folgenden Beispiele aufzeigen (siehe Abbildung 6.7 und Abbildung 6.8). Sie zeigen für die beiden Stichproben die längsten Pfade, die beide sieben Personen umfassen und damit eine Länge von sechs Schuldbeziehungen aufweisen. Es lassen sich da jeweils mehrere gleich lange Pfade aufzeigen, die von den verschiedenen Ausgangspunkten jeweils beim gleichen Endpunkt bzw. bei den gleichen zwei Endpunkten aufhören. Die Darstellungen der einzelnen Schuldenketten halten sich an folgendes Muster: Der Pfeil meint „ist SchuldnerIn von“, die Schattierung des Knotens stellt das Geschlecht dar,33 die Knotenform die Distanzklasse,34 die Größe des Knotens orientiert sich am steuerbaren Vermögen, sofern dieses bekannt ist, wobei die nicht auf der Steuerliste figurierenden Personen jeweils am kleinsten dargestellt sind.

Abb. 6.7 Längste Pfade/Schuldenketten des Jahres 1455

33 34

Schwarz: männlich, dunkelgrau: weiblich, hellgrau: unklar bzw. Institution. Rund: unklar, Dreieck: aus Basel, Quadrat: näheres Umland, Raute: weitere Entfernung.

288

Schulden leben

Abb. 6.8 Längste Pfade/Schuldenketten des Jahres 1497

Betrachten wir nun die Endpunkte der längsten Pfade, so zeigt sich ein offensichtlich völlig zufälliges Bild. Alle drei Personen (Hug von Biel und Rudolf Meder sowie Heinrich Heini) erscheinen in der jeweiligen Stichprobe ein einziges Mal. Von einer größeren Bedeutung dieser Personen zu sprechen wäre deshalb unangemessen. Auch zeigen die Daten (dargestellt am Beispiel von 1455), dass keineswegs eine zeitliche Reihenfolge hinter diesem Pfad steckt, sondern eher das Gegenteil der Fall ist. Würde nämlich das Einfordern der einen Schuld zu weiteren Prozessen führen, müssten von den Endpunkten des Pfads aus die Daten chronologisch folgen – je weiter weg vom Endpunkt, desto später. Nur dann könnten wir einen Zusammenhang zwischen eingeforderter Schuld und weiteren Bemühungen, der Kette entlang die Schulden einzufordern, feststellen. Die längsten Ketten von 1497 lassen zumindest teilweise eine Analyse der Schuldsummen zu. Würden die Gläubiger von Gläubigern Letzteren Geld zur Verfügung stellen, um deren Kredittätigkeit zu unterstützen, müssten wir mit ansteigenden Summen gegen Ende der Kette rechnen. Auch hier trifft das Gegenteil zu: Die Schuld von Hans Munzer an Heinrich Heini belief sich auf ein halbes Pfund, während am Anfang der Kette erheblich größere Summen im Spiel waren. Es sind folglich auch keine Hierarchien erkennbar, die Analyse von Schuldenketten erscheint hier als uninteressant, wenn nicht gar als künstlich konstruiert. Die Feststellung ist übrigens auch ein Hinweis darauf, dass eine Kennzahl der Netzwerkzentralität, die darauf beruht, wie viele Personen eine gewisse Person erreichen können (durch die gerichteten Pfeile des „ist SchuldnerIn von“), nur wenig Sinn ergibt. Die Personen am Ende von

Schuldennetzwerke

289

Ketten weisen nämlich sehr hohe Werte für diese „In-reach centrality“ auf, ohne dass sie deswegen von besonderer Bedeutung gewesen wären, wie die vorliegende Beweisführung eben gezeigt hat. Die bisher vorgestellten Schuldenketten zeigen folglich das Muster einer Kette auf, ohne jedoch eine sinnvolle Interpretation zu ermöglichen – wahrscheinlich präsentierten sich solche Ketten auch den Zeitgenossen nicht als zusammenhängende Schuldenketten. Etwas anders präsentiert sich die Lage, wenn wir die Ketten untersuchen, die zu wichtigen Gläubigern hinführen.35 Ich habe jeweils die drei untersucht, deren Ketten die meisten Personen umfassen, und stelle hier für jede Stichprobe die Person mit der längsten Kette vor (siehe Abbildung 6.9 und Abbildung 6.10). Die anderen Muster gleichen sich jeweils innerhalb der Stichprobe. Bevor ich auf diese Beispiele genauer eingehe, bleibt festzuhalten, dass durchaus nicht alle der häufig vorkommenden Gläubiger Schuldenketten aufwiesen.36 Auch 1455 bildeten einige der häufig vorkommenden Gläubiger keine Endpunkte von Schuldenketten. Hier ist nicht viel von einer Verflechtung zu spüren, die über die einzelnen Schuldverhältnisse hinausweist. Bei anderen hingegen werden Strukturen sichtbar.

Abb. 6.9 Schuldenketten von 1455 mit Ludman Meltinger (in der Mitte) als Endpunkt

35 36

Vgl. zu den wichtigen GläubigerInnen Kapitel 6.3.1. 1497 gingen von Heinrich von Monstral und Hans Plarer, den beiden Gläubigern mit den höchsten Indegree-Werten, keine Schuldenketten aus.

290

Schulden leben

Abb. 6.10 Schuldenketten von 1497 mit Hans Steinacher (rechts unten von der Mitte) als Endpunkt

Vor allem das Beispiel von 1455 ist sehr aussagekräftig. Hier haben wir eine klare Hierarchie der Vermögenslage, und auch die Schuldsummen, sofern bekannt, steigen tendenziell an, wenn es Richtung Ludman Meltinger geht. Besonders deutlich sind die zwei Schuldner von Meltinger, die in der Darstellung auf der linken Seite zu finden sind. Beide weisen jeweils mehrere Schuldner auf, deren Schulden (auch in der Summe) deutlich kleiner sind. Blicken wir auf die Linie in Richtung der rechten unteren Ecke, stellen wir fest, dass ein zweites solches Muster erkenntlich ist, auf kleinerem Niveau. Allerdings ist dann eine Person dazwischen in der Kette, die außerdem einen tieferen Betrag aufweist, und somit wird die Kette in Hinblick auf eine Kredithierarchie unterbrochen. Eine Rückfinanzierung oder Absicherung über so viele Stationen scheint auch wenig wahrscheinlich. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die Pfadlänge von drei Personen am aufschlussreichsten ist. In Bezug auf zeitliche Zusammenhänge ist das Muster weniger klar. Die Beobachtung einer Pfadlänge von zwei Schuldbeziehungen bzw. drei Personen als wichtiger Einheit bestätigt sich, wenn wir der Frage nachgehen, ob die Struktur der Schuldenkette den Beteiligten bewusst war. Im Fall von Meltinger zeigt sich, dass man durchaus von den Schulden anderer Leute wusste. Konkret befanden sich in der Kette zwei Personen, die jeweils Schulden von Dritten in Verbot legten und damit belegen, dass sie über ihr eigenes Schuldverhältnis hinaus mindestens ein Glied der Schulden-

Schuldennetzwerke

291

kette kannten.37 Ich würde aber nicht davon ausgehen, dass darüber hinaus eine genaue Kenntnis der ganzen Kettenstruktur vorhanden war – was aber nicht heißt, dass diese bedeutungslos war. Das Beispiel von 1497 ist weniger klar, vor allem ist der „wichtige“ Gläubiger nicht in der Netzwerkmitte, sondern seine Position erscheint eher zufällig als ein Gläubiger von Personen, die ihrerseits viele Schuldner aufweisen, sich aber nicht bei dem einen Gläubiger rückversichern bzw. finanzieren. Hier entsteht eher der Eindruck einer Verflechtung statt derjenige der Bildung von Ketten. Neben der Betrachtung einzelner Schuldenketten habe ich gewisse Muster in allen Pfaden, die mindestens drei Personen (d. h. zwei Beziehungen) umfassten, untersucht. Für 1455 habe ich Schuldbeziehungen, bei denen die Schuldbeträge stiegen oder mindestens gleich groß waren, gesondert betrachtet. Nach Ausschaltung aller Redundanzen waren dies 57 Pfade, die meisten davon mit drei beteiligten Individuen. Nur bei zwei Personen endeten Schuldenketten, die sich über eine Person mehr erstreckten. Ein Fall davon findet sich ausschließlich im Unzüchterbuch. Hanno von Lietingen trat nur ein einziges Mal in Erscheinung, im Unzüchterbuch von 1456, und seine Forderung über fünf Gulden an Heinrich Stempfer ist insofern interessant, als Stempfer am gleichen Tag die gleiche Summe von Hans zum Pilgerstab einforderte, der wiederum im Vorjahr einige deutlich kleinere Schulden eingetrieben hatte. Die Verbindung über drei Schritte hinweg ist wieder deutlich zu erkennen, die weiteren Glieder der Kette standen kaum in einem Zusammenhang.38 Um zu verstehen, ob diese Ketten tatsächlich Abbild von Asymmetrien und hierarchisiertem Zugang zu Kredit sind, können sie den Ketten gegenübergestellt werden, bei denen die Schuldsummen abnahmen.39 Solche ließen sich nämlich auch finden, jedoch deutlich weniger häufig, insgesamt 23 Ketten. Es handelte sich dabei größtenteils um zeitlich nicht zusammenhängende Schulden sowie um kleine Beträge, eine Wahrnehmung eines Zusammenhangs liegt für die Beteiligten nicht nahe. Ketten mit aufsteigenden Schuldsummen waren also zweieinhalbmal häufiger. Die sich ergebenden Pfadvarianten gingen von 25 verschiedenen SchuldnerInnen aus und endeten bei 20 verschiedenen Gläubigern, die Endpunkte der Schuldenketten bildeten. Diese 45 Personen unterschieden sich von der Gesamtstichprobe in gewisser Hinsicht. Sie

37 38 39

StABS, Gerichtsarchiv E 4, 13v und 14v. StABS, Ratsbücher N 8, 17v, 25r, 28r und 32r. Oder auch gleich blieben. Es gibt somit Ketten, die in beiden Auswertungen gezählt wurden. Ihre Zahl fiel aber nicht ins Gewicht.

292

Schulden leben

stammten eher aus Basel40 und waren eher männlich.41 Bei der Betrachtung der Steuerkategorien zeigten sich Unterschiede zwischen den Anfangs- und Endpunkten von Schuldenketten. Während bei den Anfangspunkten von Schuldenketten die ärmeren zwei Steuerkategorien im Vergleich zu allen Personen, die an Schuldverhältnissen beteiligt waren, über- und die mittleren Kategorien eher unterrepräsentiert waren, zeigt sich bei den Endpunkten eine klare Konzentration auf die höchste Steuerkategorie. Gleich sechs der zwanzig Endpunkte sind dieser Kategorie zuzuordnen, sie machen damit über 40 Prozent der Endpunkte, die in der Steuerliste figurieren, aus, eine klare Überrepräsentation im Vergleich zum Anteil von zwölf Prozent dieser Kategorie. Diese Berechnungen basieren auf so kleinen Fallzahlen, dass die Unterschiede statistisch kaum zu belegen sind. Einzig der Einfluss des Vermögens auf die Tatsache, Endpunkt von Schuldenketten zu sein, lässt sich im Vergleich mit allen in Schuldsachen erwähnten Personen nachweisen. Endpunkte hatten im Schnitt signifikant höhere Vermögen.42 Auffällig ist überdies, dass in allen Listen von Personen, die an Schuldenketten beteiligt waren, Frauen deutlich unterrepräsentiert sind. Die gleiche Auswertung ist für 1497 erschwert durch den Umstand, dass der Bankrott von Waltenhein, der selbst bei seinen Schuldnern Geld eintrieb, in Dutzenden von Schuldenketten figurierte, darunter auch viele, in denen die Schuldsumme sank. Lässt man diese jedoch als verzerrend weg,43 sind die Ketten mit aufsteigender Schuldsumme und somit dem 1455 beobachteten Muster in der Überzahl (31 zu 18, also nicht ganz doppelt so viele). Erneut zeigt sich also, dass ein spektakulärer Einzelfall wie der Bankrott von Anton Waltenhein nicht repräsentativ war für den Alltag vor dem Schultheißengericht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es an sich nicht von Bedeutung sein musste, am Ende einer oder mehrerer Schuldenketten zu stehen, da sich in dieser Position oftmals einzelne kleine, zufällig wirkende Schuldverhältnisse fanden. Ein Teil der Personen, die als Gläubiger vermehrt auftraten, waren allerdings wirklich in Schuldketten verknüpft, die eher eine Struktur und Hierarchie erkennen lassen, indem etwa wie bei Ludman Meltinger gegen Ende der Kette ansteigende Schuldsummen und Vermögensverhältnisse zu beobachten waren. Besonders aufschlussreich sind dabei nicht die längsten Ketten, denn dort bricht in der Regel die Tendenz, sondern vielmehr Ketten von nur drei Personen, wobei oftmals eine Person vielen Kredit ge40

41 42 43

Es stammten 75 Prozent der Endpunkte (Gläubiger) und 64 Prozent der Anfangspunkte (Schuldner) sicher aus Basel, während dieser Anteil in der Gruppe der an Schuldbeziehungen beteiligten Personen 51,7 Prozent beträgt. Der Anteil von wahrscheinlich aus Basel Stammenden wich kaum ab, womit auch klar ist, dass die NichtbaslerInnen deutlich unterrepräsentiert waren. Der Frauenanteil beträgt 6,7 Prozent im Gegensatz zu 16,5 Prozent bei allen an Schuldbeziehungen beteiligten Personen. Zwischen Anfangs- und Endpunkten lässt sich kein Unterschied feststellen. Der p-Wert ist 0,029. Der Effekt ist jedoch sehr klein, was aber auch auf die Personen zurückzuführen ist, deren Vermögen nicht bekannt ist. Vgl. dazu die Ausführungen weiter oben in diesem Kapitel.

Schuldennetzwerke

293

währte und sich bei einer Drittperson selbst verschuldete – ob es sich dabei wirklich um eine Refinanzierung handelte, lässt sich nicht nachweisen. Außerdem zeigt sich im Einzelfall, dass den Beteiligten die Schuldverhältnisse der Kette bekannt waren, dieses Wissen aber nicht über eine Dreierkette hinausging. Es ist aber auch klar, dass solche Muster nicht die Regel waren bzw. dass sich nicht jeder Pfad im Netzwerk als Schuldenkette deuten lässt. Viele der Ketten sind eher analytisch konstruiert und sollten nicht überinterpretiert werden. Eine Quantifizierung der Muster scheint mir nicht machbar zu sein, sondern es gilt vielmehr, die Koexistenz von verschiedenen Formen von Schuldenketten festzuhalten, bei denen eine hierarchische Gliederung vorliegen konnte oder nicht, die zeitlich zusammenhängen konnten, aber nicht mussten und die den Beteiligten zumindest teilweise bewusst und bekannt waren. 6.1.3 Zeitliche Dimension Die letzte quantitative Untersuchung der Schuldennetzwerke, die ich hier vornehme, geht der Frage nach, wie sich die Schuldverhältnisse und Schuldprozesse übers Jahr verteilten.44 Es geht dabei einerseits um Netzwerkaspekte und damit die Frage, wie sich die Netzwerkstruktur und die Beteiligung einzelner Akteure im Jahresverlauf änderte, andererseits will ich auch kurz darstellen, wie sich die Gerichtsnutzung hinsichtlich der zeitlichen Dimension verhielt, im Jahres- wie auch im Wochenrhythmus. Schuldennetzwerke im Jahresverlauf Die folgenden Darstellungen und Betrachtungen stützen sich auf die Hauptkomponente, damit ersichtlich wird, wie sich das Netz über die Zeit entwickelte und wer es zusammenhielt. Die Grundlage für diese Auswertungen ist die Datierung der Einträge in den Gerichtsakten, wobei jeweils zwei Monate zusammengenommen werden (siehe Abbildung 6.11 und Abbildung 6.12 im Tafelteil). Eine alternative Darstellungsform besteht darin, alle Personen dargestellt zu halten, jedoch nur immer die Beziehungen von zwei Monaten anzuzeigen. Diese Darstellung befindet sich im Anhang.45 Bei beiden Darstellungsarten zeigt sich, dass die Tätigkeit einerseits relativ regelmäßig übers Jahr verteilt war, es also keine Momente gab, in denen größere Teile des Netzwerks aktiv waren und andere Teile gar nicht. Auf einer tiefen Ebene jedoch war genau das der Fall. Es sind relativ häufig einzelne sternförmige Strukturen ersichtlich.

44 45

Vgl. zur Analyse der zeitlichen Dimension von Netzwerken Lemercier, Time. Siehe Abbildung 8.8.

294

Schulden leben

Diese entstanden entweder, weil eine GläubigerIn innerhalb kurzer Zeit verschiedene SchuldnerInnen anging, oder aber umgekehrt, wenn viele GläubigerInnen ihre Forderung an eine Person deponierten. Vereinzelt hängen sich an diese Sternstrukturen weitere zeitlich nahe Beziehungen, die wohl oftmals in einem zumindest indirekten Zusammenhang standen. Neben der Betrachtung der Netzwerkstruktur bietet sich die Verteilung der Fälle übers Jahr auch zu einem Vergleich zwischen häufig auftretenden Personen und übers ganze Jahr verteilt auftretenden Personen an. Das trägt zur Klärung der Gerichtsnutzung bei. Bestätigt sich der Eindruck, dass einige zentrale Personen das Netz der Schuldverhältnisse zusammenhielten, auch bei Betrachtung der Netzwerkentwicklung übers Jahr? Die Auswertung für die Stichprobe 1455 beruht auf dem Vergleich der 21 Personen, die in vier oder mehr Zweimonatsspannen vor Gericht erschienen, mit den je 26 wichtigsten SchuldnerInnen und GläubigerInnen des Jahres. Unter Letzteren fehlen Personen, die nicht Teil der Hauptkomponente waren,46 dazu einige, die nur in drei Zeitfenstern erschienen, also auch ziemlich regelmäßig vor Gericht erschienen. Nur Heinrich Schlierbach konzentrierte seine im Unzüchterbuch dokumentierte Schuldeintreibetätigkeit auf zwölf Tage im Juli 1455, davon eine Mehrheit an einem einzigen Tag.47 Unter den SchuldnerInnen fehlen ebenfalls nur wenige Personen, die lediglich in einigen Zeitfenstern auftauchten, trotzdem scheint die zeitliche Konzentration bei den häufig vorkommenden SchuldnerInnen größer, was auf Momente zurückzuführen ist, wo viele GläubigerInnen in kurzer Zeit ihre Forderungen anbrachten. In Bezug auf 1497 habe ich 26 Personen, die in vier oder mehr Zweimonatsperioden aktenkundig wurden, mit 34 bzw. 36 wichtigen GläubigerInnen und SchuldnerInnen verglichen.48 Drei Personen waren sowohl häufig vorkommende Schuldner als auch wichtige Gläubiger. Es handelt sich um Franz Gallician, Ulrich Wolfer und Martin Flach. Der Erste war ein zentraler Gläubiger, der selbst auch in Schuldverhältnisse verwickelt war, der Zweite ein Bankrotteur, der Dritte kam wegen seiner Schulden ebenfalls in große Bedrängnis. Die beiden Letzteren nutzten wohl das Gericht, um angesichts ihrer Bedrängnis selbst ihre Schuldner zur Bezahlung zu zwingen. Unter den häufigen GläubigerInnen, die nicht übers ganze Jahr verteilt auftraten, finden sich viele, die in zwei oder drei Zweimonatsperioden (und somit auch relativ häufig) aktenkundig sind. Drei Gläubiger sind besonders zu erwähnen, da sie nur in einer Periode zu finden waren. Lienhard Pirry von Pfurt und Hans Müller von Geltringen ließen sich von vielen gemeinsam auftretenden Schuldnern Zahlungsversprechen geben. Sie tra-

46 47 48

Es handelt sich um drei Gläubiger, von denen zwei in vier und der Dritte in zwei Zeitabschnitten vorkamen. Ich komme weiter unten beim Unzüchterbuch nochmals auf Schlierbach zurück. Bei Ersteren betrug die Anzahl der Personen, zu denen Schuldbeziehungen bestanden (d. h. das Degree), mindestens vier, bei Zweiteren mindestens drei.

Schuldennetzwerke

295

ten nur ein- oder zweimal vor Gericht auf. Ein Reinhard Weslin forderte mehrere Vergichte in kurzer Zeit ein und strebte ein Urteil an, ebenfalls in der gleichen Zeitspanne. Über Weslin ist wenig bekannt. Unter den häufigen SchuldnerInnen finden sich einige, die nur in zwei oder drei Zweimonatsperioden auftraten, andere nur einmal bzw. mehrere Male in kurzer zeitlicher Folge. Es handelt sich da oft um Personen, deren Güter von einigen GläubigerInnen fast gleichzeitig in Verbot gelegt wurden. Damit gleichen sich die beiden Stichproben hinsichtlich der Gerichtsnutzung im Jahresverlauf. Im Schuldennetzwerk zentrale Personen waren auch regelmäßig und damit gut verteilt über das ganze Jahr vor Gericht anzutreffen. Das gilt vor allem für die GläubigerInnen, während bei den SchuldnerInnen der Effekt auftrat, dass die Schulden aufliefen und dies zu vielen Verfahren auf einen Schlag oder zu einem Verfahren mit vielen Beteiligten führte. Einzelne Gläubiger wichen von dieser regelmäßigen Verteilung ab, indem sie innerhalb kurzer Zeit viele Schulden einzutreiben versuchten. Es scheint sich hier um ein Muster zu handeln, dieses Vorgehen zeitlich zu konzentrieren – und danach womöglich länger nicht mehr die Gerichte zu bemühen. Justiznutzung im Verlauf der Zeit Geldflüsse und Schuldentilgung verteilten sich nicht regelmäßig übers Jahr, sondern unterlagen saisonalen Schwankungen. Das lag auch in der Stadt zu einem großen Teil an den landwirtschaftlichen Zyklen, wo nach der Erntezeit größere Geldsummen zur Verfügung standen.49 Auch Zinszahlungen folgten bestimmten Mustern, indem sie an bestimmten Heiligentagen konzentriert waren, als wichtigster ist der Martinstag (11. November) zu nennen.50 Wo Studien den zyklischen Verlauf übers Jahr untersuchten, stellten sie fest, dass es zwei Phasen im Jahr gab, wo besonders viele Schulden verhandelt wurden und besonders viel Geld im Umlauf war, nämlich um Ostern und im Herbst, während im Sommer eher wenig passierte.51 Um die saisonalen Muster der Schuldverhandlungen vor dem Schultheißengericht zu untersuchen, habe ich die beiden Stichproben zusammengezogen. Nach einer Übersicht über die Anzahl verhandelter Schulden und die Höhe der Schuldsummen folgen weitere Untersuchungen zum Einfluss der Attribute auf Schwankungen im Jahresverlauf.

49

50 51

Sturm, Privatkredit, S. 155; zur Saisonalität des Geldbedarfs siehe auch Lipp, Aspekte, S. 23; Clark, Debt, S. 268. Vgl. zur Saisonalität von Beschlagnahmungen Smail, Plunder, S. 186: Im Juni nahm sie zu, wandte sich verstärkt den Ernten zu und entwickelte sich im Verlauf des Sommers mit den gerade geernteten Produkten. Sturm, Privatkredit, S. 156. Smail, Consumption, S. 142; Sturm, Privatkredit, S. 161.

296

Schulden leben

Die Aussagekraft der Schuldsummen ist etwas eingeschränkt durch die Tatsache, dass zu vielen Schuldbeziehungen die Angaben zur Schuldsumme fehlen. Der Anteil von unbekannten Schuldsummen an der Gesamtzahl erfasster Beziehungen beträgt zwischen 40 und 60 Prozent. Da keine auffälligen Muster zu erkennen sind und der CHI2-Test keine signifikanten Schwankungen aufzeigt, gehe ich jedoch davon aus, dass die fehlenden Angaben zu Schuldsummen keinem zeitbezogenen Bias unterliegen und die Auswertungen deshalb Gültigkeit aufweisen. Die Unterschiede beim Mittelwert zeitigten in der Varianzanalyse allerdings keine signifikanten Werte.52 Dies im Gegensatz zum Median, dessen Unterschiede gemäß Mood’s Median-Test auf dem Ein-Prozent-Niveau signifikant sind.53 Der Jahresverlauf ist bei Mittelwert und Median ähnlich (siehe Abbildung 6.13), wobei die Ausschläge beim Median weniger heftig ausfallen  – wie angesichts dessen Berechnung auch zu erwarten ist.54 Einer Baisse im Sommer ( Juni–August) stehen Peaks im Frühling (März–April) und im Herbst (September–Oktober) gegenüber. Im Winter blieben die Schuldsummen eher tief, allerdings höher als im Sommer. 45.0 40.0 35.0 30.0 25.0 20.0 15.0 10.0 5.0

Mittelwert

be r ze m

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Median

Abb. 6.13 Zeitliche Verteilung der Schuldsummen (Mittelwert und Median), in beiden Stichproben, alle Beträge in Pfund umgerechnet

52 53 54

P-Wert von 0,149. P-Wert von 0,001726. Vgl. Anhang 8.3.2.

297

Schuldennetzwerke

Im Vergleich mit der Anzahl an Schuldbeziehungen, die pro Monat erfasst wurden, zeigen sich keine klaren Muster (siehe Abbildung 6.14). Die Anzahl der Fälle begann erst nach Jahresmitte auffällig zu schwanken, wobei Monate mit einer hohen Anzahl an Beziehungen (wie August und Oktober) sowohl einen niedrigen (August) als auch einen hohen (Oktober) Median aufweisen können. Der September mit dem höchsten Median war gleichzeitig ein Monat mit eher wenigen erfassten Fällen. In Bezug auf die Anzahl an Fällen ergibt sich aus dieser Auswertung also kein eindeutiges Muster von saisonaler Schwankung, abgesehen von einer Zunahme im August und den zwei folgenden Monaten. Ein angesichts der Literatur zu erwartender Peak im Frühling lässt sich nur hinsichtlich der Schuldsummen, nicht aber hinsichtlich der Anzahl an Fällen beobachten. Dass aber im Frühling und im Herbst am meisten Geld im Umlauf war, lässt sich aufgrund der hohen durchschnittlichen Schuldsummen vermuten. 250

200

150

100

50

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be r Ok to be r

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Se p

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Ju li

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Ja nu ar

0

Abb. 6.14 Anzahl erfasster Schuldbeziehungen im Jahresverlauf in beiden Stichproben

In Bezug auf die Vermögenslage der beteiligten GläubigerInnen zeigt sich für beide Stichproben ein sehr ähnlicher Jahresverlauf mit gewissen Abweichungen. Grundsätzlich zeigt sich eine parallele Bewegung von Personen aus armen und reichen Vermögenskategorien im Winter, hingegen ergeben sich Abweichungen im Frühling (April– Juni) und im Herbst (August–Oktober), wo die Beteiligung der ärmeren Kategorien deutlich anstieg.55 Die mittlere Kategorie hat einen sehr ähnlichen Verlauf wie die

55

Das gilt für 1497 mit und ohne Anton Waltenhein als Schuldner, vgl. Abbildung 8.6 im Anhang, die für 1497 die Anteile ohne den Fall Waltenhein verwendet.

298

Schulden leben

reichste, weicht aber im Sommer ( Juli und August) im Vergleich zur reichsten ebenfalls nach oben ab. Die reichste Kategorie schwankt hingegen am schwächsten. Unterschiede zwischen den beiden Stichproben bestehen hinsichtlich der mittleren Kategorie, die in der Stichprobe 1455 eher schwächer schwankt als die reichste, das Muster weicht hier deutlicher von 1497 ab. Als wichtigste Feststellung über beide Stichproben bleibt somit die deutlich häufigere Bemühung des Gerichts durch GläubigerInnen der ärmsten Vermögenskategorie im Frühling und im Herbst. Dieses Muster lässt sich gut damit erklären, dass die ärmere Bevölkerung gegen Ende des Winters in der Regel mit Ressourcenknappheit zu kämpfen hatte, da die Preise für Lebensmittel im Jahresverlauf dort ihren Höhepunkt hatten. Der zweite Höhepunkt im Herbst ließe sich damit erklären, dass nach der Erntezeit mehr flüssige Mittel zirkulierten, was das Eintreiben von Schulden erleichterte. Von diesen Faktoren waren reichere Personen weniger stark abhängig, da sie über mehr Reserven verfügten. Die Unterschiede zwischen den mittleren Vermögenskategorien lassen sich kaum erklären, außer dem Peak der mittleren Kategorie 1497 im Juli, der vor allem auf die geringe Fallzahl in diesem Monat zurückzuführen ist. Bei der Stichprobe 1455 ergibt die Untersuchung der (feinen) Vermögenskategorie der SchuldnerInnen im Jahresverlauf gewisse Auffälligkeiten: Die höchste Vermögenskategorie war vor allem in der zweiten Jahreshälfte vertreten, während die ärmsten immer vorhanden waren, aber nur in den ersten drei Monaten des Jahres dominierten. Die mittleren Kategorien hingegen wurden als SchuldnerInnen vor allem im Spätsommer und Herbst (die zweite eher nach August, die dritte Juli/August) belangt. Die Zweitreichsten waren auf tiefem Niveau als SchuldnerInnen immer vorhanden, mit sehr wenig Schwankungen.56 Was die Herkunft anbelangt, fällt als Erstes auf, dass die Beteiligung von Auswärtigen viel schwächeren Schwankungen unterlag als diejenige der BaslerInnen (siehe Abbildung 6.15). Die beiden Stichproben zeigen aber, abgesehen von einem gewissen Anstieg der Fälle im Herbst, gegenläufige Tendenzen. 1455 war eher der Sommer von Bedeutung, 1497 hingegen waren in den Monaten Januar bis April deutlich mehr Auswärtige vor Gericht anzutreffen. Das ist überraschend, weil die Wege im Winter ja wohl eher schlechter waren. Andererseits ließ vielleicht die Winterzeit eher Reisen zu als die arbeitsintensive Sommerzeit auf dem Land. Eine genauere Untersuchung der Daten hat gezeigt, dass die hohe Beteiligung im Winter 1497 vor allem auf SchuldnerInnen zurückzuführen ist, während der Anstieg im Herbst beider Stichproben auf eine vermehrte Präsenz von GläubigerInnen zurückzuführen ist. Die Zahl der BaslerInnen vor Gericht folgt keinen eindeutigen Mustern, ist im Vergleich der Stichproben oft kleinräumig gegenläufig. Die auffällig hohe Zahl von BaslerInnen im Oktober 1497 ist auf die vielen Verbote im Fall von Anton Waltenhein zurückzuführen.

56

Siehe Abbildung 8.7 im Anhang.

299

Schuldennetzwerke

200 180 160 140 120 100 80 60 40 20

1455 BaslerInnen

1455 Auswärtige

1497 BaslerInnen

ze m

be r

be r De

No ve m

Ok to be r

be r te m

Se p

Au gu st

Ju li

Ju ni

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Ap ril

är z M

ru ar Fe b

Ja nu ar

0

1497 Auswärtige

Abb. 6.15 Beteiligung an den den erfassten Schuldbeziehungen beider Stichproben im Jahresverlauf, aufgeschlüsselt nach Herkunft (ohne unklare Fälle)

Die Gerichtsnutzung im Wochenverlauf habe ich aufgrund der Unterschiede nach Stichprobe aufgeschlüsselt. Zuerst vergleiche ich die Anzahl an erfassten Schuldbeziehungen und die Mediane der in Pfund umgerechneten Schuldsummen im Wochenverlauf (siehe Abbildung 6.16 und Abbildung 6.17). Vorauszuschicken ist, dass 1455 der Freitag noch keinen Gerichtstermin darstellte, 1497 aber schon. Die Unterschiede des Medians sind bei beiden Stichproben signifikant.57

57

Mood’s Median-Test, p-Wert = 0,001333 (1455) bzw. p-Wert = 0,04227 (1497).

300

Schulden leben

200

14

180

12

160 10

140 120

8

100 6

80 60

4

40 2

20 0

Montag

Dienstag

Mittwoch

Median Schuldsumme

Donnerstag

Samstag

0

Anzahl Fälle

Abb. 6.16 Anzahl der erfassten Schuldbeziehungen (linke Skala) und Median der Schuldsummen (rechte Skala) im Wochenverlauf, Stichprobe 1455

140

8

120

7 6

100

5

80

4 60

3

40

2

20 0

1

Montag

Dienstag

Mittwoch

Median Schuldsumme

Donnerstag

Freitag

Samstag

Anzahl Beziehungen

Abb. 6.17 Anzahl der erfassten Schuldbeziehungen (linke Skala) und Median der Schuldsummen (rechte Skala) im Wochenverlauf, Stichprobe 1497

0

Schuldennetzwerke

301

1455 schwankte die Anzahl der verhandelten Beziehungen im Wochenverlauf noch relativ wenig, es zeigt sich ein leichtes Ansteigen in der Wochenmitte. Montag und Samstag waren Tage mit wenigen Fällen, aber hohen Schuldsummen. 1497 zeigt sich ein anderes Bild. Am Montag und am Mittwoch wurden die meisten Fälle von Schulden bearbeitet, am Donnerstag und 1455 ebenfalls am Samstag die mit der höchsten Schuldsumme. Der Samstag war auch beeinflusst von der stärkeren Präsenz von Auswärtigen, deren Beteiligung in der Regel mit höheren Schuldsummen verbunden war.58 Die Gerichtsordnung von 1433 setzte fest, dass ein Ausschuss des Gerichts am Montag und am Mittwoch über Summen von weniger als fünf Pfund entscheiden sollte.59 Offenbar wirkte dieser Beschluss 1455, also zwanzig Jahre nach der normativen Quelle, erst bedingt, denn am Montag war die Schuldsumme von gut zwei Drittel der Fälle höher als fünf Pfund, nur der Mittwoch wies deutlich geringere Schuldsummen auf. Noch 1497 war der Montag ein Tag, an welchem die Hälfte der Fälle über der angesetzten Grenze lag. Die Untersuchung des Einflusses von Attributen auf die Gerichtsnutzung im Wochenverlauf zeigte nur bei der Herkunft der Beteiligten der Stichprobe 1497 signifikante Resultate. Die Schwankung der Anzahl an Schuldbeziehungen im Wochenverlauf war 1497 Resultat der unterschiedlichen Beteiligung der BaslerInnen (siehe Abbildung 6.18), während die Anzahl der Auswärtigen eher stabil war.60 Zusätzlich fällt auf, dass der Samstag sich inzwischen zum Tag entwickelt hatte, an dem sowohl mehr auswärtige GläubigerInnen als auch mehr auswärtige SchuldnerInnen vor Gericht erschienen. Und auch die Schuldbeziehungen, bei denen beide Parteien nicht aus Basel stammten, wurden deutlich häufiger an Samstagen verhandelt.61

58 59 60 61

Siehe weiter unten und Kapitel 6.2.2. Schnell, Rechtsquellen, Bd. 1.1, S. 116. Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 33: „Daran hielten sich die Betroffenen gewöhnlich, so dass die überragende Mehrzahl der Vergichte ihrem geringen Streitwert entsprechend auf Montag oder Mittwoch datiert.“ 1455 ist die absolute Zahl der Auswärtigen über die Woche gar noch stabiler, und die Unterschiede werden von den BaslerInnen ausgemacht. 16 von 42 dieser Schuldbeziehungen wurden an einem Samstag notiert, das entspricht 38 Prozent.

302

Schulden leben

160 140 120 100 80 60 40 20 0

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

GläubigerInnen von Basel

Auswärtige GläubigerInnen

SchuldnerInnen von Basel

Auswärtige SchuldnerInnen

Samstag

Abb. 6.18 Herkunft der GläubigerInnen und SchuldnerInnen der Stichprobe 1497 im Wochenverlauf (ohne Anton Waltenhein)

Unzüchterbuch Eine letzte Untersuchung der zeitlichen Dimension ermöglichte das Unzüchterbuch. Von diesem habe ich die zwei Jahre 1455 und 1456 vollständig erfasst, womit sich ein Vergleich anbietet. Tabelle 6.4 zeigt, dass die Übereinstimmung der beteiligten Personen sehr klein war. Erstaunlicherweise waren es eher noch die SchuldnerInnen, welche in beiden Jahren anzutreffen waren. Diese waren es auch, welche über beide Jahre hinweg die Knoten in Verbindung brachten und somit ein Netz überhaupt entstehen ließen, wie Abbildung 6.19 zeigt. Tab. 6.4 Anzahl und Anteil der in beiden Jahren vorkommenden SchuldnerInnen und GläubigerInnen des Unzüchterbuches Anzahl insgesamt

Anzahl in beiden Jahren

Anteil in beiden Jahren

GläubigerInnen

148

14

9,5 %

SchuldnerInnen

176

27

15,3 %

Schuldennetzwerke

303

Abb. 6.19 Hauptkomponente des Schuldennetzwerks, wie es sich im Unzüchterbuch findet. Die Schuldbeziehungen von 1455 sind schwarz, diejenigen von 1456 grau dargestellt, die Linienstärke zeigt die Schuldsumme an. Die Knotengröße ist abhängig vom Indegree (d. h. der Häufigkeit des Auftretens als GläubigerIn), die Schattierung der Knoten zeigt das Steuervermögen an (je dunkler, desto höher)

Die Erwartung, zentrale Gläubiger (und hier ist die männliche Form durchaus angebracht) anzutreffen, die in beiden Jahren regelmäßig Einträge im Unzüchterbuch veranlassten, bestätigt sich somit nicht. Ganze zwei Personen traten in beiden Jahren mehrfach als Gläubiger auf, nämlich ein armer Karrer namens Konrad Sigrist und Hugli Bomer, der der mittleren Vermögenskategorie angehörte. Ersterer ist in beiden Jahren je dreimal (und außerdem findet er in einer Vertagung in einer Schuldsache Erwähnung), Bomer insgesamt fünfmal als Gläubiger anzutreffen. Die Schuldsummen waren dabei durchweg klein. Nur eine einzige belief sich auf mehr als ein Pfund, und entsprechend stammten auch die Schuldner (und eine Schuldnerin) aus den ärme-

304

Schulden leben

ren Vermögenskategorien62 Das Unzüchterbuch lässt sich hier als niederschwelliges Instrument der Eintreibung von kleinen Alltagsschulden zwischen eher ärmeren BaslerInnen erkennen. Es stellt sich jedoch die Frage, weshalb dies nicht häufiger so genutzt wurde. Als Schuldner mehrfach erwähnt in beiden Jahren ist nur ein eher armer Weber namens Barfuss. 1455 trat dieser insgesamt fünfmal als Schuldner auf, dreimal im Unzüchterbuch und zweimal mit Vergichten, 1456 waren es zwei Einträge im Unzüchterbuch (die anderen Quellen des Jahres sind nicht erfasst). Mit einer Ausnahme fanden alle Einträge im Herbst statt. Die Schuldsummen bewegten sich dabei zwischen weniger als einem Viertelpfund und fünf Gulden (ungefähr 5.75 Pfund).63 Barfuss ist auch der Schuldner, der insgesamt am häufigsten im Unzüchterbuch erwähnt ist. Anders ist es bei den Gläubigern, hier gab es fünf Personen, die häufiger Schulden eintrieben als Sigrist und Bomer, aber nur in jeweils einem Jahr.64 Auch die Gläubiger, die in einem Jahr häufig auftraten, mussten in einem anderen Jahr nicht zwingend anzutreffen sein, eher das Gegenteil war der Fall. Heinrich Schlierbach zum Beispiel, ein reicher Basler Tuchhändler und Kaufmann, war im Unzüchterbuch 1455 13-mal als Gläubiger vertreten, im Folgejahr hingegen nur ein einziges Mal. Noch interessanter ist die zeitliche Konzentration der 13 Einträge. Sie verteilten sich nämlich auf gerade einmal zwei Daten im Juli 1455. Weshalb Schlierbach gerade zu diesem Zeitpunkt so viele Schulden eintrieb, ist nicht erkennbar, es wirkt jedoch so, als ob er alle offenen Schulden mittels Unzüchterbucheinträgen einforderte. Die Schuldsummen schwankten zwischen einem halben und fast dreißig Pfund, waren somit eher höher als im Unzüchterbuch üblich. Die Gesamtsumme von knapp 62 Pfund fiel bei Schlierbachs Steuervermögen, das sich auf über 7.000 Pfund belief,65 jedoch kaum ins Gewicht. Schlierbachs Schuldeintreibung mittels Unzüchterbuch war eine rein innerbaslerische Angelegenheit, von den 14 Schuldnern stammte keiner sicher nicht aus Basel, nur zwei konnte ich nicht auf der Steuerliste identifizieren. Die Übrigen waren in großer Mehrheit den mittleren Steuerkategorien zuzurechnen, nur zwei waren ganz arm, und nur einer stammte aus der zweithöchsten Steuerkategorie, niemand aus der höchsten – der Schlierbach selbst angehörte. Das soziale Gefälle war also beträchtlich, das zeigen auch die Berufe der Schuldner: je zwei Schneider (hier ist eine geschäftliche Beziehung denkbar) und Schuhmacher, je ein Fischer, Gürtler, Weinmann und Schiffmann. Über die anderen vier häufigen Gläubiger, die nur in einem Jahr vorkommen, ist weniger bekannt: Zwei lassen sich in der Steuerliste nicht identifizieren, einer nicht ein62 63 64 65

Die Einträge verteilen sich auf Sommer und Herbst 1455 und Februar bis Juli 1456. StABS, Ratsbücher N 8, 19v, 21r, 22r, 24r, 25r, 27r, 27v, 28r, 31v, 32v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 150v. StABS, Ratsbücher N 8, 19r, 23r, 25v, 35v, 39r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 34v, 41v. Mit einer kleinen Ausnahme: Heinrich Schlierbach kommt in beiden Jahren vor, im zweiten allerdings nur ein einziges Mal (und ich habe ja Sigrist und Bomli erwähnt, weil sie in beiden Jahren mehrfach vorkamen). Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 645.

Schuldennetzwerke

305

deutig (es stehen zwei gleichnamige Personen aus der mittleren Vermögenskategorie zur Auswahl). Der Letzte, ein Nestler namens Lienhard Malterer, stammt ebenfalls aus der mittleren Vermögenskategorie. Die Schuldbeträge dieser vier Personen schwankten zwischen 0,4 und zehn Pfund und wichen in Median und Mittelwert im Vergleich zum restlichen Unzüchterbuch nur wenig nach oben ab. Die zeitliche Verteilung übers Jahr gleicht bei zweien der von Schlierbach, mit der Konzentration auf wenige Tage oder Monate, während zwei ihre Aktivitäten im Unzüchterbuch eher regelmäßiger übers Jahr verteilten. Unter den häufigen Gläubigern ist bloß Hans zum Pilgerstab auch als Schuldner häufig anzutreffen, ansonsten stimmen die SchuldnerInnen kaum mit den GläubigerInnen überein (4,5  Prozent aller beteiligten Personen sind in beiden Rollen anzutreffen). Hans zum Pilgerstab zog auch sehr kleine Summen ein (von 0,1 bis 0,25 Pfund), schuldete selbst aber größere (zwischen knapp einem Pfund und 5,75 Pfund). Seine Schuldner waren eher unbekannter Herkunft, seine Gläubiger aus Basel. Über Pilgerstab selbst ist nichts Weiteres bekannt, außer dass er noch in einem Verbot als Gläubiger und seine Frau ebenfalls in einem Verbot sowie im Unzüchterbuch als Gläubigerin auftrat. Der Vergleich der zwei Jahre und die Beobachtung, dass viele Personen nur in einem Jahr auftraten, dafür zum Teil sehr häufig  – und auch konzentriert auf wenige Termine –, lässt darauf schließen, dass das Unzüchterbuch von den meisten GläubigerInnen nur punktuell als Mittel zur Schuldeintreibung genutzt wurde. 6.1.4 Komplexe Schuldmuster Die Auswertungen der Schuldennetzwerke bis hier haben gezeigt, dass es sich lohnt, auf kleinräumige Strukturen der Netzwerke einzugehen. Hier sollen komplexe Verschuldungsmuster66 zur Sprache kommen, die in der bisherigen Darstellung zu kurz gekommen sind. Es handelt sich um die Schuldverhältnisse, in denen Drittpersonen beteiligt waren. Diese lassen sich sehr schlecht codieren, denn wenn A versprach, seine Schuld statt an B an C abzuzahlen, dann ist oft nicht klar, in welchem Verhältnis B und C standen. War B SchuldnerIn von C, und versuchte man damit, Ansprüche gegenseitig zu verrechnen in einer Art, die einem Wechsel glich,67 oder war C bloß von B mit dem Eintreiben der Schuld beauftragt oder stand sonst in einem Verhältnis? Da diese Frage für die Gerichtsquellen nicht von Belang war, wurde sie in der Regel

66 67

Vgl. Schuster, Age, S. 43 f. Vgl. das Beispiel von Martin Flach, der seinen Gläubiger ermächtigte, die Schuld eines Augsburgers an ihn einzutreiben (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 50v–51v, siehe Abschnitt 6.3.1).

306

Schulden leben

nicht erwähnt, und deshalb ließen sich diese Beziehungen auch nicht codieren.68 Entsprechend kann ich die Dreiecksverhältnisse und die Rolle von Drittpersonen nicht systematisch auswerten. Ein Peter Tigel zum Beispiel versprach dem Verteter seines Gläubigers Jos Steinhauser, einem Basler Schuhmacher, in Raten eine Schuld von ungefähr fünf Gulden abzustottern.69 Das Vergicht umfasst vier Personen, aber nur zwei Beziehungen sind klar festzustellen: Die Schuld von Tigel an Steinhauser sowie die Vollmacht von Steinhauser an seinen Vertreter. In welcher Beziehung Steinhauser und der Schuhmacher standen, ist völlig unklar. Weiter oben70 habe ich kurz aufgezeigt, wie die SchuldnerInnen und diejenigen, die deren Schuld übernahmen, zueinander standen, und dabei außer einer gewissen Tendenz, dass BaslerInnen die Schuld von Auswärtigen übernahmen, keine Muster festgestellt. Diese Tendenz ließe sich allenfalls damit erklären, dass die BaslerInnen die Abzahlung von Schulden gegenüber von Basler GläubigerInnen garantierten und somit eher in einem Auftragsverhältnis standen, welches vielleicht auch einer Bürgschaft nahe kam.71 Ich habe auch zwei Beispiele davon dargelegt, wie die beteiligten Drittpersonen in einem Schuldverhältnis standen und dass somit Ansprüche im Dreieck bestanden und entsprechend weitergereicht oder abgezahlt wurden.72 Neben dieser Struktur 73 mochten noch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben, aber auch diese lassen sich kaum systematisch nachweisen. Es konnte zum Beispiel eine Erbschaft involviert sein.74 In aller Regel ist aber nur ersichtlich, dass der Gläubiger oder die Gläubigerin ihre Ansprüche an eine andere Person als die eigentliche Schuldnerin richten konnten.75 68 69

70 71 72 73 74 75

Auf das Erfassen einer vagen Beziehung im Sinne von „stehen wegen einer Schuldsache in Beziehung“ habe ich verzichtet. „Item da verjach Peter Tigel von Lindow der Schuomacher burger ze Basel funff guldin und ein ort minder oder mer off rechnung, Melchior Großen von Ravenspurg als der von Jos Steinhuser vollen gewalt gehept und daz an ein brieff gezoigt hat, als da versprach der obgen. Peter Engel [gemeint war wohl Tigel] Hannsen Luterwin dem schuomacher zu Basel ietz nechst Sant Martins tag ein guldin zegeben und dannenthin alle ior zu Sant Martins tag ein guldin untz die schuld bezalt wirt, wa er daran sumig wurde so sol er an alles widersprechen fur alle crutz, und hat ouch das dem gereicht schriber in sin hand versprochen stet zehalten.“ StABS, Gerichtsarchiv C 6, 15v. Siehe Kapitel 3.1.3. In Bürgschaften stellten, wie in Kapitel 2.3.3 gezeigt, zumindest 1497 auch oft auswärtige SchuldnerInnen Basler Bürgen. Zu Dreieckshändeln mit Schuldansprüchen Bell/Brooks/Moore, Non-use, S. 143; Taylor, Credit, S. 17. Diese Struktur habe ich noch weitere vereinzelte Male beobachtet, z. B. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29r: Der Sohn als Gläubiger seines Vaters erhielt die Zinsen einer Schuld einer Drittperson gegenüber dem Vater zugesprochen. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 15r: Vergicht, welches die Bezahlung einer Schuld aus einem Erbe umfasste, wobei die Bezahlung vom Mann der Erblasserin direkt an den Gläubiger der Erbin versprochen wurde. Dazu einige Beispiele: Ein Gläubiger durfte dem anstelle des eigentlichen Schuldners zahlenden Metzger silbernes Geschirr wegtragen, wenn er nicht bezahlte, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 9r. Die Quelle erwähnt eine partielle Abzahlung einer Schuld durch eine Drittperson, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 11v. Drei Personen haben sich „verbunden“ betreffend der Schuld an eine Drittperson,

307

Schuldennetzwerke

Ein sehr gutes Beispiel für die Zirkulation von Geld und Ansprüchen im (hier sogar doppelten) Dreieck zeigt sich in einer Kundschaft von 1455.76 Zwei Zeugen berichten je, wie Zahlungen nicht an den Gläubiger, sondern an den Gläubiger des Gläubigers gingen. Diese Verhältnisse lassen sich am besten mit einem Diagramm aufzeichnen. Einerseits versprach Verena Stempfer, eine Schuldzahlung nicht direkt an die Nostelbach zu leisten, sondern an Mechlin, der in einer nicht weiter definierten Beziehung zur Nostelbach stand, vermutlich als Gläubiger. Spitalmüller, der wiederum gegenüber Stempfer verschuldet war, zahlte ebenfalls an Mechlin. Auch hier ist eine Beziehung vorauszusetzen, die nicht erwähnt wird, nämlich diejenige zwischen Stempfer und Mechlin, wohl in Form einer Schuld von Ersterer an Letzteren.

Sagt als Zeuge aus für Contzmann Egerkind Verena Stempfer

schuldet Geld (1 lb)

schuldet Geld Sagt als Zeuge aus für Frau Nostelbach

verspricht Zahlung Mögliche Beziehung: Schuldet Geld

Mögliche Beziehung: Schuldet Geld

Erhard Spitalmüller

Hat Geld übergeben (1 lb)

Contzlin Mechlin

Abb. 6.20 Muster der Schuldbeziehungen von Verena Stempfer77

Komplexe Schuldbeziehungen entstanden auch dort, wo mehrere Personen sich gemeinsam verschuldeten. Auch dies schuf Querverbindungen, die zwar codierbar, aber nicht einfacher zu analysieren sind. In der Stichprobe von 1497 habe ich die Beziehung „ist MitschuldnerIn von“ 60-mal codiert in insgesamt 27 Quelleneinträgen.78 Da sich

76 77 78

StABS, Gerichtsarchiv A 26, 96v. Urteil über ein Versprechen, die Schuld gegenüber einer Drittperson abzuzahlen, StABS, Gerichtsarchiv C 6, 42r; weitere Fälle: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 81v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 21r und 36r. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 31v. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 31v. Das heißt auch, dass einige Quellen mehr als zwei gemeinsame SchuldnerInnen umfassen. In zwei Quellen waren es gar fünf Personen, die gemeinsam auftraten (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 36v

308

Schulden leben

die Daten der Stichprobe von 1455 nicht für eine Auswertung eignen,79 stelle ich nur die 1497 zu beobachtenden Muster kurz vor. Am auffälligsten sind die Daten hinsichtlich der Herkunft. Die Betrachtung der Distanzkategorien zeigt, dass viele MitschuldnerInnen eine gemeinsame Herkunft hatten. Sie stammten, wenn von den Personen der Herkunftsort bekannt war, tatsächlich aus dem gleichen Dorf,80 einige davon waren auch verwandt. Ganz offensichtlich spielte hier die soziale Nähe der Beteiligten eine Rolle, was allerdings keine Überraschung darstellt und sich von der Beziehung zwischen GläubigerIn und SchuldnerIn auch deutlich unterscheidet. Bezüglich der Vermögenslage ist die Situation weniger klar, es fällt einzig auf, dass in der ärmsten Kategorie einige Personen gemeinsam auftraten. Es kamen einige Frauen als MitschuldnerInnen vor, allerdings nie gemeinsam. Es ist hier aber zu beachten, dass ich die gemeinsame Verschuldung von Ehepaaren hier nicht codiert habe, ich bin weiter oben bereits auf dieses Phänomen eingegangen.81 Egal, ob Drittpersonen direkt oder indirekt ins Schuldverhältnis einbezogen waren, zeigt sich somit, dass in vielen Situationen die Schuldbeziehung sich nicht auf die bloße Verbindung zwischen GläubigerIn und SchuldnerIn beschränkte, sondern in einen weiteren Kontext eingebettet war. Gerade die Dreiecksverhältnisse lassen sich zwar als Verbindungen im Netzwerk erkennen (es gibt einen Pfad, der die drei Personen verbindet), aber nicht eindeutig analysieren, weil, wie gesagt, eine Verbindung oft im Unklaren bleibt. Die Netzwerkcodierung, die auf die erkennbaren Schuldverbindungen fokussiert, kann dieser Komplexität nicht gerecht werden. Sie müssen aber bei der Betrachtung von Schuldverhältnisse als wichtige soziale Beziehungen berücksichtigt werden. 6.2 Wer schuldete wem? Die Ausführungen bis hier haben gezeigt, dass zwar vereinzelt Einblicke in die sozialen Settings von Transaktionen möglich sind, aber eigentlich nie in die konkreten sozialen und ökonomischen Verhältnisse, die dieser Transaktion zugrunde lagen. Um der Frage nachzugehen, inwiefern soziale Nähe oder Distanz bei der Entstehung von Schulden eine Rolle gespielt haben, die vor Gericht verhandelt wurden, ist deshalb eine andere

79 80

81

und 39v). Die fünf waren jeweils nicht verwandt, bzw. es gibt keine Hinweise in der Quelle, die auf eine Verwandtschaft hindeuten. Die 20 codierten Beziehungen zeigen keine auffälligen Muster. Es handelt sich durchweg um kleinere Ortschaften, die fast alle in der Nähe von Basel lagen, d. h. weniger als 20 Kilometer entfernt waren: Jenzlingen (StABS, Gerichtsarchiv  C  16, 36v); Welmlingen (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 36v); Duggingen (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 38v); Wyhlen (StABS, Gerichtsarchiv  C  16, 39v); Michelbach (StABS, Gerichtsarchiv  A  41, 204r); Haltingen (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 37v); Trimbach (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 49r) und Heimersdorf (StABS, Gerichtsarchiv C 16, 59r). Siehe Kapitel 4.1.3.

Wer schuldete wem?

309

Perspektive gefragt als die des Einzelfalls. Die hier angeführten Attribute mögen eine Annäherung an die mögliche soziale Nähe darstellen, die ich hier stellvertretend untersuche. Die bisherige Forschung zur vormodernen Schuldenwirtschaft hat sich die Frage nach der sozialen Nähe auch schon gestellt und ist dabei zu widersprüchlichen bzw. differenzierten Resultaten gekommen. Insbesondere die Rolle der Familie ließ sich oft genauer untersuchen. So hielt Julie Claustre fest, „le crédit mobilisait des solidarités“, man habe dafür auf seine Partner, Familie und Freunde zurückgreifen müssen.82 Auch Wout Saelens hat in Bezug auf ökonomische Beziehungen innerhalb niederländischer Gilden keinen Ersatz von „ties of blood and kinship“ durch die wachsende Zivilgesellschaft erkannt.83 Clare Crowston schränkt immerhin ein, dass „while the majority of credit transactions were embedded in social networks and occurred between parties linked by ties of family, friendship, and reputation, forms of impersonal credit were by no means unknown“.84 Mike Burkhardt hingegen sah im Verlauf des Spätmittelalters eine eher sinkende Bedeutung von Familien bei langfristigen Geschäften, während sie bei kurzfristigen Geschäften nie besonders wichtig gewesen zu sein schien.85 Diese hinsichtlich der Form von Schulden differenzierte Bedeutung der Familie zeigt Matthias Steinbrink auch am Beispiel des Basler Kaufmanns Ulrich Meltinger. Dieser schuf mit Krediten langfristige Abhängigkeiten, vor allem auf dem Land im Zusammenhang mit einem Verlagssystem. Warenkredite ging er mit Handwerkern in der Stadt ein, oft auch in Form von langfristigen Beziehungen. Der Geldkredit hingegen war der Familie vorbehalten. Auf die Gründe, soziale Nähe bei Krediten zu umgehen, geht Anna-Carolina Vogel ein: „The commitment sustained by strong ties is also directly proportional to the consequences of possible disappointment.“86 Verwandtschaft ließ sich in den Basler Quellen nur in wenigen Fällen erkennen – es folgt weiter unten eine separate Betrachtung dieser Schuldbeziehungen.87 Es ist nicht eindeutig feststellbar, ob die kleine Zahl der Tatsache geschuldet ist, dass die Verwandtschaft oft nicht schriftlich festgehalten wurde, oder ob tatsächlich nicht mehr Verwandte das Gericht nutzten. An die Stelle der Verwandtschaft, die auch im Spätmittelalter mit der Semantik von sozialer Nähe beschrieben wurde und sich deshalb 82 83 84 85 86 87

Claustre, Crédit, S. 589. Ähnlich auch Smail, Plunder, S. 26; Häberlein, Kreditbeziehungen, S. 41; Sturm, Privatkredit, S. 115: „Zumeist bat der potenzielle Schuldner eine Privatperson aus seinem direkten Umfeld um einen Kredit.“ Saelens, Guild, S. 29: „it seems that the spheres of the family, the guild, the economy, and politics in urban society of the medieval and early modern Southern Netherlands were much more entangled with one another“. Crowston, Metanarrative, S. 15. Sie stützt sich dabei nicht zuletzt auf die Arbeiten von Daniel Smail. Burkhardt, Networks, S. 20–24. Auch Clark, Debt, S. 252, erwähnt wenig erkennbare Familienbeziehungen. Vogel, Credit, S. 97. Siehe Kapitel 6.3.4.

310

Schulden leben

kaum trennscharf abgrenzen lässt,88 treten deshalb andere Annährungen an ebendiese Nähe. In diesem Kapitel versuche ich mit Attributen wie geografischer Verortung, Vermögen und Geschlecht der Frage nachzugehen, wo sich Nähe und Asymmetrien beobachten lassen. Diese Attribute eignen sich nicht für eine direkte Beweisführung. Erst mit der quantitativen Analyse einer großen Zahl von Schuldbeziehungen lassen sich Tendenzen erkennen, die einer kritischen Interpretation standhalten. 6.2.1 Attribute Die bisherigen Untersuchungen, die sich an Attributen wie der Herkunft, dem Geschlecht oder der Vermögenslage orientierten, untersuchten jeweils SchuldnerInnen und GläubigerInnen getrennt. Dies nicht zuletzt, weil fehlende Daten dabei weniger ins Gewicht fallen. In der Kombination ist es dann häufig so, dass ein gewichtiger Teil der Beziehungen mindestens an einem Ende lückenhafte Daten aufweist. Diese Lücken werden in der Folge immer mit dargestellt, indem eine Kategorie „Unbekannt“ systematisch mit gezeigt (und, wenn möglich, interpretiert) wird. Es sollen hier nun die Attribute in ihrer Wirkung auf die Beziehung untersucht werden, konkret kann das heißen, dass nicht mehr die Frage im Zentrum steht, welches Attribut sich wie auf die Tatsache auswirkt, dass jemand GläubigerIn oder SchuldnerIn ist, sondern wie häufig die Beziehungen zwischen Exponenten der verschiedenen Kategorien sind. Diese Häufigkeit wird in Form der Dichte dargestellt, d. h. des Verhältnisses zwischen den effektiv vorhandenen und den tatsächlich möglichen Beziehungen. Dieses Maß neigt zwar dazu, Kategorien mit geringer Anzahl an Personen, die einzelne Verbindungen aufweisen, überzubewerten, es ist aber doch die beste Form der Gruppierung nach Attribut.89 Als Darstellungsform wählte ich für diese aggregierten Netzwerke90 die Matrix, in der jedes Feld die Kombination von zwei Ausprägungen des gleichen Attributs darstellt und desto dunkler eingefärbt ist, je dichter die Beziehungen in diesen Gruppen ist.91 Eine genauere Erläutung der Darstellungen inklusive Lesebeispiel findet sich im Anhang 8.3.2. Wichtig zur Interpretation ist die Tatsache, dass die verschiedenen Ausprägungen von SchuldnerInnen in den Zeilen, diejenigen der GläubigerInnen in 88 89 90 91

Vgl. Seidel, Freunde, S. 13 und 18 f. Auf diesen Effekt kleiner Kategorien hat mich Claire Lemercier aufmerksam gemacht. Es sei ihr an dieser Stelle gedankt für diesen wichtigen Hinweis. Vgl. zum Nutzen von aggregierten Daten, vor allem bei lückenhafter Quellenlage, Jullien, Netzwerkanalyse. Um die Datenmenge auszuweiten, habe ich in die Stichprobe von 1455 auch die Unzüchterbucheinträge des Jahres 1456 integriert. Diese verzerren meiner Ansicht nach das Gesamtbild nur unwesentlich, tragen aber zu einer größeren Stichprobe bei, was angesichts der doch recht zahlreichen Lücken in den Attributlisten einen Vorteil darstellt.

311

Wer schuldete wem?

den Spalten aufgeführt werden. Ich führe die Dichtematrizen jeweils gleich eingangs des jeweiligen Attributs an, gefolgt von Angaben zur Homophilie, also zur Tendenz, bevorzugt innerhalb der eigenen Kategorie Schuldbeziehungen einzugehen bzw. vor Gericht zu verhandeln. Die Homophilie lässt sich auf der Ebene des ganzen Netzwerkes berechnen, dann ist von Gesamthomophilie die Sprache; sie kann aber auch für jede einzelne Ausprägung einer Kategorie separat berechnet werden. Gruppen mit der Tendenz, eher Beziehungen außerhalb der Gruppe zu unterhalten, werden als heterophil bezeichnet. In der Auswertungsphase habe ich verschiedentlich versucht, die Kombination von Attributen zu analysieren, also zum Beispiel Geschlecht und Herkunft. Die relativ hohe Quote an unbekannten Werten und die eher kleine Stichprobengröße führten dazu, dass die gebildeten Kategorien zu klein ausfielen, um noch signifikante Unterschiede erkennen zu können. Deshalb kann ich hier keine solche Auswertung vornehmen. Geschlecht

m

w

m

m

m

w

w

w

Abb. 6.21 Dichtematrizen, aggregiert nach Geschlecht, Stichproben von 1455 (rechts) und 1497 (links)

Bezüglich des Geschlechts überwog in beiden Stichproben die Tendenz, Schulden bevorzugt innerhalb des gleichen Geschlechts einzugehen.92 Das ist aber in der früheren Stichprobe nur auf die Männer zurückzuführen, und auch in der späteren Stichprobe war die Homophilie der Frauen nicht signifikant. Was in der Matrizendarstellung auffällt, ist die größte Dichte in der größten Gruppe, nämlich der Männer, was bei den anderen Matrizen selten vorkam. Während 1455 noch relativ viele Männer Schuldner von Frauen waren, kamen Schuldverhältnisse über die Geschlechtergrenze hinweg 1497 deutlich weniger häufig vor. Erstaunlich und nicht einfach zu erklären ist die Tatsache, dass offenbar die Konstellation von Frauen, die Männern schuldeten, selten vor Gericht verhandelt wurde.

92

–0,33 (1455) bzw. –0,59 (1497).

312

Schulden leben

0

1

2

Vermögen

3

0

0

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Abb. 6.22 Dichtematrizen, aggregiert nach Vermögenskategorie, Stichproben von 1455 (links) und 1497 (rechts). Kategorien: 0: keine Angaben zum Vermögen, 1: arme Kategorie, 2: mittlere Kategorie, 3: reiche Kategorie

Die Analyse der Gesamthomophilie beider Stichproben zeigt, dass tendenziell Schuldverhältnisse innerhalb der eigenen Kategorie seltener waren als solche zwischen verschiedenen Vermögensklassen.93 Dasselbe gilt auf Ebene der Gesamtmatrix auch für die weiter unten dargestellte feinere Kategorisierung von 1455.94 Die Untersuchung der einzelnen Kategorien zeigt, dass dafür in erster Linie die Kategorie der Personen, über deren Vermögenssituation nichts bekannt ist, und 1455 zusätzlich die unterste Vermögenskategorie verantwortlich sind. Eine ausgeprägte Tendenz, innerhalb der reicheren und reichsten Kategorie Schuldverhältnisse einzugehen bzw. diese vor Gericht zu verhandeln, gab es dennoch nicht. 0

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Abb. 6.23 Dichtematrix, aggregiert nach Vermögenskategorie, Stichprobe von 1455. Kategorien: 0: keine Angaben zum Vermögen, 1–5 aufsteigende Vermögenskategorie

Die feinere Kategorisierung von 1455 (siehe Abbildung 6.23) weist darauf hin, dass innerhalb der ärmsten Kategorie der Vergleichskategorisierung Unterschiede bestanden. Die Heterophilie stammt von der zweitärmsten Kategorie, während die anderen

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0,29 (1455) bzw. 0,32 (1497). 0,38.

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beiden Kategorien tendenziell eher zur Homophilie neigten, jedoch nicht in einem statistisch signifikanten Bereich.95 Auch die Homophilie der reichsten Kategorie erreicht die Schwelle zur Signifikanz knapp nicht.96 Somit lassen sich im Bereich der Diagonalen der Matrizen, die ja mit der Homophilie untersucht wird, keine großen Unterschiede feststellen. Hingegen zeigt die Betrachtung der ganzen Matrix auf einen Blick das Ansteigen der Dichte nach rechts, d. h. bei steigender Vermögenslage der GläubigerInnen, und auch nach oben, in Richtung der ärmeren GläubigerInnen. Die nicht mit einer Vermögenslage identifizierten Personen hingegen zeigen ein Muster, das ungefähr dem Schnitt der anderen Kategorien folgt. Die eher helle linke untere Ecke zeigt, dass das Muster von reichen SchuldnerInnen armer GläubigerInnen selten vorkam, wenn auch nicht ausgeschlossen war. Mit einer Ausnahme (mittlere Vermögenskategorie der Stichprobe 1497) war bei der groben Vergleichskategorisierung immer ein Ansteigen der Dichte mit zunehmendem Reichtum der GläubigerIn zu beobachten. Die feinere Kategorisierung weicht im Einzelfall davon ab, ohne jedoch eine grundsätzlich andere Aussage nahezulegen. Das weitaus dichteste Muster war dasjenige von ganz armen SchuldnerInnen reicher GläubigerInnen, wobei die feinere Kategorisierung von 1455 nahelegt, dass innerhalb der armen Kategorie nicht die Allerärmsten häufig vor Gericht gezogen wurden, sondern eher die reicheren zwei Drittel. Die Auswertung der Schuldverhältnisse nach Vermögenskategorien zeigt also ziemlich deutlich die Existenz eines sozioökonomischen Gefälles. Es gab zwar Schulden, die innerhalb der gleichen Vermögenskategorie verhandelt wurden – und zwar in einem mehr oder weniger durchschnittlichen Umfang –, insgesamt aber überwogen die Konstellationen mit einem sozialen Gefälle zuungunsten der SchuldnerInnen deutlich, ohne aber die entgegengesetzte Konstellation ganz zu verdrängen.97 Dabei scheint es so, als ob die Allerärmsten nicht ganz so häufig als SchuldnerInnen auftraten, oder wenn, dann durchaus auch von ebenfalls armen GläubigerInnen.98 Mit Craig Muldrew ließe sich deshalb sagen:

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Bei der ärmsten Kategorie ist Signifikanz nur bei einem (hoch angesetzten, d. h. wenig konservativen) Signifikanzniveau von zehn Prozent gegeben, die dritte Kategorie erreicht auch diese Schwelle nicht. Die im Vergleich relativ stark ausgeprägte Homophilie weist einen p-Wert von 0,0554 auf, verpasst die Signifikanz bei einem Niveau von fünf Prozent also knapp. Siehe dazu Signori, Schuldenwirtschaft, S. 55. Ihre Beobachtung, das Gefälle habe massiv zugenommen, kann ich hingegen für den Vergleich zwischen 1455 und 1497 nicht bestätigen. Zur Beobachtung von sozialem Gefälle in Schuldbeziehungen in St. Gallen im 14. Jahrhundert siehe Schoch, Bevölkerung, S. 258. Vgl. zur geringeren Beteiligung von Armen Clark, Debt, S. 267: Gläubiger vertrauten laut Clark Leuten wie sich selbst. Muldrew, Economy, S. 255, zeigt auf, dass wohl fast alle Schichten klagten, die Armen aber mehr unter sich. Diese Tendenz ist beim Basler Material allerdings im Gegensatz zum deutlich häufigeren Gefälle nur undeutlich zu erkennen.

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It is true that the poor were more indebted to the wealthy and credit did not ultimately alter the power of wealth, but the wealthy were still indebted to the poor to a considerable degree and their credit in the town would have been dependent on how conscientious they were with their debts.99

Anna-Carolina Vogel hat in Bezug auf Kredite in der Stadt Esslingen im 19. Jahrhundert festgestellt, dass die Kreditvergabe durch tendenziell reichere Personen nicht nur eine Frage des vorhandenen Kapitals darstellte, sondern eine „certain presence or having a high social profile“ ebenfalls wichtig war.100 Das soziale Prestige der Akteure des 15. Jahrhunderts konnte ich aber nicht messen, und so bleibt nur die Feststellung, dass dieses nicht immer in direktem Zusammenhang mit dem Vermögen stehen musste.101 Kurz soll hier noch ein Aspekt zur Sprache kommen, den ich nur in der Stichprobe von 1455 untersuchen konnte. Ich wollte schauen, ob die reichsten Gläubiger, deren Forderungen in den Gerichtsakten nachvollziehbar sind, untereinander auch Schulden einforderten. Das war aber kaum der Fall. Unter den 30 reichsten Personen, von denen ich eine Schuldbeziehung codiert habe, finden sich ganze drei Verbindungen.102 Wenn also die Reichsten untereinander Geschäftsbeziehungen führten und dabei Schulden verhandelten, so geschah dies eher nicht vor dem Schultheißengericht.103 Den Abschluss dieses Abschnitts macht eine detailliertere Betrachtung der verschiedenen Prozessformen. Die Aufschlüsselung der Dichtematrix in Bezug auf das Vermögen zeigt die Unterschiede im ökonomischen Gefälle zwischen den verschiedenen Prozessformen. Die Darstellungen der Matrizen befinden sich im Anhang.104 Es zeigen sich bei beiden Stichproben sehr ähnliche Muster. So waren die Vergichte jeweils die Prozessform, die am ehesten in allen Kombinationen vorkam, wobei jedoch das soziale Gefälle klar überwog, indem die ärmeren Kategorien deutlich häufiger die SchuldnerInnen, die reichen aber die GläubigerInnen stellten. Die Felder unterhalb der Diagonalen sind fast durchweg heller eingefärbt, d. h., dass es kaum je ein Gefälle 99 Muldrew, Economy, S. 253. 100 Vogel, Credit, S. 93. 101 Schoch, Bevölkerung, S. 76, erwähnt in diesem Kontext vor allem den Adel und weist auf S. 151 auf die Gefahren hin, die mit der ausschließlichen Verwendung des Vermögens als Schichtungskriterium verbunden sind. 102 Es handelt sich um ein Verbot und zwei Urteile, StABS, Gerichtsarchiv E 4, 14v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 112v und 142v. 103 Franz Ehrensperger hat Kreditvergaben anhand von Schuldbüchern geprüft, allerdings sind seine Hinweise in Bezug auf die Schuldner aus Basel nicht eindeutig, es scheint eher, als ob auch da die Kreditverhältnisse unter der reichsten Bevölkerungsschicht nicht von großer Bedeutung waren, siehe Ehrensperger, Stellung, S. 345–347. Bei Ulrich Meltinger hingegen muss es einen Kreis gegeben haben, der von seinen Krediten profitierte und der ihm sozial nahestand, siehe Steinbrink, Meltinger, S. 79. Auf S. 92 ergänzt Steinbrink, dass damit vor allem der Familienkreis gemeint war. Es ist naheliegend, dass solche Kredite nicht vor einem Gericht verhandelt wurden, wenn es damit Probleme gab. 104 Siehe Abbildung 8.9 und Abbildung 8.10.

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in die andere Richtung gab. Die gleiche Beobachtug gilt übrigens auch für das Unzüchterbuch der Jahre 1455 und 1456. Die Frönungen und Verbote zeigen insgesamt ein ähnliches Gefälle, allerdings fehlen in beiden Stichproben die reicheren Kategorien fast vollständig unter den SchuldnerInnen. Die wenigen aber, die sich da finden, hatten ärmere GläubigerInnen. Somit waren alle drei Formen  – Vergichte, Verbote und Frönungen – deutlich und ähnlich von einem sozialen Gefälle geprägt. Dieses fiel allerdings bei den auf Beschlagnahmung (beziehungsweise Androhung derselben) basierenden Schuldeintreibungsverfahren noch klarer aus, weil nämlich die reicheren Bevölkerungsschichten kaum je davon betroffen waren. Das ist hinsichtlich des Zugriffs auf Sachwerte von säumigen SchuldnerInnen sehr signifikant. Offenbar galt für reichere BaslerInnen die Beobachtung, dass Güter gleichwertig mit Bargeld als Zahlungsmittel eingesetzt wurden, in einem viel kleineren Ausmaß – was so weit ging, dass dies nicht einmal eingefordert wurde. Das ist nicht nur ein Beleg für den differenzierten Zugang zu Bargeld, sondern darüber hinaus auch ein Hinweis auf die ehrenrührige Kompentente des Zugriffs auf persönliche Güter. Völlig anders hingegen präsentiert sich die Struktur der Schuldklagen. Bei beiden Stichproben blieben die beiden höchsten Schichten (die ja ungefähr ähnliche Anteile an der Gesamtstichprobe darstellen) deutlich häufiger unter sich – 1497 fast ausschließlich in der zweitreichsten Kategorie, während die ärmere(n) Kategorie(n) sehr geringe Dichten aufwiesen. Diejenigen, die aus diesen Kategorien in Schuldklagen verwickelt waren, hatten allerdings eher reichere GläubigerInnen, womit sich für die ärmeren Kategorien doch das Bild eines gewissen Gefälles zeigt. Es bestätigt sich hier der Aspekt der Konflikthaftigkeit und auch der Eindruck, dass ein Gerichtsprozess, der über die einfache Beschlagnahmungsandrohung hinausging, für die ärmeren Gesellschaftsschichten kaum zugänglich war. Gleichzeitig waren sie auch etwas weniger davon bedroht, was aber vor allem bedeutet, dass viele eines der anderen Verfahren nicht auf die Ebene eines „richtigen“ Prozesses mit Urteilsspruch des Gerichts bringen konnten, um sich gegen die Ansprüche zu wehren. Schuldentopografie: Herkunft und Distanz 0

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Abb. 6.24 Dichtematrizen, aggregiert nach Herkunft, Stichproben von 1455 (links) und 1497 (rechts). Kategorien: 0: Herkunft unbekannt, 1: aus Basel, 2: nicht aus Basel, 3: wahrscheinlich aus Basel (nur 1455)

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Die beiden Matrizen weisen insgesamt unterschiedliche Tendenzen auf in Bezug auf die Gesamthomophilie: 1455 ist die Matrix heterophil, 1497 homophil.105 In der detaillierten Untersuchung zeigt sich dann, dass in beiden Auswertungen die BaslerInnen homophil sind, d. h. eine erhöhte Tendenz zu Schuldverhältnissen innerhalb der eigenen Kategorie aufweisen. In der ersten Stichprobe gilt dies auch für die Kategorie der wahrscheinlich aus Basel Stammenden, die hier überhaupt sehr ähnliche Muster aufweist wie die BaslerInnen. Die nicht lokalisierbaren Personen haben sehr unauffällige Homophiliewerte um null herum, d. h., sie standen weder sehr selten noch auffällig häufig in Verbindung mit Personen aus der eigenen Gruppe, was dafür spricht, dass diese Gruppe relativ stark durchmischt war. Je nach Stichprobe überwiegt die Homophilie der BaslerInnen in der Gesamthomophilie (1497) oder eben nicht (1455). Trotz gegenläufiger Gesamthomophilie fallen also die Muster in Bezug auf die Herkunft ähnlich aus. Das gilt auch für die detailliertere Betrachtung der Matrizen. In beiden Stichproben traten BaslerInnen deutlich häufiger als GläubigerInnen auf, Auswärtige häufiger als SchuldnerInnen, und zwar bevorzugt von BaslerInnen – ohne dass dies jedoch ausschloss, dass Schuldverhältnisse vor dem Basler Gericht verhandelt wurden, bei denen beide Beteiligten nicht aus Basel stammten. Es bestätigt sich hier die Zentrumsfunktion von Basel für die umliegende Region, wie ich sie weiter oben beobachtet habe.106 Wie der Begriff Homophilie zu verstehen ist, zeigt ein genauer Blick auf die Gruppe der Auswärtigen. Es finden sich 1497 insgesamt 31 Schuldbeziehungen zwischen Parteien, die beide nicht aus Basel stammten und die lokalisiert werden konnten. Nur fünf davon weisen eine Distanz von weniger als zehn Kilometern auf.107 In den meisten Fällen war offenbar nicht die gemeinsame Herkunft das vereinende Element, sondern die Tatsache, dass beide Parteien in Basel vor Gericht gingen. Tendenzen zur Homophilie zeigen also nicht an, dass man von persönlicher Bekanntschaft oder gar Vertrautheit ausgehen kann, sondern dass sich Personen in einer ähnlichen Situation befanden – sei es wie hier als Auswärtige in Basel, sei es in ähnlicher sozioökonomischer Position in der städtischen Gesellschaft im Fall der Vermögenskategorien. 0

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Abb. 6.25 Dichtematrizen, aggregiert nach Distanzklasse, Stichproben von 1455 (links) und 1497 (rechts). Kategorien: 0: Herkunft unbekannt, 1: aus Basel, 2: näheres Umfeld von Basel, 3: weiteres Umfeld von Basel 105 0,19 (1455) bzw. –0,05 (1497). 106 Vgl. Kapitel 4.1.2. 107 Die durchschnittliche Distanz betrug fast 60 Kilometer, was auffällig hoch ist.

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Die oben stehende Abbildung 6.25 schlüsselt die Auswärtigen in zwei Unterkategorien auf, während die ersten beiden Spalten und Zeilen (Personen mit unklarer Lokalisierung und BaslerInnen) praktisch unverändert sind.108 Beide Stichproben neigen in dieser Matrizendarstellung zur Heterophilie. 1497 ist keine Aussage möglich zu den zwei Kategorien außerhalb Basels – dass die BaslerInnen homophil waren, habe ich schon gezeigt. 1455 hingegen zeigt sich erstaunlicherweise eine Homophilie zwischen Exponenten der Kategorie „näheres Umland von Basel“, die hier offenbar stärker dazu neigten, ihre Konflikte um Schulden in die Stadt zu tragen. Allerdings ist die Gesamtzahl der betreffenden Personen klein, denn die frühere Stichprobe umfasste ja weniger Personen von außerhalb der Stadt Basel, und das heißt auch, dass hier der Effekt der kleinen Kategoriengröße eine gewisse Rolle spielt. Die Matrizen bestätigen auch die weiter oben109 gemachte Beobachtung, dass vor allem 1497 die Personen aus größerer Distanz eher als Gläubigerinnen auftraten als die Personen aus dem näheren Umland von Basel. Eine Ausnahme stellen jeweils die Basel-nahen SchuldnerInnen dar, die selten wegen Schulden an Personen, die aus größerer Distanz stammten, vor Gericht gebracht wurden – was kaum eine Überraschung darstellt, weil in diesen Fällen schwer zu erklären ist, weshalb sie ausgerechnet vor dem Basler Schultheißengericht hätten verhandelt werden sollen. Einzelne Fälle kamen aber doch vor (sonst wäre das Feld in der Matrix ganz weiß), und es zeigt sich in solchen Fällen, dass es sich um Personen handelte, die beide nach Basel reisten, wie etwa eine Kundschaft von 1455 zeigt. Nachdem der Gläubiger dem Schuldner Pferd und Wagen in einer Basler Wirtschaft in Verbot gelegt hatte, zog sich der Konflikt länger hin, und es erwies sich als schwierig, den Fall vor Gericht zum Abschluss zu bringen, denn die zwei Parteien verpassten sich bei verschiedentlich angesetzten Gerichtsterminen.110 Offenbar waren also beide geschäftlich nach Basel gekommen, hatten dort miteinander zu tun gehabt und wollten den Fall ensprechend dort lösen. In einer letzten Darstellung zur Schuldentopografie außerhalb Basels habe ich die geografische Verteilung der Auswärtigen der späteren Stichprobe über eine Darstellung der territorialen Gliederung gelegt (siehe Abbildung 6.26 im Tafelteil). Einige Lücken lassen sich auf geringe Besiedlung etwa der Schwarzwaldregion zurückführen. Insbesondere schien sich die Spezialregelung mit Grafschaft Hachberg-Sausenberg (in der Karte braun hinterlegt), welche verhindern sollte, dass Personen aus dieser Markgrafschaft vors Schultheißengericht gezogen wurden, kaum auszuwirken.111 In nördlicher Richtung lassen sich so kaum auffällige Muster beobachten, in südlicher Richtung hingegen schon. In den Gebieten der Eidgenossenschaft finden sich viel we-

108 Es gab 23 Personen, die als NichtbaslerInnen zu identifizieren, aber nicht genau zu lokalisieren waren, womit sie oben in Kategorie 2, hier aber in die Kategorie 0 fallen. 109 Siehe Kapitel 4.1.2. 110 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 22v f. 111 Vgl. Rippmann, Bauern, S. 157–160.

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niger Punkte und außerdem eher GläubigerInnen, obwohl die Distanzen kaum größer ausfallen als in nördliche Gebiete, die noch viele Herkunftsorte ausweisen. Es wäre sehr interessant zu prüfen, ob sich mit dem Beitritt Basels zur Eidgenossenschaft, der 1501 vollzogen wurde, ein Wandel einstellte.112 Schuldentopografie innerhalb der Stadt In Kapitel 4.1.1 bin ich schon auf die Streuung der GerichtsnutzerInnen über die Stadt eingegangen, zum Teil nach SchuldnerInnen und GläubigerInnen getrennt, und habe dabei die deutliche Zentrum-Peripherie-Struktur dieser Verteilung aufgezeigt. In diesem Abschnitt geht es nun deshalb um die konkreten Konstellationen von Schuldbeziehungen innerhalb der Stadt. Für die Stichprobe von 1497 konnte ich die Distanz von Schuldbeziehungen innerhalb der Stadt Basel untersuchen. Die durchschnittliche Distanz einer Schuldbeziehung belief sich auf rund 310 Meter.113 Rentenkäufe und Verbote wichen nach unten ab (mit 207 bzw. 216 Metern), Klagen entsprachen mit 293 Metern praktisch dem Durchschnitt, Frönungen und Vergichte hingegen wichen nach oben ab (326 bzw. 371 Meter). Die Zahl der Rentenkäufe war zwar sehr klein, aber hier schien geografische Nähe als Faktor eine Rolle zu spielen. Die große Nähe der Verbote kann vermutlich auf die zentrale Wohnlage des wichtigsten Schuldners Anton Waltenhein zurückgeführt werden. Er wohnte an der Freien Straße in unmittelbarer Nähe zum Marktplatz. Die genannten Distanzwerte sind in Bezug zu setzen zur durchschnittlichen Distanz zwischen den untersuchten Personen.114 Diese beläuft sich auf 398 Meter. Die in den Vergichten zutage tretenden Schuldbeziehungen wichen also im Vergleich zu allen Distanzen nur minimal nach unten ab. Mit einer zufälligen Wahl von Personen wäre entsprechend mit ähnlichen Durchschnittswerten zu rechnen. Oder konkreter ausgedrückt: Räumliche Nähe spielte bei den Vergichten keine Rolle, bei den Rentenverkäufen aber schon. Diese Tatsache ist Ausdruck einer breiten Streuung von alltäglichem Konsumkredit (der ja vor allem die Vergichtbücher prägte)115 über den ganzen städtischen Raum. Diese eher großen Distanzen sind umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass viele GläubigerInnen in relativ zentraler Lage in der Stadt wohnten, was kurze Distanzen

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Vgl. die (leider unveröffentlichte) Habilitationsschrift von Claudius Sieber-Lehmann, die sich mit diesem „turning swiss“ aus einer etwas anderen Perspektive auseinandersetzt: Sieber-Lehmann, Basel. Dieser Analyse liegen 232 Schuldbeziehungen zugrunde, von denen sowohl GläubigerIn als auch SchuldnerIn in der Stadt lokalisierbar waren. Gemeint sind hier alle Personen, die in einem Schuldverhältnis als Gläubigerin oder Schuldnerin auftauchen. Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 33 und 41 f.

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erwarten lässt. Die Feststellung vertieft folglich die Beobachtung einer ZentrumPeripherie-Struktur der Schuldverhältnisse. Wenn die Schuldverhältnisse innerhalb der Stadt insgesamt nicht von räumlicher Nähe geprägt waren, stellt sich dennoch – oder erst recht – die Frage, ob die wenigen Fälle mit räumlicher Nähe gewisse Auffälligkeiten aufweisen. Für die Stichprobe von 1455 konnte ich räumliche Nähe nur dann annehmen, wenn beide Parteien in der gleichen Straße wohnten.116 Der Anteil von Beziehungen in der gleichen Straße war mit 21 eher tief.117 Zwei Straßen waren mit vielen Fällen vertreten, nämlich Unter den Krämern und An Spalen, beides eher wohlhabende Straßen im Quartier St. Peter. Am nächsten wohnten wohl Heinrich Wyss und Hans Mannenbach, zwischen denen in der Steuerliste lediglich zwei Namen figurieren, darunter Wyss’ Stiefsohn.118 Diese beiden stellen wohl ein Beispiel dar fürs Umkippen von positiven Beziehungen.119 Im März des Jahres 1455 stellte Wyss Mannenbach noch eine Vollmacht aus, für ihn Schulden einzutreiben.120 Im Oktober und November dann verhandelten sie eine Schuld Mannenbachs von 46 Gulden vor Gericht, wobei dieses feststellte, dass die Schuldsumme zu zahlen war, und zwar nach Ende der Genfer Messe, während eine silberne Kanne, die wohl ein Pfand darstellte, in den Besitz von Mannenbach zurückkehren sollte.121 Bei den anderen Schuldverhältnisse innerhalb einer Straße fällt auf, dass im Vergleich zur Gesamtstichprobe die einfachen Vergichte in den Hintergrund traten. Verbote waren auch wenig häufig (um Gegensatz zur späteren Stichprobe, wie unten zu sehen ist), Klagen etwas häufiger. Am häufigsten aber waren die Unzüchterbucheinträge (die sich mit der Stichprobe von 1497 nicht vergleichen lassen). Die geringe Häufung von Schuldbeziehungen innerhalb einer Straße spiegelt sich auch in der Gesamthomophilie, deren Wert ziemlich hoch ausfällt und somit gegen eine Konzentration von vor Gericht verhandelten Schuldbeziehungen innerhalb der nächsten Umgebung, hier gemessen an der Straße der Steuerliste, spricht.122 Die un116

Die Edition von Gustav Schönberg (Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 594–689) gliedert das Großbasler Gebiet in 56 Straßen, Straßenabschnitte oder Gebiete in der Stadt. Kleinbasel hingegen wird nicht weiter unterteilt und erscheint deshalb hier nicht. 117 Eine Varianzanalyse spricht dagegen, dass vorwiegend Personen aus Straßen mit vielen Haushalten innerhalb der Straße aktenkundige Schuldverhältnisse aufwiesen (und dafür, dass der Effekt daher eher auf die Größe der Kategorie als auf andere Faktoren zurückzuführen war): Die Straßen hatten im Schnitt etwas mehr Haushalte, der p-Wert von 0.397 lässt dies jedoch nicht als einen signifikanten Unterschied deuten. 118 Vgl. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 651. 119 Smail, Consumption, S. 150, bezeichnet solche Konflikte zwischen Ehegatten, Nachbarn, Freunden als „a falling out“ und betont, dass es dabei nicht nur um Geld ging, im Detail auch noch auf S. 156: Schuldstreitigkeiten waren oft „motivated by a growing hatred between two former associates“. Vgl. auch Claustre, Ethnographie, S. 40 f.: Kreditbeziehungen konnten freundschaftlich eingegangen und dann feindschaftlich werden. 120 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 76r. 121 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 128v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 136r. 122 0,368.

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tersuchten Fälle zeigen außerdem, dass die wenigen Fälle eher einem anderen Muster folgten. Das wird in der Stichprobe von 1497 noch deutlicher. Fälle mit kleinen Distanzen waren in der Regel durch Verbote geprägt, so etwa der Fall vom Weinmann Hans Keser, dessen unmittelbare Nachbarin namens von Arx auch unter den Personen aufgeführt ist, die sein Gut in Verbot legten.123 Ebenfalls eine kurze Distanz wiesen Hans Jungermann und Werlin Stucki auf, zumindest vor der Flucht Stuckis wegen seiner Schulden.124 Der Grund des Gangs vor Gericht mag in solchen Fällen weniger im Entstehen eines Konflikt gelegen haben als in der Tatsache, dass ein Konkurs drohte und die Nachbarschaft nicht mehr länger warten konnte, ohne einen Totalverlust zu riskieren. Die nächstgrößere Distanz, beim Vergicht von Simon dem Sattler an Hans Keller den Schuhmacher, belief sich schon auf rund 40 Meter, unmittelbare Nachbarn waren die Parteien nicht mehr.125 Es ist die kürzeste bekannte Distanz für ein Vergicht, und sie belegt, dass diese Form kaum genutzt wurde, wenn man sehr nahe wohnte.126 Ich werde im nächsten Abschnitt noch untersuchen, welchen Einfluss die Umgebung, in der man wohnte, auf die Schuldbeziehungen und deren Verhandlung vor Gericht hatte. Zur Illustration der Strukturen von Schuldbeziehungen des Jahres 1497 werden hier die Schuldbeziehungen innerhalb der Stadt auf dem Löffelplan gezeigt (siehe Abbildung 6.27 im Tafelteil). Die Darstellung bestätigt mehrere schon thematisierte Aspekte deutlich. Die Konzentration der GläubigerInnen im Zentrum fällt sofort auf, ebenso die viel regelmäßigere Streuung der SchuldnerInnen über die ganze Stadt. Ebenso spiegelt sich die schwächere Beteiligung der BewohnerInnen der Vorstädte in der Darstellung, die im Zentrum eher unübersichtlich wird.127 Wenn wir nun die neue Information, nämlich die tatsächlich feststellbaren Schuldbeziehungen, betrachten, so verstärken diese den Eindruck noch. Es laufen sehr viele Linien im städtischen Zentrum zusammen, und es lassen sich kaum Querverbindungen innerhalb der und zwischen den Außenquartieren beobachten. Zwei Regionen der Stadt fallen neben dem Zentrum rund um den Marktplatz auf: erstens die ebenfalls sehr dicht und in beiden Rollen in Schuldbeziehungen verwickelte Gegend am Brückenkopf der Rheinbrücke und zweitens die Spalenvorstadt. Es handelt sich dabei um Gebiete, die auch kurze Beziehungen aufwiesen – was sonst außerhalb des Zentrums nur vereinzelt in einem mittleren Kreis um die Innenstadt herum vorkam, etwa am Heuberg südöstlich vom Zentrum, der von 123

StABS, Gerichtsarchiv  E  7, 44r. Später ist sie auch bei der Verrechnung seines Vermögens aufgeführt, StABS, Gerichtsarchiv G 9, 27r. Weitere Beispiele von kurzen Distanzen finden sich bei Anton Waltenhein. 124 Jungermann wollte gerichtlich erreichen, Stuckis Haus verkaufen zu dürfen, und wird auch bei der Verrechnung aufgeführt (StABS, Gerichtsarchiv B 14, 111r; StABS, Gerichtsarchiv G 9, 25v). 125 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 39v. 126 Vgl. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 33: Sie sieht den Benutzerkreis der Vergichte in den Vorstädten. 127 Vgl. insbesondere Kapitel 4.1.1.

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eher reichen BürgerInnen bewohnt wurde. Der Spalenberg fällt im Vergleich mit den anderen Vorstädten unmittelbar auf. Er war von zum Teil reichen Personen bewohnt, die im Transportgewerbe tätig waren, was diese spezielle Rolle vielleicht zu erklären vermag.128 Umgebung 0

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Abb. 6.28 Dichtematrizen, aggregiert nach Umgebung, Stichproben von 1455 (links) und 1497 (rechts). Kategorien: 0: keine Angaben zur Umgebung, 1–5 bzw. 1–3 zunehmender Reichtum der Umgebung

Die Auswertung der Umgebung folgt einer etwas anderen Logik als diejenige des Vermögens, auch wenn die Einteilung in Umgebungen auf den Vermögensangaben beruht. Es geht um die Einbettung von Personen in ein räumliches Umfeld. In der Stichprobe von 1455 ist es mangels Alternativen die Straße, 1497 hingegen habe ich die Anteile von reicheren Haushalten im bestimmten Umkreis von jeder Person bestimmt und eine Verteilung erstellt, die mit ähnlichen Zahlenverhältnissen die Personen in reiche, mittlere und arme Umfelder einteilten. Es geht also hier nicht um die Vermögensverhältnisse der jeweiligen Personen, sondern um die Verhältnisse ihrer räumlichen Umgebung. Während die Gesamthomophilie der beiden Dichtematrizen jeweils heterophil ausfiel, wiesen in der detaillierten Analyse die reicheren Kategorien eher eine Tendenz zur Homophilie aus.129 Der Unterschied zu den Vermögenskategorien zeigt sich gut in der feineren Kategorisierung von 1455. Es gab eine klare Konzentration der GläubigerInnen in den reichsten Umgebungen (die äußeren beiden Spalten rechts sind klar dunkler eingefärbt), die Überrepräsentation der ärmsten Kategorie bei den SchuldnerInnen ist bei armer Umgebung noch ausgeprägter als bei Betrachtung des Vermögens. Allerdings ist dort das Gefälle innerhalb der Zeile weniger stark ausgeprägt als

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Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 137 und 213. 0,37 (1455) bzw. 0,33 (1497).

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beim Vermögen, d. h., Personen aus ärmster Umgebung schuldeten auch oft Personen aus ähnlicher Umgebung. Insgesamt bedeuten diese Resultate, dass die beobachtete Sozialtopografie der Schulden, konkret die Konzentration von Beteiligten in Gebieten mit eher wohlhabenden EinwohnerInnen, nicht nur die stärkere Beteiligung derselben an Gerichtsverfahren widerspiegelt, sondern darüber hinaus einen Effekt von stärkerer Beteiligung von ärmeren Personen in wohlhabender Umgebung darstellt. Wenn arme Personen in eher reicher Umgebung häufiger vor Gericht kamen als arme Personen aus armer Umgebung (insbesondere als Gläubigerinnen), stellt sich die Frage, ob dies an der geografischen Nähe zu reichen Personen aus der gleichen Straße lag, ob also der Umgebungseffekt auf Beziehungen im näheren Umfeld beruhte oder einfach auf der Tatsache, dass Personen aus gewissen Straßen einfacher Zugang zu Kredit hatten – als Gläubigerinnen oder als Schuldnerinnen. In 44 Prozent aller Schuldbeziehungen der Stichprobe 1455, bei denen von beiden Beteiligten die Straße bekannt ist, in der sie wohnten (n = 216), waren sowohl die Umgebung der SchuldnerInnen als auch diejenige der GläubigerInnen reicher, als es der Vermögenskategorie der SchuldnerInnen entsprach. Dies war also ein ziemlich weitverbreitetes Phänomen, wie es sich auch in der oben stehenden Matrix gezeigt hat. Betrachten wir nun die Personen, die in der gleichen Straße wohnten (als einfaches Maß von geografischer Nähe), so zeigt sich, dass fast drei Viertel (n = 21) der Schuldverhältnisse das oben erwähnte Muster aufwiesen. Vergleichen wir mit den Kategorien, in denen das Muster vorkommen kann (denn innerhalb der ärmsten Kategorie ist dies rechnerisch unmöglich), liegt der Anteil noch höher, nämlich zwischen 80 und 100 Prozent. Nur innerhalb der reichsten Umgebungskategorie lässt sich das Muster nicht beobachten. Übrigens war in der Regel auch die Vermögenskategorie der GläubigerIn höher, nur in zwei Fällen war sie niedriger, wohnten also die Gläubiger in einer reicheren Umgebung, als dies eigentlich ihrem Vermögen entsprach.130 Bei der Stichprobe vom Ende des Jahrhunderts lässt sich eine ähnliche Berechnung anstellen. Aufgrund der gröberen Kategorisierung ist der Anteil von Personen, bei denen sowohl die eigene als auch die Umgebung der GläubigerInnen reicher war, mit weniger als einem Drittel um einiges geringer als 1455, was aber auf die gröbere Kategorisierung zurückzuführen ist.131 Als Kriterium für die geografische Nähe kann hier die ungefähre geografische Distanz zwischen zwei AkteurInnen herangezogen werden. Rund ein Fünftel der Beziehungen erfüllt das hier gewählte Kriterium von weniger als 100 Meter Distanz. Von diesen wiederum betrifft eine ähnlich hohe Quote wie 1455, nämlich rund 70 Prozent, eine Beziehung, die das Kriterium der reicheren Umgebung

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Das eine war ein Rentenkauf, bei dem ein Mitschuldner das höhere Vermögen als der Gläubiger aufwies (StABS, Gerichtsarchiv B 7, 31), und im zweiten Fall sprach das Gericht den Schuldner von der Schuld frei (StABS, Gerichtsarchiv A 26, 99r). 27,8 Prozent, n = 252. Vor allem die Tatsache, dass sich die ärmste Kategorie nicht unterteilen lässt, 1455 aber aus drei Kategorien zusammengesetzt ist, erklärt diese niedrigere Quote.

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erfüllt. Betrachten wir nur Personen in der mittleren und der reichen Umgebung (denn diejenigen in ärmster Umgebung können das Kriterium gar nicht erfüllen), steigt die Quote auf 95 Prozent.132 Auch hier gab es praktisch keine Fälle von GläubigerInnen, die über ein niedrigeres Steuervermögen verfügten als ihre SchuldnerInnen. Konkret war einzig der Gewandmann Heinrich Murer in dieser Situation, der das Gut von Hans Plarer in Verbot legte, als dies eine ganze Reihe von Personen tat.133 Abbildung 6.29 (Tafelteil) zeigt überdies, dass sich die kurzen Distanzen fast ausschließlich auf das Stadtzentrum konzentrierten. Die SchuldnerInnen, die in der gleichen Straße oder in geografischer Nähe ihrer GläubigerInnen wohnten, waren also in der Regel weniger vermögend, als dies die Umgebung im Mittel war. Das heißt auch, dass größere Nähe auch mit größerer Asymmetrie in den Schuldbeziehungen verbunden war, weil es die Asymmetrie offenbar erleichterte, eine Schuld vor Gericht zu bringen, obwohl man in der Nähe der SchuldnerIn wohnte. Zunftzugehörigkeit (1455) 0

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Abb. 6.30 Dichtematrix, aggregiert nach Zunftzugehörigkeit, Stichprobe von 1455134 132

133 134

In einer zweiten Analyse wurde eine Maximaldistanz von 75 Metern festgelegt, was die Anzahl an Personen in geografischer Nähe um 45 Prozent reduzierte. Die danach errechneten Quoten bewegten sich auf fast identischem Niveau. Die Festlegung der Maximaldistanz hat demnach keine allzu große Bedeutung. Bei mehr als hundert Metern hingegen wächst der Kreis der nahen Personen allzu sehr, und das Bild verliert an Schärfe. StABS, Gerichtsarchiv E 7, 40v. Codierung: 0: Zunft unbekannt; 1: Hohe Stube; 2: Kaufleute und Grautucher; 3: Hausgenossen; 4: Weinleute; 5: Krämer; 6: Rebleute; 7: Bäcker; 8: Schmiede; 9: Schuhmacher und Gerber; 10: Schneider und Kürschner; 11: Metzger; 12: Gärtner; 13: Spinnwetter: Zimmerleute und Maurer;

324

Schulden leben

Die Bedeutung der Zunftzugehörigkeit kann ich nur für 1455 untersuchen, da diese dank der Vorarbeit von Gustav Schönberg bekannt ist.135 Die Zünfte sind in der Matrix nach durchschnittlichem Steuervermögen der jeweiligen Zunftzugehörigen aufsteigend sortiert. Die Gesamthomophilie fällt negativ aus, ebenso die detaillierte Homophilie für die einzelnen Felder der Diagonalen, die fast durchweg negativ ist.136 Es zeigt sich, dass längst nicht alle Kombinationen von Zunftzugehörigkeit vorkommen, denn viele Felder bleiben weiß. Ich gehe hier deshalb kurz auf diejenigen Zunftgruppen ein, die auffällig oft mit anderen in Kontakt standen. Ausgeprägte Spalten, d. h. Zünfte, die vor allem als Gläubiger anzutreffen sind, bilden die Kaufleute, Krämer, Schmiede und Metzger sowie in einem geringeren Ausmaß die hohe Stube, Bäcker sowie Zimmerleute und Maurer. Ausgeprägte Zeilen und damit vor allem Schuldner sind Weinleute, Krämer, Schuhmacher und Gerber sowie die Leinweber und Weber. Die Krämer sind somit in beiden Gruppen auffällig stark vertreten. Weniger deutlich, aber doch noch häufig als Schuldner anzutreffen sind Kaufleute, Schmiede, Schneider und Kürschner sowie die Zunft Himmel und Stern, die Scherer, Maler und Sattler umfasste. Es gab folglich (eher arme) Zünfte, deren Exponenten vor allem als Schuldner auftraten, während die reicheren Zunftangehörigen durchaus beide Rollen einnahmen und folglich nicht nur als Gläubiger vor Gericht aktiv wurden. Weiter oben habe ich schon die Frage gestellt, ob innerhalb der Zünfte die Zunftsgerichtsbarkeit auch für Schuldfragen herangezogen werden konnte.137 Die größte (und auch signifikante) Dichte bei den Nichtzünftigen, die im Gegensatz steht zur allgemein eher ausgeprägten Heterophilie in den anderen Zunftgruppen, spricht eher dafür. Es ist also durchaus denkbar, dass Angehörige der gleichen Zunft selten gemeinsam vor dem Schultheißengericht standen, weil die Zunftgerichtsbarkeit zuständig war. Bei den Schmieden, Metzgern und Krämern kamen relativ häufig Schuldbeziehungen zwischen Zunftgenossen vor. Ich habe diese hinsichtlich der möglichen räumlichen Nähe genauer angeschaut. Die vier Schmiede, die tatsächlich miteinander zu tun hatten, wohnten ebenso wenig an der gleichen Straße wie die vier Metzger, die ebenfalls untereinander Schulden vor Gericht verhandelten. Nur bei den Krämern wohnten in zwei von fünf Fällen die beiden Krämer an der gleichen Gasse. Insgesamt lässt sich aber eher vermuten, dass innerhalb der Zünfte nicht die geografische Nähe dazu führte, dass man die Schulden vor Gericht brachte.

135 136 137

14: Leinweber und Weber; 15: Himmel und Stern: Scherer, Maler und Sattler; 16: Schiffsleute und Fischer; 17: Nichtzünftig (in der Erfassung von Schönberg). Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 594–689. Auf S. 142 erwähnt Schönberg: Für die „Mehrzahl der Zünftigen konnte auch das Zunftverhältniss [sic] festgestellt werden“, erläutert jedoch nicht, wie er dies tat. Die Gesamthomophilie fällt mit 0,124 nicht sehr stark aus. Der Einfluss der Zunft aufs Verhalten vor Gericht scheint eher gering gewesen zu sein. Signifikant positiv ist die Einzelhomophilie einzig bei den Schmieden und Nichtzünftigen. Siehe Kapitel 3.2.3.

Wer schuldete wem?

325

Berufe (1497) Da die Zunftzugehörigkeit für die Stichprobe 1497 nicht ohne Weiteres zu ermitteln war, habe ich eine eigene Codierung der Berufsangaben in Berufsgattungen vorgenommen, die sich folglich nur bedingt mit der Zunftzugehörigkeit überschneidet.138 Bei der Auswertung hat sich herausgestellt, dass der Textilsektor erst aussagekräftige Resultate lieferte, nachdem die Weber als eigene, übrigens durchaus gut vertretene Berufsgattung codiert wurde. Die Gesamthomophilie der Dichtematrix nach Berufsgattung fällt stark heterophil aus.139 Damit bestätigt sich eine ähnliche Tendenz wie bei der Untersuchung der Zünfte in der anderen Stichprobe. Häufig als Schuldner traten auf die Aristokratie, das Textilgewerbe, Berufe der Holzverarbeitung und das Baugewerbe, wobei bei Letzteren sicher auch der Effekt der kleinen Gruppengröße zu berücksichtigen ist. Zu erwähnen sind außerdem die Krämer und das Weingewerbe, die fast bei allen Berufsgattungen Schulden aufweisen, was aber zumindest bei den Krämern beinahe ausschließlich auf Anton Waltenhein zurückzuführen ist. Häufig als Gläubiger anzutreffen sind die Kaufleute, das Textilgewerbe (über alle Berufsgattungen verteilt), die Berufe der Metallverarbeitung sowie kirchliche und städtische Amtsträger. Die kirchlichen Amtsträger sind als Vertreter ihrer Institution zu verstehen, was sich allerdings in den Quellen nicht immer nachweisen lässt. Neben den zu erwartenden Kaufleuten sind also auch HandwerkerInnen durchaus auf beiden Seiten gut vertreten, mit einem ähnlichen sozialen Gefälle, wie ich es bei der Zunftzugehörigkeit festgestellt habe. Dies zeigt sich vor allem an der differenzierten Beteiligung von Kaufleuten, die mit großer Regelmäßigkeit als Gläubiger, dafür kaum je als Schuldner auftraten.140 Von den Berufsgattungen weisen einige eine Tendenz zur Homophilie auf, zu nennen sind die Krämer, Drucker, das Textilgewerbe, Metzger, Weber und Näher sowie die Berufe der Metallverarbeitung. Eher eine Tendenz zur Heterophilie ist bei den Gärtnern, den Gesundheitsberufen, dem Baugewerbe, den Kaufleuten, den Müllern und Bäckern, dem städtischen Dienst und anderen Handwerkern gegeben. Am ausgeprägtesten ist die Heterophilie allerdings bei den Personen, denen kein Beruf zuge-

138

Dies nicht zuletzt, weil die Zunftzugehörigkeit mit der Berufsangabe nicht zwingend angenommen werden kann. 139 0,562, mithin der höchste Heterophiliewert aller Attribute. 140 Vgl. Angaben bei Sturm, Privatkredit, S. 75: Handwerker traten viel häufiger als Schuldner, Kaufleute viel häufiger als Gläubiger auf. Eine geringe Beteiligung des Handwerks an Krediten in Dijon im 14. Jahrhundert hat Dutour, Crédit, S. 70, festgestellt. Vgl. außerdem zu Basler Frauen als Gläubigerinnen bei Gilomen, Frauen, S. 123: Gilomen listet Zunftzugehörigkeit und Berufe (oft des Ehemannes) von Gläubigerinnen auf: „Nach der Zahl der Geschäfte dominieren Kauffrauen, Bäckerinnen und Schneiderinnen, danach Krämerinnen und Weinleute, nach dem Gesamtvolumen der Kredite Kaufleute, danach mit weitem Abstand Schmiedfrauen, Bäckerinnen und Schneiderinnen.“

326

Schulden leben

wiesen werden konnte. Da diese eher nicht aus Basel stammten, ist das aber eher als Herkunftseffekt denn als Effekt des Berufs zu verstehen.141 Bei der Analyse der Zunftzugehörigkeit der Stichprobe von 1455 habe ich die Frage, ob sich die Homophilie innerhalb bestimmter Zünfte durch die geografische Nähe erklären lässt, eher verneint. Dank der genaueren Lokalisierung kann für die Berufsgattungen der Stichprobe 1497 die durchschnittliche Distanz ermittelt werden (nur innerhalb der Stadt Basel). Tatsächlich ist diese mit 391 Metern bei den homophilen Gattungen etwas kleiner als bei den anderen, wo die mittlere Entfernung der beiden beteiligten Personen 430 Meter beträgt. Dieser Unterschied lässt sich jedoch mittels Varianzanalyse nicht als signifikant belegen.142 Die Durchschnittsdistanz insgesamt ist jedoch höher, wenn Personen aus der gleichen Berufskategorie in Beziehung standen, sie belief sich auf 408 Meter im Gegensatz zu 294 Metern bei den Übrigen.143 Wenn die Zugehörigkeit zur gleichen Berufsgattung als ein Faktor von sozialer Ähnlichkeit zu lesen ist, so würde dies bedeuten, dass die größere Distanz neben der überwiegenden Heterophilie dafür spricht, dass es nicht üblich war, von sozial näher stehenden Personen Schulden einzuklagen. Die abschließende Abbildung 6.31 zeigt die Berufsgattungen hinsichtlich ihrer Beteiligung an Schuldbeziehungen (eher als GläubigerIn oder eher als SchuldnerIn) sowie hinsichtlich des Medians der involvierten Schuldsummen (sofern bekannt). Neben einem dichten Feld bei kleinen Schuldsummen und mehr oder weniger ausgeprägter Rolle fallen die hohen Schuldsummen bei Adligen und Berufen des Druckgewerbes als Schuldner auf, während die Kaufleute am auffälligsten nur als Gläubiger anzutreffen waren – jedoch mit eher kleinen Schuldsummen, was darauf hinweist, dass hier nicht große Geschäftskredite dominierten, sondern Geldleihe oder Lieferung auf Kredit.

141

Von allen SchuldnerInnen und GläubigerInnen, deren Beruf bekannt ist, stammen fast 85 Prozent aus Basel. Bei den Personen, deren Beruf nicht bekannt ist, beträgt die Quote noch 34 Prozent. Es sind also vor allem NichtbaslerInnen, deren Beruf nicht bekannt ist, und diese waren tendenziell heterophil (siehe oben). 142 Der p-Wert beträgt 0,779. Die Stichprobe ist mit 33 bekannten Beziehungen allerdings auch sehr klein. 143 Resultat einer Varianzanalyse, deren p-Wert sich auf 0,021 beläuft, N = 248.

327

Wer schuldete wem?

0.8 13_Weingewerbe 0.6 03_Krämer

20_Transport

06_Druckgewerbe

0.4

02_Adel 25_noRank_Landwirtschaft

0.2

17_Holzverarbeitung Krämer (ohne A.W.)

0

19_Wirte

18_Diverse Handwerke 08_Lederverarbeitung

-0.2

15_Körperpflege

25_noRank_Wechsler

20_Weber und Näher

11_Metallverarbeitung

10_Gärtner

20_Baugewerbe

08_Gesundheit

20_Bildung/Gelehrte

04_Textilgewerbe 06_städtischer Dienst

16_Schuhmacher 05_Lebensmittel:Fleisch

-0.4

20_kirchliche Ämter 12_Knecht/Diener/Magd 14_Lebensmittel: Getreide

-0.6

-0.8

-1

-1.2

01_Kaufleute

-1

1

3

5

7

9

11

13

15

17

19

Abb. 6.31 Darstellung der Berufsgruppen nach deren Beteiligung am Schuldennetzwerk (oben eher als Schuldner, unten eher als Gläubiger, links kleine Summen (Median), rechts große Summen)

Unzüchterbuch (nur 1455): Die im Unzüchterbuch fassbaren Schuldbeziehungen unterscheiden sich deutlich von den anderen Schuldbeziehungen (vor allem denen des Vergichtbuchs mit ähnlicher Charakteristik) des Jahres 1455, im Hinblick auf die Herkunft und das Vermögen der beteiligten Personen ebenso wie hinsichtlich der verhandelten Schuldsummen. Einzig die Auswertung bezüglich des Geschlechts war nicht ergiebig. Im Vergleich zu den Vergichten kommen im Unzüchterbuches weniger Nichtbasler SchuldnerInnen und GläubigerInnen vor – aber auch mehr nicht Identifizierbare, was die Aussage relativiert. Die SchuldnerInnen sind eher in niedrigeren Vermögenskategorien anzutreffen, die GläubigerInnen durchaus auch, aber weniger deutlich. Wie wir oben gesehen haben, waren die Schuldsummen sowohl im Schnitt wie auch im Median markant tiefer. Die Struktur von Herkunft und Vermögen der Beteiligten habe ich jeweils in Matrizenform dargestellt und den Matrizen für die ganze Stichprobe gegenübergestellt. Bezüglich der Herkunft fällt in Abbildung 6.32 sofort auf, dass NichtbaslerInnen nur als Gläubiger von Baslern auftraten. Auch als SchuldnerInnen waren Auswärtige ins-

328

Schulden leben

gesamt eher weniger vertreten. Somit stammten sowohl GläubigerInnen als auch SchuldnerInnen deutlich häufiger aus der Stadt.144 0

1

2

0

3

0

0

1

1

2

2

3

3

1

2

3

Abb. 6.32 Dichtematrix der Herkunft (0: unklar, 1: aus Basel, 2: nicht aus Basel, 3: wahrscheinlich aus Basel) im Unzüchterbuch (links) und in der ganzen Stichprobe 1455 (rechts)

Bezüglich des Vermögens zeigen die Matrizen (siehe Abbildung 6.33) auch klare Abweichungen, die nicht nur auf die kleineren Fallzahlen zurückzuführen sind. Personen aus den ärmeren Vermögenskategorien waren als SchuldnerInnen stärker vertreten, während die Dichten ab der mittleren Vermögenskategorie schnell abnahmen. Somit waren die reicheren Personen fast nur als GläubigerInnen anzutreffen, und dies auch ausgeprägter als in der ganzen Stichprobe, vor allem die Personen aus der reichsten Kategorie, die gegenüber den Personen aus den unteren drei Kategorien sehr häufig als GläubigerInnen auftraten. Mit ganz wenigen Ausnahmen ist hier also ein Gefälle zwischen SchuldnerIn und GläubigerIn zu beobachten. 0

1

2

3

4

5

0

0

0

1

1

2

2

3

3

4

4

5

5

1

2

3

4

5

Abb. 6.33 Dichtematrix der Vermögenskategorie (0: unklar, 1–5 aufsteigender Reichtum) im Unzüchterbuch (links) und in der ganzen Stichprobe 1455 (rechts)

144 Das deckt sich mit der Feststellung von Steinbrink, Meltinger, S. 90, der den Eintrag ins Unzüchterbuch als Mittel zur Schuldeintreibung innerhalb Basels sieht.

Wer schuldete wem?

329

6.2.2 Schuldsummen Weiter oben habe ich schon die Zusammenhänge zwischen den Verfahrensformen und der Schuldsumme untersucht.145 Hier soll es nun darum gehen, ob und wie sich die wiederum standardisierten Forderungen146 unter dem Einfluss von verschiedenen Attributen der GläubigerInnen und SchuldnerInnen veränderten. Zur Erinnerung sei festgehalten, dass in der Stichprobe 1455 fast nur von Vergichten und den Einträgen im Unzüchterbuch die Schuldsumme bekannt ist, während die Stichprobe 1497 etwas gleichmäßiger Angaben zur Schuldsumme umfasst. Die Matrizendarstellungen in diesem Abschnitt weichen von denjenigen des vorherigen Abschnitts ab. Sie zeigen nicht mehr Dichten, sondern stellen die Höhe des Medians der Schuldsumme dar: je dunkler das Feld, desto höher der Wert. Die Betätigung der jeweiligen Kategorie als GläubigerIn ist wie in den Dichtematrizen in der Senkrechten, die Betätigung als SchuldnerIn in der Waagrechten zu lesen. Zuerst aber eine kurze allgemeine Beobachtung zu den Schuldsummen. Die oftmals große Differenz zwischen Mittelwerten und Medianen von Schuldsummen weist darauf hin, dass viele eher kleine Schulden einzelnen größeren Werten gegenüberstanden.147 Diese Durchmischung ist auf die relativ ähnliche Behandlung von Warenlieferungen auf Kredit, Geldleihen und größeren Kreditverträgen, gar Investitionskrediten zurückzuführen. Es ist anhand der Summen auch nicht möglich, die vor Gericht verhandelten Fälle auf bestimmte Arten von Transaktionen zurückzuführen. Insgesamt aber scheinen die Schuldsummen nicht auf einzelne kleine Geschäftskontakte zurückzuführen zu sein, sondern eher längerfristigen Beziehungen zu entspringen. Sie sind auf jeden Fall deutlich höher als die Geschäftsschulden, die der Kaufmann Offenburg in der von Hans-Jörg Gilomen edierten Schuldnerliste aufführte.148 Die allermeisten Schulden aber waren dem Bereich der Kleinkredite zuzuordnen.149

145 Siehe Kapitel 4.3.5. 146 Als Schuldsumme gilt der von GläubigerInnen geforderte (und von SchuldnerInnen oftmals anerkannte) Betrag, wobei Guldenbeträge in die Rechenwährung Pfund umgerechnet wurden. Vgl. Anhang 8.2.2 zur Umrechnung und Kapitel 3.1 zu den Wertflüssen. 147 Vgl. dazu die Verteilung von Krediten bei Sturm, Privatkredit, S. 120. Auch in Hannover waren viele kleine Kredite darunter und streuten die Kreditsummen sehr breit. 148 Gilomen, Kleinkredit. 149 Vgl. die Definition von Kleinkredit bei Gilomen, Glaube, S. 124.

330

Schulden leben

Schuldsumme und Geschlecht

m

w

m

m

m

w

w

w

Abb. 6.34 Matrix des Medians der Schuldsumme zwischen den Geschlechtern (je dunkler das Feld der Matrix, desto höher der Median), Stichproben von 1455 (links) und 1497 (rechts)

Die kleinen Zahlen (vor allem für die Konstellation Frau schuldet Frau) lassen keine Überprüfung der Signifikanz zu.150 Auffällig ist aber das sehr ähnliche Muster in den beiden Stichproben. Frauen als Schuldnerinnen setzten sich in der Regel mit kleineren Beträgen auseinander, insbesondere wenn die Gläubigerin auch eine Frau war, als Gläubigerinnen machte es einen großen Unterschied, ob die SchuldnerIn ein Mann war oder eine Frau. Im ersten Fall war die Schuldsumme meist eher hoch, im zweiten, wie erwähnt, sehr klein. Diese Beobachtung spricht für eine grundsätzlich andere Rolle und Funktion von Schulden, wenn Frauen als Gläubigerinnen auftraten. Wahrscheinlich standen hier Erbangelegenheiten und Renten als Vorsorgemittel im Vordergrund,151 während gegenüber Frauen kleine Angelegenheiten des täglichen Austauschs dominierten. Schuldsummen und Vermögen In der Stichprobe von 1455 lässt sich ein Zusammenhang zwischen Vermögen des Schuldners bzw. der Schuldnerin und der Schuldsumme beobachten: Je höher das Vermögen, desto höher die Schuldsumme.152 Dieser Zusammenhang entspricht der Erwartung, dass vermögendere Personen auch in der Lage waren, höhere Schulden aufzunehmen, bzw. dass bei sich kumulierenden Schulden die Geduld der GläubigerInnen größer war und sie länger warteten, bis sie die Schuld vor Gericht brachten. Aufseiten der GläubigerInnen hingegen änderte die Vermögenslage nichts an den verhandelten Schuldsummen, d. h., dass auch reichere GläubigerInnen kleine Schuldsummen vor Gericht eintrieben. 150 151 152

Erst in der Kombination beider Stichproben zeigt ein Median-Test einen p-Wert von 0,007211. Vgl. dazu Gilomen, Frauen, S. 104 und 106. Der entsprechende Korrelationstest ergibt einen p-Wert von 0,048 und eine Korrelation von 0,108, n = 337.

331

Wer schuldete wem?

Unbekannt

Unbekannt

Arm

Arm

Mittel

-

Mittel

Reich

-

Reich

Reich

Mittel

Arm

Unbekannt

Reich

Mittel

Arm

Unbekannt

Abbildung 6.35 zeigt die Schuldsummen, soweit sie bekannt sind, in der Matrix der Vermögenskategorien (für 1455 wurden die Vergleichskategorien153 gewählt). Die reicheren beiden Kategorien waren selten als SchuldnerInnen vor Gericht, weshalb diese Felder der Matrix anfälliger sind für Extremwerte (so ist etwa der Unterschied der Schuldverhältnisse innerhalb der mittleren Kategorie in den beiden Stichproben sehr gegensätzlich). Höchstwerte von 1497 stehen dem gänzlichen Ausbleiben 1455 gegenüber. Die oben beschriebenen Muster lassen erwarten, dass kein Ansteigen von links nach rechts (abhängig von der Vermögenskategorie der GläubigerInnen), hingegen eines von oben nach unten zu beobachten ist (abhängig von der Vermögenskategorie der SchuldnerInnen). Das ist der Fall, jedoch mit der Einschränkung, dass zwischen den beiden reichen Kategorien keine deutlichen Unterschiede auszumachen sind.

Abb. 6.35 Matrix des Medians der Schuldsumme zwischen den Vermögenskategorien (je dunkler das Feld der Matrix, desto höher der Median), Stichproben von 1455 (links) und 1497 (rechts)154

Den Abschluss der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Vermögenslage und den Schuldsummen macht eine Zusammenstellung von Mittelwerten und Medianwerten in Abhängigkeit der höchsten beteiligen Steuerkategorie. In Tabelle 6.5 werden die Schuldverhältnisse also der höchsten beteiligten Steuerkategorie zugewiesen, unabhängig von der Art der Beteiligung der betroffenen Person. Beide Werte zeigen einen deutlichen Sprung zwischen der ärmsten und der zweitärmsten Kategorie und einen erneuten Sprung zur zweitreichsten, während die reichste Kategorie eher wieder absinkende Werte aufweist.

153 154

Siehe die Erläuterungen im Anhang 8.2.3. Für eine bessere Repräsentation der Unterschiede habe ich eine logarithmische Skala gewählt, um die einzelnen Extremwerte weniger das Gesamtbild dominieren zu lassen.

332

Schulden leben

Tab. 6.5 Mittelwerte und Mediane der Schuldsummen der Stichprobe 1455, gruppiert nach der höchsten an der Schuldbeziehung beteiligten Vermögenskategorie155 Mittelwert

Median

Anzahl Werte

Anteil bekannte Schuldsummen

45,2

5,5

71

32,9 %

7,1

1,0

35

57,4 %

arm

14,1

4,6

48

44,4 %

mittel

20,2

4,0

61

39,1 %

reich

31,2

18,4

55

44,4 %

sehr reich

24,7

6,9

69

52,3 %

unbekannt sehr arm

Schuldsumme und Herkunft In Bezug auf die Herkunft unterschieden sich 1455 nur die GläubigerInnen signifikant,156 wie Tabelle 6.6 zeigt. 1497 hingegen waren es die SchuldnerInnen, die je nach Herkunft abweichende Schuldsummen aufwiesen. Bei Auswärtigen belief sich der Median auf rund sieben Pfund, BaslerInnen schuldeten im Median drei Pfund.157 Über beide Stichproben gesehen, lässt sich festhalten, dass die Schuldsummen eher höher lagen, wenn Auswärtige beteiligt waren. Tab. 6.6 Mittelwert und Median der Schuldsummen 1455 nach Herkunft der GläubigerInnen Mittelwert

Median

Anzahl

11,8

1,1

48

aus Basel

22,4

5,4

206

nicht aus Basel

20,6

13,8

29

wahrscheinlich aus Basel

53,8

4,4

56

unbekannt

Eine Auswertung der Schuldsummen nach Distanz ist kaum möglich, weil die Stichproben zu klein sind. Nur für wenige Fälle sind sowohl SchuldnerIn oder GläubigerIn ausreichend genau lokalisierbar und die Schuldsumme bekannt. In der Stichprobe 155 156 157

Sowohl die Mittelwerte als auch die Mediane weisen signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen auf: Der p-Wert der Varianzanalyse beträgt 0,042, derjenige des Median-Tests 0,0065. Median-Test: p-Wert von 0,004504. Median-Test: p-Wert von 0,00681.

Wer schuldete wem?

333

1455 sind es so wenige, dass ich auf eine Präsentation der statistischen Auswertung weitgehend verzichte; was folgt, basiert auf der späteren Stichprobe und den Unterschieden zwischen den GläubigerInnen.158 Es ergeben sich abweichende Bilder in Abhängigkeit davon, ob der Median oder der Mittelwert der Schuldsumme betrachtet wird, was die Auswertung weiter erschwert. Signifikant, aber auf sehr wenigen extremen Werten beruhend ist die steigende durchschnittliche Schuldsumme bei steigender Distanz der GläubigerInnen von der Stadt Basel, wenn nur die Auswärtigen betrachtet werden.159 Die folgende Grafik, die den Zusammenhang zwischen den Distanzklassen und der Schuldsumme für die Stichprobe von 1497 aufzeigt, ist deshalb mit Vorsicht zu genießen (siehe Abbildung 6.36).160 Ich zeige sie vor allem, weil sie einer intuitiven Vorstellung des Zusammenhangs gut entspricht. GläubigerInnen aus der näheren Umgebung – und somit aus dem ländlichen Raum – forderten eher kleine Summen ein, solche aus größerer Distanz und meist aus Städten dagegen große Summen, die wahrscheinlich in Zusammenhang mit kaufmännischer Tätigkeit standen. Der Median zeigt keinen entsprechenden Anstieg mit der Distanz, was den Ausnahmecharakter der einzelnen Fälle von sehr hohen Schuldsummen im Verbund mit großer Distanz unterstreicht (vgl. Abbildung 8.5 im Anhang).161

158

Die Schuldsummen sind bei beiden Stichproben in keinen erkennbaren Zusammenhang zur Distanz der SchuldnerInnen zu bringen. 159 Die Korrelation zwischen Distanz und Schuldsumme beträgt 0,409, und ein Signifikanztest zeigt an, dass dieser Wert bei einem Niveau von fünf Prozent signifikant ist (p-Wert von 0,01249). 160 Die Grafik präsentiert sich für die Stichprobe 1455 ähnlich, basierend allerdings auf lediglich 18 Fällen. 161 Konkret handelt es sich um folgende Gläubiger und Schuldsummen: Hans Herlin aus Nürnberg, rund 150 Pfund, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 55r; die sogenannte Gesellschaft von Memmingen, rund 240 Pfund, StABS, Gerichtsarchiv B 14, 94r; Walter Degen von Nördlingen, rund 45 Pfund, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 50v; Wilhelm Dachs von Freiburg i. Ue., rund 150 Pfund, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 207v. Die genannten Gläubiger ließen sich vor Gericht in der Regel von Bevollmächtigten vertreten.

334

Schulden leben

80 70 60 50 40 30 20 10 0

1

2

3

4

5

6

Abb. 6.36 Durchschnittliche Schuldsumme in Abhängigkeit von der Distanzklasse der GläubigerInnen, Stichprobe 1497 (1: aus Basel, 2–6 steigende Distanz)162

6.3 Spezielle Gruppen von GerichtsnutzerInnen Einzelne Personengruppen empfehlen sich für eine gesonderte Untersuchung, weil ihnen auch in der Forschungsliteratur ein spezieller Platz in der Schuldenwirtschaft eingeräumt wird. Das gilt besonders für die hier untersuchten Schuldbeziehungen innerhalb der Verwandtschaft und mit Beteiligung der Aristokratie. Die erste Gruppe basiert auf quelleninhärenten Angaben zu Verwandtschaftsverhältnissen, die zweite auf dem entsprechend codierten Attribut der Zugehörigkeit zur Aristokratie. Weiter lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Personen zu werfen, welche das Gericht bildeten. Den Anfang in diesem Kapitel machen die wichtigen Gläubiger der beiden Stichproben, definiert nach dem sogenannten Indegree, d. h. nach der Anzahl eingehender Schuldbeziehungen.

162

Die Distanzklassen außerhalb der Stadt umfassen insgesamt 37 Personen.

335

Spezielle Gruppen von GerichtsnutzerInnen

6.3.1 Wichtige GläubigerInnen Ein Blick auf die Netzwerkstruktur der beiden Schuldennetzwerke zeigt die zentrale Position der häufig vorkommenden Gläubiger, die gewissermaßen das Netzwerk zusammenhalten.163 Die Auswahl orientiert sich dabei am einfachsten Maß für die Zentralität von Personen in einem Netzwerk, dem Degree.164 Ich stelle hier die wichtigsten Gläubiger165 kurz vor und beschreibe die Muster ihrer Gerichtsnutzung. Damit möchte ich nicht zuletzt der Frage nachzugehen, ob sie Kreditgeschäfte oder Geldleihe mehr oder weniger professionell betrieben. Tab. 6.7 Wichtigste GläubigerInnen der Stichprobe 1455 Name, Beruf

Indegree als GläubigerIn

Vermögenskategorie

15

5

Hans Schwitzli

13

unbekannt

Klaus Meder, Meister, Maurer

10

4

9

4

Adelheid von Laufen

8

5

Augustinerkloster

8

Ludman Meltinger, Kaufmann

7

Hans Peyer, Glockengießer

7

5

Konrad Weber, Frauenwirt

7

3

Kloster Klingental

7

Heinrich Schlierbach, Herr

Heinrich Wyss 166

5

Die beiden gemessen an der Anzahl belangter SchuldnerInnen wichtigsten Gläubiger des Jahres 1455 waren Heinrich Schlierbach und Hans Schwitzli mit einem Indegree von 15 bzw. 13. Diese auffällig hohe Zahl verdankt sich aber bei den beiden der Erhaltung des Unzüchterbuchs, ohne welches sie hier keine Erwähnung fänden. Aus Gründen der Vergleichbarkeit mit der späteren Stichprobe gehe ich hier deshalb nicht weiter auf sie ein. Schlierbach wurde weiter oben im Rahmen der Einträge des Unzüchterbuchs genauer vorgestellt.167 163 Vgl. weiter unten, Kapitel 6.1.1. 164 Die Degree-Zentralität zählt die Anzahl der Kanten, die von einem Knoten ausgehen. Weil die Schuldbeziehung eine gerichtete Beziehung ist, habe ich das Indegree verwendet, also nur die eingehenden Schuldbeziehungen gezählt. Siehe zu Zentralitätsindizes Brandes/Kosub/Nick, Zentralitätsindizes; Stark, Netzwerkberechnungen, Abschnitt 4. 165 Vgl. zu den häufig anzutreffenden Gläubigern Signori, Schuldenwirtschaft, S. 48. 166 Erwähnt ist hier das Vermögen ihres Vaters, Junker Konrad von Laufen, denn sie selbst ist nicht in der Steuerliste angeführt. 167 Siehe Kapitel 6.1.3.

336

Schulden leben

Auf Schlierbach und Schwitzli folgt der Maurer und Stadtbaumeister168 Klaus Meder, von dem ein Rentenkauf, ein Urteil über einen Rentenbrief, dessen Zinsen nicht bezahlt worden waren, eine Frönung, eine weitere, die vertagt (und damit wohl unnötig) wurde, schließlich ein Verbot im Umfang von zwei Gulden und ein Vergicht über 22 Gulden überliefert sind.169 Die Auflistung zeigt einerseits, dass Meder alle Register zog und dabei unterschiedliche SchuldnerInnen mit unterschiedlichen Beträgen belangte. Zudem war er offenbar stark in den Rentenmarkt involviert und legte sein Vermögen – in der Steuerveranlagung auf knapp 600 Gulden geschätzt – entsprechend an. In den verschiedenen Konfrontationen wegen Schulden stand er auch mit wirtschaftlich Bessergestellten in Beziehung. Das hohe Indegree von Heinrich Wyss170 stammt aus wenigen heftig umstrittenen Schuldverhältnissen, die vor Gericht in mehreren Prozessschritten verhandelt wurden. Unter den Gläubigern fallen zwei Adlige und ein Kaufmann auf. Wyss’ Auftreten vor Gericht deckt sich insgesamt wenig mit demjenigen der anderen häufig vorkommenden Gläubiger, denn seine Schulden waren nicht weit gestreut, sondern stark umstritten. Noch ausgeprägter gilt dies für Adelheid von Laufen, deren Indegree von acht einem einzigen Urteil entstammt, welches einen Rentenbrief mit vielen gemeinsamen Schuldnern betrifft.171 Das Augustinerkloster,172 vertreten durch den Subprior und Verwalter Johannes von Laufenberg, trat ebenfalls häufig als Gläubiger auf, und zwar durchs Band mit Schuldangelegenheiten, die mit liegenschaftsbasierten Grund- und Rentenzinsen verbunden waren, sei es, dass Liegenschaften wegen nicht bezahlter Zinsen gefrönt wurden, sei es, dass Zinszahlungen und das Abzahlen von Schulden auf Liegenschaften in Urteilen und Zahlungsversprechen geregelt wurden. Es ist entsprechend wenig erstaunlich, dass die Schuldner allesamt aus Basel stammten und oftmals Handwerker waren. Von Ludman Meltinger sind zwei Verbote unklaren Inhalts, ein Zahlungsversprechen von 16 Pfund wegen einer größeren Menge Leders, die er an drei Handwerker geliefert hatte, ein Unzüchtereintrag betreffend die Schuld von immerhin 46 Pfund eines Metzgers und schließlich noch ein Urteil in der Angelegenheit eines Rentenzinses bekannt.173 Auch Meltinger, ein sehr vermögender Kaufmann,174 zog also alle Register,

168 Zu Meder Fouquet, Bauen, S. 167. 169 StABS, Gerichtsarchiv C 5, 242v; StABS, Gerichtsarchiv B 7, 34; StABS, Gerichtsarchiv E 4, 10r und 22r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29r und 43v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 150v. 170 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 72r; 76r, 83r, 91v, 128v, 136r und 138v; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 42v. 171 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 95r. 172 StABS, Gerichtsarchiv  B  7, 24, 75 und 85; StABS, Gerichtsarchiv  E  4, 12v; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 31v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 122v und 135r. 173 StABS, Gerichtsarchiv E 4, 5r und 14v; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29r; StABS, Ratsbücher N 8, 23v; StABS, Gerichtsarchiv A 26, 132v. 174 Mit einem Steuervermögen von rund 9.000 Pfund gehörte er zu den reichsten Baslern.

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wobei in seinem Fall die Schuldner in der Regel deutlich schlechter gestellt waren – oftmals Handwerker. Schauen wir uns als Gläubiger weiter Hans Peyer den Glockengießer an. Auch er ist den wohlhabendsten Bürgern Basel zuzurechnen, wenn auch nicht ganz im gleichen Maß wie Meltinger. Er ist ebenfalls in verschiedenen Serien anzutreffen, am häufigsten im Verbotsbuch mit drei nicht weiter ausgeführten Verboten und im Vergichtbuch mit zwei ebenfalls sehr kursorischen Vergichten und einem Zahlungsversprechen, das dadurch auffällt, dass Peyer Wein an der Rebe als Pfand zugesagt bekommt. Das Bild runden ab ein Unzüchterbucheintrag über die hohe Summe von 19 Gulden sowie eine Kundschaft, gemäß welcher Peyer keine Güter außerhalb Basels als Sicherheiten akzeptierte.175 Auch hier fällt wieder das differenzierte Vorgehen auf. Als Glockengießer mag Peyer weit herumgekommen sein, auf jeden Fall waren seine SchuldnerInnen häufig nicht BaslerInnen. Der Nächste auf der Liste ist Konrad Weber, der Frauenwirt, auf den ich weiter unten noch zurückkomme.176 Er fällt mit Vergichten von Prostituierten auf, die er mit Schulden an sich band, und hatte außerdem Guthaben bei zwei Frauenwirtinnen, die er einforderte.177 Nach Weber folgt mit einem Indegree von ebenfalls sieben (wie schon Meltinger, Peyer und Weber) das Kloster Klingental, das vor allem in Urteilen vertreten ist, bei denen es entweder um Rentenguthaben des Klosters ging oder um Liegenschaften, die das Kloster einer Frönung unterzog.178 Tab. 6.8 Wichtigste Gläubiger der Stichprobe 1497 Name, Beruf

Indegree als Gläubiger Vermögenskategorie

Heinrich von Monstral

14

2

Hans Plarer, Meister, Ratsherr

13

2

Konrat Schott, Schneider

12

0

Friedrich Hartmann genannt Zer Linden, Kaufmann, Ratsherr

12

2

Hans Steinacher genannt Allgäuer, Kaufmann

10

2

Franz Gallician, Weinmann

10

1

9

2

Mathis Iselin

175 176 177 178

StABS, Gerichtsarchiv E 4, 7v, 14r; StABS, Gerichtsarchiv C 6, 21v, 22v; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 48v; StABS, Ratsbücher N 8, 33v. Siehe Kapitel 7.2. StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 7r, 20v und 26r; StABS, Gerichtsarchiv  E  4, 9r; StABS, Gerichtsarchiv D 6, 29v. StABS, Gerichtsarchiv A 26, 74r, 75r, 98r, 106v und 140v; StABS, Gerichtsarchiv B 7, 62.

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Schulden leben

Damit gehen wir über zu den Gläubigern des Jahres 1497.179 Die SchuldnerInnen von Heinrich von Monstral,180 dem am häufigsten erwähnten Gläubiger des Jahres 1497, sind fast ausschließlich in Zahlungsversprechen anzutreffen, nur eine Schuldbeziehung von einem Dutzend betraf ein Urteil, welches aber ein länger zurückliegendes und offenbar nicht eingelöstes Zahlungsversprechen erwähnte. Hinzu gesellt sich ein einziges Verbot von Gütern eines verstorbenen Schuldners. Viele der SchuldnerInnen von Monstral waren Auswärtige, die genannten Beträge schwanken zwischen einem und knapp 13 Pfund. Hans Plarer ist der am zweithäufigsten erwähnte Gläubiger dieses Jahres.181 Er taucht fast nur im Vergichtbuch auf mit Einträgen, die keine weiteren Folgen nach sich ziehen. Es handelt sich bei den Vergichten durchweg um kleine Schulden, die höchste Summe beträgt neun Pfund, der Mittelwert 2,6 Pfund und der Median nur zwei Pfund. Ganz kleine Schulden von weniger als einem halben Pfund finden wir nicht, außerdem zeigt der häufig vorkommende Verweis „auf Rechnung“ an, dass hier mehrere Lieferungen zusammengenommen wurden. Es handelt sich also um kleinere bis mittlere Konsumkredite. Vermutlich machten diese Kredite im Gesamtumfang von knapp 29 Pfund nur die Spitze eines Eisbergs von Kleinkrediten an seine Kunden aus. Plarer war schließlich Schneidermeister und Ratsmitglied und gehörte mit einem Vermögen von 500–1.000 Gulden zu den reicheren Bürgern (wenn auch nicht zu den reichsten). Im Gegensatz zu Monstral war der Schneider Konrad Schott 182 viel stärker ins Schuldennetzwerk eingebunden, nicht zuletzt weil er auch ein Gläubiger von Anton Waltenhein war. Urteile und Vergichte standen bei seiner Gerichtsnutzung ungefähr im Gleichgewicht, unter den SchuldnerInnen überwogen die Personen aus Basel klar. Schott trat auch als Bevollmächtigter auf und erscheint so als sehr stark in die vor Gericht verhandelte Schuldenwirtschaft eingebunden. Inwiefern dies mit seiner Tätigkeit als Schneider zusammenhing, lässt sich leider nicht ermitteln. Es waren einige Handwerker unter den Schuldnern, die jedoch keinen Zusammenhang zum Textilgewerbe aufwiesen. Dies weist darauf hin, dass Schott das Schuldengeschäft ergänzend zu seinem Handwerk ausübte und gleichzeitig ein gewiefter Kenner des Gerichts war. Der Gewandmann bzw. Kaufmann im Textilbereich Friedrich Hartmann oder Zer Linden,183 der auch im Rat saß, war ein weiterer Vertreter der Oberschicht, der häufig

179 Teile dieser Ausführungen sind schon erschienen bei Hitz, Schuldennetzwerke, S. 111 f. 180 Vgl. Apelbaum, Handelsgesellschaften, S. 69; Signori, Schuldenwirtschaft, S. 52. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 29r, 31v, 32r, 36r, 37r, 46r, 59r und 62r; StABS, Gerichtsarchiv E 7, 44r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 229v und 284r; StABS, Gerichtsarchiv G 9, 27r. 181 In den folgenden Abschnitten werden jeweils sämtliche die Person betreffenden Quellen eingangs zusammengefasst zitiert. Für Hans Plarer sind das: StABS, Gerichtsarchiv A 41; 277v, StABS, Gerichtsarchiv C 16, 31v, 35v, 49r, 50r, 58v, 59r und 62v. 182 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 220r, 221r, 263v und 272r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 35v, 45r, 49r, 49v, 56v und 62r; StABS, Gerichtsarchiv E 7, 46r. 183 Signori, Schuldenwirtschaft, S. 48.

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als Gläubiger auftrat. Im Gegensatz zu anderen ähnlich gestellten Gläubigern war er aber seltener im Vergichtbuch anzutreffen,184 sondern setzte eher auf Verbote und Frönungen, viele der meist aus Basel stammenden SchuldnerInnen kamen in mehreren Quelleneinträgen vor. Über allfälliges soziales Gefälle lässt sich anhand der Stichprobe wenig sagen, ebenso wenig über die Schuldbeträge, die kaum je genannt sind. Hans Steinacher, genannt Allgäuer, war Kaufmann und wies ein ähnliches Muster auf wie Hans Plarer. Er taucht fast ausschließlich mit Vergichten auf, auch er vergab eher kleine Kredite, die jedoch sowohl im Mittelwert (8,1 Pfund) als auch im Median (sechs Pfund) deutlich höher lagen als Plarers Kredite.185 Als Kaufmann lieferte er wohl den Handwerkern Rohmaterial gegen Kredit. Womit wir eher von Betriebs- als von Konsumkrediten sprechen könnten, die außerdem etwas höher ausfielen. Auch da gilt, dass die Gesamtsumme von knapp 73 Pfund kaum seine ganze Tätigkeit als Kreditgeber umfasste. Steinacher gehörte mit über 1.000 Gulden Vermögen zu den reichen Bürgern. Was die Schuldner anbelangt, herrscht bei Plarer wie bei Steinacher das gleiche Muster vor. Es waren vornehmlich Handwerker (Schneider, Schuhmacher, Küfer, Kürschner, ein Wirt und Anton Waltenhein als Krämer) aus Basel selbst, und diejenigen, die auf der Steuerliste des Reichspfennigs auftauchen, weisen weniger als 500 Gulden Vermögen auf. Diese Schulden überbrückten Engpässe an Liquidität und wurden offenbar in der vorgesehenen Zeit von vier Wochen und ohne weitere Probleme zurückerstattet. Das Muster dieser Schulden passt gut in die typischen Schulden, die im Vergichtbuch fassbar werden. Die Vergichte des Jahres 1490 (insgesamt 482 Einträge, bei denen eine Summe erkenntlich ist) belaufen sich im Durchschnitt auf neun Pfund, wenn man die wenigen Einträge über 50 Pfund streicht, noch auf vier Pfund. Der Median liegt bei rund 1,4 Pfund. Die Hälfte aller Schulden der häufig auftretenden Gläubiger beliefen sich auf weniger als zwei Pfund, zwei Drittel auf weniger als vier. Die hier vorgestellten Gläubiger schienen also eher etwas größere Beträge einzufordern als der Durchschnitt.186 Gänzlich anders gelagert ist das Auftreten von Franz Gallician, der als Weinmann bezeichnet wird.187 Ich greife hier von seinen verschiedenen Konflikten um Schulden (in denen er auch als Schuldner vor Gericht gezogen wurde) nur einen einzigen Fall

184 Obwohl er dies auch tat, siehe Signori, Schuldenwirtschaft, S. 48: Hartmann war in ihrer Stichprobe der häufigste Gläubiger. 185 StABS, Gerichtsarchiv E 7, 49r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 193r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 30r, 33v, 35r und 59r; StABS, Gerichtsarchiv B 14, 111r. 186 Diese Angaben beruhen auf der Auswertung des Vergichtbuchs für das Jahr 1490, die Basler Studierende im Rahmen einer Archivübung vorgenommen haben, StABS, Gerichtsarchiv C 14, 112v bis 175v. 187 StABS, Gerichtsarchiv E 7, 42r und 46r, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 185v, 193r, 206r, 222v, 228r, 230r, 234r, 236v, 246v, 247v, 271v, 285v und 286r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 31v und 47v. Ich habe den Fall schon vorgestellt in Hitz, Schuldennetzwerke, S. 122.

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heraus. Es handelt sich um die Schuld von Niklaus Kessler, genannt zur Blumen, dem Drucker. Die Schuld belief sich auf 118 Gulden, eine beträchtliche Summe. Es ist übrigens kein Zufall, dass der kapitalintensive und mit vielen wirtschaftlichen Risiken verbundene Buchdruck besonders häufig mit solchen Fällen in den Gerichtsakten vertreten ist.188 Die Geschichte beginnt im Mai 1497 mit dem Eintrag der Schuld im Vergichtbuch, da noch mit Gallicians Bruder Michel als Gläubiger. Die Zahlungsfrist betrug wie üblich einen Monat. Es folgen im Juli zwei Gerichtsurteile, die festhalten, dass die wohl anerkannte Summe durchaus geschuldet sei, dass aber die Rückkehr des offenbar abwesenden Kessler abgewartet werden solle. Mitte August versprach Kesslers Frau, dass die Schuld an der Frankfurter Messe (die Herbstmesse hatte eben begonnen) durch Kessler selbst bezahlt werde. Das geschah offenbar nicht, denn im September wurde Gallician angewiesen, mit Kessler zusammenzusitzen und eine Lösung zu finden. Im Jahr 1497 wurde nicht weiter darüber verhandelt. Die große Summe und die Schwierigkeiten bei der Rückzahlung weisen darauf hin, dass es sich um Investitionskapital handelte, um Risikokapital gar, um modern zu sprechen. Das Druckgewerbe brauchte einen langen Atem, denn vom Einkauf des Papiers, das übrigens einen beträchtlichen Teil der Gesamtkosten des Buches ausmachte, bis zum Verkauf des fertigen Buchs verging viel Zeit und war viel zu entlohnende Arbeit vonnöten.189 Entsprechend häufig findet man Drucker, die auf Investitionskapital angewiesen waren. Gallician war hier nur als Mitgläubiger beteiligt, sein Bruder Michel, der Papier herstellte, war wohl die treibende Kraft. Die Hoffnung, auf der Frankfurter Messe genügend Bücher zu verkaufen, um die Schuld zu begleichen, hatte sich zerschlagen. Der Krämer Mathis Iselin190 schließlich wies viele sehr kleine Schuldsummen auf, fast alle Schuldsummen blieben unter einem Pfund, entsprechend überwogen bei ihm die Vergichte. Auffällig ist, dass Iselin in keinen Fall verwickelt war, der mehrfach vorkam in der Stichprobe, in der Regel scheinen also seine Fälle schnell geklärt worden zu sein. Seine GläubigerInnen stammten vorwiegend aus Basel, und der Anteil von Frauen war relativ hoch. Wenn wir die Beteiligung der häufigsten Gläubiger betrachten, so zeichnen sich zwei unterschiedliche Muster ab. Während die einen eher im Vergichtbuch (und 1455 auch im Unzüchterbuch) anzutreffen waren und oft kleine Schuldsummen einforderten, bemühten sich andere eher um Beschlagnahmungen und Urteile, wobei da auch größere Summen im Spiel sein konnten. Was die Personen anbelangt, überrascht die klare Dominanz städtischer Oberschichten nicht,191 ebenso wenig die Tatsache, dass 188 189

Vgl. Stehlin, Regesten. Zum frühen Basler Buchdruck Haegen, Buchdruck. Zum Risiko der Investition in den Buchdruck Holbach, Rolle, S. 140, sowie jüngst und mit einem Basler Beispiel Burkart, Printing, S. 42–50. 190 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 36r, 39v, 54r und 58v; StABS, Gerichtsarchiv E 7, 41r; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 219v; StABS, Gerichtsarchiv G 9, 27r; StABS, Gerichtsarchiv B 14, 125v. 191 Vgl. zur „Kongruenz von Vermögen und Zentralität“ im Netzwerk der verwandtschaftlichen und rechtlichen Verflechtung in der Augsburger Kaufmannschaft des 16. Jahrhunderts Häberlein, Brüder, S. 75.

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auch kirchliche Institutionen anzutreffen sind, die das Gericht ebenfalls nutzten, um Zinsen einzufordern. Es stellt sich nun die Frage, in welcher Rolle die Gläubiger Kredite vergaben. Taten sie dies im Zusammenhang mit ihrem Beruf, oder waren sie eigentliche Geldleiher? Bei einigen drängt sich ein Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in Handel oder Gewerbe auf, zum Beispiel in der Form von Warenlieferungen auf Kredit, obwohl dies im Einzelfall kaum zu belegen ist, andere Schulden scheinen eher einfache Gelddarlehen gewesen zu sein. Wenn wir die vor dem Schultheißengericht verhandelten Schulden betrachten, so scheint aber das Geschäft mit größeren Krediten in Form von Renten nur selten vorzukommen. Es ist kein Zufall, dass der Kaufmann Ludwig Kilchmann, dessen Rentengeschäfte detailliert überliefert sind,192 in der Stichprobe von 1497 keine gewichtige Rolle spielt.193 Die Kreditgeschäfte, die hier besprochen werden, weisen eine andere Charakteristik auf, es sind kleinere, kurzfristigere Darlehen, die kaum den Eindruck eines professionellen Darlehensgeschäfts erwecken, sondern eher den Eindruck einer Nebentätigkeit vermitteln, die durch Geldverleih an weit gestreute Kreise charakterisiert ist.194 6.3.2 Gerichtspersonal Das Schultheißengericht setzte sich zusammen aus einem Schultheiß als eigentlichem Richter, mehreren Ratsvertretern (12–14, je nach Quelle195) als Richtern sowie weiteren Amtspersonen wie dem Gerichtsschreiber, den Amtleuten und Gerichtsboten.196 Auch der Vogt wurde jeweils erwähnt.197 Während die Ratsherren in den Gerichtsakten kaum je Erwähnung fanden, finden sich viele Hinweise auf Tätigkeit der Amtleute. Diese gaben etwa an, dass sie ein Zahlungsversprechen bezeugten, und ließen dieses noch festhalten, oder sie berichteten über die geglückte oder missglückte Zustellung von gerichtlichen Vorladungen. Außerdem wurden sie selbst tätig, indem sie zwischen den Parteien vermittelten und diese Vermittlung ebenfalls festhalten ließen.198 Diese

192 193

Siehe Signori, Schuldbuch. Er erscheint genau einmal als Schuldner und einmal als Gläubiger, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 176v; StABS, Gerichtsarchiv B 14, 93r. 194 Vgl. zum Fehlen von professionellen Geldleihern im Geschäft mit kleinen Schuldsummen Clark, Debt, S. 262. 195 Angaben für 1497: StABS, Gerichtsarchiv A 41, 225r; StABS, Gerichtsarchiv C 16, 44v. Für 1455: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 96r; StABS, Gerichtsarchiv B 7, 50. 196 Eine Beschreibung der Aufgaben des Gerichtspersonals bei Wackernagel, Geschichte, Bd. 2.1, S. 316. 197 Der Vogt, ursprünglich vom Bischof eingesetzt, wurde seit dem 14. Jahrhundert vom Rat eingesetzt und beurteilte in einem eigenen Gericht „die todeswürdigen Verbrechen“, Sieber-Lehmann, Basel, S. 4. Welche Funktion er im Schultheißengericht einnahm, konnte ich nicht klären. 198 Wie ich in Kapitel 5.2.2 zeige, konnten viele Personen als Vermittler tätig sein, und auch die Gerichtstätigkeit selbst kann oft als Vermittlung verstanden werden, womit auch die Ratsleute als Richter vermittelnd handelten. In den Quellen erwähnt werden aber vor allem die Amtleute des

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Rollen des Gerichtspersonals werden an anderer Stelle gründlicher untersucht. Hier soll es um die Frage gehen, wie das Gerichtspersonal das Gericht in eigener Sache nutzte und wie sich diese Gruppe zusammensetzte. Die Zusammenstellung des Gerichtspersonals von 1455 basiert auf einer Liste vom Sommer 1455, welche in zwei (identischen) Versionen das Gerichtspersonal fürs zweite Halbjahr aufführt.199 Die Liste umfasst 22 Personen. 1497 umfasst die Liste 21 Personen, von denen 19 auf einer Zusammenstellung des Justizpersonals fürs zweite Halbjahr 1497 figurieren.200 Zwei als Gerichtsboten in den Quellen erkennbare Personen habe ich ergänzt.201 Die Listen fürs erste Halbjahr sind für beide Jahre nicht überliefert.202 Das Gerichtspersonal war ziemlich oft in vor Gericht verhandelte Schuldbeziehungen involviert, allerdings in sehr einseitiger Weise. 1455 waren sie in 35 von 41 Fällen Gläubiger, 1497 immerhin in 28 von 34 Fällen. Die Fälle als Schuldner fanden sich 1455 ausschließlich unter den Vergichten und im Unzüchterbuch, während die sechs Schuldbeziehungen als Schuldner von 1497 auf zwei Personen zurückzuführen sind, deren Identifikation nicht gesichert ist.203 Insbesondere bei Frönungen, Verboten und auch Klagen wegen Schulden waren die Gerichtsleute fast ausschließlich als Gläubiger anzutreffen. Außerdem wurden sie vor allem 1455 auch oft als die Person genannt, bei welcher sich in Verbot gelegtes Gut befand. Ob dies in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit am Gericht stand, lässt sich allerdings nicht herausfinden. Noch einseitiger ist das Bild bei der Rolle als Vertreter.204 In beiden Stichproben kommt das Gerichtspersonal ausschließlich in der Rolle als Vertreter vor, nicht jedoch als vertretene Person. Von den 22 Vertretungen von 1455 übernahm Klaus Meder, ein ziemlich reicher Maurer und Stadtbaumeister,205 der auch sonst oft vor Gericht anzutreffen war, ganze 13 Fälle. Unter den insgesamt 15 Vertretenen waren acht Männer und vier Frauen, nur drei stammten sicher nicht aus Basel, allerdings waren die restlichen mit drei Ausnahmen nicht in der Steuerliste zu identifizieren. 1497 waren die Gerichts-

199 200 201 202 203 204 205

Gerichts, wie etwa Lienhard Ziegler, der freie Amtmann (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 17v; zusammen mit dem Salzmeister: StABS, Gerichtsarchiv C 6, 18v). Dieser vermittelte auch mit Hans Glaser (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 22r; auch zusammen mit Klaus Meder – es handelt sich hier um eine der seltenen Erwähnungen von Richtern, die vermittelten: StABS, Gerichtsarchiv C 6, 18v; Glaser trat auch allein als Vermittler auf: StABS, Gerichtsarchiv C 6, 32v). Weiter als Vermittler tätig waren die Amtleute Rosenfeld (der Gerichtsknecht, StABS, Gerichtsarchiv  C  6, 20r) und Reinhard Falkner, als Fürsprecher bezeichnet (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 22r). StABS, Gerichtsarchiv A 26, 96r; StABS, Gerichtsarchiv B 7, 50. StABS, Gerichtsarchiv C 16, 44v; eine unvollständige Liste (nur mit den eigentlichen Richtern aus dem Rat) auch unter StABS, Gerichtsarchiv A 41, 225r. Es handelt sich um Lienhard Süssherr und Konrad Klublin. Vgl. die Zusammenstellung des Gerichtspersonals von Karl Stehlin (StABS, Justiz R 9). Simon Glaser und Heinrich Schmitter, Ersterer hat eine Herkunftsangabe, die ihn allenfalls als Nichtbasler verstehen lässt, Zweiterer muss nicht mit dem einzigen in der Steuerliste genannten Schmitter identisch sein, denn dessen Vorname war Hans Heinrich. Vgl. dazu Kapitel 4.1.4. Zu Meder siehe Fouquet, Bauen, S. 167.

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leute in 40 Fällen als Vertreter von insgesamt 28 Personen und drei Personengruppen206 anzutreffen, wobei die Gerichtsdiener den Großteil dieser Vertretungen übernahmen. Frauen waren unter den vertretenen Personen dabei nicht in der Mehrzahl (14 Frauen gegenüber 14 Männern), es ging also dort nicht nur um eine juristisch notwendige Bevormundung von Frauen, sondern um eine Stellvertretung vor Gericht, oftmals in der Form einer Vollmacht wegen Schulden. Es ist weder bei Frauen noch bei Männern auszuschließen, dass die Gerichtsdiener als die erstbesten Personen eingesetzt wurden.207 Außerdem waren unter den lokalisierbaren Personen Baslerinnen häufiger (17 zu fünf bei acht nicht lokalisierten Personen), also ist es auch nicht so, dass das Gerichtspersonal mehrheitlich Auswärtige vor dem Gericht vertrat, die sonst vielleicht nicht zu ihrem Recht gekommen wären. Die vertretenen Personen waren außerdem eher arm. Die lokalisierbaren Vertretungsbeziehungen von 1497 lassen nicht auf einen Nachbarschaftseffekt schließen, sondern sie streuen eher zufällig übers ganze Stadtgebiet.208 Offenbar konnten gerade ärmere BaslerInnen von der Kenntnis der Amtspersonen des Gerichts profitieren, um ihre Anliegen vorzubringen. Während also die Beteiligung in Schuldfragen auf eine aktive Gerichtsnutzung durch das Gerichtspersonal selbst schließen lässt, vermute ich bei den Vertretungen eher, dass sich die Personen des Gerichts, vor allem die Amtleute, für die Zwecke der Gerichtsnutzenden einspannen ließen. Das Gerichtspersonal konnte auch als Zeuge auftreten, zum Beispiel indem es Vorgänge bezeugte, die eigentlich auch in den Gerichtsakten zu finden sein sollten, so etwa Vergichte.209 In diesen Situationen ist die Trennung zwischen der Tätigkeit als Amtsperson des Gerichts und dem Auftreten vor Gericht als Privatperson (wenn sich das so bezeichnen lässt) ebenso unscharf wie bei den Vertretungen. Es stellt sich weiter die Frage, ob die Personen, die sich im Rahmen von gerichtlicher Tätigkeit regelmäßig trafen, das Gericht auch nutzten, um Streitigkeiten untereinander auszutragen. Dies war 1455 gar nicht der Fall, 1497 nur in einem Fall, der sich nicht um Schuldfragen drehte. Es handelte sich um eine Auseinandersetzung zwischen Hans Heinrich Grieb und Heinrich Einfaltig, einen Holzschlag betreffend, welchen Einfaltig auf Griebs Land gemacht habe.210 Das Gerichtspersonal stammte selbstredend aus Basel. Obwohl es sich um das Großbasler Schultheißengericht handelt, waren in beiden Stichproben auch je zwei

206 Es handelt sich um erbende Kinder, die nicht genauer bezeichnet werden, sowie ein Kloster (Gnadental) und die Handelsgesellschaft von Memmingen. 207 Signori, Geschlechtsvormundschaft, S. 136. Signori bezeichnet sie als „fiktive“ Beistände. 208 Es sind allerdings nur acht von den 40 Vertretungen, bei denen sich beide Beteiligten lokalisieren lassen. 209 StABS, Gerichtsarchiv D 6, 19r, StABS, Gerichtsarchiv D 6, 22v. 210 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 264v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 215v; StABS, Gerichtsarchiv A 41, 255r.

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Kleinbasler Teil des Gerichts.211 Die Verteilung über die Stadt in der Stichprobe 1497 wird in Abbildung 6.37 (Tafelteil) dargestellt. Es zeigt sich dabei, dass die Streuung über das Gebiet des städtischen Kerngebiets ziemlich regelmäßig ausfiel, die Vorstädte hingegen nicht vertreten waren. Ein Vergleich der Vermögenslage zwischen dem Gerichtspersonal und den mit dieser Personengruppe durch Geschäfte vor Gericht verbundenen Personen ergab für 1455 keine eindeutigen Resultate. 1497 hingegen verteilte sich das Gerichtspersonal deutlich anders über die Vermögenskategorien: Sechs Personen aus der ärmsten Kategorie – es handelt sich um die Gerichtsboten und Gerichtsknechte – standen sechs aus der mittleren und sechs aus der reichsten Vermögenskategorie gegenüber, drei Personen ließen sich auf der Steuerliste nicht identifizieren.212 Die Angehörigen des Gerichts waren im Vergleich zu den mit ihnen durch irgendwelche Gerichtshandlungen verbundenen deutlich (und signifikant)213 reicher. Neben 37 nicht zugeordneten Personen sind 25 der ärmsten und lediglich sieben den reicheren Kategorien zuzuordnen. Ob Schuldsache, Vertretung oder andere Fragen, es gab oft ein beachtliches hierarchisches Gefälle, wenn das Gerichtspersonal involviert war. Tatsächlich war dies bei 50 von 102 Beziehungen der Fall, während ein Gefälle in die andere Richtung nur achtmal vorkam. Noch akzentuierter ist das Verhältnis 1455, wo es 61 zu zehn (von 80) beträgt. Dieses Gefälle konnte jedoch zum Nutzen der betreffenden Person sein, etwa wenn sie sich vor Gericht vertreten ließ oder der Amtmann als Zeuge diente, häufiger aber scheint es zum Nachteil ausgefallen zu sein, insbesondere in Schuldsachen. 6.3.3 Aristokratie Wenn es um Schulden geht, haben Adlige einen schlechten Ruf. Oftmals in finanziellen Engpässen steckend wegen ihrer großen Ausgaben für repräsentative Zwecke, galten sie den Zeitgenossen und gelten sie noch heute der Forschung als schlechte Schuldner, die ihr Vermögen nur zusammenhalten konnten, weil sie ihre Gläubiger hinhielten und dabei ihre Macht ausspielten.214 Da Adlige relativ häufig vor Gericht anzutreffen waren, lohnt es sich, auf ihre Beteiligung genauer einzugehen. Zuerst muss ich aber klären, wen ich zu der Gruppe zählte. Wichtige Kriterien waren bei der Identifikation Titel wie Junker oder Ritter sowie die Personen, deren klare Zugehörigkeit am Familiennamen erkenntlich war.215 Eine weitere, feinere Unterscheidung des Adels

211

1455 waren dies Schultheiß (!) Dietrich Sennheim und Reinhard Falkner, Amtmann; 1497 Gerichtsbote Konrad Klublin und Eucharus Holzach. 212 Darunter nebst einem Gerichtsboten erstaunlicherweise auch der Gerichtsschreiber Hans Gerster. 213 Der p-Wert von Fisher’s Exact Test ist 0,007005. 214 Vgl. z. B. Crowston, Credit, S. 31, Irsigler, Vertrauen, S. 55 f., Fontaine, Economie, S. 78. 215 Ich stützte mich dabei auf Burckhardt, Herkunft.

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nach verschiedenen Typen, wie zum Beispiel Hoch- oder Niederadel, Stadt- oder Landadel, Ministerialen oder städtisches Patriziat, habe ich nicht unternommen, weil mir eine solche weder einfach machbar noch sonderlich aussagekräftig erschien.216 Mit Joseph Morsel scheint mir die Zusammenfassung einer heterogenen Führungsschicht, die sich an höfischen Idealen orientierte, unter dem nicht zeitgenössischen Begriff Aristokratie am ehesten zu passen.217 Deshalb habe ich die bloße Erkenntlichkeit der Zugehörigkeit zu derselben als Attribut codiert und die Unterschiede, die sich mit dieser Unterscheidung erkennen lassen, beschrieben. Die Basler Aristokratie wohnte nicht zwingend in der Stadt, wie etwa die Münch von Münchenstein, die in der Steuerliste nicht erscheinen, wohl aber in den Gerichtsakten und von Burckhardt als Basler Geschlecht behandelt werden.218 Ich gehe davon aus, dass die in der Steuerliste nicht genannten Aristokraten, die einen bei Burckhardt genannten Namen aufweisen, auch tatsächlich außerhalb der Stadt, wohl oft in den von ihnen erworbenen oder aufgebauten Burgen, wohnten. Diese und auch andere Angehörige der Aristokratie aus dem Umland ließen sich in der Stadt oft vertreten.219 Tabelle 6.9 zeigt ihren Anteil für beide Stichproben. Von denjenigen, die weder in der Steuerliste figurieren noch einen bekannten Basler Adelsnamen tragen, ist in den wenigsten Fällen die Herkunft bekannt.220 Tab. 6.9 Herkunft bzw. Identifikation der Aristokratie in beiden Stichproben

in der Steuerliste identifiziert Basler Geschlecht unbekannt oder auswärtig

216 217 218

222

221

1455

1497

22

11

11

13

16

16

Vgl. zum Stadtadel und zur Wahl des Begriffs jüngst Frey, Junker, bes. S. 13. Morsel, Aristocratie. Sie wohnten im nach ihnen benannten Münchenstein, ehemals Geckingen, Burckhardt, Herkunft, S. 104. Ähnlich die Reich von Reichenstein, die aber teilweise auf der Steuerliste zu finden sind. Bei vielen dieser Geschlechter belegt Burckhardt eine Herkunft in der Stadt Basel, so etwa bei den Seevogel, deren Vertreter 1455 dann aber nicht mehr in Basel, sondern auf Schloss Wildenstein wohnte (StABS, Gerichtsarchiv A 26, 95r; zu den Seevogel Burckhardt, Herkunft, S. 110). 219 Vgl. zum Landadel Pope, Relations, S. 62. 220 Etwa bei Junker Jakob Esperlin, Bürger von Sitten VS, StABS, Gerichtsarchiv A 41, 261v ff. Andere trugen Basler Geschlechtsnamen, waren aber mit auswärtigem Wohnort aufgeführt, wie etwa Konrad Bärenfels, der als „von Rinfelden“ bezeichnet wurde, StABS, Gerichtsarchiv E 4, 14r. 221 In der Stichprobe 1455 sind die Adligen aus der Steuerliste mittels Zugehörigkeit zur Hohen Stube identifiziert (vgl. Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 6), in der späteren Stichprobe nur aus den Bezeichnungen in der Quelle, was wahrscheinlich die kleinere Anzahl erklärt. 222 D. h. ohne die Basler Geschlechter.

346

Schulden leben

1455, wo die Zugehörigkeit zur Aristokratie aus Schönbergs Edition der Steuerliste abgeleitet werden kann,223 lässt sich die Beteiligung dieser Gruppe an der Gerichtstätigkeit berechnen. Tatsächlich waren es 41,5 Prozent, die auch tatsächlich vor Gericht in der einen oder anderen Form anzutreffen waren. Sie bewegten sich damit in vergleichbaren Dimensionen wie die Angehörigen der reicheren Steuerkategorien (denen sie auch angehörten: Lediglich zwei Aristokraten lassen sich „nur“ der zweitreichsten Kategorie zuordnen). Wie die Tabelle 6.10 und Tabelle 6.11 zeigen, waren sowohl im Schnitt als auch in der Mehrheit der Fälle (Median) höhere Schuldsummen im Spiel, wenn die Aristokratie beteiligt war. Die Werte weichen auch im Vergleich mit der höchsten Steuerkategorie, denen sie ja fast ausschließlich angehörten, nach oben ab. Hans-Jörg Gilomen hat die Beteiligung des Adels im alltäglichen Kleinkredit untersucht und dabei festgestellt, dass es viele kleine Schulden gab, die für die adligen Schuldner nicht von wirtschaftlichem Gewicht waren. Trotzdem waren die Schuldsummen im Mittel deutlich höher.224 Es scheint aber, dass solche Schulden in den Gerichtsakten eher in den Hintergrund traten gegenüber höheren, stärker umstrittenen Schuldsummen. Tab. 6.10 Schuldsummen mit und ohne Beteiligung der Aristokratie in der jeweiligen Schuldbeziehung, Stichprobe 1455225 Mittelwert

Median

Anzahl Werte

Summe unbekannt

mit Aristokratie

98,1

17,3

25

69,5 %

ohne Aristokratie

20,2

4,6

314

56,1 %

Tab. 6.11 Schuldsummen mit und ohne Beteiligung der Aristokratie in der jeweiligen Schuldbeziehung, Stichprobe 1497226 Mittelwert

Median

Anzahl Werte

Summe unbekannt

mit Aristokratie

89,4

16,6

38

48,6 %

ohne Aristokratie

19,6

3,0

406

47,7 %

223 Zugehörigkeit zur Hohen Stube, vgl. Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 6. 224 Gilomen, Kleinkredit, S. 123 f. 225 Sowohl Mittelwert als auch Median unterschieden sich signifikant: Die Varianzanalyse ergab einen p-Wert von 0,00000001, der Median-Test von 0,0028. 226 Sowohl Mittelwert als auch Median unterschieden sich signifikant: Die Varianzanalyse ergab einen p-Wert von 0,00000016, der Median-Test von 0,00000014.

Spezielle Gruppen von GerichtsnutzerInnen

347

Den höheren Schuldsummen stand auch eine abweichende Gerichtsnutzung gegenüber, wie die Untersuchung der Aristokratie in den beiden Stichproben zeigt. 1455 finden sich Angehörige dieser Gruppe 51-mal in der Position als Schuldner und 45-mal als Gläubiger, wobei in acht Schuldbeziehungen beide Personen der Aristokratie zuzurechnen waren. 1497 war das Verhältnis 54 zu 21 mit einer einzigen Beziehung innerhalb der Aristokratie. Auffällig ist, dass die Aristokratie viel weniger im Vergichtbuch anzutreffen ist, dafür eher in Klagen. Hier zeigt sich aber ein unklares Muster, denn 1455 waren die Aristokraten eher Kläger, 1497 eher Beklagte. In der ersten Stichprobe kamen auch einige Klagen innerhalb der Aristokratie vor. Verbote kamen auch häufiger vor, und die Aristokratie war darin meist in der Rolle der Schuldnerin erwähnt. Die Höhe der Schuldsumme ist sehr oft nicht genannt, womit ein Vergleich zwischen der Rolle als Schuldner und derjenigen als Gläubiger wenig sinnvoll ist. Wir müssen uns mit der oben gemachten Feststellung begnügen, dass die Beteiligung der Aristokratie unabhängig von der Rolle mit höheren Schuldsummen verbunden war. Insgesamt wurden bei der Beteiligung der Aristokratie die einfacher zugänglichen Prozessformen, insbesondere das Vergicht, viel seltener gewählt als die Klagen und auch die Formen von Beschlagnahmung von Gütern. Erstaunlicherweise waren Immobilien aber nicht besonders häufig betroffen, was angesichts des in der Regel großen Liegenschaftsbesitzes der Aristokratie überrascht. Schuldverhältnisse mit Beteiligung der Aristokratie, die vor Gericht verhandelt wurden, waren also deutlich konfliktreicher als der Durchschnitt, was sicher daran liegt, dass die Beteiligten in der Regel vermögend waren und es somit nicht darum ging, ob sie in der Lage waren, Schulden zu erstatten, sondern eher darum, dass sie nicht gewillt waren, dies zu tun. Außerdem spiegelt sich in den Fällen die Funktion des städtischen Wohlstandes als Finanzierungsmöglichkeit der Aristokratie.227 6.3.4 Verwandte Eine spezielle Gruppe von GerichtsnutzerInnen zeichnet sich nicht durch ein spezifisches Attribut aus, sondern durch die Tatsache, dass die Personen, die gegeneinander gerichtlich vorgingen, verwandt waren. Das lässt sich in beiden Stichproben nachweisen, wenn die Einträge in den verschiedenen Gerichtsbüchern Verwandtschaftsbeziehungen erwähnen.

227 Siehe zu einem Darlehen an Markgraf Wilhelm von Hachberg-Sausenberg StABS, Gerichtsarchiv A 26, 96v. Vgl. z. B. zu den Grafen von Thierstein Christ, Grafen, S. 126 und 160.

348

Schulden leben

Tab. 6.12 Anzahl Schuldbeziehungen pro Typ zwischen verwandten Personen, beide Stichproben 1455

1497

anerkennt Schuld an

7

2

hält Güter in Verbot von

4

0

ist Schuldner von

3

1

kauft Rente von

1

0

klagt Schuld ein von

5

2

legt Güter in Verbot von

6

6

1455 lassen sich etwas mehr Verwandtschaftsbeziehungen nachweisen als 1497. Tabelle 6.12 zeigt die mit Schulden verbundenen Beziehungen, die nachweisbar zwischen Verwandten verhandelt wurden. Es ist ein Minimalwert, da nicht anzunehmen ist, dass die Schreiber in den Gerichtsakten Verwandtschaftverhältnisse systematisch erwähnten. Allerdings sprechen andere Aspekte dafür, dass der Anteil von Verwandten vor Gericht tatsächlich eher klein war.228 Wenn zwischen Personen, die eine Verwandtschaftsbeziehung aufweisen, das Gericht bemüht wurde, ging es relativ häufig um Erbfragen. In beiden Stichproben machten Erbfragen rund 40 Prozent der Quellenfunde aus.229 1497 war es allerdings nur ein Fall, der relativ komplex war und deshalb in verschiedenen Konstellationen dreifach vor Gericht kam. Es handelt sich um das Erbe von Ulrich Wolfer, der ja stark verschuldet verstorben war und eigentlich als Konkurs betrachtet werden kann. Zwei Schwestern von Wolfer versuchten in der Folge, sich mittels Klagen einen Anteil an dessen Gut zu sichern, allerdings nicht als Erben von ihm, sondern mit Verweis auf ihren Vater Peter Wolfer, der sie beide in seinem Testament berücksichtigt habe. Beide Schwestern waren damit nicht erfolgreich und konnten somit ihren Anspruch nicht vor den anderen Gläubigern befriedigen, sondern mussten auf die Verteilung der Konkursmasse warten.230 1455 hingegen waren es verschiedene Fälle, die einen Zusammenhang von Erbschafts- und Schuldfragen aufwiesen. Diese waren durchweg komplexer, d. h., es waren mehr Personen beteiligt als bei den übrigen Schuldfragen zwischen Verwandten, womit die 40 Prozent der Akteneinträge fast 60 Prozent der Beziehungen ausmachten.231 Wenn es ums Erbe ging, traten die einfachen Schuldbekenntnisse (Vergichte) 228 Siehe z. B. die Untersuchung räumlicher Distanzen in der Stichprobe 1497, Kapitel 4.3.1. 229 Es waren, wie erwähnt, nur wenige Quellen: 1455 betrafen sieben von 18, 1497 drei von sieben Quellen, welche Schulden erwähnten, Verwandte. 230 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 210r, 254r; StABS, Gerichtsarchiv E 7, 43v. 231 Die Erbsachen umfassten sieben Gerichtsbucheinträge mit insgesamt 15 erfassbaren Schuldbeziehungen, die übrigen elf Quellen, die keinen Hinweis auf Erbsachen enthielten, umfassten elf Schuldbeziehungen, d. h. eine pro Gerichtsbucheintrag.

Spezielle Gruppen von GerichtsnutzerInnen

349

etwas zurück zugunsten der leicht häufigeren Klagen wegen Schulden und Verboten.232 In einem Urteil vom 11. Januar etwa 1455 hielt das Gericht fest, der Kläger dürfe den Hausrat seines verstorbenen Schwagers zu sich nehmen, weil noch Ansprüche an einem Erbteil von dessen Frau (somit wohl der Schwester des Klägers) am mütterlichen Erbe vorhanden seien.233 1497 hingegen standen die Verbote zwischen Verwandten fast ausschließlich im Zeichen der Konkurse. Es handelte sich um die Frauen der Bankrotteure, die ihren Vermögensanteil sichern wollten. So etwa die Frau von Hans Keser: „Kesers eefrow verbutt für x gld ir morgengab“.234 Auch der eine Fall eines Verbots, der nicht im Zusammenhang mit Konkursverfahren stand, betraf die Morgengabe.235 Ob Konkurse oder Erbsachen: Es waren beides eher Ausnahmesituationen, die besonders umstritten sein konnten und dazu führten, dass Verwandte ihre Konflikte vor Gericht brachten. Es konnten aber auch ganz „gewöhnliche“ Fälle von Schulden zwischen Verwandten aktenkundig werden, wie etwa das Vergicht von Adelheid Baderin an ihre Schwester Ennelin mit einer Schuldsumme von acht Schilling und vier Pfennig.236 Eine Dreiecksbeziehung zwischen Brüdern etwa zeigt sich in der Vollmacht von Hans Bannholz, dem Kellner im Basler Spital, an seinen Bruder Mathis in Scharndorf, eine Schuld von neun Gulden bei einem weiteren Bruder names Jörg, der in Bittelsbach wohnhaft sei, einzutreiben.237 Im August 1497 erstellten Hans Runser und seine Schwester Ennelin mitsamt ihrem Mann Hans Schneider „ein guttlich rechnunng umb alle unnd yegklich sachen, so sy mitt einander biss hier zetunnd, es sye gurttel, schuben, heffen unnd anderer sachen halb, nutzit ussgenommen“.238 Bei dieser Rechnung, die sich offenbar um gemeinsam getätigte Geschäfte drehte, stellte sich heraus, dass Hans Schneider und seine Frau Hans Runser zwei Pfund schuldeten, welche sie bar beglichen. Das Ganze geschah im Beisein von drei Zeugen und wurde im Vergichtbuch eingetragen. Der Eintrag ist nicht direkt als Zahlungsversprechen zu verstehen – denn Schneider und Ennelin Runser beglichen die Schuld ja bar –, sondern als Bestätigung und Sicherheit gegenüber künftigen Forderungen, denn Hans Runser habe sich anschließend „für sich unnd sin erben umb all sachen quitt unnd ledig gesagt“. 1455 fällt auf, wie Männer die Güter ihrer Frauen in Verbot legten, die diese andernorts in Sicherheit gebracht haben. Das lässt zumindest die Formulierung im Verbot von Peter Seiler gegen seine

232

Nur drei von sieben Schuldanerkennungen betrafen Erbschaften, hingegen waren es drei von fünf Klagen und vier von sechs Verboten. Auch das Halten von in Verbot gelegten Gütern, welches ja nur 1455 nachzuweisen ist, kam meistens bei Erbfällen vor. 233 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 68v. 234 StABS, Gerichtsarchiv E 7, 43v. 235 Die Frau von Heinslin Blower verbot dessen Gut für „ir ansprach unnd morgengab“, StABS, Gerichtsarchiv E 7, 41r. 236 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 48r. 237 StABS, Gerichtsarchiv A 41, 261r (Nov. 1497). 238 StABS, Gerichtsarchiv C 16, 47v.

350

Schulden leben

Frau vermuten, er lege in Verbot, „waz Gred sin hussfrowen hinder sy [Heinrich Brünlin und seine Frau] geleit und getragen hat“.239 Die nicht oder nicht direkt mit Erbe befassten Vorgänge zwischen Verwandten im Jahr 1455 zeichnen sich durch sehr hohe Summen aus, so etwa die 100 Gulden, welche eine Frau ihrem Bruder schuldete und in einem Vergicht bestätigte.240 Ebenfalls hoch war die Schuld, welche ein Vater seinem Sohn in einem Vergicht festhielt. Der Sohn als Gläubiger seines Vaters erhielt zur Abzahlung von 40 Pfund die Zinsen der Schuld einer Drittperson an den Vater.241 Neben Vergichten kamen auch Klagen vor, so etwa diejenige von Frauenberg dem Schlosser gegen seinen Stiefsohn, der mit der Abzahlung von „ettwas gutz“ ins Hintertreffen geraten sei, was dieser bestritt. Die Sache wurde vertagt, damit beide Kundschaften vorbringen konnten, was aber offenbar nicht geschah.242 Später im Jahr dann ließen die beiden ein Vergicht eintragen, welches die Abzahlung von 20 Pfund über einen Zeitraum von fast zwei Jahren vorsah.243 In solchen Fällen lässt sich nicht erkennen, dass die Situation besonders konfliktgeladen gewesen wäre. Auch wenn solche Fälle eher selten waren, belegen sie, dass Verwandte die Gerichte auch in gewöhnlichen Schuldfällen bemühten, in welchen die Verwandtschaft weder eine besondere Rolle spielte noch die Beteiligten davon abhielt, vor Gericht zu gehen, und sei es nur für einen freiwilligen (und damit kostenlosen) Eintrag ins Vergichtbuch. Insgesamt zeigt sich, dass sich Schulden unter Verwandten oft in den Konfliktgegenständen und den Schuldsummen von anderen Schulden unterschieden, was sicher ein Indiz ist, dass die Hürden, vor Gericht zu gehen, in der Familie höher waren.244 Ob wir die Schulden innerhalb von Verwandtschaftsverhältnissen als sozial homogener lesen können als andere Schulden,245 ist damit aber nicht klar belegt, insbesondere weil in der Analyse unterschiedliche Typen von Verwandtschaftsbeziehungen zusammenflossen, die zu unterscheiden aber nicht möglich war.

239 StABS, Gerichtsarchiv E 4, 13v. Ein ähnlicher Fall findet sich unter StABS, Gerichtsarchiv E 4, 8r. 240 StABS, Gerichtsarchiv B 7, 95. 241 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 29r. Später setzte der Vater noch sein Haus als Pfand ein: StABS, Gerichtsarchiv A 26, 135r. 242 StABS, Gerichtsarchiv A 26, 79a. Zumindest findet sich im Gerichtsbuch in den Folgemonaten kein Eintrag zu den beiden. 243 StABS, Gerichtsarchiv C 6, 44r. 244 Vgl. zu den Gründen, Schulden in der Familie nicht einzuklagen, Fontaine, Economie, S. 293: „Il a gagné son crédit en justice mais perdu son crédit chez les siens.“ Siehe zur familieninternen Regelung von normabweichendem Verhalten Seidel, Freunde, S. 37. 245 Vgl. Vogel, Credit, S. 95.

Fazit: Schuldennetzwerke

351

6.4 Fazit: Schuldennetzwerke Die Akten des Gerichtsarchivs zeichnen ein Bild des spätmittelalterlichen Schuldenalltags, aber dieses Bild stellt nur einen Ausschnitt dar. Ich habe schon auf die Unmöglichkeit hingewiesen, die Bedeutung alternativer Gerichte einzuordnen.246 Auch die alternativen Finanzierungsquellen sind schwer einzuschätzen. Der Vergleich mit Schuldenbüchern von Kaufleuten zeigt, dass es einen städtischen Rentenmarkt gab, der sich weitgehend außerhalb des Gerichts abspielte – nicht weil es nicht möglich gewesen wäre, ausstehende Zinsen einzutreiben, denn das geschah ja durchaus. Vielmehr finden sich kaum Überschneidungen zwischen diesen Büchern und den Gerichtsakten.247 Ebenso wenig ließe sich wohl jüdische oder lombardische Pfandleihe nachweisen, weil sie zur Schuldeintreibung keiner Gerichte bedurfte: Man verkaufte einfach das Pfand weiter. Es scheint nun, dass in Basel diese Alternativen keine bedeutende Rolle gespielt haben, sicher ist das aber nicht.248 Auf jeden Fall habe ich ganz wenige explizit als Juden bezeichnete Gläubiger gefunden.249 Dieses Fazit wendet sich deshalb den Schuldbeziehungen zu, die sich tatsächlich untersuchen ließen, und bilanziert ihre Verflechtung in Basler Schuldennetzwerken. Insgesamt zeigte sich ein wenig dichtes Netzwerk, das sich nicht gut für strukturelle Analysen anbot. Letztere waren nützlich für den Vergleich der Stichproben, wo sich ähnliche Muster abzeichneten. Das unterstützt die Untersuchung insofern, als von grundsätzlich vergleichbaren Stichproben und vergleichbarer Funktionsweise der Schuldeintreibung mittels Gericht ausgegangen werden kann. Auf struktureller Ebene zeigt sich ein weitmaschiges Netzwerk mit einigen dichten Stellen. Diese waren vor allem um die häufig auftretenden GläubigerInnen festzustellen. Diese hielten das Netzwerk zusammen, während stark verschuldete Personen oftmals mit einer Reihe von GläubigerInnen in Verbindung waren, die sonst keine bedeutende Rolle spielten. Weil bei den häufig vorkommenden Gläubigern oft noch ein sozioökonomisches Gefälle hinzukommt, lassen sich deren das Netz zusammenhaltende Verbindungen al-

246 Siehe Kapitel 3.2.3. 247 Vgl. die Editionen der Geschäftsbücher von Basler Kaufleuten bei Signori, Schuldbuch; Steinbrink, Meltinger und Gilomen, Kleinkredit. Vgl. zur ähnlichen Situation in Antwerpen Puttevils, Merchants, Kapitel 5. 248 Zu lombardischen Kaufleuten in Basel Denzel, System, S. 115 f.; allgemein Greilsammer, Usurier; zur Verdrängung des jüdischen Kredits Gilomen, Grundlagen, S. 157 f.; Gilomen, Substitution; siehe auch Ehrensperger, Stellung, S. 343 ( Juden spielten im 15. Jahrhundert in Basel „keine bedeutende Rolle mehr“); zur Verbreitung dieser Schuldformen in anderen europäischen Regionen nur eine kleine Auswahl an Titeln: Holtmann, Geldleihe; Boone, Crédit; Botticini, Tale, S. 167; Greilsammer, Roue. 249 Verbot „von eines iuden wegen“, 1455, StABS, Gerichtsarchiv E 4, 13r; Verbot eines Schuldbriefs eines „iuden von Sennheim“, 1455, StABS, Gerichtsarchiv E 4, 22v; Urteil mit „Mathis dem Jüden von Mulhusen“ als Kläger 1490, StABS, Gerichtsarchiv A 38, 149r.

352

Schulden leben

lenfalls als „weak ties“ gemäß Granovetter interpretieren.250 Allerdings wäre dann zu prüfen, welche Verbindung im Gegenzug als stark zu charakterisieren wäre. Das ist schwierig, weshalb eine Interpretation, die weiter geht als die strukturelle Ähnlichkeit zur Beobachtung Granovetters, wenig überzeugend scheint. Die Untersuchung der Schuldenketten hat zudem gezeigt, dass es sich nicht lohnt, allzu viel in die längeren Schuldenpfade hineinzuinterpretieren. Es ist eher davon auszugehen, dass kleinräumige Strukturen von Bedeutung waren. Die Analyse der zeitlichen Dimension hat diese Vermutung bestätigt. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass in diesen kleinräumigen Strukturen oftmals noch Drittpersonen beteiligt waren, deren Beteiligung aber in der Netzwerkanalyse oftmals nicht sichtbar ist. Die Analyse der nach Attributen aggregierten Daten hat viele Unterschiede gezeigt und dabei die Bedeutung von Angaben zur Herkunft, zum Geschlecht und zur Vermögenslage für die Analyse der Schuldbeziehungen unterstrichen. Insgesamt ergibt sich ein Bild der Dominanz von Schuldbeziehungen, die durch soziale und räumliche Distanz geprägt waren und deshalb nicht a priori als soziale Beziehungen bezeichnet werden können. In Bezug auf das Netzwerk der Schuldbeziehungen, welches die beiden Stichproben aufzeigen, lässt sich aber festhalten, dass es eine breite Streuung von Schulden über den städtischen Raum, die sozialen Gruppen und das Umland von Basel gab.251 Dies spricht trotz der beobachteten Asymmetrie252 für eine vielfältige Beteiligung der BaslerInnen und von Auswärtigen an der städtischen Schuldenwirtschaft in Netzwerken, die „durch den sozioökonomischen Status vorstrukturiert“ waren.253 Die ungleichen Handlungsoptionen im Netzwerk sind dabei als „Ergebnis überpersönlicher Transaktionsprozesse im Netzwerk“ zu verstehen.254 Ich komme im Fazit255 darauf zurück, wie sich diese Beobachtung im Kontext der Forschung zu Schulden nutzen lässt für eine Untersuchung von Schulden als Beziehung. Das Netzwerk der vor Gericht verhandelten Schulden war nur ein kleines Teilnetzwerk der insgesamt in den untersuchten Zeitspannen eingegangenen und verhandel-

250 Vgl. Granovetter, Strength. „Weak ties“ sind Verbindungen zwischen ansonsten wenig verbundenen Gruppen mit jeweils höherer Dichte von Beziehungen untereinander. Sie wirken auf den ersten Blick weniger stark, weil sie vereinzelt dastehen. Granovetter konnte aber deren großen Nutzen für die Akteure zeigen. Vgl. Straus, Welt, S. 14 f. 251 Zur breiten Streuung von Schulden siehe auch Fouquet, Kredit, S. 35. 252 Vgl. Lee/Martin, Strukturen, S. 122 f. Lee und Martin bevorzugen für Beziehungen, die zwingend nicht symmetrisch sein können, den Begriff antisymmetrisch. Dieser scheint aber in der vorliegenden Situation tatsächlich nicht zuzutreffen, weil eben auch die Gegenrichtung vertreten war, wenn auch deutlich seltener. 253 Fuhse, Ungleichheitssoziologie, S. 183. 254 Fuhse/Mützel, Grundgedanken, S. 10. Vgl. auch Stegbauer, Strukturbildung, S. 209; Holzer, Analyse, S. 80; Neumann/Schmidt, Inhalt, S. 203: Eine formale Netzwerkanalyse sage viel über Handlungsoptionen, fürs Nachvollziehen der Dynamik von Akteurshandeln „scheint die Integration von struktur- und akteursbezogenen Elementen notwendig“. 255 Siehe Kapitel 7.1.

Fazit: Schuldennetzwerke

353

ten Schulden. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Schulden zurückbezahlt wurden und dass von den ausstehenden auch nur ein Teil in den Stichproben landete; sei es, dass andere Gerichte beigezogen, sei es, dass auf die Rückzahlung verzichtet wurde – oder dass die GläubigerInnen einfach noch weiter warteten. Angesichts dieser Optionen ist klar, dass nicht irgendein zufälliger Teil der Schuldbeziehungen vor Gericht landete. Die aufgezeigten Aspekte von sozialer und räumlicher Distanz sowie von Asymmetrie sind wahrscheinlich für diese Selektion verantwortlich. Aspekte von Nähe (räumlich, sozial, verwandtschaftlich, ökonomisch), die Ausdruck von horizontalen Schuldbeziehungen waren, mochten dazu geführt haben, Schulden anders zu verhandeln. Die Repräsentativität der hier untersuchten Daten lässt sich nicht überprüfen, weil über die meisten anderen Schulden kaum etwas bekannt ist.256 Der Bankrott von Anton Waltenhein kann innerhalb der Stichprobe auf eine gewisse Weise zum Vergleich verwendet werden – unter der Annahme, dass dieser öffentlichkeitswirksame Prozess dazu geführt hat, dass die meisten GläubigerInnen ihre Ansprüche anmeldeten.257 Zumindest wer die Hoffnung hatte, die Forderung ausreichend belegen zu können, wird kaum darauf verzichtet haben, weil auf anderen Wegen nichts mehr zu holen war. In Bezug auf das Vermögen und die Herkunft unterschied sich die Liste der GläubigerInnen Waltenheins nicht signifikant von der ganzen Stichprobe, nur beim Geschlecht zeigt sich ein Unterschied: Der Frauenanteil war im Vergleich etwas höher, was sich vielleicht durch die spezifische Gerichtsnutzung von Frauen erklären lässt.258 Was außerdem auffällt, sind die vielen, vor allem kirchlichen Institutionen auf der Gläubigerliste.259 Ihre relative Übervertretung ist auf den großen Immobilienbesitz Waltenheins zurückzuführen, dessen Zinsbelastung die Klöster und Stifte einforderten.260 Diese weitgehende Übereinstimmung des Kreises der GläubigerInnen in einem herausragenden Konkursfall mit den in der ganzen Stichprobe beschriebenen Mustern lässt sich nun als Beleg dafür interpretieren, dass die beobachteten Strukturen des Schuldennetzwerkes durchaus repräsentativ waren für viele Schuldverhältnisse in Basel.

256 Für Basel sind nur einige Geschäftsbücher und die Schuldnerliste des Krämers Offenburg überliefert, die an jeweiliger Stelle für den Vergleich herangezogen wurden, siehe Gilomen, Kleinkredit; Signori, Schuldbuch; Steinbrink, Meltinger. 257 Vgl. Hitz, Informationszirkulation, S. 79–82. 258 Siehe dazu Kapitel 4.1.3. 259 Konkret die Schuhmacherzunft, eine St. Wolfgangsbruderschaft, das Frauenkloster Gnadental, das Prediger- und das Augustinerkloster, die Chorherren von St. Martin und St. Alban, die Präsenz auf Burg (d. h. das Domkapitel am Münster), die Gesellschaft von Memmingen und Fronherren von Todtnau (StABS, Gerichtsarchiv E 7, 46r–49r; StABS, Gerichtsarchiv B 14, 133r–134r; StABS, Gerichtsarchiv G 9, 29v–31r). 260 Das zeigt sich besonders im Konkursverfahren von 1498, wo die kirchlichen Institutionen sehr gut vertreten waren, hingegen die meisten anderen GläubigerInnen, sofern sie keine auf Liegenschaften lastenden Schuldforderungen hatten, kaum noch, StABS, Gerichtsarchiv G 9, 29v–31r.

354

Schulden leben

BaslerInnen gingen folglich Schuldbeziehungen nicht ausschließlich in Settings von sozialer Nähe ein, sondern überschritten dabei vielfach die gesellschaftlichen, räumlichen und ökonomischen Grenzen, welche eine spätmittelalterliche Stadt wie Basel prägten. Somit zeigt das Netzwerk einen bedeutsamen Ausschnitt aller potenziell möglichen Schuldbeziehungen in Basel und erlaubt somit Aussagen über die Chancen und Optionen der BaslerInnen, Schulden einzugehen und damit am städtischen Wirtschaftsleben teilzunehmen. Es scheint, dass diese trotz einschränkender Faktoren  – nebst ökonomischen Verhältnissen ist etwa die gute Reputation zu erwähnen – sehr vielseitig waren. Um Netzwerkstrukturen als Rahmenbedingung von Handlungsoptionen zu verstehen, muss das „interplay between the structural and behavioral levels“ geklärt werden.261 Es fehle dazu die Verbindung von kulturellen Orientierungen und individuellen Präferenzen und Netzwerkforschung.262 Hier setzt auch die Kritik am Begriff Netzwerk von Gabriele Jancke und Daniel Schläppi an. Netzwerke würden als „technisch präzise, auf Knopfdruck funktionierende, von vielen Vernetzten gebildete Beziehungsmechanik“ dargestellt.263 Marina Hennig und Steffen Kohl haben eine Verbindung von Netzwerkanalyse und Bourdieus Habitus- und Feldtheorie vorgeschlagen, mit der „individuelle Strategien als eine Kombination aus objektiven Positionen, individuellen Eigenschaften sowie Interaktion“ zu analysieren sind; Netzwerkstrukturen lassen sich so als „Muster sozialer Praktiken“ verstehen.264 Diese Überlegung führt mich zur Frage, wie die Wahrnehmung als Netzwerk funktionierte. War den Zeitgenossen bewusst, wie verflochten die Schuldbeziehungen waren? Die Wahrnehmung von Strukturen bezog sich wahrscheinlich nur auf die unmittelbar miteinander verbundenen Personen sowie die über eine Station indirekt verbundenen Personen, selten weiter. Ein Beleg dafür könnte die Länge der Schuldenketten sein, die auch kaum mehr als drei Stationen umfassten. Dass viele GläubigerInnen in der Lage waren, für ihre Aussagen Zeugenaussagen aufnehmen zu lassen, spricht auch für ein Bewusstsein der sozialen Einbettung von Schuldverhältnissen und damit indirekt für eine Wahrnehmung von Strukturen der Verflechtung. Eine Netzwerkwahrnehmung im Sinne eines Wissens über konkrete Verflechungen und den hohen Grad der Vernetzung bezog sich vielleicht nur auf den Kern, auf häufig vorkommende Gläubiger aus der städtischen Oberschicht, von denen ihre starke Einbindung als Darlehensgeber bestimmt bekannt war. Während also Handeln im Netzwerk eine ubiquitäre Praxis war, würde ich eine Wahrnehmung der Schuldenwirtschaft als Gesamtnetzwerk eher nicht postulieren oder wenn, dann nicht in Bezug auf die tatsächliche Vernetzung von

261

Bixler, Network, S. 53, sieht dafür soziologische Theorien in der Pflicht. Zur „Theorielücke“ in der Netzwerkanalyse auch Holzer, Analyse, S. 78. 262 Fuhse/Mützel, Grundgedanken, S. 24. 263 Jancke/Schläppi, Einleitung, S. 21. 264 Hennig/Kohl, Fundierung, S. 22.

Fazit: Schuldennetzwerke

355

Personen, sondern eher auf die Tatsache, dass viele Konstellationen von Schuldbeziehungen möglich waren und somit das Feld potenzieller Schuldbeziehungen sehr weit. In der spätmittelalterlichen Gesellschaft müssen wir überhaupt davon ausgehen, dass Netzwerke als gesellschaftliches Paradigma keine Rolle spielten.265 Eine nicht vorhandene Wahrnehmung als Gesamtnetzwerk und die Schwierigkeit, über die eigene Situation hinaus genau über die Schuldverhältnisse Bescheid zu wissen, sollen nun aber nicht dazu verleiten, die Netzwerkanalyse insgesamt infrage zu stellen. Die Sinnhaftigkeit der Netzwerkanalyse besteht nicht darin, dass sie eine Weltsicht der Zeitgenossen wiedergibt. Vielmehr ist es die Analyse einer abstrakten Ebene, eine Strukturanalyse, die sich in einem Spannungsfeld zwischen Makroanalyse von Gesamtstrukturen und Mikroanalyse von einzelnen individuellen Beziehungsmustern bewegt.266 Stellte die Einbindung in ein Netzwerk nun eine Ressource267 dar, oder müssen wir vielmehr von einer negativ verbundenen Beziehung ausgehen? Die Netzwerkanalyse unterscheidet grundsätzlich zwischen Kommunikations- und Einflussnetzwerken sowie Tausch- und Verhandlungsnetzwerken. In Ersteren resultiert die Verbindung zu starken Partnern in einer Machtstellung, in Zweiteren sind es die Beziehungen zu schwachen Partnern.268 Eine stärkere Betonung der Austauschkomponente – gemeint ist der effektive Fluss von Geld in Form von Kredit und später von Geld, Gütern und Arbeitsleistung zur Rückerstattung – lässt das Bild eines Tauschnetzwerks entstehen, wo Personen mit schwachen Partnern im Vorteil sind. Allerdings stellt das Netzwerk ebenso ein Kommunikationsnetz und vielleicht auch ein Einflussnetzwerk dar, weil es das Resultat von Vermittlungsprozessen und Informationszirkulation darstellt.269 Gemeint sind die Vorgänge, die SchuldnerInnen und GläubigerInnen in eine (geschäftliche) Beziehung bringen. Ich würde deshalb von einer eindeutigen Zuweisung absehen und auf die grundsätzliche Ambivalenz von Schuldbeziehungen verweisen.270 Dem Beziehungscharakter von Schulden widmet sich nun das abschließende Fazit.

265 Vgl. Gießmann, Verbundenheit, S. 8 f. 266 Vgl. dazu Hennig/Kohl, Fundierung, S. 14; Fuhse/Mützel, Grundgedanken, S. 10, sprechen von einer „Meso-Ebene von empirisch beobachtbaren Netzwerkstrukturen“. 267 Vgl. zum Begriff Jancke/Schläppi, Einleitung, S. 17. 268 Jansen, Einführung, S. 178. 269 Vgl. Livesey, Réseaux, S. 47, der das Kreditsystem beschrieben hat als „un mécanisme de communication et de négociations“; Gestrich/Stark, Introduction, S. 3: „Credit networks formed in this way were based on communications networks which they simultaneously structured.“ 270 Vgl. Jancke/Schläppi, Einleitung, S. 24: Das Beziehungsgefüge (bzw. Investitionen darin) bleibt stets ambivalent: Verpflichtungen können, „wenn sie die materiellen Möglichkeiten und die durch den Sozialstatus umrissenen Handlungsspielräume der Beteiligten überstrapazieren, leicht ins Gegenteil umschlagen“.

7. Fazit: Schuldbeziehungen Immer wieder habe ich in dieser Arbeit die Frage aufgeworfen, inwiefern Schuldbeziehungen soziale Beziehungen darstellten, sich auf solche stützten oder sie überhaupt entstehen ließen. Auf eine Charakterisierung der Beziehungen habe ich bislang verzichtet, nicht zuletzt deshalb, weil eine solche aus den Quellen nicht direkt ablesbar war – auf die wenigen Ausnahmen bin ich eingegangen.1 Nachdem diese Arbeit nun auf verschiedenen indirekten Wegen Beziehungskonstellationen im spätmittelalterlichen Basel dargestellt hat, beschreibt das Fazit Schulden als soziale Beziehung und stellt die Resultate dieser Arbeit dabei in den Kontext von jüngerer Forschungsliteratur zu Schulden in der Vormoderne. 7.1 Schulden als Beziehung Die in dieser Arbeit gemachte Feststellung von sozialem Gefälle und meist großer räumlicher Distanz innerhalb der Stadt weist eigentlich eher auf Schuldbeziehungen als rein wirtschaftliche Beziehungen hin. Insgesamt scheinen diese Faktoren von Distanz und Asymmetrie2 mehrheitlich zu überwiegen, wenn eine Schuld vor Gericht kam, es gibt wenig Hinweise auf die Einbindung von wirtschaftlichen Beziehungen in bestehende soziale Beziehungen. Eine Ausnahme bilden jene wenigen Fälle, die auf ein Umschlagen einer zuvor freundschaftlichen Beziehung hindeuten. Auch Gabriela Signori und Hans-Jörg Gilomen haben die primär wirtschaftliche Dimension der Schuldbeziehungen betont. Der Kredit sei „oftmals die einzige für uns erkennbare Verbindungslinie zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner“,3 Kredite bildeten meist

1 2 3

Zu erwähnen sind insbesondere gewisse Angaben in den Kundschaften zur Entstehung von Schulden (Kapitel 2.2) sowie als Spezialfall die spärlichen Auskünfte über Verwandtschaft (Kapitel 6.3.4). Vgl. zur Unterscheidung von symmetrischen und asymmetrischen Schuldbeziehungen Fouquet, Kredit, S. 20. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 45.

Schulden als Beziehung

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„rein wirtschaftliche Zusammenhänge“,4 sogar unter Verwandten, wenn etwa bei Rentenkäufen die wirtschaftliche Altersvorsorge im Vordergrund stand. Grundsätzlich seien außerökonomische Motivationen kaum zu unterstellen, oft auszuschließen. Diese Beobachtung wird von den quantitativen Untersuchungen in dieser Arbeit gestützt, sie basiert allerdings auch auf einem Quellenproblem – nicht zuletzt deshalb, weil das Eingehen von Schulden kaum aktenkundig wurde, sondern die Quellenüberlieferung erst später einsetzt, anlässlich der Säumigkeit der SchuldnerInnen. Zu diesem Zeitpunkt stand eine allfällig bestehende starke soziale Beziehung nicht mehr im Zentrum bzw. führte der Gang vor Gericht gerade von einer personellen Ebene weg auf eine institutionelle. Das spiegelt sich auch in der Formalisierung der Quellen, die den sozialen Beziehungen hinter einem Fall kaum Rechnung trug. Es stellt sich aber auch die Frage, ob eine solche strikte Trennung der Sphären Wirtschaft und Gesellschaft für die Epoche haltbar ist.5 Viele Studien zeigten im Gegenteil eine starke gesellschaftliche Einbettung der Wirtschaft, so etwa die Arbeiten von Laurence Fontaine: „L’économie des choses est ainsi encastrée dans une économie relationnelle et cette économie relationnelle, incarnée dans le crédit, vient troubler le jeu du bazar et la liberté apparente qui y règne.“6 Jürgen Schlumbohm hat auf die „soziale, ja politische Bedeutung“ von Kreditbeziehungen hingewiesen.7 Oftmals stützten sich Schuldbeziehungen auf andere Beziehungen,8 oder ihr Entstehungskontext implizierte eine Beziehung, die über ein bloßes Schuldverhältnis hinausging.9 Und auch wer wirtschaftliche Transaktionen unabhängig von darüber hinaus bestehenden Beziehungen betrachtet, stellt fest, dass sie nicht in einem „Vakuum“ stattfanden.10 Daniel Schläppi weist darauf hin, dass „wirtschaftende AkteurInnen […] sich in vielpoligen, sich stetig verändernden Beziehungsgeweben“ bewegten. An diesen muss-

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6 7 8 9 10

Gilomen, Frauen, S. 136. Es ist vielmehr so, dass eine vormoderne, eher auf Beziehungen beruhende Wirtschaft und eine moderne, sich auf unpersönliche Institutionen stützende nicht als Abfolge, sondern als parallel existierende Wirtschaftsformen zu verstehen sind. Fontaine, Economie, S. 13 und 223; Laferté, Crédit, S. 67; Crowston, Metanarrative; Häberlein, Kreditbeziehungen, S. 46; zur Feststellung, dass es auch heute keine scharfe Trennlinie zwischen Wirtschaft und Gesellschaft gibt und sich die kapitalistische Gesellschaft nur im Ausmaß, aber nicht substanziell von früheren unterscheidet, siehe Dejung, Einbettung. Fontaine, Economie, S. 260. Schlumbohm, Einführung, S. 10. Vgl. auch Sturm, Privatkredit, S. 65; McLean/Padgett, Credit, S. 2: Auch die Kreditnetzwerke des Handels beruhten auf sozialen Kontakten. Claustre, Crédit, S. 581, nennt z. B. die Beziehung zwischen Handwerker und Kunde, Mieter und Besitzer. Eine Kreditbeziehung entstand „par un simple glissement depuis un rapport marchand“. Vgl. auch Claustre, Ethnographie, S. 45. Claustre, Crédit, S. 568: Kreditsituationen waren oftmals nicht „strictement financières: seigneurie, salariat, patronage, charité, amitié, mariage etc.“. Vogel, Credit, S. 72: „Financial behaviour does not take place in the ‚vacuums‘ of universally valid economic theories, but in the context of discourses, institutions, and social practices which have to be regarded as dynamic and in relation to one another.“

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Fazit: Schuldbeziehungen

te man „stetig mitstricken“.11 Er spricht deshalb auch von der „Ökonomie sozialer Beziehungen“.12 Der Begriff, der zugleich den Titel eines Sammelbandes darstellt, richtet sich laut Christof Jeggle auf „den Transfer von Ressourcen innerhalb stabilisierter bzw. ritualisierter sozialer Beziehungen“.13 Die Herausgeber präzisieren: „Der Transfer von Ressourcen sollte über die Regeln einer sozialen Beziehung, ihre Handlungslogiken und Mechanismen vorgenommen werden.“14 Es scheint mir deshalb nicht zulässig, aus der sozialen Distanz, welche die quantitativen Analysen erkennen lassen, zu schließen, dass Schulden keine sozialen Beziehungen mit sich brachten. Viele Fälle (und auch der Vergleich der involvierten Schuldsummen) deuten darauf hin, dass Schulden oft nicht aus einer einzigen Transaktion entstanden, sondern auf längerfristigen geschäftlichen Beziehungen beruhten.15 Wiederholte Begegnungen führten laut Boris Holzer zu einer eigenen „Beziehungsgeschichte“, aus der sich gewisse Erwartungen ergaben.16 In einer relativ kleinen städtischen Gemeinschaft wie Basel kannte man viele Personen, und das Wissen über die Kreditwürdigkeit und Zahlungsmoral von Personen zirkulierte.17 Dieses Wissen wurde zu einem „credit in social terms“ – so hat Craig Muldrew das Verhältnis von Reputation und finanziellen Transaktionen beschrieben.18 In diesem Sinn war selbst eine rein geschäftliche Beziehung in einen sozialen Kontext eingebettet, was viele Kundschaften, die ich untersucht habe,19 zeigen. Die ZeugInnen erwähnten meist eher beiläufig, wo und mit welchem Personenkreis eine Transaktion stattfand, wie lange die Verhandlung dauerte und welche Schritte schließlich zu einer Vereinbarung führten und den Prozess abschlossen. Genau diese Beiläufigkeit zeigt jedoch, wie selbstverständlich die soziale Einbettung von ökonomischen Transaktionen war. Diese zeigt sich besonders stark bei der Betrachtung der vielen Möglichkeiten der Beteiligung von Drittpersonen, wie ich sie an verschiedenen Stellen beschrieben habe, sei es als Zeugen, als Bürgen oder als in irgendeiner Art indirekt Beteiligte.20 Eine starke Verflechtung zwischen 11 12 13 14 15 16 17 18

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Schläppi, Ökonomie, S. 46. Zur höheren sozialen Komplexität siehe auch Lipp, Aspekte, S. 24. Schläppi, Ökonomie, S. 43. Jeggle, Ressourcen, S. 65. Jancke/Schläppi, Einleitung, S. 9. Vgl. dazu auch Claustre, Ethnographie, S. 45. Holzer, Beziehung, S. 102. Eine Beziehung stelle „demnach nicht eine ‚Verbindung‘ zwischen existierenden Elementen (Personen) her, sondern konstituiert eine emergente Ebene sozialer Realität“. Vgl. Hitz, Informationszirkulation. Muldrew, Economy, S. 148: „Credit in social terms – the reputation for fair and honest dealing of a household and its members – became the currency of lending and borrowing“; ebenso S. 152: „Credit in this sense became a sort of knowledge which could be communicated through chains of friends and business assiciates, and became the basis of deciding who could then be added to structural chains of obligation.“ Siehe Kapitel 2. Vgl. dazu auch Claustre, Ethnographie, S. 47: Schuldbeziehungen waren oft multilateral, man musste als Schuldner Partner finden, die Verantwortung für die Schuld übernahmen und sie zu verwalten halfen.

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wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen ist auch bei all den Objekten zu vermuten, die „hinter“ anderen Personen als den eigentlichen BesitzerInnen in Verbot gelegt wurden. Zudem kann das Gewähren von Kredit als Ausdruck einer freundschaftlichen Beziehung gelesen werden.21 Das Entstehen einer Schuld schuf somit eine Beziehung, die immer auch eine soziale Komponente hatte. In der Perspektive von längeren, von mehrfachen Kontakten geprägten, sozial eingebetteten Schuldbeziehungen lässt sich auch die Betrachtung als Netzwerk rechtfertigen. Carsten Jahnke hat den „inflatorischen Gebrauch des Wortes Netzwerk“ kritisiert, es bedürfe einer „beständigen und/oder zielgerichteten Verbindung“, nicht bloß einer linearen Verbindung zwischen zwei Menschen, um von Netzwerken sprechen zu können.22 Genau diese Bedingungen erfüllen die Beziehungen, wenn eine genaue Analyse zum Beispiel anhand von Kundschaften möglich ist – für die anderen ist zu vermuten, dass sie ähnlichen Mustern folgten. Die Netzwerkperspektive gewinnt zudem an Plausibilität angesicht der Tatsache, dass die Akten des Gerichtsarchivs nur einen kleinen Teil des Netzwerks erkennen lassen und dieses ungemein viel dichter war als das heute noch rekonstruierbare Netzwerk. Ebenfalls als Faktor der Einbindung zu werten ist die Institution Gericht. Das Gericht bot zusätzliche, gewichtige Möglichkeiten der Schuldabsicherung. Dabei ist nicht in erster Linie der Zugriff auf liegende und fahrende Güter gemeint – dieser entbehrte weitgehend einer sozialen Komponente. Optionen wie Zahlungsversprechen, Zeugenaussagen und Eide sowie die Tatsache, dass das Gericht Öffentlichkeit schuf, waren hingegen einer sozialen Einbettung der Schuldbeziehungen eher zuträglich. Gerade für alltägliche Konsum- und Warenkredite, die sich vornehmlich im Vergichtbuch abbildeten, traten nämlich materielle Sicherheiten in den Hintergrund. Daniel Smail beschreibt die sozialen Implikationen des gerichtlichen Eintreibens von Schulden folgendermaßen: A creditor wo pursued debt recovery, therefore, had to assume either that the debtor’s dishonor needed to be exposed to the general public, or that the debtor was so beneath contempt that her or his resentment was not worth bothering about.23

So ist die soziale Beziehung nicht immer positiv zu werten; sie war bei Säumnis naheliegenderweise belastet  – aber trotzdem vorhanden. Ohne die Mediationsposition des Gerichts, dessen institutionelles Angebot stadtbekannt war, ließe sich nämlich die vorgefundene Vielfalt von Schuldbeziehungen kaum erklären. Diese Erkenntnis wird

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Smail, Consumption, S. 135; Schuster, Age, S. 45; Schuster, Aspekte, S. 34. Vgl. auch den Fall des Baslers, der für eine Ulmer Goldschmied Gold verkaufte, in Kapitel 2.2.2. Jahnke, Handelsnetze, S. 189; vgl. auch Gilomen, Netzwerke, S. 349. Gilomen erwähnt einen Diskussionsbeitrag von Franz Irsigler, es sei schwierig, „ein wirkliches Netzwerk zu fassen und nicht einfach eine Menge von Zweierbeziehungen künstlich zu verknüpfen“. Smail, Consumption, S. 138.

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durch den ungleichen Zugang zum Gericht relativiert, denn dieses bot nicht für alle Schichten der Stadt die gleichen Handlungsoptionen. Es braucht also eine differenzierte Betrachtung, die dem unterschiedlichen Einfluss des Gerichts auf Schuldbeziehungen Rechnung trägt. Diese Aspekte sozialer und institutioneller Einbindung sind bedeutend, wenn wir das Führen von Schuldbeziehungen als Aufgabe der vormodernen Menschen betrachten. Julie Claustre hat diese Aufgabe als wichtigen Teil der „identité civique“ beschrieben.24 Sie sieht Schuldbeziehungen als „une relation épaisse et durable“.25 Thema von neueren Untersuchungen ist deshalb eine Kultur des Kredits.26 Einen Aspekt dieser Kultur, nämlich das Aushandeln von Schulden und Abzahlung derselben vor Gericht, hat diese Arbeit genauer untersucht. In Bezug auf den Beziehungscharakter von Schuldverhältnissen kann auch eine Verkehrung der Optik aufhellend sein. So kann es sein, dass nicht ein konkreter Gabentausch das Handlungsziel darstellt, sondern „die Beziehung selbst“.27 Ich gehe nicht davon aus, dass diese Dimension im täglichen Austausch von Gütern und Geld dominierte, aber dass das Gewähren von Schulden beziehungsbildend war, bedachten auch die spätmittelalterlichen Akteure. „Forschung kann Beziehungen nicht messen“, hat Daniel Schläppi etwas provokativ festgestellt. Sie sollte aber versuchen, ihre immanenten Logiken zu beschreiben. „Es ist deshalb sinnvoll, individuelle und kollektive Handlungsspielräume von Agierenden stets in Relation zu den äußeren rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten zu hinterfragen.“28 Genau das habe ich getan, indem ich abstrakte Beobachtungen von sozialer Distanz in Bezug gesetzt habe zur konkreten sozialen und institutionellen Einbindung von Schuldbeziehungen. Ein abschließendes Beispiel soll die soziale Einbettung von Schulden konkret darstellen und dabei darlegen, dass die Beziehung auch nach Abschluss eines Verfahrens nicht abgeschlossen sein musste. Konkret waren nicht weiter bestimmte Güter eines Heny Bumann schon in den Besitz seines Gläubigers Hans Sigrist gekommen, als Bumann nochmals mit Sigrist verhandelte. Ein Zeuge beschrieb den Versuch von Bumann, wieder auf die Beine zu kommen, mit folgenden Worten:

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Claustre, Ethnographie, S. 47; vgl. auch Claustre, Crédit, S. 568: „un savoir-faire de la dette et une politique du crédit virent le jour“. Claustre, Ethnographie, S. 44. Muldrew, Economy, S. 2; Crowston, Credit, S. 14; Lipp, Aspekte, S. 15. Jancke/Schläppi, Einleitung, S. 12: Es gehe darum, eine „Verpflichtung zu erzeugen, um die Beziehung zu erhalten“. Schläppi, Ökonomie, S. 54. Es ließe sich noch die räumliche Dimension ergänzen, die in dieser Arbeit auch untersucht wurde.

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daz Hanns Sigrist Heny Buman, Schaffrotts swager, umb schuld von sinen guttern mit recht getriben hett unnd also hett sich der selb Henny mit Hansen Sigerist vertragen, daz er im ettlich versicherung tün solt unnd were derselb Henny Buman zü im, disem zugen, unnd andern sinen nachburen dryen komen unnd sy all vier gebetten, daz sy fur xx lb burg solten werden, so wurd er wider zü dem sinen komen29

Der Zeuge und drei weitere Nachbaren wurden also Bürgen für je fünf, insgesamt also zwanzig Pfund. Dank dieser Bürgschaft und einer weiteren des erwähnten Schaffrot, eines Schwagers des Schuldners, konnte dieser seinen Besitz wieder zurückerhalten. Das Aushandeln von Schulden nahm hier kein Ende, ein schon abgeschlossenes Verfahren wurde wieder aufgegriffen und auf einer anderen, nichtgerichtlichen Ebene weiterverhandelt  – laut Zeugen wurden die Bürgschaften bei einem privaten Notar beurkundet.30 Die Kundschaft zeugt davon, dass die Schuld zu einem neuen Verfahren führte, wo nun die Bürgschaft des Schwagers im Vordergrund stand.31 Das kontinuierliche Aushandeln, wie es das Kapitel zur Tätigkeit des Gerichts ebenfalls herausgestrichen hat,32 verbunden mit einem Hin und Her zwischen verschiedenen Ebenen der Konfliktlösung, war ebenso typisch wie die Tatsache, dass die Beziehung mit dem gerichtlichen Verfahren nicht zu einem Abschluss gekommen war. Der andere wichtige Faktor der sozialen Einbettung zeigt sich in der Rolle der Bürgen. Es waren drei Nachbarn und ein Schwager, die für Bumann buchstäblich in letzter Sekunde einsprangen und ihm sein Gut sicherten. Die Mobilisation des sozialen Umfelds eines Schuldners oder einer Schuldnerin war ein implizites Ziel von GläubigerInnen, die Schuldprozesse führten, hier sogar in einem Prozess, der auf den Zugriff auf Güter des Schuldners hinführte. Das Beispiel unterstreicht die Bedeutung von Drittpersonen für Schuldbeziehungen, wie ich weiter oben dargelegt habe.33 Indem das Gerichtsverfahren SchuldnerInnen dazu brachte, ihr soziales Umfeld zu mobilisieren, verstärkte es wiederum die soziale Einbettung von Schuldbeziehungen.

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StABS, Gerichtsarchiv D 16, 124r f. Das Verfahren drehte sich offenbar um die Frage, für welche Summe Schaffrot Bürge geworden war. Zwei weitere der vier Bürgen bestätigten die Aussage des Zeugen. Sie waren in einem „notaren hus uff Sannt Petersberg“, StABS, Gerichtsarchiv D 16, 124v. Der Schwager nämlich ist in der Kopfzeile der Kundschaft als die Partei genannt, die sie aufnehmen ließ. Und die Fokussierung der Zeugenaussage auf die Tatsache, dass der Schwager nur für zehn und nicht für 20 Pfund Bürge geworden war, lässt den Schluss zu, dass der Gläubiger tatsächlich auf die Bürgen zurückgriff. Siehe Kapitel 5. Siehe insbesondere Kapitel 6.1.4.

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Fazit: Schuldbeziehungen

7.2 Schulden und Abhängigkeit Die Forderung, Schuldbeziehungen als immanent soziale Beziehungen zu betrachten, und die Untersuchung von Schuldenverflechtungen als Netzwerk sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Beziehungen wie jede soziale Beziehung nicht zwingend auf einer Gleichwertigkeit der beteiligten Personen beruhten. In Bezug auf Schuldverhältnisse führt dies zur Frage, ob das soziale Gefälle und die soziale und räumliche Distanz als Anzeichen einer Abhängigkeit der ärmeren und sozial schlechter gestellten Gesellschaftsschichten zu lesen ist oder ob vielmehr die Beteiligung an der Schuldenwirtschaft auch ärmeren Schichten eine Beteiligung an der städtischen Wirtschaft ermöglichte. Überwog die Abhängigkeit oder die Funktion als „sozialer Kitt“?34 Für beides finden sich in der Literatur viele Belege, wie die folgenden Ausführungen zeigen. Der Kredit als „tragende Säule der spätmittelalterlichen Stadtwirtschaft“35 hatte, sofern er die Armen einbezog, eine integrierende Funktion.36 Schulden waren eben auch ein Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft,37 Hans-Jörg Gilomen unterstreicht deren „soziale Kohäsionsleistung“.38 Craig Muldrew nennt bei seiner Betrachtung der „nature of obligation“ in Kreditbeziehungen besonders die Reziprozität von Ansprüchen, die an die Stelle von sozialer Ungleichheit trete.39 Diese Reziprozität und wirtschaftliche Integration hatte oft Vorrang vor dem wirtschaftlichen Profit.40 Verschuldung wurde schließlich nicht durchweg negativ bewertet, sondern galt „als anerkanntes Instrument gegen Verarmung“.41 Wo Arme sich verschuldeten, liegt die Frage nach der Überschuldung nahe. Wenn viele in prekären Verhältnissen lebten, so geschah dies auch deshalb, „weil es so leicht war, Schulden zu machen“.42 Oder, wie Hans-Jörg Gilo34

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Signori, Schuldenwirtschaft, S. 56: „Über Geld als sozialen Kitt nachzudenken fiel und fällt den modernen Gesellschaftswissenschaften ausgesprochen schwer“; Albert, Crédit, S. 1082: Kredit „peut être à la fois ciment du lien social ou vecteur de domination“; Lipp, Aspekte, S. 31; zur Ambivalenz auch Claustre, Crédit, S. 572: Eine Kreditbeziehung war „à la fois intégratrice et créatrice de différenciation, voire en certains cas de dépendance“. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 140. Siehe z. B. Dutour, Crédit, S. 78; Signori, Schuldenwirtschaft, S. 56, bezeichnet ihn als „sozial integrierend und politisch stabilisierend“ und erwähnt eine „enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Zentrum und Peripherie im wörtlichen wie im übertragenen Sinn“. Fontaine, Economie, S. 34; Fontaine, Espaces, S. 1386. Gilomen, Glaube, S. 158. Er stellt diese allerdings bei vertikal orientierten Krediten auch infrage. Muldrew, Economy, S. 97. Lipp, Aspekte, S. 29; siehe auch die Darstellung von Geldleihe als „prêt charitable“, wie Beaulande, Traitement, S. 188, es beschreibt. Daniel Smail weist bei der Analyse der „webs of credit and debt“ darauf hin, dass nicht immer die reichen Kapitalisten die Gläubiger und die armen Arbeiter die abhängigen Schuldner waren: „Though there is plenty of evidence for this kind of debt, the gossamer threads of the world of credit were more complex and multidirectional“, Smail, Plunder, S. 136. Sturm, Privatkredit, S. 34. Fontaine, Economie, S. 299, weist auch darauf hin, dass es keine Stigmatisation des Kredits gab vor dem Ende des 18. Jahrhunderts. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 60. Auf S. 85 erwähnt Signori die „prekären Gestalten“, welche die Verbotsbücher füllten.

Schulden und Abhängigkeit

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men festhält: „Der Weg in den finanziellen Abgrund [war] mit Krediten gepflastert.“43 Auch in den Quellen lassen sich einzelne Hinweise auf die Überschuldung finden. So beklagte sich eine Frau, sie habe nun „so vil fur ir sun ussgeben, daz sy nutzit mer hett“,44 während ein anderer Basler meinte, er hätte nicht geheiratet, wenn er von den Schulden seiner zukünftigen Frau gewusst hätte. Wäre ihm bekannt gewesen, „daz sy vil schuldig were, das sy im verhalten [unterschlagen],45 sonder wa er dasselbs gewisst hett, er were ir müssig gangen“.46 Ein letzter Zeuge brachte Schulden und liederlichen Lebenswandel in einen Zusammenhang, wenn er betonte, trotz seines Lebenswandels weniger Schulden gemacht zu haben als sein Schwager: „Ich hab lennger mit hürenn hüss gehabt, dann du mit miner swester, aber ich hab dannocht nit sovil schulden gemacht, als du mit eren den eelichen stannd hinweg gesetzt“.47 Wenn Schulden von einem sozialen Gefälle geprägt waren oder anders gesagt „sich in vertikalen Bahnen bewegten“,48 so waren sie oft Auslöser und Anzeichen von Abhängigkeit.49 „Der Gläubiger sitzt offensichtlich am längeren Hebel“, meint Valentin Groebner dazu.50 Und er ist nicht allein mit seiner Lesart von Schulden als Machtmittel oder Ausdruck von Macht.51 Verschuldung und Überschuldung sind in dieser Optik nicht nur als Ausdruck wirtschaftlicher Schwäche zu lesen, sondern als gezielt gewählte Strategie von GläubigerInnen, um die Abhängigkeit zu verstärken und Zugriff auf die Arbeitskraft und Erzeugnisse von SchuldnerInnen zu erhalten.52 Zurück

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Gilomen, Frauen, S. 135 (in Bezug auf die Schuldknechtschaft der Prostitutierten). StABS, Gerichtsarchiv D 16, 101r. Idiotikon, Bd. 2, Sp. 1233. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 164r. StABS, Gerichtsarchiv D 16, 52v. Siehe zum Charakter der Schuldbeziehung als „intensément moralisée“ Claustre, Ethnographie, S. 42. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 54. Schuster, Age, S. 42. Groebner, Ökonomie, S. 202. Crowston, Credit, S. 21: Zeitgenössische Quellen zeigten Kredit „as intangible, often hidden, and yet highly efficacous form of power that operated within and accross numerous registers of life“. Smail, Consumption, S. 147, bezeichnet Kredit als „a form of power“. Laut Lipp, Aspekte, S. 26, spiegelten Kreditbeziehungen andere im Feld strukturell dominante Beziehungen; siehe auch Schulz, Weg, S. 148: Die Institutionen des Kreditwesens seien „Institutionen zur Konstituierung und Sicherung von Macht“. Lemercier/Zalc, Approche, S. 1008, warnen schließlich davor, Schuldbeziehungen zu positiv zu sehen: „L’approche interactionniste qui prévaut tend à valoriser les liens en obérant trop  souvent les contraintes et obligations, voire en passant sous silence les dimensions de pouvoir, de domination et d’exploitation de la relation de crédit.“ Vgl. auch Wirtz, Vertrauen, S. 68: „Es handelt sich um eine Beziehung, die vielleicht wie keine andere Machtverhältnisse sichtbar werden lässt.“ Vogel, Credit, S. 95: Kreditbeziehungen „underpinned power positions and (re)produced social order“. Clark, Debt, S. 264; Fontaine, Espaces, S. 1385.

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Fazit: Schuldbeziehungen

blieb bei diesen ein Gefühl von Ungerechtigkeit53 und es bestätigte sich die „périphérisation civique et l’infamie des pauvres endettés“.54 In den Quellen des Schultheißengerichts lassen sich die Abhängigkeiten nicht direkt ablesen, deshalb habe ich den Umweg über die Codierung von Attributen gewählt. Es scheint folgerichtig, die dabei erkannten Asymmetrien als Zeichen von Abhängigkeit und Dominanz zu interpretieren. Dazu gehört auch, dass das Gericht eine Institution der Elite der Stadt, gebildet durch diese Elite, im Dienste derselben war, wie das Kapitel zur Gerichtsnutzung gezeigt hat.55 Das ist angesichts der hohen Korrelation von Reichtum und Macht in spätmittelalterlichen Städten sehr bedeutsam.56 Am ehesten direkt fassen lässt sich die Abhängigkeit, die mit Schulden verbunden war, im Fall der Prostitution.57 Sie war in der ganzen Masse von Schuldverhältnissen ein Randphänomen, aber weil die Prostituierten mit Schulden an ihre Zuhälter gebunden waren, tauchen sie vereinzelt auf. Als Beispiel führe ich hier die Quellen des Frauenwirts Konrad Weber an. Neben einem Vergicht der Frauenwirtin aus Freiburg i. Br., die ihm etwas Geld schuldete,58 finden sich in der Stichprobe von 1455 insgesamt drei Vergichte von Prostituierten, die ihm beträchtliche Summen schuldeten.59 Die Bindung mittels Verschuldung wurde dabei deutlich genannt, indem die Prostituierten versprachen, bei ihrem Zuhälter zu bleiben: „Also das die selbe dirne, nemlich Enlin von Wyssenloch, so lange by Conrat blieben solle, bitz solich fünff gl oder ob er im60 me daruf lihen würde, daruber gentzlich bezalt wirt“.61 Die Abhängigkeit der Frauen war so groß, dass sie für die Schuldsumme weiterverkauft werden konnten, wie eine Kundschaft aus der gleichen Stichprobe zeigt. Eine Dirne von Weber sagte aus, dass sie für vier Pfund und fünf Schilling ausgelöst worden sei von einer gewissen Rechbergin, die, wohnhaft am Kohleberg, wohl auch eine Frauenwirtin war.62 Auch wenn Abhängigkeit und Asymmetrie in aller Regel nicht mit dieser Deutlichkeit zu erkennen sind, so würde ich doch der Schlussfolgerung von Gabriela Signori, „langanhaltende Abhängigkeiten vermochten sich aus den einmaligen Zahlungs53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

Smail, Plunder, S. 260. Smail bezieht dies vor allem auf die Situation der Beschlagnahmung von Gütern: Die Armen wurden geplündert, und die Reichen behielten ihren Reichtum. Claustre, Crédit, S. 594. Siehe Kapitel 4.4. Fuhrmann, Wahrnehmung, S. 27. Schuster, Age, S. 42. Zur Prostitution in Basel Gilomen, Frauen, S. 127–135; eine konkrete Begebenheit von verschuldeten Basler Prostituierten, die sich 1474 freikaufen wollten, bei SimonMuscheid, Randgruppen, S. 216. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 7r. Außerdem trat er noch in einem Verbot ohne erkenntlichen Zusammenhang zu seiner Tätigkeit als Gläubiger auf, StABS, Gerichtsarchiv E 4, 9r. Fünf Gulden (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 20v) sowie 15 und 19 Gulden (StABS, Gerichtsarchiv C 6, 26r). Gemeint ist damit ein Nürnberger, der als eigentlicher Schuldner gegenüber Weber genannt wurde und die Prostituierte eigentlich als Sicherheit eingesetzt hatte. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 20v. StABS, Gerichtsarchiv D 6, 29v. Zum Kohlenberg siehe Simon-Muscheid, Arbeit, S. 36 f.

Schulden und Abhängigkeit

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verpflichtungen mit Sicherheit aber nicht ergeben“, widersprechen.63 Es gibt, wie oben erwähnt, viele Zeichen für oft längerfristige Schuldbeziehungen, und nicht zuletzt der Abschnitt über die Milde der GläubigerInnen hat gezeigt, dass sich die Schuldverhältnisse oft über lange Zeiträume hinzogen und von wiederholten Verhandlungen über Abzahlung und Fristerstreckung geprägt waren.64 Nicht alle hatten den gleichen Zugang zum Kredit und zur Nutzung des Gerichts als Mittel der Schuldeintreibung, wenn nicht formal, so doch sicherlich faktisch.65 Die beobachtete Asymmetrie bedeutet aber auch, dass sich – mit einer gewissen Relativierung bezüglich der ärmsten Schichten – breite Teile der Bevölkerung an der (Schulden-)Wirtschaft beteiligen konnten. Auch wenn die ärmeren BewohnerInnen Basels nicht im gleichen Ausmaß vor Gericht vertreten waren wie die reicheren, so zeigen die Schuldeintreibungsverfahren doch, dass sie durchaus Chancen hatten, sich mit Geld oder Vorschüssen zu versorgen, wenn es nötig war. Den vor Gericht verhandelten Schulden standen ja ganz viele gegenüber, die nicht zu Problemen geführt hatten.66 Das Bild des sozialen Gefälles wird zudem kontrastiert durch einzelne Fälle von reichen SchuldnerInnen ärmerer Personen. Hier ist allerdings zu vermuten, dass Abhängigkeit und Macht nicht gleicher Art waren, weil solche Schuldverhältnisse oft von anderen Konstellationen wie etwa einem Anstellungsverhältnis geprägt waren.67 Außerdem war der Effekt ein ganz anderer, wenn eine Zahlung erzwungen wurde, mussten sich doch die Reichen zu diesem Zweck nicht mit dem Verkauf von Hausrat behelfen. Die Abhängigkeit von Schulden musste auch nicht einseitig aufseiten der SchuldnerInnen sein. Handwerker und Händler waren mitunter für den Absatz ihrer Produkte darauf angewiesen, Borgkauf, Teil- und Ratenzahlungen zu gewähren, wie viele weiter oben angeführte Beispiele zeigen. Der in Kapitel 2.2.2 angeführte Schuhmacher etwa ließ sich trotz anfänglicher Weigerung – und dank einer Bürgschaft – auf den Verkauf von Schuhen auf Kredit ein.68 Die vielen vertikalen Schulden  – in meist, aber nicht immer der gleichen Richtung  – lassen sich als Zeichen von Abhängigkeit und Integration zugleich erklären. Wenn alles gut lief und die Schuld zurückbezahlt wurde, so war die Möglichkeit, Schulden einzugehen, für ärmere Personen bedeutsam, um eine Beteiligung an der 63 64 65 66 67

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Signori, Schuldenwirtschaft, S. 45. Vgl. Kapitel 3.2.1. Siehe zu Ungleichheiten im Zugang und in der Bedeutung von Kredit Crowston, Credit, S. 10. Vgl. zur Durchmischung von horizontalen und vertikalen Schulden Clark, Debt, S. 270. Vgl. vor allem in Bezug auf Gesindelöhne Simon-Muscheid, Dinge, S. 185; Groebner, Ökonomie, S. 206. Siehe auch Muldrew, Economy, S. 271: Die Praxis der „litigation“ zeigte laut ihm trotz allen Durchscheinens von Paternalismus, Patronage und Patriarchat in den Beziehungen die Gleichheit im Handel und in den Marktbeziehungen. Smail, Consumption, S. 144 f., nennt solche Darlehen „circumstantial“ im Gegensatz zu den als „voluntary“ charakterisierten Darlehensformen. Dazu schon Kuske, Entstehung, S. 13; im konkreten Fall vorgestellt bei Claustre, Comptes; Schuster, Aspekte, S. 26, erwähnt außerdem die Kreditgewährung, um Kunden zu binden.

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städtischen Wirtschaft zu ermöglichen und eine gute Versorgung zu garantieren. Die problemlosen Fälle erschienen dann nicht vor Gericht. Ging aber etwas schief, so setzten die GläubigerInnen nach anfänglicher Geduld gerichtliche Mittel ein, und die Aspekte von Dominanz nahmen überhand, wenn sie eine Bezahlung mit den Werten erzwingen konnten, welche die SchuldnerInnen hatten. Das waren oftmals Objekte, von denen sich wohl niemand gern trennte. Mit dieser Feststellung löst sich die eingangs genannte Gegensätzlichkeit von Schulden als Mittel der sozialen Kohäsion oder Instrument der Unterdrückung ein Stück weit auf. Es handelt sich um zwei Seiten derselben Medaille. Es stellt sich hier die Frage, ob jenseits moralischer Vorstellungen zur Armut – zu denken ist etwa an die Unterscheidung von starken Bettlern und hausarmen Leuten69 – eine zeitgenössische Vorstellung von Armut und Reichtum in der städtischen Gesellschaft vorherrschte, die sich in Hinblick auf die Muster von Verschuldung und Schuldeintreibung vor Gericht lesen lässt. Wenn hier von Armut gesprochen wird, handelt es sich nicht um die ganz Armen, deren Abhängigkeit von Barmherzigkeit kaum Verschuldung zuließ, sondern um die armen Schichten, die nach heutigen Begriffen als „working poor“70 gelten. Sven Rabeler hat festgestellt, dass das Konzept des Pauperismus nicht auf das Spätmittelalter übertragen werden kann, weil die gesellschaftliche Ordnung nicht sozioökonomisch begriffen wurde.71 Trotzdem gab es eine Wahrnehmung von arm und reich,72 die auch problematisiert wurde: Man nahm eine Diskrepanz wahr zwischen dem Ideal der Gerechtigkeit und der Praxis.73 Vor allem in Krisenmomenten kam es fast „leitmotivisch“ zur Gegenüberstellung von arm und reich.74 Angesichts dieser Feststellungen ist es durchaus sinnvoll, in Schuldbeziehungen in Kategorien von Armut und Reichtum zu untersuchen. Die Abhängigkeit der Armen von Kreditgewährung wirft schließlich die Frage nach konjunkturellen Aspekten der Schuldenwirtschaft auf. Wenn Armut eine Ursache für Verschuldung war,75 dann musste das Volumen der Verschuldung auch von der Kon-

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Siehe z. B. Schubert, Leute, Simon-Muscheid, Dinge, S. 211. Den Begriff hat schon Simon-Muscheid, Arbeit, S. 33 f., für Basler Verhältnisse benutzt. Rabeler, Pauperismus, S. 82 und S. 103 f. Trotzdem hält Rabeler den Begriff für nutzbringend für die Forschung. Siehe Fuhrmann, Wahrnehmung, S. 26, zur Entwicklung des Begriffspaars arm/reich weg von der Bedeutung von mächtig und machtlos. Auf S. 27 weist Fuhrmann darauf hin, dass das Begriffspaar „nicht zuletzt der Umschreibung der gesamten städtischen Bürgerschaft oder Einwohnerschaft und ihres spannungsreichen Verhältnisses“ diente. Schulte, Theorie, S. 73. Vgl. auch Schulte, Reichtum. Fuhrmann, Wahrnehmung, S. 40. Vgl. Lavoie, Endettement, S. 213: Der Autor meint, die (oftmals kleinen) Schulden zeugten von Armut: „la seul [sic] explication plausible à cette masse de condamnations pour dettes paraît bien être la pauvreté.“ Siehe auch Fontaine, Märkte, S. 51: Arme hatten keine Alternativen zum teuren Kleinkredit.

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junktur abhängen.76 Während die von mir gewählte Stichprobenbildung dazu keine Aussage erlaubt, hat Gabriela Signori beobachtet, dass die Konfessate „seismographisch“ auf kurzfristige Konjunktureinbrüche reagierten, nicht weil die Leute mehr Schulden machten, sondern „weil in schlechten Zeiten das Vertrauen schwand, sein Geld ohne Druck zurückzuerhalten“.77 Auch Pamela Nightingale sieht gewisse Kleinschulden als „symptoms of distress“, die zum Beispiel von schlechten Ernten geprägt waren, hält aber fest, dass die meisten Schulden einfach „everyday transactions between neighbours and tradesmen or loans given for investement“ waren.78 Genau diesen alltäglichen Charakter von Schulden möchte ich abschließend hervorheben, denn er ist der erklärende Faktor für die beobachtete Vielschichtigkeit des Phänomens der Schuldenwirtschaft. Es gab viele mögliche Gründe und Anlässe für Verschuldung, eine oftmals komplexe soziale Verflechtung lag diesen Schuldverhältnissen zugrunde, und die Akteure nutzten die Gerichte in vielseitiger Art und Weise und in verschiedenen Konstellationen, um mit einem alltäglichen Phänomen umzugehen. Schulden waren im spätmittelalterlichen Basel schlichtweg: Alltag.

76

77 78

Kuske, Entstehung, S. 39; Lavoie, Endettement, S. 209, beobachtet den Zusammenhang zwischen Verschuldung, Demografie und Konjunktur, aber die Entwicklung ist nicht völlig parallel. Zum Zusammenhang zwischen Kredit und Konjunktur im Zeichen einer „paupérisation“ auch Guénette, Carrefour. Signori, Schuldenwirtschaft, S. 31. Nightingale, Money, S. 51.

8. Anhang Der Anhang dient in erster Linie dazu, die Bildung der Stichproben, die Codierung und die statistischen Auswertungen nachvollziehbar zu machen. 8.1 Quellenverzeichnis der Stichproben Die Stichproben umfassten die jeweils aufgeführten Serien des Gerichtsarchivs für das ganze Jahr. Die Quellen wurden in einer Datenbank auf Ebene des einzelnen Eintrags erfasst. Stichprobe 1455 Tab. 8.1 Quellenverzeichnis der Stichprobe 1455 Serie

Standort

Seiten/Folios

Urteilsbuch

StABS, Gerichtsarchiv A 26

f ° 67v–153r

Fertigung

StABS, Gerichtsarchiv B 7

S. 23–100

Vergichte

StABS, Gerichtsarchiv C 5

f ° 242r–242v

Vergichte

StABS, Gerichtsarchiv C 6

f ° 4v–44r

Kundschaft

StABS, Gerichtsarchiv D 6

f ° 13v–53v

Frönungen und Verbote

StABS, Gerichtsarchiv E 4

f ° 5r–22v

Verrechnungen

StABS, Gerichtsarchiv G 1

f ° 35r

Diversa

StABS, Gerichtsarchiv O 2

f ° 42r–150v

Öffnungsbuch

StABS, Protokolle: Öffnungsbücher 2

S. 255–288

Unzüchterbuch

StABS, Ratsbücher N 8

f ° 16v–26r

370

Anhang

Die Steuerliste der Margzahlsteuer von 1454 wurde ediert von Gustav Schönberg,1 meine Auswertung stützt sich auf diese Edition, auch wenn sie als ungenau kritisiert wurde.2 Stichprobe 1497 Tab. 8.2 Quellenverzeichnis der Stichprobe 1497 Serie

Standort

Seiten/Folios

Urteilsbuch

StABS, Gerichtsarchiv A 41

f ° 171r–290r

Fertigung

StABS, Gerichtsarchiv B 14

f ° 90r–134v

Vergichte

StABS, Gerichtsarchiv C 16

f ° 29r–64v

Frönungen und Verbote

StABS, Gerichtsarchiv E 7

f ° 40r–52r

Verrechnungen

StABS, Gerichtsarchiv G 9

f ° 24r–36r

Appelationsgerichtsbuch

StABS, Gerichtsarchiv T 1

f ° 171r–172v

Öffnungsbuch

StABS, Protokolle: Öffnungsbücher 7

f ° 49v–54r

Die Steuerliste des Reichspfennigs von 1497 wurde von Brigitte Degler bearbeitet.3 Andreas Berger-Gehringer hat auf der Grundlage dieser Vorarbeiten eine digitale Erfassung vorgenommen und dabei auch die einzelnen Haushalte georeferenziert – ich danke vielmals für diese Vorarbeit, von der ich sehr profitieren konnte. 8.2 Beschreibung der Codierung und der vorgenommenen Kategorisierungen 8.2.1 Erfasste Beziehungen Die folgenden beiden Tabellen zeigen die für jede Stichprobe erfassten und ausgewerteten Beziehungen samt Anzahl Codierungen an. Die Beziehung „ist SchuldnerIn von“ wurde bei jeder Erfassung von detaillierteren Schuldbeziehungen (wie Verboten, Vergichten etc.) zusätzlich erfasst,4 umfasst also alle Schuldbeziehungen unabhängig von 1 2 3 4

Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 594–689. Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 336. Simon-Muscheids Kritik bezieht sich vor allem auf die Vollständigkeit. Kleinere Fehler bei der Umrechnung von Geldbeträgen konnte ich selbst feststellen, gehe aber nicht von einer systematischen Verzerrung aus. Vgl. Degler-Spengler, Pfennig. Das geschah automatisiert durch die Datenbank, es sind hier also keine Fehler durch Auslassung der zusätzlichen Codierung zu erwarten.

Beschreibung der Codierung und der vorgenommenen Kategorisierungen

371

den genauen Umständen. Nicht aufgeführt habe ich hier weitere, vereinzelt codierte Beziehungen, die ich in der Auswertung nicht verwendet habe. Während Vergichte, Frönungen und Verbote mehrheitlich der entsprechenden Serie folgen (es sei denn, sie sind am falschen Ort verzeichnet, aber offensichtlich als der Serie zugehörig erkenntlich), umfassen die Schuldklagen nebst den Prozessen im Urteilsbuch auch all jene Vergichte, die ein Urteil des Gerichts erwähnen. Die Begründung dieser Kategorisierung findet sich in Kapitel 4.2.2. War zum eigentlichen Prozess nichts bekannt, wurde eine Schuldbeziehung nur als „ist SchuldnerIn von“ codiert. Tab. 8.3 Erfasste Beziehungen (inklusive Anzahl) der Stichprobe 1455 Erfasste Beziehung

Anzahl Bemerkungen

Schuldbeziehungen ist SchuldnerIn von

947

Alle Schuldbeziehungen

anerkennt Schuld an

176

Vergichte

gesteht Schuld im Unzüchterbuch an

251

Unzüchterbuch (inkl. 1456)

legt Güter in Verbot von

165

Verbote

klagt Schuld ein von

142

Schuldklagen (inkl. Urteile im Vergichtbuch)

frönt Liegenschaft von

47

Frönungen

kauft Rente von

33

Rentenbrief (im Fertigungsbuch)

Mit Schulden in Zusammenhang stehende Beziehungen ist MitschuldnerIn von

20

Beziehung bei gemeinsam eingegangenen Schulden

bürgt für

24

Bürgschaft

hält Güter in Verbot von

117

Beziehung zwischen der Person, bei der sich die Güter befinden, und der SchuldnerIn

übernimmt Schuld von

16

Drittperson, die für eine Schuld eintritt (ohne eine formelle Bürgschaft zu erwähnen)

ist verwandt mit

55

Erfasst jede Art von Verwandtschaft inkl. EhepartnerInnen, SchwägerInnen etc.

lässt verkünden an

12

Gerichtliche Ladung

vertritt

124

Vertretung (umfasst Vormundschaft, Stellvertreterschaft und Vollmacht für Schulden)

Andere Beziehungen

372

Anhang

Tab. 8.4 Erfasste Beziehungen (inklusive Anzahl) der Stichprobe 1497 Erfasste Beziehung

Anzahl Bemerkungen

Schuldbeziehungen ist SchuldnerIn von

851

Alle Schuldbeziehungen

anerkennt Schuld an

287

Vergichte

legt Güter in Verbot von

220

Verbote

klagt Schuld ein von

143

Schuldklagen (inkl. Urteile im Vergichtbuch)

frönt Liegenschaft von

34

Frönungen

kauft Rente von

10

Rentenbrief (im Fertigungsbuch)

Mit Schulden in Zusammenhang stehende Beziehungen ist MitschuldnerIn von

60

Beziehung bei gemeinsam eingegangenen Schulden

bürgt für

36

Bürgschaft

hält Güter in Verbot von

23

Beziehung zwischen der Person, bei der sich die Güter befinden, und der SchuldnerIn

übernimmt Schuld von

5

Drittperson, die für eine Schuld eintritt (ohne eine formelle Bürgschaft zu erwähnen)

ist verwandt mit

83

Erfasst jede Art von Verwandtschaft inkl. EhepartnerInnen, SchwägerInnen etc.

lässt verkünden an

65

Gerichtliche Ladung

vertritt

223

Vertretung (umfasst Vormundschaft, Stellvertreterschaft und Vollmacht für Schulden)

Andere Beziehungen

8.2.2 Umgang mit Schuldsummen Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen finden sich in den Quellen zwei Währungssysteme, nämlich der Gulden (als Goldmünze) und das Pfund als Rechnungswährung, Letzteres aufgeteilt in Schilling und Pfennig.5 Um die Summen vergleichen zu können, habe ich bei der Codierung Guldenbeträge in Pfundbeträge umgerechnet und auch die übliche Angabe von Pfundbeträgen mit Pfund, Schilling und Pfennig in Pfundbeträge (mit Dezimalstellen) umgerechnet. Die Umrechnung folgte dabei den Anga-

5

20 Schilling ergaben ein Pfund, zwölf Pfennig einen Schilling.

Beschreibung der Codierung und der vorgenommenen Kategorisierungen

373

ben von Bernhard Harms,6 der für die beiden Stichproben folgende Werte vorschlägt, die jeweils sowohl der gesetzlich vorgeschlagenen als auch den durchschnittlich vorgefundenen Umrechnungen entsprechen: für 1455 1,15, für 1497 1,18 Pfund pro Gulden.7 Ich habe diese Umrechnung im Wissen darum vorgenommen, dass in einzelnen Fällen die konkret vereinbarte Umrechnung abweichen kann. Es ging ja hier ja nicht um die präzise Summe, sondern eher um Dimensionen von Schuldsummen. Es finden sich vereinzelt Beispiele für abweichende, in den Quellen direkt erwähnte Wechselkurse. 1455 etwa umfasste ein Zahlungsversprechen die Summe von „xii gulden oder xiiii lib d“, also zwölf Gulden oder 14 Pfund, was 1,1667 Pfund pro Gulden entspricht.8 1497 sind es vor allem die Rentenkäufe des Fertigungsbuchs, die Umrechnungen enthalten, etwa „vier gulden gelts in gold oder i lb v ß d fur yeden gulden iarliches zinsses“.9 Die in den Rentenbriefen angegebene Umrechnung beläuft sich auf 1,25 Pfund pro Gulden, ist also etwas höher angesetzt als der von Harms angegebene Wert. Die angegebenen Beispiele zeigen aber auch, dass die Schwankungen nicht so bedeutend waren und deshalb nicht zu erwarten ist, dass die standardisierte Umrechnung zu größeren Ungenauigkeiten führte. Es wäre außerdem nicht weniger verfälschend gewesen, bei vorhandener Umrechnung (was ja selten der Fall war) diese abweichende Umrechnung zu verwenden. Bei der Erfassung von Schuldsummen habe ich jeweils die mehrfache Nennung der gleichen Schuldsumme gekennzeichnet und bei den Auswertungen nur einfach verwendet, um die Analyse nicht zu verzerren. Wenn also eine Schuld in mehreren Urteilen mit Summe genannt wurde, so habe ich diese Summe nur einfach in die Analyse aufgenommen. Ebenfalls habe ich notiert, wenn mehrere Schuldner einer Schuldsumme genannt waren, habe dies aber bei der Auswertung nicht gezielt berücksichtigt – eine Aufteilung der Schuldsumme wäre ebenso wenig sachgerecht gewesen wie die Berücksichtigung nur eines Schuldners oder einer Schuldnerin.

6 7

8 9

Harms, Münz- und Geldpolitik, S. 242 f. Erstaunlicherweise fällt damit die Geldentwertung gegenüber der Goldwährung sehr schwach aus, vgl. Rössler, Armut, S. 124, der eine Devaluation der Pfennig- und Groschenwährungen vor allem zwischen 1450 und 1515 beobachtete: Ein sinkender Silbergehalt habe zur ständigen Abwertung gegenüber den Goldwährungen geführt. StABS, Gerichtsarchiv C 6, 9r. StABS, Gerichtsarchiv B 14, 127v. Auch andere Rentenkäufe derselben Stichprobe enthalten die gleiche Umrechnung, z. B. StABS, Gerichtsarchiv B 14, 96r.

374

Anhang

8.2.3 Bildung der Vermögenskategorien anhand der Steuerlisten Die Einteilung einer Gesellschaft in Schichten anhand der überlieferten Auskünfte in Steuerlisten hat immer etwas Willkürliches an sich.10 Gerne hätte ich eine multidimensionale Beschreibung der Gesellschaft vorgenommen, in welche nebst dem Vermögen auch die Wohnlage, der Beruf sowie die politische Betätigung einbezogen würde, um damit der Feststellung von Julie Claustre gerecht zu werden, die Menschen des Mittelalters seien nicht eindimensional auf ihren Beruf oder ihre territoriale Zugehörigkeit zu reduzieren, sondern „pris dans des rôles sociaux et des liens d’une grande diversité et changeant au cours de leur existence“.11 Eine solche Gliederung war aber aus verschiedenen Gründen nicht machbar. Einerseits fehlen bei beiden Stichproben viele Angaben – 1455 etwa die genaue Verortung und Angaben zum Beruf, 1497 Angaben zur Zunftzugehörigkeit und in beiden Stichproben zur politischen Tätigkeit. Außerdem fehlen auch Modelle, um solche Beschreibungen vornehmen zu können. Im Wissen darum, dass die Vermögenslage nur eine schlechte Annäherung ans soziale Prestige und die soziale Einbindung der städtischen Bürgerschaft ist, habe ich trotzdem damit gearbeitet.12 Die Zuweisung zu einer Vermögenskategorie ist als abstraktes Merkmal einer Person zu verstehen, nicht als eine von den Zeitgenossen wahrgenommene und gefühlte Zugehörigkeit – auch wenn es selbstverständlich zeitgenössische Wahrnehmungen von Reichtum und Armut gab.13 Für die Stichprobe von 1497 erlaubt die Steuererhebung nur eine grobe Gliederung in drei Vermögensgruppen, nämlich unter 500 Gulden, zwischen 500 und 1.000 Gulden sowie über 1.000 Gulden.14 Anders präsentiert sich die Steuerliste von 1455 in der Edition von Gustav Schönberg.15 Schönberg hat anhand der geleisteten Steuerbeträge das besteuerte Vermögen errechnet, welches ich für meine Auswertungen übernommen habe. Um mit vergleichbaren Methoden zu arbeiten, habe ich eine zweifache 10

11 12

13 14 15

Vgl. dazu Fügedi, Steuerlisten, S. 65; ausführlich, wenn auch schon etwas älter: Weyrauch, Schichtung; etwas jünger und auf die französische Forschungstradition fokussiert Cosandey, Catégories. Inspirierende Beispiele der Beschreibung von städtischen Bevölkerungen und Sozialtopografien bei Gerber, Gott, (Angaben zur Gliederung in Personenverbände auf S. 18–20), Schoch, Bevölkerung; Rüthing, Höxter; Glauser, Luzern. Claustre, Ethnographie, S. 40. Siehe dazu auch Fuhrmann, Aufstieg, S. 146 f. Fuhrmann argumentiert für die Sinnhaftigkeit von Schichtung nach Vermögen, dessen Bedeutung im Vergleich zum Hochmittellter zugenommen habe, und argumentiert für eine Dreiteilung in Ober-, Mittel- und Unterschicht, wobei die Mittelschicht noch unterteilt werden kann. Vgl. auch Weyrauch, Schichtung, S. 7: Der einziger Konsens der Forschung zur sozialen Schichtung bezieht sich auf die „universelle und ubiquitäre Geltung hierarchischer Strukturen in allen historischen und gegenwärtigen sozialen Systemen“. Fuhrmann, Wahrnehmung. Diese Einteilung lag in der Erhebung der Steuer begründet, siehe Degler-Spengler, Pfennig, S. 238. Ich danke Andreas Berger-Gehringer für die Umrechnung der Steuerangaben in diese drei Kategorien. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 594–689.

Beschreibung der Codierung und der vorgenommenen Kategorisierungen

375

Kategorisierung vorgenommen. Die erste gliedert die erfassten Haushalte ebenfalls in drei Kategorien, um eine Vergleichbarkeit mit 1497 herzustellen, allerdings folgte ich dabei nicht der Vermögenseinschätzung, weil mir diese zu vergleichen heikel erschien.16 Stattdessen setzte ich die Grenzwerte so an, dass sich die Anteile der Kategorien gleich verteilten wie in der Steuerliste von 1497.17 Die zweite Kategorisierung fällt etwas feiner aus, indem ich fünf Kategorien bildete. Sie unterscheidet sich von der ersten vor allem darin, dass die ärmste Kategorie feiner aufgeschlüsselt ist. D. h., die Vermögensschwelle zwischen der dritten und der vierten Kategorie ist identisch mit der Schwelle zwischen der ärmsten und der mittleren Kategorie bei der dreiteiligen Vergleichskategorisierung.18 Versuche mit Einteilung, die sich an Perzentilen (also z. B. immer je 20 Prozent aller Haushalte in einer Kategorie) oder am Mehrfachen des Medianwerts orientieren, ergaben keine sinnvollen Resultate. Im ersten Fall ließen sich die Grenzen nicht sinnvoll festlegen, im zweiten ergaben sich sehr unregelmäßige Kategoriengrößen und vor allem immer noch eine sehr große ärmste Kategorie. Ich habe deshalb die sogenannte Lorenzkurve19 nach auffälligen Brüchen (d. h. abrupten Anstiegen in der Kurve) abgesucht und dort jeweils eine Grenze gesetzt. Damit erhielt ich eine Kategorisierung mit folgender Verteilung: 33,9 Prozent in der ärmsten Kategorie, danach 32,4 Prozent, 19,7 Prozent und 9,0 Prozent, abschließend 5,0 Prozent in der reichsten Kategorie.

16 17 18

19

Die Erfassung und Einschätzung mochte anderen Kriterien folgen, zudem wäre der Vergleich mit Umrechnungsschwierigkeiten verbunden. Nicht zuletzt fehlt außerdem ein Preisindex, um vergleichbare Summen zu erzielen (vgl. Fügedi, Steuerlisten, S. 65). D. h., es waren ebenfalls 87,6 Prozent der Haushalte in der ärmsten, 5,7 Prozent in der mittleren und 6,7 Prozent in der reichsten Kategorie. Die entsprechenden Vermögensgrenzen beliefen sich auf 460 bzw. 1.200 Pfund. Der Schwellenwert für den Unterschied zwischen mittelreichen und reichen Haushalten ist indes unterschiedlich angesetzt: In der feinen Kategorisierung ist er höher, sodass in der reichsten Kategorie weniger Haushalte anzutreffen sind als bei der Vergleichskategorisierung (fünf Prozent im Vergleich zu sieben bis acht Prozent). Vgl. Fügedi, Steuerlisten, S. 59. Siehe Abbildung 8.1. Die Brüche lassen sich bei dieser Darstellung nur schlecht erkennen, ich habe sie außerdem nicht bildlich, sondern rechnerisch gesucht.

376

Anhang

100.0 % 90.0 % 80.0 % 70.0 % 60.0 % 50.0 % 40.0 % 30.0 % 20.0 % 10.0 % 0.0 %

20.0 %

40.0 %

60.0 %

80.0 %

0.0 % 100.0 %

Abb. 8.1 Lorenzkurve der Steuerliste 1455

Wichtig ist mir hier, nochmals zu betonen, dass die Bildung von Gruppen nicht auf eine soziale Kohärenz schließen lässt, sondern eine abstrakte Größe bildet, die der weiteren Auswertung dient. Die Kategorien lassen sich aber doch in ihrem Umfang mit einer Beobachtung von drei Kreisen der Armut von Laurence Fontaine vergleichen: Vier bis acht Prozent der Bevölkerung europäischer Städte waren arbeitsunfähig, rund 20 Prozent waren strukturell Arme, aber 50–70 Prozent der Haushalte waren im Fall von Krisen armutsgefährdet.20 Die ersten beiden Kreise entsprechen ungefähr der ärmsten, der dritte den ärmsten beiden Kategorien meiner Einteilung. Eine Arbeit zu Dijon im Spätmittelalter nimmt eine einfache Dreiteilung der Gesellschaft in „Notables“, „Moyens“ und „Menus“, d. h. Arme, vor.21 Im Gegensatz zu einer solchen Einteilung, deren Bezeichnungen mehr suggerieren als bloße Finanzkraft, verzichte ich auf wertende Begrifflichkeiten.22

20 21 22

Fontaine, Economie, S. 27. Dutour, Crédit. Vgl. dazu Signori, Schuldenwirtschaft, S. 27. Sie verwirft dort den Begriff Unterschichten: „Im Sinne der ‚Reformation Sigismundi‘ ziehe ich es vor, von kleinen Leuten zu reden, die nicht nur arm sind, sondern im ursprünglichen Wortsinn meist auch ohnmächtig. Ihre Macht, genauso wie ihre Wirtschaftskraft, liegt in ihrer Vielzahl begründet.“

Beschreibung der Codierung und der vorgenommenen Kategorisierungen

377

Die Daten erlauben es, ganz kurz mit Fügedi auf die Ungleichheit der Vermögensverteilung einzugehen. Mit der von Fügedi vorgeschlagenen Methode errechnete ich für 1454 eine Ungleichheitsrate von 69,9 Prozent, was auf vergleichbare Verhältnisse wie in anderen Städten in der Nähe schließen lässt: Die Ungleichheitsindizes von Zürich, Freiburg und Konstanz lagen mit 62,5 Prozent, 72 Prozent und 72,5 Prozent (alle zwischen den Jahren 1444 und 1450) in der Nähe.23 8.2.4 Weitere Kategorien Straßen und Milieus (Umgebung) Um eine Annäherung an die kaum messbare soziale Nähe zu finden, habe ich die geografische Nähe von Personen untersucht. In der Stichprobe von 1455 bildet die gleiche Straße als Wohnort die Referenz, weil eine genaue Lokalisierung anhand der Steuerdaten nicht möglich war. 1497 hingegen konnte ich die Distanz zwischen den Personen berücksichtigen. Neben Auswertungen innerhalb der Straße und innerhalb eines geografischen Radius habe ich auch eine Kategoriesierung der Umgebung vorgenommen. 1455 stellt dabei wieder die Straße die Referenz dar, die ich anhand des durchschnittlichen Steuervermögens in ebenfalls fünf Kategorien von 1 (ganz arm) bis 5 (ganz reich) eingeteilt habe. Die Einteilung in Milieus von 1497 bezog sich nicht auf Regionen, sondern auf jede Person. Ich habe für jede Person diejenigen Personen bzw. Haushalte herausgesucht, die in einer bestimmten maximalen Entfernung waren, und den Anteil an armen Haushalten (also Vermögenskategorie 1 von 3) berechnet. Anhand festgelegter Limite habe ich dann die Einteilung in drei Kategorien von Umgebungen vorgenommen. Die Limite sind so festgelegt, dass die Anzahl von Personen in jedem der drei Milieus vergleichbar ist mit der Anzahl an Personen aus der entsprechenden Vermögenskategorie unter allen vor Gericht anzutreffenden Personen. Herkunft Die Kategorisierung umfasst in erster Linie die Personen, die eindeutig aus Basel stammten, und diejenigen, die eindeutig nicht in Basel wohnhaft waren. Für Ersteres sprach neben der Identifikation auf der entsprechenden Steuerliste der Hinweis in den Quellen, dass jemand „von Basel“ oder gar „Bürger von Basel“ war. Zweiteres

23

Fügedi, Steuerlisten, S. 74.

378

Anhang

war in der Regel erkenntlich, wenn ein Dorf als Herkunftsort angeführt war.24 Wer in den Gerichtsakten eine Herkunftsangabe stehen hatte, war in der Regel nicht in Basel wohnhaft bzw. steuerpflichtig und erschien nicht in den Steuerliste. 1497 fand ich eine Ausnahme: Lienhard Schilling von Kems war Basler Bürger.25 Hingegen zeigte die Überprüfung von Vergichten, dass oftmals mit einer Herkunftsangabe auch das Versprechen einherging, sich bei Nichtbezahlung in die Stadt zu begeben. Das macht die Annahme plausibel, dass die Person tatsächlich aus dem genannten Dorf stammte. Neben diesen einigermaßen klaren Zuweisungsmöglichkeiten ließen sich viele Personen nicht lokalisieren. Für die Stichprobe von 1455 habe ich eine zusätzliche Kategorie geschaffen: Wahrscheinlich aus Basel stammte, wer eine Berufsbezeichnung hatte oder wer einen Nachnamen trug, der in der Zeit für Basel verbürgt ist.26 Diese Zuweisung ist mit vielen Unsicherheiten verbunden, aber der Vergleich zwischen den Kategorien hat verschiedentlich gezeigt, dass die Kategorie „wahrscheinlich aus Basel“ oftmals ganz ähnlich zu den sicher in Basel verortbaren Personen war. Die Bildung einer ähnlichen Kategorie empfahl sich bei der späteren Stichprobe nicht, weil weniger Personen nicht lokalisiert werden konnten und deshalb diese Kategorie sehr klein ausgefallen wäre. Ich komme weiter unten auf den Umgang mit unsicheren und fehlenden Daten zurück. Distanzkategorien Die Bildung von Distanzkategorien der nicht aus Basel stammenden Personen beruht auf der Distanz zwischen dem Marktplatz in Basel und dem historischen Zentrum des Orts, aus dem die Person stammte. Da diese Distanzmessungen eine Genauigkeit suggerieren, die nicht den historischen Tatsachen (und auch nicht den Wegverhältnissen) entspricht, habe ich nicht mit den eigentlichen Distanzen gearbeitet, sondern zwei Kategorisierungen vorgenommen, eine etwas feinere und eine gröbere. Je nach Anzahl der Kategorien sind also folgende Werte zu verstehen:

24

25 26

Bei der Identifikation von Ortsnamen war insbesondere die Arbeit von Dorothee Rippman sehr hilfreich: Rippmann, Bauern. Sie hat Basler Lotterieverzeichnisse des späten 15.  Jahrhunderts ausgewertet und sehr viele Herkunftsorte in der näheren und weiteren Umgebung von Basel identifiziert. Zur Unsicherheit bezüglich der Frage, ob eine Bezeichnung mit Ort eher als Herkunftsbezeichnung oder als Name (und somit vom Ort unabhängig) zu verstehen ist, Schoch, Bevölkerung, S. 30 f. Vgl. die Namenslisten von Arnold Lotz, StABS, PA 355.

Beschreibung der Codierung und der vorgenommenen Kategorisierungen

379

Tab. 8.5 Distanzkategorie 1 (feinere Abstufung) Kategorie

Distanz

0

Herkunft unbekannt

1

Stadt Basel

2

Bis 10 km

3

10–20 km

4

20–40 km

5

40–100 km

6

Mehr als 100 km

Tab. 8.6 Distanzkategorie 2 (gröbere Abstufung) Kategorie

Distanz

0

Herkunft unbekannt

1

Stadt Basel

2

Bis 25 km

3

Über 25 km

8.2.5 Probleme bei der Identifikation von Personen Das größte Hindernis bei der Codierung von Personen ist die Identifikation:27 Schreibweisen von Namen weichen ab, gewisse Namen kommen häufig vor, wobei es jeweils unsicher ist, ob es sich um dieselbe Person handelt.28 Die Steuerlisten erwiesen sich bei der Identifikation von Personen als große Hilfe, denn sie erlaubten die Kontrolle, wie häufig ein Name vorkam: je seltener der Name, desto wahrscheinlicher die Identifikation. Häufiger vorkommende Namen waren oft mit weiteren Angaben versehen, zum Beispiel dem Beruf. Am häufigsten war 1497 der Name Hans Meier. Drei verschiedene Hans Meier konnte ich aufgrund des Berufs unterscheiden, einige Einträge blieben unsicher. Fehlerfrei ist eine solche Erhebung mit Sicherheit nicht, allerdings

27 28

Dieser Abschnitt basiert auf Hitz, Schuldennetzwerke, S. 115. Vgl. auch Blatter, Gericht, S. 238 (im Kontext einer kleinen Gemeinde in der Frühen Neuzeit); Heusinger, Zunft, S. 220 (mit weiterführender Literatur), erwähnt insbesondere auch die Instabilität der Nachnamen. Dazu auch Schoch, Bevölkerung, S. 30 f. Schoch stellt das 15. Jahrhundert als Zeit des Übergangs von wechselnden Nachnamen zu dauerhaften Familiennamen dar.

380

Anhang

denke ich, dass die Fehlerquote vertretbar ist. Schließlich waren die zeitgenössischen Schreiber vor ähnliche Probleme der Identifikation gestellt und gaben sich meist die Mühe, sie zu umgehen. Wenn nicht die weiteren Angaben wie Beruf oder Herkunft die Identifikation erleichterten, habe ich grundsätzlich zusätzliche Personen angelegt und diese erst zusammengeführt, wenn weitere Hinweise dies gerechtfertigt erscheinen ließen – das war oft dann der Fall, wenn eine Sache mehrere Male vors Gericht kam und dabei die gleiche Personenkonstellation vorkam. Insgesamt ist also eher damit zu rechnen, dass die gleiche Person manchmal nicht als eine Person erkannt wurde und somit mehrfach in der Auswertung vorkommt. Bei der Codierung von Personen habe ich die Schreibung von Namen in der Regel standardisiert, vor allem da, wo die Schreibvarianten heute noch geläufige Namen meinten, also Jakob statt Jacob. Ausnahmen stellten heute nicht mehr geläufige Namen bzw. Namensvarianten wie etwa Clewi dar. Bei den Nachnamen habe ich mich für die Standardisierung von bekannten Basler Geschlechtern an der Schreibweise von Arnold Lotz in seinen genealogischen Notizen über Basler Familien – den sogenannten Blauen Heften – orientiert.29 8.3 Beschreibung der Auswertungsmethoden 8.3.1 Umgang mit fehlenden Daten30 Die Zuordnung von Steuerdaten und die Lokalisierung von Personen gelang bei Weitem nicht immer, viele Erwähnungen von Personen lassen sie schlichtweg nicht zu. Bei der geografischen Lokalisierung außerhalb der Stadt etwa beträgt die Quote an fehlenden Werten 12,4 Prozent (1455) bzw. 20,4 Prozent (1497). Die Gefahr fehlender Daten besteht darin, dass sie aufgrund einer nicht erkennbaren Variablen, die das Fehlen von Daten beeinflusst, die Auswertung verzerren können (man spricht von einem Bias). Bei der Identifikation von Dörfern ist eine Verzerrung nicht zu erwarten, weil kaum davon auszugehen ist, dass die Schwierigkeit, Ortsnamen zu identifizieren, an einem systematischen Fehler liegt. Anders präsentiert sich die Sachlage bei den als BaslerInnen erkennbaren Personen, die in der Steuerliste nicht aufzufinden sind. Es liegt nahe, in ihnen Personen zu sehen, die zum Beispiel als Dienstpersonal einem aufgeführten Haushalt angehörten. Da jedoch fast nur die Haushaltsvorstände namentlich erfasst wurden, ist eine Identifikation unmöglich. Es ist also zu vermuten, dass ärmere Personen unter den nicht zuweisbaren überwiegen, während es sich herausstellt, dass die

29 30

Vgl. StABS, PA 355. Vgl. zur „Missing-data-Problematik“ Reupke/Volk, Erfahrungsberichte, S. 299.

Beschreibung der Auswertungsmethoden

381

reicheren in der Regel einfach zu identifizieren waren. Um mögliche Verzerrungen zu erkennen, lohnt es sich deshalb, die Kategorie „unbekannt“ mit darzustellen. Am einfachsten ist die Beurteilung des Bias bei der Herkunft. Die Unterteilung in der Stichprobe 1455 der unbekannten in wahrscheinlich aus Basel stammende und andere Personen ließ sich an verschiedener Stelle vergleichen und lässt darauf schließen, dass die Unterteilung nahe der effektiven Herkunftssituation liegt. Knapp die Hälfte der vermutlich aus Basel stammenden Personen weist eine Berufsbezeichnung auf. Die meisten von ihnen lassen sich mit Daten aus der Steuerliste vergleichen. Wenn wir annehmen, dass die Vermögenslagen der entsprechenden Berufe vergleichbar sind, so lässt sich mindestens in der Tendenz erkennen, ob in dieser Gruppe ein Bias vorhanden ist. Überrepräsentiert in der Gruppe der wahrscheinlich aus Basel stammenden Personen im Vergleich zur Steuerliste waren: Junker, Karrer, Herren, Kürschner, Metzger. Die Junker und Herren sind neben den Krämern und den Sattlern die Einzigen mit einem überdurchschnittlichen Vermögensmittelwert. Die ersteren beiden machten den Großteil des höheren Durchschnittsvermögens der genannten Berufe aus. Normal vertreten waren zum Beispiel Bäcker, Scherer und Schneider, unterrepräsentiert Schuhmacher, Weber und Küfer. Alle unterrepräsentierten Berufsgattungen wiesen ein geringeres Durchschnittsvermögen auf. Nicht vertreten in der Liste der wahrscheinlich aus Basel stammenden sind u. a. Fischer, Gerber, Schmiede und Messerschmiede, die in der Steuerliste einen eher niedrigen Vermögensmittelwert aufweisen (mit Ausnahme der Gerber). Es gibt unter den mit Beruf bekannten Personen, die wahrscheinlich aus Basel stammten, aber nicht nachweisbar sind in der Steuerliste, eher einen Bias in Richtung reichere Personen, die sowieso schon überrepräsentiert sind. Das ergibt sich vor allem – aber nicht nur, denn das Durchschnittsvermögen der überrepräsentierten Berufe war auch ohne die Adligen höher – aus der großen Zahl von Adligen in dieser Gruppe.31 Es ist zu vermuten, dass die Junker und sonstigen „Herren“ wohl häufig in Basel waren, aber dort nicht zwingend den Wohnsitz hatten und somit den Steuern entgingen – oder allenfalls auf anderen Wegen die Steuer umgehen konnten. Über die restliche Hälfte der Personen, die vermutlich aus Basel stammten, lässt sich nichts mit Gewissheit sagen. Aber selbst wenn sich diese alle der ganz armen Kategorie zuordnen ließen, wäre diese Kategorie in den Gerichtsakten unterproportional vertreten im Vergleich zu den zwei reichsten Kategorien.

31

Das Prädikat „Junker“ wurde einer Berufsbezeichnung gleichgestellt.

382

Anhang

8.3.2 Statistische Methoden Zur den Typen von Variablen Grundsätzlich habe ich zwei Arten von Kategorien codiert, nämlich kategorielle und numerische. Kategorielle Variablen32 haben eine endliche Anzahl von Ausprägungen, z. B. eine bestimmte Zahl von Vermögenskategorien oder Angaben zur Herkunft von Individuen. Auch die Einteilung von Schuldverhältnissen in verschiedene Verfahrensformen folgt einer solchen kategoriellen Logik. Auch wenn ich solche Kategorien oftmals als Zahlen codiert habe, darf man mit ihnen nicht wie mit Zahlen rechnen, sondern als Grundlage zur Einteilung der Stichprobe in Gruppen. Andere Werte hingegen sind Zahlenwerte, also numerischer Natur. Herausragendes Beispiel hierfür sind offensichtlich die Schuldsummen. Je nach Art der Variable sind verschiedene statistische Analysen möglich und angebracht. Ich stelle nach einigen Worten zur statistischen Signifikanz und zur Verwendung von Mittelwerten und Medianen die verwendeten Analysen kurz vor. Statistische Signifikanz: p-Wert Alle in der vorliegenden Arbeit verwendeten statistischen Testverfahren basieren darauf, dass eine sogenannte Nullhypothese – die in der Regel besagt, dass die untersuchte Variable keinen Einfluss auf die beobachtbaren Unterschiede hat – geprüft und bei einem bestimmten Signifikanzniveau verworfen wird, was bedeutet, dass die alternative Hypothese eines Einflusses der Variablen zutrifft. Die Tests geben die Angaben zur Signifikanz in Form des sogenannten p-Werts (p-value) an. Dieser erlaubt eine Prüfung nach einem (vorher festgelegten) Signifikanzniveau. Ein Niveau von fünf Prozent bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, das vorliegende Resultat zufällig (und somit nicht durch den Einfluss der untersuchten Variablen) zu erhalten, nicht höher als fünf Prozent sein darf. Der p-Wert gibt nun diese Wahrscheinlichkeit an, d. h., ein p-Wert von 0,05 und kleiner deutet auf einen signifikanten Einfluss bei einem Signifikanzniveau von fünf Prozent hin. Ich habe für die vorliegende Arbeit durchgehend mit einem Signifikanzniveau von fünf Prozent gearbeitet.

32

Vgl. Lemercier/Zalc, Methods, S. 79.

Beschreibung der Auswertungsmethoden

383

Median oder Mittelwert Die Untersuchung der sogenannten zentralen Tendenz von numerischen Variablen einer Stichprobe ist eine der gängigsten statistischen Methoden. Sehr oft wird mit dem Mittelwert, auch Durchschnitt genannt, argumentiert. Der Mittelwert ist einfach zu berechnen (die Summe aller Werte geteilt durch die Anzahl an Individuen), weist aber einen gewichtigen Nachteil auf: Er reagiert empfindlich auf stark abweichende Einzelwerte. In der vorliegenden Arbeit kann eine einzelne sehr hohe Schuldsumme den Mittelwert stark beeinflussen und damit die Analyse verfälschen. Als Alternative bietet sich der anders berechnete Median an: Der Median ist der Wert, der die Stichprobe in zwei Hälften teilt – eine unter dem Wert, eine darüber. Aufgrund dieser Anlage ist der Medianwert viel weniger empfindlich gegenüber einzelnen Extremwerten. In der Regel lohnt es sich, Median- und Mittelwerte zu vergleichen. Eine starke Abweichung der beiden Werte weist auf eine ungleiche Verteilung der untersuchten Werte über die Stichprobe hinweg hin. Solches ist gerade bei Steuerdaten und den hier untersuchten Schuldsummen sehr oft der Fall. Aus diesem Grund verwende ich oft neben dem Mittelwert auch den Median. Varianzanalysen: ANOVA33 und Mood’s Median-Test Die Varianzanalyse untersucht die Ausprägung einer numerischen Variable in Abhängigkeit einer zweiten kategoriellen Variable, welche die Stichprobe in Gruppen einteilt. Dabei wird die Varianz der Werte innerhalb der Gruppe derjenigen außerhalb der Gruppe gegenübergestellt und die Signifikanz des Unterschieds angegeben (als p-Wert). Sind die Unterschiede signifikant, können die unterschiedlichen Mittelwerte pro Gruppe beschrieben werden. Wird bei der Untersuchung der Median vorgezogen, bietet sich der analog funktionierende Median-Test von Mood an. Anstelle abweichender Mittelwerte lassen sich damit abweichende Medianwerte beschreiben. Tests bei Kreuztabellen Zur Untersuchung der gegenseitigen Beeinflussung von zwei kategoriellen Variablen bieten sich zwei Tests an. Beide beruhen auf der Bildung einer Kreuztabelle, d. h. der Tabelle, die entsteht, wenn man alle Ausprägungen einer Variablen als Spalten und alle Ausprägungen der anderen Variablen als Zeilen anführt und für jedes Feld die Anzahl

33

Lemercier/Zalc, Methods, S. 49–50.

384

Anhang

an Individuen berechnet, die die jeweilige Kombination von Ausprägungen aufweisen. Die Analyse besteht nun darin, für jede Zelle der Kreuztabelle den tatsächlichen einem erwarteten Wert gegenüberzustellen. Der übliche Test für diese Situation ist der sogenannte CHI2-Test.34 Wenn eine Zelle weniger als fünf Individuen aufweist, verwendete ich Fisher’s Exact Test, der im Gegensatz zum CHI2-Test auf kleine Zellen ausgelegt ist.35 Logistische Regression36 Diese Regression hat als abhängige Variable eine binäre Variable (also eine Variable mit nur zwei möglichen Optionen) und berechnet auf der Basis von verschiedenartigen Variablen (kategoriell und numerisch) die Wahrscheinlichkeit für verschiedene Gruppen, dass eine der beiden Optionen eintrifft. Dabei wird für jede Variable der Effekt berechnet „tout chose étant égale par ailleurs“, d. h., der Einfluss der anderen Variablen wird herausgerechnet. Als Vergleichspunkt gilt jeweils das sogenannte intercept, d. h. eine Kombination von Attributen. Die Analyse gibt nun für jede Variable an, in welche Richtung sie die binäre abhängige Variable wie stark beeinflusst, außerdem gibt sie auch die Signifikanz des Einflusses (als p-Wert) an. Ich habe für die Auswertung nur p-Werte unter 0,05, also ein Signifikanzniveau von fünf Prozent, berücksichtigt. Matrizendarstellungen Die Darstellung in Matrixform37 zeigt die Verteilung der Dichte von Beziehungen zwischen den Kategorien, d. h., alle Personen werden anhand eines Attributs einer Kategorie zugewiesen, und die Beziehung wird dem betreffenden Feld in der Kreuztabelle der Kategorien (d. h. eben der Matrix) zugeteilt. Dabei wird das Feld dunkler eingefärbt, wenn die Dichte an Beziehungen in diesem Feld hoch ist. Die Matrix stellt immer nur die an der jeweiligen Beziehung beteiligten Personen dar. Deshalb lassen sich an ihnen keine Aussagen zur Über- oder Unterrepräsentation von Kategorien in der jeweiligen Beziehung treffen. Wenn die der Matrix zugrunde liegende Beziehung eine Schuldbeziehung ist, so habe ich durchweg die GläubigerInnen in den Spalten und die SchuldnerInnen in den Zeilen angelegt. Das soll ein Lesebeispiel verdeutlichen (siehe Abbildung 8.2). Beispiel 1: Die zweite Zeile von oben zeigt die ärmsten SchuldnerInnen (Kategorie 1) an, und es zeigt 34 35 36 37

Vgl. Lemercier/Zalc, Methods, S. 46–49. Lemercier/Zalc, Methods, S. 48. Cellier/Cocaud, Traitement, S. 243 ff.; Lemercier/Zalc, Methods, S. 75–81. Lemercier/Zalc, Methods, S. 103–105.

Beschreibung der Auswertungsmethoden

385

sich hier, dass die Schuldbeziehungen zu GläubigerInnen aus der höchsten Vermögenskategorie am dichtesten vorkommen. Umgekehrt haben, wie Beispiel 2 zeigt, SchuldnerInnen aus der höchsten Kategorie (dargestellt in der untersten Zeile) nur sehr wenige Schuldbeziehungen zu Personen aus der ärmsten Kategorie (in der zweiten Spalte). 0

1

2

3

0 1

Beispiel 1

2 3

Beispiel 2

Abb. 8.2 Lesebeispiel an der Matrix zu den Vermögenskategorien von 1497

Kategorien, die nur wenige Personen umfassen, neigen zur Überrepräsentation, dies liegt daran, dass die einzelne Beziehung in der Dichte mehr ins Gewicht fällt. Die Unterschiede in der Dichte kommen zustande, wenn sich die verschiedenen Kategorien in verschiedener Weise an den Beziehungen beteiligten, z. B. eher als SchuldnerInnen oder als GläubigerInnen. Die Diagonale von links oben nach rechts unten stellt jeweils die Beziehungen innerhalb der einzelnen Kategorien dar. Diese Diagonale ist es auch, die mit dem Homophilietest untersucht werden kann.38 Dieses Netzwerkmaß ermittelt anhand einer Simulation, bei der bei gleichbleibender Netzwerkstruktur die Attribute zufällig den Knoten zugewiesen werden, in welchem Ausmaß Personen der gleichen Gruppe dazu neigen, sich stärker (oder auch schwächer) zu verbinden. Bei gehäuften Beziehungen innerhalb der Kategorie wird diese als homophil bezeichnet, andernfalls als heterophil. Ich habe die Homophilie auf zwei Arten untersucht. Das eine ist die sogenannte „whole network-homophily“39 oder Gesamthomophilie, welche fürs ganze Netzwerk misst, ob durch Attribute gebildete Gruppen eher zu Beziehungen innerhalb der Gruppe oder zu solchen außerhalb neigen. Die Resultate dieser Analyse bewegen sich zwischen –1 (totale Homophilie) und +1 (totale Heterophilie). Die zweite Methode unterscheidet nach Gruppe, berechnet also die Homophilie für jede Gruppe separat.40 Für die Interpretation der Resultate sind die Kombinationen von Kategorien

38

39 40

Zur Anwendung dieser Tests in UCINET siehe Borgatti, Testing. Die Untersuchung der Homophilie von Gruppen, die aus der Kombination von zwei Ausprägungen des Attributs entstehen und somit außerhalb der Diagonale liegen, ist leider mit UCINET nicht möglich. Eine Anwendung des Konzepts in der historischen Netzwerkforschung findet sich bei Doosselaere, Agreements, S. 112. Terminologie von UCINET. Auch diese Werte bewegen sich zwischen –1 und +1, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen.

386

Anhang

außerhalb der Diagonale ebenso wichtig oder gar noch wichtiger. Es gibt jedoch keine statistischen Möglichkeiten, solche Unterschiede zu belegen. Ich habe deshalb signifikante Resultate der Homophilietests als Indikator dafür verwendet, dass auch andere Unterschiede zwischen den Gruppen nicht zufällig sind. Darüber hinaus habe ich die Struktur der Matrix selbst als Hinweis auf Unterschiede gelesen, wenn auffällige Muster zu beobachten sind. Beim oben stehenden Lesebeispiel (Abbildung 8.2) trifft das vor allem auf die zweite Zeile zu. Personen aus der tiefsten Vermögenskategorie hatten als Schuldnerinnen deutlich häufiger reichere GläubigerInnen – mit ansteigender Dichte. Räumliche Autokorrelation: LISA (Local Index of Spatial Autocorrelation41 – Moran’s I) Die Berechnung von Moran’s Index beruht auf einer Nachbarschaftsmatrix. Diese wird mit einer Maximaldistanz berechnet, wer unter dieser Distanz bleibt, gilt als Nachbar. Als sinnvolle Distanz haben sich 150 Meter herausgestellt (darunter gibt es sehr wenige Nachbarschaften, darüber zu viele). Für die Planquadrate ergibt sich folgende Darstellung der Nachbarschaften (Nachbar ist, wer durch eine Linie verbunden ist):

Abb. 8.3 Darstellung der Nachbarschaftsbeziehungen, die als Grundlage für die räumliche Autokorrelation dienen

41

Die Methode geht zurück auf Anselin, Indicators, und hieß dort noch „Local indicators of spatial association“.

Beschreibung der Auswertungsmethoden

387

Die räumliche Autokorrelation berechnet nun für eine Variable (es gibt auch eine multivariate Analyse, aber die habe ich nicht verwendet), ob benachbarte Orte (gemäß Matrix) ähnliche Tendenzen aufweisen, und berechnet für diese Tendenz jeweils die Signifikanz. Als Resultat kann man für jede Einheit (hier sind es Planquadrate, in denen jeweils die Angaben zu den darin lokalisierten Personen zusammengezogen wurden) berechnen, ob sie eine positive oder negative Autokorrelation aufweist und ob dieser Wert signifikant ist. Eine positive Autokorrelation liegt vor, wenn Orte mit hohem Wert ebenfalls hohe Werte in der Nachbarschaft aufweisen (und das Gleiche gilt für niedrige Werte), negativ ist sie, wenn hohe Werte mit niedrigen Werten in der Nachbarschaft verbunden sind (und umgekehrt). 8.3.3 Verwendete Software Die vorliegende Arbeit stützt sich für die verschiedenen Analysen und Darstellungen auf eine Vielfalt von Software, die ich hier kurz anführe und aufzeige, welche Arbeitsschritte mit der jeweiligen Software vorgenommen wurde. – Quellenverwaltung, Codierung, Erstellung von Edgelistes und aggregierten Matrizen: eigene Forschungsdatenbank, basierend auf einer MYSQL-Datenbank und einen PHP-Webinterface – Tabellenkalkulation, Datentransfer: Microsoft Excel – Netzwerkdarstellungen: Visone42 – Statistik (ANOVA, CHI2 bzw. Fisher’s Exact Test, Logistische Regression): R43 – Geoinformationssystem (GIS): QGIS,44 Versionen 2.18 und 3.6 – Netzwerkberechnungen: UCINET45 – Spatial Autocorrelation: GeoDa46 8.3.4 Verwendetes Material für QGIS Die QGIS-Darstellungen beruhen auf einer Kombination von GIS-Elementen, die ich zu einer Kartendarstellung zusammengeführt habe. Auf die Verwendung von zeitgenössischen Kartenhintergründen habe ich ebenso verzichtet wie auf aktuelle Karten, die zu stark auf heutige Verkehrswege (insbesondere Autobahnen) verweisen. Mit Ausnahme der territorialen Gliederung aus dem historischen Atlas der Region Basel

42 43 44 45 46

Baur, Visone. https://www.r-project.org (Zugriff am 3.1.2022). https://www.qgis.org/en/site/ (Zugriff am 3.1.2022). Borgatti/Everett/Freeman, Ucinet; Borgatti/Everett/Johnson, Social Networks. https://geodacenter.github.io (Zugriff am 3.1.2022).

388

Anhang

zeigen diese Karten keine politischen Gliederungen auf  – insbesondere auch keine anachronistischen Grenzen. Sämtliche Datenquellen sind öffentlich zugänglich und mindestens für die nichtkommerzielle Nutzung freigegeben. Der letzte Zugriff auf die angegebenen Links fand am 3.1.2022 statt. Tab. 8.7 Liste der verwendeten GIS-Daten für die Kartendarstellungen Was

Beschreibung

Quelle

Rasterkarte Höhenprofil

Digital Elevation Model over Europe (EU-DEM), v. 1.1

https://land.copernicus.eu/imagery-insitu/eu-dem/eu-dem-v1.1/view

Vektordaten Seen

EuroGlobalMap – Lakes

https://opendata-esri-de.opendata. arcgis.com/datasets/esri-de-content:: euroglobalmap-lakes/about

Vektordaten Flüsse HydroSHEDS HydroRIVERS

https://www.hydrosheds.org/page/ hydrorivers

Orte

Mapcruzin

www.mapcruzin.com

Rasterkarten mit Waldbedeckung

Pan-European Forest/ Non-Forest Map 2000

https://forest.jrc.ec.europa. eu/en/past-activities/forestmapping/#Downloadforestmaps

Territorien

Territoriale Gliederung des Basler Umlandes, 1469

Salvisberg, Atlas, Karte 16, S. 79.47

Stadtplan Basel

Plan von L. H. Löffel von 1862

Geodatenportal Basel, https://shop. geo.bs.ch

Die im Tafelteil wiedergegebene Legende (Abbildung 8.4) dient dem Verständnis der Karte der territorialen Gliederung. 8.4 Tabellen und Darstellungen In diesem Teil des Anhangs befinden sich Tabellen und Darstellungen, die nicht in den Fließtext eingebunden sind. Die Verweise im Text geben direkt die Tabellen- oder Abbildungsnummer an.

47

Ich danke André Salvisberg und Camillo Kohli ganz herzlich für die digitale Version der Karte.

389

Tabellen und Darstellungen

8.4.1 Attribute Distanzklasse 70 60 50 40 30 20 10 0

2-10 km

10-20 km

20-40 km

Mittelwert Schuldsumme

40-100 km

über 100 km

Median Schuldsumme

Abb. 8.5 Mittelwert vs. Median der Schuldsumme in Abhängigkeit der Distanzklasse, Kombination der zwei Stichproben (n = 55)

Zunftzugehörigkeit und Beteiligung vor Gericht Tab. 8.8 Durchschnittsvermögen nach Zunftzugehörigkeit, unterschieden nach Personen, die vor Gericht erscheinen, und den restlichen Personen der Steuerliste 1455 Zunft

Vermögen

Anzahl Haushalte

nicht vor Gericht

vor Gericht

nicht vor Gericht

vor Gericht

Bäcker

658,4

248,4

23

21

Gärtner

117,7

329,8

61

29

Grautucher und Rebleute

32,0

73,7

65

15

1.133,3

3.226,0

10

7

Hohe Stube

4.160,1

4.422,2

28

19

Kaufleute

1.956,3

2.407,0

27

22

Hausgenossen

390

Anhang

Zunft

Vermögen

Anzahl Haushalte

471,2

1.251,4

82

43

41,6

122,2

29

8

205,7

607,5

46

24

74,5

134,6

53

14

Scherer, Maler und Sattler

134,3

410,2

43

22

Schiffsleute und Fischer

102,9

170,4

40

16

Schmiede

184,1

1.196,0

65

31

Schneider und Kürschner

166,5

211,5

48

30

Schuhmacher und Gerber

228,8

220,2

69

34

Weinleute

470,9

1.055,1

31

23

Zimmerleute und Maurer

158,2

317,3

96

21

Krämer Leinweber und Weber Metzger nichtzünftig

80.0 %

8.4.2 Zeitlicher Verlauf

70.0 % 60.0 % 50.0 % 40.0 % 30.0 % 20.0 % 10.0 %

arm 1497

mittel 1497

reich 1497

arm 1455

Ok to be r No ve m be r De ze m be r

Au gu st Se pt em be r

Ju li

Ju ni

ai M

Ap ril

är z M

ru ar Fe b

Ja nu ar

0.0 %

mittel 1455

reich 1455

Abb. 8.6 Beteiligung der GläubigerInnen nach Vermögenskategorie im Jahresverlauf, Vergleich der beiden Stichproben

391

Tabellen und Darstellungen 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2

sehr arm

arm

mittel

reich

sehr reich

be r

be r

ze m De

No ve m

be r Ok to be r

te m

Se p

Ju li

Au gu st

Ju ni

ai M

Ap ril

är z M

ru ar Fe b

Ja nu ar

0

Abb. 8.7 Beteiligung der SchuldnerInnen nach Vermögenskategorie im Jahresverlauf 1455

Abb. 8.8 Zweimonatsperioden 1455, Darstellung der Hauptkomponente mit den jeweils vorkommenden Beziehungen pro Zweimonatsperiode (die zeitliche Reihenfolge ist Zeile für Zeile zu lesen)

392

Anhang

8.4.3 Prozessformen Tab. 8.9 Überschneidung der Prozessarten 1455 Vergichte

Klagen

Verbote

100,0 %

10,0 %

6,7 %

4,0 %

2,8 %

Klagen

10,0 %

100,0 %

6,3 %

6,2 %

2,9 %

Verbote

6,7 %

6,3 %

100,0 %

3,3 %

2,5 %

Frönungen

4,0 %

6,2 %

3,3 %

100,0 %

2,5 %

Rentenkäufe

2,8 %

2,9 %

2,5 %

2,5 %

100,0 %

Vergichte

Frönungen Rentenkäufe

Tab. 8.10 Überschneidung der Prozessarten 1497 Vergichte

Klagen

Verbote

100,0 %

9,6 %

12,8 %

4,8 %

0,9 %

Klagen

9,6 %

100,0 %

10,9 %

7,3 %

0,0 %

Verbote

12,8 %

10,9 %

100,0 %

5,4 %

1,6 %

Frönungen

4,8 %

7,3 %

5,4 %

100,0 %

4,3 %

Rentenkäufe

0,9 %

0,0 %

1,6 %

4,3 %

100,0 %

Vergichte

Frönungen Rentenkäufe

Tab. 8.11 Geschlecht und Prozessformen, 1455 und 1497 Vergicht

Frönung

Klage

Verbot

gesamt

SchuldnerInnen 1455 Männer

85,8 %

66,0 %

86,6 %

80,0 %

82,5 %

Frauen

14,2 %

27,7 %

10,6 %

20,0 %

16,2 %

0,0 %

6,4 %

2,8 %

0,0 %

1,3 %

Männer

89,55 %

100,00 %

88,27 %

96,86 %

92,09 %

Frauen

10,10 %

0,00 %

11,73 %

2,69 %

7,63 %

0,35 %

0,00 %

0,00 %

0,45 %

0,28 %

90,24 %

77,78 %

81,48 %

80,27 %

84,46 %

Frauen

7,32 %

13,89 %

16,05 %

12,11 %

11,16 %

Institutionen

2,44 %

8,33 %

2,47 %

7,62 %

4, 38 %

Institutionen SchuldnerInnen 1497

Institutionen GläubigerInnen 1497 Männer

393

Tabellen und Darstellungen

Tab. 8.12 Distanzen der GläubigerInnen nach Prozessart 1497 (p-Wert der Varianzanalyse 0,0372) durchschnittliche Distanz in km

n

Vergichte

58,1

33

Verbote

73,1

15

116,9

32

Klagen wegen Schuld

Tab. 8.13 Distanzen der SchuldnerInnen nach Prozessart 1497 (p-Wert der Varianzanalyse 0,00401) durchschnittliche Distanz in km

n

Vergichte

27,6

102

Verbote

72,5

15

Klagen wegen Schuld

40,5

16

Tab. 8.14 Distanzen der SchuldnerInnen nach Prozessart 1455 (p-Wert der Varianzanalyse 0,0296) durchschnittliche Distanz in km

n

Vergichte

57,9

23

Frönungen

29,4

7

Klagen wegen Schuld

22,7

20

Verbote

60,6

31

394

Anhang

Prozessformen und Vermögen 0

1

2

3

4

5

0

0

1

1

2

2

3

3

4

4

5

5 0

1

2

3

4

5

0

0

1

1

2

2

3

3

4

4

5

5 0

1

2

3

4

0

1

2

3

4

5

0

1

2

3

4

5

5

0 1 2 3 4 5

Abb. 8.9 Dichtematrizen nach Vermögenskategorie 1455, für (von oben links nach unten rechts) Vergichte, Verbote, Frönungen, Klagen und Schuldanerkennungen im Unzüchterbuch

395

Tabellen und Darstellungen

k.a.

0

1

2

k.a.

k.a.

0

1

2

k.a.

0

1

2

k.a. 0

0

1

1

2

2 k.a.

0

1

2

k.a.

k.a. 0

0

1

1

2

2

Abb. 8.10 Dichtematrizen nach Vermögenskategorie 1497, für (von oben links nach unten rechts) Vergichte, Verbote, Frönungen und Klagen

Güter halten bei Verboten

1

3

2

0

1 3 2 0

Abb. 8.11 Matrix „hält Güter in Verbot von“: Dichten zwischen den Herkunftskategorien, Stichprobe 1455 (1: aus Basel, 3: wahrscheinlich aus Basel, 2: nicht aus Basel, 0: unklar)

396

Reich

Mittel

Arm

k.A.

Anhang

Keine Angabe Arm Mittel Reich Abb. 8.12 Matrix „hält Güter in Verbot“: Dichten zwischen verschiedenen Vermögenskategorien (1455)

8.4.4 Blockmodell und Typenbildung Tab. 8.15 Blockmodell 1497: Degree-Werte, Anzahl und Anteil Personen Blockmodell­ Gruppenname

Indegree (Mittelwert)

Outdegree (Mittelwert)

Anzahl Anteil Personen Personen

388

1,00

8,67

3

0,4 %

390

5,50

1,00

4

0,5 %

428

0,00

1,00

2

0,3 %

775

2,00

1,75

4

0,5 %

777

1,33

2,33

3

0,4 %

780

3,71

0,12

34

4,6 %

790

1,88

1,63

43

5,8 %

800

1,40

0,00

292

39,2 %

810

0,06

3,85

33

4,4 %

820

0,00

1,25

326

43,8 %

gesamt

0,88

0,88

744

397

Tabellen und Darstellungen

Tab. 8.16 Typen 1497, Degree-Werte, Anzahl und Anteil Personen Indegree (Mittelwert)

Outdegree (Mittelwert)

gelegentlicher Gläubiger

1,00

0,00

236

31,7 %

gelegentlicher Schuldner

0,00

1,00

282

37,9 %

häufiger Gläubiger

3,26

0,00

89

12,0 %

häufiger Schuldner

0,00

3,16

79

10,6 %

Schuldenkette tiefe Beteiligung

1,00

1,00

19

2,6 %

Schuldenkette mittlere Betei­ ligung

2,43

2,23

30

4,0 %

Schuldenkette hohe Betei­ ligung

4,00

4,00

9

1,2 %

gesamt

0,88

0,88

744

Typ

Anzahl Anteil Personen Personen

Tab. 8.17 Blockmodel 1455, Degree-Werte, Anzahl und Anteil Personen Blockmodel­ Gruppenname

Indegree (Mittelwert)

Outdegree (Mittelwert)

Anzahl Anteil Personen Personen

261

0,00

1,00

1

0,1 %

591

4,20

0,20

5

0,5 %

793

0,20

4,00

5

0,5 %

880

3,40

0,25

40

4,4 %

887

1,96

1,54

67

7,3 %

913

1,33

0,00

368

40,2 %

914

0,51

3,74

39

4,3 %

915

0,00

1,32

390

42,6 %

gesamt

0,87

0,87

915

398

Anhang

Tab. 8.18 Typen 1455, Degree-Werte, Anzahl und Anteil Personen Indegree (Mittelwert)

Outdegree (Mittelwert)

Anzahl Personen

Anteil Personen

gelegentlicher Gläubiger

1,00

0,00

291

31,8 %

gelegentlicher Schuldner

0,00

1,00

320

35,0 %

häufiger Gläubiger

2,85

0,00

115

12,6 %

häufiger Schuldner

0,00

3,10

103

11,3 %

Schuldenkette geringe Beteiligung

1,00

1,00

33

3,6 %

Schuldenkette mitt­ lere Beteiligung

2,49

2,00

35

3,8 %

Schuldenkette hohe Beteiligung

3,22

3,06

18

2,0 %

Grand gesamt

0,87

0,87

915

Typ

8.4.5 Schriftstücke zur Schuld Tab. 8.19 Urteile, die schriftliche Schuldbelege erwähnen, im Vergleich zur Anzahl aller Urteile in Schuldsachen des Urteilsbuchs, zu denen die Schuldklage als Beziehung codiert wurde Anzahl

Anteile

1497

1455

1497

1455

Quellen gesamt

111

108

100,0 %

100,0 %

Erwähnung von Schriftstücken gesamt

31

26

27,9 %

24,1 %

Schuldbriefe

14

13

12,6 %

12,0 %

Handschrift

7

0

6,3 %

0,0 %

Zettel

4

0

3,6 %

0,0 %

Bücher

3

3

2,7 %

2,8 %

Briefe (unbestimmt)

3

4

2,7 %

3,7 %

Übertrag

3

3

2,7 %

2,8 %

Diverse

0

4

0,0 %

3,7 %

9. Quellen Alle Quellen stammen aus dem Staatsarchiv Basel-Stadt (StABS). Die in den beiden Stichproben verwendeten Quellen sind detailliert angeführt im Anhang 8.1. Gerichtsarchiv, Urteilsbücher StABS, Gerichtsarchiv A 26 StABS, Gerichtsarchiv A 29 StABS, Gerichtsarchiv A 32 StABS, Gerichtsarchiv A 34 StABS, Gerichtsarchiv A 38 StABS, Gerichtsarchiv A 41 Gerichtsarchiv, Fertigungsbücher StABS, Gerichtsarchiv B 7 StABS, Gerichtsarchiv B 14 Gerichtsarchiv, Vergichtbücher StABS, Gerichtsarchiv C 5 StABS, Gerichtsarchiv C 6 StABS, Gerichtsarchiv C 14 StABS, Gerichtsarchiv C 16 Gerichtsarchiv, Kundschaftenbücher StABS, Gerichtsarchiv D 4 StABS, Gerichtsarchiv D 6 StABS, Gerichtsarchiv D 11 StABS, Gerichtsarchiv D 12 StABS, Gerichtsarchiv D 13 StABS, Gerichtsarchiv D 14 StABS, Gerichtsarchiv D 16 StABS, Gerichtsarchiv D 17 StABS, Gerichtsarchiv D 18 Gerichtsarchiv, Frönungen und Verbote StABS, Gerichtsarchiv E 4

400 StABS, Gerichtsarchiv E 6 StABS, Gerichtsarchiv E 7 Gerichtsarchiv, Verrechnungen StABS, Gerichtsarchiv G 1 StABS, Gerichtsarchiv G 2 StABS, Gerichtsarchiv G 9 Gerichtsarchiv, Urkunden und Diversa StABS, Gerichtsarchiv O 2 StABS, Gerichtsarchiv O 3 StABS, Gerichtsarchiv O 4 Ratsbücher, Unzüchterbuch StABS, Ratsbücher N 8 Ratsbücher, Leistungsbuch StABS, Ratsbücher A 3 Steuerbücher der Margzahlsteuer StABS, Steuern B 10 StABS, Steuern B 11 StABS, Steuern B 12

Quellen

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Tafelteil

Abb. 3.1 Lokalisierung der erwähnten auswärtigen Gerichtsinstanzen. Rot: Ein dort verhandelter Fall wurde in Basel aufgegriffen, gelb: Das Basler Gericht verwies an diesen Ort, orange: Beides kam vor. Je größer der Punkt, desto häufiger wurde der Ort erwähnt, Ensisheim als meistgenannter Ort kommt auf vier Nennungen.

426

Tafelteil

Abb. 3.2 Erwähnte Gerichte (Ausschnitt der obigen Karte) mit territorialer Gliederung als Hintergrund (zur Legende siehe die vorhergehende Abbildung)

Tafelteil

427

Abb. 4.2 Vergleich der vor Gericht erscheinenden (rot) mit allen Haushalten der Steuerliste 1497 (blau). Es fehlt Kleinbasel.

Abb. 4.3 Räumliche Autokorrelation des Erscheinens vor Gericht. Die Farben sind folgendermaßen zu lesen: kräftiges Rot: hoher Anteil mit ebenfalls hohem Anteil in der Nachbarschaft; kräftiges Blau: geringer Anteil mit geringem Anteil in der Nachbarschaft; helles Rot: hoher Anteil mit geringem Anteil in der Nachbarschaft; helles Blau: hoher Anteil mit geringem Anteil in der Nachbarschaft

428

Tafelteil

Abb. 4.5 Beteiligung der Haushalte der Steuerliste als GläubigerInnen (oben) und als SchuldnerInnen (unten), Stichprobe 1497

Tafelteil

429

Abb. 4.6 Signifikante Autokorrelationen beim Anteil GläubigerInnen (oben) und SchuldnerInnen (unten). Die Farben sind folgendermaßen zu lesen: kräftiges Rot: hoher Anteil mit ebenfalls hohem Anteil in der Nachbarschaft; kräftiges Blau: geringer Anteil mit geringem Anteil in der Nachbarschaft; helles Rot: hoher Anteil mit geringem Anteil in der Nachbarschaft; helles Blau: hoher Anteil mit geringem Anteil in der Nachbarschaft

430

Tafelteil

Abb. 4.8 Geografische Verteilung der SchuldnerInnen (rot) und GläubigerInnen (grün) von außerhalb Basels, 1455 (größere Punkte: mehrere Schuldbeziehungen zum betreffenden Ort; die grünen Punkte sind grundsätzlich etwas größer, damit sie von SchuldnerInnen mit gleicher Herkunft nicht überdeckt werden)

Tafelteil

Abb. 4.9 Geografische Verteilung der SchuldnerInnen (rot) und GläubigerInnen (grün) von außerhalb Basels, 1497 (größere Punkte: mehrere Schuldbeziehungen zum betreffenden Ort; die grünen Punkte sind grundsätzlich etwas größer, damit sie von SchuldnerInnen mit gleicher Herkunft nicht überdeckt werden)

431

432

Tafelteil

Abb. 4.10 Geografische Verteilung 1455 (Ausschnitt)

Tafelteil

Abb. 4.11 Geografische Verteilung 1497 (Ausschnitt)

433

434

Tafelteil

Abb. 4.12 Schwerpunkte der lokalisierbaren SchuldnerInnen (rot) und GläubigerInnen (grün) außerhalb Basels, die Kreise stellen die Schwerpunkte aller Personen dar, die Diamanten nur diejenigen in einem Umkreis von maximal 40 Kilometern

Tafelteil

435

Abb. 6.3 Darstellung der Hauptkomponente 1455, angeordnet nach struktureller Ähnlichkeit (REGE-Blockmodell), eingefärbt nach Typ (orange und rot: nur SchuldnerInnen, hell- und dunkelgrün: nur GläubigerInnen, violett: beides, intensivere Farbe bedeutet stärkere Beteiligung)

Abb. 6.4 Darstellung der Hauptkomponente 1497 (ohne Anton Waltenhein), angeordnet nach struktureller Ähnlichkeit (REGE-Blockmodell), eingefärbt nach Typ (orange und rot: nur SchuldnerInnen, hell- und dunkelgrün: nur GläubigerInnen, violett: beides, intensivere Farbe bedeutet stärkere Beteiligung)

436

Tafelteil

Abb. 6.11 Hauptkomponente des Schuldennetzwerks von 1455, Einfärbung nach Zeitpunkt im Jahr (je zwei Monate zusammengenommen)

Abb. 6.12 Hauptkomponente des Schuldennetzwerks von 1497, Einfärbung nach Zeitpunkt im Jahr (je zwei Monate zusammengenommen)

Tafelteil

Abb. 6.26 Herkunft der auswärtigen SchuldnerInnen (rote Punkte) und GläubigerInnen (grüne Punkte) der Stichprobe 1497 vor der territorialen Gliederung von 1469 (zur Legende siehe Abbildung 8.4 im Tafelteil)

437

438

Tafelteil

Abb. 6.27 Schuldbeziehungen innerhalb Basels, 1497; alle lokalisierbaren GläubigerInnen (grün) und SchuldnerInnen (rot) sind eingezeichnet, dazu die Verbindungen, wo beide Beteiligten lokalisiert werden konnten; Schuldbeziehungen mit einer Distanz von weniger als 100 Metern sind rot eingefärbt

Tafelteil

439

Abb. 6.29 Geografische Darstellung der Schuldverhältnisse innerhalb Basels 1497 (Ausschnitt). Die Farbe der Linien zeigt die Distanz an (rot: unter 100 m), die Farbe der Knoten den Reichtum der Umgebung (je dunkler, desto reicher)

440

Tafelteil

Abb. 6.37 Lokalisierung des Gerichtspersonals von 1497. Die Farbe bezieht sich auf die Zugehörigkeit zu den Kirchsprengeln, die Symbole auf die Rolle (Quadrate: Urteiler, Fünfeck: hohe Amtsperson wie Schultheiß, Gerichtsschreiber, Kreise: übrige Amtspersonen). Es fehlen je zwei Groß- und Kleinbasler, die nicht lokalisiert werden konnten.

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Abb. 8.4 Legende zur Karte der territorialen Gliederung von 1469

Register Personenregister Alenspach, Niklaus von 45 Allerhand, Ulrich 65 Allgäuer siehe Steinacher Arbogast (Birsmeister) 231 Arx, Kaspar von 243 Arx, von (Frau) 320 Bader, Adelheid 349 Bader, Ennelin 349 Bannholz, Hans 349 Bannholz, Jörg 349 Bannholz, Mathis 349 Bannwart, Hans 77 Bär, Hans 179 Barbara (bei den Augustinern) 219 Bärenfels, Konrad 345 Barfuss (Weber) 304 Baumgartner, Sigmund 179 Besserer, Werlin 186 Biedertan, Agnes 173 Biel, Hug von 287 f. Biel, von (Frau) 253 Basel, Bischof von 13 f., 126, 253, 273, 341 Bischof, Peter 288 Blower, Heinslin 349 Blumen, zur siehe Kessler Bolz, Hans im 288 Bomer, Hugli 303 f. Brand, Kaspar 91 Bratteler, Jakob 39 Brattler 76 Briefer, Hans 38 f., 238 Brugg, Ulrich von 133, 287 Brugger, Hans 59 Brünlin, Heinrich 350 Bumann, Heny 360 f. Busch, Peter von 40, 118 Dachs, Henman 253 Dachs, Wilhelm 235, 239, 333

Degen, Walter 104, 333 Döllen, Kaspar von (Arzt) 55 Egerkind, Contzmann 307 Einbaltig, Hans 76 Einfaltig, Heinrich 343 Else die Schererin 162 Engel, Peter 180, 306 Ennelin 103 Ennelin (die Taube) 162 Ennelin (Simon Schorers Frau) 181 Eschenbrenner, Christian 127 Esperlin, Jakob 345 Fach, Margreth von 38 f. Falkner, Reinhard 342, 344 Fischer, Michael 68 Fischer, Ulman 236 Flach, Martin 46, 104, 235 f., 239, 283 f., 288, 294, 305 Frank, Jakob 38 Frauenberg (Schlosser) 350 Freitag, Ennelin 169 Fronstetter 76 Fry, Hans 224 f. Gallician, Franz 46, 124, 220, 246, 284, 288, 294, 337, 339 f. Gallician, Michel 340 Ganser der Schuhmacher 41, 365 Gerster, Hans 344 Glaser, Hans 342 Glaser, Simon 342 Gred (Peter Seilers Frau) 350 Grede (Heinrich Guldinknopfs Frau) 174 Grid (Hans Pfiffers Frau) 172 Grieb (Familie) 87 Grieb, Hans Heinrich 69, 208 f., 343 Grieb, Lienhard 69 Grieser, Elsy 173

442

Register

Groß, Melchior 306 Grünlich, Hans 68 Guldinknopf, Heinrich 174 Hachberg-Sausenberg, Markgraf Wilhelm von 347 Hafner, Jörg 237 Hanolt 248 Hans, Peter 76 Harnesch, Henslin 102 Hartmann, Friedrich (gen. zer Linden) 225, 337–339 Hartstahel, Konrad 69 Hauenstein, Klaus 68 Hauswirt, Rudolf 179, 241 Hechinger, Margreth 177 Heckel, Michel 103 Heckelberger, Dietrich 63 Heidelberg, Wunewald 244, 275 Heini, Heinrich 288 Heinrich der Schneider 179 Heinz, Hans 123 Herzbrecher, Hans 287 Hirzbach, Hans von 287 Hirzberg, Sigmund 171 Holzach, Eucharus 344 Huckermann, Konrad 226 Husi, Rudolf 120 Illenbrecht, Ulrich 102 Irmi, Balthasar 140, 226 Iselin, Mathis 337, 340 Jager, Peter 224 Jungermann, Hans 103, 320 Keller, Hans 320 Kempf, Hans 120 Keser, Hans 228, 278, 288, 320, 349 Kesselmann, Jörg 288 Kessler, Hans 136 Kessler, Niklaus (gen. Zur Blumen) 171, 246, 283 f., 340 Kilchen, von (Frau) 275 Kilchmann, Ludwig 35, 87, 94, 105, 341 Klublin, Konrad 342, 344 Kreuznach, Peter von 219 f.

Laufen, Adelheid von 335 f. Laufen, Agnes von 173 Laufen, Konrad von 335 Laufen, Mathis von 162 Liebermann, Klaus 227 Lienhard 91 Lietingen, Hanno von 291 Linden, zer siehe Hartmann Lölin (Bäcker) 226 Lor, Hans von 268 Luft, zem (Frau) 55 Lupfried, Jürg 185 Lutenmacher, Hans 41, 48 Luterwein, Hans 61, 306 Lypold 41 Malenstein, Peter 43 Maler, Fridlin 205 Malterer, Lienhard 305 Mannenbach, Hans 319 Maria 226 Mathis der Jude 351 Mechlin, Contzlin 307 Meder, Heinrich 59 Meder, Klaus 335 f., 342 Meder, Rudolf 287 f. Meier, Hans 379 Meiger, Bastian 71 Meiger, Hans (Wirt) 76 Meiglin, Heinrich 236 Meltinger, Ludman 289 f., 292, 335–337 Meltinger, Ulrich 107, 127, 129, 309, 314, 353 Mendlin 40 Metzger, Hans 127 Meyerlin, Thomas 139 Monstral, Heinrich von 110, 123, 289, 337 f. Mornach, Ulrich/Ulman 41, 182 Müller, Hans 52 Müller, Hans (von Geltringen) 294 Müller, Peter 246 Münch von Landskron, Hans 287 Münch von Münchenstein (Familie) 345 Münch, Thüring 42 Munzer, Hans 288 Münzer, Hans 288 Murer, Hans 89 Murer, Heinrich 323

Register

Neuenstadt, Hans von der 118 Nostelbach (Frau) 307 Offenburg, Henman 233 Offenburg, Peter 238 Offenburg, Stefan 40, 68, 105, 200, 205, 329, 353 Ortenberger der Gürtler 184 Oswald, Werlin 48 Peiger, Ludwig 39 Peyer, Hans 335, 337 Pfiffer, Hans 172, 177 Pilgerstab, Hans zum 184, 291, 305 Pirry, Johann 44 Pirry, Lienhard 294 Plarer, Hans 179, 201, 289, 323, 337–339 Ramstein, Heinrich von 128, 237 Ramstein, Hermann von 225, 255 Ramstein, Konrad von 255 Rat, Hans 207 Rechberg (Frau) 364 Reich von Reichenstein (Familie) 87, 345 Reinhard, Lorenz 177 Rennhard, Hans 54 Rentschlin, Clewin 247 Rhein, Friedrich ze 68 Riby, Lienhard 42 Richard (Amtmann) 179, 240 Richard (Händler) 44 Rieher, Hans 139 Rieher, Heinrich (d.Ä.) 238 Rieher, Heinrich (d.J.) 68 Rieher, Klaus 71, 136, 141 Rohrer, Agnes 69 Rotenbach, Hans 45 Rotenfahnen, Hans zum 89 Rül, Hans 162 Rümann, Hans 63 Runser, Ennelin 45, 349 Runser, Hans 45, 349 Rutschlin, Michel 39 Rutschlin, Rudolf 39 Sattler, Hans 238 Schaffrot 361 Schent, Hans 206

443

Schilling, Lienhard 378 Schinken, Henslin 39 Schlierbach, Heinrich 140, 294, 304 f., 335 f. Schmidlin, Ennelin 173 Schmidlin, Klaus 102, 173 Schmitter, Heinrich 342 Schneider, Hans 349 Schöllner, Ennelin 168 f. Schönkind, Peter 117 Schott, Konrad 225, 337 f. Schuczin, Adelheid 173 f. Schuhmacher, Kaspar 59 Schwab, Lienhard 202 Schweiger, Heinrich 73 Schwitzli, Hans 65, 335 f. Seevogel (Familie) 345 Segesser, Hans 141 Seiler, Peter 349 Seitenmacher, Hans 244, 275 Sennheim, Dietrich 344 Sigrist, Hans 187, 360 f. Sigrist, Jakob 288 Sigrist, Konrad 303 f. Sigrist, Pentelin 225 Simon der Sattler 320 Sinwels, Peter 168 f. Slebitzer, Konrad 162 Smerber, Morand 44 Sonne, Jörg zur 104 Sonnenfroh (Familie) 64 Spengler, Hans (Gerber) 75 Spengler, Hans (Schuhmacher) 133 Spidler, Jakob 89 Spitalmüller, Erhard 307 Spurnis, Bernhard 202 Stark, Jakob 162 Steck, Jakob 57 Steinacher, Hans (gen. Allgäuer) 290, 337, 339 Steinhauer, Heinrich 253 Steinhauser, Jos 306 Steinler, Mathis 241 Steinmeiger 78 Stempfer, Heinrich 291 Stempfer, Verena 207, 307 Stucki, Werlin 320 Summerisen, Agnes 173 Surer, Hans 231

444

Register

Surlin, Bernhard 287 Süssherr, Lienhard 342 Tann, Peter von 100 Tannen, Hans zer 182 Tannwald, Hans 287 Techler, Heinrich 58 Thierstein (Grafen von) 227 Thierstein, Graf Hans von 185 Thierstein, Graf Oswald von 256 Thierstein, Graf Wilhelm von 128 Thorer, Peter Hans 224 f. Thurand ( Junker) 256 Tigel, Peter 306 Torwächter (des Spalentors) 103 f. Tus, Peter von 173 Ulrich (der Bäcker) 288 Veltin 90 Vesch, Roman 238 Vettich, Hugli 236 Wagener, Heinrich 38 Walch, Adam 248, 288 Walch, Klaus 275 Walpurga 173 Waltbach, Andreas von 224 Waltenhein, Anton 55 f., 124, 201, 203, 224, 226–228, 247, 258, 277 f., 280–282, 284, 288,

292, 297 f., 302, 318, 320, 325, 338 f., 353, 433 Weber, Konrad 63, 335, 337, 364 Welch, Ennelin 204 Wensler, Michael 72, 88, 124 Weslin, Reinhard 295 Winterthur, Jürg von 69 Wolfeisen, Friedrich 39 Wolfer, Peter 348 Wolfer, Ulrich 278, 288, 294, 348 Wuneck, Hans von 237 Wurzeler, Hans 207 Wyss, Heinrich 319, 335 f. Wyssenberg, Rudolf von 287 Wyssenloch, Enlin von 63, 364 Ziegler, Heinrich 76 Ziegler, Johannes 179 Ziegler, Konrad 76 Ziegler, Lienhard 238, 342 Zimmermann, Hans 66 Zimmermann, Hans (von Aarau) 162 Zimmerstein, von 76 Zschach, Heinrich 220 Zschach, Ludwig 179 Zschan, Heinrich 287 Zscheckenbürlin (Frau) 173 f. Zscheckenbürlin (Herr) 59 Zschupp, Pentelin 225

Orts- und Institutionenregister Aarau 144, 162 Altkirch 47, 169, 423 f. Antwerpen 351 Arlesheim 241 Augsburg 23, 104, 305, 340 Augustinerkloster 68, 219, 335 f., 353 Baden 124, 274, 423 f. Bäckerzunft 156 Balschweiler 44 Bamlach 40 Bergheim 41 Bern 109, 213

Bettendorf 59 Bittelsbach 349 Blansingen 423 f. Blotzheim 423 f. Büron, Kt. Luzern 47 Colmar 162 Diessbach 27 Domkapitel von Basel 353 Duggingen 308 Egringen 423 f. Elendenherberge Basel 236, 268

Register

Engelberg 46 Ensisheim 117, 423 f. Esslingen 314 Ettenheim 76

Olsberg (Kloster) 180 Olten 124, 423 f.

Fislis 42 Flandern 39, 238 Florenz 50, 92, 131, 161 Freiburg i.Br. 364, 377 Freiburg i.Ue. 235, 333

Rapperswil 181 Ravensburg 306 Rheinfelden 47, 57, 76, 256, 345 Rötteln 423 f. Rottweil 117, 130, 423 f.

Geltringen 294 Genf 39, 47, 233, 319 Gnadental (Kloster) 343, 353 Gundeldingen 66

Säckingen (Kloster) 141 Scharndorf 349 Scherermeister 127 Schlatt 78 Schliengen 423 f. Schmiedemeister 236 Sennheim 351 Sitten (Sion VS) 345 Solothurn 177 Spital (von Basel) 54, 66, 200, 221, 349 St. Alban (Chorherren) 353 St. Gallen 39, 313 St. Lienhard 112 St. Martin (Chorherren) 353 St. Peter (Chorherrenstift) 54, 120 St. Wolfgangsbruderschaft 353 Straßburg 117, 423 Sulz 423 f.

Hachberg-Sausenberg 124, 185, 317, 347 Haltingen 127, 308 Heimersdorf 58, 308 Ingelheim 91 Inzlingen 118 Jenzlingen 308 Kems 117, 378 Kleinbasel 13, 128, 154, 156, 253, 258, 319, 344, 425, 438 Klingental (Kloster) 335, 337 Konstanz 377 Landser 423 f. Laufenburg 179 Liestal 124 Luzern 92, 120 Memmingen 333, 343, 353 Memmingen, Gesellschaft von 333, 343, 353 Metzgermeister 39, 47 f., 238 Michelbach 308 Montbéliard 44, 423 Mülhausen 38, 347, 351 Münchenstein 345 Neuenburg am Rhein 39, 102, 124, 423 f. Nördlingen 104, 333 Nürnberg 63, 85, 333, 364

445

Predigerkloster 54, 287, 353

Thann 139 Todtnau 353 Todtnau, Fronherren von 353 Trimbach 308 Tüllingen (Lörrach) 116, 423 f. Ulm 43, 47, 51, 359 Waldshut 41 Weil am Rhein 116 Welmlingen 308 Wyhlen (Lörrach) 115, 308, 423 f. Zürich 89, 124, 140, 178, 200, 377, 423 Zunft der Schuhmacher und Gerber 156, 353

v i e rt e l ja h r s c h r i f t f ü r s o z i a l u n d w i rt s c h a f t s g e s c h i c h t e – b e i h e f t e

Herausgegeben von Mark Spoerer, Jörg Baten, Markus A. Denzel, Thomas Ertl, Gerhard Fouquet und Günther Schulz.

Franz Steiner Verlag

ISSN 0341–0846

211. Volker Ebert / Phillip-Alexander Harter Europa ohne Fahrplan? Anfänge und Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1957–1985) 2010. 278 S. mit 8 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09693-5 212. Volker Ebert Korporatismus zwischen Bonn und Brüssel Die Beteiligung deutscher Unternehmensverbände an der Güterverkehrspolitik (1957–1972) 2010. 452 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09692-8 213. Markus A. Denzel / Jan de Vries / Philipp Robinson Rössner (Hg.) Small is Beautiful? Interlopers and Smaller Trading Nations in the Pre-industrial Period Proceedings of the XVth World Economic History Congress in Utrecht (Netherlands) 2009 2011. 278 S. mit 27 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09839-7 214. Rolf Walter (Hg.) Globalisierung in der Geschichte Erträge der 23. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 18. bis 21. März 2009 in Kiel 2011. 273 S. mit 29 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09851-9 215. Ekkehard Westermann / Markus A. Denzel Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548 2011. 526 S. mit 1 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09899-1 216. Frank Steinbeck Das Motorrad Ein deutscher Sonderweg in die automobile Gesellschaft 2011. 346 S. mit 17 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10074-8

217. Markus A. Denzel Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungs­ verkehr (1621–1827) 2012. 341 S. mit 24 Abb. und 44 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10135-6 218. Bastian Walter Informationen, Wissen und Macht Akteure und Techniken städtischer Außenpolitik: Bern, Straßburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468–1477) 2012. 352 S. mit 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10132-5 219. Philipp Robinson Rössner Deflation – Devaluation – Rebellion Geld im Zeitalter der Reformation 2012. XXXIII, 751 S. mit 39 Abb. und 22 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10197-4 220. Michaela Schmölz-Häberlein Kleinstadtgesellschaft(en) Weibliche und männliche Lebenswelten im Emmendingen des 18. Jahrhunderts 2012. 405 S. mit 2 Abb. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10239-1 221. Veronika Hyden-Hanscho Reisende, Migranten, Kulturmanager Mittlerpersönlichkeiten zwischen Frankreich und dem Wiener Hof 1630–1730 2013. 410 S. mit 20 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10367-1 222. Volker Stamm Grundbesitz in einer spätmittel­ alterlichen Marktgemeinde Land und Leute in Gries bei Bozen 2013. 135 S. mit 5 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10374-9 223. Hartmut Schleiff / Peter Konecny (Hg.) Staat, Bergbau und Bergakademie Montanexperten im 18. und frühen 19. Jahrhundert 2013. 382 S. mit 13 Abb. und 9 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10364-0 224. Sebastian Freudenberg Trado atque dono

Die frühmittelalterliche private Grundherrschaft in Ostfranken im Spiegel der Traditionsurkunden der Klöster Lorsch und Fulda (750 bis 900) 2013. 456 S. mit 101 Abb. und 4 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10471-5 225. Tanja Junggeburth Stollwerck 1839–1932 Unternehmerfamilie und Familienunternehmen 2014. 604 S. mit 92 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10458-6 226. Yaman Kouli Wissen und nach­industrielle Produktion Das Beispiel der gescheiterten Rekonstruktion Niederschlesiens 1936–1956 2014. 319 S. mit 11 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10655-9 227. Rüdiger Gerlach Betriebliche Sozialpolitik im historischen Systemvergleich Das Volkswagenwerk und der VEB Sachsenring von den 1950er bis in die 1980er Jahre 2014. 457 S. mit 28 Abb. und 42 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10664-1 228. Moritz Isenmann (Hg.) Merkantilismus Wiederaufnahme einer Debatte 2014. 289 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10857-7 229. Günther Schulz (Hg.) Arm und Reich Zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ungleichheit in der Geschichte 2015. 304 S. mit 18 Abb. und 15 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10693-1 230.1 Gerhard Deter Zwischen Gilde und Gewerbe­ freiheit. Bd. 1 Rechtsgeschichte des selbständigen Handwerks im Westfalen des 19. Jahrhunderts (1810–1869) 2015. 395 S., geb. ISBN 978-3-515-10850-8 230.2 Gerhard Deter Zwischen Gilde und Gewerbe­ freiheit. Bd. 2 Rechtsgeschichte des unselbständigen Handwerks im Westfalen des 19. Jahrhundert (1810–1869) 2015. 482 S. mit 2 Abb., geb. ISBN 978-3-515-10911-6

231. Gabriela Signori (Hg.) Das Schuldbuch des Basler Kaufmanns Ludwig Kilchmann (gest. 1518) 2014. 126 S. mit 6 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10691-7 232. Petra Schulte / Peter Hesse (Hg.) Reichtum im späten Mittelalter Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz 2015. 254 S. mit 3 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10943-7 233. Günther Schulz / Reinhold Reith (Hg.) Wirtschaft und Umwelt vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart Auf dem Weg zu Nachhaltigkeit? 2015. 274 S. mit 8 Abb. und 9 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11064-8 234. Nina Kleinöder Unternehmen und Sicherheit Strukturen, Akteure und Verflechtungsprozesse im betrieblichen Arbeitsschutz der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie nach 1945 2015. 384 S. mit 28 Abb. und 30 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11129-4 235. Eva Jullien / Michel Pauly (Hg.) Craftsmen and Guilds in the Medie­ val and Early Modern Periods 2016. 316 S. mit 5 Farb-, 5 s/w-Abb. und 20 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11235-2 236. Christopher Landes Sozialreform in transnationaler Perspektive Die Bedeutung grenzüberschreitender Austausch- und Vernetzungsprozesse für die Armenfürsorge in Deutschland (1880–1914) 2016. 386 S., kt. ISBN 978-3-515-11304-5 237. Wolfgang König Das Kondom Zur Geschichte der Sexualität vom Kaiserreich bis in die Gegenwart 2016. 233 S., kt. ISBN 978-3-515-11334-2 238. Janis Witowski Ehering und Eisenkette Lösegeld- und Mitgiftzahlungen im 12. und 13. Jahrhundert 2016. 340 S. mit 2 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11374-8 239. Jann Müller Die Wiederbegründung der Industrie­ und Handelskammern in Ostdeutschland im Prozess der

240.

241.

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247.

Wiedervereinigung 2017. 284 S., kt. ISBN 978-3-515-11565-0 Hendrik Ehrhardt Stromkonflikte Selbstverständnis und strategisches Handeln der Stromwirtschaft zwischen Politik, Industrie, Umwelt und Öffentlichkeit (1970–1989) 2017. 317 S. mit 4 Abb. und 4 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11624-4 Beat Fumasoli Wirtschaftserfolg zwischen Zufall und Innovativität Oberdeutsche Städte und ihre Exportwirtschaft im Vergleich (1350–1550) 2017. 580 S. mit 15 Abb. und 6 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11803-3 Gerhard Fouquet / Sven Rabeler (Hg.) Ökonomische Glaubensfragen Strukturen und Praktiken jüdischen und christlichen Kleinkredits im Spätmittelalter 2018. 162 S. mit 2 Abb. und 8 Tab., kt. ISBN 978-3-515-12225-2 Günther Schulz (Hg.) Ordnung und Chaos Trends und Brüche in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte 2019. 262 S. mit 21 Abb. und 12 Tab., kt. ISBN 978-3-515-12322-8 Günther Schulz / Mark Spoerer (Hg.) Integration und Desintegration Europas Wirtschafts- und sozialhistorische Beiträge 2019. 230 S., mit 16 Abb. und 8 Tab., kt. ISBN 978-3-515-12350-1 Sabrina Stockhusen Hinrik Dunkelgud und sein Rechnungsbuch (1479 bis 1517) Lebensformen eines Lübecker Krämers an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert 2019. 472 S., mit 6 Abb. und 7 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11697-8 Janina Salden Der Deutsche Sparkassen­ und Giroverband zur Zeit des National­ sozialismus 2019. 385 S., mit 10 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12340-2 Johannes Bracht / Ulrich Pfister Landpacht, Marktgesellschaft und agrarische Entwicklung Fünf Adelsgüter zwischen Rhein und Weser, 16. bis 19. Jahrhundert 2020. 364 S., mit 57 Abb. und 38 Tab., kt.

ISBN 978-3-515-12444-7 248. Heinrich Lang Wirtschaften als kulturelle Praxis Die Florentiner Salviati und die Augsburger Welser auf den Märkten in Lyon (1507–1559) 2020. 728 S., mit 25 Abb. und 10 Tab., kt. ISBN 978-3-515-12491-1 249. Mechthild Isenmann Strategien, Mittel und Wege der inner­ und zwischenfamiliären Konfliktlösung oberdeutscher Handelshäuser im 15. und ‚langen‘ 16. Jahrhundert 2020. 450 S., mit 15 Tab., geb. ISBN 978-3-515-12574-1 250. Arnd Kluge Die deutsche Porzellanindustrie bis 1914 2020. 440 S., mit 12 Abb. und 7 Karten, kt. ISBN 978-3-515-12677-9 251. Rainer Fremdling Nationalsozialistische Kriegs­ wirtschaft und DDR Planungsstatistik 1933–1949/50 2020. 283 S., mit 2 Abb. und 7 Tab., kt. ISBN 978-3-515-12608-3 252. Uwe Balder Kleidung zwischen Konjunktur und Krise Eine Branchengeschichte des deutschen Textileinzelhandels 1914 bis 1961 2020. 726 S., mit 40 Abb. und 133 Tab., geb. ISBN 978-3-515-12702-8 253. Thomas Ertl / Thomas Frank / Samuel Nussbaum (Hg.) Busy Tenants Peasant Land Markets in Central Europe (15th to 16th Century) 2021. 259 S., mit 20 Abb. und 44 Tab., geb. ISBN 978-3-515-13022-6 254. Stephan F. Ebert Der Umwelt begegnen Extremereignisse und die Verflechtung von Natur und Kultur im Frankenreich vom 8. bis 10. Jahrhundert 2021. 344 S., mit 14 s/w und 29 fbg. Abb., geb. ISBN 978-3-515-13098-1 255. Richard Nemec / Gerald Schwedler (Hg.) Architekturökonomie Die Finanzierung kirchlicher und kommunaler Bauvorhaben im späteren Mittelalter 2022. 314 S., mit 63 s/w, 4 fbg. Abb. und 6 Tab., geb. ISBN 978-3-515-13062-2

Der Alltag in einer spätmittelalterlichen Stadt wie Basel war von Schulden geprägt: Kleinkredite und Borgkäufe hielten die Wirtschaft in Schwung, Rentenkäufe ermöglichten langfristige Geldanlagen. Schuldverhältnisse verbanden Menschen aus der Stadt, aus dem Umland und auch aus größerer Distanz in ganz unterschiedlichen Konstellationen. Als wichtige Institution zum Verhandeln von ausstehenden Schulden aller Art erwies sich das Schultheissengericht. Hier konnten Gläubigerinnen und Gläubiger Zahlungsversprechen erwirken, Beschlagnahmungen androhen und Schulden einklagen.

ISBN 978-3-515-13275-6

9 783515 132756

Benjamin Hitz untersucht die Entstehung von Schulden in ihrem sozialen Kontext und beschreibt den Einfluss von Faktoren wie Geschlecht, Herkunft und Vermögenslage der Beteiligten ebenso wie die Nutzung des Gerichts durch verschiedene Personengruppen. Qualitative, an Microstoria und historischer Praxeologie angelehnte Ansätze verbinden sich mit quantitativen Netzwerkanalysen zu einem Gesamtbild der Basler Schuldenwirtschaft, die vielen die Teilnahme an der städtischen Ökonomie ermöglichte, sie aber auch in existentielle Schwierigkeiten bringen konnte.

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