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German Pages XVII, 188 [202] Year 2020
Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis
Patrick Sailer
Dynamische Ambidextrie durch interdependente Routinen Einfluss und Auswirkung von Scrum auf Projektebene
Zukunftsfa¨ hige ¨ hrung in Forschung Unternehmensfu und Praxis Reihe herausgegeben von Stephan Kaiser, Neubiberg, Deutschland
Die Reihe „Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis“ beinhaltet ausgewählte Schriften, die sich mit Theorien, Konzepten und Instrumenten für fortschrittsfähige Organisationen beschäftigen. Das Themenspektrum wird dabei durch die drei Eckpunkte, Personal-Organisation-Strategie, aufgespannt. Das Fundament der Schriftenreihe bilden wissenschaftlich fundierte Dissertationsschriften mit Anspruch auf Praxisrelevanz. Angereichert wird die Reihe durch für wertvoll erachtete Sammelbände aus Wissenschaft und Praxis. Die Verfasser wollen sowohl die Wissenschaft als auch die Führungspraxis mit Interesse an zukunftsfähiger Unternehmensführung ansprechen. Herausgegeben von Prof. Dr. Stephan Kaiser Universität der Bundeswehr München
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/13620
Patrick Sailer
Dynamische Ambidextrie durch interdependente Routinen Einfluss und Auswirkung von Scrum auf Projektebene
Patrick Sailer Neubiberg, Deutschland Dissertation Universität der Bundeswehr München, Neubiberg, 2020
ISSN 2570-0219 ISSN 2570-0227 (electronic) Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis ISBN 978-3-658-32053-9 ISBN 978-3-658-32054-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-32054-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Carina Reibold Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Geleitwort des Doktorvaters
In der betrieblichen Praxis ist mittlerweile angekommen, dass Unternehmen beidhändig agieren sollten. Das heißt, einerseits sollten die Effizienz bisheriger Routinen und Fähigkeiten weiter verbessert werden, andererseits sollten auch neue innovative Wege ausprobiert und neue Fähigkeiten entwickelt werden. In der Forschung wird diese Beidhändigkeit unter dem Begriff der Ambidextrie mit den beiden Polen Exploitation und Exploration diskutiert. In der Praxis ist zudem zu beobachten, dass Arbeit zunehmend in Projekten erledigt wird. Diese Projekte wiederum werden „agil“ organisiert und nutzen dafür aus der Softwareentwicklung stammende Methoden, wie zum Beispiel „Scrum“. Patrick Sailer nimmt sich in seiner Arbeit beider Themen an, indem er die Ambidextrie in einer agilen Projektorganisation untersucht. Konkret: er möchte herausfinden, wie Scrum, als agiles Vorgehen, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten beeinflusst. Zur Beantwortung dieser Frage hat er ein qualitativ-empirisches Forschungsdesign gewählt und untersucht als „beteiligter Forscher“ in einer reichhaltigen Fallstudie ein agil organisiertes Projekt in einem großen Unternehmen. In seiner Arbeit gelingt es dem Verfasser, aufbauend auf einer sehr detaillierten, mikrofundierten empirischen Darstellung, wichtige theoretische Beiträge zum Konzept der hybriden Ambidextrie und zur Routinendynamik und -koordination auf der aggregierten Clusterebene (Routinenbündel) zu erarbeiten. Es wird unter anderem auch deutlich, welch großen Einfluss Rollen und Akteure, aber auch Artefakte, wie ein Kanban Board, auf die Beidhändigkeit von Organisationen haben können. Es ist der vorliegenden Arbeit zu wünschen, dass sie von strategischen Entscheidern und Managern sowie von der Organisationsforschung aufgegriffen wird. Patrick Sailer legt mit seiner Arbeit einen wertvollen Grundstein, um das überaus
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Geleitwort des Doktorvaters
komplexe und zum Teil kontraintuitive Phänomen der dynamischen Ambidextrie in agil organisierten Projekten besser zu verstehen und darauf aufbauend erste Gestaltungsempfehlungen vorzuschlagen. Somit leisten die Arbeit und ihr Verfasser in dieser Reihe einen wichtigen Beitrag zur Forschung und Praxis zukunftsfähiger Unternehmensführung. München im August 2020
Univ.-Prof. Dr. Stephan Kaiser
Vorwort des Autors
Nicht die Lösung einer Paradoxie, sondern die Versuche, sie zu lösen, sind interessant. (frei nach der Leitermetapher von L. Wittgenstein)
Der Ausgangspunkt dieser Arbeit liegt im Staunen über ein Vorgehen in Projekten. Dieses agile Vorgehen, welches in fast allen Punkten von den mir bis dahin bekannten auf interessante und kreative Weise abwich, faszinierte mich. Statt detaillierter technischer Projektplanungen standen hoch strukturierte soziale Interaktionen im Mittelpunkt. Gleichzeitig sollten damit ständige Anpassung und Exploration in Projekten ermöglicht werden. Mit dem Wunsch, sich hiermit tiefer zu beschäftigen, nahm diese Arbeit ihren Lauf. Um ein solches agiles Vorgehen und seine Wirkungen wissenschaftlich zu erklären, wurden die Konzepte der Ambidextrie und der Routinen verwendet. An dieser Stelle möchte ich zuerst und ganz besonders meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Stephan Kaiser für die Betreuung dieser Arbeit danken. Mit seiner offenen und konstruktiven Art habe ich fachliche Diskussionen als sehr bereichernd und wertschätzend erleben dürfen. Nicht zuletzt habe ich durch ihn überhaupt erst die Organisationsforschung kennen und nachhaltig schätzen gelernt. Ebenfalls danke ich Herrn Prof. Dr. Michael Eßig für die Übernahme des Zweitgutachtens und seine konstruktiv-kritischen Anmerkungen. Weiterhin möchte ich mich für die Unterstützung der Mitarbeiter/-innen des Lehrstuhls bedanken. In etlichen Forschungskolloquien habe ich stark von ihren Anmerkungen, Ideen und Fragen profitiert. Besonders Herrn Dr. Georg Loscher danke ich für eine vertiefte Auseinandersetzung mit einigen der in der Dissertation behandelten Themen. Ihm habe ich analytische Einsichten und vor allem
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Vorwort des Autors
Hinweise auf geschriebene (und ungeschriebene) Praktiken und Logiken im Wissenschaftsbetrieb zu verdanken. Im Zuge von Konferenzen und der gemeinsamen Erstellung von Artikeln habe ich von ihm lernen können. Frau Bianca Littig möchte ich für die wertvollen und ermutigenden Rückmeldungen während und zum Abschluss der Dissertation, oft auch im Zuge freundschaftlicher Freizeitaktivitäten, danken. Ebenso danke ich Frau Ricarda Rauch, Frau Tanja Kreitenweis sowie Herrn Andreas Jager für ihren Optimismus und ihre stetige Ermutigung und freundschaftliche Verbundenheit auch außerhalb der Universität. Außerhalb meiner Heimatuniversität danke ich Herrn Prof. Dr. Arjan Kozica für hilfreiche Rückmeldungen in einer frühen Phase der Dissertation. Die Begeisterung für die Geschichte der Organisationstheorien, die er in einem Seminar ausstrahlte, wirkt bis heute ansteckend. Des Weiteren möchte ich mich bei Herrn Dr. Adriano Pistoia als persönlichem „Wissenschafts-Coach“ und sehr gutem Freund bedanken. Von Beginn an unterstützte er mich mit vielfältigen eigenen Erfahrungen und Ratschlägen, nahm sich überaus großzügig Zeit, deckte unbarmherzig logische Schwächen der Arbeit auf, beanstandete unklare Formulierungen und schaffte es dennoch, mich immer zu ermutigen. Diese Arbeit wäre ohne ihre Unterstützung durch andere nicht möglich gewesen. Dazu möchte ich ganz besonders Herrn Jürgen Kirsch und Frau Britta Stutzmann für die Ermöglichung und den steten Rückhalt danken. Weiter danke ich meinem „Paten“ und viel treffender noch Coach Herrn Joachim Ulrich für seine klugen Ratschläge und Fragen – mit ihm wurde die Idee für eine Promotion geboren. Meinen Kolleginnen und Kollegen von meiner Arbeitsstelle danke ich für viele anregende Gespräche. Besonders bedanke ich mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich im Zuge der Fallstudie ein Interview führen durfte, für ihre Zeit und ihre Denkanstöße. Nicht zuletzt danke ich dem Unternehmen, in dem ich die Fallstudie durchführen durfte, für die Bereitschaft hierzu und für die Unterstützung dieser Arbeit. Der größte Dank gilt meinen Eltern und meinem Bruder, die mich während der ganzen Zeit unterstützten und Rückhalt auch in schwierigeren Phasen gaben. Patrick Sailer
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Problemstellung und Forschungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Vorgehen in der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Ambidextrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Arten der Balancierung von Exploration und Exploitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Aktuelle Forschung zu Ambidextrie auf Organisations- und Projektebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Routinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Routinen im Zusammenhang mit Exploration und Exploitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Aktuelle Forschung zu Routinendynamik und interdependenten Routinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Ansätze im Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Vergleich der Ansätze im Projektmanagement . . . . . . . . . . 2.4 Konzeptionelles Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Einzelroutinen in Scrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Cluster von Routinen in Scrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Einflüsse auf das Cluster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Auswirkungen des Clusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 9 9 11 12 18 19 22 24 31 32 33 41 48 49 53 55 57
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Inhaltsverzeichnis
2.4.5 Zusammenführung zu einem konzeptionellen Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Empirische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Methodologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Wissenschaftstheoretischer Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Forschungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Wahl der Forschungsmethodologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Generalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Beziehung Forscher – Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Sampling-Strategie: Auswahl des Falls . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Methoden der Datensammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Methoden der Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Qualitäts- und Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Kontext der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Beschreibung des Kontexts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Beschreibung der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 61 62 65 67 69 70 72 74 75 80 86 94 94 97
4 Ergebnisse und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einzelroutinen in Scrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Exploration und Exploitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Endogene Dynamiken in Routinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Cluster von Routinen in Scrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Narrativ einer typischen Iteration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Koordinierung von Routinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Dynamiken im Cluster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Einflüsse auf das Cluster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Einfluss von Rollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Einfluss von Akteurinnen und Akteuren sowie organisationalem Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Auswirkungen des Clusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Hybride Ambidextrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Dynamische Ambidextrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Erweitertes konzeptionelles Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Zusammenfassung der Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Erweiterung des konzeptionellen Frameworks . . . . . . . . . . 4.5.4 Theoretische Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 104 104 115 117 118 126 130 132 132 136 140 140 141 143 143 145 147 149
Inhaltsverzeichnis
XI
5 Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Rekapitulation zentraler Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Implikationen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Limitationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Überlegungen für zukünftige Forschungsvorhaben . . . . . . . . . . . . .
155 155 157 158 159
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161
Abkürzungsverzeichnis
BDU F&E FTF / F2F HC HR IC IT OC PM PMI PSF SC
Bundesverband deutscher Unternehmensberater Forschung & Entwicklung Face-to-Face Human Capital Human Resources Intellectual Capital Informationstechnologie Organizational Capital Projektmanagement Project-Management-Office Professional-Service-Firms Social Capital
XIII
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1 Abb. 2.1 Abb. Abb. Abb. Abb.
2.2 2.3 2.4 2.5
Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 2.8 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 4.1 Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.
4.2 4.3 4.4 4.5 4.6
Vorgehen in der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die verschiedenen Arten von Ambidextrie und ihre Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestandteile von Routinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dualität von Flexibilität und Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung von Projektprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über Scrum anhand von Rollen, Iterationen und Routinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfade phasenbasierter und iterativer Ansätze zum Projektziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster explorativer und exploitativer Routinen in einer Scrum-Iteration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeptionelles Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktives Modell eines Forschungsdesigns nach Maxwell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typologische Einordnung der internen Beratung als Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele des zu unterstützenden Vorhabens Opti+ . . . . . . . . . . . . . Projektziele Anfang Juli als Post-Its auf dem Kanban board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung der Arbeitsphase auf dem Kanban board . . . . . . . . . . . Projektraum Obeya . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingesetztes Kanban board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursprüngliches konzeptionelles Framework . . . . . . . . . . . . . . . . Erweitertes konzeptionelles Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 14 22 23 37 38 44 55 60 71 96 100 106 108 111 120 147 148
XV
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.1 Tab. 2.2 Tab. 2.3 Tab. 2.4 Tab. 3.1 Tab. 3.2 Tab. 3.3 Tab. 3.4 Tab. 3.5 Tab. 3.6 Tab. 4.1 Tab. 4.2 Tab. 4.3
Aktuelle Forschung zu Ambidextrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Forschung zu Routinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen phasenbasierter und iterativer Ansätze für Kernprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreibung der Routinen innerhalb einer Iteration in Scrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen für Forschungsmethodologien nach Yin . . . . . . . . Indikationen für Fallstudien – angewandt auf das Forschungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenquellen der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gütekriterien für qualitative Forschung nach Guba und Lincoln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gütekriterien für qualitative Forschung nach Steinke . . . . . . . . Gütekriterien für qualitative Forschung – angewandt auf das Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzepte endogener Dynamiken von Routinen inkl. Rohdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzepte exogener Mechanismen inkl. Rohdaten . . . . . . . . . . . Übersicht über die theoretischen Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 25 42 54 67 68 81 90 92 93 144 144 150
XVII
1
Einführung
1.1
Problemstellung und Forschungsfrage
In der Organisationsforschung ist Ambidextrie ein weit verbreitetes und fundiertes Konzept, um den Zusammenhang von Exploration und Exploitation zu erläutern (Birkinshaw und Gupta 2013; Cao u. a. 2009; Gupta u. a. 2006; O’Reilly und Tushman 2013; Raisch u. a. 2009). Ambidextrie wird als die Balance von Exploration, dem Lernen von etwas Neuem, und Exploitation, dem Optimieren von Bestehendem, definiert (Levinthal und March 1993; March 1991). Die Forschung zu Ambidextrie konzentriert sich darauf, wie es in Organisationen zu einem als vorteilhaft angesehenen Gleichgewicht zwischen Exploration und Exploitation kommen kann. Neben der Forschung zu organisationaler Ambidextrie ist in den letzten Jahren verstärkt Ambidextrie in Projekten in den Fokus der Forschung gerückt (Leybourne und Sainter 2012; Petro u. a. 2019; Tiwana 2008; Turner u. a. 2015). Praktische Relevanz gewinnt das Thema der Ambidextrie dadurch, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Ambidextrie und Performance vielfach empirisch nachgewiesen wurde (für eine Übersicht vgl. Junni u. a. 2013; Lavie u. a. 2010; Morgan und Berthon 2008; O’Reilly und Tushman 2013). Dies gilt ebenfalls für Ambidextrie in Projekten (Liu und Leitner 2012). Dabei ist Ambidextrie speziell in unsicheren Umgebungen von hohem Nutzen (Jansen u. a. 2009; Raisch und Birkinshaw 2008). Unsichere Umgebungen erfordern, dass sich Organisationen flexibel an geänderte Umstände anpassen, indem zum Beispiel Produkte oder Dienstleistungen modifiziert werden. In Umgebungen wie Forschung & Entwicklung und Produktentwicklung ist dies etwa häufig der Fall (Turner u. a. 2016a: 849). © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. Sailer, Dynamische Ambidextrie durch interdependente Routinen, Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32054-6_1
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2
1
Einführung
Allerdings weisen die vorhandenen wissenschaftlichen Arbeiten zu Ambidextrie in Projekten theoretisch-konzeptionelle Schwächen auf. Zum einen sind sie großteils statisch konzipiert, beziehen also keine zeitlichen Dynamiken mit ein (Luger u. a. 2013, 2018; Raisch u. a. 2009: 686). Zum anderen vernachlässigen sie die Rolle von Vorgehensweisen in Projekten, d. h. Projektmanagementmethoden (Delisle 2019). Schließlich können sie die Dynamik zwischen abstraktem Vorgehen und tatsächlichen Handlungen nicht erfassen (Papke-Shields u. a. 2010; Sewell 1992). Sowohl Dynamik als auch Vorgehen spielen in Projekten jedoch eine herausragende Rolle (Ahlemann u. a. 2013: 43; Garel 2013; Grau 2013; Lundin und Söderholm 1995: 439 f.). Sogenannte agile Vorgehensweisen in Projekten fanden in der Praxis in den letzten Jahren eine zunehmende Verbreitung (Conforto u. a. 2014; Flora und Chande 2014; Hoda u. a. 2017; Komus und Kuberg 2017). Unter diesen ist Scrum die gebräuchlichste (Dingsøyr u. a. 2012; Moe u. a. 2010; Schwaber und Sutherland 2017). Sie eignen sich dabei besonders für unsichere Umgebungen, in denen sich Anforderungen während des Projekts noch ändern können (Boehm und Turner 2004; Brady u. a. 2012; Highsmith 2009; Ramesh u. a. 2012). Da auch Ambidextrie in solch unsicheren Umgebungen von besonderem Nutzen ist, ist eine Untersuchung des Einflusses agiler Vorgehensweisen auf Ambidextrie von hohem Interesse. Allerdings sind agile Vorgehensweisen wie Scrum noch wenig theoretisch verstanden. Es mangelt sowohl an einer organisationstheoretischen Fundierung als auch einer tragfähigen Konzeptualisierung. Stattdessen überwiegen anekdotische Erzählungen und präskriptive Erfahrungsberichte (Abrahamsson u. a. 2009; Conboy 2009; Dikert u. a. 2016; Dingsøyr u. a. 2012; Lee und Xia 2010). Zusammenfassend ist ein ansteigendes Forschungsinteresse an Ambidextrie in Projekten zu konstatieren. Für die Praxis ist Ambidextrie relevant, da diese, besonders in unsicheren Umgebungen, eng mit Performance zusammenhängt. Problematisch ist allerdings, dass die bisherigen Studien Dynamik und Vorgehen in Projekten vernachlässigen. Zwar fanden agile Vorgehensweisen wie Scrum, speziell für unsichere Umgebungen, in der letzten Zeit zunehmende Verbreitung in der Praxis. Gleichwohl sind solche agilen Vorgehensweisen noch unzureichend theoretisch konzipiert. Um also bisherige Schwachstellen der Forschung zu Ambidextrie in Projekten zu beseitigen, wird in dieser Arbeit die Wirkung von Scrum als einer agilen Vorgehensweise auf die dynamische Entwicklung von Ambidextrie untersucht. Die Forschungsfrage lautet daher: Wie beeinflusst Scrum, als agiles Vorgehen, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten? Um diese Frage zu beantworten, wird ein konzeptionelles Framework entwickelt. Dazu dient der Entwurf von Scrum, als agilem Vorgehen, mit Hilfe des
1.2 Vorgehen in der Arbeit
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Konzepts von Routinen (Feldman 2000; Feldman und Pentland 2003). Durch diese prozesshafte, praxistheoretische Fundierung werden sowohl zeitliche Dynamik als auch die Dynamik zwischen abstraktem Vorgehen und tatsächlichen Handlungen eingeführt (Ancona u. a. 2001; Raisch u. a. 2009: 693; Winter u. a. 2006a; Zaheer u. a. 1999). Die Kombination von Routinen mit dem Konzept der Ambidextrie in einem konzeptionellen Framework verspricht, die Schwächen eines zu statischen Verständnisses von Ambidextrie in Projekten zu beheben. Das konzeptionelle Framework wird mit Hilfe einer qualitativen Fallstudie empirisch erweitert. Als geeigneter Fall wird ein Projekt einer internen Beratung untersucht, in dem Scrum zur Anwendung kommt. Damit liefert diese Arbeit jeweils drei theoretische Beiträge in den Bereichen Ambidextrie, Routinen und Projektmanagement. Im Bereich der Ambidextrieforschung entwickelt sie das Konzept der hybriden Ambidextrie weiter und trägt zwei exogene Mechanismen sowie die dynamische Balancierung in einem konzeptionellen Framework bei. Zur Forschung über Routinen liefert sie Beiträge zur Routinendynamik, zur Koordination auf Clusterebene und zu Clusterdynamik. Im Gebiet Projektmanagement fördert sie Ansätze zur Unterscheidung neuer Formen des temporären Organisierens, zu deren Einbettung in bestehende Theorien sowie zur Entwicklung eines theoretisch fundierten Verständnisses von Scrum als agiler Projektmanagementmethode. Insgesamt wird damit in dieser Arbeit die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten durch interdependente Routinen auf fundiert-theoretischer sowie feingranular-empirischer Basis konzipiert.
1.2
Vorgehen in der Arbeit
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird in dieser Arbeit ein konzeptionelles Framework entwickelt und in einer empirischen Untersuchung erweitert. Dazu wird als Erstes ein konzeptionelles Framework entwickelt. Zu diesem Zweck wird das theoretische Konzept der Ambidextrie eingeführt und es wird auf wichtige Forschungsarbeiten speziell zu Ambidextrie in Projekten kritisch eingegangen. Danach wird die aktuelle Forschung zu Routinen vorgestellt. Indem Scrum, als agiles Vorgehen, analytisch mit Hilfe des Konzepts von Routinen abgebildet wird, kann ein differenziertes Verständnis der Dynamik zwischen abstraktem Vorgehen und tatsächlichen Handlungen erreicht werden. Da Scrum aus mehreren, voneinander abhängigen Routinen besteht, wird ebenfalls die Literatur zu Interdependenzen und Koordination dargestellt. Agile Vorgehensweisen sind gleichzeitig auch als Projektmanagementmethoden zu verstehen, d. h. als Routinen im Kontext des Projektmanagements. Deshalb wird anschließend
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Einführung
näher auf diesen Zusammenhang eingegangen. Es wird aufgezeigt, inwiefern sich agile Vorgehensweisen dabei von traditionellen Vorgehensweisen im Projektmanagement unterscheiden. Auf diesen theoretischen Grundlagen aufbauend, wird schließlich untersucht, inwiefern Scrum dynamisch Ambidextrie in Projekten beeinflusst. Die theoretischen Ergebnisse dieser Untersuchung von Scrum werden in einem konzeptionellen Framework geordnet dargestellt. Abbildung 1.1 stellt das Vorgehen in dieser Arbeit grafisch im Überblick dar.
Abb. 1.1 Vorgehen in der Arbeit. (Quelle: Eigene Darstellung)
Um das entstandene konzeptionelle Framework zu verfeinern und empirisch zu unterlegen, wird anschließend eine empirische Untersuchung vorgenommen. Zunächst wird der grundlegende wissenschaftliche Zugang im Kapitel über
1.2 Vorgehen in der Arbeit
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Methodologie erläutert. Danach wird konkreter auf das qualitative Forschungsdesign eingegangen. Es werden die eingesetzten Methoden zur Datensammlung sowie zur Datenanalyse beschrieben und angemessene Qualitäts- und Gütekriterien für das vorliegende Forschungsdesign diskutiert. Abschließend werden die interne Unternehmensberatung als Kontext der Untersuchung sowie die konkrete Fallstudie näher beschrieben. Im nächsten Teil werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt und diskutiert. Sie werden dazu in vier analytisch getrennten Bereichen untersucht, die den „Bausteinen“ des konzeptionellen Frameworks entsprechen: • Den ersten Baustein stellen Einzelroutinen und deren innere Dynamiken dar. • Alle Einzelroutinen in ihrem Zusammenwirken und mit der daraus entstehenden Dynamik stellen ein Cluster von Routinen dar und werden als zweiter Bereich behandelt. • Schließlich werden die äußeren Einflüsse auf das Cluster besprochen und • zuletzt die Auswirkungen des Clusters von Routinen auf Ambidextrie diskutiert. Aus diesen empirischen Ergebnissen und Diskussionen wird ein erweitertes konzeptionelles Framework entwickelt und die theoretischen Beiträge in den Forschungsgebieten Ambidextrie, Routinen und Projektmanagement werden dargelegt. Im letzten Teil der Arbeit werden zunächst die zentralen Ergebnisse rekapituliert. Anschließend wird auf Implikationen der Arbeit für die Praxis eingegangen, bevor die Limitationen der Arbeit besprochen werden. Am Ende der Arbeit werden Überlegungen für zukünftige Forschungsvorhaben aufgezeigt.
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
In diesem Kapitel wird ein konzeptionelles Framework dafür, wie Scrum die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten beeinflusst, auf theoretischer Grundlage entwickelt. Zunächst steht der Begriff eines konzeptionellen Frameworks im Fokus. Maxwell (2008: 222 f.) versteht hierunter „(…) a formulation of what you think is going on with the phenomena you are studying – a tentative theory of what is happening and why“. Miles u. a. (2014) konkretisieren dieses Verständnis, indem sie konzeptionelle Frameworks als graphische oder narrative Erklärungen der zu untersuchenden Phänomene verstehen. Sie bestehen aus Konzepten, Faktoren oder Variablen und stellen deren Zusammenhang dar. Dabei können sie einfach oder detailliert ausgearbeitet, theoretisch oder eher nach der Alltagsvernunft begründet, deskriptiv oder kausal sein (Miles u. a. 2014: 20). Konzeptionelle Frameworks sind in der betriebswirtschaftlichen Forschung auch unter dem Begriff „Bezugsrahmen“ bekannt (Kirsch u. a. 2007: 22–26; Kubicek 1977). Sie ordnen theoretische Konzepte und stellen sie systematisch in Beziehung zueinander (Wolf 2013: 37). Es ist zu betonen, dass ein konzeptionelles Framework kein Kausalmodell ist, da die vermuteten Beziehungen der theoretischen Konzepte sowie ihre Operationalität nicht den Anforderungen an ein Hypothesensystem oder Modell genügen (Meinefeld 2005: 266 ff.). Trotz der ausgeprägt explorativen Forschungsfrage, die zunächst einen induktiven Zugang nahelegt (Edmondson und McManus 2007: 1161–1165), wird in dieser Arbeit dafür argumentiert, zuerst ein konzeptionelles Framework auf theoretischer Basis zu entwickeln. Ein ausschließlich induktives Vorgehen (d. h. ohne jegliche Beschäftigung mit der existierenden relevanten Literatur, somit scheinbar ohne jedes „Vorwissen“) wird abgelehnt, da „jede Wahrnehmung nur © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. Sailer, Dynamische Ambidextrie durch interdependente Routinen, Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32054-6_2
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
unter Rückbezug auf die je eigenen Deutungsschemata Bedeutung gewinnt, also das Vorwissen unsere Wahrnehmungen unvermeidlich strukturiert und somit als Grundlage jeder Forschung anzusehen ist“ (Meinefeld 2005: 271 f.). Es ist mithin unmöglich, Daten „an sich“ zu beschreiben oder „neutral“ zu interpretieren, da Daten zwingend mit Hilfe von Theorien interpretiert werden (Alvesson und Kärreman 2007: 1265; Nicolini 2013: 14). Daher erscheint es sinnvoller, bewusst vorab (d. h. vor jeglicher Empirie) die eigenen Vorannahmen und Deutungsschemata zu reflektieren. Diese Reflexion findet ihren Ausdruck in dem folgenden konzeptionellen Framework. Es soll „beobachtungsleitend“ für die nachfolgende empirische Untersuchung sein (Poser 2012: 134; Tuckermann 2013: 26–28). Es unterstützt dabei, eine Fragestellung anhand der Verbindung theoretischer Konzepte und Mechanismen besser zu verstehen. Im Laufe der Forschung können dabei Konzepte, Beziehungen und Mechanismen verfeinert und das konzeptionelle Framework kann erweitert werden (Kubicek 1977: 12 ff.). Dieses Vorgehen bietet sich besonders für nur teilweise erforschte Phänomene an und erlaubt es, bestehende Theorien und theoretische Konzepte weiterzuentwickeln („theory elaboration“ im Gegensatz zu „theory generation“ und „theory testing“, vgl. Fisher und Aguinis 2017: 442 ff.; Graebner u. a. 2012). Die Entwicklung des folgenden konzeptionellen Frameworks aus theoretischen Erwägungen heraus stellt in der vorliegenden Arbeit einen deduktiven, theorieinformierten Zugang dar. Dieser wird dann um einen induktiven, explorativen Zugang mittels einer empirischen Untersuchung ergänzt. Generell speist sich ein konzeptionelles Framework nach Maxwell (2008: 223– 228) aus: • • • •
Gedankenexperimenten existierenden Konzepten und Forschung Pilotstudien und erklärenden Studien empirischem Wissen (Erfahrung)
Das in diesem Kapitel zu entwickelnde konzeptionelle Framework stützt sich sowohl auf existierende Konzepte als auch eigene theoretische Analysen von Scrum. Ausgehend von der Forschungsfrage werden insbesondere folgende Konzepte und Kontexte als relevant für das konzeptionelle Framework eingeschätzt: • Das Konzept der Ambidextrie zur Betrachtung, wie Exploration und Exploitation in Projekten balanciert werden (siehe Abschnitt 2.1).
2.1 Ambidextrie
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• Das Konzept von Routinen und insbesondere Routinendynamik, um Scrum als Cluster interdependenter Routinen zu konzipieren (siehe Abschnitt 2.2). Dadurch sind sowohl Dynamiken zwischen abstraktem Vorgehen und tatsächlichen Handlungen als auch zeitliche Dynamiken erfassbar. • Zusätzlich werden agile Vorgehensweisen wie Scrum im Kontext des Projektmanagements betrachtet und näher beschrieben (siehe Abschnitt 2.3). Dabei zeigt sich, inwiefern sich agile von traditionellen Vorgehensweisen im Projektmanagement unterscheiden. Zunächst bildet also das theoretische Konzept der Ambidextrie den Ausgangspunkt.
2.1
Ambidextrie
In diesem Kapitel wird • zunächst der Begriff „Ambidextrie“ definiert und näher auf die Beziehung zwischen Exploration und Exploitation eingegangen. • Anschließend werden die verschiedenen Möglichkeiten ihrer Balance erklärt. • Darauf aufbauend wird die aktuelle Forschung zu Ambidextrie mit Fokus auf Projekten vorgestellt und kritisch diskutiert.
2.1.1
Begriffsklärung
Ambidextrie wird definiert als das Balancieren von explorativen und exploitativen Handlungen (Levinthal und March 1993; March 1991). Diese zwei Arten von Tätigkeiten beschreibt March wie folgt: “Exploration includes things captured by terms such as search, variation, risk taking, experimentation, play, flexibility, discovery, innovation. Exploitation includes such things as refinement, choice, production, efficiency, selection, implementation, execution” (1991: 71). In Verbindung mit Exploration stehen Flexibilität und Veränderung, für Exploitation hingegen ist Stabilität charakteristisch (Farjoun 2010: 204). Seit Marchs (1991) grundlegender Arbeit über Exploration und Exploitation fand das theoretische Konzept der Ambidextrie viel Aufmerksamkeit und wurde wiederholt Gegenstand von Forschung (Birkinshaw und Gupta 2013; Wilden u. a. 2018). Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass umfassende empirische Forschungen einen positiven Zusammenhang zwischen Ambidextrie und Performance von
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Organisationen zeigen. Performance bezieht sich hierbei nicht nur auf überdurchschnittliche finanzielle Resultate, sondern auch auf erhöhte Innovationskraft und gesteigerte Überlebensraten von Firmen (Burgers u. a. 2009; für eine umfassende Besprechung vgl. Junni u. a. 2013; Lavie u. a. 2010: 138; Mitchell und Singh 1993; Morgan und Berthon 2008; Tushman u. a. 2010). Ambidextrie ist speziell in unsicheren Umgebungen von hohem Nutzen (Jansen u. a. 2006; Junni u. a. 2013; für eine umfassende Besprechung vgl. O’Reilly und Tushman 2013; Raisch und Birkinshaw 2008; Sidhu u. a. 2007). Insbesondere bei Markt- oder Technologieunsicherheit wie z. B. im Bereich Hochtechnologie, in der Dienstleistungsindustrie oder in Umgebungen wie Forschung & Entwicklung (F&E) und Produktentwicklung ist dies der Fall (Turner u. a. 2016a: 849). Im Projektkontext ist Ambidextrie ähnlich nützlich, da auch hier gezeigt werden konnte, dass Ambidextrie signifikant zur Projektperformance beiträgt (Liu und Leitner 2012: 106). Die vorherrschende Sicht in der Literatur ist, dass Exploration und Exploitation koexistieren können und sich nicht gegenseitig ausschließen (Gupta u. a. 2006: 695 ff.). Farjoun (2010: 203) beschreibt diese Beziehung sogar insofern als Dualität, als Exploration und Exploitation voneinander abhängig sind und sich erst gegenseitig ermöglichen. Ambidextrie besteht im Balancieren von Exploration und Exploitation. Levinthal und March argumentieren, dass weder Exploration noch Exploitation alleine ausreicht. Gegen alleinige Exploration spricht: “[A]n organization that engages exclusively in exploration will ordinarily suffer from the fact that it never gains the returns of its knowledge” (1993: 105). Andererseits werden Organisationen, die sich nur mit Exploitation beschäftigen, hauptsächlich kurzfristige Ergebnisse erzielen – diese sind jedoch nicht notwendigerweise nachhaltig (Levinthal und March 1993: 105 f.; March 1991: 73). Das heißt, dass Exploitation gegenüber Exploration immer kurzfristige Vorteile haben wird, da die erzielten Ergebnisse, z. B. eine Produktoptimierung im Gegensatz zu einer Produktneuentwicklung, zeitlich näher liegen (Lavie u. a. 2010: 125 f.; Gupta u. a. 2006: 695). In Projekten kann das Vorziehen exploitativer gegenüber explorativen Handlungen bedeuten, dass ein Projektteam nicht mehr rechtzeitig auf Projektänderungen wie neue Kundenanforderungen, Markttrends und Technologiewandel reagieren kann. Dabei ist das Balancieren von Exploration und Exploitation zwar wesentlich für Ambidextrie, aber aufgrund der inhärenten Tendenz zu Exploitation in Unternehmen auch schwierig zu erreichen (Levinthal und March 1993).
2.1 Ambidextrie
2.1.2
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Arten der Balancierung von Exploration und Exploitation
In der Forschung zu Ambidextrie werden hauptsächlich drei Arten zur Balancierung von Exploration und Exploitation unterschieden: • Strukturelle Ambidextrie ist die bisher vermutlich besterforschte Art und Weise der Balancierung von Exploration und Exploitation. Die Balance wird dadurch geschaffen, dass explorative und exploitative Handlungen verschiedenen Einheiten innerhalb einer Organisation zugewiesen werden (O’Reilly und Tushman 2013: 9 ff.). Der zugrundeliegende Mechanismus, um die Spannung zwischen Exploration und Exploitation zu balancieren, ist also organisationale, und damit typischerweise räumliche, Trennung. Zum Beispiel könnten eher explorative Handlungen in einer F&E-Abteilung und eher exploitative Handlungen in der Produktion gebündelt werden. Die Integration und Koordination explorativer und exploitativer Handlungen findet üblicherweise auf der Ebene des Senior Managements oder mit Hilfe funktionsübergreifender Schnittstellen statt (Jansen u. a. 2009). • Sequentielle Ambidextrie ist ein Weg, explorative und exploitative Handlungen zu balancieren, indem diese nacheinander erfolgen. Der zugrundeliegende Mechanismus ist also zeitliche Trennung. Zum Beispiel könnte der Verlust von Kunden eine Organisation dazu bewegen, anstatt hauptsächlich ihre Produkte zu optimieren (Exploitation), neue Produktideen zu suchen (Exploration). • Kontextuelle Ambidextrie balanciert schließlich explorative und exploitative Handlungen mit Hilfe von Akteuren (Birkinshaw und Gibson 2004a). Individuelle Akteurinnen und Akteure passen ihre Handlungen an die Situation und den Kontext an und entscheiden selbst, wann sie eher explorativ und wann eher exploitativ handeln (damit ähnelt es dem Konzept des „organisationalen Improvisierens“, vgl. Kamoche und Cunha 2001; Klein u. a. 2015; Leybourne 2009; Leybourne und Sadler-Smith 2006; Weick 1998). Der hier zugrundeliegende Mechanismus ist das Handlungsvermögen („agency“) von Akteurinnen und Akteuren. Besonders für den Projektkontext relevant ist eine weitere Differenzierung kontextueller Ambidextrie in zwei projektspezifische Unterarten, wie von Turner u. a. (2016b) vorgeschlagen: • Punktuelle Ambidextrie (“point ambidexterity”) beschreibt eine/-n individuelle/-n Akteur/-in, die oder der wesentlichen Anteil an der Schaffung von Ambidextrie in Projekten hat, indem sie oder er explorative und exploitative Handlungen koordiniert oder selbst ausführt (Turner u. a.
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2
Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
2016b: 12). Das könnte zum Beispiel eine Projektleiterin sein, die maßgeblich den Übergang von der Projektplanung (eher explorativ) zur Projektumsetzung (eher exploitativ) koordiniert und daher signifikanten Einfluss auf die Balance zwischen Exploration und Exploitation im Projekt hat. • Verteilte Ambidextrie (“distributed ambidexterity”) beschreibt hingegen eine Gruppe von Akteurinnen und Akteuren, die Ambidextrie in Projekten durch ein Muster aus explorativen und exploitativen Handlungen schaffen (Turner u. a. 2016b: 12). Im Projektkontext könnte beispielsweise das Projektteam ein solches Muster aus explorativen und exploitativen Handlungen generieren.
2.1.3
Aktuelle Forschung zu Ambidextrie auf Organisationsund Projektebene
Ambidextrie wird auf Organisations- und Projektebene erforscht. In Tabelle 2.1 sind diese Ebenen mit den bereits diskutierten Arten von Ambidextrie als Übersicht dargestellt.
Tab. 2.1 Aktuelle Forschung zu Ambidextrie. (Quelle: Eigene Darstellung) Betrachtungsebene
Art der Balance
Auswahl beispielhafter Studien
Ambidextrie auf Organisationsebene
Strukturell
(Adler u. a. 1999; Leybourne und Sainter 2012; Pellegrinelli u. a. 2015; Sheremata 2000; Vinekar u. a. 2006)
Sequentiell
(Birkinshaw und Gibson 2004b; Brown und Eisenhardt 1997; O’Reilly und Tushman 2013; Raisch und Birkinshaw 2008)
Kontextuell
(Baškarada u. a. 2016; Güttel und Konlechner 2009; Jansen u. a. 2008; Mueller-Seeger u. a. 2020; O’Reilly und Tushman 2011; Swart u. a. 2016)
Strukturell und sequentiell
(Eriksson 2013; Liu u. a. 2012; Liu und Leitner 2012; Ramesh u. a. 2012)
Kontextuell (punktuell und verteilt)
(Aubry und Lièvre 2010; Turner u. a. 2013a, 2014, 2015, 2016b, 2016a; Turner und Lee-Kelley 2013)
Ambidextrie auf Projektebene
2.1 Ambidextrie
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Ambidextrie auf Organisationsebene Die meiste Forschung zu Ambidextrie findet auf der Ebene von Organisationen statt. • Strukturelle Ambidextrie untersuchten zum Beispiel Vinekar u. a. (2006). Diese erforschten agil und traditionell vorgehende Abteilungen in einer Organisation als einen Weg, strukturelle Ambidextrie im Bereich der ITSystementwicklung zu ermöglichen. Weiterhin wurden einzelne Standorte als Untereinheiten von Organisationen studiert. Beispielsweise erforschten Adler u. a. (1999), wie eine Toyota-Niederlassung die Spannung zwischen Flexibilität und Effizienz während eines Modellwechsels bewältigte. • Sequentielle Ambidextrie auf Organisationsebene erforschten zum Beispiel Brown und Eisenhardt (1997). Sie bestimmten das rhythmische Abwechseln von Exploration und Exploitation als charakteristisch für kleinere Elektronikunternehmen, die sich an technologische Änderungen anpassen müssen. • Kontextuelle Ambidextrie untersuchten beispielsweise Baškarada u. a. (2016). Sie studierten nicht nur, wie sich Führungskräfte verhielten, um Ambidextrie zu fördern, sondern brachten ihre Ergebnisse auch mit transformationalen und transaktionalen Führungsstilen in Verbindung. Neben der Forschung zu Ambidextrie im Kontext von Organisationen ist in den letzten Jahren verstärkt Ambidextrie im Projektkontext in den Fokus gerückt (Tiwana 2008; Turner u. a. 2015). Da sich diese Arbeit explizit für die Betrachtung von Ambidextrie in Projekten interessiert, wird von einer weiteren Diskussion der Forschungsarbeiten auf Organisationsebene abgesehen und stattdessen das für diese Arbeit besonders relevante Forschungsfeld von Ambidextrie auf Projektebene eingehender diskutiert. Ambidextrie auf Projektebene Abbildung 2.1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Arten von Ambidextrie in Projekten und ihren zugrundeliegenden Mechanismus. In Klammern finden sich jeweils Beispiele aus dem Projektkontext. Einige Autorinnen und Autoren konzentrierten sich auf sequentielle oder strukturelle Ambidextrie auf Projektebene (Liu u. a. 2012; Liu und Leitner 2012). Andere Forscher/-innen fokussierten sich hingegen auf Handlungen von Projektleiterinnen und -leitern, die das Ziel hatten, kontextuelle Ambidextrie zu entwickeln (Aubry und Lièvre 2010; Turner u. a. 2016b). Im Folgenden werden die für die Forschungsfrage relevantesten bisherigen Studien auf Projektebene kritisch einzeln betrachtet.
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2
Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Abb. 2.1 Die verschiedenen Arten von Ambidextrie und ihre Mechanismen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Strukturelle/sequentielle Ambidextrie auf Projektebene Eine frühe Arbeit stammt beispielsweise von Ramesh u. a. (2012), die Ambidextrie in drei Projekten zu agiler verteilter Entwicklung empirisch erforschten. In qualitativen Interviews identifizierten sie verschiedene Praktiken; diese waren “(…) in the spirit of agile methods, but have been adapted to meet the demands of distributed development as well” (Ramesh u. a. 2012: 331). Aus einer Routinenperspektive untersuchten die Autoren die Durchführung einer Routine „Managen agiler verteilter Entwicklungsprojekte“. Die Studie weist einige Schwachpunkte auf. Durch Interviews wurde lediglich eine erinnerte Version der tatsächlichen Durchführung einer Routine und nicht diese selbst erfasst. Weiterhin untersuchten die Forscher nicht, inwiefern mutmaßlich eingesetzte agile Vorgehensweisen Ambidextrie strukturell erleichterten (eine Gruppe von Praktiken wurde zwar “formal structures but with flexibility” benannt, es wurden aber keine weiterführenden Details dazu gegeben – z. B. welche Strukturen genau Exploration oder Exploitation erleichtert oder erschwert hatten).
2.1 Ambidextrie
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Eine weitere erwähnenswerte Arbeit stammt von Eriksson (2013), welcher Ambidextrie in Projekten und projektbasierten Organisationen in der Bauwirtschaft theoretisch betrachtete. Er reflektierte, wie sich organisatorische Aspekte und speziell Liefervereinbarungen auf Ambidextrie in Projekten auswirken. Dazu analysierte er auf theoretischer Basis Tätigkeiten wie “design and construction”, “partner selection”, “fixed price payment form”, “joint specification” etc. auf ihr exploratives oder exploitatives Potential. Er fand in Bauprojekten insgesamt einen Mangel an Exploration sowie nur mäßige Exploitation und empfahl stärkere kontextuelle Ambidextrie. Seine Analysen basieren dabei auf Literatur und eigener Expertise im Bereich Bauwirtschaft. Seine Erkenntnisse sind für Bauprojekte speziell mit umfangreichen Liefervereinbarungen als relevant und wichtig einzustufen. Allerdings dürften sie, aufgrund der analysierten, sehr spezifischen Bautätigkeiten, nicht auf Tätigkeiten und Projekte außerhalb der Bauwirtschaft übertragbar sein. Da Bauprojekte klassischerweise im Wasserfallmodell durchgeführt werden, geht er ebenso wenig auf agile Vorgehensweisen und deren Wirkung auf Ambidextrie ein. Im Gegensatz zu der theoretischen Arbeit von Eriksson (2013) untersuchten Liu und Leitner (2012) Ambidextrie in komplexen Engineeringprojekten empirisch. Dazu werteten sie quantitativ Befragungsergebnisse mittels einer Regressions- und Moderationsanalyse aus. Bei der Interpretation ihrer Ergebnisse müssen methodisch ihre recht kleine Stichprobe (n = 38) und das verwendete Single-Case-Design in Bezug auf Verallgemeinerbarkeit kritisch angemerkt werden. Sie konnten für den Kontext von Projekten keine positiven Effekte räumlicher Trennung auf Ambidextrie feststellen. Sie interpretierten ihr Ergebnis so, dass innerhalb eines Projektteams kein wirksamer Mechanismus für räumliche Trennung vorhanden ist, da Projektteams oftmals zusammensitzen und parallel an mehreren Aufgaben arbeiten (Liu und Leitner 2012: 8). Strukturelle Ambidextrie scheint im Projektkontext daher von geringerer Relevanz zu sein. Die Autoren fanden jedoch gemäß ihren Angaben einen statistisch signifikanten Effekt zeitlicher, d. h. sequentieller Trennung von explorativen und exploitativen Tätigkeiten auf die Projektperformance, der durch Ambidextrie als Mediator vermittelt wurde. Im Projektkontext erfolgen typischerweise planende Handlungen (die eher explorativen Charakter haben) zeitlich vor umsetzenden Handlungen (die eher exploitativen Charakter haben). Allerdings kann aus ihrer Studie nichts weiter über die Rolle agilen Vorgehens geschlossen werden, außer dass Projekte anfangs eher explorativ und in der Umsetzung eher exploitativ sein sollten. Ihre Ergebnisse dienen jedoch als Hinweis, dass bei der Analyse von Vorgehensweisen in Projekten auf sequentielle Ambidextrie zu achten ist.
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2
Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Kontextuelle Ambidextrie auf Projektebene Die vermutlich einflussreichsten Beiträge zu Ambidextrie in Projekten stammen von Turner u. a. (2013a, 2015, 2016b). Sie wendeten ein „Intellectual Capital“(IC)-Framework an und beleuchteten, wie individuelle Handlungen von Managerinnen und Managern und Konfigurationen aus Humankapital, Sozialkapital und organisatorischem Kapital Ambidextrie in Projekten ermöglichen. Das IC-Framework hatten ursprünglich Kang und Snell (2009: 67) auf theoretischer Basis mit dem Ziel “(…) for studying how firms might achieve (contextual) ambidextrous learning through managing human resources” entwickelt. Dazu unterscheidet das IC-Framework zwischen drei Formen von Wissenskapital, denen jeweils eine explorative und eine exploitative Ausprägung zugeschrieben wird: • Humankapital (HC) als Wissen und Fähigkeiten von Individuen. Die Ausprägungen sind „Spezialistinnen/Spezialisten“, die eher auf Exploitation fokussieren, und „Generalistinnen/Generalisten“, die eher auf Exploration fokussieren. • Sozialkapital (SC) als Wissen, welches in Beziehungen und Netzwerken von Angestellten eingebettet ist. Die Ausprägungen sind „kooperative Beziehungen“ mit Tendenz zu Exploitation und „entrepreneuriale Beziehungen“ mit stärkerer Tendenz zu Exploration. • Organisatorisches Kapital (OC) als Wissen, welches in Prozessen und Strukturen liegt. Die Ausprägungen sind „mechanistisch“ (z. B. wohldefinierte, kontrollierte Prozesse) mit Tendenz zu Exploitation und „organisch“ (z. B. flexible, anpassungsfähige Prozesse) mit Fokus auf Exploration (Kang und Snell 2009: 68 ff.). Projektmanagementmethoden wie z. B. agile Vorgehensweisen lassen sich innerhalb des IC-Frameworks daher mit organisatorischem Kapital (OC) erklären – entweder in „mechanistischer“ oder in „organischer“ Ausprägung (zum Ursprung dieser Bezeichnungen vgl. Burns und Stalker 1961). Mit Verweis auf die Forschungsfrage dieser Arbeit werden im Folgenden daher die Erkenntnisse speziell zu OC beleuchtet und das IC-Framework wird kritisch diskutiert. Turner u. a. (2013b) führten eine Literaturrecherche zu allen drei Formen von Wissenskapital durch. Bezüglich OC fanden sie Indikationen in der Literatur, dass Manager/-innen Einfluss auf Exploration und Exploitation nehmen können, indem sie z. B. “best practices” einsetzen und trotzdem Flexibilität erlauben oder indem sie als „Integrationsstelle“ wirken. In einer aktuellen empirischen Fallstudie vertieften Turner u. a. (2016b) die Untersuchung der Rolle von Managerinnen und Managern weiter und stellten heraus, dass neben der bereits
2.1 Ambidextrie
17
angesprochenen punktuellen und verteilten Ambidextrie fünf konkrete Handlungen von Managerinnen und Managern Ambidextrie in Projekten ermöglichen (“buffering“, “gap-filling“, “integration“, “role-expansion“ und “tone-setting“). Hinsichtlich OC folgerten sie, dass Struktur das Erzielen von Exploration und Exploitation unterstützt, jedoch durch Incentives und konkrete Routinen verstärkt werden muss. Ambidextrie kann also durch eine Kombination von mechanistischer und organischer Ausprägung des OC erreicht werden (Turner u. a. 2013b: 325). Obwohl eine IC-Perspektive wichtige Einsichten lieferte, hat sie mit mehreren Schwächen zu kämpfen. Zunächst werden Humankapital, Sozialkapital und organisatorisches Kapital als klar voneinander getrennt konstruiert, obwohl Kang und Snell bereits zugestehen, dass “(…) the three may be related in practice” (Kang und Snell 2009: 86). Erkenntnisse aus der Routinenforschung zeigen allerdings, dass organisationale Strukturen wie z. B. Routinen und Handlungen nicht nur „vielleicht“ in Beziehung stehen, sondern wie sich deren Wechselwirkung theoretisch erklären lässt. Die Wechselwirkung von Struktur und Handlung, die Routinen erst „Leben einhaucht“, kann deutlich nuancierter mit Hilfe einer Routinenperspektive anstatt des IC-Frameworks erklärt werden. Weiterhin sind Konfigurationen von IC-Ressourcen, die Ambidextrie ermöglichen, statisch, da sie Zeit als Dimension nicht miteinbeziehen. Zeit ist jedoch in Projekten eine entscheidende Dimension (Lundin und Söderholm 1995: 439 f.), so dass deren Einbezug in einer eher prozesshaften als statischen Sicht für das Verständnis von Ambidextrie in Projekten notwendig ist (Ancona u. a. 2001; Avital 2000; Raisch u. a. 2009: 693; Winter u. a. 2006a; Zaheer u. a. 1999). Zuletzt ist eine binäre Kategorisierung von Vorgehensweisen in Projekten als entweder „mechanistisch“ oder „organisch“ zu grob. Damit werden sowohl Einflussmöglichkeiten von Akteuren als auch die Möglichkeit, mechanistische und organische Elemente (Praktiken) innerhalb von Vorgehensweisen zu kombinieren, unterschlagen. Die letzten beiden Argumente sprechen, in Übereinstimmung mit dem Hinweis von Liu und Leitner (2012), für eine deutlich detailliertere Untersuchung des Vorgehens in Projekten unter einem sequentiellen, also zeitlichen Fokus. Zwischenfazit Aus den noch relativ wenigen Studien zu Ambidextrie im Projektkontext lässt sich schließen, • dass strukturelle Ambidextrie einen geringen Einfluss in Projekten hat.
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
• Hingegen gibt es Hinweise, dass sequentielle und kontextuelle Ambidextrie einen großen Einfluss in Projekten nehmen könnte. • Bisherige Forschungen weisen konzeptionelle Schwächen auf. So vermögen sie weder die Dynamik zwischen Struktur und Handlung zu erfassen, noch beziehen sie zeitliche Veränderungen in ihre Betrachtungen mit ein (Lavie u. a. 2010; Luger u. a. 2018; Raisch u. a. 2009: 686). • Schließlich wurden die verschiedenen Arten von Ambidextrie bisher eher isoliert voneinander untersucht, so dass wenig über Kombinationen und die Interaktion dieser Arten bekannt ist (für eine Ausnahme vgl. Adler u. a. 1999; Ossenbrink u. a. 2019). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll an dieser Stelle angesetzt und die Bedeutung der dynamischen Balancierung von Exploration und Exploitation herausgearbeitet werden. Auf diese Weise soll sich zeigen, wie sich Ambidextrie über die Zeit verändern kann. Dafür wird die Dynamik eines Vorgehens hinzugenommen. Scrum als agiles Vorgehen wird dazu mit Hilfe dynamischer Routinen konzipiert. Das folgende Kapitel beschreibt daher das dafür benötigte Konzept von Routinen.
2.2
Routinen
Das Konzept von Routinen führten ursprünglich Nelson und Winter (1982) ein, um organisationalen Wandel zu untersuchen. Seitdem hat sich die Forschung zu Routinen als eine der fundamentalen Perspektiven in der Organisationsforschung etabliert (vgl. Becker 2004, 2008; Cohen u. a. 1996; Feldman und Pentland 2005; Kaiser und Kozica 2013; Kozica u. a. 2014; Pentland und Rueter 1994; Rerup und Feldman 2011; Salvato und Rerup 2018; Wright 2016). In dieser Arbeit wird argumentiert, dass agile Vorgehensweisen in Projekten analytisch als Routinen verstanden werden können. Damit wird im Hinblick auf die Forschungsfrage ein differenziertes Verständnis agiler Vorgehensweisen erarbeitet. Das folgende Kapitel weist diesen Aufbau auf: • Zunächst werden Routinen definiert, die zu unterscheidenden Aspekte von Routinen vorgestellt und ihre innere Dynamik wird erklärt. • Daraufhin wird der Zusammenhang von Routinen mit Exploration und Exploitation aufgezeigt. • Im Folgenden werden in einem prägnanten Überblick über die Forschung zu Routinen nicht nur Studien zu einzelnen Routinen, sondern insbesondere
2.2 Routinen
19
auch aktuelle Arbeiten zu „interdependenten“, d. h. voneinander abhängigen Routinen beleuchtet. • Da bei mehreren interdependenten Routinen zwangsläufig das Thema Koordination eine Rolle spielt, wird ebenfalls auf den Forschungsstand zu Koordination eingegangen.
2.2.1
Begriffsklärung
Hinsichtlich der Definition von Routinen hat sich in der Literatur zu Routinenforschung jene von Feldman und Pentland etabliert. Nach ihnen sind Routinen definiert als “(…) repetitive, recognizable patterns of interdependent actions carried out by multiple actors” (2003: 95). Durch die Eigenschaft, dass Routinen aus wiederholten Mustern voneinander abhängiger Handlungen mehrerer Akteurinnen oder Akteure bestehen, grenzen sich Routinen von individuellen Handlungsmustern ab, die typischerweise mit „Gewohnheiten“ in Zusammenhang gebracht werden (Becker 2005). Die theoretischen Grundlagen zu Routinen stammen aus der Praxistheorie – Routinen „bestehen“ aus sozialen Praktiken als wiederholten Handlungsmustern mehrerer Akteurinnen oder Akteure (Feldman und Orlikowski 2011; Feldman und Worline 2016; Geiger 2009; Jarzabkowski u. a. 2012; Nicolini und Monteiro 2016; Reckwitz 2003). Obwohl es nicht eine einheitliche Praxistheorie gibt, haben die unterschiedlichen theoretischen Zugänge zu Praktiken einige Gemeinsamkeiten: Zunächst ist ihnen ein stark prozessualer Blick auf Aktivitäten und Praktiken zur kontinuierlichen (Re-)Produktion der sozialen Welt gemein. Weiter betonen sie die wesentliche Rolle von Körper und materiellen Artefakten bei Praktiken. Schließlich werden Akteurinnen und Akteure als kreative, intentionale „Träger/innen“ von Praktiken verstanden und deren Interessen und Konflikte herausgestellt (Nicolini 2013: 3–7). Zum besseren Verständnis von Routinen wurden in den letzten Jahren in der Forschung die drei verschiedenen Bestandteile ostensiver Aspekt, performativer Aspekt und Artefakte diskutiert: • Der ostensive Aspekt stellt das abstrakte Muster der Routine dar. Akteurinnen und Akteure nutzen es, um Durchführungen der Routine anzuleiten, zu begründen und sich darauf beziehen zu können. Der ostensive Aspekt stellt damit eine Art Handlungsskript dar (Feldman und Pentland 2005: 796). Er ist nicht die Routine selbst, sondern bezieht sich auf die (unterschiedlichen oder geteilten)
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Verständnisse der Akteurinnen und Akteure, wie die Routine durchgeführt werden soll. Das heißt, der ostensive Aspekt als Struktur oder abstraktes Muster der Routine beeinflusst und leitet die Ausführung einer Routine an, kann die tatsächliche Durchführung jedoch niemals vollständig vorherbestimmen (Feldman und Pentland 2008). Er kann damit über Beschreibungen der Routine (von Akteurinnen und Akteuren, aus Dokumenten) erhoben werden. Vorgehensweisen in Projekten lassen sich als solche abstrakten Muster verstehen, die Handlungen in einer bestimmten Reihenfolge vorschreiben. Projektbeteiligte, wie Projektleiter/-innen oder -mitarbeiter/-innen, können sich auf Projektmanagementmethoden als Handlungsskripte bei der Durchführung von Tätigkeiten beziehen (z. B. könnte eine Projektleiterin auf die Frage, was sie da mache, mit „Auftragsklärung“ als Schritt einer Projektmanagementmethode antworten). • Der performative Aspekt stellt das tatsächliche Verhalten von Personen bezogen auf eine Routine dar (Feldman und Pentland 2003). Da Ausführende nicht nur auf ein abstraktes Handlungsskript (den ostensiven Aspekt) achten, sondern auch auf die Handlungen relevanter anderer Personen und auf kontextuelle Details, „improvisieren“ sie die Durchführung von Routinen immer auch (Feldman und Pentland 2005: 796). Der performative Aspekt wird damit beobachtbar als Handlungsmuster mehrerer Personen. Im Projektkontext wird daher die Durchführung eines Projekts anhand einer Projektmanagementmethode immer mehr oder weniger von dem abstrakt vorgeschriebenen Muster der Projektmanagementmethode abweichen. • Artefakte stellen physische Erscheinungsformen der Routine dar (Feldman und Pentland 2005: 797). Sie helfen, Handlungen anzuregen, zu koordinieren und zu kontrollieren (Becker 2004: 651). Aus diesem Grund geschieht die Beeinflussung von Arbeitshandlungen häufig über Artefakte (z. B. Checklisten, um einen Besprechungsraum vorzubereiten, oder ausgedruckte Projektpläne an der Wand). Im Projektkontext erleichtert z. B. die Existenz eines kodifizierten Projektmanagementhandbuchs das Organisieren von Projekten. Damit weisen Artefakte wie Handbücher oder Projektmanagementrichtlinien, z. B. das „PMBOK“ (Project Management Institute [PMI] 2017) oder der „Scrum Guide“ (Schwaber und Sutherland 2017), auf das abstrakte Muster (den ostensiven Aspekt) von Routinen hin (Feldman und Pentland 2005: 797). Aufgrund ihrer Verbreitung und öffentlichen Verfügbarkeit stellen Artefakte attraktive Studienobjekte als „Proxy“ (Stellvertreter) des ostensiven Aspekts von Routinen dar (vgl. diese Vorgehensweise in z. B. Adler u. a. 1999; D’Adderio 2008: 770; March u. a. 2000).
2.2 Routinen
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Ostensiver und performativer Aspekt sowie Artefakte einer Routine beeinflussen sich gegenseitig. Daher lässt sich eine Routine besser als dynamisches System denn als statisches System, in dem Akteurinnen und Akteure vorherbestimmt Regeln folgen, verstehen (Cohen u. a. 1996; Feldman 2000). Routinen sind dynamisch, da sie in Zeit und Raum durch andauernde Bemühungen von Akteurinnen und Akteuren (re)produziert und erhalten werden müssen (Feldman u. a. 2016: 505). Das bedeutet, dass sich alle drei Bestandteile von Routinen gegenseitig ermöglichen (Feldman und Pentland 2005: 795). Der ostensive Aspekt, in Form von Struktur, sowie Artefakte beeinflussen den performativen Aspekt, in Form von tatsächlicher Handlung. Aber auch die Durchführung, als performativer Aspekt, konstituiert, beeinflusst und reproduziert die Struktur sowie Artefakte. Daraus folgt, dass sich ostensiver Aspekt, Artefakte und performativer Aspekt, bzw. Struktur und Handlung, gegenseitig erzeugen und beeinflussen (Berger u. a. 2016; Sewell 1992: 4). Eine passende Analogie dazu von Pentland und Rueter lautet, dass Routinen wie Spurrinnen auf einer vielbefahrenen Fahrbahn angesehen werden können. Diese „lenken“ zwar, legen jedoch weder exakt fest, wo das nächste Fahrzeug fährt, noch geben sie Aufschluss, wo die letzten Fahrzeuge genau fuhren (1994: 508). Aufgrund dieser inneren Dynamik können Routinen sich auch ständig selbst verändern (Feldman 2003; Nelson und Winter 1982). Die unterschiedlichen Aspekte einer Routine sowie ihr gegenseitiger Einfluss im Projektkontext sind zusammenfassend und mit Beispielen aus dem Projektkontext in vereinfachter Form in Abbildung 2.2 dargestellt. Wie bereits festgestellt, können Handbücher oder Projektmanagementrichtlinien als Artefakte angesehen werden. Diese Artefakte kodifizieren Projektmanagementmethoden als ostensive Aspekte (abstrakte Handlungsskripte) von Routinen. Erst durch tatsächliche Handlungen in einem konkreten Projekt werden diese abstrakten Strukturen zu Routinen. Routinen sind in der Organisationsforschung fundamental, da sie wichtige Auswirkungen für Organisationen haben. Es sind im Wesentlichen vier Auswirkungen zu unterscheiden: • Erstens ermöglichen Routinen Koordination und Kontrolle, indem z. B. standardisierte Routinen besser zu vergleichen und damit zu kontrollieren sind als Handlungen, die jedes Mal anders ausfallen und nicht wiederholt werden. Durch den wiederholenden Charakter von Routinen wird zudem eine Art „Indifferenzzone“ („truce“) geschaffen. Innerhalb einer solchen Indifferenzzone werden Anweisungen bis zu einem gewissen Grad ohne weitere Nachfragen akzeptiert – was Koordination erleichtert.
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Abb. 2.2 Bestandteile von Routinen. (Quelle: Eigene Darstellung)
• Zweitens sorgen Routinen für Stabilität bezüglich Verhalten, womit das Vorgehen Beteiligter vorhersehbar gemacht wird. • Drittens wirken Routinen ökonomisch, da routinisierte Aufgaben typischerweise weniger kognitive Ressourcen zur Ausführung benötigen. • Zuletzt speichern Routinen Wissen – im Gegensatz zu Dokumenten sind sie fähig, auch implizites Wissen durch dessen ständige Anwendung, die in Routinen erfolgt, zu speichern (vgl. Becker 2004; Becker und Knudsen 2005).
2.2.2
Routinen im Zusammenhang mit Exploration und Exploitation
In der jüngeren Forschung zu Routinen werden diese inzwischen, trotz ihres wiederholenden und damit großteils stabilen Charakters, auch als Quelle für Exploration und organisationale Veränderungen angesehen (Feldman 2000; Feldman und Pentland 2003). Traditionell galten Exploration und Exploitation als voneinander unabhängig und gegensätzlich (Poole und Van de Ven 1989). Daher wurden auch Routinen lange Zeit entweder eng mit Exploration und Flexibilität (Nelson und Winter 1982) oder eng mit Exploitation und Stabilität (Cohen u. a. 1996; Cyert und March 2011) in Zusammenhang gebracht. In jüngerer Zeit zeigte sich jedoch, wie Exploration und Exploitation überzeugender als voneinander abhängig und sich gegenseitig ermöglichend betrachtet werden können (Farjoun 2010). Erst diese Sichtweise erlaubte die Vorstellung von Routinen als Quelle von sowohl Exploration als auch Exploitation.
2.2 Routinen
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Die dahinter liegende Idee der Dualität von Flexibilität und Stabilität arbeitete Farjoun (2010) überzeugend heraus. Im „Dualismus“ wurden Flexibilität und Stabilität als unvereinbar und sich gegenseitig ausschließend angesehen. In der „Dualität“ werden Flexibilität und Stabilität hingegen als voneinander abhängig, sich widersprechend, aber auch gegenseitig ermöglichend konzipiert (analog dem „Yin und Yang“ aus der chinesischen Philosophie). Dies wird möglich, sobald man sowohl Flexibilität als auch Stabilität in jeweils Prozess und Ergebnis aufteilt. Eine strikte Koppelung von Prozess und Ergebnis (z. B. „starre Prozesse führen zu stabiler Bürokratie“ oder „flexible Praktiken führen zu Innovationen“) wird nun erweitert mit ebenso möglichen loseren Koppelungen (nun werden zusätzlich möglich z. B. „stabile Prozesse können zu Innovationen führen“ oder „flexible Handlungen können Stabilität ermöglichen“, Farjoun 2010). Abbildung 2.3 stellt die nun realisierbaren Kombinationen von Prozess und Ergebnis dar. Die Quadranten Exploitation als stabile Prozesse, die zu stabilen Ergebnissen führen, sowie Exploration als flexible Prozesse, die zu flexiblen Ergebnissen führen, entsprechen dabei dem Dualismus. Die beiden anderen Quadranten werden hingegen erst in einer Dualität von Flexibilität und Stabilität möglich.
Abb. 2.3 Dualität von Flexibilität und Stabilität. (Quelle: modifiziert nach Farjoun 2010: 206 eigene Übersetzung)
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Routinen, als eine Art von Prozess, können damit selbst sowohl eher flexibel wie auch eher stabil sein und ermöglichen weiterhin sowohl explorative als auch exploitative Ergebnisse (Becker u. a. 2005; Feldman 2000, 2003; Feldman und Pentland 2003; Rerup und Feldman 2011). So beschrieb beispielsweise Feldman (2000) in einer bekannten Studie, wie Routinen in einem Studierendenwohnheim ständig geändert und angepasst wurden (= flexible Prozesse), um weiterhin die gleichen Wirkungen (= stabile Ergebnisse, Exploitation) zu erzielen. Gleichzeitig zeigten beispielsweise Adler u. a., wie relativ strikte, d. h. stabile Prozesse bei Toyota zu innovativen und flexiblen Resultaten (Exploration) führen können (1999, 2009: 109). Das bedeutet, Formalisierung und Standardisierung grenzen nicht nur ein, sondern können auch innovative, explorative Arbeit ermöglichen (Farjoun 2010: 214). Stabile Strukturen vermögen einen Rahmen zu schaffen, der die Aufmerksamkeit fokussiert, Sicherheit und Legitimität erzeugt und gleichzeitig auch experimentelle, neue Lösungen ermöglicht (Farjoun 2010: 211–214). Im Projektkontext bedeutet dies, dass es mittels standardisierter Routinen möglich ist, innovative Projektergebnisse („unique work“) zu schaffen (Eisenhardt 2000; Farjoun 2010; Pentland u. a. 2011; Smith und Lewis 2011). Farjoun betont, dass es besonders in Projekten mit hoher Unsicherheit wahrscheinlich ist, dass sich Flexibilität und Stabilität gegenseitig konstituieren und ermöglichen (anstatt sich gegenseitig auszuschließen) (2010: 215 f.). Im Folgenden werden aktuelle Forschungsergebnisse mit diesem Fokus vorgestellt.
2.2.3
Aktuelle Forschung zu Routinendynamik und interdependenten Routinen
Die Forschung zu Routinen lässt sich in verschiedene Themengebiete unterteilen. Umfangreich wurden in den letzten Jahrzehnten Routinendynamiken erforscht. Daneben wächst in letzter Zeit zunehmend das Interesse an dem Zusammenspiel mehrerer interdependenter Routinen sowie an der damit eng verbundenen Frage der Koordination mehrerer Routinen. In Tabelle 2.2 werden die im Folgenden detailliert behandelten Bereiche und Themen aufgeführt.
2.2 Routinen
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Tab. 2.2 Aktuelle Forschung zu Routinen. (Quelle: Eigene Darstellung) Bereich
Themen
Routinendynamik Akteurinnen/Akteure
Interdependente Routinen
Auswahl beispielhafter Studien (Aroles und McLean 2016; Danner-Schröder und Geiger 2016; Sonenshein 2016)
Artefakte
(D’Adderio 2008, 2011, 2014; Feldman und Pentland 2008; Glaser 2017; Orlikowski 1992)
Organisationaler Kontext
(Bertels u. a. 2016; Howard-Grenville 2005)
Wechselwirkungen
(Birnholtz u. a. 2007; Deken u. a. 2016; Dönmez u. a. 2016; Feldman und Rafaeli 2002; Kremser 2017; Kremser und Schreyögg 2016; Salvato und Rerup 2018; Sele und Grand 2016; Spee u. a. 2016; Turner und Rindova 2012)
Koordination
(Adler 1995; Carlile 2002; Claggett und Karahanna 2018; Dittrich und Seidl 2018; Faraj und Xiao 2006; Gittell 2002; Jarzabkowski u. a. 2012; Okhuysen und Bechky 2009)
Routinendynamik Innerhalb der Forschung zu Routinendynamik wurden die gegenseitigen Einflüsse von Routinen und Akteurinnen und Akteuren, Artefakten sowie organisatorischem Kontext untersucht. • Manche Autorinnen und Autoren fokussierten dabei die Rolle von Akteurinnen und Akteuren (Aroles und McLean 2016; Danner-Schröder und Geiger 2016; Sonenshein 2016). Zum Beispiel erforschte Sonenshein, wie es einer Einzelhandelskette mittels der verschiedenen Hintergründe und Erfahrungen der Akteurinnen und Akteure gelang, wiedererkennbar (d. h. stabil) Kreativität zu reproduzieren. Er entdeckte dabei zwei akteursbezogene Mechanismen („Personalisierung“ und „Depersonalisierung“), stellte aber auch den breiteren Kontext („externe Vergleiche“ und „Hilfsroutinen“) sowie die Bedeutung von Artefakten heraus (Sonenshein 2016). • Andere Forscher/-innen konzentrierten sich auf das Verhältnis von Artefakten und Materialität zu Routinen (Cacciatori 2012; Carlile u. a. 2013; Feldman und Pentland 2008; Glaser 2017; Orlikowski und Scott 2008). Besonders D’Adderio (2008, 2011, 2014) ist es zu verdanken, dass Artefakte näher in das Zentrum der Routinenforschung gelangten und ihre komplexen Wechselwirkungen mit Routinen anstatt eines simplen Determinismus untersucht
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
wurden. Sie untersuchte beispielsweise, wie ein amerikanischer Elektronikhersteller sämtliche Produktionsroutinen in einem neuen Werk in Großbritannien replizierte. Dabei orientierten Artefakte wie Standardisierungslisten, Datenbankmodelle und ein Regelkatalog die Replikation der Routinen (D’Adderio 2014). • Wiederum andere Wissenschaftler/-innen erforschten die Rolle des organisationalen Kontexts. Howard-Grenville (2005) beispielsweise zeigte in einer Studie über den Einfluss von Akteurinnen und Akteuren sowie Kontext, dass sowohl Akteurinnen und Akteure als auch das Eingebettetsein („embeddedness“) von Routinen in den organisationalen Kontext zur Stabilität oder Instabilität von Routinen beitragen. Den organisationalen Kontext unterteilte sie weiter in technologische Strukturen, Koordinationsstrukturen und kulturelle Strukturen. Die Überschneidung von Erwartungen des bestehenden organisationalen Kontexts und Erwartungen, die von neuen Strukturen erzeugt werden (z. B. von neuen Routinen und Praktiken), wird „Einbettung“ genannt. Je stärker die Überschneidung, desto eingebetteter sind die neuen Strukturen und desto wahrscheinlicher sind ihr Fortdauern und ihre Beständigkeit. Die Forschung zu Routinendynamik führte zu wichtigen Erkenntnissen darüber, wie die endogene Dynamik von Routinen auf vielfältige Art und Weise mit Akteurinnen und Akteuren, Artefakten und dem organisationalen Kontext in Wechselwirkung verwoben ist. Interdependente Routinen Traditionellerweise wird Interdependenz aus der Perspektive des organisationalen Designs betrachtet (March und Simon 1958; Puranam u. a. 2012; Ven u. a. 1976). In dieser Perspektive entsteht wechselseitige Abhängigkeit dann, wenn Abteilungen auf dieselben Ressourcen angewiesen sind (McCann und Ferry 1979; Thompson 1967; Ven u. a. 1976) oder wenn die Leistung einer Abteilung von derjenigen einer anderen abhängt (Puranam u. a. 2012; Victor und Blackburn 1987). Eine weitverbreitete Konzeptualisierung von Interdependenz aus dieser Perspektive geht auf Thompson (1967) zurück, der die gemeinsame Nutzung von Ressourcen durch verschiedene Abteilungen studierte. Er entwickelte drei Typen von Interdependenz: • “Pooled interdependence”, d. h., Abteilungen müssen auf eine gemeinsame begrenzte Ressource zugreifen, um ihre Leistung zu erfüllen.
2.2 Routinen
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• “Sequential interdependence”, d. h., die Leistung (Output) einer Abteilung stellt für eine andere Abteilung die Eingangsgröße (Input) dar. • “Reciprocal interdependence”, d. h., die Beziehung von Output und Input zwischen Abteilungen geht in beide Richtungen und ist damit kreisförmig. In letzter Zeit hat sich die Forschung zu Interdependenzen zunehmend von einer Design-Perspektive zu einer praxistheoretischen Perspektive verschoben (Feldman u. a. 2016, 2019; Hilligoss und Cohen 2011; Kremser 2017; Kremser u. a. 2019; Pentland und Recker 2016). In solch einer praxistheoretischen Perspektive interessiert mehr, wie Interdependenz aktiv durch Praktiken geschaffen wird – damit wird Interdependenz zu einer situativen Leistung, die Anstrengung erfordert (“situated and effortful accomplishment”) (Feldman u. a. 2019: 4). Kremser u. a. (2019: 6) definierten speziell Interdependenz zwischen Routinen wie folgt: “[W]hen the pattern of one routine creates context for another routine”. Den Kontext können dabei alle möglichen Arten von Abhängigkeiten bilden (z. B. Aufgaben, Akteurinnen und Akteure, Ressourcen, Leistungen). Die jüngste Forschung zu interdependenten Routinen entwickelte Konzepte, die sich im Grad des Zusammenhangs der Routinen unterscheiden (Feldman u. a. 2019; Hoekzema 2020). • Für eher stark gekoppelte Routinen wurde das Konzept von Clustern, in denen eine ausgeprägte eigene Dynamik herrscht, entwickelt (Kremser und Schreyögg 2016; Sele und Grand 2016). • Weniger stark gekoppelte Routinen, in denen Akteurinnen und Akteure eine balancierende Rolle zwischen den Routinen spielen, wurden als Routinenökologien (“routine ecologies”) konzipiert (Birnholtz u. a. 2007; Deken u. a. 2016; Spee u. a. 2016; Turner und Rindova 2012). • Nur schwach gekoppelte Routinen, die dynamische Fähigkeiten von Organisationen generieren, wurden Bündel genannt (Howard-Grenville und Parmigiani 2011; Prange u. a. 2018). Als Beispiel für stark gekoppelte Routinen konzipierten Kremser und Schreyögg Cluster von Routinen aus multiplen komplementären Routinen, die alle ein Teilergebnis zur Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe beitragen (Kremser und Schreyögg 2016: 1). Sie untersuchten die Dynamik in solchen Clustern, wenn neue Routinen eingeführt werden, und fanden im Gegensatz zur expansiven Dynamik einzelner Routinen eine eher beschränkende Dynamik in Clustern. Damit verbanden sie Cluster mit der Idee der Pfadabhängigkeit (Sydow u. a. 2009), d. h., dass Akteure Cluster von einem einmal eingeschlagenen „Entwicklungspfad“
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
nur schwierig wieder abbringen können, da nützliche Komplementärbeziehungen zwischen Routinen immer weniger anpassbar werden. Sele und Grand (2016) demonstrierten, wie in einem Forschungslabor der Universität Zürich nicht nur Interaktionen innerhalb Routinen generativ wirken können, sondern auch Interaktionen zwischen interdependenten Routinen Innovationen erzeugen. Das heißt, die Innovation wurde durch die interdependenten Routinen selbst erzeugt und kam anders als bei Kremser und Schreyögg (2016) nicht als „externe Innovation“ in Form einer neuen Routine hinzu. Dahingegen studierten Spee u. a. (2016) weniger stark gekoppelte Routinen in Routinenökologien, die sich teilweise überschnitten. Sie identifizierten „kunstvolle Ausführungen“ (“skilful accomplishments”) von Expertinnen und Experten, die das Ziel hatten, den Druck hinsichtlich Flexibilität oder Standardisierung zu balancieren. Ähnlich entdeckten auch Turner und Rindova (2012), wie Akteurinnen und Akteure nach sowohl Konsistenz als auch Flexibilität in weniger stark gekoppelten Routinen im Bereich der Abfallwirtschaft strebten. Dönmez u. a. (2016) erforschten (Scrum-)Routinen in der Softwareentwicklung und fanden ebenfalls Teammitglieder als Akteurinnen und Akteure, die bewusst Flexibilität und Stabilität unterschiedlich „schützten“. Als Beispiel für eher schwach gekoppelte Bündel an Routinen untersuchten Prange u. a. (2018), wie bestimmte dynamische Fähigkeiten einer Organisation von solch einem Bündel an Routinen generiert werden. Allerdings waren sie mehr an den organisationalen Ergebnissen als an der Interdependenz der Routinen interessiert. Der zunehmende Fokus auf die Koexistenz von Routinen führte in jüngster Zeit zu Forderungen von Feldman u. a. (2016: 509), zu erforschen, wie sich Routinen gegenseitig beeinflussen und wie sie zusammenarbeiten. Koordination Wann immer interdependente Routinen zusammenwirken sollen, entsteht die Notwendigkeit, diese zu integrieren, und damit auch das Erfordernis von Koordination (Faraj und Xiao 2006). Zurückgehend auf March und Simon (1958) werden traditionellerweise zwei Arten von Koordinationsmechanismen unterschieden: • formale und • informale Koordinationsmechanismen. Frühe Forschung zu Koordination in Organisationen konzentrierte sich stärker auf formale Koordinationsmechanismen wie Besprechungen, Pläne, Regeln oder
2.2 Routinen
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Standardisierung als geplante Folge voneinander abhängiger Aufgaben, Tätigkeiten oder Ressourcen (Crowston 1997; Malone und Crowston 1994; Thompson 1967; Ven u. a. 1976). In der Forschung zu Routinendynamik wurde insbesondere für sogenannte “boundary objects” gezeigt, wie diese zusammenhängende Routinen koordinieren und verbinden können (Bechky 2003; Carlile 2002; Carlile u. a. 2013; Leonardi 2011). Andere Forschung zu Koordination in Organisationen betonte hingegen stärker informal entstehende Koordination über Interaktionen, Wissensaustausch oder Beziehungen (Claggett und Karahanna 2018; Gittell 2002; Gittell und Douglass 2012; Stephens und Lyddy 2016). Rico u. a. (2008) studierten beispielsweise informale Koordination in Teams und ermittelten „Vorhersagbarkeit“, d. h. den Zustand, Handlungen anderer erwarten zu können, als entscheidende Bedingung für Koordination. In einer anderen Studie untersuchten Bechky und Okhuysen (2011) SWAT-Teams und Filmproduktionscrews. Sie fanden heraus, dass insbesondere ein einheitliches Verständnis, welches durch die gemeinsame Planung der Mission bzw. des Projekts entwickelt wurde, wesentlich zu Koordination beiträgt. In einer wegweisenden Literaturübersicht zeigten Okhuysen und Bechky (2009), wie alle diese formalen und informalen Koordinationsmechanismen • Vorhersagbarkeit, • Verantwortlichkeit und • gemeinsames Verständnis erzeugen müssen, um Arbeit erfolgreich zu integrieren, d. h. zu koordinieren. Ähnlich wie in der Forschung zu Interdependenz verschob sich auch in der Literatur zu Koordination in letzter Zeit der Fokus von einer Design-Perspektive („wie Koordinationsmechanismen wirken“) hin zu einer praxistheoretischen Perspektive („wie Koordination stattfindet“)(Aristidou und Barrett 2018; Bruns 2013; Faraj und Xiao 2006; Gkeredakis 2014; Jarzabkowski u. a. 2012; Kellogg u. a. 2006; LeBaron u. a. 2016; Pine und Mazmanian 2017; Wolbers u. a. 2018). In solch einer praxistheoretischen Perspektive wird Koordination als dynamische soziale Praktik (Jarzabkowski u. a. 2012: 907) gesehen und die zeitliche Entwicklung sowie situative Natur koordinierender Handlungen werden in den Vordergrund gestellt (Faraj und Xiao 2006: 1155). Koordination wird dazu definiert als “temporally unfolding and contextualized process of input regulation and interaction articulation to realize a collective performance” (Faraj und Xiao 2006: 1157). Forschung innerhalb einer praxistheoretischen Perspektive untersuchte koordinierende Praktiken beispielsweise
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
• in Dienstleistungsorganisationen (Aristidou und Barrett 2018; Jarzabkowski u. a. 2012) oder • in Organisationen, die unter hoher Unsicherheit schnell reagieren müssen (“fast-response organizations”) (Faraj und Xiao 2006; Wolbers u. a. 2018). In einer einflussreichen Arbeit über Dienstleistungsorganisationen erforschten Jarzabkowski u. a. (2012) performativ-ostensive Abläufe, die während einer Restrukturierung der Vertriebs- und Großhandelsabteilungen eines Unternehmens Koordinationsmechanismen erzeugten. Dadurch, dass koordinierende Mechanismen während der Restrukturierung fehlten, erzeugten Akteurinnen und Akteure neue koordinierende Muster und stabilisierten einen neuen Koordinationsmechanismus. Damit erforschten Jarzabkowski u. a. (2012) den Übergang von einem Koordinationsmechanismus zu einem anderen. In einer Arbeit über “Fast-Response”-Organisationen demonstrierten LeBaron u. a. (2016), dass Koordinierung ständig „im Fluss“ war, obwohl Ärztinnen und Ärzte in einer Intensivabteilung stark den ostensiven Aspekt einer bestimmten Routine (die Übergabe-Routine zum Schichtende) teilten. Das widersprach vorheriger Forschung, die davon ausgegangen war, dass ein gemeinsames Verständnis von Routinen ausreichend für Koordination sei. Stattdessen fanden LeBaron u. a. (2016) situationsbezogene, körperlich und soziomateriell vermittelte koordinierende Praktiken (wie z. B. physische Orientierung, Beschäftigung mit Artefakten, Besprechungen und Gesten), die das Ziel hatten, die Durchführung von Routinen zu erhalten und zu reparieren. Für diese Arbeit ergeben sich daraus interessante Anregungen, auf Dynamik und Sequenz zu achten – wenngleich in dieser Arbeit nicht auf Projekte im Kontext des Krisenmanagements fokussiert wird. Zusammenfassend spielt Koordination eine entscheidende Rolle dabei, Interdependenzen zwischen mehreren Routinen zu bewältigen. Die bisherige Forschung dazu erbrachte wichtige Erkenntnisse und wird derzeit, von einer organisationalen Design-Perspektive ausgehend, um eine praxistheoretische Perspektive ergänzt. Zwischenfazit In der bisherigen Forschung zu Routinendynamik um Akteurinnen und Akteure, Artefakte und Kontext wurden wichtige Erkenntnisse zur Dynamik einzelner Routinen herausgearbeitet. Obwohl neuere Arbeiten zunehmend das Zusammenspiel mehrerer interdependenter Routinen betonten, ist noch wenig darüber bekannt, wie interdependente Routinen Exploration und Exploitation konkret erleichtern. Zusätzlich ist noch wenig erforscht, wie bei mehreren Routinen, die zusammenwirken und integriert werden müssen, Koordination entsteht.
2.3 Projektmanagement
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Insgesamt ist die Forschung zu Routinen allerdings stark in der Organisationsforschung verankert und kann daher aus deren reichhaltigen Forschungsarbeiten und Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte schöpfen (vgl. Becker 2004). Diese Forschung bietet Anknüpfungspunkte für ein fundiertes Verständnis agiler Vorgehensweisen als Routinen. In der vorliegenden Arbeit soll daher Scrum anhand des theoretischen Konzepts von Routinen konzipiert werden. Basierend auf der bisherigen Forschung ermöglicht diese Konzeption die folgenden Vorteile: • Routinen werden als dynamische Prozesse in der Zeit betrachtet (Feldman 2016: 3). Da Zeit in temporären Organisationen wie z. B. Projekten ein wesentlicher Faktor ist, sollte ein theoretischer Zugang zu Phänomenen im Projektkontext Zeit als wichtige Dimension beinhalten (Bakker u. a. 2016; Delisle 2019; Lundin und Söderholm 1995; Maaninen-Olsson und Müllern 2009). • Die Unterscheidung zwischen ostensivem Aspekt, performativem Aspekt und Artefakten erlaubt es, zu erfassen, wie Routinen abstrakt ausgeführt werden sollen und wie sie tatsächlich ausgeführt werden. Mögliche Abweichungen und deren Wirkung können analysiert werden. • Die Dynamik in Projekten, d. h. die gegenseitige Beeinflussung von Handlungen und Struktur, gerät in den Vordergrund. Wechselwirkungen als erklärende Mechanismen in Projekten können dadurch untersucht werden (Becker und Zirpoli 2008). Im folgenden Kapitel werden agile Vorgehensweisen in ihren Kontext, das Projektmanagement, gesetzt und näher beleuchtet.
2.3
Projektmanagement
Bisher wurde hinsichtlich der Forschungsfrage „Wie beeinflusst Scrum, als agiles Vorgehen, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten?“ zweierlei geklärt: • Es wurde gezeigt, welche Arten von Ambidextrie unterschieden werden können und welche Schwächen die aktuelle Forschung noch aufweist. • Es wurde weiterhin ausgeführt, wie ein agiles Vorgehen als Routine(n) konzipiert werden kann, um diese Schwächen zu beheben. In diesem Kapitel soll nun auf den Kontext von Scrum als agilem Vorgehen eingegangen werden. Projektmanagement weist in der Praxis viele Ausprägungen
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
auf und wird in der Forschung unterschiedlich diskutiert. Um die wesentlichen Punkte zum Projektmanagement darzustellen, • soll zunächst das Verständnis von Projekten als temporären Organisationen eingeführt werden. • Darauf aufbauend werden die zwei maßgeblichen Ansätze im Projektmanagement, phasenbasierte und iterative Ansätze, vorgestellt und diskutiert. Dabei soll bei den iterativen Ansätzen auf Scrum fokussiert werden. • Nachdem beide Ansätze dargestellt worden sind, wird im Folgenden herausgearbeitet, wann welcher Ansatz geeignet scheint. • Anschließend werden die beiden Ansätze miteinander verglichen. Dazu werden Lösungen iterativer Ansätze für Grundprobleme temporären Organisierens den Lösungen phasenbasierter Ansätze gegenübergestellt. • Das Kapitel endet mit einer kritischen Diskussion der vorgeschlagenen Lösungen iterativer Ansätze und ihrer Einbettung in bestehende Forschung und Theorien.
2.3.1
Begriffsklärung
Projekte besitzen inhärent eine zeitliche Dimension bzw. eine Befristung und müssen in diesem Zeitraum organisiert werden. Somit lassen sich Projekte als „temporäre Organisationen“ innerhalb einer (permanenten) Organisation verstehen (Bakker u. a. 2016; Lundin und Söderholm 1995; Sydow und Braun 2018; Turner und Müller 2003). Temporäre Organisationen können dabei nach Burke und Morley (2016: 3 eigene Übersetzung) definiert werden als eine temporär gebundene Gruppe voneinander abhängiger organisatorischer Akteure, die zusammengebracht wurden, um eine komplexe Aufgabe zu erledigen. Wesentliche Charakteristika temporärer Organisationen sind ihre Fokussierung auf Aufgaben und Handlungen, ihre zeitliche Befristung, ihre Arbeitsorganisation in Form von Teams anstatt in Geschäftsprozessen oder organisatorischen Funktionen und ihre Einbettung in eine permanente Organisation als Kontext (Bakker 2010; Lundin und Söderholm 1995: 439 f.). Temporäre Organisationen wurden sowohl in der Form von intra-organisationalen und inter-organisationalen Projekten als auch in der Form von projektbasierten Organisationen (PBO) erforscht (Burke und Morley 2016; Swärd 2016; Sydow und Braun 2018). Aufgrund der Wichtigkeit von Handlungen für temporäre Organisationen werden in Projekten typischerweise Projektmanagementmethoden eingesetzt. Diese
2.3 Projektmanagement
33
schreiben mehr oder weniger detailliert vor, welche Handlungen in welcher Reihenfolge erfolgen sollen. Sie dienen der Zertifizierung als Projektleiter/-in und finden breite Verwendung in der Praxis (Papke-Shields u. a. 2010). Methoden, die den Zweck haben, Projekte zu initiieren, zu planen, durchzuführen und abzuschließen, bilden daher das Herz der Disziplin Projektmanagement (Ahlemann u. a. 2013: 43). Das „Project Management Institute“ (PMI) definiert Projektmanagementmethoden dabei als „a system of practices, techniques, procedures, and rules used by those who work in a discipline“ (Project Management Institute [PMI] 2017 im Abschnitt „1.2.5 Tailoring“). Diese Vorgaben haben sich mit der Zeit immer weiter entwickelt und wurden seit ca. 1960 als standardisierte Routinen und Praktiken im Projektmanagement durch verschiedene Institutionen formalisiert und verbreitet, etwa durch das PMI (Garel 2013; Grau 2013; Project Management Institute [PMI] 2017). Im Folgenden wird auf die zwei wesentlichen Ansätze für Projektmanagementmethoden eingegangen: den phasenbasierten Ansatz und den iterativen Ansatz (Lenfle und Loch 2010).
2.3.2
Ansätze im Projektmanagement
In den 1970er-Jahren begann das französische Automobilunternehmen Renault seine klassische funktionale Organisation zugunsten einer projektbasierten Organisation (PBO) abzulösen (Midler 1995). Dieser Prozess der „Projektifizierung“ kann seitdem in vielen Industrien beobachtet werden; z. B. entwickelt Boeing sein Modell 777 in ungefähr 250 Projektgruppen und auch BMW realisiert neue Automodelle in Projekten (Schreyögg und Geiger 2016: 99 ff.). Arbeit in Form von Projekten zu organisieren wird somit zunehmend normal. Ganze Abteilungen wie z. B. Forschungs- und Entwicklungsabteilungen werden in Projekten organisiert (Clark und Wheelwright 1992; Kerzner 2017). Im Gegensatz zu funktionalen Organisationen oder Matrixorganisationen ist in PBOs das Projekt die primäre Einheit von Produktion, Organisation, Innovation und auch Konkurrenz (Hobday 2000: 874). Dabei können Projekte nach verschiedenen Ansätzen organisiert werden (Ahlemann u. a. 2013: 43). Diese Ansätze lassen sich in phasenbasierte und iterative Ansätze unterteilen (Lenfle und Loch 2010). Im Folgenden werden zuerst phasenbasierte Ansätze betrachtet, bevor auf iterative Ansätze, und damit auch agile Vorgehensweisen, eingegangen wird.
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Phasenbasierte Ansätze Phasenbasierte Ansätze wurden in den 1960er-Jahren institutionalisiert, als das US-Verteidigungsministerium und die NASA in der sogenannten „McNamara Revolution“ den phasenbasierten Ansatz als Standard für das Projektmanagement einführten (Lenfle und Loch 2010: 40 f.). Die angewandten Methoden und Praktiken wurden nach und nach standardisiert. Sie verbreiteten sich mit Hilfe von Praktikerinstituten wie dem amerikanischen Project Management Institute (PMI) und dessen Leitfaden „PMBOK“ oder der englischen Association for Project Management (APM) und deren Leitfaden „APM Body of Knowledge“ (Association for Project Management 2019; Garel 2013; Grau 2013; Hodgson 2002: 807; Project Management Institute [PMI] 2017). Phasenbasierte Ansätze werden so genannt, da sie typischerweise einer von verschiedenen Formen eines Projektlebenszyklus folgen, d. h., sequentiell angeordnete Phasen wie „Initiierung“, „Anforderungen“, „Planung“, „Durchführung“ und „Abschluss“ sollen nacheinander, Phase für Phase, durchlaufen werden (Hodgson 2002: 810 f.). Die bekannteste Projektmanagementmethode nach dem phasenbasierten Ansatz ist das „Wasserfallmodell“ (die Darstellung der Phasen im Zeitverlauf erinnert an einen Wasserfall). Phasenbasierte Ansätze entstammen in großen Teilen Prinzipien der frühen industriellen Ingenieurswissenschaft. Diesen gemäß wird ein Projekt (analog einer Produktionsfunktion) als eine Transformation von Input zu Output unter den Einschränkungen von Kosten, Zeit und Umfang der Funktionalität konzipiert (zur Idee des „eisernen Dreiecks“ aus Kosten, Zeit und Funktionalität vgl. Atkinson 1999). Typische Prinzipien beinhalten die Top-down-Zerlegung der Transformation in Aufgaben, die strikte Trennung von Planung und Ausführung und die Kontrolle der Varianz zwischen Plan und Output, um den Prozess zu korrigieren (Koskela und Howell 2002). Eine solche in den Ingenieurswissenschaften verwurzelte Projektmanagementmethode war beispielsweise das „Capability Maturity Model for Software“ (CMM, später CMMI als Nachfolger) mit einer starken Betonung von Vorhersagbarkeit und statistischer Prozesskontrolle. Aber auch neuere Projektmanagementmethoden wie PRINCE2 bauen weiter auf Ingenieurstraditionen auf (PRINCE steht für “Project IN Controlled Environment, vgl. Dybå u. a. 2014). Während Praktiker/-innen das Scheitern von Projekten typischerweise als bloße Fehler in der Implementierung interpretieren und damit das Konzept phasenbasierter Ansätze nicht hinterfragen (sondern im Gegenteil als „Lösung“ häufig die noch striktere Befolgung dieser Ansätze in der Zukunft vorschlagen), wurden phasenbasierte Ansätze in der Wissenschaft in den letzten Jahren immer stärker kritisiert (Hodgson 2002). In der wissenschaftlichen Projektmanagementliteratur
2.3 Projektmanagement
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wird die theoretische Grundlage phasenbasierter Ansätze als großteils unzulänglich eingeschätzt (Ahlemann u. a. 2013; Cicmil u. a. 2009; Cicmil und Hodgson 2006; Koskela und Howell 2002; Packendorff 1995). Im Detail lautet die Kritik an phasenbasierten Ansätzen: • Rationalität zu überschätzen (und dadurch daran zu scheitern, angemessen mit Komplexität und Unvorhersehbarkeit von Projekten in der Praxis umgehen zu können), • Allgemeingültigkeit zu postulieren (und damit keine unterschiedlichen Kontexte zu berücksichtigen, die evtl. verschiedene Ansätze benötigen), • techniklastig zu sein (und damit soziale Themen zu vernachlässigen) (Blomquist u. a. 2010; Cicmil u. a. 2006; van Donk und Molloy 2008; Engwall 2003; Maaninen-Olsson und Müllern 2009; Papke-Shields u. a. 2010; Shenhar 2001; Winter u. a. 2006b: 640).
Iterative Ansätze In dieser Arbeit wird der bisher verwendete Begriff „agiles Vorgehen“ synonym zu „agile Projektmanagementmethode“ genutzt, aufgrund der Kürze aber bevorzugt. Agile Vorgehensweisen sind dabei den nun zu diskutierenden iterativen Ansätzen zuzurechnen. Obwohl es ein weitverbreiteter Glaube ist, dass agiles Projektmanagement relativ „neu“ sei, sind iterative Ansätze tatsächlich seit langem bekannt. Die grundlegenden Ideen dazu reichen zurück bis zur Entwicklung der ersten Atombombe in den 1940er-Jahren im „Manhattan Project“ und zu den ballistischen Raketenprojekten „Atlas“ und „Polaris“ in den 1950er-Jahren. Jedes dieser Projekte wird überraschend oft fälschlicherweise als Beispiel für phasenbasierte Ansätze genannt. Stattdessen setzten die Verantwortlichen bereits damals typische Ideen iterativer Ansätze wie Versuch und Irrtum sowie Experimente in erheblichem Ausmaße ein (Lenfle und Loch 2010). In den 1970er-Jahren wurden die überlebenswichtigen Steuer- und Kontrollsysteme des U-Boots „Trident“ der USA und in den 1980er-Jahren die Software der Luftfahrtelektronik der NASARaumfähre mit iterativen Ansätzen entwickelt, da sich Softwareanforderungen häufig während der Entwicklung noch änderten (Larman und Basili 2003). Die heute formalisierten agilen Projektmanagementmethoden wie z. B. eXtreme Programming (xP), Feature-driven Development (FDD), Crystal oder Scrum folgen alle dem iterativen Ansatz. Sie gingen aus der Softwareentwicklung in den 1990er-Jahren hervor und begannen in diesem Bereich phasenbasierte
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Ansätze wie das Wasserfallmodell zu ersetzen (Flora und Chande 2014). Zusätzlich wurden iterative Ansätze durch die aufkommende globale Computerindustrie auch in der Hardwareentwicklung bekannt (Brown und Eisenhardt 1997; Eisenhardt und Tabrizi 1995). Obwohl iterative Ansätze also bereits seit längerem existieren (Abbas u. a. 2008; Larman und Basili 2003), haben sie mit dem Aufkommen agiler Vorgehensweisen in den letzten Jahren an Momentum gewonnen (Dingsøyr u. a. 2012; Dybå und Dingsøyr 2008; Hoda u. a. 2017). Insbesondere das so genannte „Agile Manifest“ (erstellt von 17 Praktikern agiler Softwareentwicklung) führte ab dem Jahr 2001 zu einem stark steigenden Interesse in der Praxis und Wissenschaft (Dingsøyr u. a. 2012: 1215; Hohl u. a. 2018; Schwaber und Sutherland 2001). Parallel dazu berichteten erste Evaluationen agilen Projektmanagements von Vorteilen iterativer gegenüber phasenbasierten Ansätzen (Bergmann 2018; Komus und Kuberg 2017; Serrador und Pinto 2015). In den folgenden Jahren entwickelte sich bei den iterativen Ansätzen Scrum in der Praxis zu der am weitesten verbreiteten agilen Projektmanagementmethode (Dingsøyr u. a. 2012). Der Begriff „Scrum“ kommt aus dem Spiel Rugby, in dem der Ball schrittweise (d. h. iterativ) zwischen Spielerinnen und Spielern gespielt wird, bis er schließlich das Ziel erreicht. Scrum wurde zuerst von Takeuchi und Nonaka (1986) eingeführt und später von Schwaber und Sutherland als Methode formalisiert (2017; Schwaber 2004; Schwaber und Beedle 2001). Da Scrum sich stärker auf Managementaspekte als auf Softwareentwicklung richtet, wird es zunehmend nicht zur zur Entwicklung immaterieller Produkte wie Software, sondern auch zur Erschaffung materieller Produkte wie Konsumgüter angewandt (Conforto u. a. 2014; Komus und Kuberg 2017; Rigby u. a. 2016). Ein heikler Punkt agiler Vorgehensweisen ist die Definition von „Agilität“ selbst. In der Literatur finden sich unzählige Definitionsversuche hierzu (z. B. Boehm und Turner 2004; Conboy 2009: 336 ff.; Dunford u. a. 2013; Highsmith 2009; Laanti u. a. 2013; Santos Bernardes und Hanna 2009). Conforto u. a. (2016) analysierten in einer neueren Studie die vorhandenen Definitionen linguistisch und erarbeiteten die folgende umfassende Definition von „Agilität“ speziell für den Kontext Projektmanagement: Agilität ist die Fähigkeit des Projektteams, rasch den Projektplan, als Antwort auf Kunden- oder Stakeholderbedürfnisse sowie Marktoder Technologieanforderungen, zu ändern, um bessere Projekt- und Produktperformance in einer innovativen und dynamischen Projektumgebung zu erreichen (eigene Übersetzung, 2016: 667). Wie bereits zuvor ausgeführt, werden iterative Ansätze wie Scrum iterativ genannt, da sie die Idee von Phasen durch die von Iterationen ersetzen (siehe Abb. 2.4). Der Unterschied zu phasenbasierten Ansätzen liegt darin, dass nach
2.3 Projektmanagement
37
jeder Iteration ein Prototyp (andere häufig genutzte Begriffe dafür sind „Minimal Viable Product“ (MVP) oder „Inkrement“) des Projektprodukts erzeugt und mit dem Kunden durchgesprochen werden sollte (D’Adderio 2001). Das bedeutet, dass jede Iteration bereits Teile aller Aktivitäten, die für die Erstellung eines Prototyps nötig sind, beinhalten muss (z. B. Analyse, Design, Umsetzung und Test). Das steht im Gegensatz zu phasenbasierten Ansätzen, in denen Aktivitäten strikt getrennt nach Phasen durchgeführt werden und das (vollständige) Projektprodukt üblicherweise erst am Ende des Projekts erzeugt wird (“big bang”-Strategie). Abbildung 2.4 veranschaulicht die gerade skizzierten wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Ansätzen.
Abb. 2.4 Entwicklung von Projektprodukten. (Quelle: Eigene Darstellung)
Iterative Ansätze sollen einige typische Projektrisiken abschwächen, wie beispielsweise Kundenanforderungen falsch zu verstehen oder das Projekt durch ungeplante Schwierigkeiten gegen Ende z. B. bei Tests zu verlängern. Zwar können Kundenanforderungen immer noch falsch verstanden werden und Tests können nach wie vor misslingen, allerdings wird angenommen, dass beide Probleme viel früher im Projekt auffallen als in phasenbasierten Ansätzen. Bei diesen können solche Schwierigkeiten meist erst gegen Ende des Projekts erkannt werden (Boehm und Turner 2004; Highsmith 2009; Schwaber 2004).
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Abb. 2.5 Überblick über Scrum anhand von Rollen, Iterationen und Routinen. (Quelle: modifiziert und übersetzt nach Schwaber 2004; Schwaber und Sutherland 2017: 6 ff.)
2.3 Projektmanagement
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Wie bereits ausgeführt, wird Scrum oft als repräsentatives Beispiel eines iterativen Ansatzes betrachtet und soll auch in dieser Arbeit als repräsentatives agiles Vorgehen verwendet werden, das mit Abstand am häufigsten in der Praxis angewandt wird (Dingsøyr u. a. 2012). Dabei kann Scrum in Rollen, Iterationen und Routinen innerhalb einer Iteration unterteilt werden (siehe Abb. 2.5). Die Rolle des sogenannten „Product Owner“ ist dabei verantwortlich für die Projektergebnisse, die Rolle des „Scrum Master“ stellt die Einhaltung der Scrum-Methodik und ihrer Routinen als eine Art Coach sicher. Das Projektteam arbeitet selbstorganisiert an den Projektaufgaben. In jeder Iteration (den sogenannten „Sprints“) werden mehrere Routinen in gleichbleibender, vorgeschriebener Reihenfolge prozessiert. Die Abbildung 2.5 orientiert sich dabei zunächst an gängigen Abbildungen aus der Praxis, in denen Scrum regelmäßig als „Schleife“ dargestellt wird (z. B. Gloger 2016; Highsmith 2009; Roock und Wolf 2015; Schwaber 2004). Die Routine 4 wird dabei als „angedockte“ kleinere Schleife angezeigt und soll verdeutlichen, dass der Statusaustausch, unabhängig von der Länge der Iteration, täglich stattfindet. In Abschnitt 2.4 wird Scrum hinsichtlich der Rollen, Iterationen und Routinen detaillierter betrachtet und analysiert. Insgesamt mangelt es iterativen Ansätzen wie Scrum bis heute an theoretischer Fundierung. Stattdessen besteht die Literatur aus großteils präskriptiven und anekdotischen Erzählungen, die von unkritischen Einschätzungen und einem schwerwiegenden Mangel an theoretischem Verständnis geprägt sind (Abrahamsson u. a. 2009; Conboy 2009; Dikert u. a. 2016; Dingsøyr u. a. 2012; Dybå und Dingsøyr 2008; Lee und Xia 2010). Aus der Forschung ist nicht nur bekannt, dass Praktiken sich bereits durch ihre Verbreitung ändern (Ansari u. a. 2010, 2014), sondern dass auch speziell Projekte in der Praxis häufig von strikt sequentiellen Phasen, wie sie phasenbasierte Ansätze vorschreiben, abweichen (Collyer und Warren 2009). Obwohl iterative Ansätze versuchen, diese Erkenntnisse umzusetzen, indem sequentielle Phasen durch Iterationen substituiert werden, kämpfen sie mit den gleichen Problemen: In der Praxis finden sich häufig Abweichungen von den vorgeschriebenen Iterationen und Routinen (Diebold u. a. 2015). Wahl des Ansatzes Ob für ein Projekt ein phasenbasierter oder iterativer Ansatz geeigneter ist, wird in der Literatur anhand der Projektumgebung diskutiert. • Für besonders stabile Umgebungen und für große, kritische und komplexe Projekte eignen sich besonders phasenbasierte Ansätze, welche sich aus den
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Ingenieursprinzipien ableiten lassen (Howell u. a. 2010: 261 f.). Phasenbasierte Ansätze unterstützen dabei eher exploitative Lerntendenzen, d. h., es wird stärker existierendes Wissen angewandt, anstatt radikal neue Mittel zu erfinden, um die Projektziele zu erreichen (Lenfle 2008: 477). • Im Vergleich dazu eignen sich iterative Ansätze wie Scrum besonders für unsichere Umgebungen, in denen sich ändernde Anforderungen oder neuartige Technologie erwartet werden. Iterative Ansätze unterstützen tendenziell eher explorative Lerntendenzen, um so tendenziell innovative Lösungen zur Erreichung der Projektziele zu finden (Boehm und Turner 2004; Brady u. a. 2012; Highsmith 2009; Ramesh u. a. 2012). Lenfle und Loch (2010: 48) betonen, dass für hoch innovative Vorhaben phasenbasierte Ansätze nicht ausreichen würden. Hierfür werden iterative Rückkoppelungsschleifen benötigt sowie ein Weg, Stakeholdern zu erklären, dass sich der Umfang und die Ergebnisse des Projekts ändern können. Kritisch angemerkt sei, dass solche Klassifizierungen bekannt sind aus situativen Ansätzen in der Organisationstheorie, die an der, für die jeweilige Situation (Kontext/Umwelt), effizientesten Organisationsstruktur interessiert sind. Besonders eng verwandt sind die Gedanken zur Wahl des Ansatzes im Projektmanagement mit der weitverbreiteten Unterscheidung von Burns und Stalker (1961). Ihnen zufolge verlangen stabile Umgebungen „mechanistische“ und dynamische Umgebungen „organische“ Strukturen. Zu situativen Ansätzen wie der Kontingenztheorie oder Konfigurationstheorie existiert umfangreiche Forschung (Dalton u. a. 1980; Donaldson 2006; Kessler u. a. 2017; Lawrence und Lorsch 1967; Mintzberg 1989; Shenhar 2001). Allerdings wurde der situative Ansatz innerhalb der Organisationsforschung auch stark kritisiert, da beispielsweise Akteurinnen und Akteure in existierende Machtkonstellationen eingebettet sind und die strategischen Entscheidungen für oder gegen organisationale Strukturen treffen – „die Umgebung“ beeinflusst diese in geringerem Ausmaß (z. B. könnte sich ein Manager, trotz stabiler Umgebung, aus strategischen Gründen für Scrum entscheiden). Weiterhin wird ausgeblendet, dass auch Organisationen ihre Umgebungen über z. B. Lobbyismus beeinflussen und zur Anpassung bringen können (Child 1972; Ginsberg und Venkatraman 1985; Kieser und Ebers 2014: 179 ff.; Preisendörfer 2016: 98 ff.).
2.3 Projektmanagement
2.3.3
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Vergleich der Ansätze im Projektmanagement
Sowohl phasenbasierte als auch iterative Ansätze lassen sich als Form temporären Organisierens (von Projekten als temporären Organisationen) verstehen. Bestehende Vergleiche zwischen phasenbasierten und iterativen Ansätzen leiden unter willkürlichen Dimensionen bzw. Unterscheidungen (z. B. Abbas u. a. 2008; Dybå und Dingsøyr 2008: 836; Dybå u. a. 2014). Dabei wird oft weder klar, woher diese kommen, noch warum gerade diese Unterscheidungen einen Unterschied ergeben sollten. Eine Ausnahme bildet die Studie von Conforto u. a. (2014: 24 ff.), die phasenbasierte und iterative Ansätze nach ihren angewandten Praktiken unterscheiden und diese aus der Literatur sowie aus Interviews ableiten. Wenngleich die Ableitung nachvollziehbar ist, bleibt unklar, warum gerade diese Praktiken relevant für die Unterscheidung sein sollten (warum wird nicht anhand anderer Praktiken unterschieden?). Zudem ist es legitim, verschiedene Unterscheidungen zu nutzen, und mit jeder Unterscheidung werden andere potentiell interessante Aspekte in den Vordergrund treten. Wer beispielsweise interessiert an Entscheidungen ist, wird vielleicht nach „Art der Entscheidungsfindung“ differenzieren und daraus wertvolle Erkenntnisse ziehen. In dieser Arbeit wird, ausgehend vom Forschungsinteresse, auf eine bestehende Unterscheidungslogik aufgebaut, die von organisationalen Kernproblemen jeder (!) Organisation ausgeht und erst dann typische Praktiken bzw. Lösungen für diese Kernprobleme zuordnet. Das hat den Vorteil, den Umfang tendenziell unendlich vieler Unterscheidungen auf ein handhabbares Maß zu reduzieren und die, für diese im Organisationsforschungskontext stehende Arbeit, organisational wichtigsten Unterscheidungen herauszukristallisieren. Auf der Arbeit von Puranam u. a. (2014) zu neuen Formen des Organisierens aufsetzend, wird daher eine Form temporären Organisierens definiert als ein spezifisches Bündel an Lösungen für die sechs Kernprobleme, mit denen sich jede temporäre Organisation konfrontiert sieht. Eine Form temporären Organisierens kann genau dann als „neuartig“ angesehen werden, wenn sie eines oder mehrere der Kernprobleme in einer neuen Weise (verglichen mit bestehenden Formen temporären Organisierens) löst. Im Folgenden werden daher vor diesem Hintergrund iterative Ansätze mit phasenbasierten Ansätzen verglichen. Hierbei wird der Argumentation von Puranam u. a. (2014) gefolgt und Differenzierung und Integration von Arbeit werden als die beiden fundamentalen Probleme jeder Form temporären Organisierens angenommen (Lawrence und Lorsch 1967; March und Simon 1958). Diese beiden Fundamentalprobleme werden von Puranam u. a. (2014) weiter in vier Bereiche untergliedert. Zwei weitere aus der Literatur bekannte, aber von Puranam u. a. nicht explizit betrachtete
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Kernprobleme temporären Organisierens werden noch hinzugefügt (Howell u. a. 2010; Lenfle und Loch 2010; Packendorff 1995): zum einen „Setzen von Projektzielen“ und zum anderen „Kontrollieren von Arbeit“. Beide gehen Hand in Hand, da in Projekten typischerweise der ständige Abgleich der Ziele mit dem Arbeitsfortschritt (Soll-Ist-Abgleich) erfolgt (Delisle 2019: 975). Damit ergeben sich folgende sechs Kernprobleme temporären Organisierens (in Klammer finden sich die Originalbegriffe der vier Bereiche von Puranam u. a. 2014: 165): • • • • • •
Setzen von Projektzielen Entwickeln von Aufgaben (“task division”) Verteilen von Aufgaben (“task allocation”) Motivieren zur Kooperation (“reward provision”) Koordinieren von Arbeit (“information provision”) Kontrollieren von Arbeit
Im Folgenden werden nun mit Hilfe dieser sechs Kernprobleme temporären Organisierens iterative Ansätze von phasenbasierten Ansätzen unterschieden. Dazu werden die Lösungen, d. h. die Praktiken, iterativer Ansätze für diese Kernprobleme mit den Lösungen phasenbasierter Ansätze verglichen. Tabelle 2.3 stellt die sechs Kernprobleme im Zusammenhang mit phasenbasierten und iterativen Ansätzen dar. In der darauffolgenden Analyse sollen dabei aufgrund der höchsten Verbreitung Scrum für die iterativen Ansätze und das Wasserfallmodell für die phasenbasierten Ansätze als Repräsentanten beider Projektansätze herangezogen werden. Für jedes der sechs Kernprobleme werden anschließend die spezifischen Lösungen diskutiert und mit bestehender Literatur und Forschung in Zusammenhang gebracht.
Tab. 2.3 Lösungen phasenbasierter und iterativer Ansätze für Kernprobleme. (Quelle: modifiziert und erweitert nach Puranam u. a. 2014) Kernprobleme
Phasenbasierte Ansätze (Wasserfallmodell)
Iterative Ansätze (Scrum)
Setzen von Projektzielen
Detaillierte Ausarbeitung der Projektziele zu Beginn
Eher vage Projektvision zu Beginn
Entwickeln von Aufgaben
Vorab geplante, detaillierte Vorgaben der Projektleiterin oder des Projektleiters
Sich in Iterationen entwickelnde, grobe Vorgaben des Product Owner
(Fortsetzung)
2.3 Projektmanagement
43
Tab. 2.3 (Fortsetzung) Kernprobleme
Phasenbasierte Ansätze (Wasserfallmodell)
Iterative Ansätze (Scrum)
Verteilen von Aufgaben
Autoritative Aufgabenwahl durch ProjektAufgabenverteilung durch mitglieder selbst (basierend auf die Projektleiterin oder den Fähigkeiten und Präferenzen) Projektleiter (basierend auf Fähigkeiten)
Motivieren zur Kooperation
Gehälter und Bonuszahlungen von der permanenten Organisation festgelegt
Koordinieren von Arbeit
Formale Mechanismen wie Informale Mechanismen wie Anweisungen, Zeitpläne Face-to-Face(FTF)-Kommunikation und Standards oder elektronische Kommunikation
Kontrollieren von Arbeit
Hierarchische Kontrolle durch Projektleiter/-in
Gehälter und Bonuszahlungen von der permanenten Organisation festgelegt, zusätzlich besondere Betonung intrinsischer Motivation
Normative Kontrolle durch entstehende Gruppennormen
Setzen von Projektzielen In phasenbasierten Ansätzen lautet eine Hauptannahme, dass Ziele und erwartete Resultate eines Projekts nahezu perfekt vorab bekannt sind (Koskela und Howell 2002; Lenfle und Loch 2010: 45). Das entspricht einem „wohldefinierten Problem“ nach Simon (1973: 182 f.). Iterative Ansätze gehen hingegen davon aus, dass Projektziele zu Beginn eher schlecht definiert sind (z. B. nur eher vage visualisiert in Form einer sogenannten „Produktvision“) und iterativ im Laufe des Projekts verfeinert werden, beispielsweise durch Kundenfeedback zu Teilresultaten des Projekts (z. B. zu Prototypen) (Howell u. a. 2010: 261; Simon 1973: 187 ff.). Eher vage Visionen erleichtern es unterschiedlichen Organisationsmitgliedern aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit, diese „passend“ zu jeweils relevanten organisationalen Zielen zu interpretieren. Dadurch werden Veränderungsvorhaben wie Projekte oder strategische Programme mit höherer Wahrscheinlichkeit umgesetzt (Barley u. a. 2012; Gioia u. a. 2012). Werden Visionen zusätzlich visualisiert (anstatt nur textuell aufbereitet), erinnern Akteurinnen und Akteure sie tendenziell besser und sie führen zu höherer Zustimmung (Kernbach u. a. 2015).
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Abb. 2.6 Pfade phasenbasierter und iterativer Ansätze zum Projektziel. (Quelle: Eigene Darstellung)
In Abbildung 2.6 sind idealtypische Pfade phasenbasierter und iterativer Ansätze zur Erreichung der Projektziele dargestellt. Wo in phasenbasierten Ansätzen eine von Beginn an eindeutige Ausrichtung der Phasen auf das Projektziel angenommen wird, wird in iterativen Ansätzen eine Annäherung an das Projektziel in mehreren Schritten ersichtlich. Weiterhin hat die Art und Weise, wie Projektziele gesetzt werden, einen starken Einfluss darauf, wie Aufgaben entwickelt werden (siehe hierzu nächster Abschnitt). Beispielsweise wäre es viel schwieriger, aus einem zu Beginn groben Projektziel detaillierte Aufgaben abzuleiten, als aus einem bereits detaillierten Projektziel. Entwickeln von Aufgaben In phasenbasierten Ansätzen ist typischerweise einer der ersten Schritte, basierend auf den Anforderungen des Auftraggebers („Lastenheft“) einen detaillierten
2.3 Projektmanagement
45
Projektplan mit allen nötigen Aufgaben zu erstellen. Erst nachdem der so erstellte Projektplan vom Auftraggeber bestätigt worden ist („Pflichtenheft“), beginnt die Umsetzung. Diese starke Betonung von Vorabplanung und die strikte Trennung von Planung und Umsetzung ist typisch für den Taylorismus (Hodgson 2002: 811; Kakar 2014: 4971; Taylor 1911). Die Annahme dahinter lautet, dass ein Projekt in einer optimalen Weise durchgeführt werden kann, indem alle Aufgaben identifiziert, in einer optimalen Reihenfolge geplant und auf bestmögliche Art ausgeführt werden (Koskela und Howell 2002; Lenfle und Loch 2010: 45). Aus einer entscheidungstheoretischen Sicht wenden phasenbasierte Ansätze damit die Logik der rationalen Konsequenzen an („erst denken, dann handeln“, vgl. Brunsson und Brunsson 2017). Die Entwicklung von Aufgaben hängt insofern davon ab, welche Projektziele gesetzt werden. In phasenbasierten Ansätzen werden Aufgaben direkt aus den Projektzielen – zweckrational – abgeleitet (March 1988). Damit kann von einer strikten Koppelung von Projektzielen und Aufgaben ausgegangen werden (Orton und Weick 1990; Weick 1976). Iterative Ansätze berücksichtigen hingegen, dass Auftraggeber eines Projekts ihre Anforderungen zu Projektbeginn oft selbst nicht in einer wohldefinierten Form angeben können und sich über ihre Präferenzen und Anforderungen erst während des Projektverlaufs klar werden (Cicmil und Hodgson 2006). Aufgaben werden also bei iterativen Ansätzen anstatt in einer detaillierten Vorabplanung anfangs eher grob entwickelt (z. B. in Form sogenannter “Epics“ oder “User-Stories“) und in Form einer rollierenden/kontinuierlichen Planung jeweils nur für die nächsten Iterationen detailliert (Suomalainen u. a. 2015). Dieses iterative Entwickeln von Aufgaben erinnert an das Konzept des „Durchwurschtelns“ („muddling through“, vgl. Hällgren und Wilson 2007; Lindblom 1959, 1979). Aus einer entscheidungstheoretischen Perspektive wenden iterative Ansätze damit die Logik des Experimentierens an („erst handeln, dann evaluieren“, vgl. Brunsson und Brunsson 2017). Da die Projektziele eher vage sind und die Aufgaben großteils eher grob entwickelt werden, kann von einer losen Koppelung von Projektzielen und Aufgaben ausgegangen werden (Orton und Weick 1990; Weick 1976). Dies ermöglicht eine einfachere Anpassung von Projektzielen und Aufgaben als bei phasenbasierten Ansätzen mit strikter Koppelung. Verteilen von Aufgaben Während in phasenbasierten Ansätzen der/die Projektleiter/-in Aufgaben hierarchisch vergibt, sind es in iterativen Ansätzen die Projektmitglieder selbst, die sich ihre Aufgaben aussuchen und sich so selbst zuteilen. Puranam u. a. (2014: 172) erwähnen, dass die Selbstzuteilung von Aufgaben davon abhängig ist, dass die
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Aufgaben transparent und sichtbar sind. In Scrum beispielsweise geschieht das üblicherweise während der „Planungs“-Routine (Schwaber und Sutherland 2017). Solche Auswahlprozesse sind im Rahmen von Entscheidungstheorien umfassend erforscht und werden daher in dieser Arbeit nicht detaillierter betrachtet (vgl. dazu Brunsson und Brunsson 2017; March 1994; March und Simon 1958; Pfister u. a. 2016; Simon 1997). Motivieren zur Kooperation Akteurinnen und Akteure in temporären Organisationen müssen extrinsisch oder intrinsisch belohnt werden, damit ihre Kooperation sichergestellt ist (Simon 1951). Während finanzielle Belohnungen (Gehalt) und Karrieremöglichkeiten für beide Ansätze eine Rolle spielen, wird bei iterativen Ansätzen die Rolle intrinsischer Motivation durch höhere Autonomie sowie informale Entlohnungen (z. B. Anerkennung, Wertschätzung) besonders betont (Highsmith 2009; Lee und Xia 2010; Schwaber und Sutherland 2001). Hodgson und Briand (2013) fanden allerdings in einem Scrumprojekt, dass das Versprechen höherer Autonomie für das Projektteam in der Praxis nicht immer gehalten wird. Stattdessen deckten sie eine subtilere Kontrolle des Projektteams auf, die lediglich weniger sichtbar als zuvor war. Generell werden Zusammenhänge zwischen intrinsischer Motivation, Autonomie und Teamleistung in der Forschung zu Teams und in Motivationstheorien umfassend untersucht und daher ebenfalls in dieser Arbeit nicht weiter verfolgt (z. B. Cohen und Bailey 1997; Gersick 1988; Rheinberg und Engeser 2018). Koordinieren von Arbeit Phasenbasierte Ansätze verlassen sich großteils auf formale Koordinationsmechanismen (siehe Abschnitt 2.2.3). Das bedeutet, Arbeit wird über Projektpläne, detaillierte Spezifikationen, Zeitpläne, Standards und Anweisungen koordiniert. Im Gegensatz hierzu bauen iterative Ansätze mehr auf informale Koordinationsmechanismen wie Feedback über Face-to-Face(FTF)-Kommunikation (z. B. über täglichen Statusaustausch in Scrum) sowie elektronische Kommunikation (March und Simon 1958; Simon 1962; Thompson 1967). In der Forschung zu agilen Projekten wurden FTF-Kommunikation, spezielle Koordinationsrollen (“boundary spanning”) und Synchronisation (z. B. in gemeinsamen Besprechungen) als besonders relevante Koordinationsmechanismen ermittelt (Dingsøyr u. a. 2018; Hummel u. a. 2013; Nils Brede Moe u. a. 2018; Strode u. a. 2012). Generell existiert umfangreiche Forschung zu Koordination in Organisationen, auf die in Abschnitt 2.2.3 bereits näher eingegangen wurde.
2.3 Projektmanagement
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Kontrollieren von Arbeit Phasenbasierte Ansätze wenden bürokratische Kontrolle an und stützen sich damit stark auf hierarchische Autorität von Managerinnen und Managern (Hodgson 2004; Weber 1922). Bürokratische Kontrolle erfolgt über die Kontrolle des Projektfortschritts, indem z. B. der Fertigstellungsgrad von Aufgaben in Microsoft Project (eine weitverbreitete Projektmanagement-Software) verfolgt wird, und über direkte Kontrolle durch Manager/-innen bzw. Projektleiter/-innen (Hodgson 2002: 818, 2004). All dies sind bekannte Mechanismen bürokratischer Kontrolle. Iterative Ansätze wenden hingen eher normative Kontrolle (“concertive control”) an und stützen sich dabei auf soziale Normen, wie sie typischerweise in selbstorganisierten Teams entstehen (Barker 1993). Annosi u. a. (2016) studierten beispielsweise, wie Zeitdruck, der durch normative Kontrolle entstand, Lernen und innovatives Handeln in einem agilen Projektteam verhinderte. In einer Organisation mit mehreren agilen Projektteams führte dies gar zu erhöhtem Beharrungsvermögen, also dem Gegenteil von Agilität, auf Organisationsebene (Annosi u. a. 2018). Sowohl normative Kontrolle als auch selbstorganisierte Teams sowie deren „dunkle Seiten“ sind recht gut erforscht (Barker 1993; Freeman 1972; Kühl 2001). Zwischenfazit Zusammenfassend lässt sich konstatieren, • dass iterative Ansätze als eine neue Form temporären Organisierens angesehen werden können. Es zeigte sich, dass sie ein klar von phasenbasierten Ansätzen unterscheidbares Bündel an Lösungen für die Kernprobleme temporären Organisierens anbieten. • Obwohl das Bündel an Lösungen eine Unterscheidung zulässt, wurde weiterhin in diesem Kapitel gezeigt, dass die einzelnen Lösungen an sich durch bestehende Theorien und Forschungen erklärbar sind und damit kaum als neuartig bezeichnet werden können. Puranam u. a. (2014: 174) drücken dies wie folgt aus: “[N]ew forms of organizing may, in fact, be new bundles of old solutions”.
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2.4
2
Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Konzeptionelles Framework
Bisher wurde in dieser Arbeit Folgendes geleistet: • Als Ausgangspunkt wurde die Forschung zu Ambidextrie mit Fokus auf Projekten erläutert und es wurden ihre Schwachstellen diskutiert. • Das Konzept und aktuelle Forschung zu Routinen wurden beleuchtet, um damit agile Vorgehensweisen wie Scrum als Routinen zu konzipieren. • Der Kontext von Projekten und Projektmanagement wurde besprochen. Damit sind nun die wesentlichen Bestandteile der Forschungsfrage theoretisch behandelt und es kann darauf aufbauend ein Framework konzipiert werden. Damit soll die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten durch Scrum als agiles Vorgehen gezeigt werden. Wie in dem Forschungsüberblick nachgewiesen, konnten bisherige Studien die zugrundeliegenden Dynamiken nicht überzeugend darlegen. Bevor das Framework im Detail konzipiert wird, muss Scrum detaillierter als bisher betrachtet werden: • Dazu wird zuerst näher auf die konkreten einzelnen Routinen in Scrum eingegangen. Diese werden beschrieben und hinsichtlich ihres Potentials, Exploration oder Exploitation zu erleichtern, theoretisch diskutiert. • Danach wird auf das Cluster, d. h. alle Routinen im Zusammenspiel, in Scrum eingegangen. • Anschließend werden Einflüsse auf das Cluster durch Rollen in Scrum untersucht. • Schließlich werden Auswirkungen des Clusters diskutiert. • Basierend auf dieser Diskussion wird schließlich das konzeptionelle Framework entwickelt. Ansatzpunkt der Beschreibung und Analyse von Scrum, insbesondere der Routinen und Rollen von Scrum, bildet das Artefakt „Scrum Guide“. Ein Großteil der Praktikerliteratur über Scrum bezieht sich auf den Scrum Guide, die „offizielle“ Richtlinie der „Erfinder“ von Scrum Ken Schwaber und Jeff Sutherland (2017). Den Scrum Guide verwendet ebenfalls die Scrum Alliance (die größte Zertifizierungsstelle im Bereich agiler Vorgehensweisen) als Prüfungsliteratur und Referenzwerk für Zertifizierungen zum „Scrum Master“ (Scrum Alliance, Inc. 2018). Es kann also von einer breiten Nutzung des Scrum Guide in der Praxis ausgegangen werden. Im Sinne der Routinentheorie ausgedrückt, stellt der
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Scrum Guide ein Artefakt dar, welches stellvertretend als „Proxy“ für den ostensiven Aspekt von Scrum verwendet werden kann (vgl. für dieses Vorgehen z. B. D’Adderio 2008: 770; March u. a. 2000). Der Scrum Guide wird daher im Folgenden als Referenz für die theoretische, abstrakte Beschreibung der Routinen, Iterationen und Rollen in Scrum herangezogen.
2.4.1
Einzelroutinen in Scrum
Aus dem Scrum Guide werden im Folgenden die grundlegenden und damit wichtigsten Routinen detailliert betrachtet. Das heißt, es wird nicht jede in Scrum vorgeschlagene Routine im Einzelnen analysiert (beispielsweise wird nicht auf die Routinen „Backlog Refinement“ oder „Task Estimation“ eingegangen, da diese nicht zwingend in jeder Iteration stattfinden und optional auch weggelassen werden können). Im Folgenden werden die Routinen anhand ihrer Praktiken und Artefakte ausführlicher beschrieben und in ihrer Tendenz, Exploration und Exploitation zu unterstützen, untersucht. Um diese Tendenz analysieren zu können, muss zuerst geklärt werden, wie Exploration und Exploitation sich operativ unterscheiden lassen. Wie in Abschnitt 2.1.1 bereits erläutert, kann Exploration als Lernen von etwas Neuem und Exploitation als Optimieren von etwas Bestehendem definiert werden (Levinthal und March 1993: 105; March 1991). Diese Definitionen berücksichtigen die Empfehlung von Lavie u. a. (2010: 112 f.), möglichst Marchs ursprünglicher Definition von Exploration und Exploitation zu folgen, um inkonsistente Befunde durch verschiedene Definitionen zu vermeiden. Diese Definitionen werden kombiniert mit der Definition von Agilität nach Conforto u. a. (2016) im Projektmanagement (siehe Abschnitt 2.3.2). Damit beziehen sich Exploitation und Exploration immer auf die Ziele, Aufgaben oder (geplanten) Ergebnisse des Projekts. • Exploration wird unterstützt, wenn eine Praktik innerhalb einer Routine Gelegenheit bietet, etwas Neues hinsichtlich der Ziele, Aufgaben oder geplanten Projektergebnisse zu lernen. Dies könnte z. B. aus geänderten Anforderungen des Kunden resultieren; diese werden gelernt und Projektziele, -aufgaben und/oder Projektergebnisse kommen hinzu, fallen weg oder ändern sich wesentlich. • Auf der anderen Seite wird Exploitation unterstützt, wenn eine Praktik innerhalb einer Routine Gelegenheit zur Optimierung bestehender Ziele, Aufgaben
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oder Projektergebnisse bietet und folglich Ziele, Aufgaben und Projektergebnisse im Wesentlichen stabil bleiben. In Übereinstimmung mit dem Verständnis von Projekten als temporären Organisationen, die Handlungen als wichtiges Merkmal von Projekten betonen, sowie mit Forderungen von Feldman (2016: 23), bei der Analyse von Routinen auf Praktiken zu fokussieren, werden dazu im Folgenden Praktiken innerhalb der ScrumRoutinen näher analysiert. Diese Praktiken werden dann in einer „aggregierten“ Tendenz der gesamten Routine zusammengefasst. Routine 1: Projektziele überprüfen und anpassen Startpunkt eines Projekts nach Scrum ist typischerweise das Entwickeln von Projektzielen in Form einer „Produktvision“. In dieser soll eine Richtung vorgegeben werden, die allerdings zu Beginn eher grob anstatt detailliert ausfällt und regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden sollte (Eriksson 2013: 318). Aus dieser Produktvision leiten sich zu Beginn jeder Projektphase wiederum Unterziele für die jeweilige Iteration ab („Sprintziele“, Schwaber und Sutherland 2017: 11). Ausgehend von den Projektzielen sollen zu erledigende Aufgaben in einem „Product Backlog“ gesammelt und priorisiert werden (Schwaber und Sutherland 2017: 9 ff.). Ein Product Backlog bildet dabei eine Ansammlung von Aufgaben in unterschiedlichem Detaillierungsgrad (typischerweise je zeitnäher, desto detaillierter), die bereits mehr oder weniger priorisiert sein können. Die genannten Praktiken (Projektziele erstellen und überprüfen, Sprintziele ableiten, Product Backlog erstellen und anpassen) können dabei als konkrete Lösungen für die Kernprobleme „Setzen von Projektzielen“ und „Entwickeln von Aufgaben“ in temporären Organisationen angesehen werden (siehe Abschnitt 2.3.3). Als Artefakte entstehen Projektziele (Produktvision, Sprintziele) und ein Product Backlog (digitaler Art als Daten oder analoger Art auf Papier oder Post-Its). Die Praktiken sprechen an erster Stelle für eine explorative Tendenz, da die Projektziele typischerweise erst im weiteren Verlauf detaillierter werden und nicht vorab präzise geplant werden. Gleichzeitig ist es möglich, die Projektziele im weiteren Verlauf zu überprüfen und anzupassen (Schwaber 2004: 7 f.) – was nicht nur explorativen Charakter hat, sondern unter Umständen auch die Optimierung und damit Exploitation der bereits bestehenden Projektziele zur Folge haben kann. Fasst man also die Tendenzen der einzelnen Praktiken zusammen, lässt sich festhalten, dass diese Routine eine starke explorative und eine geringere exploitative Tendenz aufweist.
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Routine 2: Arbeitsphase planen In der Planung der anstehenden Arbeitsphase („Sprint“) soll das Team diejenigen Aufgaben diskutieren und zur Bearbeitung auswählen, die zur Erreichung der Projektziele/Sprintziele in der folgenden Arbeitsphase dienen. Das heißt, die Verteilung von Aufgaben erfolgt durch das Team selbst (“self-allocation”). Durch das unterschiedliche Wissen der Teammitglieder bzw. gegebenenfalls aktuelle Entwicklungen kann sich die Vor-Priorisierung der Aufgaben aus dem Product Backlog im Zuge dieser Diskussion ändern. Die gewählten Aufgaben tragen nun den Namen „Sprint Backlog“ (Schwaber und Sutherland 2017: 10 f.). Wäre das gesamte Projekt in nur einer Iteration zu beenden, entspräche der Sprint Backlog dem Product Backlog. Diese Routine kann somit als konkrete Lösung für das Kernproblem „Verteilen von Aufgaben“ in temporären Organisationen angesehen werden (siehe Abschnitt 2.3.3). Als Artefakt entsteht ein Sprint Backlog als Auswahl an Aufgaben. In Übereinstimmung mit Liu und Leitner (2012: 107) wird für diese Routine ein hohes Maß an Exploration angenommen, da tendenziell bislang unbekanntes Wissen der Teammitglieder zu Repriorisierungen und Änderungen der Aufgaben führen kann. Weil ab der zweiten Iteration jedoch bereits Aufgaben (im Product Backlog) bestehen, erleichtern die Praktiken dieser Routine auch eine optimierende, exploitative Tendenz. Somit können für diese Routine starke explorative und geringere exploitative Tendenzen festgehalten werden. Routine 3: Projektarbeit leisten Im Zuge der Projektarbeit soll das Team die gewählten Aufgaben bearbeiten. Während der Projektarbeit können Probleme auftreten, die aufgenommen und dann beispielsweise im täglichen Statusaustausch (Routine 4) diskutiert werden. Es wird davon ausgegangen, dass Projektmitglieder aufgrund der häufig im Projektkontext anzutreffenden begrenzten Zeit tendenziell eher auf bekannte Lösungen als auf die Entwicklung innovativer Lösungen zurückgreifen werden. Das spricht für eine starke Unterstützung exploitativer Tendenzen – was auch Liu und Leitner in ihrer Forschung zur „Umsetzungsphase“ von Projekten bereits feststellten (2012: 107). Weiterhin wird durch das Erkennen und Aufnehmen vorher unbekannter Probleme in der Projektarbeit in geringem Umfang eine Tendenz zu Exploration, also gegebenenfalls Änderungen an Aufgaben und gewünschten Ergebnissen, unterstützt.
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Routine 4: Status im Team austauschen Im Statusaustausch sollen sich die Teammitglieder gegenseitig über den Stand ihrer Aufgaben und mögliche Probleme auf täglicher Basis informieren. Innerhalb von insgesamt 15 Minuten soll jedes Teammitglied folgende drei Fragen beantworten: • Was habe ich gestern erreicht? • Was habe ich heute vor, um das Projekt-/Sprintziel zu erreichen? • Sehe ich Hindernisse oder benötige ich Unterstützung, um Projekt-/Sprintziel zu erreichen? (Schwaber und Sutherland 2017: 12)
das
Das soll sicherstellen, dass effiziente Wege der Aufgaben- oder Problemlösung unter allen Teammitgliedern geteilt und angewandt werden können. Diese Routine kann als konkrete Lösung für die Kernprobleme „Koordinieren von Arbeit“ und „Kontrollieren von Arbeit“ in temporären Organisationen angesehen werden (siehe Abschnitt 2.3.3). Die beschriebenen Praktiken unterstützen die Optimierung von Aufgaben, also Exploitation. Da allerdings ebenso Wissen über auftretende Probleme transparent wird und so ggf. zu Änderungen in Aufgaben führt, wird damit auch eine (geringere) explorative Tendenz unterstützt. Insgesamt wird also eine Mischung aus Exploration und Exploitation erleichtert, mit einer stärkeren Gewichtung von Exploitation. Routine 5: Kundenfeedback erhalten Während des Kundenfeedbacks soll dem Kunden der aktuelle Stand der Projektergebnisse (z. B. anhand von Prototypen) vorgestellt werden, um frühzeitig dessen Feedback zu erhalten. Dieses Feedback soll dazu dienen, ggf. die Projektziele, erwarteten Projektergebnisse oder die Priorisierung der Aufgaben (über das Product Backlog) für die nächste Iteration anzupassen (Schwaber und Sutherland 2017: 13). Diese Routine kann als konkrete Lösung für die Kernprobleme „Koordinieren von Arbeit“ und „Kontrollieren von Arbeit“ in temporären Organisationen angesehen werden (siehe Abschnitt 2.3.3). Als Artefakte können sich die vorgezeigten und bewerteten Projektergebnisse bzw. deren Prototypen ergeben (z. B. Konzepte in PowerPoint, Teilfunktionen von Software, technische Simulationen). Das explizite Sammeln von Feedback des Kunden erschließt dem Projektteam potentiell bisher unbekanntes Wissen (des Kunden) und erleichtert dadurch Exploration. Gleichzeitig dient das Kundenfeedback auch der Optimierung des bereits Bestehenden, unterstützt also zu einem geringeren Grad auch Exploitation. Damit
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lässt sich analog der Planung der Arbeitsphase von einer stärkeren explorativen Tendenz mit schwächerer exploitativer Tendenz ausgehen. Routine 6: Teamfeedback geben In der letzten Routine einer Iteration sollen sich Teammitglieder gegenseitig Rückmeldung geben, wie sie die Iteration in Bezug auf Vorgehen, Zusammenarbeit oder Prozesse empfunden haben. Das Feedback hat den Zweck, Verbesserungsideen zu identifizieren und in der nächsten Iteration umzusetzen (Schwaber und Sutherland 2017: 14). Diese Routine kann als konkrete Lösung für das Kernproblem „Kontrollieren von Arbeit“ in temporären Organisationen angesehen werden (siehe Abschnitt 2.3.3). Auch hier kann ähnlich wie in Routine 4 „Statusaustausch im Team“ neues Wissen über Probleme resultieren. Damit ist es möglich, Exploration zu erleichtern. Gleichzeitig kann das Teamfeedback jedoch auch zur Optimierung der bestehenden Projektarbeit dienen. Insgesamt sollten also sowohl Exploitation als auch Exploration strukturell erleichtert werden.
2.4.2
Cluster von Routinen in Scrum
Alle betrachteten Routinen haben den gemeinsamen, übergeordneten Zweck, das Projekt zu organisieren. Ihre Reihenfolge ist im Scrum Guide vorgegeben und das Ergebnis (Output) einer Routine dient typischerweise als direkter Input für die darauffolgende Routine. Aufgrund dieser Charakteristika werden sie als Cluster von Routinen nach Kremser und Schreyögg (2016) betrachtet. Ein Projekt nach Scrum besteht aus kontinuierlichen Wiederholungen von Iterationen. Innerhalb einer solchen Iteration werden die sechs Routinen in immer der gleichen Reihenfolge ausgeführt. Das heißt, die Iterationen sind strukturell identisch. Alle Iterationen sollen laut Scrum Guide die gleiche Länge zwischen ein und vier Wochen haben (Schwaber und Sutherland 2017: 9). Es sollen so viele Iterationen stattfinden wie nötig – bis entweder die Projektziele erreicht sind oder die gesetzte Frist abläuft. Die sechs Routinen innerhalb einer Iteration und ihre zugehörigen Praktiken sowie Artefakte sind in Tabelle 2.4 zusammengefasst. In Klammern findet sich die entsprechende Originalbezeichnung in Scrum.
Routine
Projektziele überprüfen und anpassen („Product Vision“, „Sprint Goal“)
Arbeitsphase planen („Sprint Planning“)
Projektarbeit leisten
Status im Team austauschen („Daily Scrum“ oder „Stand-up“)
Kundenfeedback erhalten („Review“)
Teamfeedback geben („Retrospective“)
Nr.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
• Teammitglieder geben sich gegenseitig Rückmeldung, wie sie die vergangene Iteration hinsichtlich Vorgehen und Zusammenarbeit erlebt haben. • Das Team bespricht Maßnahmen für die nächste Iteration.
• Das Team zeigt den bisherigen Stand der Projektergebnisse als „Prototyp“. • Der Kunde überprüft diese und gibt dem Team Rückmeldung. • Aufgaben werden je nach Rückmeldung abgeschlossen oder gehen in die Bearbeitung zurück.
• was sie am vorangegangenen Arbeitstag erreicht haben, • was sie am aktuellen Tag vorhaben (Aufgaben), • über mögliche Probleme und benötigte Unterstützung.
• Teammitglieder informieren sich gegenseitig darüber,
Projektergebnisse („Prototyp“)
Aufgaben
„Sprint Backlog“
Projektziele Sprintziele „Product Backlog“
Artefakte
2
• Teammitglieder arbeiten an ihren gewählten Aufgaben.
• Das Team diskutiert und wählt Aufgaben, die in der nächsten Arbeitsphase bearbeitet werden sollen. • Die gewählten Aufgaben werden in den „Sprint Backlog“ verschoben.
• Die Projektziele werden überprüft und ggf. mit dem Kunden angepasst. • Aufgaben werden aus den Projektzielen abgeleitet und bilden den „Product Backlog“. • Aus den Projektzielen werden Sprintziele für die folgende Arbeitsphase abgeleitet.
Praktiken
Tab. 2.4 Beschreibung der Routinen innerhalb einer Iteration in Scrum. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schwaber 2004)
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In Abbildung 2.7 sind die Routinen einer Scrum-Iteration anhand ihrer Tendenz zu Exploration/Exploitation im Zeitverlauf dargestellt. Der tatsächliche Zeitbedarf der Routinen kann in der Praxis abweichen.
Abb. 2.7 Muster explorativer und exploitativer Routinen in einer Scrum-Iteration. (Quelle: Eigene Darstellung)
Es fällt auf, dass in fast jedem Zeitpunkt sowohl Exploration als auch Exploitation erleichtert werden. Nichtsdestoweniger überwiegt bei den Routinen 1, 2 und 5 die Tendenz, Exploration zu erleichtern, bei den Routinen 3 und 4 hingegen diejenige, Exploitation zu fördern. Insgesamt wechseln sich damit in einer Iteration eher explorative und eher exploitative Routinen ab. Dieses Muster wiederholt sich in jeder Iteration.
2.4.3
Einflüsse auf das Cluster
Der Scrum Guide propagiert die Einführung von drei Rollen in Projekten (Schwaber und Sutherland 2017: 6–8). Wie bereits in Abschnitt 2.2.3 festgestellt, stellen Rollen einen der wesentlichen Koordinationsmechanismen in permanenten wie auch temporären Organisationen dar (Bechky 2006; Biddle 1986; Gittell und Douglass 2012; Goffman 1961; Lynch 2007; Valentine und Edmondson 2015). Im Folgenden sollen die in Scrum propagierten Rollen auf ihren Einfluss hinsichtlich der Balancierung von Exploration und Exploitation analysiert werden. Der Scrum Guide schreibt folgende Rollen vor:
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• den Product Owner • den Scrum Master • das Projektteam
Product Owner Der Product Owner ist verantwortlich für das Produkt, an dem das Projektteam arbeitet (Schwaber und Sutherland 2017: 6). Er entwickelt hauptsächlich die Produktvision, verwaltet den Product Backlog und bildet die Kundenschnittstelle (Schwaber und Sutherland 2017: 15). Der Product Owner hat damit stärker inhaltliche als prozessuale Verantwortung. Er soll Projektziele entwickeln (Routine 1) und Aufgaben formulieren (Routine 2) sowie am Ende jeder Projektphase Feedback zum bis dahin erreichten Stand der Projektergebnisse geben (Routine 5). Er soll jedoch weder die Praktiken innerhalb der Scrum-Routinen noch die Reihenfolge und Durchführung der Routinen koordinieren und kontrollieren. Damit kann festgehalten werden, dass die Rolle des Product Owners nur geringen Einfluss auf die Balance von Exploration und Exploitation und damit auf die Entwicklung von Ambidextrie besitzt. Sie stellt eher eine Art „Proxy“ für den Kunden und die Stakeholder des Projekts dar oder diese übernehmen die Rolle gar. Daher sollten Änderungen an den Projektzielen, Projektaufgaben oder gewünschten Projektergebnissen zwar von ihr formuliert werden (z. B. wenn der Kunde eine Änderung der Projektziele wünscht und dies dem Product Owner mitteilt oder der Product Owner selbst dem Projektteam neue Aufgaben in den Product Backlog gibt). Jedoch geht der Anstoß für Routinen und Praktiken, in denen derartige Änderungen vorgebracht werden, nicht von dieser Rolle aus (Schwaber und Sutherland 2017: 6). Folgerichtig wird die Teilnahme (nicht Koordination oder Verantwortung!) des Product Owners bei den stärker explorativen Routinen (Routinen 1, 2 und 5) im Scrum Guide als unbedingt erforderlich beschrieben (Schwaber und Sutherland 2017: 9–14). Allerdings ist die Rolle des Product Owners nicht dafür verantwortlich, dass überhaupt Routinen durchgeführt werden, noch für deren Reihenfolge oder die darin enthaltenen Praktiken. Daher kann nicht von einer balancierenden Funktion hinsichtlich Exploration und Exploitation gesprochen werden. Scrum Master Der Scrum Master ist verantwortlich dafür, die Regeln von Scrum anhand des Scrum Guides durchzusetzen. Dazu soll er die Werte, Regeln und Praktiken von Scrum anderen erklären (Schwaber und Sutherland 2017: 7). Im Gegensatz zur
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Rolle des Product Owners hat die Rolle des Scrum Masters explizit eine koordinierende Verantwortung für die Einhaltung der Routinen und deren Praktiken: “The Scrum Master is responsible for the Scrum process, for teaching Scrum to everyone involved in the project (…) and for ensuring that everyone follows Scrum rules and practices” (Schwaber 2004: 7). Daraus kann auf einen substantiellen Einfluss des Scrum Masters auf die tatsächliche Durchführung von Scrum-Routinen geschlossen werden. Wenn beispielsweise der Scrum Master unter hohem Leistungsdruck steht bzw. Resultate liefern muss, dann könnte er dazu geneigt sein, eher explorative Routinen wie das Kundenfeedback (Routine 5) abzukürzen oder wegzulassen, um Zeit für eher exploitative Projektarbeit (Routine 3) zu gewinnen (vgl. Annosi u. a. 2018). Das verschöbe die Balance zwischen Exploration und Exploitation in Richtung Exploitation und könnte die Entstehung von Ambidextrie im Projekt gefährden. Solch ein Fall entspräche einer bereits diskutierten selbstverstärkenden Tendenz von Organisationen zu Exploitation aufgrund deren kurzfristiger Vorteile (Levinthal und March 1993; March 1991). Projektteam Das Projektteam ist dafür verantwortlich, Funktionalitäten zu entwickeln und in jeder Iteration aus Aufgaben Prototypen von Projektergebnissen zu erarbeiten (Schwaber 2004: 7). Im Gegensatz zur Rolle des Product Owners ist das Projektteam bei sämtlichen Routinen involviert und die Rolle des Scrum Masters ist angehalten, das Team in die Gestaltung des Vorgehens stark miteinzubeziehen. Das kann zur Folge haben, dass z. B. das Projektteam vorschlägt, das Teamfeedback (Routine 6) am Ende der Projektphase wegzulassen, da sich die Teammitglieder unbehaglich dabei fühlen, Kolleginnen und Kollegen Feedback zu geben, und stattdessen ein eher technisches Kundenfeedback (Routine 5) zu verlängern. Neben der Rolle des Scrum Masters wird daher angenommen, dass auch das Projektteam beeinflusst, welche Scrum-Routinen und Praktiken tatsächlich durchgeführt werden. Das bedeutet, dass das Projektteam einen Einfluss auf die Balance zwischen Exploration und Exploitation ausübt.
2.4.4
Auswirkungen des Clusters
Im Folgenden werden die bisher untersuchten Elemente von Scrum hinsichtlich ihrer Auswirkung auf Ambidextrie analysiert:
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• das Cluster von Routinen • die Rollen Scrum Master und Projektteam Zunächst erleichtert das bereits diskutierte Muster abwechselnd explorativer und exploitativer Routinen die Balancierung von Exploration und Exploitation. Daher wird angenommen, dass das Cluster von Routinen sequentielle Ambidextrie in Projekten ermöglicht. Dabei ist das grobe Muster aus abwechselnden explorativen und exploitativen Routinen wichtiger als die „präzise“ (sowieso nicht genau bestimmbare) Tendenz jeder einzelnen Routine (vgl. Gupta u. a. 2006: 694). Weiterhin wurde festgestellt, dass es die Rolle Scrum Master erleichtert, die tatsächliche Durchführung und den Wechsel zwischen explorativen und exploitativen Routinen zu koordinieren. Damit wird angenommen, dass die Rolle des Scrum Masters punktuelle Ambidextrie ermöglicht. Andere typische Rollen in Projektmanagementmethoden wie z. B. „Projektleiter/-in“ erfüllen eine ähnliche koordinierende Funktion und können daher ebenso mit punktueller Ambidextrie in Verbindung gebracht werden (Aubry und Lièvre 2010; Birkinshaw und Gupta 2013: 12 ff.). Das Projektteam kann, wie bereits gesehen, ebenfalls einen Einfluss auf die tatsächliche Durchführung von Routinen und Praktiken ausüben. Darüber kann sich das Muster aus Exploration und Exploitation im Projekt verändern. Dies entspricht dem bereits vorgestellten Konzept der verteilten Ambidextrie (siehe Abschnitt 2.1.1). Es wird also argumentiert, dass sich die Rollen in Scrum auf die Entwicklung kontextueller Ambidextrie auswirken. Speziell die Rolle des Scrum Masters erleichtert punktuelle Ambidextrie und die des Projektteams ermöglicht das Ausüben verteilter Ambidextrie. Dabei ist von einer Wechselwirkung auszugehen, das heißt, es wirken sowohl die Rollen auf das bereits analysierte Cluster an Routinen als auch das Cluster auf die Rollen (Sewell 1992). Zusammenfassend können sich, als Auswirkung des Clusters an Routinen, • sowohl sequentielle Ambidextrie • als auch kontextuelle Ambidextrie entwickeln. Damit wird ersichtlich, wie ein Wechsel zwischen Exploration und Exploitation sowohl durch ein Muster an Routinen als auch durch Rollen erleichtert werden kann – ein bislang unzureichend erforschter Mechanismus (Bidmon und Boe-Lillegraven 2019; Turner u. a. 2016a: 849; eine erste, frühe Version dieser Analyse findet sich in Sailer 2019).
2.4 Konzeptionelles Framework
2.4.5
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Zusammenführung zu einem konzeptionellen Framework
Die bisherigen Überlegungen und theoretischen Ergebnisse können wie folgt festgehalten werden: • Bestimmte Routinen in Scrum (Routinen 1, 2 und 5) erleichtern stärker Exploration (hinsichtlich der Projektziele, Aufgaben und Projektergebnisse). • Andere Routinen in Scrum (Routinen 3 und 4) fördern wiederum stärker Exploitation (hinsichtlich der Projektziele, Aufgaben und Projektergebnisse). • Das sich stetig wiederholende Muster aus (grob) abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen in Scrum ermöglicht sequentielle Ambidextrie in Projekten. • Die Rolle des Scrum Masters erleichtert die Durchführung und die Koordination abwechselnd explorativer und exploitativer Routinen und ermöglicht so kontextuelle (punktuelle) Ambidextrie. • Das Projektteam ist in der Lage, das Muster aus abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen zu beeinflussen und damit kontextuelle (verteilte) Ambidextrie zu ermöglichen. Abbildung 2.8 führt diese theoretischen Aussagen in Form eines konzeptionellen Frameworks zusammen und stellt dar, wie Routinen und Rollen in Scrum zu dynamischer Ambidextrie auf Projektebene führen können. Es wird von dynamischer Ambidextrie gesprochen, da, erstens, durch die Konzeption von Scrum als Routinen, zeitliche Dynamik eingeführt wird und, zweitens, die tatsächliche Durchführung der Routinen in Wechselwirkung mit Strukturen wie ostensivem Aspekt und Rollen, also dynamisch, erfolgt. Damit kann von dynamischer Balancierung, anstatt von statischer Balance gesprochen werden. Dieses Framework und seine dahinterstehenden theoretischen Aussagen sind als eine erste Antwort auf die Forschungsfrage „Wie beeinflusst Scrum, als agiles Vorgehen, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten?“ zu verstehen.
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Entwicklung eines konzeptionellen Frameworks
Abb. 2.8 Konzeptionelles Framework. (Quelle: Eigene Darstellung)
3
Empirische Untersuchung
Die nachfolgende empirische Untersuchung dient zur Erweiterung, Korrektur und Verfeinerung der Konzepte des bislang theoretisch entwickelten konzeptionellen Frameworks und der Beziehungen dieser Konzepte (Kubicek 1977; Ravitch und Riggan 2016; Wolf 2013). Dieses Vorgehen entspricht einer Forschungsstrategie der “theory elaboration”, d. h. der Weiterentwicklung bestehender Theorien und theoretischer Konzepte, die sich besonders für erst teilweise erforschte Phänomene anbietet (Edmondson und McManus 2007; Fisher und Aguinis 2017). Dazu wird • zuerst auf die Methodologie eingegangen, • danach wird das Forschungsdesign detailliert, bevor • abschließend der Kontext der Untersuchung sowie die Fallstudie näher beschrieben werden.
3.1
Methodologie
Im Folgenden soll diese Arbeit zunächst hinsichtlich ihres wissenschaftstheoretischen Zugangs sowie des Forschungsansatzes verortet werden.
Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-32054-6_3.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. Sailer, Dynamische Ambidextrie durch interdependente Routinen, Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32054-6_3
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Empirische Untersuchung
• Dazu wird zuerst eine passende erkenntnistheoretische Einbettung des Forschungsvorhabens und der gewählten Theorien diskutiert. • Danach wird gezeigt, wie sich dieser wissenschaftstheoretische Ansatz und die Forschungsfrage konsistent im gewählten Forschungsansatz niederschlagen. • Als Nächstes wird systematisch eine Forschungsmethodologie gewählt. • Zuletzt wird auf Möglichkeiten der Generalisierbarkeit auf Basis der so gewählten Methodologie eingegangen.
3.1.1
Wissenschaftstheoretischer Zugang
Wissenschaftstheoretische Zugänge können vereinfacht gesagt anhand eines • eher „objektiven Paradigmas“ (Realismus) oder • eines eher „subjektiven Paradigmas“ (Konstruktivismus) unterschieden werden (Burrell und Morgan 1979). Sie können sich dabei auf • die Wirklichkeit selbst beziehen, dies entspricht einem ontologischen Zugang, oder • auf unser „Wissen“ von der Wirklichkeit, dies entspricht einem erkenntnistheoretischen Zugang, rekurrieren. Weiterhin kann unterschieden werden, ob mit Wirklichkeit • die physische Wirklichkeit oder • die soziale Wirklichkeit gemeint ist (Collin 2008). Zum ontologischen Zugang ist zunächst festzuhalten: Ansätze, die eher einem objektiven Paradigma folgen, wie der Realismus, gehen davon aus, dass es eine von uns unabhängige Wirklichkeit gibt. Diese Position ist überzeugender als ein ontologischer Konstruktivismus, der von einer von uns abhängigen Wirklichkeit ausgeht. Der Grund hierfür liegt darin, dass „die physische Wirklichkeit auch kaum eine soziale Konstruktion sein [kann], denn wie sollten Menschen etwas konstruieren können, das eine Voraussetzung ihrer eigenen Existenz bildet?“ (Collin 2008: 33). Es wird für diese Arbeit also ein ontologischer Realismus vertreten. Hinsichtlich des erkenntnistheoretischen Zugangs ist Folgendes zu beachten: Der erkenntnistheoretische Realismus geht davon aus, dass unser Wissen von der
3.1 Methodologie
63
Wirklichkeit diese Wirklichkeit (unabhängig von uns) repräsentiert. Hierbei muss allerdings unterschieden werden: Für physische Phänomene bietet der erkenntnistheoretische Realismus mit der Annahme objektiver Naturgesetze gut gestützte (und alltagstaugliche) Erklärungen. Dies zweifeln auch Autorinnen und Autoren, die einem eher subjektiven Paradigma folgen, häufig nicht an. Daher wird auch für diese Arbeit ein erkenntnistheoretischer Realismus in Bezug auf die physische Welt vertreten. Für menschlich-soziale Phänomene bieten Zugänge, die einem eher subjektiven Paradigma folgen, wie der Konstruktivismus, allerdings eine attraktive, ergänzende Position, um die dynamische Produktion sozialer Phänomene zu erklären (Ameln 2004: 197–201). Ein solcher erkenntnistheoretischer Konstruktivismus, der sich auf die soziale (nicht physische) Wirklichkeit richtet, versteht unser Wissen der sozialen Wirklichkeit als Konstruktion. Das bedeutet, dass unser Wissen die soziale Wirklichkeit nicht im buchstäblichen Sinne widerspiegelt, sondern geschichtlich und sozial bedingt ist. Dies erscheint plausibel, wenn man sich z. B. die fortdauernde Entwicklung neuer Theorien und Perspektiven, die sich üblicherweise parallel zu den sozialen Phänomenen, die sie beschreiben, fortentwickeln, in den Sozialwissenschaften anschaut (Collin 2008: 30). Deshalb wird für diese Arbeit ein erkenntnistheoretischer Konstruktivismus in Bezug auf soziale Wirklichkeit vertreten. Da sich das Forschungsinteresse gerade auf eine solche prozesshafte Erschaffung sozialer Wirklichkeit richtet, wird im Folgenden der Konstruktivismus näher betrachtet (Brühl 2015: 69 ff.; Fried 2001: 41 ff.; Kirsch u. a. 2007: 15 ff.; Wolf 2013: 505–527). Den unterschiedlichen (erkenntnistheoretisch)konstruktivistischen Ansätzen ist gemeinsam, „(…) dass sie das Verhältnis zur Wirklichkeit problematisieren, indem sie konstruktive Prozesse beim Zugang zu dieser behandeln“ (Flick 2005b: 151). Die Grundüberzeugungen lassen sich nach Ameln so zusammenfassen: • „Das, was wir als unsere Wirklichkeit erleben, ist nicht ein passives Abbild der Realität, sondern Ergebnis einer aktiven Erkenntnisleistung. • Da wir über kein außerhalb unserer Erkenntnismöglichkeiten stehendes Instrument verfügen, um die Gültigkeit unserer Erkenntnis zu überprüfen, können wir über die Übereinstimmung zwischen subjektiver Wirklichkeit und objektiver Realität keine gesicherten Aussagen treffen.“ (2004: 3) Als Ansätze lassen sich im (erkenntnistheoretischen) Konstruktivismus grob zwei Richtungen unterscheiden:
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3
Empirische Untersuchung
• zum einen der soziale Konstruktivismus, nach dem unsere Wahrnehmungen und Erkenntnisse im Alltag vornehmlich sozial, d. h. historisch und kulturell geprägt, konstruiert werden (Berger u. a. 2016); • zum anderen der radikale Konstruktivismus, nach dem „(…) jede Form der Erkenntnis schon aufgrund der neurobiologischen Prozesse, die dabei involviert sind, nur zu den Bildern von der Welt und der Wirklichkeit, nicht jedoch zu beidem direkt Zugang ha[t]“ (Flick 2005b: 151). Während der soziale Konstruktivismus also die „Konstruktionsleistung“ der erlebten Wirklichkeit in sozialen Prozessen lokalisiert, verortet der radikale Konstruktivismus diese bereits in biologisch-psychologischen Prozessen von Individuen. Da die Befunde des radikalen Konstruktivismus umstritten sind, wird in dieser Arbeit ein erkenntnistheoretischer sozialer Konstruktivismus vertreten (Ameln 2004; von Foerster und Pörksen 1999; Maturana und Varela 1984; Von Foerster 2016). Die erkenntnistheoretische Position des Konstruktivismus bietet, wie jede andere wissenschaftstheoretische Position auch, Anlass zu einigen Einwänden. An dieser Stelle soll einer der häufigsten Kritikpunkte betrachtet werden (für eine ausführlichere kritische Diskussion siehe Ameln 2004: 192–197). Die Kritik lautet, dass im Konstruktivismus alles konstruiert sei, eine unabhängige Realität verneint werde und der Konstruktivismus somit in der Position des philosophischen Solipsismus („eigentlich existiert überhaupt nichts außerhalb von mir“) aufgehe (Flick 2005b: 152). In diesem Einwand werden allerdings ontologische und erkenntnistheoretische Zugänge zur Wirklichkeit vermengt. Darauf entgegneten beispielsweise Glasersfeld u. a. (1997: 223 f.), dass der Konstruktivismus gerade nicht eine äußere Realität leugne (d. h. kompatibel mit einem ontologischen Realismus sein könne), sondern lediglich unseren unmittelbaren Zugang zu dieser äußeren Realität in Frage stelle (also den erkentnistheoretischen Zugang problematisiere). Der Konstruktivismus behauptet einen nur mittelbaren Zugang zur äußeren Realität, d. h. einen Zugang abhängig von „(…) Wahrnehmungen und Begriffen, die wir verwenden und konstruieren“ (Flick 2005b: 152). Er konzentriert sich auf Prozesse der Erkenntnisentstehung und ist damit vornehmlich eine epistemologische Theorie, welche die Wahrnehmung der Wirklichkeit erklärt, keine ontologische Theorie, welche die Wirklichkeit an sich erklärte (Glasersfeld und Schmidt 1997: 187). Auch kann gerade nicht alles nach Belieben konstruiert werden; Konstruktionen können an der „tatsächlichen“ (ontischen) Wirklichkeit scheitern (Glasersfeld und Schmidt 1997: 193 f.; Kirsch u. a. 2007: 15 f.). Das bereits in der Forschungsfrage anklingende Interesse an „Wie“-Fragen (anstatt „Was“-Fragen) sowie die Wahl der Theorien und theoretischen Konzepte legen eine konstruktivistische Position nahe. Konkret liegt beispielsweise
3.1 Methodologie
65
das Fundament der Routinenforschung in Praxistheorien, die sich auf miteinander verschränkte Handlungen als überindividuelle, soziale Praktiken zur Herstellung sozialer Wirklichkeit fokussieren (Bongaerts 2007; Feldman und Orlikowski 2011; Nicolini 2013; Reckwitz 2003). Der Konstruktivismus bietet dazu eine passende theoretische Einbettung des Forschungsinteresses an der prozesshaften und dynamischen Erschaffung von sozialer Wirklichkeit. In dieser Arbeit wird daher • ein ontologischer Realismus in Verbindung mit einem • erkenntnistheoretischen sozialen Konstruktivismus (der sich auf menschlichsoziale Phänomene bezieht) als wissenschaftstheoretischer Zugang gewählt.
3.1.2
Forschungsansatz
Grundsätzlich lassen sich drei große empirische Forschungsansätze unterscheiden: • quantitative Forschung, • qualitative Forschung und • Mixed-Methods-Forschung. Wo in der quantitativen Forschung ein „objektives Paradigma“ (Realismus) dominiert, herrscht in der qualitativen Forschung ein „subjektives Paradigma“ (Konstruktivismus) vor (Burrell und Morgan 1979; Wrona 2006). In der MixedMethods-Forschung werden beide Paradigmen in unterschiedlichem Ausmaß in Form sowohl qualitativer als auch quantitativer Elemente kombiniert und integriert (Johnson u. a. 2007; Schreier und Oda˘g 2010). Die Unterscheidungen der Forschungsansätze schlagen sich schließlich auch in Diskussionen über jeweils angemessene Gütekriterien nieder (dazu später mehr in Abschnitt 3.2.5). In enger Anlehnung an die Naturwissenschaften geht es quantitativer Forschung typischerweise um die „Entwicklung möglichst allgemeingültiger nomothetischer (mit Gesetzescharakter versehener) Erklärungen mittels deterministischer oder probabilistischer Gesetze und deren quantitativer Formulierung“ (Wrona 2006: 190). Häufig werden dazu Hypothesentests verwendet, um Aussagen empirisch zu überprüfen bzw. in Übereinstimmung mit dem kritischen Rationalismus nach Popper zu falsifizieren (Brühl 2015; Popper 1934; Poser 2012). Vorbedingung für ein solches Vorgehen ist jedoch das Vorliegen reifer Theorien und überprüfbarer Modelle mit operationalisierten Konstrukten (Edmondson und McManus 2007). Für das hier verfolgte Forschungsvorhaben
66
3
Empirische Untersuchung
sind diese Vorbedingungen nicht erfüllt, weiterhin passt das typischerweise objektive Paradigma quantitativer Forschung nicht zum gewählten konstruktivistischen Zugang. Im Gegensatz zu quantitativer Forschung geht es qualitativer Forschung eher um das kontextbezogene Verstehen von Einzelfällen und die „Beschreibung von Prozessen der Herstellung sozialer Situationen“ (Flick u. a. 2005B: 19). Besonders in den Sozialwissenschaften, insbesondere der soziologisch geprägten Organisationswissenschaft, werden zunehmend qualitative Methoden eingesetzt (von Rosenstiel 2005). Deren Vorteil ist „(…) weniger der breit angelegte Vergleich organisationaler Wirkungsmechanismen als vielmehr das Eindringen in die Tiefe des Einzelfalls“ (Kühl 2009a: 18). Es wird darauf hingewiesen, dass – im Gegensatz zur Wirklichkeit der unbelebten Natur – soziale Wirklichkeit sowohl von Menschen konstruiert wird als auch auf diese zurückwirkt (Berger u. a. 2016; Flick 2005b; Glasersfeld und Schmidt 1997). Als theoretische Grundannahmen qualitativer Forschung gelten nach Flick u. a.: • „Soziale Wirklichkeit als gemeinsame Herstellung und Zuschreibung von Bedeutungen. • Prozesscharakter und Reflexivität sozialer Wirklichkeit. • ‚Objektive‘ Lebensbedingungen werden durch subjektive Bedeutungen für die Lebenswelt relevant. • Der kommunikative Charakter sozialer Wirklichkeit lässt die Rekonstruktion von Konstruktionen sozialer Wirklichkeit zum Ansatzpunkt der Forschung werden.“ (2005a: 22) Dieses Verständnis hat große Ähnlichkeiten zu konstruktivistischen Grundannahmen (Wolf 2013: 518). Qualitative Methoden betonen damit besonders, „(…) dass soziale Wirklichkeit nicht unabhängig von Zeit und Raum als objektive Wahrheit zu begreifen sei. (…) Auch gilt die subjektive Wahrnehmung des Forschers nicht als Störquelle, sondern als selbstverständlicher Bestandteil des Forschungsprozesses“ (Kühl 2009a: 18). Das passt gut zum gewählten (erkenntnistheoretisch)konstruktivistischen Zugang des vorliegenden Forschungsvorhabens. Da sich ein quantitativer Ansatz nicht für diese Arbeit eignet, scheidet auch der dritte Forschungsansatz, die Mixed-Methods-Forschung (die ja quantitative und qualitative Elemente kombiniert), aus und wird nicht weiter diskutiert. Konsistent mit dem wissenschaftstheoretischen Zugang und der explorativen Forschungsfrage wird ein qualitativer Forschungsansatz für das weitere Vorgehen in dieser Arbeit gewählt.
3.1 Methodologie
3.1.3
67
Wahl der Forschungsmethodologie
Nach der Festlegung auf einen qualitativen Forschungsansatz soll als nächster Schritt eine geeignete Forschungsmethodologie ausgewählt werden. Yin (2018) stellt Indikationen zur Auswahl der Forschungsmethodologie bereit anhand • der Art der Forschungsfrage, • der benötigten Verhaltenskontrolle (also der Situation und des Umfelds) und • des zeitlichen Fokus. In Tabelle 3.1 werden diese in einer Übersicht dargestellt. Tab. 3.1 Indikationen für Forschungsmethodologien nach Yin. (Quelle: Yin 2018: 9, eigene Übersetzung) Forschungsmethodologie
Art der Forschungsfrage
Wird Kontrolle über Verhalten benötigt?
Fokus auf zeitnahe Ereignisse?
Experiment
Wie, warum?
Ja
Ja
Umfrage
Wer, was, wo, wie viele, wie viel?
Nein
Ja
Dokumentenanalyse (“archival analysis”)
Wer, was, wo, wie viele, wie viel?
Nein
Ja/Nein
Geschichte
Wie, warum?
Nein
Nein
Fallstudie
Wie, warum?
Nein
Ja
Werden diese drei Indikationen auf die in dieser Arbeit behandelte Forschungsfrage bezogen, ergibt sich zunächst hinsichtlich der Art der Forschungsfrage, dass diese eine „Wie“-Frage ist. Weiterhin wird keine Kontrolle über Verhalten benötigt, da das praxistheoretische Fundament nicht gut zu Laborsituationen (wie in Experimenten) passt. Vielmehr wird gerade das Erfassen des Kontexts und tatsächlicher Handlungsmuster in einem „echten“ (nicht simulierten) Projekt als hoch relevant eingeschätzt. Weiterhin werden mit der Forschungsfrage zeitnahe Ereignisse fokussiert. Im Hinblick auf die gewählte Routinenperspektive ist es relevant, Routinen nicht nur nacherzählt (Umfragen) oder anhand von Dokumenten (Dokumentenanalyse) beschrieben zu bekommen, sondern tatsächlich auch „live“ deren Praxis zu beobachten. Die Anwendung der Indikationen
68
3
Empirische Untersuchung
für Fallstudien auf das hier vorliegende Forschungsdesign wird in Tabelle 3.2 dargestellt.
Tab. 3.2 Indikationen für Fallstudien – angewandt auf das Forschungsvorhaben. (Quelle: Yin 2018: 9–13) Kriterium
Indikation für Fallstudien
Ausgestaltung im Forschungsvorhaben
Art der Forschungsfrage
„Warum“- und „Wie“-Fragen
Erfüllt (Wie beeinflusst Scrum, als agiles Vorgehen, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten?)
Kontrolle über Verhalten
Nein
Erfüllt (nicht benötigt und auch kaum möglich)
Fokus auf zeitnahe Ereignisse
Ja
Erfüllt (soziale Praktiken und Routinen müssen auch zeitnah, d. h. „live“, beobachtet werden)
Damit ist eine Fallstudie ein geeignetes Grundmodell zur Untersuchung der Forschungsfrage. Im Detail lassen sich folgende Vorteile konstatieren: • Eine Fallstudie ist hochsensibel für den organisationalen Kontext, in dem Routinen durchgeführt werden; • sie ermöglicht, auf komplexe soziale Praktiken zu fokussieren, und • erlaubt es, ein tiefes Verständnis eines noch wenig erforschten Phänomens zu erlangen und dabei bestehende Theorien und Konzepte weiterzuentwickeln (Edmondson und McManus 2007; Eisenhardt und Graebner 2007; Fisher und Aguinis 2017; Ridder 2017; Siggelkow 2007; Yin 2018). • Fallstudien eignen sich auch für einen konstruktivistischen Zugang (Lincoln und Guba 2013: 79). Innerhalb der Forschung mit Fallstudien können grob vier Richtungen unterschieden werden (Ridder 2017; vgl. Ridder u. a. 2016: 153–158): • Erforschende, beschreibende und erklärende Fallstudien nach Yin (2018) • Entwicklung von Theorien aus Fallstudien nach Eisenhardt (1989) • Konstruktivistische Forschung mit Fallstudien zur hermeneutischen Beschreibung neuer oder noch nicht verstandener Phänomene nach Stake (2005)
3.1 Methodologie
69
• Erweiterte Fallstudien (“extended case studies”) zur Untersuchung von Anomalien nach Burawoy (2009) Aufgrund des für Fallstudien systematischen Vorgehens wird nachfolgend auf Yin Bezug genommen. Trotz seiner eher realistischen Grundhaltung betont er, dass viele der beschriebenen Empfehlungen auch für konstruktivistisch angelegte Fallstudien hilfreich sein können (Yin 2018: 16). Die Entwicklung einer vollständigen Theorie, wie von Eisenhardt (1989) vorgeschlagen, wird hingegen ebenso wenig verfolgt wie die hauptsächliche Untersuchung von Anomalien, wie sie Burawoy (1998) für seinen Ansatz vorschlägt, oder von gänzlich neuen Phänomenen mittels des hermeneutischen Konzepts von „Verstehen“ nach Stake (1978). Nach Yin wird eine Fallstudie dabei definiert als eine empirische Methode, die ein zeitgenössisches Phänomen (den Fall) eingehend und in seinem echten Kontext untersucht; besonders wenn die Grenzen des Phänomens nicht klar sind. Eine Fallstudie wird unterschiedlichen Situationen gerecht, in denen es weit mehr interessante Variablen als Datenpunkte gibt und in denen eine vorherige Entwicklung theoretischer Annahmen hilfreich ist, die das Design der Datensammlung und -analyse anleiten. Eine Fallstudie beruht auf verschiedenen Datenquellen, so dass Daten trianguliert werden können (Yin 2018: 15, eigene Übersetzung).
3.1.4
Generalisierung
Die Ergebnisse empirischer Forschung bringen unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten mit sich. Generalisierung nimmt Bezug auf das Ausmaß, in dem von den jeweiligen empirischen Beobachtungen auf sämtliche zulässigen Beobachtungen verallgemeinert werden kann (Himme 2009). Dabei lässt sich grundsätzlich unterscheiden zwischen • statistischer Generalisierung und • theoretischer Generalisierung. Das Ziel quantitativer Forschung liegt typischerweise darin, Gesetzmäßigkeiten zu erklären und Phänomene durch diese prognostizierbar zu machen. Die Ergebnisse dieser Art von Forschung sollen demnach verallgemeinerbar sein, d. h. möglichst allgemeingültig für eine Population oder zumindest eine große Zahl an Individuen, Situationen oder Fälle. Dies entspricht einer statistischen Generalisierbarkeit und kann zum Beispiel über die Repräsentativität von Stichproben erreicht werden.
70
3
Empirische Untersuchung
Im Unterschied hierzu liegt das Ziel qualitativer Forschung eher darin, den Sinn von Handlungen sowie deren kontextbezogene Bedeutung zu verstehen. Die Ergebnisse dieser Art von Forschung sind also nicht auf ganze Populationen verallgemeinerbar, sondern situations- und kontextspezifisch. Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse für andere Kontexte ist damit von Fall zu Fall zu untersuchen. Dies geschieht auf theoretischem Wege, indem der Grad der Übereinstimmung zwischen untersuchtem Kontext und weiteren potentiell relevanten Kontexten diskutiert und argumentativ vertreten wird. Das entspricht einer theoretischen Generalisierung und kann zum Beispiel über das theoretische Sampling typischer oder extremer Einzelfälle erreicht werden (Wichmann 2019; Flick 2005a; für die Case-Study-Forschung siehe z. B. Ridder u. a. 2016: 213–216; Yin 2018: 20 f.). Für die vorliegende Fallstudie erfolgte die Auswahl des Falles über ein theoretisches Sampling, d. h., es wurde ein besonders relevanter Fall ausgewählt, der umfangreiche Erkenntnisse hinsichtlich der Forschungsfrage verspricht. Details zur Auswahl des Falles werden im Abschnitt zum Forschungsdesign in Abschnitt 3.2.2 besprochen. Eine damit mögliche theoretische Generalisierung für weitere Kontexte und Fälle erfolgt in Abschnitt 5.3.
3.2
Forschungsdesign
Bisher wurden • ein sozial-konstruktivistischer Zugang, • ein qualitativer Forschungsansatz sowie • Forschung mit Fallstudien als geeignete Methodologie gewählt. In diesem Kapitel wird nun das konkrete Forschungsdesign spezifiziert: • Zunächst wird auf die Beziehung des Forschers zu den Beteiligten eingegangen, • danach die Wahl des Falls begründet, • die genutzten Methoden zur Sammlung • und zur Analyse der Daten werden erläutert • sowie Gütekriterien zur Beurteilung des Forschungsdesigns besprochen und auf das Forschungsdesign dieser Arbeit bezogen. Unter einem Forschungsdesign wird die Planung einer empirischen Untersuchung verstanden, d. h. die Planung der Datenerhebung und -analyse im Hinblick auf die
3.2 Forschungsdesign
71
Forschungsfrage im Rahmen der zur Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen und Mittel (Flick 2005a). Zur Sicherung der übergreifenden Qualität empirischer Forschung sollte also ein explizites Forschungsdesign vorliegen. In der qualitativen Forschung hat sich das „interaktive Modell“ von Maxwell (2008) bewährt und soll in dieser Arbeit genutzt werden (für weitere Modelle siehe z. B. Flick 2005a; Miles u. a. 2014). Es umfasst fünf Komponenten: • • • • •
Ziele (übergreifendes Forschungsinteresse) Forschungsfrage Konzeptionelles Framework (theoretische Vorüberlegungen) Methoden Qualität/Güte
Maxwell (2008: 215) bezeichnet sein Modell explizit als „interaktives“ Modell, da sich die Komponenten gegenseitig beeinflussen und keine strikte zeitliche Abfolge vorgegeben wird (vgl. Abb. 3.1).
Abb. 3.1 Interaktives Modell eines Forschungsdesigns nach Maxwell. (Quelle: Maxwell 2012: 5, eigene Übersetzung)
In dieser Arbeit finden sich diese Komponenten an folgenden Stellen: • Die Elemente „Ziele“ und „Forschungsfrage“ wurden in Abschnitt 1.1 behandelt.
72
3
Empirische Untersuchung
• Das konzeptionelle Framework wurde in Abschnitt 2.4.5 vorgestellt. • Auf das Element „Qualität/Güte“ wird in Abschnitt 3.2.5 eingegangen. • Das Element „Methoden“ wird in den folgenden Abschnitten besprochen. Maxwell unterscheidet (2008: 233–240) dabei vier Komponenten: • Beziehung Forscher/-in – Beteiligte • Sampling-Strategie zur Auswahl, wer oder was untersucht wird • Datensammlung • Datenanalyse Diese vier Komponenten werden nachfolgend detailliert beschrieben.
3.2.1
Beziehung Forscher – Beteiligte
Der Autor der vorliegenden Arbeit war während der empirischen Untersuchung in der Rolle eines internen Beraters der noch vorzustellenden internen Beratung (siehe Abschnitt 3.3.1) teilnehmender Beobachter und beobachtete offen, d. h. mit informiertem Einverständnis der Beteiligten vorab. In der Fallstudie unterstützte er als Berater zwei erfahrenere Senior-Berater in einem Projekt (siehe Abschnitt 3.3.2). Wichtig für das Verständnis seines Einflusses ist, dass er die untersuchten Routinen innerhalb des Projekts nicht aktiv veränderte, da zum einen das Projekt bereits im April 2018 begonnen hatte und er erst Anfang Juni zur Unterstützung dazustieß und er zum anderen eine unterstützende Funktion innehatte und nicht die Rolle des Projektleiters, der für die Organisation des Projekts zuständig war. Die Wirkung einer Beobachterin oder eines Beobachters auf das Verhalten der Beteiligten, also Reaktivität als mögliche Verzerrung (“bias”), kann bei Fallstudien in natürlicher Umgebung als unproblematisch angenommen werden (Maxwell 2008: 243). Das liegt daran, dass in natürlicher Umgebung (im Gegensatz zu experimentellen Umgebungen wie z. B. einem Labor) die Situation bzw. der Kontext normalerweise größeren Einfluss auf das Verhalten der Beteiligten hat als ein/-e Beobachter/-in (Becker 1970: 45–51; Weischer und Gehrau 2017: 174). Es wurde trotzdem darauf geachtet, dass Feldnotizen zu Beobachtungen nicht in Anwesenheit von Beteiligten geschrieben wurden, um Interaktionen nicht zu beeinträchtigen (Przyborski und Wohlrab-Sahr 2014: 53). Ein Insiderzugang hat signifikante Vorteile. Der Zugang als “embedded investigator” (bzw. “complete participant”, Gold 1958: 219 f.) ermöglichte:
3.2 Forschungsdesign
73
• den raschen Aufbau von Vertrauensbeziehungen sowohl zu den anderen Beratern als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kundenunternehmens als „Kollege“; • ein tieferes Verständnis genutzter Fachausdrücke aufgrund bereits bestehender Beratungserfahrung. • Im Vergleich zur Situation externer Forscherinnen und Forscher kann weiterhin angenommen werden, dass der Grad an „sozialen Erwünschtheitseffekten“ in Gesprächen mit internen Kolleginnen und Kollegen (Berater/-innen wie Kundenmitarbeiter/-innen) niedriger ausfällt (Brannick und Coghlan 2007). Allerdings ergeben sich mit diesem Insiderzugang auch zwei potentielle Schwierigkeiten: • Rollenkonflikte (Karra und Phillips 2008: 9–17), • Schwierigkeiten, eine kritische Distanz aufrechtzuerhalten (Schwartz und Schwartz 1955). Zur ersten möglichen Schwierigkeit von Rollenkonflikten ist Folgendes anzumerken: Der Autor hatte zwei Rollen im Beratungsprojekt, einerseits als (wissenschaftlich-beobachtender) Forscher und andererseits als (praktischhandelnder) Berater der internen Beratung. Ein vollständig „objektiv-neutrales“ Beobachten stellt sich bereits aus der konstruktivistischen wissenschaftstheoretischen Position, die hier eingenommen wird (siehe Abschnitt 3.1.1), als prinzipiell unmöglich dar (Poser 2012: 34). Keiding (2010: 1) konstatiert hinsichtlich teilnehmender Beobachtung, dass Beobachtung immer schon Teilnahme heißt, da es keinen Weg gibt, nicht Teilnehmer/-in zu werden und als solche/-r das beobachtete Phänomen in Teilen mitzuproduzieren. Schon Beschreibungen können niemals neutral oder objektiv sein. Daher geht es bei qualitativer Forschung darum, den Einfluss und die Rolle der Forscherin oder des Forschers zu verstehen und bestmöglich zu nutzen (Maxwell 2008: 243). Um die Auswirkungen der Teilnahme und eventuell mögliche Rollenkonflikte zu bemerken und zu verstehen, wurden Beobachtungen und Gedanken dazu in Form von Memos dokumentiert (Przyborski und Wohlrab-Sahr 2014: 46). In dieser Selbstreflexion ergaben sich keine die Forschung beeinträchtigenden Rollenkonflikte. Zur zweiten möglichen Schwierigkeit einer kritischen Distanz ist festzustellen: Um eine kritische Distanz aufrechtzuerhalten, wurden Beobachtungen, Reaktionen und Kommentare von Beteiligten unmittelbar und so nahe am Geschehen wie möglich stichwortartig als Feldnotizen (“jottings”) auf einem Smartphone, Laptop
74
3
Empirische Untersuchung
oder handschriftlich in einem Notizbuch aufgezeichnet. Diese Feldnotizen wurden dann täglich nach Arbeitsende, zumeist Abends im Hotel, ohne Anwesenheit von Beteiligten innerhalb von 24 Stunden ausformuliert und in Form analytischer Memos reflektiert (Alaszewski 2006; DeWalt und DeWalt 2011; Emerson u. a. 2011; Webb 2009). Während dieses Ausformulierens wurden die Daten bereits codiert, so dass die Codes mit kontinuierlich neu hinzukommenden Daten immer weiter verfeinert werden konnten (iteratives Vorgehen angelehnt an die Grounded Theory, vgl. O’Reilly u. a. 2012). Eine ausführliche Beschreibung des Vorgehens findet sich im Abschnitt über die Datenanalyse (siehe Abschnitt 3.2.4). Weitere Punkte zur Qualitätssicherung werden in Abschnitt 3.2.5 angesprochen.
3.2.2
Sampling-Strategie: Auswahl des Falls
Die Auswahl des Falls erfolgt, im Gegensatz zu quantitativen Vorgehen, nicht mit statistischer Begründung (“random sampling”), sondern aus zweckmäßigen Gründen (“purposive sampling”) (Miles u. a. 2014: 31–37; Ridder u. a. 2016: 86, 162 f.). Nach Ridder (2016: 163) sollte ein Fall reichhaltige Informationen bezüglich der Forschungsfrage bieten, so dass man daraus etwas lernen, Theorien entwickeln, verfeinern oder prüfen kann. Als Sampling-Strategie wird auf einen Fall abgezielt, der relevant für die Forschungsfrage ist. Konkret bedeutet das, dass in dem gesuchten Fall Routinen (nach Scrum) innerhalb eines Projekts eingesetzt werden und Exploration sowie Exploitation eine wichtige Rolle spielen sollten. Um das Zusammenspiel von Exploration und Exploitation zu studieren, bieten sich Unternehmen aus dem Bereich sogenannter „Professional-Service-Firms“ (PSF) besonders an. Dies liegt daran, dass Routinen im PSF-Umfeld explorativ, d. h. flexibel und an Kundenwünsche anpassbar, sein müssen, während sie gleichzeitig exploitativ, d. h. hochstandardisiert, sein sollen, um sie besser optimieren und kontrollieren zu können (Abbott 1981; Briscoe 2007; Farjoun 2010: 216; Spee u. a. 2016; Turner und Rindova 2012: 44). Unternehmen aus dem PSF-Bereich werden in der einschlägigen Literatur anhand dreier Merkmale definiert: Wissensintensivität, geringe Kapitalintensität und eine professionalisierte Belegschaft (Von Nordenflycht 2010: 159). Als typische Vertreter des PSF-Bereichs gelten Unternehmensberatungen (Alvesson 2004; Kaiser und Ringlstetter 2010; Nissen 2018b: 3; Von Nordenflycht 2010). Diese haben oft mit einem hohen Grad an Unsicherheit zu kämpfen, es kann also von einem hohen Bedarf an Exploration und Flexibilität ausgegangen werden. Gleichzeitig sollen Berater/-innen häufig Kundenerwartungen erhöhter Sicherheit
3.2 Forschungsdesign
75
und Kontrolle entsprechen, womit von einem ebenso hohen Bedarf an Exploitation, Stabilität und Struktur ausgegangen werden kann (Czarniawska 2013; Ernst und Kieser 2002; Fincham 2002; Sturdy u. a. 2013). Damit erlauben besonders Routinen von Unternehmensberatungen, als typische Vertreter des PSF-Bereichs, das gleichzeitige Studium hoher Anforderungen an sowohl Exploration als auch Exploitation. Den Kontext der empirischen Untersuchung bildet daher eine Unternehmensberatung (siehe ausführlicher Abschnitt 3.3.1). Konkreter handelt es sich um die interne Beratung eines globalen Konzerns. Ein Projekt dieser internen Beratung stellt einen „besonders aufschlussreichen“ Fall (Eisenhardt und Graebner 2007: 27) dar, da das PSF-Umfeld signifikante Erkenntnisse hinsichtlich Exploration und Exploitation verspricht. Die interne Beratung nutzt zunehmend Routinen nach Scrum zum Organisieren von Projektarbeit, da in ihrem Arbeitskontext die Anforderungen an sowohl umfassende Exploration als auch intensive Exploitation besonders ausgeprägt sind. Etliche ihrer Berater/-innen sind in Scrum als Scrum Master geschult und erfahren. Die gewählte Analyseeinheit (“unit of analysis”) für die Fallstudie ist damit das spezifische Set an (Scrum-)Routinen in diesem Beratungsprojekt. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein Single-Case-Design (d. h. eine ausführliche qualitative Fallstudie eines Projekts) gewählt. Sich daraus ergebende Muster und Erkenntnisse können Theorien erweitern und analytisch für ähnliche Phänomene oder Fälle verallgemeinert werden. Diese theoretische Generalisierung darf jedoch nicht mit statistischer Generalisierung, wie sie bei quantitativen Methoden üblich ist, verwechselt werden (Ridder u. a. 2016: 213–216; Yin 2018: 20 f.). Eine nähere Ausführung dazu erfolgte bereits in Abschnitt 3.1.4.
3.2.3
Methoden der Datensammlung
Die gewählte Analyseeinheit (Routinen) liegt ontologisch auf der Mesoebene (d. h. auf Gruppenebene) (Brühl 2015: 53 f.). Daher sollten die erfassten Daten ebenfalls auf dieser Ebene angesiedelt sein. Das heißt, die Datenerfassungs-Einheit (“unit of data collection”) sollte sich ebenfalls auf Mesoebene und nicht beispielsweise auf Individualebene befinden (Yin 2018: 102). Als Datenerfassungs-Einheit werden „soziale Praktiken“ als Grundlage von Routinen gewählt (also nicht Intentionen, Motive oder Kognitionen von Individuen, sondern Muster interdependenter Handlungen mehrerer Akteurinnen und Akteure zu
76
3
Empirische Untersuchung
spezifischen Zeiten und an spezifischen Orten) (Nicolini 2013, besonders relevant S. 226 ff.). Die Fallstudie basiert hauptsächlich auf teilnehmenden Beobachtungen, um tatsächliches Verhalten zu erfassen (Weischer und Gehrau 2017). Darüber hinaus wurde das Cluster an Routinen im Projekt anhand weiterer Methoden betrachtet, also trianguliert (Flick 2005c: 309). Neben teilnehmender Beobachtung wurden formale Interviews und informale Interviews geführt sowie Artefakte in Form von Fotos und elektronischen internen Dokumenten gesammelt. Damit liegt in dieser Arbeit eine Daten- und Methodentriangulation vor (Flick 2005c). Die vorgenommene Triangulation dient nicht dazu, ein „totales“ Bild oder eine „objektive Wahrheit“ der Phänomene zu erlangen, da dies dem gewählten konstruktivistischen Ansatz (siehe Abschnitt 3.1) grundlegend widerspräche. Mit der Triangulation wurden vielmehr Theorien und Methoden kombiniert, um der „Analyse mehr Breite und Tiefe zu verleihen“ (Flick 2005c: 311). Triangulation wird als Strategie verstanden, „Erkenntnisse durch die Gewinnung weiterer Erkenntnisse zu begründen und abzusichern“ (Flick 2005c: 311; vgl. auch Denzin und Lincoln 2017). Im Vorfeld wurden sowohl dem beratenen Unternehmen und der internen Beratung als auch den Beteiligten Anonymität, Freiwilligkeit, NichtSchädigung, Datenschutz und Vertraulichkeit in Form informierter Einwilligungen/Einverständniserklärungen zugesichert (Hopf 2005; Yin 2018: 88 f.). Teilnehmende Beobachtungen Unter Beobachtung wird die „systematische Erfassung und Protokollierung von sinnlich oder apparativ wahrnehmbaren Aspekten menschlicher Handlungen und Reaktionen“ (Weischer und Gehrau 2017: 17) verstanden. Von teilnehmender Beobachtung ist die Rede, wenn der/die Forscher/-in auch am beobachteten Geschehen teilnimmt (Bachmann 2009; Becker und Geer 1957; DeWalt und DeWalt 2011). Beobachtungen über einen längeren Zeitraum sind besonders gut geeignet zur Untersuchung von Routinen, da sie es erlauben, die Aufmerksamkeit auf tatsächliche Handlungen, Interaktionen sowie Akteurinnen und Akteure zu richten, während gleichzeitig Kontext und Situation erfasst werden (Bachmann 2009: 267 ff.; Becker und Geer 1957; Keiding 2010; Pentland und Hærem 2015: 478; Schwartz und Schwartz 1955). Die Gratwanderung als teilnehmende/-r Beobachter/-in zwischen Nähe und Distanz (ohne Nähe wird man Situationen nicht verstehen, ohne Distanz wird man sie nicht reflektieren können, vgl. Przyborski und Wohlrab-Sahr 2014: 46) sowie die ergriffenen Maßnahmen, um eine kritische Distanz aufrechtzuerhalten, wurden bereits in Abschnitt 3.2.1 diskutiert.
3.2 Forschungsdesign
77
Mit dem Ziel, die Beobachtungen auf relevante Themen „auszurichten“, studierte der Autor vorab den Scrum Guide, Trainingsmaterial, welches die Berater in dem Projekt einsetzten, und das entwickelte konzeptionelle Framework (siehe Abschnitt 2.4.5). Um detaillierte Erkenntnisse zu gewinnen, wurden unter hohem Aufwand etwa 600 Stunden Beobachtungsdaten innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Monaten im Jahr 2018 generiert. Die teilnehmende Beobachtung fand großteils in Büroräumen des Kundenunternehmens statt. Der Autor nahm an Besprechungen und Telefonkonferenzen teil und unterstützte die beiden Senior-Berater in der täglichen Projektarbeit und in Trainings. Er verfasste Beobachtungen in Form von Feldnotizen und orientierte sich dabei an den Empfehlungen und Beispielen von Emerson u. a. (2011: 29 ff.). Der Vorteil eines solchen Insiderzugangs war, dass nicht nur formale Besprechungen, sondern auch die vielen alltäglichen Konversationen zwischen Besprechungen und „offiziellen“ Terminen sichtbar wurden. Zum Beispiel fanden formale und informale Diskussionen hinsichtlich des Projekts zwischen Beratern nicht nur in den Büroräumen des Kundenunternehmens statt, sondern auch an Freitagen in eigenen Büroräumen der Beratung, in Hotellobbys zum Frühstück, am Abend beim gemeinsamen Ausklang des Tages oder unter hohem Druck in manchen Projektphasen telefonisch am Wochenende. Ein konkretes Beispiel soll dies veranschaulichen: Bei einem Termin, der den Zweck hatte, Feedback von einem Vorstandsmitglied zu erhalten, konnten so nicht nur die formale Darbietung, sondern auch die Vorbereitung und die informale Nachbesprechung während des Mittagessens danach beobachtet werden. Bei etlichen Gelegenheiten wurde weiterhin beobachtet, wie Teammitglieder, Berater und die Projektleiterin des Kunden ihr subjektives Verständnis der eingesetzten (Scrum-) Routinen interessierten Besucherinnen und Besuchern anderer Abteilungen, neuen Teammitgliedern oder anderen Projektleiterinnen und -leitern erklärten. Formale Interviews Wie bereits ausgeführt, wurden formale Interviews mit allen Hauptbeteiligten (d. h. den ausführenden Personen) der (Scrum-)Routinen durchgeführt, um die Ergebnisse und Interpretationen aus den anderen Datenquellen zu triangulieren und zu stützen und damit insgesamt die Vertrauenswürdigkeit der Daten zu erhöhen (Guba und Lincoln 1985; Yin 2018). Für die formalen Interviews eigneten sich die drei Hauptbeteiligten (zwei Senior-Berater sowie die Projektleiterin des Kunden) am besten, da diese die einzigen Personen waren, die direkt und vor allem fortlaufend das Projekt mit
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3
Empirische Untersuchung
Hilfe der (Scrum-)Routinen organisierten. Dies entspricht den Empfehlungen von Huber und Power (1985), diejenigen Personen zu interviewen, die am meisten aus erster Hand über den Untersuchungsgegenstand wissen oder persönlich erfahren haben, um den Schwierigkeiten retrospektiver Darstellungen (wie z. B. “hindsight bias” oder “attributional bias”) zu begegnen (Fischhoff 2012; Nisbett und Ross 1980). Weitere Projektbeteiligte waren von den hier betrachteten Routinen entweder nur indirekt betroffen (und nicht an deren Durchführung beteiligt) oder nur sporadisch an der Durchführung beteiligt. Mit diesen weiteren Projektbeteiligten wurden daher keine formalen, sondern informale Interviews geführt. Die Interviews hatten eine Länge zwischen ca. 30 und 45 Minuten und wurden in einem ruhigen Besprechungsraum in den Bürogebäuden des Kundenunternehmens durchgeführt. Sie fanden in der letzten Woche des Beratungsprojekts statt und sollten eine nachträgliche Reflexion über das agile Vorgehen aus der jeweiligen subjektiven Sicht der/des Interviewten ermöglichen. Für die Interviews wurde eine separate Einverständniserklärung formuliert, die neben der Zusicherung von Anonymität, Datenschutz und Vertraulichkeit die Verarbeitung digitaler Audioaufnahmen beinhaltete. Die Interviews wurden dann digital über ein Smartphone aufgenommen und anschließend transkribiert. In den teilstrukturierten Interviews wurden die Interviewten gebeten zu beschreiben, wie sie das agile Vorgehen wahrgenommen hatten, was das Vorgehen beeinflusst hatte und welchen Einfluss das Vorgehen auf das Projekt hatte. Weiter wurden sie nach kritischen Ereignissen (“critical incidents”, vgl. Chell 2004) und spezifischen Herausforderungen befragt (für mehr Details siehe den teilstrukturierten Interviewleitfaden in Anhang I). Obwohl die Reflexionen von Beteiligten über die hier fokussierten Routinen und die Projektarbeit generell wertvoll sind, wurden Daten aus der teilnehmenden Beobachtung als Hauptdatenquelle genutzt, um typische, prinzipielle Einschränkungen von Interviews bezüglich Praktiken und Durchführung von Routinen zu überwinden (Alvesson 2003; Becker und Geer 1957). Viele Feinheiten der tatsächlichen Durchführung von Routinen wären verloren gegangen, würden formale Interviews die Hauptdatenquelle dieser Arbeit darstellen. Das liegt an den typischen Schwierigkeiten retrospektiver Darstellungen wie derjenigen, dass in Interviews typischerweise eine eher „geglättete“ Version von Ereignissen und Abläufen erzählt wird, die um allzu viele unangenehme und ungünstige Details „bereinigt“ wird, welche womöglich nicht mit der Selbstwahrnehmung der/des Interviewten übereinstimmen (Fischhoff 2012; Huber und Power 1985; Nisbett und Ross 1980). Nicolini (2013: 217 f.) merkt aus praxistheoretischer Sicht an, dass es nicht akzeptabel ist, Praktiken ausschließlich über Interviews oder Befragungen zu studieren da diese Methoden dem prozesshaften Verständnis sozialer Handlungen, das praxistheoretischen Ansätzen zugrunde liegt, zuwiderlaufen.
3.2 Forschungsdesign
79
Informale Interviews Zusätzlich zu formalen Interviews mit den Hauptbeteiligten wurden mit 48 verschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kundenunternehmens, von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Gruppenleiterinnen und -leitern und Projektleiterinnen und -leitern bis hin zu Top-Managerinnen und -Managern, informale Interviews geführt (Spradley 1979). Diese 48 Personen aus dem Kundenunternehmen waren an dem Projekt beteiligt, hauptsächlich als Teammitglieder der aufgebauten Verbesserungsteams. Sie führten die Routinen dabei nicht selbst durch, sondern wurden eher indirekt von diesen beeinflusst. Diese Personen wurden z. B. gefragt, wie sie die neu eingeführten Routinen wahrnähmen und was sie dabei als hilfreich und schwierig erfahren hätten. Oftmals begannen sie auch selbst ein Gespräch, indem sie ihr Verständnis eines agilen Vorgehens ansprachen und äußerten, was ihnen daran gefalle und was nicht. Im Zuge dieser Unterhaltungen konnte der Autor Fragen stellen, die jeweils zu einem informalen Interview führten, das sich dann ganz natürlich ergab; z. B. während der Zusammenarbeit im Projekt, vor und nach Terminen und Trainings oder während Kaffeepausen. Diese informalen Interviews dauerten zwischen 5 und 20 Minuten. Da sie spontan und informal (und damit nicht planbar) erfolgten, wurden keine Audioaufnahmen gemacht, sondern Feldnotizen der Antworten, Kommentare und Reaktionen im Nachhinein auf einem Smartphone, Laptop oder handschriftlich festgehalten. Wie bereits in anderen Studien im Kontext von Unternehmensberatungen (z. B. Costas und Kärreman 2016) dienten solche informalen Interviews dazu, die inhärenten Nachteile formaler Interviews in Teilen auszugleichen und zusätzliche Erkenntnisse hinsichtlich Problemen, Erwartungen und Praktiken der Routinen zu gewinnen. Artefakte Um Beobachtungen und theoretische Einsichten zu veranschaulichen, fotografierte der Autor regelmäßig verschiedene Artefakte wie den Projektraum oder das sogenannte “Kanban board” (Jordan 2018) mit seinem Smartphone (ca. 30 Aufnahmen). Das diente dazu, die Nutzung und die Veränderungen von Projektraum und Kanban board im Zeitverlauf rekonstruieren zu können. Ein weiteres wichtiges Artefakt war der Scrum Guide, die „offizielle“ Richtlinie für Scrum (Schwaber und Sutherland 2017). Weiterhin wurden zahlreiche interne Dokumente wie Beratungsangebote und -verträge, Präsentationen, Trainingsleitfäden und Reportings mit Bezug auf das agile Vorgehen gesammelt. Wiederum half der Zugang als Insider, nicht nur „Hochglanz“-Präsentationen, die zur Veröffentlichung bereitstanden, zu erhalten, sondern auch Entwürfe oder
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3
Empirische Untersuchung
interne Dokumente wie Kennzahlen und Trainingsmaterial, das die Berater nicht mit dem Kunden teilten. Die Sammlung von Artefakten diente dazu, den Einfluss materieller Dinge auf Routinen und Praktiken zu untersuchen, das Verständnis des Projektteams hinsichtlich der Routinen zu triangulieren sowie die teilnehmenden Beobachtungen zu stützen (Kühl 2009b). Die gesammelten Artefakte können dabei als relevant gelten, da sie nicht extra für Forschungszwecke angefertigt wurden. Sie stellen damit eine unabhängige, ergänzende Quelle zu Beobachtungen und Interviews dar. In Tabelle 3.3 finden sich eine zusammenfassende Aufstellung der unterschiedlichen Datenquellen und Angaben zu deren Umfang. Alle erfassten Daten wurden systematisch abgelegt. Hierzu wurde MaxQDA als CAQDAS-Software (“Computer-Assisted/Aided Qualitative Data Analysis Software”) benutzt. Die Ablage und Codierung sämtlicher Daten (d. h. Feldnotizen, analytische Memos, formale und informale Interviews, Fotos, Dokumente) innerhalb einer Datenbank erleichterte die nachvollziehbare Verknüpfung von Rohdaten und Konzepten (Yin 2018: 130–136).
3.2.4
Methoden der Datenanalyse
Die Datenanalyse beruht auf • einer deduktiven wie auch • induktiven Logik. Unter deduktiver Logik wird ein logischer Schluss vom Allgemeinen, d. h. einer Theorie, auf das Spezielle, d. h. die Empirie, verstanden. Im Gegensatz hierzu wird in einer induktiven Logik vom Speziellen, d. h. empirischen Daten, auf das Allgemeine, d. h. eine Theorie, geschlossen (Brühl 2015; Opp 2014; Poser 2012). Das heißt, es erfolgte eine Annäherung an die Daten sowohl mittels eines deduktiven, theorieinformierten Zugangs als auch mittels eines induktiven, eher explorativen Blicks. In einer deduktiven Logik wurden die theoretischen Vorüberlegungen aus dem konzeptionellen Framework miteinbezogen, indem mögliche Beziehungen der Daten zu Konzepten des konzeptionellen Frameworks sorgfältig untersucht wurden (Yin 2018: 168 f.). Dieses analytische Vorgehen kann innerhalb der Forschung mit Fallstudien nach Yin als Mustervergleich zwischen theoretischen Konzepten und empirischen Daten (“pattern matching”) gelten (2018: 175 ff.).
3.2 Forschungsdesign
81
Tab. 3.3 Datenquellen der Fallstudie. (Quelle: Eigene Fallstudie, Juni – September 2018) Datenquelle
Anzahl
Teilnehmende Beobachtung Insgesamt Beobachtungen in den Räumlichkeiten des Kundenunternehmens (an verschiedenen Standorten)
~ 560 Std.
Insgesamt Beobachtungen an verschiedenen Orten (Büros der internen Beratung, U-Bahn, Hotellobby, Bar)
~ 40 Std.
Davon Beobachtungen von Routine 1
4 Durchführungen
Davon Beobachtungen von Routine 2
7 Durchführungen
Davon Beobachtungen von Routine 3
11 Durchführungen
Davon Beobachtungen von Routine 4
28 Durchführungen
Davon Beobachtungen von Routine 5
8 Durchführungen
Davon Beobachtungen von Routine 6
7 Durchführungen
Formale Interviews Senior-Berater
1 Interview
Projektleiter (Berater)
1 Interview
Projektleiterin (Kunde)
1 Interview
Informale Interviews Top-Management, inkl. Vorstandsebene
4 Personen
Mittleres Management, inkl. Projektleiter/-innen
16 Personen
Mitarbeiter/-innen, inkl. Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Projektmitglieder
28 Personen
Artefakte Fotos des Projektraums und des Kanban boards
30 Fotos
Der “Scrum Guide”
1 Dokument
Beratungsangebote, -verträge, Präsentationen, Trainingsleitfäden, Reportings mit Bezug auf agiles Vorgehen
14 Dokumente
Gleichzeitig ermöglichte der explorative Blick in einer induktiven Logik eine Offenheit und explizite Suche nach nicht erwarteten und überraschenden Phänomenen, wie z. B. der Dynamik im Cluster der Routinen. Dieses explorative Vorgehen ist durch Forschung nach der Grounded Theory inspiriert und lehnt sich an diese an (Bryant und Charmaz 2007; Corbin und Strauss 1990; Glaser und Strauss 1967; O’Reilly u. a. 2012). Die grundsätzlich an die Grounded Theory angelehnte Vorgehensweise fügt sich schlüssig in das Ziel dieser Arbeit, aufgrund
82
3
Empirische Untersuchung
von nur teilweise erforschten Phänomenen bestehende Theorien und theoretische Ideen weiterzuentwickeln (“theory elaboration” nach Fisher und Aguinis 2017). Im Überblick umfasste die Datenanalyse folgende sieben Schritte (Miles u. a. 2014): • Zuerst wurden die Rohdaten entlang der beobachteten einzelnen Routinen geordnet. • Danach wurden die Durchführungen der einzelnen Routinen akribisch hinsichtlich Exploration und Exploitation sowie deren Balancierung analysiert. • Dabei konnten zwei unterschiedliche „innere“/endogene Dynamiken (geplantes Ausführen und kreatives Abweichen) auf der Ebene einzelner Routinen herausgearbeitet und näher analysiert werden. • Außerdem fielen dabei zwei „äußere“/exogene Mechanismen auf (Akteurinnen/Akteure und organisationaler Kontext), die zu Abweichungen zwischen ostensivem Aspekt und Durchführung bei den einzelnen Routinen führten und folglich näher studiert wurden. • Danach wurde auf der analytischen Ebene von einzelnen Routinen zu Clustern gewechselt und es wurde im fünften Schritt die Koordination der Routinen auf Clusterbasis untersucht. • Dabei fielen die überraschenden, spezifischen Dynamiken auf Clusterebene auf, welche Exploration und Exploitation erleichterten oder verhinderten, und sie wurden analysiert. • Die Ergebnisse flossen im letzten Schritt in einem erweiterten konzeptionellen Framework zusammen. Die Daten wurden dabei während der Datenanalyse ständig kritisch mit der bestehenden Literatur verglichen, um die Qualität und Güte der Datenanalyse zu verbessern. Dieses iterative Wechseln zwischen Daten und Literatur, auch während der Erhebungsphase, ist typisch für qualitative Forschung und wird explizit beschrieben (Eisenhardt 1989; Eisenhardt und Graebner 2007; Tracy 2010). Das analytische Vorgehen kann weiter nach Nicolini (2009, 2013: 219 ff.) als praxistheoretische Strategie des „Zooming-in“ und „Zooming-out“ bezeichnet werden. Während in den Schritten 1 bis 3 tief in die Routinen „gezoomt“ wurde und beispielsweise deren innere Dynamiken detailliert beschrieben wurden, wurde in den Schritten 4 bis 6 eher „herausgezoomt“, indem der Kontext und der Zusammenhang der Routinen auf der Clusterebene untersucht wurden. Im Folgenden werden die sieben Schritte der Datenanalyse detailliert beschrieben, um die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse zu erhöhen.
3.2 Forschungsdesign
83
Schritt 1 Im ersten Schritt der theorieinformierten Analyse wurden die empirischen Rohdaten entlang der beobachteten Routinen geordnet. Eine erste Annäherung an die Daten erfolgte durch die in Abschnitt 2.4.1 ausgeführten abstrakten Beschreibungen von Routinen in Scrum anhand des Scrum Guides (ein Artefakt, welches als „Proxy“ für die ostensiven Aspekte der Routinen genutzt wurde) (D’Adderio 2008: 770; March u. a. 2000). Aus diesem Schritt resultierte eine „Start-Liste“ von Codes (Miles u. a. 2014: 81 ff.) für erwartete Routinen in Scrum sowie für erwartete Artefakte (siehe Tab. 2.4). In Übereinstimmung mit der neueren Forschung zu Routinendynamiken wurde dann nach Praktiken als sich wiederholenden Handlungsmustern gesucht (Feldman 2016: 23; Pentland u. a. 2012: 1487) und in Verbindung mit den abstrakten Beschreibungen des Scrum Guide wurden sechs Routinen gefunden. Die ermittelten Handlungsmuster wurden bewusst als sechs einzelne Routinen, anstatt als eine Scrum-Routine mit sechs Praktiken, konzipiert. Der Grund hierfür ist, • dass die Handlungsmuster klar unterscheidbare Zwecke hatten (z. B. die Aufgaben für die nächste Iteration planen vs. Feedback zur letzten Iteration geben) und • sowohl in der abstrakten Beschreibung (des Scrum Guides) als auch von den Akteurinnen und Akteuren separat behandelt wurden (z. B. indem Besprechungen mit unterschiedlichen Namen, Orten sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die einzelnen Handlungsmuster etabliert wurden). Die beobachteten Routinen entsprachen den sechs bereits theoretisch analysierten Routinen („Projektziele überprüfen und anpassen“, „Arbeitsphase planen“, „Projektarbeit leisten“, „Status im Team austauschen“, „Kundenfeedback erhalten“, „Teamfeedback geben“, siehe Abschnitt 2.4.1). Weitere Routinen, die im Scrum Guide beschrieben werden, wie z. B. „Task Estimation“ oder „Backlog Refinement“, wurden hingegen nicht beobachtet und erscheinen deshalb auch nicht. Die beobachteten Routinen standen in starker Wechselbeziehung zueinander, was dazu diente, gemeinsam eine komplexe organisationale Aufgabe, das Projekt, zu organisieren und durchzuführen. Da ihre Reihenfolge vorgegeben war und das Ergebnis (Output) einer Routine typischerweise direkten Eingang in die darauffolgende Routine fand (Input), wurden die Routinen als Cluster interdependenter Routinen nach Kremser und Schreyögg konzipiert (2016).
84
3
Empirische Untersuchung
Schritt 2 Im zweiten Schritt wurden die Daten zunächst sorgfältig nach • Exploration und • Exploitation untersucht und entsprechend als „explorativ“ und „exploitativ“ codiert. Analog der theoretischen Analyse (siehe Abschnitt 2.4.1) wurden Daten dann mit „explorativ“ codiert, wenn etwas Neues hinsichtlich der Ziele, Aufgaben oder geplanten Projektergebnisse gelernt wurde. Das geschah beispielsweise bei modifizierten Kundenwünschen, wenn Aufgaben wegfielen oder gänzlich neue hinzukamen. Als „exploitativ“ wurden Daten hingegen codiert, wenn bestehende Ziele, Aufgaben oder Projektergebnisse optimiert wurden und folglich Ziele, Aufgaben und Projektergebnisse im Wesentlichen stabil bleiben. Das trat beispielsweise ein, wenn bei der Projektarbeit auf bestehende Vorlagen (z. B. Trainingsleitfäden) aufgebaut wurde. Unter Rückbezug auf die theoretischen Analysen dieser Arbeit bezüglich der Balancierung von Exploration und Exploitation (siehe Abschnitt 2.4.4) wurde die Datenstruktur auf Ambidextrie untersucht. Es wurden sowohl sequentielle Ambidextrie als auch die Annahme punktueller Ambidextrie für die Rolle des Scrum Masters und verteilter Ambidextrie für die Rolle des Projektteams sorgfältig anhand der Daten untersucht und deren Aufscheinen wurde entsprechend codiert. Schritt 3 In einem dritten Schritt, mit einem eher induktiv-explorativen Blick auf die Daten, kristallisierten sich nach und nach zwei „innere“/endogene Dynamiken einzelner Routinen heraus, die nicht in die bereits bestehenden theoretischen Analysen passten: • geplantes Ausführen und • kreatives Abweichen. Obwohl mit der Bezeichnung „Schritt 3“ der Datenanalyse eine klare Sequenz suggeriert wird, erfolgte dieser Schritt der Analyse in ständigem Wechsel zwischen dem Codieren von Daten und fortlaufender Sammlung von Daten, angelehnt an Vorgehensweisen aus der Grounded Theory (Glaser und Strauss 1967; O’Reilly u. a. 2012).
3.2 Forschungsdesign
85
Bereits während der Sammlung von Daten und des Schreibens analytischer Memos fiel auf, dass etliche Durchführungen von Routinen eher spontan und als Reaktion auf vorhandene Situationen erfolgten. Eine erste Unterscheidung in die Codes „informal“ und „formal“ wurde durch eine vertiefte Beschäftigung mit der Literatur zu Koordinationsmechanismen in Routinen ständig verfeinert (Claggett und Karahanna 2018; Okhuysen und Bechky 2009). Nachdem die Daten erneut sorgfältig analysiert worden waren, bildeten sich die Unterscheidung und Codierung „innerer“ Dynamiken innerhalb einzelner Routinen als geplantes Ausführen und kreatives Abweichen heraus. • Geplantes Ausführen wurde konzipiert als planmäßige, vordefinierte Handlungen, die hauptsächlich vom ostensiven Aspekt geprägt sind. Diese Dynamik wurde nochmals feiner in ihre Funktionen „Vorhersagbarkeit schaffen“, „Verantwortlichkeit schaffen“ und „Gemeinsames Verständnis schaffen“ untergliedert. • Im Gegensatz hierzu wurde kreatives Abweichen als aus der Situation entstehende Handlungen konzipiert, die hauptsächlich von den beteiligten Akteurinnen und Akteuren geprägt sind und nicht vorab geplant wurden. Auch diese Dynamik wurde weiter in ihre Funktionen „Unterschiede schaffen“, „Unterbrechen“ und „Bewältigen“ unterteilt. In Tabelle 4.1 werden diese beiden endogenen Dynamiken zusammengefasst und mit beispielhaften Rohdaten veranschaulicht. Schritt 4 Ab dem vierten Schritt der Datenanalyse wurde der Fokus (“unit of analysis”) von einzelnen Routinen hin zum Cluster interdependenter Routinen geändert. Mit diesem Blick wurden systematisch „äußere“/exogene Mechanismen analysiert, die Einfluss auf die Routinen hatten. Dazu wurden die Daten erneut in einem iterativen Prozess, der zwischen den Daten und der neueren Literatur zu Routinedynamiken hin- und herwechselte, mit diesem Fokus analysiert, um die Mechanismen besser zu verstehen, die zu Abweichungen führten. Daraus entstand eine weitere Schicht an Codes, die direkt mit bestehenden Konzepten aus der Literatur verknüpft werden konnte (“second cycle coding” in Miles u. a. 2014: 86 ff.). Diese vier Konzepte konnten in zwei Themen gruppiert werden: • zum einen Akteurinnen/Akteure (persönliche Ziele und Vorerfahrungen) und • zum anderen organisationaler Kontext (Einbettung und kulturelle Formung).
86
3
Empirische Untersuchung
Schritt 5 In einem fünften Schritt wurden die Koordination und Interdependenz der Routinen auf Clusterebene analysiert. Dies geschah durch eingehende Beschäftigung mit den bis dahin entwickelten Konzepten, das Überdenken anfänglicher Codes und die gezielte Konsultation von Literatur zu Interdependenzen und Koordination (Jarzabkowski u. a. 2012; Kremser u. a. 2019; Thompson 1967). Nach etlichen Schleifen zwischen Daten, Literatur und eigenen Ideen traten schließlich • das Kanban board als verbindendes Artefakt und • die sequentielle Interdependenz der Routinen als ausschlaggebende Koordinationsmechanismen auf Clusterebene hervor. Schritt 6 Während der Beschäftigung mit Koordinationsmechanismen im Cluster fielen spezifische Dynamiken auf Clusterebene auf, die in eine Analyse von Clusterdynamiken zur Erleichterung oder Verhinderung von Ambidextrie mündeten. Dabei spielten Praktiken und Routinen, die in vorausgegangenen Schritten analysiert worden waren, eine wichtige Rolle. In diesem Schritt der Datenanalyse wurden ebenfalls die zuvor analysierten Routinendynamiken einbezogen, um die Auswirkung und Dynamik auf Clusterebene besser zu verstehen. Schritt 7 Als letzter Schritt wurden sämtliche Konzepte sorgfältig miteinander in Beziehung gesetzt. Dies führte Schritt für Schritt zu einem überarbeiteten und erweiterten konzeptionellen Framework in Bezug darauf, wie die Balancierung von Exploration und Exploitation durch das agile Vorgehen Scrum in Projekten dynamisch beeinflusst wird (siehe Abb. 4.6). Das erweiterte Framework beruht sowohl auf fundierten theoretischen Konzepten als auch auf tragfähigen empirischen Daten. Alle Schritte der Datenanalyse wurden so sorgfältig und gründlich wie möglich durchgeführt, um insgesamt die Qualität der Ergebnisse zu maximieren. Details zu den Qualitäts- und Gütekriterien empirischer Forschung sowie zu deren Ausgestaltung in dieser Arbeit gibt der nächste Abschnitt.
3.2.5
Qualitäts- und Gütekriterien
Unabhängig vom Forschungsansatz und von der spezifischen Gestaltung des Forschungsdesigns zielt empirische Forschung auf die Gewinnung wissenschaftlicher
3.2 Forschungsdesign
87
Erkenntnisse. Bis auf wenige Ausnahmen sind sich Forscher/-innen unterschiedlicher Forschungsansätze einig, dass die so gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihrer Qualität und Güte beurteilt werden sollten, damit sie als „allgemein anerkannt“ gelten (Steinke 2005; Wrona 2006). In diesem Kapitel werden Gütekriterien für quantitative und qualitative Forschung diskutiert. Die Mixed-Methods-Forschung wird aufgrund ihrer geringen Relevanz für diese Arbeit nicht weiter diskutiert. • Zuerst werden kurz die klassischen Gütekriterien quantitativer Forschung vorgestellt. Dies hat seinen Grund darin, dass sich Gütekriterien qualitativer Forschung häufig auf Gütekriterien quantitativer Forschung beziehen (unabhängig davon, ob sie diese dann übernehmen, anpassen oder ersetzen). • Danach werden mehrere Vorschläge für Gütekriterien qualitativer Forschung vertiefend diskutiert. • Schließlich werden die Qualität und Güte des vorliegenden qualitativen Forschungsdesigns beurteilt.
Klassische Gütekriterien aus der quantitativen Forschung Um die Güte der Ergebnisse quantitativer Forschung zu beurteilen, werden typischerweise die klassischen Gütekriterien der Testtheorie verwendet: Validität, Reliabilität und Objektivität (dies entspricht den Hauptgütekriterien von Messinstrumenten, die Nebengütekriterien werden hier nicht weiter betrachtet, vgl. Bryman u. a. 2008). • Validität: Mittels der Validität wird geprüft, ob das Messinstrument tatsächlich das misst, was gemessen werden soll. Eine Prüfung der Validität kann zum Beispiel durch experimentelle Studien erfolgen. Dann wird nochmals unterschieden zwischen interner Validität (Veränderungen der abhängigen Variablen (aV) lassen sich auf Veränderungen der unabhängigen Variablen (uV) zurückführen) und externer Validität (die experimentellen Ergebnisse lassen sich auch auf andere Situationen übertragen, dies entspricht einer bereits diskutierten statistischen Generalisierung; siehe Abschnitt 3.1.4). Validität kann auch durch nichtexperimentelle Studien geprüft werden, beispielsweise anhand der Inhaltsvalidität (face validity), Kriteriumsvalidität (concurrent validity und predictive validity) oder Konstruktvalidität etwa mittels Multitrait-Multimethod-Matrix oder χ2 -Differenztest (Himme 2009).
88
3
Empirische Untersuchung
• Reliabilität: Mittels der Reliabilität wird geprüft, ob die Messergebnisse bei wiederholter Messung zuverlässig reproduzierbar und damit genau sind. Die Genauigkeit wird dabei über das Ausmaß an Messfehlern ermittelt. Eine Prüfung der Reliabilität kann beispielsweise durch Wiederholung (z. B. test-retest reliability und alternate-forms reliability), interne Konsistenzprüfung (z. B. Cronbachs α) oder Kausalanalysen (z. B. Faktorreliabilität) erfolgen (Himme 2009). • Objektivität: Mittels der Objektivität wird geprüft, ob unterschiedliche Personen bei voneinander unabhängigen Messungen zum gleichen Messergebnis gelangen. Objektivität kann weiter unterteilt werden in Durchführungsobjektivität (keine Beeinflussung der Probandinnen und Probanden durch den/die Testleiter/-in), Auswertungsobjektivität und Interpretationsobjektivität und wird typischerweise durch standardisierte Methoden und Berechnungsvorschriften erreicht (Himme 2009).
Gütekriterien in der qualitativen Forschung In der Diskussion um Qualitätsstandards und Gütekriterien qualitativer Forschung sind vier Positionen unterscheidbar: • • • •
Eine ablehnende Position gegenüber Gütekriterien überhaupt Übernahme der klassischen Gütekriterien quantitativer Forschung Anpassung der klassischen Gütekriterien quantitativer Forschung Entwicklung alternativer Gütekriterien
Auf die erste Position wird hier nicht näher eingegangen, da mit ihr der Anspruch auf Vergleichbarkeit und Einschätzung der Qualität und Güte empirischer Forschung generell aufgegeben wird (Steinke 2005). Die zweite Position wird ebenfalls nicht besprochen, da die klassischen Gütekriterien quantitativer Forschung im letzten Abschnitt bereits vorgestellt wurden. Die beiden letzteren Positionen werden im Folgenden hingegen näher beleuchtet. Anpassung der klassischen Gütekriterien Vertreter/-innen dieser Position bezweifeln, dass die klassischen Gütekriterien der quantitativen Forschung einfach übernommen werden sollten. Die Kritikpunkte betreffen folgende Aspekte:
3.2 Forschungsdesign
89
• Die Bestimmung der internen Validität ist erschwert oder unmöglich, wenn kein ex ante vorliegendes Kausalitätsverständnis existiert, sondern ein solches sich erst im Laufe der Untersuchung entwickelt. • Eine möglichst kontrollierte Erhebungssituation würde gerade die Stärke qualitativer Forschung hinsichtlich des Kontextbezugs zunichtemachen. • Bezogen auf die externe Validität, ist eine Verallgemeinerung auf ganze Populationen nicht zwingend Ziel qualitativer Forschung, sondern eher die Spezifizierung von Einzelfällen und deren theoretische Generalisierung. • Die Prüfung der Reliabilität durch Wiederholung von z. B. Beobachtungen ist bei qualitativer Forschung in der Praxis ausgeschlossen. • Objektivität widerspricht schließlich dem grundsätzlich eher „subjektiven“ Zugang qualitativer Methoden (Flick 2010; Wrona 2006). Da die Güte und Qualität qualitativer Forschung nichtsdestoweniger beurteilbar sein sollten (alleine schon um dem Vorwurf der Beliebigkeit zu entgehen), wurden die klassischen Gütekriterien verschiedentlich an qualitative Forschung angepasst (z. B. Miles u. a. 2014; für Fallstudien z. B. Yin 2018: 43 ff.). Im Folgenden soll der Vorschlag von Wrona (2006) vorgestellt werden. Er argumentiert, dass sich die epistemologischen Kerne der klassischen Gütekriterien unabhängig von der jeweiligen methodischen Gestaltung denken lassen und damit auch für qualitative Forschung eigene methodische Ausgestaltungen gefunden werden können, ohne dass sich die Grundideen der Gütekriterien ändern müssten. Sein Vorschlag lässt sich anhand von vier an qualitative Forschung angepassten Gütekriterien vorstellen: • Interne Validität: Eine erste Grundidee besteht in der Nachvollziehbarkeit von Schlussfolgerungen, die in qualitativer Forschung durch z. B. Kennzeichnung wortwörtlicher Aussagen der Beteiligten vs. Interpretationen der Forscherin oder des Forschers in Feldnotizen, durch In-vivo-Codes, kommunikative Validierung der Ergebnisse seitens Beteiligter, Triangulation und die Verwendung von CAQDAS-Auswertungsverfahren erzielt werden kann. Eine weitere Grundidee interner Validität betrifft die Gültigkeit der festgestellten Kausalität. In qualitativer Forschung kann dies z. B. durch permanente Vergleiche von Daten und sich entwickelnder Theorie sowie explizite Suche nach konkurrierenden Daten erfolgen. • Externe Validität: Die Grundidee der Generalisierung kann mittels theoretischen Samplings (siehe Abschnitt 3.2.2) und theoretischer Generalisierung (siehe Abschnitt 3.1.4) an qualitative Forschung angepasst werden.
90
3
Empirische Untersuchung
• Reliabilität: Die Grundidee der Zuverlässigkeit kann in qualitativer Forschung über prozedurale Reliabilität, d. h. die intersubjektive Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses über die Dokumentation des theoretischen Vorverständnisses und der Erhebungsmethoden, erzielt werden. • Objektivität: Die Grundidee der Offenlegung von Subjektivität kann auch in qualitativer Forschung erreicht werden, indem z. B. Selbstreflexionen bei teilnehmender Beobachtung erfolgen und der Forschungsprozess dokumentiert wird oder sogar regelgeleitet erfolgt.
Entwicklung alternativer Gütekriterien Neben angepassten klassischen Gütekriterien haben sich auch alternative Gütekriterien für qualitative Forschung etabliert. Davon werden im Folgenden zwei der bekanntesten Vorschläge vorgestellt (für weitere Kriterienkataloge siehe z. B. Maxwell 2008: 244 ff.; Tracy 2010). Zunächst wird der Vorschlag von Guba und Lincoln (1985) präsentiert. In Tabelle 3.4 finden sich ihre in der qualitativen Forschung weit verbreiteten und diskutierten alternativen Gütekriterien (vgl. z. B. Bryman u. a. 2008).
Tab. 3.4 Gütekriterien für qualitative Forschung nach Guba und Lincoln. (Quelle: Guba und Lincoln 1985; eigene Übersetzung) Gütekriterium
Details
Glaubwürdigkeit (“credibility”)
An die Stelle von interner Validität tritt eine kommunikative Validierung der erhobenen Daten durch z. B. “member checks” der Befragten oder Triangulation.
Übertragbarkeit (“transferability”)
An die Stelle von externer Validität tritt die Prüfung, inwiefern Ergebnisse auf ähnliche Kontexte übertragen werden können (dies entspricht damit einer theoretischer Generalisierung).
Zuverlässigkeit (“dependability”)
An die Stelle von Reliabilität tritt die Zuverlässigkeit der Ergebnisse durch z. B. kritische Selbstreflexionen der Forscherin oder des Forschers.
Nachvollziehbarkeit (“confirmability”)
An die Stelle von Objektivität tritt eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse.
Authentizität (“authenticity”)
Erhobene Konstruktionen der Beteiligten sollen systematisch aufeinander bezogen werden.
Alternative Gütekriterien werden in der Literatur jedoch auch kritisiert (zur Kritik an kommunikativer Validierung, Handlungsvalidierung und Triangulation
3.2 Forschungsdesign
91
vgl. Flick 1987). Guba und Lincoln selbst kritisierten ihren frühen Vorschlag später als „verdächtig nahe“ an klassischen Gütekriterien (1994: 114). Flick beklagte z. B. fehlende konkrete Grenzwerte für das Gütekriterium der Glaubwürdigkeit mittels “member checks” (2010: 400 f.). Es bleibe unklar, wer genau zu welcher Einschätzung kommen müsse, damit das Kriterium Glaubwürdigkeit als erfüllt gelten könne. Weiterhin lauere in der Formulierung von Standards für per se eher weniger standardisierte qualitative Forschung ein Widerspruch. Zum Vergleich werden in Tabelle 3.5 neuere Überlegungen von Steinke (2005) bezüglich alternativer Gütekriterien für qualitative Forschung vorgestellt. Es fällt auf, dass sowohl Umfang als auch Konkretisierung der Gütekriterien gegenüber dem Vorschlag von Guba und Lincoln (1985) deutlich zugenommen haben. Weiterhin ist zu bemerken, dass es inhaltliche Überschneidungen mit den bereits früh von Guba und Lincoln (1985) entwickelten Gütekriterien gibt (z. B. kommunikative Validierung) und dass einige Gütekriterien eher übergreifenden Charakter für empirische Forschung haben und nicht spezifisch für qualitative Forschung gelten (z. B. Kohärenz und Relevanz). Nichtsdestoweniger gibt der Vorschlag von Steinke (2005) nützliche und detaillierte Hinweise für die Forschungspraxis. Ausgestaltung im Forschungsdesign Im Folgenden sollen die angesprochenen Qualitätsstandards und Gütekriterien in ihrer Ausgestaltung im vorliegenden qualitativen Forschungsdesign diskutiert und überprüft werden. Zuerst stellt sich die Frage, anhand welcher Gütekriterien das Forschungsdesign bewertet werden soll. Innerhalb der Forschung mit Fallstudien schlägt Yin die Übernahme klassischer Gütekriterien aus der quantitativen Forschung vor (2018: 42 ff.). Dies kommt jedoch einer unkritischen Übertragung von Kriterien gleich und ist aus den bereits genannten Punkten sowie für einen konstruktivistischen Zugang problematisch (Madill u. a. 2000; Steinke 2005: 319 f.). Daher soll soll eine Einschätzung anhand von Gütekriterien speziell für qualitative Forschung erfolgen. Dazu werden die bereits besprochenen Vorschläge von Guba und Lincoln (1985) sowie von Wrona (2006) kombiniert. Eine solche Kombination kann als unproblematisch angenommen werden, da sich beide Vorschläge auf dieselben Gütekriterien beziehen lassen (einzig „Authentizität“ kommt nur bei Guba und Lincoln vor). Auf die eher übergreifenden Qualitätskriterien von Steinke (2005) wird hingegen nicht zurückgegriffen, da sie in dieser Arbeit teilweise bereits an anderer Stelle diskutiert werden (z. B. wird die „Indikation für eine qualitative Forschung“ in Abschnitt 3.1.2 betrachtet).
92
3
Empirische Untersuchung
Tab. 3.5 Gütekriterien für qualitative Forschung nach Steinke. (Quelle: Steinke 2005) Gütekriterium
Details
Intersubjektive Nachvollziehbarkeit
Dokumentation des Forschungsprozesses (Vorverständnis, Erhebungsmethoden, Transkriptionsregeln, Daten, Auswertungsmethoden, Informationsquellen, Probleme, Kriterien) Interpretationen in Gruppen (z. B. “peer debriefing”) Anwendung kodifizierter Verfahren (z. B. Grounded Theory)
Indikation des Indikation für ein qualitatives Vorgehen Forschungsprozesses Indikation der Methodenwahl Indikation von Transkriptionsregeln Indikation der Samplingstrategie Indikation der methodischen Einzelentscheidungen im Kontext der gesamten Untersuchung Indikation der Bewertungskriterien Empirische Verankerung
Verwendung kodifizierter Methoden Hinreichende Textbelege für die entwickelte Theorie Analytische Induktion Prognosen Kommunikative Validierung
Limitation
Fallkontrastierung mit minimal und maximal verschiedenen Fällen Suche und Analyse abweichender, negativer und extremer Fälle
Kohärenz
Ist die generierte Theorie kohärent und wurden Widersprüche in den Daten bearbeitet?
Relevanz
Relevante Fragestellung und Theoriebeitrag
Reflektierte Subjektivität
Selbstbeobachtung Reflexion persönlicher Voraussetzungen Vertrauensbeziehung zwischen Forscher/-in und Beteiligten Reflexionen während des Feldeinstiegs
Die Überprüfung dieser Kriterien ergibt, dass das vorliegende Forschungsdesign die geforderten Gütekriterien wie in Tabelle 3.6 dargestellt in hohem Maße erfüllt. Das einzige Kriterium, das nur eingeschränkt erfüllt wird, ist die kommunikative Validierung der Forschungsergebnisse mit den Beteiligten. Hier wird
3.2 Forschungsdesign
93
Tab. 3.6 Gütekriterien für qualitative Forschung – angewandt auf das Forschungsdesign. (Quelle: Guba und Lincoln 1985; Wrona 2006) Gütekriterium
Ausgestaltung im Forschungsdesign
Glaubwürdigkeit | interne Validität
Erfüllt durch: • Unterscheidung wortwörtlicher Aussagen der Beteiligten von Interpretationen des Forschers (siehe Kapitel 4) • Kommunikative Validierung (teilweise Feedback durch die Hauptbeteiligten zu frühen Interpretationen) • Triangulation reichhaltiger Datenquellen (teilnehmende Beobachtung, Bildmaterial der Artefakte, formale und informale Interviews, interne Dokumente, siehe Abschnitt 3.2.3) • Verwendung einer CAQDAS-Software (siehe Abschnitt 3.2.3) • Permanenter Vergleich von Daten und Theorie (siehe Abschnitt 3.2.4)
Übertragbarkeit | externe Validität
Erfüllt durch: • Theoretisches Sampling des Falles (siehe Abschnitt 3.2.2) • Theoretische Generalisierung für ähnliche Kontexte möglich (siehe Abschnitt 3.1.4)
Zuverlässigkeit | Reliabilität
Erfüllt durch: • Dokumentation des Forschungsprozesses, insbesondere des theoretischen Vorverständnisses (siehe Abschnitt 2.1 bis 2.3 sowie das konzeptionelle Framework in Abschnitt 2.4.5) • Dokumentation der Erhebungsmethoden (siehe Abschnitt 3.1.3)
Nachvollziehbarkeit Erfüllt durch: | Objektivität • Selbstreflexion des Forschers während teilnehmender Beobachtung (kritische Distanz, mögliche Rollenkonflikte, siehe Abschnitt 3.2.1) • Dokumentation von Widersprüchen und Überraschendem sowie Nachvollziehbarkeit, insbesondere der Datenanalyse (siehe Abschnitt 3.2.4) Authentizität
Erfüllt durch: • Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen Forscher und Beteiligten (siehe Abschnitt 3.2.3) • Vertraulicher Umgang mit sensiblen Projektdaten und Zusicherung von Anonymität (siehe Abschnitt 3.2.3) • Praktische Relevanz für Projektverantwortliche und Unternehmensberater/-innen gegeben (siehe Abschnitt 5.2)
– entgegen Lincoln und Guba und in Übereinstimmung mit der bereits angesprochenen Kritik von Flick (1987, 2010) – argumentiert, dass ein solcher Einbezug der Beteiligten in die Auswertung und Interpretation der Daten nur wenig zur Validität der Forschung beiträgt. Dies liegt daran, dass sich die Perspektiven
94
3
Empirische Untersuchung
von Forscher/-in und Untersuchten grundsätzlich unterscheiden. Beide stellen andere Fragen an die Daten, haben andere persönliche Interessen und bringen andere Vorkenntnisse ein. Das führt zwangsläufig zu abweichenden Perspektiven. Die Auswertung an die Perspektive der Untersuchten anzupassen, würde gerade den großen Vorteil einer unabhängigeren (distanzierteren) Forschungsperspektive, die nicht „in Handlungszwänge verstrickt“ ist, zunichtemachen (Przyborski und Wohlrab-Sahr 2014: 75). Daher wurden nur teilweise Rückmeldungen zu frühen Interpretationen eingeholt. Insgesamt kann damit konstatiert werden, dass das vorliegende Forschungsdesign eine hohe Qualität und Güte aufweist.
3.3
Kontext der Untersuchung
Nachdem das Forschungsdesign behandelt worden ist, soll nun auf den Kontext der empirischen Untersuchung eingegangen werden. Dazu werden zuerst • die Besonderheiten des Kontexts „Unternehmensberatung“ näher beleuchtet. Dabei wird sowohl kurz auf die Beratungsforschung eingegangen als auch die in dieser Arbeit gewählte interne Beratung näher beschrieben. • Danach wird die Fallstudie ausgeführt, indem erst die angestrebten Ziele des Projekts transparent gemacht werden, bevor die ersten Eindrücke der Umgebung und des Projekts beschrieben werden.
3.3.1
Beschreibung des Kontexts
Als Kontext der Fallstudie wurde die interne Beratung eines globalen Konzerns gewählt. Da die Einbettung von Unternehmensberatungen in den PSF-Kontext sowie eine begründete Wahl dieses Kontextes bereits in Abschnitt 3.2.2 diskutiert wurden, soll in diesem Abschnitt nur kurz auf die Besonderheiten von Unternehmensberatungen eingegangen werden. Insgesamt wurde in den letzten Jahren ein konstantes wissenschaftliches Interesse an Unternehmensberatungen verzeichnet (Armbrüster 2010; Clark, u. a. 2007: 1; Czarniawska 2013; Deelmann und Nissen 2018: 54 f.; Kipping 2013; Mohe 2004: 693; Mohe u. a. 2008: 3; Mosonyi u. a. 2019; Nicolai 2000; Sturdy u. a. 2015). Die Forschung zu Unternehmensberatungen (“consulting research”, vgl. Clark 2001; Empson u. a. 2017; Nissen 2007, 2018a) befasste sich zum Beispiel
3.3 Kontext der Untersuchung
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• mit dem Thema der Zusammenarbeit von Beraterinnen und Beratern sowie Kunden (z. B. Fincham 2002; Mohe und Seidl 2011; Sutter und Kieser 2015), • den latenten Funktionen von Beratung (z. B. Ameln u. a. 2009; Höner 2008; Iding 2000; Paust 2012) • oder als “critical consulting research” mit Eindrucksmanagement, Macht und Verbreitung von Managementmoden (z. B. Clark 1995, 2001; Clark und Salaman 1996; Collins 2004; Jung und Kieser 2012; Kitay und Wright 2007). Unternehmensberatung wird in der Literatur definiert als „professionelle Dienstleistung, die durch eine oder mehrere, im allgemeinen fachlich dazu befähigte und von den beratenen Klienten hierarchisch unabhängige Person(en) zeitlich befristet sowie meist gegen Entgelt erbracht wird und zum Ziel hat, betriebswirtschaftliche Probleme des beauftragenden Unternehmens interaktiv mit den Klienten zu definieren, [sic!] strukturieren und [sic!] analysieren sowie Problemlösungen zu erarbeiten und auf Wunsch ihre Umsetzung gemeinsam mit Vertretern des Klienten zu planen und im Unternehmen zu realisieren“ (Nissen 2007: 3). Es kann weiter zwischen externer und interner Beratung unterschieden werden (für Forschung explizit zu interner Beratung siehe z. B. Klein 2006, 2007; Leker u. a. 2007; Sturdy u. a. 2013; Wulfert-Markert 2017). Den größten Unterschied zwischen beiden bildet die Einbettung interner Beratungen und ihrer Kunden in dieselbe umgebende Organisation. „Interne Organisationsberatung unterscheidet sich damit formal von externer Organisationsberatung darin, dass das interne Beratungssystem ein Subsystem des primären Klientensystems darstellt, während bei externen Beratungen dieses idealtypisch gesellschaftsrechtlich, finanziell und organisatorisch vollständig autonom operiert“ (Deelmann u. a. 2007: 232). Nach der Typologie interner Beratungen von Mohe (2002) kann die interne Beratung der vorliegenden Arbeit zum Untersuchungszeitpunkt wie in Abbildung 3.2 dargestellt charakterisiert werden. Die konkreten Ausprägungen sind dabei grau markiert. Typischerweise werden in der Beratung angewandte Vorgehensweisen in der Literatur als rationaler Problemlösungsprozess (Neuberger 2002: 153) oder, analog zu klassischem Projektmanagement, als phasenbasierter Ansatz nach dem Wasserfallmodell beschrieben (Heintel und Krainz 1995; Kraus und Mohe 2007: 264 ff.). Überraschenderweise existieren nur wenige Untersuchungen dazu, wie solche Vorgehensweisen in Beratungsprojekten tatsächlich ablaufen (Kraus und Mohe 2007: 265 f.; Zirkler 2005: 51). So konstatierten Kraus und Mohe (2007: 264): „Angesichts des zunehmenden Interesses der Forschung an Beratungsthemen könnte man annehmen, dass die Wissenschaft mittlerweile über elaborierte
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3
Empirische Untersuchung
Abb. 3.2 Typologische Einordnung der internen Beratung als Kontext. (Quelle: Mohe 2002: 337)
Erkenntnis über Beratungsprozesse verfügt. Interessanterweise scheint jedoch, wie Lippitt bereits vor fast 30 Jahren konstatierte, das Gegenteil der Fall zu sein“. Dies mag auch dem eher schwierigen Zugang zum Feld geschuldet sein, da sich Unternehmensberatungen typischerweise nicht gerne „in die Karten“ schauen lassen. Unterstützt durch vielversprechende erste Studien zur Evaluation agilen Projektmanagements (Komus und Kuberg 2017: 6; Serrador und Pinto 2015: 1049 f.) wird nun in der Literatur von einer zukünftig zunehmenden Anwendung agiler Vorgehensweisen wie Scrum, besonders auch in Unternehmensberatungen, ausgegangen (Cecere 2016: 2; Exner und Exner 2017; Kumar Parakala 2015: 15; Nissen 2018c: 42, 47, 430, 441). Empirisch lässt sich dies bereits bei Selbstdarstellungen von Beratungsvorgehensweisen bei z. B. Deloitte und PricewaterhouseCoopers auf deren Webseiten beobachten (Deloitte 2017; Finley u. a. 2017; Ly u. a. 2019). Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) hält dies gar für einen „Top-Trend in der Unternehmensberatungsbranche“ und schreibt: „Die Digitalisierung wird dem Einsatz von agilen Formen der Zusammenarbeit von Klienten und Consultants (z. B. Scrum u. a.) in den nächsten Jahren deutlich mehr Gewicht zukommen lassen“ (Murmann 2017: 14). Im Gegensatz zu Projekten mit materiellen Ergebnissen besteht bei Beratungsprojekten das Projektergebnis allerdings aus einer Dienstleistung. Das bedeutet, dass Projektergebnisse bereits während des Projekts in Interaktion mit dem
3.3 Kontext der Untersuchung
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Leistungsempfänger „hergestellt“ werden und damit von dessen Mitwirkung abhängen (vgl. das Konzept des “people processing” bei Hasenfeld 1972). Beratungstätigkeiten sind daher stark von Unsicherheit geprägt, d. h., es gibt kein „Rezept“ dafür, wie von einem Ausgangszustand erfolgssicher zu einem Zielzustand gelangt werden kann (Czarniawska 2013; Sturdy u. a. 2013). Ausnahmen hiervon liegen vor, wenn Beratung als „Legitimierung von Managemententscheidungen“ latente Funktionen erfüllt (d. h., das erwünschte Ergebnis der Beratung steht eigentlich schon fest, bevor diese überhaupt begonnen hat, vgl. Ameln 2010; Ameln u. a. 2009: 157 ff.) oder es sich um reine Umsetzungsprojekte mit geringem explorativem Anteil handelt (z. B. IT-Umsetzungsprojekte). Wie bereits in Abschnitt 2.1.1 beschrieben, ist in unsicherer Umgebung Ambidextrie, also die Balance von Exploration und Exploitation, von hohem Nutzen. Aufgrund der ausgeprägten Unsicherheiten von Beratung und der zunehmenden Relevanz agiler Vorgehensweisen wie Scrum für Unternehmensberatungen stellt sich die Forschungsfrage, wie ein agiles Vorgehen wie Scrum die dynamische Balancierung von Exploration und Exploitation in Projekten beeinflusst, nochmals dringlicher.
3.3.2
Beschreibung der Fallstudie
Ausgangspunkt des in der Fallstudie untersuchten Projekts war die Anfrage eines konzerneigenen Unternehmens an die interne Beratung. Der Standort dieses Unternehmens, an dem sich ein Großteil der Datenerhebung abspielte, befindet sich am Rande einer Großstadt in Deutschland. In den letzten Jahren wuchsen in dem Unternehmen die finanziellen Belastungen durch Vertragsstrafen (Strafzahlungen, wenn Projekte nicht vertragsgemäß, z. B. zu spät oder nicht nach den Spezifikationen, umgesetzt wurden), so dass die Zukunft des Unternehmens langfristig gefährdet war. Die Vorständinnen und Vorstände des Unternehmens hatten von einem leitenden Manager eines anderen Unternehmens eine mögliche Lösung ihres Problems erfahren. Dieses andere Unternehmen hatte ähnliche Probleme und konnte mittels eines Beratungsprojekts finanziell „gerettet“ werden. Der Vorstand trat in Kontakt mit der internen Beratung und beauftragte diese. Der Auftrag lautete, ein internes Vorhaben namens „Opti+“ (Name aus Gründen der Vertraulichkeit geändert) zu unterstützen, welches die Verbesserung interner Abläufe und die Verringerung von Fehlleistungen (die Vertragsstrafen nach sich zogen) zum Ziel hatte. Im Folgenden sollen
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3
Empirische Untersuchung
• zuerst die übergeordneten Ziele von „Opti+“ beschrieben werden, • bevor auf die Ziele im Beratungsangebot eingegangen wird und • die ersten Eindrücke der Umgebung präsentiert werden. Die Inhalte und Ziele von „Opti+“ sollen anhand eines Originaldokuments erläutert werden. Daher werden untenstehend einige Ausschnitte aus einer internen E-Mail des CEOs an sämtliche Mitarbeiter/-innen dieses Unternehmens wiedergegeben: „(…) Neben operativen Verbesserungen zielt Opti+ auf einen echten Kulturwandel in unserem Unternehmen ab. Diesen können wir nur erreichen, wenn alle Mitarbeiter divisionsübergreifend und an allen Standorten weltweit zusammenstehen. Opti+ zielt auf eine Verbesserung unserer alltäglichen Arbeit, effizientere Prozesse, verbesserte Zusammenarbeit, definierte Produkte. Hierzu ist die Beteiligung aller Mitarbeiter weltweit gefragt. Wir können diesen Kulturwandel nur gemeinsam erreichen! (…) In Opti+ geht es darum, unsere Prozesse nachhaltig so zu optimieren und mit IT-Anwendungen zu unterstützen, dass wir Projekte deutlich effizienter und ohne negative Abweichungen zu unserer Angebotskalkulation abwickeln können. (…) Alle bereits laufenden Projekte und Initiativen werden unter dem Dach von Opti+ zusammengeführt. (…) Zudem ist ein wichtiger Teil des Programms der Kulturwandel hin zu einer agilen Arbeitsweise. Agil bedeutet in diesem Zusammenhang Teamarbeit über Standortund Funktionsgrenzen hinweg mit der klaren Fokussierung auf unseren Kunden. Im Gegensatz zu gängigen Vorurteilen bedeutet agil eine sehr disziplinierte und strukturierte Zusammenarbeit. Um ein übergreifendes Verständnis für diese Arbeitsweise zu erzielen, wurden und werden in den nächsten Wochen und Monaten Mitarbeiter und Führungskräfte bis hin zur Geschäftsführung in dieser Arbeitsweise geschult. (…) Um unsere ambitionierten Ziele zu erreichen, werden wir in Opti+ in interdisziplinären Teams intensiv zusammenarbeiten. Der gesamte Leitkreis – und da schließe ich mich selbst und (…) ausdrücklich ein – wird sich aktiv an dem Programm beteiligen. (…) Opti+ ist bereits gestartet. Das Core-Team wird am (..) in einem gemeinsamen Kick-off-Termin die zukünftige Zusammenarbeit sowohl inhaltlich als auch organisatorisch genauer definieren. Ab diesem Termin wird es regelmäßige Treffen des Core-Teams und des Program-Office geben. Die Mitarbeiter weltweit werden per
3.3 Kontext der Untersuchung
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Newsletter und Intranet sowie über ihre Führungskräfte Informationen zum Programm erhalten. Hierzu wurde im Intranet bereits ein eigener Bereich für Opti+ eingerichtet. Mit Opti+ schalten wir einen Gang hoch, verbessern unsere Prozesse nachhaltig und folglich auch unsere Profitabilität. Ein agiler Ansatz und wirkliche funktionsübergreifende und globale Zusammenarbeit als EIN Team werden uns dabei helfen. Wir haben hervorragende Voraussetzungen – lasst uns [Unternehmensname] zu einem anerkannten, erfolgreichen Unternehmen machen, das seine Kunden begeistert. Und lasst uns Spaß daran haben!“
Quelle: Fallstudie, E-Mail des CEOs an alle Mitarbeiter/-innen zu Opti+, Mai 2018 In der ersten Projektphase (ca. April–Juni 2018) wurde die Beratungsunterstützung durch die Berater/-innen verhandelt. Diese Phase steht in dieser Arbeit nicht im Fokus, da der Autor erst in der zweiten Projektphase dazustieß (Juni – Ende September 2018), in der das Projekt mit Hilfe von Scrum organisiert wurde. Seine Aufgaben umfassten im Wesentlichen die Unterstützung der anderen beiden Senior-Berater (siehe Abschnitt 3.2.1). Allgemein umfassten die Aufgaben der Berater: • den Aufbau, Training, Coaching und Unterstützung von mehreren Verbesserungsteams, bestehend aus Teilnehmerinnen und Teilnehmern des beratenen Unternehmens, hinsichtlich Methoden aus dem Lean Management (z. B. „A3“ und „Wertstromanalyse“); • den Aufbau eines Teams aus Führungskräften, um Verbesserungen zu priorisieren und zu steuern. Diese Aufgaben wurden mit Hilfe von Scrum-Routinen organisiert. Eine Iteration, d. h. das Durchlaufen aller beobachteten (Scrum-)Routinen, dauerte typischerweise eine Woche. In den Sommerferien schwankte die Iterationslänge durch Urlaubszeiten. Das Kern-Projektteam, welches über den Beobachtungszeitraum von drei Monaten regelmäßig und verantwortlich die Routinen durchführte, umfasste damit zwei Senior-Berater, die Kundenprojektleiterin sowie den Autor. Im Laufe des Projekts nahmen noch weitere Personen an den Routinendurchführungen teil – allerdings entweder nur temporär, unregelmäßig oder nur bei bestimmten Routinen. In der ersten Projektphase wurden die Beratungsleistungen in einem schriftlichen Angebot festgehalten. Darin finden sich sowohl die übergeordneten Ziele des
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3
Empirische Untersuchung
Gesamtvorhabens „Opti+“ als auch die Projektziele für die Berater. Die übergeordneten Ziele von „Opti+“ aus dem Beratungsangebot werden in Abbildung 3.3 dargestellt.
Abb. 3.3 Ziele des zu unterstützenden Vorhabens Opti+. (Quelle: Fallstudie, interne Präsentation, 27. April 2018)
Weiterhin wurden im Beratungsangebot für die zweite Projektphase folgende detailliertere Projektziele und -ergebnisse schriftlich festgelegt: • “Support Head of Opti+ on managing (..) work streams • Develop and implement support / escalation concept for projects • Set up, coach and support project teams, improvement teams and leadership teams • Develop training concept and conduct trainings for project teams, improvement teams and leadership teams in lean and agile methods” Quelle: Fallstudie, Beratungsangebot Phase II, Anfang Juli 2018 Den Empfehlungen von Emerson u. a. (2011: 24) folgend, werden im Weiteren ausführlich die ersten Eindrücke der Umgebung, anhand der originalen Feldnotizen des ersten Tags, an dem der Autor zum Projekt dazustieß, wiedergegeben.
3.3 Kontext der Untersuchung
101
Gerade die ersten Eindrücke enthalten oft Wahrnehmungen, die im Laufe der Fallstudie so selbstverständlich werden, dass sie nicht weiter erwähnt und thematisiert werden. Im weiteren Verlauf der Ergebnisdarstellung werden wortwörtlich zitierte Rohdaten kursiv gedruckt, eingerückt und gekennzeichnet mit „(w. Fn.)“ für wörtliche Feldnotizen, „(w. Beob).“ für wörtliche Zitate aus Beobachtungen oder informalen Interviews und „(interview)“ für wörtliche Zitate aus formalen Interviews. Aus Gründen der Anonymisierung wurden die Namen der Beteiligten verändert. Albert und Markus [beides Seniorberater] sitzen im 2. Stock auf einer sehr großen Fläche, die praktisch leer ist, fast sämtliche Schreibtische und Stühle fehlen. Blauer, abgewetzter Teppichboden mit vielen Flecken. Die Infrastruktur mit LAN-Kabel oder WLAN funktioniert nicht mehr, da ein Umzug kurz bevorsteht. Neben Albert und Markus sitzen dort noch Katrin (die Kundenprojektleiterin des gesamten Programms und unsere direkte Ansprechpartnerin) sowie Helmut und Andreas, die beide Vollzeit für das Programm abgestellt wurden. Teilweise sitzt noch ein junger Mitarbeiter dort, unklar, wann genau und was seine Rolle ist. (w. Fn.) Katrin ist eine Frau etwa Mitte vierzig, sehr freundlich, redet schnell und viel. Erzählt, wie sie zu dieser Rolle gekommen ist: „War eben mit dem Projekt in Lissabon fertig, da wollte ich, dass es in zukünftigen Projekten nicht zu den gleichen Fehlern kommt, und habe mich beworben. Und dann sagt der [Vorstandsmitglied] in einem Nebensatz, dass ich damit übrigens auch das Programm Opti+ führen werde (…).“ (w. Beob.) Helmut und Andreas sind Männer etwa ebenfalls Mitte vierzig, vielleicht Anfang fünfzig und führen viele Gespräche, in denen sie Kollegen das Programm „Opti+“ erklären und anscheinend zum Mitmachen motivieren bzw. zu überzeugen versuchen. Immer wieder kommen Kollegen oder Handwerker vorbei. Alle sitzen an einem Einzelschreibtisch in einer Reihe am Fenster. Telefonate oder Telefonkonferenzen finden laut am Platz statt. Ständig spricht jemand mit jemand anderem. Fragen werden über die Schreibtische zugeworfen. Jeder bekommt die Gespräche der anderen mit. (w. Fn.) Markus zeigt mir die Kaffeeküche. Wir gehen über die große leere Fläche durch zwei Türen und kommen in eine Kaffeeküche. Schmaler, fensterloser Raum mit einer mannshohen Kaffeemaschine, einem Kühlschrank und einer Küchenzeile, auf der sich benutzte Tassen und Gläser stapeln. Als „Welcome“ gibt Markus mir einen Kaffee aus. Für den Kaffee muss die Ausweiskarte mit Geld aufgeladen werden, ansonsten kann man keinen Kaffee zahlen. (…) Ich nehme eine Wiener Melange und eine frische Tasse aus dem Schrank. Die Tassen sind mit unterschiedlichsten Logos bedruckt, von [Gewerkschafts]-Tassen bis zu Unternehmenslogos oder Sprüchen. (w. Fn.) Mittagessen mit Katrin und anfangs noch Albert:
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3
Empirische Untersuchung
Kantine offiziell schon zu, aber Katrin kennt das Personal, wir bekommen noch etwas. Personal sitzt schon selbst beim Essen, weiße Kochschützen, einziger besetzter Tisch (…) Brauner, spiegelnder Linoleumboden, cremefarbene Stühle mit roten Plastikstuhlbeinen, beige Tische, billig. Graues Plastiktablett. (w. Fn.)
Da der analytische Fokus dieser Arbeit nicht auf der Individualebene liegt, wird von näheren Beschreibungen der beteiligten Akteurinnen und Akteure abgesehen. Die ersten Eindrücke sollen den Kontext deutlich werden lassen und eine bessere Einrahmung der folgenden Ergebnisse leisten.
4
Ergebnisse und Diskussion
Bisher wurde • auf der Basis organisationstheoretischer Konzepte und Analysen ein konzeptionelles Framework entwickelt sowie • die empirische Untersuchung zur Weiterentwicklung dieses Frameworks beschrieben. Im Hinblick auf die Forschungsfrage „Wie beeinflusst Scrum, als agiles Vorgehen, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten?“ sollen in diesem Kapitel nun die Ergebnisse dieser empirischen Untersuchung geschildert und diskutiert werden. Im Folgenden werden die Ergebnisse konsistent in Bezug auf die vier Bereiche des konzeptionellen Frameworks (siehe Abschnitt 2.4) beschrieben und diskutiert: • • • • •
Zunächst erfolgt dies im Bereich der Einzelroutinen in Scrum. Anschließend wird in den Bereich des Clusters von Routinen gewechselt. Daraufhin werden Einflüsse auf das Cluster besprochen. Zuletzt werden Auswirkungen des Clusters diskutiert. Darauf aufbauend wird schließlich das konzeptionelle Framework erweitert.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. Sailer, Dynamische Ambidextrie durch interdependente Routinen, Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32054-6_4
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4.1
4
Ergebnisse und Diskussion
Einzelroutinen in Scrum
In diesem Abschnitt werden • zuerst die tatsächlichen Durchführungen der einzelnen Routinen beschrieben und es wird auf deren beobachtete explorative und exploitative Tendenzen sowie involvierte Artefakte eingegangen. • Danach werden die in den Durchführungen festgestellten endogenen Dynamiken in Routinen diskutiert. Dies entspricht einem „Zooming-in“ auf Praktiken und Routinendynamiken nach Nicolini (2009, 2013).
4.1.1
Exploration und Exploitation
Routine 1: „Projektziele überprüfen und anpassen“ Bei den Projektzielen fiel auf, dass keine formalen Serientermine zum Durchsprechen am Anfang einer neuen Iteration geplant wurden. Wegen der fehlenden Einplanung fanden auch nur selten formale Termine zur Diskussion statt. Ein Grund wird darin vermutet, dass die Projektziele im Projektangebot bereits schriftlich festgehalten worden waren. Das Projektangebot wurde etwa ein bis zwei Monate vor Eintritt des Autors in das Beratungsprojekt erstellt und vom Projektleiter der Berater mit dem Kunden besprochen. In dem Projektangebot wird keine nachträgliche Änderungsmöglichkeit oder Reflexion erwähnt, d. h., die eigentlich durch die Routine „Prüfen und anpassen der Projektziele“ ermöglichte Exploration wurde durch die Angebotsgestaltung bereits stark erschwert (vgl. Loch und Sommer 2019). Es kann weiter angenommen werden, dass der Projektleiter der Berater aufgrund seiner Rolle selbst ein starkes eigenes Interesse daran hatte, den Beratungsvertrag (d. h. das vom Kunden angenommene Projektangebot) zu erfüllen und nicht nachträglich nochmals durch Routine 1 nachverhandeln zu müssen. Gestützt wird diese Interpretation von Aussagen der Kunden-Projektleiterin: „Am Anfang hatten wir uns ja Ziele gesetzt (…) und da, würde ich jetzt sagen, nehme ich euch alle ziemlich unterschiedlich wahr. Weil ihr auch, glaube ich, unterschiedliche Ziele habt. (…) Beim Albert sehe ich, hier irgendetwas zu machen, weil es steht etwas im Vertrag. Das haben wir im Vertrag auch mehrfach gemeinsam angepasst, damit dann das, was an Zielen da drinsteht, auch dann das ist, was am Ende des Tages gemacht wird.“ (Interview Projektleiterin Kunde)
4.1 Einzelroutinen in Scrum
105
Wie bereits angesprochen fanden die beobachteten Änderungen der Projektziele häufig nicht in einem formal geplanten Rahmen statt, sondern die Kundenprojektleiterin trug sie informal an die Berater heran. In den Beobachtungen zu Routine 1 dominierten daher kreative Abweichungen anstatt geplanter Ausführungen. Explorative und exploitative Tendenzen Die beobachteten Änderungen an den Projektzielen betrafen zum einen das Ziel “improvement of programs” – dieses Ziel wurde gestrichen, als klar wurde, dass es im Vergleich zu den anderen, höher gewichteten Zielen vernachlässigbar ist. Zum anderen wurde eine starke Priorisierung des Ziels „Eskalationskonzept“ vom Top-Management vehement eingefordert. Da im Laufe des Projektes dadurch etwas Neues gelernt (und nicht etwas Vorhandenes optimiert) wurde, kann eine explorative Tendenz gestützt werden. Angesichts seltener Durchführungen der Routine kann diese Tendenz zu Exploration allerdings nur mit Vorsicht angenommen werden. Artefakte Als relevantes Artefakt erwiesen sich wie erwartet die Projektziele. Diese waren mit einem weiteren Artefakt – dem „Kanban board“ – verbunden. In Scrum ist ein Kanban board ein häufig angewandtes “tool used to visualize and coordinate teamwork. Its columns show a sequence of activities, where the cards representing the features under work are put” (Corona und Pani 2013: 4). In dem Beratungsprojekt hatte das Kanban board im oberen Bereich einen Abschnitt für Ziele und darunter Spalten, in denen Projektaufgaben als Post-Its hingen (Jordan 2018). Die Projektziele wurden aus dem Projektangebot per Hand auf Post-Its übertragen (siehe Abb. 4.1) und diese im oberen Bereich des Kanban board angebracht. Routine 2: „Arbeitsphase planen“ Zur Planung der nächsten Arbeitsphase existierten Termine von 30 bis 45 Minuten. Diese Termine fanden regelmäßig, jedoch nicht immer wöchentlich statt. Zum Beispiel wurde durch die Urlaubszeit in den Sommermonaten an einem Termin gleich für die nächsten drei Wochen (anstatt nur für die nächste Woche) geplant. Weiter liefen ab etwa Mitte des Projekts oft über mehrere Wochen regelmäßige Tätigkeiten wie das Coaching von Teams, ohne dass neue Tätigkeiten angefangen worden wären. Dadurch entfielen angesetzte Termine zur Planung (Routine 2). Teilweise wich die Projektplanung auch von einer geplanten Ausführung ab und wurde informal durchgeführt.
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4
Ergebnisse und Diskussion
Abb. 4.1 Projektziele Anfang Juli als Post-Its auf dem Kanban board. (Quelle: Fallstudie, 03.07.2018)
Ungewöhnlich an einem Samstag, 11 Uhr: Anruf zur Absprache, wie wir die nächste Woche planen (w. Fn.)
Beobachtet wurde weiterhin, dass die Verteilung von Arbeitspaketen für die nächste Arbeitsphase (Sprint) durch die Teilnehmer/-innen selbst (“selfallocation”, wie in Abschnitt 2.3.3 beschrieben) durch die beim Top-Management des Kunden übliche direkte Zuweisung von Aufgaben empfindlich gestört wurde. [anderer externer Berater] schimpft über das Topmanagement hier beim Kunden und wie diese dauernd top-down wieder mal auf die Schnelle Onepager wollen: „Und ich dachte, wir arbeiten hier lean und agil?“ (rhetorische Frage) (w. Beob.)
Es war darüber hinaus zu beobachten, dass der Projektleiter unter hoher Arbeitsbelastung den Modus der Aufgabenverteilung wechselte und anfing, Aufgaben selbst zuzuweisen. Es wird vermutet, dass dies damit zu tun haben könnte, dass er den größeren Teil seiner Erfahrungen mit phasenbasierten Projektmanagementmethoden gemacht hatte und dort dieses Vorgehen üblich ist (siehe die verschiedenen Lösungsstrategien zur Verteilen von Aufgaben in Abschnitt 2.3.3).
4.1 Einzelroutinen in Scrum
107
Explorative und exploitative Tendenzen Der Großteil der beobachteten Tätigkeiten und Praktiken, die dieser Routine zuordenbar sind, wiesen, wie theoretisch angenommen, eine stärkere explorative Tendenz auf. So wurde Neues gelernt, indem z. B. durch Informationen des Kunden Arbeitspakete zurückgestellt oder neu ergänzt wurden. Danach gehe ich die Kärtchen auf dem Board durch. [Kunde] nickt und sagt: „okay… mmhh…“, und ergänzt etwas, was ihm eingefallen ist (w. Fn.).
Artefakte Zu dieser Routine zugehörige Artefakte waren der Projektraum (oft „Obeya“ genannt) und innerhalb dieses Projektraumes das Kanban board, auf dem per Post-Its die Arbeitspakete geplant und priorisiert wurden. Dazu wurden die beiden ersten Spalten „New Topics“ und „Ranked Backlog“ genutzt (siehe Abb. 4.2). Routine 3: „Projektarbeit leisten“ Im Unterschied zum Scrum Guide, der eine gleichbleibende „Sprintlänge“ von einer bis vier Wochen empfiehlt, änderte sich die beobachtete Länge der Arbeitsphase im Laufe des Projekts von anfangs einer Woche zu teilweise bis zu drei Wochen. Grund hierfür war die anfangs häufigere Projektplanung (Routine 2), bis das Projekt stabiler lief und die Projektplanungsfrequenz dadurch abnahm. Explorative und exploitative Tendenzen Es fand sich in der Arbeitsphase ein hoher Anteil an exploitativen Tätigkeiten. Ein typisches Beispiel ist die Optimierung der Teamcoaching-Tätigkeiten, indem Berater sich auf das Coaching „ihrer“ Teams spezialisierten und sich daher abwechselten. Das 13-Uhr-Meeting moderiert Albert alleine mit [Kunde]. Um 14 Uhr wechseln wir ab und ich moderiere mit [Kunde] bis 17 Uhr die Meetings (w. Fn.).
Weiter wurden Materialien wie z. B. Trainingskonzepte und -inhalte oder Druckvorlagen für Poster o. Ä. wiederverwendet und optimiert. So wurden beispielsweise Kanban boards für Kundenteams standardisiert und wiederverwendet. 14:30 Treffen mit einem weiteren technischen Projektleiter. Albert möchte wiederum Kanban boards einführen und ihn davon überzeugen (w. Fn.).
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4
Ergebnisse und Diskussion
Abb. 4.2 Planung der Arbeitsphase auf dem Kanban board. (Quelle: Fallstudie, 03.07.2018)
Zu beobachten war, dass es im Zug der Projektarbeit in wenigen Fällen zu spontanem Feedback von Teilnehmerinnen und Teilnehmern z. B. bezüglich Coaching
4.1 Einzelroutinen in Scrum
109
und Trainings kam. Das heißt, exploratives Lernen des Projektteams fand in diesen Fällen ungeplant und informal statt. Eine Zuordnung wäre damit sowohl zu Routine 3 „Projektarbeit“ als auch zu Routine 5 „Kundenfeedback erhalten“ möglich. 15 Uhr Anruf einer Führungskraft, die am Mittwoch in dem Lean/agile-BasicsTraining war. Lobt zuerst (…) und beschwert sich dann, dass er und Kollegen anfangs in Wikipedia nachschauen mussten, was diese Schlagworte denn eigentlich bedeuten. Er empfiehlt beim nä. Training mehr auf die Unterschiede von Lean Management und Agile einzugehen (w. Fn.).
Insgesamt unterstützen die Beobachtungen die theoretische Annahme der überwiegenden Tendenz zu Exploitation. Artefakte Relevante Artefakte während der Arbeitsphase waren die Projektfläche, da auf dieser der Großteil der Gespräche, Termine und Projektarbeit stattfand, sowie der Projektraum, in dem die Teamcoachings überwiegend erfolgten. Auf der offenen Projektfläche saßen Berater wie Kunden zusammen. Sichtkontakt sowie Rufweite erleichterten das Ansprechen und den direkten Austausch. „Neuigkeiten“ aus der Kundenorganisation, die relevant für das Projekt waren, bekamen die Berater dadurch ohne relevanten Zeitverzug mit. Diese sofortige Ansprechbarkeit hatte jedoch auch negative Effekte auf die Projektarbeit. Zeitweise herrschten dadurch Hektik und Aktionismus vor, wie folgender Ausschnitt zeigt: Ein Thema wird angesprochen, es geht um einen Termin mit einem Abteilungsleiter an einem anderen Standort; während [Kunde] im Kalender schaut, kommt Albert mit anderem Thema. [Kunde] vergisst die Terminsuche und antwortet bzw. überlegt. Auch dieses Thema wird wieder von einem anderen verdrängt und nicht beendet (w. Fn.).
Routine 4: „Status im Team austauschen “ Zum Statusaustausch wurden tägliche Termine von 30 Minuten Dauer geplant (per Serientermin). Routine 4 wurde aufgrund dieser täglichen Durchführung am häufigsten beobachtet. Interessant war, dass sich die Berater trotz der Termineinladung gegenseitig an diese tägliche Routine erinnerten. Der „Anstoß“ für Routine 4 ging dabei sowohl vom Projektleiter als auch vom Team aus. Um kurz nach 12 Uhr frage ich Markus, ob wir noch kurz unseren Stand-up machen. Wir gehen in den Obeya und ich fange mit meinen Kärtchen von unten her
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4
Ergebnisse und Diskussion
an. Markus verschiebt seine Kärtchen gar nicht, sondern erklärt nur eben ein paar Sätze, woran er gerade arbeitet. Die restlichen ca. 20 min besprechen wir fachliche Themen (w. Fn.).
Explorative und exploitative Tendenzen Inhaltlich hatte die Routine, wie theoretisch angenommen, eine hauptsächlich exploitative Tendenz. Das heißt, die tägliche Arbeit wurde abgesprochen und ggf. optimiert oder es wurde auf von anderen Beratern erarbeitetes Material zurückgegriffen. Das Kanban board selbst, auf dem die Arbeitspakete als Post-Its angebracht waren, wurde im Zuge dessen ebenfalls „optimiert“. (…) Ich gehe meine Kärtchen durch. Bei den beiden Kärtchen „Coaching“ sagt Albert: „Das sind doch Langläufer, das weiß ich doch eh, dass du das machst, die will ich hier nicht sehen.“ Ich meine: „Okay, dann mache ich die hier weg“, und nehme die Zettel ab. Dann stellt Albert seine Zettel vor und ergänzt noch zwei (w. Beob.).
Artefakte Die wichtigsten Artefakte für Routine 4 waren der Projektraum und innerhalb von diesem das Kanban board. Die Routine wurde häufig innerhalb des Projektraums vor dem Kanban board durchgeführt, da dieses sämtliche Aufgaben enthielt, deren Status verändert wurde. Im Projektraum befanden sich bewusst keine Stühle und nur ein Stehtisch. Die Wände waren fast komplett mit Postern, Kanban boards und Post-Its beklebt (siehe Abb. 4.3). Die Anordnung der Elemente im Projektraum änderte sich im Verlauf des Projekts immer wieder (z. B. wurde, wenn ein Team, das es zu coachen galt, hinzukam, normalerweise auch ein Kanban board für dieses Team neu erstellt). Zu beobachten war, dass die Interaktion der Teilnehmer/-innen (gezwungenermaßen) im Stehen stattfand (der Teamaustausch wird in Scrum deshalb auch „Stand-up“ genannt) und das gemeinsame Versammeln vor dem Kanban board den Austausch im Team erleichterte. Allerdings waren Teilnehmer/-innen, die zum ersten Mal den Obeya betraten, ob der Fülle an Informationen häufig erst einmal „erschlagen“. Der Projektraum mit seinen Inhalten wurde daher neuen Teilnehmerinnen und Teilnehmern oder interessierten Besucherinnen und Besuchern von den Beratern mit als Erstes erläutert. Routine 5: „Kundenfeedback erhalten“ Ein Kundenfeedback ergab sich häufig spontan und ungeplant anstatt geplant (gegen Ende jeder Woche). Eine solche Abweichung initiierte in der Regel der
4.1 Einzelroutinen in Scrum
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Abb. 4.3 Projektraum Obeya. (Quelle: Fallstudie, 25.06.2018)
Kunde selbst. Das ist damit erklärbar, dass nicht alle Projektbeteiligte Teil bzw. Teilnehmer/-innen der hier fokussierten Routine zum systematischen Sammeln von Kundenfeedback (Routine 5) waren. So wurde beispielsweise deutlich, dass das PMO (Project-Management-Office) des Kundenunternehmens eigene Routinen zum Steuern und Kontrollieren von Projekten (von denen das hier fokussierte Beratungsprojekt nur eines war) etabliert hatte. Dadurch wurden z. B. Berichte in Formaten verlangt, die zuerst erstellt bzw. in die Berichte erst konvertiert werden mussten, da sie nicht aus iterativen Ansätzen, sondern aus phasenbasierten Ansätzen herrührten: [Projektmitarbeiter Kunde]: „Habt ihr schon gehört? Wir machen jetzt wieder PowerPoint aus unseren Kanban boards – total agil, oder?“ [ironisch]. Er bezieht sich auf die Anforderung des PMO, einen Projektplan wie im klassischen Projektmanagement zu erstellen (w. Beob.).
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4
Ergebnisse und Diskussion
Ein beobachteter Effekt des kreativen Abweichens von geplanten systematischen Kundenfeedbacks war, dass exploratives Lernen bei den Beratern häufig für diese „überraschend“ und unerwartet geschah. Das löste teilweise Stress bei den Beratern aus. Auch wurde wichtiges Kundenfeedback so teilweise zu spät im Projektverlauf gelernt oder die Änderungen wurden, wenn nicht alle Teammitglieder anwesend waren, nicht synchron an alle relevanten Personen verteilt. Explorative und exploitative Tendenzen Die beobachteten Praktiken der Routine hatten eine zumeist explorative Natur, d. h., über einen Abgleich unterschiedlicher Meinungen und Verständnisse wurde etwas Neues gelernt, was zu Änderungen an den gewünschten Zielen, Aufgaben oder Ergebnissen des Projekts führte. So wurde z. B. die ungeahnte Dringlichkeit und Wichtigkeit eines Eskalationskonzeptes erst während eines Feedbacks mit dem Kunden sichtbar: 16 Uhr: Wichtiges Vorstellen von Arbeitsergebnissen vor [Vorstandsmitglied]. Die erste Hälfte verläuft gut, die zweite Hälfte hingegen nicht. [Vorstandsmitglied] möchte etwas anderes und interessiert sich nicht für unsere Argumente und Vorschläge. Er besteht auf was er „Eskalationskonzept“ für ihre internen Projekte nennt (w. Fn.).
Generell ergaben sich aus dem Kundenfeedback oftmals Änderungen an den gewünschten Projektergebnissen und damit auch an den Aufgaben. Dies soll ein weiteres Beispiel veranschaulichen: Die Übergabe und Feedback [Routine 5] machen wir etwa 11:20. Davor stehen wir am Schreibtisch von Albert und mir. Katrin unterhält sich lauthals mit Markus. Albert und ich hören nur zu. Albert nickt mir zu: „Fangen wir an?“ (…) Die Übergabe erfolgt am Berater-Kanban-board, die neue Assistentin von K. nimmt auch teil, da sie einige Reportings etc. zukünftig pflegen wird. Wir gehen Kärtchen für Kärtchen durch und erzählen, was es dazu zu sagen gibt. Katrin macht einige Anmerkungen, will ein neues Reporting (cumulative flow chart) und kleinere Veränderungen an der diese Woche angefangenen Anwesenheitsliste. (w. Fn.).
Zu der stärkeren explorativen Tendenz kamen auch exploitative Züge, wenn z. B. ein Kundenfeedback spontan erfolgte und auf die Optimierung eines Projektergebnisses abzielte. Das heißt, es ergaben sich keine neuen Aufgaben, Ziele oder gewünschten Projektergebnisse, sondern die vorhandenen Aufgaben, Ziele oder Projektergebnisse wurden optimiert. Zum Beispiel forderte der Kunde eine verbesserte Darstellung der vorhandenen Verbesserungsideen (die ausgedruckt im Projektraum hingen) an:
4.1 Einzelroutinen in Scrum
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Katrin beschwert sich bei Markus und mir über die Qualität der Verbesserungen, die sie heute Morgen dem Management (Board) zeigen musste. (…) Einige Verbesserungsvorschläge haben (..) noch keinen „Benefit“ in Euro ausgewiesen, d. h. eine Schätzung, wie viel Euro damit potentiell gespart werden können (w. Fn.).
Insgesamt unterstützt die Empirie die theoretisch angenommene stärkere Tendenz zu Exploration mit schwächeren exploitativen Tendenzen. Artefakte Als Artefakte waren die Projektfläche sowie der Projektraum mit dem Kanban board und seinen Zielen und Aufgaben relevant. Die als Prototypen vorgestellten und überprüften (vorläufigen) Projektergebnisse reichten von Verbesserungsideen (elektronisch und ausgedruckt im Projektraum) über PowerPoint-Folien (z. B. für das „Eskalationskonzept“) bis hin zum Stand des Teamcoaching. Aus der Forschung zur Entwicklung neuer Produkte ist bekannt, dass solche vorläufigen Projektergebnisse, als Prototypen, das gemeinsame Verständnis von Expertinnen und Experten strukturell unterstützen (Schmickl und Kieser 2008). Das Projektergebnis „Teamcoaching“ hatte als Besonderheit im Wesentlichen keine materiellen Entsprechungen, so dass eine Evaluierung für die Kunden regelmäßig mit Schwierigkeiten verbunden war. Ein von den Beratern vorgeschlagenes Bewertungsschema der aktuellen „Teamreife“ setzte sich im Laufe des Projektes nicht durch. Als Indikator für den Erfolg von „Teamcoaching“ bewertete der Kunde vielmehr die Anzahl und die Qualität der Verbesserungsideen, welche die von den Beratern unterstützten Teams nach und nach entwickelten. Nichtmaterielle Projektergebnisse, welche die Entwicklung von Rollen und Teams zum Ziel haben, sind generell schwierig zu evaluieren. Zum einen kann kein vorläufiges Projektergebnis (Prototyp) in der Routine „Kundenfeedback“ vorgezeigt und inspiziert werden, zum anderen sind die Kriterien zum Evaluieren von Fortschritt häufig unklar. Dies ist aus der Forschung zu personenzentrierter Beratung (Coaching) ein bekanntes Problem (Galdynski und Kühl 2009; Hasenfeld 1972; Kühl 2008; Luhmann und Schorr 1979). Routine 6: „Teamfeedback geben“ Routine 6 wurde nur selten geplant und formal in Terminen durchgeführt. Von der Routine wurde oftmals insofern abgewichen, als Feedback innerhalb des Beraterteams häufig nicht im Team, sondern unter vier Augen erfolgte und öfter informal, etwa auf dem Weg zur Kaffeeküche, als formal bei einem geplanten Termin stattfand. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:
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4
Ergebnisse und Diskussion
In der Kantine sagt Albert, dass er im Urlaub nochmal lange über (…) nachgedacht hätte, und fragt, was meine ehrliche Meinung dazu wäre (w. Fn.).
Während die meisten der exploitativen Routinen die verarbeiteten „Inhalte“ der anderen Routinen (d. h. Ziele, Aufgaben, Ergebnisse) änderten (optimierten), änderte Routine 6 die Durchführungen (aber nicht die „Inhalte“) der anderen Routinen. Damit entsprach diese Routine dem Typ einer “meta-routine”, die sich mittels Feedback direkt auf andere Routinen bezieht (Knott 2001). Metaroutinen, die andere operationale Routinen verändern, sind aus der “dual-routines view” von Nelson und Winter (1982) und March und Simon (1958) bekannt. Ein anderer Begriff von Bucher und Langley (2016: 7) dafür ist “reflective space”. Er bezieht sich auf ein Handlungsmuster, das vorwiegend reflektierend ist und neue Wege sucht, Routinen verschieden durchzuführen. Auch Sonenshein (2016: 17) weist auf die Rolle von Feedback in Routinen hin, welches das Verfolgen auch widersprüchlicher Ziele verschiedener Akteurinnen und Akteure erleichtert. Explorative und exploitative Tendenzen Die Tendenz der Durchführungen lässt sich als gemischt explorativ und exploitativ einstufen. Es wurde sowohl die Zusammenarbeit im Team thematisiert (tendenziell optimierend, also exploitativ) als auch Neues über das Projekt gelernt (z. B. brachte der Kunde Meinungen und Bewertungen anderer nicht anwesender Projektbeteiligter über das Aufgabenpaket „Teamcoaching“ ein, woraufhin dieses angepasst werden konnte). Empirisch wird also eine theoretisch angenommene annähernd gleiche Verteilung explorativer und exploitativer Tendenzen unterstützt. Artefakte Als Artefakt fiel überraschenderweise die Kaffeeküche als relevant auf. Ein Großteil der informalen Eins-zu-eins-Feedbacks hatte Bezug zur Kaffeeküche. Dabei war zu beobachten, dass der Gang zur Kaffeeküche nicht nur die offensichtliche Funktion erfüllte, sich Kaffee zu holen, sondern häufig auch als „Einstieg“ für informale Feedbackgespräche diente. Offensichtlich wurde dies, wenn auf die Frage, „ob man mitkomme, Kaffee zu holen“, der andere mitkam, sich jedoch häufig keinen Kaffee nahm. Gehe mit Markus Kaffee trinken (er hat die Tasse noch voll, kommt trotzdem mit) (w. Fn.).
Räumlich war die Kaffeeküche ungefähr 50 Meter von der offenen Projektfläche und dem Obeya entfernt in einem anderen Bereich gelegen. Die Bereiche
4.1 Einzelroutinen in Scrum
115
waren durch eine schwere, feuersichere Tür abgetrennt und außer Sicht- und Hörweite. Die Relevanz dieses Artefakts spiegelt sich auch darin, dass dem Autor in seiner Rolle als Berater am ersten Tag nach der Vorstellung beim Kunden im Anschluss an die Inspektion der Projekträume sogleich die Kaffeeküche gezeigt wurde. In den empirischen Beobachtungsdaten ist „Kaffee holen“ eine der häufigsten Codierungen (allerdings nicht in jedem Fall mit Praktiken der Routine 6 verbunden). Zwischenfazit Es wurden detaillierte Ergebnisse und Rohdaten zu den einzelnen Routinen präsentiert: • Dabei wurden (zwangsläufig) bereits Beispiele für deren innere Dynamiken – geplante Ausführungen und kreative Abweichungen – gegeben. • Die vorab theoretisch angenommenen explorativen und exploitativen Tendenzen der Routinen (siehe Abschnitt 2.4.3) konnten großteils empirisch unterstützt werden. • Als Artefakte tauchten wie erwartet Projektziele, Aufgaben, Projektergebnisse und Backlog auf. Zusätzlich fielen der Projektraum, das Kanban board, die Projektfläche und die Kaffeeküche als relevante Artefakte im Zusammenhang mit den Routinen auf.
4.1.2
Endogene Dynamiken in Routinen
In den Durchführungen der Routinen konnten zwei Dynamiken unterschieden werden: • zum einen geplantes Ausführen, d. h. vordefinierte Handlungen, die hauptsächlich vom ostensiven Aspekt geprägt waren und Durchführungen stabilisierten, indem sie Vorhersagbarkeit, Verantwortlichkeit und ein gemeinsames Verständnis schufen; • zum anderen kreatives Abweichen, d. h. aus der Situation entstehende Handlungen, die hauptsächlich von den beteiligten Akteurinnen und Akteuren geprägt waren und Durchführungen flexibilisierten, indem sie Unterschiede zu vorherigen Routinendurchführungen schufen, laufende Durchführungen unterbrachen oder sich ergebende Situationen bewältigten.
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4
Ergebnisse und Diskussion
Die Dynamik geplantes Ausführen entspricht damit einer starken Übereinstimmung von performativem und ostensivem Aspekt bei Routinen und wird in der Literatur als “effortful accomplishment” beschrieben (Pentland und Rueter 1994). Die hier gefundene Dynamik veranschaulicht dies und verknüpft es zusätzlich mit den stabilisierenden und koordinierenden Effekten von Vorhersagbarkeit, Verantwortlichkeit und gemeinsamem Verständnis. Vorhersagbarkeit wurde typischerweise über Wiederholungen von Durchführungen etabliert (Dönmez u. a. 2016). Daher wurde die am häufigsten wiederholte Routine 4 auch als die stabilste Routine beobachtet. Die Dynamik kreatives Abweichen entspricht einer Abweichung von performativem und ostensivem Aspekt bei Routinen und wird in der Literatur als “emergent accomplishment” bezeichnet (Feldman 2000). Die im vorliegenden Projekt aufgedeckte Dynamik illustriert dies und verknüpft es zusätzlich mit gewonnener situativer Flexibilität während der Durchführung von Routinen, indem Unterschiede zu vorherigen Durchführungen geschaffen, laufende Durchführungen unterbrochen oder sich ergebende Situationen bewältigt wurden (vgl. das Schaffen von Unterschieden vs. Wiederholungen in Aroles und McLean 2016). Die gefundene Unterscheidung „innerer“, also endogener Dynamiken hat Ähnlichkeit mit der von Dittrich und Seidl (2018) getroffenen Unterscheidung hinsichtlich der Intentionalität bei der Durchführung von Handlungen. Dittrich und Seidl (2018) argumentieren, dass Handlungen einerseits geplant ablaufen, um vorab definierte Ziele zu erreichen (“purposeful action”) – sich andererseits aber auch aus unmittelbaren Situationen heraus entwickeln können und so zur Ausbildung ganz neuer Ziele führen (“purposive action”). In der Fallstudie dieser Arbeit „kidnappte“ Markus z. B. einen geplanten Statusaustausch (Routine 4), um dringende IT-Probleme zu diskutieren, die an diesem Tag unvermittelt auftraten. Die Handlungen von Markus ähneln damit dem Konzept von “purposive action”, da die Verfolgung des vorab definierten Ziels (= den Status der Aufgaben auszutauschen) unterbrochen und stattdessen auf eine sich spontan ergebende Situation reagiert wurde. Allerdings entstanden bei kreativen Abweichungen, im Gegensatz zu Dittrich und Seidl (2018), keine dauerhaften neuen Ziele. Das heißt, die Ziele der Routine wurden durch die Dynamik kreativen Abweichens nicht permanent geändert, so dass nach wie vor auf sich ergebende Situationen reagiert werden konnte, während die Ziele der Routine, und damit der ostensive Aspekt, erhalten blieben. Weiterhin besteht eine Ähnlichkeit zu geplanten und improvisierten Koordinationsmechanismen. Besonders im PSF-Kontext ist bekannt, dass Akteurinnen und Akteure unter Bedingungen hoher Unsicherheit Gebrauch von formal-geplanten sowie informal-improvisierten Koordinationsmechanismen machen (Faraj und
4.2 Cluster von Routinen in Scrum
117
Xiao 2006; Gittell 2002). In der Literatur wird die Nützlichkeit beider Mechanismen betont, da sich formale und informale Mechanismen gegenseitig kompensieren und ausgleichen (Gulati und Puranam 2009). Neben der Veranschaulichung, dass sowohl formale wie auch informale Koordinationsmechanismen wichtig sind, zeigen die empirischen Ergebnisse weiter, dass ein zu hoher Anteil an informalen, eher improvisierten Dynamiken (kreatives Abweichen) in einzelnen Routinen zu Instabilität auf Clusterebene und zur Verhinderung von Exploration führen kann. Details dazu folgen in Abschnitt 4.2.3 zu Clusterdynamiken. Dieses Ergebnis stimmt mit der Literatur über Koordination und flexible Formen des Organisierens überein (Benham-Hutchins und Effken 2010; Broekhuis und Pieter van Donk 2011; Brown und Eisenhardt 1997). Projektarbeit, die agile Vorgehensweisen wie Scrum anwendet und zu viel Gewicht auf kreative Abweichungen in einzelnen Routinen legt, läuft Gefahr, unkoordiniert und chaotisch zu werden. Zwischenfazit Bereits in der Beschreibung der einzelnen Routinen fielen zwei innere Dynamiken auf: • Die Dynamik geplanten Ausführens stabilisierte dabei eher Durchführungen, indem sie die Voraussetzungen für Koordination (Vorhersagbarkeit, Verantwortlichkeit und ein gemeinsames Verständnis) schuf. • Die Dynamik kreativen Abweichens flexibilisierte eher Durchführungen, indem situationsbezogen reagiert wurde (Schaffen von Unterschieden, Unterbrechen laufender Durchführungen und Bewältigung sich ergebender Situationen). • Überleitend zur Clusterebene wurde festgestellt, dass kreative Abweichungen in Einzelroutinen zu Problemen im Cluster führten.
4.2
Cluster von Routinen in Scrum
Nachdem die einzelnen Routinen zunächst künstlich „isoliert“ betrachtet worden sind, werden im Folgenden Ergebnisse und Daten auf einer höher aggregierten Ebene, dem Cluster interdependenter Routinen, vorgestellt. Das entspricht einem „Zooming-out“ aus einzelnen Praktiken und Einzelroutinen nach Nicolini (2009, 2013): • Dazu wird zunächst ein typischer Ablauf einer Iteration, d. h. einer Woche im Projekt, detailliert in einem Narrativ beschrieben, um ein Gefühl für den
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4
Ergebnisse und Diskussion
Kontext, Ablauf und Zusammenhang sämtlicher Routinen und Praktiken in einer Iteration zu geben (vgl. das Vorgehen bei Bourgoin u. a. 2019). • Danach wird auf die Koordinierung der Routinen durch deren erwartete Reihenfolge sowie durch das Kanban board als verbindendes Artefakt eingegangen. • Zuletzt werden beobachtete Dynamiken im Cluster und deren Auswirkungen auf Exploration und Exploitation im Projekt diskutiert.
4.2.1
Narrativ einer typischen Iteration
Es wird eine typische Iteration, d. h. die Abfolge aller sechs Routinen in einer Woche, beschrieben. Das bedeutet, dass die Beschreibung aus Beobachtungen verschiedener Iterationen zusammengesetzt ist, um die ganze Bandbreite der Daten zu zeigen und um bei gleichzeitiger „Komprimierung“ der umfangreichen Daten typische Vorkommnisse zu destillieren. Eine solche Iteration wurde zyklisch jede Woche wiederholt und begann jeweils donnerstags (da dies der letzte Tag der Berater vor Ort beim Kunden war und folglich zu diesem Zeitpunkt die nächste Woche geplant wurde). Die hier beschriebene Iteration kann relativ zu Beginn des Projekts, d. h. im Juni, verortet werden. Die Beschreibung enthält Daten aus alltäglichen Durchführungen der beobachteten Routinen, der verwendeten Artefakte und vor allem reichhaltige Eindrücke des Kontexts, um die Routinen besser einordnen zu können. Dazu wird bewusst, abweichend vom Rest der vorliegenden Arbeit, die „Ich“-Perspektive eingenommen. Zum besseren Verständnis und zur Orientierung sind die jeweiligen Routinen sowie die bereits besprochenen Dynamiken (und teilweise deren spezifische Funktion in der jeweiligen Situation) in den einzelnen Routinen kursiv gedruckt in eckigen Klammern in die Beschreibung eingefügt. Ein Beispiel hierfür ist: [Routine 1: Kreatives Abweichen] oder [Routine 2: Geplantes Ausführen – Vorhersehbarkeit schaffen]. Donnerstag Markus, ein Senior-Berater zwischen vierzig und fünfzig und Experte für die Verbesserungsmethoden, welche die Berater implementieren, geht pünktlich um 17 Uhr in den Projektraum, um die nächste Woche mit dem Kern-Projektteam zu planen [Routine 2]. Nachdem er zwei Minuten alleine gewartet hat, lehnt er sich zur Tür hinaus und ruft Albert, der Projektleiter der Berater und ebenfalls ein erfahrener SeniorBerater etwa Mitte vierzig ist, zu: „Und, wird das heute noch was?“ Albert sitzt
4.2 Cluster von Routinen in Scrum
119
direkt hinter mir in der großen, offenen Bürofläche, die zugleich unsere Projektfläche ist, an einem Schreibtisch. Sein Schreibtisch ist recht leer, abgesehen von den vielen farbigen Post-Its, auf denen handgeschrieben Dinge wie Aufgaben und Erinnerungen stehen, seinem Handy, seinem Monitor und seinem Laptop. Er schaut zuerst irritiert auf, erblickt dann Markus und wedelt kurz zustimmend mit der Hand. Dann gehen wir zusammen in den Projektraum, der in Sichtweite nur ein paar Meter entfernt liegt. Der Projektraum ist ein ehemaliges kleines Besprechungszimmer, ohne Tisch, ohne Stühle und ohne Fenster. Lediglich ein Stehtisch mit etlichen farbigen Post-Its und Stiften steht in ihm. Die Wände sind innen tapeziert mit Diagrammen, Plänen und vor allem vielen Kanban boards. Auf den Kanban boards kleben viele Post-Its in unterschiedlichen Farben, die Aufgaben symbolisieren. Die Spalten eines Kanban boards stellen den Stand der Aufgaben dar. Die Reihenfolge der Spalten entspricht dabei der Abfolge von Tätigkeiten. Jede Aufgabe durchläuft also die Spalten von ganz links bis nach ganz rechts. Vereinfacht gesprochen, geht es um die Phasen von der Planung einer Aufgabe über die Abarbeitung bis hin zur Fertigstellung. Im Detail lesen sich die Spalten/Phasen von links nach rechts wie folgt: „New Topics“, „Ranked Backlog“, „Plan/Prepare“, „Do“, „Check“, „Act“ und „Done“. Über den Spalten gibt es einen Bereich für die Projektziele. Abbildung 4.4 zeigt das Kanban board für das Kern-Projektteam zu einem frühen Zeitpunkt des Projekts. Teile des Kanban boards sind aus Datenschutzgründen geschwärzt. Markus möchte beginnen, aber Albert stellt fest, dass Katrin, die Projektleiterin des Unternehmens und unsere direkte Ansprechpartnerin, immer noch fehlt. Er geht an ihren Schreibtisch, der nur drei Schreibtische von seinem entfernt ist, und fragt: „Kommst du auch dazu?“ Während sie noch auf den Bildschirm sieht, nickt sie abwesend und fragt nur: „Obeya?“ (Sie meint den Projektraum.) Als schließlich alle da sind, beginnt Albert damit, mit dem Finger auf die Projektziele im oberen Bereich des Kanban boards hinzudeuten und uns zu erinnern, dass diese Ziele aus dem Angebot stammen und unsere Aufgaben alle darauf „einzahlen“ sollten. Allerdings ist ein solcher expliziter Bezug auf die Projektziele eher selten. Die Überprüfung der Projektziele [Routine 1] findet häufiger nur zwischen Albert und Katrin statt, da Albert die Projektziele ursprünglich auch mit Katrin vereinbart hat. Zum Beispiel kommt es drei Wochen später zu einer Änderung der Projektziele, jedoch auf eine eher informale Weise [Routine 1: kreatives Abweichen]: Später erwähnt Albert, dass das Ziel „Improvement of programs“ nun in Absprache mit Katrin tatsächlich offiziell gestrichen ist.
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4
Ergebnisse und Diskussion
Abb. 4.4 Eingesetztes Kanban board. (Quelle: Fallstudie, 03. Juli 2018)
(…) [Zwei Tage später] Die Kärtchen, die in Verbindung mit dem ehemaligen Ziel „Improvement of programs“ stehen, wurden entfernt (w. Fn.).
4.2 Cluster von Routinen in Scrum
121
Im Laufe der nächsten vierzig Minuten reden wir über die Aufgaben auf dem Kanban board, die wir nächste Woche entweder weiter bearbeiten oder neu beginnen wollen [Routine 2: Geplantes Ausführen – Verantwortlichkeit schaffen]. Als Nächstes werden neue Post-Its geschrieben und bereits bestehende werden diskutiert. Nachdem die Dringlichkeit und Wichtigkeit der jeweiligen Aufgabe besprochen worden sind, wird sie von uns entweder in der Spalte „New Topics“ oder in der Spalte „Ranked Backlog“ angebracht. Die Aufgaben umfassen Aktivitäten wie „Setup neues IT-Team“, „Training A3 für Gruppenleiter“, „Workshop Berlin vorbereiten“ oder „Support für Projekt Helsinki“. Die Projektarbeit enthält im Wesentlichen den Aufbau, das Training und Coaching verschiedener Teams, die zukünftig bestimmte Verbesserungsmethoden selbstständig anwenden sollen (z. B. „A3“ oder „Wertstromanalyse“), um Kundenprojekte und in der Folge die finanziellen Ergebnisse zu verbessern. Katrin kommentiert, „wenn nichts passiert, müssen wir in zwei Jahren den Laden zumachen“ (w. Beob.). Dann hört sie wieder zu und stellt Fragen wie „wie weit sind wir eigentlich mit dem Ausrollen der Templates?“ oder gibt Informationen, z. B. dass ein Manager momentan im Urlaub und daher erst nächste Woche wieder erreichbar sei. Manche Aufgaben werden mehr diskutiert als andere, abhängig davon, wie viel Informationen oder Fragen die anderen beisteuern [Routine 2: Geplantes Ausführen – gemeinsames Verständnis schaffen]. Es können häufig Abweichungen in diesen Planungsaktivitäten beobachtet werden. Zum Beispiel wird im August, der üblichen Urlaubszeit, ein weiteres Projektmitglied bei der Planung mit dazu genommen und es werden drei Wochen anstatt einer Woche geplant [Routine 2: Kreatives Abweichen – Unterschiede schaffen]. Albert holt Katrin und Helmut dazu, um die Übergabe [Planung, Routine2] für die nächsten drei Wochen (Katrin wird im Urlaub sein ab nächster Woche) zu machen (w. Fn.).
Es kommt vor, dass nur Teile des Kernprojektteams zusammenkommen oder nur einer der Berater die Planung mit Katrin durchführt. Unglücklicherweise führt das dann oftmals zu Problemen, wenn diejenigen, die nicht bei der Planung dabei waren, Veränderungen zu spät mitbekommen. Nachdem die nächste Woche geplant worden ist, beginnt der nächste Sprint [Routine 3]. Freitag Ein typischer „Office-Friday“, an dem wir Berater an einem anderen Standort in den eigenen Büros sind. Wir absolvieren interne Trainings, rechnen Reisekosten
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4
Ergebnisse und Diskussion
ab und treffen uns mit Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig arbeiten wir immer noch für den Kunden, bereiten die nächste Woche im Projekt vor und nehmen an Telefonkonferenzen teil. Nur wenige Wochen in der Zukunft (im Juli) wird der Arbeitsdruck jedoch hoch sein und die Zeit am Freitag nicht länger für all diese Aktivitäten genügen. In diesem Fall wird z. B. Albert an einem Samstag anrufen, um die nächste Woche im Projekt zu planen [Routine 2: Kreatives Abweichen – Bewältigen]. Montag Ich komme um 8:30 Uhr in den Kundenbüros an. Die Empfangsdame kennt uns inzwischen und winkt mich durch. Die offene Projektfläche, auf der die Berater und das Kernprojektteam sitzen und auch der Projektraum mit den Kanban boards gelegen ist, befindet sich im zweiten Stock. Als ich aus dem Aufzug steige und an mir bekannten Projektteammitgliedern vorbei zu meinem Schreibtisch gehe, nicken diese mir wortlos zu. Markus, der Frühaufsteher unter den Beratern, grüßt mich bereits mit einer Kaffeetasse in der Hand. Gleichzeitig betritt Katrin die Projektfläche vom anderen Ende her, wild gestikulierend und in ihr Mobiltelefon sprechend. Markus bleibt wie angewurzelt stehen, blinzelt und fragt: „Kaffee?“ Katrin nickt, wirft ihre Tasche und Jacke auf den Bürostuhl. Die kleine Gruppe geht in die Kaffeeküche. Während wir gehen, fragt Markus, ob noch etwas Wichtiges am Freitag passiert ist, aber Katrin, die das Telefonat inzwischen beendet hat, beginnt über ihr Wochenende mit ihren Kindern zu erzählen. Als wir in der Kaffeeküche ankommen, hält Katrin ihre elektronische Unternehmenskarte an die Kaffeemaschine, um zu bezahlen und Kaffee zu bekommen. Markus hat immer noch Kaffee in seiner Kaffeetasse, findet aber offensichtlich Gefallen am Austausch und an der Gruppe. Während wir am noch zu heißen Kaffee nippen, werden Informationen über das Projekt und einige Aufgaben in der Kaffeeküche anstatt im Projektraum ausgetauscht. Nächste Woche steht z. B. der Besuch eines Vorstandsmitgliedes an [Routine 4: Kreatives Abweichen – Unterschiede schaffen]. „Keine Folienshow, sondern einfach den Obeya zeigen und wie wir hier arbeiten“ (w. Beob.), fordert Katrin. Dann drehen wir uns in der schmalen Kaffeeküche um und gehen zurück. Währenddessen ist Albert angekommen. Später um 12 Uhr speichere ich das PowerPoint-Dokument, an dem ich gerade gearbeitet habe, ab und schaue Richtung Projektraum. Albert hat unseren 30-minütigen täglichen „Stand-up“ auf 12 Uhr gelegt [Routine 4: Geplantes Ausführen – Vorhersagbarkeit schaffen]. Im Stand-up soll jede/-r drei Fragen beantworten: Was habe ich gestern gemacht? Was mache ich heute? Wo brauche ich Hilfe? Wir treffen uns im Projektraum vor der Wand, an der das Kanban board hängt, und jede/-r geht „seine“/„ihre“ Aufgaben in Form von Post-Its am
4.2 Cluster von Routinen in Scrum
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Kanban board durch [Routine 4: Geplantes Ausführen – Verantwortlichkeit und gemeinsames Verständnis schaffen]. Während des Beantwortens der Fragen zeigt jede/-r mit dem Finger auf das jeweilige Post-It und geht die Spalten des Kanban board von rechts nach links durch (also von den gerade in Arbeit befindlichen Aufgaben in z. B. „Do“ zu den geplanten in „Plan“ bis hin zum Arbeitsvorrat in „Backlog“). Der Rest des Tages ist normaler Projektarbeit gewidmet [Routine 3: Geplantes Ausführen]. An diesem Tag werden einige standardisierte Arbeitspraktiken des Kernprojektteams, wie die Nutzung des Kanban boards oder der Stand-ups, in einem anderen Projekt, zu dem wir eine Schnittstelle haben, ebenfalls eingeführt. Obwohl es für nächste Woche ein geplantes Treffen mit einem Vorstandsmitglied gibt, um dessen Rückmeldungen zu den bisherigen Projektergebnissen zu erhalten [Routine 5: Geplantes Ausführen – Vorhersagbarkeit schaffen], kommt am Abend ein unerwarteter Anruf: 18:30 Das PMO [Projekt-Management-Office], das an einem anderen Standort sitzt, ruft an. Es wird berichtet, wie Telefonate mit zwei PLs [Projektleiter] in Indonesien und Brasilien verliefen und dass erwartet wird, dass wir sie unterstützen und kontaktieren. Sie ergänzt: „Das habe ich so auch schon dem [Vorstandsmitglied] weitergegeben.“ (w. Fn.)
Dieser Anruf bringt unsere Planung für diese Woche ernsthaft durcheinander. Wir rufen sofort Albert an, der noch in einer anderen Besprechung ist, um einige Aufgaben diese Woche zu verschieben [Routine 2: Kreatives Abweichen – Unterbrechen]. Da wir im selben Hotel untergebracht sind, verständigen wir uns darauf, uns am nächsten Tag zum Frühstück dort zu treffen, um die neuen Anforderungen des PMOs zu besprechen. Dienstag Gegen 7:45 beschwert sich Albert im Frühstücksraum des Hotels über die plötzlichen neuen Anforderungen von Kundenseite („Micromanagement!“, ruft er wütend aus). Er schlägt vor, die neuen Anforderungen bei Katrin anzubringen, damit wir mit ihr im Planungsmeeting neu priorisieren können [Routine 2]. Typischerweise führen solche ungeplanten, neuen Anforderungen zu einer Menge Überstunden bei den Beratern. Wir vereinbaren, dass sich Albert um die neuen Anforderungen kümmert und die anderen Berater eine Vorlage für ein Projektreporting fertigstellen [Routine 2: Kreatives Abweichen – Bewältigen]. Wir nehmen die U-Bahn und kommen am Kundenstandort an. Am Dienstag werden hauptsächlich die Verbesserungsteams trainiert und gecoacht [Routine 3:
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Ergebnisse und Diskussion
Geplantes Ausführen – Vorhersagbarkeit schaffen]. Dazu kommt jede Stunde ein anderes Team in den Projektraum oder auf die Projektfläche und diskutiert Verbesserungsideen, wird in Verbesserungsmethoden trainiert oder beginnt direkt an den Verbesserungen zu arbeiten. Ein Berater moderiert diese Treffen und coacht das Team [Routine 3: Geplantes Ausführen – Verantwortlichkeit schaffen]. Wie jeden Tag findet um 12 Uhr der Stand-up statt [Routine 4: Geplantes Ausführen – Vorhersagbarkeit schaffen], dieses Mal jedoch ohne Albert und Katrin. Albert ist immer noch mit seinem Team beschäftigt und Katrin hat bereits eine Verabredung zum Mittagessen. Nach dem Austausch gehen wir hastig in die lokale Kantine, die im oberen Stockwerk gelegen ist. Danach wechseln sich die Berater in der Moderation und dem Coaching der Teams ab, um auch noch die ungeplante Arbeit, die am Morgen verabredet wurde, erledigen zu können [Routine 3: Kreatives Abweichen – Bewältigen]. Mittwoch Obwohl sich Markus heute Morgen bereits einen Kaffee genommen und dabei den Stand der Aufgaben diskutiert hat, gehen wir um 12 Uhr zum Stand-up [Routine 4: Geplantes Ausführen – Vorhersagbarkeit schaffen]. Jedoch nutzt Albert die Besprechung überraschenderweise zu einem ganz anderen Zweck [Routine 4: Kreatives Abweichen – Unterbrechen]: Daily Stand-up wieder ausgefallen ohne Hinweis darauf von Albert. Stattdessen große Diskussion zwischen [Kunde] und Albert, was ihnen am Vorgehen von [Teammitglied] heute Morgen nicht gefällt (w. Fn.).
Markus geht zurück zu seinem Schreibtisch und arbeitet weiter. Katrin war während des Vormittags in einer Skype-Telefonkonferenz. Als sie uns über die Schreibtische hinweg sieht, fixiert sie uns mit einem ärgerlichen Blick und schiebt ihr Headset herunter. Sie wirft uns vor, nicht schnell genug mit den Verbesserungen voranzukommen und stattdessen zu viel Zeit in die „Wertstromanalyse“ zu stecken. Gerade eben habe sie wieder Beschwerden darüber erhalten. Wir sollen mit sofortiger Wirkung weniger Aufwand in die Wertstromanalyse stecken und mehr in das Coachen von Verbesserungsideen. Unglücklicherweise fehlt Albert und bekommt ihre Rückmeldung erst am nächsten Tag mit [Routine 5: Kreatives Abweichen – Unterschiede schaffen]. Normalerweise dienen sogenannte „Reviews“ mit dem ganzen Team am Ende des Sprints dazu, vom Kunden systematisch Rückmeldungen zu allen bisherigen Projektergebnissen einzusammeln.
4.2 Cluster von Routinen in Scrum
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Zum Beispiel reisten die Berater letzte Woche an einen anderen Standort des Unternehmens, um mit einem dort ansässigen Vorstandsmitglied ein solches „Review“ durchzuführen, indem sie ihm die bisherigen Projektergebnisse zeigten und seine Rückmeldung einholten. Solch eine Besprechung musste mehrere Wochen im Voraus geplant werden, da ein Termin mit einem Mitglied des Vorstands regelmäßig schwierig zu bekommen war [Routine 5: Geplantes Ausführen – Vorhersagbarkeit schaffen]. Donnerstag Aufgrund einer sehr engen Zeitplanung schlägt Albert hektisch vor, den Standup um 12 Uhr heute abzusagen und sich stattdessen noch rasch etwas zu essen zu besorgen [Routine 4: Kreatives Abweichen – Bewältigen], da er für 12:30 zu einer „Retro“ (Retrospektive), einem Teamfeedback, eingeladen hat [Routine 6: Geplantes Ausführen – Vorhersagbarkeit schaffen]. 12:30 Retro von Albert eingeladen (…) Wir gehen in ein gebuchtes Besprechungszimmer und Albert fängt an, das Vorgehen zu erklären. (…) Wir fangen an Zettel in unterschiedlicher Farbe zu schreiben, je nachdem was gut oder schlecht lief, unterteilt nach „Ich“, „Projektteam“ und „die Anderen“ (w. Fn.).
Einige Wochen in der Zukunft wird Albert in einem formalen Interview herausstellen, dass für ihn persönlich die „Retros“ zu den nützlichsten Routinen gehörten, um mit aufkommenden Konflikten umzugehen [Routine 6: Geplantes Ausführen – Gemeinsames Verständnis schaffen]: (..) was ich eigentlich gut finde, dass man von vorneherein (Pause) die Ansage macht, wir machen, oder man sollte, regelmäßig Retrospektiven machen. In guten und in schlechten Zeiten. Und das finde ich eigentlich gut, weil jeder weiß es, und wenn es dann mal schlecht läuft und die Retrospektive kommt, war es vorher aber schon angekündigt und es hat nicht diesen Touch „oh, jetzt müssen wir was machen!“ (Interview, Albert).
Danach wird der bevorstehende Sprint in der nächsten Woche vorbereitet und die nächste Woche (Iteration) geplant [Routine 1 und Routine 2: Geplantes Ausführen – Vorhersagbarkeit schaffen]. Der Zyklus startet erneut.
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4.2.2
4
Ergebnisse und Diskussion
Koordinierung von Routinen
Nach der dichten Beschreibung eines kompletten Durchlaufs aller Routinen wird nun näher auf die verbindenden, koordinierenden Elemente zwischen den Routinen, innerhalb des Clusters, eingegangen. Es werden dazu empirische Beobachtungen präsentiert und es wird gezeigt, wie die Koordinierung der interdependenten Routinen durch • die Sequenz der Routinen und • ein verbindendes Artefakt (Kanban board) erleichtert wurde. Damit resultierten Vorhersagbarkeit, Verantwortlichkeiten und ein gemeinsames Verständnis als Bedingungen für Koordination. Sequenz der Routinen Es fiel auf, dass die Reihenfolge der Routinen in verschiedenen Iterationen nicht immer dieselbe war. Routinen, deren Positionen in der Abfolge stabiler waren, waren diejenigen, die über Kalendereinträge (Serientermine per Microsoft Outlook) geplant waren: Routine 2, 3 und 4. Nach ein paar Wiederholungen und mit Hilfe einer simplen Einladung wurde es vorhersagbar, dass z. B. Routine 2 am Donnerstagnachmittag stattfinden würde. Ebenso wurde am Dienstag um 12 Uhr Routine 3 von Routine 4 abgelöst und nach deren Ausführung wurde wieder Routine 3 fortgesetzt. Diese problemlose Verkettung von Routinen wurde durch deren vorhersagbare Reihenfolge erleichtert. Im Gegensatz dazu wurden Routine 5 und 6 nicht als Serientermin geplant, sondern unregelmäßig jeweils als Einzeleinladung an die Teilnehmer/-innen verschickt. Das führte unter anderem dazu, dass oft informal, ohne Einladung, Feedback ausgetauscht wurde, während sich die Beteiligten z. B. einen Kaffee in der Kaffeeküche holten (Routine 5 und 6). Daran nahm typischerweise nicht das ganze Projektteam teil, so dass wertvolle Informationen nicht immer geteilt und von allen verstanden wurden. Da über Einzeleinladungen geplante Routinen die Reihenfolge der Routinen in der jeweiligen Iteration insgesamt ändern konnten, war es nicht länger klar (vorhersagbar), welche Routinen folgen würden und ob eine formale Ausführung der Routine mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern noch an ihrer eigentlichen Position stattfinden würde. Es wurde beobachtet, dass kreative Abweichungen z. B. der Kundenfeedbackroutine (Routine 5) sogar geplante Durchführungen dieser Routine verdrängten. Nachdem z. B. bei einer Gelegenheit ungeplant Feedback
4.2 Cluster von Routinen in Scrum
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mit dem Kunden ausgetauscht worden war, fiel es leichter, die geplante Ausführung von Routine 5 zu verwerfen, da „wir ja schon geredet haben“ – obwohl nicht jedes Mitglied des Kernprojektteams anwesend gewesen und nicht jedes Projektergebnis diskutiert worden war. Die Literatur zu Koordinationsmechanismen bestätigt, dass sequentielle Wechselbeziehungen Vorhersagbarkeit schaffen (Gittell 2002; Rico u. a. 2008; Thompson 1967). In der Fallstudie war es vorwiegend die Dynamik geplantes Ausführen, die sowohl Praktiken innerhalb von Routinen als auch die Reihenfolge der Routinen im Cluster (d. h. das Muster der Routinen, nicht der Praktiken) während einer Iteration vorhersagbar machte. Im Gegensatz zur Koordinierung einzelner Routinen, die stark auf reflektierter Verarbeitung von Echtzeitinformationen durch die Beteiligten aufbaut (Pentland u. a. 2012), beruht die Koordinierung auf der Clusterebene auf einem vorhersagbaren Muster, oder einer Reihenfolge, von Routinen. Im Unterschied zur Literatur zu neuen Formen des Organisierens (z. B. Brown u. a. 1998; Brown und Eisenhardt 1997; Ciborra 1996; Siggelkow und Rivkin 2005), welche annimmt, dass solche neuen Formen nicht auf Stabilität beruhen, konnte im Rahmen der Fallstudie beobachtet werden, wie Stabilität und Vorhersehbarkeit die Koordination von Arbeit erleichtern (vgl. Schreyögg und Sydow 2010). Zusammenfassend wurde eine Veränderung der Reihenfolge der Routinen als hochproblematisch für die Koordinierung interdependenter Routinen beobachtet, da damit die Vorhersagbarkeit verloren ging. Das betont die Wichtigkeit einer stabilen Sequenz von Routinen in einem Cluster hinsichtlich Koordinierung. Verbindendes Artefakt Um die Projektarbeit zu koordinieren, spielte weiterhin das Kanban board als verbindendes Artefakt zwischen den Routinen eine wesentliche Rolle. Es verknüpfte fast alle Routinen (mit Ausnahme von Routine 6), da sowohl Projektziele als auch Aufgaben (in Form von Post-Its) am Kanban board angebracht waren. Daher fanden Routinen, bei geplanter Ausführung, physisch vor dem Kanban board statt, so dass die gerade sprechende Person Bezug auf entsprechende Aufgaben nehmen, diese möglicherweise als Ergebnis einer Diskussion verändern bzw. neu schreiben konnte oder ihren Status durch Verschieben in eine andere Spalte auf dem Kanban board änderte (z. B. von „Do“ nach „Done“, wenn alle Teammitglieder sowie der Kunde damit einverstanden waren). Beispielsweise wurde, nachdem die Projekt- und Sprintziele in Routine 1 überprüft worden waren, auf diese in der nächsten Routine Bezug genommen, um die anstehenden Aufgaben zu überarbeiten.
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Ergebnisse und Diskussion
Allerdings wurden in Zeiten hoher Arbeitslast und gesteigerten Arbeitsdrucks Routinen ohne das Kanban board ausgeführt. Da sich die Projektmitglieder nicht immer jederzeit an jede Aufgabe und jedes Projektziel erinnerten, hatte dies einen unvollständigen Austausch zum Status der Aufgaben (Routine 4) oder zur Planung (Routine 2) zur Folge, da Aufgaben vergessen wurden. Ohne das Kanban board als „physischen Anker“, vor dem sich die Projektmitglieder zu den Routinen treffen konnten, wurde die Projektarbeit unkoordinierter und das Verständnis der Projektziele und Aufgaben lief auseinander. Das wurde z. B. von Albert kommentiert, als ihn ein Projektmitarbeiter des Kunden in einer Diskussion fragte, ob das diskutierte Thema denn nicht als Aufgabe auf das Kanban board sollte: Albert erzählt, dass er gestern einem der Teammitglieder, auf dessen Hinweis, wir könnten das eben aufgekommene Thema ja mal bei uns ins [Kanban] Board hängen, entgegnete: „Ja ja, aber das nutzen wir ja kaum. Da bewegt sich ja nichts, das sage ich ja von Anfang an. Ich kann das nicht brauchen, um zu managen!“ (w. Beob.)
Die Aufgaben auf dem Kanban board hatten als Grundstruktur einen Code zur Identifikation der/des Verantwortlichen. Dieser wurde auf jedes Post-It geschrieben, so dass bei Fragen zu dieser Aufgabe, auch zwischen den Routinen, die richtige Person adressiert werden konnte. Beispielsweise forderte Katrin von Markus eine Roadmap für das nächste Jahr, wenn die Berater nicht mehr anwesend sein würden. Allerdings erschien diese Aufgabe nicht auf dem Kanban board und niemand sonst wusste, dass Markus daran arbeitete, obwohl auch andere Projektmitglieder bereits nach einer solchen Roadmap fragten. Das heißt, es gab keine über die Aufgaben am Kanban board geschaffene Verantwortlichkeit dafür bzw. diese war nicht transparent. Das Kanban board kann als Repräsentationstechnologie (Okhuysen und Bechky 2009: 474) verstanden werden, die Routinen dadurch koordiniert, dass sie Verantwortlichkeiten und ein gemeinsames Verständnis unterstützt. Auch aus der Beratungsforschung sind solche “boundary objects” dafür bekannt, die Kommunikation in Projektteams zwischen Beraterinnen und Beratern sowie Kunden zu erleichtern (Sutter und Kieser 2015). Das Kanban board stabilisiert Routinen, indem es den Fortschritt von Aufgaben darstellt (Okhuysen und Bechky 2009) und Routinen in einem Cluster miteinander verbindet (Feldman und Rafaeli 2002). Allerdings wurde bei zunehmenden kreativen Abweichungen einzelner Routinen auch vom Gebrauch des Kanban board verstärkt abgewichen. Das wurde z. B. dann ersichtlich, als das Kanban board nicht mehr aktualisiert wurde und sich Projektarbeit zerstreute und zunehmend unkoordiniert wurde.
4.2 Cluster von Routinen in Scrum
129
Zusammenfassend verknüpfte das Kanban board die Routinen miteinander und der Verzicht auf seine Nutzung führte zu spürbaren Koordinierungsschwierigkeiten, da sowohl Verantwortlichkeiten als auch gemeinsames Verständnis verloren gingen. Zwischenfazit Die Reihenfolge der Routinen und das Kanban board als verbindendes Artefakt hatten eine stabilisierende und koordinierende Wirkung in dem Cluster interdependenter Routinen: • Die Reihenfolge der Routinen erzeugte Stabilität, indem sie Vorhersehbarkeit schuf. • Das Kanban board unterstützte diese durch die Schaffung von Verantwortlichkeiten und einem gemeinsamen Verständnis. Diese Arbeit beantwortet damit offene Fragen der Forschung dazu, wie interdependente Routinen zusammenwirken (Dönmez u. a. 2016; Feldman u. a. 2016; Howard-Grenville und Parmigiani 2011; Kremser u. a. 2019; Sele und Grand 2016; Spee u. a. 2016). Es wurde gezeigt, wie Artefakte nicht nur Exploration und Exploitation unterstützen, sondern auch mehrere interdependente Routinen miteinander verknüpfen können (Bechky 2003; Carlile 2002; Carlile u. a. 2013; Leonardi 2011). In der jüngeren Forschung zu Clustern interdependenter Routinen fanden Kremser und Schreyögg (2016) „programmierte Schnittstellen“ zur Koordination. Diese legten fest, welche Ergebnisse (Output) von Routinen als Eingabe (Input) in andere Routinen dienten. Die Ergebnisse dieser Arbeit erweitern ihre Erkenntnisse um Artefakte als physische Träger solcher vordefinierten Ergebnisse (d. h. Aufgaben, die Output einer Routine waren, werden Input der nächsten Routine, physischer Träger hierfür ist das Kanban board). Die Ergebnisse ergänzen weiterhin die Literatur über neue Formen des Organisierens um strukturelle Koordinationsmechanismen (Sequenz und Artefakt). Bislang wurde in dieser Literatur großteils von akteurgetriebener Koordination (“actor-oriented architectural scheme”) ausgegangen (Fjeldstad u. a. 2012). Generell wird damit ein Beitrag zur aktuellen Forschung über Koordination von Routinen auf der Clusterebene geleistet.
130
4.2.3
4
Ergebnisse und Diskussion
Dynamiken im Cluster
Zunächst erleichterten die explorativeren Routinen (1, 2 und 5) tatsächlich Exploration im Projekt. Dabei erhielt und reproduzierte insbesondere die Dynamik geplanten Ausführens die abstrakten Muster (ostensiver Aspekt) dieser explorativen Routinen und förderte damit die Entwicklung von Exploration. Bei eher exploitativen Routinen (3 und 4) erhielt und reproduzierte die Dynamik geplanten Ausführens ebenfalls die abstrakten Muster der exploitativen Routinen und förderte so Exploitation und Optimierung im Projekt. Überraschenderweise wirkte sich die Dynamik des kreativen Abweichens bei explorativen Routinen hingegen eher hinderlich auf die Entwicklung von Exploration im Projekt aus. Zum Beispiel wurde beobachtet, wie bei einer spontanen Durchführung von Routine 2 die Projektleiterin des Kunden fehlte und die Berater so nichts über möglicherweise geänderte Kundenanforderungen lernen konnten. Die Projektziele, -ergebnisse und Aufgaben blieben so unverändert bzw. stabil. Als weiteres Beispiel wich Routine 2 durch die Unterbrechung von Katrins Vorgesetztem vom ostensiven Aspekt dieser Routine ab. Der Vorgesetzte „platzte“ in den Projektraum und drängte Katrin und die Berater, sofort ein technisches Thema mit ihm zu diskutieren, anstatt die nächste Iteration zu planen, wie eigentlich vorgesehen. Da keine Planung erfolgte, blieben wiederum Projektziele, -ergebnisse und Aufgaben unverändert bzw. stabil und es konnte nichts Neues diesbezüglich gelernt werden. Insgesamt folgte aus kreativen Abweichungen explorativer Routinen eher Exploitation (der Ziele/Aufgaben/Ergebnisse) als Exploration auf der Clusterebene. Unterschied von Clusterdynamik zu Routinendynamik Damit wird ein bedeutender Unterschied identifiziert zwischen Dynamiken in einzelnen Routinen, in denen flexible Durchführungen zu Exploitation und Stabilität führen, und Dynamiken in einem Cluster an Routinen, in dem stabile Durchführungen zu Exploration und Flexibilität führen. Bisherige Forschung zu endogenen Dynamiken einzelner Routinen zeigte nachdrücklich, wie Akteurinnen und Akteure Routinen immer wieder verschieden durchführen und damit auch die ostensiven Aspekte der Routine verändern, um die Ergebnisse der Routine stabil zu halten. Dadurch stärken sie Exploitation. Im Gegensatz hierzu zeigt die vorliegende Arbeit, wie in einem Cluster interdependenter Routinen Akteurinnen und Akteure Durchführungen und die ostensiven Aspekte stabil beibehalten müssen, um die Ergebnisse des Clusters an Routinen flexibel zu halten und Exploration zu stärken.
4.2 Cluster von Routinen in Scrum
131
Im Gegensatz zur Studie von Kremser und Schreyögg (2016) zu Clusterdynamik wurde in dieser Arbeit nicht die Reaktion eines Clusters auf die Einführung einer neuen Routine untersucht. Diese Arbeit zeigt vielmehr, wie sich die endogenen Dynamiken einzelner Routinen zu Dynamiken in einem Cluster an Routinen aufbauen und fortsetzen. Endogene Dynamiken geplanten Ausführens führen dabei zu stabilen Durchführungen, die wiederum Exploration als Auswirkung auf Projektebene zur Folge haben. Sele und Grand (2016) zeigten, wie Interaktionen zwischen interdependenten Routinen innovative Ergebnisse erzeugen können. Im Gegensatz hierzu wird in dieser Arbeit dargelegt, wie stabile Durchführungen interdependenter Routinen innovative Ergebnisse erzeugen können. Das stimmt mit der bestehenden Literatur überein, die allgemein demonstrierte, dass Abweichungen bei Routinen potentiell schädlich für gegenseitig abhängige Handlungen und damit Interdependenz sind (Turner und Fern 2012; Turner und Rindova 2012; Zbaracki und Bergen 2010). Als Analogie kann man sich eine einzelne Routine als Akrobat/-in auf einem Stahlseil vorstellen, der/die darauf konzentriert ist, seine/ihre Stabilität zu erhalten, um nicht herunterzufallen. Um jedoch diese Stabilität als Ergebnis zu erreichen, muss er/sie sich ständig in kleinsten Bewegungen vor und zurück bewegen. Das entspricht der Dynamik einzelner Routinen. Im Gegensatz hierzu kann man sich ein Cluster an Routinen besser als Improvisationsgruppe am Theater vorstellen. Diese ist darauf bedacht, etwas auf Grundlage kontinuierlicher Anregungen des Publikums und der Mitspieler/-innen vorzuführen, das noch niemals zuvor so aufgeführt wurde. Um jedoch diese Flexibilität als Ergebnis zu erreichen, müssen die Teilnehmenden sich strikt an einen stabilen Prozess halten, z. B. an die Regel des „Ja-und“, indem sie Anregungen anderer Spieler/-innen akzeptieren, damit weiterspielen (vgl. Crossan 1998; Vera und Crossan 2004) und sich ständig an neue Wünsche der Zuschauer/-innen und der anderen Spieler/-innen anpassen. Das Publikum entspricht dabei dem Kunden in Projekten und die Mitspieler/-innen den interdependenten Routinen. Das heißt, um insgesamt (auf Clusterebene) auch etwas Neues zu lernen (Exploration), sind geplante Ausführungen einzelner Routinen sowie ein koordiniertes Zusammenspiel auf Clusterebene nötig. Zwischenfazit • Exploration im Projekt wurde tatsächlich besonders durch explorative Routinen erleichtert, • Exploitation hingegen eher durch exploitative Routinen.
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4
Ergebnisse und Diskussion
• Weiterhin führten kreative Abweichungen einzelner Routinen auf Clusterebene zu unerwünschten Wirkungen – der Verhinderung von Exploration. • Geplante Durchführungen einzelner Routinen ermöglichten andererseits auf der Clusterebene die Entwicklung von Exploration und Exploitation im Projekt. Es wurde damit gezeigt, wie Dynamiken in einzelnen Routinen sich zu Dynamiken innerhalb eines Clusters an Routinen aufbauen. Mit diesen Ergebnissen und Überlegungen wird die Forschung zu interdependenten Routinen und Clusterdynamiken erweitert. Damit wird speziell auf Kremser und Schreyögg (2016: 21) geantwortet, die Forschung zu der Frage fordern, “how the endogenous dynamics of single routines affect and are affected by routine interdependence”.
4.3
Einflüsse auf das Cluster
Im folgenden Kapitel werden die beobachteten Einflüsse auf das Cluster an Routinen beschrieben und diskutiert: • Es werden exemplarische Daten zu den Rollen in Scrum und deren Einflüsse auf die Routinen vorgestellt. • Als Nächstes wird auf die Einflüsse von Akteurinnen und Akteuren und dem organisationalen Kontext auf die Routinen eingegangen.
4.3.1
Einfluss von Rollen
Es werden Ergebnisse zu den Einflüssen der drei Rollen in Scrum besprochen: • Product Owner • Scrum Master • Projektteam Product Owner Die Rolle des Product Owners wurde von der Projektleiterin des Kunden direkt übernommen. Damit entfiel die „Proxy“-Funktion, die diese Rolle, als Mittler zwischen Projektteam und Kunde, normalerweise innehat (Schwaber und Sutherland 2017).
4.3 Einflüsse auf das Cluster
133
Wie bereits in Abschnitt 2.4.3 ausgeführt, beinhaltet diese Rolle eine stärker inhaltliche als prozessuale Verantwortung. Dies war auch in der Fallstudie ersichtlich, da der Product Owner typischerweise bei den Routinen 1 und 2 zur Anpassung der Ziele und der Planung sowie bei Routine 5 zum Feedback hinsichtlich der bis dahin erreichten Projektergebnisse teilnahm. Änderungen an den Projektzielen, Projektaufgaben oder gewünschten Projektergebnissen als inhaltliche Verantwortlichkeit gingen daher von dieser Rolle (d. h. dem Kunden) aus. Allerdings wurde in der Fallstudie keine prozessuale Verantwortung beobachtet. Das heißt, die Rolle des Product Owners war weder dafür verantwortlich, dass überhaupt Routinen durchgeführt wurden, noch für die Koordination der Reihenfolge der Routinen oder der darin enthaltenen Praktiken. Damit kann festgehalten werden, dass die Rolle des Product Owners die Balancierung von Exploration und Exploitation nur schwach beeinflusst und damit einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Entwicklung von Ambidextrie besitzt. Dies entspricht im Wesentlichen den theoretischen Annahmen aus Abschnitt 2.4.3. Scrum Master Die Rolle des Scrum Masters übernahm der Projektleiter der Berater, ohne dass er sich explizit gegenüber dem Kunden „Scrum Master“ genannt hätte. Ihm oblag die Planung und Koordination der verschiedenen Routinen und deren Praktiken. Dabei konnte, wie theoretisch angenommen, ein erheblicher Einfluss auf die tatsächliche Durchführung der Routinen und damit auf die Balancierung von Exploration und Exploitation festgestellt werden. So achtete der Scrum Master beispielsweise darauf, dass die Praktiken in Routine 4 „Statusaustausch im Team“ in Bezug auf die Fragen • „Was habe ich gestern gemacht?” • „Was mache ich heute?” • „Wo brauche ich Hilfe?” eingehalten wurden, und setzte diese, falls nötig, auch durch: Als ich zu einem Punkt etwas mehr erzähle, weist mich Albert zurecht: „Das gehört nicht zu dem Punkt. Wenn wir schon eine Struktur haben, dann halten wir uns bitte auch daran!“ (w. Beob.)
134
4
Ergebnisse und Diskussion
Neben den Praktiken innerhalb der Routinen beeinflusste der Scrum Master auch, inwiefern Routinen in einem formalen oder informalen Rahmen durchgeführt wurden: 11:15 Albert kommt. Ich erzähle, was es so Neues gibt, er unterbricht und sagt: „Das können wir ja gleich um 12 [Uhr] in unserem Stand-up besprechen.“ (w. Beob.)
Schließlich steuerte er maßgeblich, ob Routinen überhaupt durchgeführt wurden. War der Scrum Master als „Einladender“ beispielsweise nicht anwesend, wurde dies von den anderen Teammitgliedern häufig als „Ausfall der Routine“ interpretiert. Sein Einfluss auf die tatsächliche Durchführung der Praktiken wurde auch dadurch deutlich, dass die anderen Teammitglieder den Scrum Master als verantwortlich für die Routinen ansahen. So wurden Routinen zum Beispiel nicht ohne ihn begonnen, sondern es wurde auf ihn gewartet oder er an die anstehende Routine erinnert. Unser WeeklySync [Routine 2] zuerst intern mit Albert, Markus und mir sollte 16:30 starten. Markus fragt mich über den Schreibtisch, ob der Termin stattfindet. Ich sage, ich weiß es nicht. Albert spricht mit [Kunde] zwei Meter weiter über andere Dinge, hat den Termin offensichtlich vergessen. Als die beiden eine Redepause machen, ca. 16:50, frage ich Albert, ob unser Meeting heute ausfällt. Albert: „Oh Scheiße, ja komm, dann machen wir das jetzt.“ (w. Fn.)
Nach einem Blick in die Literatur fällt auf, dass die Rolle Scrum Master eine ähnlich koordinierende Funktion in Bezug auf Praktiken wie die Rolle einer „Projektleiterin“ oder eines „Projektleiters“ ausübt (Aubry und Lièvre 2010; Birkinshaw und Gupta 2013: 12 ff.). In der Literatur werden für eine solche koordinierende Funktion oftmals auch Senior-Manager/-innen angenommen (Eisenhardt u. a. 2010; Jansen u. a. 2009). Verwandte Forschungen im Bereich strategischen Managements konzipieren solche Einflüsse von SeniorManagerinnen und -Managern als “dynamic managerial capabilities” (Helfat und Martin 2015; Helfat und Peteraf 2015; Salvato und Vassolo 2018) oder als “ambidextrous leadership” (Mueller-Seeger u. a. 2020). Mit der analysierten Rolle Scrum Master wird der eher allgemeine Fall, Praktiken in temporären Organisationen zu koordinieren, unterstützt – allerdings zusätzlich durch das Balancieren von Exploration und Exploitation erweitert. Die Rolle Scrum Master erleichtert also punktuelle Ambidextrie.
4.3 Einflüsse auf das Cluster
135
Projektteam Das Projektteam setzte sich aus den drei Beratern zusammen (zwei Berater und der Projektleiter der Berater in der Rolle des Scrum Master). Obwohl das Projektteam der Rolle des Scrum Masters klar eine koordinierende und verantwortliche Funktion zuschrieb, hatte auch das Projektteam selbst einen Einfluss auf die Durchführung der Routinen. Das konnte insbesondere bei der Routine 4 „Teamaustausch“ beobachtet werden. Diese Routine wurde vom Projektteam „stabilisiert“ und wie geplant ausgeführt, indem eine regelmäßige (tägliche) Durchführung im Zweifel auch ohne den Scrum Master stattfand. Die Berater erinnerten sich dafür gegenseitig an die ausstehende Durchführung der Routine: Markus fragt: „Wollen wir nicht unser Meeting machen?“ Wir gehen in den Obeya und gehen unsere Kärtchen durch, aktualisieren das Board (w. Fn.). 12:10 ich frage Albert, ob wir Stand-up machen wollen, er sagt ja und wir gehen in den Obeya vor das Berater-Kanban-board (w. Fn.).
Damit wird die theoretische Annahme, dass das Projektteam ebenfalls einen Einfluss auf die tatsächliche Durchführung der Routinen hat, empirisch gestützt. In der Fallstudie beeinflusste das Projektteam im Wesentlichen die geplante Durchführung der Routine 4, weniger die Ausübung der anderen Routinen. Es wurde allerdings nur ein schwacher Einfluss des Projektteams auf die Balancierung von Exploration und Exploitation beobachtet. Im Vergleich konnte bei der Rolle Scrum Master ein stärkerer Einfluss auf die Balance von Exploration und Exploitation festgestellt werden als bei der Rolle Projektteam. Dadurch wird das Konzept der verteilten Ambidextrie nur bedingt empirisch gestützt. Nichtsdestoweniger wird das Konzept verteilter Ambidextrie als nützlich zur Erklärung der Balancierung von Exploration und Exploitation in temporären Organisationen eingeschätzt. Zwischenfazit Der empirisch beobachtete Einfluss der Rollen in Scrum veranschaulicht im Allgemeinen die koordinierende Wirkung von Rollen in temporären Organisationen (Bechky 2006). Insgesamt kann konstatiert werden, • dass der Einfluss der Rolle Product Owner auf die Balancierung explorativer und exploitativer Routinen vernachlässigbar war. • Deutlichen Einfluss auf die Balancierung explorativer und exploitativer Routinen nahm hingegen die Rolle des Scrum Masters
136
4
Ergebnisse und Diskussion
• sowie, in schwächerer Form, des Projektteams. • Damit wird die theoretische Annahme, dass diese beiden Rollen kontextuelle Ambidextrie erleichtern (siehe Abschnitt 2.4.3), grundsätzlich von der Empirie unterstützt.
4.3.2
Einfluss von Akteurinnen und Akteuren sowie organisationalem Kontext
Im Rahmen der Fallstudie konnte ebenfalls der Einfluss „äußerer“, exogener Mechanismen auf die Routinen beobachtet werden. • Einerseits wurde beobachtet, wie handelnde Akteurinnen und Akteure vom ostensiven Aspekt der Scrum-Routinen abwichen, indem sie z. B. Termine absagten oder bestimmte Praktiken ignorierten oder nicht planten. Der Mechanismus Akteurinnen/Akteure wurde weiter unterteilt in die Konzepte „persönliche Ziele“ und „Vorerfahrungen“. • Andererseits beeinflusste auch der organisationale Kontext, am auffälligsten in Form von Routinen zum Controlling von Projekten, die Scrum-Routinen. Der Mechanismus organisationaler Kontext wurde in die Konzepte „Einbettung in vorhandene Routinen“ und „kulturelle Formung“ unterteilt. Akteurinnen/Akteure Wie bereits bei den Details zu Routine 1 in Abschnitt 4.1 angesprochen, fiel auf, dass der Projektleiter der Berater ein Interesse daran zu haben schien, die Projektziele nicht nochmals neu zu verhandeln, da die ursprüngliche Aushandlung (vgl. Seidel und Biedermann 2007) wohl bereits einige Zeit und Nerven gekostet hatte. Das beeinflusste jedoch stark den Beginn jeder Iteration, an dem genau die Projekt- und Sprintziele mit dem Kunden überprüft und möglicherweise angepasst werden sollten. Da er auch die Rolle des Scrum Masters innehatte, konfligierten die Anforderungen dieser Rolle (die regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Projektziele durchzusetzen) mit seinen persönlichen Zielen (die Projektziele nicht weiter anpassen zu müssen). Dieser Einfluss wurde unter dem Konzept „persönliche Ziele“ subsumiert. Das ähnelt den Ergebnissen von Valentine und Edmonson (2015) zu rollenbasierter Koordination in temporären Organisationen. Die Autoren fanden, dass Rollen nicht notwendigerweise zu effektiver Koordination beitragen, wenn individuelle Rollenverantwortlichkeiten dem Gesamtprojekt zuwiderlaufen (Valentine und Edmondson 2015). Ebenfalls thematisierten Loch und Sommer (2019) die
4.3 Einflüsse auf das Cluster
137
Spannung zwischen Exploration und unflexiblen Projektzielen. Im Unterschied zu dieser Arbeit hielten jedoch in ihrer Studie Manager/-innen des Kundenunternehmens und nicht Projektbeteiligte die Projektziele stabil bzw. verhinderten deren flexible Anpassung. Einen weiteren starken Einfluss hatten, wie bereits bei Routine 2 angesprochen, die bisherigen Erfahrungen der Akteurinnen und Akteure damit, Projekte zu organisieren. Wo in phasenbasierten Ansätzen, wie dem Wasserfallmodell, der/die Projektleiter/-in Aufgaben an Teammitglieder zuweist, sind es bei iterativen Ansätzen wie Scrum die Teammitglieder selbst, die sich Aufgaben zuteilen (siehe Abschnitt 2.3.3). Dies wurde in Routine 2 beobachtet. Der professionelle Hintergrund des Scrum Masters war in großen Teilen von Erfahrungen als Projektleiter phasenbasierter Ansätze geprägt. In hektischen Phasen mit hohem Arbeitsdruck führte dies zu einem überraschenden Auswechseln von Praktiken. Es waren nun nicht mehr die Teammitglieder, die sich Aufgaben für die Woche zuwiesen, sondern der Scrum Master, der täglich Aufgaben zuteilte: Albert will als Projektleiter täglich neu Aufgaben verteilen und deren Status kontrollieren. Anmerkung von Markus, dass dieses „agile Vorgehen“ [ironisch], spontan während des Tages neue Aufgaben zu vergeben, ihm gestern seine WorkshopVorbereitung zerschossen hat, so dass er heute um 6:30 daran weiterarbeiten musste, da Start des Workshops um 9 Uhr war (w. Fn.).
Das verminderte die explorative Tendenz von Routine 2, da der Kunde bei der Planung oftmals nicht einmal mehr involviert war. Dieser Einfluss wurde unter dem Konzept „Vorerfahrungen“ zusammengefasst. Die beobachteten Beziehungen zwischen Akteurinnen und Akteuren sowie Strukturen fügen sich nahtlos in Erkenntnisse der jüngeren Organisationsforschung ein. Diese begreift Akteurinnen und Akteure sowie Strukturen nicht länger als antagonistisch (als Dualismus), sondern als komplementär (als Dualität) (Emirbayer und Mische 1998; Farjoun 2010; Feldman und Orlikowski 2011; Giddens 1986; Sewell 1992). Aus dieser Sicht werden Akteurinnen und Akteure in Wechselbeziehung zu umgebenden Strukturen gedacht, d. h., sie beeinflussen und verändern einerseits Strukturen, so wie andererseits auch Strukturen (wie z. B. Rollen oder Praktiken in Scrum) das Verhalten von Akteurinnen oder Akteuren beeinflussen. Akteurinnen und Akteure sowie Strukturen werden als sich gegenseitig ermöglichend gesehen.
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4
Ergebnisse und Diskussion
Organisationaler Kontext Wie bereits in Abschnitt 4.1 bei Routine 5 geschildert, wurden die Routinen durch bestehende Routinen des umgebenden Kundenunternehmens beeinflusst. Besonders eine Controllingroutine des „Project-Management-Office“ (PMO, vgl. Darling und Whitty 2016; Hobbs u. a. 2008) beeinflusste das Beratungsprojekt. Das führte zu sporadischen Anfragen an das Projektteam, den Status des Projekts zu berichten. Da das PMO allerdings an einem anderen Standort saß, konnte es nicht an den täglichen „Stand-ups“ (Routine 4) teilnehmen und verlangte Berichte per E-Mail. Dies wiederum schwächte und verdrängte tendenziell Routine 5, da Kundenfeedback nun auch durch Telefonate mit dem PMO gegeben wurde – und damit „außerhalb“ der eigentlich dafür vorgesehenen Routine. Da das Feedback des PMO jedoch nicht regelmäßig erfolgte, wurden explorative Tätigkeiten seltener ausgeführt, als es zu erwarten gewesen wäre. Der Einfluss der geschilderten Controllingroutinen kann mit bestehender Forschung zum Einfluss des Kontexts auf Projekte in Beziehung gesetzt werden. Engwall (2003) betont zum Beispiel, dass jedes Projekt von der eigenen Historie abhängt und organisational eingebettet ist. Er studierte über zwei Jahre lang zwei Projekte in Skandinavien und identifizierte u. a. parallele Ereignisse, Politik vor dem Projekt, Vorerfahrungen und institutionalisierte Routinen als besonders wichtige Kontextbedingungen für Projektdynamiken. Die in der vorliegenden Fallstudie beobachteten Controllingroutinen können dabei als „institutionalisierte Routinen“ der „einbettenden“ permanenten Organisation verstanden werden. In einer anderen Studie untersuchten Chandransekaran u. a. (2015) speziell Forschungs- und Entwicklungsprojekte in mehreren Kontexten. Sie erkannten die Art der Anreize, den Führungsstil und den Grad der Teamautonomie als besonders relevante Kontextelemente. In der vorliegenden Fallstudie fanden sich jedoch nur wenige Hinweise auf die Relevanz dieser Kontextelemente für die Balancierung interdependenter Routinen. Im Bereich der Routinenforschung wurde das Konzept der „Einbettung“ in den Kontext, wie bereits im Theorieteil in Abschnitt 2.2.3 erläutert, von HowardGrenville (2005) entwickelt. In Bezug auf diese Arbeit bedeutet dies, dass die geringe Überschneidung der existierenden Controllingroutinen für Projekte und der neuen Scrum-Routinen wie z. B. Routine 5 („Review“) zu einer schwachen Einbettung in die vorhandenen Strukturen führte. Dies führte im Endeffekt, wie von Howard-Grenvill (2005) angenommen, zur Instabilität der neuen ScrumStrukturen. Aufgrund der guten Passung des Konzepts „Einbettung“ wurde somit der Einfluss der geschilderten Controllingroutinen als „Einbettung in vorhandene Routinen“ konzipiert.
4.3 Einflüsse auf das Cluster
139
Weiterhin wurde beobachtet, dass das Top-Management des Kundenunternehmens wie selbstverständlich Projektmitglieder direkt anrief und diesen Aufgaben per Telefon gab (anstatt dies über die Kundenprojektleiterin in der Rolle Product Owner weiterzugeben). Das beeinflusste besonders, wie bereits erwähnt, Routine 2. Da in Routine 2 eine ganze Iteration (Woche) auf Basis der Annahme, dass keine weiteren Aufgaben hinzukommen, geplant wurde, unterliefen derartige Tätigkeiten diese Planung. Ein Projektmitglied bezog sich ärgerlich auf diese kulturell üblichen Aufforderungen als „Micromanagement“: [Projektmitarbeiter Kunde] „Die [Vorstände] kriegen nicht mit, was hier am Standort läuft, und wollen Micromanagement auf Task-Ebene betreiben.“ (w. Beob.)
Dieses Vorgehen formte und schwächte die explorative Tendenz von Routine 2, da Veränderungen der Planung oder der Aufgaben nun nicht mehr allen Projektmitgliedern bewusst waren und selbst die Projektleiterin des Kunden oftmals nicht einbezogen wurde. Bertels u. a. (2016) erweiterten unlängst die Literatur zum organisationalen Kontext mit dem Konzept der „kulturellen Formung“ (“cultural molding”) extern eingeführter Routinen. Auf der Arbeit von Howard-Grenville (2005) aufbauend vertieften Bertels u. a. (2016) den kulturellen Aspekt des Kontexts und differenzierten diesen in kulturelle Formung, kulturelle Abschirmung und kulturelle Abstützung. Kulturelle Formung bezieht sich auf Organisationsmitglieder, die sich nach wie vor auf bekannte kulturelle Handlungen stützen und dabei neue Routinen beeinflussen. Kulturelle Abschirmung und kulturelle Abstützung rekurrieren auf Organisationsmitglieder, die neue Routinen dagegen eher beschützen. Der beschriebene Einfluss des Top-Managements wurde daher in Übereinstimmung mit Bertels u. a. (2016) als „kulturelle Formung“ identifiziert. Damit erfüllt der in dieser Fallstudie untersuchte Einbezug des organisationalen Kontexts eine wichtige Forderung an Forschung über Projekte und Routinen (Geraldi und Söderlund 2018). Parmigiani und Howard-Grenville (2011: 443) merken dazu ironisch an, dass häufig Studien mit einem praxistheoretischen Hintergrund so beschäftigt mit situativen Handlungen, d. h. spezifischen Handlungen spezifischer Akteurinnen und Akteure, seien, dass sie manchmal fundamentale organisationale Strukturen, oberhalb des Levels von Routinen, schlicht vergäßen. Diese beeinflussten aber nichtsdestoweniger die Durchführung von Routinen wesentlich.
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Ergebnisse und Diskussion
Zwischenfazit Die gefundenen äußeren Einflüsse werden als exogene Mechanismen verstanden, die alle eines gemeinsam hatten: Alle führten dazu, dass Exploration seltener auftrat, als es das abstrakte Muster der Routinen vermuten ließ. Insgesamt ergab sich aus dem Einfluss von Akteurinnen und Akteuren sowie organisationalem Kontext also, dass die Balance aus Exploration und Exploitation (durch das Muster der Routinen) zeitweise in ein Ungleichgewicht zugunsten Exploitation kippte. Damit wurden erklärende Mechanismen gefunden, die erst in den Daten erschienen und in den theoretischen Vorüberlegungen des konzeptionellen Frameworks noch keine Rolle spielten. Allerdings liefern sie einen wichtigen Beitrag zur Erklärung der Dynamik hinsichtlich der Balancierung explorativer und exploitativer Routinen. Diese empirischen Beobachtungen fügen sich konsistent in die Literatur ein. Engwall (2003) drückt das im Kern folgendermaßen aus: Kein Projekt wird im organisationalen Vakuum durchgeführt. Das heißt, Rollen wie Projektleiter/-in oder Scrum Master müssen immer mit spezifischen Akteurinnen und Akteuren besetzt werden und jedes Projekt findet immer in einem spezifischen Kontext, normalerweise der umgebenden permanenten Organisation, statt.
4.4
Auswirkungen des Clusters
In diesem Kapitel werden die Auswirkungen des Clusters an Routinen auf Ambidextrie in Projekten erläutert. Dabei wird eingegangen auf • hybride Ambidextrie, als Kombination sequentieller und kontextueller Ambidextrie, sowie auf • dynamische Ambidextrie, die sich ständig im Zeitverlauf durch diverse Einflüsse ändern kann.
4.4.1
Hybride Ambidextrie
Wie bereits geschildert, wechselten sich eher explorative und eher exploitative Routinen innerhalb einer Iteration ab. Während zu Beginn einer Iteration üblicherweise eher Exploration dominierte (Routine 1 und 2), änderte sich dieser Schwerpunkt zu Exploitation (Routinen 3 und 4) und gegen Ende der Iteration wieder zu Exploration (Routine 5). Routine 6 wies, wie bereits berichtet, sowohl explorative als auch exploitative Tendenzen ohne eindeutigen Schwerpunkt auf.
4.4 Auswirkungen des Clusters
141
Das beobachtete Muster an abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen sowie der Einfluss der Rollen Scrum Master und Projektteam stützen die vorherigen theoretischen Überlegungen zur Erleichterung sequentieller und kontextueller Ambidextrie (siehe Abschnitt 2.4). Angelehnt an Ossenbrink u. a. (2019), wird diese Kombination von sequentieller und kontextueller Ambidextrie „hybride Ambidextrie“ genannt. Ossenbrink u. a. (2019) führten diese Bezeichnung für die Kombination struktureller (anstatt sequentieller) und kontextueller Ambidextrie ein. Indem also sequentielle Ambidextrie (Strukturen auf Projektebene) und kontextuelle Ambidextrie (Verhalten auf Individualebene) in Kombination und Interaktion betrachtet werden, wird auf Forderungen nach “(…) studies that explicitly consider two or more levels of analysis simultaneously” (Birkinshaw und Gupta 2013: 294) eingegangen. Im Unterschied zu bisheriger Forschung, die zumeist nur eine Art von Ambidextrie in Isolation untersuchte, zeigt diese Arbeit also im Detail, wie sequentielle und kontextuelle Ambidextrie in Scrum zu hybrider Ambidextrie kombiniert werden.
4.4.2
Dynamische Ambidextrie
Aus der Literatur ist bekannt, dass das Erreichen einer Balance zwischen Exploration und Exploitation ausschlaggebend für Ambidextrie ist. Levinthal und March (1993) argumentierten, dass Organisationen zu Exploitation tendieren, da damit kurzfristig Vorteile (eine höhere Wahrscheinlichkeit, kurzfristig den Gewinn zu steigern) gegenüber Exploration verbunden sind (Gupta u. a. 2006: 695; Lavie u. a. 2010: 125 f.; Levinthal und March 1993: 105 f.; March 1991: 73). Eisenhardt u. a. (2010) bauten weiter auf diesem Argument auf und schlugen vor, dass Organisationen daher Exploration und Exploitation absichtlich zugunsten von Exploration gewichten bzw. in ein Ungleichgewicht bringen sollten. Kürzlich zeigten Luger u. a. (2018), dass nicht nur Organisationen, die sich auf Exploration oder Exploitation konzentrieren, selbstverstärkende Tendenzen haben, sondern auch balancierte, d. h. ambidextre Organisationen. Sie fanden heraus, dass nicht nur das Erreichen einer Balance von Exploitation und Exploitation von hoher Wichtigkeit ist, sondern auch deren dynamische Anpassung – also Balancierung – an veränderte Kontexte. Während der Großteil der existierenden Forschung zu Ambidextrie in Projekten diese eher statisch, z. B. durch strukturelle Trennung oder Konfigurationen, konzipiert (Lavie u. a. 2010), wird in dieser Arbeit Ambidextrie dynamisch verstanden. Sie wird damit nicht mehr als stabiler Zustand aufgefasst, sondern
142
4
Ergebnisse und Diskussion
als sich ständig verändernder dynamischer Prozess, der vielfältigen Einflüssen unterliegt (Cloutier und Langley 2020). Das wurde durch eine sorgfältige Kombination der Einflüsse von Routinen- und Clusterdynamik, Koordinierung, Rollen, Akteurinnen und Akteuren sowie organisationalem Kontext mit den Konzepten sequentieller und kontextueller Ambidextrie erreicht. Damit werden dynamische Veränderungen der Balance von Exploration und Exploitation erklärbar und der Fokus verändert sich von einer einmal erreichten Balance zu ständiger Balancierung von Exploration und Exploitation. In der vorliegenden Fallstudie wurde gezeigt, wie Routinen- und Clusterdynamiken, Akteurinnen und Akteure sowie organisationaler Kontext die Balance von Exploration und Exploitation dynamisch ins Ungleichgewicht verschieben können – und auch wieder zurück. Die Ergebnisse dieser empirischen Untersuchung kommen somit Forderungen der jüngeren Forschung nach einem besseren Verständnis nach, “(…) ‘how’ ambidexterity is facilitated in practice” (Pellegrinelli u. a. 2015: 4) und wie genau ein Wechsel von Exploration und Exploitation erleichtert wird (Bidmon und Boe-Lillegraven 2019; Turner u. a. 2016a: 849). Die Auswirkungen des Clusters können wie folgt zusammengefasst werden: • Die theoretischen Annahmen, dass das beobachtete Muster an abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen sowie der Einfluss der Rollen Scrum Master und Projektteam sequentielle und kontextuelle Ambidextrie erleichtern, konnten empirisch gestützt werden. • Die Kombination aus sequentieller und kontextueller Ambidextrie wird als „hybride Ambidextrie“ bezeichnet. • Ambidextrie in Projekten, die sich im Zeitverlauf durch Einflüsse von Rollen, Akteurinnen und Akteuren, organisationalem Kontext sowie der tatsächlichen Durchführung und Koordinierung von Routinen jederzeit ändern kann, wird als dynamische Ambidextrie konzipiert.
4.5 Erweitertes konzeptionelles Framework
4.5
143
Erweitertes konzeptionelles Framework
In den letzten Kapiteln wurden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung beschrieben und diskutiert. In diesem Kapitel sollen diese Ergebnisse zur Erweiterung, Korrektur und Verfeinerung des bisherigen konzeptionellen Frameworks dieser Arbeit dienen. Dies entspricht der Forschungsidee, die empirische Untersuchung zur Erweiterung von Konzepten, Beziehungen und Mechanismen des konzeptionellen Framework zu nutzen (Kubicek 1977; Wolf 2013). Dieses Vorgehen bietet sich insbesondere für nur teilweise erforschte Phänomene an und erlaubt es generell, bestehende Theorien und theoretische Konzepte weiterzuentwickeln (“theory elaboration“, vgl. Edmondson und McManus 2007; Fisher und Aguinis 2017; Graebner u. a. 2012). Dafür werden • • • •
zunächst die entstandenen theoretischen Konzepte zusammengefasst, alle empirischen Ergebnisse in Übersicht dargestellt, schließlich wird ein erweitertes konzeptionelles Framework entwickelt, und die geleisteten theoretischen Beiträge in den Forschungsgebieten Ambidextrie, Routinen und Projektmanagement werden zusammengefasst.
4.5.1
Zusammenfassung der Konzepte
In Tabelle 4.1 und 4.2 werden die in der empirischen Untersuchung neu hinzugekommenen Konzepte mit beispielhaften Rohdaten veranschaulicht (“conceptually clustered matrix“ nach Miles u. a. 2014: 173 ff.). • Zuerst werden die endogenen Routinendynamiken anhand der beiden Konzepte geplantes Ausführen und kreatives Abweichen sowie deren Funktionen ausgeführt. • Danach werden die exogenen Mechanismen, unterteilt in Akteurinnen/Akteure und organisationalen Kontext, aufgezeigt.
144
4
Ergebnisse und Diskussion
Tab. 4.1 Konzepte endogener Dynamiken von Routinen inkl. Rohdaten. (Quelle: Eigene Darstellung) Konzepte
Details und illustrative empirische Rohdaten
Geplantes Ausführen mit den Funktionen: • Vorhersagbarkeit schaffen • Verantwortlichkeit schaffen • Gemeinsames Verständnis schaffen
Vordefinierte Handlungen, hauptsächlich vom ostensiven Aspekt geprägt • Stand-up des ganzen Teams im Obeya. Albert erklärt die Regeln nochmal, 30 min und drei Fragen, die jeder beantworten sollte: 1) Was habe ich gestern erreicht, 2) was habe ich heute vor und 3) wo brauche ich Hilfe? Während auf die Fragen geantwortet wird, wird auf die Zettelchen [Aufgaben] auf dem [Kanban] Board gezeigt von rechts nach links (von Act über Check über Do über Plan bis zum Backlog) (w. Fn.). • Durchsprache der nä. Woche am [Kanban] Board. Jeder sagt einen Satz zu seinen Zetteln [Aufgaben]. Bis auf Unklarheit, was mit „Setup SCM team“ gemeint ist, ohne große Diskussionen schnell nach 15 min vorbei (w. Fn.).
Kreatives Abweichen mit den Funktionen: • Unterschiede schaffen • Unterbrechen • Bewältigen
Aus der Situation entstehende Handlungen, hauptsächlich von den beteiligten Akteurinnen und Akteuren geprägt. • Albert erzählt, dass er gestern noch bis 22 Uhr mit Katrin wegen (…) zusammensaß. Katrin dann nochmal bis Mitternacht. Er nutzte die Gelegenheit, um ihr Feedback zu geben und einzuholen bezüglich des Workshops letzte Woche (w. Fn.). • Verspäteter Stand-up um 12:10 (…) Aus Zeitgründen erzählt jeder nur, woran gerade gearbeitet wird. Die Frage, ob Unterstützung benötigt wird, wird ignoriert, was jedoch niemanden zu stören scheint (w. Fn.).
Tab. 4.2 Konzepte exogener Mechanismen inkl. Rohdaten. (Quelle: Eigene Darstellung) Konzepte
Details und illustrative empirische Rohdaten
Akteurinnen/Akteure Vorerfahrungen
Vorerfahrungen mit phasenbasierten Projektmanagementansätzen prägen die Durchführung von Praktiken. Wenn man dann so klassische Projektmanagementansätze hat oder die stark dominieren, die (ähm) passen dann nicht. Das merkt man, wenn da eine Person ist, die die Agenda einfach gestaltet. Und dann kommen wir in so einen [agilen] Regelmodus nicht rein. (Interview Markus) (Fortsetzung)
4.5 Erweitertes konzeptionelles Framework
145
Tab. 4.2 (Fortsetzung) Konzepte
Details und illustrative empirische Rohdaten
Persönliche Ziele
Persönliche Ziele beeinflussen die Durchführung von Praktiken. Ihr hattet, glaube ich, unterschiedliche Ziele (…) Du solltest unterstützen, der eine sollte das umsetzen, was im Vertrag steht [bezieht sich auf den Projektleiter der Berater], und der andere hatte das Ziel für sich gesteckt [Verbesserungsmethoden], in aller Schönheit zu machen (Interview Katrin).
Organisationaler Kontext Einbettung in vorhandene Routinen
Durchführung vorhandener Routine zum Controlling von Projekten wird vom PMO [Project-Management-Office] der permanenten Organisation forciert. Katrin am Telefon mit dem PMO: „Wozu müssen wir diese Onepager über die Programmbestandteile machen? Wie, damit ihr uns tracken könnt? Das heißt, wir füllen das aus, damit ihr uns tracken könnt, weil das PMO sonst keinen Sinn macht, also keine Arbeit hat? Nicht euer Ernst!“ (w. Beob.)
Kulturelle Formung
Kulturell übliche, autoritäre Ad-hoc-Vergabe von Aufgaben durch das Top-Management der permanenten Organisation beeinflusst Routinen. 11:05 Katrin ist in einer TelKo [Telefonkonferenz] unter anderem mit Vorstand (Headset, aber ich kann sie gut hören, da nur einen Tisch entfernt). Sie versucht sich zu wehren, dass wir Kanban-Trainings für Projektteams in anderen Ländern per Skype durchführen sollen (…) Sie ruft mir danach über den Tisch zu (der Call läuft noch, sie zieht Headset herunter), dass wir offenbar die Lean/agile-Arbeitsweise international ausrollen sollen, auch wenn es praktisch noch keine Projektteams momentan gibt. „Ich weiß, dass das Quatsch ist, aber wir müssen das Beste draus machen, die wollen das unbedingt so.“ (w. Beob.)
4.5.2
Zusammenfassung der Ergebnisse
Im Folgenden werden die wesentlichen empirischen Ergebnisse anhand der vier Bereiche des konzeptionellen Frameworks in stark komprimierter Form zusammengefasst. Einzelroutinen in Scrum • Die vorab theoretisch angenommenen Lerntendenzen in den Routinen konnten großteils empirisch beobachtet werden. • Die Routinen 1, 2 und 5 zeigten eine stärkere explorative Tendenz, die Routinen 3 und 4 eine stärkere exploitative Tendenz; lediglich Routine 6 wies keine klare Tendenz auf, sondern eine Mischung aus Exploration und Exploitation.
146
4
Ergebnisse und Diskussion
• Innerhalb einzelner Routinen wurden zwei endogene Dynamiken gefunden: geplantes Ausführen und kreatives Abweichen. Cluster von Routinen in Scrum • Die Koordinierung interdependenter Routinen wurde durch die Sequenz der Routinen und ein verbindendes Artefakt (Kanban board) erleichtert. • Damit wurden Vorhersagbarkeit, Verantwortlichkeiten und ein gemeinsames Verständnis geschaffen. • Geplante Ausführungen explorativer Routinen erleichterten Exploration auf Clusterebene, d. h. im Projekt. • Kreative Abweichungen explorativer Routinen verhinderten hingegen eher Exploration auf Clusterebene. • Geplante Ausführungen exploitativer Routinen trugen Stabilität und Exploitation zur Projektarbeit bei. Einflüsse auf das Cluster • Der Einfluss der Rolle Scrum Master auf die Durchführung von Routinen und Praktiken wurde als stärker ausgeprägt beobachtet als der Einfluss des Projektteams. • Die gefundenen äußeren Mechanismen, Akteurinnen/Akteure und organisationaler Kontext, wirkten sich dynamisch auf die Balance aus Exploration und Exploitation aus und ließen diese zeitweise in ein Ungleichgewicht zugunsten Exploitation kippen. Auswirkungen des Clusters • Das Muster explorativer und exploitativer Routinen unterstützt die Annahme sequentieller Ambidextrie. • Die Rollen in Scrum erleichtern kontextuelle Ambidextrie. • Die Rolle Scrum Master unterstützt die Annahme punktueller Ambidextrie, die Rolle des Projektteams die Annahme verteilter Ambidextrie. • Durch die Kombination sequentieller sowie kontextueller Ambidextrie entstand hybride Ambidextrie. • Ambidextrie wurde als dynamische Balancierung verstanden, die sich durch Rollen, Routinen- und Clusterdynamiken sowie exogene Mechanismen ständig verschieben kann.
4.5 Erweitertes konzeptionelles Framework
4.5.3
147
Erweiterung des konzeptionellen Frameworks
Bevor auf die Erweiterung des konzeptionellen Frameworks eingegangen wird, erfolgt zum einfacheren Vergleich in Abbildung 4.5 nochmals eine Darstellung des ursprünglichen konzeptionellen Frameworks (für Details siehe Abschnitt 2.4.5).
Abb. 4.5 Ursprüngliches konzeptionelles Framework. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem ursprünglichen konzeptionellen Framework betreffen: • Ergänzung um exogene Mechanismen (Akteurinnen/Akteure und organisationaler Kontext) • Detaillierung der Routinen mit endogenen Dynamiken (geplantes Ausführen und kreatives Abweichen) • Ergänzung um ein verbindendes Artefakt zwischen den Routinen In Abb. 4.6 wird das erweiterte konzeptionelle Framework dargestellt. Das sowohl theoretisch als auch empirisch fundierte erweiterte konzeptionelle Framework zeigt, dass Scrum, als agiles Vorgehen, Ambidextrie auf Projektebene erleichtert,
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4
Ergebnisse und Diskussion
indem es kontinuierlich ein Muster aus abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen produziert. Zudem koordiniert die Rolle des Scrum Masters dieses Muster und stellt dessen tatsächliche Realisierung sicher. Daraus ergibt sich eine Kombination aus sequentieller Ambidextrie und kontextueller Ambidextrie. Dargestellt findet man:
Abb. 4.6 Erweitertes konzeptionelles Framework. (Quelle: Eigene Darstellung)
• auf der linken Seite die exogenen Mechanismen (Akteurinnen/Akteure und organisationaler Kontext). Der Einfluss von Akteurinnen und Akteuren bezieht sich vornehmlich auf Rollen, der Einfluss des organisationalen Kontexts auf das Cluster an Routinen. • Unverändert findet sich im oberen Bereich die Wechselwirkung von Rollen in Scrum mit dem Cluster an Routinen. Rollen können potentiell kontextuelle Ambidextrie erleichtern, wie mit dem gestrichelten Pfeil angedeutet. • In der Mitte findet sich der Hauptfokus dieser Arbeit, das Cluster an Routinen in Scrum. Aus Gründen der Vereinfachung ist nur das exemplarische Muster an abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen eingezeichnet, anhand dessen der prinzipielle Wechsel von Exploration zu Exploitation veranschaulicht werden soll. Innerhalb der Routinen finden sich die endogenen Dynamiken (geplantes Ausführen und kreatives Abweichen). Zwischen
4.5 Erweitertes konzeptionelles Framework
149
den Routinen ist ein verbindendes Artefakt als koordinierender Mechanismus eingezeichnet. Das Cluster an Routinen führt potentiell zu sequentieller Ambidextrie, wie mit dem gestrichelten Pfeil angedeutet. • Insgesamt ergibt sich eine dynamische Balancierung von Exploration und Exploitation auf Projektebene, die sich ständig verändern kann: dynamische Ambidextrie. Die Forschungsfrage, wie Scrum, als agiles Vorgehen, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten beeinflusst, kann nach der empirischen Untersuchung also wie folgt beantwortet werden: • Scrum stellt eine Struktur bereit, welche die Entwicklung eines Musters aus abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen unterstützt. • Darüber hinaus ermöglichen die Rollen Scrum Master und Projektteam es, dieses Muster zu koordinieren und durchzusetzen. • Eine stabile Reihenfolge der Routinen sowie ein Kanban board als verbindendes Artefakt tragen wesentlich zur Koordinierung dieses Musters bei. • Erst die geplante Ausführung von Routinen, die zu einem stabilen Muster führt, erlaubt tatsächlich die Entwicklung von Exploration in Projekten. Kreatives Abweichen von Routinen fördert in Projekten hingegen eher die Entwicklung von Exploitation.
4.5.4
Theoretische Beiträge
Basierend auf den Ergebnissen und Diskussionen liefert diese Arbeit neun relevante theoretische Beiträge, um bestehende Theorien oder theoretische Konzepte weiterzuentwickeln und zu verfeinern (Fisher und Aguinis 2017; Graebner u. a. 2012). Die Beiträge sind gruppiert in drei Forschungsfelder, zu denen jeweils drei theoretische Beiträge geleistet werden: • Ambidextrie • Routinen • Projektmanagement In Tabelle 4.3 werden die theoretischen Beiträge dieser Arbeit in Übersicht dargestellt.
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4
Ergebnisse und Diskussion
Tab. 4.3 Übersicht über die theoretischen Beiträge. (Quelle: Eigene Darstellung) Ambidextrie • Weiterentwicklung des Konzepts der hybriden Ambidextrie als Kombination aus sequentieller und kontextueller Ambidextrie • Exogene Mechanismen (Akteurinnen/Akteure und organisationaler Kontext), die auf die Balancierung von Exploration und Exploitation wirken • Dynamische Konzipierung von Ambidextrie in Projekten anhand von Routinen, Rollen und exogenen Mechanismen Routinen
• Endogene Routinendynamiken (geplantes Ausführen und kreatives Abweichen) inkl. Funktionen • Koordination auf Clusterebene durch Sequenz und ein verbindendes Artefakt • Clusterdynamik im Gegensatz zu Routinendynamik
Projektmanagement
• Unterscheidung von Scrum als neue Form temporären Organisierens anhand spezifischer Lösungen von Kernproblemen temporärer Organisationen • Theoretische Einbettung der Lösungen von Scrum in Organisationsund Managementtheorien • Weiterentwicklung des theoretischen Verständnisses und der Konzeption von Projektmanagementmethoden anhand von Scrum
Forschung zu Ambidextrie • Erstens erweitert die vorliegende Arbeit die Literatur um eine empirische Analyse hybrider Ambidextrie. Während bisherige Forschung großteils nur eine Art von Ambidextrie isoliert betrachtete, wurde in dieser Arbeit eine Kombination aus sequentieller und kontextueller Ambidextrie als hybride Ambidextrie untersucht. Dazu wurden die Mechanismen, ein Muster an abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen und Rollen, die dieses Muster beeinflussen, sorgfältig ausgearbeitet. Der Beitrag dieser Arbeit stützt damit existierende Forschung zur Rolle der Projektleiterin oder des Projektleiters und ambidextrer Führung und erweitert sie um den Aspekt, wie diese jeweils Einfluss auf die Balance von Exploration und Exploitation nehmen. Weiterhin wird einer Forderung von Pellegrinelli u. a. (2015: 4) entsprochen, die konstatieren: “There is, though, a clear gap in the literature associated with understanding ‘how’ ambidexterity is facilitated in practice.” Gleichzeitig werden damit mehrere Analyseebenen in Wechselwirkung betrachtet (Strukturen und Verhalten) und damit einer Forderung von Birkinshaw und Gupta entsprochen (2013: 294).
4.5 Erweitertes konzeptionelles Framework
151
• Zweitens wurden zwei exogene Mechanismen gefunden, die dazu führten, dass die Balance aus Exploration und Exploitation (durch das Muster der Routinen) zeitweise in ein Ungleichgewicht zugunsten Exploitation kippte. Es wurde beobachtet, wie Akteurinnen und Akteure vom ostensiven Aspekt der Routinen abwichen, indem bestimmte Praktiken ignoriert oder nicht geplant wurden. Dieser erste Mechanismus Akteurinnen/Akteure wurde weiter unterteilt in die Konzepte „persönliche Ziele“ und „Vorerfahrungen“. Weiterhin beeinflusste auch der organisationale Kontext die Routinen, am auffälligsten in Form existierender Routinen zum Controlling von Projekten und dem Verhalten des Top Managements. Der Mechanismus organisationaler Kontext wurde in die Konzepte „Einbettung in vorhandene Routinen“ und „kulturelle Formung“ unterteilt. Damit wurde zugleich ein Beitrag zum Verständnis der Schnittpunkte temporärer Organisationen, in Form von Projekten, und permanenter Organisationen geleistet (Geraldi und Söderlund 2018; Stjerne und Svejenova 2016). • Drittens wird ein wichtiger Beitrag zu dynamischer Ambidextrie auf Projektebene geleistet. Dazu wurde ein umfangreiches, theoretisch wie empirisch gestütztes konzeptionelles Framework entwickelt, um die dynamische Balancierung von Exploration und Exploitation in Projekten zu erklären. Während vorherige Forschung Ambidextrie eher statisch konzipierte, wurde Ambidextrie in dieser Arbeit dynamisch verstanden, indem äußere Einflüsse von Akteurinnen und Akteuren sowie dem organisationalen Kontext mit Rollen, Routinenund Clusterdynamiken sowie deren Koordinierung in Wechselwirkung untersucht wurden. Forschung zu Routinen • Mit Blick auf die Literatur zu Routinendynamik leistet die Arbeit einen Beitrag, indem die endogenen Dynamiken geplanten Ausführens und kreativer Abweichung in der Durchführung von Routinen eingeführt wurden. Beide Konzepte bauen auf bekannten Ideen der Routinendynamik auf (“effortful accomplishment” und “emergent accomplishment”), erweitern diese jedoch um jeweils drei Funktionen. Geplantes Ausführen bezieht sich dabei auf vordefinierte Handlungen, die hauptsächlich vom ostensiven Aspekt geprägt sind und Durchführungen stabilisieren, indem sie Vorhersagbarkeit, Verantwortlichkeit und ein gemeinsames Verständnis schaffen. Kreatives Abweichen bezieht sich hingegen auf aus der Situation entstehende Handlungen, die hauptsächlich von den beteiligten Akteurinnen und Akteuren geprägt sind und zur
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4
Ergebnisse und Diskussion
flexiblen Durchführung von Routinen führen. Dies geschieht, indem Unterschiede zu vorherigen Durchführungen geschaffen, laufende Durchführungen unterbrochen oder sich ergebende Situationen bewältigt werden. • Weiterhin leistet diese Arbeit einen Beitrag zur Forschung über Koordination auf der Clusterebene. Es wird gezeigt, wie Koordination in einem Cluster von Routinen, im Gegensatz zu akteurgetriebener Koordination in Einzelroutinen, auf Vorhersehbarkeit durch die Sequenz der Routinen sowie auf Verantwortlichkeit und ein gemeinsames Verständnis durch ein die Routinen verbindendes Artefakt beruht. • Sechstens bringen die hier vorgestellten Ergebnisse die Forschung zu interdependenten Routinen und Clusterdynamiken weiter. Anders als Einzelroutinen, mit sich konstant verändernden Durchführungen, um Stabilität zu erreichen, erreicht ein Cluster an Routinen mit stabilen Durchführungen Flexibilität. Für die Beratungsforschung konnte der Zusammenhang von standardisierten, stark strukturierten Vorgehensweisen (hier Scrum) in Projekten zur Unterstützung explorativer, innovativer Vorhaben gezeigt und bestehende Studien konnten damit bestätigt werden (Wright u. a. 2012). Bildlich gesprochen kann man sich, wie bereits erwähnt, Routinendynamik als Akrobat/-in auf einem Stahlseil, ständig in leichter Bewegung, um Stabilität und Exploitation als Resultat zu erzielen, vorstellen. Auf Clusterdynamik trifft hingegen besser das Bild einer Improvisationsgruppe, in der Schauspieler/-innen strikt auf einen stabilen Prozess achten und sich ständig an Änderungen anpassen, um auch Flexibilität und Exploration als Resultat zu erzielen. Es kann also ein Unterschied zwischen bereits gut untersuchten Routinendynamiken und noch relativ spärlich untersuchten Clusterdynamiken konstatiert werden. Damit werden aktuelle Fragen beantwortet, wie interdependente Routinen zusammenwirken (Feldman u. a. 2019; Kremser u. a. 2019; Kremser und Schreyögg 2016: 21). Forschung zu Projektmanagement • Siebtens trägt diese Arbeit dazu bei, neue Formen des Organisierens zu beschreiben. Es wird die Frage beantwortet, inwiefern sich Scrum als iterativer Ansatz von phasenbasierten Ansätzen wie dem Wasserfallmodell unterscheidet. Dazu wird die Forschung zu neuen Formen des Organisierens weiterentwickelt, indem sechs Kernprobleme des temporären Organisierens entworfen werden. Mittels dieser sechs Kernprobleme werden iterative Ansätze mit phasenbasierten Ansätzen verglichen. Die sechs Kernprobleme sind: Setzen von Projektzielen, Entwickeln von Aufgaben, Verteilen von Aufgaben, Motivieren
4.5 Erweitertes konzeptionelles Framework
153
zur Kooperation, Koordinieren von Arbeit und Kontrollieren von Arbeit. Im Vergleich mit phasenbasierten Ansätzen wie dem Wasserfallmodell kombinieren iterative Ansätze wie Scrum ein spezifisches und klar unterscheidbares Bündel an Lösungen für diese sechs Kernprobleme. Daher kann von Scrum als neuem Ansatz temporären Organisierens gesprochen werden. • Achtens wird die theoretische Einbettung agiler Projektmanagementmethoden anhand von Scrum in die Management- und Organisationsforschung systematisch weiterentwickelt. Es wird ausgeführt, wie die spezifischen Lösungen von Scrum für die sechs Kernprobleme temporären Organisierens durch existierende Theorien erklärt werden können. Obwohl das Bündel an Lösungen spezifisch ist, kann jede einzelne seiner Lösungen mit bestehenden Theorien oder Konzepten im Bereich der Management- und Organisationsforschung in Verbindung gebracht werden. Dieser Beitrag geht auf Forderungen ein, theoretische Defizite und ein fehlendes theoretisches Verständnis agiler Vorgehensweisen zu überwinden. Damit wird eine aufkommende, breit angelegte Theorieentwicklung im Bereich Projektmanagement (Hanisch und Wald 2011; Lenfle u. a. 2019) mit einem Fokus auf agile Vorgehensweisen ergänzt. Schließlich werden damit auch nützliche theoretische Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschung bereitgestellt. • Neuntens wird ein vertiefender Vorschlag erarbeitet, wie Projektmanagementmethoden theoretisch verstanden und untersucht werden können, indem ein agiles Vorgehen als Cluster an interdependenten Routinen konzipiert wurden. Bis heute gibt es kaum Studien, die auf das Phänomen von Projektmanagementmethoden mit einer Routinenperspektive blicken. In der Forschung im Bereich Projektmanagement wurde die Rolle von Projektmanagementmethoden bisher eher vernachlässigt. Das überrascht, da seit ca. 1960 Routinen und Praktiken im Projektmanagement durch verschiedene Institutionen standardisiert und verbreitet wurden, etwa durch das „Project Management Institute“ (PMI) (Garel 2013; für einen Überblick vgl. Grau 2013). Solche Standards bilden das Fundament von Projektarbeit und beeinflussen diese daher stark. Daher fordert die jüngere Literatur, die Auswirkungen solcher Standards stärker zu beachten und zu erforschen (Delisle 2019: 977). Ebenso wenig wurde Zeit, in Form dynamischer Veränderungen, als wichtige Dimension in der Forschung zu Projekten berücksichtigt (Bakker u. a. 2016; Delisle 2019; Maaninen-Olsson und Müllern 2009). Schließlich konnte bisherige Forschung in diesem Bereich die Wechselbeziehung von Akteurinnen und Akteuren sowie Strukturen (wie Rollen und Routinen in Scrum) nicht überzeugend darlegen. In dieser Arbeit wurde daher die Forschung zu Routinen mit dem Konzept der Ambidextrie
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4
Ergebnisse und Diskussion
kombiniert, um ein tieferes und differenzierteres Verständnis agiler Vorgehensweisen als Projektmanagementmethoden zu entwickeln. Dazu wurden neben einer Mikrofundierung sequentieller Ambidextrie, durch Analyse der einzelnen Routinen und Praktiken, sorgfältig die vielfältigen dynamischen Einflüsse über Rollen, Akteurinnen und Akteure sowie organisationalen Kontext rekonstruiert. Damit bietet diese Arbeit eine theoretisch und empirisch fundierte Analyse und Konzeption von Scrum als Projektmanagementmethode, wie sie in bisheriger Forschung noch nicht zu finden ist. Diese Erkenntnisse sind vor dem Hintergrund einer „Projektifizierung“ von Arbeit (Midler 1995; Schreyögg und Geiger 2016: 99 ff.; Sydow u. a. 2004) und des weiterhin hohen Interesses an agilen Vorgehensweisen wie Scrum besonders relevant (Dikert u. a. 2016; Dingsøyr u. a. 2018; Lee und Edmondson 2017). Der Beitrag dieser Arbeit ist damit von Relevanz für das Forschungsfeld Projektmanagement, aber auch für Praktiker/-innen, da Projektmanagementmethoden in der Praxis weit verbreitet sind.
5
Schlussbetrachtungen
Nachdem zunächst theoriebasiert ein erstes konzeptionelles Framework zur Beantwortung der Forschungsfrage entwickelt worden war, konnte dieses mittels einer empirischen Untersuchung wesentlich ausgebaut werden. Im Zuge der Beantwortung der Forschungsfrage wurden wesentliche theoretische Beiträge in den Bereichen Ambidextrie, Routinen und Projektmanagement geleistet. In der Schlussbetrachtung werden: • • • •
zentrale Ergebnisse der Arbeit rekapituliert, Implikationen der Arbeit für die Praxis erläutert, Limitationen der Arbeit besprochen, Überlegungen für zukünftige Forschungsvorhaben aufgezeigt.
5.1
Rekapitulation zentraler Ergebnisse
Gegenstand der Forschungsfrage dieser Arbeit war es, den Einfluss von Scrum, als agilem Vorgehen, auf die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten besser zu verstehen. Dazu wurde ein konzeptionelles Framework entwickelt und in einer empirischen Untersuchung erweitert. • Im ersten Teil der Arbeit wurde zunächst auf das theoretische Konzept der Ambidextrie eingegangen und Beiträge sowie Schwachstellen aktueller Forschung zu Ambidextrie in Projekten wurden kritisch diskutiert. • Danach wurde das Forschungsfeld der Routinendynamik betrachtet, da Scrum, als agiles Vorgehen, analytisch mit Hilfe des Konzepts von Routinen entworfen © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. Sailer, Dynamische Ambidextrie durch interdependente Routinen, Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32054-6_5
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156
•
•
•
•
•
• •
5
Schlussbetrachtungen
wurde. Durch die Konzipierung von Vorgehensweisen in Projekten als Routinen konnten Dynamiken zwischen abstraktem Vorgehen und tatsächlichen Handlungen erfasst werden. Da Scrum aus mehreren voneinander abhängigen Routinen besteht, wurde ebenfalls die Literatur zu Interdependenzen und Koordination dargestellt. Anschließend wurde auf das Forschungsfeld Projektmanagement sowie das Verständnis von Vorgehensweisen in Projekten als Projektmanagementmethoden eingegangen. Es wurde dargestellt, inwiefern sich agile Vorgehensweisen wie Scrum von traditionellen Vorgehensweisen wie dem Wasserfallmodell unterscheiden. Auf Basis dieser theoretischen Grundlagen wurde untersucht, wie Routinen und Rollen in Scrum die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten beeinflussen. Diese theoretischen Ergebnisse wurden in einem konzeptionellen Framework dargestellt. Im anschließenden Teil der Arbeit wurde eine empirische Untersuchung durchgeführt, um das konzeptionelle Framework zu erweitern. Dazu wurden zuerst die wissenschaftstheoretische Methodologie und das qualitative Forschungsdesign beschrieben und anhand angemessener Qualitäts- und Gütekriterien überprüft. Danach wurden die interne Unternehmensberatung als Kontext der Untersuchung sowie die Fallstudie, d. h. das Projekt der internen Unternehmensberatung, näher beschrieben. Schließlich wurden die Ergebnisse der Fallstudie entlang vier analytisch getrennter Bereiche, die den „Bausteinen“ des konzeptionellen Frameworks entsprechen, beschrieben und diskutiert: der Einzelroutinen in Scrum, des Clusters von Routinen, der Einflüsse auf das Cluster sowie der Auswirkungen des Clusters. Aus diesen empirischen Ergebnissen und Diskussionen wurde ein erweitertes konzeptionelles Framework entwickelt, welches die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten veranschaulicht. Dabei wurden relevante theoretische Beiträge in den Forschungsgebieten Ambidextrie, Routinen und Projektmanagement geliefert. Im letzten Teil der Arbeit wird auf Implikationen dieser Arbeit für die Praxis sowie auf Limitationen eingegangen. Abschließend werden Überlegungen für zukünftige Forschungsvorhaben aufgezeigt. Zusammenfassend lieferte diese Arbeit damit jeweils drei relevante theoretische Beiträge in den Bereichen Ambidextrie, Routinen und Projektmanagement. Im Bereich Ambidextrie wird das Konzept der hybriden Ambidextrie weiterentwickelt und es werden zwei exogene Mechanismen sowie die dynamische Balancierung in einem konzeptionellen Framework beigesteuert. Zur
5.2 Implikationen für die Praxis
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Forschung über Routinen werden Beiträge zu endogener Routinendynamik, zur Koordination auf Clusterebene und zu Clusterdynamik geliefert. Im Gebiet Projektmanagement werden Beiträge zur Erklärung neuer Formen des temporären Organisierens, zu deren Einbettung in bestehende Theorien sowie zur Entwicklung eines theoretisch fundierten Verständnisses von Scrum als agiler Projektmanagementmethode geleistet. • Insgesamt gelingt es mit dieser Arbeit, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten durch interdependente Routinen auf fundierttheoretischer sowie feingranular-empirischer Basis zu konzipieren.
5.2
Implikationen für die Praxis
Da erste Evaluationen agiler Vorgehensweisen wie Scrum vielversprechend aussehen (Komus und Kuberg 2017; Serrador und Pinto 2015), darf zukünftig von einer weiterhin zunehmenden Nutzung agiler Vorgehensweisen in der Praxis ausgegangen werden. Diese verstärkte Anwendung betrifft auch besonders den in der Fallstudie beschriebenen Kontext von Unternehmensberatungen (Cecere 2016; Kumar Parakala 2015; Nissen 2018a). Die Ergebnisse dieser Arbeit führen auch für Praktiker/-innen zu wichtigen Erkenntnissen. Es werden im Folgenden fünf prägnante Empfehlungen, speziell für Projektleiter/-innen und Berater/-innen im Hinblick auf Scrum als agiles Vorgehen in Projekten, formuliert. Damit wird auf Forderungen eingegangen, mehr praktische Hinweise für Projektleiter/-innen und Praktiker/-innen zu geben (Delisle 2019: 976; Turner u. a. 2014: 46). Die Empfehlungen sind im Einzelnen: • Aus den Ergebnissen in Hinblick auf die explorative Routine 1 zur Anpassung der Projektziele in Scrum ergibt sich die Empfehlung, bereits vor Projektbeginn sicherzustellen, dass die Projektziele auch während des Projekts (in Abstimmung mit dem Kunden) geändert werden können, d. h. flexibel bleiben (vgl. dazu Loch und Sommer 2019). Für Beratungsprojekte oder externe Dienstleister bedeutet dies gegebenenfalls vertragliche Anpassungen. Dies wird in der Praktikerliteratur bereits unter dem Stichwort “agile contracting” diskutiert (vgl. zum Einfluss von Verträgen auf Koordination Oliveira und Lumineau 2017). • Aus den Ergebnissen bzgl. des organisationalen Kontexts ergibt sich die Empfehlung, vor Projektbeginn die Einbettung des Projekts in vorhandene
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5
Schlussbetrachtungen
organisationale Routinen wie Projektcontrolling oder PMO-Reporting zu klären, um so widersprüchliche Vorgehensweisen aufzudecken und Konsequenzen zu diskutieren. • Aus den Erkenntnissen hinsichtlich Clusterdynamiken ergibt sich die Empfehlung, besonders auf explorative Routinen und Praktiken zu bestehen. Das heißt, insbesondere darauf zu achten, dass Routinen zur Überprüfung und Anpassung der Projektziele, zur Projektplanung und zum Kundenfeedback tatsächlich geplant durchgeführt werden und nicht „dringenderen“ Aufgaben zum Opfer fallen. • Aus den Ergebnissen zu Akteuren und Rollen empfiehlt sich, explizit die Rolle des Scrum Masters zu besetzen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass explorative und exploitative Routinen abgewechselt werden. Bei der Besetzung der Rolle ist auf ausreichend Vorerfahrung mit Scrum oder ähnlichen agilen Vorgehensweisen zu achten. • Aus den Erkenntnissen zur Koordinierung von Routinen wird empfohlen, Artefakte wie einen Projektraum und ein Kanban board einzusetzen, um Mittel zur Koordination bereitzustellen. Dies scheint gerade bei ansonsten offenen Projektflächen wichtig, da diese zu kreativen Abweichungen verleiten können. Durch z. B. ein Kanban board können geplante Face-to-Face-Interaktionen erleichtert werden und diese wiederum koordinierend wirken. Diese Empfehlungen sind für Praktiker/-innen relevant, da bekannt ist, dass die tatsächliche Durchführung von Scrum in der Praxis heterogen ist (Diebold u. a. 2015). Besonders Projektleiter/-innen oder Berater/-innen, die mit Scrum, als agilem Vorgehen, arbeiten oder in den Bereichen Produktentwicklung oder Forschung & Entwicklung, in denen ein hoher Grad an Unsicherheit herrscht, tätig sind, sollten davon profitieren können. In diesen Bereichen ist auch der Nutzen einer Balancierung von Exploration und Exploitation für das Projekt am höchsten.
5.3
Limitationen
Diese Arbeit hat, wie jede wissenschaftliche Arbeit, Limitationen. Es wird auf die drei wichtigsten Grenzen der Übertragbarkeit der Ergebnisse eingegangen: die Verallgemeinerbarkeit des gewählten Kontexts, die eigene Rolle und das gewählte Beispiel für agile Vorgehensweisen. • Der empirische Teil resultiert aus dem speziellen Kontext einer internen Unternehmensberatung, so dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere
5.4 Überlegungen für zukünftige Forschungsvorhaben
159
Kontexte limitiert ist. Das Ziel qualitativer Forschung ist jedoch auch nicht die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse auf alle möglichen Kontexte (statistische Generalisierung), sondern eine situations- und kontextspezifische Verallgemeinerbarkeit. Das entspricht einer theoretischen Generalisierung (siehe Abschnitt 3.1.4), die in dieser Arbeit durch die Auswahl eines Falls, der typisch für den PSF-Kontext und besonders relevant für die Forschungsfrage ist, sichergestellt wurde. Das heißt, die empirischen Ergebnisse sind für benachbarte PSF-Bereiche, wie Produktentwicklung, Technologie- oder Innovationsberatung, Wirtschaftsprüfungen oder Anwaltskanzleien, von hoher Relevanz und können auf diese verallgemeinert werden. • Die empirische Untersuchung wurde mittels eines „Insiderzugangs“ durchgeführt, d. h., der Autor unterstützte in der Rolle eines Beraters die SeniorBerater, während er gleichzeitig auch die Rolle eines Forschers innehatte. Ein solcher Zugang kann zu Rollenkonflikten und fehlender kritischer Distanz führen. Der Autor war sich dieser Schwierigkeiten bewusst und ergriff Gegenmaßnahmen, um solchen Schwierigkeiten entgegenzuwirken (siehe Abschnitt 3.2.1 für Details). Zunächst hatte er als Berater eine lediglich unterstützende Rolle und beispielsweise nicht die Rolle des Scrum Masters, Product Owners oder Projektleiters. Zudem reflektierte er beide Rollen sowie seine kritische Distanz regelmäßig in Form von Memos und achtete auf unmittelbares Ausformulieren der Feldnotizen und deren theoretisch-kritische Reflexion. • Zuletzt lag der Fokus dieser Arbeit auf Scrum als Beispiel einer agilen Vorgehensweise. Die Auswahl von Scrum ist gerechtfertigt durch die hohe Verbreitung und damit Relevanz in der Praxis. Das bedeutet aber, das gefundene Muster an abwechselnd explorativen und exploitativen Routinen ist spezifisch für Scrum und wird sich bei anderen agilen Vorgehensweisen oder klassischen Projektmanagementmethoden unterscheiden.
5.4
Überlegungen für zukünftige Forschungsvorhaben
Aus den erläuterten Limitationen ergeben sich Überlegungen für zukünftige Forschungsvorhaben, die zur Weiterentwicklung der in dieser Arbeit erreichten Ergebnisse beitragen können: • Ausgehend von der eben besprochenen limitierten Generalisierbarkeit der vorliegenden Arbeit, würde eine Weiterentwicklung des konzeptionellen Frameworks hin zu operationalisierten Konstrukten und testbaren Hypothesen
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Schlussbetrachtungen
einen wichtigen Beitrag zur Erforschung dynamischer Ambidextrie in Projekten liefern (Hirsch und Levin 1999; Makadok u. a. 2018; Weick 1989; Yaniv 2011). • In dieser Arbeit wurde bereits die Relevanz der Schnittstelle zwischen permanenter und temporärer Organisation in Form des organisationalen Kontexts ersichtlich. Eine zukünftige Studie könnte, davon ausgehend, weitere Einsichten in das Zusammenspiel von Ambidextrie auf Projektebene und Ambidextrie auf Organisationsebene beitragen. Wie beeinflussen sich die Ebenen temporärer Organisationen und „einbettender“ permanenter Organisationen gegenseitig und wie wirken sich sogenannte „skalierte“ agile Vorgehensweisen auf ganze Organisationen aus (Bakker u. a. 2016: 1708; Brady und Davies 2004; Dikert u. a. 2016; Stjerne und Svejenova 2016)? • Ausgehend von dem Einbezug von Dynamik, und damit von Zeit, in dieser Arbeit, erscheint eine vertiefte Betrachtung der zeitlichen Dimension(en) interessant. Für eine Vertiefung wären die Verhältnisse sowohl innerhalb einer temporären Organisationen wie auch zwischen beteiligten Akteurinnen und Akteuren oder auch zwischen temporären Organisationen und permanenten Organisationen von hohem Interesse (Ancona u. a. 2001; Delisle 2019; Lee und Liebenau 1999; Ligthart u. a. 2016; Orlikowski und Yates 2002; Stjerne und Svejenova 2016; Sydow und Braun 2018; Turner und Rindova 2018). • Zuletzt erscheinen Untersuchungen weiterer Projektmanagementmethoden neben Scrum lohnend. Dabei erscheint ein „Project-as-Practice“-Ansatz (Blomquist u. a. 2010) vielversprechend, der, ebenso wie die in dieser Arbeit verwendete Routinenperspektive, in der Lage ist, auf Unterschiede und Wechselwirkungen zwischen abstrakter Struktur, tatsächlicher Durchführung und Artefakten in Projekten einzugehen. Diese praxistheoretischen Ansätze sind in der Forschung zu Projektmanagement immer noch weitgehend unbekannt. In dieser Arbeit wurde der Frage nachgegangen, wie Scrum, als agiles Vorgehen, die dynamische Entwicklung von Ambidextrie in Projekten beeinflusst. Basierend auf theoretischen Analysen und einer empirischen Untersuchung konnte diese Frage beantwortet werden, indem die dynamische Entwicklung von Ambidextrie durch interdependente Routinen konzipiert wurde. Zudem gelang es, wertvolle theoretische Beiträge für die Forschung zu Ambidextrie, Routinen und Projektmanagement zu erarbeiten und relevante Implikationen für die Praxis aufzuzeigen. Schließlich bildet diese Arbeit den Ausgangspunkt für weitere, zukünftige Forschungsvorhaben.
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